Köbler,
Gerhard, Zielwörterbuch europäischer
Rechtsgeschichte, 5. Auflage, 2009042020100101. Fassung 20090320
A
A. A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für den abstrakt Aulus Agerius
genannten Kläger des römischen → Formularprozesses.
Lit.: Söllner § 9
Aachen ist der ohne
nachweisbare Kontinuität zu einer römischen Siedlung an den Ausläufern des
Hohen Venn 765/766 als fränkische königliche → Pfalz erscheinende Ort, der
nach der Reichsteilung 843/877 in eine Randlage gerät. Von 936 (Otto I.) bis
1531 (Ferdinand I.) ist es Krönungsstätte der deutschen Könige (mit
Thronsetzung auf einen Marmorthron). 1071 wird A. (lat. [N.]) oppidum genannt,
1087 werden [lat. M. Pl.) cives erwähnt. 1166 erhält A. besondere Rechte. Die
1192 neben der Gesamtheit der Bürger nachweisbaren → Schöffen entwickeln
sich seit 1134 (?) zu einem bedeutenden → Oberhof für teilweise bis zu
200 meist aus Reichsgut stammende Gerichte. Bis 1254 wird A. freie →
Reichsstadt (Reichslandstadt) bis zur Besetzung durch Frankreich (1794). Über
Preußen (1815) gelangt es 1946 zu Nordrhein-Westfalen.
Lit.: Loersch,
H., Achener Rechtsdenkmäler, 1871; Schwabe,
W., Der Aachener Oberhof, 1924; Schwabe, W., Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins 47 (1925), 48/49 (1926/1927); Herkens, R., Der Anspruch
Aachens auf Krönung der deutschen Könige nach 1531, Diss. jur. Bonn 1959;
Regesten der Reichsstadt Aachen, bearb. v. Mummenhoff, W. u. a., 1961ff.;
Falkenstein, L., Der „Lateran“ der karolingischen Pfalz zu Aachen, 1966;
Aachener Urkunden, bearb. v. Meuthen, E., 1979; Kraus, T., Jülich, Aachen und
das Reich, 1988; Die Aachener Stadtrechungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v.
Kraus, T., 2004
Aargau ist das um
die Aare gelegene Land, das als A. 763 erstmals erscheint. 1415 erobert die
Eidgenossenschaft der → Schweiz Teile des Gebiets. 1798/1803 wird daraus
der Kanton A., der 1831 eine liberale Verfassung erhält.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merz, W. u. a., Die
Rechtsquellen des Kantons Aargau, Teil 1ff. 1898ff.; Merz, W., Mittelalterliche
Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Nabholz, H., Der Aargau
nach dem habsburgischen Urbar, Argovia 33 (1909); Dubler, H., Der Kanton Aargau
und das Bistum Basel, 1921; Merz, W., Die Jahrzeitbücher der Stadt Aarau, Teil
1f. 1924ff.; Merz, W., Geschichte der Stadt Aarau im Mittelalter, 1925;
Aargauer Urkunden, Teil 1f. 1931ff.; Strebel, K., Die Verwaltung der freien
Ämter im 18. Jahrhundert, 1940; Werder, M., Die Gerichtsverfassung des
aargauischen Eigenamtes, 1941; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,440; Geissmann, H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton
Aargau (1847-1855), 1991
Abandon ist die
wohl im spätmittelalterlichen italienisch-französischen Seerecht entstehende
Möglichkeit der Aufgabe der Rechte an einem Gegenstand, um Haftungsfreiheit
bzw. später Versicherungsleistung zu erlangen. Der A. erscheint erstmals in
einem Statut der Stadt Kampen vom 14. 2. 1372. Im 19. Jh. findet der A. Eingang
in das Recht der juristischen Personen des Gesellschaftsrechts.
Lit.: Hantke, G., Der Abandon, 1912; Rehme, P., Geschichte
des Handelsrechts, 1913; Helberg, O., Der Abandon in der Seeversicherung, 1925;
Martin, L., L’abandon, 1957; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595
Abecedarium (bzw. Promptuarium, Remissorium,
Vocabularium) ist das auf Grund antiker
Gedankengänge seit dem 13. Jh. entstehende alphabetisch geordnete Sammelwerk
eines Rechtsgebiets (römisches Recht, kirchliches Recht, um 1400 Greifswalder
A. für → Sachsenspiegel und Sachsenspiegelglosse mit 7 Handschriften,
1402 Preetzer A., 1414ff. A. von Achte bis Wunden, vor 1421ff. Schlüssel des
Landrechts, 1. H. 15. Jh. Rechtsabecedarium der 2200 Artikel, E. 15. Jh.
Erlanger Promptuarium mit etwa 1400 Artikeln, 1490-1493 Remissorium Kaspar
Popplaus).
Lit.: Steffenhagen, E., Das Preetzer Abecedarium mit dem
Richtsteig Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesch.
22 (1892), 297; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980,
143ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 77
Abendmahlsprobe ist
die an das christliche Abendmahl anknüpfende Form des → Gottesurteils.
Aberacht ist die
seit dem Hochmittelalter belegte, nach fruchtlosem Verstreichenlassen einer
Frist von → Jahr und Tag eintretende Verstärkung der → Acht.
Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959
Aberdeen am Don in
Schottland wird um 1130 Sitz eines Bischofs und 1494/5 Sitz einer Universität.
Lit.: Keith, A.,
A thousand Years of
Aberglaube (15. Jh. in Glosse zum Sankt
Trudperter Hohenlied) ist der von der einem herrschenden Glauben als abwegig
verworfene Glaube (lat. [F.] superstitio).
Lit.: Feine, J., Der
Aberglaube, 1857; Schefold, K. u. a., Der Aberglaube im Rechtsleben, 1912;
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. v. Bächtold-Stäubli, H., Bd.
1ff. 1927ff., Neudruck 1987, digitalisierte Fassung 2006; Freytag, N.,
Aberglauben im 19. Jahrhundert, 2003; Hersperger, P., Kirche, Magie und
Aberglaube, 2009
Abfall ist der nach Nutzung einer Sache
verbleibende, nicht mehr genutzte oder nutzbare Rest.
Lit.: Abfall, hg. v. Rusterholz, P./Moser, R., 2004
Abgabe ist die Leistung von Gegenständen an die Allgemeinheit, an eine besondere Einrichtung oder an besondere Einzelne. Die rechtliche Grundlage der A. ist verschieden. Meist beruht die A. auf einer Pflicht zur Unterstützung als Gegenleistung für einen Schutz oder eine Gebrauchsmöglichkeit. In der Naturalwirtschaft besteht die A. in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld. 1919 fasst das Deutsche Reich das Recht der Abgaben in der Reichsabgabenordnung zusammen, die 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die Abgaben erneuert wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Pöhlmann, C., Was ist
Seltertum, ZRG GA 55 (1935), 243; Becker, A., Was ist Seltertum, ZRG GA 56
(1936), 398; Löning, G., Muntepenninge, ZRG GA 59 (1939), 273; Müller, W., Die
Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Henning, F., Dienste und
Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Steuern, Abgaben und Dienste, hg.
v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998
Abgeordneter ist allgemein der durch eine
Anordnung an eine Stelle Gesetzte, insbesondere der Volksvertreter im
Parlament. Er ist nach dem vorzugswürdigen Grundsatz des freien Mandats nicht
an den Willen der ihn Abordnenden gebunden (so aber DDR 1968), sondern in
seiner Entscheidung nur seinem Gewissen und der Verantwortung für die
Gesamtheit unterworfen. In Österreich führt die Februarverfassung des Jahres
1861 ein von den Landtagen besetztes Abgeordnetenhaus als zweite Kammer des
Reichsrats neben dem Herrenhaus ein (1873 direkte Wahl, wegen des
Nationalitätenkonflikts zeitweise handlungsunfähig, 12. 11. 1918 letzte
Sitzung).
Lit.: Biographisches
Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, bearb. v. Best,
H. u. a., 1996
Abkürzung ist die aus Zweckmässigkeitsgründen
gekürzte Form einer Gegebenheit (z. B. eines Wortes oder Weges).
Lit.: Kirchner, H.,
Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. A. 2008; Schuler, P., Abkürzungslexikon,
2007 (vom Verlag zurückgezogen)
Ablass ist die im 11. Jh. (u. a. Clermont 1095 Ablass für Teilnahme am Kreuzzug, 1187 für geldliche Förderung eines Kreuzzugs, um 1300 von Verbindung zu Kreuzzügen gelöst) in der christlichen → Kirche aus der Bitte um Vergebung und Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott verbindliche Befreiung von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe begnügen sich mit einem Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und artmäßige Erweiterung führt bereits im 13. Jh. zu scharf gerügten Missständen. Der Kauf von A. (auch für Verstorbene) wird ein wichtiger Anlass für die reformatorischen Ziele (John Wyclifs, Johannes Hus’ und) Martin → Luthers. Nach gegenwärtigem Verständnis der katholischen Kirche ist A. Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott für Sünden, deren Schuld bereits getilgt ist (can. 992 CodIurCan 1983).
Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im Mittelalter,
Bd. 1f. 1922f.; Köhler, W., Dokumente zum Ablassstreit von 1517, 2. A. 1934;
Poschmann, B., Der Ablass, 1948; Bornkamm, H., Thesen, 1967; Ehlers, A., Die
Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007
Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetzgebung des 19. Jh.s zur Beseitigung grundherrschaftlicher
Rechte bzw. aufgespalteten Eigentums mit oder ohne Entschädigung zwecks
Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und aufgeklärter Gedanken. Dazu erlässt
nach der Aufhebung aller Frondienste, Zehnten und anderen Feudalrechte durch
die Nationalversammlung Frankreichs am 4. 8. 1789 der Staat → Preußen am
9. 10. 1807 das Edikt betreffend den erleichterten Besitz des Grundeigentums
sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, das die persönliche Abhängigkeit
der → Bauern von den → Grundherren entschädigungslos aufhebt. Dem
folgen am 14. 9. 1811 zwecks Aufhebung der auf privatrechtlichen Titeln
beruhenden dinglichen Abhängigkeit das Edikt, die Rechte der gutsherrlichen und
bäuerlichen Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und das Edikt zur
Beförderung der Landeskultur (Landeskulturedikt), nach denen der Bauer auf
Antrag eines Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof erhält,
wofür er als erblicher Besitzer ein Drittel, als nichterblicher Besitzer die
Hälfte des Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde Rente zahlen
muss. Dadurch werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr neues Eigentum
aufgeben müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und Kurhessen (1832)
öffentliche → Rentenbanken ein, die dem Grundherrn den Ablösungsbetrag
in Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung der Ablöseschuld
in 40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auf Grund wirtschaftlicher
Überlegungen auch die Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder
grundherrschaftlichen Wäldern (Hessen 1814, Preußen 1821).
Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der
Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887
Abmeiern ist das
(vorzeitige) Beendigen des grundherrschaftlichen → Meierrechts durch den
Grundherrn in Niedersachsen und Ostwestfalen seit dem 14. Jh. Seit 1597
(Salzduhmscher Landtagsabschied) wird das A. vor allem aus fiskalischen
Überlegungen verrechtlicht (Meierordnungen, z. B. Calenberg 1772), mit der →
Bauernbefreiung durch Ersetzung des Meierrechts durch Eigentum beseitigt.
Lit.: Pfeiffer, B., Das deutsche Meierrecht, 1855; Wittich,
W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Mohr, W., Die
Abmeierung, 1942; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1961
Abschichtung ist
die (dem römischen Recht unbekannte) vermögensrechtliche Verselbständigung
eines Kindes bei (tatsächlichem) Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft
im Mittelalter fast nur Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er „zu seinen
Jahren kommt“ (d. h. mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn
er bei Eheschließung einen selbständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt
die väterliche Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungsquote ist
unterschiedlich (z. B. Kopfteil vom Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte). Die
A. wird in Österreich durch (den Codex Theresianus von 1766 und) das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (vollständig 1919), im deutschen Reich durch
das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 und im Schweizer Recht durch das
Zivilgesetzbuch von 1807/1911 durch das Erreichen der Vogtbarkeit bzw. der
Großjährigkeit bzw. der Volljährigkeit ersetzt
Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und
Abschichtungsrecht, 1893; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der
Minderjährigen, 1980; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und
Kindern, 1999
Absetzung ist die
Entfernung eines Menschen aus einer Tätigkeit und eines Wertes aus einem
Vermögen. Die A. eines Amtsträgers begegnet schon früh (z. B. Vertreibung des
römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit verrechtlicht.
Lit.: Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im
Frühmittelalter, 1979; Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987; Rexroth, F.,
Tyrannen und Taugenichtse, HZ 278 (2004), 27; Wallner, M., Zwischen
Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004; Schubert, E., Königsabsetzung im
deutschen Mittelalter, 2005
Absicht ist der
unmittelbar auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille des Täters. Das römische
Recht kennt den (lat. [M.]) dolus als Bezeichnung eines Verschuldens. Im
Mittelalter wird der auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille oft durch (lat.)
animo deliberato, cum deliberato consilio, contumaciter, dolose und (mhd.)
geverlich oder mutwillig beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das im
Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gewollte Unrecht nach sich. Im 20. Jh. wird
die für den deliktischen Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit verlangende
Vorsatztheorie (Binding 1877) im Strafrecht durch die als subjektive
Voraussetzung der Rechtswidrigkeit bereits die Möglichkeit der Einsicht in das
Verbotensein der Tat genügen lassende Schuldtheorie (Kohlrausch 1903, Carl
Schmitt 1910) verdrängt.
Lit.: Mayer, M., Die schuldhafte Handlung und ihre Arten im
Strafrecht, 1901; Schmitt, C., Über Schuld und Schuldarten, 1910 His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964, 68ff.; Beul,
C., Si mensor falsum modum dixerit, 1998
absolut
vollständig, unbedingt, uneingeschränkt, gegen jedermann wirkend (Gegensatz
relativ)
absolutio (F.) ab instantia → Instanzentbindung
Absolutismus ist die im Einzelnen sehr vielfältige Regierungsform, bei welcher der Inhaber der Herrschaftsgewalt (Monarch) dem Untertanen gegenüber grundsätzlich unbedingte (absolute, unbeschränkte) Macht hat. Der frühe A. entwickelt sich in Spanien, Frankreich und England bis zum Ende des 15. Jh.s. Unterstützt wird der A. durch theoretische Ansichten, welche die Enttheologisierung der Herrschaft und die Unteilbarkeit der Staatsgewalt fordern (→ Machiavelli, Nicolò [1469-1527], Il principe, 1513, → Bodin, Jean [1529-1596], Les six livres de la République, 1576, [lat.] maiestas est summa in cives ac subditos legibusque soluta potestas, die maiestas ist die [zeitlich unbegrenzt] gegenüber den Bürgern und Untertanen bestehende höchste und von den Gesetzen [nicht aber von göttlichem Recht, Naturrecht, Fundamentalgesetzen] losgelöste Gewalt). Begünstigt wird der A. dadurch, dass die Stände vielfach konfessionell gespalten sind und deswegen den Frieden in einem Land nicht sichern können. Mittel zur Durchsetzung der absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines stehenden Heeres, der Aufbau einer allein vom Herrscher abhängigen Beamtenschaft und die Einführung eines Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung des A. ist die Entmachtung des → Adels hinsichtlich der Mitwirkung (bzw. formaler Mitspracherechte [Ersetzung durch informale Verständigung]) bei der → Landesherrschaft (in der Regel ohne Änderung der förmlichen Rechtsgrundlage der Herrschaft, z. B. Habsburg bzw. Österreich seit 1620). Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig XIV. (1643-1715) in → Frankreich erreicht. Im Reich eifern dem viele Landesfürsten nach (z. B. Friedrich Wilhelm [1620-1688] von Brandenburg bzw. Preußen, August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen, Maria Theresia in Österreich). In der Mitte des 18. Jh.s (Friedrich II. in Preußen, Joseph II. in Österreich, Anna Amalia und Carl August in Sachsen-Weimar, Peter Leopold in Toskana, Gustav III. in Schweden, Katharina II. in Russland) setzt im aufgeklärten A. (Reformabsolutismus) der Fürst als erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche Änderungen in Gang (Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichtsorganisation). In Frankreich beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen, als Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Bodin, J., Les six livres de la
république, 1576; Hobbes, T., Leviathan 1651; Feine, H., Einwirkungen des
absoluten Staatsgedankens auf das deutsche Kaisertum, ZRG GA 42 (1921), 474;
Fehr, H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Sturmberger,
H., Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus, 1957; Carsten, F.,
Princes and parliament in Germany, 1959; Conrad, H., Rechtsstaatliche
Bestrebungen, 1961; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus, 1962;
Oestreich, G., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969; Conrad, H.,
Staatsgedanke und Staatspraxis, 1971; Dreitzel, H., Protestantischer
Aristotelismus und absoluter Staat, 1970; Absolutismus, hg. v. Hubatsch, E.,
1973, 2. A; 1988; Der aufgeklärte Absolutismus, hg. v. Aretin, K. Frhr. v.,
1974; Anderson, P., Lineages of the Absolutist State, 1974; Aufklärung, hg. v.
Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W., Das Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, 4.
A. 1975; Anderson, P., Die Entstehung des absolutistischen Staates, 1979;
Aspekte des europäischen Absolutismus, hg. v. Patze, H., 1979; Reinalter, H.,
Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Mousnier, R., La monarchie
absolue en Europe, 1982; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus,
1990; Henshall, N., The Myth of Absolutism, 1992; Dreitzel, H., Absolutismus
und ständische Verfassung in Deutschland, 1992; Der Absolutismus – ein Mythos?,
hg. v. Duchhardt, H., 1996; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat,
1998; Reformabsolutismus und ständige Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G. u. a.,
1998; Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998 (mit rund 1400
Literaturnachweisen); Cornette, J., Absolutisme et Lumières, 2. A. 2000;
Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Der aufgeklärte Absolutismus im
europäischen Vergleich, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2002; Seif, U., Recht und
Justizhoheit, 2003; Reinalter, H., Lexikon zzum aufgeklärten Absolutismus,
2005; Schilling, L., Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept?, 2008;
Müßig, U., Recht und Justizhoheit, 2. A. 2009
Abstimmung ist das
durch Abgabe einzelner Entscheidungen (Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung)
erfolgende Verfahren zur Ermittlung des Willens (Gemeinwillens) einer
Gesamtheit von zu einer Entscheidung zugelassenen Personen hinsichtlich einer
bestimmten Frage. Als eine besondere Form der A. ist bereits im antiken Athen
der Ostrazismus bekannt, bei dem der Angehörige des Volks mittels je eines
Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein Bürger, der die
politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust des Vermögens und
seiner sonstigen Rechtsstellung verbannt werden soll. Im Einzelnen erfolgen
dann Abstimmungen nach ziemlich unterschiedlichen Regeln (z. B. Stimmzählung
und Mehrheitsentscheidung in der Goldenen Bulle 1356, Willensbildung nach
Kurien im Reichstag des Heiligen römischen Reichs), bis in der Mitte des 19.
Jh.s sich die Einheitlichkeit des Abstimmungskörpers mit grundsätzlich gleichem
Stimmrecht (Verfassung des deutschen Reiches von 1848) durchzusetzen beginnt.
Im 20. Jh. ist die A. des Volkes über eine politische Frage ein Entscheidungsverfahren
unmittelbarer Demokratie. Eine Sonderform der A. stellt die → Wahl dar.
Lit.: Stutz, U., Die
Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der
Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49 (1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U.,
Das Mehrheitsprinzip, 1973; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Bleicken, J.,
Die Verfassung der römischen Republik, 2000
Abstraktion ist die
Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden Umstandes von einzelnen
Erscheinungsformen. Im 19. Jh. setzt die → Pandektistik auf der Grundlage
einer Entscheidung des römischen Juristen Julian/Iulianus (Hadrumetum um 100-um
170) die Trennung des → Verfügungsgeschäftes (→ Übereignung, →
Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen →
Verpflichtungsgeschäft und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) vom
Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch
(Abstraktionsprinzip).
Lit.: Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, (in)
Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung
des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum
Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52
Abt (Lehnwort lat.
abbas, abbatem [Akk.] 4. Jh., „Abt, Vater“, Lehnwort gr. ábba, aram. abba,
„Vater“, Lallwort) ist seit dem 4. Jh. der Leiter einer rechtlich selbständigen
Niederlassung eines christlichen → Ordens des weströmischen Gebiets. Er
wird als geistlicher Vater (lat. pater [M.] spiritualis) verstanden. Die auf
den Kirchenvater Augustinus (354-430) zurückgehende Ordensregel Benedikts von
Nursia (480-547) legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert
die Weihe zum anfangs vom Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians
von sämtlichen Mönchen gewählten A. vorbildliche Lebensführung und Weisheit.
Der A. hat gegenüber den Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern.
Deshalb schulden die Mönche Gehorsam und Ehrerbietung. Im fränkischen Reich
tritt neben das freie Wahlrecht der Mönche das Einsetzungsrecht eines
jeweiligen Herrn (einer Gründerfamilie). Seit karolingischer Zeit wird der A.
auch mit weltlichen Aufgaben betraut. Synoden von Rom (826) und Poitiers (1078)
sowie das Konzil von Vienne (1311/2) legen die Voraussetzung der Weihe zum
Priester für den A. fest. Im 11. und 12. Jh. dringt der Grundsatz der freien
Wahl für kurze Zeit wieder vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der
benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique,
1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Seibert, H.,
Abtserhebungen, 1995; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999
Abtei (lat. [F.]
abbatia) ist seit der frühen Neuzeit die von der Stellung und Tätigkeit eines
Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem → Abt geleitete,
rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens. Die A. kann →
Reichsabtei, landsässige A. oder der römischen Kirche unterstellte freie A.
sein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919; Wehlt,
H., Reichsabtei und König, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A.
1972; Brandstetter, A., Die Abtei, 1999
Äbtissin ist die
Leiterin einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen
Frauenordens (des weströmischen Gebietes). → Abt
Abtreibung ist der
künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der (beseelten) menschlichen Leibesfrucht
aus dem Mutterleib. Die A. ist nach römischem Recht zeitweise zulässig. Die →
Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als → Mord, Gratian (um 1140)
beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf Grund von Exodus
21,22-23 milder. Die Aufklärung lehnt die kirchliche Lehre ab. Seit etwa 1970
(z. B. Österreich 1974) wird die kirchliche Auffassung im weltlichen Recht
zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach gewordene
Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft als
(nach einer Beratung in Deutschland seit 1995 zwar rechtswidrig, aber)
straffrei zugelassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die
Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser,
R., The Crime of Abortion, Diss. Washington 1942; Noonan, J., The
Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn.
Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988; Gante, M., § 218 in der Diskussuion,
1991; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Onstein, H., Die
Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Diss. jur. Münster 1996; Müller, P., Die Abtreibung, 2000;
Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002; Bett, J., Die Beurteilung
der embryopathischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch, Diss. jur.
Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit,
2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004; Behren, D. v., Die Geschichte
des § 218 StGB, 2004
Abtretung (lat. [F.] cessio) ist die
Übertragung einer Forderung von einem bisherigen → Gläubiger (Zedenten)
auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird. Sie ist im
römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als höchstpersönliches
Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst spät lässt das
römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandates (Geltendmachung
der Forderung des Gläubigers durch einen Beauftragten) und der Novation in Form
einer Stipulation zwischen Schuldner und Neugläubiger wenigstens die
Übertragung eines selbständigen Rechtes zu, eine fremde Forderung auszuüben.
Im Gegensatz hierzu entwickelt sich wohl in den mittelalterlichen Städten die
rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen, die zunächst grundsätzlich der
Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung gegenüber dem bisherigen Gläubiger
oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen Gläubiger bedarf (ausgenommen
gerichtlich festgestellte Forderungen). Vereinzelt bestehen auch Verbote von
Abtretungen. Das Zustimmungserfordernis entfällt seit dem Spätmittelalter
(letztlich) unter dem Einfluss des gemeinen Rechts, in dem das
deutschrechtliche Gedankengut die Übertragung der Forderung auch der Substanz
nach eröffnet, so dass bereits der → Codex Maximilianeus Bavaricus
civilis von 1756 (II 3 § 8) die A. aufnimmt (ALR I 11 §§ 376ff., Code civil
Art. 1689ff., ABGB §§ 1392ff.). Im 19. Jh. unterliegt die einschränkende Lehre
Christian Mühlenbruchs (1817) der durch Windscheid und Bähr geprägten
Vorstellung von der Abtretung als einem abstrakten Verfügungsgeschäft (§§
398ff. BGB, Art. 183ff. bzw. 164ff. Obligationenrecht der Schweiz). In England
gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht übertragbar.
Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Mühlenbruch,
C., Die Lehre von der Zession, 1817; Buch, G., Die Übertragbarkeit von
Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die
Forderungsabtretung im deutschen, französischen und englischen Recht, 1924;
Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Huwiler, B., Der Begriff der
Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht, 1975; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G.,
Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Abtretungsverbotes, 1992
Abtriebsrecht ist
das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug eines Fremden
zu verhindern. Es ist im Titel XLV (De migrantibus) des fränkischen Volksrechtes
(507-511) bezeugt und besteht bis in
das 19. Jh. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg
gewähren.
Lit.: Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Abzahlungsgesetz ist
das deutsche Gesetz vom 16. 5. 1894, das außerhalb des 1896/1900 geschaffenenen
Bürgerlichen Gesetzbuches die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von
Amerika seit etwa 1835 vom Handel umworbenen mittellosen Käufer beweglicher
Sachen, die aus wirtschaftlichen Gründen etwa Nähmaschinen, Möbel oder
Kleidung nur gegen Zahlung des Preises in Raten kaufen können, vor
Benachteiligung (z. B. durch Verfall d. h. Rücknahme der Kaufsache bei Zahlungsversäumnis
und Fortbestehen der Zahlungspflicht) schützen will. Es wird mit Wirkung vom
1. 1. 1991 durch das Verbraucherkreditgesetz abgelöst, das zum 1. 1. 2002 in
das Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet wird. In Österreich wird 1896 ein
Ratengesetz, 1979 ein Konsumentenschutzgesetz erlassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumentenschutz vor
80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von 1894,
ZRG GA 102 (1985), 130; Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag, 1991
Abzahlungskauf → Abzahlungsgesetz
Abzugsrecht ist das Recht zum Abzug des
Einzelnen aus seinen bisherigen unfreien Rechtsverhältnissen, gegebenenfalls
unter einer Geldleistung. Der Abzug findet sich in vielen spätmittelalterlichen
Weistümern mit unterschiedlichen Regelungen. Mit der Bauernbefreiung des 19.
Jh.s wird das A. überflüssig.
L.: Möhlenbruch, R.,
Freier Zug, ius emigrandi, Auswanderungsfrieheit, Diss. jur. Bonn 1977
acceptatio (lat. [F.]) Annahme
acceptilatio (lat. [F.]) Empfangnahme →
stipulatio
accessio (lat.
[F.]) Hinzutreten, Zuwachs
accessio cedit principali (lat) - Zuwachs folgt rechtlich der Hauptsache. → Verbindung
Accursius (Bagnolo [Certaldo] bei Florenz 1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263) wird in einer bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechts in Bologna (Azo, Jacobus Balduinus) und der Promotion seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er (in Bearbeitung eines unvollendeten Werkes Azos?) fünfbändige, durch etwa 1200 Handschriften überlieferte Erklärungen (Kommentare) zu allen Teilen der justinianischen Kompilation in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen (22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Infortiatum, 22243 zum Digestum novum 17814 zum Codex, 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum und 680 zu den libri feudorum) vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher Verwertung der vorangehenden Literatur bietet. Außerdem sind 8 seiner Gutachten (Konsilien) erhalten, während eine bezeugte Summe nicht überliefert ist. Zu seinen Schülern zählen Odofredus und Papst Innozenz IV.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur
Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del
convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 335; Jakobs, H., Magna
Glossa, 2006
Achilleisches Hausgesetz → Dispositio Achillea
Achramire (lat.-afrk.),
adchramire, ist die frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen
(Geloben), einen Gerichtstag wahrzunehmen, einen Eid zu leisten oder einen
Bürgen oder Zeugen zu stellen (Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt
unter Übergeben oder Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] →
festuca, vielleicht ursprünglich mit der framea).
Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, M., Adhramire und die
germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229
Acht ist im
mittelalterlichen deutschen Recht die als Unrechtsfolge (Strafmittel oder
Verfahrensmittel) mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene
Taten, die eine niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird
der Täter in der Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen
bedarf es eines besonderen Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der
Geächtete steht außerhalb des Rechts, ist Feind aller und kann von jedem
folgenlos getötet werden. Das bewegliche Vermögen des Geächteten wird
verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere Formen der A. sind zeitlich (z.
B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem Ablauf einer damit verbundenen
Gestellungsfrist (Ungehorsamsacht) verfällt der Betreffende in →
Aberacht. Die vom König oder seinem Gericht verhängte A. gilt als →
Reichsacht im gesamten Reich. Lösung aus der A. ist möglich. Im Laufe des
Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten Rechtsfigur, die
mit Erstarkung der staatlichen Gerichtsherrschaft verschwindet (wegen der
Vollstreckungsschwäche des Reiches vom Reichskammergericht zuletzt noch 1698,
vom Reichshofrat zuletzt noch 1709 ausgesprochen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann,
1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der
Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und
Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins
für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959;
Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M.,
Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992; Weber,
M., Zur Bedeutung der Reichsacht in der frühen Neuzeit, ZHF Beiheft 19 (1997),
55
Achtbuch ist das
über die von einem Gericht ausgesprochene → Acht (und dadurch Geächteten)
geführte Buch (Register), wie es anscheinend erstmals der Reichslandfriede des
Jahres 1235 vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg
ob der Tauber 1274, Nürnberg 1285, Achtbuch der Reichshofgerichtsschreiber
Petrus Wacker und Johann Geisler zwischen 1417 und 1445 mit fast 600 Einträgen
u. a.).
Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960, 16; Battenberg, F., Das Achtbuch der Könige Sigmund
und Friedrich III., 1986
Achtklausel ist die in mittelalterlichen Verträgen enthaltende
Vereinbarung, sich für den Fall der Vertragsverletzung der → Acht zu
unterwerfen.
Lit.:
Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1987´6, 288
acta (lat. [N.Pl.]) → Akten
acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeindeakten
Actio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die
Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht (Klaganspruch). Im →
Formularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des Beklagten das Begehren vor
dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Erteilung einer bestimmten a.
Ergibt sich, dass der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt keine bereits
anerkannte a. rechtfertigt, entfällt der Antrag. Allerdings kann der Gerichtsmagistrat,
wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet,
eine a. in factum in Aussicht stellen. Die zugelassenen actiones, von denen
jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem im 4. Buch der Institutionen
Justinians im Titel (lat.) De actionibus (Von den Klagansprüchen)
zusammengestellt. Im Hochmittelalter anerkennt beispielsweise Johannes
Bassianus 169 verschiedene actiones. Im 19. Jh. (Windscheid 1856) wird aus der
römischrechtlichen a. der materiellrechtliche → Anspruch.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Windscheid, B.,
Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Bethmann Hollweg, C. v., Der
Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ,
1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und
14. Jahrhunderts, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des
Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Gröschler, P.,
Actiones in factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002
Actio (F.) ad exhibendum (lat.), Klaganspruch auf Vorlegung, Vorweisung (vor dem Prätor),
Herausgabe, Exhibitionsklage (vgl. § 809 BGB, Klage auf Besichtigung) ist eine
(lat.) actio in personam, durch die der bei einer (lat.) actio in rem fehlende
Einlassungszwang umgangen werden kann.
Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3
actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klaganspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene
Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die
adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280
actio (F.) aestimatoria
(lat.) Klaganspruch zur Schätzung (aus Trödelvertrag)
Lit.: Köbler, DRG 48
actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung bzw. zum Ermessen
Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II
Actio (F.) auctoritatis
(lat.), Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den Verkäufer,
Gewährschaftsklage, ist im römischen Recht der Klaganspruch eines wegen einer
durch Manzipation erworbenen Sache von einem Dritten angegriffenenen und vom
Veräußerer nicht geschützten oder unterliegenden Käufers auf den doppelten
Kaufpreis.
Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner §
8
Actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist im
römischen Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld.
Lit.: Kaser §§ 39, 83
actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht
actio (F.) commodati (lat.)
Klaganspruch aus Leihvertrag
Lit.: Kaser § 39 II
Actio (F.) communi dividundo
(lat.) ist im römischen Recht der wohl im 3./2. Jh. v. Chr. durch eine (lat.)
lex (F.) Licinnia geschaffene Teilungsklaganspruch mindestens eines
Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft.
Lit.: Kaser §§ 23 IV 83
actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters usw.
Lit.: Kaser §§ 42, 83
actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklaganspruch, Nießbrauchsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 28, 29
actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch (bei unvollkommen zweiseitig verpflichtenden
Verträgen z. B. Aufwandsersatzklageanspruch des Entleihers, Verwahreres,
Beauftragten oder Pfandgläubigers)
Lit.: Kaser § 38 IV 2
Actio (F.) de deiectis vel effusis (lat.), Klageanspruch wegen hinausgeworfener oder
ausgeschütteter (Sachen), ist im römischen Recht der gegen den Inhaber von Räumen
wegen eines durch Hinauswerfen oder Ausgießen von Sachen aus den Räumen
entstandenen Schadens gerichtete, verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch
eines Verletzten auf das Doppelte des Schadens (Quasidelikt, Erfolgshaftung?).
Actio (F.) de dolo (lat.),
Klaganspruch wegen Arglist, ist im römischen Recht der auf Anregung des C.
Aquilius Gallus im 1. Jh. v. Chr. vom Prätor bei Fehlen einer anderweitigen
actio gewährte, binnen Jahresfrist geltend zu machende Klaganspruch des durch
einen Betrug Geschädigten gegen den Täter auf Ersatz des Schadens, der durch
Wiedergutmachung abgewendet werden kann, andernfalls Infamie nach sich zieht.
Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9
Actio (F.) de in rem verso
(lat.), Klage wegen des auf eine Sache Verwendeten, Klaganspruch wegen
eingetretener Bereicherung, ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen
Gewalthaber auf Herausgabe des Wertes, den ein Gewaltunterworfener aus einem
Verpflichtungsgeschäft erlangt und zu einer Bereicherung des Vermögens des Gewalthabers
verwendet. Das nachklassische römische Recht erweitert den Anwendungsbereich
auf Geschäftsführung durch Freie, das gemeine Recht entwickelt die a. zu einem
allgemeinen Bereicherungsanspruch wegen nützlicher Verwendung.
Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12;
Chiusi, T., Die actio de in rem verso, 2001
actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch wegen Minderung durch Schaden seitens eines
vierfüßigen Nutztiers, den der Eigentümer durch Herausgabe des Tieres abwenden
kann
Lit.: Kaser § 50 II 4
actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch über das Sondergut eines Gewaltunterworfenen
gegen den Gewalthaber wegen vom Gewaltunterworfenen begründeter Geschäftsverbindlichkeiten
bis zur Höhe des Wertes des Sonderguts im Verurteilungszeitpunkt
Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner § 12
Actio (F.) depositi (lat.)
ist im römischen Recht der Klaganspruch des Hinterlegers auf Rückgabe der
hinterlegten Sache gegen den Verwahrer.
Lit.: Kaser §§ 39, 83
actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch aus Garantieerklärung
Lit.: Kaser § 46 III 3
actio (F.) de tigno iuncto (lat.) (schon im
Zwölftafelgesetz enthaltener) Klaganspruch des römischen Rechts über den bei
einem Hausbau rechtswidrig verwendeten Balken oder später eines anderen
Gegenstand eines andern, den der Verwender nicht lostrennen, sondern nur mit
dem doppelten Wert ersetzen muss
Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG
25; Hinker, H., Tignum iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41
actio (F.) empti (lat.) Kaufklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9
actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den Reeder für Geschäfte des Kapitäns
bei dem Betrieb eines Schiffes
Lit.: Kaser § 49
II 3; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280
Actio (F.) ex stipulatu (lat.)
ist im römischen Recht der Klaganspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, der
in der einseitig verpflichtenden Stipulation eine unbestimmte Leistung
versprochen hat.
Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9, 24
actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus
Testament
Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II
actio (F.) familiae erciscundae (lat.)
Erbteilungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner §§ 8, 9
actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus Sicherungsübereignung
Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner §
9
actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenzfeststellungsklaganspruch
Lit.: Kaser § 23
Actio (F.) furti non manifesti
(lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den nicht handhaften Dieb
auf das Doppelte des Wertes der entzogenen Sache, während die actio furti
manifesti auf das Vierfache des Sachwerts gerichtet ist.
Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio
furti, ZRG RA 96 (1979), 89
actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 II 1
actio (F.) in factum (lat.)
auf den Sachverhalt zugeschnittener Klaganspruch des Prätors bei Fehlen einer
actio im Edikt und Anerkennung eines Rechtsschutzbedürfnisses (z. B. bei von
der lex Aquilia nicht erfassten mittelbaren Schädigungen)
Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002
actio (F.) iniuriarum (lat.)
Schadensersatzklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer, T., Die
actio iniuriarum aestimatoria, 1998; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre
im Zivilrecht, 2006
actio (F.) in personam (lat.)
persönlicher Klaganspruch (wegen Forderungen aus einem Schuldverhältnis auf
Leistung, wobei Einlassungszwang des Gegners besteht)
Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner § 9
actio (F.) in rem (lat.)
sachverfolgender Klaganspruch (zur Durchsetzung von absoluten Rechten auf eine
[ursprünglich in der Gerichtsstätte vorhandene] Sache gegenüber einem sich in
Widerspruch zu den Rechten des Klägers Setzenden, wobei kein Einlassungszwang
des Gegners besteht)
Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9
Actio (F.) institoria (lat.)
ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Unternehmer aus einer von
seinem Angestellten eingegangenen Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 49; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG
RA 111 (1994), 280
actio (F.) iudicati (lat.)
Vollstreckungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 32, 85
actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch
Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption und
usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958
actio (F.) locati (lat.)
Klaganspruch des Vermieters usw.
Lit.: Kaser §§ 42, 83 II
actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus Auftrag
Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83
actio (F.) mixta (lat.)
gemischter Klaganspruch (zugleich sachverfolgender und pönaler Klaganspruch)
Actio (F.) negatoria (lat.)
ist im römischen Recht der Klaganspruch, mit dem der zivile Eigentümer sich
dagegen wehren kann, dass ein anderer sich ein nicht bestehendes Recht zur
Einwirkung auf die Sache (z. B. Dienstbarkeit, Recht auf Immission) anmaßt.
Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und
industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Thier, A., Zwischen actio
negatoria und Aufopferungsanspruch, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen
Beseitigungsanspruch, 2001
actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus Geschäftsführung
Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83
actio (F.) noxalis (lat.)
Schadensersatzklaganspruch wegen Noxalhaftung des Gewalthabers
Lit.: Köbler, DRG 27
Actio (F.) nullitatis (lat.)
ist der mittelalterliche Nichtigkeitsklaganspruch
Lit.: Köbler, DRG 117
actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf versprochene Dienste
Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II
Actio (F.) Pauliana (lat.) ist die unter Justinian (527-565) die (lat.)
restitutio in integrum und das (lat.) interdictum fraudatorium aufnehmende
Gläubigeranfechtungsklage gegen den unentgeltlichen oder wissenden Erwerber
aus gläubigerbenachteiligenden Rechtsgeschäften des Schuldners.
actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklaganspruch (in
rem oder in personam)
Lit.: Kaser §§ 31, 39
actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch
actio (F.) popularis (lat.) Popularklaganspruch,
von jedermann aus dem Volk erhebbarer Klaganspruch (z. B. actio de deiectis
verl effusis), bei dem die Buße an den Kläger, die Gemeinekasse bzw.
Staatskasse oder an beide fällt
Lit.: Kaser § 50 I 1
actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klaganspruch der (vom Prätor in der Klaganspruchsformel
genau) vorgeschriebenen Worte (z. B. bei Innominatkontrakt)
Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio praescriptis
verbis, ZRG RA 106 (1989), 434; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002
actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 II
actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch gegen den Gesellschafter
Lit.: Kaser § 43 I
Actio (F.) Publiciana (lat.)
ist im römischen Recht der wohl im letzten vorchristlichen Jahrhundert vom
Prätor geschaffene sachverfolgende Klaganspruch des besseren Besitzers (z. B.
Ersitzungsbesitzers, bonitarischen Eigentümers) gegen den schlechteren
Besitzer (also nicht gegen den zivilen Eigentümer) auf Herausgabe der Sache
(vgl. § 1007 BGB, 372 ABGB).
Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9;
Apathy, P., Die publizianische Klage, 1981
actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungsklaganspruch
(binnen einem Jahr geltend zu machen)
Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9
Actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen
den durch Geheiß (iussum) zu Rechtsgeschäften ermächtigenden Hausvater bzw.
Gewalthaber wegen des Geschäfts eines Haussohnes bzw. Gewaltunterworfenen.
Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod
iussu, Diss. jur. Köln 1996
actio (F.) redhibitoria
Wandelungsklaganspruch (binnen sechs Monaten geltend zu machen)
Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9
actio (F.) rei uxoriae
(lat.) Klaganspruch auf Herausgabe des Heiratsgutes der Frau
Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner, A,
Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969
actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch des
Pfandgläubigers (anfangs nur des Verpachtenden) auf Herausgabe der Pfandsache
von jedem Besitzer
Lit.: Kaser § 31 III
actio (F.) stricti iuris
(lat.) strengrechtlicher Klaganspruch
Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I
actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den Vormund
Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3
actio (F.) utilis (lat.)
(vom Präter im Einzelfall) brauchbar (anwendbar) gemachter allgemeiner
Klaganspruch (z. B. Anwendbarmachung der actio legis Aquiliae des Eigentümers
auf andere dinglich Berechtigte oder auf den Hausvater eines verletzten
Hauskinds)
Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der actio
utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992
actio (F.) venditi (lat.)
Kaufpreisklaganspruch des Verkäufers
Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3
actus (lat. [N.])
Trift → Dienstbarkeit
actus (M.) iuridicus (lat.) →
Rechtsgeschäft
Lit.: Köbler, DRG 164
actus (M.) legitimus (lat.)
bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft
Lit.: Kaser §§ 34, 41
Additio (F.) sapientium (lat.)
ist die innerhalb der → Lex Frisionum überlieferte Niederschrift über
Rechtsmitteilungen zweier Männer namens Wlemarus und Saxmundus.
Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927;
Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980
Adel ist die
Gesamtheit der erblich bevorrechtigten Familien einer Gesellschaft. Derartige
Erscheinungen treten in verschiedenen Kulturen auf. Sie sind Wandlungen
unterworfen. Die Herkunft des mittelalterlichen deutschen Adels ist ungeklärt.
Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten (ererbter Boden?) spielt wohl auch die
Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher feststellbar ist die
Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behauptung göttlicher Abkunft). Die
germanischen (lat. [M.Pl.]) principes (Ersten, Anführer) lassen sich nicht als
A. sichern. Das salfränkische Volksrecht (507-511?) kennt noch keine rechtliche
Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht
ausgeschlossen, dass der aus der spätrömischen Reichsbeamtenschaft hervorgegangene
römische Senatorenadel vergleichbare fränkische Strukturen als Gegenstück
findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger über die
Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heiratsverbindungen und
militärischen Erfolgen entwickelt sich ein engerer Kreis bedeutender Familien,
denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden (Reichsadel).
Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jh.s erblich werden, festigt sich ihre
örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. Diese oberste Schicht des bereits in
den karolingischen Volksrechten durch ein besonderes → Wergeld sowie im
Übrigen durch → Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und später → Pairsgericht
gekennzeichneten Adels wird seit dem Hochmittelalter zu den →
Landesherren bzw. → Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der
Unfreiheit entstammende, durch Herrendienst entstandene → niedere Adel in
den Dienst der Landesherren ein. Seit 1346 kann der A. (vom König) durch
Urkunde an Bürger verliehen werden (Briefadel). Mit dem Absolutismus wird die
politische Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Mediatisierung,
Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des 1789 in Frankreich
revolutionär verwirklichten Gleichheitsgrundsatzes wird der rechtliche
Vorrang des Adels (im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918)
beseitigt (Österreich 3. 4. 1919 Gesetz über die Aufhebung des Adels, Führung
verwaltungsstrafbar). Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone
(1945-1949) werden ihm dort auch die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111,
120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhermoz, P., Essai sur l’origine de la
noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des
Uradels in Niedersachen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1906;
Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische
Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1;
Mayer, E., Zur Lehre vom germanischen Uradel, ZRG GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die
Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen
Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927,
Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Stutz, U., Zum Ursprung und
Wesen des niederen Adels, 1937; Bader, K., Zur Lage und Haltung des
schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. LG. 5 (1941), 335;
Tellenbach, G., Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen Reichsfürstenstand,
1943; Hiesel, R., Die staatsrechtliche und soziologische Stellung des
Stadtadels, 1952; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Bergengruen, A.,
Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Kläui, P.,
Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau, 1960; Deutscher Adel
1430-1555, hg. v. Rößler, H., 1965; Deutscher Adel 1555-1740, hg. v. Rößler,
H., 1965; Störmer, W., Früher Adel, 1973; La noblesse, hg. v. Contamine, P.,
1976; Fleckenstein, J., Die Entstehung des niederen Adels und das Rittertum,
1977; Sablonier, R., Adel im Wandel, 1979; Lemmel, H., Die genetische
Kontinuität des mittelalterlichen Adels, 1980; Werner, M., Adelsfamilien im
Umkreis der frühen Karolinger, 1982; Barbero, A., L’aristocrazia, 1987;
Europäischer Adel 1750-1950, hg. v. Wehler, H. u. a., 1990; Althoff, G.,
Verwandte, Freunde und Getreue, 1990; Ritterorden und Adelsgesellschaft im
spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991;
Hoyningen-Huene, I. Frfr. v., Adel in der Weimarer Republik, 1992; Adel in der
frühen Neuzeit, hg. v. Endres, W., 1993; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft
im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Ranft, A., Adelsgesellschaften,
1994; Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen Vormärz, HZ-258 (1994),
1; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158;
The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, Bd. 2
1995, 2. A. 2007; Geschichte des sächsischen Adels, hg. v. Keller, K. u. a.,
1997; Contamine, P., La noblesse au royaume de France, 1997; Nobilitas, hg. v.
Oexle, G. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und
ausländischen Recht, 1997; Rösener, W., Adelsherrschaft als kulturhistorisches
Phänomen, HZ 268 (1998), 1; Werner, K., Naissance de la noblesse, 1998; Peters,
U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Reif, H., Adel im 19.
und 20. Jahrhundert, 1999; Baudisch, S., Lokaler Adel in Nordwestsachsen, 1999;
Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht 1868-1918/19, 2000; Nobles
and Nobility in Medieval Europe, hg. v. Duggan, A., 2000; La noblesse dans les
territoires angevins, hg. v. Coulet, N. u. a., 2000; Conze, E., Vom deutschen Adel
– Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, 2000; Stockert, H.,
Adel im Übergang, 2000; Der europäische Adel im Ancien Régime, hg. v. Asch, R.,
2001; Schmilewski, U., Der schlesische Adel, 2001; Janse, A., Ridderschap in
Holland, 2001; Zwischen Nicht-Adel und Adel, hg. v. Andermann, K. u. a., 2001;
Mauerer, E., Südwestdeutscher Reichsadel im 17. und 18. Jahrhundert, 2001;
Pečar, A., Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI.
(1711-1740), 2003; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Malinowski, S., Vom
König zum Führer, 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Adel und
Moderne, hg. v. Conze, E./Wienfort, M., 2004; Schneider, J.,
Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel, 2003; Theilemann, W., Adel im
grünen Rock, 2004; Funck, J., Feudales Kriegertum und militärische
Professionalität, 2004; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im
Mittelalter, 2004; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter,
2005; Crouch, D., The Birth of Nobility, 2005; Kleines Lexikon des Adels, hg.
v. Conze, E., 2005; Dendorfer, J., Adelige Gruppenbildung und Königsherrschaft,
2005; Barth,
T., Adelige Lebenswege im alten Reich, 2005; Fried, J., Konradiner und kein
Ende, ZRG GA 123 (2006), 1; Hochmittelalterliche Adelsfamilien in Altbayern,
Franken und Schwaben, hg. v. Kramer, F. u. a., 2006; Adel im Wandel, hg. v.
Bumiller, C., 2006; Adel im Wandel, hg. v. Hengerer, M. u. a., 2006; Ruppel,
S., Verbündete Rivalen, 2006; Matzerath, J., Adelsprobe an der Moderne, 2006; Adel in Sachsen-Anhalt,
hg. v. Labouvie, E., 2007; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Adel und
Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u. a.,
2007; Adel in Bayern, hg. v. Haus der bayerischen Geschichte, 2008; Sikora, M.,
Der Adel in der frühen Neuzeit, 2008; Adel in Schlesien, hg. v. Harasimowicz,
J. u. a., 2009
Ädile sind im
römischen Recht zunächst die beiden Vorsteher des plebejischen Sonderheiligtums
(lat. [F.] aedes [sacra], Tempel), die auch die Aufsicht über die dort stattfindenden
Märkte haben. Im Jahre 367 v. Chr. wird ihnen die allgemeine Polizeigewalt
übertragen. Ihnen werden zwei weitere Ä. zur Seite gestellt, die abwechselnd
aus Patriziern und Plebejern gewählt werden sollen. Sie erhalten die
Marktgerichtsbarkeit, in deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es Ä. später auch in anderen
Gemeinden.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§§ 8, 15; Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
aditio (lat. [F.]) Antritt
adiudicatio (lat. [F.]) Zuspruch
adjektizisch (hinzukommend,
erstreckend) z. B. im römischen Recht Klagansprüche gegen den Gewalthaber auf
Grund von Geschäften Gewaltunterworfener (z. B. actio de in rem verso, actio de
peculio, actio quod iussu, actio tributoria) oder gegen den Geschäftsherrn auf
Grund von Geschäften von Geschäftsführern (z. B. actio institutoria, actio
exercitoria), die keine selbständigen Verbindlichkeiten begründen, sondern
die Verbindlichkeiten des Schuldners (Gewaltunterworfenen, Geschäftsführers)
nur auf einen anderen (z. B. Gewalthaber, Geschäftsherrn) erstrecken
Adler ist der Vogel, der als König der Vögel bereits im Altertum als Begleitzeichen des höchsten Gottes (Zeus, Jupiter) erscheint und bald als Zeichen der römischen Weltherrschaft verwendet wird. Diese Symbolik übernimmt anscheinend Karl der Große. Unter Friedrich I. Barbarossa wird der goldene A. auf farblosem Grund zum Reichswappen, das im 13. Jh. schwarz auf goldenem Grund gestaltet wird. Am Ende des 12. Jh.s tritt der ebenfalls schon antike Doppeladler in Siegeln von Reichsstädten neben den einfachen A. Um 1230 geben die Reichsfürsten den bis dahin wegen ihrer königlichen Lehen geführten A. fast durchweg auf. Unter Kaiser Sigismund wird 1433 der schwarze Doppeladler im goldenen Feld Reichswappen, neben dem der König bis zum Ende des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) den einfachen A. führt. 1848 erklärt die Bundesversammlung den Doppeladler zum Wappen des geplanten Deutschen Reiches, 1871 das Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem preußischem Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950 von der Bundesrepublik Deutschland übernommen wird. Österreich verwendet 1804 den Doppeladler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und führt 1919 den einköpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen ein, der von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler ersetzt, 1945 aber mit einer zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preußen führt seit 1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber gestaltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in Silber Wappen des Königreichs.
Lit.: Gritzner,
E., Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und
Doppeladler, Diss. phil. Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H.,
Deutsche Nationalsymbole, 1984; Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen Nationalsymbole,
2. A. 1990; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 3. A. 1998; Reichel, P.,
Schwarz Rot Gold, 2005
admallatio (lat. [F.]) Ladung
administratio (lat. [F.]) Verwaltung
Lit.: Busch, J.,
Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Busch, J., Vom
Amtswalten zum Königsdienst, 2007
Administrativjustiz (F.) durch die Verwaltung wahrgenommene
Gerichtsbarkeit in Verwaltungsangelegenheiten(im 19. Jh.)
Lit.: Pahlow, L., Administrativjustiz versus Justizstaat, ZNR 2000, 11
Administrator ist seit dem Ende des 13. Jh.s der Verwalter eines Bistums.
Lit.:
Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 43
admonitio (lat. [F.]) Ermahnung (z. B.
Kapitular admonitio generalis vom 23. 3. 789)
Lit.: Buck, T., Admonitio und Praedicatio, 1997
adoptio (lat. [F.])
Annahme an Kindes Statt → Adoption
Adoption ist die
Annahme eines Menschen als Kind unabhängig von der tatsächlichen
Verwandtschaft. Das römische Recht kennt in diesem Zusammenhang neben der (lat.
[F.]) adrogatio eines Menschen sui iuris und verschiedenen testamentarischen
Geschäften in Anknüpfung an die Zwölftafelgesetzgebung die (lat. [F.]) adoptio
eines Menschen alieni iuris, bei der ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine
Tochter oder einen Enkel einmal) dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen
durch → Manzipation (lat. [F.] → mancipatio) überträgt, dieser ihn
dreimal (bzw. einmal) freilässt, der Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat
behauptet, dass das Kind das seine sei, der Vater nicht widerspricht und der
Magistrat den Menschen dem Adoptivvater zuteilt. Das frühmittelalterliche
Recht nimmt mit ähnlicher Zielsetzung die → Affatomie bzw. das
Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die römischrechtliche A. in eingeschränkter
Form an einzelnen Stellen aufgenommen (Freiburg im Breisgau 1520) und findet
erst danach allgemein (entweder als adoptio plena d. h. volle Verwandtschaft
oder als adoptio minus plena Erbberechtigung des Adoptierten nach dem
Adoptierenden) Eingang in die vernunftrechtlichen Kodifikationen (CMBC 1756 I,
4, § 5; I, 5 § 12, ABGB 1811 §§ 181ff., Code civil Art. 343ff., Bad LR Art.
343ff.). Wie schon im römischen Recht, so sollte auch im Allgemeinen Landrecht
(II 2 §§ 666ff. Preußens die A. vor allem Kinderlosen einen Erben verschaffen.
In Deutschland wird sie 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen und 1976
neu gefasst, in Großbritannien 1926 eingeführt. Sie dient zunehmend der
Kinderfürsorge und der Befriedigung ideeller Wünsche.
Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25; Hübner; Köbler, DRG 21,
268; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG
GA 29 (1908), 304; Pitzorno, B., L’adozione privata, 1914; Eichmann, E., Die Adoption des deutschen Königs durch den
Papst, ZRG GA 37 (1916), 291; Kuhn, H., Philologisches zur Adoption
bei den Germanen, ZRG GA 56 (1947), 1; Wackernagel, W., Die rechtliche Stellung
der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel 1953; Diederichsen, U.,
Wandlungen des Adoptionsrechts, StAZ 1977, 301; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik
zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts,
1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Jussen, B.,
Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im römischen Recht,
(in) Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3; Schoenenberger, M.,
Histoire du droit de l’adoption, (Diss. jur. Freiburg i. Ü.) 1995; Sturm, F.,
Die Aufnahme der Adoption in den Code civil, (in) Wirkungen europäischer
Rechtskultur, 1997, 1305ff.; L’adoption dans le droit savant, hg. v. Roumy, F.
u. a., 1998; Neukirchen, C. Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption,
2004; Kurtz, D., Das Institut der Adoption im preußischen Allgemeinen Landrecht
und im französischen Code civil, 2006; Wesener, G., Adoptio, (in) FS Wilhelm
Brauneder, 2008, 699
advocatus (lat.
[M.]) Herbeigerufener (Rechtsbeistand) → Advokat, (mlat.) → Vogt
Advokat (lat. [M.]
advocatus) ist seit dem 5. Jahrhundert in der christlichen Kirche ein
Funktionsträger. Im 8. Jh. schreibt die Kirche die Zuziehung solcher (lat.)
advocati (M.Pl.) in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340
wird ihr Aufgabenkreis durch päpstliche Dekrete näher bestimmt. Am Ende des 14.
Jh.s findet das Wort als Fremdwort Eingang in das Deutsche. Im Prozess verfasst
der A. als Berater und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere
Stellungnahmen und trägt sie in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit
der Rezeption übernimmt zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der → Prokurator
den Vortrag vor Gericht. In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur
abgeschafft. 1878 wird der Ausdruck A. im Deutschen Reich durch →
Rechtsanwalt ersetzt.
Lit.: Söllner §§ 9, 11;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les
officialités au Moyen Age, 1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators,
1941; Hermesdorf, B., Licht en schaduw in de advocatuur der Lage Landen, 1951;
Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966;
Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur, 1993; Siegrist, H., Advokat, Bürger
und Staat, 1996; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997;
Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998),
441; Officium advocati, hg. v. Mayali, L., 2000; Baumann, A., Advokaten und
Prokuratoren, 2006
aedilis (lat.
[Adj.]) Haus.. s. Ädil
AEIOU ist die von dem der Buchstabenmagie zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-1493) von Habsburg seit 1437 verwendete Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche Erklärungen (z. B. [lat.] Austriae est imperare orbi universo, Alles Erdreich ist Österreich untertan, [lat.] Austria est inter omnes universa, Österreich ist unter allen das vielseitigste) erst später erscheinen.
aequitas (lat.
[F.]) Billigkeit, Gerechtigkeit
Lit.:
Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20
(1899), 207; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 52 (1932), 53
Aequitas (F.) canonica (lat.) ist
die aus den Umständen des Einzelfalles eine Abweichung vom geltenden Recht
begründende kanonische Billigkeit. Auf Grund von antiken Vorläufern (griech.
epicheia, lat. supraiustitia) und kirchenrechtlichen Sammlungen des 10. und
11. Jh.s wird sie von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist die praktische Verwirklichung
des Gerechtigkeitsideals. Hauptsächlich dient die a. c. der Auslegung und
Ergänzung rechtlicher Regeln.
Lit.: Wohlhaupter,
E., Aequitas canonica, 1931; Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die
aequitas bei Gratian, (in) Studia Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas
in den Lehren des Baldus, 1968; Caron, P., „Aequitas“ romana, „misericordia“
patristica ed „epicheia“ aristotelica nella dottrina dell’ „aequitas canonica“,
1971; Equity in the World’s Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld,
J., Die aequitas bei L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des
kanonischen Rechts, (in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v.
Schulze, R., 1991, 39; Wesener, G., Aequitas naturalis, (in) Der Gerechtigkeitsanspruch
des Rechts, 1996, 82
aequus (lat.
[Adj.] eben, gleich, billig, gerecht
aerarium (lat. [N.]) Staatskasse, Staatsschatz
aestimatum (lat.
[N.]) Trödelvertrag
Affatomie ([F.] „Indenschoßsetzung“) ist das förmliche Verfahren des altfränkischen Rechtes (fränkische Volksrechte, Kapitularien, Formeln), durch das Güter eines kinderlosen Erblassers in drei zeitlich getrennten Handlungen im Ding, im Haus und im Königsding Dritten zugewendet werden können.
Lit.: Hübner; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K.,
1962, Tit. 46, §§ 1-6, Tit. 105, § 1; Schmidt, R., Die Affatomie der lex
Salica, 1891; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in
karolingischen Kapitularien, 1993, 162; Schmidt-Recla, A., Mancipatio familiae
und Affatomie, (in) Leges – Gentes – Regna, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006, 461
Africanus ist der
als Schüler des → Julian bekannte römische Rechtskundige des 2. Jh.s n.
Chr. († 175?), von dem Epistulae und Quaestiones bezeugt sind.
Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961
Afrika ist der südlich Europas gelegene Kontinent, dessen günstige klimatische Gegebenheiten die Entwicklung des modernen Menschen ermöglichen, dessen Nordrand schon dem römischen Reich angehört, dessen südliche Teile aber erst mit dem Beginn der Neuzeit in das europäische Gesichtsfeld treten und dann als Kolonien durch Portugal, England, Frankreich, Belgien und Deutschland in Besitz genommen werden, bis sie sich nach der Mitte des 20. Jh.s zu verhältnismäßig selbständigen Staaten befreien können.
Lit.: Davidson, B., Old Africa rediscovered, 1959;
Davidson, B., Urzeit und Geschichte Afrikas, 1961; Strauch, H., Afrikas Weg zur
Einheit, Diss. jur. Zürich (um 1965); Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf
das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168; Davidson,
B., The Black Man’s Burden, 1992; Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 2. A. 2003;
Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Hazdra, P.,
Afrikanisches Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999;
Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v. Mabe, J., 2001;
Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R., Kurze Geschichte
Afrikas, 2002; Giliomee, H., The Afrikaners, 2003; Kleines Afrika-Lexikon, hg.
v. Hofmeier, R. u. a., 2004; Marx, C., Geschichte Afrikas, 2004; Guérivière, J.
de la, Die Entdeckung Afrikas, 2004; Koloniale und postkoloniale Konstruktionen
von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft in der deutschen Alltagskultur,
hg. v. Bechhaus-Gerst, M. u. a., 2006
Afterlehen ist die
seit dem Anfang des 14. Jh.s entstandene Bezeichnung für das von einem
Lehnsmann in einem weiteren, von ihm begründeten Lehnsverhältnis an einen
(Unter-)Lehnsmann (Aftervassallen) weitergegebene Lehen. Im Gegensatz zu
England und der Normandie ist in Deutschland und Frankreich der Empfänger des
Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn nicht zu Dienst und Treue verpflichtet.
Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von
Katzenelnbogen, 1969
Agnat ist der über
Männer Verwandte. Im römischen Recht sind adgnati (M.Pl.) alle freien Menschen,
die in demselben Hausverband (oder in manus) stehen oder noch ständen, wenn
ihr gemeinsamer Stammvater noch lebte. Im germanisch-deutschen Sprachbereich
sind die Agnaten die Verwandten, die sich in rein männlicher Linie auf einen
gemeinsamen Stammvater zurückführen lassen (→ Schwertmagen). Der
verschiedentlich behauptete Vorrang des agnatischen Prinzips vor dem
kognatischen Prinzip ist nicht nachweisbar.
Lit.: Kaser §
12; Kroeschell, DRG 1; Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und
Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957), 1; Dölling, H., Haus und Hof in
westgermanischen Volksrechten, 1958
Agrarverfassung ist
die (rechtliche) Grundordnung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke
einer Allgemeinheit. Die römische A. ist zunächst durch kleinbäuerliche
naturale Hauswirtschaft gekennzeichnet, doch bewirkt die Entwicklung Roms zu
einer Weltmacht den Übergang der römischen Kleinbauern in das Proletariat,
während die Patrizier durch Sklaven Plantagenwirtschaft betreiben können. Die
A. der Germanen ist umstritten. Eher unwahrscheinlich ist die durch Berichte
Caesars und Tacitus’ nahegelegte urkommunistische A. mit jährlicher
Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und umliegendes Ackerland oder Weideland
bereits familienmäßig zugeordnet gewesen sein. Vielleicht als Folge der
Landnahme in der Völkerwanderung und der Begegnung mit provinzialrömischen
Zuständen entsteht die → Grundherrschaft als überwiegende Form des
Betriebs der → Landwirtschaft. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft im
Hochmittelalter werden Naturalabgaben der abhängigen bäuerlichen Hintersassen
in Geldleistungen umgewandelt. Östlich von Elbe und Saale setzt sich vor allem
seit der frühen Neuzeit die Gutsherrschaft durch, die abhängige Bauern zu
Tagelöhnern macht. An die Stelle von Rentengrundherrschaft und Gutsherrschaft
tritt nach der von der Aufklärung verursachten französischen Revolution von
1789 im 19. Jh. (1807-1848) das → Eigentum des einzelnen (befreiten)
Bauern. Im 20. Jh. führt die politische, wirtschaftliche und technische
Entwicklung zur Zerschlagung des Großgrundeigentums einerseits und zur Notwendigkeit
der Bildung größerer Wirtschaftseinheiten (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften
in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht) andererseits. Nach
dem zweiten Weltkrieg wird die A. von Industrialisierung, Europäisierung und
Globalisierung geprägt, die das Ende des kleinbäuerlichen Familienbetriebs
einleiten. Gleichwohl gilt noch zu Beginn des 21. Jh.s Sonderrecht für das
landwirtschaftliche Grundeigentum.
Lit.: Köbler,
DRG 133, 174; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland,
1856; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Wittich, W., Die Grundherrschaft in
Nordwestdeutschland, 1896; Weber, M., Agrarrecht, Agrargeschichte,
Agrarpolitik - Vorlesungen 1894-1899, hg. v. Aldenhoff-Hübinger, R., 2007;
Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, 2. A. 1921; Weber,
M., Wirtschaftsgeschichte, 1923; Kötzschke, R., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte
des Mittelalters, 1924; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des
germanischen Nordens, 1935; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen
Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Lütge, F., Geschichte der deutschen Agrarverfassung, 1963; Blaschke, K.,
Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82
(1965), 223; Wege und Forschungen der Agrargeschichte (FS Günther Franz), hg.
v. Haushofer, H. u. a., 1967; Groß, R., Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen,
1968; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der
Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der preußischen Agrarreformen,
1985; Brakensiek, S., Agrarreform und ländliche Gesellschaft, 1991; Rösener,
W., Agrarwirtschadt, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter,
1992; Achilles, W., Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der
Industrialisierung, 1993; Corni, G. u. a., Blut und Boden, 1996;
Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998; Kluge, U., Agrarwirtschaft
und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert, 2005; Agrarreformen und
ethnodemographische Veränderungen - Südosteuropa vom ausgehenden 18.
Jahrhundert bis in die Gegenwart, hg. v. Krauss, K., 2008
Agustín, Antonio
(Saragossa 1516-Rom 1586) schafft nach Studien in Alcala, Salamanca, Padua und
Bologna (Alciat) im päpstlichen Dienst die Grundlage für die geschichtliche
Bearbeitung der Quellen des kirchlichen Rechts.
Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio
Agustín y su „Recollecta in iure canonico“, (in) Revista española de derecho
canonico 45 (1988), 487
Ägypten ist das
sich längs des unteren Nils erstreckende Gebiet Ägyptens, in dem seit dem Ende
des 4. Jt. v. Chr. eine Hochkultur erkennbar ist, deren Rechtssätze nur wenig
bekannt sind. 30 v. Chr. fällt Ä. an die Römer, später wird es rasch vom →
Islam erfasst. Aus dem Erbe des osmanischen Reiches wird es 1882 von
Großbritanien besetzt, zwischen 1922 und 1946 aber schrittweise
verselbständigt.
Lit.: Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten
Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., Einführung in die ägyptische
Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Seidl, E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A.
1968; Goedicke, H., Die privaten Rechtsinschriften, 1970; Lurje, M., Studien
zum altägyptischen Recht, 1971; Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer
Provinz, 1973; Wolff, H., Das Recht der griechischen Ppyri Ägyptens, Bd. 2
1978; Vercoutter, J., L´Egypte, Bd. 1 1992; Hölbl, G., Geschichte des
Ptolemäerreiches, 1994; Assmann, J., Ägypten, 1996; Wesel, U., Geschichte des
Rechts, 3. A. 2006; Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a.,
1998; Boochs, W., Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in
hellenistischer Zeit, 2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das
Recht der griechischen Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002;
Hölbl, G., Altägypten im römischen Reich, 2005; Capponi, L., Augustan Egypt,
2005; Langner, U., Forschungsarbeiten zur frühen Kultur der Menschhheit, 2007;
Bingen, J., Hellenistic Egypt, 2007; Hornung, E., Einführung in die Ägyptologie,
6. A. 2008; Booth, C., Das alte Ägypten, 2009
Ahnengrab
Lit.:
Meier, J., Ahnengrab und Brautstein, 1944; Meier, J., Ahnengrab und
Rechtsstein, 1950
Ahnenprobe ist der
Nachweis der (adeligen) Abkunft vom 12. bis 19. Jh.
Lit.: Langer, C., Die Ahnen- und Adelsprobe, 1862; Klocke,
F. v., Westdeutsche Ahnenproben, 1940; Medien der Kommunikation im Mittelalter,
hg. v. Spieß, K., 2003, 139ff.
Ahrweiler
Lit.: Krahforst, P.,
Stadtverfassung und Gerichtswesen im mittelalterlichen Ahrweiler, Diss. jur.
Bonn 1962; Inventar des Archivs der Stadt Ahrweiler 1228-1795, bearb. v.
Zimmer, T., 1965
Akademie ist die 529 n. Chr. vom oströmischen Kaiser Justinian verbotene Philosophenschule, deren Grundgedanke 1454 in Italien (Terranuova/Florenz) wiederbelebt wird. Seitdem versammeln sich nach dem Kooptationsprinzip bedeutende universitäre Gelehrte in außeruniversitären Akademien (Accademia dei Lincei 1603, Accademia del Cimento 1657, Leopoldina Schweinfurt 1652) vor allem zwecks Netzwerkbildung. Der entscheidende Anteil an der Entwicklung der modernen Welt kann aber eher den Universitäten (z. B. Halle 1694, Göttingen 1737, Berlin 1810) als den Akademien (Preußen 1700, Österreich 1847) als Wissenschaftsnetzwerken zugesprochen werden.
Lit.: Electoralis academiae scientiarum Boicae primordia,
Briefe aus der Gründungszeit, 1959; Lepper, H., Die Einheit der Wissenschaften,
1987; Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. v.
Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945,
hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001;
Hammerstein, N., Innovation und Tradition, HZ 278 (2004), 591; Kopetz, H., Die
österreichische Akademie der Wissenschaften, 2006; Die Gründung der Leopoldina,
hg. v. Toellner, R. u. a., 2008
Akademie für deutsches Recht
ist die außeruniversitäre wissenschaftliche Einrichtung der
nationalsozialistischen Zeit (1933-1945) zur weltanschaulichen Umgestaltung des
Rechts. Die A. f. d. R. wird mit verschiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a.
Volksgesetzbuch). Ihr wissenschaftlicher Ertrag bleibt vor allem aus
zeitlichen Gründen notwendigerweise eher gering.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Pichinot, H., Die Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für Deutsches
Recht, 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd. 1ff.
1986ff.; Anderson, D., The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker, G.,
Der Erbrechtsausschuss, 1997
akademisch (Adj.)
die Akademie oder Universität betreffend (z. B. akademische Gerichtsbarkeit der
Universität über Professoren, Studenten, Angehörige, Bedienstete bis zum
19. Jh.)
Akklamation (F.) Zuruf, Zustimmung
Akkreszenz(F.) → Anwachsung
Akkusation (F.) Anklage
Akkusationsprozess ist der durch Akkusation (Anklage) seitens eines (privaten) Anklägers begründete, seit dem 4. Jh. (Konstantin) aus dem römischen Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jh.) übernommene Prozess. Er erfordert eine → Anklage (lat. [F.] accusatio). Kennzeichnend sind die dem Anklageschriftsatz beizufügende Verpflichtung des Anklägers zum → Talion für den Fall der Falschanklage und der → Kalumnieneid. Im Hochmittelalter wird der A. auf den → Strafprozess eingeschränkt. Die Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V.) von 1532 behandelt den A. in Art. 6 noch, doch hat er bereits zu dieser Zeit keine wirkliche Bedeutung mehr. Ein Gegensatz zum A. ist der → Inquisitionsprozess. Seit dem 19. Jh. (1848) ist öffentlicher Ankläger der Staatsanwalt. → Anklageprozess
Lit.: Köbler,
DRG 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899; Herde, P., Audientia litterarum
contradictarum, Bd. 1 1970; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von
Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971
Akten ist die seit
dem 15. Jh. (1500 acten) gelegentlich erscheinende Bezeichnung der in Gericht
und Verwaltung in einer Angelegenheit entstehenden Schriftstücke. Solche A.
kennt schon die Antike (59 v. Chr. [lat. N. Pl.] acta senatus). Nach dem
frühmittelalterlichen Rückgang des Schriftwesens werden sie erst im 14. Jh.
wieder bedeutsamer.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145; Neuss,
E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben
in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen in der Gegenwart, 1961; Weitzel,
J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408;
Prozessakten als Quellen, hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte
unter der Schere politischer Zensur, 2001; Als die Welt in die Akten kam, hg.
v. Lepsius, S. u. a., 2007; Hochedlinger, M., Aktenkunde, 2009
Aktenversendung (lat. transmissio [F.] actorum) ist die in der
frühen Neuzeit verbreitete Übung der Gerichte, in einem anhängigen Verfahren
(auf Antrag oder von Amts wegen) die Akten mit der Bitte um ein(en)
Urteil(svorschlag) an eine rechtskundige Stelle zu versenden, um danach die
Antwort als eigenes Urteil zu verkünden. Sie baut auf dem mittelalterlichen →
Oberhof auf, bezieht aber nach italienischem Vorbild Juristen und deren →
Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219 CCC). Seit der Mitte des 18. Jh.s
schränken staatliche Gesetze die A. ein (Preußen 1746, Bayern 1753). Mit den
Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879 (§ 16 GVG) endet die der
Unmittelbarkeit des Richters widersprechende A. im Deutschen Reich.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Köbler, DRG 155, 201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts,
1881; Löning, G., Spätes Lob der Aktenversendung, ZRG GA 63 (1943), 333; Ebel,
W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961;
Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger
Juristenfakultät, 1962; Gehrke, H., Die privatrechtliche
Entscheidungsliteratur, 1974; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess,
1983
Aktenwesen → Akten
Aktie ist der Anteil an der →
Aktiengesellschaft. Im 15. Jh. ist A. in Amsterdam und Brügge der klagbare
Anspruch und das diesen verbriefende Papier, in Zeugnissen von 1606/1607
(niederländisch-ostindische Handelscompagnie) vielleicht der Anspruch auf
Dividende (aus dem Anteilsschein des Kapitalgebers) und im Code de commerce
Frankreichs von 1807 ein Teil des Kapitals einer Handelsgesellschaft.
Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995;; Aktienrecht im
Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007
Aktiengesellschaft ist
die Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person), die ein
in Aktien zerlegtes Grundkapital hat und für deren Verbindlichkeiten den
Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet (nicht auch der Gesellschafter
mit ihrem sonstigen Vermögen). Auf der Grundlage erster Durchbrechungen des
Grundsatzes der persönlichen Haftung des handelnden Kaufmanns infolge des
wachsenden Kapitalbedarfs in Bergbau und Fernhandel im 15. Jh. entsteht die A.
aus den Bedürfnissen der Beschaffung hohen Kapitals und der Streuung großen
Risikos im Kolonialhandel am Beginn des 17. Jh.s (English East India Company
1600 zunächst als Rahmen für auf einzelne Unternehmungen beschränkte terminated
stock companies, Niederländische ostindische Handelscompagnie VOC 1602,
Schweden 1615, Dänemark 1616, Brandenburgisch-Ostindische Compagnie 1651,
Niederlande Österreichs 1719). Sie wird mehr und mehr als Zusammenschluss
mit eigenem Vermögen angesehen. Sie beruht zunächst auf einem einzelnen
Privileg (Oktroisystem). Gesetzlich wird die A. im französischen Code de
commerce (1807, 14 Artikel, „anonyme Gesellschaft“), (im Eisenbahngesetz
Preußens von 1838,) im Gesetz über die Aktiengesellschaften für die königlich
preußischen Staaaten vom 9. November 1843 (Konzession als Verwaltungsakt auf
der Grundlage eines Gesetzes [Konzessionssystem], Vorstand und Generalversammlung)
und im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861, Konzessionssystem 1870
durch System der Normativbestimmungen mit Anspruch auf Erteilung bei Vorliegen
der Voraussetzungen ersetzt), danach in Deutschland (nach zwei Notverordnungen
von 1930 und 1931) 1937 in einem eigenen, 1938 auf Österreich erstreckten, 1945
geringfügig entnazifizierten, 1965 und 1994 novellierten Aktiengesetz geregelt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Köbler, DRG 167, 217, 242, 272; Gesetz über die Aktiengesellschaften
vom 9. November 1843, hg. v. Baums, T., 1981; Lehmann, K., Die geschichtliche
Entwicklung des Aktienrechts, 1895; Cohn, G., Die Aktiengesellschaft, Bd. 1
1921; Schumacher, H., Die Entwickelung der inneren Organisation der Aktiengesellschaft,
1937; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des sociétés de commerce en France,
1938; Bösselmann, K., Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens, 1939; Rauch,
K., Die Aktienvereine in der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts, ZRG
GA 69 (1952), 238; Reich, N., Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts, Ius
commune 2 (1969), 239; Gmür, R., Die Emder Handelscompagnien, FS H. Westermann
1974, 167; Großfeld, B., Die rechtspolitische Bedeutung der Aktiengesellschaft
im 19. Jahrhundert, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u.
a., Bd. 4 1979, 236ff.; Baums-Stammberger, B., Der Versuch einer
Aktiengesetzgebung in Sachsen 1836/37, 1989; Landwehr, G., Die
Organisationsstruktur der Aktienunternehmen, (in) Vom Gewerbe zum Unternehmen,
1982, 251; Landwehr, G., Die Verfassung der Aktiengesellschaft, ZRG GA 99
(1982), 1; 100 Jahre modernes Aktienrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1984;
Schubert, W., Die Entwürfe der Weimarer Republik zur Reform des Aktienrechts,
ZRG GA 103 (1986), 140; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der
Ausschüsse 1 Ausschuss für Aktienrecht, hg. v. Schubert, W., 1986; Die
Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik. Die Protokolle der
Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss des vorläufigen Reichswirtschaftsrats,
hg. v. Schubert, W. u. a., 1987; Gaastra, F., De geschiedenis van de VOC, 1991;
Nörr, K., Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts, ZHR 150 (1986), 155;
Frey, M., Die spanische Aktiengesellschaft, 1999; Hartung, W., Geschichte und
Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000; Bahrenfuss, D., Die Entstehung
des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss, S./Burger, C./Eckert, G., Die
Entwicklung des österreichischen Aktienrechts. Geschichte und Materialien,
2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen,
2005; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v. Gepken-Jager, E. u. a.,
2005; Thiäner, F., Das Verhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern, 2007;
Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007
Aktiengesetz ist
das die Aktie bzw. → Aktiengesellschaft betreffende Gesetz. (z. B.
Deutsches Reich 1937)
Aktionär ist
der Gesellschafter der → Aktiengesellschaft.
Aktionensystem ist
das auf die (lat. [F.]) actio (z. B. im römischen Recht die
Rechtsschutzverheißung im edictum perpetuum) als Klaganspruch ausgerichtete
Rechtssystem, das den Sachverhalt nicht unter einen Tatbestand subsumiert,
sondern auf seine Klagbarkeit untersucht. Bernhard Windscheid (1817-1892)
trennt den materiellen Anspruch von der verfahrensrechtlichen (lat.) actio.
Damit endet im deutschen Recht das A.
Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis
Akzeptation (Annahme, Anerkennung) ist die meist durch Überleitungsgesetz umgesetzte
weltliche Anerkennung (Transformation) kirchlichen Rechts im Spätmittelalter
(z. B. Pragmatische Sanktion von Bourges 1438, Mainzer Akzeptation 1439).
Lit.: Hürten, H., Die Mainzer
Akzeptation, 1955
Akzessorietät (F.)
Abhängigkeit eines rechtlichen Umstandes von einem anderen
Akzise (zu lat. accidere, auferlegen,
cisa, Einschnitt [auf dem Kerbholz]) ist
die im 11. Jh. in Spanien (1001) und Venedig, im 13. Jh. im deutschen Reich
(Köln 1206, Standal 1314 Bierziese) bezeugte, ursprünglich städtische, meist am
Stadttor erhobene → Verbrauchsteuer (auf z. B. Wein, Bier, ausgedehnt
auf Salz, Getreide, Fleisch). In den zusätzliche Einkünfte benötigenden Ländern
wird die auf die reine Warenbewegung abstellende A. nach niederländischem
Vorbild im 17. Jh. bedeutsam (Württemberg 1633, Sachsen 1641, Brandenburg 1641,
Kurpfalz 1699), deren Einführung die Landstände noch bewilligen. Im 19. Jh.
tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück (abgeschafft in Bayern 1808, im
Wesentlichen in Preußen 1820, in Sachsen 1834), wird aber in der Form der alle
Bereiche des Warenumsatzes erfassenden Umsatzsteuer (oder später der auf den
jeweils erzielten Mehrwert beschränkten Mehrwertsteuer) im 20. Jh. (1916 bzw.
1918) wieder belebt.
Lit.: Köbler, DRG 113; Der Akzisenstreit, hg. v. Blesgen,
D. u. a., 1717, Neudruck 2006; Knipping, R., Die Kölner Stadtrechnungen des
Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992;
Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992;
Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; Ullmann, H., Der deutsche
Steuerstaat, 2005
Alarich → Breviarium Alarici
Albanien ist der
südosteuropäische, nördlich Griechenlands an der Adria gelegene Staat mit einer
Fläche von 28748 qkm und rund 3,1 Millionen überwiegend muslimischer Einwohner
(Skipetaren oder Albaner), deren seit dem 15. Jh. schriftlich bezeugte Sprache
zum albanischen Zweig der indogermanischen Sprachenfamilie zählt. Das Gebiet
wird im 1. Jt. v. Chr. griechisch beeinflusst und gerät 168 v. Chr. unter
römische Herrschaft, unter der es 395 n. Chr. Ostrom zugeteilt wird. Am Ende
des Mittelalters wird das von 1392 bis 1479 Venedig unterstehende A. von den
Osmanen erobert. Am 28. 11. 1912 erklärt sich A. für unabhängig, 1928 zum von
1939 bis September 1943 in Personalunion mit Italien verbundenen Königreich.
Am 11. 1. 1946 entsteht die Volksrepublik A., die sich zunehmend abschließt.
Im Dezember 1990 endet die kommunistische Einparteienherrschaft. Seit freien
Wahlen vom März 1991 bemüht sich A. um eine Öffnung. Das albanische Recht ist
dementsprechend im Wandel der Zeiten griechisch, römisch, osmanisch (Geltung
der → Megelle [1869-1876] bis 1928), westlich, sozialistisch und
demokratisch geprägt.
Lit.: Frasheri,
K., The History of Albania, 1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening,
1967; Ruß, W., Der Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame
Albanien, 1985; Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v.
Neuwirth, H. u. a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v.,
Albanien, 1998; Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001; Kohl, C. v.,
Albanien, 2. A. 2003; Albanien, hg. v. Jordan, P. u. a., 2003; Schubert, P.,
Albanische Identitätssuche, 2005; Köbler, G., Rechtsalbanisch, 2008 (Internet);
Ordolli, S., Histoire constitutionelle de l’Albanie, 2008; Albanische
Geschichte, hg. v. Schmitt, O., 2009
Albericus (de porta Ravennate) ist ein
zwischen 1165 und 1194 bezeugter Glossator (Glossen, Summula de testibus).
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 200
Albericus de Rosate
ist ein in Rosciate bei Bergamo aus vornehmer Familie um 1290 geborener, in
Padua ausgebildeter, praktisch tätiger, im September 1360 verstorbener Jurist
(Kommentare zu Codex und Digesten, alphabetum bzw. dictionarium utriusque
iuris, opus statutorum, kleinere Schriften).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 665; Albericus de Rosate, Dictionarium, per Decianum,
F., 1581, Neudruck 2008 (372 Blätter)
Albertiner →
Wettin
Albertus Gandinus
s. Gandinus, Albertus
Albigenser
Lit.: La Croisade albigeoise, hg. v. Roquebert, M., 2004
Albrecht, Wilhelm Eduard (Elbing
4. 3. 1800-Leipzig 22. 5. 1876) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in
Königsberg und Göttingen und der Promotion (1822) und Habilitation (1824) in
Königsberg 1829 Professor für deutsches Recht. 1830 wird er Nachfolger seines
Lehrers Karl Friedrich Eichhorn in Göttingen, wo er in einer Rezension den
Staat als juristische Person erklärt und 1837 (als einer der Göttinger Sieben)
entlassen wird. Ab 1838 wirkt er in Leipzig, ist Vertreter Oldenburgs, Schwarzburgs
und Anhalts im Bundestag des Deutschen Bundes und nimmt für Harburg an der
deutschen Nationalversammlung von 1848 teil.
Lit.: Albrecht, W., Die
Gewere als Grundlage des älteren deutschen Sachenrechts, 1828; Küc k, H., Die
Göttinger Sieben, 1935; Borsdorff, A., W. E: Albrecht, 1993
Alcala de Henares ist die östlich Madrids in Spanien gelegene Stadt, die auf römische Grundlagen zurückgeht und 1118 den Mauren wieder abgewonnen wird. 1348 wird dort durch die Cortes ein bedeutendes Rechtsbuch verkündet. 1498/1508 wird eine 1836 nach Madrid verlegte Universität gegründet.
Alciat, Andreas
(Alzate bei Como 1492-Pavia 1550), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium
(Latein, Griechisch, 1507 Rechtswissenschaft) in Pavia und Bologna(, 1516
Promotion Universität Ferrara, Advokat Mailand,) 1518 nach Avignon berufen, (1522
Advokat Mailand, 1527 an die Universität Avignon zurückgekehrt,) und 1529 nach
Bourges sowie 1533 nach Pavia berufen, (1541-1546 Ferrara). Er begründet mit
Budé und Zasius die vom → Humanismus geprägte Rechtswissenschaft ([lat.] Paradoxa [N.Pl.] iuris
civilis, 1518, De verborum significatione, 1530), die im (lat.) → mos
(M.) Gallicus zum Ausdruck kommt. Zeitlebens
ist er auch ein geschätzter Gutachter.
Lit.: Köbler, DRG 143; Omnia … opera, 1557,
Neudruck 2004; Moeller, E. v., Andreas Alciat, 1907; Viard, P., André Alciat,
1926; Osler, D., Development in the text of Alciatus’ Dispunctiones, Ius
commune 19 (1992), 219; Troje, H., Humanistische Jurisprudenz, 1993; Belloni,
A., L’amministrazione della giustizia a Milano, (in) Cunabula iuris, 2002, 1ff.
Aldermann (ae. ealdorman) ist seit dem
Mittelalter an verschiedenen Stellen (z. B. Hamburg 1266, London 13. Jh.) ein
Funktionsträger mit unterschiedlichen Befugnissen.
Lit.: Dollinger, P.,
Die Hanse, 5.A. 1998; Wormald, P., The making of English law, Bd. 1 1999
Aldricus ist ein zwischen 1154 und 1177
bezeugter Glossator, von dem vielleicht eine Schrift über anwendbares Ortsrecht
stammt.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 202
Alemanne ist der Angehörige eines wohl am Ende des 2. Jh.s n. Chr. vor allem aus elbgermanischen Sueben gebildeten, im 3. Jh. erstmals erwähnten germanischen Stammes, der 259/260 den römischen Limes durchbricht und das Gebiet am oberen Rhein besiedelt (am Anfang des 4. Jh.s im Breisgau). 496/497 unterliegen die von einem König geführten Alemannen den → Franken. Etwa zu dieser Zeit setzt die sich über Jahrhunderte hinziehende Christianisierung ein. Zu Beginn des 7. Jh.s zeichnen die Alemannen ihr Recht im → Pactus Alamannorum und zu Beginn des 8. Jh.s in der → Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum vom fränkischen König endgültig beseitigt. Im fränkisch-deutschen Reich gehen die Alemannen in Schwaben (Baden, Württemberg), Elsässern, Schweizern und Vorarlbergern auf.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Cramer, J., Die Geschichte der Alamannen, 1899; Grundfragen der
alemannischen Geschichte, hg. vom Institut für geschichtliche Landesforschung,
1955; Die Alemannen in der Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur
Frühgeschichte der Alemannen, hg. v. Müller, W., 1975; Beiträge zum
frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Borgolte, M., Die Geschichte
der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit, 1984; Borgolte, M., Die
Grafen Alemanniens, 1986; Geuenich, D., Geschichte der Alemannen, 1997, 2. A.
2004; Die Alamannen, hg. v. archäologischen Landesmuseum, 1997; Hellmuth, D.,
Frau und Besitz, 1998; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C.,
Frühe Alemannen im Breisgau, 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000;
Hartung, W., Die Alamannen, 2003; Die Alemannen und das Christentum, hg. v.
Lorenz, S. u. a., 2003; Krapp, K., Die Alamannen, 2007; Alamannen zwischen
Schwarzwald, Neckar und Donau, hg. v. Ade, D. u. a., 2008
Alemannien → Alemanne, → Schwabe
Alexander III.,
der (um 1120?) als Roland (Bandinelli?) in Siena geboren wird und in Bologna
(vor 1142) Theologie und die Rechte lehrt (wohl verschieden von dem Dekretisten
magister Rolandus), veranlasst als Papst (1159-1181) und Gegner Friedrichs I.
Barbarossa bedeutsame → Dekretalen (insgesamt mehr als 700, u. a. zur
Papstwahl [Zweidrittelmehrheit der wählenden Kardinäle] und zur
Eheschließung).
Lit.: Pacaut,
M., Alexandre III, 1956; Baldwin, M., Alexandre III and the XIIth century, 1968;
Weigand, R., Magister Rolandus und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980), 3;
Laudage, J., Alexander III. und Friedrich Barbarossa, 1997
Alexander von Roes (2.
H. d. 13. Jh.s, um 1225-vor 1300) ist Kanoniker in Köln und weilt nach 1280
mehrfach in Italien. Er verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich
zugunsten des deutschen Königs gegen Ansprüche des französischen Königs ein
([lat.] Memoriale [N.] de prerogativa Romani imperii, 1281).
Lit.: Schraub,
W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910; Alexander von Roes,
Schriften, hg. v. Grundmann, H. u. a., 1958; Horst, H., Weltamt und Weltende
bei Alexander von Roes, 2002
Aller guten Dinge sind drei
(d. h. der Kläger muss dem Beklagten in drei Gerichtsterminen die Möglichkeit
zur Gegenwehr geben).
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616)
Allgäu
Lit.: Wiedemann, R.,
Der „Allgäuische Gebrauch einer Gerichtsbarkeit nach Personalitätsprinzip,
1932; Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290-1505, bearb. v. Bilgeri, B., 1940
Allgemeine Deutsche Civilprozessordnung ist das 1866 Entwurf gebliebene zivilprozessuale Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die Bürgerliche Prozessordnung (1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf Leonhardt zugrunde liegt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; Protocolle der Commission zur Beratung einer allgemeinen
Civilprozessordnung, 1862ff., Neudruck 1985
Allgemeine Deutsche Wechselordnung ist das auf Grund eines 1847 von allen Mitgliedstaaten des →
Deutschen Bundes ausgearbeiteten Entwurfes von der Frankfurter
verfassungsgebenden Nationalversammlung angenommene, am 27. 11. 1848
verkündete Gesetz zur Vereinheitlichung des partikularen Wechselrechts, das
nach Scheitern der Einigungsbestrebungen des Jahres 1848 in den einzelnen
Mitgliedstaaten durch Landesgesetz (als gleichlautendes allgemeines deutsches
Recht) in Kraft gesetzt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle der
zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in der Zeit vom 20.
October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U.,
Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978,
77ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung
und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484;
Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeineDeutscheWechselordnung1848.pdf
Allgemeine Gerichtsordnung (Österreichs) ist das (nach ersten Ansätzen der Jahr 1709 und 1753 vor
allem von April 1774 bis September 1775 von Joseph Hyazinth Froidevo [Arlesheim
1735-Weidling 15. 8. 1811] in Fortschreibung des vom gemeinen Recht stark
geprägten Prozessrechts Böhmens ausgearbeitete,) 1781 in Österreich zwecks
Rechtsvereinheitlichung kompilatorisch geschaffene Gesetz (Publikation 1. Mai
1781, JGS 13, Einführung mit Patent vom 9. 4. 1782) zur Regelung des
gemeinrechtlichen Zivilprozesses (geheimes Aktenverfahren mit Verhandlungsmaxime,
Eventualmaxime, grundsätzlicher Anwaltszwang,
mittelbarer Beweisaufnahme und gebundener Beweisregel), das 1796
abgeändert in Westgalizien (Westgalizische Gerichtsordnung), später in
Ostgalizien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien
in Kraft tritt und erst durch die
ältere Allgemeine Gerichtsordnung und erweiterte Westgalizische
Gerichtsordnung vereinheitlichende österreichische Zivilprozessordnung
von 1895 abgelöst wird.
Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M., Die
österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978
Allgemeine Gerichtsordnung (Preußens) ist die 1793 für Preußen geschaffene
Zivilprozessordnung, die in vernunftrechtlicher Prägung (Erforschung der
Wahrheit) eine Abkehr vom gemeinrechtlichen, als zu langwierig empfundenen
Zivilprozess versucht, ohne ihre Ziele wirklich erreichen zu können.
Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Nörr, K., Reinhardt und die
Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1975;
Eckert, J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, (in) Das Preußische
Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der
Allgemeinen Gerichtsordnung für die preusßischen Staaten, 1999
Allgemeine Geschäftsbedingung ist die allgemein verwendete Geschäftsbedingung.
Allgemeine Geschäftsbedingungen entstehen (nach Vorläufern in
(mittelalterlichen Formelsammlungen und) Policen von Versicherungen im ersten
Drittel des 18. Jh.s) als Folge der Massengeschäfte nach der industriellen
Revolution am Ende des 19. Jh.s (Eisenbahnbetriebsreglements, Postordnungen,
1919 Berliner Spediteurbedingungen), werden trotz der erkennbaren Vorteilssicherung
der Verwender mittels Haftungsbeschränkungen, Beweislastumkehrungen, Gerichtsstandsklauseln,
Rücktrittsvorbehalten und Verfallklauseln) zunächst nur vorsichtig im
Einzelfall gerichtlich kontrolliert, am 9. 12. 1976 in Deutschland aber in
einem eigenen Gesetz über das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen
gesetzlich geregelt, das 2002 als §§ 305ff. in das Bürgerliche Gesetzbuch
aufgenommen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Raiser,
L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, 2. A. 1961;
Pohlhausen, R., Zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1978; Nörr, K.,
Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des
ADHGB, FS E. Brandner, 1996, 219; Prang, T., Der Schutz der
Versicherungsnehmer, 2003; Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen
Weltverkehr, 2006
Allgemeine Gütergemeinschaft → Gütergemeinschaft
Allgemeiner Teil ist
der die allgemeinen Erscheinungen besonderer Teile zusammenfassende (und
voranstellende) Teil einer Gesamtheit. Eine Unterscheidung zwischen Gattung
([lat.] genus, Geburt, Geschlecht, Gattung) und Art ([lat.] species, Sehen,
Anblick, Gestalt, Bild, Stück) sowie zwischen (lat.) generalis (zum Geschlecht
gehörig, zur Gattung gehörig, allgemein) und (lat.) specialis (besondere) ist
bereits dem lateinischen Altertum bekannt. Allgemeine Einführungen in das Recht
werden in den Versuchen des Franciscus Connanus (1508-1551) und Hugo Donellus
(1527-1591), sich von der wenig systematischen Reihenfolge der Bestimmungen
der justinianischen Kompilation(en) zu lösen, sichtbar. Johannes Althusius
(Diedenshausen 1557-Emden 1638) überschreibt im Index capitum seiner
Dicaelogicae (1618) den ersten Teil des ersten Buches mit (lat.) agit de
generalibus (handelt von den allgemeinen [Angelegenheiten]), doch wird dies nicht
weiter beachtet. Im Gefolge naturrechtlicher Systematisierungsansätze
(Erhard → Weigel [1625-1699], Samuel → Pufendorf [1632-1694],
allgemeine Einleitung in das Recht und seine Anwendung sowie Auslegung in Jean
Domats [1625-1695] Loix civiles dans leur ordre naturel [1689-1695], Christian
Wolff [1679-1754] 1711 [Jus naturae, Band 1 De obligatione et iure hominum
universali]) veröffentlicht Christian Wolffs Schüler Georg Darjes 1740 (lat.)
Institutiones jurisprudentiae universalis (Einrichtungen der universellen
Jurisprudenz), in denen er in einer pars generalis (einem allgemeinen Teil) de
iurium atque obligationum objecto (von der Rechte und Verbindlichkeiten
Gegenstand), de iurium atque obligationum diversitate (von der Rechte und
Verbindlichkeiten Verschiedenheit) und de acquisitione iurium et obligationum
generatim (vom Erwerb der Rechte und Verbindlichkeiten im Allgemeinen)
handelt. 1749 legt Christian Wolffs weiterer Schüler Daniel Nettelbladt
(Rostock 1719-Halle 1791) ohnvorgreifliche Gedancken, den heutigen Zustand der
bürgerlichen und natürlichen Rechtsgelehrtheit in Teutschland, deren nöthige
Verbesserung und dazu dienliche Mittel betreffend vor, in denen er eine vom
Demonstrieren der Rechtssätze nach Gründen ausgehende straffe Definitionen
verwendende Darstellung des positiven Rechts verlangt, in der alles
systematisch so geordnet werden soll, dass das Allgemeine vor dem Besonderen
und das Zusammengehörige beieinander steht. Nach erfolgreichen
Elementarsystemen des gleichen Jahres verfasst er 1761 eine (lat.) Introductio
(F.) in jurisprudentiam positivam Germanorum communem (Einleitung in die
allgemeine positive Jurisprudenz der Deutschen), die neben einem allgemeinen
Teil eine kurze Enzyklopädie und Methologie sowie eine straffe Rechts- und Literärgeschichte
enthält. 1767 entsteht Johann Stephan Pütters Versuch einer juristischen
Enzyklopädie und Methodologie, die eine systematische, durch einen allgemeinen
Teil grundgelegte Darstellung des römischen Rechts verlangt. 1772 bietet Daniel
Nettelbladt in seiner (lat.) Nova introductio in jurisprudentiam positivam
Germanorum communem wohl erstmals einen ausgeführten allgemeinen Teil in zwei
Büchern mit 7 bzw. 5 Sektionen über allgemeine rechtliche Fachwörter,
Personen, Tatsachen, Sachen, Rechtshandlungen, Begründen, Auflösen,
Bestätigen von Verbindlichkeiten, Stellvertretung, Anfechtung, Erwerb,
Verlust und Bewahrung von Rechten, Eigentum, Schadensersatz, Sicherheitsleistung,
Arrest, Sequestration, Protest, Besitz und Rechtsmittel. Nach weiteren
ähnlichen Werken (Hofacker 1773, Habernickel 1776) ordnet (der Hallenser
Schüler Daniel Nettelbladts) Gustav → Hugo in seinen (lat.) Institutionen
des heutigen römischen Rechts, 1789 das Privatrecht noch klarer ([Einleitung in
7 Paragraphen über Gegenstand der bürgerlichen Rechtspflege, Entscheidungsgrundlagen
des Richters, Unmöglichkeit der Vorausbestimmtheit der Entscheidung, römisches
Recht in Deutschland, Justinians Leistung, teilweise Unbrauchbarkeit durch
Änderung der Verhältnisse, Vereinfachung durch Vorausschickung des
Allgemeinen,] Realrechte, persönliche Obligationen, Familienrechte, Verlassenschaften,
Prozess). Christoph Christian Dabelow (Neu-Buckow 1767-Dorpat 1830), ebenfalls
Schüler Nettelbladts in Halle, bietet 1793 eine Einleitung in die deutsche
positive Rechtswissenschaft und 1794 ein System der heutigen
Civilrechtsgelahrtheit, die beide 1796 eine zweite Auflage erfahren, wobei das
System des gesamten heutigen Zivilrechts von 1796 in seinem allgemeinen Teil Personen,
Sachen, Handlungen, Zeit, rechtliche Geschäfte, Eide, Wahrheit, Rechte, Verbindlichkeiten,
Sicherheiten, Besitz, Verjährung, Rechtsmittel, Schaden, Schadensersatz, Verwaltung
fremder Sachen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfasst. Hugos
Erkenntnisse vertieft sein Göttinger Schüler Georg Arnold Heise in seinem
Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen
(1807, allgemeine Lehren [Von den Quellen des Rechts, Von den Rechten im
Allgemeinen, Von Verfolgung und Schützung der Rechte, Von den Subjecten und
Objecten des Rechts], dingliche Rechte, Obligationen-Recht, jura potestatis,
das gesamte Erbrecht, Restitutio in integrum) zu einem allgemeinen Teil des
Privatrechts. Durch → Savigny erlangt diese Vorstellung allgemeine
Verbreitung und erfasst später über das Privatrecht hinaus auch Strafrecht und
Verwaltungsrecht und andere Rechtsgebiete.
Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz, A., Zur
Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Jakobs, H./Schubert, W.,
Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB - Allgemeiner Teil, 1985;
Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer eines allgemeinen
Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997;
Hollstein, T., Die Verfassung als „Allgemeiner Teil“, 2007
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die →Kodifikation des Privatrechts in →
Österreich. Sie wird mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung der verschiedenen
habsburgischen Herrschaftsgebiete schon von Leibniz als Codex Leopoldinus
Leopolds I. angeregt. 1709 setzt Joseph I. (erfolglos) Kompilationskommissionen
in Prag und Brünn ein, (nach der 1749 die österreichische Monarchie mit
Ausnahme der ungarischen Länder von einer Länderunion in eine Einheit
umwandelnden Reform Maria Theresias) 1753 Maria Theresia eine Kommission
(Kompilationskommission [Joseph von Azzoni], 1756 Aufgabe auf die 1755
gebildete Revisionskommission übertragen) zur Abfassung ([einer allgemeinen
Gerichtsordnung und] eines gleichen Landrechts in allen benachbarten
österreichisch-deutschen Erblanden bzw.) eines (lat.) → Codex (M.) Theresianus,
der Provinzialrechte, das gemeine Recht, die Gesetze anderer Staaten und das
allgemeine Recht der Vernunft berücksichtigen soll. Der umfangreiche, in drei
Teilen 1766 fertiggestellte, vor allem auf dem gemeinen Recht beruhende Entwurf
(ein vierter Teil sollte das Zivilprozessrecht enthalten) wird lediglich als
brauchbare Materialsammlung angesehen (und deswegen 1770 von Maria Theresia
nicht sanktioniert und 1772/1773 von der geplanten Verbindung mit dem
Zivilprozessrecht gelöst). Der bis 1774 auf etwa die Hälfte gekürzte Entwurf
Johann Bernhard Hortens wird 1776 nicht weiter beraten, (nach Ehepatenten vom
16. 1. 1783 und 3. 5. 1786) in seinem die gesetzliche Erbfolge betreffenden
Teil 1786 aber als Erbfolgepatent vom 11. 5. 1786 und in seinem
personenrechtlichen Teil am 1. 11. 1786 zum 1. 1. 1787 als Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch, ErsterTeil (bzw. [später so genanntes] → Josephinisches
Gesetzbuch) Josephs II. in den deutschen Erblanden (Österreichs bzw. Habsburgs)
in Kraft gesetzt, doch verzögern sich die Arbeiten an den übrigen Teilen durch
die nunmehr geplante Einbeziehung Ungarns und unterbricht der Tod Josephs II.
(20. 2. 1790) den weiteren Fortgang. Ab 1793 bzw. 1794 arbeitet Karl Anton von →
Martini an Hand der Benützung des Entwurfes Hortens und des (1794) in Kraft
gesetzten Allgemeinen Landrechts Preußens einen neuen, etwas stärker
naturrechtlich geprägten Entwurf (1796 Entwurf Martini) aus, der (nach
Inkraftsetzung der Zivilprozessordnung und des Strafgesetzes 1796 und geringer
Umarbeitung) durch Patent vom 13. 2. 1797 als Bürgerliches Gesetzbuch für
Westgalizien (→ Westgalizisches Gesetzbuch) für das aus der dritten
Teilung Polens 1795 erworbene Erbland Westgalizien und durch Patent vom 18. 9.
1797 auch für das 1772 erlangte Ostgalizien kundgemacht wird (Bürgerliches
Gesetzbuch für Galizien [und Bukowina] 1. 1. 1798). Dieses Bürgerliche
Gesetzbuch für Galizien wird als sog. Urentwurf unter der Leitung Franz von →
Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei Lesungen (unter Abbau der
naturrechtlichen Prägung wegen der französischen Revolution) beraten und nach
kaiserlicher Sanktion vom 7. Juli 1810 (ohne Darlehensbestimmungen) bzw. 29.
4. 1811 (Darlehensbestimmungen) als Anlage zum kaiserlichen Patent vom 1. 6.
1811 (JGS 94) zum 1. 1. 1812 unter Aufhebung des gemeinen Rechts und grundsätzlich
der Privatrechtsgesetze (als allgemeines, d. h. für den gesamten Bereich der
Rechtsvereinheitlichung geltendes, als neuständisches Gesetzbuch ständische
Unterschiede nur formal nicht berücksichtigendes und damit verdeckendes) für
die gesamten deutschen Erblande des österreichischen Kaisers
(Niederösterreich, Oberösterreich [ohne Innkreis], Böhmen [einschließlich
Marktredwitz und sog. Fraischbezirk
in der Oberpfalz, in Geltung bis 31. 12. 1899], Mähren, Schlesien,
Galizien [z. T.], Bukowina, Teile des Hausruckkreises, Steiermark, Kärnten,
Militärgrenze, nicht aber Ungarn, Kroatien-Slawonien, Siebenbürgen) als reines
Privatgesetzbuch (mit drei Teilen und 1512 Paragraphen) in Kraft gesetzt (1815
Lombardo-Venetien, 1878 partiell-subsidär Bosnien-Herzegowina). Der (vielleicht
durch Abstände des Wappens auf dem Titelblatt im Ausmaß von 47 bzw. 7. bzw 9
Millimeter erkennbare, anscheinend in § 591 die Zeichenfolge … Ordens;
Jünglinge unter 18 Jahren, Frauenspersonen, Sinnlose, Blinde, Taube, oder Stumme
… aufweisende) Erstdruck wird dem Kaiser am 24. Juni 1811 überreicht (amtlich
publizierter Text in Justizgesetzsammlung 1817, Nr. 946). Inhaltlich beruht es
auf dem römisch-gemeinen Recht (Schuldrecht, gewillkürtes Erbrecht),
einheimischen Recht (Sachenrecht, Erbvertrag), kirchlichen Recht (Eherecht) und
dem Naturrecht (Systematik, Auslegungsregeln, Parentelenordnung). Von Savigny
wird es als misslungen bewertet. Durch Patent vom 29. 11. 1812 bzw. 1846
(Erbrecht) wird es von Liechtenstein übernommen (, wo der Text um zwei Fünftel
gekürzt und seit dem 20. Jh. an das Recht der Schweiz angeglichen wird). In
Moldau wird es 1817 im Wesentlichen in den Codex Callimachus übersetzt. 1852
wird es (mit Anpassungen vor allem im Eherecht) in Ungarn (1853-1861), Kroatien
und Slawonien (bis 1918), in der Woiwodschaft Serbien und im Temescher Banat,
durch Patent vom 29. 5. 1853 in Siebenbürgen eingeführt. Bern (1824/1830,
Luzern (1831/1839), Solothurn (1841/1847) und Aargau (1847/1855), Serbien
(1844) und Montenegro (1888 Code Bogisic) dient es als Vorbild. (1855 Ehegesetz
für Katholiken 1856-1868,) 1914 (Personenrecht,
Familienrecht, Vormundschaftsrecht, gesetzliches Erbrecht), 1915 (Grenzberichtigung), 1916 (Eigentumsvorbehalt, Belastungsverbot,
Schuldübernahme, Auslobung, Schadensersatz, Verjährung) wird das ABGB
unter dem vor allem durch Joseph Unger (1818-1913) vermittelten Einfluss der
deutschen historischen Rechtsschule in drei Teilnovellen pandektistisch
novelliert (rund 15 Prozent der nun 1511 Paragraphen). 1938 wird das Eherecht
durch das Ehegesetz des Deutschen Reiches
geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jh.s durch mehrfache Novellierung
das gesamte Familienrecht. Seit 1896 (Ratengesetz, Mietengesetz 1923, Konsumentenschutzgesetz
1979) wird es durch Nebengesetze ergänzt. Nach 1945 ist es im sozialistischen
Rechtskreis außer Kraft gesetzt. Vielleicht steht bzw. stehen in der Gegenwart
noch die Hälfte oder zwei Drittel (Brauneder) der ursprünglichen Paragraphen in
Geltung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205;
Banniza, J. Gründliche Anleitung zu dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuche,
Bd. 1 1787; Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte des
österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1843; Harras von
Harrasowsky, P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen Civilrechtes,
1868; Ofner, J., Der Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Festschrift zur Jahrhundertfeier
des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, 1911; Slapnicka, H., Österreichs
Recht außerhalb Österreichs, 1945; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch
die drei Teilnovellen von 1914, 1915 und 1916, Ius commune 6 (1977), 274;
Ogris, W., 175 Jahre ABGB, 1986/7; Caroni, P., Der unverstandene Meister, FS H.
Baltl, 1978, 107; Seemann, O., Die mit „1811“ datierten Drucke des ABGB, 1995;
Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuches in Ungarn und seinen Nebenländern von 1853 bis 1861, ZRG GA 113
(1996), 362; Frohnecke, E., Die Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft
des 19. Jahrhunderts, 2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ABGB1811.htm
Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse ist das seit 1863 von den Mitgliedstaaten des →
Deutschen Bundes beratene Gesetz, dessen (→Dresdener) Entwurf im Jahre
1866 gerade der Bundesversammlung zugeleitet ist, als der Deutsche Bund am
Gegensatz zwischen Österreich und Preußen zerbricht, so dass der Entwurf dieses
Gesetzes nicht weiter behandelt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der
Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen
Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle
der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts,
1866, 1984
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch ist das auf Grund des Vorbildes des französischen →
Code de commerce (1808) nach Scheitern eines 1848 auf Anregung der deutschen Nationalversammlung
(Frankfurter Paulskirchenversammlung eingesetzten Gesetzgebungsausschusses
seit 1856 von einer Kommission des Deutschen Bundes vorbereitete, nach
preußischer (1850-1856) und österreichischer (1842, 1853, 1857) Vorlage(n) 1861
im (Nürnberger) Entwurf entstandene Handelsgesetzbuch, das die Mitgliedstaaten
des → Deutschen Bundes auf Empfehlung der Bundesversammlung vom 31. 5.
1861 durch übereinstimmende Einzelstaatsgesetze (u. a. Österreich 1862 Allgemeines Handelsgesetzbuch, Anlage zum
Gesetz 17. 12. 1862 RGBl. 1863, 1, (ohne Seerecht) in Geltung bis 1938)
als allgemeines deutsches Recht in Kraft setzen. An seine Stelle tritt im Deutschen Reich 1897 das →
Handelsgesetzbuch (Österreich 24. 12.
1938).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protokolle der Kommission zur
Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd.
1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl, H., Zur Geschichte des Entwurfes eines
allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, 1861; Goldschmidt, L., Der
Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR
5 (1862), 204ff.; Lindau, L., Register zu dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch,
1867; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und
des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wild, P.,
Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs auf die
Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm
Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jh.s durch
Parallelgesetzgebung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes entstandene
Recht. → Allgemeine Deutsche Wechselordnung, → Allgemeines
Deutsches Handelsgesetzbuch
Lit.: Köbler, DRG 182
Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1791) ist eine älteren gescheiterten Versuchen folgende
Vorstufe für die Kodifikation → Allgemeines Landrecht für die preußischen
Staaten (1794). Vorausgeht eine Kabinettsordre des Königs vom 14. 4. 1780, nach
der „alle Gesetze für unsere Staaten und Untertanen in ihrer eigenen Sprache
abgefasst, genau bestimmt und vollständig gesammelt werden“, „nur das
Wesentliche mit dem Natur-Gesetz und der heutigen Verfassung Übereinstimmende
aus dem römischen Recht abstrahirt, das Unnütze weggelassen, Unsere eigene
Landes-Gesetze am gehörigen Ort eingeschaltet und solchergestalt ein
subsidiarisches Gesetz-Buch, zu welchem der Richter beim Mangel der
Provinzial-Gesetze recurriren kann, angefertigt werden soll. Eine
Kabinettsordre vom 27. 7. 1780 konkretisiert den Auftrag, dem das Corpus iuris
Justinians zu Grund gelegt werden soll. Der unter Leitung Johann Casimir von
Carmers hauptsächlich von Carl Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein auf
der Grundlage von Auszügen aus dem Corpus iuris civilis Justinians nach einer
systematischen natürlichen Ordnung erarbeitete Entwurf eines allgemeinen
Gesetzbuches für die preußischen Staaten wird seit 1784 in sechs Abteilungen
gedruckt (Erster Teil, erste Abteilung 1784, zweite Abteilung 1785, dritte
Abteilung 1786, zweiter Teil, erste Abteilung 1787, zweite Abteilung 1787,
dritte Abteilung 1788). Die nach der Veröffentlichung eingereichten Vorschläge
(Monita) werden verwertet und in einer Svarezschen Revision 1790/1791 genutzt.
Am 20. 3. 1791 reicht von Carmer das Publikationspatent für das Allgemeine
Gesetzbuch für die preußischen Staaten ein, dessen Inkrafttreten zum 1. 6. 1792
geplant wird. Am 18. 4. 1792 verschiebt der König die Geltung aus politischen
Gründen bis auf Weiteres. Wegen des Gebietsgewinns Preußens aus der zweiten
Teilung Polens (1793) wird das im Privatrecht einem abgewandelten Institutionensystem
folgende Werk am 1. 6. 1794 als Allgemeines Landrecht für alle preußischen
Staaten in Kraft gesetzt.
Lit.:
Svarez, Carl Gottlieb, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die
preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Register zum
allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1792), hg. v. Krause, P.,
2004; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG
113 (1995), 40; Barzen, C., Die
Entstehung des „Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen
Staaten“, 2000
Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben
Bestrafung ist das unter Joseph II.
gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende Strafgesetzbuch Österreichs von
1787, das noch vom Strafzweck der Abschreckung ausgeht.
Lit.:
Baltl/Kocher;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Strafgesetz1787.pdf
Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) ist das als → Kodifikation zum 1. 6. 1794 in
Kraft gesetzte umfassende Vernunftrechtsgesetzbuch → Preußens. Ihm gehen
als ältere, im Ergebnis erfolglose Versuche der Rechtsvereinheitlichung der
rechtlich ganz verschieden geordneten Teile Brandenburg-Preußens ein Ersuchen
Friedrich Wilhelms I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität
Halle an der Saale (1714) und das von Samuel von → Cocceji bearbeitete
Projekt eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen (Teilentwürfe
1749, 1751) voraus. Als Folge des sog. → Müller-Arnold-Prozesses (1. 1.
1780) erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des Großen (14. 4. 1780
betreffend die Verbesserung des Justizwesens bezüglich der Gerichtsverfassung,
des Prozessrechts und des materiellen Rechts) der neu berufene Großkanzler
Johann Heinrich Casimir von → Carmer und Carl Gottlieb → Svarez
(außer dem Corpus juris Fridericianum von 1781 für das Verfahrensrecht und
einer Hypothekenordnung von 1783) an Hand des römischen Rechtes nach
natürlicher Ordnung und der Sonderrechte der einzelnen Provinzen einen vom
König (1785) als zu weitläufig zurückgewiesenen Entwurf aus (1783-1788,
zwischen 1784 und 1788 in sechs Bänden veröffentlicht). Nach Überarbeitung an
Hand zahlreicher eingegangener Monita und Denkschriften wird 1791 ein Entwurf
eines → allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten vorgelegt,
(nach Einreichen des Publikationspatents
am 20. 3. 1791) sein Inkrafttreten zum 1. 6. 1792 verfügt, aber nach nicht mehr
vollständig aufklärbaren Vorgängen am 18. 4. 1792 auf unbestimmte Zeit
suspendiert. 1794 wird das Gesetzbuch nach dem 1793 bei der zweiten Teilung
Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete (Südpreußen, Neu-Ostpreußen)
unter geringer Umarbeitung (Aufhebung des Verbots der Machtsprüche und einiger
Bestimmungen über die Ehe zur linken Hand) als A. L. R. erlassen (Anlage zum
königlich preußischen Patent vom 5. 2. 1794). Das Gesetz umfasst in zwei Teilen
(„Eigentum“, „Gesellschaft“) mit 23 und 20 Titeln sowie 19194 Paragraphen
(fast) das gesamte private und öffentliche Recht (Privatrecht, Gemeinderecht,
Beamtenrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht, Lehnrecht, Strafrecht), das es
fürsorglich und kasuistisch abhandelt. Sein vom Einzelnen (über Ehe, Familie
und Stände) zum Staat fortschreitender Aufbau ist vernunftrechtlich. Anknüpfungspunkt
ist (noch) nicht der Mensch als ohne weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der
Mensch, soweit er nach Geburt, persönlichen Verhältnissen und Stand Rechte und
Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl
einen Ausgleich zwischen altständischer Gesellschaft und aufgeklärter Freiheit
dar, der die fortschrittlichen Ideen des Bürgertums nur eingeschränkt
verwirklicht. Im Privatrecht folgt es einem abgewandelten Institutionensystem.
Von Savigny wird es abgelehnt (1816 „Sudeley“), aber ab 1819 in Vorlesungen an
der Universität vorgetragen. In den 1815 auf dem Wiener Kongress gewonnenen
Rheinlanden, in denen Frankreich 1806/1807 seinen 1804 geschaffenen Code civil
in Kraft setzt, und in den 1866 bei Auflösung des Deutschen Bundes erlangten
Gebieten wird es nicht eingeführt. Durch das Strafgesetzbuch von 1851, das
Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und schließlich durch das →
Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1. 1. 1900) wird es Stück für Stück abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151, 160,
198; Eggers, C. v., Lehrbuch des Natur- und allgemeinen Privatrechts und
gemeinen preußischen Rechts, 1797; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG
GA 57 (1937), 355; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Conrad, H., Die geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines
Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 1970,
2. A. 1994, 3. A. 1996; Allgemeines Landrecht für die
Preußischen Staaten von 1794, Register 1973; Koselleck, R., Preußen
zwischen Reform und Revolution, 1975; Das nachfriderizianische Preußen
1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Mühleisen, H., Zur Ordnung der
Akten und Materialien des Allgemeinen Landrechts, ZRG GA 108 (1991), 194;
Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen Allgemeinen
Landrechts von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny, Landrechtsvorlesung
1824, hg. v. Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl - Freiheit - Vernunft
- Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg.
v. Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht, hg. v. Dölemeyer, B. u.
a., 1995; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Entwurf
eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P.,
Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen
Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine „Sudeley“?, Diss. jur.
Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G.,
1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des preußischen Allgemeinen
Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999; Dilcher, G., Forschungen zum
ALR-Jubiläum, ZNR 2001, 285; Steinbeck, J., Die Anwendung des allgemeinen
Landrechts in der richterlichen Praxis, 2004; Benöhr, H., Die Urheber des ALR,
ZRG GA 121 (2004), 493; Register zum allgemeinen Gesetzbuch, hg. v. Krause, P.,
2004; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR1fuerdiepreussischenStaaten1794teil1.htm;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR2fuerdiepreussischenStaaten1794Teil2.htm;
Hilgenstock, C., Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen
Praxis, 2009
Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer Persönlichkeit insgesamt
zustehende Recht. Erste Ansätze hierfür finden sich bei Donellus (Doneau
1527-1591), Pufendorf, Thomasius und Wolff (vgl. § 83 Einl. ALR, § 16 ABGB),
doch lehnt Friedrich Carl von Savigny ein a. P. ab, weil Injurienstrafenklage
und Strafrecht genügenden Schutz bieten. Demgegenüber treten später Otto von
Gierke und Josef Kohler für ein a. P. ein. Bei der Schaffung des Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) wird auf ein a. P. bewusst verzichtet, nur der Namensschutz
in § 12 geregelt und der Schadensersatz bei immateriellen Schäden
eingeschränkt (§ 253 BGB, anders Art. 28 ZGB Schweiz 1907/1911). Seit 1954
wird ein a. P. in Deutschland durch die Rechtsprechung (BGHZ 13, 334, 1958
BGHZ 26, 349, 1974 BVerfGE 34, 269, vgl. 1956 BGHZ 20, 345 pönale Geldentschädigung)
anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 Iff. GG angesehen (vgl. BGHZ 128,1).
Beachte auch § 201a StGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hedemann, J., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 1 1910, 58; Irmscher, K., Der
privatrechtliche Schutz der Persönlichkeit in der Praxis des gemeinen und
partikularen Rechts, 1953; Scheyhing, R., Zur Geschichte des
Persönlichkeitsrechts im 19. Jh., AcP 158 (1959/1960), 503; Leuze, D., Die
Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jh. 1962; Simon, J., Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerblichen Erscheinungsformen,
1981; Gottwald, S., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1996; Goebel, J.,
Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 2004; Kastl, K., Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht, 2004; Martin, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
2007
Allgemeines Vermögensgesetzbuch für das Fürstentum
Montenegro ist das vor allem unter der
Mitarbeit Baltazar → Bogisics (1834-1908) 1888 in Kraft gesetzte
Privatrechtsgesetzbuch Montenegros (ohne Familienrecht und Erbrecht).
Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908), 1962
Alliierte →
Alliierte Hohe Kommandantur
Alliierte hohe Kommandantur Berlin ist das gemeinsame Organ der Vereinigten Staaten von
Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für Berlin seit Juli
1945. Nach dem Auszug des sowjetischen Stadtkommandanten am 16. Juni 1948
tagen die drei westlichen Stadtkommandanten allein. Die Hoheitsgewalt über →
Berlin (West) wird bis zur Vereinigung Berlins (1990) von den drei
Westalliierten ausgeübt.
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant,
H., Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, 1985
Alliierte hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten Staaten von Amerika,
Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik Deutschland
einschließlich der westlichen Sektoren Berlins vom 21. 9. 1949 bis 5. 5. 1955.
Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter. Sie besteht
aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte.
Lit.:
Vogt, H., Wächter der Bonner Republik, 2004
Alliierter Kontrollrat ist das am 30. 7. 1945 errichtete Organ der Vereinigten
Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für die
Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere die Entscheidung
aller Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Der Alliierte Kontrollrat
erlässt auch Gesetze. Am 20. 3. 1948 stellt er wegen der gegensätzlichen
Ansichten der westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion andererseits
seine Tätigkeit ein. In Österreich werden nach dem ersten alliierten
Kontrollabkommen vom 4. 7. 1945 ein aus den vier militärischen Kommissaren der
vier Besatzungsmächte gebildeter Alliierter Rat und ein Exekutivkomitee mit
Stäben (insgesamt als Alliierte Kommission bezeichnet) eingerichtet, deren
oberste Gewalt durch das zweite alliierte Kontrollabkommen vom 28. 6. 1946 abgeschwächt
wird.
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Köbler, DRG 245; Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung,
1952; Etzel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die Aufhebung von
nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G., Der
Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995
Alliiertes Recht ist
das von den alliierten Besatzungsmächten (in Deutschland nach 1945) geschaffene
oder veranlassete Besatzungsrecht.
Allmende (mhd. almende) ist die mehreren zur allgemeinen Nutzung zustehende Wirtschaftsfläche (einer Gemeinde oder ähnlichen Körperschaft). Es ist mehr als zweifelhaft, ob die Anfänge der vor allem im Hochmittelalter bezeugten A. in die germanische Landnahme zurückreichen. Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern, Weide und Ödland. Nutzungsberechtigt sind regelmäßig die Inhaber von (nahe liegender) Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen). Schon früh versucht der König und später auch der Landesherr, ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19. Jh. strebt nach Beseitigung der A. zugunsten von Alleineigentum. → Alm
Lit.: Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung
in Deutschland, 1856; Weiss, J., Die Hackwaldallmende der Stadt Eberbach, ZRG
GA 17 (1896), 77; Rüttimann, K., Die zugerischen Allmendkorporationen, 1904;
Rennefahrt, H., Die Allmend im Berner Jura, 1905; Wopfner, H., Das Almendregal
des Tiroler Landesfürsten, 1906; Omlin, H., Die Allmendkorporationen der
Gemeinde Sarnen, 1913; Litscher, M., Die Alpkorporationen des Bezirkes
Werdenberg, 1919; Meyer, E., Die Nutzungskorporationen im Freiamt, 1919;
Haff, K., Überbleibsel strenger Feldgemeinschaft auf friesischen und
skandinavischen Inseln, ZRG GA 46 (1926), 378; Haff, K., Die alten Feld- und
Wiesengemeinschaften der Insel Föhr und ihre Erbbücher, ZRG GA 47 (1927), 673;
Bergdolt, W., Badische Allmenden, ZRG GA 48 (1928), 466; Weber, K., Zur
Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften der Hallig Hooge, 1931; Plett, E.,
Zur Rechtsgeschichte des Spätlandes auf Osterlandföhr, 1931; Kirchner, R., Die
Allmende und ihre Schicksale in Unterfranken, Diss. jur. Würzburg 1931; Mantel,
K., Der Gemeindewald in Bayern, Diss. jur. Würzburg 1933; Rynning, L., Bidrag
til norsk almenningsrett I, 1934; Brinkmann, O., Die Bedeutung der Allmende im
neuen Deutschland, 1935; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der
Alpwirtschaft, 1948; Fischer, H., Zum Gebietsrecht der Stadtallmende, ZRG GA 71
(1954), 209; Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss.
jur. Zürich 1956; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Wehrenberg, D., Die wechselseitigen Beziehungen
zwischen Allmendrechten und Gemeindefronverpflichtungen, 1969; Schildt, B.,
Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Below, S. v. u. a., Wald, 1998; Zückert,
H., Allmende und Allmendaufhebung, 2003; Schmidt-Wiegand, R., Allmende, (in)
Worte des Rechts, 2007, 347
Allod ist das
keinen zusätzlichen Beschränkungen unterliegende Familiengut (19. Jh., vgl.
Lex Salica 59). Es steht insbesondere im Gegensatz zu → Lehen. In
Deutschland gibt es immer A., während in Frankreich (wegen der Vermutung nulle
terre sans seigneur) A. eher selten und in England A. seit 1066 (Domesdaybook)
verschwunden ist. A. kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A. verwandelt
werden. Mit dem 19. Jh. geht A. in → Eigentum auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E., Étude sur
l’histoire des alleux en France, 1888; Rauch, K., Die Übertragung der
steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger,
ZRG GA 58 (1938), 448; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Spieß, K., Das
Lehnswesen, 2002
Allodifikation ist
die (ausdrückliche oder stillschweigende) Umwandlung von Lehen in →
Allod. Tatsächlich findet in der Neuzeit eine allmähliche A. der deutschen
Landesfürstentümer statt (bis 1806). Innerhalb der Landesfürstentümer erfolgt
(nicht zuletzt aus steuerlichen Überlegungen) eine A. der Lehen von 1702
(Preußen) bis 1919 (Mecklenburg).
Lit.: Köbler,
DRG 211; Loewe, V., Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I.,
(in) Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898
Allthing ist die
vielleicht 930 eingerichtete politische Versammlung der seit der 2. Hälfte des
9. Jh.s vor allem von Westnorwegen aus besiedelten Insel → Island. Das A.
wird in der zweiten Junihälfte jedes Jahres im Südwesten abgehalten.
Teilnahmeberechtigt ist jeder thingsteuerfähige Freie, teilnahmeverpflichtet
jeder Häuptling (Gode) und jeder neunte Mann. Auf dem A. hat der
Gesetzessprecher oder Rechtssprecher (lögsögumadr) das Recht vorzutragen, ist
Recht zu setzen und zu klären und müssen Urteile gefällt werden. 1271/81 endet
diese ältere Gestaltung. 1798 wird das A. aufgelöst.
Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971
Alm →
Almrecht
Almrecht ist das
Recht der Alp oder (aus alben kontrahiert) Alm als der hochgelegenen,
vielleicht seit 3000 Jahren in den Sommermonaten bewirtschafteten Weidefläche
(vor allem des Alpenraums). Diese gehört teils Genossenschaften, teils
Grundherren. Das Eigentum an den Grundstücken ist oft durch besondere Rechte
und Dienstbarkeiten eingeschränkt (z. B. Schneefluchtrecht auf unteren Almen).
Lit.: Weiß, R., Das Alpwesen Graubündens, 1941; Grass, N.,
Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Moritz, A., Die
Almwirtschaft im Stanzertal, 1956; Grass, N., Forschungen zur Alpwirtschaft,
ZRG GA 81 (1964), 368; Ramseyer. R., Das altbernische Küherwesen, 1961;
Gietzen, H., Die Almen des Stubaitales, 1964; Schweizerischer Alpkataster, hg.
v. d. Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
in Bern, 1962ff.; Hägele, E., Die Hinterriss, Diss. staatswiss. Innsbruck 1967;
Edelmann, M., Die Almen im Tegernseer Tal, 1966; Werner, K., Die Almwirtschaft
des Schnalstales, 1969; Starz, R., Die Almwirtschaft in der Wildschönau, Diss.
staatswiss. Innsbruck 1970; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schenk, P.,
Die Almwirtschaft im Alpbachtal (Tirol), 1974; Zwittkovits, F., Die Almen
Österreichs, 1974; Grass, N., Oswald von Wolkenstein und die Almwirtschaft, ZRG
GA 92 (1975), 105; Tremel, F., Zur Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass
Bd. 2 1975, 3; Untersuchungen zur eiszeitlichen und frühmittelalterlichen Flur,
hg. v. Beck, H., 1980; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Grass, N., Alm
und Wein, 1990 (Aufsätze)
alodis (lat.-afränk.) → Allod
Alp →
Alm
Alpen ist der Name des Italien von
Frankreich und Deutschland trennenden europäischen Gebirges.
Lit.: Die Alpen in der
europäischen Geschichte des Mittelalters, 1965; Die Alpen, hg. v. Mathieu, J.
u. a., 2005; Wege über die Alpen, hg. v. Oster, U., 2006
Altar ist der in der christlichen
Kirche für geistliche Handlungen verwendete Tisch, mit dem auch
Rechtshandlungen (z. B. Stiftungen, Eide, Gottesurteile) verbunden werden
können.
Lit.: Carlen, L., Orte,
Gegenstände, Symbole kirchlichen Rechtslebens, 1999; Viek, S., Der
mittelalterliche Altar als Rechtsstätte, Mediävistik 17 (2004)
Alsfeld in Oberhessen übernimmt nach
1556 weitgehend wörtlich das Frankenberger Stadtrechtsbuch.
Lit.: Gerhardt, H.,
Das Alsfelder Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993
Altdorf bei Nürnberg, 1504 von der
Pfalz an Nürnberg gelangt, 1553 sehr zerstört, ist von 1575 an Sitz des 1526
nach Vorschlägen Melanchthons im Egidienkloster Nürnbergs eingerichteten
Gymnasiums und von 1622 bis 1809 Sitz einer Universität (Donellus,
Rittershusius, 1599 Wallenstein, 1667 Leibniz).
Lit.: Will, G.,
Geschichte und Beschreibung der nürnbergischen Universität Altdorf 1796,
Neudruck 1975; Die Matrikel der Universität Altdorf, hg. v. Steinmeyer, E. v.,
1812, Neudruck 1980; Mummenhoff, G., Die Juristenfakultät Altdorf in den
ersten fünf Jahrzehnten ihres Bestehens, Diss. jur. Erlangen 1957; Loiermann,
H., Die Altdorfer Juristen, FS K. S. Bader 1965, 267; Mährle, W., Academia
Norica (1575-1623), 2000
alte Kulm → Kulm
Altena
Lit.: Lappe, J., Die Freiheit Altena, 1929
Altenteil ist die einem Bauern und seinem überlebenden Ehegatten nach Übergabe seines Hofes an seinen Nachfolger zustehende Versorgung. Das seit der Mitte des 14. Jh. nachweisbare A. wird bei freien Bauern durch (seit dem 16. Jh. nachweisbaren) Vertrag vereinbart (und in neuerer Zeit im Grundbuch dinglich gesichert), bei grundherrschaftlichen Bauern auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet am Hofgrundstück. Die Anerbengesetzgebung des 19. Jh.s kennt eine gesetzliche Regelung, deren Ausgestaltung der Vereinbarung überlassen ist. Art. 96 EGBGB verweist für den schuldrechtlichen Vertrag auf das Landesrecht.
Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils oder
der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung des
bäuerlichen Altenteils, 1940; Weber, H., Der deutsche bäuerliche
Übergabevertrag, 1941; Czerannowski, B., Das bäuerliche Altenteil in Holstein,
Lauenburg und Angeln 1650-1850, 1988; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil,
Diss. jur. Bonn 1994
Alter ist die für
das Recht in verschiedener Hinsicht bedeutsame, durch die dem Menschen
vorgegebene Dimension Zeit bedingte Erscheinung menschlichen Lebens. Schon das
römische Recht unterscheidet zwischen Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes),
Nochnichtgeschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] impuberes) und Geschlechtsreifen (lat.
[M.Pl.] puberes), wobei der Eintritt der Reife bei Männern mit vollendetem 14.,
bei Frauen mit vollendetem 12. Lebensjahr angenommen wird und volle
Geschäftsfähigkeit bedeutet. Allerdings besteht (wohl schon früh) bis zur
Vollendung des 25. Lebensjahres ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften.
Nach den frühmittelalterlichen Volksrechten tritt Mündigkeit zunächst nach der
jeweiligen einzelnen Geschlechtsreife ein, später mit der Vollendung des 10.
Lebensjahrs (angelsächsisches Recht vor 1000) oder 12. Lebensjahrs (Edictus
Rothari [643] 155, Leges Liutprandi [721] 18). Der Unmündige kann bestimmte
Handlungen nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen.
Die väterliche Gewalt dauert aber bis zur → Abschichtung fort. Nach dem
Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zum
Ablauf des 21. Lebensjahres und nach dem 60. Lebensjahr fortgeführt werden. Mit
der Rezeption seit dem späteren Mittelalter dringt die römische Regelung der
(lat. [F.]) infantia (Kindheit) ein (Geschäftsunfähigkeit). Wer älter als
sieben Jahre alt ist, kann zwar Rechte erwerben, aber bis zur Geschlechtsreife
keine Pflichten begründen bzw. bis zur Volljährigkeit (meist 25 Jahre) das
Vermögen nicht ohne Zustimmung eines Kurators verringern, allerdings auf Antrag
diese Rechtsstellung bereits mit 20 bzw. für Frauen mit 18 Jahren erreichen
(lat. sog. [F.] venia aetatis, Erlaubnis des Alters). Nach dem österreichischen
Codex Theresianus von 1766 (V § IV 98), dem preußischen Allgemeinen Landrecht
von 1794 (II 18 § 696) und dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch von 1811/1812 (§ 21) tritt die Volljährigkeit mit 24 Jahren ein, im
Deutschen Reich seit 1875 mit 21 Jahren, in der Deutschen Demokratischen
Republik und in der Bundesrepublik Deutschland (1975) mit 18, in Österreich
(1919) mit 21, dann (1973) mit 19 und danach (2001) auch mit 18 Jahren. Daneben
gibt es die Schulpflicht mit 6 Jahren, die Religionsmündigkeit mit 14 Jahren,
die beschränkte Ehemündigkeit, Testierfähigkeit und Eidesfähigkeit mit 16
Jahren und den Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren im Strafrecht bzw. Jugendstrafrecht.
Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Wackernagel, W., Die
Lebensalter, 1862; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG
GA 61 (1941), 1; Helfenstein, U., Beiträge zur Problematik des Lebensalters in
der mittleren Geschichte, 1952; Luther, G., Ehemündigkeit, Volljährigkeit,
Strafmündigkeit, 1961; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz,
1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages,
hg. v. Sheehan, M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995;
Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Schlegel-Voß, L.,
Alter in der Volksgemeinschaft, 2005; Generationengerechtigkeit?, hg. v. Brakensiek,
S. u. a., 2006
Alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man sich nichts versprechen (bzw.
sich versprechen lassen).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Ulpian 170-223)
Alternativentwurf zur
Strafrechtsreform ist der 1966 von reformfreudigen deutschen
Strafrechtsprofessoren vorgelegte Entwurf, der die Liberalisierung des
deutschen Strafrechts in der anschließenden Novellierung maßgeblich
mitbestimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Altershilfe für
Landwirte ist eine durch Gesetz vom 27. 7. 1957 (zum 1. 10. 1957) in
Deutschland errichtete Abteilung der Sozialversicherung, die von Alterskassen
bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften betrieben wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Altersversicherung →
Sozialversicherung
Altertum ist der
mit den ersten schriftlichen Aufzeichnungen (3000-2800 v. Chr.) bzw. dem 11.
Jh. v. Chr. beginnende, vor allem die Völker der Gegend vom Mittelmeer
(Griechen, Römer) bis zum Zweistromland erfassende und mit der Völkerwanderung
(476 Eroberung Westroms durch die Germanen) allmählich endende geschichtliche
Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. → Antike
Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff.
1975ff.; Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer
Autoren, 3. A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft,
Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM); Ott, M., Die Entdeckung des
Altertums, 2002; Piepenbrink, K., Das Altertum, 2006
Althochdeutsch ist
die normalisierende Bezeichnung der zwischen (500 bzw.) 750 und 1050 als der
alten deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen) Deutschland
(Alemannen, Bayern, Franken) gesprochenen, dem Germanischen folgenden und dem →
Mittelhochdeutschen vorausgehenden Sprachen (z. B. althochdeutsches
Lex-Salica-Bruchstück).
Lit.: Baesecke, G., Vor- und
Frühgeschichte des deutschen Schrifttums (2, 1), 1950; Schützeichel, R., Die
Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen, 1961; Schützeichel, R.,
Althochdeutsches Wörterbuch 1969, 6. A. 2004; Sonderegger, S., Althochdeutsch
als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes,
1993; Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994;
Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in das Althochdeutsche, 2001;
http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html
Althusius (Althaus),
Johannes (Diedenshausen bei Berleburg 1557 [oder um 1563]-Emden 12. 8. 1638),
Hofpredigerssohn, wird nach dem Studium in Marburg (Pädagogium), Köln (1581)
Basel (Amerbach, 1586 Promotion) und Genf (D. Gothofredus) nach Herborn (1588)
berufen (1592-1596 Steinfurt). Von 1604 bis 1638 wirkt er in Emden als
Ratssyndikus. Sein Hauptwerk (lat. [F.] Politica methodice digesta, Politik
methodisch behandelt, 1603) ist der erste deutsche Versuch einer systematischen
Staatslehre, den A. zu einer allgemeinen, mit noch mittelalterlicher Naturrechtsvorstellung
behafteten Rechtslehre ausbaut, der aber im beginnenden Absolutismus letztlich
von beschränkter Wirkung bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v.,
Johannes Althusius, 1880, 2. A. 102, 3. A. 1913, 4. A. 1929, 5. A. 1958, 6. A. 1968,
Neudruck 1980, 7. A. 1981; Reibstein, E., Johannes Althusius als Fortsetzer der
Schule von Salamanca, 1955; Winters, P., Die „Politik“ des Johannes Althusius
und ihre zeitgenössischen Quellen, 1961; Althusius-Bibliographie, hg. v.
Scupin, H. u. a., Bd. 1f. 1973; Friedrich, C., Johannes Althusius und sein
Werk, 1975; Politische Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a.,
1988; Wyduckel, D., J. Althusius - Die deutsche Literatur zwischen 1450 und
1620, 1991; Politische Begriffe und historisches Umfeld in der Politica
methodice digesta, hg. v. Bonfatti, E. u. a., 2002; Althusius, J., Politik,
übers. v. Janssen, H., hg. v. Wyduckel, D., 2003; Jurisprudenz, politische
Theorie und politische Theologie. Beiträge des Herborner Symposions zum 400.
Jahrestag der Politica des Johannes Althusisus 1603-2003, hg. v. Carney, F. u.
a., 2004
Altmärkische Glosse zum Sachsenspiegel → Stendaler Glosse
Altniederfränkisch
ist die im Nordwesten des fränkischen Reiches in der altdeutschen Zeit des
Frühmittelalters gesprochene Sprache, aus der sich das Mittelniederländische
und das Niederländische entwickeln.
Lit.: Köbler, G.,
Sammlung altniederfränkischer Tradition – Texte – Glossen, 2002
Altsächsisch ist die zwischen (500 bzw.) 750 und 1200 als der alten deutschen Sprachperiode von den Sachsen gesprochene, dem Mittelniederdeutschen vorausgehende Sprache (z. B. → Heliand).
Altzelle
Lit.: Urkundenbuch des
Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1 1162-1249, bearb. v. Graber, T., 2006;
Die Zisterzienser und ihre Bibliotheken, hg. v. Graber, T. u. a., 2008
Alzey
Lit.: 1750 Jahre Alzey, hg. v. Becker, K., 1973
Amberg in der
Oberpfalz wird erstmals 1034 in einer Gabe Konrads II. an das Hochstift Bamberg
erwähnt. Spätestens 1242 ist es Stadt. Die älteste erhaltene (deutsche)
Bestätigung des Stadtrechts stammt von 1294.
Lit.: Denkmäler des Amberger Stadtrechts, hg. v. Laschinger, J., 1994ff.
Amerbach, Bonifacius (Basel 1495-1562), Schüler Zasius’ und Alciats, Freund des Erasmus von Rotterdam, Professor der Pandekten in Basel und Anwalt (Familie aus Amorbach, ursprünglicher Name Welcker).
Lit.: Die Amerbachkorrespondenz, hg. v. Hartmann, A. u. a.,
Bd. 1ff. 1942ff.; Kisch, G., Humanismus und Jursprudenz, 1955; Troje, H.,
Graeca leguntur, 1971; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Bonifacius
Amerbach, 1997; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach, 2001
Amerika ist der frühgeschichtlich von Sibirien aus (von Mongolen/Indianern) besiedelte,
um die erste Jahrtausendwende von Wikingern und 1492 von Kolumbus auf der von
Europa aus nach Westen gerichteten Suche nach Indien (nochmals) entdeckte, von
Amerigo Vespucci als verschieden von Indien erkannte, im Süden von Spanien und
Portugal und im Norden vor allem von England (und Frankreich) in Besitz
genommene Kontinent, dessen verschiedene Kolonien bzw. Staaten sich seit dem
18. Jahrhundert von den Kolonialmächten lösen, aber im 20. Jahrhundert von
den 1776 von Großbritannien gelösten →
Vereinigten Staaten von A. stark geprägt werden.
Lit.: Bravo Lira, B., Beziehungen zwischen den
europäischen und ibero-amerikanischen Kodifikationen, ZRG GA 103 (1986), 294;
Die neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001; Semper, F., Die Rechte der
indigenen Völker in Kolumbien, 2003; Weber, K., Deutsche Kaufleute im
Atlantikhandel 1680-1830, 2004; Arens, W./Braun; H., Die Indianer Nordamerikas,
2004; Depkat, V., Geschichte Nordamerikas, 2004; König, H., Kleine Geschichte
Lateinamerikas, 2006; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007;
Klemke, U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007;
Taladoire, E./Courau, J., Die Maya, 2007; Winfield, A., Eugenics and Education
in America, 2007; Place and Native American Indian History and Culture, hg. v.
Porter, J., 2007; Borge, F., A New World for a New Nation, 2007; Gemegah, H.,
Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007
Amira, Karl von
(Aschaffenburg 8. 3. 1848-München 22. 6. 1930), Richterssohn, wird nach dem
Studium in München (Konrad Maurer) 1875 ordentlicher Professor in Freiburg im
Breisgau und 1892 in München. Seine Hauptwerke betreffen Nordgermanisches
Obligationenrecht (1882ff., unvollendet), die Dresdener Sachsenspiegelbilderhandschrift
(1902, 1925/6) und die germanischen Todesstrafen (1922).
Lit.: Amira, K., Über Zweck und Mittel der germanischen
Rechtsgeschichte, 1876; Amira, K. v., Grundriss des germanischen Rechts, 1890,
2. A. 1897, 3. A. 1913; Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum Gedächtnis, hg. v.
Landau, P. u. a., 1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2001, 313ff.
Amnestie (griech. amnestia, F., Nichterinnerung)
ist im Strafrecht die Begnadigung einer Mehrheit von Straftätern (in Griechenland
seit dem 6. Jh. belegt, Athen 403 v. Chr., erstmals 196 v. Chr. A. benannt). Im
16./17. Jh. wird die Bezeichnung in das Deutsche aufgenommen. Im 19. Jh. wird
im deutschen Sprachraum für eine A. ein formelles Gesetz erforderlich. A. kann
Rechtssicherheit und Rechtsstaat gefährden.
Lit.: Usteri, P.,
Ächtung und Verbannung im griechischen Recht, 1903; Waldstein, W., Untersuchungen
zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Hammel, F., Innerstaatliche Amnestien,
1993; Süß, F., Studien zur Amnestiegesetzgebung, 2001
Amortisation
(F.) Tilgung
Amortisationsgesetz ist das weltliche Gesetz, das die Freiheit des kirchlichen (oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des abgabenfreien Kirchengutes einschränkt (z. B. Lübeck 1220/1226, Judenburg 1269, Österreich 1303, vgl. Ssp LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199) (, weil die tote Hand das einmal Ergriffene nicht mehr hergibt). Das österreichische Konkordat von 1855 und Art. 137 III WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen endgültig.
Lit.: Moshamm, F. v., Über die Amortisationsgesetze
überhaupt, 1798; Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879; Lea, H.,
The Dead Hand, 1900; Borries, A. v., Die Erwerbsbeschränkungen der manus mortua
in Preußen, Diss. jur. Leipzig 1904; Olivier-Martin, F., Histoire du droit
français, 2. A. 1951, 483f.; Haegele, K., Die Beschränkungen des
Grundstücksverkehrs, 3. A. 1970; Schmidt, P., Die Privatisierung des Besitzes
der toten Hand in Spanien, 1990
Amsterdam an der
Mündung der Amstel in das Ijsselmeer entsteht um 1270 und erhält um 1300
Stadtrecht. 1632 wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977
Amt ist die Aufgabe
oder der Dienst. Im römischen Recht hat nach dem Sturz des Königs vom Jahr 510
v. Chr. der Höchstmagistrat (lat. consules [M. Pl.] Berater) das höchste A.
der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer Magistraturen
ein nach Zuständigkeiten gegliedertes System der Träger herrschaftlicher
Gewalt (mit einem vielleicht seit dem 2. J. v. Chr. regelmäßigen cursus honorum).
Dieses wird durch die Einführung des Prinzipats abgeändert (Ressortbezogenheit,
auf den Kaiser ausgerichtete Hierarchie, Rangklassen, Qualifikationskriterien,
Besoldung). Zu den leitenden Ämtern treten zahlreiche nachgeordnete
Dienststellen hinzu. Bereits bei Caesar ist dabei keltisch-lat. (M.) ambactus
als Bezeichnung für die gallische Adlige umgebenden Männer bezeugt (Commentarii
de bello Gallico VI, 15). In der fränkischen Zeit wird das System der Römer
zwar grundsätzlich übernommen, aber erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine
verstärkte personelle Bindung durch die Belehnung. Insbesondere das A. (Dienst,
Dienstverhältnis, Herrschaft, lat. [N.] ministerium) des Grafen wird als Lehen
übertragen. Bald danach werden die dem Adel verliehenen Ämter vielfach durch
ihre Inhaber dem König entzogen und zu eigenem Recht behauptet. In den seit dem
12. Jh. dementsprechend entstandenen Ländern ersetzt der Landesherr die
Lehnsmannen durch festbesoldete absetzbare Amtsträger und macht das A. wieder
zur staatlichen Einrichtung. Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird zum A. im
räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist, ist Beamteter und wird zum →
Beamten. Seit dem 17. Jh. entstehen Verzeichnisse der Ämter (Amtskalender z. B.
in England, Frankreich, dem Kirchenstaat um 1670, in Österreich um 1690 [1692],
in Kursachsen 1702, in Preußen 1704 oder in Nürnberg 1705). Seit dem
ausgehenden 19. Jh. ist das öffentliche A. ein Kernbegriff der Verwaltung. Das
A. im öffentlichen Dienst wird bestimmt durch seine Bezeichnung, die Laufbahn
und die damit verbundene Besoldung.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.
7 1992, 1; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG
GA 29 (1908), 239; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches
Ämterwesen, ZRG GA 30 (1909), 326; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Lappe,
J., Geschichte des Amtes Waltrop, 1938; Beyerle, D., Das frühmittelalterliche
Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Grube, W., Vogteien, Ämter,
Landkreise, 1960; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Banngewalt, 1960;
Richardson, H./Sayles, G., The Governance of Medieval England, 1963; Forsthoff,
E., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A. 1973; Bauer, V., Repertorium territorialer
Amtskalender, Bd. 1f. 1997ff.; Brommer, P., Die Ämter Kurtriers, 2003; Beck,
H., Karriere und Hierarchie, 2005; Löffler, U., Dörfliche Amtsträger im
Staatswerdungsprozess, 2005
Ämtertraktat → Decurio de gradus
Amtmann ist der
Inhaber eines Amtes. Im Mittelalter ist A. (ahd. ambahtman als Wiedergabe von
lat. villicus, officialis, procurator) vor allem der Verwalter eines
grundherrlichen Hofverbandes (im Südwesten auch der Dorfvorsteher) und danach
der Leiter eines landesherrlichen Amtsbezirks. Seit 1921 ist A. (unter Lösung
von einem bestimmten Amtsgebiet) ein Beamter des gehobenen Dienstes.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Agena, K., Der Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der
Amtmann, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0201kroeschell.htm;
Klingebiel, T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit,
2002
Amtsanwalt ist der
Vertreter des Staates vor dem Amtsgericht.
Lit.: Rüping, H., Polizeianwalt - Amtsanwalt -
Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland, FS Wolfgang
Sellert, 2000, 537
Amtsbuch (19. Jh.) ist das aus Lagen
zusammengesetzte Buch (oder die Rolle), das (bzw. die) zur Ausübung eines →
Amtes gehörige Eintragungen enthält. Solche Amtsbücher sind seit dem Ende der
römischen Republik die (lat. [M.Pl.]) commentarii der Magistrate und Priester
sowie später des Kaisers. Im Mittelalter entsteht im 9. Jh. das Traditionsbuch
und werden seit dem 12. Jh. viele Amtsbücher (Grundbuch, Lagerbuch,
Schreinsbuch, Stadtbuch, Kopialbuch, Register, Imbreviaturbuch) eingerichtet. →
Stadtbuch
Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1 1986,
1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver. f.
hamburg. Gesch. 44 (1958), 95; Pätzold, S., Amtsbücher des Mittelalters,
Archivalische Zeitschrift 81 (1998), 87; Kreter, K., Stadtbücher und Register
1289-1533, Hannoversche Geschichtsblätter 48 (1994), 47
Amtsgericht ist das
seit der frühen Neuzeit partikular für den Umfang eines → Amtes
(Verwaltungsbezirkes) eingerichtete, beispielsweise in Baden durch Verordnung
vom 22. Juli 1857 zum 1. September 1857 an die Stelle der Ämter gesetzte →
Gericht, das durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz 1877/1879 zum
einheitlichen Eingangsgericht (1893 im Deutschen Reich 1924 Amtsgerichte mit
4409 Richtern, 42% Einmannamtsgerichte) der ordentlichen Gerichtsbarkeit
bestimmt wird.
Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des
amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982; 150 Jahre Amtsgericht Diepholz, hg. v.
Kruthaup, E. u. a., 2002; 150 Jahre Amtsgericht Soltau, hg. v. Rundt, S., 2002;
150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover, 2002;
125 Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A. u. a., 2003; Fischer,
D., 150 Jahre badische Amtsgerichte, 2007; Dee Gerichtsbarkeit wird ausgeübt
durch Amtsgerichte - 150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp,
J., 2008
Amtshaftung ist die neben den Ersatzansprüchen
des Einzelnen für die Aufopferung seiner Rechtsgüter für das allgemeine Wohl
stehende Art der → Staatshaftung. Ihr geht vor allem die
spätmittelalterliche Syndikatsklage gegen einen absichtlich oder grob
fahrlässig ein unrichtiges Urteil fällenden Richter voraus. Im späten 18. und
im 19. Jh. wird allgemeiner eine Haftung jedes Beamten für eine Verletzung
seiner Amtspflichten anerkannt (II 10 § 89 ALR für jede Fahrlässigkeit), wobei
jede den Dienstvertrag verletzende Handlung dem Herrscher bzw. dem Staat nicht
zugerechnet werden kann und deshalb eine private Ersatzpflicht des Beamten
auslösen muss. Seit 1831 wird vereinzelt eine Ersatzpflicht des Staates
geschaffen (Sachsen-Altenburg, 1852 Sachsen-Coburg-Gotha). Das Bürgerliche
Gesetzbuch des deutschen Reiches von 1900 hat für eine öffentlichrechtliche
Ersatzpflicht des Staates keine Zuständigkeit und bestimmt deshalb in § 839 nur
eine deliktische Ersatzpflicht des Beamten. Demgegenüber sehen Bayern 1899,
Preußen 1909 und § 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes vom 22. 5. 1910 eine
zwar mittelbare, aber primäre Haftung des Staats vor. Art. 131 WRV leitet die
Haftung reichseinheitlich vom Beamten auf den Staat über. Dem schließt sich
Art. 34 GG an. Das eine unmittelbare, verschuldensunabhängige Staatshaftung
für Amtspflichtverletzung festlegende Staatshaftungsgesetz der Bundesrepublik
Deutschland ist wegen (seinerzeit) fehlender (, inzwischen in Art. 74 I Nr. 25
GG geschaffener) Zuständigkeit nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 19. 10. 1982 nichtig. Die 1969 im Staatshaftungsgesetz der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik geschaffene unmittelbare, vom Verschulden unabhängige
Staatshaftung für rechtswidriges hoheitliches Handeln ist zwar im
Einigungsvertrag von 1990 aufrechterhalten, aber inzwischen durch Landesgesetz
abgeschafft oder eingeschränkt. Das Recht Österreichs kennt eine vergleichbare
A., das Recht der Schweiz eine mittelbare, meist verschuldensunabhängige
Haftung des Staates.
Lit.:
Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner
Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung aus
enteignungsgleichem Eingriff, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der
Unrechtsunfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im
Justizstaat, 1995
Amtsherzogtum ist
das als königliches Amt vergebene → Herzogtum (9. Jh.) im Gegensatz zu
dem aus der Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden → Herzogtum.
Lit.: Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“,
1974
Amtshilfe ist die auf Ersuchen einer
Behörde von einer anderen Behörde geleistete ergänzende Hilfe. Sie entwickelt
sich im 19. Jh. und wird von der Rechtshilfe durch Gerichte erst in der 2. H.
des 20. Jh.s abgegrenzt. Sie beruht anfangs auf Übung, Vertrag oder
Einzelgesetz. Im späteren 20. Jh. ist sie durch Verwaltungsverfahrensgesetze
allgemein geregelt.
Lit.: Dreher, M., Die
Amtshilfe, 1959; Schlink, B., Die Amtshilfe, 1982
Amtskalender → Amt
Amtspflichtverletzung ist die Verletzung einer einem Amtsträger gegenüber einem Dritten
obliegenden Pflicht. Sie begründet nach § 839 BGB (1900) einen Schadensersatzanspruch
(Amtshaftung, Staatshaftung).
Lit.: Köbler, DRG 217
Amtsrecht ist im
römischen Recht das vom Amtsträger geschaffene Recht (lat. → ius [N.]
honorarium).
Lit.: Wieacker,
F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Amtssasse ist der
im Gerichtsstand erster Instanz dem örtlichen Amt zugeordnete → Landsasse.
Amtsverfolgung ist
die Verfolgung eines Unrechtserfolgs durch die Allgemeinheit bzw. den Staat von
Amts wegen ohne Antrag des Verletzten. Sie findet sich bereits in Rom und
erscheint seit dem Frühmittelalter. → Offizialmaxime
Amtsvergehen ist das
in einem → Amt begangene Vergehen. Als gedankliche Einheit werden die A.
erst gegen Ende des 17. Jh.s erkannt. Noch das preußische Allgemeine Landrecht
(1794) behandelt im Abschnitt Verbrechen der Diener des Staates strafrechtliche
und disziplinare Sanktionen nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird
danach das Standesdisziplinarrecht der Beamten vom Strafrecht geschieden (in
Preußen 1849 zwei Verordnungen über das Disziplinarrecht). Im preußischen
Strafgesetzbuch von 1851 werden Verbrechen und Vergehen im Amt als
Sonderdeliktsgruppe zusammengefasst (§§ 309-331).
Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der Amtsverbrechen,
1932; Sturm, W., Die Entwicklung der Sonderverbrechen, 1939; Schmitt-Weigand,
A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Lüpkes, H., Die
Verbrechen der Diener des Staats, 2004
Amtsvormundschaft ist die durch den Staat von Amts wegen übernommene → Vormundschaft.
Analogie ist der bereits der griechischen Philosophie bekannte Schluss von der (eigentlichen) Gleichheit mindestens zweier zunächst verschieden behandelter Tatbestände auf die (wegen der Gleichheit notwendige) Ausdehnung der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestandes auf den zweiten oder weiteren Tatbestand. Der Begriff analogisch taucht in der juristischen Literatur im 16./17. Jh. auf, wobei man unter analogischer Interpretation die Beseitigung von Widersprüchen versteht. Im frühen 19. Jh. wird auf Grund von Immanuel Kants Überlegungen zur Systematisierbarkeit des empirischen Wissens die alte Verbindung von ausdehnender Auslegung und Ähnlichkeitsschluss aufgelöst und die A. als „rein logische“ Ergänzung des Rechts aus dem – nur noch positiven und sich geschlossenen – Rechtssytem verstanden (Feuerbach, Hufeland, Savigny). Zwischen Gesetzesanlogie und Rechtsanalogie wird seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unterschieden.
Lit.: Falk, J., Die Analogie im Recht. Eine Studie zur
neueren Rechtsgeschichte, Diss. jur. Gießen, 1906; Diedenhofen, P., Die Artikel
104/105 der peinlichen Gerichtsordnung, 1938; Steinwenter, A., Prolegomena zu
einer Geschichte der Analogie, FS F. Schulz 2 (1951), 345; Langhein, A., Das
Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und
Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Raisch, P., Juristische Methoden, 1995,
78; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1; Höltl, J., Die
Lückenfüllung der klassisch europäischen Kodifikationen - Zur Analogie im ALR,
Code civil und ABGB, 2006
Analogieverbot ist
das Verbot für alle im Strafverfahren beteiligten staatlichen Stellen, →
Analogie eines Strafgesetzes zu Ungunsten des Handelnden vorzunehmen und damit
die strenge Bindung des Richters an den Wortlaut des Gesetzes. Seit dem späten
18. Jh. wird Analogie zu Ungunsten Handelnder verboten (Österreich 1787). Im
Dritten Reich wird am 28. 6. 1935 das A. aufgehoben, nach seinem Ende (1945)
aber wieder hergestellt. → Nullum crimen, nulla poena sine lege.
Lit.: Köbler, DRG; Schottlaender, A., Die geschichtliche
Entwicklung, 1911; Kleinheyer, G., Vom Wesen der Strafgesetze, 1968; Schreiber,
H., Gesetz und Richter, 1976; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot,
Diss. jur. Bonn 1998
Analytical jurisprudence ist die von John → Austin (1790-1859) begründete
Strömung der englischen Rechtswissenschaft.
Anarchie
(F.) Herrschaftslosigkeit
Lit.: Der Anarchismus,
hg. v. Oberländer, E, 1972; Lösche, P., Anarchismus 1977; Anarchismus, hg. v.
Diefenbacher, H., 1996
Ancien régime ist die Bezeichnung für die monarchisch-feudale Regierungsform (in Frankreich vor der französischen Revolution des Jahres 1789 bzw. allgemein) zwischen etwa 1650 und 1800.
Lit.: Köbler, DRG 129, 132; Fehrenbach, E., Vom ancien
régime zum Wiener Kongress, 5. A. 2008
Andelang ist der bei
der Übereignung von Grundstücken im fränkisch-alemannischen Gebiet bis zum Ende
des 11. Jh.s verwendete, nicht sicher bekannte Gegenstand (Handschuh?).
Lit.: Goldmann, E., Der andelang, 1912; Frommhold, G., Das andelang-Rätsel,
ZRG GA 35 (1914), 426; Balon, J., L’andelangus, ZRG GA 79 (1962), 32
Andernach am Rhein
führt von 1173 bis 1256 einen den Schreinskarten von Köln ähnlichen Rotulus (→
Grundbuch).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Inventar des Archivs der Stadt
Andernach, Bd. 1ff., bearb. v. Heyen, F., 1965ff.
Andlau → Peter von
Andorra ist die aus
sechs Tälern zu politischer Einheit (Principat d’Andorra) zusammengefasste
Tallandschaft im Südosten der ibero-baskisch besiedelten Pyrenäen. Seit dem
späten 9. Jh. lassen sich dort Abgabenrechte der Grafen von Urgel und der
Bischöfe von Urgel feststellen. Im 11. Jh. treten die verschiedenen Täler zu
einer Einheit zusammen. Am 8. 9. 1278 werden durch Schiedsspruch (Paréage)
Unklarheiten beseitigt. Die Rechte der Grafen fallen über Zwischenstufen 1607
bzw. 1620 an Frankreich. Das ursprüngliche Recht Andorras nimmt römische und
katalanische Sätze auf. 1748 wird das Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der
Gegenwart ist A. ein Fürstentum, dessen von den Souveränen (Staatspräsident
Frankreichs, Bischof von [La Seu d’] Urgel) delegierte Rechte durch einen
französischen Departementspräfekten und einen spanischen Provinzzivilgouverneur
bzw. ihre Vikare (Viguier, Viguer) wahrgenommen werden (Kondominium). Die
Verfassung vom 14. 3. 1993 schafft einen Consell General (Generalrat,
Parlament) mit je 7 Abgeordneten aus jeder der vier Gemeinden, dem der
Ministerpräsident verantwortlich ist, dem gegenüber aber die beiden coprínceps
noch Einspruchsrechte haben. Seit 1. 7. 1991 besteht ein Handelsabkommen mit
der Europäischen Gemeinschaft, seit 28. 7. 1993 ist A. Mitglied der Vereinten
Nationen und seit November 1994 Mitglied des Europarats.
Lit.: Guilera, J., Una història
d’Andorra, 1960; Engels, O., Schutzgedanke und Landesherrschaft, 1970; Belinguier,
B., La condition juridique des vallées d’Andorre, 1970; Ourliac, P., La jurisprudence
civile d’Andorre, 1972; Valls Taberner, F., Privilegis i ordinacions de les
valls d’Andorra, 1990; Gergen, T., Sprachengesetzgebung in Katalonien,
2000 ; Consell General, Die Verfassung des Fürstentums Andorra, 2002
Andreas de Isernia
ist ein in Isernia im Süden der Apenninen wohl nach 1220 geborener, in Neapel
ausgebildeter und lehrender, vielleicht 1316 verstorbener Jurist (commentaria
in usus feudorum, lectura zu den sizilianischen Konstitutionen, ritus regiae
summariae regni Neapolitani bzw. de iure Dohanarum).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 507
Anefang ist das
rechtsförmliche Anfassen einer abhandengekommenen und vom Verfolger
wiedergefundenen beweglichen (, durch Kennzeichen erkennbaren) Sache unter der
Behauptung des besseren Rechts an ihr (lat. [F.] intertiatio). Der (z. B. in
der Lex Ribvaria 37, 1 [7. Jh.] schon und im Sachsenspiegel, Landrecht II, 36
[1221-1224] noch belegte) A. bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer,
der sich im nachfolgenden Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der
Besitzer sich insbesondere dadurch vor dem Diebstahlsvorwurf befreien, dass er
die Sache dem übergibt, von dem er sie erhalten hat. Führt dies zur Entdeckung
des Diebes, so muss dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten.
Kann der Angegriffene sein besseres Recht darlegen, muss der Angreifer eine
Buße wegen unrechten Anefangs leisten. Seit dem Hochmittelalter geht der A.
allmählich in die Herausgabeklage (bzw. den → Herausgabeanspruch) bzw.
für alle auf freiem Markt erworbene Sachen in einen Lösungsanspruch über.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91; Köbler,
WAS; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879,
824ff.; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Rauch, K., Spurfolge und
Anefang, 1908; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37
(1916), 382; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918),
145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68
(1951), 1; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Scherner, K., Salmannschaft,
Servusgeschäft und venditio iusta, 1971
ane geværde (mhd.) ohne Gefährdung,
aufrichtig
Aneignung ist der (originäre) Erwerb des Eigentums an einer herrenlosen (eigentümerlosen) Sache durch Inbesitznahme (lat. [F.) occupatio]). Die ersten Aneignungen fallen in die Anfangszeit des Rechtes überhaupt. Im römischen Recht wird an aufgegebenen (lat. [F. Pl.]) res mancipi mit Inbesitznahme nur bonitarisches Eigentum erworben, während der zivile Eigentumserwerb Ersitzung verlangt. Im Laufe der Geschichte wird die A. vom abgeleiteten Eigentumserwerb (→ Übereignung) zurückgedrängt, so dass A. ziemlich selten wird.
Lit.: Kaser § 26
I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73, 90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Anerbe ist der
durch das → Anerbenrecht begünstigte → Erbe.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210
Anerbenrecht ist
das Recht des Übergangs eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen einzelnen
von mehreren vorhandenen Erben. Eine derartige Gestaltung fehlt noch in den
frühmittelalterlichen Volksrechten, bildet sich aber spätestens im
spätmittelalterlichen deutschen Reich aus, wobei grundherrschaftlicher
Einfluss (Interesse an einem einzigen Verpflichteten) gestaltend gewesen sein
kann. Daneben ist aber (freiere) Realteilung in Mitteldeutschland und Süddeutschland
verbreitet. Der Liberalismus lehnt das A. als freiheitsfeindlich ab, weshalb
die Verfassung Preußens die Teilbarkeit des Grundeigentums sichert. Aus wirtschaftlichen
Gründen sehen partikulare Gesetze aber seit dem späteren 19. Jh. A. vor, das
dann zur Anwendung kommt, wenn der Hofinhaber (bestimmter großer oder
eingetragener Höfe) nicht durch letztwillige Verfügung einen Hoferben auswählt
(Österreich 1. 4. 1889, Tirol Höfegesetz 12. 6. 1900, Kärnten Erbhofgesetz).
Das Reichserbhofgesetz des Jahres 1933 verallgemeinert die
Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes Hannovers (1909). 1947 treten in der
französischen und amerikanischen Besatzungszone die alten Anerbengesetze
wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone wird eine Höfeordnung
erlassen, die das Bundesverfassungsgericht, wegen der Bevorzugung der Söhne,
1963 als verfassungswidrig ansieht, worauf eine verfassungsgemäße gesetzliche
Regelung am 24. 8. 1964 erfolgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Miaskowski, A. v., Das Erbrecht
und die Grundeigentumsverteilung im deutschen Reiche, 1882ff.; Hagmeister Meyer
zu Rahden, G., Die Entwicklung des ravensbergischen Anerbenrechts, 1936; Mauß,
H., Anerbenrecht im niederrheinisch-westfälischen Grenzgebiet, 1938;
Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in
Kurhessen, 1942; Gebb, J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts, Diss.
jur. Greifswald 1955; Bischoff, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in
Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Kroeschell, K., Geschichtliche Grundlagen
des Anerbenrechts, Agrarrecht 6 (1978), 147; Deutsches Agrarrecht, hg. v.
Kroeschell, K., 1983; Brauneder, W., Studien II 1994, 357ff.; Buchenroth, A.,
Die Heimatzuflucht, 2004; Wöhrmann, H., Das Landwirtschaftserbrecht, 9. A. 2007
Anerkenntnis → Schuldanerkenntnis
Anerkennungszins ist
der wegen seiner geringen Höhe wirtschaftlich bedeutungslose, aber als
erkennbares Zeichen eines bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses rechtlich
bedeutsame Zins (z. B. Freigelassener, Erbbauberechtigter usw.).
Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der deutschen
Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966
Anfechtung ist die
nachträgliche Beseitigung einer eingetretenen Rechtswirkung durch
Willenserklärung und bzw. oder Verfahrenshandlung des durch die Rechtswirkung
Betroffenen. In diesem Sinne ermöglicht bereits die → (lat.) querela
[F.] inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testamentes) des
klassischen römischen Rechtes die Entkräftung eines Testamentes, das bestimmte
nahe Angehörige des Erblassers übergeht. Im spätantiken Recht werden auch die
Fälle der (lat.) → in integrum restitutio (F.) so verstanden. Das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ordnet die A. im allgemeinen Teil ein.
Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 209; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und
Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des
Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Harder, M., Die historische Entwicklung
der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209; Düwel, L., Die
Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006
Anfechtungsklage ist
die Klage, die auf die nachträgliche Beseitigung bestimmter Rechtsfolgen durch
Urteil gerichtet ist. Im 19. Jh. gibt es eine A. gegen den Beschluss auf
Eröffnung des Konkurses oder gegen polizeiliche Verfügungen. In Deutschland ist
seit 1960 eine A. gegen einen (rechtswidrigen) Verwaltungsakt statthaft.
Lit.: Köbler, DRG 263
angariae (lat. [F.Pl.], aus dem
Persischen, Abgaben an reisende Boten des Königs Persiens) Spanndienste,
Beherbergungspflichten in Antike und Frühmittelalter, seit 1789 weitgehend
abgeschafft
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
2. A. Bd. 2 1928, 308
Angebot ist die auf
den Abschluss eines → Vertrages gerichtete → Willenserklärung. Das im
Wesentlichen im Naturrecht seit Hugo Grotius als allgemeine Erscheinung
herausgearbeitete A. ist im älteren gemeinen Recht und im angloamerikanischen
Recht nicht bindend, nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900)
aber verbindlich. Wird das Angebot von dem Empfänger angenommen, so entsteht
ein Vertrag unter den Beteiligten. Dem Gläubiger vom Schuldner angeboten wird
auch die Leistung.
Lit.: Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1996
Angelsachse ist der
Angehörige der im 5./6. Jh. unter den sagenhaften Führern Hengist und Horsa von
Norddeutschland auf die britischen Inseln auswandernden, seit etwa 775 (Beda,
Paulus Diaconus) mit der Sammelbezeichnung Angelsachsen (lat. [M.l.]Angli
Saxones) benannten → Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und Jüten. Die
Angelsachsen bilden unter Verdrängung der einheimischen → Kelten mehrere
Kleinkönigreiche (Kent, Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia,
Northumbria), in denen sie von römischen und von schottischen Missionaren zum
Christentum bekehrt werden. Den Königen von Wessex gelingt im 9. Jh. die
Einigung, doch werden die Angelsachsen 1016-1042 von den Dänen beherrscht und
1066 bei Hastings von dem → Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen.
Aus der Zeit bis 1066 ist mit insgesamt rund 1500-1800 Urkunden zu rechnen, von
denen mehr als 1150 vom Herrscher ausgestllt sind (von etwa 670 bis 900 rund
450 Urkunden, davon 2-3 Originale aus dem 7. Jh., 17-18 aus dem 8. Jh. und etwa
55 aus dem 9. Jh.).
Lit.: Köbler, DRG 81; Schmid, R., Die Gesetze der
Angelsachsen, 1858; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1ff. 1898ff., Neudruck 1960; Attenbourgh, F., Laws of the
Earliest Englisch Kings, 1922; Robertson, A., Laws of the Kings of England,
1925; Braude, J., Die Familiengemeinschaften der Angelsachsen, 1932; Wilson,
D., The Anglo-Saxons, 2. A. 1970; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum
bei den Angelsachsen, 1971; Wallace-Hadrill, J., Early Germanic Kingship, 1971;
Torkar, R., Eine altenglische Übersetzung von Alcuins de virtute et vitiis Kap.
20, 1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The
Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997
Angelsächsisches Recht
ist das Recht der → Angelsachsen (zwischen der Mitte des 5. Jh.s und etwa
1066). Es ist überliefert durch Rechtsbücher (lat. [F.Pl.] leges, Gesetzbücher)
der angelsächsischen Könige des 7. bis 11. Jh.s, durch allgemeine Rechtsaufzeichnungen
unbekannter Verfasser und durch Urkunden und allgemeine Geschichtsquellen. Den
Beginn bilden die in der Volkssprache niedergeschriebenen Rechtssätze
Aethelberhts von Kent (597-616) und in jüngerer Überlieferung Ines von Wessex
(688-694). Von Alfred dem Großen von Wessex stammt ein (ae.) domboc (887-899), von
König Knut eine weitere umfangreiche Sammlung (1018-1023). Nichtoffizielle
Kompilationen stellen der → Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12.
Jh.), die Consiliatio Cnuti (12. Jh.) und die → Leges Henrici Primi
(1114-1118) dar, mit denen das angelsächsische Recht noch weit in die
normannische Zeit Englands reicht. Die Überlieferung ist auf wenige
Handschriften beschränkt, so dass mit deutlichen Verlusten zu rechnen ist.
Christlicher Einfluss ist unübersehbar. Die Abgrenzung von aufgezeichnetem
Gewohnheitsrecht und neuem, gemeinsam mit Bischöfen und Adel gesetztem Recht
(z. B. Todesstrafe für Diebstahl 925-939) bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegenstand
der Rechtsbücher („Gesetzbücher“) ist zunächst der Ausgleich von
Unrechtserfolgen durch Buße an den Verletzten. Unter König Alfred nehmen
kirchlicher Einfluss und königliche Anordnung zu. Ein Bezug auf geschriebenes
Recht findet sich in den überlieferten Rechtsfällen, die vor dem vom reeve,
ealdorman oder scirman des Königs geleiteten örtlichen Gericht verhandelt
werden, nicht.
Lit.: Schmid, R., Gesetze der Anggelsachsen, 1858;
Liebermann, F., Zu den Gesetzen der Angelsachsen, ZRG GA 5 (1884), 198;
Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1998ff., Neudruck 1960;
Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriss, 1909;
Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913;
Attenborough, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Bechert, R., Die
Einleitung des Rechtsgangs nach angelsächsischem Recht, ZRG GA 47 (1927), 1;
Würdinger, H., Einwirkungen des Christentums auf das angelsächsische Recht, ZRG
GA 55 (1935), 105; Goebel, J., Felony and Misdemeanour, 1937; English
Historical Documents I, hg. v. Whitelock, D., 1955; Sawyer, P., Anglo-Saxon
Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of medieval England, 1973; Korte, D.,
Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und
Rechtsbücher des 6.-12. Jahrhunderts, 1974; Rivers, T., A Reevaluation of
Aethelberht 31, ZRG GA 93 (1976), 315; Scharer, A., Untersuchungen zu den
angelsächsischen Königsurkunden des 7. und 8. Jahrhunderts, Diss. phil. Wien 1978 (masch.schr.); Baker, J., An
Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Wormald, P., The Making of
English Law, 1999; Scharer, A., Herrschaft und Repräsentation, 2000; Oliver,
L., The Beginnings of English Law, 2002
Anger
Lit.: Brednich, R., Tie und Anger, 2007
Angers
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 138
Angestellter ist
der Arbeitnehmer, der vorwiegend geistige Arbeit leistet. Die Gruppe der
Angestellten wird im 19. Jh. als besonderer Teil der Arbeitnehmer erkannt.
Lit.: Dittrich, M., Die Entstehung der Angestelltenschaft
in Deutschland, 1939; Hromadka, W., Das Recht der leitenden Angestellten, 1979;
Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997; Schulz, G., Die
deutschen Angestellten, 2000
Anhalt über dem
Selketal ist die vielleicht um 1050 errichtete Burg (in der Gegenwart Ruine),
nach der sich ein seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (→ Askanier)
benennt (1215 [lat.] princeps [Fürst] in Anahalt), dessen Angehörige als
einzige Grafen seit 1218 dem Reichsfürstenstand angehören. Nach vielen Teilungen
kommen die Güter 1863 im Herzogtum A. (1807) der Linie Anhalt-Dessau wieder
zusammen, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird (Verfassung 18. 7. 1919). Am 9. 7.
1945 wird A. innerhalb der sowjetischen Besatzungszone mit der Provinz Sachsen
→ Preußens vereinigt und 1947 dem neugebildeten Land →
Sachsen-Anhalt eingegliedert (1990-2003 Regierungsbezirk Dessau).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schrecker, U., Das
landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, 1906; Schröder, A., Grundzüge der
Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2
(1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus,
P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Die Fürsten von Anhalt, hg. v. Freitag,
W. u. a., 2003; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a.,
2007
animo (lat.) durch
Beherrschungswillen, → possessio, → animus
animus (lat. [M.]) → Wille
animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille
animus (M.) donandi (lat.)
Schenkungswille → Schenkung
animus (M.) novandi (lat.)
Abänderungswille → Novation
Anjou ist die
Seitenlinie der → Kapetinger (erstes Haus begründet von vicecomes Fulco
dem Roten um 898, Verlust der Grafschaft 1214/1259 an den König von Frankreich,
1154 Königtum in England mindestens bis 1399, 1499 Hinrichtung des letzten männlichen
Plantagenet Earl Eduard von Warwick, zweites Haus 1246-1328/1351 als Apanage
nach Übernahme der Grafschaft durch den König von Frankreich, drittes Haus
1351-1480), welche die Grafschaft Provence, Sizilien (1265-1282,
Sizilien-Trinakria), Neapel (1265-1435, Sizilien-Neapel), Ungarn (1308-1386)
und Polen (1370-1386) sowie in einer jüngeren Linie Lothringen (1431-1473)
beherrscht. Die Landschaft A. (der keltischen Andekaver) um Angers zählt von
1154 bis 1204 unter dem Haus → Plantagenet zu → England. 1480/1481
fallen A. und Provence an den König von → Frankreich.
Anklage ist die vor
Gericht gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Straftat erhobene
Anschuldigung. Sie tritt erst mit der Entstehung allgemeiner Streitbeendigungseinrichtungen
auf. In Rom erfolgt der Übergang zu einer allgemeinen staatlichen
Strafverfolgung seit dem 2. vorchristlichen Jh. Danach erscheint eine
Popularanklage bei Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder Bürger kann durch
Anzeige die A. vorbringen und erhält im Falle des Erfolges einen Lohn. Im
deutschen Mittelalter bildet die A. die Voraussetzung für den besonderen, seit
dem 14. Jh. sichtbaren → Anklageprozess, bei dem der Betreiber Sicherheit
stellen und im Fall des Unterliegens die Kosten tragen und den Angeklagten
entschädigen muss. Im mehr und mehr vorherrschenden Inquisitionsprozess
erfolgt die A. durch den Richter auf dem endlichen Rechtstag. Im 19. Jh. wird
nach dem Vorbild Frankreichs die öffentliche A. durch eine vom Gericht
unabhängige Behörde eingeführt (Baden 1832 und Württemberg 1843 für
Pressevergehen, Preußen 1846 für Kammergericht, 1849 allgemein). Seitdem gibt
es eine private A. nur noch bei (wenigen) Privatklagedelikten.
Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; His, R., Strafrecht des deutschen
Mittelalters, 1920; Grossmann, S., Masken des Anklägers – Geschichte des
Anklägers im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur. Frankfurt am Main 2000
Anklagegrundsatz ist
der Grundsatz, dass ein Strafverfahren nur auf Grund einer Anklage betrieben
werden kann.
Anklageprozess ist
der Strafprozess, der eine → Anklage (insbesondere seit dem 19. Jh. eine
Anklage durch eine besondere öffentliche Anklagebehörde) (→ Staatsanwaltschaft)
voraussetzt. Er ist in Frankreich eine unmittelbare Folge der französischen
Revolution von 1789. In Deutschland setzt Baden 1832 erstmals Staatsanwälte
ein. 1848 wird der A. von der (gescheiterten) Verfassung der Frankfurter
Paulskirche vorgesehen. → Akkusationsprozess
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Anklam ist die am
Unterlauf der Peene vor 1243 von deutschen Siedlern angelegte Stadt, die vor
1283 der Hanse beitritt und spätestens 1292 Lübecker Stadtrecht übernimmt. Sie überliefert
ein bedeutsames → Stadtbuch.
Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier, J., Bd.
1ff. 1960ff.
Anleite ist seit
dem Hochmittelalter im deutschen Rechth die Einweisung in ein fremdes Gut,
insbesondere die Einweisung des Klägers in die Güter eines wegen Prozessungehorsams
geächteten Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren
vor dem Reichshofgericht (Reichskammergericht und Reichshofrat bis 1654) oder
einem kaiserlichen Landgericht vor 1784. Sachlich wird es durch das
Versäumnisverfahren ersetzt.
Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen
Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im
Spätmittelalter, 1984
Annahme → Vertrag
Annahmeverzug (M.) Gläubigerverzug, Verzug des Gläubigers mit der
Annahme der Leistung des Schuldners
Annalen (Jahrbücher)
sind in möglicher Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jh.
erscheinende, chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begebenheiten
(z. B. Quedlinburger Annalen Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab
Schöpfung]).
Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R.
van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc
Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977; Die
Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004
Annaten (14. Jh.) sind
gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13. Jh.s bei der Verleihung
freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den Papst geleistete Abgaben
in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrages, die seit dem Konzil von Basel
(1435) abkommen und seit 1917 grundsätzlich untersagt sind.
Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg,
H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.; Denzel, M.,
Kurialer Zahlungsverkehr, 1991; Camera apostolica, hg. v. Ansani, M., 1994
Anschluss ist die
von dem in Braunau gebürtigen Österreicher Adolf → Hitler 1938 nach
mehrjähriger Vorbereitung durch politischen Druck herbeigeführte Vereinigung →
Österreichs mit dem Deutschen Reich. Dem A. geht 1918 der von den alliierten
Siegermächten des ersten Weltkriegs verhinderte Versuch der aus den meisten
deutschsprachigen Gebieten Österreich-Ungarns gebildeten Republik →
Deutschösterreich voraus, sich mit dem → Deutschen Reich zu vereinigen,
wofür sich in Tirol 98,8 und in Salzburg 99,1 Prozent der Abstimmungsberechtigten
aussprechen. Nach seiner Bestellung zum Reichskanzler im Deutschen Reich will
Hitler dieses Ziel politisch erreichen. Am 12. 2. 1938 zwingt Hitler den
österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (im Berchtesgadener Abkommen),
den nationalsozialistischen Sympathisanten Seyss-Inquart als Sicherheitsminister
zu bestellen, die freie Betätigung der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei
innerhalb der vaterländischen Front zuzulassen und alle Nationalsozialisten zu
amnestieren. Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg angesetzte Volksabstimmung
für ein „freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und
einiges Österreich“ unterbleibt wegen des am 11. 3. 1938 von Hitler erzwungenen
Rücktritts des Bundeskanzlers Schuschnigg. Auf Anforderung (Bitte um „Hilfe“)
Seyss-Inquarts an Hitler kommen deutsche Truppen. Danach bestellt der Bundespräsident
Österreichs (Miklas) Seyss-Inquart zum Bundeskanzler und tritt am 13. 3. 1938
zurück. Die Bundesregierung Österreichs beschließt auf der Grundlage des
Ermächtigungsgesetzes von 1934 ein Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung
Österreichs mit dem Deutschen Reich (BGBl. 1938, 75), auf Grund dessen
Österreich ein Land des Deutschen Reiches wird. Eine Volksabstimmung vom 10.
4. 1938 bejaht den A. zu 99,73%, doch wird dies nach 1945 verdrängt.
Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter,
F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v.
Albrich, T. u. a., 1988; Botz, G., Die Eingliederung Österreichs in das
Deutsche Reich, 1972, 3. A. 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995;
Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für
einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss.
phil.. Hannover 2003
Anschütz, Gerhard
(Halle an der Saale 10. 1. 1867-Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem
Rechtsstudium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908)
und Heidelberg (1916) und 1933 auf Antrag emeritiert. Er ist Verfechter des
demokratischen Gedankens und verfasst auf gesetzespositivistischer Grundlage
den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose mitgestalteten
Verfassung der → Weimarer Republik.
Lit.: Anschütz,
G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard
Anschütz, Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v.
Pauly, W., 1993, 2. A. 2008; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998)
Ansegis (bei St.
Rambert bei Lyon um 770-St. Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist der fränkische
Benediktinerabt (823) von St. Wandrille bzw. Fontenelle in der Erzdiözese
Rouen, der 827 in seinem vier Bücher (Karl der Große, Ludwig der Fromme,
Weltliches, Kirchliches) umfassenden (lat.) Legiloquus liber (M.) in einfacher
Ordnung 29 (von etwa 90 heute bekannten) → Kapitularien Karls d. Großen
und Ludwigs des Frommen zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch mehr
als 60 (63), in vier Gruppen einteilbare Handschriften überliefert werden.
Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die
Kapitulariensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996
Anselm von Lucca
verfasst zwischen 1081 und 1083 eine Sammlung (lat. [F.) Collectio) von
Papstbriefen, Canones, patristischen Texten und römischen Rechtsquellen.
Lit.: Szuromi, S.,
Anselm von Lucca as Canonist, 2006
Anspruch ist das Recht, von einem
anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB) bzw. die von einem
Kläger an einen Beklagten gerichtete Behauptung eines Rechts mit einem
bestimmten Inhalt. Im römischen Recht ist beides in der (lat. [F.]) → actio (Klaganspruch) enthalten,
wobei im Legisaktionenverfahren die Beachtung eines genauen Wortlauts
erforderlich ist und im Formularverfahren nur verfahrensrechtlich durchsetzbare
Rechte anerkannt werden (aktionenrechtliches Denken), wovon sich das
spätantike Verfahren je nach Zweckmäßigkeit löst. Im Spätmittelalter werden die
Anforderungen an die Geltendmachung von Ansprüchen eher abgeschwächt. Der
(lat.) usus modernus begnügt sich mit der Erkennbarkeit einer (lat.) actio.
Savigny versteht die (lat.) actio als Klagerecht, das aus der Verletzung eines
subjektiven Rechts erwächst, als ein Recht im Zustand der Verteidigung. Nach
Bernhard Windscheid (1856) ist dagegen der A. unabhängig von der jeweiligen Entscheidung
eines Gerichts ein Recht.
Lit.: Windscheid, B.,
Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Nörr, K., Das Aktionrenrecht bei
Savigny, Ius commune 8 (1879), 110; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des
Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965;
Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre,
1985; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium, 1996; Kollmann, A., Begriffs-
und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht,
1996
Anstalt ist die von einem Träger öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jh. zur Erfüllung einer besonderen Verwaltungsaufgabe errichtete, verwaltungsorganisatorisch oder rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheit von persönlichen oder sachlichen Mitteln.
Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen
Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der
Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Alexander,
L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen
Recht, 2003
Anstiftung ist die
vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen
Tat (Versuch genügt). Als allgemeine Grundfigur des → Strafrechts wird
die A. unter Herauslösung aus der Urheberschaft (intellektuelle Urheberschaft,
so noch Feuerbach 1801) des (lat. [M.]) auctor erst im 19. Jh. ausgebildet (§
34 I StGB Preußens 1851).
Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom
Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der
strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Anthropologie (F.) Menschenkunde
Lit.: Dülmen, R. van,
Historische Anthropologie, 3. A. 2001; Hoßfeld, U., Geschichte der biologischen
Anthropologie in Deutschland, 2005
Antichrese ist das
aus dem hellenistischen Bereich in das klassische römische Recht eingeführte
Nutzpfand, bei dem der Pfandgläubiger mit Erlaubnis des Verpfänders die Früchte
der Pfandsache ziehen darf.
Lit.: Kaser § 31; Hübner
Antike ([3000/2800
v. Chr. bzw.] 11. Jh. v. Chr.-4./6. Jh. n. Chr.) ist der vor allem durch die
Kultur der (Sumerer, Assyrer, Ägypter, Juden,) Griechen und Römer gekennzeichnete,
durch die Eroberung Westroms durch Germanen im Jahre 476 abgeschlossene
geschichtliche Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. → Altertum
Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff.
1986; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; The Cambridge Ancient
History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A.
2002; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel, U., Geschichte des
Rechts, 3. A. 2006; Gehrke, H., Kleine Geschichte der Antike, 1999; Metzler
Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B., 1999; Lexikon der
christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999; Nickel, R., Lexikon
der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v. Gehrke, H. u. a.,
2000; Brandt, H., Das Ende der Antike, 2001; Grziwotz, H./Döbertin, W.,
Spaziergang durch die Antike, 2002; Die Rechtskulturen der Antike, hg. v.
Manthe, U., 2003; Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des
Mittelalters, hg. v. Kern, M. u. a., 2003; Pöhlmann, E., Einführung in die Überlieferungsgeschichte
und in die Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1 2. A. 2003; Personen der
Antike, hg. v. Brodersen, K. u. a., 2004; Herrscherchronologien der antiken
Welt, 2004; Höhepunkte der Antike, hg. v. Brodersen, K., 2006; Erinnerungsorte
der Antike, hg. v. Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2006; Troianer sind wir gewesen,
hg. v. Olshausen, E. u. a., 2006; Sonnabend, H., Die Grenzen der Welt, 2007;
Geschichte der Antike – Quellenband, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2007; Geschichte
der antiken Texte – Autoren- und Werklexikon, hg. v. Egger, B., 2007;
Historischer Atlas der antiken Welt, hg. v. Wittke, A. u. a., 2007; Baltrusch,
E., Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, 2008; Mann, C.,
Antike, 2008; Stangl, G., Antike
Populationen in Zahlen, 2008
Antiochia (Kreuzfahrerfürstentum)
Lit.: Mayer, H., Varia Antiochena, 1993
Antisemitismus ist die die Juden (Semiten) ablehnende Haltung. Sie entsteht nach antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vorläufern in der 2. Hälfte des 19. Jh.s (in Österreich um 1885) neu. In dieser Zeit gelten Juden als Modernisierungsgewinner des Liberalismus, wobei auch die katholische Kirche ihr Unbehagen über die gesellschaftlichen Veränderungen am steigenden Einfluss der Juden zum Ausdruck bringt.→ Jude
Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997;
Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland
zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999;
Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blaschke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die
Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus,
2002; Ferrari Zumbini, M., Die Wurzeln des Bösen - Gründerjahre des Antisemitismus,
2002; Haury, T., Antisemitismus von links, 2002; El olivo y la espada, hg. v.
Joan i Tous, P. u. a., 2003; Ley, M., Kleine Geschichte des Antisemitismus,
2003; Der Berliner Antisemitismusstreit 1879-1881, bearb. v. Krieger, K., 2003;
Benz, W., Was ist Antisemitismus?, 2004; Wladika, M., Hitlers Vätergeneration,
2005; Terwey, S., Moderner Antisemitismus in Großbritannien 1899-1919, 2006;
Mittmann, T., Vom Günstling zurm Urfeind der Juden, 2006; Volkov, S., Germans,
Jews and Antisemites, 2006; Sieg, U., Deutschlands Prophet - Paul de Lagarde
und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, 2007; Nonn, C., Antisemitismus,
2008
Antitribonianus ist
das 1603 posthum erschienene Werk François → Hotmans, das im Angriff auf →
Tribonian die Anwendbarkeit des Corpus iuris civilis in der Neuzeit bestreitet
und die Schaffung eigener Gesetzbücher empfiehlt.
Lit.: Baron, J., Franz Hotmans
Antitribonian, 1888
Antrag ist das → Angebot auf Abschluss eines →
Vertrags.
Antrustio (lat.
[M.], zu afrk. druht, lat.-afrk. trustis, M., bewaffnete Schar) ist der im
Volksrecht der → Franken durch dreifaches Wergeld des Freien
ausgezeichnete, auch in Kapitularien und Formeln erwähnte freie Königsmann.
Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im
Merovingerreich, 1958; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände,
1991
Antwerpen an der
Schelde wird 726 erstmals urkundlich erwähnt. 1291 erhält es Stadtrecht. 1852
wird eine Universität eingerichtet.
Anwachsung ist die
Erhöhung der Anteile anderer Berechtigter an einer (gesamthänderischen)
Gesamtheit im Wege der Gesamtnachfolge bei Wegfall eines Mitberechtigten. Sie
hat wohl in alten gesamthänderischen Gesamtheiten (z. B. Hausgemeinschaft,
Akkreszenz im klassischen römischen Erbrecht) Bedeutung und wird später eher
zurückgedrängt (z. B. durch Eintrittsrechte, Realteilung). Durch das
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) gewinnt sie mit dem Gesamthandsprinzip an
Gewicht.
Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner; Breuel, F.,
Geschichte des Anwachsrechts in Ostfriesland, 1954; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Meyer, H., Anwachs und Insel im
hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333
Anwalt ist der
Vertreter eines anderen (im Recht). Im römischen Recht ist Vertretung grundsätzlich
ausgeschlossen. Im deutschen Bereich begegnen die ersten Anfänge im fränkischen
Reich. Zum Hochmittelalter hin erscheinen Vertreter für Bischöfe (Vögte), Äbte,
Gemeinden oder Genossenschaften. Bis zur zweiten Hälfte des 15. Jh.s setzt sich
neben dem Fürsprecher als Vertreter im Wort (Mund der Partei) die inhaltliche
Vertretung der Partei im bürgerlichen Rechtsstreit durch. Mit der Rezeption des
römisch-kanonischen Prozessrechts wird am Ende des 15. Jh.s der meist
rechtsgelehrte, praktisch geschulte → Prokurator zum Vertreter der Partei
vor Gericht, der rechtsgelehrte → Advokat zum außergerichtlichen
Berater (1495 am Reichskammergericht acht Prokuratoren, zwei Advokaten, seit
1500 bzw. 1530 Prüfungen), doch verwischen sich in Deutschland die Unterschiede
trotz Fortführung der verschiedenen Benennungen schon seit dem 16. Jh. wieder.
Bedeutung hat der A. vor allem im Zivilprozess. In Preußen wird 1725 die
Prokuratur abgeschafft und 1780 die Advokatur als freier Beruf beseitigt
(Assistenzrat, Justizkommissar). Im 19. Jh. werden auch in Preußen wieder frei
wählbare Prozessvertreter zugelassen, die seit 1849 (1878 im Deutschen Reich)
Rechtsanwälte heißen (Österreich Advokatenordnungen von 1849 und 1868). Neben
ihnen dürfen in Deutschland seit 2008 auch Nichtjuristen eingeschränkt
Rechtsberatung durchführen.
Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155,
202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Kübl, F., Geschichte
der österreichischen Advokatur, 1925; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den
fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Böhm, O., Die nürnbergische
Anwaltschaft um 1500 bis 1806, 1949; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Failenschmid, H.,
Anwalt und Fürsprech, 1981; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der
deutschen Rechtsanwälte, 1989; Krach, T., Jüdische Rechtsanwälte in Preußen,
1991; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur unter Friedrich dem Großen,
1994; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Krug, G., Die
Advokat-Anwälte, Diss. jur. Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen
Anwaltvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die
Entwicklung der Anwaltschaft, NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten,
Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve, W., Rechts-, Wirtschafts- und
Steuerberatung in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998; Klas, A., Standes- oder
Leistungselite?, 2002; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003;
Reichspersonal, hg. v. Baumann, A., 2003
Anwaltszwang ist
die (tatsächliche oder) rechtliche Verpflichtung im → Prozess einen →
Anwalt zu verwenden.
Anwartschaft ist
die einer bestimmten Person zustehende rein tatsächliche Aussicht auf ein
später zu erwartendes Amt oder Recht. Im deutschen Mittelalter hat der nahe
Verwandte ein Anrecht auf den Nachlass (→ Erbenwartrecht). Im 20. Jh.
setzt sich die A. als werdendes Recht, das dem Vollrecht wesensgleich ist,
beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt durch.
Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984
Anweisung ist die
schriftliche Aufforderung eines Teiles (Anweisender) an einen anderen Teil
(Angewiesener) (Deckungsverhältnis), Geld, Wertpapiere oder andere Sachen an
einen die Anweisung dem Angewiesenen vorlegenden Dritten (Anweisungsempfänger)
zu leisten (lat. [F.] delegatio zwischen Delegant, Delegat und Delegatar,
Verhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger Valutaverhältnis).
Sie gehört in die Frühzeit des → Wertpapiers (13./14. Jh.). Sie kann
Zahlungsanweisung oder Verpflichtungsanweisung sein.
Anwenderecht ist
das in die Anfänge des dichteren Ackerbaues zurückreichende, seit dem 13. Jh.
vielfach schriftlich bezeugte Recht, zur Bestellung des eigenen Feldes
kurzzeitig ein Nachbargrundstück zu betreten. Das Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) lässt das landesrechtlich vorhandene A. als Teil des Nachbarrechts
bestehen.
Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925;
Schmidt-Wiegand, Anwende, Text und Sprachbezug in der Rechtssprachgeographie,
1985, 146
Anzeige ist die
Mitteilung eines rechtlich erheblichen Vorganges oder Zustandes. Sie ist in
verschiedenen Formen dem römischen Recht bekannt. Eine Verpflichtung zu einer
A. bestimmter Handlungen stellt die Rügepflicht dar. Der hochmittelalterliche
kanonische Prozess unterscheidet im 12. Jh. die A. von der (lat. [F.])
accusatio. In der frühen Neuzeit genügt im Strafverfahren statt der Klage eines
einzelnen Klägers die A. beim Richter zur Ingangsetzung des Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 157; Kisker, S., Die Nichtanzeige
geplanter Straftaten - §§ 138, 139 StGB, 2002
Aostatal
Lit.: Roddi, G., Il Coutumier
Valdostano (1588), 1994 (Diss. jur. Freiburg im Üchtland)
Apanage ist die Ausstattung eines nachgeborenen Sohnes, Bruders oder sonstigen Mitgliedes eines landesherrlichen Hauses zur Sicherung des standesgemäßen Unterhalts. Sie entwickelt sich nach älteren Vorläufern (Bretagne 990?, Dreux 1137?) im 13. Jh. in Frankreich. Einen Rechtsanspruch auf A. gibt es nur bei Vorliegen eines entsprechenden Hausgesetzes. Die meist bei Eintritt der Volljährigkeit fällige A. kann auf eine Person oder auf eine Linie bezogen sein.
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Wood,
C., The French Apanages, 1966
Apel, Johann
(Nürnberg 1486-27. 4. 1536) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg 1524
Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534 Rechtsberater in Nürnberg. 1535
schlägt er eine dialektische Lehrmethode für die Rechtswissenschaft vor.
Außerdem bietet er erste systematische Ansätze.
Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann Apell,
1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges.
Staatswiss. 100 (1940), 423
Apokalypse
Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001
Apostasie (F.) ist
der von
der Spätantike bis zur Aufklärung geahndete Abfall vom Glauben.
Lit.: Hinschius, P.,
System des katholischen Kircherechts, 1888ff.; Schauf, H., Einführung in das
kirchliche Strafrecht, 1952
Apostelbrief ist im gelehrten Verfahrensrecht des Mittelalters der Bericht, den der untere Richter (lat. iudex [M.] a quo) auf die Bitte einer Partei, die → Appellation gegen seine Entscheidung erhebt, an den oberen Richter (iudex ad quem) sendet. Er enthält eine Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufes und eine Beurteilung der Berechtigung der Appellation sowie später auch die bisherigen Prozessakten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des
katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342
Apotheke ist
das Unternehmen des wissenschaftlich ausgebildeten, staatlich zu Herstellung
und Verkauf von Arzneimitteln Berechtigten (Apothekers). 1935 wird eine deutsche
Apothekerschaft gegründet, 1937 eine Reichsapothekenkammer eingerichtet. 1961
ergeht ein Arzneimittelgesetz.
Lit.: Schröder, G., NS-Pharmazie - Gleichschaltung des deutschen
Apothekerwesens im Dritten Reich, 1988; Schlick, C., Apotheken im totalitären
Staat, 2008
Apothekenurteil
ist die in drei Stufen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die
Einschränkung von Grundrechten (z. B. Berufsfreiheit) ordnende Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 11. 6. 1958 über die Zulassung eines
Apothekers in Traunreut.
Lit.: Henne, T., Das
Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2004
appellatio (lat. [F.]) Anrufung, Berufung, → Appellation
Appellation ist im
spätrömischen Verfahrensrecht das aufschiebend wirkende Rechtsmittel zur
Überprüfung der Entscheidung eines unteren Richters durch einen höheren
Richter, das mit einem Urteil endet (Berufung). Die A. ist bei dem unteren
Richter mündlich oder binnen 10 Tagen schriftlich einzubringen. Die A. wird im
frühen Mittelalter in vereinfachter Form in der Kirche und in Oberitalien
bewahrt. Im hohen Mittelalter wird die A. (mittels → Apostelbriefs), die
seit dem 12. Jh. im kirchlichen Prozessrecht erscheint, aus dem
oberitalienisch-kanonischen Prozessrecht in Deutschland zuerst in geistlichen
Gerichten aufgenommen. In Italien und Frankreich dringt sie rascher vor. Im
Heiligen römischen Reich, in dem zwischen 1200 und 1450 (lat. [F.]) appellatio
sehr unterschiedliche Einrichtungen benennen kann, ersetzt die A., die sich vor
1451 nur in einzelnen besonderen Fällen vor dem um 1450 grundsätzlich noch
unmittelbar angerufenen, aber auch im älteren Rechtszugverfahren kaum eine
nennenswerte Rolle spielenden König findet, in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s
allmählich die ältere Urteilsschelte in weltlichen Verfahren. Die Appellationsverfahren
verdrängen bald die erstinstanzlichen Rechtszugverfahren. Das 1495
eingerichtete Reichskammergericht ist vielfach Appellationsgericht (am Ende des
15. Jh.s zu 80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme
von 50 Gulden festgelegt, die über 150 (1570) und 300 (1600) Gulden bis 1654
auf 600 Gulden bzw. 400 Reichstaler steigt, und wird 1530 dem Reichskammergericht
die Annahme einer A. in Strafsachen verboten. In die gleiche Richtung wirken
die Nichtappellationsprivilegien. 1879 wird die teuere und schwierige A. im
Deutschen Reich durch die → Berufung ersetzt, in England erst 1875
wirklich zugelassen. → Konzil
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114, 117,
152; Köbler, LAW; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivilegien für
Brandenburg-Preußen, 1908; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht
und Räte, 1912; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Blaschke, K.,
Das kursächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84
(1967), 329; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle
genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75;
Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als
Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den
Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973;
Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Die
kaiserlichen privilegia de non appellando, hg. v. Eisenhardt, U., 1980;
Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Rechtsbehelfe, Beweis
und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Becker,
H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1988; Kern, B., Die
Appellation in Kurpfälzer und verwandten Rechtsquellen des 15. Jahrhunderts,
ZRG GA 106 (1989), 115; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1993;
Morhard, A., Die gerichtliche Berufung, 1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung
des Rechtsmittels der Appellation, 1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche
Verbot der Appellation in Strafsachen, 2002; Strauch, D./Arntz,
J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Kannowski, B., Zwischen
Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG
123 (2006), 110
Appellationsgericht (N.) Berufungsgericht (z. B. Österreich 1782
Erhebung der von den Gubernien getrennten Justizsenaten zu Appellationsgerichten
durch Joseph II., 1852 Oberlandesgerichte)
Appellationsprivileg ist das Privileg des deutschen Königs an Landesherren, das eine → Appellation aus dem jeweiligen Gebiet an den König ausschließt (Nichtappellationsprivileg). Es betrifft anfangs wohl nur den Rechtszug nach einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s die eigentliche Appellation. 1356 verleiht die → Goldene Bulle den Kurfürsten ein unbeschränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten ist, weil die Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z. B. in Sachsen erst seit dem 16. Jh.).
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der
Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen
privilegia de non appellando, 1980
Appenzell erscheint
1071 erstmals als Abbacella. Das zunächst unter der Herrschaft der Abtei Sankt
Gallen stehende Gebiet gewinnt zwischen 1377 und 1429 Selbständigkeit. Seit
1411 ist A. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der → Schweiz, seit
17. 12. 1513 dreizehntes Mitglied. A. besteht aus einem evangelischen
Halbkanton (Außerrhoden) und einem katholischen Halbkanton (Innerrhoden).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Benz, R., Die
rechtlichen Zustände im Lande Appenzell, Appenzellische Jahrbücher 46 (1918),
1; Wirz, H., Die Grundlagen der Appenzeller Freiheit, Appenzellische Jahrbücher
56 (1929); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Land-
und Alpwirtschaft in Außerrhoden, 1974; Blickle, P., Verfassung und Religion –
Voraussetzungen und Folgen der Landteilung des Appenzell 1597, ZRG GA 115
(1998), 339; Die Appenzellerkriege, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006
Approbation (F.) Billigung, Bestätigung (z.
B. einer klösterlichen Genossenschaft, einer Verehrung oder einer Königswahl)
Lit.: Deußen, W., Die
Approbation der deutschen Königswahl, 1879; Unverhau, D., Approbatio -
Reprobatio, 1973;
Aprilverfassung ist die am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. erteilte, vom Innenminister Franz Xaver von → Pillersdorff geformte, nach dem 15. 5. 1848 zurückgezogene, erste formelle Verfassung Österreichs mit Gewaltenteilung, Reichstag und Grundrechten.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher
apud iudicem (lat.) vor dem
Richter, → Prozess, Verfahren
Apulien im Süden
Italiens gerät seit dem 9. Jh. v. Chr. unter den Einfluss der Griechen, wird
317 v. Chr. von Rom erobert und gehört nach dem Untergang Westroms über die
Herrschaft von Ostgoten und Oströmern im Norden seit 570 zum Herzogtum Benevent
der Langobarden. In der Mitte des 11. Jh.s fällt es an die Normannen (1130
Sizilien), 1282 an das Königreich Neapel.
Lit.: Palumbo, P., Medio evo meridionale, 1978
aquae ductus (lat. [M.])
Wasserleitungsrecht, → Dienstbarkeit
aquae haustus (lat. [M.])
Wasserschöpfrecht,→ Dienstbarkeit
Aquileia nahe der
Adria wird 181 v. Chr. als römische Kolonie (lat. [F.] colonia) gegründet. Der
seit spätestens 314 nachweisbare Bischof beansprucht seit 558/68 den Titel
eines Patriarchen. 1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit 1418 gelangt A.
an Venedig, im 16. Jh. an Österreich und mit Venetien (1866) an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das
Patriarchat Aquileja, 1987
Aquilius → lex Aquilia
Aquitanien ist das
Gebiet nördlich der Pyrenäen. Es wird seit 71 v. Chr. römisch, 418 westgotisch
und 507 fränkisch. Im 7. Jh. entsteht ein fast selbständiges Herzogtum (bis
768), das im 9. Jh. erneuert wird. Durch Heirat der Erbtochter mit Heinrich II.
→ Plantagenet (1152) gelangt A. beim Thronantritt Heinrichs II. in
England in eine Personalunion mit → England. Am Ende des hundertjährigen
Krieges (1453/75) fällt A. von England an → Frankreich.
Lit.: Histoire de l’Aquitaine, hg. v.
Higounet, C., 1971; Trabut-Cussac, J., L’administration anglaise en Gascogne,
1972
Äquivalenzprinzip ist der im 20. Jh. ausgebildete Grundsatz, dass zwischen
dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und der für diese geforderten
Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.
Araber ist der Angehörige des in den mittelalterlichen lateinischen Quellen meist als (lat. [M.Pl.]) Saraceni bezeichneten semitischen Volkes, das zunächst auf der arabischen Halbinsel siedelt. Die A. erobern nach der Bekehrung zum → Islam im frühen Kalifat (632-692) Ägypten, (638 Jerusalem,) Syrien, Irak und Persien. 711 wird Gibraltar erreicht, 716/717 Konstantinopel belagert und 732 ein Spanien einnehmender Vorstoß erst bei Tours und Poitiers von den Franken zurückgeschlagen. Im 9. Jh. setzt der Zerfall des bald auf Bagdad (762, um 1000 Kalifenbibliotheken mit vielleicht 100000 Bänden) ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein. 1260 können die Mongolen abgewehrt werden. Das im 15. Jh. unter muslimisch gewordenen Osmanen gebildete osmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht 1492 mit Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden im 19. Jh. die arabischen Länder mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Gegenstand der Kolonialpolitik europäischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A. auf das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht in Sizilien, lat. contractus [M.] mohatrae). Im Übrigen geben die A. allgemein auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das europäische Mittelalter weiter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M.,
Storia dei Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt,
hg. v. Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa,
1992; Halm, H., Die
Araber, 2004; Walther, W., Kleine Geschichte der arabischen Literatur,
2004; Steinberg, G., Saudi-Arabien, 2004; Katzer, A., Araber in deutschen
Augen, 2008; Schlicht, A., Die Araber und Europa, 2008
Aragonien (Aragón)
im Nordosten Spaniens gelangt am Ende des 3. Jh.s v. Chr. von den Puniern an
die Römer, im 5. Jh. n. Chr. an die Westgoten und 713 an die Araber. Kurz nach
800 wird es eine Grafschaft der Franken, die eine eigene (lat. [F.])
convenientia (958) hat und sich im Zuge der Rückeroberung der von den Arabern
beherrschten Gebiete 1035 und 1134 zum Königreich entwickelt, in dem der →
Fuero von → Jaca (1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit
Katalonien und 1238 mit Valencia verbunden. Seit dem 13. Jh. dringt römisches
Recht ein. 1247 werden die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht
auf Vidal de Cañellas zurückgehenden, ausschließliche Geltung beanspruchenden
Fueros de Aragón (Fori Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft
Aragoniens gelangen auch Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442).
Seit 1469 tritt A. hinter → Kastilien (1474 Personalunion) zurück und
verliert die 1707 zunächst noch gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der
selbständigen Verwaltung (1833) wird erst 1982 wieder aufgehoben. Das
überlieferte besondere Privatrecht gilt seit 1889 im Rahmen des Código Civil
Español fort.
Lit.: Fori Aragonum 1476/1477, Neudruck 1979; Schwarz, K.,
Aragonische Hofordnungen, 1914; Klüpfel, L., Verwaltungsgeschichte des
Königreichs Aragon, 1915; Vidal mayor, hg. v. Tilander, G., 1956; Lalinde
Abadía, J., Virreyes y lugartenientes, Cuadernos de historia de España 1960,
98; Lalinde Abadía, J., La gobernación general en la corona de Aragón, 1963;
Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J./Fairen Guillen, V., Die
aragonesischen Verfassungsprozesse, ZRG GA 91 (1974), 116; Los Fueros de
Aragón, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258
Arba ‘at ha-Turim → Jakob Ben Ascher
Arbeit ist die auf
Schaffung von Werten gerichtete körperliche oder geistige Tätigkeit. Steht
ursprünglich die damit verbundene Mühe im Mittelpunkt, so verlagert sich der
Bedeutungskern besonders seit dem 19. Jh. auf die Unselbständigkeit und Fremdbestimmtheit
der Tätigkeit. Hinsichtlich der A. treten deshalb, obwohl bereits im
Mittelalter das dauernde Vorkommen vertraglich vereinbarter
Arbeitsverhältnisse in Stadt und Land und die beständige Sorge der Obrigkeit
für Reglementierung der Entlohnung bezeugt sind, erst seit etwa 1840
Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander gegenüber. Bezüglich der A. schließen sie
den → Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des → Arbeitsrechts
ist, für das sich das besondere → Arbeitsgericht ausbildet. Bereits im
19. Jh. wird auch die Sicherung eines Rechtes des Einzelnen auf A. verlangt.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Arbeit und Rhythmus im
Rechtsleben, ZRG GA 41 (1920), 370; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972,
154; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Le travail
au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die
Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H.,
Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G.,
Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U.,
Die Arbeiterschaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998;
Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der
gefahrgeneigten Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka,
J. u. a., 2000; Fossier, R., Le travail au moyen âge, 2000; Schaller, K.,
Einmal kommt die Zeit, 2001; Guinand, C., Die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO), 2003; Steinfeld, R., Free Wage Labor and the
Suffrage in Nineteenth Century England, ZRG GA 123 (2006), 267
Arbeiter ist
der körperliche Arbeit verrichtende Arbeitnehmer.
Lit.: Lorenz,
A., Kleine Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland von 1948 bis heute,
2009
Arbeiterkammer ist
die in Österreich ab 1872 geplante, mit Gesetz vom 26. 2. 1920 eingerichtete,
1938 aufgelöste, durch Gesetz vom 20. 7. 1945 wiedererrichtete Vertretung der
Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten), die maßgeblich bei der Entwicklung
des kollektiven Arbeitsrechts mitgewirkt hat.
Arbeitnehmer ist der im Arbeitsverhältnis
die Arbeit ausführende Beteiligte.
Lit.: Pflaume, H.,
Organisation und Vertretung der Arbeitnehmer in der Bewegung von 1848/1849,
1934
Arbeitsgericht ist das im Deutschen Reich 1926 für die erste Instanz (RGBl. 1926, 507, Inkrafttreten am 23. 12. 1926 bzw. 1. 7. 1927) geschaffene Eingangsgericht der vor allem auf Wunsch der Arbeitnehmerseite für Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen zuständigen, 1946/1953 gänzlich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit verselbständigten Arbeitsgerichtsbarkeit (1927 Reichsarbeitsgericht). Vorläufer des Arbeitsgerichts ist ein besonderes, mit Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmerbeisitzern besetztes Gewerbegericht (1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in Frankreich (Lyon 1806) von Napoleon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten Conseil de prud’hommes zurück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid) und später in Preußen (1845) und im Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird. Noch früher gibt es in Preußen im 18. Jh. Fabrikdeputationen und im Mittelalter allgemein auch Entscheidungen innerhalb der Zünfte.
Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die Arbeitsgerichtsbarkeit
1929; Globig, K., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985;
Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J., Untersuchungen zur
Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit, Bd. 1 1990; Schöttler, P., Zur
Mikrogeschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit, Rechtshistorisches Journal 9
(1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994; 50 Jahre saarländische
Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, 1997; 50
Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J.,
Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland, Bd. 2
2002, Bd. 3 2008; Bachem-Rehm, M., Die katholischen Arbeitervereine im
Ruhrgebiet 1870-1914, 2004; Zimmermann, U., Die Entwicklung der Gewerbegerichtsbarkeit
in Deutschland, 2005
Arbeitsgesetzbuch ist
das für das → Arbeitsrecht geschaffene Gesetzbuch (z. B. Deutsche
Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23. 11. 1966, 1977).
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Arbeitskampf (nach Kittner erster bekannter
Arbeitskampf auf deutschem Boden Breslau 1329) → Aussperrung, Streik
Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v. Pohl,
H., 1980; Sieg’l, C., Arbeitskämpfe seit dem Spätmittelalter, 1993; Schröder,
R., Der gewerbliche Kampf, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 533; Dallmann, C., Die Anfänge des französischen Arbeitskampfrechts,
Diss. jur. Würzburg 2002; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005 (61 Fallschilderungen
zwischen 1155 v. Chr. und 2003 n. Chr.)
Arbeitslosenversicherung ist die bescheidenen gemeindlichen Anfängen (1913 in 13
deutschen Gemeinden eine Arbeitslosenunterstützung vorhanden) folgend von
1918 an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur
Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd im Arbeitsförderungsgesetz
geregelte und zum 1. 1. 1998 in das Sozialgesetzbuch (III) überführte →
Sozialversicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen des Mangels einer Erwerbstätigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241;
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, hg. v. Benöhr, H., 1991;
Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung,
1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, 1992; Dorn,
U., Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche Arbeitslosenunterstützung
in der Weimarer Republik, 1995; Raithel, T. u. a., Die Rückkehr der
Arbeitslosiegkeit, 2009
Arbeitslosigkeit → Arbeitslosenversicherung
Arbeitsmündigkeit → Mündigkeit
Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der Arbeitsmündigkeit,
1968
Arbeitsrecht ist
das die → Arbeit betreffende Recht. Es wird trotz der bereits im
Hochmittelalter vorhandenen und seit dem 16. Jh. auch von den Landesherren
geordneten Tätigkeiten als Gesinde, Seemann, Bergmann, Kaufmannsdiener oder Handwerksgeselle
als Rechtsgebiet erst am Beginn des 20. Jh.s verselbständigt (Sinzheimer
1907f./1914, Potthoff 1925), nachdem sich im 19. Jh. die obrigkeitlichen und
genossenschaftlichen Bindungen infolge des Liberalismus lösen (z. B.
Bauernbefreiung) und → Arbeit zum Gegenstand freier vertraglicher
Vereinbarung wird. Als erste gesetzliche Regelungen erscheinen Arbeitsschutzbestimmungen
(England 1802, Preußen 1839, Truckverbot 1849/1869, Frauenschutz 1878, Gewerbeaufsicht
1878), die das deutsche Arbeiterschutzgesetz von 1891 verallgemeinert.
Flankierend wirkt die → Sozialversicherung. Die seit der zweiten Hälfte
des 19. Jh.s allmählich entwickelte Kollektivierung des Arbeitsrechts (1891
Arbeiterausschüsse, 1916 Hilfsdienstgesetz) findet einen ersten Abschluss in
der → Tarifvertragsverordnung (1918) und der zugehörigen Schlichtungsverordnung
(1923). Durch die nationalsozialistische Regierung wird dann das kollektive
A. durch eine autoritäre Arbeitsverfassung (1934 Gesetz zur Ordnung der
nationalen Arbeit) ersetzt, die nach 1945 wieder beseitigt wird. 1949 wird das
Tarifvertragsrecht neu gestaltet, 1951 die Mitbestimmung in der
Montanindustrie ausgedehnt, in den Folgejahren eine Reihe weiterer Gesetze
erlassen bzw. neu gefasst. Wo der Gesetzgeber nicht tätig zu werden vermag,
tritt ersatzweise die Arbeitsgerichtsbarkeit mit Richterrecht ein. In der
Deutschen Demokratischen Republik wird 1961 ein Gesetzbuch der Arbeit erlassen,
1978 ein Arbeitsgesetzbuch. In der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,
Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union gewinnt das europäische
Recht an Bedeutung (z. B. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs,
Europäische Sozialcharta 1961). Erste Darstellungen des Arbeitsrechts stammen
von P. Lotmar (1902/1908) und H. Sinzheimer (1907f./1914). Als Besonderheit des
Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungseinschränkung bei → gefahrgeneigter
Tätigkeit angesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241;
Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen
Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht
im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen
Mittelalter, 1939; Siebert, W., Die Entwicklung der staatlichen Arbeitsverwaltung,
1943; Anton, G., Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1953;
Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Teuteberg, H.,
Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Ebel, W., Quellen zur
Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1849, 1964; Mampel, S.,
Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland, 1966; Wedderburn, K.,
Cases and materials on labour law, 1967; Weidmann, P., Die soziale Entwicklung
des zürcherischen Arbeitsrechts von 1815-1870, Diss. jur. Zürich 1971; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung des
Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung der Weimarer
Republik, (in) In memoriam Sir Kahn-Freund, 1980; Umlauf, J., Die deutsche
Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte,
hg. v. Steindl, H., 1984; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des
Spätmittelalters, 1984; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen
Arbeitsrechts, 1987; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos und Arbeitsrecht
in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB, 1988; Bohle, T.,
Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990; Wahsner, R.,
Arbeitsrecht unter’m Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende Bibliographie
zur Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung des Rechts der
Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Benöhr, H., Fast
vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Sellier, U., Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert, 1998; Die
Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H., 1998;
Rudischhauser, S., Vertrag, Tarif, Gesetz. Der politische Liberalismus und die
Anfänge des Arbeitsrechts in Frankreich 1890-1902, 1999; Thiele, M., Die
Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor
Gericht, 2001; Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des Reichskommissariats
in den Niederlanden, 2002; Böhm, A., Arthur Philipp Nikisch, 2003; Hermel, M.,
Karl Flesch, 2004; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Arbeitsverfassung → Arbeitsrecht
Arbeitsvertrag ist der
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die entgeltliche Leistung von →
Arbeit geschlossene → Vertrag. Anfangs individuell ausgehandelt wird
sein Inhalt unter Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit zunehmend
kollektiv gestaltet (Tarifvertrag). Seit 1995 wird grundsätzlich die
Schriftform angestrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der Arbeitsvertrag,
2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Europäisches Arbeitsvertragsrecht, hg. v.
Molitor, E. u. a., 1928ff.; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im
deutschen Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im
deutschen Mittelalter, 1939; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter
im 18. Jahrhundert, 1939; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und
Gesellschaftsordnung während des 19. Jahrhunderts, insbesondere in den
Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, 1972; Söllner, A., Der
industrielle Arbeitsvertrag in der deutschen Rechtswissenschaft des 19.
Jahrhunderts, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288;
Vietinghoff-Scheel, E. v., Gewerbliche Arbeitsverhältnisse in Preußen, Diss.
jur. Göttingen 1972; Ebert, K., Der industrielle Arbeitsvertrag in der
österreichischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, ZRG
GA 92 (1975), 143; Söllner, A., Entwicklungslinien im Recht des Arbeitsverhältnisses,
(in) NS-Recht in historischer Perspektive, hg. v. Institut für Zeitgeschichte,
1981, 135; Alonso Olea, M., Von der Hörigkeit zum Arbeitsvertrag, 1981; Wild,
T., Die Entwicklung des Gesamtarbeitsvertragsrechts, 1984; Klippel, D., Der
Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, (in) Geschichtliche
Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990; Entwürfe zu einem deutschen
Arbeitsvertragsgesetz mit dem Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1990 und dem
österreichischen Entwurf einer Teilkodifikation des Arbeitsrechts von 1960,
hg. v. Ramm, T, 1992; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1995;
Thiele, A., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 2000; Becker, M.,
Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis während der Weimarer Republik und in der
Zeit des Nationalsozialismus, 2005; Bausback, M., Der Bestandsschutz des
Arbeitsverhältnisses, 2007
Arbeitszeit ist die
für → Arbeit aufzuwendende Zeit des Arbeitnehmers. Ihre Bestimmung ist
Ausfluss der Verrechtlichung des Arbeitsverhältnisses. Im Zug der Industrialisierung
verlängert sich die A. durch Wegfall von Feiertagen erkennbar (um 20 Prozent?).
Am 23. 11. 1918 wird im → Deutschen Reich der Achtstundentag angeordnet
und am 21. 12. 1923 die A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das
Arbeitszeitrechtsgesetz allgemein geregelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S., Arbeitszeitrecht in
der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner Arbeitszeitübereinkommen
von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England 1750-1830, 2000
arbiter (lat. [M.])
Schiedsrichter, → Schiedsgericht
Lit.: Kampmann, C., Arbiter und
Friedensstiftung, 2001
arbiträr (Adj.) willkürlich, nach Ermessen (z. B. Strafe [lat. poena arbitraria],
möglich nach der Constitutio Criminalis Carolina 1532, ausgedehnt durch
Benedikt Carpzov 1595-1666, eingeschränkt durch das Strafgesetzbuch Josephs
II. von 1787, bzw. das Strafgesetzbuch Bayerns von 1813).
Arbitrium (lat. [N.])
Ermessen, Gutachten, Entscheid, Schiedsspruch
Lit.:
Meccarelli, M., Arbitrium iudicis und officialis im ius commune, ZRG GA 115
(1998), 552
archaisch (Adj.)
altertümlich (anschaulich, einfach, mündlich)
Archäologie (Altertumskunde) ist die Wissenschaft von den gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B. Bauwerke, Geräte, Münzen, Knochen) von Menschen, die bei günstigen Voraussetzungen auch ethnische Unterschiede (z. B. im Frühmittelalter) wahrscheinlich machen kann.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie,
1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A. 1983; Enzyklopädie der
Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Fehring, G., Die Archäologie des
Mittelalters, 3. A. 2000; Sinn, U., Einführung in die klassische Archäologie,
2000; Halle, U., Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!, 2002;
Martini, W., Sachwörterbuch der klassischen Archäologie, 2003; Bäbler, B.,
Archäologie und Chronologie, 2004; Die Aktualität des Archäologischen, hg. v.
Ebeling, K. u. a., 2004; Frommer, S., Historische Archäologie, 2007
Archidiakon ist
seit etwa 365 der Leiter der → Diakone einer Bischofskirche, der sich zum
Stellvertreter des → Bischofs entwickelt, ehe er bis zum 19. Jh.
weitgehend verschwindet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das
Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84
Archipresbyter ist
der seit Anfang des 5. Jh.s nachweisbare Stellvertreter des → Bischofs
bei Messfeier und Spendung der Sakramente, im frühen Mittelalter der Leiter der
Priester einer Taufkirche.
Lit.: Faure, J., L’archiprêtre, 1911
Archiv ist die Einrichtung zur (geordneten) Sammlung und Aufbewahrung sowie Verwertung von Schriftgut (z. B. Akten, Urkunden, Karten, Pläne, Bilder, Dateien, Programme). Archive sind bereits in der Antike dort vorhanden, wo (umfangreiches) Schriftgut anfällt. Hieran schließt sich seit dem 3. Jh. die christliche Kirche an, deren frühmittelalterliches Schriftgut gleichwohl zu großen Teilen verloren ist. Im weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jh. sichtbar. Für das Heilige römische Reich setzt eine dauerhafte zentrale Archivierung erst mit König bzw. Kaiser Maximilian am Übergang zur Neuzeit ein. Das Hauptproblem der Gegenwart ist die große Menge des Schriftguts, das nach dem Grundsatz der Archivwürdigkeit von wissenschaftlich ausgebildeten Archivaren (München 1821, Marburg 1894) gesichtet werden muss.
Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Goldinger, W., Geschichte des
österreichischen Archivwesens, 1957; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen,
1961; Kleinau, H., Übersicht über die Bestände des niedersächsischen
Staatsarchivs in Wolfenbüttel, 1963; Meisner, H., Archivalienkunde, 1969;
Papritz, J., Archivwissenschaft, 1976; Gesamtarchiv Schenk von Stauffenberg,
Herrschaft Wilflingen, hg. v. Becker, O., 1981; Archiv der Freiherren von
Woellwarth. Urkundenregesten 1359-1840, bearb. v. Hofmann, N., 1991; Die
Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 7 Spezialakten der badischen
Ortschaften (229), bearb. v. Rupp, R., 1992; Franz, E., Einführung in die
Archivkunde, 4. A. 1993, 5. A. 1999; Gaisberg-Schöckingensches Archiv, bearb.
v. Müller, P., 1993; Füchtner, J., Quellen rheinischer Archive zur neuzeitlichen
Personen- und Familiengeschichte, 1995; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, red.
Liess, A., 1996; Musial, T., Staatsarchive im Dritten Reich, 1996; Strauch, D.,
Das Archivalieneigentum, 1998; Weiser, J., Geschichte der preußischen
Archivverwaltung, 2000; Handbuch der bayerischen Archive, hg. v. bayerischen
Archivtag, 2001; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 2002, 4. A.
2004; Brenner-Wilczek, S. u. a., Einführung in die moderne Archivarbeit, 2006;
Schoch, F. u. a., Archivgesetz, 2007; Schenk, D., Kleine Theorie des Archivs,
2008; Schreyer, H., Das staatliche Archivwesen der DDR, 2008
Arco
Lit.:
Waldstein-Wartenberg, B., Geschichte der Grafen von Arco, 1971
Arelat (N.)
Gebiet bzw. Reich um Arles in Burgund im Mittelalter
Arenga ist die der spätrömischen Rhetorik entstammende Einleitungsformel mittelalterlicher Urkunden, die mit meist sehr allgemeinem Inhalt vom Protokoll (Urheber, Empfänger usw.) zum Text (Inhalt) überleitet.
Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957
argentarius (lat.
[M.]) Bankier, → receptum (argentarii)
Ärgere Hand (lat. conditio
[F.] vilior) ist die Kurzfassung des aus dem Grundsatz der Ebenburt (→
Ebenbürtigkeit) an manchen Stellen folgenden mittelalterlichen Rechtssatzes,
dass Kinder aus Ehen von Angehörigen unterschiedlicher Stände dem Stand des
schlechter geborenen Elternteiles angehören. Dieser Grundsatz nimmt vielleicht
seinen Ausgang bei Ehen zwischen Unfreien und Freien. Mit der Durchsetzung der
Gleichheitsidee (1789) verliert er seine Bedeutung.
Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die
Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912; Binder-Krieglstein, R.,
Österreichisches Adelsrecht, 2000
Arglist ist die
hinterhältige Gesinnung. Im klassischen römischen Schuldrecht verletzt jedes
auf A. (lat. dolus [M.] malus) beruhende Verhalten ohne weiteres die
Vertragstreue, so dass die Einrede (lat. [F.] exceptio) der A. auch ohne
besondere Vereinbarung offensteht. In der Neuzeit bewirkt A. bei Täuschung die
Anfechtbarkeit der dadurch beeinflussten Willenserklärung und kann arglistige
Täuschung Strafbarkeit wegen Betrugs nach sich ziehen.
Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49; Braun, F., Ohne
Arglist, ZRG GA 54 (1934), 246; Raschke, M., Der Betrug im Zivilrecht, 1900
Arianer ist der
Angehörige der 325 auf dem Konzil von Nizäa verworfenen Lehre des
alexandrinischen Priesters Arius, nach der Christus Gott nicht wesensgleich
ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind bis ins 6. Jh. A., die Franken
dagegen von Anfang an Athanasianer.
Lit.: Courtois, C., Les Vandales et
L’Afrique, 1955; Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Arier ist der
Angehörige eines arisch (indoiranisch) sprechenden, seit der Mitte des 2. Jt.
v. Chr. geschichtlich nachweisbaren, auf die → Indogermanen
zurückführbaren Volkes. Seit dem 19. Jh. wird zunächst A. mit Indogermane
gleichgesetzt und dann allmählich A. als Angehöriger der nordischen →
Rasse verstanden. Im Dritten Reich bedeutet A. in antijüdischer Verengung den
Nichtjuden.
Lit.: Bajohr, F., „Arisierung“ in
Hamburg, 1997
Arimanne (Heermann,
lat. [M.] exercitalis) ist bei den Langobarden im Frühmittelalter der vollfreie
Krieger, insbesondere möglicherweise der auf Königsland angesiedelte, dem König
verpflichtete Krieger. Unklar sind die Bezüge zu einer vom 10. bis zum 13. Jh.
belegten Abgabe arimannia.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cavanna, A., Fara sala arimannia,
1967; Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und
exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1; Jarnut, J., Prosopographische und
sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Italien, 1972; Strukturen
und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 2000
Arisierung ist im Dritten Reich (Adolf → Hitlers) die überwiegend rechtswidrige Verdrängung der → Juden aus dem Berufsleben und der Wirtschaftstätigkeit des Deutschen Reiches (u. a. Verordnungen vom 26. 4. 1938, 25. 11. 1941), die nach 1945 nur teilweise ausgeglichen wird.
Aristokratie (F.) Adelsherrschaft, Adel (im
Gegensatz zu Monarchie und Demokratie sowie auch zu Oligarchie)
Armenier ist der Angehörige des
armenisch sprechenden, indogermanischen Volkes (10,4 Millionen).
Lit.: Der Genozid an
den Armeniern, hg. v. Kieser, H. u. a., 2006
Armenrecht ist die einstweilige Befreiung einer armen (unbemittelten) Partei von den Kosten eines Rechtsstreits. Sie ist eine besondere Ausprägung der Bevorzugung wegen Armut, wie sie bereits von der mittelalterlichen Kirche gefordert wird. Sie findet sich etwa in der Reichskammergerichtsordnungen von 1471 (§ 7), 1495 (§ 27), 1555 (1, 41) oder in der Constitutio Criminalis Carolina (Art. 47 CCC). In Deutschland wird 1980 das A. durch die → Prozesskostenhilfe (1981 §§ 114ff. ZPO) ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Schott, C., Armenfürsorge,
Bettelwesen und Vagantenbekämpfung in der Reichsabtei Salem, 1978; Mollat du
Jourdin, M., Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und
Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Krauß,
M., Armenwesen und Gesundheitsfürsorge in Mannheim vor der Industrialisierung,
1993; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hippel, W. v., Armut,
Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit, 1995; Eser, S., Verwaltet
und verwahrt, 1996; Hudemann-Simon, C., L’État et les pauvres, 1997; Hartlief,
E., Die Düsseldorfer Armenversorgungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998; Wohlrab,
K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u. a., Geschichte
der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Humborg, M., Das Armenrecht,
Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und Armenpflege in der
Stadt Zwickau, 1999; Jütte, R., Arme, Bettler, Beutelschneider, 2000; Gerhold,
W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002; Armut im
Mittelalter, hg. v. Oexle, O., 2004; Armut und Armenfürsorge in der
italienischen Stadtkultur, hg. v. Helas, P. u. a., 2006; Being poor in modern
Europe, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2006; Norm und Praxis der Armenfürsorge in
Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Schmidt, S. u. a., 2006;
Armenfürsorge und Wohltätigkeit - Ländliche Gesellschaften in Europa 1850-1930,
hg. v. Brandes, I. u. a. , 2008
Armesünder ist
ursprünglich der in der Kirche bemitleidenswerte Sünder (lat. miser peccator),
in der frühen Neuzeit der dem peinlichen Gericht überantwortete Täter,
insbesondere wenn er bereits (zum Tod) verurteilt ist.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936;
Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 2. A. 1950, 163
Arnstein
Lit.:
Heinrich, G., Die Grafen von Arnstein, 1961
Arnulfinger ist der Angehörige der nach Bischof Arnulf von Metz benannten Familie der Pippiniden oder späteren Karolinger. Von den Arnulfingern sind (ab etwa 650) 34 Urkunden und ein Brief überliefert (davon elf Fälschungen oder starke Verfälschungen), zu denen 56 verlorene Urkunden hinzuzrechnen sind (90 Privaturkunden).
Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger,
hg. v. Heidrich, I., 2001, vgl. http://www.igh.histsem.uni-bonn.de
arra (lat. [F.]) Angeld, → arrha
Arras
Lit.: Kéry, L., Die
Errichtung des Bistums Arras 1093/1094, 1994
Arrest ist die Verhaftung (eines Menschen oder einer Sache) oder Beschlagnahme und insbesondere das Eilverfahren des Zivilprozesses zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergeht. Im römischen Recht fehlt eine solche Einrichtung. Die Bezeichnung A. erscheint seit dem Anfang des 13. Jh.s in französischen Quellen und wenig später auch in lateinischen Texten (arrestare, arrestum, Frankfurt am Main 1297, Liber Sextus 1298, Sachsenspiegelvulgatfassung um 1340, wissenschaftlich erörtert von Andreas Gail 1586, David Mevius 1674). Seit dem 17. Jh. verdrängen arrestieren und Arrest allmählich die ältere deutsche Bezeichnung Kummer für ein wohl schon seit dem frühen Mittelalter bekanntes, (nach Hans Planitz aus einem Handhaftverfahren erwachsenes,) seit dem späteren 12. Jh. (Köln 1178, beschleunigtes gerichtliches Verfahren Hagenau 1164) durch Privilegien und Verträge urkundlich bezeugtes Verfahren, bei dem vielleicht anfangs der Personalarrest als außergerichtliche Selbsthilfemaßnahme des Gläubigers im Vordergrund steht, aber schon seit dem 13. Jh. von dem Sacharrest zurückgedrängt wird. Seit dem Ende des 13. Jh.s macht der Gläubiger bei Gericht seinen Anspruch glaubhaft und der Richter ordnet die Anlegung des Arrests (meist bei Gericht) an., wobei erst nach Durchführung eines ordentlichen Verfahrens eine Zwangsvollstreckung erfolgen kann.
Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Briegleb, H., Arrest und Kummer
- Vermischte Abhandlungen I 1868, 1; Wach, A., Der italienische Arrestprozess,
1868, Neudruck 1973; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter,
1879; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen
städtischen Prozess, 1907; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz,
H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses, ZRG GA 34 (1913), 49;
Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur
Geschichte des deutschen Arrestprozesses – Der Fremdenarrest, ZRG GA 39 (1918),
223, 40 (1919), 87; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses,
1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur.
Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996
Arrha (lat. [F.]
arra, arrabon) ist die nach semitischem Vorbild („altorientalischer
Arrhalvertrag“) im hellenistischen Recht bekannte, im entwickelten römischen
Recht entbehrliche Draufgabe (Angeld) bei einem Vertragsschluss. Wer
abredeuntreu wird, verwirkt im spätantiken Recht als Geber die a. an den Gegner
und muss sie als Nehmer in doppelter Höhe zurückgeben. Im Frühmittelalter
(Codex Euricianus 297, Lex Baiwariorum 16, 10, Lex Visigothorum 3, 1, 3-4 [für
Verlobung]) soll mit der Hingabe einer Teilleistung ein Vertrag geschlossen
worden sein, der vielleicht anfangs nur den Empfänger verpflichtet. Vielfach
wird die a. nur als Symbol gegeben, das von den Beteiligten sofort verschenkt
oder vertrunken wird. Seit dem Spätmittelalter verliert die auch als Weinkauf
(Worms 1498), Angeld (ABGB § 908 [1811]) oder Draufgabe (ALR I 5 § 207 [1794],
BGB § 337 [1896/1900]) bezeichnete a. außerhalb des Gesinderechts (Handgeld)
ihre schuldbegründende Bedeutung und nähert sich dem → Reugeld. In jedem
Fall hat die a. eine gewisse Beweisfunktion.
Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91, 127;
Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855;
Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Gastreich, F., Die Draufgabe, 1933;
Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen,
1992
Arrhalvertrag ist
der aus dem Orient in das spätrömische Recht eindringende, unter notwendiger
Verwendung einer → arrha (Hingabe unter Anrechnung auf die Gesamtleistung
oder ohne Anrechnung) entstehende, vom Formalvertrag und vom Realvertrag zu trennende
→ Vertrag.
Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164
Ars (F.) dictandi (lat.)
ist die seit dem 12. Jh. auftretende Bezeichnung für die Lehre vom Abfassen von
Briefen und Urkunden, die auf Grund der antiken Rhetorik und Grammatik am
Anfang des 12. Jh.s in Oberitalien ausgebildet wird ([lat.] Praecepta [N.Pl.]
dictamina 1111?).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über Briefsteller
und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars dictandi, DA
13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979)
Ars (F.) notaria (lat.)
ist die auf Grund antiker Vorläufer am Beginn des 13. Jh.s (ars notaria 1221)
in Oberitalien (Bologna) verselbständigte Lehre von der Beurkundung von Rechtshandlungen
([lat.] Formularium [N.] tabellionum 1200/5, Rainerius Perusinus 1226-1233,
Rolandus Passagerii [Summa Rolandina, 1255ff.]).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di
notariato in Italia, 1926
Artes (F.Pl.) liberales
(lat., Sg. ars liberalis) sind die in der römischen Antike auf der Grundlage
der griechischen Philosophie von Bürgern gepflegten Wissenschaftsfächer
(Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog. Trivium, Arithmetik, Geometrie,
Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die im Mittelalter den Gegenstand
der artistischen Fakultät der Universität bilden (schätzungsweise 200000
Studierende in Deutschland im Mittelalter ohne späteren Übertritt in eine der
drei höheren Fakultäten, 50-70 Prozent ohne Graduierung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien
Künste im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des arts et ses maîtres
aux XIIIe siècle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches
Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen
Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999; Haage,
B./Wegner, W., Deutsche Fachliteratur der artes in Mittelalter und früher
Neuzeit, 2007
Articuli (M.Pl.) reprobati (lat.,
Sg. articulus reprobatus) sind die von Papst Gregor XI. am 8.. 4. 1374 auf
Betreiben des Augustinermönchs Johannes → Klenkok (Dekadikon, Magdeburg
1369) ohne wesentliche Auswirkung für nichtig erklärten 14 Artikel des →
Sachsenspiegels, die kirchliches Verfassungsrecht (Landrecht I 3 § 3, III 57 §
1, III 63 § 2), Verfahrensrecht (Landrecht I 18 §§ 2, 3, I 39, I 63 § 3, I 64,
II 12 § 10) und Privatrecht (Landrecht I 6 § 2, I 37, I 52 §§ 1, 2) betreffen.
Lit.: Köbler, DRG 117; Homeyer, C., Johannes Klenkok wider
den Sachsenspiegel, Abh. d. Ak. d. Wiss. Berlin, phil.-hist. Kl. 1855, 1856,
377; Böhlau, H., Zur Chronologie der Angriffe Klenkoks, ZRG GA 4 (1883), 118;
Brünneck, W. v., Zur Geschichte der articuli reprobati im Ermlande, ZRG GA 31
(1910), 426; Kirche und Staat, hg. v. Eichmann, E., Bd. 2 1914, Neudruck 1968,
159ff.; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, K., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 28; Der Sachsenspiegel als Buch, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Ocker, C., Johannes Klenkok, 1993
articulus (lat.
[M.]) Artikel
Artikel
(M.) Gliedchen, Abschnitt
Artikelbrief ist der in Abschnitte
gegliederte Brief (z. B. Dienstvertrag für Söldner, Kriegsartikel, Zunftbrief,
Forderungen der Bauern 1525).
Lit.: Pelz, S., Die
preußischen und reichsdeutschen Kriegsartikel, Diss. jur. Hamburg 1979;
Seebass, G., Bundesordnung und Verfassungsentwurf, 1988
Artikelprozess ist der im Spätmittelalter entwickelte römisch-kanonische Zivilprozess, bei dem der Kläger nach der Erhebung der Klage und nach Durchführung der Streitbefestigung seinen Vortrag in scharf abgegrenzte Behauptungen einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.] positiones [bzw. articuli]) zerlegen (wahr, dass) und der Beklagte dazu einzeln Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones, glaubt wahr bzw. glaubt nicht wahr) geben muss, so dass sich (aus diesen auch als Artikel bezeichneten Positionen und Responsionen) leicht(er) das Bestrittene und vom Kläger zu Beweisende ermitteln lässt. Der A. wird bereits von der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1496 (Art. 12, ähnlich 1555, 1570) übernommen, wegen seiner Schwerfälligkeit unter dem Einfluss des sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied von 1654 aber bis auf die noch im 19. Jh. erlaubten Beweisartikel wieder aufgegeben (vgl. aber Obliegenheit der Darlegung der Bestrittenheit oder Nichtbestrittenheit von Tatsachen für den Beklagten der Gegenwart).
Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen
Zivilprozesses, 7. A. 1850; Wetzell, G., System des ordentlichen
Zivilprozesses, 3. A. 1878; Budischin, J., Der gelehrte Zivilprozess, 1974;
Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977;
Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Lepsius, S., Von Zweifeln zur
Überzeugung, 2003
Artushof ist das von dem sagenhaften
britischen König Artus (um 500) abgeleitete gesellschaftliche Bürgernetzwerk in
Hansestädten (z. B. Danzig 1350) bzw. das ihm dienende Gebäude.
Lit.: Selzer, S., Artushöfe im Ostseeraum, 1996
Arumaeus (van Arum), Dominikus (Leeuwarden 1579-Jena 24. 2. 1637) wird nach Studien in Franeker, Oxford, Rostock und Jena dort 1600 promoviert und 1602 zum außerordentlichen Professor (1605 ordentlicher Professor) ernannt. Er begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende, methodisch gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechtslehre, innerhalb deren er das Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht.
Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis
Romano-Germanici Imperii, 1630; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes
Limnaeus, 1968; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988; Friedrich, M., Geschichte der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, 1997
Arzt ist der wissenschaftlich
vorgebildete Heilkundige.
Lit.: Niederhellmann,
A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, 1983; Täterschaft,
Strafverfolgung, Schuldentlastung, hg. v. Böhm, B. 2007; Laufs,
A./Katzenmeier, C./Lipp, V., Arztrecht, 6. A. 2009
As (lat. [N.]) ist eine römische Geldeinheit.
Asega ist eine
Figur der (hoch)mittelalterlichen altfriesischen (Hunsigoer, Emsigoer, Fivelgoer,
Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechtsquellen (17 Küren und 24 Landrechte),
deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung
(Gesetzessprecher?, Urteilsfinder?, Rechtskenner) umstritten sind.
Lit.: Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27
(1906), 114; Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago
und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und
Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93
Asien ist der von Europa bis zum
Pazifik reichende, u. A. Indogermanen, Mongolen, Chinesen und Japaner
beherbergende Kontinent.
Lit.: Krieger, M., Geschichte Asiens, 2003
Askanier ist der Angehörige eines ursprünglich alemannisch-fränkischen Geschlechts, das um 1000 am Harz erscheint. Unter Albrecht dem Bären († 1170) betreibt es die Ostsiedlung und erwirbt 1180 das Herzogtum Sachsen (Gebiet um Wittenberg). Die brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die → Wittelsbacher, die wittenbergischen 1422 (mit der 1356 in der Goldenen Bulle gesicherten Kurfürstenwürde) an die → Wettiner und die lauenburgischen 1689 an die → Welfen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E.,
Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von
Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär, 2001
assecuratio (lat.
[F.]) → Versicherung
Assekuranz ist die
wohl im 17. Jh. aus Italien übernommene, im 19. Jh. verdrängte Bezeichnung für
die → Versicherung.
Assessor
ist in der Spätantike der Rechtsberater hoher Amtsträger, seit dem 15. Jh.
(?) der rechtsgelehrte Beisitzer eines Gerichts (z. B. des königlichen Kammergerichts
oder seit 1495 des Reichskammergerichts), seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s
der Anwärter auf eine feste Anstellung im höheren Staatsdienst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
153; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911; Jahns, S., Das
Reichskammergericht und seine Richter, Bd. 1f. 2003ff.; Mader, E., Die letzten
Priester der Gerechtigkeit, 2005
Assise (mlat. [F.]
assisa) ist die Versammlung und die Gesamtheit der dort beschlossenen
Rechtssätze vor allem in Frankreich und England (z. B. Assise regum regni
Sicilie [von Ariano] 1140, Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon
1166 Assize of novel disseisin, Assize of Northampton 1176, Grand Assize 1179,
Assize of Woodstock 1184,). In England entwickelt sich daraus die Laienjury,
die in Frankreich nach 1789 übernommen wird. Demgegenüber sind die Assisen von
Jerusalem private Sammlungen von Abhandlungen über das Recht des Königreichs
Jerusalem und Zyperns in französischer Sprache des 13. Jh.s.
Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, D., The Earliest
Northamptonshire Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Etude critique sur les
livres des Assizes de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und
römisches Recht, 1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser
Friedrichs II., 1975; Jenks, S., Die Assisen von Clarendon (1166) und
Northampton (1176), Ius commune 21 (1994), 149
Asso y del Río, Ignacio
(1742-1804) begründet 1771 mit den (span.) Instituciones (F.Pl.) del derecho
civil de Castilla ein aus partikularer Rechtssatzung schöpfendes, neben das
römische Recht tretendes gemeines spanisches (kastilisches) Privatrecht, das
begrifflich und systematisch noch römischrechtlich geprägt ist.
Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don
Ignacio de Asso y del Río, 1972
Assyrer ist der Angehörige des vom 2. Jahrtausend
v. Chr. an im vorderen Orient bedeutenden, im späten 7. Jh. v. Chr. den Medern
und Persern unterliegenden Volks.
Lit.: Cancik-Kirschbaum, E., Die
Assyrer, 2003
Asyl (N.) unverletzlich(er Ort),
Zuflucht → Asylrecht
Asylrecht ist das Recht der geschützten Zuflucht (politisch) Verfolgter. In griechischer und späterer römischer Zeit besteht das sakral-magisch geprägte Recht, einem Täter an einem heiligen Ort vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von dort im 5. Jh. auf christliche → Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche Einrichtung auch den Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die wohl durch römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt das A. auf noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich wird später die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus, Richterhaus usw. erweitert. Der neuzeitliche Staat schafft das A. bis zum Ende des 18. Jh.s als geordneter Rechtspflege entbehrlich bzw. entgegenstehend ab (Frankreich 1539, England 1625, Österreich 1787). Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten Schutz vor Verfolgung in einem Verfolgerstaat (Art. 16 GG 1949).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259; Bindschedler, R.,
Kirchliches Asylrecht (Immunitas ecclesiarum localis) und Freistätten in der
Schweiz, 1906; Mittermaier, H., Die geschichtliche Entwicklung des Asylrechts,
Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Kimminich,
O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems, H., Zur Entwicklung des
Kirchenasyls, (in) Libertas, 1991, 139; Reiter, H., Politisches Asyl im 19.
Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz, 1995; Gamauf, R., Ad
statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das Asylrecht in Preußen, Diss.
jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen
Mittelalter, 2003; Bammann, K., Im Bannkreis des Heiligen, 2002; Das antike
Asyl, hg. v. Dreher, M., 2003; Derlien, J., Die religiöse und rechtliche
Begründung der Flucht zu sakralen Orten, 2003; Traulsen, C., Das sakrale Asyl
in der alten Welt, 2004
Aszendent (M.)
Verwandter in aufsteigender Linie (z. B. Vater, Großmutter, Urgroßtante),
Gegensatz Deszendent
Athen ist der griechische, seit dem 7. Jh. erkennbare Stadtstaat in Attika, in dem Drakon (624) und Solon (594) gesetzgeberisch tätig werden. 508/507 geht A. zur → Demokratie über. Im 4. Jh. könnte A. rund 30000 erwachsene Bürger gehabt haben. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86 v. Chr. fällt es unter Sulla an die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach dem griechischen Befreiungskampf wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und erhält 1837 eine Universität.
Lit.: Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff.,
Neudruck 1984; Meyer-Laurin, H., Gesetz und Billigkeit im attischen Prozess, 1965;
Wolff, H., „Normenkontrolle“ und Gesetzesbegriff, 1970; Mac Dowell, D., The Law
in Classical Athens, 1978, 4. A. 1995; Bötig,
K., Athen, 3. A. 1981; Rhodes, P., The Athenian Boule, 2. A. 1985; Welwei,
K., Athen, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 2. A. 1994; Die
athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische
Demokratie, 1995; Habicht, C., Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and individual
rights in Athens, ZRG RA 114 (1997), 27; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A.
2006; Lehmann, G., Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen, 1997;
Figueira, T., The Power of Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian Acropolis,
1999; Welwei, K., Das klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in klassischer
Zeit, 1999; Dreyer, B., Untersuchungen zur Geschichte des spätklassischen
Athen, 1999; Knell, H., Athen im 4. Jahrhundert, 2000; Große Prozesse im
antiken Athen, hg. v. Burckhardt, L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000; Law and
Social Status in Classical Athens, hg. v. Hunter, V. u. a., 2000; Cohen, E.,
The Athenian Nation, 2000; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Wilson, P., The
Athenian Institution of the Khoregia, 2002; Tießler-Marenda, E., Einwanderung
und Asyl bei Hugo Grotius, 2002; Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im
klassischen Athen, hg. v. Cohen, D., 2002; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003;
Pabst, A., Die athenische Demokratie, 2003; Schubert, C., Athen und Sparta,
2003; Goette, H./Hammerstaedt, J., Das antike Athen, 2004; Sinn, U., Athen,
2004; Flaig, E., Der verlorene Gründungsmythos der athenischen Demokratie, HZ
279 (2004), 36; Karakostas, I., König Otto, die Otto-Universität von Athen und
ihre juristische Fakultät, 2007
Atlantikcharta ist
die am 14. 8. 1941 von dem amerikanischen Präsidenten Wilson und dem britischen
Premierminister Churchill auf einem Schiff im Atlantik vereinbarte Erklärung
über die Grundsätze der Politik (Verzicht auf Aggression, Entwaffnung von
Aggressionsstaaten, Selbstbestimmungsrecht der Völker, Gleichberechtigung im
Welthandel, Freiheit der Meere), die von den Vereinten Nationen übernommen
wird.
Atomrecht ist die
Gesamtheit der Atome besonders betreffenden Rechtssätze (z. B. Deutschland 1959
Atomgesetz).
Lit.: Winters, K., Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978
Attentat ist der
gewaltsame Angriff Einzelner auf einen Staat aus politischen Gründen.
Lit.: Kellerhoff, S., Attentäter, 2003
Aubry, Charles
(1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in Straßburg zusammen mit Frédéric
Charles Rau die vierte Auflage von Karl-Salomon Zachariäs Handbuch des französischen
Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins Französische und entwickelt hieraus in
der Folge die führende Darstellung des französischen Privatrechts des 19. Jh.s.
Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E.,
Inauguration d’un moment à la mémoire de Aubry et Rau, 1923
Auctor (lat. [M.])
ist im römischen Recht der Vormann eines Gewalthabers einer Sache, auf den sich
dieser berufen kann, wenn ein anderer als Eigentümer von ihm die Sache
verlangt. Scheitert die Verteidigung durch den a., kann der angegriffene Gewalthaber
vom a. den doppelten Kaufpreis verlangen.
Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler,
DRG 24; Köbler, LAW
auctoritas (lat.
[F.]) Ansehen, Zustimmung, (z. B. eines [lat., M.] tutor zu einem Geschäft
eines [lat., M.] pupillus bei Vornahme des Geschäfts)
Auctor (M.) vetus de beneficiis
(lat.) ist das in lateinischer Reimprosa abgefasste Rechtsbuch mit Grundsätzen
des Lehnrechts, das (in wortgetreuer Übersetzung) in der ersten Hälfte des 14.
Jh.s (um 1300?) die Grundlage des mitteldeutschen → Görlitzer Rechtsbuches
bildet. Es ist streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts des Sachsenspiegels
(oder eine im frühen 14. Jh. aus einer deutschen Fassung entstandene
lateinische Übersetzung) darstellt oder auf sie unmittelbar zurückgeht. Alle
Handschriften sind verschollen. Die Überlieferung besteht in Drucken von 1569
(Havichorst), 1692 (Auszüge, Freher) und 1708 (Thomasius). Möglicherweise
enthält der A. v. ursprünglich auch Landrecht in lateinischer Fassung. Der A.
v. kennt ein Volljährigkeitsalter von 24 Jahren (I 65), während der
Sachsenspiegel im Landrecht eine Volljährigkeit von 21 Jahren aufweist (I 42 §
1). Ihm fehlen Sätze späterer Ergänzungen des Sachsenspiegels in jüngeren
Bearbeitungsstufen.
Lit.: Köbler, DRG 103; Moeller, R., Noch einmal der Vetus
auctor de beneficiis und der Sachsenspiegel, ZRG GA 38 (1917), 309; Eckhardt,
K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4; Auctor vetus
de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 27; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter
zur Neuzeit, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1 1998
Audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere Seite muss (gerechterweise stets) gehört
werden (vorrömisch, belegt 1580).
Lit.: Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs,
1976; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Coenraad, L., Het
beginsel van hoor en wederhoor in het Romeinse procesrecht, 2000; Zur Erhaltung
guter Ordnung, hg. v. Hausmann, J. u. a., 2000
Auditor (M.) Zuhörer, Hörer
Lit.: Hülle, W., Das
Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971
Aufgebot ist allgemein die öffentliche Aufforderung zu einem Verhalten (z. B. A. zum Heeresdienst), insbesondere die (mehrfache) öffentliche, vielfach gerichtliche Aufforderung an unbekannte oder an unbekanntem Ort weilende Beteiligte, zwecks Verhinderung eines Rechtsverlusts vor einer beabsichtigten Änderung der Rechtslage Tatsachen anzugeben oder Rechte geltend zu machen. Ähnliche Vorgangsweisen erscheinen bereits in fränkischer Zeit (z. B. bei Vollstreckung in Grundstücke). Im Mittelalter finden sie vermehrt Anwendung (z. B. bei Aneignung gefundener beweglicher Sachen oder bei der Suche nach unbekannten Erben). Ein A. vor einer Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte Laterankonzil 1215. Mit der Rezeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt sich die → Ediktalzitation, bei der jemand binnen einer Frist Klage zu erheben hat, wenn er sein Recht nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird das A. in der preußischen → Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der deutschen Zivilprozessordnung (1877/1879). Das A. vor einer weltlichen Eheschließung wird in Deutschland und Österreich am Ende des 20. Jh.s beseitigt bzw. eingeschränkt.
Lit.: Haase, E., Über Ediktalladungen und Ediktalprozess,
1871; Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII
Aufklärung ist
allgemein die Aufhellung eines dunkleren Zustands. Unter Bezugnahme auf einen
auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten
Erkenntnisvorgang durch selbständiges unvoreingenommenes Denken wird die
gesellschaftskritische Geistesbewegung des 17./18. Jh.s A. genannt (frühe
Anfänge im letzten Drittel des 17. Jh.s). Vorbereitend hierfür wirken
Renaissance, Humanismus und Reformation. Als Denkverfahren werden →
Empirismus und → Rationalismus verwendet. Bewusst wird die Einbeziehung
immer breiterer Kreise (des Publikums) gesucht. Im Recht entspricht dem
Gedankengang der A. die Anerkennung eines weltlichen → Naturrechts (→
Vernunftrechts), das in die Kodifikationen des → Allgemeinen Landrechts
Preußens (1794), des → Code civil Frankreichs (1804) und des →
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (1811/
1812) Eingang findet,
und die Ablehnung von Folter, Hexenprozess, Leibesstrafen einerseits und das
Verlangen nach Gewaltenteilung, Teilhabe an der Macht, Grundrechten, Verfassung
und Volkssouveränität andererseits. In der Verwaltung entsteht aus der A. die
Funktionalität anstrebende Kameralwissenschaft. In der Wirtschaft geht es in
der A. um größtmöglichen Wohlstand. Politisch führt die A. zum aufgeklärten →
Absolutismus (Friedrich der Große in Preußen, Joseph II. in Österreich,
Großherzog Leopold in Toskana) bzw. zur Revolution in Frankreich vom 14. 7.
1789. Die vollständige Umsetzung aller Ziele in politische Handlung gelingt
nicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161, 206;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Valjavec, F., Geschichte der
abendländischen Aufklärung, 1961; Schulze, R., Policey und Gesetzgebungslehre
im 18. Jahrhundert, 1982; Bosshard, H., Pestalozzis Staats- und
Rechtsverständnis und seine Stellung in der Aufklärung, 1983; Aufklärung, hg.
v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der
Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Aufklärung und
Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Im Hof, U., Das Europa der
Aufklärung, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der
Naturrechtslehre, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995; Vierhaus,
R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v.
Hammerstein, N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997;
Aufklärung-Vormärz-Revolution, hg. v. Reinalter, H., 1997; Der Illuminatenorden
(1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M., Aufklärung und
Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The Enlightenment and the
Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v. Williams, D., 1999;
Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Aufklärung –
Vormärz – Revolution, hg. v. Reinalter, H., 2000; Böning, H./Siegert, R.,
Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001; Lexikon der
Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001; The Enlightenment in Europe, hg. v.
Schneiders, W., 2003; Bürgerliche Freiheit und christliche Verantwortung, hg.
v. De Wall, H., 2003; Les Lumières et leur combat, hg. v. Mondot, J., 2004;
Borgstedt, A., Das Zeitalter der Aufklärung, 2004; Goldenbaum, U., Appell an
das Publikum, 2004; Asbach, O., Staat und Politik zwischen Absolutismus und
Aufklärung, 2005; Fichte und die Aufklärung, hg. v. De Pascale, C., 2005;
Körber, E., Die Zeit der Aufklärung, 2006; Israel, J., Enlightenment Contested,
2006
Auflassung ist die
Öffnung eines Grundstücks für einen Erwerber. Sie erfolgt zunächst durch
tatsächliches, möglicherweise rechtsförmliches Eröffnen des Grundstücks, später
durch eine Erklärung vielleicht unter notwendiger Wahrung bestimmter Formen
(außerhalb des Grundstücks, wissenschaftlich als zweiter Teil der Investitur
eingeordnet, Besitzaufgabe). Seit dem 13. Jh. wird A. zur Bezeichnung für die
Grundstücksübereignung insgesamt. Häufig erfolgt sie gerichtlich. Während der
Aufnahme des römischen Rechts in der frühen Neuzeit wird die A. zurückgedrängt.
Im 19. Jh. dringt sie wieder vor. Im deutschen bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
ist sie die Bezeichnung für den von Savigny (1779-1861) entwickelten
dinglichen Vertrag über den Eigentumsübergang an Grundstücken, zu dem die
Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch hinzukommen muss, wobei die
gesamte Übereignung bei Fehlen eines Grundgeschäfts als ungerechtfertigte Bereicherung
rückgängig gemacht werden kann.
Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2; Stobbe,
O., Die Auflassung des deutschen Rechts, Jh. Jb. 22 (1873), 137; Lehmann, K.,
Die altnordische (altnorwegisch-altisländische) Auflassung, ZRG GA 5 (1884),
84; Lehmann, K., Zur nordgermanischen Auflassung, ZRG GA 11 (1890), 255;
Schmidt, W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932; Voser, P.,
Die altdeutsche Leigenschaftsübereigung, 1952; Köbler, G., Verzicht und
Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung,
1984; Steppan, M., Das bäuerliche Recht an der Liegenschaft, 1995; Wieling, H.,
Wie Kaiser Konstantin die germanische Auflassung erfand, ZRG GA 124 (2007), 287
Aufnehmen des
Kindes (in die Familie) ist der in frühmittelalterlichen Volksrechten erkennbare,
nach der Geburt vielleicht notwendige förmliche Rechtsakt, durch den ein
neugeborenes Kind Mitglied der Rechtsgemeinschaft wird und deshalb danach
nicht mehr ausgesetzt werden kann. Unter dem Einfluss des Christentums
verschwindet dieses besondere A.
Lit.: Hübner 52f., 699; Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA
31 (1910), 131
Aufopferung ist die
Beseitigung eines einzelnen Rechtes zugunsten der Allgemeinheit oder eines
begünstigten Dritten, für die seit der Aufklärung Ersatz zu leisten ist (vgl. §
75 Einl. ALR).
Lit.: Köbler, DRG 259; Niesler, A., Aufopferung und
Enteignung vom ALR bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.
Aufrechnung ist die
schon der römischen klassischen Jurisprudenz als prozessual geltend zu machende
(lat. [F.]) → compensatio bekannte, wechselseitige Tilgung zweier sich
gegenüberstehender gleichartiger Forderungen durch Verrechnung (Verurteilung
nur auf einen vorhandenen Überschuss bzw. [lat.] exceptio [F.] doli zur
Überprüfung der Gegenforderung). Das ältere deutsche Recht kennt anscheinend
einen besonderen Aufrechnungsvertrag. Eine A. durch einseitige Erklärung
entsteht wohl unter römischrechtlichem Einfluss im Spätmittelalter. Später
genügt auf Grund eines Ansatzes des Glossators Martinus eine bloße Aufrechnungslage
für das Erlöschen der gegenüberstehenden Ansprüche (ALR I 16 § 301, Cc 1290,
ABGB § 1348). Seit dem späteren 19. Jh. wird die A. als einseitiges Rechtsgeschäft
eingeordnet und wieder eine Aufrechnungserklärung verlangt.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H.,
Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz,
O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielemeier, K., Das
Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Halbwachs, V., Ipso iure compensatur, hg.
v. Thier, A. u. a., 1999; Pichonnaz, P., La compensation, 2001
Auftrag ist im
römischen Recht die als (lat. [N.]) → mandatum bezeichnete Übernahme der
unentgeltlichen Besorgung eines fremden Geschäfts (eines Auftraggebers oder Mandanten
durch einen Auftragnehmer oder Mandatar), die wohl auf sittliche Pflichten zum
Tätigwerden für einen Nachbarn zurückgeht, wobei diesem A. mangels der
Möglichkeit unmittelbarer Stellvertretung keine Vollmacht entspricht (höchstpersönlicher
Konsensualkontrakt). Im deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere
Rolle gespielt zu haben. Nach der Rezeption des römischrechtlichen Mandats
wird am Ende des 19. Jh.s zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als
Rechtsmacht gegenüber Dritten (Außenverhältnis) unterschieden (§ 788 SächsBGB
1863, § 662 BGB 1896).
Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner; Kroeschell,
DRG 3; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969;
Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag,
Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen
Gesetzbuches, Diss. jur. Bielefeld 1987; Grau, U., Historische Entwicklung und
Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004
Aufwertung ist die
Erhöhung eines Wechselkurses einer Währung im Verhältnis zum Goldwert oder zu
anderen Währungen. Daneben wird auch die Erhöhung des Nennbetrages einer
Geldschuld, die in Einheiten einer entwerteten Währung ausgedrückt ist,
entsprechend der Kaufkraft bei der Begründung des Schuldverhältnisses als A.
bezeichnet (z. B. Aufwertungsentscheidung des Reichsgerichts vom 28. 11.
1923, 3. Steuernotverordnung vom Februar 1924 auf Grund der Inflation,
Aufwertungsgesetz vom Juli 1925) im Deutschen Reich.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 50; Mügel, O., Die Entwicklung
der Aufwertungslehre des Reichsgerichts, DJZ 1928, 29ff.; Klemmer, M.,
Gesetzesbindung und Richterfreiheit in den Entscheidungen des Reichsgerichts
in Zivilsachen, 1996; Scholz, R., Analyse der Entstehungsbedingungen der
reichsgerichtlichen Aufwertungsrechtsprechung, 2001; Chlosta, C., Nur dem
Gesetz unterworfen?, 2005
Aufzeichnung ist die Umwandlung von Gedachtem
oder Gesprochenem in Schrift oder andere weniger schnell vergängliche Mittel. → Schriftlichkeit
Auge ist das dem Sehen dienende
Sinnesorgan von Tieren und Menschen, das auch als Zeichen der alles sehenden
Gerechtigkeit verwendet werden kann.
Lit.:
Deonna, W., Le symbolisme de l’oeil, 1965; Jaeger, W., Augenvotive, 1979;
Schleusener-Eichholz, G., Das Auge im Mittelalter, 1980; Geissmar, C., Das Auge
Gottes, 1993; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004
Augenschein ist die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Der A. ist als Beweismittel bereits dem römischen Prozessrecht bekannt und findet auch im mittelalterlichen deutschen Prozess (insbesondere im Inquisitionsprozess) Verwendung (mhd. blickender schin, lat. evidentia ocularis). Seit dem 17. Jh. wird der A. wissenschaftlich erörtert.
Lit.: Kaser § 84; Hänel, A., Das Beweissystem des
Sachsenspiegels, 1858; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 2 1879; Holdefleiß, E., Der Augenscheinbeweis im
mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933
Auge um Auge, Zahn um
Zahn.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837)
Augen auf, Kauf ist Kauf ist wohl ein erst im 19. Jh. geschaffenes
Rechtssprichwort, das der Begründung des Ausschlusses der Sachmangelhaftung im
deutschen Recht dient.
Lit.: Vgl. Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 2002, 38f.
Augsburg geht auf
den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach gegründeten Vorort
Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück (um 121 n. Chr. [lat.
N.] municipium). Vielleicht ist es seit dem 4. Jh. (oder 5. Jh.) trotz
Zerstörung durch Germanen (5. Jh. Alemannen) Sitz eines seit dem 7. Jh. bzw.
738 nachweisbaren Bischofs. 1156 grenzt eine Urkunde Kaiser Friedrichs I.
Barbarossa die Rechte des Bischofs und die Rechte der Bürger voneinander ab.
1167/1168 lässt sich der Kaiser die Hochstiftsvogtei und die
Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei an das Reich. 1276
zeichnet die Stadt ein eigenes, vom König bestätigtes Stadtrecht in
mittelhochdeutscher Sprache auf. Zu dieser Zeit entsteht wohl in A. eine
mittelhochdeutsche Fassung des Sachsenspiegels, die zu Deutschenspiegel und
sog. Schwabenspiegel weiterbearbeitet wird. 1294 erhält A. ein
Nichtevokationsprivileg König Adolfs von Nassau. An der Wende des Mittelalters
zu Neuzeit wirkt von A. aus die Kaufmannsfamilie Fugger. 1555 wird in A. der
Augsburger Religionsfriede geschlossen. Bis 1805 bleibt das zu einem
europäischen Handelsmittelpunkt aufsteigende A. danach Reichsstadt, bis es am
26. 12. 1805 durch den Vertrag von Pressburg
an Bayern fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Stadtbuch von
Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1872; Urkundenbuch der Stadt Augsburg, hg. v.
Meyer, C., 1874ff.; Berner, E., Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Augsburg,
1876; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Wolff, A.,
Gerichtsverfassung und Prozess im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit,
Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129; Steiger, H.,
Geschichte der Stadt Augsburg, 1941; Augusta 955-1955, 1955; Liedl, E.,
Gerichtsverfassung und Zivilprozess der freien Reichsstadt Augsburg, 1958;
Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969; Zorn, W.,
Augsburg, 2. A. 1972, 4. A. 2001; Schröder, D., Stadt Augsburg 1975; Geschichte
der Stadt Augsburg, hg. v. Gottlieb, G., 2. A. 1985; Fassl, P., Konfession,
Wirtschaft und Politik, 1988; Roeck, P., Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989;
Dietrich, R., Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat, 1993; Hecker,
H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg, ZRG GA 113 (1996), 391; Augsburger
Buchdruck und Verlagswesen, hg. v. Gier, H. u. a., 1997; Künast, H., Getruckt
zu Augspurg, 1997; Müller, F., Bürgerliche Herrschaft in Augsburg, 1998;
Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2001; Roeck,
B., Geschichte Augsburgs, 2005
Augsburger Konfession
(Bekenntnis) ist die von Philipp Melanchthon für den Reichstag zu Augsburg
verfasste, am 25. 6. 1530 verlesene Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche
mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln (im Gegensatz zum Helvetischen Bekenntnis).
Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der Augustana, Z.
f. systemat. Theologie 15 (1938), 419
Augsburger Religionsfriede ist der im Reichsabschied des Heiligen römischen Reiches
(deutscher Nation) vom 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I. (für Karl V.)
und den deutschen Reichsständen in Bezug auf die Religion nach dem Stand vom 2.
8. 1552 geschlossene Friede, der die freie Religionsausübung für Katholiken
und Lutheraner gewährleistet. Er sichert den Reichsständen (nicht aber ihren
Untertanen) die Freiheit der Bekenntniswahl zu ([lat.] → cuius regio,
eius religio). Gibt ein geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben auf,
verliert er Gebiet und Kirchenamt ([lat.] → reservatum [N.]
ecclesiasticum). Das Auswanderungsrecht von Untertanen bereitet die
Religionsfreiheit vor. Der lückenhafte, widersprüchliche und auch mehrdeutige
A. R. kann weder die geistliche Einheit herstellen noch den Frieden dauerhaft
sichern, bildet aber die Grundlage des paritätischen Reichskirchenrechts bis
1806.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K., Der
Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger
Religionsfriede, 1955; Walder, E., Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts, 3.
A. 1974; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammergericht
1550-1600, 1976; Heckel, M., Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 2. A.
2001; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfrieden, 2004; Heckel, M.,
Konfessionalisierung in Koexistenznöten, HZ 280 (2005), 647; Heckel, M.,
Politischer Friede, HZ 282 (2006), 391
Augsburger Vertrag
(Augsburger Transaktion) → Niederlande
Augustiner ist der
Anhänger des nach der im 8. Jh. entstandenen sog. Regel Augustins (354-430)
lebenden kirchlichen Ordens. Zu den Augustinern gehören die Augustiner-Eremiten
(Orden zwischen 1244 und 1256), während Augustinerchorherren (11. Jh.),
Prämonstratenser und Dominikaner nur auch nach der Regel Augustins leben.
Lit.: Verheijen, L., La règle de St. Augustin, 1967; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Gutiérrez,
D. u. a., Geschichte des Augustinerordens, 1975ff.; Cremona, C., Augustinus, 2.
A. 1995; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003
Augustinus (354-430)
Lit.: Fuhrer, T., Augustinus, 2004;
Augustin Handbuch, hg. v. Drecoll, V., 2007
Augustus (Rom 23. 9. 63 v. Chr.–Nola bei Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer Nichte Caesars, 44 n. Chr.
Adoptivsohn Caesars (ursprünglich Gaius Octavius, seit Adoption Gaius Iulius
Caesar, Ehrenname griech. sebastos, lat. augustus, Erhabener) verfolgt die
Mörder Caesars und wird 36 v. Chr. Herrscher im westlichen und 30 v. Chr.
Herrscher auch im östlichen Teil des römischen Reiches. Äußerlich stellt er
die republikanischen Zustände wieder her. Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.)
mit seinem Prinzipat den Übergang zum Kaisertum ein. Seine Herrschaft wird als
(lat.) pax (F.) Augusta (augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe
erlässt er gesetzliche Gebote und Verbote.
Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982, 3. A. 1999; Eck, W.,
Augustus und seine Zeit, 1998; Bleicken, J., Augustus, 1998; Bringmann,
K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, 2002;
Schlange-Schöningen, H., Augustus, 2005; Bringmann, K., Augustus, 2007
Auktion ist die
schon der Antike bekannte, dort rechtlich nicht besonders beachtete Veräußerung
einer (beweglichen) Sache an den Meistbietenden durch öffentlichen Aufruf. Sie
erhält sich in der Form der Vergabe von Steuern, Ämtern und Nutzungen an den
Meistbietenden in den romanischen Ländern. Im 13. Jh. dringt die A. gepfändeter
Güter eines nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein. Daneben findet
sich seit dem 14. Jh. die A. von Waren durch Großhändler, seit der Mitte des
17. Jh.s die A. fremdländischer Waren durch Kolonialgesellschaften. Wegen der
damit möglichen Missstände entstehen Ordnungsvorschriften, die mit Einführung
der Gewerbefreiheit im 19. Jh. wieder aufgegeben werden. Wegen der damit wieder
möglichen Missstände greift der Gesetzeber seit 1883 wieder ein (in Deutschland
u. a. 1960 § 34b GewO).
Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900;
Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960; Thielmann, G., Die
römische Privatauktion, 1961; Marx, H./Arens, H., Der Auktionator, 1992;
Schneider, A., Auktionsrecht, 1999; Spindler, G./Wiebe, A., Internet-Auktion,
2001
Aurich
Lit.: Conring, W., Die
Stadt- und Gerichtsverfassung der ostfriesischen Residenzstadt Aurich, Diss.
jur. Göttingen 1965
Ausbildung
Lit.: Elementarbildung
und Berufsbildung zwischen 1450 und 1750, hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005
Ausbildungsförderung ist die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung durch Geldleistungen seitens der Allgemeinheit. Sie ist eine Folge des Sozialstaatsgrundsatzes. Sie ist auf Herstellung der Chancengleichheit im Ausbildungsbereich gerichtet (in Deutschland 1957-1971 Honnefer Modell, 1971ff. Bundesausbildungsförderungsgesetz).
Lit.: Köbler, DRG 261
Ausbluten(lassen)
Lit.: Rau, K.,
Augsburger Kinderhexenprozesse, Diss. jur. Zürich 2003
Ausbürger ist der außerhalb der → Stadt lebende → Bürger.
Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger,
1973
Auschwitz ist der Ort eines
Konzentrationslagers des Dritten Reichs. Ab 1963 werden in der Bundesrepublik
Deutschland Strafverfahren wegen dort verübter Verbrechen durchgeführt. Dabei
werden 22 Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt, 3 freigesprochen.
Lit.: Langbein, H., Der
Auschwitzprozess, 1995; Werle, G./Wandres, T., Auschwitz vor Gericht, 1995
Ausdärmen ist das gelegentlich
angedrohte, kaum tatsächlich ausgeführte Töten eines Menschen durch
Herausziehen des Darmes aus dem Körper als Strafe.
Lit.: His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920ff.; Rehfeldt, B., Todesstrafen und
Bekehrungsgeschichte, 1942
Ausgleich ist die 1867 unter maßgeblicher Beteiligung Franz Deáks (Söjtör 17. 10. 1803-Budapest 28. 1. 1876) für die Selbständigkeitsbestrebungen → Ungarns innerhalb der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gefundene Lösung (ungarischer Gesetzesartikel XII:1867, österreichisches Delegationsgesetz vom 21. 12. 1867, RGBl. 1867, 146, betreffend die allen Ländern der österreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung, Umwandlung des Kaisertums Österreich in die österreichisch-ungarische Monarchie). Auf der Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit Ungarns und der ungarischen Anerkennung der → Pragmatischen Sanktion (1723) wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen Ländern der Herrscher, die auswärtigen Angelegenheiten, die Armee und das Finanzwesen (mit gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen Ministerium gemeinsam sein sollen (gemeinsame pragmatische Angelegenheiten und dualistische Angelegenheiten, Trennung in kaiserlich und königliche k. u. k., kaiserlich-königliche k. k. und königlich ungarische k. ung. Organe). Das daraus erwachsende staatsrechtliche Verhältnis zu → Österreich wird teils als Gesamtreich oder Personalunion, teils als Realunion erklärt. 1918 wird Ungarn souverän.
Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der
österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, 1967; Olechowski-Hrdlicka, K.,
Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001
Aushebung (F.) Auswahl von Soldaten bei
Wehrpflicht
Lit.: Schulze, W.,
Landesdefension und Staatsbildung, 1973
ausheischen (V.) herausverlangen, verlangen,
dass ein Streit von einem Gericht vor einem Oberhof (z. B. Ingelheim) zur
Sprache gebracht wird
Lit.: Gudian, G.,
Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Weitzel, J., Der Kampf um die
Appellation an das Reichskammergericht, 1976
Ausländer ist der aus einem anderen Land kommende und deswegen einem anderen Land angehörige → Fremde. Der A. erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder im 13. Jh. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A. (18. 4. 1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen Gemeinschaften).
Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G.,
Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in
Deutschland, 2001
Auslegung ist die
Ermittlung und Klarlegung des Bedeutungsgehaltes eines Umstandes, insbesondere
einer Erklärung. Sie ist bereits Bestandteil der römischen Rechtswissenschaft,
die das Zwölftafelgesetz ebenso auslegt wie einzelne Verträge oder Erklärungen.
Justininian verbietet 529/530/533 die A. seiner Kompilation (Const. 1, 14, 12,
Deo auctore 12, Const. Tanta 21). Nach der vorkritischen Hermeneutik der
Aufklärung und des Vernunftsrechts ist Verstehen die Regel und Missverstehen
die Ausnahme, weswegen die A. klarer und eindeutiger Rechtssätze ausgeschlossen
ist. Zulässig ist vor allem die erklärende Auslegung, während ausdehnende und
einschränkende A. ausgeschlossen sein können (z. B. Forster, V., Interpres,
1613, 2, 4). In der Neuzeit, vor allem seit dem 18. Jh. erscheinen vermehrt
Verbote der A. (Stadtrechtsreformation Nürnberg 1479/1484, Landrechtsreformation
Bayern 1518, Papst Pius IV. Benedictus Deus 1654, Ordonnance Frankreichs 1667,
Preußen 1746, 1794, ähnlich Österreich Codex Theresianus 1758 fertiggestellter
Teil, Frankreich Gesetze von 1790/1793). Nach der modernen Hermeneutik ist
Missverstehen die Regel, so dass auch scheinbar klare und eindeutige
Rechtssätze der A. bedürfen. In seinen methodologischen Darlegungen
unterscheidet am Beginn des 19. Jh.s Savigny vier Arten von A. (grammatisch,
historisch, systematisch und teleologisch).
Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Müller, H., Zur Geschichte der
bindenden Gesetzesauslegung, 1939; Schumacher, D., Das rheinische Recht in der
Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Conrad, H., Richter und Gesetz,
1971; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005; Schott, C.,
Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Hübner, H., Kodifikation und
Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Schröder, J., Gesetzesauslegung und
Gesetzesumgehung, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?,
1986, Neudruck 2007; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über juristische
Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C., Regelhafte
Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts
und des Reichsgerichts zur Auslegung von Rechtsgeschäften, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 625; Miersch, M., Der sog. référé
législatif, 2000; Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf
dem Kontinent, 2001; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Haspl, R.,
Die Kontrolle der tatrichterlichen Auslegung von individuellen
Willenserklärungen durch die Rechtsmittelinstanz, 2008; Baldus, C., Historische
Auslegung in Rom?, Seminarium Complutense 20/21 (2007/2008), 85
Auslieferung ist die Beförderung von Sachen
oder Menschen von einem Ort an einen anderen Ort oder die Überlassung an
andere, meist gefährlichere Gegebenheiten. Das römische Recht kennt die A. von
Tieren oder Sklaven in der Form der Preisgabe zwecks Haftungsfreiheit des
Berechtigten oder Herren ([lat.] noxae datio [F.]). In der Neuzeit ist vor
allem die A. eines Straftäters von einem Staat an einen anderen Staat zwecks
Strafverfolgung oder Strafvollzug bedeutsam.
Lit,: His, R., Das
Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1920
Auslobung ist das durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende (seit dem 18. Jh.) einseitige Versprechen einer Belohnung für die Vornahme einer Handlung, das im 18. Jh. so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als Angebot an unbestimmte Personen angesehen.
Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslobung,
Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Ausmärker ist der
außerhalb einer → Mark Wohnende, der nur ausnahmsweise an einer Mark
berechtigt ist. Seit dem Spätmittelalter wird eine Verfügung über Allmendrechte
ohne Zustimmung der anderen Berechtigten möglich. Dadurch wird die Allmendberechtigung
verkehrsfähig.
Lit.: Hübner 137f.; Maurer, G. v., Geschichte der
Markenverfassung in Deutschland, 1856; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf,
1957ff.
Ausnahmegericht
ist das besonders gebildete und zur Entscheidung besonderer Fälle bestimmte Gericht.
Es findet sich beispielsweise als Star Chamber oder Court of High Commission
in England, als Justizkommission im Absolutismus in Frankreich oder als
Zentraluntersuchungskommission im Deutschen Bund. Ausgehend von England (Bill
of Rights 1689) wird das A. in den Verfassungen verboten (Frankreich 1791,
Deutsches Reich 1849).
Lit.: Pollard, A.,
Council, Star Chamber and Privy Council under the Tudors, EHR 37 (1922), 516;
Menzel, W., Ausnahmegericht und gesetzlicher Richter, 1925; Schmidt, J., Rechtssprüche
und Machtsprüche der preußischen Könige des 18. Jahrhunderts, 1943; Andrieux,
C., Les Commissions Extraordinaires, 1955 (Diss. Paris); Seif, U., Recht und
Justizhoheit, 2003
Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jh.s als solcher erkannte Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage, in der grundsätzlich die Regel gilt Not kennt kein Gebot. Nach rechtsstaatlichem Verständnis bedarf auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung (z. B. Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. 6. 1851 Preußen, Reichstagsbrandverordnung vom 28. 2. 1933 Deutsches Reich, Art. 87a, 91, 115aff. GG). Im Zweifel entscheidet der souveräne Staat über das anzuwendende Mittel.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343;
Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Boldt, H., Rechtsstaat und
Ausnahmezustand, 1967; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Heidelberg,
1997
Außenerbe (lat.
heres [M.] extraneus) ist im altrömischen Recht der bei Fehlen von Hauserben
(lat. sui heredes [M.Pl.]) eintretende Erbe (Agnat, Gentile, Patron, beliebiger
Hausfremder), der die Vermögensrechte durch eine besondere Handlung ergreifen
muss.
Lit.: Kaser § 65
Ausschlagung ist
die bereits dem römischen Recht bekannte Willenserklärung des vorläufigen
Erben, die Erbschaft nicht anzunehmen (lat. repudiare).
Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Ausschuss ist allgemein das aus einer
Gesamtheit Ausgesonderte wie z. B. eine Untergliederung einer Einrichtung zur
einfacheren Erfüllung einer Aufgabe (z. B. Untersuchungsausschuss).
Lit.: Schmitt, C.,
Verfassungslehre 1928; Schönberger, C., Parlament im Anstaltsstaat, 1997
Außenminister - > Minister
Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt
in wilhelminischer Zeit, 2001
Außerstreitverfahren →
freiwillige Gerichtsbarkeit
Aussetzung ist die
bewusste Verbringung einer Person in eine Lage, in der ihr eine besondere
Gefahr für das Leben droht. Nach dem römischen Zwölftafelgesetz ist die A. einer
Missgeburt geboten, nach späterem römischem Recht und nach einzelnen
frühmittelalterlichen Volksrechten ist die A. eines neugeborenen Kindes
anscheinend erlaubt, doch lehnt die christliche Kirche die A. ab. Ob es A. als
Strafe gegeben hat, ist streitig. Im Übrigen ist A. eine Straftat.
Lit.: Kaser § 60; Hübner 52; Amira, K. v., Die germanischen
Todesstrafen, 1922; Schwarz, H., Der Schutz des Kindes im Recht des frühen
Mittelalters, 1993
Aussperrung ist die
von Arbeitgeberseite seit dem 19. Jh. unter Verweigerung der Lohnzahlung
planmäßig vorgenommene Nichtzulassung einer Gruppe von Arbeitnehmern zur
Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des Arbeitskampfes. Ihre Zulässigkeit ist
nicht unbestritten.
Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H.,
1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss.
phil. Bochum 1972
Ausstattung ist die
über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgehende, mit Rücksicht auf die
Verheiratung oder die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung erfolgende
Zuwendung der Eltern an ein Kind. Sie geschieht im Wesentlichen als → Abschichtung
bei Verheiratung oder sonstiger Verselbständigung. Einen eindeutigen Rechtsanspruch
auf A. gewähren das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.)
und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 1220, 1231).
Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und
ihren Kindern, 2000
Ausstäupen ist das
mittels Rute, Stock oder Peitsche erfolgende Schlagen (an einem Pfahl
[Staupe]?). Es findet sich als Rechtsfolge einer Tat früh für Unfreie, seit dem
Hochmittelalter als Strafe des Diebstahls von geringerem Wert. Die Aufklärung
erreicht bis 1848 die Beseitigung des Ausstäupens.
Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938
Aussteuer ist die
in weitem Umfang übliche Zuwendung der zur angemessenen Einrichtung eines
Haushaltes gehörenden Gegenstände (an eine Tochter durch die Eltern oder
näheren Verwandten), die auch als Heimsteuer, Brautschatz und Mitgift
bezeichnet werden kann. Sie ist wohl nur ausnahmsweise rechtlich notwendig (z.
B. § 1220 ABGB, §§ 1620ff. BGB [1957 aufgehoben], nicht II 2 §§ 231ff. ALR). In
der Gegenwart wird die A. vor allem durch die Gewährung einer Ausbildung
verdrängt.
Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern,
1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern,
2000
Austin, John
(1790-1859), von 1826 bis 1832 Professor in London, ist als Begründer der
englischen analytischen Jurisprudenz (Recht als eine Form des Befehls) einer
der bedeutendsten englischen Rechtstheoretiker (The Province of Jurisprudence,
1832).
Lit.: Löwenhaupt, W., Politischer Utilitarismus und
bürgerliches Rechtsdenken, 1972; Morison, W., John Austin, 1982
Austrägalinstanz (Austrägal
latinisiert aus Austrag) ist seit dem 13./14.
Jh. ein zunächst einzeln vereinbartes, und durch die Reichskammergerichtsordnung
von 1495 für Gefürstete, seit 1521 auch für den übrigen reichsunmittelbaren
Adel anerkanntes Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Reichsfürsten.
Gegen die Entscheidungen der bis 1806 bestehenden A. ist die Appellation an das
→ Reichskammergericht zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI der
Deutschen Bundesakte bzw. Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine A.
für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw. Streitsachen
der Bundesglieder. Für die Vollstreckung der Urteile dieser 1866 endenden A.
ist die Bundesversammlung zuständig. Vergleichbare Einrichtungen im Deutschen
Reich (1871-1918) und in Österreich (bis 1918) sind von geringer Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das Austrägalverfahren
des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff.; Stein, A., Die Austragsgerichtsbarkeit
des deutschen Bundes, 1950; Frühauf, G., Die Austrägalgerichtsbarkeit im
Deutschen Reich und im Deutschen Bund, Diss. jur. Mainz 1976; Meurer, N., Die
Entwicklung der Austrägalgerichtsbarkeit bis zur Reichskammergerichtsordnung
von 1495, (in) Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005
Austrasien ist
zeitweise ein besonderer (östlicher) Teil des fränkischen Reichs.
Lit.: Parisse, M., Austrasie, Lotharingie,
Lorraine, 1990
Austria ist die am
Ende des Frühmittelalters in Parallele zu → Austrien erscheinende
Bezeichnung für ein Gebiet im Osten (des fränkischen oder deutschen Reiches z.
B. 996 → ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich → Österreich
entwickelt).
Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U., Regnum
Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78
Austrien ist vom 6.
bis 8. Jh. eine Bezeichnung für östliche Teile des Reiches der Franken.
Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; Parisse,
M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990
Austrofaschismus ist eine Bezeichnung für das Herrschaftssystem
Österreichs zwischen 1933/1934 und 1938.
Auswanderung ist das Verlassen eines Landes auf Dauer (durch einen Freien). 1555 erlaubt der → Augsburger Religionsfriede die A. (lat. [F.) emigratio) bei Religionswechsel des Landesherrn. Der absolute Staat schränkt die Freiheit der A. aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überlegungen ein. Nach dem Vorbild Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedstaaten des → Deutschen Bundes 1815 die A. in einen anderen Mitgliedstaat und um 1848 die A. überhaupt zu (§ 136 der gescheiterten Reichsverfassung), wobei zwischen 1816 und 1914 5,5 Millionen Deutsche vor allem nach Amerika auswandern (1897 gesetzliche Regelung). Teilweise wird bei A. eine → Steuer verlangt (u. a. 1931 Reichsfluchtsteuer, 1953 aufgehoben).
Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma,
1950, 199ff.; Vom Reichskommissar für das Auswanderungswesen zum
Bundesverwaltungsamt, 1989; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953,
1993; Straten, A. v. d., Die Rechtsordnung des zweiten Kaiserreiches und die
deutsche Auswanderung nach Übersee 1871-1914, 1997; Migration in der europäischen
Geschichte, hg. v. Bade, K., 2002; Migration steuern, hg. v. Oltmer, J., 2003
Ausweis
s. Pass
Ausweisung
ist die Anordnung zum Verlassen eines Gebietes (Landes, Stadt). Wegen ihrer
geringen Kosten und ihrer befreienden Wirkung verbreitet sich die A. seit dem
späten Mittelalter rasch. Von der Aufklärung wird die A. von Straftätern seit
dem 17. Jh. zugunsten des Zuchthauses zurückgedrängt.
Lit.: Grenzen
und Raumvorstellungen, hg. v. Marchal, G., 1996; Schnabel-Schüle, H.,
Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht,
2000; Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben, 2000
Authenticae (lat. [F.Pl.]) sind die vielleicht von oder seit → Irnernius wahrscheinlich unter Verwendung der Epitome Juliani geschaffenen, im 13. Jh. in den ersten neun Büchern des → Codex → Justinians eingefügten (362 bzw. 212) Auszüge aus der → Authenticum genannten Sammlung der → Novellen sowie (seit dem 14. Jh.) die (2) Konstitutionen Sacramenta puberum (nach C 2. 27 bzw. 28. 1) und Habita (nach C 4. 13. 5) Friedrichs I. Barbarossa und die (durch Aufteilung eines umfangreichen Gesetzes entstehenden 11) Konstitutionen (Navigia, Omnes peregrini, Agricultores usw.) Friedrichs II. (Ad decus), die bis zu → Accursius (um 1230) in den Codex aufgenommen werden. Eine Konstitution Heinrichs VII. von 1312 (Ad reprimendum) und der Friede von Konstanz sind nicht in den Codex, sondern als Extravaganten hinter die (lat. [M.Pl.]) libri feudorum (Lehnbücher) eingefügt. Nicht glossiert werden die A. zu den letzten drei Büchern des Codex. Erst am Beginn der Neuzeit werden alle Novellen wieder zu einer Einheit verbunden.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung
des Heiligen römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Troje, H.,
Graeca leguntur, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Authenticum (lat.
[N.]) ist die Bezeichnung für eine um 1100 in Bologna erscheinende, 134 in das
Lateinische übersetzte Stücke umfassende, in neun (lat. [F. Pl.]) collationes
geteilte Sammlung unbekannter Herkunft der seit 535 n. Chr. unter dem
oströmischen Kaiser → Justinian ergangenen (168 griechisch gehaltenen) →
Novellen, die der Zeit als authentische Fassung gilt. → Authenticae
Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997
Autobahn ist die nur
für den Automobilverkehr zugelassene, vierspurige, kreuzungsfrei ausgebaute
Straße. In Berlin wird 1921 die Avus eröffnet, der oberitalienische Autobahnen
und im August 1932 die Strecke Köln-Bonn folgen. Nach Plänen Fritz Todts
(1891-1942) entscheidet sich Adolf Hitler für Reichsautobahnen, von denen
mittels gewagter Kreditaufnahmen (viereinhalb Milliarden Reichsmark Schulden)
zwischen 1933 und 1945 rund 3860 Kilometer errichtet werden.
Lit.:
Hartmannsgruber, F., …ungeachtet der noch ungeklärten Finanzierung, HZ 278
(2004), 625
Autograph (N.) vom Autor selbst geschriebenes Schriftstück (kein
Werk der antiken Literatur als A. erhalten)
Lit.: Hoffmann, H.,
Autographa im früheren Mittelalter, DA 57 (2001), 1
Automat ist die
mechanische, nach Aufheben einer Hemmung einen Vorgang selbsttätig ausführende
Einrichtung. Größere tatsächliche Bedeutung gewinnt der A. mit dem Vordringen
der elektronischen Datenverarbeitung am Ende des 20. Jh.s. Für Rechtsfolgen
wird dessenungeachtet auf das hinter dem A. stehende menschliche Verhalten
abgestellt.
Autonomie ist das
(vom Staat gewährte) Recht zur Selbstgesetzgebung innerhalb einer anderweitigen
Gesetzgebungshoheit. Die A. gewinnt mit der Entstehung des staatlichen
Gesetzgebungsmonopols im Absolutismus an Bedeutung. A. haben beispielsweise
Städte, Universitäten, Religionsgemeinschaften, Sozialversicherungsträger,
Vereine usw.
Lit.: Wicki, A., Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie
im internationalen Privatrecht, 1965; Steffen, W., Die studentische Autonomie
im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der
Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der
Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002
Autor → Urheber
Auvergne ist die
durch Cäsar ins römische Reich gelangte Landschaft um das Zentralmassiv in
Frankreich. Sie wird 507 fränkisch (Mitte 8. Jh. [lat.] Formulae [F.Pl.]
Arvernenses) und kommt 955 an Poitou. Seit 1189 geht sie vom König zu Lehen.
Ein Teil fällt 1527/1531 an den König, der gräfliche Rest 1609. Der Advokat
Jean Masuer († 1450) zeichnet in seiner (lat.) Practica (F.) forensis
(Gerichtliche Praxis) das zuvor ganz zersplitterte Recht erstmals umfassender
auf. 1510 wird die Coutume d’Auvergne wirksam.
Lit.: Massé, E., La coutume
d’Auvergne, Diss. jur. Toulouse 1913; Histoire d’Auvergne, hg. v. Manry, A.,
1974
Averani, Giuseppe
(1662-1738), seit 1685 Professor des römischen Rechts in Pisa, übernimmt die
humanistischen Gedanken des (lat.) → mos (M.) Gallicus in die Rechtswissenschaft
Italiens und bereitet dadurch den Boden für die Aufklärung (in Toskana) vor
([lat.] Interpretationum
iuris libri [M.Pl.] duo usw., 1713).
Lit.: Dizionario Biographico degli
Italiani, 1960ff., 4, 658f.
Avignon in
Südfrankreich ist von 1309 bis 1378 Sitz des von Frankreich gefangen gehaltenen
Papstes und von 1378 bis 1417 Sitz eines Gegenpapstes.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 149
Aware, Avare, ist
der Angehörige eines um 460 aus Zentralasien nach Westen vorstoßenden, um 566
an Donau und Theiß siedelnden, 822 aus der Überlieferung verschwindenden
Steppenvolks.
Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002
Aymar du Rivail (Aymarus
Rivallius) (1490?-1560), Sohn eines (lat.) legum doctor (M.) und Richters, wird
nach dem Rechtsstudium in Avignon und Pavia (Mayno, Alciat?) 1521 königlicher
Rat im Parlament von Grenoble. Mit Druckerprivileg vom 8. 8. 1515
veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri (M.Pl.) de historia iuris civilis et
pontificii mit 129 numerierten und 19 unnumerierten Blättern, welche die erste
umfassende Rechtsgeschichte (des römischen und kirchlichen Rechts) darstellen.
Lit.: Moeller, E. v., Aymar du Rivail, 1907; Köbler, G.,
Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in) Geschichtliche
Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220
Aytta, Wigle
(Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden 1507-Brüssel 1577) wird nach dem
Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler → Alciats in Bourges und 1532
Professor des römischen Rechts in Padua, 1537-1542 in Ingolstadt. Er verwertet
in seinen Veröffentlichungen auch byzantinische Rechtsquellen.
Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en
diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988
Azo (Bologna
1150?-1220 [vor 1190-1220/1230]) lehrt nach dem Studium in Bologna (u. a.
Johannes Bassianus) spätestens seit 1190 dort weltliches Recht. Seine bedeutendsten
Leistungen bestehen in der Herstellung von (weitgehend ungedruckten)
Glossenapparaten zu allen Teilen der justinianischen Gesetzgebung (die glossa
ordinaria verweist auf ihn 3600mal) sowie in (lat.) Summae (F.Pl.) Codicis
(1208-1210), Lectura Codicis (durch Vorlesungsnachschrift erhalten), Summae
Institutionum und Summae Digestorum (str.) (daneben Quästionen, Distinktionen,
Brocardica, Consilia und Definitionen). Insbesondere im 16. Jh. erfahren seine
Werke weiteste Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des → Accursius, Jacobus
Balduini, (Martinus de Fano,) Roffredus Epiphanii, Jacobus de Ardizone,
(Goffredus de Trano,) und Johannes Teutonicus. Seine Arbeiten werden u. a.
verwendet von Henry de Bracton (vielleicht nach 1230), vom Klagspiegel ([Conrad
Heyden] um 1436) und wohl auch vom (lat. [M.]) Vocabularius utriusque iuris
(Wörterbuch beider Rechte) des Jodocus aus Erfurt (1452).
Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni
civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 1 1997, 255
B
Baar ist die in
Urkunden des 8. und 9. Jh.s bezeugte, bisher nicht sicher erklärte Bezeichnung
des Gebietes an der obersten Donau bei Donaueschingen (z. B. Adalhartespara).
Nach den Herzögen von Zähringen erscheint 1264 Konrad von Wartenberg als
Landgraf in der B., 1304 eine Landgrafschaft B., die denen von Fürstenberg
zukommt.
Lit.: Bader, K., Zur politischen und rechtlichen
Entwicklung der Baar, 1937; Bader, K., Kloster Amtenhausen in der Baar, 1940;
Beyerle, F., Zum Problem der alamannischen Baaren, ZRG GA 62 (1942), 305;
Bohnenberger, K., Zu den Baaren, ZRG GA 63 (1943), 319; Bader, K., Die
Landgrafschaft Baar, 1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969; Banse,
H., Ein neuer Ansatz, Alemann. Jb. 1997/1998, 27
Babelsberger Konferenz
ist die in Babelsberg am 2./3. 4. 1958 tagende Konferenz, in der Walter
Ulbricht von der Rechtswissenschaft der → Deutschen Demokratischen
Republik eine stärkere marxistisch-leninistische Durchdringung sowie eine
bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen Aufbaus fordert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mollnau, K., Implementationsmechanismen
der Babelsberger Konferenz, (in) Staat und Recht in den neuen Bundesländern,
Sonderheft Oktober 1991, 175; Güpping, S., Die Bedeutung der „Babelsberger
Konferenz“, 1997; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J., 1993
Babenberger ist der
Angehörige eines in der Mitte des 11. Jh.s nach der Burg Babenberg (Bamberg)
benannten, vor allem in Ostfranken begüterten, 945 letztmalig bezeugten Adelsgeschlechtes
(Popponen, Adalbert von Bamberg bei Haßfeld am 9. 9. 906 enthauptet). Als
erster, wohl mit ihnen verwandter jüngerer B. erscheint 976 ein Markgraf
Liutpald der Mark an der Donau. 1156 erreichen die B. (Leopold I. 976-994,
Heinrich I. 994-1018, Adalbert 1018-1055, Ernst 1055-1075, Leopold II.
1075-1095, Leopold III 1095-1136, Leopold IV. 1136-1141, Heinrich II.
Jasomirgott 1141-1177) im sog. (lat. [N.]) privilegium minus als Ausgleich für
die Rückgabe des 1138 von den Staufern den Welfen entzogenen und 1139 den
Babenbergern übertragenen Herzogtums → Bayern die Erhebung ihrer Mark zum
selbständigen, von Bayern gelösten Herzogtum → Österreich des deutschen
Reiches. Die (nach Leopold V. 1177-1194, Friedrich I. 1195-1198, Leopold VI.
1198-1230 und Friedrich II. 1230-1246) zunächst an Baden (1248-1251) und dann
an Böhmen gelangten Güter des 1246 im Mannesstamm erloschenen Geschlechts
verlehnt König Rudolf von Habsburg nach dem → Interregnum (1282)
innerfamiliär an die → Habsburger. Die Benennung als B. wird erst im 15.
Jh. allgemein üblich.
Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Rauch, K., Die Erwerbung des
Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Rauch, K.,
Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht
der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Urkundenbuch zur Geschichte der
Babenberger in Österreich, Bd. 1ff. 1950ff.; Appelt, H., Privilegium minus, 2.
A. 1977; Lechner, K., Die Babenberger, 4. A. 1985, 6. A. 1996; Tausend Jahre
Babenberger in Österreich, 1976; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Dienst,
H., Die Babenberger 976-1246, 2005; Brunner, K., Leopold der Heilige, 2009
Babylon
Lit.: Jursa, M., Die Baylonier, 2004
Baccalaureus (9. Jh.
baccalarius, [lat., M.], Knecht) ist seit dem 13. Jh. (1231) der unterste
akademische Grad (vgl. angloam. bachelor).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in the
13th and 14th Centuries, 1968; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 63
Bacharach
Lit.: Wagner, F., Stadt Bacharach und Samtgemeinde der
Viertäler, 1956
Bachofen, Johann
Jakob (Basel 22. 12. 1815-Basel 25. 11. 1887), Seidenbandfabrikantensohn, wird
nach dem Studium von Philologie, Geschichte und Recht in Basel, Berlin
(Savigny) und Göttingen 1841-1844 Professor für römisches Recht in Basel und
1842 Richter (1844 Appellationsrat). Auf rechtsethnologischer Grundlage
entwickelt er die Vorstellung eines ursprünglichen Mutterrechts (Über das
Weiberrecht, 1856, Das Mutterrecht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet er
hierfür kein Verständnis.
Lit.: Bachofen, J., Eine Selbstbiographie, Zeitschrift für
vergleichende Rechtswissenschaft 34 (1917); Bernoulli, C., Johann Jakob
Bachofen und das Natursymbol, 1924; Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als
Rechtshistoriker, ZRG GA 105 (1988), 17
Bacon, Francis (London 22. 1. 1561- Highgate bei
Lit.: Köbler, DRG 136; Bock, H., Staat und Gesellschaft bei
Francis Bacon, 1937; Anderson, F., Francis Bacon, 1962; Krohn, W., Francis
Bacon, 1988; Wormald, B., Francis Bacon, 1993; Zagorin, P., Francis Bacon,
1998; Keller, S., Experiment versus Dogma, 2005
Baculus (M.) iudicii secularis
(lat.) in Frankenford ist das in 88 Artikeln gegliederte Werk über
Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt am Main, das zwischen 1400 und
1430 von einem unbekannten Stadtschreiber verfasst worden sein könnte.
Lit.: Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in
Frankfurt am Main, 1939, 15
Bad
Lit.: Gail, W., Die
Rechtsverfassung der öffentlichen Badstuben, 1940
Baden im Oostal erscheint nach einem römischen Aquae Aureliae 987. Nach ihm benennt sich seit 1112 eine mit Markgraf Hermann († 1074) erkennbare, von den Herzögen von → Zähringen abstammende Familie. Sie gewinnt umfangreiche Güter, die nach Vervierfachung unter Napoleon am Beginn des 19. Jh.s (1806) bis zur Abdankung am 22. 11. 1918 gehalten werden können. 1951/1952 geht B. in Baden-Württemberg auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201, 156; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, E., Badisches Volksleben im neunzehnten Jahrhundert, 1900; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f. 1906ff.; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG GA 31 (1910), 182; Lenel, P., Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter Markgraf Karl Friedrich (1738-1803), 1913; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Windelband, W., Die Verwaltung der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs, 1916; Krieger, A., Badische Geschichte, 1921; Strobel, E., Neuaufbau der Verwaltung und Wirtschaft der Markgrafschaft Baden-Durlach, 1935; Hofmann, K., Die germanische Besiedelung Nordbadens, 1937; Wahle, E., Vorzeit am Oberrhein, 1937; Beinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1937; Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1948ff.; Rheinbaben, G. v., Die erste Kammer in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1949; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 1950; Armbruster, F., Die Freiburger Talvogtei, 1950; Arndt, E., Vom markgräflichen Patrimonialstaat zum großherzoglichen Verfassungsstaat Baden, Diss. jur. Freiburg 1952 = ZGO 101 (1953), 157, 436; Haebler, R., Badische Geschichte, 1951, Neudruck 1987; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Rummer, J., Die Pforzheimer Prob, 1963; Sütterlin, B., Geschichte Badens, 1967; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970; Blickle, P., Landschaften im alten Reich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2626, 3,3,2855,3696; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden-Baden, 1974; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Theil, B., Das älteste Lehnbuch der Markgrafen von Baden, 1974; Krimm, K., Baden und Habsburg, 1976; Stiefel, K., Baden 1648-1952, 1978; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Badische Biographien, neue Folge, Bd. 1ff. 1982ff.; Real, W., Die Revolution in Baden 1848/49, 1983; Das Großherzogtum Baden zwischen Revolution und Restauration 1849-1851, hg. v. Real, W., 1983; Pforzheim in der frühen Neuzeit, hg. v. Becht, H., 1989; Gross, N., Der Code civil in Baden, 1993; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1993; Die badische Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a., 1996; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H. u. a., Bd. 1ff. 1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches, 1999; Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v. Feuchte, P., 1999; Kißener, M., Richter zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Festschrift 200 Jahre Badisches Oberhofgericht – Oberlandesgericht Karlsruhe, hg. v. Münchbach, W., 2003; Würtz, C., Johann Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), 2005; Schwarzmaier, H., Baden, 2005; Engehausen, F., Kleine Geschichte des Großherzogtums Baden 1806-1918, 2005; Die Protokolle der Regierung von Baden, Bd. 1 bearb. v. Hochstuhl, K., 2006; Kohnle, A., Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, 2007; Pätzold, S., Kleine Geschichte der Stadt Pforzheim, 2007; Laufs, A. u. a. Das Eigentum an badischen Kulturgütern, 2008
Baden-Württemberg ist das
1951/1952 (25. April 1952) aus Württemberg-Baden (Nordbaden, Nordwürttemberg),
Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern (Südwürttemberg, Hohenzollern)
gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutsches Städtebuch,
Baden-Württemberg 1959; Landesgeschichtliche Vereinigungen in
Baden-Württemberg, bearb. v. Gönner, E., 1987; Boelcke, W., Handbuch
Baden-Württemberg, 1982; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg.
v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. 1ff.
1990ff.; Weber, R./Wehling, H., Geschichte Baden-Württembergs, 2007; Wilhelm,
B., Das Land Baden-Württemberg, 2007; Meier-Braun, K. u. a., Kleine Geschichte
der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, 2008
Bader, Karl Siegfried (Waldau/Schwarzwald
27. 8. 1907-Zürich 13. 9. 1998, Vater Hauptlehrer) wird nach dem Rechtsstudium
in Tübingen, Wien, Heidelberg und Freiburg im Breisgau 1931 in Notariat und
Staatsanwaltschaft in Freiburg im Breisgau tätig, aber zum 1. 10. 1933 trotz
Beitritts zur NSDAP wegen nicht vollarischer Abstammung seiner in Wien
kennengelernten Ehefrau (Grete Weiss) entlassen und deswegen Rechtsanwalt und
Leiter des fürstenbergischen Archivs in Donaueschingen. 1945 wird er
Generalstaatsanwalt und außerordentlicher Professor für Rechtsgeschichte und
Kirchenrecht in Freiburg in Breisgau, 1951 ordentlicher Professor in Mainz und
1953 als Nachfolger Heinrich Mitteis‘ in Zürich (1975 emeritiert). Sein
bekanntestes Werk seiner rund 1200 Veröffentlichungen sind dreibändige Studien
zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes (1957-1973).
Lit.: Zwei Jahrzehnte
Rechtsgeschichte an der Universität Zürich, 1975; Bader, K., Ausgewählte
Schriften, 1983; Schott, C., Karl Siegfried Bader, ZRG GA 119 (2002), 1
Badisches Landrecht von 1588 ist das von Markgraf Philipp II. am 2. 1. 1588 erlassene, 1805 erstmals gedruckte, bis Ende 1809 bzw. bis 1810 geltende Landrecht für die Markgrafschaft Baden-Baden (Landesordnung), das in seinen drei ersten Teilen (Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamente) auf dem württembergischen Landrecht von 1567 beruht, im vierten Teil das Intestaterbrecht selbständig behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht) (über das Kurpfälzer Landrecht von 1580 bzw. 1582) auf die kursächsischen Konstitutionen (1572) zurückgeht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine
Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961, 86
Badisches Landrecht
von 1654 ist das seit 1604 vorbereitete, für 1619 geplante, 1622 (und 1710,
1715 sowie 1773) gedruckte, ursprünglich für ganz Baden (Baden-Baden und
Baden-Durlach) gedachte, aber wegen der (bis 1771 dauernden) Landesteilung nur
in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige Landrecht, das auf der Grundlage
älterer Einzelgesetze sowie des kurpfälzischen Landrechts und des
württembergischen Landrechts in sieben Teilen (Untergerichtsordnung,
Hofgerichtsordnung, Ehe- und Ehegerichtsordnung, Verträge, Testamente, Intestaterbrecht,
Strafrecht und Strafprozessrecht) fast das gesamte Recht ordnet (ausgenommen
das Verwaltungsrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische
Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20
Badisches Landrecht
von 1809 ist der zum 1. 1. 1810 als Landrecht für das Großherzogtum Baden
eingeführte, durch Johann Nikolaus Friedrich Brauer unter Ausschluss von
Fremdwörtern wortnah in die deutsche Sprache übersetzte Code Napoléon (→
Code civil, 2281 Artikel) Frankreichs mit (270) Zusätzen und Handelsgesetzen,
dessen Geltung (revidierte Fassungen von 1846, 1874 und 1899) durch die
Inkraftsetzung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. 1. 1900 endet.
Lit.: Brauer, J., Erläuterungen über den Code Napoléon,
1809ff.; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909; Schubert, W.,
Französisches Recht in Deutschland, 1977; Fehrenbach, E., Traditionale
Gesellschaft und revolutionäres Recht, 3. A. 1983; Gross, N., Der Code Napoléon
in Baden und sein Verleger C. F: Müller, 1997; Code Napoleon - Badisches
Landrecht, (hg. v. Müller-Wirth, C.,) 1997; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodeNapoleonBaden1809.pdf
Bagarottus ist ein zwischen 1170 und 1180
geborener, wohl in Piacenza anässiger Jurist.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 297
Bähr, Otto (Fulda 2. 6. 1817-Kassel 17. 2. 1895) wird nach dem Rechtsstudium in Marburg, Göttingen und Heidelberg Richter in Kassel (1849), Fulda, Kassel und (1866) Berlin (1879-1881 Reichsgericht). Als nationalliberaler Rechtspolitiker setzt er sich für die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns ein (Der Rechtsstaat, 1864). In der Untersuchung Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund entwickelt er den selbständig (abstrakt) verpflichtenden Schuldvertrag.
Lit.: Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln
1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983
Bahrprobe ist das
wohl erst seit dem 12./13. Jh. in literarischen Texten (Nibelungenlied)
bezeugte, zunächst außergerichtliche, in dem Rechtsbuch Ruprechts von Freising
von 1328 (Art. 278) auch für gerichtliche Verwendung nachgewiesene Verfahren,
bei dem bei Fehlen anderer Beweismöglichkeiten ein einer Tötung Beschuldigter
an die Totenbahre des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss oder
auch darf. Veränderungen der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die
Täterschaft des Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.]
vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines
Bruders ruft zu mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der
Aufklärung verschwindet die in der Neuzeit als Indiz für die Anwendbarkeit der Folter
gebrauchte B., mit dem 19. Jh. der Glaube an sie.
Lit.: Christensen, C., Baareprøven, 1900; Kolb, F., Das
alte Bahrrecht in Tirol, Tiroler Heimat 13/14 (1949/1950), 7; Ewers, H., Die
Bahrprobe, Diss. jur. Bonn 1951; Fehr, H., Das Bahrrecht, Dt. Jb. f. Volkskunde
6 (1960), 85
Balduinus → Baudoin
Baldus de Ubaldis (Perugia 2. 10. 1327-Pavia
28. 4. 1400), Sohn eines adligen Professors
der Medizin, wird nach dem Studium in Perugia (Bartolus) Professor des
römischen Rechts in Perugia (1347-1357), Pisa (1357/1358), Florenz (1358-1364),
Perugia (1364-1376), Padua (1376-1379), Perugia (1379-1390) und Pavia
(1390-1400). Auf Grund der vollständigen Beherrschung des gesamten geltenden
Rechtes gelingt ihm die selbständige Weiterbildung vieler Einzelheiten
(Wechselrecht, Gesellschaftsrecht, internationales Privatrecht, Prozessrecht,
Staatsrecht, Strafrecht, Privatrecht) in rund 2800 (d. h. fast 70 je Jahr)
Gutachten (lat. [N.Pl.] consilia) und verschiedenen (lückenhaften) Kommentaren
(lectura Codicis, Kommentar zum digestum vetus, lectura trium librorum Codicis,
lectura super usibus feudorum, Kommentar zu acta pacis Constantiae, Kommentar
zum liber extra) und Traktaten.
Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960;
Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die Consilien des
Baldus, 1974; Maffei, D., Giuristi medievali, 1979; Danusso, C., Ricerche sulla
lectura feudorum di Baldo, 1991; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 749
Balkan (Berg in Bulgarien)
ist die aus dem Türkischen kommende, zusammenfassende Bezeichnung für die
südosteuropäische Halbinsel. → Griechenland, Albanien, Bulgarien,
Jugoslawien.
Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E.,
Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997;
Der Balkan, hg. v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan,
M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Mennel, R., Der
Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A
History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des
Balkans, 1999; Hösch, E., Geschichte des Balkans, 2004; Europe and the
Historical Legacies in the Balkans, hg. v. Detrez, R. u. a., 2008; Am Rande
Europas?, hg. v. Chiari, B. u. a., 2009
Ballei (zu mlat.
[M.] ballivus) ist seit dem 14. Jh. nach sizilianischem Vorbild die Bezeichnung
für die Provinz des → Deutschen Ordens (außerhalb des Preußenlandes) mit
dem Landkomtur (als Vertreter des Hochmeisters) an der Spitze (z. B. Utrecht,
Alten-Biesen, Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz,
Elsass-Schwaben-Burgund, Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge,
Lamparten, Apulien, Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J., Geschichte
des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff.; Militzer, K., Die Entstehung der
Deutschordensballeien im deutschen Reich, 2. A. 1981; Militzer, K., Von Akkon
zur Marienburg, 1999
Ballivus (zu lat.
baiulus [M.] Lastträger) ist ein herrschaftlicher Amtsträger im mittelalterlichen
Frankreich (um 1150) sowie später in Süditalien und als bailiff im hochmittelalterlichen
England mit meist auch niedergerichtlichen Aufgaben.
Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de
Flandre, 1929; Rompaey, J. v., Het grafelijk baljuwsambt in vlaanderen, 1967
Balte ist der
Angehörige eines baltisch sprechenden indogermanischen Volkes (Preußen, Kuren,
Letten, Litauer).
Baltikum ist die
neuzeitliche Sammelbezeichnung (seit dem 16. Jh. sind baltische Länder
Estland, Livland mit Lettgallen im Südosten, Semgallen und Kurland, während
Litauen erst seit dem 19. Jh. zu dem B. gezählt wird) für die spätestens seit
dem ausgehenden Frühmittelalter von ugro-finnischen und balto-slawischen
Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete
am östlichen Rand der südlichen Ostsee. Das B. wird seit dem Ende des 12. Jh.s
von Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von
Riga (1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel, Kurland und Reval sowie der
Deutschordensmeister von Livland erlangen die Stellung von Fürsten des Heiligen
römischen Reiches. Sie finden sich im 15. Jh. in einer altlivländischen
Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen. Das aufgezeichnete, neben
ungeschriebenen Gewohnheitsrechten der Bauern bestehende Recht ist (von
Dänemark und) vom Heiligen römischen Reich beeinflusst (1315
waldemar-erichsches Lehnrecht [beeinflusst vom Dienstrecht des Hochstifts
Hildesheim], ältestes livländisches Ritterrecht, livländischer Spiegel [als
Überarbeitung des → Sachsenspiegels], [kompiliert als] wiek-öselsches
Lehnrecht, mittleres livländisches Ritterrecht [15. Jh.], umgearbeitetes Ritterrecht
[systematisiert], Bauernrechte [mit Bußbestimmungen], lübisches Stadtrecht
[Reval] und hamburgisches Stadtrecht [Riga, Dorpat, Libau]). Das römische Recht
wirkt sich nur wenig aus. 1561 kommt das Gebiet an Polen (Livland, Kurland) und
Schweden (Estland, 1621 auch Livland), 1710 fallen Estland und (mittleres)
Livland (sowie das seit 1559 dänische Ösel), 1772 bei der ersten Teilung Polens
Lettgallen und 1795 bei der dritten Teilung Polens Kurland an Russland, wobei
augsburgische Konfession, deutsches Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache
zugesichert bleiben. 1816/1819 erfolgt (innerhalb Russlands) die
Bauernbefreiung, danach die Festlegung des Provinzialrechts (1864
Zivilgesetzbuch [mit etwa 4600 Artikeln], liv-, est- und kurländisches
Privatrecht, wobei der Kern des inhaltlichen baltischen Privatrechts als aus
deutschen [40 Prozent livländisches, estländisches, lübisches, russisches
Recht, kurländische Statuten, baltische Bauernverordnungen, Gewohnheitsrecht]
und römischen Wurzeln [57 % römisch-rechtlichen Ursprungs] erwachsenen
gemeinen Rechts örtlicher Prägung erhalten bleibt), 1877 die Einführung der
Städteordnung Russlands von 1870, 1889 die Einführung des russischen
Gerichtsverfassungsrechts und Prozessrechts. 1918 werden Estland (24. 2. 1918)
und Lettland von Russland bzw. der Sowjetunion unabhängig und selbständig, am
6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940 der Sowjetunion unter Aussiedlung der Deutschen auf
Grund des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 gewaltsam eingegliedert und am 6. 9.
1991 wieder unabhängig.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ziegenhorn, C. v.,
Staatsrecht der Herzogtümer Curland und Semgallen, 1772, Neudruck 1973; Bunge,
F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849;
Bunge, T. v., Der baltische Civilprozess nach der Justizreform vom Jahre 1889,
1890f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck
1968; Schilling, C., Die lehn- und erbrechtlichen Satzungen des
waldemar-erich’schen Rechtes, (o. J.); Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954;
Blaese, H., Einflüsse des römischen Rechts in den baltischen Gebieten, 1964;
Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u.
a., 1977; Hehn, J. v., Die Umsiedlung der baltischen Deutschen, 1984; Ludwig,
K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Schmidt, A., Geschichte des Baltikums, 1992;
Baltische Länder, hg. v. Pistohlkors, G. v., 1994; Die baltischen Sprachen, hg.
v. Eckert, R., 1994; Der Aufbau der freiheitlich-demokratischen Ordnung in den
baltischen Staaten, hg. v. Meissner, C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The
Baltic States after Independence, 1996; Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz,
F. u. a., 1997; Baltistik, hg. v. Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum
heute, hg. v. Graf, H. u. a., 1998; Die Deutschbalten und der Nationalsozialismus,
Bd. 1, hg. v. Garleff, M., 2000; Roth, M., Der Einfluss des Europarats auf die
demokratische und menschenrechtliche Transformation der baltischen Staaten,
2004; Tuchtenhagen, R., Geschichte der baltischen Länder, 2005; Garber, K.,
Schatzhäuser des Geistes, 2006; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 982;
Baltisch-europäische Rechtsgeschichte und Lexikographie, hg. v. Kronauer, U. u.
a., 2009
Baluze, Etienne
(Tulle 24. 11. 1630-Paris 28. 7. 1718) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium
in Toulouse als Bibliothekar Colberts 1677 die erste große Ausgabe der frühmittelalterlichen
→ Kapitularien (einschließlich der Volksrechte) des fränkischen Reiches
(Capitularia regum Francorum).
Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961
Bamberg ist der als
Burg Babenberg (→ Babenberger) erstmals zum Jahre 902 genannte Ort am
oberen Main, der 973 von Kaiser Otto II. an den verwandten Herzog von Bayern
gegeben und 1007 unter dessen Erben König Heinrich II. Sitz eines Bistums wird.
Um 1060 erfolgt eine Aufzeichnung des Dienstrechts der Dienstmannen. 1507
schafft der bischöfliche Hofmeister Johann von → Schwarzenberg die
Bamberger Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergensis). 1735
wird für kurze Zeit eine juristische Fakultät (Gönner) an der von 1648 bis 1803
bestehenden Universität eingerichtet. 1769 wird ein Landrecht erlassen (nur
Teil 1 Civil- oder bürgerliche Sachen betreffend). 1803 fällt das Fürstbistum
B. an Bayern. Kirchlich wird das seit dem 13. Jh. von Mainz exemte Bistum
1818/1821 Erzbistum mit den Bistümern Eichstätt, Speyer und Würzburg. Seit 1923
besteht eine philosophisch-theologische Hochschule mit (1946) rechtswissenschaftlichem
Studiengang, seit 1972 eine Gesamthochschule (1979 Universität) mit einer
wirtschaftswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fakultät.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler,
Historisches Lexikon; Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P.,
Monumenta Bambergensia, 1869; Güterbock, C., Zur Redaktion der Bambergensis,
1910; Ament, W., Bamberg, 1929; Das (exemte) Bistum Bamberg, hg. v. Guttenberg,
E. v. u. a., 1937ff.; Weiß, H., Stadt- und Landkreis Bamberg, 1974; Hoffmann,
H., Bamberger Handschriften, 1995; Moser, P., Bamberg, 1998; Pflefka, S., Das
Bistum Bamberg, 2005; Das Bistum Bamberg um 1007, hg. v. Urban, J., 2006;
Festschrift 200 Jahre Appellationsgericht/Oberlandesgericht Bamberg, hg. v.
Meisenberg, M., 2009
Bamberger Halsgerichtsordnung → Bamberg
Bank ist allgemein
die breite Sitzgelegenheit und rechtlich das Unternehmen, dessen Inhaber
mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem Umfang betreibt, der einen in
kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Nach antiken
Vorläufern in Ägypten, Griechenland und Rom (lat. [M.Pl.] argentarii, mensarii)
entwickeln sich seit dem 12. Jh. berufsmäßige, jeweils auf einer hölzernen
oder steinernen Bank tätige Geldwechsler zuerst in Italien (Lombarden), wobei
wegen der Nähe von Geldwechsel und Darlehen auf Grund des kanonischen Zinsverbotes
Juden geschäftliche Vorteile erwachsen. Seit dem 15. Jh. entstehen
halböffentliche Banken und danach öffentliche Banken (Barcelona 1401, Genua
1409, Amsterdam 1609, Hamburg 1619, Nürnberg 1621, Bank of England 1694). Seit
etwa 1835 beginnen die Banken mit der Finanzierung von industriellen
Unternehmen, die bereit sind, Fremdkapital aufzunehmen (Paris 1852 Aktienbank).
Seit dem ausgehenden 19. Jh. werden die (zu etwa der Hälfte von jüdischen
Inhabern betriebenen rund 1000 deutschen) Privatbanken (Sal. Oppenheim in Köln,
M. Warburg in Hamburg) von den von ihnen zur Gefahrenverringerung entwickelten
Aktienbanken allmählich zurückgedrängt, zwischen 1933 und 1945 auch
geschlossen oder enteignet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die
Banken zu bedeutenden Dienstleistungsunternehmen, deren Recht zunehmend
europäisiert wird. Im Herbst 2008 entsteht auf Grund ungesicherter Darlehensvergabe
weltweit eine Bankenkrise.
Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen
Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge
öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Born, K.,
Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, 1976; Poeschel, H., Die Statuten
der Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Hamburg und Altona von
1710-1889; Wissenschaft und Kodifikation Bd. 5 1980; Klein, E., Deutsche
Bankengeschichte, 1982; L’alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon, hg. v.
Grill, W. u. a., 11. A. 1995, 13. A. 2002; Lane, F./Mueller, R., Money and
Banking, 1985; Ruland, A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur.
Münster 1987; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Europäische
Bankgeschichte, hg. v. Pohl, H., 1997; Banking, Trade and Industry, hg. v.
Teichova, A., 1997; Fuchs, R., Die Wiener Stadtbank, 1998; North, M.,
Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; A History of European Banking,
hg. v. Kurgan, G. u. a., 2000; James, H., Verbandspolitik im Nationalsozialismus,
2001; Kahmann, H., Die Bankiers von Jacquier & Securius 1933-1945, 2002;
Distel, J., Die Errichtung des westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank
deutscher Länder, 2003; Der Privatbankier, hg. v. Institut für bankhistorische
Forschung, 2003; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Die
Commerzbank und die Juden, hg. v. Herbst, L. u. a., 2004; Linder, N., Die
Berner Bankenkrise von 1720, 2004; Liedtke, R., N M Rothschild & Sons,
2006; Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts, hg. v. Pohl, H., 2008
Bankert (mhd.
Banchart [M.] auf der Bank Gezeugter) ist die ältere deutsche Bezeichnung für
das seit dem 8. Jh. von der Kirche abgelehnte → nichteheliche Kind.
Bankrott ist das vollständige Scheitern
des Unternehmers, das im Spätmittelalter bei den Bankinhabern zum Zerstören
ihrer Bank (ital. banca rotta [F.] zerbrochene Bank) führt, wobei die
Bezeichnung über das Niederländische und das Französische im 16. Jh. in das
Neuhochdeutsche eindringt. Für die Abwicklung des Bankrotts setzt sich seit dem
späteren 16. Jh. das Verfahren des Konkurses durch. Der betrügerische B. ist
Straftatbestand.
Lit.: Meier, A., Die
Geschichte des deutschen Konkursrechts, 2003
Bann ist die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und Verbote unter Anordnung gewichtiger Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung auszusprechen (lat. bannus Gregor von Tours [538/539-594], Historiae 5, 26). In diesem Sinn kann bereits der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zum Heiden erklären (vgl. Matthäus 18,15-17). Dementsprechend schließt das Christentum (Elvira 306) Sünder in bestimmten Fällen aus der kirchlichen Gemeinschaft (lat. [F.] excommunicatio Ausschluss aus der Gemeinschaft im 4./5. Jh. gebildet) aus (nicht auch aus der Kirche insgesamt). In Fällen geringerer Sünde werden nur der Empfang der Sakramente und das kirchliche Amt abgesprochen. Vom kirchlichen B. kann der Papst lösen. Im weltlichen Bereich kennt das fränkische Recht den B. des Königs oder Grafen. Wer dagegen verstößt, muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem Hochmittelalter gehen die Bannrechte des Königs auf den Landesherrn über und werden dann durch das Hoheitsrecht des Landesherrn bzw. später des Staates ersetzt. Der kirchliche B. wird unter dem Einfluss der Aufklärung im 18. Jh. vielfach verboten, im 19. Jh. aber häufig wieder eingeführt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel, W.,
Zur Geschichte des Bannes, 1886; Koehne, C., Studien über die Entstehung der
Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichmann, E., Acht und Bann,
1909; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1914; Voltelini, H. v.,
Königsbannleihe und Blutbannleihe, ZRG GA 36 (1915), 290; Heck, P., Die
Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Ganahl, K., Der Fürbann im
bayerischen Rechtsgebiet, ZRG GA 54 (1934), 257; Fehr, H., Zur Geschichte des
Bannes, ZRG GA 55 (1935), 237; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Stutz, U.,
Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289; Siuts, H., Bann und
Acht, 1959 (Diss. phil. Kiel 1956); Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche,
1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H.,
Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973; Vodola, E., Excommunication
in the Middle Ages, 1986; Schneider, J./Erb, T., Bannus, Archivum latinitatis
medii aevi 64 (2006), 57
Banner ist die
vielleicht schon in germanischer Zeit als Zeichen dienende Fahne (Heerfahne,
Gerichtsfahne). Seit dem 11. Jh. werden Fahnen mit einem Fahnenwagen in die
Schlacht gefahren. Seit Friedrich I. Barbarossa (1122-1190, König 1152) führt
der König ein B. mit schwarzem Adler auf gelbem Grund mit sich.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz -
Rot - Gold, red. v. Grimm, U., 1999
bannitio (lat.
[F.]) öffentliche Ladung
Bannleihe ist die Vergabe (Leihe) eines
Bannes durch den König. Sie wird 1149 zu Gunsten der Kirche sichtbar. Im
Sachsenspiegel ist die B. eine grundlegende Erscheinung der Gerichtsbarkeit,
doch verliert die königliche B. mit dem Übergang der Gerichtsbarkeit auf die
Landesherren ihre Bedeutung.
Lit.: Scheyhing, R.,
Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994
Bannmeile ist die örtlich auf eine (oder auch mehrere) Meilen festgelegte Reichweite eines → Bannes oder einer Herrschaftsgewalt. Seit dem Hochmittelalter werden insbesondere Burgen, Städte (z. B. Lechenich 1279 banmile sive bivanc), Märkte, Mühlen oder Brauhäuser mit einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines Staatsorgans den räumlichen Bereich, in dem keine Versammlungen abgehalten werden dürfen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hirsch, H., Die Klosterimmunität
seit dem Investiturstreit, 1913; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht, 1964
Bannwald ist der durch Bann des Königs
oder sonstigen Herren der allgemeinen Nutzung entzogene Wald (7. Jh. lat. [F.]
silva regis, forestis, 1251 banholz, 1280 banforst).
Lit.: Mantel, K., Wald
und Forst in der Geschichte, 1990; Dasler, C., Forst und Wildbann, 2001
barbarus (lat. [M.]) plappernder (Nichtrömer)
Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den
spätrömischen Gesetzen, 1992
Barbeyrac, Jean de
(1674-1744), 1697-1710 Professor für alte Sprachen in Berlin, 1711-1717 für
Geschichte und Naturrecht in Lausanne, 1717-1744 für öffentliches und privates
Recht in Groningen, verbreitet naturrechtliches Gedankengut durch französische
Übersetzungen von Werken Pufendorfs, Grotius’ und Cumberlands.
Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des
Naturrechts in Europa, 1970
Bargilde →
Biergelde
Barock
Lit.: Methoden und Probleme
der Alltagsforschung im Zeitalter des Barock, hg. v. Pickl, O. u. a., 1992
Baron ist die über das Mittellateinische und Mittelfranzösische von ahd. (M.) baro Mann abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe Adliger (1595 für Freiherr).
Barrister ist der
vor Gericht ([engl.] bar) auftretende Anwalt des englischen Rechts.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker,
J., The Common Law Tradition, 2000
Barschalk ist eine
Bezeichnung für bestimmte Halbfreie im frühmittelalterlichen Bayern (8./9. Jh.,
auch 13. Jh.).
Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926; Mayer,
T., Baar und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143
Bartholomäus de Capua
ist ein in Capua am 12. 8. 1248 als Sohn eines Juristen geborener, in Neapel
ausgebildeter und 1278 promovierter, 1328 verstorbener neapolitanischer
Jurist (Glossen, Quästionen, Reden).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 499
Bartholomäusnacht
ist die Nacht zum 24. August (1572), in der nach der Hochzeit (Bluthochzeit)
des Protestanten Heinrich von Navarra mit Margareta von Valois in Paris und
Umgebung mehr als 3000 Menschen (meistens Hugenotten) getötet werden.
Bartolus de Saxoferrato (aus bäuerlicher Familie, Venatura bei Sassoferrato/Saxoferrato nahe Ancona 1313? oder 1314?-Perugia 13. 7. 1357) lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de Sighibuldis) und Bologna (1330?, 1333?) betriebenen Rechtsstudium und der nach der Disputation von 1333 (baccalaureus) am 10. 11. 1334 in Bologna erlangten Promotion zum (lat.) doctor (M.) iuris civilis und einer Tätigkeit als Assessor des Podestà in Todi, Cagli und Pisa seit Winter 1338/1339 in Pisa und Perugia (1342) weltliches Recht. Neben vielleicht mehr als 400 gedruckten und weiteren rund 200 ungedruckten Gutachten verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie Glossen, additiones, 22 gedruckte quaestiones und etwa 45 (28 gedruckte) wichtige Traktate (z. B. zum Markenrecht und Wappenrecht) in klarer, aber trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik ausgerichteter Denkweise. Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista, nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist). Sein wohl bekanntester Schüler ist Baldus de Ubaldis.
Lit.: Söllner § 25; Bartolus, Opera omnia, Drucke seit
1525; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3ff. 1834ff.; Woolf, C., Bartolus of Sassoferrato,
1913; Bartolo da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962; Merzbacher, F., Bartolo de
Sassoferrato, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 559;
Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Cavallar, O. u. a., A Grammar of Signs, 1994;
Lepsius, S., Der Richter und die Zeuge, 2003; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 682
Basel am Rhein (Basilia 374 n. Chr.) wird auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage (keltische Rauriker 1. Jh. v. Chr., römisches Kastell um 15 v. Chr.) nach dem Übergang an die Alemannen (6./7. Jh.) vielleicht im 7. Jh. Sitz eines Bischofs (zunächst von Augst und B.). Seit 1362 zählt es sich nach dem Kauf wichtiger Rechte des Bischofs zu den freien Städten im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) und erwirbt Gebiete zum Jura hin. 1431-1437 ist es Tagungsort eines Konzils. 1459 (4. 4. 1460) erlangt es eine (bald verbaselete) Universität (mit rund 2200 Promotionen zwischen 1558 und 1818 d. h. jährlich etwa 9). Am 13. 7. 1501 schließt sich B. als neunter Ort der Eidgenossenschaft der → Schweiz an und löst sich 1648 förmlich vom Heiligen römischen Reich. Die Stadtgerichtsordnung von 1719 schöpft hauptsächlich aus dem württembergischen Landrecht von 1555. 1832/1833 trennt sich Basel-Land von Basel-Stadt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Heusler, A.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Concilium Basiliense, hg. v.
Haller, J., Bd. 1ff. 1896ff.; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd.
1ff. 1907ff.; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel, 1909;
Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Festschrift zur Feier des
450jährigen Bestehens der Universität Basel, 1910; His, E., Geschichte des
Basler Grundbuchs, 1915; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1f.
1907ff.; Heusler, A., Geschichte der Stadt Basel, 1917; Ribeaud, A., Le moulin
féodal, 1920; Heusler, A., Basels Gerichtswesen im Mittelalter, 1922; His, E.,
Zur Geschichte des Basler Notariats, Basler Zeitschrift für Geschichte und
Altertumskunde 20 (1922), 1; Saxer, E., Das Zollwesen der Stadt Basel, 1923;
Roth, P., Die Organisation der Basler Landvogteien, 1922; His, E., Eine
historische Staatsteilung, GF Fritz Fleiner 1927; Membrez, A., Die Burgvogtei
Binzen, 1928; Metzger, K., Die Verbrechen und ihre Straffolgen im Basler Recht
des späteren Mittelalters, 1931; Koelner, P., Die Safranzunft zu Basel, 1935;
Mayer-Edenhauser, T., Zur Territorialbildung der Bischöfe von Basel, ZGO 52
(1938), 226; Die Matrikel der Universität Basel, hg. v. Wackernagel, H., Bd.
1f. 1951ff.; Staehelin, A., Geschichte der Universität Basel 1632 bis 1818,
1957; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960),
241; Hagemann, H., Basler Stadtrecht im Spätmittelalter, ZRG GA 78 (1961), 140;
Professoren der Universität Basel, 1960; Kisch, G., Die Anfänge der
juristischen Fakultät der Universität Basel 1459-1529, 1962; Baerlocher, R.,
Das Rechtsmittelsystem des baselstädtischen Zivilprozessrechts, 1964; Bühler,
T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung 1860-1870,
1963; Staehelin, A., Sittenzucht und Sittengerichtsbarkeit in Basel, ZRG GA 85
(1968), 78; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, 1969;
Abplanalp, F., Zur Wirtschaftspolitik des Fürstbistums Basel, 1971; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft im ehemaligen Fürstbistum Basel, 1972;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Mommsen, K., Katalog der
Basler juristischen Disputationen 1558-1818, 1978; Simon, C.,
Untertanenverhalten und obrigkeitliche Moralpolitik, 1981; Hagemann, H.,
Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.; Kern, B., Die juristische
Gesellschaft zu Basel, ZRG GA 100 (1983), 145; Röthlin, N., Die Basler
Handelspolitik, 1986; Münch, P., Aus der Geschichte des Basler Privatrechts im
19. Jahrhundert, 1991; Basel, hg. v. Kreis, G. u. a., 2000; Hirsch, V., Der Hof
des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 2004; Hagemann, H., Laiengericht
und gelehrtes Recht am Beispiel des Basler Stadtgerichts, ZNR 27 (2005), 1;
Gröbli, F., Bibliographie von Basel, 2005; Suter, S., Die strafrechtlichen
Bedenckhen, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege – Lebenswege, 2007; Steinbrink,
M., Ulrich Meltinger, 2008; Berner, H. u. a., Kleine Geschichte der Stadt
Basel, 2008
Basiliken (griech.
[ta[] basilika [nomima], kaiserliche [Bücher bzw. Gesetze]) ist der Name für
die (von Kaiser Basilius I. 867-886 geplanten) 60 Bücher, in denen unter Kaiser
Leon VI. (886-912) in → Byzanz die lateinischen Rechtstexte (Codex und
Digesten) Kaiser → Justinians (528-534) auf der Grundlage wohl alter
griechischer Paraphrasen ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht
werden (Digestenparaphrase des Anonymus, Codexparaphrase des Thaleleios).
Später kommen Randbemerkungen (Scholien) hinzu. Um 1345 bearbeitet →
Harmenopoulos die B. im → Hexabiblos. Die unmittelbare Geltung der B.
endet mit der Einnahme Ostroms durch die Türken 1453 n. Chr., doch bleiben die
B. in Zusammenfassungen und Auszügen für Griechenland bis zum Zivilgesetzbuch
des Jahres 1946 bedeutsam.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum
libri LX, hg. v. Scheltema, J., u.a, Bd. 1ff. 1953ff.
Baske ist der
Angehörige eines vorindogermanischen, um die Pyrenäen siedelnden Volkes. Im 10.
Jh. deckt sich das Land der Basken mit dem Königreich → Navarra. 1939
beseitigt der spanische Diktator Franco die Vorrechte der ihm ablehnend
gegenüberstehenden Basken. 1979 erhalten die Basken (wieder) Autonomie.
Lit.: Ortots, H., Die Basken, 1979; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997, 2. A.
2008; Kurlansky, M., Die Basken, 2000
Baudoin (Balduinus),
François (Arras 1520-Paris 1573), Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium
in Löwen (Mudaeus) kurz in Paris (Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555
in Straßburg, seit 1556 in Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in
Besançon und seit 1569 in Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht
er sich um die von der einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende
Behandlung verschiedener Textschichten (z. B. der Codexfragmente Konstantins).
Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978
Bauer ist der
Angehörige des die Landwirtschaft betreibenden Berufsstands. Sachlich entsteht
der B. mit der Sesshaftwerdung, mit welcher der Ackerbau neben die Viehzucht
tritt. Im Frühmittelalter gerät der B. vielfach in grundherrschaftliche
Abhängigkeit. Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter etwa im 11. Jh.
bilden die verbleibenden Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der
Bauern. Namengebend wird das bloße Nebeneinanderwohnen (ahd. būan).
Möglich ist unter bestimmten Umständen der Erwerb von Freiheit (z. B.
Rodungsfreiheit). Zu Beginn des 16. Jh.s lehnen sich die Bauern erfolglos gegen
ihre Herren auf (→ Bauernkrieg). Im dreißigjährigen Krieg (1618-1648)
wird vielleicht die Hälfte der Bauern getötet. Im 19. Jh. erlangen die Bauern
Freiheit und Eigentum (→ Bauernbefreiung) und werden den (anderen)
Bürgern grundsätzlich gleichgestellt. Seit der 2. Hälfte des 20. Jh.s nimmt die
Zahl der Bauern wegen der günstigeren Lebensbedingungen in anderen
Erwerbszweigen sehr stark ab und verliert die Landwirtschaft überhaupt ihre
wesentliche wirtschaftliche Bedeutung an die Dienstleistung.
Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Heusler, A., Der Bauer
als Fürstengenoss, ZRG GA 7 (1886), 235; Wittich, W., Die Frage der Freibauern,
ZRG GA 22 (1901), 245; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern im Mittelalter, ZRG
GA 35 (1914), 111; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H.,
1925; Barth, F., Der baaremer Bauer, Schriften des Vereins für Geschichte und
Naturgeschichte der Baar 17 (1928); Weller, K., Die freien Bauern in Schwaben,
ZRG GA 54 (1934), 178; Bader, K., Die freien Bauern im Breisgau, 1936; Mayer,
T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern,
ZRG GA 57 (1937), 210; Bader, K., Das Freiamt im Breisgau und die freien Bauern
am Oberrhein, 1936; Veltzke, G., Der gebundene bäuerliche Besitz, 1938;
Arbusow, L., Das Bauernrecht des sog. budberg-schraderschen Landrechtsentwurfs
von 1740, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 25 (1937), 377;
Huppertz, B., Räume und Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland,
1939; Höffner, J., Bauer und Kirche 1939; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer,
1939; Deutsches Bauerntum, Bd. 1f. hg. v. Franz, G., 1939f.; Möller, K., Das
Vierländer Bauernrecht, 1940; Lütge, F., Die landesherrlichen Urbarsbauern in
Ober- und Niederbayern, 1943; Adel und Bauern im Staat des deutschen
Mittelalters, hg. v. Mayer, T., 1943; Grass, N., Zur Kontinuität im bäuerlichen
Rechte der Alpenländer, ZRG GA 66 (1948), 516; Haff, K., Der freie Bergbauer
als Staatsgründer, ZRG GA 67 (1950), 394; Dollinger, P., L’évolution des
classes rurales en Bavière, 1949; Das Problem der Freiheit in der deutschen und
schweizerischen Geschichte, 1955; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Lehmann,
R., Die Verhältnisse der niederlausitzischen Herrschafts- und Gutsbauern, 1956;
Hofmann, H., Freibauern, Freidörfer, Zeitschrift für bayerische
Landesgeschichte 23 (1960), 195; Wopfner, H., Bergbauernbuch, 1951ff.; Henning,
F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Achilles, W.,
Vermögensverhältnisse braunschweigischer Bauernhöfe im 17. und 18.
Jahrhundert, 1965; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18.
Jahrhundert, 1969; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Bauer, Wort
und Begriff, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975; Deutsches Bauerntum im
Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1976; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft
und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Dollinger, P., Der bayerische
Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, 1982 (franz. 1949); Fossier, R.,
Paysans d’Occident, 1984; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985, 4. A. 1987;
Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes,
1989; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft
im Mittelalter, 1992; Trossbach, W., Bauern 1648–1806, 1993; Rösener, W., Die
Bauern in der europäischen Geschichte, 1993; Wopfner, H., Tiroler
Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Epperlein, S., Bäuerliches
Leben im Mittelalter, 2003; Wiese, M., Leibeigene Bauern und römisches Recht im
17. Jahrhundert, 2006; Kissling, P., Freie Bauern und bäuerliche Bürger, 2006
Bauerbrief → Dorfordnung
Bauergericht ist
unter verschiedenen Namen das unter Vorsitz eines Bauermeisters in Flursachen
tagende Gericht des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Dorfes.
Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen,
1962
Bauernbefreiung (F.
Knapp 1887) ist die Befreiung der gebietsmäßig durchaus verschieden
gestellten Bauern aus der grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18.
Jh.s zum 19. Jh., die von Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten
Bürgern auch zwecks Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt nach
Verbesserungen des Bauernschutzes in Preußen (1749) und Österreich (1751) in
Savoyen (1761, 1771). Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von
der Aufhebung der Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird
1787 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805 50000
Domänenbauern persönliche Freiheit und freies Eigentum. Im Oktober 1807
verschafft ein preußisches Edikt bis zum Martinitag 1810 allen Bauern
persönliche Freiheit, das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen
Entschädigung. Im Laufe des 19. Jh.s dringt die B. vor allem seit 1848
(Österreich Aufhebung der Robot, Grundentlastung) allgemein durch (z. B.
Russland 1861). Entgegen den Zielsetzungen bewirkt die B. keine allgemeine
Verbesserung der Lage der Bauern.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp, G., Die
Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und
Schlesien, Bd. 1f. 1893; Darmstädter, P., Die Befreiung der Leibeigenen
(Mainmortables) in Savoyen, 1897; Vogt, G., Die Bauernbefreiung in Mecklenburg,
1937; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen Hannovers im 19. Jahrhundert,
1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der Bauernbefreiung, 1957; Engels, W.,
Ablösungen und Gemeinheitsteilungen in der Rheinprovinz, 1957; Schremmer, E.,
Die Bauernbefreiung in Hohenlohe, 1963; Winkel, H., Die Ablösungskapitalien
aus der Bauernbefreiung in West- und Süddeutschland, 1968; Hippel, W. v., Die
Bauernbefreiung im Königreich Württemberg, Bd. 1f. 1977; Dipper, C., Die
Bauernbefreiung in Deutschland 1790-1850, 1980; Kreutzkamp, F., Bauernbefreiung
auf Cappenberg, 2003
Bauernkrieg ist der
(zwischen 1300 und 1800) von den → Bauern gegen die → Grundherrn
geführte (einzelne) Krieg. Der B. von 1525 gründet sich auf eine als Folge der Pest
am Ende des Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von Martin Luther
(Von der Freiheit eines Christenmenschen) genährte Hoffnung auf Besserung der
Lage der Unterdrückten. Nicht zuletzt wegen Luthers baldiger Stellungnahme
gegen die mörderischen Rotten der Bauern enden die Bauernkriege mit Niederlagen
(bei Frankenhausen, Zabern, Böblingen und Würzburg) der Bauern (etwa 100000
Tote), ohne dass diese sich jedoch vollständig entrechten lassen.
Lit.: Zimmermann, W., Allgemeine Geschichte des großen
Bauernkrieges, 1841ff.; Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 1933, Aktenband
1935, 14. A. 1984; Blickle, P., Die Revolution von 1525, 1975; Struck, W., Der
Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen, 1975; Waas, A., Der Bauernkrieg,
1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998, 2.A. 2002; Strunz-Happe, A., Wandel
der Agrarverfassung, 2003; Fink, B., Die Böhmenkircher Bauernrevolte
1580-1582/83, 2004; Hohn, M., Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von
1525, 2004; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004; Bauernkrieg zwischen
Harz und Thüringer Wald, hg. v. Vogler, G., 2008
Bauernlegen ist das im Hochmittelalter bei
Orden (z. B. Zisterziensern) und dann in England im 15. Jh. beginnende
Einziehen wüst liegender Bauernhöfe und Aufkaufen freier Bauernhöfe durch
Grundherren zwecks Vergrößerung von Grundherrschaften (z. B. Rittergütern in
Mecklenburg und Vorpommern), das seit 1709 bzw. 1749 in Preußen verboten wird.
Lit.: Nichtweiß, J.,
Das Bauernlegen in Mecklenburg, 1954; Zientara, B., Die Agrarkrise in der Uckermark,
1867
Bauernlehen ist das vereinzelt an einen
Bauern gelangte kleine Lehen, das zwischen Lehen und Leihe steht und in das
Lehensrecht nur in einzelnen Hinsichten einbezogen wird.
Bauermeister (1159 mnd. burmester) ist vom
Hochmittelalter (bis zum Ausgang der frühen Neuzeit) der (gebietlich auch
anders bezeichnete) Leiter örtlicher, meist bäuerlicher Gemeinden mit auch
gerichtlichen Aufgaben.
Lit.: Schildt, B., Bauer Gemeinde Nachbarschaft, 1996
Bauerschaft ist die als Einheit verstandene
Nachbarschaft, vor allem auf dem Land, aber zeitweise auch in niederdeutschen
Städten.
Lit.: Lappe, J., Die
Bauerschaften der Stadt Geseke, 1908; Lappe, J., Eine „untergegangene“
Bauerschaft, ZRG GA 32 (1911), 229; Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der
Stadt Salzkotten, 1912
Bauersprache (mnd. bursprake) ist die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Dorf, in der das geltende Recht verkündet wird und bei Bedarf allgemeine Angelegenheiten beraten werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Baulast ist im
späten 20. Jh. in Deutschland das sich nicht bereits aus öffentlichrechtlichen
Vorschriften ergebende, also freiwillig gegenüber der Bauaufsichtsbehörde übernommene,
ein Grundstück betreffende Tun, Dulden oder Unterlassen eines Eigentümers. →
Kirchenbaulast
Lit.: Döring, C., Die öffentliche
Baulast, 1994
Baurecht ist
objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die sich auf die Zulässigkeit und die
Grenzen bzw. die Ordnung und die Förderung der Errichtung und wesentlichen
Veränderung von baulichen Anlagen sowie auf deren bestimmungsgemäße Nutzung
beziehen. Ursprünglich gilt für das B. der Grundsatz der Baufreiheit des
Grundstücksberechtigten (so noch das preußische Allgemeine Landrecht von
1794). Seit dem Hochmittelalter finden sich erste Einschränkungen in den
verdichtet besiedelten Städten. Dem folgen allmählich zahlreiche einzelne
Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen der Landesherren. Sie werden
in der Mitte des 19. Jh.s durch allgemeine Regelungen ersetzt (München 1863,
Bayern 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/1869, Preußen 1871, Württemberg 1872),
die mit zunehmender Besiedlungsdichte immer stärkere Beschränkungen
aufnehmen, so dass der Grundsatz der Baufreiheit in erheblichem Umfang zum
bloßen Grundsatz eingeengt wird. Als B. wird in Österreich das →
Erbbaurecht bezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F., Baurecht
nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter, A., Das
Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O., Die
Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das
Baurecht des fürstlichen Absolutismus im hohenzollerischen Franken, 1961;
Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.;
Ries, P., Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; 100 Jahre
Allgemeines Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a., 2000; Binding,
G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter,
2002; Kocken, E., Van bouwen, 2004: Untermann, M., Architektur im frühen
Mittelalter, 2006
Bausparkasse ist
die genossenschaftlich organisierte → Sparkasse, die Darlehen zu
Bauzwecken an Genossen vergibt. Die erste B. wird 1775 in
Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse, 5. A.
1977
Bautzen
Lit.: Eide, Statuten
und Prozesse, hg. v. Schwerhoff, G. u. a., 2002
Bayer ist der Angehörige des aus streitigen Grundlagen (Bojern, Alemannen, Walchen) erwachsenden, zum 6. Jh. (Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und Donau siedelnden Volkes. Die Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der → Franken. Um 740 werden für die Bayern von Bonifatius Bistümer eingerichtet (Passau, Salzburg, Freising, Regensburg, Eichstätt). Vielleicht vor 743 zeichnen die Bayern nach dem Vorbild der Alemannen ihr Recht auf (→ Lex Baiwariorum). Ihr dem bereits im 6. Jh. nachweisbaren Geschlecht der Agilolfinger angehörender König Tassilo III. wird 788 von Karl dem Großen abgesetzt. Später gelangen die Bayern (bzw. gelangt das Gebiet der Bayern als Herzogtum) nacheinander an die Luitpoldinger (Anfang 10. Jh.), das sächsische und salische Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die Welfen (1070-1138), die Babenberger (1139-1156), die Welfen (1156) und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an die → Wittelsbacher.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler,
Historisches Lexikon; Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia
Scientiarum Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Rosenthal, E., Geschichte des
Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1f. 1889ff.;
Gutmann, F., Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, 1906;
Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.;
Stowasser, O., Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925;
Spindler, M., Die Anfänge des bayrischen Landesfürstentums, 1937; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen
Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z. T. 3. A.ff. 1995ff.;
Schmid, A., Das Bild des Bayernherzogs Arnulf (907-937), 1976; Jahn, J.,
Ducatus Baiuvariorum, 1989; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A.
1992; Wolf, G., Bemerkungen zur Geschichte Herzog Tassilos III. von Bayern
(748-788), ZRG GA 109 (1992), 353; Prinz, F., Die Geschichte Bayerns, 1997;
Liebhart, W., Bayerns Könige, 2. A. 1997; Fait, B., Demokratische Erneuerung,
1998; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen
Herzogtum Bayern, 2000; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W.,
Die Baiuwaren, 2002; Bayerische Verfassungsurkunden, bearb. v. Wenzel, A., 4.
A. 2002; Schauplätze der Geschichte der Bayern, hg. v. Schmid, A. u. a., 2003;
Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 3. A.
2004; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004
Bayerisches Landrecht
von 1616 ist das von Herzog Maximilian (1597-1651) seinem Land → Bayern
gegebene einheitliche → Landrecht.
Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im bayerischen
Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975
Bayerisches Oberstes Landesgericht ist das in Wahrung der Erinnerung an Bayern als
unabhängigen deutschen Staat (1806-1871) beibehaltene, über mehreren
bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg) stehende oberste
Gericht (Oberappellationsgericht) der ordentlichen Gerichtsbarkeit in
Bayern. Es geht auf das auf Grund eines kaiserlichen, vom Reichskammergericht
befreienden Privilegs am 18. 4. 1625 verfügte Revisorium (Revisionsgericht)
Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische Ausführungsgesetz zum
Gerichtsverfassungsgesetz vom 23. 2. 1879. Vom 1. April 1935 bis 1948 war es
aufgehoben. Ab 1. Januar 2005 ist es für Neueingänge durch die
Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg ersetzt, zum 30. 6. 2006 auch
für anhängige Sachen aufgehoben.
Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes
Landesgericht, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509;
Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J.,
375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154; Hettler, F., Das
bayerische oberste Landesgericht, (in ) Bayern und Europa, 2005; Hirsch, G.,
Die Auflösung des bayerischen obersten Landesgerichts, NJW 2006, 3255
Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von → Feuerbach erarbeitete Strafgesetzbuch
→ Bayerns, das unter der Theorie des psychologischen Zwanges die wechselseitige
Freiheit aller Bürger dadurch schützen will, dass es den Straftatbestand
möglichst genau festlegt.
Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland
geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G., Feuerbachs
Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978
Bayerische Zivilprozessordnung vom 29. 4. 1869 ist das am 1. 7. 1870 den älteren (lat.) →
Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (von 1753) ablösende, bis 1879 geltende
Zivilprozessgesetz → Bayerns.
Bayern ist das von den Bayern (→ Bayer) bewohnte Gebiet. Seit
1255 wird das mit dem (lat. [N.]) privilegium minus von 1156 bei der Abteilung
Österreichs als eigenes Territorialherzogtum erkennbare, 1180 an die
Wittelsbacher verlehnte, 1214 um die Pfalzgrafschaft bei Rhein erweiterte,
durch die Ausbildung der Hochstifte Augsburg, Passau, Freising, Regensburg und
Salzburg aber geschmälerte Land B. mehrfach geteilt (1255 Oberbayern mit
Pfalzgrafschaft, Niederbayern, bis 1346). 1329 werden im Hausvertrag von
Pavia (aus Oberbayern) Oberpfalz (im Nordgau) und Pfalz einer eigenen Linie
überantwortet (mit Kurwürde seit 1356). 1335/1346 gibt Kaiser Ludwig der Bayer
dem Teil Oberbayern ein Landrecht. Nach seinem Tode (1347) wird das um Holland
und Brandenburg vergrößerte Land erneut geteilt. 1474 gibt Herzog Ludwig der
Reiche, der Gründer der Universität Ingolstadt (1472, 1800 Landshut, 1826
München), Niederbayern eine Landesordnung, die 1501 ergänzt wird (vgl. auch
das Landgebot von Bayern-München von 1500). Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg
wird nach Schaffung des Fürstentums Pfalz-Neuburg (junge Pfalz) 1506 die
Unteilbarkeit des wiedervereinigten Landes festgelegt, 1516 eine Landesfreiheitserklärung,
1516/1520 eine (vielleicht von Augustin Köllner endredigierte, 1520 um 20
Seiten gekürzte) Landesordnung, 1518 eine Landrechtsreformation (zum Landrecht
von 1335/1346), 1520 eine Gerichtsordnung, 1553 eine Landesordnung und 1616
durch den die Landstände weiter zurückdrängenden, aber nicht entmachtenden
Herzog Maximilian (1598-1651) ein einheitliches Landrecht geschaffen. 1623
wird B. Kurfürstentum. 1669 findet der letzte Landtag in B. statt. In der Mitte
des 18. Jh.s wird das Recht unter Wiguläus von Kreittmayr im (lat.) →
Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (1751), im → Codex iuris Bavarici
iudiciarii (1753) und im → Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756)
zusammengefasst. 1777 kommen Pfalz (abgesehen von der Nebenlinie
Pfalz-Zweibrücken) und Bayern in der Pfälzer Linie (Carl Theodor aus der
Nebenlinie Sulzbach-Hilpoltstein, der 1742 Jülich und Berg erheiratet und
zudem Bergen op Zoom, Pfalz-Sulzbach, Neuburg und die Kurpfalz erbt) wieder
zusammen. 1799 erbt die Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken (Max Joseph) alle Güter
Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das zum 1. 1. 1806 zum Königreich aufgestiegene,
dem Rheinbund angeschlossene und zum 6. 8. 1806 souverän gewordene Bayern große
schwäbische und fränkische Gebiete (Würzburg, Bamberg, Augsburg, Freising,
Teile von Eichstätt und Passau, 1806 Ansbach, Bayreuth). Am 1. 5. 1808
entsteht zwecks Verhinderung einer zetralistischen Gestaltung des
Rheinbundstatuts und einer Einmischung Napoleons in die inneren Angelegenheiten
Bayerns eine Verwaltung und Gerichtsbarkeit umfassend modernisierende, von 23
Edikten und Verordnungen ergänzte Konstitution, 1813 ein Strafgesetzbuch, am
26. 5. 1818 eine Verfassung (mit Kammer der Reichsräte und Kammer der
Abgeordneten). 1871 wird B. Teil des deutschen Reiches. 1918 wird das
Königreich zum Freistaat, an den 1920 Coburg angegliedert wird, der aber 1945
alle linksrheinischen Gebiete (Pfalz) an das neue Rheinland-Pfalz verliert. Am
1. 12. 1946 wird innerhalb der Besatzungszone der Vereinigten Staaten von
Amerika eine neue Verfassung für B angenommen. 1949 wird B. ein Teil der
Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Riezler, S. v. Geschichte Bayerns, Bd. 1ff. 1880ff.,
Neudruck 1964; Gengler, H., Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns, 1889;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung
Bayerns, 1929; Wüstendörfer, M., Das baierische Strafrecht des 13. und 14.
Jahrhunderts, 1942; Historischer Atlas von Bayern, hg. v. d. Kommission für
bayerische Landesgeschichte, Teil Altbayern Heft 1ff. 1950ff., Teil Franken
1951ff., Teil Schwaben 1952ff.; Rall, H., Kurbayern in der letzten Epoche der
alten Reichsverfassung, 1952; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der
Gerichtsbarkeit in Bayern, ZRG GA 71 (1954), 243; Wilhelm, R., Rechtspflege und
Dorfverfassung nach niederbayrischen Ehehaftsordnungen, 1954; Fried, P.,
Herrschaftsgeschichte der altbayerischen Landgerichte Dachau und Kranzberg,
1962; Grasser, W., Johann Freiherr von Lutz 1826-1890, 1967; Hofmann, S.,
Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und
Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Handbuch der
bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 1967ff.; Dollinger, H.,
Studien zur Finanzreform Maximilians I. von Bayern in den Jahren 1598-1618,
1968; Peitzsch, Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Ostadal, H., Die Kammer der
Reichsräte in Bayern von 1819-1848, 1968; Hüttl, L., Caspar von Schmid
(1622-1693), 1971; Weis, E., Montgelas, 1971; Mößle, W., Bayern auf den
Dresdener Konferenzen 1850/51, 1972; Repräsentation und Parlamentarismus in
Bayern, Bd. 1 1974; Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in
Bayern, hg. v. Bosl, K. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Rankl, H., Staatshaushalt,
Stände und „gemeiner Nutzen“ in Bayern 1500 bis 1516, 1976; Was früher in
Bayern alles Recht war, v. Eberle, R., 1976; Kraus, A., Geschichte Bayerns,
1983; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v.
Volkert, W. u. a., 1983; Demel, W., Der bayerische Staatsabsolutismus
1806/1808-1817, 1983; Kraus, A., Grundzüge der Geschichte Bayerns, 1984;
Sandberger, A., Altbayerische Studien zur Geschichte von Siedlung, Recht und
Landwirtschaft, 1985; Christoffer af Bayerns breve 1440-1448, hg. v. Olesen,
J., 1986; Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern
von 1811, hg. v. Demel, W. u. a., 1986; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und
Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in
den modernen bayerischen Staat, 1986; Fischer, S., Der geheime Rat und die
geheime Konferenz unter Kurfürst Karl Albrecht von Bayern 1726-1745, 1987;
Rall, H., Kurfürst Karl Theodor, 1993; Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler,
W. u. a., 1995; Leeb, J., Wahlrecht und Wahlen zur zweiten Kammer, 1996;
Regierungsakten des Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799-1815, bearb. v.
Schimke, M., 1996; Treml, M., Geschichte des modernen Bayern, 2. A. 2000;
Heydenreuter, R., Kriminalgeschichte Bayerns, 2003; Biebl, G., Bayerns
Justizminister v(on) Fäustle und die Reichsjustizgesetze, 2003; Franz, M., Die
Landesordnung von 1516/1520, 2003; Die Protokolle des bayerischen
Ministerrates, hg. v. d. historischen Kommission bei der bayerischen Akademie
der Wissenschaften, Bd. 1ff. 2003ff.; Fiedler, B., Der rheinbayerische
Kassationsgerichtshof, 2004; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A.
2004; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 3. A. 2004; Schlosser, H., Agnes
Bernauerin (1410-1435), ZRG GA 122 (2005), 263; Weis, E., Montgelas, 2005;
Bayern mitten in Europa, hg. v. Schmid, A. u. a., 2005; Krey, H.,
Herrschaftskrisen und Landeseinheit, 2005; Kummer, K., Landstände und
Landschaftsverordnung unter Maximilian I. von Bayern (1598-1651), 2005; Tassilo
III. von Bayern, hg. v. Kolmer, L., 2005; Körner, H., Geschichte des
Königreichs Bayern, 2006; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, 2. A. neubearb. v.
Wild, J. u. a., 2006; Schwertmann, M., Gesetzgebung und Repräsentation im
frühkonstitutionellen Bayern, 2006; Handbuch der historischen Stätten, Bayern,
3. A., Bd. 1f., hg. v. Körner, H. u. a., 2006; Volkert, W., Geschichte Bayerns,
3. A. 2007; Bayern – Böhmen – 1500 Jahre Nachbarschaft, 2007; Rheinbündischer
Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Weiß, D., Kronprinz
Rupprecht von Bayern, 2007; Deutsches Verfassungsrecht, hg. v. Kotulla, M., Bd.
2 2007 (rund 340 Dokumente); Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer,
H. u. a., 2008; Die bayerische Konstitution von 1808, hg. v. Schmid, A., 2009
Beamtenrecht ist die sich als Rechtsgebiet seit dem 19. Jh. entwickelnde Gesamtheit der → Beamten betreffenden Rechtssätze (Ansätze im 17. Jh. und in einem Reichshofratsprozess von 1776, in dem der Reichshofrat seinen Schutz einem ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos und unehrenhaft entlassenen Beamten gewährt).
Lit.: Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrats und
die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Dold, I.,
Die Entwicklung des Beamtenverhältnisses im Fürstentum Fürstenberg, 1961;
Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht,
1973
Beamter im
beamtenrechtlichen Sinn ist, wer unter Aushändigung einer Urkunde bei einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts in das Beamtenverhältnis als ein
öffentliches Dienstverhältnis und Treueverhältnis berufen worden ist. Insofern
gibt es vor dem im Mittelalter entstehenden Territorialstaat keine eigentlichen
Beamten, sondern nur Amtsträger. Für diese setzt sich im fränkischen Reich das
Lehnsprinzip durch. Vielleicht seit dem 13. Jh. (bzw. der ausgehenden
Stauferzeit) wird der belehnte Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und
zunehmend fachlich geschulten Beamten ersetzt. Schon im 17. Jh. kann dieser
wegen seiner wohlerworbenen Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil
entschädigungslos seines Amtes enthoben werden. Im 18. Jh. werden Beamte in
Preußen zu Pflichtbewusstsein, Sachkenntnis, Pünktlichkeit und
Unbestechlichkeit erzogen. Allgemeine Regeln über die als Zivilbediente
bezeichneten Beamten enthält das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II
10 §§ 68ff.). Dort ist der Beamte nicht länger Fürstendiener, sondern
Staatsdiener. 1850 schreibt die preußische Verfassungsurkunde in den Artikeln
87ff. für die richterlichen Beamten moderne Grundsätze fest, welche die
Weimarer Reichsverfassung in den Artikeln 128ff. auf alle Beamten erweitert. In
Österreich wird die dienstrechtliche Stellung allgemein erst durch die
Dienstpragmatik vom 25. 1. 1914 geregelt (RGBl. 1914, 15). Im Deutschen Reich
werden die Beamten 1933 auf die nationalsozialistische Ideologie ausgerichtet
(Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933,
maßregelt durchschnittlich 6-8 % der Beamten). 1949 werden die hergebrachten
Grundsätze des (wiederhergestellten) Beamtentums in Art. 33 GG aufgenommen.,
während die Deutsche Demokratische Republik den Beamten zum öffentlichen
Arbeitnehmer macht. Wichtigste Beamtengesetze der Bundesrepublik Deutschland
sind das Bundesbeamtengesetz und das Beamtenrechtsrahmengesetz. Österreich
schafft am 2. 6. 1977 ein Beamtendienstrechtsgesetz. Wegen der hohen Personalkosten
ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von Beamten ausgeübt
werden muss.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst,
1808; Isaacsohn, S., Geschichte des preußischen Beamtentums, Bd. 1ff. 1874ff.;
Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Bader, K., Die
Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen
Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Wyluda, E., Lehnrecht und Beamtentum,
1969; Rejewski, H., Die Pflicht der politischen Treue im preußischen
Beamtenrecht (1850-1918). 1973; Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung,
1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980, 2. A. 1993;
Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Megner, K., Beamte, 1985;
Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Süle, T., Preußische
Bürokratietradition, 1988; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Kittel, E.,
From Ad Hoc to Routine, 1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der
NS-Diktatur, 1996; Wunder, B., Die badische Beamtenschaft, 1998; Heyen, E.,
Pastorale Beamtenethik 1650-1700, HZ 280 (2005) 345; Hesse, C., Amtsträger der
Fürsten im spätmittelalterlichen Reich, 2005 (7468 Kurzbiographien); Krause,
F., Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008; Herlemann, H.,
Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (BBG),
ZRG GA 126 (2009), 296
Beati possidentes (lat.
[M.Pl.]) die glücklichen Besitzenden (sind im Rechtsstreit im Vorteil).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Euripides 485/480-406 v. Chr.)
Beaumanoir, Philippe de Rémi, Herr (Seigneur) von (um 1247-7. 1. 1296), nachgeborener Sohn des bailli (Amtmanns) des
Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechts in Orléans und vielleicht Bologna
1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in Beauvaisis. Zwischen 1280 und
1283 verfasst er Li livres des coustumes et des usages de Beauvoisins (Coutumes
de Beauvaisis), die teils das Bestehende bewahren, teils aber auch verändern.
Später erhält er hohe königliche Ämter.
Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir, Coutumes de
Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899,
Neudruck 1970; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les
coutumes de Beauvaisis, 1283-1983, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983
Beaumont bei Reims
ist die freie Siedlung, mit deren Recht viele Orte im Westen des deutschen
Reiches bewidmet werden. → Loi de Beaumont
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221;
Bonvalot, E., Le tiers état d’après la charte de Beaumont, 1884
Bebenburg, Lupold
von (Bebenburg in Württemberg um 1297-Bamberg 28. 10. 1363),
Reichsministerialensohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechts in
Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und nach der Lösung (1351) des 1338 vom
Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof in Bamberg. In seinem
kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1340)
entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in der er einem Reichskaisertum
ein auf göttliches Recht gegründetes Weltkaisertum gegenüberstellt.
Lit.: Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 30
Beccaria, Graf Cesare Bonesana von (Mailand 15. 3. 1738-28. 11. 1794), nach dem Rechtsstudium (1754-1758)
1760-1771 Professor in Mailand, danach im Dienst der österreichischen
Lombardei, verfasst 1764 zunächst anonym (it.) Dei delitti e delle pene (Von
Verbrechen und Strafen). Darin verlangt er die Durchsetzung des Grundsatzes
(lat.) nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz), die regelmäßige
Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslängliche Zwangsarbeit, die Abschaffung
der Folter, die Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung, das Verbot der
Willkür bei Strafverfolgung, die Beachtung der Nützlichkeit gegenüber der
bloßen Vergeltung sowie die Bekämpfung des Verbrechens durch aufgeklärte
Bildung. Dies hat Auswirkungen auf das Erzherzogtum Toskana des Habsburgers
Leopolds II. Gegner Beccarias ist Immanuel Kant.
Lit.: Köbler, DRG 158; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling,
G., 1989; Weis, E., Cesare Beccaria (1738-1794), 1992; Beccaria et la culture
juridique des lumières, hg. v. Porret, M., 1998
Bede ist im
deutschen Mittelalter (13.-15. Jh. die im Hinblick auf eine bestimmte Notlage
von einem Herrn erbetene und von den Betroffenen durch Zustimmung bewilligte,
in ihrer Höhe vermögensabhängige → Abgabe in Geld seit etwa dem 11. Jh.
Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen Stadt trifft die B. als Umlage den
Bürger. Später wird die B. von der Steuer verdrängt (z. B. Bayern 1292, 1295,
1304, 1309).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Zeumer, K.,
Die deutschen Städtesteuern, 1878; Waas, A., Vogtei und Bede, 1919; Erler, A.,
Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schomburg, W., Lexikon der
deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992
Bedingung ist das
zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt die Folgen einer
menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist aufschiebend oder
auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt (lat. [F.] →
condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit dem Mittelalter
aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) folgt dem von
Windscheid (Die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1851) eingenommenen Standpunkt,
dass die erfüllte aufschiebende Bedingung regelmäßig keine rückwirkende Kraft
hat und während der Schwebezeit eine Gebundenheit des bedingt Verpflichteten zu
Gunsten des bedingt Berechtigten für den Fall des Eintritts der Bedingung
besteht
Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung
der Bedingung, 1973; Scheltema, A., De goederechtelijke werking van de
ontbindende voorwarde, 2003
beerbt (mit einem
[Abkömmling als] Erben versehen)
Beeskow
Lit.: Urkunden
der Stadt Beeskow, bearb. v. Beck, F., 2003
Befangenheit ist das Fehlen der Unvoreingenommenheit bzw. der sachlichen Einstellung unabhängig von persönlichen Neigungen. Insbesondere von Richtern wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B. erst im 18. Jh. erfasst.
Befestigung ist die künstliche Schutzvorrichtung
(z. B. durch Mauern) eines Ortes gegenüber anderen.
Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König beanspruchte Recht, einen Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der Entstehung des → Landes geht das B. vom König auf den Landesherrn über (1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B.
Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland, 1909;
Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911; Isenburg, G., Die
Befestigung der mittelalterlichen Stadt, 1997
Begnadigung ist der
auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlass der Strafe eines einzelnen
Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen Herrn. Sie
ist so alt wie die Strafe selbst. Im 20. Jh. wird sie zunehmend verrechtlicht.
Lit.: Bauer, A., Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege,
1996; Rehse, B., Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen,
2008
Begräbnis ist das
Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen Zeiten
an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein
anderweitiges Fortwirken mitgegeben. Im Anschluss an die jüdische Bibel begraben
die Christen ihre Toten im Hinblick auf die künftige Auferstehung des
verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der
Kirchhof zum wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung
wird das B. verrechtlicht. Die vom Christentum abgelehnte Verbrennung wird seit
dem Ende des 18. Jh.s bedeutsamer.
Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906;
Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992, 9. A.
2004; Ili, M., Wohin die Toten gingen, 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum
Krematorium, 1996; Bestattungsbefunde in ethnoarchäologischer Perspektive, hg.
v. Noll, E. u. a., Ethnograph.-archäolog. Zs. 38 (1997), 287ff.; Engels, J.,
Funerorum sepulcrorumque magnificentia, 1998; Hassenpflug, E., Das
Laienbegräbnis in der Kirche, 1999
Begriff ist die von
Sache und Wort zu trennende Vorstellung des Menschen von einer Gegegebenheit.
Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002;
Koselleck, R., Begriffsgeschichten, 2006
Begriffsjurisprudenz (Jhering
1884) ist die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht,
dass die Rechtsordnung nicht eine zusammenhanglose Anhäufung einzelner
Vorschriften ist, sondern ein sinnvolles, zusammenhängendes Ganzes und damit
aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen (Begriffspyramide)
besteht, aus dem vor allem unter Ausschluss aller außerrechtlichen politischen
und gesellschaftlichen Wertungen durch einen logischen Denkvorgang eine
Lösung des gesetzlich nicht eindeutig geregelten Einzelfalls ermittelt werden
könne und Lücken durch Begriffe und Grundsätze geschlossen werden, die aus dem
Gesetz oder Gewohnheitsrecht (z. B. aus den Regeln des römischen Rechts über
den Irrtum bei dem Kauf) durch Abstraktion gewonnen werden (z. B. der Grundsatz,
dass ein Irrtum eine Willenserklärung nichtig macht). Sie beruht geschichtlich
auf der → historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch auf dem →
Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg Friedrich →
Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von rein
juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der
Geschichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener, den
Naturwissenschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage konstruktiv
die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass freilich auf der Suche
nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig ausgeschlossen sind. Die B.
wird in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s vor allem von Rudolf von Ihering angezweifelt
und danach allmählich von der → Interessenjurisprudenz verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Savigny, F.
v., Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A.,
1993; Puchta, G., Cursus der Institutionen, 1841, Bd. 1, 9 A. 1881; Wilhelm,
W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Krawietz, W.,
Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge
der neueren Privatrechtsgeschichte, 10. A. 2005, § 4; Bohnert, J., Über die
Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Falk, U., Ein Gelehrter wie
Windscheid, 1989; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001; Haferkamp, H.,
Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004; Henkel, T.,
Begriffsjurisprudenz und Billigkeit, 2004
Begründung → Urteilsbegründung
Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G., Die
Begründung in Schöffenspüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Begründungen
des Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die Begründung von
Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler,
G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69;
Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als
historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis
und Begründungszwang, 2002; Ratio decidendi. Guiding Principles of Judicial Decisions, hg. v. Bryson, W. u. a., 2006
Begünstigung ist
die Hilfeleistung an einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in
der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Sie wird erst in der Neuzeit
als solche verselbständigt.
Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene
Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte,
5. A. 2007; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002
Behörde ist die
organisatorisch selbständige Stelle, die (als unselbständiges Organ des Staates
oder sonstigen selbständigen Verwaltungsträgers) Aufgaben öffentlicher →
Verwaltung wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung
eine gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung
des modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Frühe Ansatzpunkte sind
Kanzlei, Hofgericht, und Raitkammer. Im 19. Jh. erfolgt ein rational-bürokratischer
Aufbau aller Behörden, wobei monokratische und kollegiale Behörden möglich
sind. → Bürokratie
Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H.,
Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch.
Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887,
Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in
Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation,
1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation im
Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die Behördenverfassung der
Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss.
jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues
Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des
Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973; Histoire
comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. Bd. 1ff.1983ff.
Beichtstuhljurisprudenz ist die sich auf die spätantike Ohrenbeichte (lat. [F.]
paenitentia privata, private Beichte) gründende, in Westeuropa seit dem 6. Jh.
(Toledo 589, Irland E. 6. Jh., Châlon-sur-Saône 644-656) sichtbare, seit dem
12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom Verhalten des christlichen Beichtvaters
gegenüber einem Sünder hinsichtlich der Entscheidung für und gegen die Lossprechung.
Hierzu entstehen im Frühmittelalter besondere Bußbücher (Columban, Liber
paenitentiarum mensura taxanda [Luxueil um 573], Iudicia Theodori Cantuariensis
[Canterbury? Ende 7. Jh.]) und im Hochmittelalter Beichtsummen (lat. Summae
[F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von
Peñafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor
1290?). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog. (lat.) → forum (N.)
internum werden dabei nach den Regeln des Rechts bzw. der gelehrten Rechte
behandelt. Am päpstlichen Hof entwickelt sich die apostolische Poenitentiarie
als für Gewissenssachen und Gnadensachen zuständige Behörde. Während die
Reformation dem Beichtvater die Entscheidungsgewalt abspricht, stellt die
katholische Kirche die Entscheidung der Beichtväter (1551) einem Urteil gleich.
Nach 1558 wird das Beichtverfahren in die geistliche Gerichtsbarkeit überführt.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des
römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W.,
Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes
de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen
forum internum und externum für die spätmittelalterliche Gesellschaft, ZRG KA
76 (1991), 254ff.; Prosperi, A., Tribunali della coscienza, 1996; Das Konzil
von Trient und die Moderne, hg. v. Reinhard, W., 2001; Alle origini del
pensiero giuridico moderno, hg. v. Cavina, M., 2004
Beichtsumme → Beichtstuhljurisprudenz
Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique, 1962;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828
Beigeordneter ist in einigen Bundesländern
Deutschlands der vom zuständigen Organ einer kommunalen Körperschaft auf Zeit
gewählte führende →Beamte.
Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978
Beihilfe ist die
Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer Straftat oder hinsichtlich
einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen wird erst im
Spätmittelalter gelegentlich unterschieden. Danach wird die B. als allgemeine
Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem Ausbau des
Rechts der → Beamten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.
Beil ist das aus metallener Klinge und hölzernem
Griff zusammengesetzte, hauptsächlich einhändig dem Zerkleinern von Holz
dienende Gerät. Es ist in Altertum und Mittelalter auch ein Kennzeichen für
herrschaftliche Gewalt und wird zum Vollzug von Todesstrafen und Leibesstrafen
verwendet. Seit dem 14. Jh. erscheint das Fallbeil, das in Frankreich 1792 nach
Vorschlag des Arztes J. Guillotin zur Guillotine weiterentwickelt wird.
Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Maisel, W., Rechtsarchäologie
Europas, 1992
Beilager ist
der Beischlaf bzw. die öffentliche Beschreitung des Ehebetts als Voraussetzung
für die vollzogene → Eheschließung, deren rechtliche Notwendigkeit in der
germanischen Zeit streitig ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und
Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das
Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das
Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter
und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310;
Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961),
298
Beirut → Berytos
Beisasse ist (vor
allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner
(Bürger).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A.
1980, 275ff.; Vits, B., Hüfner, Kötter und Beisassen, 1993
Beisitz ist eine
mindere Form einer Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht bleibt nach dem Tode
eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögensgemeinschaft
auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B.,
bis dieser durch Abschichtung, Wiederverheiratung oder Tod beendet wird. Mit
der Entwicklung des → Ehegattenerbrechts schwindet der noch im
preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 1 § 645) enthaltene B.
Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89; Brauneder, W., Die
Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973
Beisitzer → Assessor
Beispruch ist im
älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers eines
Gutes zur Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht auf der ursprünglichen
Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges
Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rückrufsrecht), schwindet im Laufe
des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht
allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers.
Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach
altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und
Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und
Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952
Beispruchsrecht → Beispruch
Belagerungszustand ist der seit dem 19. Jh. verrechtlichte Zustand der
(ursprünglich tatsächlichen) Belagerung (z. B. einer Stadt) durch einen Feind,
in dem bestimmte Rechte eingeschränkt und die Zuständigkeit von Gerichten
abgeändert werden kann.
Lit.: Schudnagies, C., Der Kriegs- oder Belagerungszustand während des
ersten Weltkriegs, 1994
Beleidigung ist die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen. Sie ist im altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten, die im klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst. Im Mittelalter hat die B. eher tatsächliche als rechtliche Folgen. Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Bei Thomasius (1655-1728) werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander geschieden. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die Verleumdung von der B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble Nachrede als B. in weiterem Sinn an.
Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung,
1886; Thieme, K., Iniuria und Beleidigung, 1905; Bartels, K., Die Dogmatik der
Ehrverletzung in der Wissenschaft des gemeinen Rechts, Diss. jur. Göttingen
1959; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A.
2007; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998
Belgien ist das
Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein Name
geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene keltisch-germanische Mischstämme
zurück, die zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet werden. Sie
geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss der vom Niederrhein
einströmenden → Franken, die den nördlichen Teil sprachlich assimilieren
(altniederfränkisch, flämisch). 843/877 gelangt ein Teil an den Westen
(Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte
Gebiet an → Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für das
Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheitsrechte (coutumes)
binnen sechs Monaten anordnet ([1750] 691). Bei der Teilung im Hause Habsburg
(1521/1522/1526) fällt der Raum an → Spanien, ohne im Freiheitskampf der →
Niederlande mit diesen sich (tatsächlich 1571-1581 und rechtlich 1648) aus der
spanischen Herrschaft lösen zu können (spanische Niederlande). Nach dem spanischen
Erbfolgekrieg (1713) wird das Gebiet an das habsburgische → Österreich
gegeben (österreichische Niederlande), nach der Besetzung durch das bald seine
Kodifikationen von 1804ff. unter Aufhebung älterer Gewohnheitsrechte und
Gesetze einführende Frankreich (1793, 1795 Batavische Republik, 1797 Teil
Frankreichs) 1815 aber Österreich auch rechtlich entzogen und mit den
Niederlanden zum Königreich der Niederlande vereint. Unter der Einwirkung der
französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische
(romanische) Gebiet (im Südosten um [Brüssel,] Charleroi, Namur, Bastogne, 40
Prozent), teils flämische (niederländischsprachige) Gebiet (im Nordwesten um
Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen, Mechelen, 60 Prozent) am 18. 11. 1830 seine
Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle
Monarchie fest (Einheitsstaat). Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt.
Die 1831/1839 garantierte Neutralität ist seit 1914/1919 beendet bzw.
aufgehoben. Seit 1951/1952 ist B., in dem die sog. flämische Revolution die
Vorherrschaft französischer Kultur mehr und mehr durchbricht, Kernland
europäischer Einigung (1951/1952 Montanunion, 1957 Euratom, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft),
entwickelt sich als Folge des inneren sprachlichen Gegensatzes aber 1993 zu
einem Bundesstaat. → Europäische Union
Lit.: Recueil des anciennes ordonnances de la Belgique;
Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H., Histoire de
Belgique, Bd. 1ff. 1899ff., Neudruck 1975; Errera, P., Das Staatsrecht des
Königreichs Belgien, 1909; Marez, G. des, Le droit privé à Ypres, 1927;
Vercauteren, F., Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires
publiés par l’académie royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen
over Luikse en Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk
recht, 1943; Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 1949ff.; Standen en Landen,
Bd. 1ff. 1950ff.; Génicot, L., L’économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst,
A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,3794,3892,3973,4091; Ordonnances
et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977;
Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a.,
Chronologische Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J.,
Historische Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de
officialiteit van Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982;
Cossart, A. v., Belgien, 1985; Dumont, G., Histoire de la Belgique, 1985;
Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Costumen van
de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2 1989;
Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur
Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20.
Jahrhundert, 1993; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des
Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 3. A.
2002ff.; Delpérée, F., Le droit constitutionnel de la Belgique, 2000; Zedinger,
R., Die Verwaltung der österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795), 2000;
Uyttendaele, M., Précis de droit constitutionnel belge, 2001; Geschiedenis van
de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003;
Koll, J., Die belgische Nation, 2003; Politieke en sociale geschiedenis van
justitie in Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; La Belgique, les petits
Ètats et la construction européenne, hg. v. Dumoulin, M. u. a., 2003; Napoleons
nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005; Heirbaut, D., Hadden/hebben de
Belgische ministers van Justitie een civielrechtelijk beleid?, 2005; Schaepdrijver,
S. de, La Belgique et la première guerre mondiale, 2005; Heirbaut, D.,
Privaatrechtsgeschiedenis van de Romeinen tot heden, 2005; Vesentini, F.,
Pratiques pénales et structures sociales, 2005; Lejeune, C., Die Säuberung, Bd.
1ff. 2005ff.; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006; Dupont-Bouchat, M. u.
a., La Belgique criminelle, 2006; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Deferme,
J., Uit de ketens van de vrijheid, 2007; Verfassungsdokumente Belgiens,
Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Heirbaut,
D., Een beknopte geschiedenis van het sociaal, het economisch en het fiscaal
recht in Belgie, 2009; Horvat, S., De vervolging van militairrechtelijke
delicten tijdens Wereldoorlog I, 2009
Belial (hebr.
Bosheit, Widersacher Christi) ist in der Bibel (2. Kor. 6, 15) ein Teufel und
im Spätmittelalter eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra
Jesum coram iudice Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter
Salomo) des kanonistisch geschulten Archidiakons Jacobus (Paladinus) de Theramo
(Teramo, 1382 Archidiakon in Aversa, 1391 Bischof von Monopoli, später von
Florenz) von 1382. Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die
Rezeption der gelehrten Rechte beschleunigender Literatur.
Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig,
1960, 55; Ott, N., Rechtspraxis und Heilsgeschichte, 1983
Beliebung →
Dorfordnung, Siebenhardenbeliebung
Bellapertica → Petrus de
Bello, Andrés
(1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges Rechtsstudium in London betreibt,
ist der Verfasser des auf dem europäischen Kodifikationsgedanken und dem
spanisch-römischen Sachmaterial eigenständig aufgebauten (span.) Codigo civil
(Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de Chile von 1855.
Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des
chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988
Bellot, Pierre
François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der Redaktor
des Zivilgesetzbuches und Schöpfer des Prozessrechts in → Genf.
Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446
bellum (lat.
[N.]) Krieg
Benedictus de Isernia
ist ein in Benevent kurz vor 1200 geborener, 1252 in Neapel noch bezeugter
Jurist (Glossen, Summen).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 496
Benedictus Levita
ist der selbstgewählte Name des (unbekannten) Verfassers einer in drei Bücher
mit 405, 436 und 478 (bzw. insgesamt 1721) Kapiteln gegliederten, um 850 (vor
852?) wohl in der Erzdiözese Reims (nach eigenen Angaben im Archiv der Kirche
von Mainz) entstandenen, zum Teil (mehr als drei Vierteln?) gefälschten oder
verfälschten, zu einem beträchtlichen Teil aber echten, auf sehr guten
Vorlagnen beruhenden, vollständig nur durch zwei Handschriften überlieferten,
nur mäßig erfolgreichen Rechtssammlung, die Kapitularien aus der Sammlung des
→ Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen
kirchlichen wie weltlichen Rechts (von den Volksrechten nur die [lat.] Lex
Baiwariorum, Volksrecht der Bayern) ohne jede erkennbare Ordnung aneinanderreiht.
Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961;
Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.; Schmitz, G.,
Die Reformkonzilien von 813 und die Sammlung des Benedictus Levita, DA 56
(2000), 1; Fortschritt durch Fälschungen?, 2002; Lukas, V., Eine Sammlung von
Kapitularien Karls des Großen bei Benedictus Levita, ZRG KA 90 (2004), 1
Benedikt XIV. (Prospero
Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines Werkes
(lat.) De synodo dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste Vertreter
einer geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft.
Lit.: Haynes,
R., Philosopher King. The Humanist Pope Benedict XIV, 1970
Benediktiner ist der
Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und
nach 529 in Montecassino (bei Neapel) geleiteten ältesten abendländischen
Mönchsordens, der nach der von Benedikt verfassten, sich im fränkischen Reich
durchsetzenden Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben
Montecassino vor allem Luxeuil, Cluny, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy,
Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm, Hirsau, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im
Elsass, Lorsch, Maria Laach, Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron,
Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten,
Sankt Emmeram und Göttweig. Als Zweigorden der B. lassen sich Kamaldulenser,
Vallumbrosaner, Zisterzienser, Silvestriner, Cölestiner und Olivetaner verstehen.
In Frankreich werden alle Klöster der B. 1789 aufgehoben, im Heiligen Reich
alle Klöster 1803 säkularisiert, doch werden im 19. Jh. viele wiederbegründet.
Seit 1893 gibt es einen weltweiten Zusammenschluss mit derzeit 21
Kongregationen und rund 200 Klöstern.→ regula Benedicti
Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen
Mönchtums, 1929; Schmitz, P., Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 1ff.
1947ff.; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986; Engelbert,
P., Geschichte des Benediktinerkollegs Sankt Anselm in Rom, 1988
Benediktinerregel →
regula Benedicti
Benediktion
Lit.: Franz, A., Die
kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 1909
Beneficium (lat. [N.] Wohltat, gute Tat) ist im römischen Recht jede (, vor allem kaiserliche) Gunst (z. B. Übertragung des Rechts an einer Sache [u. a. b. excussionis sive ordinis, b. divisionis, b. cedendarum actionum, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b. inventarii, b. separationis bonorum, b. cessionis bonorum, b. competentiae]), im Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte → Leihe. Als solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe (z. B. säkularisierten Kirchenguts) gegen Leistung von Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter (Amtspfründen) verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des 9. Jh.s auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von → Lehen. Im 13. Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im Rahmen des römischen Rechtes wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder verwendet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte
des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Mitteis, H., Lehnrecht
und Staatsgewalt, 1933; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983, 7.
A. 1989; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994 ; Mönchtum - Kirche -
Herrschaft, hg. v. Bauer, D. u. a., 1998 ; Erdmann, J., Quod non est in
actis, 2007
beneficium (N.)
cedendarum actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden
Ansprüche
Beneficium (N.) competentiae (lat.) (Rechtswohltat des Notbedarfs) heißt seit dem 16.
Jh. die schon im klassischen römischen Recht vorhandene Möglichkeit, gewisse
nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zum Geldwert eines zur Urteilszeit
vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit der Vollstreckung verbundenen
Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf
Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c. genießt auch der Klerus, dem das zum
standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu belassen ist.
Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom
beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des
beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im
klassischen römischen Recht, 1986
beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung
Beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung) ist die nach der
Reformation Martin → Luthers von Landesherren und durch den Augsburger
Religionsfrieden vom 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte Freiheit, in ein
Land auszuwandern, in dem die vom eigenen Landesherrn nicht geteilte Religion
eines auswanderungswilligen Untertanen gilt. Voraussetzung ist der Verkauf der
Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer möglichen Befreiungsabgabe.
Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1949, 55
beneficium (N.) excussionis
(lat.) Wohltat (Einrede) der Vorausklage
beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der Inventarerrichtung
Beneš-Dekrete sind die von Edvard
Beneš (28. 5. 1884-3. 9. 1948) als dem Präsidenten der zweiten tschechoslowakischen
Republik verfügten (insgesamt 143) Dekrete (Dekret des Präsidenten vom 19. Mai
1945 über die nationale Verwaltung [Enteignung) der Vermögenswerte von
Deutschen und Madjaren, Verrätern und Kollaborateuren, Dekret vom 19. Juni 1945
über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, Verräter und ihrer
Helfershelfer durch außerordentliche Volksgerichte, Dekret vom 21. Juni 1945
über die Konfiskation und Aufteilung des landwirtschaftlichen Vermögens der
Deutschen, Madjaren usw., [Bekanntmachung des Finanzministers vom 22. Juni
1945 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens,] Dekret vom 20. Juli 1945
über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, Madjaren und
anderen Staatsfeinde durch Tschechen und Slowaken, Verfassungsdekret vom 2.
August 1945 über den Verlust der Staatsbürgerschaft der Deutschen und Madjaren,
Dekret vom 19. September 1945 über die Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen (ohne Entlohnung und
Lebensmittel), Dekret vom 18. Oktober 1945 über die Auflösung der deutschen
Universität Prag und der deutschen technischen Hochschulen von Prag und
Brünn, Dekret vom 25. Oktober 1945 über die Konfiskation des feindlichen
Vermögens, Dekret vom 27. Oktober 1945 über die Einrichtung von
Zwangsarbeitssonderabteilungen und Verfassungsdekret vom 27. Oktober 1945
über die Sicherstellung der als unzuverlässig angesehenen Menschen (sowie
Erlass des Innenministeriums vom 26. November 1945 über die Aussiedlung der
deutschen Antifaschisten in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands und
Gesetz vom 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem Kampf um die
Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängenden
Handlungen [oder Straftaten]). Die B. entfalten noch in der Gegenwart
Wirksamkeit.
Lit.: Dokumente
zur Diskussion über die Beneš-Dekrete, hg. v.
Slapnicka, H., 1999; Beneš, E., Benesovy
dekrety, 2002; Mandler, E., Benesovy dekrety, 2002; Die Deutschen
und Magyaren in den Dekreten des Präsidenten der Republik. Studien und
Dokumente 1940-1945, hg. v. Jech, K., 2003; Perzi, N., Die Beneš-Dekrete, 2003;
Bühler, K./Schusterschitz, G./Wimmer, M., The Beneš-Decrees, Austrian Review of
International and European Law 9 (2004), 1
Bentham, Jeremy
(London 15. 2. 1748-6. 6. 1832), Anwaltssohn, wird nach dem Studium in Oxford
und der Ausbildung in Lincoln’s Inn (1763) für kurze Zeit Anwalt. 1789
veröffentlicht er als Privatgelehrter (engl.) The Introduction of the
Principles of Morals and Legislation (Einführung in die Grundsätze von Moral
und Gesetzgebung), welcher der Gedanke zugrunde liegt, dass eine Handlung dann
richtig und ein Gesetz dann gerecht ist, wenn es das größte Glück der größten
Zahl von Menschen fördere (→ Utilitarismus). Dazu strebt er eine
Kodifikation an. 1817 tritt er in (engl.) A Catechism on Parliamentary Reform
(Bekenntnis zur Reform des Parlaments) für jährliche Wahlen, einheitliche
Wahlbezirke, Ausdehnung des Wahlrechts und Geheimheit der Wahl ein. Er
beeinflusst John → Austins analytische Rechtswissenschaft. Die historische
Rechtsschule nimmt ihn nicht zur Kenntnis, doch gibt es einzelne Auswirkungen
seiner Vorstellungen im Prozess, Gefängniswesen und den Zinsen.
Lit.: Köbler, DRG 139, 179; Bentham, J., A Comment on the
Commentaries, hg. v. Everett, C., 1928; Vanderlinden, J., Code et codification
dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1974); Campos Boralevi, L., Bentham and
the oppressed, 1984; Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986;
Luik, S., Die Rezeption Jeremy Benthams, 2003; Kramer-McInnis, G., Der
„Gesetzgeber der Welt“, 2008
Bentheim
Lit.: Köbler, G.,
Historisches Lexikon der deutschen Länder, 7. A. 2007; Finkemeyer, E.,
Verfassung und Verwaltung der Grafschaft Bentheim zur Zeit der hannoverschen
Pfandschaft 1753-1804, 1967; Veddeler, P., Die territoriale Entwicklung der
Grafschaft Bentheim bis zum Ende des Mittelalters, 1970; Marra, S., Allianzen des
Adels, 2006
Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang zur Benutzung einer öffentlichrechtlichen Einrichtung, wie er im 19. Jh. durch die → Leistungsverwaltung durchgesetzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich der öffentlichen Schlachthäuser).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwaltungsgeschichte,
hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f.
Beratungshilfe ist
die in Deutschland zusammen mit der Prozesskostenhilfe das → Armenrecht 1980
ablösende Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen
Verfahrens durch Rechtsanwälte.
Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungshilfegesetz/Prozesskostenhilfe,
1990
Berber ist der Angehörige eines eine
Berbersprache sprechenden Volkes in Nordafrika (z. B. Tuareg, Kabyle, Wort
vielleicht von gr. barbaros?)
Lit.: Brandes, J., Geschichte der Berber, 2004
Bereicherung ist die Vermehrung eines Vermögens. Sie ist dann herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem Sinn kann bereits im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der → Kondiktion (lat. [F.] condictio) zurückverlangt werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für Fälle nicht eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes. Herauszugeben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In nachklassischer Zeit wird im Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung mit der allgemein philosophisch-christlichen Überlegung gerechtfertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher (lat. locupletior) werden dürfe. Im Mittelalter versuchen die Glossatoren erstmals, die Kondiktion mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene B. zu verbinden. Dem folgt → Duaren (1509-1559). Von Hugo → Grotius wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die vernunftrechtlichen Kodifikationen aufgenommen. Im 19. Jh. setzt sich wohl auf Grund der von Glück übernommenen Vorstellung die Ansicht durch, dass nur die noch vorhandene B. herauszugeben ist. Otto von Gierke bewirkt, dass im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) die Grundlosigkeit des Habens als Leitgedanke der Ansprüche auf Herausgabe der B. vorangestellt wird.
Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215, 271;
Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, ZRG
RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche,
1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung in dogmengeschichtlicher
Sicht, (in) Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi Dergise 29 (1972), 289; Misera,
K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten, 1974; Schubert,
W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA
92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen
Recht, 1988; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen
Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex
negotiatione, 1993; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J.,
The Concept of unjust enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in
Europa, 2001; Wernecke, F., Abwehr und Ausgleich aufgedrängter Bereicherungen,
2004; Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v.
Zimmermann, R., 2005
Berg an der Dhün am
Niederrhein ist im 11. Jh. der Sitz eines Geschlechts von Grafen, deren Land
1614/1666 an Pfalz-Neuburg und 1777 mit der Pfalz an Bayern gelangt. 1805/1806
formt Napoleon hieraus und aus anderen Gebieten das Großherzogtum Berg mit
Verfassung und Verwaltung nach französischem Vorbild. 1813/1814 werden die
französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815 fällt B. an Preußen, über das sein
Gebiet (1946) zu → Nordrhein-Westfalen kommt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Land im Mittelpunkt
der Mächte, 3. A. 1985; Kraus, T., Die Entstehung der Landesherrschaft der
Grafen von Berg, 1981; Francksen, M., Staatsrat und Gesetzgebung im
Großherzogtum Berg 1806-1813, 1982; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte,
1995; Schmidt, C., Das Großherzogtum Berg, 1999; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Modell und Wirklichkeit, hg. v.
Dethlefs, G. u. a., 2008; Severin-Barboutie, B., Französische
Herrschaftspolitik und Modernisierung, 2008
Berg, Günther
Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27. 11. 1765-9. 9. 1843), Amtmannssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1793 außerordentlicher Professor in
Göttingen und danach Hofrat (1800), Regierungspräsident, Bundestagsgesandter,
Oberappellationsgerichtspräsident und Staatsminister. Sein bekanntestes
Werk ist ein siebenbändiges Handbuch des → Polizeirechts (1799ff.).
Lit.: Köbler, DRG 152
Bergbau → Bergrecht
Lit: Bader, K., Zur
Geschichte des Eisenerzabbaues und des Hüttenwerks zu Blumberg, 1938;
Schmidtill, E., Zur Geschichte des Eisenerzbergbaues im südlichen
Fichtelgebirge, 1963; Valentinitsch, H., Das landesfürstliche
Quecksilberbergwerk Idria 1575-1659, 1981; Europäisches Montanwesen im
Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a.,
1986; Paul, R., Vorstudien für ein Wörterbuch zur Bergmannssprache in den
sieben niederungarischen Bergstädten, 1987; Wiesemann, J., Steinkohlenbergbau
in den Territorien um Aachen 1334-1794, 1995; Krenz, H., Lütticher
Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000
Bergelohn ist die bei der Bergung eines in Seenot und zugleich aus der Verfügungsgewalt der Schiffsbesatzung geratenen Schiffes geschuldete Vergütung. Ursprünglich herrscht hier der Grundsatz des Strandraubs, dem der Grundsatz des Strandregals des Landesherrn folgt. Seit dem frühen Mittelalter (Rhodos 600-800 n. Chr., Hamburg 1270, Ordonnance de la Marine 1681) wird dem Berger ein Anteil zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird für den Berger wie den Hilfeleistenden ein gemäß den Umständen nach billigem Ermessen zu bestimmender B. für richtig gehalten (Strandungsordnung 1874, §§ 740ff. HGB, Brüsseler Übereinkommen 1910).
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957
Bergen („Bergweide“)
am Byfjord wird 1070 gegründet. Es ist seit dem 12. Jh. → Norwegens
Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet dort die → Hanse eine Niederlassung.
Lit.: Bruns, F., Die Lübecker Bergenfahrer, 1900; Bergen,
hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu Lübeck, bearb.
v. Asmussen, G. u. a., 2002; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des
lübischen Rechts, 2008
Berggericht
Lit.: Huffmann, F.,
Über die sächsische Berggerichtsbarkeit, 1935
Bergrecht ist das Berge betreffende Recht, insbesondere das Recht des Bergbaus und damit der Gewinnung von Bodenschätzen zunächst vor allem aus Bergen. Der dem antiken folgende, mittelalterliche Bergbau beginnt um Goslar (Silber) im 9. Jh., an der Südseite des Erzgebirges um 1140 und im Mansfelder Gebiet (Kupfer) um 1190. Ausgangspunkt ist die Bergbaufreiheit des Grundeigentümers. Wohl bereits im Frühmittelalter beansprucht aber der König die Herrschaft über den Bergbau, durch welche die Stellung des Grundeigentümers beschränkt wird. 1158 verkündet Friedrich I. Barbarossa zunächst für Italien in Roncaglia ([lat.] Constitutio [F.] de regalibus, Gesetz über die königlichen Rechte) das Silberregal und das Salzregal des Königs ([lat.] argentariae … et salinarum reditus, Abgaben aus Silberwerken? und Salinen). Wenig später wird das B. erstmals ausführlicher festgehalten (Trient 1185/1208, Iglau 1249, Goslar 1271, Freiberg 14. Jh., Schladming 1408). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers an jedem geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit, Bergbaufreiheit, Goldberg 1342), wobei der Finder Anspruch (Finderrecht) auf Verleihung der Schürfrechte hat (Kulmer Handfeste 1233). 1356 geht das Bergregal des Königs urkundlich auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf andere Reichsfürsten über. Die Landesherren erlassen Bergordnungen (Kuttenberg 1300-1305 als Vorläuferin, Schneeberg 1492, Annaberg 1509, Joachimsthal 1518, Jülich-Berg 1542, Henneberg 1566). Die Bergbauunternehmer arbeiten als bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft) mit Kuxen als Anteilen. Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine allmählich in verschiedenen Hinsichten geschützten Arbeiter (Knappe). In der Mitte des 18. Jh.s wandelt sich der Bergbau zur Industrie. Der Staat greift durch Gesetze ein (Loi relative aux mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810, Österreich 1854, Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865), wobei an die Stelle des fürstlichen Bergregals die staatliche Berghoheit tritt.
Lit.: Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Agricola, G.
v., De re metallica libri XII, 1556; Die Henneberger Bergordnung von 1566, hg.
v. Lingelbach, G., 2002; Achenbach, H., Das gemeine deutsche Bergrecht, 1871;
Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887; Abignente, G., La
proprietà del sottosuolo, 1888; Zycha, A., Das Recht des ältesten deutschen
Bergbaues, 1899; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, 1900;
Arndt, A., Noch einmal der Sachsenspiegel und das Bergregal, ZRG GA 23 (1902),
112; Arndt, A., Einige Bemerkungen zur Geschichte des Bergregals, ZRG GA 24
(1903), 59; Zycha, A., Über den Ursprung der deutschen Bergbaufreiheit, ZRG GA
24 (1903), 338; Arndt, A., Zur Frage des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 465;
Arndt, A., Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit,
2. A. 1916; Möllenberg, W., Das Mansfelder Bergrecht und seine Geschichte,
1914; Müller-Erzbach, Das Bergrecht, 1917; Stolz, O., Die Anfänge des Bergbaues
und Bergrechtes in Tirol, ZRG GA 48 (1928), 207; Schönbauer, E., Beiträge zur
Geschichte des Bergbaurechts, 1929; Weizsäcker, W., Das alte Zinnbergrecht von
Graupen im Erzgebirge, ZRG GA
50 (1930), 233; Weizsäcker, W., Sächsisches Bergrecht in Böhmen, 1929; Sehm,
J., Der Silberbergbau zu Annaberg, (1934); Silberschmidt, W., Zur Geschichte
der Bergfreiheiten, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 260; Silberschmidt,
W., Das schwedische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 442, Krzyżanowski,
J., Die Bergbaufreiheit in Polen, 1935 (polnisch); Sehm, J., Die
Schreckenberger Bergordnung 1499/1500, 1936; Büchsel, H., Rechts- und
Sozialgeschichte des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens 1750 bis 1806,
1941, Thieme, H., Die Funktion der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942),
57; Löscher, H., Die erste Annaberger Bergordnung vom 11. Februar 1493, ZRG GA
68 (1951), 435; Schneider, H., Zur Geschichte des Bergrechts und der
Bergverfassung im Siegerland, Diss. jur. Bonn 1954; Schmelzeisen, G., Die
Arbeitsordnung in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schneider, H.,
Das ältere Siegerländer Bergrecht, 1956; Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und
vermessenes Erbe, 1957; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im
Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178; Löscher, H., Vom Bergregal im
sächsischen Erzgebirge, Freiberger Forschungshefte D 22, 1957; Ebel, W., Über
das landesherrliche Bergregal, Zs. f. Bergrecht 109 (1968), 146; Löscher, H.,
Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343; Willecke,
R./Turner, G., Grundriss des Bergrechts, 2. A. 1970; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches Abbaurecht, FS N. Grass,
1974, 533; Willecke, R., Die deutsche Berggesetzgebung, 1977; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter
Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Tubbesing, G.,
Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer, H./Zettler, A., Der mittelalterliche
Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg, 1996; Ecker, F., Die Entwicklung des
Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner, M.,
Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H., Lütticher
Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale montanorum,
2002; Thür, G., Gedanken zu Bergregal und Bergbaufreiheit in der
griechisch-römischen Antike, (in) Festschrift für Gernot Kocher, 2002, 317ff.;
Löscher, H., Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts, Bd. 1f.
2003ff.; Stadt und Bergbau, hg. v. Kaufhold, K. u. a., 2004
Bergregal → Bergrecht
Berlich(ius),
Matthias (Schkölen bei Weißenfeld 9. 10. 1586-Leipzig 8. 8. 1638),
Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Jena und Marburg
(Promotion 1610) 1611 in Leipzig Anwalt. In seinen (lat.) Conclusiones (F.Pl.)
practicabiles (Praktische Schlüsse) (1615ff.) stellt er das gemeine Recht nach
der Ordnung der kursächsischen Konstitutionen von 1572 dar. Auf seinem im
Strafrecht eine genauere Beschreibung der Straftatbestände anstrebenden Werk
baut Benedikt Carpzov auf.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736
Berlin erwächst aus
zwei älteren (um 1200 geplanten?), beiderseits eines Übergangs über die untere
Spree liegenden Siedlungen (Cölln [dendrologische Daten um oder nach 1171,
Ersterwähnung 1237], Berlin [Sumpfort], slawische Besiedlung Berlins bis ins
10. Jh. nachweisbar?, Ersterwähnung 1244), die um 1235 (Berlin um 1230?, 1253
an Frankfurt an der Oder übertragen) Stadtrecht erhalten und 1307
organisatorisch (zu einer Union) vereinigt werden. Am Ende des 14. Jh.s (1397)
entsteht das Berliner Stadtbuch (Berlin, Stadtarchiv, ohne Signatur), dessen
Schöffenrecht hauptsächlich auf dem → Sachsenspiegel aufbaut und durch
die Glosse Johanns von Buch, durch den Richtsteig Landrechts und durch das
Sächsische Weichbildrecht beeinflusst ist, aber auch brandenburgische
Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht erkennen lässt. Unter den
1442/1448 den Widerstand der Stadt B. brechenden Hohenzollern (1415) wird B.
1470 Residenz der Markgrafen von Brandenburg, die hier 1516 das → Kammergericht
einrichten und sich seit 1701 Könige in Preußen nennen. 1709 wird aus B.,
Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt, Friedrichstadt und einigen
Vorstädten die einheitliche Königsstadt B. mit einem Magistrat gebildet. 1810
erhält B. eine Universität. 1871 wird B. Hauptstadt des Deutschen Reiches. 1878
findet dort ein internationaler Kongress über die Staatsverhältnisse auf dem
Balkan statt. 1912 wird der Zweckverband Groß-Berlin geschaffen. Am 27. 4.
1920 wird aus 8 Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken die zweistufig
gegliederte, in 20 Bezirke geteilte Einheitsgemeinde B. gebildet. 1945 wird
B. in vier Sektoren der Besatzungsmächte aufgeteilt, 1948 in Westberlin und
Ostberlin gespalten, von 1961 bis 1989 durch eine Mauer mit Schießbefehl
getrennt, 1990 aber wieder vereinigt und 1991 (mit rund 890 Quadratkilometern
Fläche und etwa 3,5 Millionen Einwohnern) statt Bonn zur Hauptstadt der
Bundesrepublik Deutschland bestimmt. Der Versuch der Vereinigung mit
Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 245;
Berlinisches Stadtbuch, hg. v. Clauswitz, P., 1883; Das Stadtbuch des alten
Köln an der Spree, hg.v. Clauswitz, P., 1921; Gebhardt, P. v., Das älteste
Berliner Bürgerbuch 1453-1700, 1927; Seeboth, J., Das Privatrecht des Berliner
Stadtbuches, 1928; Die Bürgerbücher von Cölln an der Spree, hg. v. Gebhardt, P.
v., 1930; Latendorf, O., Die Entwicklung der städtischen Kassenorganisation
Berlins, 1931; Berliner Häuserbuch, bearb. v. Lüdicke, R., Bd. 1 1933; Steffen,
K., Das Berliner Stadtverfassungsrecht, 1936; Asen, J., Gesamtverzeichnis des
Lehrkörpers der Universität Berlin, Bd. 1 (1810-1945), 1955;
Berlin-Bibliographie, Bd. 1ff. 1965ff.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche
Status Berlins, 1975; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Festschrift
zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, hg. v. Wilke,
D., 1984; Geschichte Berlins, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1f. 1987, 3. A. 2002;
Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a., 1988; Geschichte der
Berliner Verwaltungsbezirke, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61; Schultz, H., Berlin
1650-1800, 2. A. 1992; Fijal, A., Die Geschichte der juristischen Gesellschaft
zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, 1991; Schubert, W., Die Vorträge von
Reinhold Johow in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft (1881-1897), ZRG GA 110
(1993), 458; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der juridischen Fakultät,
Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel, J. u. a., 1998; Raiser,
T., Schicksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A. Gräfin v., Der nackte
Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W., 2000; Fritze, W./Schich,
W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Städtebuch Brandenburg und Berlin, hg. v.
Engel, E. u. a., 2000; Ribbe, W., Die historische Kommission zu Berlin, 2000;
Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001; Ziolkowski, T., Berlin, 2002; Large, D.,
Berlin, 2002; Engler, H., Die Finanzierung der Reichshauptstadt, 2004; Die
Berliner Universität in der NS-Zeit, hg. v. Bruch, R. vom u. a., 2005; Thies,
R., Ethnograph des dunklen Berlin, 2006
Bern wird wohl
unter Bezugnahme auf Verona 1191 vom Herzog von Zähringen auf ursprünglichem
Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das Reich zurück (Berner Handfeste
Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit umstritten) und wird 1274 Reichsstadt.
Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet sich 1353 mit der →
Eidgenossenschaft der Schweiz und entwickelt sich (1458 4500 Einwohner) zum
größten Stadtstaat nördlich der Alpen, der mit 130000 qkm rund ein Drittel der
heutigen Schweiz umfasst. Seit 1848 ist B. Hauptstadt der Schweiz. Am 9. 9.
1886 wird in B. die völkerrechtliche Berner Übereinkunft des Urheberrechts
geschlossen, die alle Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte Staaten von
Amerika) zur Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit Inländern
verpflichtet.
Lit.: Mutach, A. v., Revolutionsgeschichte der Republik
Bern 1789-1815, hg. v. Wirz, H., 1934; Die Rechtsquellen des Kantons Bern (Teil
1 Stadtrechte, Teil 2 Rechte der Landschaft), hg. v. Welti, E. u. a. 1902ff.;
Welti, F. u. a., Das Stadrecht von Bern, Bd. 1ff. 1902ff., Bd. 1f. 2. A. bearb.
v. Rennefahrt, H., 1971; Stürler, R. v., Die vier Berner Landgerichte Seftigen,
Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, Diss. jur. Bern 1920; Die historische
Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern, Diss. staatswiss. Bern 1920;
Audétat, E., Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns (Diss. phil. Bern),
1921; Rennefahrt, H., Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs II.,
Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 46 (1927); Rennefahrt, H.,
Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928ff.; Däppen, O.,
Verfassungsgeschichte der Berner Landstädte, Archiv des historischen Vereins
des Kantons Bern 30 (1929), 1; Strahm, H., Studien zur Gründungsgeschichte der
Stadt Bern, 1935; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil 2, Bd. 2 1937;
Schmid, B., War Bern in staufischer Zeit Reichsstadt?, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 20 (1940), 161; Feller, R., Geschichte Berns, 1946;
Roth, U., Samuel Ludwig Schnell und das Zivilgesetzbuch für den Kanton Bern von
1824-1830, 1948; Bader, K., Um Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste,
ZRG GA 72 (1955), 194; Sechshundert Jahre Inselspital (1354-1954), verf. v.
Rennefahrt, H. u. a., 1954; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen
Anwaltschaft, 1955; Rennefahrt, H., Nochmals um die Echtheit der Berner
Handfeste, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 6 (1956), 145; Häusler,
F., Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1f. 1958ff.; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Soliva, C., Zur Berner Stadtrechtsreformation
von 1614, ZRG GA 92 (1975), 117; Bierbrauer, P., Freiheit und Gemeinde im
Berner Oberland 1300-1700, 1991; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat
(1191-1798), ZRG GA 112 (1995), 366; Gerber, R., Gott ist Burger zu Bern, 2001;
Berns mutige Zeit, hg. v. Schwinges, R. 2003 Repertorium der Policeyordnungen
7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Rieder, K., Netzwerke des Konservativismus,
2008
Bernardus Dorna ist
ein aus der Provence stammender, zeitweise in Bologna tätiger, 1222-1234 in
Montpellier nachweisbarer Jurist (Summula de libellis et eorum compositione).
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 302
Bernardus Papiensis (Pavia vor 1150-1213) wird nach dem Studium in Bologna Lehrer des geistlichen Rechts und 1187 Propst, 1198 Bischof von Pavia. Seine in fünf Bücher geteilte systematische Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.) extravagantium (Kurzfassung der zusätzlichen [Dekretalen]) (1188/1190) wird (als [lat.] compilatio [F.] prima, erste Sammlung) zum Vorbild aller späteren Gesetzessammlungen (Dekretalensammlungen) des kanonischen Rechts, das seit seiner Zeit als sich ständig erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils neuesten Stand auf den Universitäten gelehrt wird.
Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen
Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120
Berner, Albert
Friedrich (Straßburg/Uckermark 30. 11. 1818-Berlin 13. 1. 1907),
Justizratssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Berlin
(Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher Professor und 1861 ordentlicher
Professor in Berlin. Sein vom Vergeltungszweck geprägtes Lehrbuch des →
Strafrechts erfährt 18 Auflagen.
Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965
Berthold von Henneberg → Henneberg
Beruf ist die auf Dauer
angelegte, die Arbeitskraft und Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nehmende
Betätigung, die im allgemeinen mit dem Ziel betrieben wird, daraus den
Lebensunterhalt zu gewinnen, und die zugleich einen Beitrag zur gesellschaftlichen
Gesamtleistung erbringt (bloße gelegentliche Betrauung mit einer gutachterlichen
Tätigkeit ist kein B.). Der B. entwickelt sich mit der Entstehung besonderer
Tätigkeitsfelder. Bedeutsam ist er bereits in der mittelalterlichen Stadt.
Verfassungsrechtlich geschützt wird der B. im späteren 20. Jh.
Lit.: Lange, H., Das Verbot der Berufsausübung im
Mittelalter, 1940; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen
Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die
Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996
Berufsfreiheit ist
die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die erst in der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s grundrechtliche Bedeutung erlangt.
Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, 1977
Berufsrichter ist
der Richter, der seine Tätigkeit als Beruf ausübt. Er tritt als gelehrter
Offizial des Bischofs vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner
seit 1246 als ständiger, ordentlicher und selbst entscheidender Einzelrichter
der kirchlichen Gerichtsbarkeit auf. Bis zum 19. Jh. setzt er sich unter
Verdrängung des ungelehrten, ehrenamtlich tätigen Schöffen auch im weltlichen
Gericht durch, ehe ihm dann durch den Liberalismus nach englischem (bzw.
französischem) Vorbild erneut ehrenamtliche Laienrichter zur Seite gestellt
werden.
Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des
Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die
geistlichen Gerichte in den braunschweig-wolfenbüttelschen Landen, 1972;
Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte,
1974; Horn, N., Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3
(1976), 221
Berufsschule ist die in Deutschland im 19.
Jh. zur Verbesserung der beruflichen Ausbildung entwickelte öffentliche
Schule.
Lit.:
Fischbach, R., Von der Sonntags- und Fortbildungsschule zur Berufsschule, 2004
Berufsverbot (seit 1933) ist das Verbot,
einen bestimmten Beruf auszuüben. Ihm geht die nach Einführug der
Gewerbefreiheit im 19. Jh. geschaffene Möglichkeit voraus, ein aufgenommenes
Gewerbe nachträglich zu untersagen (Preußen Gewerbeordnung 1845, Norddeutscher
Bund 1869, Reich 1872). Das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher vom
24. 11. 1933 führt daneben als Maßregel der Sicherung und Besserung eine
Untersagung einer Gewerbeausübung im Rahmen eines Strafverfahrens bei Begehung
einer Straftat unter Missbrauch des Berufs ein (§ 42l StGB). Sie wird bald als
B. bezeichnet. Seit etwa 1970 wird auch das ablehnende Ergebnis einer
politischen Überprüfung von Bewerbern für die Einstellung in den öffentlichen
Dienst B. genannt.
Lit.: Reinhard, E., Die
Entwicklung der Untersagung gewerblicher Unternhemen seit 1869, Diss. jur.
Heidelberg 1940
Berufung ist das seit 1877/1879 grundsätzlich gegen Urteile des ersten Rechtzuges in Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es kommt sachlich mit der Aufnahme des römisch-kanonischen Prozessrechts im Spätmittelalter als → Appellation an einen höheren Richter ins Reich und verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit dem Ende des 13. Jh.s aber schon in einem ziemlich allgemeinen Sinn B. genannt werden kann. Gleichzeitig wird B. allmählich das allgemeine deutsche Wort für die bis 1877/1879 als Rechtsmittel verwendete Appellation.
Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235; Planck, W.,
Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268; Weitzel, J.,
Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976
Berytos (Beirut)
ist der Sitz einer bereits vor 238 n. Chr. berühmten Rechtsschule. Hier wie
später in Konstantinopel lehren besoldete Professoren (lat. [M.Pl.]
antecessores) in einem festen Studienplan in fünf Jahreskursen. Im ersten Jahr
beginnt man (als dupondius) mit den Institutionen des Gaius (Privatrecht,
Prozessrecht). Es folgen vier Teile (lat. libri singulares) zivilrechtlicher
Schriften ([vielleicht aus Ulpians Ad Sabinum libri] Mitgiftrecht,
Vormundschaftsrecht, Testamentsrecht, Vermächtnisrecht). Im zweiten und
dritten Jahr (edictalis, Papinianista) wird der Stoff des Jurisdiktionsedikts
der römischen Privatrechtsmagistrate (Stadtprätor, Provinzgouverneur bzw.
Legat) behandelt. Im zweiten Jahr studiert man wahrscheinlich nach Ulpians Ad
edictum praetoris libri aus dem Edikt (Buch 1-14) das Gerichtsverfassungsrecht
und Anfänge des Zivilprozessrechts (Allgemeines, Zuständigkeiten, Einleitung
des Verfahrens, Wiedereinsetzung, Haftung für Garantiezusagen, Sicherheitsleistung,
danach in der zweiten Jahreshälfte (Buch 15-25) Prozesseid, parteiliche
Richter, wichtige dingliche Ansprüche, einige deliktische Ansprüche), im
dritten Jahr (Ediktsstoff Buch 26-32) Kreditverträge, Leihe, Verpfändung,
Gehilfengeschäftehaftung, Verwahrung, Treuhand, Auftrag, Gesellschaft, Kauf,
Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag), in der zweiten Hälfte des dritten
Jahrs die (ersten 8 der 19) Responsen (Rechtsbescheide) Papinians. Im vierten
Jahr (lytes) und fünften Jahr (prolytes) beschäftigt man sich im Selbststudium
mit den Responsen des Paulus und den Konstitutionen der Kaiser (einschließlich
des Strafrechts und des sonstigen öffentlichen Rechts), wobei bewusst die
klassischen Traditionen aufgegriffen werden. Erzeugnisse der Arbeit der Lehrer
sind nur vereinzelt überliefert. Justinian setzt 533 n. Chr. in erster Linie an
die Stelle der bisherigen Studientexte seine Institutiones und Digesten sowie
seinen Codex (im ersten Jahr Institutionen, Digesten 1-4 mit Rechtsphilosophie,
Rechtsgeschichte, Rechtsquellen, Grundbegriffe, Staatsrecht, Verwaltungsrecht,
Zivilprozessrecht, im zweiten Jahr Digesten 5-11 oder 12-19, Mitgift D. 23-29,
Vormundschaft D. 26-27, Testament D. 28-29, Vermächtnis D. 30-36, im dritten
Jahr vertragliches Schuldrecht D. 12-19 oder Gerichtsverfassung, Einleitung
eines Zivilprozesses, Sachenrecht aus Buch 5-11 der Digesten, dann Hypotheken
D. 20, Sach- und Rechtsmängel bei Marktkauf D. 21, Verzinsung, Seedarlehen,
Beweis und Irrtum D. 22, im vierten Jahr Mitgift, Vormundschaft, Testament,
Vermächtnis aus D. 24, 25, 27, 29 und 31-36 und im fünften Jahr den Codex
einschließlich von Wirtschaft, Verwaltung und Kirche).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Wieacker, F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215
Besançon wird 1691 Sitz einer
Universität (bis 1793).
Besatzung ist die zeitweise Übernahme der
Herrschaftsgewalt in einem fremden Gebiet durch einen an sich nicht zuständigen
Staat beispielsweise als Ergebnis eines Krieges (z. B. nach 1945 insgesamt 15
Millionen Soldaten und Angehörige der Vereinigten Staaten von Amerika im
Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland).
Lit.: Marx, T.,
Zwischen Schwert und Schild, 2004; Die besetzte res publica, hg. v. Meumann, M.
u. a., 2006
Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des Verhältnisses ihrer Hoheitsgewalt zu jener der Bundesrepublik Deutschland, die dieser grundsätzlich die volle gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt überträgt. 1951 überarbeitet, wird es am 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten der Pariser Verträge beseitigt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pollock, J., Besatzung und
Staatsaufbau nach 1945, hg. v. Krüger-Bulcke, I., 1994; Waibel, D., Von der
wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter
alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999
Besatzungsrecht → Besatzungszone
Lit.: Handbuch
des Besatzungsrechts, hg. v. Schmoller, G. v. u. a., 1957; Das geltende
Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, D., 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung,
hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie
zur Herrschaft des Rechts, 1996; Die volle Macht eines souveränen Staates, hg.
v. Haftendorn, H. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55.
Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Walton-Jordan, U., Die britische
Gerichtsbarkeit in Nordwestdeutschland 1945-1949, ZRG GA 117 (2000), 362;
Rensmann, M., Besatzungsrecht im wiedervereinigten Deutschland, 2002; Zentz,
F., Das amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik, 2005
Besatzungszone ist
das Gebiet (Zone), das einer von mehreren Besatzungsmächten zugeteilt ist. 1945
werden das → Deutsche Reich (und das davon wieder verselbständigte →
Österreich) in je eine B. der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion,
Großbritanniens und Frankreichs aufgeteilt (Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945).
Am 5. 5. 1955 erklären die westlichen Besatzungsmächte die Bundesrepublik
Deutschland für souverän, am 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die
Deutsche Demokratische Republik. Das in den Besatzungszonen von den alliierten
Stellen unmittelbar oder durch deutsche Stellen mittelbar gemeinsam oder
einzeln in fünf unterscheidbaren Phasen (1941-8. 5. 1945, 5. 6. 1945-30. 3.
1948, 30. 3. 1948-1951, 1951-1955, 1955-1990ff., abschließende Regelung in
Bezug auf Deutschland 12. 9. 1990) erlassene (deutsche) Recht (Besatzungsrecht
zur Sicherung der Interessen der Besatzungsmächte, zur Entmilitarisierung,
Entnazifizierung und Bestrafung von Kriegsverbrechern sowie zum allmählichen
Wiederaufbau) gilt auch über die Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu
seiner Aufhebung oder Abänderung.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245; Blomeyer,
A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Overesch, M., Das besetzte
Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v.
Schröder, 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp,
B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein
Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue
Deutschland, 2000; Mußgnug, D., Alliierte Militärmissionen in Deutschland
1946-1900, 2001; Kriegsende und Neubeginn, hg. v. Hoser, P. u. a., 2003;
Behling, K., Spione in Uniform, 2004; Groß, J., Die deutsche Justiz unter
französischer Besatzung 1945-1949, 2007
Beschlagnahme (Anfang 19. Jh.) ist die
zwangsweise Sicherstellung von Gegenständen zur Sicherung öffentlicher oder
privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle dieser Art sind bereits in
älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio [F.] in bona,
Gütereinweisung). Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird die B. an gesetzlich
geregelte Voraussetzungen gebunden.
Lit.: Kaser §§ 85, 86; Mothes, R., Die Beschlagnahme nach
Wesen, Arten und Wirkungen, 1903; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Freyberg, R., Über die Beschlagnahme, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971
Beschreien der Wände ist die wahrnehmbare
Lautgebung eines neugeborenen Menschen. Das B. ist vom Sachsenspiegel (1221-1224)
bis zum preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) bezeugt. Nach vielen
Rechtsquellen ist es ausreichende Voraussetzung der Rechtsfähigkeit.
Lit.: Brunner, H., Die
Geburt eines lebenden Kindes, ZRG GA 16 (1896), 63; Kuyk, I. van, Het schreiend
Kind, TRG 2 (1920/1921), 63ff.
Beschwerde (lat. [N.] gravamen) ist die Belastung, aus der sich ein verfahrensmäßiger Rechtsbehelf entwickelt (z. B. Italien 12. Jh.). Im Verhältnis zu Rechtsmitteln wie Appellation bezieht sich die B. in der jüngeren Vergangenheit auf Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue Sonderform ist die → Verfassungsbeschwerde in Deutschland. → Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische
Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner, H., Zur Divergenzjudikatur
des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000,
585; Suppliche e <<gravamina>>, hg. v. Nubola, C., 2002
Beseitigung ist die
Entfernung eines Umstands, insbesondere die Entfernung einer Störung. Auf sie
kann ein Anspruch bestehen. Er ist von einem möglichen Schadensersatzanspruch
unabhängig.
Lit.: Kawasumi,
Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch,
2001
Beseler, Georg
(Rödemis bei Husum 2. 11. 1809-Bad Harzburg 28. 8. 1888), Kammerratssohn, wird
nach dem Studium in Kiel, München, Göttingen und Heidelberg mit der streng
geschichtlich die Einrichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart verfolgenden,
auch Urkunden berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen in Heidelberg 1835
habilitiert und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin
(1859) berufen. Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts (1847ff.)
versucht ein dem gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches
System (allen nicht rein römischen Rechts) zu entwickeln, in dem die
Genossenschaft besonders bedeutsam ist. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch
politisch (rechtsliberal).
Lit.: Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Gierke,
O., Georg Beseler, ZRG GA 10 (1889), 1; Kern, B., Georg Beseler, 1982 (mit
Schriftenverzeichnis, 77 Titel); Kern, B., Georg Beselers Mitgliedschaft in der
Berliner Mittwochs-Gesellschaft, ZRG GA 113 (1996), 279
Besitz ist die
tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache. Das römische Recht bezeichnet
dies als (lat. [F.]) possessio, die auf die tatsächliche Gewalt (lat. [M.]
usus) und auf das Sitzen auf Land zurückgeht. Notwendig sind Gewalt über eine
Sache ([lat.] corpus) und (nicht notwendig rechtsgeschäftlicher) Wille zur
Herrschaft ([lat.] animus). Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.] civile)
muss die tatsächliche Gewalt auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem Amtsrecht
(lat. ius [N.] praetorium) wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch bestimmte
Klagen gegen Entziehung oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer [Besitzer
mit <lat.> animus <M.> domini, Eigenbesitzwillen wie Eigentümer
oder Ersitzungsbesitzer] und gewisse Fremdbesitzer [unter Anerkennung eines
fremden Besitzrechts besitzende Besitzer] wie Erbpächter, Prekarist,
Pfandgläubiger oder Sequester). Nicht B. (im rechtlichen Sinne, sondern nur
[lat.] possessio [F.] naturalis, natürlichen B.) hat der bloße Innehaber (z. B.
Mieter). Vom B. streng geschieden ist das Eigentum. Justinian schränkt den B.
auf den rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert diesen B. aber
einem Recht an. Im deutschen Recht steht ursprünglich das schlichte Haben (ahd.
haben, aigan) im Vordergrund. Später entwickelt sich die besondere Figur der →
Gewere. Vielleicht aus dem kirchlichen Recht stammt die Anerkennung des Besitzes
auch bestimmter Innehaber (z. B. Mieter, Pächter usw.). Mit der Aufnahme des
römischen Rechts verdrängt das Wort B. (Lehnübertragung?) das Wort Gewere.
Sachlich kommt es zu einer gegenseitigen, ziemlich verwirrenden Beeinflussung.
In den naturrechtlichen Kodifikationen ist B. grundsätzlich der Eigenbesitz,
doch gewährt das preußische Allgemeine Landrecht (1794) auch dem Mieter,
Pächter oder Pfandgläubiger Besitzschutz (nicht dem Prekaristen). Savigny
versteht (1803) den B. als Tatsache, stellt ihn dem Eigentum (Recht) gegenüber,
ordnet ihn in das Deliktsrecht ein und verrätselt das Recht des Besitzes
hinsichtlich der Folgen als das Recht eines Faktums. Das (tatsächliche Gewalt
und in § 309 Eigenbesitzwillen verlangende, von einem sehr weiten Begriff der
Sache ausgehende) Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812)
kennt den Tabularbesitz des im Grundbuch Eingetragenen. Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist unter Bruch mit dem gemeinen Recht der unmittelbare
B. die tatsächliche Herrschaft über eine Sache (z. B. des Mieters oder Diebs),
neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut) vermittelte
mittelbare B. (z. B. des Vermieters) steht. Die Innehabung ist grundsätzlich
beseitigt, der Gegensatz zum Eigentum betont.
Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes, 1803, 7. A.
1875, Neudruck 1990; Bruns, K., Das Recht des Besitzes, 1848; Randa, A., Der Besitz
nach österreichischem Recht, 4. A. 1895; Kaser, M., Eigentum und Besitz im
älteren römischen Recht, 2. A. 1956; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Benöhr, H.,
Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige, 1972; Wacke, A., Das Besitzkonstitut,
1974; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs, 1977; Diurni,
G., Le situazioni possessorie nel Medioevo, età langobardo-franca, 1988;
Schnatenberg, P., Die Entstehung der Regeln des BGB über den mittelbaren
Besitz, Diss. jur. Köln 1994; Ernst, W., Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992;
Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des common law, 2003; Moriya,
K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003
Besitzdiener ist der die tatsächliche Gewalt
für einen anderen (d. h. einen Besitzer) in dessen Haushalt oder
Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen weisungsgeprägten Verhältnis Ausübende
(z. B. Chauffeur). Er ist nicht Besitzer. Er dient der Überbrückung der
Verschiedenheit von tatsächlichen Gegebenheiten und rechtlicher Bewertung.
Besitzerwerb ist
der Erwerb des Besitzes. Er erfordert im römischen Recht die Begründung der
tasächlichen Gewalt über eine Sache und den Willen, diese für sich zu
beherrschen. Er kann ursprünglich (originär) oder abgeleitet (derivativ)
erfolgen.
Besitzkonstitut (Besitzmittlungsverhältnis, § 868 BGB) ist das Verhältnis zwischen einem unmittelbaren Besitzer (nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch z. B. Mieter) und einem mittelbaren Besitzer (z. B. Vermieter), in dem bzw. durch das der ursprüngliche Besitzer (z. B. Vermieter) seinen Eigenbesitzwillen bezüglich einer Sache durch Fremdbesitzwillen (für den Erwerber) ersetzt und der neue Besitzer (z. B. Mieter) Eigenbesitzwillen begründet.→ Besitz
Besitzrecht → Besitz
Besitzschutz ist
der dem zunächst rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnis (Besitz) zugeordnete
Schutz der Rechtsordnung gegen unrechtmäßige Entziehung oder Störung. Hierzu
gewährt das römische Recht besondere → Interdikte gegen unerlaubte
Eigenmacht (lat. vi [gewaltsam], clam [heimlich], precario [Zurückbehaltung bei
bloßer Bittleihe]) zu Gunsten des verhältnismäßig rechtmäßigen Besitzers
(Verbot der Gewaltanwendung und Gebot zur richterlich überwachten Rückstellung
zu Gunsten von Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Faustpfandgläubiger und
Sequester). Das kanonische Recht des Mittelalters entwickelt dies zu einem
vorläufigen Besitzschutz weiter. Hierauf baut auch das Reichskammergericht
(1495-1806) auf, das aber bereits bei der vorläufigen Entscheidung nach einem
bestandskräftigen Ergebnis strebt. Die historische Rechtsschule erarbeitet
einen rein possessorischen Schutz der besonderen Besitzklagen, bei dem wie in
Rom eine Einrede aus dem Recht zum Besitz (z. B. Eigentum) ausgeschlossen ist.
Er ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) übernommen.
Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.;
Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v.
Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J.,
Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998; Beermann, C., Besitzschutz,
2000
Besold, Christoph
(Tübingen 22. 9. 1577-Ingolstadt 15. 9. 1638), aus einer Juristenfamilie
(Hofgerichtsadvokatensohn), nach dem Rechtsstudium (1599 Tübingen Promotion) 1610
Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt als Reichspublizist
innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen im Bereich des
neuen öffentlichen Rechts (Vorbereitung der Lehre vom Bundesstaat).
Lit.: Meyer, F., Christoph Besonld als Staatsrechtler,
Diss. jur. Erlangen 1957; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 120; Synopse der Politik, hg. v. Boehm, L., 2000,
291ff.
Besonderes Gewaltverhältnis ist das Verhältnis, das, im Gegensatz zum allgemeinen
Verhältnis des Inhabers von Hoheitsgewalt über den Bürger, zusätzliche
Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B. Staat -
Strafgefangener). Diese im 19. Jh. entwickelte Vorstellung wird im letzten
Drittel des 20. Jh.s zunehmend abgelehnt.
Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen
Gewaltverhältnis, 1982
Bessarabien (östlicher Teil der Moldau
zwischen Pruth und Dnjestr, in dem ab 1814 von Zar Alexander I. Deutsche
angesiedelt wurden, 1918 Rumänien, 1940 umgesiedelt, 1945 vertrieben)→ Rumänien, Sowjetunion, Moldawien
Lit.: King, C., The Moldovans, 2000; Schmidt, U., Die
Deutschen aus Bessarabien, 2. A. 2004, 3. A. 2006
Besserung ist allgemein die Vermehrung der
Güte eines Zustands. Hierzu kann auch die wertsteigernde Aufwendung auf zur
Leihe überlassenem Land gezählt werden. Sie ist teilweise eigenständiges,
veräußerliches Gut.
Lit.: Arnold, W., Zur
Geschichte des Eigentums in den Städten, 1861; Wolf, M., Der Bau auf fremden
Gut, 1900; Stingel, M., Die bäuerliche Leihe im Recht des Würzburger
Benediktinerklosters Sankt Stephan in Würzburg, Diss. jur. Erlangen 1962
Bestechung ist die Gewährung eines Vorteiles an einen Amtsträger für eine Dienstpflichtverletzung. Sie ist als Wahlbestechung bereits dem römischen Recht bekannt. Besondere Bedeutung erlangt sie mit der Entwicklung des Beamtentums.
Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen
Leben Athens, 1995
Besthaupt ist das
beim Tode eines Bauern besonders in Grundherrschaften an einen Herrn
abzuliefernde beste Stück Vieh. Das B. begegnet in Flandern und Lothringen im
9. Jh. und ist im Hochmittelalter weit verbreitet. Bereits zu dieser Zeit
schwindet es aber in den Städten, wird allgemein aber erst am Beginn des 19.
Jh.s aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bodmann, F.,
Historisch-juristische Abhandlung vom Besthaupte, 1794; Schultze, A., Seelgerät
und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG
GA 38 (1917), 301; Stutz, U., Zweitbesthaupt, ZRG GA 40 (1919), 282; Müller,
W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei Sankt Gallen, 1961
Bestimmtheitsgebot ist
das Gebot (an den Gesetzgeber), einen Rechtssatz insbesondere im Strafrecht so
bestimmt zu fassen, dass der Betroffene Tragweite und Anwendungsbereich
erkennen kann. Es erwächst aus der Aufklärung. Es setzt sich seit dem 19. Jh.
durch.
Lit.: Schreiber, H.,
Gesetz und Richter, 1976; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983;
Müller-Dietz, H., Abschied vom Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht? (in) FS T.
Lenckner, 1998, 179
Bet, Josef → Karo
Betäubungsmittel ist das der Betäubung der menschlichen Sinne
dienende Mittel (z. B. Opium, Morphium, Heroin, Kokain, Cannabis und
synthetische B.) Seit dem 16./17. Jh. wird die Sucht nach Betäubungsmitteln als
Krankheit erkannt, seit etwa 1850 breitet sich die Sucht allmählich, seit etwa
1965 rasch aus. Mit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s begint die gesetzliche
Bekämpfung (Preußen, kaiserliche Verordnung vom 25. 3. 1872, Opiumkonferenz von
Schanghai 1909, Den Haag, Ausführungsgesetz von 1921, Opiumgesetz vom 1. 1.
1930, Betäubungsmittelgesetz 1972).
Lit.: Wriedt, J., Von
den Anfängen der Drogengesetzgebung bis zum Betäubungsmittelgesetz vom 1. 1.
1972, 2006
Betreibung
Lit.: Malamud, S. u.
a., Die Betreibungs- oder Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich im
Spätmittelalter, ZRG GA 116 (1999), 87
Betreuung ist in Deutschland seit 1. 1. 1992 die staatliche Fürsorge für die Person und das Vermögen eines volljährigen Menschen, soweit er infolge einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, durch einen vom zuständigen Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer. Die B. ersetzt die Entmündigung
Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W.,
Betreuungsgesetz, 1991; Müller, B., Rechtliche und gesellschaftliche Stellung
von Menschen mit einer geistigen Behinderung, 2001
Betriebsrat ist das
Organ der Arbeitnehmer einer Betriebs, das in bestimmten Angelegenheiten eines
Betriebs mitwirkt und mitbestimmt. Der B. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s
(1905 Bergbau, 1916 Kriegswirtschaft). Nach dem Betriebsrätegesetz vom 4. 2.
1920 ist in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ein B. zu bilden (Österreich
1919). Im Dritten Reich wird der B. beseitigt, 1946 (in Österreich 1947) aber
wieder eingeführt und danach gestärkt (11. 10. 1952, 15. 1. 1972).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 241, 273; Oertzen,
P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die
Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat,
1973, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von
Betriebsräten, 1999
Betriebsrisiko ist
im Arbeitsrecht die im 20. Jahrhundert verrechtlichte Gefahr des Erliegens bzw.
Stillstands eines Betriebs ohne Verschulden eines Beteiligten.
Lit.: Tamm, M., Die Entwicklung der Betriebsrisikolehre,
2001
Betriebsverfassung ist
die Gesamtheit der Regeln, welche die Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer
und ihrer Organe im Betrieb in Bezug auf das Betriebsgeschehen ordnen. Die B.
wird in Deutschland nach einzelnen Vorläufern des späten 19. Jh.s durch das
Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 eingerichtet und durch Gesetz vom 17. 4. 1946
wiederhergestellt.
Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, G., Quellensammlung zur
Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H.,
Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und
Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996
Betriebswirtschaft ist
die Wirtschaft des einzelnen Betriebs (im Gegensatz zur Wirtschaft des gesamten
Volks oder Staats), die seit 1898 wissenschaftlich gelehrt wird.
Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg. v.
Gaugler, E./Köhler, R., 2002
Betrug ist die
durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung (z. B. der Universitätsassistent
I. lässt sich im öffentlichen Dienst jahrelang krank schreiben und betreibt in
dieser Zeit privatwirtschaftlich einen Verlag für Lügenbarone). Im römischen Recht
erfassen (lat. [N.]) falsum (Fälschung), stellionatus (M.) (Hinterhältigkeit)
und (N.) furtum (Wegnahme) einzelne Fälle des nicht als solcher
zusammengefassten Betrugs. Ähnlich verfährt auch das Mittelalter. Die durch
Täuschung verursachte Vermögensschädigung findet sich seit dem 16. Jh., ohne
dass sie aber von der Fälschung bereits eindeutig geschieden werden kann. Erst
in der Mitte des 19. Jh.s bzw. 1871 gelingt unter dem Einfluss des Code pénal
(1810) Frankreichs eine klare Abgrenzung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Köstlin, C.,
System des deutschen Strafrechts, Bd. 2 1858, Neudruck 1978, 124ff.; Mommsen,
T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1955; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 318ff.; Naucke, W., Zur Lehre vom
strafbaren Betrug, 1964; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus im römischen
und germanischen Recht bis zur Rezeption, Diss. jur. Marburg 1967; Kausch, W.,
Die Entwicklung des falsum, Diss. jur. Göttingen 1971; Schütz, S., Die
Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner,
Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a.,
2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001
Betteln ist das
Bitten um unentgeltliche Leistungen zum Lebensunterhalt. Es wird seit dem
Hochmittelalter sichtbar. Zeitweise wird es mit polizeilichen Mitteln
entschieden bekämpft (u. a. z. B. Graz 1996).
Lit.: Stamm, R., Theodor Konrad Hartleben (1770-1827) und seine
Allgemeine deutsche Justiz- und Polizey-Fama, ZGO 113 (1965), 45; Goglin, J.,
Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129;
Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist Betteln
rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., .. und hat seit hero gebetlet, 1996;
Bettler in der europäischen Stadt der Moderne, hg. v. Althammer, B., 2007
Betti, Emilio
(Camerino 1890-1968), nach juristischen Studien in Parma und philosophischen
Studien in Bologna seit 1917 Professor für römisches Recht in Camerino und in
Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand und Rom, bemüht sich unter
Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um ein neues Verständnis der →
Auslegung und der Hermeneutik insgesamt.
Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methodik
der Geisteswissenschaften, 1962; L’ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg.
v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994
Beunde (963 ahd. piunta) ist das
dorfnahe, durch Einzäunung („Bewindung“?) aus der Allmende ausgeschiedene landwirtschaftliche
Grundstück.
Lit.: Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, Bd. 3
1973
Beutellehen ist das an einen Bürger oder Bauern gelangende → Lehen (Bayern E. 13. Jh.), bei dem statt Kriegsdienst bei Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe in den Beutel des Herrn zu leisten ist. Im 18. Jh. gibt es auch ritterliche B. Durch Gesetz vom 17. 12. 1862 wird in Österreich das B. in Eigentum umgewandelt.
Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil. d. Ges.
f. Salzburger Landesk. 80 (1940), 87ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in
Deutschland, 2002
Beuterecht ist das
Recht auf Aneignung feindlichen Gutes im Krieg. Es besteht ursprünglich
gegenüber der gesamten gegnerischen Bevölkerung, wenn auch 1179 durch das
dritte Laterankonzil unter Christen die Versklavung verboten wird. Im 19. Jh.
setzt sich für den Landkrieg die Beschränkung auf das für Kriegszwecke
verwendbare Staatseigentum des Feindes durch (Haager Landkriegsordnung 1907).
Lit.: Redlich, F., De praeda militari, 1956; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
bewegliche Sache →
Sache
Beweis ist die
Darlegung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Vorstellung durch ein Verhalten.
Besondere Bedeutung hat der B. in einem Streit zweier Personen. Im altrömischen
und im klassischen römischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.]) iudex
(Richter) frei die mit beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche.
Demgegenüber dringt im spätantiken römischen Recht die Bindung an feste
Beweisregeln und Beweislastregeln vor. Bei den Germanen erfolgt wahrscheinlich
meist außerhalb der Versammlung ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei
der Angegriffene ein Recht zum B. vor allem durch Eid (mit Eidhelfern) hat. Im
Frühmittelalter kann der in einem zweizüngigen Urteil auferlegte B. auch im
Gericht erbracht werden, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahrscheinlich
unter christlichem Einfluss gewinnt zeitweise das Gottesurteil dann Bedeutung,
wenn ein anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das
Beweisrecht dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den
Eid anbietet. Möglich wird der Gegenbeweis. Im spätmittelalterlichen Strafverfahren
bemüht sich der Richter von sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als
sicherstes Beweismittel gilt dabei das Geständnis (lat. [F.] confessio). Zu
seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der Peinlichen
Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen bestimmter
Indizien (z. B. Aufenthalt in Tatnähe) gestattet wird. Hinzu kommen feste
Beweisregeln. Das Gottesurteil verschwindet. Mit dem über die Kirche schon seit
dem Spätmittelalter eindringenden gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene
Tatsachen als zugestanden. Bestrittene Tatsachen sind vom Kläger durch Zeugen,
Parteieid, Urkunden, Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweislast,
s. [lat.] onus [N.] probationis reo non incumbit, Die Beweislast trifft nicht
den Beklagten, Gratian um 1140), wobei feste Beweisregeln gelten. Nach französischem
Vorbild (1791) setzt sich im 19. Jh. die freie richterliche Beweiswürdigung
wieder allgemein durch (Berlin 1846, Preußen 1849), wobei es auf die
Überzeugung des Richters ankommt. Die Beweislast im Zivilprozess trägt
grundsätzlich jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155, 167;
Savigny, C., Über Schwurgerichte und Beweistheorie, GA 6 (1858), 469; Hänel,
A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis im
Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des
Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Haff, K.,
Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38
(1917), 130; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit nach älterem
deutschem Recht, 1921; Stutz, U., Die Beweisrolle im altdeutschen Rechtsgang,
ZRG GA 49 (1929), 1; Bechert, R., Recht oder Pflicht zur Beweisführung?, ZRG GA
49 (1929), 26; La preuve, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Nagel, H., Die Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess,
1967; Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters und ihre rechtliche
Funktion, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Langbein, J., Torture and the Law
of Proof, 1972; Walter, G., Freie Beweiswürdigung, 1979; Rechtsbehelfe, Beweis
und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1986;
Schmitt, B., Die richterliche Beweiswürdigung im Strafprozess, 1992;
Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a.,
1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England, 1997; Wißgott, V.,
Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, M., The Law of Proof
in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Geschichtliche Grundlinien des europäischen
Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Nehlsen-von Stryk, K., Die Krise des
irrationalen Beweises im Hoch- und Spätmittelalter, ZRG GA 117 (2000), 1;
Sauer, M., Die Entwicklung des Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung, Diss.
jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im
Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung - Der
Zeugenbeweis im gelehrten Recht, 2003; Deppenkemper, G., Beweiswürdigung als
Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis, 2004; Bausteine eines europäischen
Beweisrechts, hg. v. Marauhn, T., 2007
Beweisinterlokut ist
im gemeinen deutschen Zivilprozessrecht eine gerichtliche Zwischenentscheidung
über Beweislast, Beweisthema und Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei
Teile und bildet den Beginn des besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis
bindet den Richter. Besonders ausgestaltet ist das B. im sog. sächsischen
Prozess (so noch Hannover 1850). Im 18. Jh. dringt das B. allgemein in den
gemeinen Prozess ein. Die preußische allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt
aber schon kein B. mehr, ebensowenig das französische Zivilprozessrecht (1806)
und die davon beeinflusste deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879.
Lit.: Planck, J., Die Lehre vom
Beweisurteil, 1848
Beweislast →
Beweis
Beweismittel →
Beweis
Beweisurteil ist
das → Urteil über eine Beweisfrage. → Beweisinterlokut
Beyer, Georg
(Leipzig 10. 9. 1665-Wittenberg 21. 8. 1714), Aktuarssohn, wird nach den
Studien von Philosophie und Recht in Leipzig (Thomasius), Frankfurt an der Oder
und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg. Dort hält er als einer der ersten
eine Vorlesung über deutsches Recht, die als Leitfaden des deutschen Rechts
([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718) nach seinem Tod veröffentlicht
wird.
Lit.: Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg,
E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck
1957, 1978, III, 1 137f.
Beyerle, Franz (Konstanz 30. 1.
1885-Wangen 22. 10. 1977), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Austritt aus der
katholischen Kirche und dem Studium in Freiburg im Breisgau, Breslau (Konrad
Beyerle) und Göttingen (Promotion 1910, Frensdorff) sowie der Habilitation in
Jena (1913, Rauch) 1918 Professor in Basel, 1929 Greifswald, 1930 in Frankfurt
am Main, 1934 in Leipzig und 1938 in Freiburg im Breisgau (bis 1953). Seine
Arbeiten betreffen das Stadtrecht Freiburgs, den Entwicklungsgang im Recht,
die Treuhand und Volksrechte.
Lit.: Dürselen, F., Franz Beyerle, 2005
Beyerle, Konrad (Konstanz 14. 09.
1882-München 26. 4. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg, der Promotion bei Richard Schröder (1895) und der Habilitation bei
Ulrich Stutz (1899) Professor in Freiburg im Breisgau (1900), Breslau (1903),
Göttingen (1906) und München (1918). Als Abgeordneter der bayerischen
Volkspartei wirkt er in der verfassunggebenden Nationalversammlung (1919) und
im Reichstag. (bis 1924). Einzelne Arbeiten betreffen die Grundeigentumsverhältnisse
in Konstanz, die Lex Baiwariorum und die Kultur der Abtei Reichenau.
Lit.: Hense, T., Konrad Beyerle, 2002
Bezirk ist
das abgegrenzte Gebiet. Preußen wird zwischen 1808 und 1816 in (Provinzen und)
Regierungsbezirke geteilt. Mit österreichisch-kaiserlicher Entschließung vom
26. 6. 1849 (RGBl. 295) wird die Einteilung der Kronländer in Kreise und
darunter in Bezirke bestimmt, wobei an der Spitze des Bezirks ein
Bezirkshauptmann steht (1852-1868 Vereinigung der Bezirkshauptmannschaften
mit den Bezirksgerichten zu gemischten Bezirksämtern) und der B. 1925 von
einer Zentralstaatsbehörde zu einer Landesbehörde umgestaltet wird. Die
Deutsche Demokratische Republik ersetzt 1952 die Länder durch 15 Bezirke.
Bibel ([griech.] Buch] ist die
Sammlung der für Juden und Christen das Wort (ihres) Gottes enthaltenden
Schriften. Diese sind zwischen 1200 v. Chr. (10. Jh. v. Chr.) und dem 2. Jh. n.
Chr. (50-120 n. Chr.) entstanden. Die jüdische B. gliedert sich in Tora
(Weisung), Propheten und Schriften, die christliche B, ergänzt dieses alte, um
die Zeitenwende in seinem Bestand abgeschlossene Testament um das nachchristliche,
im 4. Jh. weitgehend abgeschlossene neue Testament. Die Übertragung der
ursprünglich aramäischen bzw. hebräischen Texte in das Griechische erfolgt
zwischen 250 v. Chr. und 100 n. Chr. (Septuaginta), die Übersetzung in das
Lateinische im 4. Jh. n. Chr., die Übersetzung in germanistische Volkssprachen
seit dem ausgehenden 4. Jh. n. Chr. Das älteste erhaltene Handschriftenbruchstück
stammt von etwa 125 n. Chr. Die christliche B. ist das am weitesten verbreitete
und am häufigsten gedruckte Buch der Welt. Die B. enthält umfangreiches → biblisches Recht.
Lit.: Klauck, H., Die
apokryphe Bibel, 2008; The Biblical Models of Power and Law, hg. v. Biliarsky,
I. u. a., 2008; Bibel und Exegese der Abtei Saint Victor zu Paris, hg. v.
Berndt, R., 2009
Bibliothek ist die Sammlung von Büchern
und das ihr dienende Gebäude.
Lit.: Otto, J.,
Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände); Rekonstruktion und
Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2008;
Jochum, U., Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 2009; Zur Erforschung
mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2009
Biblisches Recht ist das aus den in der jüdisch-christlichen → Bibel (vor allem in den Büchern Moses) enthaltenen zahlreichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Am bekanntesten hiervon sind die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die grundsätzliche Beschreibung des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes des Rechts, der die Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht verbietet. Dieser Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in nachhaltiger Weise.
Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, (in) Fontes
iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v.,
Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G.,
Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd.
1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in
Practice and Study throughout the Ages, 1959; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A.
1973; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Hattenhauer, H., Das
Recht der Heiligen, 1976; Welch, J., A biblical law bibliography, 1990; Bibel
und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Calvocoressi, P., Who´s who in der
Bibel, 5. A. 1994; Brand, J., Bibel und altes Recht im Bauernkrieg, 1996;
Campenhausen, H. v., Die Entstehung der christlichen Bibel, Neudruck 2003;
Ohler, A., dtv-Atlas Bibel, 2004
Bielefeld
Lit.: Urkundenbuch der
Stadt und des Stiftes Bielefeld, hg. v. Vollmer, B., 1937; Flügel, A.,
Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990
Bienenrecht ist das die Bienen betreffende Recht. Dabei darf der (unverzüglich) verfolgende Eigentümer (s)einen mit dem Schwärmen herrenlos werdenden Bienenschwarm auch auf einem fremden Grundstück einfangen (Aneignungsrecht). Im deutschen → Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) gelten für das B. die §§ 961ff.
Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht, 1910;
Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; Haff, K., Zum Bienenrecht in den
schwedischen und dänischen Landschaftsgesetzen, ZRG GA 60 (1940), 253; Schulz,
S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990
Biener, Friedrich
August (Leipzig 5. 2. 1787-Dresden 1861) wird nach Rechtsstudien in Leipzig und
Göttingen 1810 Professor in Berlin.
Bier (vielleicht zu
lat. bibere trinken) ist das aus stärkehaltiger Substanz (z. B. Gerste, Weizen)
durch alkoholische Gärung gewonnene (gebraute) Getränk. Im Frühmittelalter
wird es von Frauen hergestellt, später entsteht in den Städten eine gewerbliche
Produktion, die seit etwa 1300 Hopfen als die Haltbarkeit erhöhenden Zusatz
verwendet. In der frühen Neuzeit setzt sich in Bayern ein auf das Jahr 1516
zurückgeführtes Reinheitsgebot (Malz, Hopfen, Hefe, Wasser) durch.
Lit.: Moldehauer, G., Das Göttinger Braurecht, Diss. jur.
Göttingen 1956; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München,
1981; Unger, R., A History of Brewing in Holland 900-1900, 2001; Blanckenbuerg,
C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001
Biergelde oder
Bargilde ist der im 8./9. Jh. erscheinende (freie, aber trotzdem pflichtige)
Mensch, der von der Forschung teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung
verbunden wird. Der Inhalt des Wortes ist nicht völlig klar („Abgabenleister“?),
obgleich die Biergelden noch im → Sachsenspiegel (1221-1224) als
besonderer Stand erfasst sind.
Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der Bargilden,
ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959),
111; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Springer, M., Die
Sachsen, 2004
Bifang ist (im
Mittelalter) das von einem Berechtigten durch tatsächlichen Zugriff neu
(stärker) genutzte, meist eingefriedete Grundstück.
Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20
(1928), 139ff.; Sorhagen, I., Die karolingischen Koloniosationsprivilegien,
1976
Bigamie ist die
weitere Eheschließung eines bereits verheirateten Menschen in einer nur die
Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die
Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft
ist die B. seit Diokletian strafbar und als Folge der Christianisierung der
Germanen wird die bei ihnen erlaubte, tatsächlich aber wohl seltene Mehrehe von
der Kirche abgelehnt. Im Frühmittelalter ist die B. eine zunächst rein
kirchliche Frage, für die nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem
Hochmittelalter sehen aber vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken
als peinliche Strafe vor. Die → Constitutio Criminalis Bambergensis
(1507, Art. 146) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen
Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die →
Constitutio Criminalis Carolina (1532, Art. 121) ordnet die B. stets als
qualifizierten Ehebruch ein. Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem
preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II, 20 §§ 1066ff.) und nach dem
deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB, 5
Jahre Zuchthaus). Privatrechtlich ist die B. Ehehindernis.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die
Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; His, R.,
Geschichte des deutschen Strafrechts, 1928, 150f.; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht
des 17. Jh.s, 1952; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Siebenhüner, K., Bigamie und
Inquisition in Italien 1600-1750, 2006
Bilanz ist die
zusammengefasste Gegenüberstellung der aktiven und passiven Vermögenswerte
einer Person. Sie entwickelt sich im spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Besonders
seit dem ausgehenden 20. Jh. werden die rechtlichen Vorschriften betreffend
eine B. angesichts der wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937
Richtlinien zur Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft, § 266
HGB).
Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und
Steuerrecht, 9. A. 1991
Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstandes (durch menschliches Tun).
Lit.: Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung
der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55
(1935), 216; Historische Bildkunde 2, 1935; Beyerle, F., Sinnbild und
Bildgewalt im älteren deutschen Recht, ZRG GA 58 (1938), 788; Troescher, G.,
Weltgerichtsbilder, Westdt. Jb. f. Kunstgeschichte 11 (1939), 139; Kisch, G.,
Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst, 1955; Brückner, W., Bildnis und
Brauch, 1966; Ebel, F. u. a.,
Römisches Rechtsleben im Mittelalter, 1988; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Bild und Abbild, hg. v. Vavra, E., 1999;
Schmoeckel, M., Auf der Suche nach der verlorenen Ordnung, 2004; Zitzlsperger,
P., Dürers Pelz und das Recht im Bild, 2008; Poeschel, S., Handbuch der
Ikonographie, 2. A. 2008
Bilderhandschrift ist
die mit sachlich auf den Text bezogenen Bildern ausgestattete Handschrift. Die
umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen
zum Sachsenspiegel überliefert (Vorbild eine bebilderte Willehalmhandschrift?,
1270?/vor E. 13. Jh. Harzvorland?, Stammhandschrift verloren, Anfang 14.
Jh./um 1300 Heidelberger B. [nur zu einem Drittel erhalten, Druck 1971],
vielleicht Meißen wohl 1347-1363/M. 14. Jh. Dresdener B. [Druck 1902, 2002],
drittes Viertel 14. Jh. Wolfenbütteler B. [Tochterhandschrift der Dresdener
Bilderhandschrift?, Druck 1993], 1336 Oldenburger B. [mittelniederdeutsch, nur
Landrecht bebildert, vielfach nur Vorzeichnungen, Druck 1995]). Die Bedeutung
der Bilder ist streitig.
Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener
Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger
Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1970; Text – Bild – Interpretation, hg.
v. Schmidt-Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 24; Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des
Mittelalters, hg. v. Ott, N., 1991ff.; Got ist selber Recht. Die vier
Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg, Wolfenbüttel,
Dresden, hg. durch Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F., die sal man
alle radebrechen, 1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die Wolfenbütteler
Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Bloh, U. v., Die
illustrierten Historienbibeln, 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1995;
Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999;
Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999, 2. A. 2005; Brunschwig, C.,
Visualisierung von Rechtsnormen, 2001; Die Dresdener Bilderhandschrift des
Sachsenpiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, H., 2002; Der Dresdener
Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002; Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als
Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003),
435ff.
Bildnisstrafe ist die am Bild vollzogene
Strafe. Sie findet sich für die Majestätsbeleidigung beispielweise in
Frankreich 1670 in Dänemark und Norwegen 1683 und 1687, in Brandenburg 1688 und
1717, in Sachsen 1712, in Peußen 1721 und 1794, in Österreich 1768 und in Baden
1809, wird aber nach 1848 beseitigt. Daneben bestehen verschiedene von der B.
im engeren Sinn verschiedene Einrichtungen.
Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 320
Bildung
Lit.: Handbuch der
deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989, Bd. 2 18. Jahrhundert 2005
Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit vor allem im einzelnen Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten Klagen oder Schuldverhältnissen (lat. → bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). Im frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat. → aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B. auf. Die B. steht grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zur Gleichheit und zur Rechtssicherheit.
Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das
aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P., Über die
angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Köngs, ZRG GA 47 (1927), 115;
Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA
53 (1932), 53; Lange, H., Ius aequum und ius strictum bei den Glossatoren, ZRG
RA 71 (1954), 319; Erler, A., Aequitas in Sprüchen des Ingelheimer Oberhofes
(in) FS G. Kisch, 1955, 53; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schott,
C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745; Wesener, G.,
Aequitas naturalis, natürliche Billigkeit (in) Der Gerechtigkeitsanspruch des
Rechts, 1996, 81ff.; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Schröder,
J., Aequitas und rechtswissenschaftliches System, ZNR 21 (1999), 29ff.; Schmidt,
R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125
(2008), 82; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009
Bill of Rights ist das
englische Gesetz, das 1689 vom König angenommen und von einem ordentlichen
Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet es katholische Thronfolge,
Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des Parlaments sowie
geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Petitionsrecht und das
grundsätzliche regelmäßige Geschworenengericht. In den Vereinigten Staaten
von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung von 1787
hinzugefügt werden. → Virginia Bill of Rights
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The complete Bill of
Rights, hg. v. Cogan, N., 1997
Binding, Karl
(Frankfurt am Main 4. 6. 1841-Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), aus einer
Juristenfamilie, wird nach dem Studium in Göttingen (1860-1863) Professor für
Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel,
Freiburg im Breisgau, Straßburg und Leipzig (1913 emeritiert). Er vertritt auf
liberaler Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht zwecks Aufrechterhaltung
staatlicher und gesetzlicher Autorität und bekämpft abweichende Auffassungen (z.
B. Franz von Liszt) entschieden. Nach seiner Normentheorie geht der Rechtsregel
eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet, so dass er
durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt werden muss (Die Normen
und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und befürwortet
die Vernichtung lebensunwerten Lebens (Binding, K./Hoche, A. Die Freigabe der
Vernichtung lebensunwerten Lebens, 1920, posthum).
Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Geschichte des
burgundisch-romanischen Königreichs, 1868; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes
in Bindings Normentheorie, 1954; Westphalen, D., Karl Binding, 1989;
Jerouschek, G., Carl Binding, JZ 2005, 514
Binnenmarkt ist der
innere Markt, insbesondere der Markt innerhalb der sich aus der europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (seit 1957) entwickelnden Europäischen Gemeinschaft
und Europäischen Union. In ihm gibt es keine Grenzen und Binnenzölle, während
der Außenhandel mit Drittstaaten gemeinsam geregelt wird. In der Europäischen
Union gelten Warenverkehrsfreiheit, Personenverkehrsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit
und Dienstleistungsverkehrsfreiheit.
Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den schiffbaren Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück, wobei nach römischem Recht alle größeren Flüsse als öffentliche Sachen (lat. [F.Pl.] res publicae) von jedem Bürger zur Schifffahrt benutzt werden dürfen. Im Mittelalter ist die B. durch Zölle stark belastet. Im 19. Jh. sichern nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und dem Wiener Kongress (1815) besondere Schifffahrtsakten die freie Schifffahrt (1821 Elbe, 1823 Weser, 1831/1868 Rhein, 1857/1948 Donau). In Deutschland ist die B. in der Gegenwart in einem besonderen Gesetz (1896) geregelt.
Lit.: Eckert, C., Rheinschifffahrt im 19. Jahrhundert,
1900; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1949; Wettstein,
L., Die Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein, Diss. jur. Mainz 1963; Gerber, S.,
Die Ordnung auf den Wasserwegen, Diss. jur. Würzburg 1975; Kischel, D., Die
Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O.,
Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991; Scherner, K., Handel, Wirtschaft und Recht
in Europa, 1999
Biographie ist die
Lebensbeschreibung eines Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien)
begegnen in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates,
Platon, Augustinus), wobei die Zeit um 300 v. Chr. für die griechische B. besonders
wichtig ist. Im deutschen Sprachraum entsteht seit der Mitte des 14. Jh.s eine
umfangreiche weltliche Autobiographik (z. B. Ulman Stromer, Nikolaus Muffel,
Anton Tucher, Elias Holl, Karl IV.).
Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im lateinischen
Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K., Denkwürdigkeiten des
eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987; Rüthers, B., Geschönte
Geschichten – geschonte Biographien, 2001; Biographisches Lexikon zur
Weltgeschichte, hg. v. Danckelmann, O., 2001; Sonnabend, H., Geschichte der
antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt, hg. v. Grabner-Haider u. a.,
2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik, bearb. v. Jahn, B., Bd.
1ff. 2004; Antike Autobiographien, hg. v. Reichel, M., 2005; Schmid, B.,
Schreiben für Status und Herrschaft, 2006; Hageneier, L., Jenseits der Topik,
2004; The Limits of Ancient Biography, hg. v. McGing, B. u. a., 2006
Birkarecht (biaerkeraett,
bjärköarätt) → Schonen, → Schweden
Bischof (griech. episkopos
[M.] Aufseher) ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem
bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst
das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien
aus allmählich durch und hat im 3. Jh. auch das Amt als Richter inne, wobei zu
innergemeindlichen Aufgaben auch weltliche Aufgaben kommen (lat. [F.]
episcopalis audientia). Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich
eine Stadt (lat. [F.] civitas). Ausgewählt wird er an sich durch Klerus und
Volk, tatsächlich aber im Einzelfall vom Vorgänger, durch das Priesterkollegium
der Bischofskirche, durch die Gemeinde oder durch den Erzbischof. Im
fränkischen Frühmittelalter wird der B. wichtiger Berater des Königs, wird deshalb
das Interesse des Adels an dieser Stellung geweckt und beginnt der König
allmählich mit der Einbeziehung der Bischöfe in sein Herrschaftssystem durch
Beauftragung der Bischöfe mit weltlichen Aufgaben, weshalb neben die Wahl durch
Klerus und Volk die Einsetzung durch den König tritt (ottonisch-salisches
Reichskirchensystem). Im Investiturstreit (ab 1073) setzt die Kirche (1122)
die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zum
Wahlgremium. Danach tritt neben den B. der vor allem mit geistlichen Aufgaben
betraute Weihbischof. Im Reich, für dessen Gebiet sich zwischen 1198 und 2001
rund 5500 Diözesanbischöfe (und seit der frühen Neuzeit Weihbischöfe und
Generalvikare) nachweisen lassen, wird der B. (seit dem Investiturstreit) geistlicher
Reichsfürst (bis zur Säkularisation 1803). Im evangelischen Kirchenwesen
verdrängt der Superintendent bis 1918 (teilweise) den B. Seit dem 19. Jh. sind
Staat und Kirche grundsätzlich getrennt, doch gewähren Konkordate (z. B.
Österreich 1855, 1933) der Kirche noch verschiedene Einflussmöglichkeiten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152;
Stutz, U., Der neuste Stand des deutschen Bischofswahlrechts, 1909; Feine, H.,
Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel,
1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA
80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Ganzer, K., Papsttum und
Bischofsbesetzungen, 1968; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in
merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v.
Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z.
f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans
le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche
Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die
Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe
der deutschsprachigen Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von
den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004; Die Wappen der Hochstifte, Bistümer
und Diözesanbischöfe im heiligen römischen Reich 1648-1803, hg. v. Glatz, E.,
2007
Bismarck, Otto von
(Schönhausen/Altmark 1. 4. 1815-Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach dem
Studium der Rechtswissenschaft (1832-1835) in Göttingen und Berlin und
Tätigkeit im Staatsdienst Landwirt (1839) und 1849 für die Konservative Partei
Mitglied der zweiten preußischen Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund
(1851), Gesandter in Sankt Petersburg (1859) und Paris (1862) und am 23. 9./8.
10. 1862 preußischer Ministerpräsident. Im Deutschen Bund setzt er sich für
Preußen und damit gegen Österreich ein. Nach der Gründung des →
Norddeutschen Bundes (1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er
bis 20. 3. 1890 Reichskanzler (meist gleichzeitig Ministerpräsident und
Außenminister Preußens) und betreibt eine Bündnispolitik (1879 Zweibund mit
Österreich-Ungarn, 1882 zum Dreibund mit Italien erweitert, 1915 von Italien
gekündigt). Besondere rechtliche Verdienste gewinnt er durch die Herstellung
der Rechtseinheit in Deutschland und durch die Einführung der →
Sozialversicherung. Im Mittelpunkt seines Denkens und Handelns steht der von
einem Erbmonarchen mit starker Bürokratie gelenkte Staat, nicht die
Nationsidee.
Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183, 194; Meyer, A., Bismarcks
Kampf mit Österreich, 1927; Kober, H., Studien zur Rechtsanschauung Bismarcks,
1961; Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L., Bismarck,
1980; Engelberg, E., Bismarck, 1985; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.;
Krobckow, C., Graf v., Bismarck, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und
Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Otto von Bismarck und die
Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck (1815-1898),
2004; Brunck, H., Bismarck und das preußische Staatsministerium 1862-1890,
2004; Otto von Bismarck im Spiegel Europas, hg. v. Hildebrand, K. u. a., 2006;
Gall, L., Bismarck, Preußen und die nationale Einigung, HZ 285 (2007), 355;
Althammer, B., Das Bismarckreich 1871-1890, 2008
Bistum ist der kirchliche
Herrschaftsbezirk des → Bischofs. Seit dem 12. Jh. tritt ihm im Heiligen
römischen Reich das weltliche Hochstift bis 1803/1806 zur Seite. Neben dem
Bischof steht im B. der Kathedralklerus (mit Archidiakon, Archipresbyter,
Propst, Offizial, Generalvikar).
Lit.: Hinschius, P., Das System des katholischen
Kirchenrechts, 1878; Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen römischen Reiches,
2003; Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, hg. v. Gatz, E., 2005;
Bistümer und Bistumgsgrenzen, hg. v. Klueting, E. u. a., 2006
Bittleihe (lat.
[N.] precarium) ist im römischen Recht die unentgeltliche, widerrufliche
Gebrauchsüberlassung einer Sache. Sie ist kein Rechtsverhältnis und begründet
keinen für eine Ersitzung ausreichenden Besitz, wohl aber Schutz gegenüber
Dritten.
Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss von amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8. 4. 1949).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, T., Das bizonale
Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der
Bizone, 1996
Bjärköarätt (N.) →
Birkarecht, → Schonen, → Schweden
Blackstone, Sir
William (London 10. 7. 1723-14. 2. 1780) wird nach Studien in Oxford
(1738-1741) und einer Rechtsausbildung im Middle Temple in London 1746 Anwalt
(barrister) in London, 1753 Dozent und 1758 Professor für englisches Recht in
Oxford, (1761 Unterhaus,) 1763 solicitor general to the Queen, 1766 Anwalt in
London und 1770 Richter (Court of common pleas). Seine vier Bände Commentaries
on the Laws of England (1765ff.) bieten (beeinflusst von Matthew → Hale,
Burlamaquis, Pufendorf, Locke und Montesquieu) eine umfassende knappe Darstellung
des englischen Verfassungsrechts, Vermögensrechts, Schuldrechts und Strafrechts
bzw. Privatrechts, Staatsrechts, Prozessrechts und Strafrechts (common law und
equity), die sich in Anlehnung an ein Werk Hales in Personen, Sachen, Delikte und
Straftaten gliedert.
Lit.:
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Benser, R., Die
Systematik des Privatrechts, 1938; Warden, L., The Life of Blackstone, 1938;
Simmonds, N., Reason, History an Privilege – Blackstone’s Debt to Natural Law,
ZRG GA 105 (1988), 200; Harman, C., Critical Commentaries on Blackstone, 2002
Blasius de Morcono
(in Morcone vielleicht zwischen 1283 und 1293 geboren, 1350 an Pest gestorben)
ist der letzte Erläuterer des langobardischen Rechts als eines lebenden Rechtes
(Tractatus de differentiis inter ius Longobardorum et Romanorum) vielleicht
zwischen 1323 und 1332 entstanden).
Lit.: Dom. Blasii de
Morcono de differentiis inter ius Longobardorum et ius Romanorum tractatus,
cura Abignente, J., 1912; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 513
Blasphemie ist die Lästerung des christlichen Gottes. Seit dem 13. Jh. erscheint die B. auch in weltlichen Strafrechtstexten. Kirchliche wie weltliche Folgen sind vielfältig. Im 20. Jh. schwindet die Bedeutung.
Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy, 1928;
Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius
commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt
von Wilczek, B.); Schwerhoff, G., Zungen wie Schwerter, 2005
Bleichgericht
Lit.:
Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA
25 (1904), 345
Blendung (F.) ist
das Ausstechen oder Ausbrennen eines Auges oder beider Augen. B. ist eine Leibesstrafe
in Altertum und Mittelalter. Mit der Aufklärung wird sie beseitigt.
blickender Schein →
Augenschein
Blijde Inkomst →
Brabant
Blinder
Lit.: Laske,
W., Zur Stellung des Blinden im Recht des Mittelalters, ZRG GA 97 (1980), 27; Krüger, J.,
Blindheit und Königtum, 1992
Blockade ist die Absperrung eines Gebietes von anderen Gebieten vor allem im Seekrieg (aus it. [F.] bloccata). 1584 verwenden die Holländer die B. als Kriegsmittel im Freiheitskampf gegen Spanien. Die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. 4. 1856 und die nicht ratifizierte Londoner Deklaration vom 26. 2. 1909 legen das Recht der B. fest, die Charta der Vereinten Nationen lässt die B als kollektive Zwangsmaßnahme zu.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hogan, A., Pacific blockade,
1908; Schenk, R., Seekrieg und Völkerrecht, 1958; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, §§ 42, 48
Blume des Sachsenspiegels
(Di blume ubir der Sachsen spigel …) ist die in 8 bzw. 10 Handschriften
überlieferte ungedruckte, ein Abecedar (Incipiunt regulae juris Ad decus …)
enthaltende Bearbeitung der → Blume von Magdeburg durch Nikolaus →
Wurm (um 1397).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 67; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm,
1990
Blume von Magdeburg ist das
von Nikolaus → Wurm am Ende des 14. Jh.s (um 1390) nach dem Vorbild des
Richtsteig Landrechts unter Benutzung des Sachsenspiegels und des Magdeburger
Weichbildes verfasste, in zwei Teile gegliederte, in einer Handschrift
überlieferte Werk, das Sachsenrecht (Weichbildrecht) und gelehrtes gemeines
Recht (lat. [FPl.] leges und canones) verbinden will.
Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66; Leuchte, H., Das
Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990
Bluntschli, Johann
Kaspar (Zürich 7. 3. 1808-Karlsruhe 21. 10. 1881) wird nach dem Studium in
Zürich, Berlin (1827-1829) und Bonn Gerichtsschreiber in Zürich (1830), dann
Professor in Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg (1861). Auf der
Grundlage seiner Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft →
Zürich (1838/1839, 2. A. 1856) führt er das in Personenrecht, Sachenrecht,
Obligationenrecht, Familienrecht und Erbrecht gegliederte Privatrechtliche
Gesetzbuch für den Kanton Zürich zum Abschluss (1853-1855), das bis 1911 (auch
in Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt.
Lit.: Briefwechsel Johann Kaspar Bluntschlis mit Savigny,
Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und Ferdinand Meyer, hg. v. Oechsli, W.,
1915; Vontobel, J., Die liberal-konservative organische Rechts- und Staatslehre
Joh(ann) Caspar Bluntschlis, Diss. jur. Zürich 1954; Schmidt, S., Die
allgemeine Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Elsener, F.,
Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Affentranger, M., Besitz und Besitzschutz im
Züricher Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987; Senn,
M., Rassistische und antisemitische Elemente im Rechtsdenken von Johann Caspar
Bluntschli, ZRG GA 110 (1993), 372; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli,
Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Cavallar, G.,
Johann Caspar Bluntschlis europäischer Staatenbund in seinem historischen
Kontext, ZRG GA 121 (2004), 504
Blut ist die das Leben von
Wirbeltieren sichernde Körperflüssigkeit, auf die einzelne Rechtswörter (z. B.
Blutbann, Blutrache, Blutschande) und Rechtsregeln (Das Gut fließt wie das B.)
Bezug nehmen.
Lit.: Strack, H., Das
Blut im Glauben und Aberglauben, 7. A. 1900; Schenda, R., Gut bei Leibe, 1998;
Schury, G., Lebensflut, 2001
Blutbann ist die Zuständigkeit zur Verhängung der Todesstrafe. → Hochgerichtsbarkeit
Blutrache ist die
im älteren Recht erlaubte eigenmächtige Vergeltung einer Verletzung (Tötung)
durch eine neue Verletzung (Tötung). Recht und Pflicht zur B. bzw. Fehde oder
Selbsthilfe verschwinden bis zur Neuzeit. Das Wort Bluträcher begenet erstmals
bei Martin Luther in der ersten Hälfte des 16. Jh.s.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Heusler, A., Das
Strafrecht der Isländersagas, 1911; Vlavianos, B., Zur Lehre der Blutrache,
Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im deutschen Mittelalter,
Z. f. d. A. 91 (1962), 167 (Diss. phil. Kiel 1961); Miller, W., Bloodtaking and
peacemaking, 1990; Diesselhorst, M., Die Fehde von Sichar und Chramnesind (in)
FS F. Wieacker, 1991, 187ff.
Blutschande (Inzest)
ist der Geschlechtsverkehr zwischen nahen leiblichen Verwandten, der sowohl im
Alten Testament wie auch bei den Römern verboten ist. Vom christlichen Einfluss
wird das Frühmittelalter erfasst, das als Folge die Tötung, die Verknechtung,
das Exil oder das Gefängnis kennt. Häufiger erscheint die B. am Ende des
Mittelalters wohl unter dem Einfluss des römischen Rechts (1507 [Constitutio
Criminalis Bambergensis] Enthauptung). Eine Einschränkung auf die Verwandten
und Verschwägerten aufsteigender und absteigender Linie bringt das preußische
Strafgesetzbuch von 1851.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1997
Bocksdorf, Dietrich
(Theoderich) von (Zinnitz bei Calau um 1405-Zeitz 9. 3. 1466) wird nach dem
Rechtsstudium in Leipzig (1425, 1426 baccalaureus) und Perugia (1436/1437, Dr.
iur. utr.) Professor des kirchlichen Rechts in Leipzig (1443-1463) und 1463
Bischof von Naumburg. Er verfasst wissenschaftliche Arbeiten zum →
Sachsenspiegel (Informaciones 1433, 1451, Sippschaftsregeln, Erbschaftsregeln,
Remissorium, Weise des Lehnrechts), nicht dagegen die sog. Bocksdorfsche
Erweiterung der Glosse zum Sachsenspiegel.
Lit.: Köbler, DRG 103; Distel, T., Eine Rechtsunterweisung
Dittrich von Bocksdorfs, ZRG GA 4 (1833), 234; Kisch, G., Zur sächsischen
Rechtsliteratur der Rezeptionszeit, Bd. 1 Dietrich von Bocksdorfs
„Informaciones“, 1923; Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (H.
Ulmschneider)
Bocksdorfsche Glosse
ist die wohl von Tammo von → Bocksdorf nur in einzelnen Besserungen
veränderte Erweiterung der buchschen Glosse des Sachsenspiegels.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Bocksdorf, Tammo
von (um 1385-nach 1460), verfasst nach dem Rechtsstudium in Prag als Domherr in
Magdeburg 1426 ein → Remissorium zum Sachsenspiegel und vielleicht die
Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones (Zusätze) zur Sachsenspiegelglosse.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Bodenreform ist die
Umwandlung von Großgrundeigentum in bäuerliche Betriebe im Anschluss an
staatliche Umwälzungen teils liberalistischer, teils sozialistischer Zielsetzung
(z. B. Sowjetunion 1929, 1945 sowjetische Besatzungszone).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 121; Damaschke, A., Die
Bodenreform, 1902; Hedemann, J., Fortschritte des Zivilrechts im 19.
Jahrhundert, Teil 2 1930; Kippes, O., Die Bestrebungen der Bodenreform, 1933;
Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J., 1988; Werner,
J., Die Bodenreform, 1997; Oppenheimer, F., Großgrundeigentum und soziale
Frage, 1998; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in
Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen
Besatzungszone, 2000; Kempen, B./Dorf, Y., Bodenreform 1945-1949, 2004; Die
rechtsstaatliche Bewältigung der demokratischen Bodenreform, hg. v. Kempen, B.,
2005
Bodenregal ist das
vom König im Frühmittelalter grundsätzlich geltend gemachte → Regal an
herrenlosem Grund und Boden, das sich in Frankreich erhalten (domaine public)
und in Deutschland zum Aneignungsrecht des Staates (Fiskus) entwickelt hat.
Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981, § 27
Bodensee
Lit.: Stoffel, F., Die
Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Münch, W., Das Fischereirecht des
Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Gönnenwein, O., Die
Rechtsgeschichte des Bodensees, Schriften des Vereins für Geschichte des
Bodensees 69 (1950); Der Bodensee, hg. v. Maurer, H., 1982
Bodin, Jean (Angers
1530?-Laon 1596), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1548) und einer
Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat am Parlament von Paris, 1571
Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576 Staatsanwalt in Laon und schließlich
königlicher Prokurator. In seinem empirisch entwickelten, für die politische
Festigung Frankreichs gedachten Hauptwerk (Les six livres de la République,
1576, Die sechs Bücher über die Republik) beschreibt er rationalistisch das auf
der von Gott gegebenen Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränktheit,
Ständigkeit) aufbauende moderne Staatswesen, in dem der Souverän zum Erlass
des Gesetzes (lat. [F.] lex) befugt ist, aber den göttlichen und natürlichen
Gesetzen (lat. [N.] ius) unterliegt. Die Monarchie kann für B. den
Religionsfrieden und die Staatsordnung am besten wieder herstellen. Hexerei ist
B. das schwerste Verbrechen (De la démonomanie des sorciers, 1580). Streitig
ist, inwieweit B. den → Absolutismus begründet.
Lit.: Köbler, DRG 148f.; Fickel, G.,
Der Staat bei Bodin, 1934; Schmitz, A., Staat und Kirche bei Jean Bodin, 1939;
Bodin, Jean, hg. v. Denzer, H., 1973; Goyard-Fabre, S., Jean Bodin et le droit
de la république, 1989; Spitz, J., Bodin et la souverainieté, 1998; Couzinet,
M., Jean Bodin, 2001
Bodman
Lit.: Bodman. Dorf,
Kaiserpfalz, Adel, hg. v. Berner, H., 1977
Bodmann, Franz Josef (Groß-Aura 3. 5.
1754-Mainz 21. 10. 1820) wird nach dem Studium des Rechts in Würzburg und
Göttingen (Johann Stephan Pütter) 1780 außerordentlicher und 1783 ordentlicher
Professor in Mainz und von 1807 bis 1814 Konservator der ehemals kurfürstlichen
Bibliothek und Archivar. Er fälscht Quellen durch Änderung von Ort, Zeit und
Namen (z. B. sog. Rheingauer Landrecht). Wegen dieser seit 1903 aufgedeckten
Fälschungen sind alle nur durch ihn überlieferten Quellen verdächtig.
Lit.: Erler, A.,
Ingelheimer Urteile als Quellen Franz Josef Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74ff.,
77 (1960), 345ff.; Büttner, H., Zum Bodmann-Problem, HJB 74 (1955), 363ff.
Bodmerei ist die hochverzinste Beleihung eines Schiffes in der Form, dass mit seinem Verlust die Zahlungspflicht entfällt und die Rückzahlung von der sicheren Ankunft des Schiffes abhängt (seerechtliches Darlehen mit Gefahrtragung durch den Darlehensgeber, reine Sachhaftung). Der B. geht das griechisch-römische Seedarlehen voraus (lat. fenus [N.] nauticum), das möglicherweise durch indische oder babylonische Vorläufer beeinflusst ist. Im Hochmittelalter wird auf Grund unbekannter Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr ausgesetzten Schiffes oder Schiffsteils (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles d’Oléron 2. H. 13. Jh., Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse, 1591 Zulassung). Später wird sie durch die Seeversicherung verdrängt und auf die Notbodmerei des Schiffes (durch den Kapitän in Notfällen) eingeschränkt (HGB 1897). Als Folge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung wird die B. durch Gesetz vom 21. 6. 1972 im Handelsgesetzbuch Deutschlands ganz aufgehoben.
Lit.: Mathiass, B., Das foenus nauticum und die
geschichtliche Entwicklung der Bodmerei, 1881; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Böhmen ist das nach
den keltischen Boiern (latinisiert Boiohaemum) benannte Land östlich des
Bayerischen Waldes, in das seit dem 6. Jh. Slawen eindringen. Seit 800 wird es
christianisiert, wobei um 890 Herzog Boriwoi aus dem Geschlecht der →
Przemysliden getauft wird. Vom ottonischen König Heinrich I. wird B.
unterworfen. Im 10. Jh. wird der bisher nicht sicher gedeutete Name Čechy
(Tschechen) erwähnt. 973 wird für das zunächst kirchlich Regensburg unterstellte
Gebiet das Bistum Prag, 975 das Bistum Olmütz gegründet und Mainz unterstellt.
B. entwickelt sich zum Herzogtum (1085 Königstitel) im deutschen Reich (1114
Schenk, Reichserzschenk). Seit dem 12. Jh. wandern deutsche Siedler in den
Randgebieten und in den Städten ein. 1198/1212 wird B. als Königreich ähnlich
wie → Österreich im Reich verhältnismäßig verselbständigt. Der
Sachsenspiegel (1221-1224) zählt den König von B. zu den Kurfürsten. Nach dem
Aussterben der Babenberger in männlicher Linie in Österreich (1246) wird
Ottokar II. aus der Familie der Przemysliden (um 1232-26. 8. 1278) 1251 mit
Zustimmung der Stände Herzog von Österreich (1252 Heirat mit der mehr als 30
Jahre älteren Margarete von Babenberg, 1261 annulliert zwecks Heirat mit möglicher
Erbin Ungarns) und 1253 als Nachfolger seines Vaters König von Böhmen. 1260
erzwingt er von Ungarn die Übergabe der Steiermark. 1269 erwirbt er nach einem
Erbvertrag die Herzogtümer Kärnten und Krain. 1273 unterliegt er Rudolf von
Habsburg bei der Wahl zum deutschen König. 1276 muss er auf seine Erwerbungen
verzichten und Böhmen und Mähren von Rudolf von Habsburg als Reichslehen
nehmen. Am 26. 8. 1278 wird er bei dem Versuch der gewaltsamen Rückgewinnung
dieser Güter im Zuge der Schlacht von Dürnkrut (Marchfeld) getötet, wodurch
Österreich als Reichslehen wieder frei wird. 1306 sterben die Przemysliden aus
(1307 Habsburg, 1311 Luxemburg, 1438-1457 Habsburg). 1314 gewinnt Johann von
Luxemburg als König von B. das Nichtappellationsprivileg. Die Markgrafschaft
Mähren und Fürstentümer in Schlesien werden angegliedert. 1344 wird Prag
Erzbistum. 1348 erhält die Stadt eine Universität. Kaiser Karls IV. Plan eines
böhmischen Landrechts (→ Maiestas Carolina) scheitert 1355. !356
betrifft die Goldene Bulle auch das Kurfürstentum B. 1415 wird der tschechische
Religionserneuerer Jan Hus hingerichtet. Im 15. Jh. wird B. zur
Adelsherrschaft. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über die Rechtsordnung des
Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen spätmittelalterlichen
Rechtswissenschaft. 1526 ernennt der Adel Ferdinand I. von Österreich auf
Grund von Erbansprüchen zum König. 1527 gründet Ferdinand I. auf Drängen der
böhmischen Stände eine böhmische Hofkanzlei. 1547 wird das Königreich B. für
Habsburg erblich und verselbständigt sich danach mehr und mehr vom Reich. 1564
wird eine nach Niederschlagung der mit dem Prager Fenstersturz (1618)
verbundenen Reformationsbewegung (1620, Winterkrieg, Schlacht am Weißen Berg,
Verlegung der böhmischen Hofkanzlei nach Wien) 1627 absolutisierend
(v)erneuerte Landesordnung erlassen. In beachtlichem Umfang wird
römisch-kanonisches Recht aufgenommen. Im 17. Jh. versucht Österreich eine
Zentralisierung. 1707 wird Böhmen in die Halsgerichtsordnung Josephs I. von
1707 einbezogen. Maria Theresia hebt die böhmische Hofkanzlei 1748/1749 auf
(Directorium in publicis et cameralibus). 1761 entsteht die
böhmisch-österreichische Hofkanzlei für die innere Verwaltung der böhmischen
und österreichischen Erbländer. Joseph II. beseitigt die Leibeigenschaft in
Böhmen, Mähren und Schlesien. 1812 wird das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
Österreichs auch in B. in Kraft gesetzt. Am 8. 4. 1848 verspricht der
österreichische Kaiser Ferdinand I. eine eigene Verfassung (Böhmische Charte),
bezieht B. aber tatsächlich in die Geltung der pillersdorfschen Aprilverfassung
ein. Die böhmisch-österreichische Hofkanzlei wird zum Innenministerium. 1918
löst sich das Kronland (Cisleithaniens) B., wie seit 1848 gefordert, in der →
Tschechoslowakei von Österreich. 1993 teilt sich die im zweiten Weltkrieg
aufgeteilte, danach wiederhergestellte Tschechoslowakei in die Tschechische
Republik (Tschechien) und in die Slowakei auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 109,
129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.; Rössler, E., Deutsche
Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren, 1845ff.; Schmidt von Bergenhold, J.,
Geschichte der Privatrechtsgesetzgebung und Gerichtsverfassung, 1866; Codex
juris municipalis regni Bohemiae, 1886; Werunsky, E., Die Maiestas karolina,
ZRG GA 9 (1888), 64; Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10
(1889), 98; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Lippert,
J., Sozialgeschichte Böhmens in vorhussitischer Zeit, 1896ff.; Schreuer, H.,
Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, 1901; Codex
diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, hg. v. Friedrich, G. u. a., Bd.
1ff. 1904ff.; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, 1912; Köster, A.,
Die staatlichen Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen
Kaisern, 1912; Stieber, M., Böhmische Staatsverträge, 1912; Zycha, A., Über den
Ursprung der Städte in Böhmen, 1914; Peterka, O., Rechtsgeschichte der
böhmischen Länder, Bd. 1f. 1923ff., Neudruck 1965; Perels, E., Zur Geschichte
der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Weizsäcker, W., Die Fremden im
böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; Weizsäcker, W., Nárok und sok im
böhmisch-mährischen Landrecht, ZRG GA 53 (1933), 300; Stanka, R., Die
böhmischen Konföderationsakte von 1619, 1932; Diels, P./Koebner, R., Das
Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935; Schubart-Fikentscher, G.,
Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Wegener, W., Die
Přemysliden, 1957; Klabouch, J., (Die Rechtslehren des Aufklärungszeitalters
in den böhmischen Ländern), 1958; Wegener, W., Böhmen/Mähren und das Reich im
Hochmittelalter, 1959; Das böhmische Staatsrecht in den deutsch-tschechischen
Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Birke, E. u. a.,
1960; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae,
1963; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis
zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 144; Cultus pacis, hg. v. Vaněček, V., 1966; Siedlung und
Verfassung Böhmens in der Frühzeit, hg. v. Graus, F./Ludat, H., 1967; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K.,
Bd. 1ff. 1967ff.; Russocki, S.,
Protoparlamentaryzm Czech do początku XV wieku (Der Protoparlamentarismus
Böhmens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts), 1973; Procházka, R. Frhr. v.,
Genealogisches Handbuch erloschener böhmischer Herrenstandsfamilien, 1973; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Hlavaček, I. u. a. Nichtbohemikale
Originalurkunden in den böhmischen Ländern, 1977; Eberhard, W.,
Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, 1981; Sasse, B., Die
Sozialstruktur Böhmens in der Frühzeit, 1982, Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen
und die böhmischen Stände, 1982; Prinz, F., Böhmen im mittelalterlichen Europa,
1984; Eberhard, W., Monarchie und Widerstand, 1985; Hoensch, J., Geschichte
Böhmens, 3. A. 1997; Seltenreich, R., Das römische
Recht in Böhmen, ZRG GA 110 (1993), 496; Čechura, J., Die Struktur der
Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Rentzow, L., Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten
Landesordnung für das Königreich Böhmen von 1627, 1998; Kadlecová, M.,
Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150; Begert, A., Böhmen, die
böhmische Kur und das Reich, 2003; Himl, P., Die armben Leüte und die Macht,
2003; Malý, K., Die böhmische Konföderationsakte und die verneuerte
Landesordnung, ZRG GA 122 (2005), 285; Untertanen, Herrschaft und Staat in Böhmen
und im alten Reich, hg. v. Cerman, M. u. a., 2005; Küpper, H., Einführung in
die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 973; Kejř, J., Die mittelalterlichen
Städte in den böhmischen Ländern, 2009; Schelle, K., Recht und Verwaltung im
Protektorat Böhmen und Mähren, 2009; Böhmen und das Deutsche Reich, hg. v.
Schlotheuber, E. u. a., 2009
Böhmer, Johann Friedrich (Frankfurt am
Main 22. 4. 1795-Frankfurt am Main 22. 10. 1863), begüterter
Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Heidelberg und
Göttingen (1817 Promotion), Privatgelehrter, Stadtarchivar und
Stadtbibliothekar in Frankfurt am Main, als welcher er das Urkundenbuch
Frankfurts (Codex Diplomaticus Moeno-Francofurtanus), deutsche Kaiserurkunden
und die (lat. [N.Pl.] Regesta imperii (1831ff.) herausgibt.
Lit.: Jansen, J.,
Böhmers Leben, 1863; Kleinstück, E., Johann Friedrich Böhmer, 1959; Frankfurter
Biographie 1, 1994, 84ff.
Böhmer, Justus Henning (Hannover 29. 1. 1674-Halle 23. 8. 1749) wird nach dem Studium in Jena (1693-1695) Anwalt in Hannover und Hofmeister, seit 1698 Lizentiat in Halle, dann 1701 außerordentlicher und 1711 ordentlicher Professor. Hier verfasst er 1704 das beste Lehrbuch des römischen Rechts im 18. Jh. ([lat.] Introductio [F.] in ius digestorum, Einführung in das Recht der Digesten, 14. A. 1791), 1710 eine Einführung in das allgemeine öffentliche Recht bzw. Staatsrecht (lat. Introductio [F.] in ius publicum universale) und 1714-1737 eine umfassende geschichtlich-dogmatische Gesamtdarstellung des protestantischen Kirchenrechts ([lat.] Ius [N.] ecclesiasticum protestantium, z. T. 5. A. 1756ff.). Er präsidiert 139 Dissertationen, die mit der Einschränkung des Vorrangs protestantischer Bekenntnisschriften auch der Übertragung des (lat.) modernus usus (M.) pandectarum auf das Kirchenrecht dienen.
Lit.: Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche
Werk Justus Henning Böhmers, 1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei
Justus Henning Böhmer, (in) Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen
Rechtswissenschaft, 1994, 317; Wall, H. de, Zum kirchenrechtlichen Werk Justus
Henning Böhmers, ZRG G`KA 87 (2001), 455ff.; Schulze, R., Justus Henning Böhmer
und due Dissertationen seiner Schüler, 2009
Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach dem Rechtsstudium seit
1864 Lehrer des römischen Rechts in Grenoble und 1867 Paris, wechselt 1873 nach
→ Japan, wo er als Berater der Regierung französisches Recht lehrt und
1880 ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung sowie 1890 einen nicht
Gesetz gewordenen Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches erarbeitet.
Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade
et la réception du droit français au Japon, Revue internationale du droit
comparé 43 (1991), 327
Bologna ist die auf
etruskischen und römischen Grundlagen ruhende Hauptstadt der oberitalienischen
Landschaft Emilia am südöstlichen Rand der Po-Ebene, die sich seit 1115 von den
vom deutschen König eingesetzten Grafen von B. zu lösen vermag (und aus der für
das elfte Jh. 478 Urkunden und für die Zeit bis 1150 etwa 1300 städtische
Urkunden erhalten sind). In B. wird vielleicht auf der Grundlage einer im 11.
Jh. bezeugten Artistenschule und wegen des Wissensbedarfs zahlreicher Notare
und Investitoren (1057) als Rechtsschule (lat. [N.] studium) eine der ältesten
Universitäten Europas gegründet. Ihr bekanntester Lehrer ist (nach Albertus
[1067], Arianus, Geminianus und Pepo) zunächst → Irnerius mit der von ihm
geprägten Schule der → Glossatoren (Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und
viele andere bis Accursius). Um 1140 kommt das Studium des kirchlichen Rechts
hinzu. Die fremden Studenten gründen am Ende des 12. Jh.s als Mehrheit aus zwei
(lat. [F.Pl.]) universitates eine → universitas. Ihre Zahl wird zu dieser
Zeit auf etwa 1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten der Universität sind aus
dem Jahre 1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425 lassen sich rund 3600
deutsche, fast ausschließlich geistliche Rechtsstudenten in B. nachweisen
(durchschnittlich 23 Erstnennungen im Jahr mit rückläufiger Tendenz).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159; Fitting,
H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Dallari, U., I Rotuli dei
lettori, legisti e artisti dello studio bolognese dal 1384 al 1799, 1888ff.;
Knod, G., Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), 1899; Schelb, W.,
Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973,
39; Zanella, G., Bibliografia (in) Studi e memorie per la storia
dell’università di Bologna N. S. 5, 1985; Wandruszka, N., Die Oberschichten
Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz,
J., Juristen für das Reich, 2000; Le carte bolognesi del secolo XI, a cura di
Feo, G., 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Le carte bolognesi
del secolo XI, Appendice hg. v. Modesti, M., 2005; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 32; Behle, T., Der Magister Walfred
von Bologna, 2008
Bolschewismus ist
die bis etwa 1953 übliche Bezeichnung des Kommunismus in der Sowjetunion (zu
Bolschewiki, russ., Mehrheitler).
Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus im Urteil
der deutschen Sozialdemokratie, 1967
Bonae-fidei-iudicium (lat.
[N.], Klage nach Treu und Glauben) ist im klassischen römischen Recht die nach
der → Billigkeit beurteilte freiere Klage bzw. das freier beurteilte
Schuldverhältnis (z. B. Kauf, Miete, Leihe, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag,
Gesellschaft, Auftrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, Verwahrung,
Bruchteilsgemeinschaft [lat. fiducia], Vormundschaft bzw. Tutel,
Treuhandschaft, Mitgiftrückgabe, Pfand, Innominatkontrakt). Bei einem b. ist zu
leisten, was nach guter Treue (lat. ex fide bona) geschuldet wird. Für die
diesbezügliche Feststellung hat der (lat.) iudex (Richter) auf Grund der
Klagformel des Gerichtsmagistrats einen Ermessensspielraum. Er muss Nebenpflichten
aus Abreden, Schutzpflichten und Treuepflichten beachten und Arglist auch ohne
Einrede des Beklagten berücksichtigen. Der Gegensatz zum b. ist das (lat.) iudicium (N.) stricti iuris
(strengrechtliche Klage).
Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der bonae-fidei-iudicia,
ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im bonae-fidei-iudicium, 1969
Bona fides (lat. [F.] gute
Treue) ist im klassischen römischen Recht zunächst die Pflicht zum Worthalten
und danach ein Maßstab, nach dem der Richter das betreffende Rechtsverhältnis
zu beurteilen hat. Für den Inhalt des Schuldverhältnisses findet dabei neben
der formlosen Vereinbarung auch die Verkehrssitte Anwendung. Bei der
Ersitzung ist b. f. (Gutgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des
Erwerbs) des Erwerbers ([lat.] bonae fidei possessor [M.]) im Zeitpunkt des
Erwerbs nötig ([lat.] mala fides superveniens non nocet, nachträgliche
Bösgläubigkeit schadet nicht).
Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12,
18; Köbler, DRG 40, 42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides,
1961; Hausmaninger, H., Die bona fides des Ersitzungsbesitzers im klassischen
römischen Recht, 1965
Bonaparte (Buonaparte) s. Napoleon
Bonellus de Barulo,
Andreas ist
ein wohl vor 1250 in Barletta bei Bari geborener, vor oder nach 1291
verstorbener neapolitanischer Jurist (Commentaria super postremis libris
codicis, commentaria in leges Longobardorum, Glossen zu den constitutiones
Siculae).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 502
Bönhase ist seit
dem 15. Jh. die im Mittelniederdeutschen entstandene Bezeichnung für den
unzünftigen, bereits vereinzelt seit dem 14. Jh. von den Zünften bekämpften
Handwerker (wie ein Hase auf dem Boden arbeitend?, heimlich auf dem Dachboden
arbeitend?, außerhalb der „Hanse“ arbeitend?).
Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und
Gewohnheit, 1928, 2. A. 1981; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971
Boni homines (lat. [M.Pl.],
Sg. bonus homo) oder auch (lat.) probi homines (M.Pl., frz. prud’hommes) sind
(in Frankreich, Spanien, Italien, dem Alpenraum und dem Heiligen römischen
Reich im Frühmittelalter (seit Anfang des 7. Jh.s) und bis ins 13. Jh. Zeugen,
Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit, guten Leumund sowie
meist Grundeigentum und Ansässigkeit als Voraussetzung ihrer jeweiligen
Tätigkeit erfüllen, aber sich nicht einem bestimmten Stand zuweisen lassen und
kein bestimmtes Amt haben. Seit Ende des 12. Jh.s treten sie in den
oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf.
Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines
des frühen Mittelalters, 1981
Bonifatius bzw. Wynfreth (Wessex
672/675-bei Dokkum 5. 6. 754), aus niederem Adel, im Kloster Exeter erzogen,
wird zunächst Lehrer und 718 Missionar im fränkischen Reich. In Rom am 30. 11.
722 zum Bischof geweiht, missioniert er unter einem Schutzbrief Karl Martells
von 723 bis 732 in Thüringen und Hessen (u. a. Fällung der Donareiche bei
Geismar und Gründung der Zelle Fritzlar). 732 wird er Erzbischof ohne besonderen
Sitz, 737/738 Legat für Germanien. 738/739 erneuert er die Bistümer
Regensburg, Passau, Salzburg und Freising. 741/742 gründet er die Bistümer
Würzburg, Büraburg und Erfurt (später Eichstätt), 744 das Kloster Fulda. 754
wird er in Friesland erschlagen.
Lit.: Schieffer, T.,
Winfrid-Bonifatius, 2. A. 1972; Schipperges, S., Bonifatius ac socii sui, 1996;
Padberg, L. v., Bonifatius, 2003
Bonifatius VIII (Benedetto
Caetani, Anagni um 1235-Rom 11. 10. 1303) wird nach dem Studium vermutlich des
kirchlichen Rechts in Todi, Spoleto und Bologna am 23. 1. 1295 Papst. 1298
lässt er die päpstlichen Dekretalen ab 1234 im (lat.) Liber (M.) sextus
decretalium (sechsten Buch der Dekretalen) zusammenfassen. In der Dekretale
(lat.) Unam sanctam (eine heilige) vom 18. 11. 1302 fordert er die Unterordnung
der weltlichen Gewalt unter den Papst, wird aber am 7. 9. 1303 in Anagni
verhaftet.
Lit.: Gagnér, S.,
Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Schmidt, T., Der
Bonifaz-Prozess, 1989; Politische Reflexion der Welt des späten Mittelalters,
hg. v. Kaufhold, M., 2004, 129ff.
bonitarisch auf
(lat.) in bonis esse, „in den Gütern sein“ beruhend, im Gegensatz zu zivil (z.
B. die im römischen Recht durch bloße Übergabe einer mancipium-Sache statt
Manzipation seitens des Eigentümers erlangte, vom Prätor geschützte Stellung
des Erwerbers)
Bonn (Bonna 12-9 v. Chr.) am Rhein gegenüber der Einmündung der Sieg ist ein auf keltisch-römischer Grundlage entstandener Ort, der im 11. Jh. (von den Ezzonen) an das Erzstift → Köln gelangt. Im 16. Jh. wird er dessen Hauptort und erhält 1777/1786 eine 1797 aufgehobene, 1815/1816 jedoch wiedererrichtete Universität, in der 1928 die Staatswissenschaften fast vollständig aus der philosophischen Fakultät in die juristische Fakultät übergeführt werden. Vom 1. 9. 1948 bis 23. 5. 1949 tagt in B. der Parlamentarische Rat zur Vorbereitung der Bundesrepublik Deutschland, weshalb das → Grundgesetz auch als Bonner Grundgesetz bezeichnet wird. 1949 wird B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland (1990) vorläufige Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wiedemann, A.,
Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Niessen, J./Ennen, E.,
Geschichte der Stadt Bonn, 1956ff.; Eisenhardt, U., Die weltliche
Gerichtsbarkeit der Offizialate, 1966; Hübinger, P.,
Das historische Seminar, 1963; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der
Universität Bonn 1818 bis 1960, 1969; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den
Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; Geschichte der Stadt Bonn,
hg. v. Höroldt, D. u. a., 1989ff.; 150 Jahre Landgericht Bonn, hg. v.
Fassbender, H., 2000; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg.
v. Schmoeckel, M., 2004; 75-Jahr-Feier der rechts- und staatswissenschaftlichen
Fakultät, 2004; Schmoeckel, M. u. a., Stätten des Rechts in Bonn, 2004
Bonorum possessio (lat. [F.]
Güterbesitz, Nachlassbesitz) ist im klassischen römischen Erbrecht die
Stellung, die der → Prätor auf Antrag dem zuweist, den er im Fall des
Todes eines Erblassers am ehesten für berechtigt hält. Der damit erreichte
Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen
Rechts können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln.
Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38;
Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius
esse, ZRG RA 107 (1990), 155
bonum (N.) commune (lat)
gemeines Wohl, Allgemeinwohl
bonus homo → boni homines
Boppard
Lit.: Heyen, F., Reichsgut im Rheinland, 1956
Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. → nordisches Recht
Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des
Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942
Börse (zu lat. [F.] bursa, Beutel,
Kasse?) ist die regelmäßig an einem bestimmten Ort stattfindende, nur von
Kaufleuten besuchte Veranstaltung zum Zweck des Abschlusses von Gattungskäufen
vertretbarer Sachen. Geldbörsen entstehen seit dem 12. Jh. in Oberitalien und
Südfrankreich, eine Warenbörse ohne anwesende Waren ist in Antwerpen um 1500
bezeugt. Wichtige Börsen bestehen in Antwerpen, Lyon, Amsterdam, Paris.
London, Frankfurt am Main, Berlin und Wien, später auch in New York oder Tokio.
Lit.: Deutsche Börsengeschichte,
hg. v. Pohl, H., 1992; Blumentritt, J., Die privatrechtlich organisierte Börse,
2003
Börsengesetz ist das am 22. 6. 1896 geschaffene, das Recht des Wertpapierhandels an der Börse (Vorformen im 15. Jh. in Sevilla, Cadiz und Lissabon [16. Jh.]) regelnde deutsche Gesetz.
Lit.: Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992;
Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994
Bösgläubigkeit ist
das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen rechtlich bedeutsamen
Umstand. → guter Glaube
Bosnien ist die
östlich der mittleren Adria gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den Römern
erobert wird (Dalmatia) und bei der Reichsteilung an Ostrom gelangt. Zu Beginn
des 7. Jh.s siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende Königreich (1377)
gerät mit Herzegowina 1463/1482 durch Eroberung unter die Herrschaft der
Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem Einfluss (Besetzung und Verwaltung)
Österreichs (1883 HGB, ZPO, Wechselgesetz u. a.) einen Aufschwung. 1908 wird
B. von → Österreich-Ungarn annektiert und als weitere pragmatische
Angelegenheit von Österreich und Ungarn gemeinsam verwaltet (1909 von der
Türkei anerkannt). 1918 wird es Teil → Jugoslawiens (1941-1945 Kroatiens).
Nach der Erklärung der Souveränität (1992) und einem Bürgerkrieg wird es 1995/1996
als Bosnien-Herzegowina (zwischen Kroatien, Serbien, Monenegro und Adria, 4,3
Millionen Einwohner, 51129 Quadratkilometer, bosniakisch-kroatische Föderation
und serbische Republik) verselbständigt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S.,
Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna,
A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H.,
Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998;
Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina
1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina,
2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
Bote (lat. [M.]
nuntius) ist ein Mensch, der für einen anderen ohne eigene Willensbildung eine
Erklärung empfängt oder abgibt.
Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2
Bourbone ist der
nach Bourbon-l’Archambault im heutigen Departement Allier benannte Angehörige
einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von Bourbon)
begründeten Seitenlinie der → Kapetinger. Die jüngere Linie
Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830 bzw. in der
1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das Königtum in →
Frankreich. In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht
(ausgenommen 1808-1814, 1868-1875, 1931-1975). Sie herrscht auch von 1735 bis
1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802 und von 1847 bis 1859/1860 in
Parma-Piacenza.
Lit.: Legual, A., Histoire du
Bourbonnais, 1960; Malettke, K., Die Bourbonen 1589-1848, Bd. 1ff. 2008f.
Bourges ist die auf
keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt am
Zusammenfluss von Yèvre und Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s
Ausgangspunkt des → mos Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der
Rechtswissenschaft. → Budé
Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du
Berry, 1980
Boutillier, Jehan
(Pernes/Pas-de-Calais vor 1350-Tournai [vor?] 24. 1. 1396) verfasst als Berater
des französischen Königs in Nordfrankreich (Tournai) wohl kurz vor 1396 das
(französische) Rechtsbuch → Somme rural.
Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G.
van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951
Boykott ist die
nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte
Ablehnung aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem
dadurch die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr abgeschnitten wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Bozen
Lit.: Die Bozner
Handelskammer vom Merkantilmagistrat bis zur Gegenwart, 1981; Das Urbar des
Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003;
Obermair, H., Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche
Überlieferung, Bd. 1 2005
Brabant ist das aus dem fränkischen Gau Bracbantum im Nordwesten (um Brüssel) unter den Grafen von Löwen (um 1188 Herzöge von B.) entstandene, sich vom Reich verselbständigende (1349 Goldene Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des Fürsten begrenzende Herzogtum, das nach Johanna von B. (1355-1406) 1390/1430 an → Burgund und nach Maria von Burgund 1477 an → Habsburg (Spanien) kommt. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg gelangt es 1723 an Österreich. Nach Ende der 1775 erfolgten Annexion durch Frankreich wird es 1815 Teil der → Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil → Belgiens.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Moll, W., De rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les
deux chartes romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission
royale d’histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les
échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l’Angleterre, 1936; Willem
van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van
Brabant, hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe
rechtsbronnen van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f.
1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung der
ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14.
Jahrhunderts, 1985; Geschiedenis van Noord-Brabant, hg. v. Van den Eerenbeemt,
H., Bd. 1ff. 1996f; Godding, P., Le
Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Weller,
T., Die Heiratspolitik, 2004; Geschiedenis van
Brabant, hg. v. Van Uytven, R. u. a.,2004; Tigelaar, J., Brabants historie
ontvouwd, 2006
bracchium (N.) saeculare (lat.) (der Staat als) weltlicher Arm (der Kirche)
(kirchlicher Anspruch auf staatliche Unterstützung 1983 aufgegeben)
Bracton, Henry de (Bratton Fleming 1210-Exeter 1268) ist nach dem Studium des weltlichen und kirchlichen Rechts wohl an der Domschule von Exeter seit etwa 1229 Schreiber (clerk) eines Richters, seit 1245 reisender Richter, von 1247 bis 1257 Richter am Gericht Coram rege (Court of King’s Bench) und seit 1264 Domkanzler in Exeter. Sein vielleicht nach 1230 verfasstes oder auch von ihm nur überarbeitetes, durch 48 Handschriften überliefertes, unvollendetes Werk (lat.) → De legibus et consuetudinibus Angliae (Über Gesetze und Gewohnheiten Englands) bietet auf Grund einer Sammlung von etwa 2000 Urteilen (precedents) des Königsgerichts die beste Darstellung des englischen → common law des Mittelalters. Der Traktat gliedert sich nach Personen, Sachen und Klagansprüchen. Im dritten Teil behandelt er an Hand der verschiedenen Klageformeln (writs) das Privatrecht, Strafrecht und Lehnrecht. Eine gezielte Romanisierung des englischen Rechts durch B. ist nicht erweislich.
Lit.: Bractons
Note Book, hg. v. Maitland, F., 1887; Holdsworth, W., A History of English Law,
Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H., Actio and writ, 1957; Fesefeldt, W.,
Englische Staatstheorie des 13. Jahrhunderts,
1962; Richardson, H., Bracton, the problem of his text, 1965; Bracton, hg. v.
Woodbine, G., übers. v. Thorne, S., 1968; Thorne, S., Henry de Bracton
1268-1968, 1970
Brand von Tzerstede
(Lüneburg um 1400-Lünenburg 3. 10. 1451), Patrizierssohn, wird nach dem Studium
des Rechtes in Leipzig (1414, 1417 baccdalaureus) Ratsherr in Lüneburg. Er
verfasst die in zwei Handschriften und einem Fragment überlieferte, 1442
abgeschlossene Glosse zur Vorrede des Sachsenspiegels von der Herren Geburt und
nach eigener Angabe weitere Glossierungen.
Lit.: Glossen zum
Sachsenspiegel-Landrecht Buch’sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002, 124ff.
Brandenburg ist die nach der slawischen Brennaburg (928/929, 948 Bistum, 983 Slawenaufstand) benannte Mark ([3. 10.] 1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134-1319, 1165 Wiederbegründung des Bistums), Wittelsbachern, Luxemburgern (1375 Landbuch der Mark Brandenburg) gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die Hohenzollern (1411/1417). 1473 legt die → Dispositio Achillea des Markgrafen Albrecht Achilles die Unteilbarkeit fest (1506 Universität Frankfurt an der Oder, 1516 Kammergericht in Berlin). 1614 fallen Kleve, Mark und Ravensberg an, 1618 → Preußen als Lehen Polens. Seit 1701 tritt B. hinter den Namen Preußen zurück. 1947 wird Preußen aufgelöst. Der 1945 unter Verwaltung Polens gestellte Teil Brandenburgs östlich der Oder und Neiße wird 1990 Polen zugeteilt. Der Versuch der Vereinigung des Bundeslandes B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H.,
Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888;
Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hg. v.
Stölzel, A., 1901; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung,
1901f.; Spangenberg, H., Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im
Mittelalter, 1908; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivlegien für
Brandenburg-Preußen, 1908; Altmann, W., Ausgewählte Urkunden zur
brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. A.
1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980;
Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfüsten von Brandenburg, 1915; Luck, W.,
Die Prignitz, 1917; Werminghoff, A., Ludwig von Eyb der Ältere (1417-1502),
1919; Gley, W., Die Besiedlung der Mittelmark, 1926; Acta Brandenburgica, Bd.
1ff. 1927ff.; Tschirch, O., Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an
der Havel, 1928; Schulze, B., Brandenburgische Landesteilungen, 1928; Schulze,
B., Die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg und Pommern 1809-1918,
1931; Erläuterungen zur brandenburgischen Kreiskarte von 1815, v. Schulze, B.,
1933; Die alten und neuen brandenburgischen Kreise nach dem Stande von 1815,
bearb. v. Curschmann, F. u. a., 1933; Brandenburgische Ämterkarte, bearb. v.
Schulze, B., 1935; Schulze, B., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik
der brandenburgischen Ämter und Städte, 1935; Das Landregister der Herrschaft
Sorau von 1381, hg. v. Schultze, J., 1936; Oestreich, G., Der brandenburgisch-preußische
geheime Rat, 1937; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der
Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Das Landbuch der Mark Brandenburg von
1375, hg. v. Schultze, J., 1940; Buchda, G., Über die verlorenen hallischen
Konstitutionen zum Landrecht der Kurmark Brandenburg (1714), ZRG GA 69 (1952),
385; Schultze, J., Forschungen zur brandenburgischen und preußischen
Geschichte, 1964 (Aufsätze); Hoppe, W., Die Mark Brandenburg, Wettin und
Magdeburg, 1965 (Aufsätze); Engel, E./Zientara, B., Feudalstruktur,
Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg, 1967;
Geschichte von Brandenburg und Berlin, Bd. 3, hg. v. Herzfeld, H., 1968;
Harnisch, H., Die Herrschaft Boitzenburg, 1968; Schmidt, E., Markgraf Otto I.
von Brandenburg, ZRG GA 90 (1973), 1; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter
den Askaniern, 1973; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von
1594, 1973; Podehl, W., Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg, 1975; Die
Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 2. A. 1989; Ein sonderbares
Licht in Teutschland, hg. v. Heinrich, G., 1990; Brandenburgische Geschichte,
hg. v. Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land Brandenburg, hg.
v. Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen Landtage, hg. v. Adamy,
K. u. a., 1998; Pohl, D., Justiz in Brandenburg 1945-1955, 2001; Das Domstift
Brandenburg und seine Archivbestände, bearb. v. Schößler, W., hg. v. Neitmann,
K., 2005; Beck, F., Regesten der Urkunden Kurmärkische Stände (Rep. 23 A),
2006; Partenheimer, L., Die Entstehung der Mark Brandenburg, 2007; Scheffczyk,
F., Der Provinzialverband der preußischen Provinz Brendenburg 1933-1945, 2008;
Baumgart, P., Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F.,
2009
brandenburgischer Landrechtsentwurf → Köppen
Brandileone,
Francesco (Buonabitacolo 1858-Neapel 1929) wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft in Neapel Professor für italienische Rechtsgeschichte in
Macerata, Sassari, Parma, Bologna und Rom.
Brandmarken ist das
schon den Römern (für Sklaven und Abhängige, Verbot der B. ins Gesicht durch
Kaiser Konstantin) bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen auf
die Hand oder in das Gesicht (oder Verstümmeln), das sich 726 bei den
Langobarden (für rückfällige Diebe) und trotz Ablehnung durch die Aufklärung
noch 1787 in Österreich, 1813 in Bayern und 1810 und 1832 in Frankreich findet
(Verbot in England 1829, Frankreich 1834, Frankfurter Paulskirchenverfassung
1849 § 139).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Chen, Y., Probleme der Strafe der Brandmarkung,
1948; Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954; Cate, C. ten, Tot glorie der
gerechtigheit, 1975; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das Gesicht, 1994
Brandstiftung ist
das Inbrandsetzen einer (fremden) Sache. Die B. ist in Rom eine Straftat, auf
die der Feuertod steht. Im Mittelalter wird sie wegen ihrer Bedeutung in der →
Fehde eher gering gebüßt. Gottesfrieden (z. B. 1083) und Landfrieden lehnen sie
ab. Der Sachsenspiegel (1221-1224) kennt Enthauptung oder (bei Mordbrand)
Rädern als ihre Strafen (ähnlich sog. Treuga He[i]nrici von 1224), die (lat.)
Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532, Art. 126) Feuertod (bei boshaftiger
B.), das preußische Allgemeine Landrecht (1794) Enthauptung und Feuertod. Die
fahrlässige B. wird schon früh gesondert behandelt. Seit dem 19. Jh. werden
allgemein unterschiedliche Begehungsformen unterschieden.
Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2; Osenbrüggen,
E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 348;
Geerds, F., Die Brandstiftungsdelikte, 1962; Timcke, G., Der Straftatbestand
der Brandstiftung, Diss. jur. Göttingen 1965; Spicker-Beck, M., Räuber,
Mordbrenner, umschweifendes Gesind, 1995
Brant, Sebastian
(Straßburg 1457/1458-Straßburg 10. 5. 1521), Gastwirtssohn, wird nach dem
Rechtsstudium (1477) in Basel Professor (1489 Dr. iur. utr.), lehrt seit 1483
römisches Recht, kirchliches Recht und Poetik, wechselt aber als Folge der
Annäherung Basels an die Eidgenossen 1501 als Syndicus (bzw. 1503 Stadtschreiber)
nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.]) Expositiones [1490, Ausstellungen, ein
Anfängerlehrbuch], 36 Auflagen) veröffentlicht er im Rahmen der populären
Literatur eine Bearbeitung von Tenglers → Laienspiegel von 1495 (1509)
und des → Klagspiegels (Conrad Heydens, † 1443/1444) (Neuausgabe 1516)
sowie die Satire Narrenschiff (1494).
Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant, (in)
Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des gelehrten
Rechts in Deutschland, 1962, 127; Knape, J., Dichtung, Recht und Freiheit,
1992; Sebastian Brant, hg. v. Wilhelmi, T., 2002
Brauchtum ist die
Gesamtheit der tatsächlich innerhalb einer Personenmehrheit geübten
sozialverträglichen Verhaltensweisen. Das B. weist viele Beziehungen zum Recht
auf (z. B. Weistümer). Insbesondere kann das Recht das B. beeinflussen.
Lit.: Köbler, DRG 5; Sartori, P., Sitte und Brauch, 1910;
Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Künßberg, E.
Frhr. v., Rechtsbrauch und Kinderspiel, 1920 (SB Heidelberg), 2. A. 1952;
Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker, A., Frühlingsbrauch und
Sonnenkult, 1937; Fehrle, E., Deutsche Hochzeitsbräuche, 1937; Zipperer, F.,
Das Haberfeldtreiben, 1938; Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939;
Müller, G., Der Umritt, 1941; Dörrer, A., Brotspenden als Verlöbnis und
Gemeinschaftsbrauch, ZRG GA 74 (1957), 266; Erler, A., Burschenbrauchtum vor
den Schranken des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 79 (1962), 254; Schädler, K.,
Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Brückner, W., Bildnis und Brauch,
1966; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, (um 1976); Schieder,
E., Das Haberfeldtreiben, 1983; Deimling, B., Ad rufam ianuam, ZRG GA 115
(1988), 498; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Althoff,
G., Die Macht der Rituale, 2003; Rechtssymbole und Wertevermittlung, hg. v.
Schulze, R., 2004
Brauen ist das Herstellen von Bier aus
Getreide und Wasser(, 12. Jh. Hopfen und in der Neuzeit Hefe). Es ist bereits
dem Altertum bekannt und findet sich in den Grundherrschaften seit dem
Frühmittelalter (1040 Bischof von Freising für Weihenstephan). In der
hochmittelalterlichen Stadt entwickelt es sich zum verrechtlichten Gewerbe. Die
Herzöge von Bayern beschränken die Bierherstellung auf Gerste, Hopfen und
Wasser (1493/1516, Reinheitsgebot, vgl. 1906 Biersteuergesetz § 9 I). Seit der
Einführung der Gewerbefreiheit im frühen 19. Jh. entstehen Bierfabriken, die
als Großbrauereien die Hausbrauereien verdrängen.
Lit.: Brinkmann, H.,
Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Schlosser, H.,
Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981; Heckel-Stehr, K.,
Brauwesen in Bayern, 1988; Blanckenberg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001
Braunschweig an der Oker wird 1031 erstmals erwähnt und wächst aus fünf älteren Siedlungen (Altstadt, Neustadt E. 12. Jh., Sack 2. H. 13. Jh., Hagen um 1160, Altenwiek) zusammen. Schon früh steht der Ort unter der Herrschaft der Welfen, deren Reichsfürstentum von 1235 nach B. und Lüneburg benannt wird. Die zeitweise ziemlich selbständige Stadt, die 1227 das Hagenrecht und das sog. Ottonianum (mnd.) aufzeichnet, 1402 den Rechtsstoff neu ordnet und 1532 ihre Statuten einer 1675 aufgehobenen Reformation unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel über und gelangt, wirtschaftlich mehr und mehr von Hannover und Magdeburg überholt, 1946 mit dem Land B. an Niedersachsen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt
Braunschweig, bearb. v. Dolle, J. u. a., Bd. 1ff. 1874ff. (Bd. 5 1994);
Hanselmann, L., Die ältesten Stadtrechte Braunschweigs, Hans. Geschbll. 1892,
3; Frensdorff, F., Das braunschweigische Stadtrecht bis zur Rezeption, ZRG GA
26 (1905), 195; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen
Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Fahlbusch, O., Die Finanzverwaltung der
Stadt Braunschweig, 1913; Busch, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen
der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, 1921; Hüttebräuker, L., Das Erbe
Heinrichs des Löwen, 1927; Wolters, G., Das Amt Friedland und das Gericht
Leineberg, 1927; Meier, P., Der Streit Herzog Heinrichs des Jüngeren von
Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Reichsstadt Goslar, 1928; Kleinau, H., Der
Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Willecke, R., Das eheliche
Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Timme, F., Die wirtschafts- und
verfassungsgeschichtlichen Anfänge der Stadt Braunschweig, 1931; Germer, H.,
Die Landgebietspolitik der Stadt Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Heerstraßen
auf Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig
1231-1671, 1940; Querfurth, H., Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im
Jahre 1671, 1953; Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande
Braunschweig, hg. v. Spieß, W., 1954; Piper, H., Testament und Vergabung von
Todes wegen, 1960; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos des
Kindes, 1961; Moderhack, R., Hundert Jahre Stadtarchiv und Stadtbibliothek,
1961; Spieß, W., Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter, 1966;
Kleinau, H., Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, 1967,
1968 (2425 Namen); Pitz, E., Landeskulturtechnik, 1967; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2903; Garzmann, M., Stadtherr und Gemeinde in
Braunschweig, 1976; Lockert, M., Die niedersächsischen Stadtrechte, 1978;
Petersen, W., Verzeichnis der Einblattdrucke und Handschriften, 1984, Rat und
Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Bringmann, W., Die
braunschweigische Thronfolgefrage, 1988; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im
Justizstaat, 1995; Hanse - Städte - Bünde, hg. v. Puhle, M., 1996; Hackel, C.,
Der Untergang des Landes Braunschweig, 2000; Die braunschweigische Landesgeschichte,
hg. v. Jarck, H. u. a., 2000; Ohm, M., Das Braunschweiger Altstadtrathaus,
2002; Justiz und Anwaltschaft in Braunschweig, hg. v. Isermann, E. u. a., 2004;
Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des braunschweigischen Landes vom
Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Leuschner, J. u. a., 2008
Braurecht ist das das Brauen betreffende
Recht.
Lit.: Peterka, O., Die
bürgerlichen Braugerechtigkeiten in Böhmen, 1917; Schlosser, H., Braurechte,
Brauer und Braustätten in München, 1981
Braut (8./9. Jh.) ist zunächst die neuvermählte junge Frau und erst in jüngerer Zeit die durch ein Heiratsversprechen erst zur Eheschließung verpflichtete Frau.
Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und
Konsensgespräch, 1910; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985
Brautkind ist
das Kind einer (unverheirateten) Braut. Es ist unehelich, kann aber innerhalb
der unehelichen Kinder eine bessere Rechtsstellung haben.
Brautlauf ist die im 13. Jh. im Deutschen erloschene Bezeichnung für die Hochzeit.
Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und Sachen
16 (1934), 81
Bregenz
Lit.: Helbok, A., Die
Bevölkerung der Stadt Bregenz, 1912
Breisach
Lit.: Beyerle, Franz,
Das älteste Breisacher Stadtrecht, ZRG GA 39 (1918), 318; Haselier, G.,
Geschichte der Stadt Breisach am Rhein, 1969
Bremen (782) südlich der Wesermündung wird 787/789 Sitz eines Bischofs bzw. 845/864 eines Erzbischofs. Im 13. Jh. löst sich B. von der Herrschaft des Bischofs. Wahrzeichen wird der Roland. B. wird Mitglied der Hanse. 1303/1304 wird das Recht aufgezeichnet. 1541/1646 wird die Reichsfreiheit erlangt, die sich in der Stellung als Mitglied des Deutschen Bundes (1815) und als Land im Deutschen Reich (1871) und in der Bundesrepublik Deutschland (1949) fortsetzt. 1970 entsteht in B. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bremisches
Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1873ff.; Kühtmann, A., Die Romanisierung des
Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Kühtmann, A., Geschichte der bremischen
Stadtvogtei, 1900; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558),
1908; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Eckhardt, K., Die
mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, 1931; Das bremische
Stadtrecht von 1303/08, hg. v. Eckhardt, K., 1931; Haase, C., Untersuchungen
zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Hinte, P., Die hannoversche
Gerichtsbarkeit in der Stadt Bremen von 1720-1803, Diss. jur. Göttingen 1957;
Merker, O., Die Ritterschaft des Erzstifts Bremen im Spätmittelalter, 196ich,
1969; 2; Lorenz, G., Das Erzstift Bremen und der Administrator Friedrich, 1969;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2905;
Schwarzwälder, H., Geschichte der freien Hansestadt Bremen, Bd. 1ff. 1975ff.;
Barkhausen, W., Erzbischof Adaldag und König Harald Gormsson, ZRG GA 111
(1994), 363; Kessler, A., Die Entstehung der Landesverfassung, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten, bearb. v. Gerstenberger, H.,
1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon, 2000; 700 Jahre Bremer Recht
1303-2003, hg. v. Elmhäuser, K., 2003; Kähler,
J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den
Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Elmshäuser, K.,
Geschichte Bremens, 2007
Bremgarten
Lit.: Bürgisser, E.,
Geschichte der Stadt Bremgarten, 1937
Breslau an der Oder erscheint im 10. Jh. als befestigte Siedlung und wird 1000 Sitz eines Bischofs. Seit 1163 ist es in Niederschlesien Sitz eines Herzogs aus der Familie der Piasten. 1225 erhält es eine Marktsiedlung nach deutschem Recht, 1241 deutsches Recht. (1261 Magdeburger Recht). 1335 gelangt B. an Böhmen. In der Mitte des 14. Jh. wird ein zunächst unsystematisches, gegen 1370 systematisiertes Stadtrechtsbuch zusammengestellt. Am Ende des 15. Jh. entstehen die Rechtsbücher Der rechte Weg und Remissorium. B. wird Oberhof für mindestens 65 Städte. 1526 fällt B. mit Böhmen an Österreich. 1702 wird eine Universität eingerichtet (bis 1811). 1741 wird B. von Preußen erobert. Über Preußen gelangt B. nach 1945 an Polen. → Breslauer Landrecht
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Laband, P., Das
Magdeburg-Breslauer systematische Schöffenrecht, 1863; Breslauer Urkundenbuch,
hg. v. Korn, G., 1870; Goerlitz, T., Die Übertragung liegenden Gutes, 1906;
Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Pfitzner, J., Besiedlungs-,
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Breslauer Bistumslandes, 1926;
Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Goerlitz, T., Die Breslauer
Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts, ZRG GA 59 (1939), 136; Lindgren, E., Die
Breslauer Strafrechtspflege, 1939; Hermann, E., Das Abgabenrecht der Stadt
Breslau, 1941, Goerlitz, T., Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau,
hg. v. Petry, L., 1962; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999; Encyklopedia
Wroclawia (Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000; Der rechte
Weg, hg. v. Ebel, F., 2000; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau
1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N., 2002; Davies, N. u. a., Die Blume Europas,
2002; Eschenloer, P., Geschichte der Stadt Breslau, hg. v. Roth, G., 2003;
Thum, G., Die fremde Stadt, 2003; Quellenbuch zur Geschichte der Universität
Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N. u. a., 2004
Breslauer Landrecht
ist die durch König Johann von Böhmen veranlasste, in 351 Kapitel mit 13
Anhangskapiteln gegliederte, im Fürstentum Breslau und Teschen gebrauchte
Bearbeitung des Landrechts des →Sachsenspiegels (1346/1356).
Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische
Landrecht, 1828, Neudruck 1966; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG
59 (1934), 155; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990,
30
Bretagne ist die
schon früh von Kelten besiedelte westliche Halbinsel Westeuropas, die 56 v.
Chr. von Caesar unter die Herrschaft der Römer gebracht wird. Vom 5. Jh. n.
Chr. an wandern keltische Briten von Britannien aus ein, die unter die
Herrschaft der Franken geraten. Um 845/846 wird die B. vom fränkischen Reich unabhängig,
steht bald aber wieder unter französischer und seit 1113 englischer
Lehnsherrschaft. Zwischen 1312 und 1325 wird die (franz.) Très ancienne coutume
de B. (Sehr alte Gewohnheit der B.) aufgezeichnet. 1515 wird die B. Krondomäne
Frankreichs.
Lit.: La très ancienne coutume de
Bretagne, hg. v. Planiol, M., 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966;
Fleuriot, L., Les origines de la Bretagne, 1980
Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die vom Westgotenkönig Alarich II. vor 507
geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen Rechts, die für die
Romanen im westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter Bedeutung
behält. → Lex Romana Visigothorum
Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 82;
Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953
Brevium exempla (lat. [N.Pl.])
ist die moderne Bezeichnung eines frühmittelalterlichen Güterverzeichnisses
(825-850) für königliche Güter in Staffelsee, Weißenburg und bei Lille.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische
Reichsgut, 1960, 18
Briand-Kellogg-Pakt → Kellogg-Pakt
Brief (aus lat. breve, kurze
[Mitteilung]) ist die (kurze)
schriftliche, später durch einen Umschlag verschlossene Mitteilung.
Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts,
hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur
Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002; Furger, C., Briefsteller, 2009
Briefadel ist der
durch Urkunde erlangte Adelsstand und die Gesamtheit der durch Urkunde in den →
Adel erhobenen Menschen. B. ist seit 1346 unter französischem Einfluss möglich
(bis 1918).
Lit.: Köbler, DRG 98
Briefgeheimnis ist
die Geheimheit der in einem Brief (Schriftstück) niedergeschriebenen Gedanken
eines Menschen. Bereits im römischen Recht (Lex Cornelia) ist das unbefugte
Öffnen von Urkunden mit Strafe bedroht. Mittelalterliche Botenordnungen und
frühneuzeitliche Landesordnungen (Tirol 1532) schützen Briefe. II 10 § 1370
ALR (1794) stellt das unerlaubte Eröffnen von Briefen überhaupt unter Strafe.
Der verfassungsrechtliche Schutz des Briefgeheimnisses ist eine Errungenschaft
des 19. Jh.s (Kurhessen 1831 § 38).
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A.
2004; Geschichte der deutschen Post, hg. v. Sautter, K., Teil 1ff. 1928ff.;
Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Vellusig, R., Geschichte des
Briefes, 2000
Bringschuld ist die
am Wohnsitz des Gläubigers zu erbringende Schuld. Da Abgaben in der Regel beim
Berechtigten abzuliefern sind, ist die B. schon im Frühmittelalter weit
verbreitet. Ihre Bedeutung wächst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9.
A. 1981, § 28
Brinz, Alois Ritter
von (Weiler im Allgäu 25. 2. 1820-München 13. 9. 1887), Sohn eines
Landgerichtsaktuars, wird nach dem Studium von Sprachen und Recht in München
und Berlin 1851 außerordentlicher Professor und 1854 ordentlicher Professor in
Erlangen, Prag (1857), Tübingen (1866) und München (1871). Sein wichtigstes
Werk ist ein Pandektenlehrbuch (1857ff.), in dem er die juristische Person als
Zweckvermögen versteht.
Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von Brinz,
1975
Britannien → Brite
Brite ist der Angehörige eines keltischen, die britischen Inseln bewohnenden Volkes, das 409 n. Chr. von römischer Herrschaft frei wird, aber wenig später von der Bedrohung durch Angeln, Sachsen und Jüten in die → Bretagne bzw. nach Wales, Cornwall und Schottland zurückweicht.
Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain,
2. A. 1974; Brodersen, K., Das römische Britannien,
1998; A Companion to Roman Britain, hg. v. Todd, M., 2004; Birley, A., The
Roman Government of
Brite → England, Großbritannien, Kelte
Britische Zone ist
die 1945 Großbritannien zugeteilte → Besatzungszone Deutschlands. Sie
geht am 1. 1. 1947 in der → Bizone auf. Von 1948 bis 1950 kennt sie einen
Obersten Gerichtshof.
Lit.: Trittel, G., Die Bodenreform in der britischen Zone
1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone,
ZNR 3 (1981), 158
Brixen
Lit.: Fajkmajer, K.,
Studien zur Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes Brixen im Mittelalter,
Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 6 (1909);
Schwüppe, H., Das Bürger- und Inwohnerbuch der Stadt Brixen 1500-1709, Diss.
phil. Innsbruck 1955 (masch.schr.); Kustatscher, E., Die Städte des Hochstifts
Brixen im Spätmittelalter, 2007
Brocarda oder Brocardica (lat. [F.], Herkunft streitig, zu Burchard?, zu pro - contra?, zu mlat. broccus, Adj., hervorstehend, roman. Spieß?) ist im Hochmittelalter die in der Kompilation Justinians noch nicht enthaltene, gelehrte Rechtsregel, aus der man durch logisches Schließen Rechtsfolgen ableiten kann (Pilius, Damasus Boemus um 1215).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E., Brocardica, ZRG KA 69
(1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Brücke ist die auf Dauer angelegte
Verbindung zweier Landgebiete über ein Gewässer durch ein überirdisches
Bauwerk. Sie ersetzt die natürliche Furt und die nach Bedarf verkehrende Fähre.
Bereits die Römer hatten eine hoch entwickelte Brückenbaukunst.
Lit: Cooper, A.,
Bridges, Law and Power in Medieval England, 2006
Bruderschaft (F., ahd.) ist der dem Verhältnis von Brüdern nachgebildete Verband von Priestern oder Handwerkern
Lit.: Hinojosa, E. de., La fraternidad artificial en
España, Revista de Archivos 1905; Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften
1906; Le mouvement confraternel, 1987; Einungen und Bruderschaften in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Johanek, P., 1993; Rosenplenter, K.,
Saeculum pium, 2003; Mittelalterliche Bruderschaften in europäischen Städten,
hg. v. Escher-Apsner, M., 2009
Brügge in Flandern wird trotz römischer
Vorläufersiedlung erst im 11. Jh. als Sitz flämischer Grafen bedeutsam. 1127 erhält
es Stadtrechte. Im Hochmittelalter wird es durch Handel reich. Trotz
wirtschaftlichen Niedergangs wird es 1559 Bischofssitz.
Lit.: Van Houtte, J.,
De geschiedenis van Brugge, 1982; Murray, J., Bruges, Cradle of Capitalism,
2005
Brünn in Südmähren ist der seit 800 erscheinende, im Hochmittelalter von Deutschen aufgesiedelte Ort, der 1243 das Stadtrecht von → Iglau erhält. Brünner Schöffenbuch ist ein von einem Stadtschreiber Johann(es) (1343-1387) in Brünn verfasstes, sachlich-alphabetisch von (lat. [F.Pl.]) actiones (Klagansprüche) bis vulnera (Wunden) geordnetes → Rechtsbuch in 730 Artikeln, das (etwa mit der Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das einheimische deutsche Recht einzelne römisch-rechtliche Zutaten einfügt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bretholz, B., Geschichte der Stadt
Brünn, 1911, Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1 (1937),
457; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA
65 (1947), 86; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG
GA 70 (1953), 125; Flódr, M., Právni kniha města Brna z poloviny 14.
století 1 (Das Rechtsbuch der Stadt Brünn aus der Mitte des 14. Jahrhunderts
1), 1990ff.; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg. v. Hertl, H. u. a., 1998;
Lexikon bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige, C. u. a., 2000; Pfeifer,
C., Jus regale Montanorum, 2002; Sulitková, L., Vyvoj mestskych knih v Brne,
2004
Brunnemann, Johann (Cölln bei Berlin 7. 4.
1608-Frankfurt an der Oder 15. 12. 1672), Pfarrerssohn wird nach dem Studium
der Theologie in Wittenberg (1627) und in Frankfurt an der Oder (1632) dort
1636 ordentlicher Professor der Logik. 1638 promoviert er zum Dr. iur. utr. und
wird 1640 Professor der Institutionen, dann der Pandekten, des Codex und der
Dekretalen und 1653 Ordinarius. Bedeutsam ist sein Pandektenkommentar (1670).
Kennzeichnend ist sein Übergang von der exegetischen zur synthetisch-praktischen
Stoffdarstellung. Nachhaltige Wirkung erzielt er mit seinem (lat.) Tractatus
(M.) iuridicus de inquisitionis processu (Rechtlicher Traktat über den
Inquisitionsprozess) von 1648.
Lit.: Hornung-Grove,
M., Beweisregeln im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Göttingen 1974
Brunnen ist die meist eingefasste Stelle
zur Entnahme (möglichst reinen) Wassers. An Brunnen können unterschiedliche
Rechte bestehen. Seit dem 19. Jh. sind die einzelnen B. allmählich weitgehend
durch öffentlich verwaltete Wasserleitungen ersetzt.
Lit.: Spindler, H., Der
Brunnen im Recht, Diss. jur. Heidelberg 1938
Brunner, Heinrich (Wels 21. 6. 1840-Bad Kissingen 11. 8. 1915) wird nach dem Rechtsstudium in Wien (1864 Institutsprüfungsarbeit über das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger, 1865 Habilitation über Zeugen und Inquisitionsbeweis der karolingischen Zeit) Professor in Lemberg (ao. 1866, o.1868), Prag (1870), Straßburg (1872) und Berlin (1873, Nachfolge Homeyer). Unter genauer Quellenkenntnis durchdringt er den geschichtlichen Stoff juristisch und legt nach zahlreichen Einzelarbeiten (z. B. über Schwurgericht, Urkunde, Landschenkung) 1887 den ersten Band seiner die germanische und fränkische Zeit umfassenden deutschen Rechtsgeschichte vor.
Lit.: Köbler, DRG 221; Brunner, H., Forschungen zur
Geschichte des deutschen und französischen Rechtes, 1894; Festschrift Heinrich
Brunner, 1910; Brunner, H., Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 8. A.
1930; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., 1931;
Stutz, U., Heinrich Brunner, ZRG GA 36 (1915), IX
Brunner, Otto (Mödling/Niederösterreich 21. 4.
1898-Hamburg 12. 6. 1982) wird nach dem Studium der Geographie und Geschichte
in Wien 1931 Professor und nach Erscheinen seines die Bedeutung des geltenden
Staatsrechts für das Mittelalter zurückdrängenden, auf Quellenbegriffe
setzenden Werkes Land und Herrschaft (1939, 5. A. 1965) von 1942 bis 1945
Leiter des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. 1954 wechselt er
nach Hamburg. Gemeinsam mit W. Conze und R. Koselleck veröffentlicht er seit
1972 Geschichtliche Grundbegriffe.
Lit.: Algazi, G.,
Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter, 1996; Deutsche
Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Schulze, W. u. a., 1999 ; Alteuropa
oder frühe Moderne?, hg. v. Schorn-Schüttte, L., 1999
Brüssel an der Zenne erscheint am Ende des 7. Jh.s. Es entwickelt sich zum Vorort der burgundischen Niederlande. 1830 wird es Hauptstadt des neuen Königreichs → Belgien. 1834 erhält es eine Universität. Innerhalb der europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union ist die mehrheitlich frankophone Stadt Sitz der Europäischen Kommission.
Lit.: Favresse, F., Le conseil de
Bruxelles 1282-1521, Revue Belge de Philologie 9 (1930), 139; Godding, P., Le
droit foncier á Bruxelles, 1960; Histoire de Bruxelles, hg. v. Martens, M., 2. A. 1979;
Majerus, B., Occupations et logiques policières, 2008
buccellarius (lat. [M.]) „Bissennehmer“,
freier [grundsätzlich erblicher] Anhänger eines Herrn (Codex Euricianus [um
475?] 310, Lex Visigothorum [7. Jh.?] V, 3. 1)
Lit.: Claude, D., Adel,
Kirche und Königtum im Westgotenreich, 1971; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001
Buch ist das zu einem Band zusammengefasste Schriftstück. Sein Inhalt kann alle Lebensbereiche erfassen. Rechtlich bedeutsam sind etwa Achtbuch, Gesetzbuch, Grundbuch, Lehrbuch, Rechtsbuch oder Stadtbuch. Bereits in der Antike entstehen Buchsammlungen oder Bibliotheken mit bis zu einer halben Million katalogisierter Schriftrollen (Alexandria um 300 v. Chr., um 350 n. Chr. vielleicht 30 öffentliche Bibliotheken in Rom). Mit dem Übergang (von der vielfach in ausgeliehenen Lagen oder [lat.] peciis) abgeschriebenen Handschrift zur Drucktechnik mit beweglichen Lettern (Johannes Gensfleisch genannt Gutenberg [Mainz um 1400-Mainz 3. Februar 1468] in Mainz zwischen 1440 und 1454, 1448?, Beginn mit Kalenderblättern und Sibyllenweissagungen, ab 1451 42zeilige Bibel mit 48 erhaltenen von ursprünglich 180 mit Hilfe 20er Mitarbeiter gedruckten Exemplaren zu je 1282 Seiten in Mons, Kopenhagen, Aschaffenburg, Berlin, Frankfurt am Main, Fulda, Göttingen, Kassel, Leipzig, Mainz, Mainz, München, Rendsburg, Schweinfurt, Stuttgart, Trier, Paris, Paris, Paris, Saint Omer, Cambridge, Edinburgh, Eton, London, London, London, Manchester, Oxford, Vatikan, Vatikan, Tokio, Wien, Pelplin/Polen, Lissabon, Moskau, Moskau, Cologny/Schweiz, Burgos, Sevilla, Austin/Texas, Cambridge/Massachusetts, New Haven/Connecticut, New York, New York, New York, New York, Princeton, San Marino/Kalifornien, Washinghton D. C.) wird es (nach Erstdrucken der Clementinae Mainz 1460, des Liber Sextus Mainz 1465, der Institutiones Mainz 1468, des Liber Extra Straßburg 1468/1471, des Decretum Straßburg 1471, des Sachsenspiegels Landrecht Basel 1474, des Codex Mainz 1475, des Digestum vetus Rom 1476 und des Infortiatum, Digestum novum 1476) zur Massenware (um 1500 im deutschen Reich 62 Druckorte, 27000-30000 Titel in Europa, darunter viele Nachdrucke und Neuauflagen), wobei seit 1473 Bücherverzeichnisse geschaffen werden (Vocabularius juris utriusque [1473], Bertachinus, J., Repertorium, 1481), seit etwa 1500 Auflagen sich im Inhalt unterscheiden (sog. Inkunabeln, Wiegendrucke) und im 16. Jahrhundert (um 1525 Schwerpunktverlagerung nach Lyon, Paris, 1550 Basel, 1570 Frankfurt am Main, Venedig) bereits 70 bis 90 Millionen einzelne Bücher (d. h. fast eine Million einzelne Bücher im Jahr) im deutschen Sprachraum (durch [im 16. und 17. Jahrhundert] mehr als 2662 Buchdrucker in 381 Druckorten, seit 1530 Titelblatt mit Drucker und Druckort durch den Augsburger Reichstag vorgeschrieben, seit 1548 Angabe des Verfassers) hergestellt werden. Zur Sicherung gegen (billigere) Nachdrucke erstreben die Drucker Privilegien von Landesherren mit strafbewehrten Verboten gegen den unerlaubten Nachdruck. Der große Erfolg des Buches verstärkt seit der Reformation (1517) Martin Luthers (1521) die im 13. Jh. beginnende Zensur (Vorzensur, im Heiligen römischen Reich durch einen Bücherkommissar, in Frankfurt am Main 1579, ab etwa 1700 in Leipzig). 1871 werden im Deutschen Reich etwa 10750 Bücher und Karten verlegt. Die Zahl allein der rechtswissenschaftlichen Monographien steigt zwischen 1952 und 2002 von 667 auf 3634 pro Jahr.
Lit.: Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler
Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Bieber, H., Die Befugnisse und
Konzessionierungen der Münchner Druckereien und Buchhandlungen, Diss. jur.
München 1956; Fischel, L., Bilderfolgen im frühen Buchdruck, 1963; Eisenhardt,
U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970;
Holthöfer, E., Funktionsweisen gemeinrechtlicher Kommunikation, 1972; Presser,
H., Buch und Druck, 1978; Eisenstein, E., The Printing Press as an Agent of
Change, Bd. 1f. 1979; Lexikon des gesamten Buchwesens, hg. v. Corsten, S., 2.
A. 1987; Hoffmann, H., Buchkunst und Königtum, 1986; Bülow, M., Buchmarkt und
Autoreneigentum, 1990; Giesecke, M., Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, 1991;
Rationalisierung der Buchherstellung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit,
1994; Janzin, M./Güntner, J., Das Buch vom Buch, 1995; Laienlektüre und
Buchmarkt im späten Mittelalter, hg. v. Kock, T. u. a., 1997; Neddermeyer, U.,
Von der Handschrift zum gedruckten Buch, 1998; Geschichte der Buchkultur, Bd.
1ff., hg. v. Mazal, O. u. a., 1999; Füssel, S., Gutenberg und seine Wirkung,
1999; Zimmer, D., Die Bibliothek der Zukunft, 2000; Osler, D., Catalogue of
Books printed, 2000; Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20.
Jahrhundert, hg. v. Jäger, G. u. a., 2001ff.; Haegen, P. van der, Der frühe
Basler Buchdruck, 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Casson,
L., Bibliotheken in der Antike, 2002; Antike Bibliotheken, hg. v. Hoepfner, W.,
2002; Hiller, H./Füssel, S., Wörterbuch des Buches, 6. A. 2002, 7. A. 2007;
Juristische Buchproduktion im Mittelalter, hg. v. Colli, V., 2002; Handbuch der
historischen Buchbestände in Deutschland, Handbuch der historischen
Buchbestände in Österreich, Handbuch deutscher historischer Buchbestände in
Europa, 1992ff., CD-ROM-Edition 2003; Agati, M., Il libro manoscritto, 2003;
Darnton, R., Die Wissenschaft des Raubdrucks, 2003; Meyer, S., Bemühungen um
ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Wadle, E., Goethes Wünsche
zum Nachdruckschutz, ZRG GA 122 (2005) 301; Reclams Sachlexikon des Buches, hg.
v. Rautenberg, U., 2. A. 2003; Haus- und Familienbücher in der städtischen
Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006; Verbergen – Überschreiben – Zerreißen,
hg. v. Körte, M. u. a., 2007; Reske, C., Die Buchdrucker des 16. und 17.
Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2007; Koppitz, H., Die kaiserlichen
Druckprivilegien, 2007; Röhring, H. Wie ein Buch entsteht, 8. A. 2008; Empell,
H., Gutenberg vor Gericht, 2008
Buch, Johann von
(um 1290 -nach 1356), aus einer seit 1194 als Herren von Buch (bei Tangermünde)
bezeugten altmärkischen ritterlichen Familie, ist nach dem Studium in Bologna
(1305) Ratgeber und Richter des Markgrafen von Brandenburg (1332 Hauptmann der
Mark, 1336 [lat.] capitaneus [M.] generalis, Generalhauptmann, zwischen 1321
und 1356 in zahlreichen Urkunden belegt). Er teilt das Landrecht des →Sachsenspiegels
in drei Teile, versieht es mit einer die Übereinstimmung mit dem römischen und
kirchlichen Recht darlegenden Glossierung (buchsche Glosse,
Konkordanzliteratur) und verfasst um 1335 den → Richtsteig Landrechts.
Lit.: Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse
des Sachsenspiegels, SB. d. Akad. Wien 114 (1887), 309; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 29; Kannowski, B., Zwischen
Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG
123 (2006), 110
Buchda, Gerhard ([Stadt]Roda/Thüringen
22. 10. 1901-Stadtroda/Thüringen 20. 12. 1977), Verwaltungsamtmannssohn, wird
nach kaufmännischer Lehre und Studium der Rechtswissenschaft in Jena
(1923-1926) 1930 promoviert (Das Privatrecht Immanuel Kants) und 1934
habilitiert (Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre, betreut von
Rudolf Hübner). 1937 wird er zum außerordentlichen Professor an die
Universität Halle-Wittenberg berufen und 1939 zum ordentlichen Professor
ernannt, 1945 entlassen. 1949 wird er nach Jena berufen, wo er 1967 emeritiert
wird.
Lit.: Lieberwirth, R.,
Nachruf ZRG GA 95 (1978), 492; Gedächtnisschrift für Gerhard Buchda, hg. v.
Krahner, L. u. a., 1997
Bücherkommissar ist der mit der Bücherzensur beauftragte Amtsträger (Universität Köln 1479), dem päpstliche Beauftragte seit dem 13. Jh. (Paris 1323) vorausgehen. 1579 wird für das Reich ein ständiges Bücherkommissariat (Reichsfiskalprokurator am Reichskammergericht) in Frankfurt am Main eingerichtet (um 1725 dem Reichshofrat angegliedert), das ohne geringe tatsächliche Bedeutung bis 1792 wirkt.
Lit.: Widmann, F., Geschichte des Buchhandels, 1952;
Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse,
1970
Buchführung → Buchhaltung
Buchhaltung ist die
Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen eines Unternehmers in Büchern zur Erlangung
von Übersicht. Älteste Versuche in dieser Richtung finden sich bereits im 3.
vorchristlichen Jahrtausend im vorderen Orient. Im Mittelalter erscheinen die
ersten Anfänge unter byzantinisch-arabischem Einfluss in Venedig im 10. Jh.
(Genua 1157, Bologna, Lübeck 13. Jh., Regensburg 14. Jh.). Das älteste
erhaltene Kaufmannsbuch Oberdeutschlands ist das Schuldbuch der Familie
Holzschuher (Nürnberg 1304). Im 14. Jh. entwickelt sich die doppelte
Buchführung mit doppelter Eintragung unter Soll und Haben (Genua 1327).
Lehrwerke der B. erscheinen seit 1494 (Pacioli, Luca in Venedig). In Frankreich
schreiben Ordonnance du commerce (1673) und Code de commerce (1807) Art und
Weise der B. vor. Im 19. Jh. führt die Industrialisierung zur technischen
Verfeinerung und greift der Staat ordnend ein. Hinter dem privaten Kaufmann
bleibt dabei die öffentliche Verwaltung (kameralistische B., Österreich 18.
Jh.) jeweils deutlich zurück. Auf Grund Richtlinien der Europäischen
Gemeinschaften wird in Deutschland mit dem Bilanzrichtliniengesetz ein eigenes
Buch des Handelsgesetzbuches für das Buchführungsrecht und Bilanzrecht
geschaffen. Daneben
finden internationale Grundsätze vielfache Anerkennung (Generally accepted
accounting principles, International Accounting Standards, International
Financial Reporting Standards).
Lit.: Jäger, E., Beiträge zur Geschichte der
Doppelbuchführung, 1874; Penndorf, B., Geschichte der Buchhaltung in
Deutschland, 1913; Sykora, G., System und Methoden der Buchführung, 1952;
Melis, F., Aspetti della vita economica medievale, 1962; Thomson, H. u. a.,
Foreign Books in Bookkeeping and Accounts, 1968; Edwards, J., A History of
Financial Accounting, 1989; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des
Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003
Bückler,
Johannes → Schinderhannes
Budaeus → Budé
Budapest an der
Donau entsteht 1872 durch Zusammenlegung der auf antiken Grundlagen ruhenden, 1148
erstmals erwähnten Städte Buda (Ofen) und Pest (kurz nach 1230 deutsche
Gründung), die 1526 bzw. 1541 von den Osmanen erobert werden (bis 1686). 1635
wird eine Universität eingerichtet. 1872 wird B. Hauptstadt der
transleithanischen Reichshälfte Österreich-Ungarns, 1918 Hauptstadt Ungarns.
Lit.: Das Ofner Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959;
Mesterházi, L., Tausendjähriges Budapest, 1970; Blazovich, L. u.
a., Buda város jogkönyve, 2001; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten
Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Budé (Budaeus),
Guillaume (Paris 26. 1. 1468-23. 8. 1540) tritt nach dem Rechtsstudium in
Orléans (1483-86) in die Dienste des Königs von Frankreich. Nach einer Plutarchübersetzung
aus dem Spanischen (1503) legt er 1508 (lat.) Annotationes (F.Pl.) in pandectas
(Anmerkungen zu den Pandekten) vor, in denen er die Pandekten
philologisch-historisch untersucht und das erste Beispiel des (lat.) →
mos (M.) Gallicus (gallische Art) gibt. Die Anwendbarkeit der in sich
uneinheitlichen Rechtssammlung auf seine Gegenwart verneint er.
Lit.: Köbler, DRG 143; Delaruelle, L.,
Guillaume Budé, 1970
Budgetrecht ist das
Recht, Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt durch Gesetz festzulegen. Es
geht im 19. Jh. vom Landesherrn an das → Parlament über (Preußen 1850).
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Büdingen
Lit.: Philippi, H.,
Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen, 1954
Bugenhagen, Johannes (Wollin/Pommern 24.
6. 1485-Wittenberg 19. 4. 1558) wird nach artistischem Studium in Greifswald
1504 Rektor der Ratsschule in Treptow an der Rega, wird zum Priester geweiht
und amtet als Notar. 1517/1518 verfasst er die erste auf Quellen gestützte
Geschichte Pommerns. 1521 schließt er sich der Reformation Martin Luthers in
Wittenberg an und verfasst von Brauschweig (1528) aus Kirchenordnungen für
Hamburg (1528/1529), Lübeck (1530/1532), Pommern (1534/1535), Dänemark
(1537/1539), Holstein, Braunschweig-Wolfenbüttel und Hildesheim (1542).
Lit.: Sehling, E., Die
evangelischen Kirchenordnungen, 1911ff.; Johannes Bugenhagen, hg. v. Leder,
H., 1984; Leder, H., Johannes Bugenhagen, 2002; Lorentzen, T., Johannes
Bugenhagen als Reformator der öffentlichen Fürsorge, 2008; Leder, H., Johannes
Bugenhagen Pomeranus, hg. v. Gummelt, V., 2002
Bukarest erscheint auf antiken Siedlungsspuren im 13. Jh. als Marktflecken. 1862 wird es Hauptstadt Rumäniens. 1864 erhält B. eine Universität.
Bukowina (Buchenland) am Osthang
der Karpaten ist im Alterum von Dakern und Bastarnen, seit dem 7. Jh. von
Slawen besiedelt. Über das Reich von Kiew, und das Fürstentum
Halitsch-Wolhynien kommt das Gebiet seit dem 14. Jh. zum Fürstentum Moldau, das
ab 1512 unter den Einfluss des osmanischen Reiches gerät. 1775 gelangt die B.
nach Besetzung (1774) durch Vertrag an → Österreich (Teil Galiziens), wo
sie 1849 eigenes Kronland wird. 1919 fällt B. an → Rumänien, 1940 im
Norden an die Sowjetunion, nach deren Auflösung 1991 an die Ukraine.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Röskau-Rydel, I.,
Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Scharr, K., Die Bukowina, 2007
Bulgarien südlich
der unteren Donau ist anfangs von Thrakern besiedelt, die im 5. Jh. v. Chr.
unter die Herrschaft der Makedonier, im 2. Jh. v. Chr. der Römer kommen. Im 7. Jh.
entsteht aus Slawen, Thrakern, Awaren und Turkvölkern das Volk der Bulgaren,
das 681 und 1185 zu einem eigenen Reich findet. 1393/1396 fällt B. an die
Osmanen (Türken). 1877/1878 löst sich B. teilweise, 1908 als eigenes Zarenreich
vollständig von der türkischen Herrschaft. 1892 wird eine juristische Fakultät
in Sofia gegründet. 1945 wird B. kommunistisch. Sein Recht ist entsprechend
dieser Entwicklung römisch, slawisch, osmanisch, westlich (französisch,
deutsch, aber auch russisch), sozialistisch (1951 Außerkraftsetzung aller vor
1944 verabschiedeten Gesetze) und nach 1990 demokratisch geprägt. 2007 wird B.
Mitglied der Europäischen Union.
Lit.: Angelov, D. u. a., Istorija na bulgarskata feodalna
darzhava i pravo, 1972; Stefanov, I. u. a., Bulgarien, 1975; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,243; Revolution auf Raten – Bulgariens Weg zur
Demokratie, hg. v. Höpken, W., 1996; Knaus, G., Bulgarien, 1997; Crampton, R.,
A Concise History of Bulgaria, 1997; Härtel, H. u. a., Bulgarien, 1998; 100
Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998; Manolova, M., Istorija
na darzhvata i pravoto, 2001; Tokuschev, D., Istorija na novobulgarskata
darzhava i pravo, 2001; Öffentlichkeit ohne Tradition, hg. v. Heppner, H.,
2003; Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht, 2006; Köbler, G.,
Rechtsbulgarisch, 2006; Brunnbauer, U., Die sozialistische Lebensweise, 2007
Bulgarus (Bologna? vor 1100?-1. 1.
1166?) ist ein Glossen zu allen Teilen der justinianischen Kompilation, einen
Apparat zu De regulis iuris, einen Tractatus de iudiciis, Quaestiones,
Summulae, Distinktionen, Casus Codicis und anderes verfassender Glossator.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 162
Bulle ist die ein Siegel umschließende Kapsel, das (vorwiegend päpstliche) Siegel (meist aus Gold oder Blei) sowie die mit ihm versehene Urkunde (zwischen [lat. F.Pl.] litterae und [N.] privilegium bzw. einfachem Brief und feierlichem Privileg). Aus Byzanz kommt die Bleibulle im 6. Jh. in die päpstliche Kanzlei und von dort am Ende des 8. Jh.s an den fränkischen Hof (1226 Goldene Bulle von Rimini, 1356 → Goldene Bulle Karls IV.). In der B. Unam sanctam begründet Papst Bonifaz VIIII. einen Anspruch des Papstes auf Universalherrschaft auch in weltlichen Angelegenheiten (Es ist zum Heile für jedes menschliche Wesen durchaus unerlässlich, dem römischen Papst unterworfen zu sein).
Lit.: Eitel, A., Über Blei- und Goldbullen im Mittelalter,
1912; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356,
bearb. v. Müller, K., 1970; Frenz, T., Papsturkunden, 2. A. 2000; Stieldorf,
A., Basiswissen Siegelkunde, 2004
Bund ist die
(gewollte) Verbindung von Menschen zu einer übergeordneten Einheit. Politisch
bedeutsam ist beispielsweise der → Deutsche B. Im Bundesstaat kann auch
der Gesamtstaat als B. bezeichnet werden.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 582
Bundesakte → Deutsche Bundesakte
Bundesarbeitsgericht ist
das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in arbeitsrechtlichen
Streitigkeiten mit Sitz in Kassel bzw. Erfurt (1996).
Lit.: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Gamillscheg, F.
u. a., 1975; Grunsky, W., Arbeitsgerichtsgesetz, 6. A. 1990; 50 Jahre
Bundesarbeitsgericht, hg. v. Oetker, H. u. a., 2004
Bundesexekution ist
im Deutschen Bund die Ausführung der Bundesakte, der Bundesbeschlüsse und
gerichtlicher und gerichtsähnlicher Entscheidungen durch den Deutschen Bund
gegenüber einem Bundesglied (z. B. 1830 gegen Braunschweig, 1834 gegen
Frankfurt, 1864 gegen Dänemark sowie formlos 1866 gegen Preußen).
Bundesfinanzhof ist
das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Finanzstreitigkeiten mit
Sitz in München. Der B. ist Nachfolger des zum 1. 10. 1918 eingerichteten Reichsfinanzhofes.
Lit.: Offerhaus, K., Der Bundesfinanzhof, 3. A. 1993
Bundesgerichtshof ist
seit 1. 10. 1950 als Nachfolger des Reichsgerichts das oberste Gericht der
ordentlichen Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz (nicht
wie von der Regierung Konrad Adenauer gewünscht in Köln, sondern) in Karlsruhe
(Präsidenten 1950 Hermann Weinkauff, [zwischen 1954 und 1964 mehr als 70
Prozent aus der Zeit vor 1945 übernommene Richter und Staatsanwälte,] 1960
Bruno Heusinger, 1968 Robert Fischer, 1977 Gerd Pfeiffer, 1988 Walter Odersky
1996 Karlmann Geiß, 2000 Günther Hirsch. 2008 Klaus Tolksdorf). Wichtige Entscheidungen
betreffen die Strafbarkeit der Kuppelei, die Anerkennung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts, die Anerkennung der finalen Handlungslehre, die
Anerkennung des Anwartschaftsrechts und des Sicherungseigentums, die
Anerkennung der Produzentenhaftung).
Lit.: Möhring, P., 25 Jahre Bundesgerichtshof, NJW 1975,
1820; 25 Jahre Bundesgerichtshof, hg. v. Krüger-Nieland, G., 1975; Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund
475000 Bände); Pieper, K., Palais im Park, 1999; Medicus, D.,
Entscheidungen des BGH als Marksteine für die Entwicklung des allgemeinen
Zivilrechts, NJW 2000, 2921; Die Praxis des Bundesgerichtshofes im deutschen
Rechtsleben, hg. v. Canaris, C. u. a., Bd. 1ff. 2000; Schubert, W./Glöckner,
H., Vom Reichsgericht zum Bundesgerichtshof, NJW 2000, 2971; Fortitudo
temperantia - Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof,
hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000;
Geiß, K., Fünfzig Jahre Bundesgerichtshof, 2001
Bundesgerichtshof (in Österreich) ist das ab 15. 7. 1934 den
Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof ersetzende Gericht, das
1938 durch den Anschluss seine verfassungsgerichtliche Zuständigkeit verliert,
durch Verordnung vom 11. 1. 1940 in Verwaltungsgerichtshof in Wien umbenannt
wird und 1941 im Reichsverwaltungsgericht (bis 1945) aufgeht.
Bundesgesetzblatt ist das Gesetzblatt für Bundesgesetze (z. B. in
Deutschland oder in Österreich).
Bundesintervention ist im Deutschen Bund (1815-1866) die Möglichkeit
des Eingreifens des Bundes in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaats
zur Wahrung der inneren Sicherheit auf Ersuchen oder bei Handlungsunfähigkeit
der Regierung.
Bundeskanzler ist der politische Führer der Regierung in Deutschland (1949, Richtlinienkompetenz) und Österreich (1920, seit 1929 durch Bundespräsidenten ernannt) sowie die Amtsbezeichnung Otto von Bismarcks im Nordeutschen Bund (von 1867 bis 1870/1871).
Lit.:
Die Bundeskanzler und ihre Ämter, hg. v. d. Stiftung Haus der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland u. a., 2006
Bundeskartellamt
ist das 1957 in Deutschland gegründete Bundesamt für Kartellangelegenheiten.
Lit.: 50 Jahre Bundeskartellamt, 2007
Bundesoberhandelsgericht ist das für Handelssachen durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 12. 6. 1869 gegründete und in Leipzig eingerichtete, nationalliberal besetzte Gericht (Präsident Heinrich Eduard Pape 1816-1888). 1871 wird es zum auch die süddeutschen Staaten erfassenden Reichsoberhandelsgericht, das 1879 im → Reichsgericht aufgeht.
Lit.: Köbler, DRG 195; Behrend, J., Das
Bundesoberhandelsgericht, Z. f. Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 3,
200; Müller, K., Der Hüter des Rechts, 1997; Weiss, A., Die Entscheidungen des
Reichsoberhnadelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das
Bundesoberhandelsgericht und das spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001; Henne,
T., Rechtsharmonisierung durch das „Reichsgericht“ in den 1870er Jahren, 2005
Bundespräsident ist
das Staatsoberhaupt in Deutschland (1949, Wahl durch besondere
Bundesversammlung) und Österreich (1920, Wahl durch den Nationalrat, seit 1929
Wahl durch das Volk).
Bundesrat ist (von
1867 bis 1870/1871 im → Norddeutschen Bund [eigentlich eher ein
Fürstenhaus] und) im Deutschen Reich von 1871 das die Mitwirkung der
Einzelstaaten am Bundesgeschehen ermöglichende Organ, das als Träger der
obersten Gewalt den Gesamtstaat als Einheit repräsentiert (Staatenhaus der
gescheiterten Reichsverfassung von 1848/1849). Von seinen 58 Stimmen entfallen
17 auf Preußen (Möglichkeit der Verhinderung jeder Verfassungsänderung), 24
auf 7 mittlere Staaten und je eine auf die übrigen 17 Länder. Mit dem →
Reichstag erlässt der B. Gesetze. Im Februar 1919 wird dieser B. durch den
Staatenausschuss und vom August 1919 an durch den Reichsrat ersetzt, der 1934
aufgelöst wird. Auch die Bundesrepublik Deutschland kennt einen B. als
(weisungsgebundene) Vertretung der (11 bzw. 1990) 16 Länder, ebenso Österreich
(Art. 24 Bundes-Verfassungsgesetz, mindestens drei Mitglieder für jedes
Bundesland, Abstimmung regelmäßig nach Parteizugehörigkeit, bei Berührung von
Länderinteressen absolutes Vetrorecht gegenüber Beschlüssen des Nationalrats).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 174, 195, 220, 248,
257; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Maunz, T.,
Der Bundesrat in Vergangenheit und Gegenwart, Hist. Jb. 74 (1955), 446; Ziller,
G. u. a., Der Bundesrat, 10. A. 1998; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974;
Scholl, Udo, Der Bundesrat in der deutschen Verfassungsentwicklung, 1982;
Vierzig Jahre Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1989; Klein, E., Die Rolle des
Bundesrates und der Länder, 1998
Bundesrecht ist das
vom Bund der Bundesrepublik Deutschland geschaffene bzw. übernommene Recht, im
weiteren Sinn das Recht jeden Bundes.
Lit.: Zachariä, H., Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd.
1f. 3. A. 1867; Bluntschli, J., Geschichte des schweizerischen Bundesrechts,
1875
Bundesregierung ist
die Regierung eines Bundesstaates.
Lit.: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg. v.
Booms, H., 1953ff.; Die Mitglieder der Bundesregierungen, hg. v. Kempf, U. u.
a., 2000; Kanzler und Minister 1949-1998, hg. v. Kempf, U., 2001
Bundesrepublik ist
die föderalistische Republik (z. B. Österreich, Deutschland).
Bundesrepublik
Deutschland ist der nach der Niederlage
der Achsenmächte Deutsches Reich, Italien und Japan gegen die Alliierten
(Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich)
im zweiten Weltkrieg (8. Mai 1945 Kapitulation des deutschen Reiches), nach der
Verselbständigung des sich 1938 an das Deutsche Reich anschließenden
Österreich und nach der Einteilung des Deutschen Reichs in vier Besatzungszonen
aus den Besatzungszonen der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens
und Frankreichs über die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und
Großbritanniens (1946 bzw. 1. 1. 1947) und die Trizone (einschließlich der Besatzungszone
Frankreichs 8. 4. 1948) auf Grund einer Londoner Konferenz 1949 gebildete
deutsche Bundesstaat mit (1948) den Ländern Baden (bis 1951/1952), Württemberg
(bis 1951/1952, dann Baden-Württemberg), Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz,
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und
(West-Berlin sowie ab 1. 1. 1957) Saarland und (ab 1990) (Berlin,) Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen. Seine Verfassung
ist das auf Aufforderung der westlichen Besatzungsmächte (über die
Ministerpräsidenten der westlichen Länder) von einem Verfassungskonvent in
Herrenchiemsee (1948) und einem parlamentarischen Rat (ab 1. 9. 1948) erarbeitete,
am 23. 5. 1949 verkündete Grundgesetz., dem gegenüber ein Besatzungsstatut
wichtige Bereiche den Besatzungsmächten vorbehält (eingeschränkt durch
Deutschlandvertrag von 1955, beendet 1990). Auf Grund des Gewichts des Verhältniswahlrechts
im gemischeten Wahlrechtssystem stehen sich Bundesregierung und Koaltionsparteien
einerseits und Oppositionsparteien andererseits gegenüber. Jedes Gesetz kann
vom Bundesverfassungsgericht auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft
werden. Seit 1951 verbindet sich die B. mit Frankreich, Italien, den
Niederlanden, Belgien und Luxemburg sowie später weiteren europäischen Staaten
zu europäischen Gemeinschaften (für Kohle und Stahl, 1957 für Atomwesen und
Wirtschaft), zur Europäischen Gemeinschaft bzw. zur Europäischen Union. Nach
dem Grundlagenvertrag vom 21. 12. 1972 treten B. D. und Deutsche Demokratische
Republik 1973 den Vereinten Nationen bei. Am 3. 10 1990 tritt die.Deutsche Demokratische
Republik auf Grund des Einigungsvertrags vom 31. 8. 1990 der B. bei. Innerhalb
der B. wird das Recht vielfach verändert.
Lit.:
Schwarz, H., Vom Reich zur Bundesrepublik, 1966; Akten zur Vorgeschichte der
Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1ff. 1976ff.; Bewegt von der Hoffnung aller
Deutschen, hg. v. Benz, W., 1979; Roßnagel, A., Die Änderungen des
Grundgesetzes, 1981; Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Bracher,
K., Bd. 1ff. 1982ff.; Benz, W., Von der Besatzungsherrschaft zur
Bundesrepublik, 1984; Morsey, R., Die Bundesrepublik Deutschland, 4. A. 2000;
Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; 40
Jahre Bundesrepublik, hg. v. Nörr, K, 1990; Thränhardt, D., Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1996; Kröger, K., Einführung in die
Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1993; Geschichte der
deutschen Einheit, Bd. 1ff. 1997ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998;
Schäfer, J., Deutsche Geschichte (CD-ROM), 1998; ZEIT-Geschichte der Bonner
Republik, hg. v. Dönhoff, M. u. a., 1999; Görtemaker, M., Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, 1999; Nörr, K., Die Republik der Wirtschaft, Teil 1
1999, Teil 2 2007; Fünfzig Jahre Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Conze, E.
u. a., 1999; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 1999; Baring, A., Es lebe die
Republik, 1999; Dippel, H., Die Konstitutionalisierung des Bundesstaats, (in)
Der Staat, 1999, 221; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein
Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999; Rupp, K., Politische Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, 3. A. 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der
Katastrophe, 2000; Recker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2002;
Utz, F., Preuße, Protestant, Pragmatiker - Der Staatssekretär Walter Strauß und
sein Staat, 2003; Rödder, A., Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990, 2004;
Die Bundesrepublik Deutschland. Staatshandbuch, 2003; Wolfrum, E., Die
Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Book, A., Die Justizreform in der
Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Lappenküper, U., Die Außenpolitik der
Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1990, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte,
2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009
Bundessozialgericht ist
das oberste Gericht der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland
mit Sitz in Kassel.
Bundessozialhilfegesetz
s. Sozialhilfe
Bundesstaat ist der Zusammenschluss von Staaten zu einem neuen Staat (z. B. [Vorformen Städtebünde, Heiliges römisches Reich, holländische Generalstaaten, theoretische Begründung durch Althusius [1563-1638], Leibniz [1646-1717], Vereinigte Staaten von Amerika 1787, Norddeutscher Bund 1867, Deutsches Reich 1871, Schweiz 1848, Österreich 1920, Russland). Die staatlichen Aufgaben, Rechte und Pflichten sind jeweils zwischen Gesamtstaat (Oberstaat) und Gliedstaaten (z. B. Bundesland, Kanton, Land) aufgeteilt. Nach dem Subsidiaritätsprinzip hat die kleinere Einheit grundsätzlich den Vorrang vor der größern Einheit. Die Gliedstaaten sind zwar Staaten, haben aber nur in den von der Verfassung eingeräumten Ausnahmefällen Souveränität. Gegensatz des Bundesstaates ist der Einheitsstaat (z. B. Frankreich, Ungarn, Österreich 1862-1918, Deutsches Reich 1933-1945), doch nähern sich beide in der Wirklichkeit einander an (z. B. Österreich stärker zentralisiert).
Lit.: Grzeszick, B., Vom Reich zur Bundesstaatsidee, 1996;
Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2002; Baier, C.,
Bundesstat und europäische Integration, 2006
Bundestag ist
allgemein die Versammlung der Mitglieder eines Bundes (z. B. Deutscher Bund
1815-1866 in Frankfurt am Main), insbesondere das Parlament der Bundesrepublik
Deutschland (1949ff.), aber auch Österreichs zwischen 1934 und 1938.
Lit.: Schäfer, W., Der Bundestag, 4. A. 1982; Vierzig Jahre
Deutscher Bundestag, hg. v. Neske, G., 1989; Ismayr, W., Der deutsche
Bundestag, 1992; Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998; Der Deutsche
Bundestag 1949-1999, hg. v. Deutschen Bundestag, 1999; Schindler, P.,
Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949–1999, 1999; Reker,
S., der Deutsche Bundestag, 1999; M. d. B. Volksvertretung im Wiederaufbau
1946-1961, hg. v. Schumacher, M., 2000; Biographisches Handbuch der Mitglieder
des deutschen Bundestages 1949-2002, hg. v. Vierhaus, R. u. a., 2002f.; Becker,
M., Max von Seydel und die Bundesstaatstheorie des Kaiserreichs, 2009
Bundesverfassungsgericht ist das am 7. 9. 1951 mit Sitz in Karlsruhe errichtete
Verfassungsgericht (des Bundes) der Bundesrepublik Deutschland (bis 2001 132000
Verfahren, davon 127000 Verfassungsbeschwerden).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257, 261; Schlaich,
K./Korioth, S., Das Bundesverfassungsgericht, 6. A. 2004, 7. A. 2007;
Haltern, U., Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Misstrauen, 1998; Das
Bundesverfassungsgericht, hg. v. Limbach, J., 2000; Limbach, J., Das
Bundesverfassungsgericht, 2001; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht und
der Grundrechtsschutz in Europa, NJW 2001, 2913; Festschrift 50 Jahre
Bundesverfassungsgericht, hg. v. Badura, P. u. a., 2001; Grigoleit, K.,
Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Wesel, U., Der Gang nach
Karlsruhe, 2004; Das Bundesverfassungsgericht im politischen System, hg. v.
Ooyen, R. van u. a., 2006; Lembcke, O., Hüter der Verfassung, 2007
Bundes-Verfassungsgesetz (1920) ist das von Hans Kelsen wesentlich geprägte,
von der konstituierenden Nationalversammlung beschlossene Gesetz zur
Einrichtung der Republik Österreich als Bundesstaat vom 1. Oktober 1920 (B-VG,
Staatsgesetzblatt 1920, 450, authentisch kundgemacht unter BGl. 1920, 1, ohne
Präambel, Staatszielbestimmungen oder Grundrechte). 1925 wird die mittelbare
Bundesverwaltung eingeführt und werden Zuständigkeiten des Bundes erweitert.
1929 wird die unmittelbare Volkswahl des Bundespräsidenten festgelegt. Danach
wird das B. in der Fassung von 1929 kundgemacht (BGBl. 1930, 1). !934 wird es
durch Verordnung der Regierung Dollfuß außer Kraft gesetzt und eine neue
Verfassung (Maiverfassung) erlassen. Auf Grund des zweiten Verfassungs-Überleitungsgesetzes
von 1945 (StGBl, 1945, 232) tritt es nach dem Stand vom 5. 3. 1933 wieder in
Kraft. 1981 wird die Volksanwaltschaft eingefügt, 1988 der unabhängige
Verwaltungssenat. 1994 wird das Bundes-Verfassungsgesetz neu gefasst.
Lit.: Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in der ersten Republik, 1992
Bundesversammlung ist die Versammlung von Mitgliedern eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-1866 mit Sitz in Frankfurt am Main, Art. 38ff. Bundes-Verfassungsgesetz Österreich, Maiverfassung 1934 Österreich in jeweils besonderer Zusammensetzung mit jeweils besonderer Zuständigkeit). In der Bundesrepublik Deutschland wählt eine B. den Bundespräsidenten.
Lit.: Dublin-Honegger, J., Die Anfänge der schweizerischen
Bundesversammlung, Diss. jur. Basel 1978; Moldenhauer, R., Aktenbestand und
Geschäftsverfahren der deutschen Bundesversammlung, Archival. Z. 1978, 35
Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in
Verwaltungsstreitigkeiten mit Sitz in (Berlin
[1952] bzw. seit 1997) Leipzig.
Lit.: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg. v.
Schmidt-Aßmann, E., 2003
Bundeswehr ist das
(rund 13000 Offiziere der Wehrmacht des Deutschen Reiches übernehmende) Heer
der Bundesrepublik Deutschland seit 1955.
Lit.:
50 Jahre Bundeswehr, hg. v. Clement, R. u. a., 2005; Die Bundeswehr 1955 bis
2005, hg. v. Nägler, Frank, 2007; Loch, T., Das Gesicht der Bundeswehr, 2008;
Pauli, F., Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr, 2009; Bundeswehr und
Gedenkstätten des NS-Unrechts, hg. v. Wrochem, O. v. u. a., 2009
Bündnis ist der politische Zusammenschluss.
Lit.: Rauch, G., Die Bündnisse deutscher Herrscher mit Reichsangehörigen,
1966; Verosta, S., Theorie und Realität von Bündnissen, 1971
Bündnisrecht ist
das Recht, Bündnisse mit anderen einzugehen. Ursprünglich jedem Inhaber
herrschaftlicher Gewalt offen, wird es in England und Frankreich durch den Staat
beseitigt. Im deutschen Reich eröffnen es die Goldene Bulle (1356) und der
Westfälische Friede von Münster und Osnabrück (1648) für die Reichsstände,
sofern es sich nicht gegen Kaiser und Reich richtet. Im → Deutschen Bund
ist es nur durch die Verpflichtung beschränkt, die Sicherheit des Bundes oder
einzelner seiner Glieder nicht zu beeinträchtigen. Allmählich engt sich in der
späteren Neuzeit das B. auf souveräne Staaten ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bezold, F. v., Das Bündnisrecht,
1904; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der
Reichsstände, Der Staat 8 (1969) 449
Bundschuh → Bauernkrieg
Bunge, Friedrich Georg von (Kiew 13. 3.1802-Wiesbaden 9. 4. 1897) begründet als Professor für Provinzialrecht in Dorpat (1831, 1840 entlassen, Stadtsyndikus Revals, 1864 Gotha) die baltische Rechtsgeschichte und bearbeitet den 1864 veröffentlichten, zu mehr als der Hälfte römischrechtlich geprägten Band 3 des Provinzialrechts der Ostseegouvernements Russlands (Liv-, Est- und Curländisches Privatrecht), der in Lettland bis 1937 und in Estland bis 1945 als Zivilgesetzbuch gilt.
Lit.: Recke, J./Napiersky, C., Allgemeines Schriftsteller-
und Gelehrtenlexikon, 1827, 303, 1859, 112; Küpper, H., Einführung in die
Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
Burchard von Ursberg
Lit.: Wulz, W., Der
spätstaufische Geschichtsschreiber Burchard von Ursberg, 1982
Burchard von Worms (965-Worms 20. 8. 1025), aus dem Hause der Grafen von Reichenbach-Ziegenhain (Güter bei Fritzlar und Frankenberg?), wird nach seiner Erziehung in Koblenz aus der Nähe Erzbischof Willigis’ von Mainz durch Kaiser Otto III. 1000 Bischof von Worms. Sein wohl zwischen 1008 und 1012 verfasstes, eigenständige Ansätze enthaltendes Handbuch ([lat., N.] Decretum) in 20 Büchern und 1785 Kapiteln (davon 163 noch herkunftmäßig ungeklärt) ist die wichtigste vorgratianische Kanonessammlung. Sie beruht auf der (lat.) Collectio (F.) Anselmo dedicata (dem Anselm gewidmete Sammlung), dem (lat.) Liber (M.) de synodalibus causis (Buch über Synodalsachen) des → Regino von Prüm und einzelnen Kanones und Dekretalen sowie Bußbüchern und Kirchenschriften. Burchards (lat.) Lex (F.) familiae Sancti Petri (1023-1025) ist ein frühes Beispiel eines grundherrschaftlichen Hofrechts.
Lit.: Meyer, G., Überlieferung und Verbreitung des Dekrets
des Bischofs Burchard von Worms, ZRG KA 55 (1935), 141; Theuerkauf, G.,
Frühmittelalterliche Studien, Bd. 2, 1968; Metz, W., Zur Herkunft und
Verwandtschaft, Hess. Jb. f. Landesgeschichte 26 (1976), 27ff.; Kerner, M.,
Studien zum Dekret des Bischofs Burchard von Worms, Diss. phil. Aachen 1971;
Hoffmann, H./Pokorny, R., Das Dekret, 1991; Bischof Burchard von Worms
1000-1025, hg. v. Hartmann, W., 2000; Corbet, P., Autour de Burchard de Worms,
2001; Bischof Burchard I, in seiner Zeit, hg. v. Müller, T. u. a., 2001;
Austin, G., Law, Theology and „Forgery“ around the year 1000, 2005
Burg ist der befestigte Ort, der anfangs wohl nur der Zuflucht dient (Fluchtburg). Im Frühmittelalter wird auch die antike Stadt oder das Kastell als B. bezeichnet. Vielleicht nach deren Vorbild entstehen an vielen Stellen (vor allem im 12. und 13. Jh.) Burgen, von denen nur ein Teil auch urkundlich belegt ist. Wohl seit dem 11. Jh. sondern sich B. (mit Graben, Wall, Ringmauer, Turm, Tor und Wohnbauten wie Kemenate oder Palas) und Stadt. Seit dem 15. Jh. bzw. in der Neuzeit ersetzt der Adel die B. durch das Schloss oder auch die Festung. In der Gegenwart sind 50 Prozent aller namentlich bekannten mitteleuropäischen Burgen verschwunden, vom Restbestand drei Viertel nur noch Ruinen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 79, 96; Merz,
W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906;
Koehne, C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Fischer, H.,
Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, (1956); Burgen, Schlösser und Burgherrengeschlechter der
Ostschweiz, hg. v. Meili, H., 1970; Jäschke, K., Burgenbau und Landesverteidigung
um 900, 1975; Die
Burgen im deutschen Sprachraum, hg. v. Patze, H., 1976; Binding, G. u. a., Burg,
Lexikon des Mittelalters, Bd. 2 1983, 927; Streich, G., Burg und Kirche, 1984;
Allen Brown, R., Castles, Conquest & Charters, 1989; Biller, T., Die
Adelsburg in Deutschland, 1993, 2. A. 1998; Burg – Burgstadt - Stadt, 1994;
Burgen im Spiegel der Überlieferung, hg. v. Ehmer, H., 1998; Burgen in
Mitteleuropa, hg. v. Böhme, H. u. a., 1999; Spazier, I., Mittelalterliche
Burgen zwischen mittlerer Elbe und Bober, 1999; Pfälzisches Burgenlexikon, hg.
v. Keddigkeit, J. u. a., Bd. 1 1999; Krahe, F., Burgen und Wohntürme, 2002;
Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen, 2004
Burg (Stadt nordwestlich Magdeburgs,
bäuerlich-ländliches Landrecht [burges lantrecht, Erbrecht, Ehegüterrecht,
Sachenrecht, Friedensrecht, Verfahrensrecht] auf elf Seiten in einer
mittelniederdeutsch-elbostfälisch gehaltenen Sammelhandschrift des frühen 15.
Jahrhunderts [1310-1330] überliefert, vielleicht auf flämischen Siedlern des
12. Jh.s beruhend)
Lit.: Das Burger
Landrecht hg. v. Markmann F. u. a., 1938; Zimmer, K., Das Burger Landrecht,
2003
Bürge ist, wer sich durch Vertrag mit einem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Das Rechtssprichwort Bürgen muss man würgen, aber nicht an den Leib reden, bringt zum Ausdruck, dass nach römischem Recht der Bürge zwar haften muss, aber bei Nichtleistung von Strafen verschont bleiben soll. → Bürgschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 44, 74, 128
Burgenland ist das
ursprünglich meist zu Ungarn gehörige, seit dem 11. Jh. zunehmend von Deutschen
besiedelte, durch viele Burgen gekennzeichnete Gebiet (Deutsch-Westungarn mit
Pressburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg) an der Grenze zwischen
Österreich und Ungarn, das 1919 (trotz Widerstands Ungarns) (ohne Ödenburg/Sopron
[Mehrheit von 64 Prozent für Verbleib]) → Österreich als Bundesland zugesprochen,
im November von Ungarn1921 besetzt, aber dann kampflos zurückgegeben wird
(1939-1945 zwischen Niederdonau/Niederösterreich und Steiermark aufgeteilt).
Lit.: Urkundenbuch des Burgenlandes, Bd. 1ff. 1955ff.;
Burgenland 1938, 1988; Ernst, A., Geschichte des Burgenlandes, 2. A. 1991
Bürger ist der
Bewohner der → Stadt. Ihm entspricht lateinisch vor allem civis (M.), das
ursprünglich hauptsächlich den Angehörigen des römischen Volkes im Gegensatz
zum Nichtrömer und zum Sklaven meint. Im deutschen Frühmittelalter engt sich
der weitere Begriff des ahd. burgari, Burgbewohner, wohl seit dem 11. Jh. auf
den B. ein. Er hat → Bürgerrecht und ist trotz unterschiedlicher
ständischer Herkunft meist oder grundsätzlich frei (Stadtluft macht frei), wenn
auch seiner Stadt verpflichtet. In der Neuzeit wird B. dagegen jeder, der nicht
zum Adel oder zu den Bauern gezählt wird (Preußen 1794, II, 8, § 1). Er ist der
Vorläufer des modernen Staatsbürgers.
Lit.: Maurer, G., Geschichte
der Städteverfassung in Deutschland, Bd. 2 1879, 191ff.; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für
Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 (1936),
150; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 251ff.; Ebel,
W., Der Bürgereid, 1958; Struck, W., Die Neubürger von Großalsleben 1604-1874,
1962; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur.
Göttingen 1964; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 672; Felser, R.,
Herkunft und soziale Schichtung der Bürgerschaft obersteirischer Städte und
Märkte, 1977; Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter,
hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Res publica, Bürgerschaft in Stadt und
Staat, hg. v. Dilcher, G., 1988; Bürgertum im 19. Jahrhundert, hg. v. Kocka,
J., 1995; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996; Bürgertum und
bürgerlich-liberale Bewegung, hg. v. Gall, L., 1997; Ruppert, K., Bürgertum und
staatliche Macht in Deutschland zwischen französischer und deutscher
Revolution, 1997; Haupt, H./Crossick, G., Die Kleinbürger, 1998; Reidegeld,
E., Bürgerschaftsregelungen, Freizügigkeit, Gewerbeordnung und Armenpflege,
ZRG 116 (1999), 87; Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums, hg. v.
Lundgreen, P., 2001; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R. u.
a., 2002; Bürgertum in Thüringen, hg. v. Hahn, H. u. a., 2001; Lässig, S.,
Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004; Schulz, A., Lebenswelt und Kultur des
Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert, 2005
Bürgerbuch ist das
die → Bürger der mittelalterlichen Stadt verzeichnende, älteren Listen
folgende → Buch (z. B. Köln 1130-1140, Rostock 1258, Lübeck 1259,
insgesamt 228 Bürgerbücher aus dem deutschen Reich bekannt, dazu 82
Bürgerlisten).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Andernacht, D./Stamm, O., Die
Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt, 1955; Das älteste Bürgerbuch der Stadt
Soest, hg. v. Rothert, H., 1958; Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung,
hg. v. Ribbe, W., 12. A. 2001, 186ff.; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v.
Schwinges, R., 2002; Morita, N., Wie wurde man Stadtbürger?, 2008
Bürgerlehen ist das
→ Lehen eines → Bürgers. Es entsteht meist durch Verkauf durch den
Adel. Der älteste Beleg für das B. reicht bis in das 11. Jh. (Regensburg
1072/1073). Bis in das 15. Jh. nimmt die Zahl der B. zu, dann infolge des
Widerstands des landständigen Adels ab. Zumindest im Nordosten des Heiligen
Römischen Reiches scheint das B. dem ritterlichen Lehen nicht völlig
gleichwertig gestellt zu sein. Die in der Neuzeit noch bestehenden B. gleichen
sich an Miete und Pacht an.
Lit.: Frensdorff, F., Die Lehnsfähigkeit der Bürger, 1895;
Grabscheid, D., Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet, Diss. phil.
Frankfurt am Main 1957; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im
Spätmittelalter, 1979; Schwarz, U., Bürgerlehen und adlige Lehen der Herzöge
von Braunschweig-Grubenhagen, Braunschweigisches Jahrbuch 66 (1985), 9ff.
Bürgerlicher Tod ist der
rechtliche Tod (zivile Tod, fingierte Tod, lat. mors ([F.] civilis, Johannes
Teutonicus, Glosse mortuus zu C 16 q. 1 c. 8) im Gegensatz zum natürlichen Tod.
Er bewirkt den Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, Eigentümer
zu sein, eine Ehe einzugehen oder aufrechtzuerhalten, zu schenken, zu
testieren, Vormund zu sein, Zeuge zu sein usw.). Er ist wohl aus
unterschiedlichen Wurzeln (Acht, Exkommunikation, Infamie) entstanden (16. Jh.
mort civile als Bezeichnung bestimmter Kapitalstrafen mit Bürgerrechtsverlust).
Im 17. Jh. ist er die Folge des Gerichtsungehorsams, im 18. Jh. die Folge
jedes Urteils auf Todesstrafe und vieler lebenslänglicher Strafen (vgl. § 7
StGB Bayern 1813). In der Mitte des 19. Jh.s tritt der bürgerliche Tod zurück
(Bayern 1849, Preußen 1850, Frankreich 1854). Ähnliche Folgen wie der
bürgerliche Tod zieht zeitweise auch die Ablegung des klösterlichen
Armutsgelübdes (Klostertod) nach sich.
Lit.: Hübner 56; Weithase, F., Über den bürgerlichen Tod
als Straffolge, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Borgmann, B., Mors civilis, 1969;
Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81; Hubmann, V., L’image de
la mort, 1990
Bürgerliches Gesetzbuch
ist allgemein das vom politischen Bürgertum im 18. Jh. zur gesetzlichen
Regelung des Privatrechts geforderte Gesetzbuch. Es wird in Frankreich 1804
(Code civil), in Österreich 1811/2 (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) und in
Sachsen 1863 (Bürgerliches Gesetzbuch) verwirklicht, während es andernorts nur
zu Entwürfen kommt (Preußen 1842, Hessen-Darmstadt 1842, Bayern 1861/1864). In
Deutschland erreichen nach vergeblichen Gesetzgebungsanträgen der Jahre
1867-1872 die nationalliberalen Abgeordneten Miquel und Lasker am 20. 12. 1873
([lat.] lex Miquel-Lasker), dass die Gesetzgebungszuständigkeit des Deutschen
Reiches vom Schuldrecht auf das gesamte bürgerliche Recht (sowie das
gerichtliche Verfahren) ausgedehnt wird. Auf ein Gutachten des Handelsrechtlers
Goldschmidt und den Vorschlag einer später sog. Vorkommission (28. 2. 1874,
Levin Goldschmidt, Franz Philipp von Kübel, Anton von Weber, Hermann von
Schelling) vom 15. 4. 1874 wird eine (erste) Kommission (17. 9. 1874) mit 11
Mitgliedern (Eduard Pape Vorsitzender, Albert Gebhard Allgemeiner Teil, Franz
von Kübel Schuldrecht, Reinhold Johow Sachenrecht, Gottfried Planck
Familienrecht, Gottfried von Schmitt Erbrecht, Gustav Derscheid, Karl
Kurlbaum, Anton von Weber, Paul von Roth, Bernhard Windscheid [bis 1883])
eingesetzt. Seit 1. 10. 1881 berät sie Teilentwürfe. Ihr am 27. 12. 1887 mit
Motiven vorgelegter, 1888 veröffentlichter Entwurf wird von verschiedenen
Seiten (u. a. Anton Menger, Otto von Gierke) vor allem als zu wenig
volkstümlich und zu wenig sozial angegriffen (insgesamt rund 700 Beiträge).
Daraufhin wird nach Vorbereitung durch eine interne Vorkommission des
Reichsjustizamts 1890 eine zweite Kommission (25 Juristen, u. a. Gottlieb
Planck, Karl von Jacubezky, Alexander Achilles, Heinrich Börner, Hermann
Struckmann, Arbeitsbeginn 1. 4. 1891) mit der Umarbeitung beauftragt, die nach
einigen Veränderungen 1895 den zweiten Entwurf mit Protokollen dem Bundesrat
vorlegt. Der nach Umarbeitung durch das Reichsjustizamt 1896 im Reichstag mit
einer Denkschrift eingebrachte dritte Entwurf wird nach drei Lesungen am 1. 7.
1896 (u. a. mit 53 der 97 Stimmen der ihre gesellschaftspolititsch relevanten
Grundlagen wahrenden konservativen Parteien) beschlossen, am 14. 7. 1896 vom
Bundesrat gebilligt, am 18. 8. 1896 ausgefertigt, am 24. 8. 1896 verkündet und
zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt (2385 Paragraphen mit etwa 130000 Wörtern),
wobei flankierend das Handelsgesetzbuch, die Reichsjustizgesetze, die Grundbuchordnung
und das Zwangsversteigerungsgesetz angepasst bzw. erlassen werden. Das die
Geltung des preußischen Allgemeinen Landrechts, des Code civil und des gemeinen
Rechts in Deutschland beendende Gesetzbuch ist ein für neue Anforderungen
durchaus offenes, recht begriffliches, ziemlich abstraktes, nach den
Erscheinungsformen des subjektiven Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen
fortschreitend in fünf Bücher nach dem sog. Pandektensystem gegliedertes
Erzeugnis technisch geschulter Juristen, unter denen eine überragende
schöpferische Persönlichkeit fehlt. Inhaltlich überwiegen die den bürgerlichen
Kreisen angemessenen und vorteilhaften liberalen Züge, zu denen
patriarchalisch-konservative und soziale, dem Schutz des Schwächeren dienende
Elemente hinzukommen. Das Bürgerliche Gesetzbuch beeinflusst das Privatrecht
vieler Länder (Japan 1898, Schweiz 1907, Österreich 1914, 1915, 1916, China
1912, Brasilien 1916, Thailand 1925, (Türkei 1926,) Peru 1936, Griechenland
1940/1946, Italien 1942, Frankreich, Portugal 1966). Sein Inhalt ist inzwischen
vor allem im Familienrecht erheblich verändert (Erbbaurechtsverordnung vom 15.
1. 1919, Ehegesetz vom 6. 7. 1938, positive Vertragsverletzung, Wegfall der Geschäftsgrundlage,
Arbeitsrecht, Wohnungsmietrecht, Verbraucherschutz, Schuldrechtsreform
2001/2002, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Verkehrssicherungspflichten, Wohnungseigentum,
Gleichberechtigungsgesetz 18. 6. 1957, Mietrechtsänderungen, 1969
Dienstvertragsrecht, Nichtehelichengesetz 19. 8. 1969, Eherechtsreformgesetz
vom 14. 6. 1976 mit Zerrüttungsprinzip, allgemeine Geschäftsbedingungen,
Reisevertrag, Betreuungsrecht, Namensrecht, Kindschaftsrechtsreform, 1. 1.
2002 Aufnahme des Gesetzes über die allgemeinen Geschöftsbedingungen, des
Haustürgeschäftswiderrufsrechts, des Verbraucherkreditgesetzes, des
Teilzeit-Wohnrechtegesetzes und des Fernabsatzgesetzes sowie Änderung des
Leistungsstörungsrechts durch das von Richtlinien der Europäischen Union
veranlasste Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 2001/2002).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBDR18961900.htm;
Söllner §§ 1, 16, 25; Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
181, 182, 207, 212; Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für
das deutsche Reich, Bd. 1ff. 1888; Zusammenstellung der gutachtlichen
Äußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, gefertigt im
Reichsjustizamt, Bd. 1ff., 1890f.; Stenographische Berichte über die
Verhandlungen des Reichstags .. 1895/1996; Protokolle der Kommission für die
zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1ff. 1897ff.;
Gradenwitz, O., Wörterverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Wieacker,
F., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Gmür, R.,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1965; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über
Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Brandt, D., Die politischen Parteien und
die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1975 (Diss.); Die
Beratung des BGB in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten
Quellen, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorentwürfe der
Redaktoren zum BGB, hg. v. Schubert, W., 1980ff.; Die Vorlagen der Redaktoren
für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen
Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., 1981ff.; Behn, M., Der Generalbericht der
badischen Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Bürgerlichen
Gesetzbuches für das deutsche Reich, ZRG GA 99 (1982), 113; Caroni, P., Liberale
Verfassung und bürgerliches Gesetzbuch im 19. Jahrhundert, 1988; John, M., Politics and the Law in the late nineteenth
century Germany. The Origins of the Civil Code, 1989; Schroeder, K., Deutsches
Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 152; Muscheler, K., Die
Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1993;
Schmoeckel, M., 100 Jahre BGB, NJW 1996, 1697; Schulte-Nölke, H., Das
Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1995;
Schulte-Nölke, H., Die schwere Geburt des Bürgerlichen Gesetzbuches, NJW 1996,
1784; Knieper, R., Gesetz und Geschichte, 1996; Die Sozialdemokratie und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 1996;
Bürgerliches Gesetzbuch 1896-1996, hg. v. Schlosser, H., 1997; Schubert, W.,
Das Bürgerliche Gesetzbuch im Urteil französischer Juristen bis zum ersten
Weltkrieg, ZRG GA 114 (1997), 128; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach
Verkündung des BGB, 1997; Kern, B., Der preußische BGB-Entwurf von 1842, 1998;
BGB-Synopse 1896-1998, hg. v. Strätz, H., 1998; Eiffler, S., Die Feuertaufe des
BGB, ZNR 1998, 238; Horn, N., Ein Jahrhundert Bürgerliches Gesetzbuch, NJW
2000, 40; Schwab, D., Das BGB und seine Kritiker, ZNR 22 (2000), 325ff.; Gast,
B., Der Allgemeine Teil und das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches im
Urteil von Raymond Saleilles, 2000; Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine
Richter, hg. v. Falk, U. u. a., 2000; Kramer, E., Der Einfluss des BGB auf das
schweizerische und österreichische Privatrecht, AcP 200 (2000), 365; Wolters,
M., Die Zentrumspartei und die Entstehung des BGB, 2000; Damnitz, M.,
Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche. Mitwirkung der Zentrumspartei,
2001; Dittmann, M., Das Bürgerliche Gesetzbuch aus der Sicht des Common Law, 2001;
Repgen, T., Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001; Depping, A., Das BGB
als Durchgangspunkt. Privatrechtsmethode und Privatrechtsleitbilder bei
Heinrich Lehmann (1876-1963), 2002; Das BGB im Wandel der Epochen, hg. v.
Sellert, W. u. a., 2002; Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. v.
Schmoeckel, M./Rückert, J./Zimmermann, R., Bd. 1 2003; Thiessen, J., Das
unsoziale BGB, 2003; Die soziale Dimension des Zivilrechts, hg. v. Peer, G. u.
a., 2004; Staudinger, J. v., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Eckpfeiler
des Zivilrechts, 2005; Symposion Hundert Jahre BGB, hg. v. Hamza, G., 2006;
Hensel, R., Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006; Riedel, T., Gleiches Recht
für Mann und Frau, 2008; Zrenner, P., Die konservativen Parteien und die Entstehung
des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008
Bürgerliches Recht
ist das von den Bürgern in der Französischen Revolution (1789) als Recht einer
egalitären Gesellschaft errungene Privatrecht. Es leitet sich sprachlich von (lat.)
ius (N.) civile ab. Neben ihm steht beispielsweise das Handelsrecht (wie in
Frankreich neben dem Code civil der Code de commerce).
Bürgermeister ist
seit der Mitte des 13. Jh.s (Köln 1258, Basel 1261) der Vorsitzende des
kollegialen Verwaltungsorgans und Repräsentant der Gemeinschaft zunächst in
der → Stadt, dem ein etwas älterer lateinischer → magister (M.)
civium (Köln) bzw. magister civilis (Hildesheim-Dammstadt 1196) vorausgehen.
Der B. wird teils gewählt, teils eingesetzt. Er hat sowohl verwaltende wie auch
richterliche Aufgaben und Befugnisse. An vielen Orten gelingt ihm ein
allmählicher Ausbau seiner Stellung. Oft finden sich mehrere B. nebeneinander. →
Selbstverwaltung
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 41; Köbler, DRG 111, 198; Planitz,
H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 323; Rabus, K., Der Ulmer
Bürgermeister bis 1548, Diss. jur. Tübingen 1952; Rörig, W., Die Entwicklung
der rheinischen Bürgermeistereiverfassung, Diss. jur. Mainz 1957; Stemmler,
G., Die Amtskette des Bürgermeisters, 2002; Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004
Bürgerrecht ist die
Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der → Bürger. Schon in Rom vermittelt
die in erster Linie durch Geburt erlangbare Stellung als civis (M.) Romanus
([lat.] römischer Bürger) ein Bündel von Rechten (Stimmrecht in der Volksversammlung,
passives Wahlrecht für Ämter, Berufungsrecht gegen Todesstrafe, gültige Ehe,
Rechtsgeschäfte nach Zivilrecht, Legisaktionenverfahren) und Pflichten (Steuerpflicht,
Wehrdienstpflicht), weil nur für den civis Romanus das römische (lat.) →
ius (N.) civile gilt. In gleicher Weise sondert das B. den Bürger zunächst der →
Stadt (seit dem Hochmittelalter) aus der Allgemeinheit aus. Der Erwerb des
Bürgerrechts erfolgt dabei meist durch Geburt, daneben durch einen besonderen
Akt der Aufnahme. → Grundrecht, Menschenrecht
Lit.: Kaser §§ 3, 13, 58; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1,
2; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Köbler, G.,
Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Hartung, F./Commichau, G., Die
Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 5. A. 1985; Julen, T., Das
Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Deeters, J.,
Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Menschen- und
Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988; Dilcher, G., Bürgerrecht und
Stadtverfassung, 1996
Burgfriede ist im Hochmittelalter der in
der Burg zu wahrende Friede.
Burggraf (seit 10./11. Jh.) ist der eine
Burg (und damit anfangs auch eine Stadt) verwaltende Graf (z. B. Regensburg
970, Köln, Mainz, Trier, Straßburg, Worms, Speyer, Utrecht, Toul, Cambrai,
Augsburg, Würzburg, Magdeburg, B. von Nürnberg).
Lit.: Rietschel, S.,
Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Peterka, O., Das
Burggrafentum in Böhmen, 1906; Brünneck, W. v., Das Burggrafenamt und
Schultheißentum in Magdeburg und Halle, 1908; Sander, P., Stadtfestungen und
Burggrafenamt im früheren Mittelalter, HV 13 (1910), 70ff.; Eckhardt, K.,
Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat,
1955, 204
Burghausen
Lit.: Leidl, G.,
Rechtsgeschichte der Stadt Burghausen an der Salzach, 1960
Burglehen ist das eine Burg betreffende
Lehen, das den Burgmann zur Burghut verpflichtet. Es findet sich vom 12. bis
zum 15. Jh. Der sich festigende Territorialstaat drängt das B. zurück.
Lit.: Klebel, E.,
Studien zum mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Spiess, K., Lehnsrecht,
Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978
Burgrecht erscheint seit der ersten Jahrtausendwende als Lehnübersetzung (ahd. burgreht) des lateinischen ius (N.) civile. In Süddeutschland bezeichnet es seit 1167 eine Landleihe zu freiem Erbzins (und in Österreich auch den Rentenkauf). Daneben findet es sich etwas später als Benennung des → Stadtrechts und des → Bürgerrechts.
Lit.: Köbler, DRG 104; Winiarz, A.,
Erbleihe und Rentenkauf in Österreich im Mittelalter, 1906; Fischer, H.,
Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, 1956; Köbler, G., Civis und ius
civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Illichmann, E., Recht und Besitz der Bauern
und Hintersassen des Mittelalters in Österreich, 1983
Bürgschaft ist der
einseitig verpflichtende Vertrag zwischen einem Gläubiger eines Dritten und
einem → Bürgen, in dem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Dritten
verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.
Bei den Römern ist die B. das wichtigste Mittel zur Sicherung einer Forderung.
Vermutlich verbürgen sich dabei (lat. [M.]) vas bzw. praes zunächst noch nicht
für die Leistung des Schuldners, sondern übernehmen nur eine Haftung dafür, den
Schuldner (oder eine Sache) zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zu stellen
(Gestellungsbürge). Erst aus der Verschmelzung dieser Einrichtung mit einem
Leistungsversprechen (lat. [F.] sponsio) erwächst der (Leistungs-)Bürge (lat.
[M.] adpromissor, sponsor, fidepromissor, fideiussor [1. Jh. v. Chr.]). Die
Verpflichtung des Bürgen als eines Nebenschuldners ist vom Bestand der
Hauptschuld abhängig. Für das deutsche Recht steht ebenfalls die Herkunft der
B. nicht sicher fest (Pfandrecht?, Gestellung zwecks Vermeidung der Festnahme
des Schuldners?). Im späten Mittelalter tritt die B. gegenüber dinglichen
Sicherheiten zurück. Teils haftet der Bürge dem Gläubiger ausschließlich, teils
haftet auch der Schuldner. Verschiedentlich haften beide gesamtschuldnerisch.
Zuerst begegnet die heutige Gestaltung, dass der Schuldner primär und der Bürge
grundsätzlich nur subsidiär haftet (Einrede der Vorausklage), in Norddeutschland.
Während nach dem Code civil Frankreichs von 1804 und dem Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch Österreichs von 1811 die Bürgschafterklärung keiner Form bedarf,
verlangen das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Obligationenrecht der
Schweiz (1881) und das Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands (1900, vgl. §§
1346ff. ABGB) Schriftform der Bürgschaftserklärung. Aus dem Recht des
leistenden Bürgen gegen den Gläubiger auf Abtretung der Hauptforderung im
gemeinen Recht (lat. beneficium [N.] cedendarum actionum, Wohltat der abzutretenden
Klagansprüche) entsteht ein gesetzlicher Forderungsübergang (Legalzession).
Lit.: Kaser §§ 50, 57; Hübner 508; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 44, 74, 128; Beyerle, F., Der Ursprung der Bürgschaft, ZRG GA 47
(1927), 567; Kaufmann, E., Die Bürgschaft im Recht des Ingelheimer Oberhofes,
ZRG GA 74 (1957), 199; Martin, R., Das Bürgschaftsrecht Nord- und
Ostdeutschlands, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Eggert, R., Die Bürgschaft
im süddeutschen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Mückenheim, U., Die
Bürgschaft in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Hamburg 1964; Ogris, W.,
Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140ff.;
Reimer, K., Treuhandbürgschaft und Sicherungsbürgschaft, ZRG GA 85 (1968),
194; Les sûretés personelles, 1971; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht in
historischer Sicht, 1974; Feenstra, R., Die Bürgschaft, Rec. Soc. J. Bodin 28
(1974), 295; Walliser, P., Die Amtsbürgschaft im schweizerischen Recht, ZRG GA
96 (1979), 100; Maier, K., Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen
Gesetzbüchern des 16.-18. Jahrhunderts, 1980; Hoppe, C., Die Bürgschaft im
Rechtsleben Hamburgs, 1997; Jenks, S., Die Bürgschaft im mittelalterlichen
englischen Strafrecht, Diss. phil., Berlin 1998; Kowolik, Y., Interzessionen
von Nahbereichspersonen, 2008
Burgund (franz. Bourgogne) ist zunächst die von den → Burgundern in der Völkerwanderung
besiedelte Landschaft (zwischen 400 und 436 Mainz bis Worms, nach 436
[Niederlage gegen Römer oder Hunnen?] bzw. 443 um Genf und Lyon). 534 gelangt
B. an die Franken und ist zweitweise ein fränkisches Teilreich. 843 wird das
Gebiet entlang der Saône zwischen westfränkischem Reich und lotharischem Reich
geteilt. 879 entsteht ein Königreich B. (Niederburgund), das von dem 888
errichteten Königreich B. (Hochburgund) um 931/933 bzw. 950 aufgesogen wird und
mit diesem einschließlich der Grafschaft B. (Franche-Comté) 1032/1033 an das
Deutsche Reich fällt. Das westlich der Saône entwickelte, 963 an die →
Kapetinger gelangte Herzogtum B. gewinnt im 14. und 15. Jh. große Bedeutung
(1363 Philipp der Kühne, Erweiterung um Flandern, Artois, Rethel, Nevers, Freigrafschaft,
Brabant, Limburg, Hennegau, Holland, Seeland), bis es über Maria von B.
1477/1482 großteils (Niederlande, Franche-Comté) an die → Habsburger
kommt (und dort von 1512 bis 1806 den burgundischen Reichskreis bildet), in
seinem Kern (Herzogtum B. und Pikardie) aber 1493 → Frankreich
zugeschlagen wird. Das übrige B. wird zwischen 1674 und 1678 (Freigrafschaft)
von Frankreich erobert. 1459 werden die Coutumes générales du Comté de Bourgogne
aufgezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 76, 129; Köbler, Historisches
Lexikon; Seignobos, C., Le régime féodal en Bourgogne, 1882; Stouff, L., Les
origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901;
Poupardin, R., Le royaume de Bourgogne (888-1038), 1907; Walther, A., Die
burgundischen Zentralbehörden, 1909; Chaume, M., Les origines du duché de
Bourgogne, Bd. 1ff. 1925ff.; Richard, J., Les ducs de Bourgogne, 1954; Hoke,
R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106; Vaughan, R., Philip the
Bold, 1962, 2. A. 1979, 3. A. 2002;
Vaughan, R., Philip the Good, 1970, 2. A. 2002; Boehm, L., Geschichte Burgunds,
1971, 2. A. 1979 bzw. 1998; Vaughan, R., Charles the Bold, 1973, 2. A.
2002; Rompaey, J. van, De grote raad van de hertogen van Borgondië, 1973; Die
Urkunden der burgundischen Rudolfinger, bearb. v. Schieffer, T., 1977;
Jeanclos, Y., L’arbitrage en Bourgogne et en Champagne, 1977; Bart, J., La
liberté ou la terre, 1984; Pridat, H., Nicolas Rolin, 1995; Esders, D.,
Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Schnerb, B., L’état
bourguignon 1363-1477, 1999; Ehm, P., Burgund und das Reich, 2002; Gresser,
P./Richard, J., La gruerie du comté de Bourgogne aux XIV et XVe siècles, 2004;
Hofordnungen der Herzöge von Burgund, hg. v. Kruse, H. u. a., Bd. 1 2005;
Godding, P., La législation ducale en Brabant sous le règne de Philippe le Bon,
2006; Oschema, K., Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund,
2006; Kamp, H., Burgund, 2007
Burgunder oder
Burgunde ist der Angehörige eines (vielleicht) von der Ostsee (vielleicht
Bornholm) über die Oder und Weichsel (um 57 n. Chr. bei Plinius dem Älteren und
um 150-170 n. Chr. bei Ptolemäus erwähnt) an den mittleren Rhein gelangten
ostgermanischen Volkes. Das Recht der B. ist in der → Lex Burgundionum
bzw. → Lex Romana Burgundionum überliefert. Von der vielleicht im 7. oder
8. Jahrhundert untergegangenen Sprache ist möglicherweise außer dem Namen
nichts sicher bekannt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 57, 75, 86; Jahn, A.,
Geschichte der Burgundionen und Burgunder, 1874; Saleilles, R., De
l’établissement des Burgundes, 1891; Kienast, W., Studien über die
französischen Volksstämme des Frühmittelalters, 1968, 23; Perrin, O., Les
Borgondes, 1968; Favrod, J., Les Burgondes, 2002; Kaiser, R., Die Burgunder,
2004
Burgundio von Pisa ist
ein seit 1136 erwähnter Übersetzer griechisch geschriebener Digestenstellen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 242
Burgus (M.) bezeichnet als lateinisches Lehnwort wohl aus dem Germanischen (str.) seit dem 2. Jh. n. Chr. ein kleines Kastell, danach (5. Jh.) allgemeiner eine Siedlung. Im frühen Mittelalter ist es teils die an eine (lat. [F.]) civitas angelehnte, teils unabhängige Siedlung. Im Reich erscheint b. 1120 (Mühldorf am Inn). Der Bewohner heißt (lat. [M.]) burgensis (Frankreich 10. Jh., Spanien 11. Jh., Freiburg im Breisgau 1120). Streitig ist, inwieweit b. oder burgum die Marktsiedlung und burgensis eine besondere Art von → Bürger anzeigt. Im 14. Jh. schwindet b. wieder.
Lit.: Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtverfassung,
ZRG GA 50 (1930), 1ff,.; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt,
1953, 3. A. 1981; Schlesinger, W., Burg und Stadt, (in) Mitteldeutsche Beiträge
zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2 1963, 124; Köbler, G., Civis und
ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Werveke, H. van, Burgus, 1965
Burgward (lat. burgward[i]um, 961) ist vor allem in der frühhochmittelalterlichen Zeit der
Ostsiedlung das Gebiet um die befestigte Siedlung (→ Burg) als
Verteidigungsbereich und Verwaltungsbereich (z. B. Biederitz, Möckern,
Magdeburg, Frohse, Barby, Calbe an der Saale, Haldensleben, Wanzleben,
Unseburg, 1. H. 11. Jh. Merseburg, Ritteburg, Wallhausen, Sulza).
Lit.: Knüll, B., Die Burgwarde, Diss. phil. Tübingen 1895;
Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke, (in) Mitteldeutsche Beiträge zur
deutschen Verfassungsgeschichte, 1961, 158; Billig, C., Die Burgwardorganisation
im obersächsisch-meißnischen Raum, 1989
Burgwerk ist im Frühmittelalter die
Verpflichtung zur Unterhaltung von Burgen und ähnlichen Befestigungsanlagen. Im
Hochmittelalter begegnet hauptsächlich die Befreiung hiervon.
Lit.: Schlesinger, W., Burgen
und Burgbezirke (in Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte
des Mittelalters, 1961, 158ff.
Bürokratie (F.) ist die durch hauptberuflich tätiges, fachlich ausgebildetes Personal bzw. durch Trennung von Amt und Person bzw. durch Regelgebundenheit und durch Schriftlichkeit aller wesentlichen Amtsvorgänge gekennzeichnete Verwaltungsgestaltung. Sie wird gedanklich in der Mitte des 18. Jh.s erfasst. Der frühe Liberalismus lehnt die B. ab, Max Weber versachlicht die Bedeutung des Wortes.
Lit.: Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 5. A. 1986;
Wunder, B., Geschichte der Bürokratie in Deutschland, 1986; Süle, T.,
Preußische Bürokratietradition, 1988; Treichel, E., Der Primat der Bürokratie,
1991; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991
Burschenschaft (1791) ist der im
frühen 19. Jh. (1813/1815) neben die älteren Landsmannschaften tretende,
national und liberal ausgerichtete Zusammenschluss (Verbindung) der Studenten
(1811 Jahn, F./Friesen, K., Ordnung zur Einrichtung von Burschenschaften, 12.
6. 1815 Jena Urburschenschaft, 1819 Verbot der Burschenschaften, geheime
Wirksamkeit, 1848/1849 150 Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung
Burschenschaftler, 1935 erzwungene Selbstauflösung der Deutschen B., 1950 wieder
begründet).
Lit.: Bayer, E., Die Entstehung der deutschen
Burschenschaft, 1883; Quellen und Darstellungen zur Geschichte der
Burschenschaft, hg. v. Haupt, H., Bd. 1ff. 1910ff.; Brunck, H., Die deutsche
Burschenschaft, 1999; Roeseling, S., Burschenehre und Bürgerrecht, 1999
Bursprake ist in Nordeutschland im
Hochmittelalter und Spätmittelalter (im Mittelniederdeutschen) die Versammlung
der Nachbarn in Stadt und Land. B. kann auch das dort verlesene oder
geschaffene Recht bezeichnen (z. B. Lübeck, Wismar). Verschiedentlich gewinnt
die B. gerichtliche Befugnisse.
Lit.: Bolland, J., Zur
städtischen Bursprake im hansischen Raum, ZLGA 36 (1956), 96
Bußbuch ist das ein System kirchlicher → Bußen für Sünden enthaltende Buch ([→lat.] → Paenitentiale, liber paenitentialis). Es erscheint seit dem 6. Jh. in Irland und England ([lat.] Iudicia [N.Pl.] Cummeani, Kolumban, (lat.) Liber [M.] de poenitentiarum mensura taxantium, Theodor von Canterbury, [lat.] Canones [M.Pl.]), bald danach mit der irischen Mission auf dem Festland (rund 400 Handschriften, u. a. Buch 19 von → Burchard von Worms, Decretum). Im 13. Jh. tritt an die Stelle des Bußbuchs die (lat.) Summa (F.) confessorum (Summe der Bekenner) der → Beichtstuhljurisprudenz.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wasserschleben, E., Die
Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Schmitz, H., Die Bußbücher und
die Bußdisziplin der Kirche, 1888; Schmitz, H., Die Bußbücher und das
kanonische Bußverfahren, 1898; Finsterwalder, P., Die Canones Theodori
Cantuariensies, 1929; Spindler, E., Das altenglische Bußbuch, 1934; Bieler, L.,
The Irish Penitential, 1963; Vogel, C., Les libri poenitentiales, 1978; Kottje,
R., Die Bußbücher Halitgars von Cambrai und des Hrabanus Maurus, 1980;
Körntgen, L., Studien zu den Quellen der frühmittelalterlichen Bußbücher, 1993;
Kottje, R., Bußbücher in mittelalterlichen Bibliotheksverzeichnissen, Sacris
erudiri 45 (2006), 305ff.
Buße ist
ursprünglich der Ausgleich eines Unrechtserfolges durch eine Leistung an den
Verletzten zum Zweck der Besserung seiner Lage. Sie ist dem römischen Recht als
die Geldsumme bekannt, mit der anfangs (in festen Sätzen) das vergeltende
Racherecht des Verletzten etwa bei Körperverletzung oder Sachbeschädigung
abgelöst wird (lat. [F.] poena). Die (lat. [F.] lex Aquilia stellt auf den Wert
der beschädigten Sache ab. In der jüdisch-christlichen Kirche ist die Buße die
Abwendung von einer sündhaften Vergangenheit. Tacitus bezeugt sie für die
Germanen, bei denen ein Teil der B. auch an die Allgemeinheit fällt. In den →
Volksrechten des Frühmittelalters wird ein ganzes System von mehreren Zielen
dienenden Bußen (lat. compositiones) festgehalten (→
Kompositionensystem), zu dem insbesondere auch das → Wergeld gehört.
Ihnen entsprechen die Bußen der → Bußbücher. Dieses Bußensystem wird seit
dem Hochmittelalter durch die → Strafe zurückgedrängt (vgl. noch § 1497
sächsisches BGB von 1863). Die Leistung an den Verletzten wird mehr und mehr
als → Schadensersatz verstanden. B. wird aber teils als an den
Verletzten, teils als an den Staat (für Ordnungswidrigkeiten) zu erbringende
Geldleistung weiter fortgeführt, wobei eine an eine Gemeinschaft zu leistende
B. öfter gemeinsam vertrunken wird. Das Reichsstrafgesetzbuch des deutschen
Reiches von 1871 kennt (neben der Strafe) die Zahlung einer B. für
Beleidigungen und Körperverletzungen in den §§ 188, 231 StGB (in der Deutschen
Demokratischen Republik bis 1968, in der Bundesrepublik Deutschland bis 1974).
Ähnliche Regeln enthalten das Urhebergesetz, das Patentgesetz und das
Markenschutzgesetz bis 1965/1974.
Lit.: Kaser §§ 35, 50; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG
1, 43ff., 2, 207ff.; Waechter, C. v., Die Buße bei Beleidigungen und
Körperverletzungen, 1874; Dochow, A., Die Buße im Strafrecht und Strafprozess,
1875; Dohna, A. zu, Die Stellung der Buße im reichsrechtlichen System des
Immaterialgüterschutzes, 1902; Pappenheim, M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG
GA 29 (1908), 334; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur
Karolina, 1928, Neudruck 1967, 95; Weisweiler, J., Buße, ZRG GA 51 (1931), 541;
Vogel, C., Le pécheur et la pénitence, 1969; Rüping, H., Geldstrafe und Buße,
Z. f. s. ges. StW 85 (1973), 672; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe, ZRG GA
100 (1983), 53; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im
Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1ff.; Hamilton, S., The Practice of
Penance, 2001; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, 2003
(ungedr. Habilitationsschrift); Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen
Privatrecht, 2004
Bußgeld ist in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s die an den Staat zu erbringende Geldleistung für
eine Ordnungswidrigkeit.
Bussi, Emilio (13. 4. 1904-Rom 14.
11. 1997) wird nach dem Studium des Rechts 1940 Professor in Cagliari, 1958 in
Modena und widmet sich zunächst dem gemeinen Recht (La formazione dei dogmi di
diritto nel diritto comune, Bd. 1f. 1937ff.), danach dem Heiligen Römischen
Reich der frühen Neuzeit (Il diritto pubblico del Sacro Romano Impero, Bd. 1f.
1957ff.
Lit.: Dilcher, G., Nachruf ZRG GA 116 (1999), 707ff.
Buteil ist im Frühmittelalter die grundherrschaftliche Abgabe beim Erbfall. Sie besteht teils in der Hälfte des Viehs, teils im → Besthaupt. Sie schwindet schon am Ende des Frühmittelalters.
Lit.: Hübner 676; Kroeschell, DRG 1, 2
Büttel ist der
gebietende Mensch, insbesondere der Gerichtsdiener. Er lädt, verhaftet,
pfändet und vollstreckt häufig auch eine Strafe. Wegen des niedrigen Ansehens
wird die Bezeichnung im 19. Jh. aufgegeben. → Gerichtsvollzieher
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Angstmann, E., Der Henker in
der Volksmeinung, 1928; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991; Metzke, H.,
Zur lokalen und sozialen Mobilität der Amts- und Gerichtsdiener im 17./18.
Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 412; Pauser, J., Der Zwettler Gerichtsdiener,
2002
Bützow ist von 1760 bis 1789 Sitz
einer von Rostock abgeteilten Universität.
Lit.: Asche, M., Von
der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen
Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008
Buxtehude
Lit.: Schindler, M., Buxtehude, 1959
Bynkershoek (Bijnkershoeck), Cornelis van (Middelburg/Seeland 29. 5. 1673-Den Haag 16. 4. 1743) wird nach dem Rechtsstudium in Franeker Anwalt in Den Haag und 1704 Richter des Hoge Raad van Holland en Zeeland (1723 Präsident). In seiner Dissertation (lat.) De dominio maris (1703, Über das Eigentum am Meer) begründet er für den Landesherrn das Eigentum vor der jeweiligen Küste, soweit es mit Waffen beherrscht wird. Seine (lat.) Observationes (F.Pl., Beobachtungen) zu vielen Verfahren sind seit 1923 veröffentlicht.
Lit.: Star Numan, O., Cornelis van Bankershoek, 1869;
Krikke, A./Faber, S., Cornelis van Bynkershoek, (in) Zestig juristen, 1987,
141; Bergh, C. van den, Der Präsident Cornelis van Bijnkershoek, Zs. f. europ.
Privatrecht 3 (1995), 423
Byzantinisches Recht
ist das in Ostrom (Byzanz) gepflegte römische Recht in griechischer Sprache auf
der Grundlage der Kompilationstätigkeit Kaiser Justinians (527-565). Wichtigste
Werke sind Theophils Paraphrase der Institutionen, Nomos georgikos, Nomos
nautikos (Ende 9. Jh.s), Eisagoge, Prochiron 907, eparchikon biblion (nach
907), Ekloge ton nomon (941), 113 Novellen Kaiser Leon VI., Basiliken (888?)
mit Scholien (11. Jh.) und Kurzfassungen (z. B. synopsis Basilicorum 10. Jh.),
Peira (M. 11. Jh.), Nomokanones, Tipukitos (12. Jh.), Hexabiblos (14. Jh.,
endgültig erst durch das Zivilgesetzbuch Griechenlands von 1946 abgelöst).
Lit.: Ius
Graeco-Romanum, hg. v. Zachariae von Lingenthal, H. v., Bd. 1ff. 1856ff.;
Zachariae von Lingenthal, H. v., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3.
A. 1892; Jus Graeco-Romanum, hg. v. Zepos, J. u. a., Bd. 1ff. 1931ff.; Wenger.
L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Simon, D., Rechtsfindung am
byzantinischen Reichsgericht, 1973; Beck, H., Nomos, Kanon und Staatsräson in
Byzanz, 1981; Van der Wal, N. u. a., Historiae iuris graeco-romani delineatio,
1985; Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986; Simon,
D., Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988),
73ff.; Das Eparchenbuch Leons des Weisen, hg. v. Koder, J., 1991; Burgmann, L.
u. a., Repertorium der Handschriften des byzantinischen Rechts, Bd. 1f.
1995ff.; Letsios, D., Nomos Rhodiôn nautikos, 1996; Burgmann, L., Das
byzantinische Recht und seine Einwirkung auf die Rechtsvorstellung der
Bachbarvölker, Südosteuropa-Jahrbuch 26 (1996), 277ff.
Byzanz ist die 326/330 von dem römischen Kaiser Konstantin von Byzantion in Konstantinopel umbenannte Stadt am Bosporus, die 395 Hauptstadt des östlichen Teiles des römischen Weltreichs wird und damit zugleich für das von hier aus beherrschte (oströmische) Reich. Der von Kaiser Justinian (527-565) unternommene Versuch, die weströmischen Gebiete zurückzugewinnen, bleibt ohne nachhaltige Wirkung in dem seit Herakleios (610-41) verstärkt griechisch geprägten Land. Vielmehr wird das byzantinische Reich in der Folge von Persern, Arabern und Bulgaren nachhaltig bedroht und verliert nach der kirchlichen Trennung der griechisch-orthodoxen Kirche von der katholischen Kirche (1054) 1176 im Kampf gegen die Rum-Seldschuken seine Stellung als Großmacht. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (1203/4) wird das byzantinische Reich unter die Venezianer und die übrigen Kreuzfahrer aufgeteilt. Osmanen, Serben und Bulgaren bedrohen den verbleibenden Rest von mehreren Seiten. Mit der Eroberung Konstantinopels am 29. 5. 1453 durch die Osmanen endet B. bzw. das Byzantinische Reich.
Lit.: Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen
Rechts, 3. A. 1892; Neudruck 1955; Karajannis, C., Die Zentralverwaltung des
mittelbyzantinischen Reiches, 1949; Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im
früheren Mittelalter, 1947; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953;
Pieler, P., Byzantinische Rechtsliteratur, (in) Handbuch der
Altertumswissenschaft, XII, 5, 2, 1978, 343; Ohnsorge, W., Abendland und
Byzanz, 1979 (Aufsätze); Beck, H., Das byzantinische Jahrtausend, 2. A. 1994;
Winkemann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985; Simon, D., Epochen
der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Schreiner, P.,
Byzanz, 2. A. 1994, 3. A. 2007; Simon, D., Die Epochen der byzantinischen
Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Wirth, P., Grundzüge der byzantinischen
Geschichte, 2. A. 1989; Ostrogorsky, G., Byzantinische Geschichte 324 bis 1453,
3. A. 1996; Cutler, A./Spieser, J., Das mittelalterliche Byzanz, 1997; Haldon,
J., Byzantium in the Seventh Century, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts,
3. A. 2006; Norwich, J., Byznanz, 1998; Lilie, R., Byzanz, 1999; Avenarius, A.,
Die byzantinische Kultur und die Slawen, 2000; Matschke, K./Tinnefeld, F., Die
Gesellschaft im späten Byzanz, 2000; Matschke, K. u. a., Die Gesellschaft im
späten Byzanz, 2001; Haldon, J., Das byzantinische Reich, 2002; Brandes, W.,
Finanzverwaltung in Krisenzeiten, 2002; Regesten der Kaiserurkunden des
oströmischen Reiches von 565-1453, bearb. v. Dölger, F., 2. A. 2003; Lilje, R.,
Byzanz, 2003; Lilie, R., Byzanz und die Kreuzzüge, 2004; Der Beitrag der
byzantinischen Gelehrten zur abendländischen Renaissance des 14. und 15.
Jahrhunderts, hg. v. Konstantinou, E., 2006; Lilie, R., Einführung in die
byzantinische Geschichte, 2007; Meier, N., Anastasios I. Die Entstehung des
byzantinischen Reiches, 2009
C
Caccialupus, Johann Baptista ist ein in San Severino in der Mark Ancona um 1420
geborener, in Perugia ausgebildeter, seit 1452 in Siena lehrender Jurist
(Tractatus de modo studendi in utroque iure, De modis arguendi, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 849
Caemmerer, Ernst von (Berlin 17. 1. 1908-Freiburg im Breisgau 23. 6. 1985), Historikerssohn, wird nach dem Studium des Rechts in München und Berlin und der Promotion (1931, Martin Wolff) Assistent und Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Berlin (Ernst Rabel) sowie nach der Habilitation in Frankfurt am Main (1946 Walter Hallstein) 1947 Professor in Freiburg im Breisgau. Er wird sehr bedeutsam für die Rechtsvergleichung.
Lit.: Festschrift Ernst von Caemmerer, 1978
Caepolla, Bartholomäus ist
ein in Verona um 1420 geborener, in Bologna und Padua ausgebildeter, 1445
promovierter, in Padua, Ferrara, Verona und Padua lehrender, 1475 oder 1477
verstorbener Jurist (De servitutibus, cautelae Caepollae, De contractibus
emptionum et locationum, De imperatore militum deligendo, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 843
Caesar (Cäsar), Gaius Iulius (Rom 13. 7. 100–Rom 15. 3. 44 v. Chr.), Neffe des Marius, wird
nacheinander Quästor, Ädil, Prätor und Konsul. Zwischen 58 und 51 v. Chr.
erobert er Gallien, wobei er auch den Rhein überschreitet und auf die
britischen Inseln übersetzt. Nach einem erfolgreichen Bürgerkrieg wird er im
Februar 44 Diktator auf Lebenszeit. An den Iden des März wird er ermordet.
Durch ihn endet die römische Republik. Literarisch bedeutsam sind seine
Kommentare über den gallischen Krieg, die auch über die Germanen berichten.
Lit.: Köbler, DRG 32, 66; Gelzer, M., Caesar, 1921,
Neudruck 1983, m. Einführung v. Baltrusch, E., 2008; Walser, G., Caesar und die
Germanen, ZRG GA 57 (1974), 275; Meier, C., Caesar, 1982; Julius Caesar, 1992;
Christ, K., Caesar, 1994; Jehne, M., Caesar, 1997; Etienne, R., Jules César,
1997; Canfora, L., Caesar, 2001; Zecchini, C., Cesare e il mos maiorum, 2001;
Baltrusch, E., Caesar und Pompeius, 2004; Dahlheim, W., Julius Cäsar, 2005;
Caesar, hg. v. Baltrusch, E., 2007; Will, W., Veni, vidi, vici. Caesar und die
Kunst der Selbstdarstellung, 2008; Will, W., Caesar, 2009
Cahier (M.) de doléances ist
das vielleicht schon auf hochmittelalterliche Ansatzpunkte zurückgehende, seit
1427 in ersten Anfängen, 1484 in gedruckter Form erkennbare „Beschwerdeheft“
der ständischen Delegierten der Generalstände (états généraux) in Frankreich.
Lit.:
Marion, M., Dictionnaire des institutions de la France, 1923, 66
Calenberg ist ein
sächsisch-welfisches Teilfürstentum Braunschweig-Lüneburgs, das in verwickelten
Nachfolgen im Land → Hannover und damit über Preußen in Niedersachsen
(1946) aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Spieß, W., Die
Großvogtei Calenberg, 1933; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Das
Calenberger Hausbuch von 1592, bearb. v. Lathwesen, H., 1980
Calonius → Turku
Calvin, Johannes (Jean) (Noyon 10. 7. 1509-Genf 27. 5. 1564) wird nach dem Rechtsstudium in
Orléans und Bourges (1528-1532) und dem Lizentiat in Paris Anhänger der
Reformation Martin → Luthers (1533 Flucht aus Frankreich) und beeinflusst
von Genf aus Europa von Schottland bis Siebenbürgen. Sein Hauptwerk ist die
(lat.) Institutio (F.) religionis christianae (Einrichtung der christlichen
Religion, 1536, Endfassung 1559). Der von ihm begründete Calvinismus wirkt sich
auf die Gedanken der → Demokratie und des → Widerstandsrechts
bedeutsam aus.
Lit.: Köbler, DRG 153; Schulthess-Rechberg, G. v., Luther,
Zwingli und Calvin in ihren Ansichten über das Verhältnis von Staat und Kirche,
1909; Bohatec, J., Calvin und das Recht, 1934; Müller, W., Church and State in
Luther and Calvin, 1954; Pfisterer, E., Calvins Wirken in Genf, 1957; Staedtke,
J., Johannes Calvin, 1969; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970;
Die Schüler Calvins in der Diaspora, hg. v. Lüthi, K. u. a., 1989; Territorialstaat
und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Naphy, W., Calvin, 1994; Spijker, W.
v., Calvin, 2001; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische
Rechtsdenken, 2004; Persecution and Pluralism, hg. v. Bonney, R. u. a., 2006;
Strohm, C., Calvinismus und Recht, 2007; Calvin Handbuch, hg. v. Selderhuis,
H., 2008
Cambacérès,
Jean-Jacques-Regis de (Montpellier 1753-1824), Bürgermeisterssohn, legt nach
Tätigkeiten als Anwalt und Richter im Zuge seiner Mitgliedschaft im Konvent
(1792) bzw. im Wohlfahrtsausschuss (1794) der französischen Revolution drei
Entwürfe (1793, 1794, 1796/1797) für einen → Code civil vor, die sich
auch wegen seiner engen Verbindung zu Napoleon maßgeblich auf den 1804
entstandenen Code civil Frankreichs auswirken.
Lit.: Papillard, F., Cambacérès, 1961
cambium (lat. [N.]) → Wechsel
Cambrai
Lit.: Meijers,
E./Blécourt, A., Le droit coutumier de Cambrai, Bd. 1f. 1932ff.; Hüttebräuker,
Cambrai, Deutschland und Frankreich 1308-1378, ZRG GA 59 (1939), 88
Cambridge am Fluss Cam ist seit 1066 Vorort einer Grafschaft. Seit 1209 erwächst in C. aus der Abwanderung von Lehrern und Studenten aus → Oxford eine Universität. In ihr entstehen 1284 weltliche Studien. Kennzeichnend für den Grundsatz der Bildung durch persönlichen Umgang sind die zahlreichen Colleges (1997 27, ca. 12000 Studenten).
Lit.: Emden, A., A biographical register of the University
of Cambridge, 1963; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; A History of the University of Cambridge, hg. v. Leader, D. u.
a., Bd. 1ff. 1988ff.; Sager, P.,
camerarius (lat. [M.]) → Kämmerer
Canon (lat.-griech. [M.],
Regel, Richtschnur, Norm) ist die einzelne Vorschrift in kirchlichen Rechtsquellen.
Hiervon leitet sich die Bezeichnung → kanonisches Recht ab.
Lit.: Köbler, LAW; Zechiel-Eckes, K., Die Concordia canonum
des Cresconius, 1992; Fowler-Magerl, L., Kanones. Ausgewählte Kanonessammlungen
außerhalb Italiens zwischen 1000 und 1140, 1998 (CD)
Canossa → Investiturstreit
Lit.: Weinfurter, S.,
Canossa, 2006; Canossa 1077, hg. v. Stiegemann, C., 2006
Cantiuncula (Chansonette), Claudius (Metz um 1490-Ensisheim 1549) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen und Basel von 1518 bis 1524 in Basel Professor des weltlichen Rechts und übernimmt danach verschiedene Verwaltungsaufgaben und Gerichtstätigkeiten. Seine Schrift (lat.) De ratione studii legalis paraenesis (1522) bietet erstmals einen Plan zur Verbesserung des Rechts in Deutschland nach den Grundsätzen des → Humanismus.
Lit.: Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 44; Kisch,
G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962, 355;
Kisch G., Claudius Cantiuncula, 1970
Capella (F.) regia (lat.
Hofkapelle) ist zunächst die seit etwa 650 den Merowingerkönigen eigene
Reliquie des Mantels des heiligen Martin, danach der Gebetsraum der Königspfalz
und schließlich die Gesamtheit der mit dem König ziehenden Geistlichen
(capellani [M.Pl.] Kapellane, bald auch bei anderen Großen). Im ostfränkischen
Teilreich wird 965 der Erzbischof von Mainz Erzkaplan und die Hofkapelle zum
personalen Ausgangspunkt des ottonischen → Reichskirchensystems. Mit
dem → Investiturstreit verliert die c. r. ihre darauf gegründete
Bedeutung, bleibt aber als solche bis 1806 bestehen.
Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen
Könige, Bd. 1f. 1959ff.
Capitaneus (lat.
[M.], zu lat. [N.] caput, Haupt) ist allgemein eine Bezeichnung für eine
hervorragende Person, die z. B. in Oberitalien (Lombardei bis Toskana) am
Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) für höhere (städtische) Adlige Verwendung
findet (daneben auch in Schwaben, Friesland oder Brandenburg).
Lit.: Köbler, LAW; Meyer, K., Die capitanei von Locarno im
Mittelalter, 1916; Stahl, B., Adel und Volk im Florentiner Dugento, 1968; Kamp,
N., Konsuln und Podestà, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer
in Reichsitalien, 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische
Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Drüppel, H., Iudex civitaits, 1981; La
vassallità maggiore del Regno Italico, hg. v. Castagnetti, A., 2001
capitis deminutio (lat. [F.])
Herabsetzung der Rechtspersönlichkeit abgestuft bezüglich der Freiheit, des
römischen Bürgerrechts oder der Familienzugehörigkeit im römischen Recht
capitula (lat. [N.Pl.]) Kapitel
Capitula (N. Pl.) Angilramni
sind die mit mehr als 230 Zitaten in zwei Dutzend der wichtigsten
Kirchenrechtssammlungen zwischen etwa 850 und 1150 am stärksten rezipierte
Fälschung Pseudoisidors und bilden eine wichtige Grundlage für das kirchliche
Strafprozessrecht bis zur Gegenwart.
Lit.: Schon, K., Die
Capitula Angilramni. Eine prozessrechtliche Fälschung Pseudoisidors, 2006;
Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die Collectio
Danieliana, 2006
Capitula (N.Pl.) Remedii (lat.) sind die im Südwesten des fränkischen Reiches um 800 erfolgte verkürzende Aufzeichnung des spätrömischen Rechts.
Lit.: Köbler, DRG 81; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953
capitulare →
Kapitular
Capitulare (N.) de villis (lat.), Kapitular über Königshöfe, ist das in einer
Handschrift des zweiten Viertels des 9. Jh.s abschriftlich überlieferte, in 70
Kapitel eingeteilte (berühmteste) Kapitular Karls des Großen aus dem letzten
Jahrzehnt des 8. Jh.s, das zur Beseitigung von Missständen die Verwaltung der
Königshöfe des gesamten fränkischen Reiches ordnen will (Forst, Ackerbau,
Viehzucht, Weinbau, Gärten, Handwerk, Haushaltung, Rechnungslegung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dopsch, A., Westgotisches Recht im
Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Mayer, T., Das Capitulare de villis,
ZRG GA 79 (1962), 1; Brühl, C., Capitulare de villis, 1971; Metz, W., Zur
Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971; Tautscher, A.,
Betriebsführung und Buchhaltung in den karolingischen Königsgütern, Vierteljahrschrift
f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 61 (1974), 1ff.
Capitulare (N.) Haristallense (lat.,
Kapitular von Herstal bei Lüttich) ist das im März 779 auf einer
Reichsversammlung geschaffene, in vielen jüngeren Abschriften überlieferte sich
erstmals als (lat.) Capitulare (N.) bezeichnende Kapitular. Es enthält
kirchliche und weltliche Bestimmungen. Es versucht die Einschränkung der Fehde.
Lit.: Schneider, R.,
Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte, DA 23 (1967), 273; Mordek, H.,
Karls des Großen zweites Kapitular von Herstal, DA 61 (2005), 1
Capitulare (N.) Saxonicum (lat., sächsisches Kapitular) ist das nach streitiger Ansicht die → Capitulatio de partibus Saxoniae mildernde, in zwei Handschriften überlieferte Kapitular Karls des Großen für Sachsen vom 28. 10. 797.
L.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulareSaxonicum.htm;
Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968; Springer, M., Die Sachsen,
2004
Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (lat.) ist die in einer Handschrift überlieferte, in
Kapitel gegliederte, (nach?) 782 entstandene Anordnung Karls des Großen
gegenüber den unterworfenen, noch heidnischen Bräuchen (Verbrennen der Hexe, Verbrennen
der Leiche [archäologisch für das 8. Jh. kaum nachgewiesen], Menschenopfer
[nicht nachgewiesen]) anhängenden → Sachsen, die auffälligerweise sehr
häufig die → Todesstrafe androht. Vielleicht ist ihr zweiter Teil erst
803 entstanden.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulatiodepartibusSaxoniae.htm;
Die Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich, hg. v. Lammers, W., 1970;
Schubert, E., Die Capitulatio pro partibus Saxoniae (in) Geschichte in der
Region, 1993, 3ff.; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Häßler, H., 1999;
Springer, M., Die Sachsen, 2004
Cappenberg
Lit.:
Die Viten Gottfrieds von Cappenberg, hg. v. Niemeyer, G. u. a., 2005
Lit.: Le
pergamene di
Carbonaria silva
(lat. [F.] Kohlenwald, Erstbeleg 388 n. Chr. bei Sulpicius Alexander) ist der
im Frühmittelalter als Grenze bedeutsame Wald von südlich der Sambre bis etwa
der Gegend von Löwen. Aus den im (lat.) Pactus (M.) legis Salicae (Tit. 47)
genannten unterschiedlichen Fristen wird geschlossen, dass die Aufzeichnung
erst nach 507 erfolgt ist, weil erst zu dieser Zeit das Gebiet jenseits der
Loire Teil des Reichs der Franken wird. Im 8. Jh. verliert der Wald auch durch
Rodungen seine Bedeutung.
Lit.: Ewig, E., Die
Merowinger und das Frankenreich, 1997
Cardiff am Taff ist 75 n. Chr. Sitz eines römischen Lagers. 1350 gewinnt es Stadtrecht. 1883 erhält es eine Universität.
Carmer, Johann Heinrich
Casimir von (Bad Kreuznach 29. 12. 1721-Gut Rützen im Kreis Guhrau 23. 5.
1801), reformierter Hofratssohn aus ursprünglich niederländischer Familie,
wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Halle 1749 Kammergerichtsreferendar in
Preußen, 1763 Präsident der Oberamtsregierung Breslau, 1768 Chefpräsident
sämtlicher Oberamtsregierungen in Schlesien und 1779 als Folge der
Müller-Arnold-Prozesse Großkanzler und Erster Minister des Justizdepartements
(bis 1795). Infolge seines Wirkens wird 1781 das Prozessrecht im (lat.) →
Corpus (N.) iuris Fridericianum ([Friedrichsches Rechtskorpus,] Erstes Buch,
1793 überarbeitet in der Form der Allgemeinen Gerichtsordnung) neu geordnet und
vor allem durch Svarez die Entstehung des → Allgemeinen Landrechts
entscheidend gefördert.
Lit.: Köbler, DRG 140; Thieme, H., Die preußische
Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 362; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Houwald, G. Frhr. v., Ahnen
und Enkel des Johann Heinrich Casimir Graf von Carmer, 1977
Carolina (lat. [F.]) → Constitutio Criminalis Carolina
Carpzov, Benedikt (Wittenberg 27. 5. 1595-Leipzig 30. oder 31. 8. 1666), Sohn eines gleichnamigen
Professors der Rechte in Wittenberg, wird nach dem Rechtsstudium in Jena,
Leipzig und Wittenberg (Wittenberg 1618 Promotion) 1620 Mitglied des Leipziger
Schöffenstuhles, 1644 Hofrat in Dresden, 1644/1645 Professor in Leipzig und
1653 Geheimer Rat in Dresden. In seiner auf sächsische Urteile wie
gemeinrechtliche Lehre gegründeten (lat.) Practica (F.) nova imperialis
Saxonica rerum criminalium (1635, 9. A. 1695, 12. A. 1751, Neue
kaiserlich-sächsische Praxis) bietet er die erste systematische Darstellung des
(deutschen) Strafrechts unter Bemühung um Abgrenzung der harten ordentlichen
Strafen von den im Ermessen des Gerichts stehenden arbiträren Strafen. Die (lat.) Iurisprudentia
(F.) Romano Saxonica secundum ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris
Saxoniae (1638, 8. A. 1721, Römisch-sächsische
Rechtswissenschaft nach den kursächsischen Konstitutionen) erklärt die
kursächsischen Konstitutionen an Hand der entschiedenen Fälle. Die (lat.)
Iurisprudentia (F.) ecclesiastica consistorialis (1649, 8. A. 1721,
konsistorialkirchliche Rechtswissenschaft) ordnet einheitlich erstmals das
Recht der protestantischen Kirche.
Lit.: Köbler, DRG 144; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Köckritz, S. v., Die
Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Merzyn, G.,
Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963;
Schieckel, H., Benedict I. Carpzov (1565-1624) und die Juristen unter seinen
Nachkommen, ZRG GA 83 (1966), 310; Schiekel, H., Alexander Graf zu Dohna als
Nachkomme von Benedikt I. Carpzov, ZRG GA 89 (1972), 212; Benedikt Carpzov, hg.
v. Schild, W., 1997; Benedict Carpzov, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000;
Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003
Carta, charta (lat.
[F.] Blatt, Urkunde) ist die Urkunde, vor allem die (vom Veräußerer) subjektiv
gefasste (und unterschriebene) Geschäftsurkunde (Verfügungsurkunde) des
frühmittelalterlichen Rechtsverkehrs (z. B. des Klosters Sankt Gallen) im
Gegensatz zur (lat. [F.] notitia) Beweisurkunde. Seit dem 9. Jh. schwindet die
c. Ihre Aufgabe übernimmt im 12. Jh. die Siegelurkunde.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW; Brunner, H., Zur
Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880, Neudruck
1961; Zeumer, K., Cartam levare, ZRG GA 4 (1883), 113; Redlich, O., Die
Privaturkunden des Mittelalters, 1911; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen
der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1951; Classen, P., Kaiserreskript und
Königsurkunde, 1977, 190; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P.,
1977
cartularius (lat. [M.]) mittels Urkunde (lat.
carta) Freigelassener
Lit.: Olberg, G. v.,
Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges
Barbarorum, 1991
case-law (engl. [N.]) → Fallrecht
Cassiodor, Flavius
Magnus Aurelius Senator (Bruttium vor 490-nach 580), aus in Kalabrien
begüterter Familie senatorischen Ranges, 507 (lat.) quaestor, 514 (lat.)
consul, 523-527 (lat.) magister officiorum, 533-537 (lat.) praefectus
praetorio, ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Spätantike, der auf
Grund seiner vorangehenden Verwaltungstätigkeit in seinen Variae (lat. [F.Pl.]
[epistulae] verschiedene [Briefe]) die ostgotische Herrschaftspraxis in Italien
bis 537 erkennen lässt (um 555 Rückzug in das von ihm gegründete Kloster
Vivarium).
Lit.: O`Donnell, J., Cassiodor, 1979;
Krautschick, S., Cassiodor und die Politik seiner Zeit, 1983; Meyer-Flügel, B.,
Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor, 1992; Stüven, A.,
Rechtliche Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich, 1995; Kakridi, C.,
Cassiodors Variae, 2005
Cassius, Longinus
(1. Jh.), aus alter senatorischer Familie, wird als Schüler des → Sabinus
Haupt der römischen Rechtsschule der Sabinianer oder Cassianer. Seine
(mindestens 10 Bücher umfassenden) Libri (M.Pl.) iuris civilis (Bücher des
römischen Rechts) sind nur mittelbar durch Auszüge überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
casum sentit dominus (lat.).
Den (Fall bzw.) Zufall fühlt der Eigentümer.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
casus (lat.
[M.] Fall, Zufall
caupo (lat. [M.]) Schankwirt
causa (lat. [F.]) Grund, Ursache, Fall
Lit.: Kaser §§ 19, 24, 25, 27, 33, 40,
48; Söllner § 8; Köbler, DRG 44, 61; Fuchs, J., Justa causa traditionis, 1952;
Bremkamp, T., Causa. Der Zweck als Grundpfeiler des Privatrechts, 2008
causae (F.Pl.) civiles (lat.) bürgerliche Sachen
causae (F.Pl.) criminales (lat.) Strafsachen
causae (F.Pl.) maiores (lat.)
wichtigere Angelegenheiten
causae (F.Pl.) minores (lat.)
mindere Angelegenheiten
Cautela (lat. [F.],
Vorsicht) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld 1350
deutsch (mit lateinischen Zitaten) verfasste, handschriftlich seit 1382 belegte
(8 Handschriften bis 1483) kleine Sammlung von Anweisungen zum vorsichtigen
Verhalten vor Gericht (14 Zeilen Vorrede, 97 Zeilen Text, 11 Zeilen Nachrede). →
Premis
Lit.: Unger, F., Des Richtes Stig, 1847; Homeyer, C., Der
Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Ovesfelde, H. v., Die
Cautela, 1939; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 66
cautio (lat. [F.])
Sicherheitsleistung bzw. das als Stipulation für den Fall eines künftigen
Schadens aus einem bestimmten Umstand (z. B. Einsturz eines Gebäudes)
abgegebene Leistungsversprechen des römischen Rechts
Lit.: Kaser § 7; Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Köbler, LAW;
Salmen-Everinghoff, C., Zur cautio damni infecti, 2009
cautio (F.) Muciana (lat.)
mucianische → Sicherheitsleistung, → Mucius Scaevola
Celle
Lit.: Figge, R., Altes
Recht in Celle, 1938; Jessen, P., Der Einfluss von Reichshofrat und
Reichskammergericht auf die Entstehung und Entwicklung des
Oberappellationsgerichts Celle, 1986; Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk
Celle, 2006
Celsus, Iuventius (pater) (1. Jh.) ist der als ein Haupt der Prokulianer und als Vater des → Celsus (filius) bekannte klassisch-römische Rechtskundige.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 137
Celsus, Iuventius
Publius (filius) (2. Jh.), Sohn des Iuventius Celsus (pater), ist der
bedeutende Vertreter des hochklassischen römischen Rechts (u. a. [lat.] Libri
[M.Pl.] digestorum, Bücher der Digesten) der Zeit Kaiser Hadrians (117-138 n.
Chr.), von dem etwa die lateinischen Wendungen Ius est ars boni et aequi (Das
Recht ist die Kunst des Guten und Gerechten) und Scire leges non hoc est verba
earum tenere, sed vim ac potestatem (Gesetze kennen bedeutet nicht, ihre Worte
zu wahren, sondern ihren Sinn und Zweck) und das (lat.) Senatusconsultum (N.)
Iuventianum (129) mit einer Bevorzugung des gutgläubigen
Bereicherungsschuldners im Erbrecht stammen.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 146;
Hausmaninger, H., Publius Iuventus Celsus, (in) Prescriptive formality, 1994
Centena (lat. [F.]) ist im
frühmittelalterlichen Franken und Alemannien eine Verwaltungseinheit
streitigen Inhalts (Erstbeleg 511/558).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Dannenbauer, H., Hundertschaft,
centena und huntari, Hist. Jb. 62-69 (1949), 155; Metz, W., Zur Geschichte der
fränkischen centena, ZRG GA 74 (1957), 234; Schulze, K., Die
Grafschaftsverfassung in den Gebieten östlich des Rheins, 1974; Murray, A.,
From Roman to Frankish Gaul, Traditio 44 (1988), 59ff.
Centenarius (lat.
[M.]) ist in der römischen Spätantike der kaiserliche Beamte mit 100000
Sesterzen Jahresgehalt, im Frühmittelalter bei Westgoten, Langobarden, Bayern,
Franken und Alemannen ein niederer königlicher Amtsträger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krug, H., Untersuchungen zum Amt
des centenarius - Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29 (Diss. phil. Wien 1968); Murray, A., From Roman to Frankish
Cessante ratione legis cessat
ipsa lex
(lat.). Fällt der Sinn eines Gesetzes weg,
fällt das Gesetz selbst weg.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Glosse zu Digesten 35, 1, 72, §6); Krause, H., Cessante causa cessat lex, ZRG
KA 46 (1960), 81
cessio (lat. [F.])
Abtretung (einer Forderung) → Zession
Chamave → Ewa Chamavorum
Chambéry in den
Voralpen gelangt 1232 an Savoyen. 1761 erhält es eine Universität.
Champagne ist die
südwestlich vor den Ardennen liegende Landschaft. Sie fällt 486 n. Chr. von den
Römern an die Franken und wird 814 Grafschaft. Diese wird 1314/1361 Krondomäne
Frankreichs. Unter Rückgriff auf eine um 1253 entstandene Sammlung der Usages
de C. und Einfügung verschiedener höchstgerichtlicher Urteile der Jahre 1270
bis 1295 verfasst wahrscheinlich Guillaume de Châtelet zwischen 1295 und 1300
den Ancien coutumier de C.
Lit.: Portejoie, P., L’ancien
coutumier de Champagne, 1956; Bur, M., La formation du comté de Champagne, 1977
Chancengleichheit ist
die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus dem Gleichheitsgrundsatz
entwickelte Vorstellung, dass in bestimmten Wettbewerbslagen C. hergestellt werden
müsse.
Lit.: Bender, R./Schumacher, R., Erfolgsbarrieren vor
Gericht, 1980
Charisma
(N.) Heil, Ausstrahlungskraft
Charivari (N.) Durcheinander, Wirrwarr,
Katzenmusik (Volksbrauch)
Charta der Vereinten Nationen → Vereinte Nationen
Charte constitutionelle (frz.
[F.] Verfassungsurkunde) ist die oktroyierte(, bis Juli 1830 geltende)
Verfassung des Jahres 1814 in Frankreich.
Chartepartie (aus
[lat.] carta [F.] partita, geteilte Urkunde) ist im Seehandelsrecht seit dem
Hochmittelalter die Urkunde über die (teilweise) Befrachtung eines Schiffes
(vgl. ADHGB von 1861).
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lewis, W., Das deutsche
Seerecht, 1883; Wattenbach, W., Das Schiffswesen im Mittelalter, 1896, Neudruck
1958; Scrutton, T., The contract of affreightment, 1939; Morisset, J., Der
Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine von 1681, 1996; Landwehr, G., Das
Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003
checks and balances Kontrollen und Ausgleiche durch Gewaltenteilung in
der Verfassung
Chemnitz → Hippolithus a Lapide
Lit.:
Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA
25 (1904), 345; Schlesinger, W., Die Anfänge der Stadt Chemnitz, 1952
China (u. a. 1983/1984 in Zhangjiashan im Grab M 247 mehr als 1000
Bambusleisten aus dem 2. Jh. v. Chr. entdeckt mit 70 Prozent Rechtstexten und
227 Bambusleisten mit einem Textkorpus Zouyanshu) (um 1900 starker Einfluss des
deutschen Rechts) (1978 offizielle Übernahme westeuropäischen Rechts begonnen,
anfangs angloamerikanisch, später auch deutsch)
Lit.: Senger, H. v., Kaufverträge im traditionellen China,
Diss. jur. Zürich 1970; Köbler, G., Rechtschinesisch, 2001; Recht und
Rechtsgeschichte Chinas, 2002; Lexikon der chinesischen Literatur, hg. v.
Klöpsch, V. u. a., 2004; Seyock, B., Auf den Spuren der Ostbarbaren, 2004; Kim,
C., Deutscher Kulturimperialismus in China, 2004; Yangwen, Z., The Social Life
of Opium in China, 2005; Dabringhaus, S., Geschichte Chinas 1279-1949, 2. A.
2009; Schoettli, U., China, 2007; China, hg. v. Staiger, B. u. a., 2006;
Schmidt-Glintzer, H., Kleine Geschichte Chinas, 2008; Schmieder, F., Marco Polo
(1254-1324), 2009
Chirographum (lat.-gr. [N.] Handgeschriebenes)
ist in der römischen Antike die (eigenhändig geschriebene, subjektiv gefasste)
Papyrusurkunde. Von England (Mitte 9. Jh.) aus wird c. später zur Bezeichnung
für die in zwei Ausfertigungen auf einem danach zerschnittenen Blatt
hergestellte Urkunde über ein mehrseitiges Rechtsgeschäft (854/855?, Saint
Bertin 944, Trier 967). Seit dem 14. Jh. wird das c. bei siegelführenden
Beteiligten durch die Siegelurkunde, im Übrigen durch die Urkunde öffentlicher
Notare zurückgedrängt, bleibt aber bis zum 18. Jh. in Gebrauch. →
Chartepartie
Lit.: Kaser §§ 7, 40; Köbler, DRG 43; Köbler, LAW; Redlich,
O., Die Privaturkunde des Mittelalters, 1911; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1, 2. A. 1912, 699; Trusen, W., Chirographum und Teilurkunde
im Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 233; Parisse, M., Remarques sur les
chirographes, AD 32 (1986), 546ff.; Anglo-Saxon Manuscripts and their Heritage,
hg. v. Pulsiano, P. u. a., 1998
Chlodwig (Chlodowech, 466-511),
merowingischer König der Franken (482-511)
Lit.: Ewig, E., Die
Merowinger und das Frankenreich, 1988, 3. A. 1997
Chorbischof (Landbischof) ist im oströmischen Reichsteil der ursprünglich gleichberechtigte Gehilfe des städtischen Bischofs für das Landgebiet der Diözese. Seit der Mitte des 8. Jh.s erscheint unter angelsächsischem Einfluss ein C. im Westen, der seit dem 9. Jh. aber wieder schwindet (Konzil von Metz 888).
Lit.: Gottlob, T., Der abendländische Chorepiskopat, 1928,
Neudruck 1963; Müller, J., Gedanken zum Institut der Chorbischöfe (in) FS K.
Pennington, 2006, 77ff.
Chorherr ist der
(Kanoniker bzw.) Kleriker, der Mitglied eines an einer Kirche bestehenden
Kapitels (mit Sitz im Chor) ist. Ansätze zu einer solchen Gemeinschaft zeigen
sich schon bei Bischof Eusebius von Vercelli (um 283-371). Das Frühmittelalter
entwickelt hierfür besondere Regeln bzw. canones (z. B. Chrodegang von Metz um
755 regula canonicorum, Konzil von Aachen 816). Die frühhochmittelalterliche
Kirchenreform führt zur stärkeren Regulierung (gregorianische Reform). Im 12.
Jh. werden Empfehlungen des heiligen Augustinus besonders aufgegriffen
(Augustinerchorherr).
Lit.: Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln in
Deutschland, 1976; Lawrence, C., Medieval Monasticism, 2. A. 1989, 163;
Crusius, I., Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, 1985; Die
Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003
Chrenecruda (afrk.
„reine Erde“?) ist die in Titel 58 des salfränkischen Volksrechts (Pactus legis
Salicae) erwähnte, den leistungsunfähigen Wergeldschuldner betreffende →
malbergische Glosse, die sich auf ein vielleicht neu geschaffenes, nur kurze
Zeit bezeugtes oder vielleicht auch aus einer magischen Zauberhandlung
übernommenes Formalverhalten bezieht.
Lit.: Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28
(1907), 290; Goldmann, E., Chrenecruda-Studien zum Titel 58 der Lex Salica,
1931; Schmidt-Wiegand, R., Chrenecruda, FS G. Schmelzeisen, 1980, 252
Christentum ist die
Gesamtheit des christlichen Glaubens und seiner Anhänger. Unter Fortführung
jüdischer Vorstellungen des alten Testamentes geht das C. davon aus, dass sein
Stifter Jesus Christus als Sohn Gottes durch seinen Tod am Kreuz die Menschen
von ihrer Sündigkeit erlöst hat. Die daran anknüpfenden Gedanken breiten sich
im römischen Reich so rasch aus, dass der Staat seit der Mitte des 3. Jh.s das
C. entschieden verfolgt. Durch das Toleranzedikt Kaiser Konstantins (311) wird
das C. gleichberechtigter Kult, durch Theodosius I. 380 Staatsreligion. Seit
dem Ausgang des Altertums greift das C. vor allem auf die germanischen Völker
über. Spaltungen (1054 und 1517) führen zu den besonderen Bekenntnissen der
Katholiken, Orthodoxen und Protestanten. In der Neuzeit verbreitet sich das C.
mit der Entdeckung neuer Länder und der Gewinnung von Kolonien über die ganze
Erde. Bereits kurz nach seiner Entstehung entwickelt das C. ausgeprägte
rechtliche Regeln (→ kirchliches Recht), die in vielen Hinsichten das
weltliche Recht mitgestalten.
Lit.: Söllner §§ 19, 20, 21; Köbler, DRG 51, 68, 99, 146;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 772; Bultmann, R., Das Urchristentum
im Rahmen der antiken Religionen, 4. A. 1976; Biondi, B., Il diritto romano
cristiano, 1952ff.; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A.
1960ff.; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v.
Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Deschner, K., Kriminalgeschichte des
Christentums, 1988ff.; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Mayeur, J. u.
a., Bd. 8 1992, Bd. 10 1999; Geschichte des Christentums, hg. v. McManners, J.,
1993; Andresen, C./Ritter, A., Geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1993ff.;
Crossan, J., Der historische Jesus, 1994; Fontes christiani, hg. v. Brox, N. u.
a., 1995ff.; Winkelmann, F., Geschichte des frühen Christentums, 1996; Glaser,
F., Frühes Christentum im Alpenraum, 1997; Barton, P., Geschichte des
Christentums in Österreich und Südostmitteleuropa, 1997; Padberg, L. v., Die
Christianisierung Europas, 1998; Lang, B., Heiliges Spiel, 1998; Gnilka, J.,
Die frühen Orden, 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Bauer, J. u.
a., 1999; Metzler Lexikon christlicher Denker, hg. v. Vinzent, M., 2000; Die
Geschichte des Christentums, hg. v. Pietri, L., Bd. 3 2000; Lee, A., Pagans and
Christians in Late Antiquity, 2000; Mission und Christianisierung am Hoch- und
Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a. 2000; Lüdemann, G., Das Urchristentum,
2002; Jensen, A., Frauen im frühen Christentum, 2002; Die Alemannen und das
Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Koch, S., Rechtliche Regelung von
Konflikten im frühen Christentum, 2003; Tamcke, M., Das orthodoxe Christentum,
2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004; Moeller, B.,
Geschichte des Christentums in Grundzügen, 8. A. 2004; Zschoch, H., Die
Christenheit im Hoch- und Spätmittelalter, 2004; Drobner, H., Lehrbuch der
Patrologie, 2. A. 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum,
2004; Bonifatius, hg. v. Felten, F., 2004; The Spread of Christianity in the
first four Centuries, hg. v. Harris, W., 2005; Angenendt, A., Toleranz und
Gewalt, 2006; Markschies, C., Das antike Christentum, 2006; Seebaß, G.,
Geschichte des Christentums, Bd. 3 2006; Engberg, J., Impulsore Chresto, 2007;
Judge, E., The First Christians in the Roman World, 2008 (Aufsätze); Habermas,
R., Mission im 19. Jahrhundert, HZ 287 (2008), 629
Chronik (F.) zeitlich geordnete
Aufzeichnung (Eusebius [um 325], Hieronymus [um 378], Paulus Orosius [417],
Isidor von Sevilla [um 627], Regino von Prüm, Frutolf von Michelsberg,
Kaiserchronik [1140/1150], Otto von Freising, sächsische Weltchronik [um
1230?], Magdeburger Weichbildchronik [1235-1250], Martin von Troppau)
Lit.: Schmidt, H., Die
deutschen Städtechroniken, 1958; Krüger, K., Die Universalchronik, 1976ff.;
Schwäbische Chroniken der Stauferzeit, 1978; Schmale, F., Funktion und Formen
mittelalterlicher Geschichtsschreibung, 1985; Sprandel, R., Chronisten als
Zeitzeugen, 1994; Van Houts, E., Local and Regional Chronicles, 1995; Naß, K.,
Die Reichschronik des Annalista Saxo, 1996; Hauptwerke der
Geschichtsschreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Goetz, H.,
Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, 1999;
Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit,
2000; Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz
1054-1100, hg. v. Robinson, I., 2003; Hessische Chroniken zur Landes- und
Stadtgeschichte, hg. v. Menk, G., 2003; Ebendorfer, Thomas, Chronica regum
Romanorum, hg. v. Zimmermann, H., 2003; Von Fakten und Fiktionen, hg. v.
Laudage, J., 2003; Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. v. Naß, K., 2006
Chronologie (F.) ist das geordnete Wissen
um die Zeit (Zeitkunde).
In der C. wird die Zeit der Jahre vielfach von einem mythischen Beginn an
gezählt (z. B. von der Schöpfung an oder vom angeblichen Gründungsdatum Roms
[753 v. Chr.]). Julius Caesar geht dabei (46 v. Chr.) von drei Jahren zu 365
Tagen und einem Jahr von 366 Tagen, einem Jahresbeginn am 1. Januar und 12
Monaten aus. Die Rechnung der Jahre nach Christi Geburt leitet sich von den
Ostertafeln des Dionysius Exiguus (525) her, die sich zu Beginn des 8. Jh.s in
England durchsetzt und von dort auf das Reich der Franken übergreift. Regino
von Prüm datiert ab Christi Geburt und wendet damit als erster in der
Weltgeschichtsschreibung die durchgehende Zählung nach Inkarnationsjahren an.
Wegen der 11 Minuten und 14 Sekunden das Sonnenjahr überschreitenden tropischen
Jahres des julianischen Kalenders (ein Tag in 128 Jahren), folgt in der Reform
des Jahres 1582 (gregorianische Kalenderreform mit einer fehlerhaften
Abweichung von einem Tag in 3323 Jahren) auf den 4. Oktober der 15. Oktober.
Seit dem Ende des 18. Jh.s werden auch die vorchristlichen Jahre nach Christi
Geburt gezählt. Eine internationale Standaridiserung geht in der Gegenwart von
der Schreibweise Jahr, Monat, Tag (z. B. 2008-02-21) aus.
Lit.:
Grotefend, H., Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit,
1891ff., Neudruck 1970; Grotefend, H., Taschenbuch der Zeitrechnung, 1898, 14.
A. 2007; Rühl, F., Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit, 1897; Mahler,
E., Handbuch der jüdischen Chronologie, 1919, Neudruck 1967; Sonntag, R.,
Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen
Mittelalters, 1987; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Brincken, A.
v. d., Historische Chronologie des Abendlandes, 2000
Chur
Lit.: Casparis, H., Der
Bischof von Chur als Grundherr, 1910; Jecklin, F., Die Churer Waisenpflege,
1920; Deplazes, L., Reichsdienste und Kaiserprivilegien, 1973
Cicero, Marcus Tullius (106-43 v. Chr.), Schüler des Mucius augur und des Mucius Scaevola, ist der bedeutendste Gerichtsredner und politische Schriftsteller der römischen Antike, der vor allem das griechische Rechtsdenken aufgreift und weitergibt. Insbesondere der Schrift De officiis (Von Pflichten) gelingt die Vermittlung der Naturrechtsidee an die spätere Zeit.
Lit.: Söllner §§ 7, 9, 11, 12; Köbler, DRG 17; Wieacker,
F., Cicero als Advokat, 1965; Mitchell, T., Cicero, 1991; Fuhrmann, M., Cicero
und die römische Republik, 4. A. 1997; Marcus Tullius Cicero, Die Prozessreden,
hg. v. Fuhrmann, M., 1997; Kurczyk, S., Cicero und die Inszenierung der eigenen
Vergangenheit, 2006; Res publica und Demokratie, hg. v. Richter, E. u. a.,
2007; Fox, M., Cicero’s Philosophy of History, 2007
Cinus (de
Sighibuldis) da Pistoia (Pistoia 1270-1336/1337), Sohn eines Notars, wird nach
dem Studium des weltlichen Rechts in Bologna Anhänger Heinrichs VII. Nach der
Promotion (1314) schließt er sich der päpstlichen Partei an und wird Professor
in Siena (1321-1323, 1324-1326), Perugia (1326-1330, 1332-1333), Neapel
(1330-1331) und Bologna (1333-1334). Sein Hauptwerk ist der um 1312 bis 1314
verfasste Kommentar zum Codex, neben dem Glossen, quaestiones, consilia und ein
Traktat De successione ab intestato stehen.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, 2. A. 1834ff., 6, 7; Chiapelli, L., Vita
e opere, 1881; Libertini, V., Cino da Pistoia, 1974; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 633
Cisleithanien ist
die nichtamtliche Bezeichnung der Länder Österreichs diesseits des Flusses
Leitha (Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain,
Küstenland, Dalmatien, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Böhmen, Mähren, Schlesien,
Galizien und Bukowina [im Gegensatz zu Transleithanien]), die bis 1915 als die
im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder umschrieben und dann als
Kaisertum Österreich benannt werden.
Lit.: Zöllner, E., Der Österreichbegriff, 1988
Civilian ist im englischen Recht die Bezeichnung für den im römischen Recht (civil law) ausgebildeten Juristen.
Lit.: The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997
civis (lat. [M.])
Bürger
Lit.: Kaser; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen
Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964
civis (M.) Romanus (lat.)
römischer → Bürger
civitas (lat. [F.])
Völkerschaft, Bürgerschaft
Lit.: Rietschel, S., Die civitas auf deutschem Boden, 1894,
Neudruck 1978; Brühl, C., Palatium und civitas, 1975
civitas [F.] imperii (mlat.)
Reichsstadt
clam (lat.) heimlich
clausula (lat. [F.]) Klausel
clausula (lat.
[F.]) arbitraria Ermessenklausel des römischen Rechts (z. B. auf Herausgabe
einer Sache) in der Klageformel
Clausula (F.) rebus sic stantibus (lat.) ist die Vorbehaltsklausel der unveränderten Sachlage (Augustin von Leyser [1683-1752] omne pactum rebus sic stantibus intelligendum est, jeder Vertrag muss unter gleichbleibenden Voraussetzungen betrachtet werden). Sie geht im 20. Jh. in der Lehre vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dießelhorst, M., Die
Geschäftsgrundlage, (in) Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, 1980, 153;
Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985;
Köbler, R., Die clausula rebus sic stantibus, 1991
Clementinen (Clementinae) sind die
von Papst Clemens V. (1305-1314) unter Verzicht auf Ausschließlichkeit
gesammelten, meist auch von ihm erlassenen, von Papst Johannes XXII.
(1316-1334) am 23. 10. 1317 (Bulle Quoniam nulla) in 106 Kapiteln
herausgegebenen → Dekretalen, die den letzten Teil des (lat.) →
corpus (N.) iuris canonici bilden (Zitierweise Clem. 2. 11. 2). Die 1326
abgeschlossene Bearbeitung durch Johannes Andreae wird zur (lat.) glossa (F.)
ordinaria (ordentlichen Glosse).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 102; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Tarrant, J., Constitutiones Clementinae, ZRG KA 70 (1984), 67ff., 71 (1985),
76ff.
clientes (lat. [M.Pl.]) Klientel,
geschützte Abhängige, Anhänger, Dienstleute
Lit.: Patronage in
Ancient Society, hg. v. Wallace-Hadrill, A., 1990
Cluny (nordwestlich Mâcons) in Burgund ist die vom Herzog von Aquitanien am 11. 9. 910 gegründete Benediktinerabtei, die im 10. Jh. zum Mittelpunkt einer kirchlichen Reformbewegung (kluniazensische Kirchenreform) mit rund 300 angeschlossenen Männerklöstern und Frauenklöstern wird. Das Kloster wird 1790 aufgehoben. Die Kirche wird anschließend bis auf einen Querhausarm abgerissen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hallinger, K., Gorze-Kluny, Bd.
1f. 1950, Neudruck 1971; Cluny im 10. und 11. Jahrhundert, hg. v. Wollasch, J.,
1970; Kohnle, A., Abt Hugo von Cluny (1049-1100), 1993; Wollasch, J., Cluny,
1996; Les plus anciens documents originaux, hg. v. Atsma, H. u. a., 1997ff.;
Racinet, P., Crises et renouveau, 1997; Poeck, D., Cluniacensis ecclesia, 1998;
Die Cluniazenser in ihrem politisch-sozialen Umfeld, hg. v. Constable, G. u.
a., 1998; Prat, D., Études clunisiennes, 2002; Baud, A., Cluny, 2003; Barret,
S., La mémoire et l’écrit, 2004
Coburg
Lit.: Das älteste Coburger
Stadtbuch 1388-1453, bearb. v. Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977
Cocceji, Samuel von (Heidelberg 20. 10. 1679-Berlin 4. 10. 1755), Sohn des Völkerrechtsprofessors Heinrich von Cocceji (Bremen 25. 3. 1644-Frankfurt an der Oder 18. 8. 1719), wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder dort (1702) Professor, tritt aber wenig später in den Justiz- und Verwaltungsdienst Preußens (1711-1713 Delegierter Preußens am Reichskammergericht in Wetzlar, 1713 Präsident des Kammergerichts in Brandenburg, 1727 Etatminister, 1731 Präsident des Oberappellationsgerichts, 1. Juni 1738 chef de justice, Justizminister), wo er 1747 Großkanzler wird. Auf ihn gehen die 1747/1748 erschienenen Gerichtsordnungen (Projekt des Codicis Fridericiani Pomeranici, Projekt des Codicis Fridericiani Marchici) zurück (1746 Abschaffung der Aktenversendung), während der Versuch einer Neuordnung des materiellen Rechts auf der Grundlage der dem römischen Recht entnommenen naturrechtlichen Grundsätze (Projekt des Corpus juris Fridericiani, Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, Obligationenrecht 1753 bei Versendung verloren) im Ergebnis scheitert. Von beachtlichem Erfolg gekrönt ist die praktische Vereinheitlichung der bestehenden Gerichtsverfassung (u. a. feste Richterbesoldung, 1755 Justizprüfungskommission, Verbot der Aktenversendung, geordneter dreistufiger Instanzenzug).
Lit.: Köbler, DRG 140; Codex Fridericianus Marchicus, 2000
(Einführung durch Mohnhaupt, H.); Trendelenburg, F., Friedrich der Große und
sein Großkanzler Samuel von Cocceju, 1964; Neufeld, H., Die fridericianische
Justizreform, Diss. jur. Göttingen 1910; Springer, M., Die Coccejische
Justizreform, 1914; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953;
Weill, H., Frederick the Great and Samuel von Cocceji, 1961
Code civil ist das (am 24.
3.) 1804 geschaffene Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs. Nach ersten
vergeblichen Versuchen unter König Heinrich III. (1574-1589), das hinsichtlich
einer Linie Bordeaux-Lyon-Genf südliche droit écrit (Schriftrecht römischer
bzw. westgotischer bzw. burgundischer Herkunft) mit dem nördlichen droit
coutumier (Gewohnheitsrecht überwiegend fränkischer Herkunft) zu
verbinden, greift die französische
Revolutionsbewegung trotz Fehlens von Vorarbeiten auch die Forderung nach bürgerlicher
Neuordnung des Rechts auf und bestimmt in der Verfassung des Jahres 1791, dass
ein Code des lois civiles communes à tout le royaume (Buch der dem gesamten
Königreich gemeinsamen bürgerlichen Gesetze) geschaffen werden soll (il sera
fait). Nach vier erfolglosen Entwürfen (1793 [Gleichberechtigung der Ehegatten,
einfache Scheidung, Zersplitterung der Erbschaft durch gesetzliche
Erbfolgeteilung, Adoption], 1794 und 1796 durch Cambacérès, 1798-1799 durch
Target) wird hierfür am 12. 8. 1800 eine von der Regierung abhängige Kommission
(vier ehemalige Rechtsanwälte Tronchet, Portalis, Bigot de Préameneu,
Maleville) eingesetzt, die in vier Monaten einen Entwurf anfertigt. Napoleon
selbst nimmt an 59 bzw. 55 von 102 bzw. 107 Sitzungen des Staatsrats teil, bezieht
zu 89 Themenbereichen Stellung und setzt sich in 59 Fragen durch. Die nach
Beratung seit 1803 erscheinenden 36 Einzelgesetze (Verordnungen) fasst ein
Gesetz vom 21. 3.
1804 (unter Abschaffung des alten Rechts) als Code civil des Français zusammen
(1807 Code Napoléon, 1816 Code civil, 1852 Code Napoléon, 1870 Code civil). Der
C. c. umfasst 2281 Artikel, die in (einen
Titre préliminaire und) drei Bücher (Personen, Güter und Eigentumsabwandlungen,
Eigentumserwerbsgründe) geteilt sind. Die Bestimmungen verwirklichen
antifeudalistische, egalitäre und zentralistische Grundsätze der Revolution,
bewahren aber auch in gewissem Umfang fränkisches bzw. germanisches Gedankengut
(Grundwerte Rechtseinheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Laizität, kennzeichnend
sind Säkularisierung des Zivilstands und der Ehe, beschränkte
Scheidungsfreiheit, starke väterliche Gewalt, ungleiche Stellung unehelicher
Kinder, Verbot der Vaterschaftsuntersuchung, Eigentum, Vertragsfreiheit,
Deliktshaftungsgeneralklausel, Gleichheit der Erbschaft, großer Pflichtteil).
Sie treten außer in Belgien, Genf, Piemont, Italien (bis 1813) und Holland
sowie im Großherzogtum Warschau (später Königreich Polen) und kurzfristig im
Villacher Kreis und in Osttirol auch in den linksrheinischen Annexionsgebieten
in Kraft, sowie überwiegend nur kurzzeitig 1810 (13. 12. 1810/29. 5. 1811-1.
10. 1814 [Oldenburg], 27. 5. 1814 [Hamburg], 4. 5. 1814 [Lübeck], 13. 8. 1814
[Bremen]) im Lippe-Departement und im Hansischen Departement, 1808 im
Königreich Westphalen (1. 1. 1808-9. 9. 1814), 1810 im Großherzogtum Berg (1.
1. 1810), 1808 in Aremberg (1. 7. 1808-11. 9. 1814), 1810 in Baden (1. 1.
1810), 1811 in Frankfurt am Main (1. 10. 1811-1. 2. 1814) und Anhalt-Köthen (1.
3. 1811-1. 1. 1812), 1812 in Nassau (1. 1. 1812-1. 1. 1814) und 1808 in Danzig
(21. 7. 1808-1815). Bis zum 31. 12. 1899 bleibt der C. c. in Geltung
(linksrheinisch) in der preußischen Rheinprovinz, in Rheinhessen, Birkenfeld,
Rheinbayern, (rechtsrheinisch) in Berg und in Baden (1/6 des Reichsgebietes mit
ca. 8 Millionen Einwohnern). Darüber hinaus beeinflusst der C. c. mehr oder
weniger stark die gesamte spätere privatrechtliche Gesetzgebung vieler Länder
(Luxemburg, Belgien 1830, Niederlande bis 1838, Italien 1865-1940, Schweiz,
Spanien 1889, Portugal 1867, Südamerika und Mittelamerika (Haiti 1825,
Mexiko-Oaxaca 1828, Bolivien 1830, Costa Rica 1841, Peru 1852, Chile 1855,
Mexiko 1870, Argentinien 1871, Brasilien 1916, Peru 1936), Louisiana 1808,
1825, Rumänien 1863/1865, Ägypten 1865, Quebec 1866, französische Kolonien in
Afrika). Durch Novellen ist der C. c. an geänderte Vorstellungen angepasst (z.
B. 1807 Majorat, 1816 Verzicht auf die Scheidung, 1819 Streichung des
Erbverbots für Ausländer, dann Aufhebung des bürgerlichen Todes und des
körperlichen Zwanges, 1884 Ehescheidung, 1896 und 1912 Verbesserung der
Rechtsstellung unehelicher Kinder, 1907 Recht der Ehefrau auf Arbeitslohn, 1938
Geschäftsfähigkeit und Prozessfähigkeit der Ehefrau, Familienrecht,
Gleichheitsgrundsatz, 1999 pacte civil de solidarité, 200 Jahre nach
Inkrafttreten noch etwa die Hälfte des ursprünglichen Textes in manchmal
destrukturierter Fassung in Kraft), durch neue Codes (z. B. Code de la
propriété intellectuelle, Code de consommation, Code de assurances) in seiner
Bedeutng geschwächt.
Lit.: Söllner §§ 1, 16; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141,
180, 184, 205; Zachariae von Lingenthal, K., Handbuch des französischen
Civilrechts, 1808, 8. A. 1894; Fenet, P., Recueil complet des travaux
préparatoires du Code civil, 1827; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des
französischen Rechts, ZRG GA 69 (1943), 137; Böhmer, G., Der Einfluss des Code
civil auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, AcP 151 (1950/1), 289;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm,
W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967), 241;
Arnaud, A., Les origines doctrinales du Code civil français, 1969; Arnaud, A.,
Essai d’analyse structurale du Code civil français, 1973; Fehrenbach, E.,
Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W.,
Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977;
Theewen, E., Napoleons Anteil am Code civil, 1991; Gross, N., Der Code Civil in
Baden, 1993; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A.
1995; Code Napoléon. Badisches Landrecht, bearb. v. Müller-Wirth, C. u. a.,
1997; Caroni, P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998; Halpérin, J.,
Le Code civil, 2. A. 2003; Bürge, A., Zweihundert Jahre Code civil des Français,
ZeuP 2004, 5; Le Code civil 1804-2004. Livre du
bicentenaire, 2004; Le code civil 1804-2004. Un passé, un présent, un avenir,
hg. v. Lequette, Y., 2004; Les Français et leur Code civil. Bicentenaire du
Code civil 1804-2004, 2004 ; Code civil (Text
imprimé). Les défis d’un nouveau siècle, 2004; Witz, C. u. a., Der französische
Code civil, NJW 2004, 3757; Le Code Napoléon, hg. v. Beauthier, R., 2004;
Richterliche Anwendung des Code civil in seinen europäischen Geltungsbereichen
außerhalb Frankreichs, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 2006 (S. 21 Angabe der
Übersetzungen ins Deutsche); Zweihundert (200) Jahre Code civil, hg. v.
Schubert, W. u. a., 2006; Le Bicentenaire du Code civil, hg. v. Witz, C.,
2006 ; Geyer, S., Den Code civil richtiger auslegen, 2008
Code de commerce ist das 1807 geschaffene
Handelsgesetzbuch Frankreichs.
Code de procédure civile
ist das die ersten den gemeinsamen römisch-kanonischen Prozess seit 1667 durch
mündliche Verfahren und integriertes Beweisverfahren reformierenden königlichen
Gesetze (ordonnances) verstärkende Zivilprozessgesetzbuch Frankreichs von
1806 (öffentliches, mündliches Verfahren, Verhandlungsmaxime, passive Rolle des
Richters, unmittelbare Beweisaufnahme, Anwaltszwang, Prinzip zweier Instanzen,
obligatorischer Vergleichsversuch, Notwendigkeit der Urteilsbegründung), das
1958 tiefgreifend verändert und 1976/1981 durch einen Nouveau Code de procédure
civile mit erheblichen Erweiterungen der richterlichen Befugnisse ersetzt
wird.
Lit.: Köbler, DRG 141; Boncenne, P.,
Théorie de la procédure civile 1828; Endres, P., Die französische
Prozessrechtslehre, 1985; Conod, P., Le Code de procedure civile vaudois, Diss.
jur.
Code Napoléon ist der zu
Ehren Napoleons vergebene, kurzzeitig (1807-1811, 1852-1870) gültige Name des →
Code civil.
Lit.: Köbler, DRG 141; Andreas, W., Die Einführung des Code
Napoléon in Baden, ZRG 31 (1910), 182; Astuti, G., Il „Code Napoléon“ in
Italia, ASD 14-17 (1970-3), 1; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des
Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 1973; Cabanis, A./Cabanis, D., Code
Napoléon et Code Civil vaudois, (in) Mélanges dédiés à Marty, G., 1978; Gross,
N., Der Code Napoléon in Baden, 1997
Code pénal ist das
Strafgesetzbuch Frankreichs von 1810, das seit 1989 erneuert wird.
Lit.: Köbler, DRG 141; Brandt, C., Die Entstehung des Code
pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002
codex (lat.
[M.] Klotz, Scheit Holz, von Holzbrettchen umschlossener Beschreibstoff,
Beschriftungstafel für Schriftrollen, Tafel, verbundene Mehrheit von Tafeln
oder Pergamentstücken, Buch (als günstiger Alternative zur Schriftrolle,
bereits im 2. Jh. n. Chr. in der christlichen Literatur ziemlich verbreitet,
für Texte von Rechtskundigen vielleicht seit Anfang des 4. Jh.s)
Codex (lat. [M.]) ist allgemein das umfassende Buch von Gesestezn bzw. Konstitutionen (Gesetzbuch) im Gegensatz zum Einzelgesetz (lat. [F.] constitutio). Im Besonderen ist C. das kompilatorische, (römischrechtliche) Buch der Gesetze (Konstitutionen) (Gesetzbuch) des oströmischen Kaisers → Justinian (527-565). Dieser lässt ab 13. 2. 538 (Konstitution [lat.] De novo codice componendo, Über den neu zusammenzustellenden C.) von einer zehnköpfigen Kommission unter der Leitung Tribonians aus dem Codex Gregorianus, dem Codex Hermogenianus und dem Codex Theodosianus die als noch brauchbar angesehenen Konstitutionen (Gesetze) der römischen Kaiser (ab Hadrian) unter Tilgung von Widersprüchen in einem nur im Index der Titelrubriken und Inskriptionen von Buch 1, 11-16 (im Papyrus Oxy 15, 1814) und im Übrigen nicht erhaltenen Codex (Iustinianus) (vetus) (veröffentlicht unter dem 7. 4. 529) zusammenstellen und 534 durch Tribonian, Dorotheus und drei Anwälte überarbeiten (Codex repetitae praelectionis, Gesetzbuch der wiederholten Vorlesung, 16. 11. 534). Dieser durch Bruchstücke eines Palimpsestes des 6. oder 7. Jh.s und jüngere, ebenfalls jeweils unvollständige Handschriften (Ende 11. Jh.) fast vollständig handschriftlich überlieferte C. enthält, eingeteilt in 12 Bücher (Buch 1 Kirche, Staat, Verfahren, Bücher 2-8 Privatrecht, Buch 9 Strafe, Bücher 10-12 Verwaltung) und (insgesamt 763 bzw. 765) Titel (zitiert als C. nach Buch, Titel [in Ediktsordnung] und Konstitution sowie gegebenenfalls Paragraph, z. B. C. 6, 30, 1) in chronologischer Reihenfolge ungefähr 4600 Konstitutionen hauptsächlich Diokletians (284-305, 1200, Severerkaiser 880, Konstantin 200, Theodosius I. und Theodosius II. 550, Justinian 400) mit insgesamt etwa 400000 (407860?) Wörtern. Im Mittelalter werden als C. nur die ersten neun Bücher gezählt, während das übrige zum → Volumen (parvum) gerechnet wird.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner § 15;
Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Codex (M.) Austriacus (lat.)
(1704, 1748, 1752, 1777) ist die erste noch private und unvollständige
Gesetzessammlung für → Österreich (unter und ob der Enns).
Lit.: Köbler, DRG 145; Baltl/Kocher; Guarient, F. v., Codex
Austriacus, Bd. 1f. 1704
Codex (M.) Euricianus (lat.)
ist das möglicherweise nach älteren Einzelgesetzen um 475/476 unter dem
westgotischen König Eurich entstandene, in einer Palimpsesthandschrift
erhaltene Gesetzbuch der Westgoten, das formal wie inhaltlich vom römischen
Recht beeinflusst ist. → Lex Visigothorum
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Gaudenzi, A.,
Nuovi frammenti, Rivista italiana per le scienze giuridiche 6 (1888); Schiller,
F., Das erste Fragment des Codex Euricianus, ZRG GA 30 (1909), 18; Buchner, R.,
Die Rechtsquellen, 1953; El codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960
Codex (M.) Fridericianus Marchicus
s. Project des Codicis Fridericiani Marchici
Codex (M.) Gregorianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger Gregorius (Leiter der Kanzlei a libellis von 284 bis 287 und von 289 bis 290?) privat erstellte, in Bücher und Titel gegliederte, dort chronologisch gereihte, nur bruchstückweise (in den fragmenta Vaticana und in Auszügen in der Lex Romana Visigothorum) erhaltene, bis Mai 291 reichende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) der römischen Kaiser von Hadrian (117-138) bis Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. → Codex [Justinians]) verwertet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80
Codex (M.) Hammurapi → Hammurapi
Codex (M.) Hermogenianus (lat.)
ist die vermutlich von einem Amtsträger (Leiter der Kanzlei a libellis im Osten
von 293 bis 295 und vielleicht auch im Westen 291 und von 295 bis 298) und
bekannten Rechtskundigen namens → Hermogenian privat erstellte, in Titel
gegliederte, später ergänzte, nur bruchstückweise erhaltene, die Jahre 293 und
294 erfassende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) des römischen Kaisers
Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. → Codex)
verwertet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22;
Köbler, DRG 52, 80
Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (lat.) ist das von → Kreittmayr geschaffene, am 7. 10.
1751 für → Bayern veröffentlichte Gesetzbuch des Strafrechts (Teil 1) und
Strafprozessrechts (Teil 2). Der C. beseitigt zwar die Rechtszersplitterung,
hält aber an Ketzerei, Zauberei, Hexerei und Aberglauben als Straftaten, an
grausamen Strafen und an der Folter fest. Er gilt bis 1813.
Lit.: Pfeitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968;
Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007;
Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988
Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (lat.) ist das von → Kreittmayr aus bayerischem
Recht (meist von 1616) und gemeinem Recht (z. B. über Klage,
Provokationsprozess, Wirkungen der Ladung, Urheberbenennung, Rechtskraft,
Restitution, Syndikatsklage, Immission) geschaffene, gegenüber einem Entwurf
deutlich veränderte, 1753 in Kraft gesetzte, klare und fast lückenlose,
Prozesse erfolgreich abkürzende Zivilprozessgesetzbuch → Bayerns, das
sich um eine Abkürzung des gemeinen Zivilprozesses bemüht und bis 1. 7. 1870
gilt.
Lit.: Schwartz, J., 400 Jahre deutsche
Civilprozessgesetzgebung, 1898, 254; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Schöll, W., Der Codex iuris bavarici iudiciarii, Diss. jur. München 1965; Codex
iuris Bavarici judiciarii, hg. v. Schubert, W., 1993; Seuffert, J. u. a.,
Kommentar über die bayerische Gerichtsordnung, Bd. 1ff. 2. A. 1853ff., Neudruck
1993
Codex (M.) iuris canonici
(lat.) ist das im 20. Jh. geschaffene Gesetzbuch der katholischen Kirche. Von
Papst Pius X. 1904 durch → Gasparri in die Wege geleitet und von einer
Kommission ausgearbeitet, wird es am 27. 5. 1917 zum 18./19. 5. 1918 in fünf
Büchern (allgemeiner Teil, Personenrecht, Sachenrecht, Prozessrecht,
Strafrecht) in Kraft gesetzt. Hieran schließt sich (25. 1. 1983 promulgiert,
27. 11. 1983 in Kraft) 1983 eine seit 1959 vorbereitete Neufassung an
(allgemeine Normen, Kirchenverfassung, Verkündigungsdienst der Kirche,
Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen, Prozess). Daneben steht für 29
katholische Ostkirchen der am 18. 10. 1990 promulgierte und am 1. 10. 1991 in
Kraft getretene (lat.) Codex (M.) canonum ecclesiarum orientalium (Gesetzbuch
der Bestimmungen der östlichen Kirchen).
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 205, 266; Codex iuris
canonici, hg. v. Gasparri, P., 1917; Stutz, U., Der Geist des Codex iuris
canonici, 1918; Codicis iuris canonici fontes, cura Gasparri, P., Bd. 1ff.
1923ff.; Le droit et les institutions de l’église catholique latine de la fin
du XVIIIe siècle a 1878, 1981; Codex des kanonischen Rechtes, hg. im Auftrag
der deutschen und Berliner Bischofskonferenz, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex
iuris canonici, Stichwortverzeichnis, 1986
Codex (M.) Iustinianus → Codex
Codex (M.) Maximilianeus Bavaricus civilis (lat.) ist das von → Kreittmayr auf der Grundlage
des vorangehenden Landrechts Bayerns und des gemeinen Rechts in Zusammenwirken
mit der Ständevertretung und den Justizbehörden in München, Landshut,
Burghausen, Straubing und Amberg in deutscher Sprache geschaffene, am 2. 1.
1756 veröffentlichte, alle zur bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit gehörigen Materien
samt Jagdrecht, Fischereirecht, Forstrecht und Gewerberecht nach
gemeinrechtlichen und statutarischen Rechtsgrundsätzen zusammenfassende
Gesetzbuch („neu verbessertes und ergänztes kurbayerisches Landrecht“,
Kompilation). Der C. gliedert sich nach Personen, Sachen und Ansprüchen in vier
Teile (Personenrecht, Sachenrecht, Erbrecht, Vertragsrecht). Er löst das
bayerische Landrecht von 1616 ab, lässt das gemeine Recht subsidiär fortgelten,
wird auf die 1815 erworbenen Gebiete (außer Rheinpfalz) erstreckt und wird zum
31. 12. 1899 durch das → Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches
abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; (Kreittmayr, W. Frhr. v.,) Anmerkungen
zum Codex civilis Maximilianeus Bavaricus, Bd. 1ff. 1758ff., Neudruck; Friedl, H., Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, Diss.
jur. Erlangen
1934; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Pöppel, P., Quellen und System des Codex Maximilianeus
Bavaricus civilis, 1967 ; Zimmermann, K., Die Monita zum Entwurf des Codex
Maximilianeus Bavaricus civilis, 2008
Codex (M.) Theodosianus (lat.)
ist das 429 in einem umfassenden, nur teilweise verwirklichten Plan (eines C.
T. aus Konstitutionen und Schriften von Rechtskundigen) in Angriff
genommene, 435 begonnene, am 15. 2. 438 veröffentlichte und am 1. 1. 439 in der
östlichen Hälfte des römischen Reiches in Kraft gesetzte sowie von Kaiser
Valentinian am 25. 12. 439 auch für die westliche Hälfte verkündete (amtliche)
Buch der Gesetze (Gesetzbuch) Kaiser Theodosius’ II. (408-450) mit vielleicht
294054 Wörtern. Der dem Vorbild des (lat.) Codex (M.) Gregorianus und Codex
Hermogenianuns folgende C. enthält ungefähr 2500 kaiserliche Konstitutionen
(Gesetze) von 313 (Konstantin) bis 437 (Theodosius II.) aufgeteilt in etwa 3250
Stücke. Er gliedert sich in der Ordnung des Edikts in 16 Bücher (1,1-4 Rechtsquellen,
1,5-35 Staatsverfassung Gerichtsverfassung, 1,1-18a Verfahren, 1, 19-5 Privatrecht,
6 Standesrecht, 7 Militärrecht, 8,1-11 Subalternbeamte, 8,12-19 unentgeltlicher
Erwerb, 9 Strafrecht mit Strafverfahren und Strafvollstreckung, 10 Fiskalrecht,
11,1-28 Steuerrecht, 11,29-39 Verfahren, 12 Gemeinderecht, 13
Berufskörperschaften, 14 Sozialleistungen in Großstädten, 15 Lustbarkeiten, 16
Kirchenrecht bzw. 1, 6-8,11, 10-15 Verwaltung, 2-5 und 8,12-19 Privatrecht, 9
Strafe, 16 Kirche) sowie insgesamt rund 450 (systematisch angeordnete?) Titel
und ist innerhalb dieser Titeleinteilung zeitlich geordnet. Die Bücher 1 bis 5
sind mit etwa 400 Konstitutionen hauptsächlich durch das (lat.)→
Breviarium (M.) Alaricianum (506, Kurzbuch des Alarich) auszugsweise überliefert
(ein Drittel?), die Bücher 6-16 durch zwei frühe Handschriften (Rom, Biblioteca
Vaticana, Vat. reg. 886, Paris, Bibliothèque Nationale Cod. 9643) und Papyri
(P. Oxy 15, 1913 u. a.). Der C. T. wird in Ostrom ab 527-534 von den
Kompilationen Kaiser Justinians (Codex) verdrängt, in den westgotischen
Gebieten durch das Breviar Alarichs II.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 21,
22; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 80; Theodosiani libri XVI, ed. Mommsen, T., 1905; Krüger, P., Geschichte der Quellen und
Literatur des römischen Rechts, 2. A. 1912; Seeck, O., Regesten der Kaiser und
Päpste für die Jahre 311 bis 476 n. Chr., 1919; Codex Theodosianus, hg. v.
Krüger, P., 1923 (etwas vollständiger durch im Codex Justinians übernommene,
veränderte Stellen); Gradenwitz, O., Heidelberger Index zum Theodosianus, 1925,
Ergänzungsband 1929; The Theodosian Code and novels, and the Sirmondian
constitutions, übers. v. Pharr, C., 1952; Gaudemet, J., La formation du droit
séculier et du droit de l’Eglise aux IVe et Ve siècles, 2. A. 1979; Dilger, A.,
Herkunft und Rechtsnatur einer Handschrift aus dem theodosianischen Gesetzbuch,
ZRG GA 94 (1977), 184; Archi, G., Theodosio II e il suo tempo, 1978; Dilger,
A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; Voß, W.,
Recht und Rhetorik in den Kaisergesetzen der Spätantike, 1982; Moscati, L.,
Nuovi studi sul codice teodosiano, 1983; The Theodosian Code, hg. v. Harries,
J. u. a., 1993; Dovere, E., Ius principale e catholica lex, 1995; Matthews, J.,
Laying down the law, 2000; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002;
Sirks, A., The Theodosian code, 2007
Codex (M.) Theresianus
(lat.) ist der Entwurf eines einheitlichen österreichischen Gesetzbuches
(Privatrecht, Zivilprozessrecht, ohne Strafrecht) unter Maria Theresia (vom 25.
11. 1766 mit mehr als 8000 Bestimmungen). Er beruht auf der Arbeit einer zum
14. 2. 1753 eingesetzten Kompilationskommission, die ein auf natürliche
Billigkeit gegründetes volkstümliches Recht schaffen und dabei die einzelnen
Provinzialrechte, das gemeine Recht und die Gesetze anderer Staaten heranziehen
soll. Das von Josef Azzoni (1712-1760) und Johann Bernhard von Zencker
geförderte, hauptsächlich 1766 in Brünn tätige Unternehmen endet 1776 wegen
seiner Dickleibigkeit, erleichtert aber als wertvolle Vorarbeit das →
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/12.
Lit.: Codex Theresianus, hg. v. Harras von Harrasowsky, P.,
Bd. 1ff. 1883ff.; Höslinger, R., Die gemeinrechtlichen Quellen des Codex
Theresianus, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 1 (1950), 72; Wesener, G., Die
Rolle des usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex Theresianus, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexTheresianus.htm
Codex Urnammu ist der 1948
entdeckte sumerische Rechtstext des Königs Urnammu von Lagusch (Ur) (um 2100 v.
Chr.), von dem wenigstens 40 Bestimmungen (über Mord, Raub, falsche
Anschuldigung, Ehebruch, Vergewaltigung, Ehe, Scheidung, Hexerei, Körperverletzung,
Miete, Arztbehandlung, Darlehen, Erbe, Sklaven, Wasserdiebstahl und
Vernachlässigung von Land) in fünf Abschriften in Nippur, Ur und Sippar
erhalten sind..
Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Codicillus (lat.
[M.] Büchlein, grundsätzlich Plural codicilli verwendet) ist im klassischen
römischen Recht die letztwillige Verfügung, die entweder als Bestandteil eines →
Testaments zählt oder (außerhalb eines Testaments) nur Fideikommisse und fideikommissarische
Freilassungen (nicht dagegen
Erbeinsetzungen und Enterbungen) enthalten darf. Durch die so genannte Kodizillarklausel
eines Testaments kann der Erblasser
bestimmen, dass eine als Testament unwirksame Erklärung wenigstens als c.
gelten soll.
Lit.: Kaser § 68; Söllner §§ 15, 17;
Köbler, DRG 38
Código (M.) civil (span.) ist
das spanische Zivilgesetzbuch von 1888/1889, das maßgeblich von Manuel Alonso
Martínez (1827-1891) geprägt wird. Es vereinheitlicht das Privatrecht, belässt
aber mit dem Mittel seiner Subsidiarität landschaftliche, auf den Foralrechten
(fueros) beruhende Unterschiede im Verhältnis zu → Kastilien.
Código (M.) de comercio (span.) → Handelsgesetzbuch
Código (M.) do processo civil
(portug.) ist das portugiesische Zivilprozessgesetzbuch des Jahres 1939, das
maßgeblich von José Alberto dos Reis geprägt wird.
Coemptio (lat.
[F.]), Zukauf, ist im römischen Recht eine der (lat. [F.]) Manzipation
nachgeformte Handlung zur Begründung der Hausgewalt (lat. [F.] manus) des
Hausvaters über die Frau unter Zahlung eines symbolischen Kaufpreises zwecks
Eheschließung.
Coercitio (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die allgemeine, Unrechtstaten verfolgende magistratische Zuchtgewalt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 6; Köbler, DRG
18, 20
cognati (lat.
[M.Pl.]) Blutsverwandte, → Verwandte
cognitio (F.)
Erkenntnis → cognitio (F.) extra ordinem
Cognitio (F.) extra ordinem
(lat., Erkenntnis außer der Ordnung) ist im klassischen römischen Recht das
außerordentliche Verfahren, das durch allmähliche behördliche Verfestigung die
altrömische Gerichtsverfassung und das zugehörige Formularverfahren
ersetzt. → Kognitionsverfahren
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14,
15, 16; Köbler, DRG 34; Köbler, LAW
cognitor (lat.
[M.]) Prozessvertreter → Stellvertreter
Coimbra am Mondego
beruht auf römischer Grundlage (Conimbriga bzw. Aeminium). 878/1064 wird es den
Mauren entzogen (im 12./13. Jh. Hauptstadt → Portugals). Die 1290 in
Lissabon gegründete Universität wird 1308 nach C. verlegt (1338-1354, 1377-1537
nochmals Lissabon).
Lit.: Almeida, A./Brandao, M., A
Universidade de Coimbra, 1937; Merêa, P., Sôbre as origens do concelho de
Coimbra, Revista Portuguesa de história 1 (1940), 49
Coing, Helmut (Celle
28. 02. 1912-Kronberg im Taunus 15. 08. 2000) wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft in Kiel, München, Göttingen und Lille in Göttingen 1935
promoviert (Wolfgang Kinkel) und in Frankfurt am Main 1938 habilitiert (Erich
Genzmer). 1940 wird er außerordentlicher Professor in Frankfurt am Main, nach
Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft 1948 ordentlicher Professor. Von 1964 bis
1980 ist er Direktor des von Erich Genzmer (für das Mittelalter) geplanten
Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main.
Lit.: Die Frankfurter
Reformation von 1578, 1935; Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am
Main, 1939; Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Wilhelm, W.,
1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschicht,
hg. v. Coing, H., 1973ff.; Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K.,
Helmut Coing, (in) Juristen im Portrait, 1988, 215ff.; Simon, D., Zwischen
Wissenschaft und Wissenschaftspolitik, NJW 2001, 1029ff.
Coke, Sir Edward (Mileham/Norfolk 1. 2. 1552-Stoke Poges 3. 9. 1634), Norfolker Landadligensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge (Trinity College) und der praktischen Ausbildung in Clifford’s Inn und Inner Temple in London 1578 Anwalt, 1589 Parlamentsmitglied, 1592 Kronanwalt und 1594 Justizminister (Attorney General, Generalstaatsanwalt). Zunächst entschiedener Anhänger des Königs, behauptet er seit 1606 als Chief Justice of the Court of Common Pleas (1613 Privy Councillor, Vorsitzender von King’s Bench) die Unterordnung des Monarchen (bzw. dessen Chancery, Star Chamber und High Commission) unter das (von der Vernunftkonzeption geprägte) common law und wird deswegen schließlich 1616 entlassen. Seit 1620 verstärkt er aus dem Parlament heraus den Widerstand gegen den König (1622/1623 in Haft, am 7. 6. 1628 Annahme der Beschwerden des Parlaments wegen rechtswidriger Besteuerungen, Zwangsanleihen und Verhaftungen durch den König). Daneben veröffentlicht er nach einer umfassenden Sammlung von Entscheidungen (Reports, 1600-1615, Ausgangspunkt der doctrine of precedent) und einer Sammlung von Einträgen (A Book of Entries, 1614) seit 1628 seine vierbändigen Institutes, die das erste Lehrbuch des neuzeitlichen → common law bilden. Davon stellt das als Commentary upon Littleton(´s Tenures) gestaltete erste Buch (Coke upon Littleton) eine Rechtsgrundlegung (Enzyklopädie) dar. Die weiteren drei Bücher (1641) begründen verfassungsmäßig den Vorrang von Parlament und Recht im Staat (im Wege der Politiserung des Rechts und der Verrechtlichung der Politik). Im Ergebnis verdrängen Cokes Reports und Institutes in kurzer Zeit die in Law French abgefassten älteren Year Books (Jahrbücher) und Rechtsdarstellungen.
Lit.: Johnson,
C., Life of Sir E. Coke, 1837; Block, H., E. Coke, 1929, Neudruck 1992; Mosse,
G., The Struggle for Sovereignty in England, 1950; Thorne, S., Sir Edward Coke,
1957; Bowen, C., The Lion and the Throne, 1957; Beauté, J., Un grande juriste
anglais, 1975; Hostettler, J., Sir E. Coke, 1997; Boyer, A., Sir E. Coke and
the Elizabethean Age, 2003
Collatio (F.) bonorum (lat.,
Vergleich der Güter) ist im klassischen römischen Recht die Verrechnung des
Vorausempfanges (Abfindung, Mitgift) eines Hauserben mit seinem Erbteil vor
dem Prätor.
Lit.: Kaser § 65, 73; Köbler, DRG 37, 59
Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum (lat.) ist die spätantike, unter dem Titel (lat.) lex (F.)
Dei quam praecepit Dominus ad Moysen (Gesetz Gottes, das der Herr Moses gebot,)
überlieferte Schrift eines unbekannten Verfassers, die Stellen der Bibel mit
Stücken des → Gaius, der Spätklassiker, des → Codex Gregorianus und
des → Codex Hermogenianus mit dem Ziel des Nachweises der Übereinstimmung
vergleicht.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Söllner §§ 5, 16;
Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 394
Collectio (F.) Anselmo dedicata ist die vielleicht in Mailand (oder Reims) um 900
von einem unbekannten Verfasser geschaffene, fast 2000 Kapitel (vor allem aus
den pseudoisidorichen Dekretalen) enthaltende, systematische Sammlung von
Kirchenrecht.
Lit.: Zechiel-Eckes, K., Quellenkritische Anmerkungen zur Collectio Anselmo
deidicata, (in) Recht und Gericht in der Kirche und Welt, hg. v. Hartmann, W.,
2007
Collectio (F.) Danieliana
ist eine in einer Berner, früher François Daniel gehörigen Handschrift
überlieferte Kirchenrechtssammlung, die eine Frühform der Capitula Angilramni
enthält.
Lit.: Schon, K.,
Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die Collectio Danieliana,
2006
Collectio (F.) vetus Gallica
ist eine in Lyon um 600 entstandene kirchenrechtliche Sammlung, die bis in die
Zeit um 800 auf Einteilung und Themen kirchenrechtlicher Werke einwirkt.
Lit.: Mordek, H.,
Kirchenrecht und Reform im Frankenreich, 1975
Collegantia
Lit.:
Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937
colonia (lat.
[F.]) gegründete, später auch erhobene römische Stadt außerhalb Roms (z. B.
colonia Agrippinensis, Köln)
Colonus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der erblich an die Scholle gebundene Landpächter.
Lit.: Kaser § 16; Söllner § 19;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 50, 57; Köbler, LAW
Comecon (engl. Council for Mutual Economic Assistance) ist die
am 25. 1. 1949 in Moskau von der Union der
sozialistischen Sowjetrepubliken, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn,
Rumänien und Bulgarien gegründete, mehrfach erweiterte Organisation zur
wirtschaftlichen Vereinigung Osteuropas innerhalb der internationalen
sozialistischen Arbeitsteilung (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe).
Lit.: Ribi, R., Das Comecon, 1970; Uschakow, A.,
Integration im RGW, 1983
comenda (lat. [F.]) → commenda
Comes (lat. [M.]) ist in der
Spätantike der Begleiter und Amtsträger des Kaisers und im Frühmittelalter der →
Graf.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 84; Köbler, LAW;
Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41;
Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Borgolte, M., Die Grafen
Alemanniens, 1986; Scharf, R., Comites, 1994; Comitatus, hg. v. Winterling, A.,
1998
Comitia (lat.
[N.Pl.]) ist im altrömischen Recht die unterschiedlich gegliederte
Volksversammlung.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18
Comitia (N.Pl.) curiata (lat.)
ist die nach Kurien gegliederte römische Volksversammlung.
Comitatus (lat.
[M.]) Begleitung → comes, (mlat.) Grafschaft
Lit.:
Wagner, G., Comitate um den Harz, Harzzeitschrift 1 (1948), 1; Wagner, G.,
Comitate im karolingischen Reich, 1952; Wagner, G., Comitate in Franken,
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 6 (1954), 3; Wagner, G.,
Comitate im Bistum Paderborn, Westfälische Zeitschrift 103/104 (1954), 221;
Wagner, G., Comitate zwischen Rhein, Main und Neckar, ZGO 103 (1955), 1;
Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Claude, D., Untersuchungen
zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 81 (1964), 1; Sprandel, R., Bemerkungen zum
frühfränkischen Comitat, ZRG GA 82 (1965), 288; Holzfurtner, L., Die Grafschaft
der Andechser, 1994
Commenda (lat.
[F.]), comenda, ist eine mittelalterliche Vorform der Kommanditgesellschaft.
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Silberschmidt, W., Die
italienische Commendaforschung der jüngsten Zeit, Studi in memoria di Aldo
Ekbertoni 3, 1936; Pryor, J., The Origins of the commenda contract, Speculum 52
(1977), 5
Commendatio (lat.
[F.]) ist im Mittelalter die Handlung, mit der sich der Lehnsmann dem
Lehnsherrn anvertraut.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
63; Köbler, LAW
Commentaries on the Laws of England (1765ff.) ist die auch naturrechtlich beeinflusste
Zusammenfassung des → englischen Rechts durch → Blackstone
(1723-1780).
Commercium (lat. [N.])
ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende
Teilrechtsfähigkeit im Verkehrsrecht.
Lit.: Kaser § 3, 68; Söllner § 12; Köbler, DRG 21
commixtio (lat.
[F.]) Vermengung
Commodatum (lat. [N.]) ist die im jüngeren klassischen römischen Recht anerkannte → Leihe (Realkontrakt).
Lit.: Kaser § 39 II; Köbler, DRG 45, 63; Berndt, B., Das
commodatum, 2005
Common law (engl., gemeines
Recht) ist in England das für alle einheitlich geltende Recht im Gegensatz zum
örtlich oder persönlich unterschiedlichen Recht bzw. das in England seit dem
Hochmittelalter entwickelte Recht im Gegensatz zu dem aus dem römischen Recht
entwickelten Recht bzw. das von Gerichten in England geschaffene Recht im
Gegensatz zum gesetzten Recht.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Plucknett, T., Concise History of Common Law, 5. A. 1956;
Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973; Simpson, A.,
Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 4. A. 2002; The Reception of Continental Ideas in the
Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Martinez-Torron, J., Anglo-American
Law and Canon Law, 1998; Baker, J., The Common Law Tradition. Lawyers, Books
and the Law. 2000
Commonwealth (engl.) gemeinsamer Reichtum, Weltreich
Communio (lat. [F.]) ist im
klassischen römischen Recht die → Gemeinschaft (z. B. mehrerer Erben), in
der jeder Gemeinschafter einen rechnerischen Anteil hat, über den er verfügen
kann.
Lit.: Kaser § 23; Kroeschell, DRG 1
communis opinio (lat. [F.]) gemeinsame Meinung, öffentliche Meinung (z. B. c. o.
doctorum [der Rechtslehrer] vor allem vom 16.-18. Jh. als Argument für die Wahrscheinlichkeit
der Richtigkeit einer Auffassung)
Lit.:
Schröder, J., Communis opinio, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler,G., 1987, 404
Como
Lit.: Campiche, C., Die
Comunalverfassung von Como, 1929
compendium (N.) iuris (lat.) Rechtshandbuch
Lit.: Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968
Compensatio (lat. [F.])
ist die im klassischen römischen Recht grundsätzlich nur im Verfahren oder bei
Einverständnis wirksame Verrechnung mit einer Gegenforderung. →
Aufrechnung
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 62; Dernburg, H.,
Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Compilación de Leyes
(Ordenanzas reales de Castilla) ist die erste, 1480 von Alonso Díaz de Montalvo
(1405-1499) zusammengestellte Sammlung kastilischer Vorschriften in 8 Büchern
(ordenamiento von 1484). Ihr folgen Sammlungen von (1485,) 1567 und 1805. →Libro do Leyes
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
1,558,674
Compilatio (F.) maior
(lat.) ist die nach justinianischem Vorbild in neun Bücher gegliederte
Sammlung des aragonesischen Rechts durch Vidal de Canellas († 1252) in
aragonesischer Sprache.
Lit.: Pérez Martìn, A., Einleitung zu Fori Aragonum, 1979,
1
Compositio (lat.
[F.]) ist in den lateinischen Texten des Frühmittelalters die → Buße. →
Kompositionensystem
Lit.: Köbler, DRG 65, 91; Köbler, LAW; Jaekel, H.,
Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 107
Conchyleus → Coquille
concilium (lat. [N.]) Zusammenrufung?, Vereinigung, Versammlung (z. B.
der Plebejer in Rom), → Konzil
conclusio (lat. [F.]), Schluss, Folgerung
Conclusum (N.) imperii (lat., Reichsschluss) ist seit dem Spätmittelalter das vom Kaiser des Heiligen römischen Reichs angenommene Reichsgutachten der Reichsstände, das noch der Verkündung bedarf, um Gesetz zu werden.
Lit.: Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16.
Jahrhundert, 1905
Concordia (F.) discordantium canonum (lat.) ist der Titel des → Decretum Gratiani (Dekret
Gratians).
concussio (lat. [F.]) → Erpressung
condemnatio (lat.
[F.]) Verurteilung (im römischen Recht grundsätzlich auf Leistung von Geld, bei
der Noxalhaftung wahlweise auf Geld oder Preisgabe des Schädigers)
Condicio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die → Bedingung.
Lit.: Kaser §10; Willvonseder, R., Die Verwendung der
Denkfigur der condicio sine qua non, 1984; Effer-Uhe, D., Die Wirkung der
condicio im römischen Recht, 2008
Condictio (lat.
[F.]) ist im Formularverfahren des klassischen römischen Rechtes die
strengrechtliche Klagformel (lat. actio in personam) auf Übereignung einer
bestimmten Sache oder Geldsumme (z. B. aus Darlehen, Litteralkontrakt,
Diebstahl), die im spätantiken römischen Recht besonders mit dem Fall
grundloser Vorenthaltung (z. B. des auf eine Nichtschuld Geleisteten) verbunden
wird. → Kondiktion
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 38, 39, 40, 48, 83; Söllner § 9;
Köbler, DRG 33, 45, 67; Koschembahr-Lyskowsky, I. v., Die condictio als
Bereicherungsklage, Bd. 1f. 1903ff.; Schwarz,
F., Die Grundlage der condictio, 1952
condictio (F.) causa data
causa non secuta (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht
(geschuldeter, erwarteter und nicht) erbrachter Gegenleistung, →
Bereicherung
condictio (F.) ex lege (lat.) Bereicherungsanspruch aus gesetzlicher Obligation, →
Bereicherung
condictio (F.) furtiva (lat.) Bereicherungsanspruch gegen den Dieb auf einfachen
Sachwert, → Bereicherung
condictio (F.) indebiti (lat.) Bereicherungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung
einer Nichtschuld, → Bereicherung
condictio (F.) ob causam
datorum
(lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht
entstandenen Rechtsgrundes, → Bereicherung
condictio (F.) ob causam
finitam
(lat.) Bereicherungsanspruch wegen
weggefallenen Rechtsgrundes, → Bereicherung
condictio (F.) ob turpem vel iniustam causam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen eines sittenwidrigen
oder unzulässigen Rechtsgrundes, → Bereicherung
condictio (F.) sine causa (lat.) Bereicherungsanspruch wegen rechtsgrundloser Leistung, →
Bereicherung
conditio (lat. [F.]) Bedingung (z. B. c sine qua [non], Bedingung ohne
die nicht wie z. B. Schaden für Schadensersatzanspruch)
condominium (lat. [N.] Miteigentum,
Mitherrschaft (z. B. condominium plurium in solidum [17. h.] ohne ideellen Anteil am Gesamtgut,
Verfügung nur durch Gesamtheit)
conductio (lat. [F.]) Miet-, Pacht-, Dienst-
und Werkvertrag, s. locatio conductio
Lit.: Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956
Confarreatio (lat. [F.]) ist die
altrömische Eheschließung unter Speltbrotopferung (für Patrizier?).
Confessio est regina probationum (lat.). Das Geständnis ist die Königin der Beweise (als Grundsatz des Beweisrechts des Inquisitionsprozesses in den Quellen nicht wirklich belegt).
Lit.: Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in
deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses
(in Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 367ff.; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007
confin → Militärgrenze
Confoederatio (lat. [F.]) cum
principibus ecclesiasticis (Bündnis mit den geistlichen Fürsten) ist die im 19. Jh. aufgekommene lateinische Bezeichnung für das 11 Artikel
umfassende, wohl nur die bereits eingetretene Rechtswirklichkeit anerkennende
Privileg König Friedrichs II. für die geistlichen Reichsfürsten vom 26. 4. 1220
als Gegenleistung für die Wahl Heinrichs (VII.) zum König (z. B. Verzicht auf
den Nachlass, Verzicht auf neue Zollstätten, Testierfreiheit,
Verfügungsfreiheit über Kirchenlehen, Verstärkung des Kirchenbannes durch
Reichsacht).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Klingelhöfer, E., Die
Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982, 420
confusio (lat.[f.])
Zusammengießung, Vermischung z. B. zweier
gleichartiger Flüssigkeiten verschiedener Eigentümer, von Gläubigerstellung
und Schuldnerstellung in einer Person oder von Eigentum und Inhaberschaft an
einem beschränkten dinglichen Recht in einer Person.
Lit.: Kiess, P., Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995
coniuratio (lat. [F.]) gemeinschaftlicher
Schwur, Verschwörung, Schwurgemeinschaft, usurpatorische Verbrüderung (z. B.
Cambrai 1076, Köln 1114)
Lit.: Ebel, W., Der
Bürgereid, 1958; Dilcher, G., Die Entstehung der lombarischen Stadtkommune,
1967; Körner, T., Juramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Kolmer, L.,
Promissorische Eide im Mittelalter, 1989; Distler, E., Städtebünde, 2006
Connan, François (Paris 1508-Paris 1. 9. 1551), Sohn eines maître des comptes, wird nach dem Studium in Paris und dem Rechtsstudium (1529) in Orléans und Bourges (mit Bekanntschaft zu Calvin) um 1533 Parlamentsadvokat und 1539 königlicher Rat. In einer Gesamtdarstellung des geltenden Rechts in zehn Büchern ([lat.] Commentariorum iuris civilis libri [M.Pl.] X, 1553ff. Zehn Bücher Kommentare des weltlichen Rechts) versucht er die tatsächliche Ordnung der Rechtsquellen durch ein wissenschaftliches System (lat. [F.] ars) zu ersetzen. Bei diesem wenig erfolgreichen Bemühen deutet er die römischrechtliche (lat. [F.]) → actio als ein rechtserhebliches Verhalten und legt damit einen ersten Grund für den Gedanken der → Willenserklärung.
Lit.: Bergfeld, C., Franciscus Connanus, 1968
Conrad, Hermann (Köln 21. 10.
1904-Bonn 18. 3. 1972) wird nach dem Studium des Rechts in Köln promoviert (F.
Gescher, Kanonist) und habilitiert (Hans Planitz). Nach Lehraufträgen in
Rostock, Köln, Freiburg im Breisgau, Lausanne, Genf und Breslau wird er 1941
nach Marburg und 1948 nach Bonn berufen. Er versucht eine unvollendet gebliebene
Gesamtdarstellung deutscher Rechtsgeschichte.
Lit.: Kleinheyer, G.,
In memoriam, ZRG GA 90 (1973), 487ff.; Gedächtnisschrift Hermann Conrad, hg. v.
Kleinheyer, G. u. a., 1979 (Schriftenverzeichnis 621-634)
Conring, Hermann (Norden 9. 11. 1606-Helmstedt 12. 12. 1681), aus gelehrter ostfriesischer Familie, geboren und aufgewachsen in einem Pfarrhaus, wird nach dem 1620 begonnenen Studium von Medizin und Politik in Helmstedt und Leiden (seit 1625) 1632 Professor für Naturphilosophie (Physik und Rhetorik) bzw. Medizin (1637) und Politik (1650) in Helmstedt. Er hält auch juristische Vorlesungen und erstattet Rechtsgutachten. In seinem im Ergebnis bereits 1635 feststehenden Buch (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt er die Ansicht, dass das römische Recht in Deutschland 1135 durch ein Gesetz Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg in Kraft gesetzt worden sei (sog. → lotharische Legende) und erfasst im Blick auf Erkenntnis der Gegenwart damit deutsche Rechtsgeschichte.
Lit.: Köbler, DRG 139, 142, 186; Dahl, F., Zu den
Beziehungen Conrings zu Dänemark, ZRG GA 37 (1916), 507; Hermann Conring, hg.
v. Stolleis, M., 1983; Conring, H., De origine iuris germanici (deutsche
Übersetzung), hg. v. Stolleis, M., 1994; Oestmann, P., Kontinuität oder Zäsur,
(in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 191; Arnswaldt, A. v., De vicariatus
controversia, 2004; Jori, A., Hermann Conring (1606-1681), 2006
Consensus (lat.
[M.] Zustimmung, Willensübereinstimmung) ist seit dem klassischen römischen
Recht Voraussetzung des Konsensualvertrages.
Lit.: Kaser §§ 8, 38, 58; Köbler, LAW;
Hannig, J., Consensu fidelium, 1982
Consensus (M.) facit
nuptias
(lat.). Die Willensübereinstimmung bewirkt die
Eheschließung(, gilt als Grundsatz bereits in Rom, kann aber gegenüber den vom
Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam ausgehenden Vorstellungen der
Germanen und germanistischen Nachfolgevölker erst im Frühmittelalter von der
Kirche durchgesetzt werden, wobei bei Beschränkung auf die bloße
Willensübereinstimmung Beweisprobleme bestehen, denen die katholische Kirche
1563 auf dem Konzil von Trient (Decretum Tametsi) mit Formvorschriften in
Gestalt der notwendigen Mitwirkung eines Geistlichen und zweier Zeugen
begegnet).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Julian um 100-um 170 n. Chr.); Freisen, J., Geschichte
des kanonischen Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963; Schwab, D., Grundlagen und
Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Brundage, J.,
Law, Sex and Christian Society in Medieval Europe, 1987; Weigand, R., Liebe und
Ehe im Mittelalter, 1993; Weber, I., Consensus facit nuptias, ZRG KA 118
(2001), 31
consilium (lat. [N.]) Rat, Gutachten, span. consejo, it. consiglio,
als c. principis (Rat des Prinzeps) fallweise beratendes Gremium in Rom seit
Kaiser Augustus (31 v. Chr.-14 n. Chr,
Lit.: Kaser § 2; Söllner §§ 6, 9, 12, 15; Köbler, DRG 18,
106; Kisch, G., Consilium, 1970; Consilia im späten Mittelalter, hg. v.
Baumgärtner, I., 1995; Falk, U., Consilia. Studien zur Praxis der
Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 395
Consolat del Mar (Llibre del C.
d. M.) ist die nach dem Seekonsulat von Barcelona (1282 consules del mar)
benannte, mittelalterliche, in Barcelona zwischen 1266 und 1268 begonnene,
später andernorts erweiterte und 1348 vom Seekonsulat in Barcelona eingeführte
Zusammenfassung des mittelmeerischen Seegewohnheitsrechts. → Seerecht
Lit.: Wagner, R., Beiträge zur Geschichte des Seerechts,
ZHR 29 (1884), 413; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Valls i Taberner,
F., Consolat de Mar, 1930ff.; García, A., Llibre del Consolat, Bd. 1ff. 1981ff.; Hernández Izal, S., Els costums marítims de
Barcelona, Bd. 1f. 1986ff.
Consortium (lat.
[N.] Gemeinschaft) ist im altrömischen Recht der Zusammenschluss von Erben nach
der Nachlassteilung zu einer vereinbarten → Gemeinschaft.
Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 22, 47
constitutio (lat.
[F.]) Beschluss, Gesetz
Constitutio (F.) Antoniniana (lat.) ist das in einem stark zerstörten, in Gießen
aufbewahrten Papyrus überlieferte Gesetz (constitutio) Kaiser (Marcus Aurelius)
Antoninus Caracallas aus dem Jahre 212, in dem er zur Ausdehnung der
Steuerpflicht allen freien Bewohnern des römischen Reiches das römische
Bürgerrecht gibt.
Lit.: Kaser § 3; Söllner §§ 14, 18; Köbler, DRG 35; Sasse,
C., Die Constitutio Antoniniana, 1958; Wolff, H., Die Constitutio Antoniniana
und Papyrus Gissensis 40 I, Diss. jur. Köln 1976
Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (lat.) → Bamberger Halsgerichtsordnung (1507)
Constitutio (F.) Criminalis Carolina (lat., Des Kaisers Karl V. und des Heiligen Römischen
Reiches Gerichtsordnung, Strafgesetz[buch] Karls V.) ist die (deutsch
verfasste) reichseinheitliche Peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 (31.
7. 1532). Sie geht auf in einem Gutachten des 1495 errichteten
Reichskammergerichts festgehaltene Missstände und Beschwerden über die sich häufenden
ungerechten Strafverfahren, die ihrerseits die Antwort auf die im Mittelalter
vor allem infolge des Bevölkerungswachstums, der Urbanisierung und
Emanzipierung von der herkömmlichen Ordnung sowie wohl auch der Verstärkung der
Staatlichkeit anschwellende Kriminalität sind, vor dem Reichstag (von Lindau
1496/1497) zurück. Dieser setzt in Freiburg im Breisgau 1497/1498
(Reichsabschied § 34) zum Zweck der Besserung des Strafverfahrens (eine) von
1503 bis 1517 untätige, danach vier Entwürfe (Worms 1521, Nürnberg 1524, Speyer
1529, Augsburg 1530) vorlegende Kommission(en) ein (u. a. Reichsregiment). Sie
übernimmt im Wesentlichen den Inhalt der vom Vorsitzenden des Hofgerichts des
Bischofs von Bamberg, Johann Freiherr von → Schwarzenberg, auf Grund
seiner Kenntnisse der praktischen Probleme und unter Einarbeitung des aus
Oberitalien kommenden römisch-kanonischen Strafprozessrechts geschaffenen
(lat.) Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (→ Bamberger
Halsgerichtsordnung) von 1507 in ihre 219 Artikel. Sie will wegen des
Widerstands einzelner Reichsglieder (z. B. Sachsen, Brandenburg, Pfalz)
grundsätzlich nur subsidiär gegenüber den alten wohlhergebrachten, rechtmäßigen
und billigen Gebräuchen gelten (sog. salvatorische Klausel), kommt aber
tatsächlich allgemein zur Anwendung. Sie beherrscht das gesamte
Strafverfahrensrecht und Strafrecht (Art. 104-180) des Reiches bis in das von
der Aufklärung bestimmte 18. Jh., in dem noch die (lat.) Constitutio (F.)
criminalis Theresiana Maria Theresias für die deutschen (d. h.
nichtungarischen) Erbländer Österreichs einschließlich Böhmens (1768) von der
C. beeinfusst ist. Die C. geht vom Anklageprozess (Akkusationsprozess aus
(Art. 11ff.), demgegenüber der Inquisitionsprozess (Art. 6ff.) die Ausnahme
darstellt, doch setzt sich wegen der hohen Belastungen des möglichen Anklägers
praktisch der Inquisitionsprozess durch, in dem der Richter Ankläger und
Entscheider (Art. 81) zugleich ist. Der geheimen Inquisititon (Untersuchung)
folgt der endliche Rechtstag als öffentliche, aber inhaltich fast
bedeutungslose Formalhandlung. Besonders bedeutsam sind die Lehre von den für
die Anwendung der → Folter von nun an gegenüber einem Tatverdächtigen
erforderlichen → Indizien (Anzeichen, z. B. blutige Kleider, sog.
Indizienlehre) und die Ansätze zu allgemeinen Lehren (Schuld, Teilnahmeformen,
Notwehr, Versuch).
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PeinlicheGerichtsordnungKarlsV.pdf;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 136, 156; Güterbock, Die Entstehungsgeschichte
der Carolina, 1878; Dargun, L., Die Rezeption der peinlichen Halsgerichtsordnung
Kaiser Karls V. in Polen, ZRG GA 10 (1889), 168; Die Carolina und ihre
Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Schoetensack, A., Der Strafprozess
der Carolina, Diss. jur. Heidelberg, 1904; Kantorowicz, H., Goblers Karolinen-Kommentar,
1904; Saueracker, K., Wortschatz der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929;
Schmidt, E., Die Carolina, ZRG GA 53 (1933), 1; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Kusch, G., Der
Indizienbeweis des Vorsatzes im gemeinen Strafverfahrensrecht, Diss. jur.
Hamburg 1963; Schmidt, G., Sinn und Bedeutung der Constitutio Criminalis
Carolina, ZRG GA 83 (1966), 239; Dreisbach, H., Der Einfluss der Carolina auf
die Rechtsprechung norddeutscher Oberhöfe, Diss. jur. Marburg 1969; Kleinheyer,
G., Zur Rolle des Geständnises im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad,
1969, 367ff.; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a.
1984
Constitutio (F.)
Criminalis Theresiana (lat.) ist das unter Maria Theresia am 31. 12. 1768 (zum 1. 7. 1770) zwecks Vereinheitlichung für die
österreichischen Erbländer außer Ungarn) erlassene, 1082 Paragraphen umfassende
(deutsch gefasste) Strafgesetzbuch (und Strafverfahrensgesetzbuch) (Allgemeine
peinliche Gerichtsordnung) mit etwas verbesserter Stellung des Beschuldigten,
Inquisitionsverbot, freier richterlicher Beweiswürdigung, festen
Tatbestandsbeschreibungen (u. a. Zauberei, Hexerei), Möglichkeit der Analogie
von Straftatbeständen und Folter (bis 1796), das aber bereits am 13. 1. 1787
durch ein Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung
ersetzt wird (für das Militärstrafrecht 1855). Die auch als (lat.-griech.)
nemesis Theresiana (Rache Maria Theresias) bezeichnete C. C. T. beruht auf
einer von der → Constitutio Criminalis Carolina von 1532 geprägten
Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707.
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Constitutio%20Criminalis%20Theresiana1768_komplett.pdf;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 142, 157; Baltl/Kocher; Maasburg, M. v., Zur
Entstehungsgeschichte der theresianischen Halsgerichtsordnung, 1880;
Kwiatkowski, E. v., Constitutio Criminalis Theresiana, 1903; Moos, R., Der
Verbrechensbegriff in Österreich, 1968; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht,
1973; ; Grundlegende Strafrechtsquellen, hg. v. Reiter, I., 1996; Rüping,
H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Constitutio (F.) de expeditione Romana (lat.), Gesetz über den Romzug, ist
eine um 1158 als Gesetz König Karls des Großen von 790 ausgegebene, auf der
Reichenau entstandene Fälschung (Privatarbeit). Sie beschreibt Rechte und
Pflichten von Reichsfürsten auf dem Romzug des Königs. Sie begünstigt die
Reichsfürsten gegenüber dem König.
Lit.: Constitutiones,
Bd. 1, hg. v. Weiland, L., 1893, 661, Nr. 447 (MGH); Klapeer, G., Zur
Überlieferung der Constitutio de expeditione Romana, MIÖG 35 (1914), 725ff.
Constitutio (F.) Joachimica (lat.), Joachimisches Gesetz, ist die verhältnismäßig kurze, auf Erbrecht beschränkte, römisches Recht zu Lasten sächsischen Rechts übernehmende „Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen“ des Markgrafen Joachim I. von Brandenburg (1499-1535) vom 9. 10. 1527 (Reformation des Landrechts, Erstdruck Frankfurt an der Oder 1528).
Lit.: Heydemann, L., Die Elemente der Joachimischen
Konstitution von 1527, 1841, Neudruck 1972; Scholz, J., Der brandenburgische
Landrechtsentwurf von 1594, 1973; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ConstitutioJoachimica1527.htm
Constitution (N., zu lat. [F.] constitutio, Festsetzung, Gesetz) wird in
England seit dem 17. Jh. zur Bezeichnung des Zustands eines Staates (bodie
politique), im 18. Jh. zur Bezeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand
herstellen oder festlegen.
Constitution, Wilkoer
und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen
(1527) s. Constitutio Joachimica
constitutum (lat. [N.]) → Beschluss, Festsetzung
constitutum (N.) debiti (lat.) Schuldzusage
constitutum (N.) possessorium (lat.) → Besitzkonstitut
Consuetudo (lat.
[F.]) ist die Gewohnheit. In der römischen Spätantike wird sie zur Rechtsquelle
erklärt. Die gute c. ist auch im späten ius commune Italiens eine beliebte und
praktisch-relevante Rechtsquelle. → Gewohnheitsrecht
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 52; Köbler, LAW; Garré, R., Consuetudo, 2005
Consul (lat. [M.])
ist im altrömischen Recht der Republik der Höchstmagistrat. Zwei gleichzeitige
Konsuln (consules, Kollegialität) erlangen die Führung des Gemeinwesens durch
eine Wahl auf Vorschlag ihrer Vorgänger hin für jeweils ein Jahr (Annuität),
wobei seit 367 v. Chr. (lex Licinia) auch Plebejer c. werden können. Einzelne
Aufgaben (z. B. Gerichtsbarkeit) sind anderen Magistraten (z. B. Prätoren)
zugeteilt. Mit dem Ende der Republik (27 v. Chr.) gehen die Aufgaben der
Konsuln auf den Prinzeps bzw. Kaiser über, doch werden consules bis 534 im
Westen und bis 541 im Osten fortgeführt. Seit dem ausgehenden 11. Jh. (1090)
ist c. der städtische Ratsherr.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner §§ 6, 11, 14, 23;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 111; Köbler, LAW; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die
Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81
Consultatio (F.) cuiusdam veteris iuris consulti (lat.) ist die am Ende des 5. Jh.s oder im 6. Jh.
vermutlich in Gallien entstandene, durch einen Druck des 16. Jh.s überlieferte
Sammlung von Rechtsgutachten mit Zitaten aus den Paulussentenzen, dem →
Codex Gregorianus, dem → Codex Hermogenianus und dem → Codex
Theodosianus.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 408
Contempt of court (engl.,
Missachtung des Gerichts) ist im angloamerikanischen Recht die
gewohnheitsrechtlich als rechtswidrig (crime bzw. tort) anerkannte Störung der
Gerichtstätigkeit.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Contius → Le Conte
Contractus (lat. [M.],
Zusammengezogenes) ist im klassischen römischen Recht der Vertrag, aus dem eine
Obligation (Schuld) entsteht. Er kann Realkontrakt, Verbalkontrakt,
Litteralkontrakt oder Konsensualkontrakt sein. Dagegen ist das für sich allein
unverbindliche (lat. [N.] pactum kein c. Seit dem Hochmittelalter wird in der
Kirche auch das bloße (lat. [N.]) pactum klagbar (pacta sunt servanda), so dass
sich ein allgemeiner Begriff des Kontrakts ocer Vertrags entwickelt.
Lit.: Kaser §§ 5, 38; Kroeschell, DRG 1; Wunner, S.,
Contractus, 1964; Wieacker, F., Contractus und obligatio im Naturrecht zwischen
Spätscholastik und Aufklärung, (in) Scolastica 1973, 223; Feenstra, R./Ahsmann,
M., Contract, 1980; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998
Contractus mohatrae (lat. [M.] Wagnisvertrag,
zu arab.muchâtarah, Gefahr, Wagnis) ist der Vertrag, bei dem eine (meist
unvertretbare) Sache zum Verkauf übergeben wird und der Empfänger bei Verkauf
den erhaltenen Preis als Darlehen haben soll. Der c. m. dient im Mittelalter
der Umgehenung des kanonischen Zinsverbots.
contrarius consensus (lat. [M.]) Aufhebungsvertrag
Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968
contrat (M.) social
(franz.) Gesellschaftsvertrag
Contumacia (lat. [F.]) ist im klassischrömischen Kognitionsverfahren die Prozessweigerung (Ladungsungehorsam), die in einem Versäumnisverfahren dazu führen kann, dass der Geladene gemäß dem Klagebegehren verurteilt wird.
Lit.: Kaser § 87; Kroeschell, DRG 1, 2
Conubium (lat. [N.]) ist im
altrömischen Recht die (allen Römern
untereinander zustehende,) dem Fremden (Nichtrömer) durch Verleihung zu
eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Eherecht.
Lit.: Kaser §§ 3, 58, 60
conventio (lat. [F.])
Zusammenkunft, Vereinbarung,
Willensübereinstimmung, Einigung über den Zweck einer Sachhingabe,
stillschweigend (tacitus) möglich
copula (lat. [F.]) Verbindung,
Band, Vereinigung z. B. copula carnalis, fleischliche bzw. körperliche
Ereinigung der Ehegatten
copy right → Urheberrecht
Coquille (Conchyleus), Guy (Decize 1523-1603), Sohn eines adligen
Salzrichters, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1539) und Orléans (Du Moulin) Anwalt. In posthum
veröffentlichten Schriften stellt er das Gewohnheitsrecht (franz. droit
coutumier) nach dem Vorbild der Institutionen Justinians dar (Institutions au
droit des François, 1607).
Lit.: Maumigny, J., Étude sur Guy
Coquille, 1910, Neudruck 1971
Cork im Südosten
Irlands wird im 9. Jahrhundert von Normannen bei einem Kloster des 6.
Jahrhunderts gegründet. 1172 wird es unter der Herrschaft Englands Stadt. 1845
erhält es eine Universität.
corpore (lat.)
durch tatsächliche Sachherrschaft, → Besitz, → corpus, →
possessio
corpus (lat. [N.])
Körper
Corpus (N.) catholicorum
(lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der katholischen →
Reichsstände. → corpus evangelicorum
Corpus (N.) delicti (lat.)
ist der Gegenstand der Straftat, mit dem sich die gemeine
Prozessrechtswissenschaft allgemein befasst.
Lit.: Hall, A., Die Lehre vom corpus
delicti, 1933
Corpus (N.) evangelicorum
(lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der evangelischen →
Reichsstände. → corpus catholicorum
Lit.: Schauroth, E., Vollständige Sammlung aller
conclusorum des corpus evangelicorum, Bd. 1ff. 1751ff.; Belstler, U., Die
Stellung des corpus evangelicorum, Diss. jur. Tübingen 1968
Corpus (N.) iuris (lat.)
Körper des Rechts, Gesamtheit der Rechtsordnung, s. Codex Justinians 5. 13. 1)
Corpus (N.) iuris canonici
(lat.) ist die um 1500 von dem Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis erstmals
benützte und von Papst Gregor XIII. (1572-1585) am 1. 7. 1580 (Cum pro munere
pastorali) amtlich verwendete Bezeichnung für die anerkannten, 1582 gemeinsam
herausgegebenen 4 (bzw. 6) Rechtsquellen der (katholischen) Kirche. Das c. i.
c. besteht aus dem Decretum Gratiani (Dekret Gratians, Condordantia
discordantium canonum, um 1140), den auf Antrag Papst Gregors IX. von seinem
Kaplan Raymundus de Penyafort von 1230 bis 1234 in 5 Büchern gesammelten, alle
nicht aufgenommenen Stücke ausschließenden päpstlichen → Dekretalen (→ Liber
[decretalium] extra [decretum]), den auf Veranlassung Papst Bonifaz’ VIII. 1298
zusammengestellten Dekretalen (→ Liber sextus [in Bezug auf die fünf
Bücher des Liber extra]) und den → Clementinen (Texte Papst Clemens V.,
vorgelegt 1317) (sowie privat gesammelten Extravaganten Papst Johannes XXII.
und Extravagantes communes). Es gilt - in der 1582 veröffentlichten Gestalt
der sog. (lat.) editio (F.) Romana (römischen Ausgabe) - bis zum Inkrafttreten
des → Codex iuris canonici am 19. 5. 1918.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Corpus iuris canonici, ed. Friedberg,
E., Bd. 1f. 1879ff., Neudruck 1955, 1959, 2. A. 1995; Stickler, A., Historia
iuris canonici latini, 1950; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Gagnèr, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1 1973; Gaudement, J., Les sources du droit canonique, 1993;
Bellomo, M., The Common Legal Past of Europe, 1995; Brundage, J., Medieval
canon law, 1995; Dickehof-Borello, E., Ein Liber septimus für das corpus iuris
canonici, 2002; Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. v.
Schneidmüller, B. u. a., 2006
Corpus (N.) iuris civilis
(lat.) ist die Gesamtheit der von dem oströmischen Kaiser Justinian (527-565)
zwischen 527 und 534 in Kraft gesetzten Rechtsquellen einschließlich seiner
nachfolgenden Novellen. Er besteht aus dem → Codex (repetitae
praelectionis) von 534, den → Digesten oder → Pandekten (533) und
den → Institutionen von 533 sowie den privat gesammelten →
Novellen. In Byzanz wird um 900 n. Chr. die Hauptmasse dieser Texte in die
griechische Sprache übersetzt (Basilika, Basiliken), wobei seit dem 11. Jh.
Handschriften hergestellt werden, die am Rand Ausschnitte aus Lehrbüchern und
Vorlesungsschriften enthalten (Scholien). Die Bezeichnung c. entspricht dem
Namen (lat.) → corpus (N.) iuris canonici für die kirchlichen
Rechtsquellen. Sie wird seit der Gesamtausgabe der justinianischen Gesetzgebungswerke
durch Dionysius Gothofredus (1583) üblich. Auf dem c. i. c. beruhen der
Universitätsunterricht im römischen Recht und die Rezeption des römischen
Rechts, wobei sich ein (lat. [M.] ) usus modernus (moderner Gebrauch) pandectarum
(der Pandekten) durchsetzt. Mit den Kodifikationen Allgemeines Landrecht
(Preußen 1794), Code civil (Frankreich 1804) und Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch (Österreich 1811) wird das c. i. c. grundsätzlich abgelöst.
Lit.: Kaser § 1; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 137, 142; Corpus iuris civilis, hg. v. Krüger, P. u. a., Bd. 1ff.
z. T. 22. A. 1973; Corpus iuris civilis Iustinianei,
hg. v. Fehus, J., Bd. 1ff. 1672ff., Neudruck 1966 (mit Glosse); Spangenberg, E.,
Einleitung in das römisch-justinianische Rechtsbuch, 1817, Neudruck 1970 (mit
Bibliographie der älteren Ausgaben); Savigny, F. v., Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Wenger, L., Die Quellen des römischen
Rechts, 1953, 562; Ochoa, X./Diez, A., Indices titulorum et legum corporis
iuris civilis, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Thilo, R., Drucke des Corpus iuris civilis im deutschen Sprachraum,
Gutenberg-Jahrbuch 59 (1984), 52
Corpus (N.) iuris feudalis
(lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des Lehnsrechts im 18. Jh.
Lit.: Lünig, J.,
Corpus iuris feudalis Germanici, Bd. 1ff. 3. A. 1727
Corpus (N.) juris
Fridericiani ist der gescheiterte Versuch
einer materiellrechtlichen Gesetzgebung Preußens (Kabinettsordre vom 31.
Dezember 1746 für ein Teutsches Allgemeines Landrecht) unter Samuel von
Cocceji. Der König will ein Werk, das sich „bloß auf die Vernunft und Landesverfassungen
gründet, damit einmal ein gewisses Recht im Lande etabliret und die unzähligen
Edikte aufgehoben werden mögen“. 1749 erscheint ein Entwurf des Personenrechts,
1751 ein Entwurf des Sachenrechts. Das Manuskript des dritten Teils
(Obligationenrecht) geht (1753) im Postversand verloren. Der Tod Samuel von
Coccejis (1755) und die Wirren des siebenjährigen Krieges beenden die
Arbeiten. Das zweite und dritte Buch des ersten Teiles über das Eherecht und
das Vormundschaftsrecht erlangen in einigen Landesteilen Gesetzeskraft, obwohl
sie sehr dem römischen Recht verhaftet sind.
Lit.:
Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der Spruchpraxis des preußischen
Kammergerichts von
17841810,2006;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani1-1749.pdf
Corpus (N.) iuris Fridericianum
(lat.), Erstes Buch, ist das nach dem Müller-Arnold-Prozess (1779) und einer
Kabinettsordre vom 14. 4. 1780 am 26. April 1781 in Preußen in Kraft gesetzte
Prozessrechtsgesetzbuch Friedrichs des Großen bzw. seines Großkanzlers
Johann Casimir von → Carmer, das den Untersuchungsgrundsatz in den
Zivilprozess einführt, die Advokaten durch Assistenzräte ersetzt und die
Beendigung aller Prozesse innerhalb eines Jahres anstrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ebel, F., 200 Jahre preußischer
Zivilprozess, 1982
Corpus (N.) iuris militaris
(lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen militärrechtlicher
Vorschriften zwischen 1632 und 1723.
Lit.: Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts,
1891; Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, hg. v. militärgeschichtlichen
Forschungsamt, Bd. 1 1979
Corpus (N.) iuris publici
(lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des öffentlichen Rechtes des
Heiligen römischen Reiches im 18. Jh.
Lit.: Schmauss,
J., Corpus iuris publici Sancti Romani imperii academicum, 1722
Corpus (N.) iuris Saxonici
(lat.) ist die Bezeichnung für eine private Sammlung des sächsischen Rechts.
Lit.: Lünig, J., Codex Augusteus oder neuvermehrtes corpus
iuris Saxonici, Bd. 1f. 1724
corpus (lat. [N.]) possidendi) Herrschaftsgewalt über eine Sache durch Übergabe einer beweglichen Sache oder
Betreten einer unbeweglichen Sache oder bei originärem Erwerb durch deutliche Kundgabe
Corrigere (lat.) ist ein Ausdruck, der unter Kaiser Trajan (98-117) in das römische Strafverfahren eindringt. Danach geht es dort darum, Unrecht wieder recht zu machen. Diese Vorstellung steckt auch hinter dem germanistischen „richten“.
Lit.: Köbler, DRG 34, 46; Köbler, G., Richten, Richter und
Gericht, ZRG GA 87 (1970), 59
Cortes ist die den
König beratende Versammlung der Geistlichen, Adligen und Städtevertreter in
Kastilien, León, Portugal, Aragón und Navarra seit der 2. Hälfte des 12. Jh.s.
Lit.: Gonzáles Antón, L., Las Cortes
de Aragón, 1978; Procter, E., Curia and cortes, 1980
Corvey
Lit.: Krüger, H., Höxter und Corvey, 1931; Prinz, J., Die Corveyer
Annalen, 1982; Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey,
1992
Court of Chancery ist das
Gericht des Kanzlers (chancellor) des → englischen Rechts. Es geht darauf
zurück, dass der zunächst geistliche Kanzler schon im 13. Jh. Bitten
hilfesuchender Engländer an den König hinsichtlich der Möglichkeit der Bildung
neuer Klageformeln begutachtet und im 15. Jh. in Einzelfällen Rechtsschutz
gewährt, wenn das → common law zu unangemessenen Ergebnissen führt. Die
seit 1529 tätigen weltlichen Kanzler führen das fort und begründen bald ein
System anerkannter Sätze des positiven Rechts, das an der Billigkeit (→
equity) ausgerichtet ist.
Lit.: Jones, W.,
The Elizabethan Court of Chancery, 1967; Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 4. A. 2002
Court of Common Pleas ist
das seit 1234 sicher belegte, für Zivilsachen zuständige königliche Gericht des
→ englischen Rechts in Westminster mit einem Oberrichter und 3
nachgeordneten Richtern.
Lit.:
Court of Exchequer ist das
für Verwaltungsangelegenheiten und Finanzsachen zuständige königliche Gericht
des → englischen Rechts in Westminster.
Court of King`s Bench ist
das für Strafsachen und Appellationen zuständige königliche Gericht des →
englischen Rechts in Westminster.
Coutume (franz.
[F.] Gewohnheit) ist die rechtlich bedeutsame Gewohnheit (lat. [F.]
consuetudo), die auch in einer Abgabe oder Leistung bestehen kann. Die c. als
eine Mehrheit von rechtlich bedeutsamen Gewohnheiten erlangt in Frankreich seit
dem 10./11. Jh. Gewicht und wird im Norden seit Beginn des 13. Jh.s mit
örtlichen Bezügen auf Grund der Aussagen von Sachkennern in Rechtsbüchern
(nichtamtliche coutume, amtliche coutumiers) schriftlich aufgezeichnet, wobei
sich eine Trennung in das nördliche Gebiet des droit (M.) coutumier
(Nordfrankreich, Belgien, Niederlande, Genf, Waadt, Neuenburg, Fürstbistum
Basel) und das südliche Gebiet des (römischen) droit (M.) écrit (Südfrankreich)
bildet und wobei Entscheidungen, Gesetze (Ordonnanzen) und teilweise auch
römisches Recht und kirchliches Recht in die coutumiers einbezogen werden
(ursprünglich lateinisch] Très ancien coutume (bzw. coutumier) de Normandie
[lat. Statuta et consuetudines Normanniae] 1199/1200 bzw. 1220 bzw. 1200/1204
[nach 1220 in das Französische übersetzt], Grand coutumier de Normandie
1254-1258 [Summa de legibus Normanniae in curia laicali], Conseil à un ami [im
Vermandois] des Pierre de Fontaine für Philipp III. 1253 bzw. 1254-1258, Livre
de justice et de plet [um] 1260 [Gegend von Orléans], Facet von Saint
Armand-en-Prévèlet/Belgien 1265, Etablissements de Saint Louis um 1270
[Tourraine-Anjou, Orléanais], Coutumes de Beauvaisis [nördlich von Paris] 1283
des Philippe de Beaumanoir [Philippe de Remi Beaumanoir], Ancien coutumier de
Champagne des Guillaume du Châtelet 1295-1300 [auf der Grundlage von Usages de
Champagne von etwa 1253], Recht von Uccle/Brüssel/Belgien 1300, Très ancienne
coutume de Bretagne 1312/1316-1325, Stilus curie Parlamenti des Guillaume du
Breuil um 1330, Grand coutumier [de France bzw. Ile de France] des Jacques
d’Ableiges um 1388, Somme rural des Jehan Boutillier vor 1395, Vieux coutumier
de Poitou/Poictou 1417). 1454 befiehlt König Karl VII. wegen zahlreicher
Streitigkeiten hinsichtlich des Bestehens behaupteter Rechtssätze in der
Ordonnance von Montil-les-Tours die amtliche Aufzeichnung aller coutumes jeder
bailliage mit anschließender Inkraftsetzung, was bis 1545 zu 20 redigierten
coutumes und bis 1750 zu 681 coutumes, von denen 88 vom König gebilligt sind,
führt. Auf der Grundlage der Coutume de Paris (1510 bzw. 1580) entwickelt sich
(hieraus) mit Hilfe der vom König dem Parlement de Paris übertragenen
Prüfungszuständigkeit ein gemeines Gewohnheitsrecht (franz. droit commun
coutumier).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nouveau
coutumier général, hg. v. Bourdot de Richebourg, C., Bd. 1ff. 1724ff.; Brunner,
H., Die coutumiers der Hamiltonsammlung, ZRG GA 4 (1883), 232; Favey, J., Le
coutumier de Moudon de 1577, 1924; Declareuil, J., Histoire générale du droit
français, 1925, 851; Filhol, R., Le premier président Christoffe de Thou et la
réformation des coutumes, 1937; Olivier-Martin, F., Le roi de France et les
mauvaises coutumes au moyen âge, ZRG GA 58 (1938), 108; La rédaction des
coutumes, 1962; Poudret, J., Enquêtes sur la coutume du pays de Vaud, 1967; La
coutume de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1970; Le style de Vaudémont, hg.
v. Centre Lorrain, 1972; Gräfe, R., Das Eherecht in den coutumiers des 13. Jahrhunderts,
1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,633,2,2,200; Gouron, A./Terrin, O., Bibliographie des coutumes
de France, 1975; Les coutumes de l’Agenais, hg. v. Ourliac, P./Gilles, M.,
1976; La coutume, hg. v. Gilissen, J., 1982; Walkens, L., La théorie de la
coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Olivier-Martin, F., Histoire du droit
français, 1992; Gouron, A., Droit et coutume en France aux XIIe et Xiiie
siècles, 1993; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998
Coutumes de Beauvaisis sind das
bedeutendste Rechtsbuch des mittelalterlichen Frankreich. Die C. d. B. stammen
von Philippe de → Beaumanoir. Er bemüht sich um eine Darstellung des
Gewohnheitsrechts in Beauvaisis, verwendet dazu aber auch Sätze der Coutumes
von Champagne, Vermandois, Artois, Normandie und Paris, die Rechtsprechung des
Parlaments de Paris, königliche Verordnungen, römisches Recht und kirchliches
Recht. Die systematisierende, vor eigenen Lösungen nicht zurückschreckende
Privatarbeit, die der Rechtswirklichkeit nicht vollständig entspricht, bleibt
trotz hohen gedanklichen Wertes von geringem Einfluss auf die Rechtspraxis.
Lit.: Coutumes de Beauvaisis, hg. v.
Salmon, A., Bd. 1f. 1899f., Neudruck 1970, Bd. 3; Commentaire historique, hg.
v. Hubrecht, G., 1974; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir
et les coutumes de Beauvaisis 1283-1293, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983
Coutumier (franz.
[M.]) ist die private Aufzeichnung der → coutume im mittelalterlichen
Frankreich.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Le vieux coustumier de Poictou, hg. v. Filhol, R., 1956;
Petitjean, M. u. a., Le coutumier bourguignon glosé, 1982; Poudret, J.,
Coutumes et coutumiers, 1998
Covarubias y Leyva,
Diego de (1512-1577) wird nach dem Rechtsstudium 1533 Professor für kirchliches
Recht in Salamanca, 1565 Bischof von Segovia und 1574 Präsident des
Staatsrates. Auf ihn geht die strafrechtliche Vorstellung des bedingten
Vorsatzes (lat. dolus [M.] indirectus) zurück.
Lit.: Merzbacher, F., Azpilcueta und Covarruvias, (in)
Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 275;
Peressa, V., Diego de Covarubias, 1957
Cowell, John
(1554-1611), nach dem Studium des römischen Rechts in Cambridge 1594 Professor
in Cambridge, versucht 1605 eine erfolglose Darstellung des englischen Rechts
nach dem Aufbau der Institutionen Justinians ([lat.] Institutiones [F.Pl.]
iuris Anglicani, Einrichtungen des englischen Rechts) und muss wegen seiner in
seinem erfolgreichen Wörterbuch The Interpreter (1607) vertretenen
absolutismusfreundlichen und parlamentsfeindlichen Haltung 1611 seine
Professur aufgeben.
Lit.:
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., Bd. 5, 20
creditor (lat. [M.]) → Gläubiger
Crimen (lat. [N.])
ist im römischen Recht das Verbrechen im Gegensatz zu (lat.) delictum (N.). Für
die crimina (N.Pl.) entwickelt sich das besondere Strafrecht und Strafprozessrecht.
Schon früh wird dabei das c. (publicum) mit der von der Allgemeinheit (mit dem
Beil) vollstreckten Todesstrafe geahndet. Zu den lange noch durch den
Verletzten mittels Strafe zu vergeltenden crimina zählen Mord (lat. [N.]
parricidium), Brandstiftung, handhafter Diebstahl, nächtliches Abweiden eines
fremden Feldes und falsches Zeugnis.
Lit.: Kaser §§
32, 41, 50; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 12; Köbler, DRG 65; Köbler, LAW
Crimen (N.) laesae maiestatis
(lat.) ist im älteren römischen Recht die Verletzung des Ansehens zunächst der
plebejischen Magistrate. Seit Augustus geht die (lat. [F.]) maiestas vom
römischen Volk und seinen Magistraten auf den Prinzeps und damit später den
Kaiser über. Seit den Kaisern Arcadius und Honorius kann zum Schutz des Kaisers
und seiner Günstlinge jeder politische Vorwurf mit der Todesstrafe und der
Vermögensentziehung verfolgt werden. Diese Vorstellung übernimmt das Frühmittelalter
allmählich mit gewissen Abwandlungen. Im weiteren Verlauf findet das c. l. m.
Eingang in den → Mainzer Reichslandfrieden von 1235, die → Goldene
Bulle (1356), die → Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und die →
Constitutio Criminalis Carolina (1532). Erst Carpzov (1635) schränkt
differenzierend ein. Danach wird Inhalt des c. l. m. die Beleidigung des
Monarchen als Regenten, die 1918 ihren Bezugspunkt verliert.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 20; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck
1967 113; Kellner, O., Das Majestätsverbrechen, Diss. phil. Halle 1911; Tietz,
K., Perduellio und maiestas, Diss. jur. Halle 1935; Hageneder, O., Das crimen
maiestatis, FS F. Kempf, 1983
Crimen (N.) magiae (lat.) ist
in der frühen Neuzeit das Verbrechen der Zauberei. → Hexerei
Lit.: Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902
Criminal Code (1879) ist der an
dem 1860 verfassten indischen Strafgesetzbuch (Indian Penal Code) ausgerichtete
Entwurf eines englischen Strafgesetzbuches, der vom Parlament nicht angenommen
wird.
Criminal Law Consolidation Acts
(1861) ist die das Strafrecht betreffende Zusammenfassung verstreuter
gesetzlicher Vorschriften im → englischen Recht.
Cui bono? (lat.) Wem zum
Guten? Wem nützte die Tat? ist ein von Cicero (106-43 v. Chr.) geprägtes
lateinisches Rechtssprichwort.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Cuius regio eius religio
(lat., wessen Gebiet, dessen Religion) ist die von dem Greifswalder
protestantischen Kirchenrechtler J. Stephani (1544-1623) (in seinen [lat.]
Institutiones [F.Pl.] iuris canonici von 1599 mit dem Satz [lat.] ut cuius sit
regio, hoc est ducatus, principatus seu ius territorii, eius etiam sit religio,
hoc est ius episcopale seu iurisdictio spiritualis) geschaffene Formulierung
für die der Sache nach bereits im → Augsburger Religionsfrieden von 1555
angewandte geistliche Gerichtsbarkeit des reichsunmittelbaren Landesherrn im
Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) ([lat.] ubi unus dominus, ibi una
religio, wo ein Herr, da eine Religion). Der ihr zugrunde liegende Gedanke wird
danach von den protestantischen Reichsständen beansprucht, in der
Gegenreformation auch von den katholischen Reichsständen. Insgesamt fördert und
ermöglicht der dann auf das Normaljahr 1624 abstellende Satz zu Lasten der
Untertanen die Wahrung der Reichseinheit und der monarchisch-aristokratischen
Verfassung sowie die Ausbildung des Territorialstaatskirchenrechts und damit
des → Absolutismus und der → Souveränität.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Heckel, M., Staat
und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands, ZRG KA 42
(1956), 117, 43 (1957), 202; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5.
A. 2005; Schneider, B., Der Westfälische Friede in der Deutung der Aufklärung,
1989; Schneider, B., Ius reformandi, 2001
Cujas, Jacques
(Toulouse 1522-Bourges 4. 10. 1590) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse
zunächst dort Rechtslehrer (1547-1554), danach in Cahors, Bourges (1555-1557,
1559-1566, 1575-1590), Valence (1567-1575) und Turin (1566-1567). Er vertieft
die Verwendung humanistischer Methoden im Recht in seinen Textausgaben (J.
Pauli receptae sententiae, 1559, Institutiones Justiniani, 1585) und seinen
zahlreichen exegetischen Einzelarbeiten. In seinen (lat.) Paratitla (N.Pl.) in
libros digestorum (1570, kurze Erklärungen zu den Büchern der Digesten) stellt
er eine gegliederte Ordnung von Klagen und Rechtsbehelfen dar.
Lit.: Spangenberg, E., Jacob Cujas und seine Zeitgenossen,
1822, Neudruck 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Troje, H., Graeca leguntur, 1971, 108
Culpa (lat. [F.])
ist im klassischen römischen Recht die Schuld oder Nachlässigkeit, die
vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln erfasst. C. ist ausgeschlossen bei
Geisteskranken (furiosi) oder Kindern (infantes). Bei c. des Geschädigten wird
die c. des Schädigers aufgehoben (Kulpakompensation).
Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15;
Köbler, DRG 44, 49, 61, 216; Köbler, LAW
culpa (lat. [F.]) in concreto, Verletzung der Sorgfalt, die in eigenen Angelegenheiten
beachtet würde, durch den Schuldner
Culpa (F.) in contrahendo (lat.) ist das von Rudolf von Ihering (Jhering, 1818-1892) als Haftungsgrund herausgearbeitete, vom Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) nicht besonders berücksichtigte Verschulden bei Vertragsschluss (2002 § 311 II BGB).
Lit.: Ihering, R., Culpa in contrahendo, Jb. f. d. Dogmatik
4 (1861) 1; Medicus, D., Zur Entdeckungsgeschichte der culpa in contrahendo,
FS M. Kaser 1986, 189; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Ihering,
1988; Giaro, T., Culpa in contrahendo, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und
seine Richter, 2000, 113; Keller, M., Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung,
2007
culpa (F.) in eligendo (lat.) Auswahlverschulden
culpa (F.) lata (lat.) grobe
→ Fahrlässigkeit
culpa (F.) levis (lat.)
leichte → Fahrlässigkeit
culpa (F.) levissima (lat.)
leichteste → Fahrlässigkeit
Lit.: Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der
Rechtsgeschichte, 1968
Cura (lat. [F.])
ist im klassischen römischen Recht die bei Geisteskranken (furiosi),
Verschwendern (prodigi), Tauben, Stummen, Altersschwachen, (Leibesfrüchten bzw.
nascituri) sowie gegebenenfalls Unmündigen und Frauen, auf Antrag auch bei
Mündigen unter 25 Jahren (minores XXV annis), mögliche → Pflegschaft,
bei welcher der Pflegling für eigene Handlungen der Zustimmung des Pflegers
(lat. [M.]
curator) bedarf.
Lit.: Kaser §§ 4, 11, 44, 58, 62, 64,
82; Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 57
curator (lat. [M.]) Pfleger → cura
curia (lat. [F.]) Hof, Herrscherhof, Hofrat
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW;
Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1965; Lalinde Abadía,
J., El curia o cort, Anuario de estudios medievales 4 (1967), 169; Bournazel,
E., Le gouvernement capétien, 1975; Loyn, H., The Governance of
Anglo-Saxon-England, 1984; Hillen, C., Curia regis, 1999
curtis (lat. [F.]) Hof, Herrenhof
Lit.: Althessen im Frankenreich, hg.
v. Schlesiner, W., Nd. 2 1975; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u.
a., 1983
curtis (F.) dominica (mlat.) Herrenhof
curtis (F.) indominicata (mlat.) Herrenhof
curtis (F.) salica (mlat.) Herrenhof
cursus honorum (lat. [M.]) Ämterlaufbahn der
römischen Rpublik (Quästor, Ädil, Prätor, Konsul
Cusanus → Nikolaus von Kues
Custodia (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die Aufsicht. Wer eine Sache eines
Gläubigers in Händen hat (z. B. Verwahrer, Entleiher, Mieter, Werkunternehmer,
Pfandgläubiger, möglicherweise Verkäufer)), haftet danach für das
Abhandenkommen der Sache (z. B. durch Diebstahl) und solche Schäden, die gerade
bei unzureichender Aufsicht üblicherweise entstehen können. Nur in bestimmten
Sonderfällen (höhere Gewalt) wird er von der Haftung frei.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 45, 63;
Köbler, LAW
Cyprianus ist ein in Florenz geborener,
am Ende des 12. Jh.s verstorbener Glossator mit Glossen zu allen Teilen der
justinianischen Kompilation.
Lit.: Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 236
Czernowitz am Pruth wird 1408 als Zollstätte des Fürstentums Moldau erstmals erwähnt. Über die Osmanen gelangt es 1774/1775 an Österreich (Galizien, Bukowina), wo es 1875 eine Universität erhält (u. a. Eugen Ehrlich). 1918 fällt es an Rumänien, 1940 an die Sowjetunion bzw. danach an die Ukraine.
Lit.: Jüdisches Städtebild Czernowitz, hg. v.
Corbea-Hoisie, A., 1998; Czernowitz, hg. v. Heppner, H., 2000; Yavetz, Z.,
Erinnerungen an Czernowitz, 2007
D
Dabelow, Christoph
Christian Frhr. v. (Neubuckow bei Wismar 19. 7. 1768–Dorpat 27. 4. 1830),
Justizratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock und Jena 1787 Advokat,
1791 außerordentlicher Professor, 1792 ordentlicher Professor in Halle (bis
1806 bzw. 1809), 1811 Staatsrat in Anhalt-Köthen (bis 1813) und 1819 Hofrat und
Professor in Dorpat.
Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie,
Bd. 4 685
Dacheriana ist die
nach ihrem ersten Herausgeber (d’Achery † 1685) benannte, um 800 in Lyon
entstandene systematische Kirchenrechtssammlung mit etwa 400 canones.
Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975, 259
Dahn, Felix (Hamburg 9. 2. 1834-Breslau 3.
1.1912), Sohn eines deutsch-französischen Schauspielerehepaars, wird nach dem
Studium der Philosophie und des Rechts in München und Berlin 1857 mit Studien
zur Geschichte der germanischen Gottesurteile in München habilitiert. 1863 wird
er Professor in Würzburg, 1872 in Königsberg und 1888 in Breslau. Sein größter
literarischer Erfolg ist der in 30 Auflagen (1900) veröffentliche Roman Ein
Kampf um Rom (1876ff.), während das zwölfbändige Hauptwerk Die Könige der
Germanen (1861ff.) weniger Anerkennung findet.
Lit.: Meyer, H.,
Friedrich Dahn, 1913; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 3 1957, 285
Dalloz, Désiré (1795-1869) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt und 1814 Mitarbeiter am (franz.) Journal des audiences de la cour de cassation et des cours d`appel (1824 Jurisprudence générale du royaume). Danach veröffentlicht er bis 1832 in einem Répertoire de jurisprudence générale (allgemeinen rechtswissenschaftlichen Repertorium) nach Materien geordnet in alphabetischer Reihenfolge wichtige Entscheidungen mit Anmerkungen. Dieses Werk legt er von 1845 bis 1870 in verbesserter und erweiterter Fassung neu auf. Sein Name lebt in dem Verlagshaus fort, das als den „Dalloz“ eine fortlaufende Sammlung von Entscheidungen, Gesetzen und wissenschaftlichen Stellungnahmen vertreibt.
Lit.: Papillard, F., Désiré Dalloz (1795-1869), 1964
Dalmatien ist das
zunächst von Dalmatern besiedelte Ostufer der Adria mit den davorliegenden
Inseln, das 9. n. Chr. zur römischen Provinz Dalmatia wird. Seit dem Ende des
6. Jh.s dringen Slawen und Awaren ein, seit dem 11. Jh. bemüht sich Venedig um
die 1420 erreichte Herrschaft. Im 16. Jh. fällt ein Teil Dalmatiens an die
Türken. Über Venedig (Auflösung der Republik 1797) bzw. (nach Auflösung der
illyrischen Priovinzen Napoleons) über den Wiener Kongress (1815) erlangt →
Österreich das 1816 zum Königreich erhobene D. 1920 wird es → Jugoslawien
zugeteilt, aus dem es 1991 vor allem an → Kroatien fällt.
Lit.: Mayer, E., Die dalmatisch-istrische
Munizipalverfassung im Mittelalter und ihre römischen Grundlagen, ZRG GA 24
(1903), 211; Stanic, M., Dalmatien, 1984; Steindorf, L., Die dalmatischen Städte,
1984; Clewing, C., Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, 2000;
Cetnarowicz, A., Die Nationalbewegung in Dalmatien im 19. Jahrhundert, 2008
Da mihi factum, dabo tibi ius (lat.). Gib mir den Tatbestand, ich werde dir das Recht geben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Alexander III. 1100-1181, Dekretalen 2, 1, 6)
Dalberg, Karl Theodor Reichsfreiherr
von (Herrnsheim bei Womrs 10. 2. 1744-Regensburg 8. 2. 1817) wird nach dem Studium
des Rechts in Heidelberg 1768 Priester, 1772 Statthalter des Erzbischofs von
Mainz in Erfurt, 1780 Rektor der Universität Würzburg, 1787 Koadjutor in Mainz,
1788 Koadjutor in Konstanz, 1800 Bischof von Konstanz, 1802 Erzbischof von
Mainz und 1806 Fürstprimas von Deutschland (im Rheinbund). Im Reichsdeputationshauptschluss
erhält er 1803 Regensburg, Aschaffenburg und Wetzlar, 1806 Frankfurt am Main
und 1810 Fulda und Hanau. 1803 muss er abdanken, bleibt aber Erzbischof von
Regensburg.
Lit.: Färber, K.,
Kaiser und Erzkanzler, 1988; Carl von Dalberg, hg. v. Färber, K. u. a., 1994;
Carl von Dalberg, hg. v. Hausberger, K., 1995; Hein, N., Der Staat Karl
Theodor von Dalbergs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1996
Damasus ist ein um 1210 bis 1220 in
Bologna wirkender Lehrer des kirchlichen Rechts.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 300
Damme → Vonnisse von Damme
Damnationslegat ist
das bereits dem jüngeren altrömischen Recht bekannte Vermächtnis, bei dem
vielleicht der treuhänderische Vermögenskäufer (lat. familiae emptor [M.])
dem oder den Bedachten für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere
Leistungen haften soll.
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23
Damnum (lat. [N.]) (iniuria
datum) ist im klassischen römischen Recht der rechtswidrig zugefügte Schaden, zu
dessen Ausgleich bereits 286 v. Chr. die (lat.) lex (F.) Aquilia de damno
(aquilisches Gesetz über den Schaden) ergeht.
Lit.: Kaser § 51; Köbler, DRG 65
Danelaw ist eine
Bezeichnung für das vom späten 9. Jh. bis 1066 vom Recht der Dänen beherrschte
Gebiet → Englands (z. B. Northumbria, Ostanglien).
Lit.: Loyn, H., The Vikings in
Däne →
Dänemark
Dänemark ist der im
Norden an Deutschland grenzende skandinavische Staat. Die Festigung einer
eigenständigen Herrschaft über die Dänen (6. Jh.) durch einen König gelingt in
der ersten Hälfte des 10. Jh.s unter Gorm dem Alten (ab etwa 940
ununterbrochene Königsreihe). Wenig später setzt sich das Christentum in D.
durch. Zeitweise herrschen die Könige Dänemarks über große Teile Englands (Knut
der Große 1018-1035), der Ostsee (Waldemar der Große 1157-1182) und →
Norwegen, → Schweden sowie → Finnland (Margarete I.
1387/1389-1412). Um 1200 wird erstmals das Recht (für Schonen [kurz nach 1200,
dänisch, lateinisch als Liber legis Scaniae, Rechtsbuch Schonens Erzbischof
Andreas Sunesens], Seeland [Waldemar, Erik] und Jütland [März 1241 unter König
Waldemar II.] erhalten) schriftlich aufgezeichnet, wobei kirchlicher Einfluss
nachweisbar ist. 1479 wird in Kopenhagen eine Universität gegründet. 1536 wird
unter dem Hause Oldenburg (1448-1863) die lutherische Reformation durchgeführt.
Vom Einfluss der katholischen Kirche befreit beherrscht der König zusammen mit
dem Adel das Land. Im Gefolge des Dreißigjährigen Kriegs wird D. von Schweden
zurückgedrängt, wobei die Ostgebiete an Schweden fallen. 1660 erzwingen Bürger
und Bauern gegen den Adel die Umwandlung Dänemarks in eine Erbmonarchie (mit
einem 1661 eingerichteten Höchstgericht), die sich 1665 (durch lat. [F.] lex
regia, königliches Gesetz) dem Grundsatz des Absolutismus zuwendet und 1683
unter Christian V. das dänische Recht (Danske Lov 15. 4. 1683, Prozessrecht,
Kirchenrecht, Ständerecht mit Eherecht und Unmündigenrecht, Seerecht,
Schuldrecht, und Sachenrecht, Strafrecht, 6 Bücher, ersetzen jütisches, seeländisches
und schonisches Recht, im 19. Jh. weitgehend aufgehoben, eine Reihe von
Grundnormen aber noch in Kraft, ähnlich 1687 für das von 1380 bis 1814 mit D.
verbundene Norwegen) in einem Buch (Gesetzbuch?) zusammenfasst. Im 18. Jh., in
dem 1736 eine juristische Prüfung eingeführt wird und innerhalb der
erwachsenden Rechtswissenschaft die Rechtsgeschichte erfasst wird (Peder Kofod
Ancher, En Dansk Lov-Histoire 1789ff.), dringt mit Aufklärung und Naturrecht
die Lehre von der Gewaltenteilung ein und wird das Strafrecht gesetzlich
geändert. 1788 beginnt die Befreiung der Bauern. 1814 gelangt Norwegen an
Schweden. 1849 wird die absolute Monarchie unter Einführung einer Verfassung
nach dem Vorbild Belgiens bis 1866 durch eine konstitutionelle Monarchie
abgelöst. 1864 gehen Schleswig, Holstein und Lauenburg an den → Deutschen
Bund bzw. Preußen verloren. 1866 wird die Verfassung verändert. Seit 1872
arbeitet D. mit den anderen nordischen Ländern trotz Sonderung des
Westnordischen vom Ostnordischen vereinheitlichend zusammen. 1866/1930 wird
das Strafrecht, 1916/1919 das Prozessrecht geändert. Ab 1891 wird die Sozialversicherung
eingeführt. 1901 setzt sich der Gedanke der parlamentarischen Kontrolle durch.
1915 wird erneut die Verfassung verändert. 1920 kehrt nach einer Volksabstimmung
Nordschleswig zu D. zurück. 1953 ermöglicht ein Thronfolgegesetz die weibliche
Erbfolge in der Erbmonarchie mit demokratisch-parlamentarischer Regierungsform,
die sich zum Sozialstaat wandelt. Das Einkammersystem wird eingeführt. 1960
tritt D. der Europäischen Freihandelszone bei, 1973 der Europäischen Gemeinschaft
(bzw. 1993 Europäischen Union). 1979 erhält → Grönland Autonomie.
Lit.: Hasse, P., Die Quellen des Ripener Stadtrechts, 1883;
Repertorium diplomaticum regni Danici mediaevalis, hg. v. Christensen, W. u.
a., 1894ff.; Haandværksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Danske vider og
vegtægter eller gamle landsbylove, hg. v. Bjerge, P. u. a., 1904ff.; Haff, K.,
Die Theorie des dänischen Grundregals, ZRG GA 30 (1909), 290; Haff, K., Die
dänischen Gemeinderechte, 1909; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im
fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Scriptores minores
historiae danicae medii aevi, rec. Gertz, M., 1917ff.; Dahl, F., Juridiske
profiler, 1920; Danemarks gamle lanskabslove med kirkelovene, hg. v.
Brøndum-Nielsen, J., 1920f.; Annales Danici medii aevi, neu hg. v. Jørgensen,
E., 1920; Dahl, F., Frederik VI og Anders Sandøe Ørsted, 1929; Dahl, F.,
Hovedpunkter af den danske retsvidenskabs historie, 1937; Dänische Rechte,
übers. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1938; Juul, S., Fællig og hovedlod, 1940;
Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940; Jørgensen, P.,
Dansk Retshistorie, 1940, 2. A. 1947; Fussing, H., Herremand og Fæstebonde, 1942,
Olsen, G., Traehesten, hundehullet og den spanske kappe, 1960; Højesteret
1661-1961, 1961; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Fenger,
O., Fejde og mandebod, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,991, 2,2,506,1005, 3,4,21; Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung
in Dänemark, 1976; Sprandel-Krafft, L., Rechtsverhältnisse in
spätmittelalterlichen Städten am Beispiel Viborgs (Dänemark), ZRG GA 93 (1976),
257, 94 (1977), 20; Tamm, D., Fran lovkyndighed til retsvidenskab, 1976;
Kroman, E., Dänemarks alte Rechte – Ihr Alter und ihre Verwandtschaft, ZRG GA
94 (1977), 1; Riis, T., Les Institutions Politiques Centrales du Danemark
1100-1332, 1977; Danmarks historie, Bd. 1ff. 1977ff.; Dübeck, I., Købekoner og
konkurrence, 1978; Ekbom, C., Ledung och tidig jordtaxering i Danmark, 1979;
Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1983; Tamm, D., Retsopgøret
efter besættelsen, 1984; Thygesen, F., Das Verhältnis zwischen dänischem und
deutschem Recht, ZRG GA 105 (1988), 289; Den Danske rigslovgivning 1397-1513,
hg. v. Andersen, A., 1989; Tamm, D., Laerebog i Dansk retshistorie, 1989; Tamm,
D., Retshistorie 1 Dansk retshistorie, 1990; Tamm, D., Med lov skal land
bygges, 1990 (Aufsätze); Den Danske rigslovgivnning 1513-1523, hg. v. Andersen
A,. 1991, Jyske Lov i 750 år, 1991; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992;
Danmark i senmidelalderen, hg. v. Ingesman, P. u. a., 1994; Stevnsborg, H.,
Besaßen die dänischen Könige der vorchristlichen Zeit Gesetzgebungsgewalt, ZRG
GA 112 (1995), 423; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd.
1ff. 1995ff.; Bohn, R., Dänische Geschichte, 2001; Hammerslev, O., Danish
judges in the 20th century, 2003; Andersen, S., Danmark I det tyske Storrum,
2003; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation, hg. v.
Asche, M. u. a., 2003; Geiger, T., Die dänische Intelligenz von der
Reformationszeit bis zur Gegenwart, 2005; Tamm, D., Retshistorie, 2005;
Bellamy, M., Christian IV and his Navy, 2006; Repertorium der Policeyordnungen
der frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und Schleswig-Holstein, hg. v. Tamm, D.,
2008; Quellen zur dänischen Rechts- und Verfassungsgeschichte (12.-20.
Jahrhundert), hg. v. Tamm, D. u. a., 2008
Daniels, Heinrich Gottfried Wilhelm
(Köln 25. 12. 1754-Köln 28. 3. 1827), wird nach dem Studium der Mathematik und
des Rechts in Köln 1770 in der Philosophie und 1775 in der Rechtswissenschaft
promoviert. 1776 wird er Advokat bei dem Hofrat des Erzbischofs von Köln, 1783
ordentlicher Professor der Universität Bonn und 1792 Richter am kurkölnischen
Appellationsgerichtshof in Bonn. Nach dem Verlust aller Ämter infolge des
Einmarschs Frankreichs lehrt er seit 1798 Gesetzgebung an der neuen Zentralschule
in Köln, wird aber 1804 Substitut de Procureur Général am Kassationshof in
Paris, 1813 Generalprokurator am Appellationshof in Brüssel, 1817 geheimer
Staatsrat in Berlin und 1819 erster Präsident des rheinischen Appellationsgerichtshofs
in Köln.
Lit.: Weisweiler, W.,
Geschichte des rheinpreußischen Notariats, Bd. 2 1925; Recht und Rechtspflege
in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Reisinger-Selk, N.,
Heinrich Gottfried Daniels, 2008; Daniels, H., Vorlesungen, hg. v. Becker, C.,
2009
Dank
Lit.: His, R., Dank, ZRG GA 57 (1937), 474
Danzig an der Weichselmündung in die Ostsee wird am Ende des 10. Jh.s (997) als (pommerellische) Burg genannt. Seit dem ausgehenden 12. Jh. bringen deutsche Zuwanderer, die sich hauptsächlich beiderseits der Langgasse niederlassen, → lübisches Recht (1263) mit. Nach Zerstörung der Stadt (1236 civitas Danczik) durch den Deutschen Orden in Kämpfen um die Erbfolge im Herzogtum Pommerellen im Jahre 1308 erhält D. vom Hochmeister des Deutschen Ordens 1342/1343 → Kulmer Recht. 1454 löst sich das in vier Teile gegliederte D. vom Deutschen Orden und unterstellt sich Polen, wofür es verschiedene Vorrechte erhält.1792 kommt D. bei der zweiten Teilung Polens an Preußen, Nach dem Versailler Vertrag vom 20. 6. 1919 wird es, um Polen einen Ostseehafen zu sichern, am 15. 11. 1920 Freie Stadt (400000 Einwohner, 5 Prozent Polen, 1966 qkm), in der weiter deutsche Gesetze gelten. Diese freie Stadt D. ist ein Staatsgebilde mit beschränkter Souveränität ohne Staatsoberhaupt, aber mit Regierungsoberhaupt. Am 1. 9. 1939 wird D. in das Deutsche Reich eingegliedert. 1945/1990 fällt es an Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Simson, P., Geschichte
der Danziger Willkür, 1904; Keyser, E., Geschichte Danzigs, 1921; Keyser, E.,
Die Entstehung von Danzig, 1924; Loening, O., Untersuchungen zum ältesten Recht
von Danzig, ZRG GA 46 (1926), 206; Keyser, E., Der Streit um ein Danziger
Aufwertungsgesetz am Ende des 18. Jahrhunderts, ZRG GA 46 (1926), 383; Keyser,
E., Das älteste Danziger Stadtrecht, ZRG GA 48 (1928), 194; Methner, A., Zwei
alte Danziger Rechtssymbole, ZRG GA 57 (1937) 456; Hahlweg, W., Das Kriegswesen
der Stadt Danzig, 1937; Gierke, J. v., Danzigs deutsches Recht, ZHR 107 (1940),
161; Samsonowicz, H., Untersuchungen über das Danziger Bürgerkapital in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1969; Ruhnau, R., Danzig, 1971;
Lingenberg, H., Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen
Stadt Danzig, 1982; Ruhnau, R., Die Freie Stadt Danzig, 2. A. 1988; Wittreck,
F., Die Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland,
ZRG GA 121 (2004), 415
dare (lat.) geben
Darjes, Joachim
Georg (1714-1791), Schüler Christian Wolffs, bemüht sich in Jena und Frankfurt an
der Oder um eine systematische Gliederung des Privatrechts und entwickelt auf
römischrechtlicher Grundlage systematisch (1740) das erbrechtliche Parentelensystem.
→ Parentel
Lit.: Köbler, DRG 159, 162; Gärtner, F., Joachim Georg
Darjes und die preußische Gesetzesreform, 2007
Darlehen ist ein je
nach Gestaltung entweder einseitig verpflichtender Vertrag oder ein
gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine Teil (Darlehensnehmer)
verpflichtet, Geld oder andere vertretbare Sachen in gleicher Art, Güte und Menge,
wie er sie von dem anderen Teil (Darleiher) (zu Eigentum) erhält,
zurückzuerstatten. Das D. ist in der Form des (lat. [N.]) → nexum wohl
bereits dem altrömischen Recht bekannt (Selbstverpfändung für ein D.). Daneben
besteht das formfreie (lat. [N.]), grundsätzlich unentgeltliche → mutuum
als → Realkontrakt, aus dem der Gläubiger die (lat. [F.]) →
condictio als abstrakte Klage erhält, wobei Zinsen besonders vereinbart werden
müssen. Im frühmittelalterlichen Recht ist D. nur ein Fall der allgemeineren →
Leihe. Gegen das Nehmen eines Entgelts für das D. wendet sich schon in
karolingischer Zeit die christliche Kirche (Lukas 6,35 [lat.] mutuum date nihil
inde sperantes, gebt D. ohne etwas davon zu erhoffen). Gegen den Widerstand der
Kirche setzt sich aber mit der Geldwirtschaft das D. durch. Es wird zunächst
für Juden, dann auch für andere insofern bevorrechtigte Personen, schließlich
1654 durch den jüngsten Rechtsabschied auch allgemein erlaubt, wobei römisches
Recht des Darlehens (lat. [N.] mutuum) unter Abänderung aufgenommen wird.
Allerdings werden Höchstzinssätze (oft 6%) festgesetzt und wird die Berechnung
von Zinseszinsen verboten. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) trennt das
D. eindeutig von der Leihe (lat. [N.] commodatum). Das Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch (1811) versteht das D. als Realvertrag, doch entwickelt sich daneben
auch ein konsensauler Darlehensvertrag. Im Gefolge des Liberalismus fallen im
19. Jh. die Zinsschranken (ADHGB, 1861), doch bewirkt ein wuchermäßiges
Verhalten Unwirksamkeit einer Vereinbarung. 2002 wird in Deutschland das D.
(Gelddarlehen, 488 BGB) vom D. anderer vertretbarer Sachen (Sachdarlehen)
getrennt.
Lit.: Kaser §§ 6, 31, 32, 38, 39; Söllner §§ 9, 16, 18;
Hübner 591; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 45, 125, 127, 166, 213, 120,
241; Lübtow, U. v., Die Entwicklung des Darlehensbegriffs, 1965; Schulz, H.,
Darlehen und Leihe, Diss. jur. Göttingen 1922; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Dehesselles, T., Policey, Handel und Kredit im
Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, 1999
Daseinsvorsorge (Forsthoff,
E., Der totale Staat, 1933, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938) ist die
vorausplanende Gestaltung menschlichen Seins. Sie wird seit der zweiten Hälfte
des 19. Jh.s zunehmend Gegenstand der öffentlichen Verwaltung.→
Leistungsverwaltung
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
197, 259; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff.
1983ff.; Scheidemann, E., Der Begriff Daseinsvorsorge, 1991; Hermes, G.,
Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998; Laak, D. van, Der Begriff
Infrastruktur, Archiv für Begriffsgeschichte 41 (1999), 280; Kersten, J., Die
Entwicklung des Konzepts Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der Staat
44 (2005); Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, 2006;
Ringwald. R., Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, 2008
Datenschutz ist der
Schutz der Daten einer Person vor Missbrauch durch eine andere Person. Er
entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s als Folge der Verbreitung
der elektronischen Datenverarbeitung. Zu seiner Ausführung sind besondere
staatliche Datenschutzbeauftragte bestellt.
Lit.: Köbler, DRG 260
datio (lat. [F.]) Habe, Hingabe (z. B. bei Leihe, Verwahrung, Pfand)
Datio (F.) in solutum (lat.) ist die Leistung an Erfüllungs Statt. Bei ihr wird schon im klassischen römischen Recht der Schuldner nur befreit, wenn sie der Gläubiger als Erfüllung anerkennt.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 62
Dauer
Lit.: Krause, H., Dauer
und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206
DDR (Deutsche Demokratische Republik)
Decemviri (lat.
[M.Pl.]) ist im altrömischen Recht ein Ausschuss von 10 Männern zur Erledigung
allgemeiner Angelegenheiten (z. B. → Zwölftafelgesetz).
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 17, 19
De Chasseneuz,
Bartholomaeus (1480-1541) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Dôle,
Poitiers, Turin (1497) und Pavia (1499-1502) als Kronanwalt in Autun 1517
(lat.) Commentaria (N.Pl.) in consuetudines ducatus Burgundiae, den ersten
großen Kommentar zum partikularen Gewohnheitsrecht (franz. droit coutumier) in
Frankreich.
Lit.: Pignot, J., Bartholomaeus de Chasseneuz, 1880,
Neudruck 1970; Dugas della Boissony, C., Bartholomaeus de Chasseneuz, Diss.
jur. Dijon 1977
Deciani, Tiberio
(Udine 1509-Padua 1582), Patriziersohn, wird nach dem Rechtsstudium in Padua
(1523-1529) Anwalt in Udine und Venedig (1544). In seinem posthum
veröffentlichten (lat.) Tractatus (M.) criminalis (1590, Straftraktat)
entwickelt er ansatzweise einen allgemeinen Teil des Strafrechts mit einem
allgemeinen Straftatbestand.
Lit.: Schaffstein, F., Tiberio Deciani, Dt. Recht 3 (1938),
121
Decius, Philippus
ist ein in Mailand 1454 geborener, in Pavia und Pisa ausgebildeter, 1475
promovierter, dort, 1484 in Pisa, 1487 in Siena, 1487 in Pisa, 1502 in Padua
und später in Pavia und Pisa lehrender, vielleicht in Siena 1536 verstorbener
Jurist (lectura zu Digesten 50, 17, commentaria zu den Digesten, consilia).
L.: Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 875
Déclaration (F.) des droits de l`homme et du citoyen (franz.) ist die von der Nationalversammlung in Frankreich 1789 angenommene Erklärung der Menschenrechte bzw. Bürgerrechte, die 1791 der Verfassung vorangestellt wird.
Lit.: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg.
v. Schnur, R., 1964
Declaratio (F.) voluntatis (lat.) ist die in der frühen Neuzeit (seit Connan
1508-1551) allmählich ausgebildete allgemeine Grundfigur der →
Willenserklärung.
Lit.: Köbler, DRG 164; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
decreta (lat.
[N.Pl.]) (z. B. sog. decreta Tassilonis oder decretum Tassilonis von 756?-772?
(45 bayerische Synodalbestimmungen aus Aschheim, Dingolfing und Neuching),
Entscheidungen → Dekret, decretum
Lit.:
Hartmann, W., Die Synoden der Karolingerzeit, 1989
Decretio (F.) Childeberti
(lat., auch decretus, decretum) ist ein spätestens am 1. 3. 596 verkündetes,
vielleicht in verschiedenen Teilen aus verschiedenen Jahren stammendes, in 24
Textzeugen durch 21 noch greifbare Handschriften überliefertes Dekret
(Kapitular) des fränkischen Königs Childebert II. für Austrasien mit gemischten
Inhalten (z. B. Eintrittsrecht der Enkel, mehrfach Todesstrafe), das
überwiegend mit der für Neustrien bezeugten Lex Salica überliefert ist.
Lit.: Eckhardt, W., Die Decretio
Childeberti und ihre Überlieferung, ZRG GA 83 (1966), 1; Woll, I.,
Untersuchungen zu Überlieferung und Eigenart der merowingischen Kapitularien,
1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, 1995;
Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Kölzer, T., Die
merowingischen Kapitularien in diplomatischer Sicht (in) Scientia veritatis,
2004, 16ff.
Decretum (lat. [N.]) ist im römischen Prinzipat die Entscheidung (Urteil) des Prinzeps, mit der er unmittelbar Recht setzt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32
Decretum (N.) Burchardi (lat.)
ist die wohl zwischen 1008 und 1012 verfasste Kanonessammlung → Burchards
von Worms.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Decretum (N.) Gratiani (lat.)
ist die zwischen 1125 und 1140 (erste, durch vier bzw. fünf Handschriften
überlieferte, eher lehrbuchartige Fassung um 1140 [1139?] mit 1860 canones,
zweite, stärker quellensammelnde, aber keine Texte aus bisher nicht
verwendeten Sammlungen aufnehmende oder Ergänzungen aus schon benutzten Quellen
einfügende Fassung um 1144/1145?, erste gesicherte Benutzung 1158, insgesamt
mehr als 600 mittelalterliche Handschriften, noch ältere Vorstufe
möglicherweise in Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS 673) in Bologna
von dem (Kamaldulenser-)Mönch → Gratian auf Grund zahlreicher älterer
Sammlungen zusammengestellte Concordia discordantium canonum (Übereinstimmung
widersprüchlicher Regeln). Das Quellensammlung und Lehrbuch in sich vereinende
D. G. stellt ohne strenge Systematik die bis zum dritten lateranischen Konzil
(1139) entstandenen kirchlichen Rechtssätze (Konsilscanones, päpstliche
Dekretalen, Texte von Kirchenvätern [ca. 25%], Auszüge aus Bußbüchern,
römische Rechtssätze sowie biblische Sätze, insgesamt 3945 [lat. M.Pl.] canones
oder [lat. N.Pl.] capitula) zusammen. Sein erster Teil enthält 101 in Kapitel
(c.) geteilte Distinktionen (D.) oder allgemeine Bestimmungen und beginnt mit
einer allgemeinen Rechtslehre. Der zweite Teil befasst sich mit 36 in
Untersuchungen (lat. [F.Pl.] quaestiones) und Kapitel (lat. [N.Pl.] capitula)
gegliederten (fiktiven) Fällen oder (lat.) causae (C.), die beispielsweise das
Eherecht (C. 27ff.) oder die Buße (C. 33, quaestio 3 als Traktat ausgestaltet)
betreffen. Der dritte, wohl erst in der zweiten Fassung eingefügte Teil stellt
in 5 Distinktionen (und Kapiteln) unter der Überschrift (lat.) De consecratione
(Von der Weihe) das Recht der Weihe und anderer Sakramente dar. Eine wichtige
Quelle sind die Sammlungen des Ivo von Chartres (Panormia, nach 1095), ein
bedeutsames Vorbild Alger von Lüttichs (lat.) De misericordia et iustitia (Von
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit). An das D. G. schließt sich bald (vor 1150?)
eine wissenschaftliche Behandlung (Dekretistik in der Form von Glossen und
Summen z. B. Huguccio von Pisa) an, deren Glossen → Johannes Teutonicus
um 1215 zu einer (lat.) glossa (F.) ordinaria zum D. G. zusammenfasst (um 1245
von Bartholomaeus Brixiensis überarbeitet). Später bildet das D. G. den ersten
Teil des (lat.) → corpus (N.) iuris canonici. Vielleicht stammt die
Gliederung in Distinktionen von dem auch Zusätze verfassenden Schüler
Paucapalea. Zitierweisen sind seit der Nummerierung der Kapitel in der Ausgabe
Charles Dumoulins von 1553/1554 (nicht mehr die lateinischen Textanfänge der
Stellen, sondern) z. B. für den ersten Teil D. (Distinktion) 20. C. (Kapitel) 2
oder für den zweiten Teil C. (Causa) 9 q. (quaestio) 3 c. (capitulum) 11 oder
für den dritten Teil De cons. D. (Distinktion) 1 c. (Kapitel) 5.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102;
Studia Gratiana, Bd. 1ff. 1953ff.; Gaudemet, J., Das römische Recht in Gratians
Dekret, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 12 (1961), 177; Landau, P.,
Forschungen zu vorgratianischen Kanonessammlungen und den Quellen des
gratianischen Dekrets, Ius commune 11 (1984), 81; Winroth, A., The Two
Recensions of Gratian’s Decretum, ZRG KA 83 (1997); Weigand, R., Das kirchliche
Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997,
1331; Beyer, A., Lokale Abbreviationen des Decretum Gratiani, 1998; Larrainzar,
C., El borrador de la „Concordia“ de Graciano – Sankt Gallen Stiftsbibliothek
MS 673, Ius Ecclesiae 11 (1999), 593; Winroth, A., The Making of Gratian’s
Decretum, 2000
decretum (lat. [N.]) principis Entscheidung des (römischen) Kaisers in
Zivilprozessen und Strafprozessen
Decretum (N.) Tassilonis (lat.) ist die Bezeichnung für die Beschlüsse der Synoden (Versammlungen) von Aschheim, Dingolfing und Neuching, die unter Herzog Tassilo III. von Bayern (748-788) um 756, um 770 und 771 zur Regelung kirchenrechtlicher Fragen stattfinden.
Lit.: Barion, H., Die Verfassung der bayerischen Synoden
des 8. Jahrhunderts, Röm. Quartalschrift 38 (1930), 90; Hartmann, W., Die Synoden der
Karolingerzeit, 1989; Landau, P., Kanonessammlungen in Bayern, (in) FS K.
Reindel, 1995, 137
Decurio (M.) de gradus (lat.)
ist eine spätantike (6./7. Jh.?), systematische, an unbekanntem Ort
geschaffene, relativ reich und erheblich unterschiedlich überlieferte, etwa
eine Seite umfassende Übersicht über ein staatliches Ämterwesen (Kommandos,
Staatsämter und Herrscher, Hofämter und städtische Ämter, soziale Klassen und
grundherrliche Amtsträger [Ämtertraktat]), die vielleicht nur Lehrzwecken dient
und keiner bekannten Wirklichkeit vollständig entspricht.
Lit.: Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches
Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Beyerle, F., Das frühmittelalterliche
Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Barnwell, P., Epistula Hieronimi
de gradus Romanorum, Historical Research 64 (1991), 77
Dediticius (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der gewaltunterworfene Reichsangehörige (str.).
Lit.: Kaser §§ 3, 13, 16; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 30;
Köbler, DRG 35, 57
Defensor (M.) pacis (lat.
Verteidiger des Friedens) (1324) ist die wichtigste staatsrechtliche Schrift
des → Marsilius von Padua, in der er von der Herrschaft des Kaisers über
die christliche Kirche ausgeht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Segall, H.,
Der „Defensor pacis“ des Marsilius von Padua, 1959
Definition (F.) ist
die Inhaltsbestimmung eines (zu bestimmenden und insofern als verhältnismäßig
unbekannt angesehenen) Begriffs. Sie erfolgt durch (bestimmende) Angabe des übergeordneten
Gattungsbegriffs und des innerhalb der Gattung aussondernden oder
kennzeichnenden Einzelmerkmals (z. B. Frau ist [innerhalb]der [Gattung] Mensch,
der [welcher der Art nach] weiblich ist, F = Mw). Insbesondere seit
dem 18. Jh. werden diese Anforderungen präzisiert.
Lit.: Schröder, J., Definition und Deskription, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Forgó, N., Omnis definitio in iure
civili periculosa est, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 23
Deichrecht ist die
Gesamtheit der den Deich (als die gegen Fluten vorgenommene Erdaufschüttung)
betreffenden Rechtssätze, wie sie sich seit dem 10. oder 11. Jh. vor allem an
der Nordsee entwickeln. Dazu bildet sich zunächst teils freiwillig, teils
herrschaftlich ein Deichverband als Zwangsgenossenschaft der durch den Deich
unmittelbar geschützten Grundstücksberechtigten. Der Deichverband ist
Eigentümer des Deiches und verwaltet ihn durch eigene Organe (Deichgraf, Deichschöffe,
Deichgericht), sofern hierfür nicht die Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist
in Teile (Kabeln, Pfänder, Lose) zerlegt, für die ein jeweiliges Grundstück (d.
h. sein Nutzer oder Eigentümer) zu sorgen hat (Deichlast als Art Reallast). Wer
sein Kabel nicht ordnungsgemäß unterhält, muss mit dem Verlust seines Grundeigentums
rechnen (Wer nicht kann deichen, muss weichen bzw. wer nicht will deichen, darf
weichen). Seit dem 16. Jh. wird der Deichverband zur Staatsanstalt, die
Deichbaupflicht zur öffentlichen Last gegenüber dem Deichregalträger. Es
werden Deichordnungen aufgezeichnet oder auch erlassen (Kleve 1448, Eiderstedt
1592, Hamburg 1639, Wursten 1661, Braunschweig-Lüneburg 1664, Bremen 1693).
Das 19. Jh. kehrt zur Selbstverwaltung der Deichverbände zurück (Preußen Deichgesetz
1848). Bei der Schaffung der deutschen Rechtseinheit durch das Bürgerliche
Gesetzbuch (1896/1900) wird das D. dem Landesgesetzgeber überlassen. Seit dem
preußischen Wassergesetz des Jahres 1913 werden die Deichverbände als
Wassergenossenschaften behandelt.
Lit.: Schrader, C., Systematische Übersicht über das
Deichrecht, 1805; Harnisch, R., Deichgesetzgebung, 1886; Gierke, J. v., Die
Geschichte des deutschen Deichrechts, Teil 1f. 1901ff., Neudruck 1967;
Beckmann, A., Dijk- en Waterschapsrecht, Bd. 1f. 1905ff.; Gierke, J., Chrene
cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Bochalli, A.,
Wassergenossenschafts- und Deichrecht nach dem preußischen Wassergesetz, 2. A.
1925; Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Felkes,
E., Die geschichtliche Entwicklung der Deichlast in Nordfriesland, 1937;
Albers, E., Das Deichrecht im Amt Ritzebüttel, 1938; Römer, H., Die
Rechtsgeschichte der Koogs- und Deichverbände, 1938; Winsemius, J., De
historische ontwikkeling van het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden,
H. van der, De Cope, 1955; Obreen, H., Dijkplicht en Waterschappen aan
Frieslands Westkust, (1956); Buijtenen, M. u. a., Westergo’s Ysselmeerdijken,
1956; Djuren, H., Das Deichrecht im Lande Wursten, Diss. jur. Göttingen (um
1960); Ostfriesland im Schutze des Deiches, hg. v. Ohling, J., 1969; Blok, D.,
Wie alt sind die ältesten niederländischen Deiche, (in) Probleme der
Küstenforschung 15 (1984), 1; Gottschalck, M., Deich- und Wasserbau, 1985;
Petersen, S., Deutsches Küstenrecht, 1989; Ehrhardt, M., Ein guldten Bandt des
Landes, 2003; Fischer, N., Wassersnot und Marschengesellschaft, 2003; Nawotki,
K., Die schleswigsche Deichstavengerechtigkeit, 2004
Dei gratia (lat. [F.]) ist
eine von Karl dem Großen 768 nach biblischem und auch kirchlichem Vorbild (6.
Jh.) aufgegriffene, zunächst nur religiös zu verstehende Formel, mit welcher
der irdische Herrscher zum Ausdruck bringen will, dass seine Stellung von
Gottes Gnade herrührt. Ob die Vermittlung durch den Papst erfolgen muss, ist
zeitweise streitig.
Lit.: Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und
Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung
und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und
Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000
Dekalog sind die
zehn Gebote, die Moses auf dem Sinai (von Gott) empfängt (2. Moses 20,2-17, 5.
Moses 5,6-21). Der D. enthält klare Regeln für wichtige gesellschaftliche Störungen.
Die zugehörigen, den Nichtjuden durch das Christentum vermittelten Lösungen
beeinflussen das weltliche Recht großer Teile der gesamten Menschheit bis in
die Gegenwart.
Lit.: Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der
Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982
Dekan (M.) ist ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Dekret ist
allgemein die obrigkeitliche Entscheidung. Im Kirchenrecht ist D. das (lat.) →
Decretum (N.) Gratiani.
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der
ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.
Dekretale ist die
seit dem 4. Jh. n. Chr. (385 n. Chr. [lat.] Directa ad decessorem, Siricius an
Bischof Himerius von Tarragona) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts mit rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr häufige
Entscheidung des Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie
verkündende feierliche Erlass. Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise
die Sammlung des Dionysius Exiguus, die pseudoisidorischen Fälschungen, die
(lat.) Collectio (F.) Wigorniensis (um 1173/1174, noch unsystematisch), der
(lat.) Appendix (M.) concilii Lateranensis III (England um 1183, bereits
systematisch nach Titeln geordnet und teilweise auch in einzelne Blöcke
zerlegt), die Collectio Britannica oder die zwischen 1187 und 1226 (bzw.
1188/1190 und 1226) entstandenen sog. compilationes antiquae (lat. [F.Pl.] alte
Sammlungen, später sog. compilatio prima [= Breviarum extravagantium, geteilt
in fünf Bücher iudex, iudicium, clerus, conubia, crimen h. h. Richter, Gericht,
Klerus, Ehe, Verbrechen] 1188-1191 bzw. um 1188/1190 Bernardus Balbi von Pavia
bzw. Bernardus Papiensis [vor allem Dekretalen Alexanders III.] in 5 Büchern,
compilatio secunda des Johannes Galensis 1210-1212 [Dekretalen zwischen 1191
und 1198], compilatio tertia 1209/1210 [Papst Innozenz III. durch] Petrus
Beneventanus bzw. Petrus Collivaccinus [erste authentische Sammlung, Dekretalen
Papst Innozenz’ III.], compilatio quarta 1216 Johannes Teutonicus (mit Texten
insbesondere des vierten Laterankonzils, von Papst Innozenz III.
zurückgewiesen), compilatio quinta 1226 [Papst Honorius III. 1216-1227 durch]
Tancred bzw. Tancredus Bononienis). Sie werden auf Grund eines von Papst Gregor
IX. (1227-1241) 1230 erteilten Auftrags von dem spanischen Kirchenrechtler →
Raymundus de Penyafort (1180-1275) zu einer neuen ergänzten Dekretalensammlung
(mit 2139 Kapiteln zwischen 1140 und 1234) vereinigt, die am 5. 9. 1234 als
(lat.) Liber (M.) (decretalium) extra (Decretum Gratiani) veröffentlicht wird.
Sie gliedert sich in fünf Bücher (Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen).
Sie ersetzt alle älteren Sammlungen der Dekretalen. Eine zugehörige (lat.)
glossa (F.) ordinaria stammt von Bernardus Parmensis († 1266) bzw. →
Johannes Andreae († 1348). Die bedeutendste Summe ist die 1253 abgeschlossene,
seit 1477 so bezeichnete (lat. [F.]) Summa aurea (goldene Summe), die
wichtigste Kommentierung die zwischen 1262 und 1265 entstandene(lat.) Lectura
(F.), Lesung, des Hostiensis (Heinrich von Segusia, Susa vor 1200-Lyon 1270).
Zitiert wird dieser Liber extra z. B. als X 1. 2. 13.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Landau, P., Die Entstehung der
systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120; Kuttner, S.,
Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P., Kanones und
Dekretalen, 1997; Landau, P., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG KA 117
(2000), 86; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the early middle ages,
2001
Dekretalist ist der
die → Dekretalen (1234 nach Erscheinen des Liber extra) bearbeitende
Kirchenrechtler (z. B. Johannes Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis
[Summa aurea, goldene Summe, Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de Tudeschis
[Panormitanus]). Die Gesamtheit wie die Tätigkeiten der Dekretalisten werden
als Dekretalistik bezeichnet.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983
Dekretist ist der
das → Dekret Gratians bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Paucapalea,
Rufinus, Stephan von Tournai, Huguccio, Johannes Teutonicus).
Lit.: Kuttner,
S., Gratian and the Schools of Law, 1983
delatura (lat. [F.], Anzeigelohn?) → dilatura
De laudibus legum Angliae (lat., Über die Vorzüge des englischen Rechts) ist eine 1470 vom Richter Sir John → Fortescue verfasste Darstellung des → englischen Rechts im Vergleich zum festländischen Recht.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
delegatio (lat. [F.]) Anweisung
Delegation ist die Übertragung einer Aufgabe oder Zuständigkeit auf einen oder mehrere andere. Sie ist bereits der römischen Kaiserzeit bekannt. Im Mittelalter erfolgt die D. weltlicher oder geistlicher Gerichtsbarkeit seit dem 11./12. Jh. (lat. iurisdictio [F.] delegata). Im Heiligen römischen Reich wird die D. wegen des damit verbundenen Zuständigkeitsverlusts des Delegierenden seit der Errichtung des Reichskammergerichts eingeschränkt, in der Kirche seit den Konzilen von Konstanz, Basel und Trient, in den deutschen Ländern seit dem 18. Jh. Trotzdem ist die D. als Übertragung einer Zuständigkeit eines staatlichen Organs auf ein anderes, das danach die Zuständigkeit neben dem oder statt des Delegierenden ausübt, möglich. In Österreich sind die Delegationen 1867 ein 120 Mitglieder umfassendes Gesetzgebungsorgan für die pragmatischen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie, das rechtstatsächlich auf die Erstellung des entsprechenden Haushaltsplans beschränkt ist.
Lit.: Kaempfe, W., Die Begriffe der Jurisdictio Ordinaria,
Quasiordinaria, Mandata und Delegata, 1876; Canstein, R.? v., Jurisdictio
delegata und mandata im justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG 13 (1878),
491; Kümpel, J., Begriff und Abstufung der iurisdictio ordinaria und delegata,
1922; Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, Neudruck
1995; Endemann, W., Der Begriff der delegatio, 1959; Müller, H., Päpstliche
Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie, 1997; Reichard, I., Delegation und
Novation im klassischen römischen Recht, 1998; Olechowski-Hrdlicka, K., Die
gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001
De legibus et consuetudinibus
regni Angliae (lat.) (Treatise on the Laws and Customs
of England, Über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) ist eine
kurze, in lateinischer Sprache abgefasste Darstellung des englischen Rechtes
(common law) des 12. Jh.s (1187-1189?) auf der Grundlage der Rechtsprechung
der königlichen Gerichte (ausgenommen das siebente, Erbrecht behandelnde
Buch). Als Verfasser gilt Ranulf de → Glanvill.
Ein Einfluss des römischen Rechts ist nur in terminologischer Hinsicht
zweifelsfrei.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Delictum (lat. [N.]) ist im
römischen Recht die den Einzelnen, seine Familie oder sein Vermögen verletzende
Tat (zu lat. delinquere, V., zurücklassen ausgehen, fehlen, sich vergehen, z.
B. Diebstahl, Sachbeschädigung, Persönlichkeitsverletzung). Voraussetzung ist
Rechtswidrigkeit und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist anfangs die Vergeltung
am Täter selbst (z. B. Tötung, Körperverletzung), später die an die Stelle des
Racherechts tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), die entweder in einem
bestimmten Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des betroffenen
Gegenstandes bestehen kann. Hinzukommen können sachverfolgende Klagen. In der
Spätantike wird im Westen seit dem 4. Jh. zwischen Verbrechen und →
Delikt begrifflich nicht mehr unterschieden und das Ziel des nichtkriminellen
Verfahrens mehr und mehr als Schadensersatz verstanden. Justinian hält
demgegenüber strenger am klassischen Gedankengut fest, setzt aber je nach
Nützlichkeit der Angelegenheit für den Handelnden für die Ersatzpflicht meist
einen der verschiedenen Grade von Schuld voraus.
Lit.: Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW;
Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur
Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum
hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49
Delikt ist die
rechtswidrige schuldhafte Tat. Ihr folgt teils → Strafe, teils Buße.
Dabei wird mit der Aufnahme des römischen Rechts auch die Figur des (lat. [N.])
→ delictum übernommen. Im Strafrecht ist D. die mit öffentlicher Strafe
bedrohte Handlung, im Privatrecht die unerlaubte, zu Schadensersatz
verpflichtende Handlung (§§ 823ff. BGB).
Lit.: Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die Entwicklung
von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer,
E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des
Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 1976, 9. A. 2001,
10. A. 2006; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Zimmermann,
R./Verse, D., Die Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation des
deutschen Deliktsrechts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 319; Mohnhaupt-Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004;
Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006
Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, für eine unerlaubte Handlung zur Verantwortung gezogen
werden zu können. Sie fehlt
schon im römischen Recht den Geisteskrnken (furiosi) und Kindern (infantes).
Für das ältere deutsche Recht ist die tatsächliche Handhabung im Einzelfall
eher unklar. Mit der Rezeption wird die
Mündigkeit (Vollendung des 14. Lebensjahrs) maßgeblich für die D.
Demagoge (M.) Volksführer,
Volksverführer
Demagogenverfolgung ist die staatliche Verfolgung „revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen“ durch den → Deutschen Bund auf Grund der am 20. 9. 1819 vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen → Karlsbader Beschlüsse mit Hilfe einer in Mainz eingesetzten Zentraluntersuchungskommission. Die D. besteht beispielsweise in der Aufhebung der Zensurfreiheit von Universitätsprofessoren, in der Beseitigung von Rechtshindernissen für die Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Entfernung von Studenten von der Universität. In diesem Zusammenhang werden in Preußen 1836 192 Studenten verurteilt, davon einige zur Todesstrafe. Bekannte Verfolgte sind Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt, Joseph von Görres, Karl Friedrich Eichhorn, Friedrich Schleiermacher oder E. T. A. Hoffmann.
Lit.: Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit und akademische
Freiheit, 1979; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, §
30; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991
Demokratie (demokratia, griech.,
Volksherrschaft) ist die erstmals in → Athen unter Kleisthenes (508 v.
Chr.) in gewisser Weise verwirklichte Herrschaft des Volkes in einem
Gemeinwesen, die von Aristoteles als Entartung der Herrschaftsform Politie
angesehen wird. Nach der Antike gewinnt die D. trotz Erwähnung bei Martin
Luther (1539 für Schweiz und Dithmarschen), Samuel Pufendorf (1667 als
Gegensatz zum Reichstag) oder Johann Stephan Pütter (1787 für Reichsstädte)
erst wieder seit der französischen Revolution des Jahres 1789 tatsächliche
Bedeutung. Dabei wird teils auf die vollständige Gleichheit und Beteiligung
aller an der Herrschaft abgestellt, teils auf die Volkssouveränität, teils auf
Gewaltenteilung, Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Repräsentativsystem. Im Einzelnen
sind die Formen der verwirklichten D. dementsprechend verschieden (z. B. 1919
im Deutschen Reich eine mit plebiszitären Merkmalen angereicherte
parlamentarische D. mit vom Volk gewähltem Reichspräsidenten, 1949
Volksdemokratie der Deutschen Demokratischen Republik).
Lit.: Köbler, DRG 256; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1
1972, 821; Blumer, J., Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen
Demokratien, 1850ff.; Schmitt, C., Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen
Parlamentarismus, 2. A. 1926; Kelsen, H., Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2.
A. 1929; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966;
Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216
(1973), 553; Tormen, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951;
Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie im Weimarer Regierungssystem, 1971;
Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen
Bewegungen in Mitteleuropa, hg. v. Reinalter, H. u. a., Bd. 1 1992; Kurz, A.,
Demokratische Diktatur?, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A.
1995; Lepsius, M., Demokratie in Deutschland, 1993; Die athenische Demokratie,
hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Demokratie
in Rom?, hg. v. Jehne, M., 1995; Rudolph, K., Bibliographie zur Geschichte der
Demokratiebewegung, 1997; Kirchgässner, G. u. a., Die direkte Demokratie, 1999;
Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach
Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des
18. Jahrhunderts, 2001; Riethmüller, J., Die Anfänge des demokratischen Denkens
in Deutschland, 2001; Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in
Deutschland und Österreich 1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Fisahn,
A., Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002; Lamprecht, O., Das Streben
nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende
des 18. Jahrhunderts, 2002; Wegbereiter der Demokratie, hg. v. Asendorf, M., 2006;
Canfora, L., Eine kurze Geschichte der Demokratie, 2006; Raaflaub, K. u. a.,
Origins of Democracy, 2007; Verachtet, verfolgt, verdrängt - Deutsche
Demokraten, hg. v. Bockhofer, R., 2007
Demolombe, Jean
Charles Florent (1804-1887) verfasst als Zivilrechtslehrer in Caen einen
31bändigen, unvollendeten Kommentar (Cours) zum → Code civil (1845ff.).
Lit.: Jouen, L., Demolombe et ses œuvres, 1888
Demonstration (F.) Aufzeigung, Protestzug
Lit.: Dostal, C., 1968
– Demonstranten vor Gericht, 2006
Demoskopie (F.) Volksbefragung, Meinungsforschung
Lit.: Kruke, A.,
Demoskopie in der Bundesrepublik Deutschland, 2007
Denarius (lat. (M.) Zehner, zehn As) ist
eine römische, im Mittelalter sprachlich weitergeführte Münze.
Lit.: Luschin von
Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910; Reverchon, A., Metzer Denare,
2006
denegatio actionis (lat.) Verneinung des Klaganspruchs
Denkmalsrecht ist die Gesamtheit der überlieferten Zeugnisse eines Vorgangs oder einer Erscheinung betreffenden Rechtssätze. Vorformen des modernen Denkmalrechts gibt es vereinzelt bereits im Altertum und im Mittelalter. Die eigentliche Denkmalpflege beginnt wohl erst mit der Einsetzung Raffaels (1483-1520) als Leiter der Ausgrabungen Roms durch Papst Leo X. (1513-1521) 1516 und umfassende gesetzliche Regelungen gehören erst der jüngeren Neuzeit an.
Lit.: Hammer, F., Die geschichtliche Entwicklung des
Denkmalrechts in Deutschland, 1995; Wolf Di Cecca, C., Belege für
denkmalpflegeriche Gesetze und Maßnahmen in Antike und Mittelalter, ZRG GA 112
(1995), 440; Denkmalpflege, hg. v. Huse, N., 1996; Speitkamp, W., Die
Verwaltung der Geschichte, 1996; Mieth, S., Die Entwicklung des Denkmalrechts
in Preußen, 2005
Denuntiatio (F.) evangelica (lat.) ist die lateinische Bezeichnung des auf Matthäus
18,15-17 zurückgehenden kirchlichen Anzeigeverfahrens über ein Fehlverhalten.
Dieses setzt seit Innozenz III. (1160/1161-1216, 1199/1209) ein Verhalten gegen
die Interessen der Kirche voraus, das der Vorgesetzte nach vergeblichen
Ermahnungen anzeigen darf, wobei der Anzeigende weder nachweisen noch Kosten
tragen muss. Die Auferlegung einer Buße erfolgt in einem freien Verfahren.
Gegen Ende des 17. Jh.s verliert die d. e. als besonderes Verfahren ihre
Bedeutung wieder.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972,
439; Sauerland, K., 30 (Dreißig) Silberlinge, 2000
Denunziation ist allgemein die Mitteilung,
Anzeige. Ausgehend von der (lat.) →
denuntiatio (F.) evangelica wird im gemeinen Strafrecht
(Clarus, Practica criminalis, 1578) darunter die Strafanzeige mit dem Ziel der
Wahrheitsermittlung verstanden, wobei Vorteile und Gefahren der D. durchaus
gesehen und erörtert werden. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s, verstärkt in
der ersten Hälfte des 19. Jh.s entwickelt sich unter dem Einfluss der
Aufklärung und des Liberalismus die Bedeutung der böswilligen, hinterlistigen
und verräterischen Anzeige an die Polizei.
Lit.: Denunziation, hg.
v. Jerouschek, G. u. a., 1997; Sauerland, K., 30 Silberlinge, 2000; Koch, A.,
Denunciatio, 2006; Nolte, J., Demagogen und Denunzianten, 2007; Böske, S.,
Denunziationen in der Zeit des Nationalsozialismus, Diss. jur. Bielefeld 2008
Depositio (lat.
[F.]) ist die → Hinterlegung an einer bestimmten öffentlichen Stelle, die
bereits im klassischen römischen Recht bei Gläubigerverzug dem Schuldner
bestimmte Erleichterungen verschafft.
Lit.: Kaser § 53 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.
Depositum (lat.
[N.] Verwahrung) ist im römischen Recht die → Hinterlegung einer
beweglichen Sache, die der Verwahrer zurückzugeben hat, sobald es der
Hinterleger verlangt. Gibt der Verwahrer nicht zurück, so hat nach dem
Zwölftafelgesetz der Hinterleger eine Klage wegen Unterschlagung auf das
Doppelte. Später entwickelt sich hieraus eine Klage aus Vertrag auf
grundsätzlich nur den einfachen Wert. Depositum irregulare (unregelmäßige Verwahrung)
ist die Verwahrung, bei welcher der Verwahrer das verwahrte Geld gebrauchen
darf, aber zur Rückzhalung desselben Betrags und gegebenenfalls vereinbarter
Zinsen verpflichtet ist.
Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 45
Depot (N.)
(Verwahrung, Verwahrungsort)
Depotgesetz ist das
für Deutschland 1896 geschaffene Gesetz über die Verwahrung von Wertpapieren.
Lit.: Buxbaum,
C., Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, 2002
Deputat (N.)
Zugeschriebenes, Arbeitsentgelt in Sachleistung
Derby (ae.
Northworthige) am Derwent geht auf das römische Lager Derventio zurück. 1204
erlangt es Stadtrecht. 1841 wird es Sitz einer Universität.
Lit.: Wright, S., The Derbyshire Gentry,
1983
Derelictio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die Aufgabe von → Eigentum und →
Besitz durch einen bisherigen Eigentümer ohne Zuwendung an einen neuen
Eigentümer. Das Eigentum erlischt nach den Sabinianern mit der Preisgabe, nach
den Prokulianern mit der Aneignung durch einen anderen. Nachfolgender
ursprünglicher Erwerb von Eigentum und
Besitz durch jedermann sind grundsätzlich rechtmäßig.
Lit.: Kaser § 26; Meyer-Collings, J., Derelictio, 1932;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985; Hoyer, H., Die Dereliktion
von Liegenschaften (in) FS Wilhelm Brauneder, 2008, 181
Dereliktion (F.) Eigentumsaufgabe und Besitzaufgabe ohne Eigentumsererwerb und
Besitzerwerb eines andern
Der Ältere teilt, der Jüngere wählt
ist ein bereits bei Seneca (1-65 n. Chr.), Controv. 6, 3 ([lat.] maior frater
dividat patrimonium, minor eligat, der größere Bruder soll das Vatergut teilen,
der kleinere aus den Teilen auswählen), Augustinus (354-430), De civitate Dei
cap. 20 ([lat.] quando terrenorum aliquid partiendum est, maior dividat, minor
eligat, wenn etwas Irdisches zu teilen ist, soll der Größere teilen und der
Kleinere wählen) und im Sachsenspiegel Eike von Repgows (1221-1224, Wo zwei zur
Erbschaft kommen, soll der Ältere teilen und der Jüngere wählen) Satz. Hinter
ihm steht die Einsicht, dass der Teilende nur dann so gut wie möglich teilen
wird, wenn er befürchten muss, dass eine ungleiche Teilung durch das Wahlrecht
des anderen sich gegen ihn wenden kann. Dementsprechend wird nur ein
skrupelloser Betrüger als Jüngerer z. B. eine Zahl von Prüflingen absichtlich
ungleich teilen, wahrheitswidrig die Gleichheit der offensichtlich grob
ungleichen Teile behaupten und sich selbst den größeren Teil nehmen.
Lit.: Voltelini, H. v.,
Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478
Der Hehler ist nicht besser als der Stehler.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 170 (Graf/Dietherr 1864)
derivativ (abgeleitet)
derivativer Erwerb,
abgeleiteter → Eigentumserwerb (im römischen Recht z. B. durch
mancipatio, in iure cessio oder traditito, in der Gegenwart durch Übereignung)
Der König ist
gemeiner Richter überall.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 211 (Sachsenspiegel, 1221-1224, Landrecht III 26 §
1)
Dernburg, Heinrich
(Mainz 3. 3. 1829-Berlin 23. 11. 1907), Sohn eines jüdischen, 1841 getauften Gießener
Rechtsprofessors, wird nach dem Studium in Gießen und der Habilitation in
Heidelberg (1852, Vangerow) Professor in Zürich, Halle (1862) und Berlin (1872)
und Mitglied des Herrenhauses Preußens. 1871 veröffentlicht er ein dreibändiges
Lehrbuch des preußischen Privatrechts, 1884 ein dreibändiges Lehrbuch des
Pandektenrechts und 1898 ein dreibändiges Lehrbuch des bürgerlichen Rechts des
Deutschen Reiches und Preußens.
Lit.: Süss, W., Heinrich Dernburg, 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 231
Der rechte Weg
Lit.:
Der rechte Weg. Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F.,
2000
Der Schlüssel des sächsischen Landrechts ist eine (in 17 Handschriften und Fragmenten
überlieferte), 1421 vorliegende Gesamtverarbeitung des in Sachsenspiegel,
Sachsenspiegelglosse und Schwabenspiegel enthaltenen Rechtsstoffs in
alphabetischer Reihenfolge durch einen unbekannten Verfasser.
Lit.:
Sinauer, E., Der Schlüssel des sächsischen Landrechts, 1928
Descartes (Cartesius), René (La Haye 31. 3. 1596–Stockholm 11. 2. 1650), wird nach dem Besuch der
Jesuitenschule La Flèche Mathematiker und Philosoph. Als einzige Gewissheit
gilt ihm die Selbstgewissheit im Denken (lat. cogito, ergo sum, ich denke, also
bin ich). Hieraus entwickelt er durch vernunftbezogene Ableitung (deduktiv) das
systematische Gedankengebäude des Rationalismus, der die Aufklärung fördert.
Lit.: Röd, W., Die Genese des Cartesianischen
Rationalismus, 3. A. 1995; Schütt, H., Die Adoption des Vaters der modernen
Philosophie, 1998; Descartes im Diskurs der Neuzeit, hg. v. Niebel, W. u. a.,
1999; Schultz, U., Descartes, 2001; Descartes und Deutschland, hg. v. Ferrari,
J. u. a., 2009
Desertion (F.) Fahnenflucht
Lit.: Fritsche,
M., Entziehungen, 2004; Salisch, M. v., Treue Deserteure, 2008
Designation (Bezeichnung) ist die
(während einer Amtszeit erfolgende) Berufung eines Menschen in ein Amt oder
eine Herrschaft (als Nachfolger). Sie kann dort stattfinden, wo Erblichkeit
nicht gilt oder grundsätzlich mehrere Erben nebeneinander berechtigt sind.
Bedeutung erlangt die D. in der Form der Einigung des Königs mit den Großen
insbesondere für das Königtum im fränkisch-deutschen Reich zwischen dem 9. und
13. Jh. (z. B. Bestimmung Ludwigs des Frommen zum Mitkaiser Karls des Großen
813, Bestimmung Lothars I. zum Mitkaiser Ludwigs des Frommen 817).
Lit.: Heinze, O., Designation, Diss. phil. Göttingen 1913;
Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 36; Schreyer,
B., Zum Begriff der Designation bei Widukind, ZRG GA 67 (1950), 407; Wolf, G.,
Designation und designare bei Widukind von Corvey, ZRG GA 73 (1956), 372; Wolf,
G., Über die Wort- und Rechtsbedeutung von „designare“, ZRG GA 75 (1958), 367;
Giese, W., Zu den Designationen, ZRG GA 92 (1975), 174; Giese, W., Designative
Nachfolgeregelungen in germanischen Reichen der Völkerwanderungszeit, ZRG GA
117 (2000), 39; Giese, W., Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge in
langobardischen Herzogtümern und Fürstentümern, ZRG GA 119 (2002), 44; Giese,
W., Die designativen Nachfolgeregelungen der Karolinger, DA 64 (2008), 437
Deszendent (M.) Abkömmling,
Verwandter in absteigender Linie wie z. B. Tochter, Enkel, Gegensatz Aszendent
detentio (lat. [F.]) → Innehabung
detentor (lat. [M.]) Inhaber, →
Innehabung
Deutsch ist ein zu
ahd. diot, F., Volk (bzw. vielleicht schon in der Völkerwanderungszeit zu germ.
*theuda, F., Volk, idg. *teuto, F., Volk) gebildetes Adjektiv (diotisk), das
zunächst in seinen ältesten Belegen (8. Jh.) den sprachlichen Gegensatz der
Volkssprache zum Lateinischen zum Ausdruck zu bringen scheint und erst gegen
Ende des Frühmittelalters auf ein neues einheitliches Volk bezogen wird. Die
deutsche Sprache gliedert sich in hochdeutsch im Süden und niederdeutsch im
Norden und in die zeitlichen Abschnitte Altdeutsch (Althochdeutsch 500-1065,
daneben Altsächsisch, Altniederfränkisch), Mitteldeutsch (Mittelhochdeutsch
1065-1500, Mittelniederdeutsch) und Neudeutsch (Neuhochdeutsch ab 1500 bzw.
1350). Seit dem 18. Jahrhundert löst es in seinem Bereich Latein als Wissenschaftssprache
ab. Nach dem ersten Weltkrieg (1918) wird D. als internationale Wissenschaftssprache
auf Betreiben der alliierten Siegermächte boykottiert, nach dem zweiten
Weltkrieg verliert es sein bisheriges Gebiet nahezu vollständig an das Angloamerikanische.
Lit.: Köbler, DRG 76; Köbler, WAS; Schmidt, E., Geschichte
des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Kaindl, R.,
Geschichte der Deutschen in Galizien bis 1772, 1907; Aubin, H., Von Raum und
Grenzen des deutschen Volkes, 1938; Deutsch als Wissenschaftssprache, hg. v.
Kalverkämper, H. u. a., 1986; Thomas, H., Der Ursprung des Wortes theodiscus,
HZ 247 (1988), 295; Ammon, U., Die internationale Stellung der deutschen
Sprache, 1991; Jarnut, J., Teotischiis homines (a. 816), MIÖG 104 (1996), 26;
Jacobs, H., Theodisk im Frankenreich, 1998; Goblirsch, K., Lautverschiebungen
in den germanischen Sprachen, 2005; Schmidt, W., Geschichte der deutschen
Sprache, 10. A. 2006; Reinbothe, R., Deutsch als internationale Wissenschaftssprache,
2006; Schneider, R., Die Anfänge der deutschen Geschichte, ZRG GA 124 (2007), 1
Deutschböhmen s. Böhmen
Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Unternehmer und Lohnabhängigen ist die 1933 die Gewerkschaft ersetzende nationalsozialistische Einrichtung des Arbeitswesens, die 1936 rund 20 000 000 (freiwillige) Mitglieder hat.
Lit.: Köbler, DRG 242
Deutsche Bank ist die führende
Aktiengesellschaft des Bankwesens in Deutschland.
Lit.: Gall, L. u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995, 1995;
James, H., Die Deutsche Bank und die Arisierung, 2001; James, H., Die Deutsche
Bank im Dritten Reich, 2003; Bakrai, A., Oscar Wassermann und die Deutsche
Bank, 2005
Deutsche Bundesakte (8. 6.
1815) ist die auf völkerrechtlicher Vereinbarung beruhende Verfassung des →
Deutschen Bundes.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DeutscheBundesakte1815.htm
Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist der am 7. 10. 1949 durch Beschluss des Volkskongresses
aus der sowjetisch besetzten Ostzone des Deutschen Reiches als Volksrepublik
nach sowjetischem Muster entstandene, von der Sowjetunion gegen einen
Volksaufstand vom 17. 6. 1953 gewaltsam gesicherte, mit der Deklaration der
Regierung der Sowjetunion vom 25. 3. 1954 formell aus dem Besatzungsstatus in
die Souveränität entlassene, vertraglich und tatsächlich aber an die
Sowjetunion gebundene, nach dem Mauerbau seit 13. 8. 1961 künstlich
abgeschlossene, nach Protesten des Volkes durch Öffnung der Mauer am 9. 11.
1989 wieder frei zugängliche, (nach Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990) zum 3.
10. 1990 durch Beitritt in der Bundesrepublik Deutschland aufgegangene
deutsche Staat. Die DDR ist von der 1946 aus Kommunistischer Partei und
Sozialdemokratischer Partei hervorgegangenen Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands (SED) beherrscht (24. 1. 1950 Beschluss zur Gründung eines eigenen
Kabinettsressorts für Staatssicherheit, 1989 91000 Mitarbeiter, 173000
informelle Mitarbeiter, 110000 politische Häftlinge). Die Wirtschaft ist (anfangs
noch nicht vollständig) zentralistische Planwirtschaft (1970 noch 15 Prozent
mittlere und kleinere Privatunternehmen, 1972 noch 11400 zumindest teilweise
private Betriebe), die Gesellschaft egalitär und die Geisteshaltung
materialistisch ausgerichtet. Die äußerlich konservative, an die →
Weimarer Reichsverfassung von 1919 angelehnte, gesamtdeutsch geplante, aber
weder Gewaltenteilung (stattdessen Gewalteneinheit) noch Opposition
(stattdessen Blocksystem der Parteien) kennende, einen Einparteienstaat ohne
freie Wahlen bewirkende Verfassung vom 7. 10. 1949 wird durch eine zweite, die
sozialistischen Errungenschaften absichernde, am 7. 10. 1974 die Vorstellung
einer deutschen Nation preisgebende Verfassung abgelöst. Wichtigste
Staatsorgane sind (seit 1960) Staatsrat (9 Mitglieder), Ministerrat (7
Mitglieder), Volkskammer (sowie Sekretariat des Zentralkomitees der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Politbüro des Zentralkomitees
der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands mit den zusätzlichen Einrichtungen
Nationaler Verteidigungsrat, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Gesellschaft
für deutsch-sowjetische Freundschaft und Präsidium des Nationalrates der
Nationalen Front). Die Verwaltung kennt weder Föderalismus noch kommunale Selbstverwaltung
noch Berufsbeamtentum. Die in das Oberste Gericht, Bezirksgerichte und
Kreisgerichte gegliederte Gerichtsbarkeit entbehrt einer
Verfassungsgerichtsbarkeit und einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist aber von
besonderen gesellschaftlichen Gerichten ergänzt. In den ersten zehn Jahren des
Bestandes des Staates fliehen 2,7 Millionen Einwohner in den Westen. Das
Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 wird von einem eigenen Strafgesetzbuch
(12. 1. 1968) abgelöst, das bis 1987 an der 1981 letzmals vollstreckten
Todesstrafe festhält. Das Bürgerliche Gesetzbuch, dessen Bedeutung durch die
Aussonderung des Vertragsrechts und des Wirtschaftsrechts verringert wird,
wird zum 1. 1. 1976 durch ein vereinfachendes, nur 480 Paragraphen umfassendes
Zivilgesetzbuch (19. 6. 1975, ohne allgemeinen Teil und ohne Abstraktionsprinzip)
ersetzt, in dem Vertrag, Eigentum und Erbrecht von geringer Bedeutung sind
(Versorgungsrecht für die Bürger). Das Familienrecht ist durch ein Familiengesetzbuch
vom 20. 12. 1965 geordnet, das Arbeitsrecht durch ein Arbeitsgesetzbuch (12. 4.
1961). Für den Zivilprozess wird 1975 eine neue Zivilprozessordnung geschaffen
(Amtsermittlungsgrundsatz). Aus rechtsstaatlicher Sichtweise wird die D.
insgesamt sehr kritisch, wenn auch günstiger als die nationalsozialistisch
beherrschte Zeit zwischen 1933 und 1945 beurteilt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
245, 250, 261ff., 271ff.; Martin, M., Zivilrecht der DDR Sachenrecht, 1956;
Wiedemann, H., Das sozialistische Eigentum in Mitteldeutschland, 1964;
Geschichte der Rechtspflege der DDR, hg. v. Benjamin, H., Bd. 1f. 1968ff.;
Markovits, I. Sozialismus und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reiland,
W., Die gesellschaftlichen Gerichte der DDR, 1971; Suermann, W., Verwaltungsrechtsschutz
in der DDR, Diss. jur. Göttingen 1971; Ortslexikon der Deutschen Demokratischen
Republik, 2. A. 1974; Brunner, G., Einführung in das Recht der DDR, 1975, 2. A.
1979; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel,
H., 1977; Schuller, W., Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts in
der DDR bis 1968, 1980; BRD und DDR. Die beiden deutschen Staaten im Vergleich,
hg. v. Jesse, E., 1981; Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, hg. v. d.
Humboldt-Universität, 1983; Schroeder, F., Das Strafrecht des realen
Sozialismus, 1983; Staritz, D., Die Gründung der DDR, 1985; Autorenkollektiv
Wirtschaftsrecht, 1986; Autorenkollektiv Strafrecht der DDR, 1988; Wolle, S.,
Die heile Welt der Diktatur, 1988; Weber, H., Die DDR 1945-1990, 3. A. 2000;
Das Oberste Gericht der DDR - Rechtsprechung im Dienste des Volkes, 1989;
Fricke, K., Politik und Justiz in der DDR, 2. A. 1990; Haase, H., Das
Wirtschaftssystem der DDR, 1990; Sommer, H., Gesellschaftsformen der DDR, NJW
1990, 676ff.; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v.
Mohnhaupt, H., 1991; Fricke, K., MfS intern, 1991; Brunner, G., Was bleibt
übrig vom DDR-Recht nach der Wiedervereinigung?, JuS 1991, 353; Weber, H., DDR,
1991; Markovits, I., Die Abwicklung, 1992; Wer war wer in der DDR?, hg. v.
Müller-Enbergs, H. u. a., 1992, 2. A. 1995, 3. A. 2000, 4. A. 2006 (3213
Biogramme); Eisert, W., Die Waldheimer Prozesse, 1993; Steuerung der Justiz in
der DDR, hg. v. Rottleuthner, H., 1994; Hagemann, F., Der Untersuchungsausschuss
freiheitlicher Juristen 1949-1969, 1994; Entnazifizierungspolitik der KPD/SED
1945-1948, hg. v. Rösler, R., 1994; Eine Diktatur vor Gericht, hg. v. Weber,
J. u. a., 1995; Das Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975, hg. v. Eckert,
J. u. a., 1995; Werkentin, F., Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht,
1995; Die Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995; Beckert, R., Die erste
und letzte Instanz, 1995; Mielke, H., Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR,
1995; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur
Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Die Vertriebenen in der SBZ/DDR, hg.
v. Wille, M., Bd. 1ff. 1996ff.; Rechtswissenschaft in der DDR 1949-1971, hg. v.
Dreier, R. u. a., 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996;
Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Mampel, Die sozialistische
Verfassung, 3. A. 1996; Wendel, E., Ulbricht als Richter und Henker, 1996;
Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Johmann, U., Die Entwicklung
des Sozialrechts in der DDR, 1996; Liwinska, M., Die juristische Ausbildung in
der DDR, 1997; Haerendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997;
Rechtserfahrung DDR, hg. v. Dilcher, G., 1997; Feth, A., Hilde Benjamin, 1997;
Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“,
1997; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Heitmann, S.,
Die Revolution in der Spur des Rechts, 1997; Kaiser, M., Machtwechsel von
Ulbricht zu Honecker, 1997; Harendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit,
1997; Trute, H., Die Überleitung des Personals, 1997; Lexikon des
DDR-Sozialismus, hg. v. Eppelmann, R., 2. A. 1997; Walter, M., Die Freie
Deutsche Jugend, 1997; Kraut, G., Rechtsbeugung?, 1997; Kluge, U. u. a.,
Willfährige Propagandisten, 1997; Schwan, H., Erich Mielke, 1997; Volksrichter
in der SBZ/DDR 1945-1952, hg. v. Wentker, H., 1997; Mählert, U. Kleine
Geschichte der DDR, 1998; Offenberg, U., Seid vorsichtig gegen die Machthaber,
1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Handloik, V./Hauswald, H., 1998; Schroeder, K., Der
SED-Staat, 1998; Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v.
Lück, H., 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Die
Strafrechtsjustiz der DDR, hg. v. Drobnig, U., 1998; Hoffmann, H., Die Betriebe
mit staatlicher Beteiligung, 1998; Laufs, A., Recht und Unrecht in der DDR,
1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Grote, M., Die
DDR-Justiz vor Gericht, Diss. jur. Hannover 1998; Harder, G., Das verliehene
Nutzungsrecht, 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Drommer, G., 1999; Maier, C., Das
Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Zum Stand der
Deutschen Einheit: Recht und innere Sicherheit, NJW 1999, 1450; Widerstand und
Opposition in der DDR, hg. v. Henke, K., 1999; Überwindung der Folgen der
SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit, hg. v. Deutschen Bundestag, Bd.
1ff. 1999; Papier, H./Möller, J., Die rechtsstaatliche Bewältigung von
Regime-Unrecht, NJW 1999, 3289; Wagner, H., Hilde Benjamin und die
Stalinisierung der DDR-Justiz, 1999; Zivilrechtskultur der DDR, hg. v.
Schröder, R., 1999ff.; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration in
Deutschland, 1999; Schäfer, B., Staat und katholische Kirche in der DDR, 2. A.
1999; Kloth, H., Vom Zettelfalten zum freien Wählen, 2000; Raschka, J.,
Justizpolitik im SED-Staat, 2000; Grün, B., Vom Teilungsunrecht zum Wiedervereinigungsrecht,
2000; Rössler, R., Justizpolitik in der SBZ/DDR, 2000 (nicht erschienen);
Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, hg. v. Veen, H., 2000;
Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1ff.
Wahlfälschung u. a., 2000ff.; Schroeder, F., Zehn Jahre strafrechtliche
Aufarbeitung des DDR-Unrechts, NJW 2000, 3017; Rummler, T., Die Gewalttaten an
der deutsch-deutschen Grenze, 2000; Fahnenschmidt, W., DDR-Funktionäre vor
Gericht, 2000; Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Hohoff, U.,
An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestandes, 2000; Mierau, J., Die
juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2000; Die DDR –
Recht und Justiz als politisches Instrument, hg. v. Timmermann, H., 2000;
Werkentin, F., Recht und Justiz im SED-Staat, 2. A. 2000; Die DDR und der
Westen, hg. v. Pfeil, U., 2001; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der
SBZ/DDR, 2001; Gieseke, J., Mielke-Konzern, 2001; Eine Revolution und ihre
Folgen, hg. v. Jesse, E., 2001; Raschka, J., Zwischen Überwachung und
Repression, 2001; Wulf, M., Erich Honecker, 2001; Rüthers, B., Geschönte
Geschichten, 2001; Wentker, H., Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953, 2001; Zehn
Jahre deutsche Rechtseinheit, hg. v. Koch, E., 2001; Schönfeldt, H., Vom
Schiedsmann zur Schiedskommission, 2002; Ihme-Tuchel, B., Die DDR, 2002;
Holzweißig, G., Die schärfste Waffe der Partei – Eine Mediengeschichte der DDR,
2002; Armee ohne Zukunft, hg. v. Ehlert, H., 2002, Mahlmann, C., Die
Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Heuer, U., Im Streit, 2002; Blümmel, R.,
Der Opferaspekt bei der strafrechtlichen Vergangenheitsbewältigung, 2002;
Soziale Ungleichheit in der DDR, hg. v. Mertens, L., 2002; Howe, M., Karl
Polak, 2002; Horstmann, T., Logik der Willkür. Die zentrale Kommission für
staatliche Kontrolle, 2002; Strafjustiz und DDR-Unrecht, Bd. 2 Gewalttaten an
der deutsch-deutschen Grenze, hg. v. Marxen, K. u. a., 2002; Reichhelm, N., Die
marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie Karl Polaks, 2003; Knabe,
H., 17. Juni 1953, 2003; Staat und Kirchen in der DDR, hg. v. Dähn, H. u. a.,
2003; Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung, hg. v. Eppelmann, R. u. a.,
2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Alltag in der DDR, 2003; Hoeck, J.,
Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen
Demokratischen Republik, 2003; Bauer, T., Blockpartei und Agrarrevolution von
oben. Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands 1948-1963, 2003; Leupolt, S.,
Die rechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, 2003; Lindenberger, T.,
Volkspolizei, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003;
Heydemann, G., Die Innenpolitik der DDR, 2003; Scholtysek, J., Die Außenpolitik
der DDR, 2003; Glees, A., The Stasi Files, 2003; Kowalczuk, I., Geist im Dienst
der Macht, 2003; Rechtsprobleme der Restrukturierung landwirtschaftlicher
Unternehmen in den neuen Bundesländern nach 1989, hg. v. Bayer, W., 2003; Ebbinghaus,
F., Ausnutzung und Verdrängung, 2003; Mollnau, K., Recht und Juristen im
Spiegel der Beschlüsse des Politbüros und Sekretariats der SED, 2003;
Reichhelm, N., Die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie Karl
Polaks, 2003; Schneider, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004;
Grafe, R., Deutsche Gerechtigkeit, 2004; Korzilius, S., Asoziale und Parasiten
im Recht der SBZ/DDR, 2005; Grütz, R., Katholizismus in der DDR-Gesellschaft
1960-1990, 2004; Peterson, E., The Limits of Secret Police Power, 2004;
Digutsch, G., Das Ende der nationalen Volksarmee, 2004; Baumgarten, K./Freitag,
P., Die Grenzen der DDR, 2004; Osterburg, D., Das Notariat in der DDR, 2004;
Korzilius, S., Asoziale und Parasiten im Recht der SBZ/DDR, 2005; Thiemrodt,
P., Die Entstehung des Staatshaftungsgesetzes der DDR, 2005; Arp, A., VEB.
Vaters ehemaliger Betrieb, 2005; Weinreich, B., Strafjustiz und ihre
Politsierung in SBZ und DDR bis 1961, 2005; Wolff, F., Einigkeit und Recht,
2005, 2. A. 2005; Seibel, W., Verwaltete Illusionen – Die Privatisierung der
DDR-Wirtschaft durch die Treuhandanstalt, 2005; Bauerkämper, A., Die
Sozialgeschichte der DDR, 2005; Kurze, D., Sozialistische Betriebe und
Institutionen als Verklagte im DDR-Zivilprozess, 2005; Sozialstaatlichkeit in
der DDR, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2005; Schöne, J., Frühling auf dem Lande?
Die Kollektivierung, 2005; Ritter, G., Der Preis der Einheit, 2006; Markovits,
I., Gerechtigkeit in Lüritz, 2006; Windmüller, J., Ohne Zwang kann der
Humanismus nicht existieren, 2006; Inszenierungen des Rechts, hg. v. Marxen, K.
u. a., 2006; Republikflucht, hg. v. Melis, D. van u. a., 2006;
Fischer-Langosch, P., Die Entstehung des Familiengesetzbuches der DDR von
1965, 2007; Johannsen, L., Die rechtliche Behandlung ausreisewilliger Staatsbürger
in der DDR, 2007; Behling, K./Eik, J., Vertuschte Verbrechen – Kriminalität in
der Stasi, 2007; Rickmers, E., Aufgaben und Struktur der Bezirkstage und Räte
der Bezirke in der DDR 1952-1990/91 am Beispiel des Bezirkes Cottbus, 2007;
Rohrer, F., Strafjustiz im Dritten Reich und in der SBZ/DDR, 2007; Riegel, P.,
Der tiefe Fall des Professors Pchalek, 2007; Müller, S., Das
administrative Element im Zivilrecht der DDR. Diss. jur. Jena 2007; Fulbrook,
M., Das ganz normale Leben, 2008; Sperlich, P., The East German social courts,
2007; Wuttke, J., Konfliktvermeidung und Streitbeilegung in
Familienrechtssachen in der DDR, 2008; Willing, M., Sozialistische Wohlfahrt,
2008; Wolfrum, E., Die DDR, 2008; Segert, D., Das 41. Jahr 2009; Rogg, M.,
Armee des Volkes, 2008; Vinke, H., Die DDR, 2008; Hirsch, S., Der Typus des
sozial desintegrierten Straftäters, 2008; Schulz, G., Mitteldeutsches Tagebuch,
2009; Die demokratische Revolution 1989 in der DDR, hg. v. Conze, E. u. a.,
2009; Kowalczuk, I., Endspiel, 2009; Koritsch, H., Die verspielte Chance, 2009;
Erinnerungsorte der DDR, hg. v. Sabrow, M., 2009; Krenz, E.,
Gefänbgnis-Notizen. 2009; Eisenhardt, U., War die DDR ein Unrechtsstaat?,
Journal der juristischen Zeitgeschichte 3 (2009), 45
Deutsche Nationalgesetzgebung →
Kodifikationsstreit, → Allgemeine Deutsche Wechselordnung, →
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
Deutschenspiegel ist
das durch eine einzige vollständige, aus dem frühen 14. Jh. stammende, aus Neustift
bei Brixen kommende Handschrift (Universitätsbibliothek Innsbruck cod. 922)
und einige verstreute Artikel (in 18 Handschriften des sog. Schwabenspiegels)
überlieferte, mittelbayerische Rechtsbuch, das sich selbst als spiegel aller
tiuscher liute benennt. Der (von Julius Ficker so genannte) D. beruht
wahrscheinlich auf einer mitteloberdeutschen Übersetzung einer Handschrift der
Klasse Ib des → Sachsenspiegels (und vielleicht einer weiteren, wohl im
mit Magdeburg eng verbundenen Minoritenkonvent in Augsburg erfolgten
Bearbeitung des Sachsenspiegels), wobei die Artikel 1 bis 109 des Landrechts
unter Verwendung der Kaiserchronik, des Buchs der Könige und zweier Gedichte
des Strickers, der (römischrechtlichen) Institutionen, der
(kirchenrechtlichen) Summa Raymundi (von Penyafort) und des Mainzer Reichslandfriedens,
zweier Reichsgesetze vom 19. 2. 1274 sowie vor allem Augsburger
Gewohnheitsrechts umgestaltet sind, die Art. 110ff. und das Lehnrecht dagegen
im Wesentlichen unbearbeitet ihre Vorlage(n) übernehmen, aber jeweils Sachsen
durch deutsche Lande oder deutsche Leute ersetzen. Als Quelle werden statt der
guten Vorfahren die Könige mit weiser Meister Lehre genannt. Vermutlich ist der
D. 1275/1276 in Augsburg als Privatarbeit (eines Minoriten) entstanden. Das
Verhältnis zwischen D. und Schwabenspiegel ist streitig geworden. →
Schwabenspiegel
Lit.: Köbler, DRG 103; Der Spiegel deutscher Leute, hg. v.
Ficker, J., 1859; Müller, E. Frhr. v., Der Deutschenspiegel, 1908; Pfalz, A.,
Die Überlieferung des Deutschenspiegels, 1919; Eckhardt, K., Heimat und Alter
des Deutschenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 13; Eckhardt, K., Der
Deutschenspiegel, 1924; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien 1, 1927; Eckhardt,
K., Zur Schulausgabe des Deutschenspiegels, ZRG GA 50 (1930), 115;
Deutschenspiegel mit Augsburger Sachsenspiegel und ausgewählten Artikeln der
oberdeutschen Sachsenspiegelübersetzung, hg. v. Eckhardt, K./Hübner, A., 1930;
Schwerin, C. Frhr. v., Zum Problem des Deutschenspiegels, ZRG GA 53 (1932),
260; Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB
Göttingen); Deutschenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1971; Trusen, W., Die
Rechtsspiegel und das Kaiserrrecht, ZRG GA 102 (1985), 12ff.; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 33
Deutsche Rechtsgeschichte ist
allgemein die Geschichte des in Deutschland geltenden Rechtes einschließlich
der Geschichte seiner Wurzeln (oder bei engerer Betrachtungsweise die
Geschichte des aus germanistischer Wurzel stammenden Rechtes) (in Deutschland).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG; Mitteis, H./Lieberich,
H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992
Deutscher Bund ist
der als unauflöslich geplante völkerrechtliche Zusammenschluss (Verein,
Staatenbund, aber mit einigen bundesstaatlichen Zügen) von (nach der Deutschen
Bundesakte vom 8. 6. 1815 38) souveränen deutschen Einzelstaaten (34
Fürstentümer, 4 freie Städte mit einem Gebiet von 630100 Quadratkilometern und
einer Bevölkerung von 29,2 Millionen, Österreich etwa 31 Prozent, Preußen etwa
26 Prozent) auf der Grundlage der → Deutschen Bundesakte (8. 6. 1815,
Wiener Kongressakte 9. 6. 1815) und der Wiener Schlussakte (15. 5. 1820). Er
folgt auf die Erkenntnis, dass mit der Niederlegung der Krone des →
Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) durch Kaiser Franz II. am 6. 8.
1806 das Reich auch rechtlich untergegangen ist und eine Restauration wegen der
egoistischen Interessen der damit souverän gewordenen deutschen Fürsten (vor
allem Österreich, Preußen, Sachsen, Hannover, Baden, Württemberg, Bayern) und
der außerdeutschen Staaten Europas (Frankreich, England, Russland) ebensowenig
Aussicht auf Erfolg hat wie das Streben der überwiegend bürgerlichen deutschen
Nationalbewegung nach einem national-deutschen Einheitsstaat. Deswegen
schließen sich 38 (1817 39 [Hessen-Homburg], dann 41, 1863 35, 1864 nur noch
34) weltliche Mitgliedstaaten (Österreich und Preußen mit ihren 1803 zum Reich
gehörigen Gebieten, Bayern, Sachsen, England wegen Hannover, Württemberg,
Baden, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Dänemark wegen Holstein, Niederlande
wegen Luxemburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg,
Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen, Braunschweig, Nassau,
Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Holstein-Oldenburg, Anhalt-Dessau,
Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt,
Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß ältere
Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und die 4
selbständig gebliebenen Städte (Reichsstädte bzw. freien Städte) Lübeck,
Frankfurt, Bremen und Hamburg) in einer Art Zwischenstufe auf dem Weg zu einem
für Europa annehmbaren deutschen Bundesstaat zum Deutschen Bund als einem
Staatenbund mit bundesstaatlichen Merkmalen zusammen. Als seine Ziele sind
festgelegt die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und
der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten. Sein
Organ ist der selbständige Bundestag (Bundesversammlung, Gesandtenkongress)
in Frankfurt am Main (Palais Thurn und Taxis) (vom 12. 7. 1848 bis September
1850 ohne Befugnisse). In dessen selten zusammentretendem Plenum hat jeder
Staat mindestens eine, höchstens aber vier Stimmen, im engeren Rat führen die
elf größten Staaten je eine Stimme, die übrigen 27 Staaten die übrigen 6
Stimmen. Den Vorsitz übt → Österreich aus. Der Deutsche Bund hat
grundsätzlich nur sehr geringe gesetzgebende, vollziehende und richterliche
Gewalt, doch wirken seine Mitglieder doch vereinzelt in Gesetzgebung
(Urheberrecht, Wechselrecht, Handelsrecht, gescheitert im Schuldrecht,
Patentrecht und Verfahrensrecht), Vollzug (z. B. Karlsbader Beschlüsse) und
Rechtsprechung (Austrägalgerichtsbarkeit, Dreistufigkeit der Gerichtsbarkeit)
zusammen. Nach den revolutionären Unruhen um 1848 geraten Österreich und
Preußen 1850/1851 in verstärkten Gegensatz, doch einigt man sich auf den
Dresdener Konferenzen (23. 12. 1850-15. 5. 1851) auf eine Fortführung des
Deutschen Bundes. An der Verwaltung des durch Bundesexekution vom 1. 2.-1. 8. 1864
Dänemark abgewonnenen Schleswig-Holsteins entzündet sich dann wegen der
Einberufung des holsteinischen Landtags (am 8. 4. 1866) ein Streit, der damit
endet, dass Preußen Holstein am 9. 6. 1866 besetzt, Österreich ohne förmliche
Bundesexekution die Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen erwirkt,
Preußen den Deutschen Bund für erloschen erklärt, Österreich nach militärischer
Niederlage des Deutschen Bundes (Österreichs und Sachsens) gegen Preußen bei
Königgrätz bzw. Sadowa (3. 7. 1866) am 26. 7. 1866 die Auflösung des Deutschen
Bundes anerkennt und auf Holstein (und gegenüber Italien auf Venetien)
verzichtet und die Bundesversammlung am 24. 8. 1866 letztmals tagt. Allgemein
anerkannt wird die friedensichernde Wirkung des Deutschen Bundes.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 169, 192, 196; Acten
des Wiener Kongresses, hg. v. Klüber, J., Bd. 1ff., 1815ff.; Protocolle der
deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1850-1866; Huber, E., Deutsche
Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1ff. 1957ff.; Heßler, R., Das
Durchzugsrecht innerhalb des Deutschen Bundes, Diss. jur. Berlin (FU) 1966;
Darmstadt, R., Der Deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971;
Gruner, W., Der Deutsche Bund, 1982; Deutscher Bund und deutsche Frage, hg. v.
Rumpler, H., 1990; Fehrenbach, E., Verfassungsstaat und Nationsbildung
1815-1871, 1992; Die Dresdener Konferenz und die Wiederherstellung des
Deutschen Bundes 1850/1851, bearb. v. Müller, J., 1996; Quellen zur Geschichte
des Deutschen Bundes, Bd. 1ff. 1996ff.; Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und
Reform 1851-1858, bearb. v. Müller, J., 1998; Die Entstehung des Deutschen
Bundes 1813-1815, hg. v. Treichel, E., 2000; Kotulla, M., Die Entstehung der
Kriegsverfassung des Deutschen Bundes, ZRG GA 117 (2000), 122; Steinmetz, C.,
Deutscher Bund und europäische Friedensordnung, 2002; Angelow, J., Der Deutsche
Bund, 2003; Bieker, E., Die Interventionen Frankreichs und Großbritanniens
anlässlich des Frankfurter Wachensturms 1833, 2003; Ham, R., Bundesintervention
und Verfassungsrevision, 2004; Müller, J., Deutscher Bund und deutsche Nation
1848-1866, 2005; Müller, J., Der Deutsche Bund 1815-1866, 2006
Deutscher Juristentag ist der 1860 auf Vorschlag der juristischen Gesellschaft zu Berlin
gegründete, früh Nationsbildung durch Rechtsvereinheitlichung und Rechtsvereinheitlichung
durch Nationsbildung anstrebende Verein deutscher Juristen mit dem Zweck, auf
wissenschaftlicher Grundlage die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen
der deutschen Rechtsordnung (bürgerliches Recht, Handelsrecht, Wechselrecht,
Strafrecht, Prozessrecht, 1906 Verwaltungsrecht, 1921 Verfassungsrecht) zu
untersuchen bzw. seit 1921 das Recht parteipolitisch unabhängig fortzubilden.
An seine Stelle tritt 1933 der 1928 gegründete Bund nationalsozialistischer
deutscher Juristen, 1936 der nationalsozialistische Rechtswahrerbund. 1949
wird der deutsche Jurstentag wieder tätig. Seit 2001 führen deutscher
Juristentag, österreichischer Juristentag und Schweizer Juristenverein einen
europäischen Juristentag (in Nürnberg, Athen, Wien, Budapest usw.) durch.
Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, (in)
Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche
Juristentag 1960 bis 1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen und der
nationalsozialistische Juristentag 1933, 1996; Conrad, H. u. a., Der Deutsche
Juristentag 1860-1994, 1997
Deutscher Orden
ist die im Februar 1199 (durch Papst Innozenz III. unter Verleihung der Johanniterregel
für die karitativen Aufgaben und der Templerregel für die militärischen
Tätigkeiten) aus einer Lübeck-Bremer Spitalsbruderschaft (1190 Hospital vor
Akkon, September 1190 Privileg König Guidos von Jerusalem, Februar 1191
päpstlicher Schutz, Juli 1191 Hospital in der rückeroberten Stadt) zu einem
geistlichen (Ritter-)Orden mit Sitz in Montfort bei Akkon umgeformte
Vereinigung. Von 1211 bis 1225 wirkt der Deutsche Orden auf Anforderung König
Andreas’ II. von Ungarn in Siebenbürgen (Burzenland). 1225/1226 ruft Herzog
Konrad von Masowien den Deutschen Orden gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe
und überlässt ihm dafür 1230 das Kulmer Land. Der 1226 mit reichsfürstlichen
Rechten begabte Deutsche Orden, der nach dem Verlust Akkons 1291 seinen Sitz nach
Venedig, 1309 nach Marienburg in Westpreußen und (nach der Niederlage bei
Tannenberg/Grunwald 1410) 1457 nach Königsberg verlegt, erreicht durch
umfangreiche Eroberungen zu Beginn des 15. Jh.s die größte Ausdehnung, muss
aber 1466 durch seinen Hochmeister die Schirmherrschaft des Königs von →
Polen anerkennen. Die Güter im Mittelmeerrum gehen verloren. 1525/1561 wird das
Deutschordensgebiet in Preußen in das Herzogtum Preußen und Kurland
umgewandelt, das 1618/1619 mit Brandenburg in Personalunion vereinigt und
1657/1660 vertraglich von der Lehnshoheit Polens befreit wird. 1803 bleibt der
Deutsche Orden im Reich, wo er durch zahlreiche einzelne Gaben zu
beträchtlichen, vom Deutschmeister (1494 Reichsfürst) verwalteten Gütern
gekommen war, bestehen. 1809 wird das 1805 aus dem Deutschen Orden geschaffene
Fürstentum Mergentheim von Napoleon beseitigt, so dass dem Deutschen Orden
unter dem Hochmeister Anton Viktor von Österreich nur die Häuser im
Habsburgerreich verbleiben. 1834 wird in Österreich der Deutsche Orden unter
Erzherzögen als Hoch- und Deutschmeistern wiederbelebt. Nach Ende der
Herrschaft der Habsburger in Österreich (1918) wird 1923 der Ritterbruderzweig
abgeschafft, während die geistliche und karitative Tätigkeit fortgeführt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 93; Köbler,
Historisches Lexikon; Müller, G., Die Ursachen der Vertreibung des deutschen
Ordens aus dem Burzenlande und Kumanien, Korrespondenzblatt des Vereins für
siebenbürgische Landeskunde 48 (1925), 41; Stengel, E., Hochmeister und Reich,
ZRG GA 58 (1938), 178; Milthaler, F., Die Großgebietiger des deutschen
Ritterordens bis 1440, 1940; Schmidt, G., Die Handhabung der Strafgewalt gegen
Angehörige des deutschen Ordens, 1954; Hofmann, H., Der Staat des
Deutschmeisters, 1964; Forstreuter, K., Der Deutsche Orden am Mittelmeer, 1967;
Wunder, H., Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg,
1968, Kisch, G., Forschungen und Quellen zur Rechts- und Sozialgeschichte des
Deutschordenslandes, 1973; Boockmann, H., Johannes Falkenberg, 1975; Tumler,
M./Arnold, U., Der Deutsche Orden, 4. A. 1986; Boockmann, H., Der Deutsche
Orden, 4. A. 1994; Sperling, F., Gerichtsorganisation und Prozesspraxis des
Mergentheimer Stadtgerichts unter dem Deutschen Orden von 1780-1801, 1981; Neitmann,
K., Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen 1230-1449, 1986;
Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die Hochmeister
des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold, U., 1998; Militzer, K., Von
Akkon zur Marienburg, 1999; Zimmermann, H., Der Deutsche Orden im Burzenland,
2000; Demel, B., Der Deutsche Orden im Spiegel seiner Besitzungen und
Beziehungen in Europa, 2004; Militzer, K., Die Geschichte des Deutschen Ordens,
2005; Demel, B., Unbekannte Aspekte der Geschichte des Deutschen Ordens, 2006
Deutscher Rechtshistorikertag
ist die auf Anregung Heinrich Mitteis‘ in Heidelberg 1927 erstmals
zusammengetrene Versammlung der deutschsprachigen oder an der Rechtsgeschichte
Deutschlands interessierten Rechtshistoriker. Diesem Treffen folgen Tagungen in
Göttingen 1929, Jena 1932, Köln 1934, Tübingen 1936, (Marburg 1947,) Heidelberg
1949, Wien 1951, Würzburg 1952, Hamburg 1954, Freiburg im Breisgau 1956,
München 1958, Saarbrücken 1960, Mainz 1962, Wien 1964, Basel 1966, Münster 1968,
Salzburg 1970, Nürnberg-Erlangen 1972, Tübingen 1974, Linz 1976, Berlin 1978,
Augsburg 1980, Zürich 1982, Graz 1984, Frankfurt am Main 1986, Bielefeld 1988,
Nimwegen/Nijmegen 1990, Köln 1992, Bern 1994, Wien 1996, Regensburg 1998, Jena
2000, Würzburg 2002, Bonn 2004, Halle 2006 und Passau 2008. Seit 1994 gibt es
auch ein jährlich tagendes europaweites Forum junger Rechtshistoriker zwecks
wissenschaftlichen Austausches.
Deutscher Richterbund ist eine privatrechtliche Vereinigung der deutschen Richter.
Lit.: Wrobel, H., Der Deutsche Richterbund im Jahre 1933,
Krit. Justiz 1982, 323
Deutsches Privatrecht ist allgemein das in Deutschland geltende Privatrecht und
herkömmlicherweise eingeengt das ältere aus germanistischer, also nicht aus
römischrechtlicher oder kirchenrechtlicher Wurzel stammende, vor Schaffung
des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) auch ohne gesetzgeberischen Akt
unmittelbar geltende Privatrecht in Deutschland. In diesem engeren Sinn wird es
als wissenschaftlich erfassbare Einheit vielleicht seit dem Spätmittelalter (z.
B. Lüneburg 1401) gesehen, jedoch insgesamt erst anerkannt, als Hermann →
Conring (1635/1643) den Ursprung des deutschen Rechts (De origine iuris
Germanici) erörtert und 1649 eine geschlossene Darstellung des gesamten
tatsächlich im Heiligen römischen Reich geltenden Rechtes fordert, wie sie etwa
Georg Adam Struves Iurisprudentia Romano-Germanica (Römisch-deutsche
Rechtswissenschaft, 1670) oder Joachim Hoppes Commentatio succincta zu den
Institutionen Justinians (1715) bieten. In Gegenüberstellung zu dem durch
gewohnheitsrechtlichen Vorgang aufgenommenen gemeinen römischen (Privat-)Recht
wird das gemeine deutsche Privatrecht zuerst 1675 durch Johann → Schilter
(1632-1705) erfasst und seit 1701 bzw. 1705 durch Christian → Thomasius
(1655-1728), der in seinen 1713 erschienenen (lat. [F.Pl.]) Notae ad singulos
Institutionum et Pandectarum titulos (Bemerkungen zu den einzelnen Titeln der
Institutionen und Pandekten) alles nichtrezipierte römische Recht ausscheidet,
auf Grund der Reichsgesetze und deutschen Gewohnheiten behandelt und
vorgetragen (lat. [F.Pl.] Institutiones iuris Germanici, Einrichtungen des
deutschen Rechts) und nach Vorlesungen seit 1707 erstmals von Georg → Beyer (1665-1714)
in einem posthum von Michael Heinrich Gribner veröffentlichten Leitfaden (nach
der romanistischen Systematik der Institutionen) dargestellt (z. B. Recht des
Adels, der Kaufleute und Handwerker, Detraktsrecht, Leibeigene, morganatische
Ehe, Einkindschaft, Hand muss Hand wahren, Erbvertrag, Gerade, Morgengabe,
Musteil, Leibgedinge, Versicherungsvertrag, Retraktsrecht, Verlobung, Ehe,
Adoption, Emanzipation, Einlager, Majorat, Fideikommiss, Ganerbschaft,
Gesellschaft, Emphyteuse, Überbau, Schenkung). Danach wird es im 18. Jh. teils
antiquarisch, teils praktisch ausgerichtet (vgl. z. B. Heineccius, Johann
Gottlieb [1681-1741], Elementa iuris Germanici 1735ff., Pütter, Johann Stephan
[1725-1807], Elementa iuris Germanici privati hodierni, Elemente des heutigen
deutschen Privatrechts, 1756, Runde, Justius Friedrich [1741-1807] 1791, weiter
später Eichhorn, Mittermaier, Reyscher, Beseler, Gerber, Stobbe, Gierke u. a.)
Als wissenschaftliches Prinzip des deutschen Privatrechts gilt dabei zunächst
die (ungefähre) Übereinstimmung (unterschiedlichster) partikulärer
Rechtssätze (z. B. Pütter), dann die aus den Rechtsverhältnissen vermöge der
natürlichen Vernünftigkeit abstrahierte Regel (Natur der Sache, z. B. Runde)
und danach die gemeinsame Nationaleigentümlichkeit und Volkssitte (z. B.
Eichhorn). Der Ansicht Carl Friedrich → Gerbers (1846), dass das auf
Freiheit und Fehderecht zu gründende deutsche Privatrecht nur eine
wissenschaftlich gewonnene, nicht unmittelbar anwendbare Summe von Rechtssätzen
sei, widersprechen Georg → Beseler (Volksrecht) und Otto von →
Gierke (gemeindeutsche Gewohnheiten). Mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches
(1900) hat diese, nicht durch einen überzeugenden Nachweis einer einheitlichen
Quelle eines gemeinen deutschen Privatrechts entschiedene Streitfrage ihre
praktische Bedeutung verloren. Mehr und mehr wird das geschichtliche
Privatrecht in seiner tatsächlichen Vielfalt sinnvollerweise insgesamt in die
allgemeine Rechtsgeschichte eingefügt.
Lit.: Köbler, DRG 205; Gerber, C., Das wissenschaftliche
Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, 1846; Gierke, O. v., Deutsches
Privatrecht, Bd. 1ff. 1895ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen
Privatrecht, Ius Commune 1 (1967), 195; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung
eines nationalen Privatrechtssystems aus römisch-deutschem Rechtsstoff, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, 1974, 217; Kroschell, K., Zielsetzung und
Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, (in)
Wissenschaft und Kodifikation 1974, 249; Rückert, J. A. L. Reyschers Leben und
Rechtstheorie 1801-1880, 1974; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der
germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Kroeschell, K.,
Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte, Der Staat Beiheft 6 1983, 47;
Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die
Fachtradition der deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Luig, K.,
Die sozialethischen Werte des römischen und germanischen Rechts in der
Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte,
1987, 281; Luig, K., Begriff und Aufgabe des deutschen Privatrechts in der
Sicht von Heinrich Mitteis, (in) Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, 1991,
91; Scherner, K., Das deutsche Privatrecht und seine Darstellbarkeit, ZRG GA
118 (2001), 346; Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003;
Christian Thomasius (1655-1728), hg. v. Lück, H., 2006; Schäfer, F.,
Juristische Germanistik, 2008
Deutsches Recht
ist allgemein das in Deutschland geltende Recht (Gesetzesrecht, Richterrecht,
Gewohnheitsrecht) und in einem engeren Sinn das aus germanistischer Wurzel
stammende Recht in Deutschland (vor allem in Gegensatz zu dem aus römischer
Wurzel stammenden Recht in Deutschland), wobei mit Savigny teilweise das
rezipierte römische Recht nach seiner Rezeption (im Sinne eines entlehnten
Rechts) (auf Grund des natürlichen Rechtsgefühls und der analogen Heranziehung
römischrechtlicher Quellen) als d. R. angesehen wird.
Wissenschaftsgeschichtlich haben sich um d. R. besonders Hermann Conring
(1643), Johann Schilter (1672), Christian Thomasius (1701), Johann Heinrich
Christian von Selchow und Johann Stephan Pütter (1770) verdient gemacht.
Lit.: Deutsches Recht, 1934; Halban, A. v., Zur Geschichte
des deutschen Rechtes in den Gebieten von Tschernigow und Poltawa, ZRG GA 19
(1898), 1; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40
(1919), 275; Merk, W., Vom Werden und Wesen des deutschen Rechts, 3. A. 1935;
Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Kötzschke, R., Die
Anfänge des deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius
teutonicum), 1941 (SB Leipzig); Dahm, G., Deutsches Recht, 1951; Ebel, W.,
Deutsches Recht im Osten, 1952; Getz, H., Die deutsche Rechtseinheit im 19.
Jahrhundert als rechtspolitisches Problem, 1966; Fließ, W., Die Begriffe
germanisches Recht und deutsches Recht bei den Rechtshistorikern des 19. und
20. Jahrhunderts, Diss. Freiburg im Breisgau 1968 (masch.schr.); Krause, H.,
Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS 1970,
313; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG GA 89 (1972), 215
Deutsches Rechtswörterbuch
ist das 1896 von einer Kommission der preußischen Akademie der Wissenschaften
(Amira, Heinrich Brunner, Frensdorff, Gierke, Richard Schröder, Ernst Dümmler,
Karl Weinhold) vorgeschlagene, alphabetisch geordnete Wörterbuch der älteren
deutschen Rechtssprache (der vor 1815 belegten Grundwörter und der vor 1700
belegten Zusammensetzungen), das von Heidelberg (Richard Schröder) aus seit
1914 erscheint, seit kurzem digitalisiert ist und in 16 Bänden mit 120000
Stichwörtern bis 2036 abgeschlossen sein soll (2007 Band 11 Rat bis R/S).
Lit.:
Wissenschaftliches Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, ZRG GA 18 (1897),
211; Lemberg, I./Speer, H., Bericht über das deutsche Rechtswörterbuch, ZRG GA
114 (1997), 679; Speer, H., Rechtssprachlexikographie und neue Medien, (in)
Das Wort, 2002, 89; http;//www.deutsches-rechtswoerterbuch.de
Deutsches Reich ist eine Bezeichnung für verschiedene verfassungsrechtliche Organisationsformen der Deutschen. Dabei wird als erstes D. R. das aus dem fränkischen Reich im Laufe des 10. Jh.s erwachsene ostfränkische Königreich verstanden, das gegen die Jahrtausendwende anscheinend von Italien (Chronicon Venetum Brixener Urkunde Heinrichs II. von 1020, Miracula Severi) ausgehend (lat.) regnum (N.) Teutonicum (D. R.) genannt wird. Es wird seit der Mitte des 12. Jahrhunderts (Lothar III., Konrad III.) hauptsächlich als römisches Reich, alsbald auch als heiliges Reich und 1474 als → Heiliges römisches Reich (deutscher Nation) bezeichnet und führt diesen Namen 1512 erstmals auch offiziell. Demgegenüber wird die frühere Benennung als D. R. erst wieder gegen sein Ende (1806) hin allgemein üblich. (Zweites) D. R. nennt sich danach ebenfalls der 1848/1849 vergeblich angestrebte, am Widerstand der partikularen Fürsten gescheiterte deutsche Nationalstaat. Für den Namen (zweites) D. R. entscheiden sich dann auch im Dezember 1870 die Staaten des Norddeutschen Bundes bei der Benennung des nach dem Sieg des Norddeutschen Bundes über Frankreich im deutsch-französischen Krieg vom 19. 7. 1870 bis 26. 2. 1871 (Kriegserklärung Frankreichs am 19. 7. 1870 wegen der Ablehung eines öffentlichen Verzichts auf eine Thronfolge in Spanien für die Zukunft durch Preußen) auf Betreiben Otto von Bismarcks am 15., 23. und 25. 11. 1870 mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen(-Darmstadt) auf neuen Grundlagen vereinbarten, am 1. 1. 1871 ins Leben tretenden bzw. erweiterten (str.) Bundesstaates (, dem Österreich, Luxemburg, Limburg und Liechtenstein fernbleiben). Dieses Deutsche Reich (540742 qkm, 56,37 Mill. Einwohner) umfasst (die 22 monarchischen Staaten) Preußen (2/3 des Reichsgebietes, 3/5 der Reichsbevölkerung, tatsächliche Vorrangstellung), Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Schaumburg-Lippe, Lippe, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, (die drei Stadtrepubliken) Bremen, Hamburg, Lübeck sowie (das am 10. 5. 1871 von Frankreich gewonnene, durch Gesetz vom 9. 6. 1871 vereinigte Reichsland) Elsass-Lothringen und seit 1884 als Nebenländer die überseeischen deutschen → Schutzgebiete (Kolonien) Südwestafrika, Togo, Kamerun usw. Nach seiner am 16. 4. 1871 in Kraft tretenden Verfassung ist (in dieser eingeschränkten Monarchie) der Kaiser (König von Preußen) der (erbliche) Inhaber der Präsidialrechte. Träger der Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte. Der Kaiser regiert durch den von ihm frei ernannten und entlassenen Reichskanzler (1871-1890 Otto von Bismarck), der jedoch alle Anordnungen gegenzeichnen muss und dadurch die Verantwortung übernimmt (und dem die obersten Reichsbehörden bzw. Reichsämter untergeordnet sind). (Nach Ländergröße gewichteter) Bundesrat und Reichstag (allgemeine, unmittelbare, geheime Wahl) beschließen (gleichrangig) die Gesetze, die dann der Kaiser ausfertigt und verkündet. Höchstes Gericht ist das Reichsgericht in Leipzig. Am 9. 11. 1918 wird am Ende des ersten Weltkriegs ein Verzicht des Kaisers auf dessen Thron bekanntgegeben und von Philipp Scheidemann im Rahmen des bestehenbleibenden Deutschen Reiches die Republik (Weimarer Republik) ausgerufen, die Adolf Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (30. 1. 1933) rasch in das nationalsozialistische, totalitäre → Dritte (Deutsche) Reich (zentralistischer Einheitsstaat, nach dem Anschluss Österreichs 1938 inoffiziell, 1943 offiziell Großdeutsches Reich) umgestaltet. Am 8. 5. 1945 bricht dieses Deutsche Reich mit der vollständigen Kapitulation gegenüber den alliierten Siegermächten des zweiten Weltkrieges zusammen. Nach herrschender Ansicht setzt die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Reich fort, ist also mit ihm rechtlich identisch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
76, 172, 196, 220, 256; Jahrbücher des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 1862ff.;
Acta imperii, hg. v. Kern, F., 1911; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen
Reiches, 5. A. 1911ff.; Brandenburg, E., Die Reichsgründung, 2. A. 1924,
Neudruck 2005; Handbuch des deutschen Staatsrechts, hg. v. Anschütz, G. u. a.,
1930; Anschütz, G., Die Verfassung des deuschen Reiches vom 11. August 1919,
14. A. 1933; Herding, O., Das römisch-deutsche Reich in deutscher und
italienischer Beurteilung, 1937; Tellenbach, G., Die Entstehung des deutschen
Reiches, 1940, 2. A. 1942; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3
1963; Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970; Brühl, C., Die Anfänge der
deutschen Geschichte, 1972; Dokumente zur Geschichte des deutschen Reiches und
seiner Verfassung 1349, hg. v. d. Akad. d. Wiss. d. DDR, 1974ff.; Eggert, W.,
Das ostfränkisch-deutsche Reich, 1975; Töpfer, B./Engel, E., Vom staufischen
Imperium zum Hausmachtkönigtum, 1976; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7.
A. 1993; Hanisch, W., Als weit das Römische reiche in allen den egenanten
Tewtschen landen begriffen ist, ZRG GA 101 (1984), 47; Schilling, Heinz, Höfe
und Allianzen. Deutschland 1648-1763, 1989; Duchhardt, H., Altes Reich und
europäische Staatenwelt, 1990; Ehlers, J., Die Entstehung des deutschen
Reiches, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Das Deutsche Reich
im Urteil der großen Mächte, hg. v. Hildebrand, K., 1995; Willoweit, D.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Reitemeier, A., Außenpolitik im
Spätmittelalter, 1999; Berghahn, V., Das Kaiserreich 1871-1914, 2003; Frie, E.,
Das deutsche Kaiserreich, 2004; Müller-Frotscher, W./Pieroth, B., Verfassungsgeschichte,
7. A. 2008; Mertens, E., Römisches Reich im Besitz der Deutschen, HZ 282
(2006), 1; Zachau, P., Die Kanzlerschaft des Fürsten Hohenhlohe 1894-1900,
2007; Hildebrand, K., Das vergangene Reich, 2008
Deutschland ist
eine wohl im 14. Jh. durch Zusammenziehung aus (mhd.) daz diutsche lant
entstandene allgemeine Bezeichnung für das Gebiet des → Deutschen Reiches
bzw. das von Deutschen überwiegend besiedelte Gebiet.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Gebhardt, B., Handbuch der deutschen Geschichte,
1891f., 3. A. 1906, 4. A. 1910, 5. A. 1913, 6. A. 1922f., 7. A. 1930, 8. A.
1954ff., 9. A., hg. v. Grundmann, H., 1970; Andreas, W., Deutschland vor der
Reformation, 1932; Keyser, E., Bevölkerungsgeschichte Deutschlands, 1938;
Kienast, W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900-1270), 1974f.;
Raumer, K. v. u. a., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1980; Deutschlands
Grenzen, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Haverkamp, A., Aufbruch und
Gestaltung, Deutschland 1056-1273, 1984; Moraw, P., Von offener Verfassung zu
gestalteter Verdichtung, 1985; Angermeier, H., Deutschland zwischen
Reichstradition und Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990), 19; Nipperdey, T.,
Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 1f. 1990ff.; Brühl, C., Deutschland –
Frankreich, 1990; Baum, W., Reichs- und Territorialgewalt, 1994; Fried, J., Der
Weg in die Geschichte, 1994; Steininger, R., Deutsche Geschichte seit 1945,
1996ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schulze, H., Kleine deutsche
Geschichte, 1998; Staatliche Vereinigung – fördernde und hemmende Elemente in
der deutschen Geschichte, hg. v. Brauneder, W., 1998; Reich oder Nation?, hg.
v. Duchhardt, H. u. a., 1998; Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, hg. v.
Institut für Länderkunde, Bd. 1ff. 1999ff.; Stürmer, M., Das Jahrhundert
Deutschlands, 1999; Dirlmeier, U. u. a., Deutsche Geschichte, 1999; Laufs, A.,
Ein Jahrhundert wird besichtigt, JuS 2000, 1; Winkler, H., Der lange Weg nach
Westen, Bd. 1f. 2000; Seibt, F., Das alte böse Lied, 2000; Föderative Nation.
Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum ersten Weltkrieg, hg. v.
Langewiesche, D. u. a., 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe,
2000; Küsters, H., Der Integrationsfriede, 2000; Green, A., Fatherlands – State
Building and Nationhood in Nineteenth Century Germany, 2001; Holste, H., Der
deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2001; Laufs, A., Ein Jahrhundert
wird besichtigt – Rechtsentwicklungen in Deutschland im 20. Jahrhundert, ZRG GA
118 (2001), 1; Kocka, J., Das lange 19. Jahrhundert, 2001; Köhler, H.,
Deutschland auf dem Weg zu sich selbst, 2002; Fenske, H., Deutsche Geschichte,
2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die
deutsche Einheit, 2002; Plato, A. v., Die Vereinigung Deutschlands, 2002;
Lexikon der deutschen Geschichte von 1945 bis 1990, hg. v. Behnen, M., 2002;
Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel, 2002; Deutschland 1949-1989,
hg. v. Elvert, J. u. a., 2003; Wolfrum, E., Die Deutschen im 20. Jahrhundert,
2004; Goertz, H., Deutschland 1500-1648, 2004; Grigoleit, K.,
Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Pagenkopf, O., Die
Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Ehmer, J., Bevölkerungsgeschichte
und historische Demographie 1800-2000, 2004; Weichlein, S., Nation und Region,
2004; Rexroth, F., Deutsche Geschichte im Mittelalter, 2005; Deutsche
Geschichte im 20. Jahrhundert, hg. v. Schildt, A., 2005; Book, A., Die
Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Wolfrum, E., Die
Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Helm, I. u. a., Die Geschichte
Norddeutschlands, 2005; Driftmann, M., Die Bonner Deutschlandpolitik 1989/1990,
2005; Weber-Fas, R., Epochen deutscher Staatlichkeit, 2006; Kühne, J., Zu
Veränderungsmöglichkeiten der Oder-Neiße-Linie nach 1945, 2006, 2. A. 2008;
Glaser, R. u. a., Geographie Deutschlands, 2007; Wagner, A., Die Entwicklung
des Lebensstandards in Deutschland zwischen 1920 und 1960, 2008; Ritter, G.,
Wir sind das Volk, 2009; Weizsäcker, R., Der Weg zur Einheit, 2009
Deutschlandvertrag ist
der das Besatzungsstatut der westlichen alliierten Siegermächte für ihre
Besatzungszonen aufhebende Vertrag der Westmächte mit der Bundesrepublik
Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955. Er löst die → Alliierte Hohe
Kommission auf und schreibt der Bundesrepublik Deutschland die volle Macht
eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten zu.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung Deutschlands,
hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands Einheit, 1996
Deutschösterreich ist
(im 19. Jh. die inoffizielle Bezeichnung für die deutschsprachigen Gebiete
Österreich-Ungarns und danach) die am 30. Oktober 1918 (str.,
Staatsgründungsbeschluss) entstandene, am 12. 11. 1918 (Beschluss über die
republikanische Regierungs- und Staatsform) von der provisorischen
Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile → Österreichs ausgerufene
Republik, die ein Bestandteil der Deutschen Republik sein und nach dem
Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb
der bisher im Reichsrat Österreichs vertretenen Königreiche und Länder umfassen
soll (einschließlich Deutschsüdmähren, Deutschsüdböhmen, Sudetenland, Brünn,
Iglau, Olmütz). Der am 10. 9. 1919 zwischen Österreich und den alliierten
Mächten geschlossene Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye schließt dies
auf Grund der Interessen der nichtdeutschen Mächte in Art. 88 aus bzw. macht es
von der Zustimmung des Völkerbunds abhängig. Das Deutsche Reich anerkennt im
Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919 notwendigerweise die
Unabhängigkeit Österreichs. Mit Gesetz vom 21. 10. 1919 ändert Österreich
seinen Namen in Republik Österreich und lehnt die Rechtsnachfolge nach der
Monarchie (nochmals) ab.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher;
Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Brauneder, W.,
Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000;
Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und
Deutschland, Diss. phil. Hannover 2003
Deutschtirol ist im
Gegensatz zu Welschtirol der deutschsprachige Teil der verschiedensprachige
Gebiete unter einer Herrschaft zusammenfassenden Grafschaft Tirol. D. reicht
südlich bis zur Salurner Klause.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H., Beiträge
zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter,
1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 2. A.
1988, 3. A. 2001
Devestierung ist im
kirchlichen Recht die das Gegenstück zur sichtbar gemachten Bekleidung
(Investierung oder Investitur) mit einem Amt bei dessen Übertragung bildende,
ebenfalls sichtbar gemachte Entkleidung von dem Amt bei dessen Entzug (z. B.
Papst Formosus 897, Petrus Leonis 1139, Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil
1414-1418, Alfred Dreyfus Frankreich 1894). In der Gegenwart wird die D. nicht
mehr durchgeführt.
Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867
Devolution ist der
Übergang eines Rechtes von einer Person auf eine andere, insbesondere in der
Kirche der Übergang des Rechtes zur Verleihung eines Amtes auf den
nächsthöheren Oberen, wenn der an sich zuständige Berechtigte sein Recht nicht
oder nicht rechtmäßig ausübt. Die D. findet sich bereits bei Justinian. Seit
dem 13. Jh. schränkt die Kirche den Anwendungsbereich ein.
Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck 1965;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 343
Dezemberverfassung ist
in → Österreich eine Gesamtheit von sechs am 21. 12. 1867 erlassenen
Gesetzen (Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, Staatsgrundgesetz über
die Reichsvertretung [Novellierung des Grundgesetzes der Februarverfassung von
1861 mit Herrenhaus, Abgeordnetenhaus, kaiserlichem Vetorecht und
Notverordnungsrecht], Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der
Staatsbürger [übernimmt Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit und Gesetz
zum Schutz des Hausrechts aus dem Jahr 1862], Staatsgrundsetz über die
Einsetzung eines Reichsgerichts [verfassungsgerichtliche und verwaltungsgerichtliche
Zuständigkeiten des Reichsgerichts), Staatsgrundgesetz über die richterliche
Gewalt [Trennung von Rechtspflege und Verwaltung, Unabhängigkeit des
Richters, Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Anklageverfahren, Geschworenengerichte,
Ankündigung eines Verwaltungsgerichtshofs] , Staatsgrundgesetz über die Ausübung
der Regierungs- und Vollzugsgewalt [z. B. Bindung an die Gesetze],
Delegationsgesetz über das Verhältnis zwischen der österreichischen und der
ungarischen Reichshälfte und deren Beziehung zum gemeinsamen Monarchen), die
einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grundrechte in 19
Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof, Trennung von Verwaltung
und Justiz u. a. vorsehen.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher;
Haider, B., Die Protokolle des Verfassungsausschusses des Reichsrates von 1867,
1997
Dezennalrezess ist
der zehn Jahre laufende Steuerbewilligungsbeschluss der Landstände, den Maria
Theresia seit 1749 (außer in Kärnten) in ihren Ländern politisch erzwingt.
Dezision (F.) Entscheidung, Urteil
Diakon ist in der
Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener oder Gehilfe, danach eine
Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur Priesterschaft. In der protestantischen
Kirche gewinnt der D. seit dem 19. Jh., in der katholischen Kirche seit dem
zweiten Vatikanischen Konzil an Bedeutung. Hier ist der D., der auch
verheiratet sein kann, ermächtigt, viele liturgische Handlungen selbständig
vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und Bußsakramenterteilung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Reynolds, R., The Ordinals of Christ, 1978; Der
Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980; Landau, P., Officium und libertas
christiana, 1991; Will, J., Die Rechtsverhältnisse zwischen Bischof und Klerus
im Dekret des Bischofs Burchard von Woms, 1992; Handbuch Geschichte der
deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J., 2000
Dialogus (M.) de scaccario
(lat.) des Schatzmeisters Richard von Ely (um 1178) ist ein Lehrgespräch (Dialog)
zwischen Lehrer und Schüler über die vom Schatzamt (lat. [N.] scaccarium, engl.
exchequer) in Finanzangelegenheiten angewandten Rechtssätze des englischen
Rechts.
Lit.: Busz, H., Zur Entstehungsgeschichte des Scaccarium,
ZRG GA 35 (1914), 437; Richard von Ely, Dialog über das Schatzamt, übers. v.
Siegrist, M., 1963; Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a., 1983
Diät ist
ursprünglich die geregelte Lebensweise oder der Aufenthaltsort. Diäten sind
seit dem 20. Jahrhundert die Entschädigung des Abgeordneten für die von ihm
für politische Arbeit aufgewandte Zeit (Gesetz des Deutschen Reiches vom 21. 5.
1906).
Lit.: Butzer, H., Diäten und
Freifahrt, 1999; Urban, N., Die Diätenfrage, 2003
Dichterkrönung ist
die von 1315 (Albertino Mussato Universität Padua) bis 1804 (Karl Reinhard)
nachweisbare Ehrung von Dichtern durch Krönung seitens der Päpste und Fürsten.
Lit.: Broadus, E., The
Laureateship, 1921; Konrad Celtis und Nürnberg, hg. v. Fuchs, F., 2004
Dictatus (M.) papae (lat.) sind fünf im ersten und zweiten Buch des Registers der Briefe Papst Gregors VII. als D. p. bezeichnete Stücke bzw. genauer 27 undatierte Sätze Gregors VII. (1073-1085), die zwischen zwei Briefen vom 3. und 4. März 1075 in das Register eingetragen sind und ohne erkennbare Ordnung Vorrang und Vorrechte der römischen Kirche und des Papstes betonen, jedoch keine zeitgenössische Wirksamkeit entfalten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors
VII., (in) Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201;
Hofmann, K., Der Dictatus papae, 1933; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
5. A. 1972; Hoffmann, H., Zum Register und zu den Briefen Papst Gregors VII.,
DA 32 (1976), 86; Fuhrmann, H., Papst Gregor VII. und das Kirchenrecht, Studi
Gregoriani 13 (1898), 123
Dieb ist der Täter
des → Diebstahls.
Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001
Diebstahl ist die
Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, sich (oder einem
Dritten) dieselbe rechtswidrig zuzueignen (bzw. ganz allgemein eine Form von
Vermögensschädigung). Im altrömischen Recht hat die Sachentziehung (lat. [N.]
furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des Wertes und die Infamie zur
Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird der D. zunehmend
öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont daneben den
Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D., dessen
Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer → Buße geahndet. Mit der Landfriedensgesetzgebung
wird der große D. mit der → Todesstrafe (Hängen), der kleine D. mit der →
Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht, wobei die Grenze zwischen groß und klein
an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten verschieden gesetzt
wird. Die → Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und
Unterschlagung, doch setzt sich dies nicht vollständig durch und werden D. und
rezipiertes (lat. [N.]) futum vielfach vermengt. Erst in der ersten Hälfte des
19. Jh.s wird der D. endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich
beseitigt. 1851 wird in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D.
aufgegeben.
Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Hälschner, H., System des preußischen
Strafrechts, 1868, 2, 388ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter,
1931, 459ff.; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Janßen, H.,
Der Diebstahl, Diss. jur. Göttingen 1969; Hagemann, H., Vom Diebstahl im
altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1; Wirtz, H., Versuch und Vollendung
beim einfachen Diebstahl in Rechtsprechung und Dogmatik der Partikularrechte,
Diss. jur. Kiel 1976; Stackmann, N., Die Rechtsprechung des preußischen
Obertribunales zum Diebstahl, Diss. jur. München 1989
Dienst ist die
Tätigkeit eines Menschen für einen anderen. Die Grundlage hierfür ist verschieden,
kann aber in einem → Dienstvertrag bestehen.
Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E.,
1994; Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg.
v. Auswärtigen Amt, Bd. 1 1999; Concepts and Patterns of Service in the Later
Middle Ages, hg. v. Curry, A. u. a., 2000
Dienstadel ist der
durch Dienst für einen Herren entstehende Adel z. B. der zunächst unfreien
Dienstmannen aber auch ursprünglich Freier im ausgehenden Frühmittelalter.
Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1; Witzel,
W., Die fuldischen Ministerialen, 1989; Derschka, H., Die Ministerialen des
Hochstiftes Konstanz, 1999; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen
Mittelalter, 2005
Dienstbarkeit (Servitut) ist das
beschränkte dingliche Recht an einer Sache, das den Eigentümer in einzelnen
Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der Ausübung seiner Rechte zu
Gunsten eines anderen oder des Berechtigten eines anderen Sache beschränkt. In
dieser Beziehung kennt das altrömische Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad),
(M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und (M.) aquaeductus (Wasserleitung), die
als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.] res mancipi) behandelt werden. Dabei
werden eine in einem Tun bestehende D., eine D. an einer eigenen Sache und die
Ersitzung einer D. abgelehnt. Spätestens Justinian (527-565) lässt auch die
Personalservitut zu. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden sich
verschiedene beschränkte dingliche Nutzungsrechte vor allem an Liegenschaften
seit dem Hochmittelalter auf unterschiedlicher Grundlage. Seit dem
Spätmittelalter werden die römischen Regeln über Servituten in abgeänderter
Form aufgenommen. Danach kann jede Nutzung beliebiger Art Gegenstand einer D.
sein, auch ein Tun (sog. deutschrechtliche D.). Sie kann sogar dem Eigentümer
der Sache zustehen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811)
folgt weitgehend dem römischen Recht.
Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163;
Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Birzer, B.,
Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998
Dienstleistung ist die Leistung einesw
Dienstes für einen anderen durch einen.
Lit.: Dienstleistungen,
hg. v. Gilomen, H. u. a., 2007
Dienstmann ist im Mittelalter der durch Dienst allmählich in den Adel aufsteigende Unfreie. Dies ist sowohl im Dienst des Königs (Reichsdienstmann) wie auch im Dienst eines anderen Herrn möglich. Im 19. Jh. ist D. die Bezeichnung eines amtlich angestellten Gepäckträgers.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loesch, H. v., Das kürzere
Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Haendle, O., Die Dienstmannen
Heinrichs des Löwen, 1930; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1977;
Jendorff, A., Verwandte, Teilhaber und Dienstleute, 2003
Dienstrecht ist das
für eine Diensttätigkeit geltende Recht. Im Mittelalter gibt es für die
Dienstmannen eines Herrn verschiedentlich ein besonderes, manchmal schriftlich
niedergelegtes Recht (z. B. Limburg 1035, Bischof von Bamberg [1057-64], St.
Maximin bei Trier, Grafen von Ahr, Erzbischof von Köln [um 1154], Bischof von
Basel, Grafen von Tecklenburg), das mit dem Aufstieg der Dienstmannen in den
niederen Adel im allgemeinen Lehnrecht aufgeht. In der jüngeren Neuzeit ist
unter D. vor allem das Recht des öffentlichen d. h. staatlichen Dienstes zu
verstehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Loesch, H. v.,
Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Stech, L., Die
Dienstrechte von Magdeburg und Hildesheim, Diss. jur. Göttingen 1965
Dienstvertrag ist
der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Dienstverpflichteter) zur
Leistung vereinbarter Dienste irgendeiner Art, der andere Teil
(Dienstberechtigter) zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Im klassischen römischen Recht gehört dieser Vertrag zu der Gruppe von
Verhältnissen, die in dem in seiner Vorgeschichte unklaren Konsensualkontrakt
(lat. )→ locatio conductio ([F.] Hinstellung - Mitführung)
zusammengefasst sind (→ locatio conductio operarum, locator ist Dienstnehmer,
conductor ist Dienstgeber, grundsätzlich auf bestimmte Zeit gegen Entgelt). Er
hat deswegen nur einen geringen Anwendungsbereich, weil die häufigen Dienste
der Sklaven auf Grund des Sklavenstatus erbracht werden und höhere Dienste
(lat. artes [F.Pl.] liberales) nicht durch Entgelt entlohnt, sondern durch
Ehrengaben (lat. [N.] honorarium) anerkannt werden. Auch im Frühmittelalter
werden Dienste am ehesten auf Grund grundherrschaftlicher Abhängigkeit oder
lehnsrechtlicher Verbindung geleistet. Diese personenrechtlichen
Abhängigkeitsverhältnisse werden nur in der hochmittelalterlichen Stadt durch
den D. ersetzt (Gesinde, Gesellen). In der frühen Neuzeit werden auch höhere
Dienste entgeltlich. Das 19. Jh. hebt die personenrechtlichen
Abhängigkeitsverhältnisse auf, regelt den D. im Wesentlichen römischrechtlich
und erhofft sich vom freien Spiel der Kräfte den gerechten Ausgleich (z. B. §§
611ff. BGB). Da dieser wegen der ungleichen Gewichtigkeit von Dienstgeber und
Dienstnehmer ausbleibt, entwickelt sich der besondere → Arbeitsvertrag
für das abhängige, fremdbestimmte Dienstverhältnis, so dass der D. sich auf
wenige Anwendungsfälle beschränkt.
Lit.: Kaser § 42; Söllner §§ 10, 17; Hübner; Köbler, DRG
45, 127, 166, 215, 240, 271; Gierke, O., Die Wurzeln des Dienstvertrages, FS H.
Brunner, 1914, 37; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen
Mittelalter, 1934; Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnungen in den jüngeren
Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des
Spätmittelalters, 1984; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag,
Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, Diss. jur. Bielefeld 1987
Diepholz
Lit.: Moormeyer, W.,
Die Grafschaft Diepholz, 1938
Dies interpellat pro homine (lat., der Termin mahnt für den Menschen) ist eine Regel des Rechts des Verzugs, die sich für das klassische römische Recht nicht nachweisen lässt. Nach mittelalterlichem deutschem Recht muss der Schuldner eine Verbindlichkeit, deren Fälligkeit durch eine Zeitangabe bestimmt ist, an diesem Zeitpunkt erfüllen. Hieraus bildet der (lat.) → usus (M.) modernus pandectarum den Satz d. i. p. h., der jedoch nicht überall anerkannt wird. Der Code civil (1804) lehnt ihn ab.
Lit.: Kaser § 37 II; Hübner 556ff.; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gregor IX. um 1170-1241, Dekretalen 3, 18, 4, am
Ende)
Die Tat tötet den Mann (d.
h. der äußere Erfolg entscheidet, nicht die innere Einstellung).
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schildt, B., Die Tat tötet den
Mann, ZRG GA 114 (1997), 380
Dietrich von Bern → Theoderich
Dietrich von Bocksdorf →
Bocksdorf, Dietrich von
Dietrich von Nieheim
Lit.:
Dietrich von Nieheim, Viridarium imperatorum et regum Romanorum, hg. v.
Lhotsky, A. u. a., 1956
Differentienliteratur ist die ansatzweise schon in der Spätantike vorhandene, dann von den
Glossatoren verbreitete Vergleichsliteratur zwischen den unterschiedlichen,
gleichen Gerechtigkeitsgehalt ermöglichenden Lösungen verschiedener Rechte.
Dabei wird insbesondere das römisch-weltliche Recht mit dem kirchlichen Recht
oder mit den einheimischen Partikularrechten verglichen (z. B. Berhard Walther
1516-1584, Johann Baptist Suttinger 1662 [Consuetudines Austriacae], Nikolaus
Beckmann 1634-1689, Johann Weingärtler 1674, Benedikt Finsterwalder).
Lit.: Köbler, DRG 143; Fontana, A., Amphitheatrum legale,
1688, Neudruck 1961, Teil III, 13; Stintzing, R., Geschichte der populären
Literatur, 1867, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,345
Differenzgeschäft ist das
auf der Preisdifferenz zweier zu unterschiedlicher Zeit geschlossener
Rechtsgeschädfte beruht,
Lit.: Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft
(§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007
Digesten (Durchgearbeitetes)
(oder Pandekten) sind (allgemein Gesatmdarstellungen [des römischen Rechts]
und besonders) die (9142 bzw. 9950 Fragmente) Auszüge aus (mehr als 200 von
fast 2000 noch vorhandenen) Schriften bzw. 1528 Büchern (wahrscheinlich 39)
klassischer Rechtskundiger des römischen Rechts, die (im Umfang von vielleicht
1000354 Wörtern) der oströmische Kaiser Justinian 530/533 unter Beseitigung der
unmittelbaren Geltung aller nicht erfassten Texte zum als Kompilation
entstandenen Gesetz erhebt (16. 12. 533 [Constitutio Tanta] bzw. 30. 12. 533).
Sie werden von einer Kommission vorbereitet, welcher der Rechtskundige und
Justizminister Tribonian vorsitzt und welcher die vier Professoren Dorotheus
und Anatolius aus Berytos (Beirut) sowie Theophilus und Cratinus aus
Konstantinopel, der magister officiorum und elf Anwälte angehören. Über die
erstaunlich rasche Arbeitsweise besteht keine völlige Klarheit, doch wird seit
Bluhme (1820) davon ausgegangen, dass die Kommission in (4) Untergruppen
einzelne Stoffmassen (Sabinusmasse aus den Kommentaren zum ius civile,
Ediktmasse aus den Ediktskommentaren, Papinianmasse aus den Werken der
Spätklassiker, Appendixmasse) vielleicht auf Grund schon vorhandener
vergleichender Literatur verwertet und dabei mehr als 2000 Schriften (mit
3000000 versus [Zeilen]) zumindest mittelbar berücksichtigt. Im Vordergrund
stehen Rechtskundige der klassischen Zeit (Ulpian [2/5], Paulus [1/5],
Papinianus, Gaius und Modestinus [zusammen 1/5]). Vermutlich sind etwa 5-7%
(bzw. 5-10%) dessen aufgenommen, was zur Zeit Justinians von den Schriften der
Rechtskundigen noch vorhanden ist. Die Reihenfolge schließt sich an das
prätorische Edikt an. Das Gesamtwerk ist in 50 Bücher (mit 432 Titeln und
150000 versus) gegliedert (Buch 1 Rechtsquellen, Bücher 2 bis 46 das Privatrecht,
Bücher 47, 48 Strafrecht, Buch 49 Appellation Buch 50 Verwaltungsrecht und
Bedeutung von Wörtern). Die sachlichen, teilweise allerdings schon vor
Justinian erfolgten Eingriffe in die Schriften werden in der Neuzeit als →
Interpolationen bezeichnet, deren Umfang streitig ist. Die wohl wegen ihrer
Schwierigkeit zwischen 603 und 1076 (erste Wiedererwähnung) im Westen kaum
erwähnten D. sind in (zwei) Handschriften des 6. oder frühen 7. Jh.s (907
Blätter umfassende, in zwei Bände 1-29 und 30-50 getrennte, vermutlich in Konstantinopel/Byzanz
im 6. oder frühen 7. Jahrhundert zweispaltig geschriebene, spätestens im 9.
oder 10. Jh. in Italien liegende, im späteren 11. Jh. in Süditalien wiederentdeckte,
wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa – littera Pisana –, 1406 von Pisa nach
Florenz gebrachte (Codex Florentinus) und 1553 erstmals gedruckte Handschrift)
und 11. Jh.s (verlorene, von der Florentina abhängige, aber nach einer von
dieser unabhängigen Vorlage durchkorrigierte, vielleicht in der zweiten Hälfte
des 11. Jh.s möglicherweise in Süditalien geschaffene Stammform [Codex
Secundus] der in drei Teile geteilten Vulgathandschriften) sowie drei
Fragmenten des 7./8. Jh.s und zwei Fragmenten des 9. Jh.s (insgesamt
dreigeteilt in Digestum vetus 1-24,2, Digestum infortiatum 24,3-38,2 und
Digestum novum 39-50) überliefert. Diese Quellen ermöglichen die Aufnahme
(Rezeption) der Gedankenwelt der römischen Rechtskundigen im Mittelalter.
Zitiert werden die D. nach Buch, (meist) Titel, Fragment (oder Gesetz) (lat.
[F.] lex) und Anfang (lat. [N.] principium = eigentlich Paragraph 1) bzw.
Paragraph (der zweite Abschnitt wird als § 1 gezählt) (z. B. D. 8,3,23,2,
früher [als ff.] nach Titelrubrik und Anfangsworten der Fragmente).
Lit.: Kaser §§ 1, 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Söllner §§ 22, 23; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 50, 53, 105; Digestorum
seu pandectarum libri quinquaginta, hg. v. Haloander, G., 1529, Neudruck 2004;
Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta, 1553, Neudruck 2004; Digesta et
Institutiones, rec. Gebauer, G./Spangenberg, G., 1776, Neudruck 2004; Bluhme,
F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, ZRG 4 (1818), 257;
Kantorowicz, H., Über die Entstehung der Digestenvulgata, ZRG RA 30 (1909),
183ff., 31 (1910), 14ff.; Schulz, F., Einführung in das Studium der Digesten,
1916; Krüger, H., Die Herstellung der Digesten Justinians, 1922; Schindler, K.,
Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970;
Honoré, T., Tribonian, 1978; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung,
SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979; Digesten 1-10, hg. v. Behrends, O. u. a.,
1995; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Digesten 11 – 20,
hg. v. Behrends, O. u. a., 1999; Digesten 21-27 2005
Digestum (N.) infortiatum
(lat., gestärktes bzw. geschwächtes bzw. unter Verschluss gehaltenes bzw. in
Kraft gesetztes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 24,3 bis 38 der
Vulgatafassung der → Digesten, wobei das in D. 38, 2, 82 beginnende
Schlussstück tres partes (lat. [F.Pl.] drei Teile) heißt.
Lit.: Accursii Glossa in Digestum vetus, in Digestum
infortiatum, in Digestum novum, in Codicem, in Volumen, 1487ff.; Wouw, H. van
de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231; Whitman,
J., A Note on the medival Division, TRG 59 (1991), 269
Digestum (N.) novum (lat.,
neues Durchgearbeitetes) sind die Bücher 39-50 der Vulgatafassung der →
Digesten.
Digestum (N.) vetus (lat.,
altes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 1-24,2 der Vulgatafassung der →
Digesten.
Dijon ist als
gallorömisches Divio im 2. Jh. n. Chr. nachweisbar. 1182 erlangt es unter den
Herzögen von Burgund Stadtrecht. 1477 gelangt es an Frankreich und erhält 1737
eine Universität.
Lit.: Humbert, F., Les finances municipales de Dijon, 1961;
Didier, P., Les statuts de métier à Dijon aux 14e et 15e siècles, ZRG GA 94
(1977), 63; Histoire de Dijon, hg. v. Gras, P., 1981
Diktatur ist im
altrömischen Recht das Amt eines von einem → Konsul in einer Notlage für
eine streng befristete Zeit ernannten außerordentlichen Magistrats (Diktators)
(ohne kontrollierenden Kollegen, z. B. T. Larcius 501 v. Chr., von Sulla und
Caesar ohne zeitliche Beschränkung ausgeübt, 44 v. Chr. abgeschafft). Im
Anschluss hieran entwickeln sich verschiedene Formen unbeschränkter Herrschaft
eines Einzelnen oder einer Personengruppe. Diese D. zeigt vielfach totalitäre
Züge (z. B. unter Adolf → Hitler, Josef Stalin). Der Begriff D. wird in
der Renaissance wiederbelebt.
Lit.: Söllner §§ 6, 13; Köbler, DRG 222; Kautsky, Z., Die
Diktatur des Proletariats, 1918; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 900;
Schmitt, C., Die Diktatur, 6. A. 1994; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7.
A. 1993; Arendt, H., Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 11. A. 2006;
Korporativismus in den südosteuropäischen Diktaturen, hg. v. Mazzacane, A. u.
a., 2005
Dilatura (lat.
[F.], delatura, zu mlat. dilatura, F., Verzögerung, Aufschub) ist eine
besondere frühmittelalterliche Buße bei Vermögensverletzung (Weigerungsbuße?).
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H./Schwerin, C., Deutsche
Rechtsgeschichte, Bd. 2 2. A. 1928, § 138; Goldmann, E., Zum Problem der
dilatura, ZRG GA 53 (1932), 43
Diligentia (lat.
[F.]) ist im spätrömischen Recht die dem sorgsamen Familienvater angemessene
Sorgfalt, deren Einhaltung Schuld ausschließt, deren schuldhafte Verletzung
aber eine Nachlässigkeit bedeutet.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW
diligentia quam in suis (rebus) (lat.) (Beachtung der) Sorgfalt wie in eigenen
Angelegenheiten (schließt Verschulden etwa bei unentgeltlicher Verwahrung,
Gesellschaft oder Miteigentum aus)
Dillingen an der Donau ist von 1549/1554
bis 1804 Sitz einer Universität.
Ding (älter thing, zu idg. *tenkos, Zeit) ist im Mittelalter und vielleicht schon vorher die (zu einer bestimmten Zeit stattfindende) Versammlung (der erwachsenen freien Männer ursprünglich eines Stammes, im fränkischen Reich wohl bald nur noch kleinerer Gebiete), in der über verschiedene Angelegenheiten gesprochen und verhandelt werden kann. Dementsprechend ist D. die wichtigste Bezeichnung für das Gericht. Unterschieden werden dabei (bei Franken und Sachsen) echtes (ungebotenes, an festen Zeitpunkten in einer Grafschaft alle sechs Wochen und damit an jeder der 3 oder vier Gerichtsstätten einer Grafschaft zweimal oder dreimal im Jahr stattfindendes) D. und (je nach Bedarf besonders) gebotenes D. Das durch die besondere Hegung eröffnete D. wird (unter freiem Himmel auf Hügeln oder Malbergen oder auch bei großen Bäumen oder Steinen am Tag) vom König, Grafen oder von sonstigen (zunächst Thunginen, seit karolingischer Zeit) Richtern geleitet. Die inhaltlichen Entscheidungen werden vom Umstand (Dinggenossenschaft) oder besonderen Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) gefällt. Diese Aufgabenteilung wird auch von den kirchlichen Sendgerichten übernommen. Dagegen erscheint seit dem 13. Jh. in der Kirche der berufsmäßige Einzelrichter, der seit dem frühen 15. Jh. die Laienurteiler verdrängt. Im 16. Jh. tritt dementsprechend die Verwendung von D. im Sinne von Gericht zurück, hält sich aber in ländlichen Weistümern bis in das 18. Jh. In der Umgangssprache bleibt D. in blasser, allgemeiner Bedeutung (Sache, Angelgenheit) erhalten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 116; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973;
Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 28 (1907),
437, 29 (1908), 337; Buchwald, G., Das thüringische Hegemahl, ZRG GA 28 (1907),
444; Loening, O., Die Gerichtstermine im Magdeburger Stadtrecht, ZRG GA 30 (1909),
37; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 30
(1909), 310; Rietschel, S., Nochmals die Dingzeiten des Magdeburger
Schultheißen, ZRG GA 30 (1909), 313; Stölzel, A., Geding und Appellation, 1911:
Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1921; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Karg-Gasterstädt, E., Althochdeutsch Thing -
neuhochdeutsch Ding, Verh. d. Sächs. Akad. d. Wiss. 104,2, 1958; Landwehr, G.,
Urteilfragen und Urteilfinden, ZRG GA 96 (1979), 1; Weitzel, J., Über Oberhöfe,
1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Dingfriede ist der
im → Ding einzuhaltende → Friede.
Dinglicher Vertrag
ist der im 19. Jh. von Friedrich Carl von Savigny entwickelte, 1872 im
preußischen Eigentumserwerbsgesetz anerkannte, sachenrechtliche Rechtsveränderungen
betreffende Vertrag (Einigung über den Rechtsübergang oder die Rechtsentstehung
an einem Gegenstand z. B. bei Übereignung oder Verpfändung) im Gegensatz zum
schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kauf, Schenkung).
Lit.: Köbler, DRG 212; Felgenträger, W., Friedrich Carl von
Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927
Dingliches Recht
ist (seit dem 16. Jh., bisheriger Erstbeleg kurmärkische Ständeakten 1551) das
eine Sache (körperlichen Gegenstand) betreffende, gegen jedermann wirkende
Recht (z. B. [Besitz,] Eigentum, Pfand, Dienstbarkeit[, Reallast,
Bergwerkseigentum, Erbbaurecht, früher vielleicht auch Bodenleihe, Lehen, Untereigentum])
im Gegensatz zum (persönlichen Sachenrecht bzw. zum) schuldrechtlichen. nur
im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner wirkenden Recht (z. B.
Kaufpreisforderung).
Lit.: Köbler, DRG 212; Wiegand, W., Numerus clausus der
dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 623
Dingpflicht ist die
Anwesenheitspflicht im mittelalterlichen → Ding. In welchem Umfang sie
jeweils bestanden hat, lässt sich nicht sicher bestimmen. Jedenfalls verringert
Karl der Große in seiner zwischen 770 und 780 vorgenommenen Reform ihren Umfang
auf jährlich drei Dinge und sind verfolgte Fälle ihrer Verletzung nicht
bekannt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Weitzel, J., Dinggenossenschaft
und Recht, 1985
Dinus de Rossonis Mugellanus
ist ein bei Florenz um 1250 geborener Jurist in Bologna (commentaria,
additiones, glossae contrariae, tractatus z. B. de successionibus ab intestato,
de modis arguendi, ordo iudiciorum, erste erhaltene umfangreiche – 53 –
Sammlung von consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 445
Dionysius Exiguus
(Skythien um 475?-Rom um 545) ist ein skythischer Mönch, der in Rom nach dem
21. 11. 496 als Übersetzer griechische Kultur dem lateinischen Westen
vermittelt und eine klar geordnete lateinische Sammlung der griechischen
Quellen des Kirchenrechts (lat. [M.Pl.] canones) und der Konzilsakten (lat.
[N.Pl.] decreta) herstellt ([lat.] Liber [M.] canonum und Liber decretorum).
Seine vielfach abgeänderte Sammlung ist durch zahlreiche Handschriften
überliefert. 774 überreicht Papst Hadrian Karl dem Großen die sog.
Dionysio-Hadriana. Bei der Übernahme der alexandrinischen Berechnung des
Osterdatums führt D. E. erstmals die Jahreszählung von Christi Geburt an (um 5
bzw. 4 Jahre zu spät) ein.
Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Strewe, A., Die Canones-Sammlung
des Dionysius Exiguus, 1931; Wurm, H., Studien und Texte zur Dekretalensammlung
des Dionysius Exiguus, 1939; Peitz, W., Dionysius Exiguus als Kanonist, 1945;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mordek, H., Kirchenrecht
und Reform, 1975
Diözese (F.) Amtsgebiet eines Bischofs
(der katholischen Kirche)
Diplom (lat. [N.] diploma, Verdoppeltes) ist im römischen Altertum zunächst die durch Falten doppelt gelegte Urkunde, danach die vom Senat, einem höheren Magistrat oder vom Kaiser ausgestellte Urkunde. Das Mittelalter nennt Urkunden (lat.) charta, instrumentum, litterae, pagina, testamentum usw. Seit dem 17. Jh. (Jean Mabillon 1632-1707) ist D. die Herrscherurkunde, die nach dem Ausstellerwillen dauernde Rechtskraft haben soll. In der Gegenwart ist D. der Abschluss einer höheren Ausbildung und die darüber erteilte Urkunde.
Lit.: Monumenta Germaniae Historiaca, Diplomata; Erben, W.,
Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, 181, 238; Classen, W.,
Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Kölzer, D., Merowingerstudien, Bd. 1f.
1998f.
Diplomat ist der (durch Diplom ausgewiesene,
geschickt handelnde) Vertreter des Staates in politischen Angelegenheiten.
Lit.: Le diplomate au
travail, hg. v. Babel, R., 2005
Diplomatik ([im 17. Jh. entwickelte] Urkundenlehre [zwecks Unterscheidung echter und gefälschter Urkunden an Hand äußerer und innerer Merkmale]) → Diplom, Urkunde
Lit.:
Mabillon, J., De re diplomatica, 1681; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, 1889, 2. A. 1912ff.; Rosenmund, R., Die Fortschritte der
Diplomatik seit Mabillon, 1897; Diplomatik im 21. Jahrhundert, A. f. Diplomatik
52 (2006), 233; Digitale Diplomatik, hg. v. Vogeler, G., 2009
Diplomjurist ist in
der Gegenwart der seine wissenschaftliche Berufsvorbildung mit einem Diplom
abschließende Jurist (z. B. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik,
an Fachhochschulen oder seit 2001 auch an einigen juristischen Fakultäten der
Bundesrepublik Deutschland).
Lit.:
Kutschke, T., Diplom-Jurist für jedermann, JuS 2003, 205
Diplovatacio,
Tommaso (Korfu 25. 5. 1468-Pesaro 29. 5. 1541) verfasst nach dem Studium in
Salerno, Neapel, Padua (Jason de Mayno), Perugia und Ferrara (1490) bis 1511
einen unvollständig geschriebenen (lat.) Tractatus (M.) de praestantia doctorum
(Abhandlung über den Vorrang der Doktoren), in dem er die bedeutendsten
Rechtskundigen des Altertums und Juristen des Mittelalters beschreibt (De
claris iuris consultis).
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995, 172
Directorium (N.) in publicis et cameralibus ist die nach Vorstufen (seit 1744 Repräsentationen
und Kammern, 1748 dem Herrscher unmittelbar unterstellt) 1749 unter Maria
Theresia für Österreich geschaffenene Behörde, in der unter Ausschluss der
Stände die innere Verwaltung und die Finanzverwaltung für alle Erbländer
vereinigt werden. Zugleich werden die Hofkanzleien aufgelöst und ihre verbliebenen
Zuständigkeiten der obersten Justizstelle übertragen. 1761 wird das D.
zerschlagen (z. B. Verwaltungsrechtspflege an oberste Justizstelle, Anderes an
Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei), von 1792 bis 1797 unter anderem Namen
nochmals kurzfristig hergestellt.
Lit.: Walter,
F., Die österreichische Zentralverwltung, 1938
direkt, Adj., unmittelbar (z. B. direkte, ohne abgeordnete, repräsentierende
Organe bestehende Demokratie)
Dispens (M. bzw. auch F., zu lat. [F.] dispensatio, Abwiegen, Zuteilen) ist die Befreiung, insbesondere im katholischen Kirchenrecht die durch die zuständige Autorität auf Grund Billigkeit erteilte Befreiung von der Geltung eines Rechtssatzes im begründeten Sonderfall.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hove, A. van, De privilegiis et
dispensationibus, 1939; Bindschedler, U., Die Dispensation, 1958; Mussgnug,
R., Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften, 1964; Erler, A., Kirchenrecht,
5. A. 1983; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; May, G., Die
Auseinandersetzungen zwischen den Mainzer Erzbischöfen und dem Heiligen Stuhl
um die Dispensbefugnis im 18. Jahrhundert, 2007
Dispensehe ist die
auf Grund eines (evtl. weltlichen) Dispenses von einem kirchenrechtlichen
Ehehindernis (z. B. bestehende Ehe) geschlossene Ehe (z. B. seit 1919 Dispense
einzelner sozialistischer Länderregierungen österreichischer Bundesländer
[z. B. Niederösterreich] vom Ehehindernis der bestehenden unauflöslichen Ehe,
woraufhin bis 1938 mehr als 50000 Dispensehen entstehen).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Dispositio (lat. [F.]) Anordnung,
Verfügung
Dispositio (F.) Achillea (lat., achillische Verfügung) ist die Verfügung bzw. das
Hausgesetz (str.) des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg (1414-1486)
vom 24. 2. 1473, das nur noch höchstens drei regierende Linien (Brandenburg,
Franken, Obergebirg um Kulmbach) zulässt und 1791 zum Rückfall der Fürstentümer
Ansbach und Bayreuth an die Hauptlinie Preußen der Hohenzollern führt.
Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden
deutschen Fürstentümer, Bd. 3 1883; Caemmerer, H. v., Die Testamente der
Kurfürsten von Brandenburg, 1915; Ulshöfer, W., Das Hausrecht der Grafen von
Zollern, 1969
Dispositionsmaxime ist
der Grundsatz der Verfügungsfreiheit der Parteien im Zivilprozess. Die D.
stammt aus dem kirchlichen Prozessrecht, aus dem sie in den Prozess vor dem
Reichskammergericht übergeht.
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A.
2004; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Disputation (F.) Erörterung
Lit.: Horn, E., Disputationen und Promotionen an den
deutschen Universitäten, 1893; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen
Disputationen 1558-1818, hg. v. Kundert, W., 1978; Katalog der Helmstedter
juristischen Disputationen, Programme und Reden, hg. v. Kundert, W., 1984; Die
Kunst der Disputation, hg. v. Bellomo, M., 1997; Ahsmann, M., Collegium und
Kolleg, 1998; Leinsle, U., Dilinganae Disputationes, 2006
disseisin (mengl.)
Besitzentzug → novel disseisin
Dissens ist die
fehlende Übereinstimmung zweier Willenserklärungen bei einem Vertragsschluss.
Schon im klassischen römischen Recht kommt dabei ein Vertrag dann nicht
zustande, wenn der Vertragsinhalt mehrdeutig ist oder wenn er zwar eindeutig
ist, aber ein Teil ihn nachweislich einseitig missdeutet hat. Zwischen Irrtum
und D. wird dann dabei auch im älteren gemeinen Recht nicht unterschieden.
Lit.: Kaser § 8 II; Hübner; Wesenberg, G./Wesener, G., Neue
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 § 18; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Dissertation ist
die wissenschaftliche Erörterung einer Frage, die seit dem Mittelalter Prüfungsverfahren
wissenschaftlicher Befähigung wird. Die Zahl juristischer Dissertationen in
Deutschland steigt dabei im 17./18. Jh. auf durchschnittlich mindestens 500 im
Jahr (120000 zwischen 1600 und 1800 nachweisbar, abzüglich Doubletten usw.
möglicherweise 40000, davon rund 40 % Zivilrecht, 20 % Verfassungsrecht und
Verwaltungsrecht, 15 % Verfahrensrecht, 5 % Strafrecht, 5 % Lehnrecht, 3%
Kirchenrecht, 12 % Gemischtes, Grundherrschaft, Rechtsphilosophie,
Rechtsgeschichte, Rechtsquellen). Später nimmt sie infolge der Einführung der
Staatsprüfung im Verhältnis zur Zahl der Studierenden ab. Vermutlich wirkt sich
auch die Entstehung juristischer Fachzeitschriften nachteilig aus, weil die
Professoren damit neue Veröffentlichungsmöglichkeiten erlangen. Am Ende des
20. Jh.s gewinnt sie wegen der schwierigen Arbeitsmarktlage für Juristen wieder
an Bedeutung (fast 2000 pro Jahr).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Horn, E., Die
Disputationen und Promotionen an den deutschen Universitäten, 1893, Neudruck
1968; Bibliographisches Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrucken,
hg. v. Wickert, K., Bd. 1ff. 1936ff.; Schubart-Fikentscher, G., Untersuchungen
zur Autorschaft von Dissertationen im Zeitalter der Aufklärung, 1970;
Dissertationen in Wissenschaft und Bibliotheken, hg. v. Jung, R. u. a., 1979;
Juristische Dissertationen deutscher Universitäten 17.-18. Jahrhundert,
zusammengestellt von Ranieri, F., 1986; Katalog juristischer Dissertationen,
hg. v. Tsuno, R., 1988; Härter, K., Ius publicum und Reichsrecht in den
juristischen Dissertationen mitteleuropäischer Universitäten der frühen
Neuzeit (in) Science politique et droit public dans les facultés de droit
européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008, 485
Distinktion (F.)
(Unterscheidung, Aufteilung, Unterschied, Auszeichnung) ist die schon der
Antike bekannte, als Ergebnis eines Aneignungsvorgangs antiker Bildung in
Nutzung von Kenntnissen des Triviums im 12. Jh. zum Kennzeichen der
Wissenschaften, insbesondere der Kanonistik, werdende Untersuchungsweise.
Lit.: Söllner §§ 3, 16; Lange H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Die Distinktionstechnik in der Kanonistik
des 12. Jahrhunderts, 2000
Disziplinarverfahren ist
das außerstrafrechtliche Verfahren bei fehlerhaftem Verhalten eines Beamten(,
Soldaten, Klerikers, Studenten, Schülers oder Vereinsmitglieds). Es wird im
19. Jh. vom Strafrecht geschieden (Preußen 1841). 1850 sieht die Verfassung
Preußens bei D. in der Justiz eine gerichtliche Entscheidung vor, seit 1873 können
auch D. gegen andere Beamte des deutschenReiches disziplinagerichtlich
überprüft werden. Die Disziplinarmaßnahmen reichen vom Verweis bis zur
Entfernung aus dem Dienst. Deswegen muss das Verfahren rechtsstaatlichen Anforderungen
genügen und darf nicht von Rechtsbrechern zur Unterdrückung der Aufdeckung
ihrer Missstände missbraucht werden. Das 1967 errichtete Bundesdisziplinargericht
Deutschlands in Frankfurt am Main ist unter Übertragung seiner Aufgaben auf
die Verwaltungsgerichte der Länder zum 31. 12. 2003 wieder aufgelöst.
Lit.: Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978
Dithmarschen ist die zwischen Nordsee,
Elbemündung und Eidermündung gelegene Landschaft, deren Recht erstmals 1447
nach einer Landesversammlung aus dem Gewohnheitsrecht (mit Wergeldern, ohne
Strafen für Tötungen) aufgezeichnet, 1483 gedruckt und 1539 revidiert sowie
1567 wissenschaftlich gefasst wird (Dithmarscher Landrecht).
Lit.: Sammlung
altdithmarscher Rechtsquellen, hg. v. Michelsen, A., 1842, Neudruck 1969; Hoppe,
J., Das Strafensystem des Dithmarscher Rechts im Mittelalter, 1933; Boie, K.,
Die mittelalterlichen Geschlechter Dithmarschens, 1937; Carstens, C.,
Bündnispolitik und Verfassungsentwicklung in Dithmarschen, Zeitschrift der
Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 66 (1938), 1; Carstens, W.,
Geschlecht und Beweisrecht in den Dithmarscher Landrechten, Zs. d.
Gesellschaft f. schleswig-holsteinische Geschichte 60 (1941), 1; Stoob, H., Die
dithmarsischen Geschlechterverbände, 1951; Das Dithmarscher Landrecht, hg. v.
Eckhardt, K., 1960; Eickmeyer, G., Das Strafverfahren in Dithmarschen von 1447
bis 1559, 1963; Witt, R., Die Privilegien der Landschaft Norderdithmarschen,
1975; Alberts, K., Friede und Friedlosigkeit nach den Dithmarscher Landrechten von
1447 und 1539, 1978; Eggers, P., Das Prozessrecht nach dem Dithmarscher
Landrecht von 1567, 1986
Divisio regnorum
(lat.[ F.] Teilung der Reiche) ist die in Diedenhofen am 6. 2. 806 auf einem
Reichstag festgelegte, in vier Handschriften und einem Erstdruck überlieferte
Nachfolgeordnung Karls des Großen für seine drei ehelichen Söhne, die infolge
des Todes Pippins (810) und des ältesten Sohns Karl (811) keine unmittelbare
Wirkung entfaltet.
Lit.: Capitularia, hg.
v. Boretius, A. u. a., Bd. 1 1883, 126; Schieffer, R., Die Karolinger, 1992
Divortium (lat. [N.]) ist die im altrömischen Recht noch nicht rechtlich geregelte Scheidung der Ehe, für die der Wille des Mannes oder beider Eheleute (die Ehe zu beenden) und ein dies begründender Anlass (Ehebruch der Frau, Kinderlosigkeit) bestehen muss. → Ehescheidung
Lit.: Kaser § 58; Köbler, DRG 22
Doctor (lat. [M.]) ist seit dem
12. Jh. der auch als (lat. [M.]) magister oder professor bezeichnete Lehrer,
insbesondere der wissenschaftlich gebildete Lehrer an der Universität (z. B.
quattuor doctores 1158). Im Recht ist der d. dabei meist doctor legum (Lehrer
des weltlichen Rechts) oder doctor decretalium (Lehrer des kirchlichen Rechts).
Seit dem späten 13. Jh. erscheint in Orléans und Italien der doctor utriusque iuris
(Doktor beider Rechte d. h. des → ius civile und des → ius
canonicum). Der Titel folgt auf das Lizentiat und wird in einer kostspieligen
Feier verliehen. Der Grad berechtigt grundsätzlich zum Abhalten von
Lehrveranstaltungen und sichert gesellschaftliche Wertschätzung. Am Ende des
Mittelalters gerät er in Verfall. Seit dem 18./19. Jh. wird deswegen die
Habilitation als Voraussetzung der Lehrbefugnis entwickelt, deren regelmäßige
Notwendigkeit am Beginn des 21. Jh. gesetzlich beseitigt wird. Zwischen 1933
und 1945 wird im Deutschen Reich in rund 2000 Fällen der Doktorgrad aberkannt
(davon etwa 70 Prozent jüdische oder jüdisch versippte Emigranten, häufig aber
auch wegen Straftaten, in München nur wenige Juristen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, LAW; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1 1973; Fischer, A., Das österreichische Doktorat der
Rechtswissenschaften und die Rechtsanwaltschaft, 1974; Horn, N., Bologneser
Doctores und Judices, ZHF 3 (1976); Lange, H., Vom Adel des doctor, (in) Das
Profil des Juristen, 1980, 279; Lemberg, M., … eines deutschen akademischen
Grades unwürdig, 2002; Harrecker, S., Degradierte Doktoren, 2007; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65
doctor (M.) iuris (lat.) →
Rechtsgelehrter
doctor (M.) iuris utriusque (lat.) Doktor beider Rechte
doctor (M.) legum (lat.)
Doktor des weltlichen Rechts
Dogma (N.)
Lehrsatz, Lehrmeinung, Grundsatz
Lit.: Parent, J., La notion de dogme, 1932; Piano-Mortari,
V., Dogmatica e interpretazione, 1976; Herberger, M., Dogmatik, 1981
Doktor → doctor
Doktorgrad → doctor
Doktrin (F.) Lehre, Festlegung
Dolmen (zu bret. tol, Tisch, men,
Stein) ist die Bezeichnung für das in Europa zwischen 4000 v. Chr. und dem
Frühmittelalter nachweisbare, bis zu 168 Meter lange, mittels Steinen
gebildete Grab.
Lit.: Körn, W., Megalithkulturen, 2005
Dolo facit, qui petit, quod restiturus est bzw. quod restituere oportet eundem (lat.). Arglistig handelt, wer fordert, was er demnächst zurückgibt bzw. was er selbst zurückerstatten muss.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 44, 4, 8, pr.)
Dolus (lat. [M.])
ist im römischen Recht die Arglist, nach Anerkennung einer Haftung für fahrlässiges
Verhalten der → Vorsatz, dolus malus. Das durch Arglist herbeigeführte
oder beeinflusste Rechtsgeschäft ist zwar an sich gültig. Auf Anregung des
Rechtskundigen Gaius Aquilius Gallus gibt der Prätor im 1. Jh. v. Chr. aber
dem, der durch Arglist beeinträchtigt ist, dann, wenn keine andere Klage
gegeben ist, einen Klaganspruch (lat. actio [F.] de dolo) auf den einfachen
Schadensbetrag. Gegenüber einer möglichen Verpflichtung (stricti iuris) kann
der Verpflichtete eine Einrede erheben (lat. exceptio [F.] doli).
Lit.: Kaser §§ 8 V, 33, 36, 37;
Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 42f., 61, 63, 65; Köbler, LAW
Dom (zu lat. [F.] domus, Haus) ist
meist die Hauptkirche des Bistums.
Lit.: Schieffer, R.,
Die Entstehung von Domkapiteln, 1976
Domäne (im 16./17. Jh. aus dem Französischen aufgenommen) ist in der Spätantike das kaiserliche Grundeigentum. Die D. ist Vermögen des Kaisers und geht auf den jeweiligen Nachfolger über. Sie wird getrennt von den Staatseinkünften (vom (lat. M.] comes rerum privatarum) verwaltet. Mit dem Untergang des weströmischen Kaisertums fällt die D. vor allem im Herrschaftsbereich der Franken an den König (→Königsgut). Infolge umfangreicher Vergabungen gelangt dieses Gut bis zum 13. Jh. in großem Ausmaß an die Landesherren. In Preußen umfassen die Domänen dabei schließlich etwa ein Drittel des Landes. Seit dem 18. Jh. wird im Land das Staatsgut vom fürstlichen Hausgut getrennt, wobei die Domänen überwiegend dem Staatsgut und nur in geringerem Maß dem Hausgut zugeteilt werden, der Landesherr aber die Nutzungen der D. als Einkunft erhält. Der Höhe nach betragen die Einkünfte dabei fast die Hälfte der gesamten Staatseinkünfte. Im 19. Jh. erlangen vor allem die deutschen Fürstentümer Rechtspersönlichkeit, die staatliches Domäneneigentum kennen. In den Fürstentümern ohne staatliches Domäneneigentum haben die Stände das Steuerbewilligungsrecht und gelegentlich bereits vor 1848 ein Ausgabenbewilligungsrecht hinsichtlich der aus Steuern zu tätigenden Ausgaben im Gegensatz zu den Ausgaben der fürstlichen Kammer. Seit dem Ende der Monarchie (Deutschland 1918) fließen die Einkünfte aus den Domänen dem Staat zu. 1945 werden in der sowjetischen Besatzungszone die Domänen fast ganz aufgeteilt. In der Bundesrepublik Deutschland (vor allem In Niedersachsen) umfassen sie nur noch weniger als 0,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wendt, E., Die staatliche
Selbstbewirtschaftung von Domänen, 1925; Corsten, S., Das Domanialgut im Amt
Heinsberg, 1953; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962;
Hoffmann, R., Die Domänenfrage in Thüringen, 2006; Klein, W., Die Domänenfrage
im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts, 2007
Domat, Jean (Clermont-Ferrand 30. 11. 1625-Paris 14. 3. 1696), Notarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Bourges 1645 Anwalt, 1655 Kronanwalt und 1683 Privatgelehrter. Sein 1689
veröffentlichtes, → Grotius verpflichtetes Hauptwerk ([franz.] Les lois
civiles dans leur ordre naturel, Die weltlichen Gesetze in ihrer natürlichen
Ordnung) ordnet das römische Recht und das dieses ergänzende französische Recht
in der Art eines Lehrbuches des Naturrechts nach den grundlegenden Sätzen.
Lit.: Voeltzel, R., Jean Domat
(1625-1696), 1936; Baudelot, B., Un grand jurisconsulte du 17e siècle, 1938
Domesdaybook ist
eine zweibändige, unvollständige Landesaufnahme Englands (Bd. 1 31
Grafschaften, Bd. 2 Essex, Norfolk, Suffolk) auf der Grundlage von Angaben der
Grundstücksberechtigten von 1066 und 1086. Das D. dient dem König als Grundlage
seiner Herrschaft. Von 596 im D. genannten Familien sind im Jahre 1166 noch
437 in den Cartae baronum erwähnt.
Lit.: Maitland,
F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Galbraith, V., The Making of Domesday
Book, 1961; Darby, H., Domesday England, 1978; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 4. A. 2002; Domesday names, compiled by Keats-Rohan, K.
u. a., 1997; Fleming, R., Domesday Book and the Law, 1998; Keats-Rohan, K.,
Domesday People, 1999; Roffe, D., Domesday, 2000; Keats-Rohan, K., Domesday
Descendants, 2002
Dominat ist (nach
Mommsen) die vom Kaiser als absolutem Herrn und Gott (lat. [M.] dominus et
deus) bestimmte Herrschaftsform der römischen Spätantike seit Diokletian
(284-313/316).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG
55; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978
Dominikalland (N.) Herrenland, vom
Grundherrn selbst bewirtschaftetes Land
Lit.: Feigl, H.,
Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964, 2. A. 1998
Dominikaner ist (seit dem 15. Jh.) der Angehörige des von dem Spanier Dominikus (Caleruega nach 1170-Bologna 1221, aus dem Geschlecht der Guzmán) in Toulouse 1215 begründeten, am 22. 12. 1216 vom Papst unter seinen Schutz gestellten (Bettel-)Ordens (lat. [M.] ordo praedicatorum, in Frankreich Jakobinerorden) der Prediger, dem von Papst Gregor IX. 1232 die Inquisition übertragen wird und dem 1990 677 Klöster mit 6775 Mitgliedern bzw. 226 Dominikanerinnenklöster mit 4225 Schwestern (2004 626 Klöster, 6262 Mitglieder, 227 Frauenköster, 3488 Mitglieder) angehören.
Lit.: Altaner, B., Der heilige Dominikus, 1922; Walz, A.,
Wahrheitskünder, 1960; Hinnebusch, W., The History of the Dominican Order,
1966ff.; Hertz, A., Domenikus und die Dominikaner, 1981; Vicaire, M., Histoire
de Saint Dominique, 1982; Springer, K., Die deutschen Dominikaner in Widerstand
und Anpassung, 1999; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003, 156
Dominium (lat.
[N.]) ist im römischen Recht (wie proprietas) das Eigentum, wobei das (lat.) d.
ex iure Quiritium (quiritisches Eigentum) römischen Bürgern vorbehalten und nur
an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken möglich ist (d. dormiens,
ruhendes Eigentum z. B. an einem fremden Balken während des Bestands des ihn
aufnehmenden Gebäudes). Nach Ernst Levy verfällt dieses klassische d. in der
Spätantike, doch ist diese Ansicht inzwischen wieder streitig geworden. Im
Mittelalter bezeichnet d. (ahd. giwaltida, herskaf, hertuom) die Herrschaft
(oder Gewalt über ein Gebiet einerseits und die Herrschaft über einzelne Sachen
andererseits). Zugleich wird von Italien ausgehend ein (lat.) d. directum
(Obereigentum z. B. des Lehnsherrn) von einem d. utile (Untereigentum z. B.
des Lehnsmanns) geschieden. Mit der Aufnahme des römischen Rechts dringen
römischrechtliche Vorstellungen durch und werden insbesondere gewisse ältere
Bindungen des Eigentums (z. B. gegenüber Erben oder Nachbarn) aufgegeben und
D., beschränkte dingliche Rechte sowie Besitz von einander klar geschieden,
wird freilich im 20. Jh. das Eigentum auch wieder einer sozialen Bindung unterworfen.
Lit.: Kaser § 22 II; Hübner 241ff.; Köbler, LAW; Schmidt,
C., Der prinzipielle Unterschied zwischen dem römischen und germanischen Recht,
Bd. 1 1853, 223; Lautz, K., Entwicklungsgeschichte des dominium utile, Diss.
jur. Göttingen 1916; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Willoweit,
D., Dominium und proprietas, Hist. Jb. 94 (1974), 131; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Mayer-Maly, T., Das Eigentumsverständnis der
Gegenwart, FS H. Hübner, 1984, 145; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in
den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Diestelkamp, B., Frühe
urkundliche Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13.
Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts = FS P. Landau, 2000, 391ff.;
Vandendriessche, S., Possessio und Dominium im postklassischen römischen
Recht, 2006
dominium (N.) directum (lat.)
Obereigentum → dominium, Eigentum
dominium (N.) plurium in solidum
(lat.) Gesamteigentum → Miteigentum
dominium (N.) utile (lat.)
(vielleicht erstmals bei Johannes Bassianus am Ende des 12. Jh.s belegt, 1204
Bischof Huguccio von Ferrara) Nutzungseigentum → dominium, Eigentum
dominus (lat. [M.]) Herr (über jemanden
oder etwas), Eigentümer
dominus (M.) terrae (lat.) → Landesherr
Dominus imperator in territorio suo (lat.). Der Landesherr ist Kaiser in seinem Land.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Eyben 1660)
Domkapitel (Wort neuzeitlich) ist das
seit der zweiten Hälfte des 8. Jh.s aus dem verpflichtend werdenden gemeinschaftlichen
klösterlichen Leben der Geistlichen einer Domkirche erwachsene, seit der Mitte
des 9. Jh.s gegenüber dem Bischof autonom werdende Gremium von Geistlichen, das
den Bischof unterstützt und nach seinem Tod das Bistum vorübergehend verwaltet
und den neuen Bischöf wählt (lat. [N.] capitulum [10. Jh.] in domo episcopi).
Es erlangt seit dem 9. Jh. Güter (z. B. Bamberg 1007) und wird im
Hochmittelalter Verbandsperson. Es enthält eine Reihe von Ämtern (Dompropst,
Domdekan, Domscholaster, Kantor, Kustos). Der Sicherung des Unterhalts dient
das in Pfründen geteilte Kapitelsgut. Das D. steht bis in das 19. Jh.
grundsätzlich nur Adligen offen. In den Hochstiften erlangen die D. vielfach
die Stellung von Landständen. Die Säkularisation von 1802/1803 bewirkt einen
deutlichen Einschnitt. Danach wird das D. zu einem kirchlichen, vom Staat
dotierten Gremium mit geringeren Rechten und Aufgaben, wobei das Erfordernis
des Adels abgeschafft wird. Nach dem geltenden Kirchenrecht haben die D. der
Diözesen Deutschlands, Salzburgs, Churs, Sankt Gallens und Basels gegenüber dem
Bischofsernennungsrecht des Papstes ein Beteiligungsrecht.
Lit.: Gehring, G., Die katholischen Domkapitel Deutschlands
als juristische Personen, 1851; Kisky, W., Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten,
1906; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924,
Neudruck 1964; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Trippen, N., Das Domkapitel und die
Erzbischofswahlen in Köln, 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln
in Deutschland, 1976; Hersche, P., Die deutschen Domkapitel im 17. und 18.
Jahrhundert, Bd. 1ff. 1984; Maier, K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Haas,
R., Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen in Münster 1813.1846, 1991; Jüsten,
E., Das Domkapitel nach dem Codex Iuris Canonici von 1983, 1993; Miele, M., Sui
capitoli cattedrali in Italia, 1999; Burkhard, D., Staatskirche, Papstkirche,
Bischofskirche, 2000
Domscholaster (M.) Leiter der Domschule (seit
816, seit der Neuzeit allmählich, z. B. Österrreich 1787, aufgegeben)
Donatio (lat. [F.] → Schenkung) ist im römischen Recht die unentgeltliche Zuwendung. Sie ist zunächst nur ein Rechtsgrund, der einen Zuwendungsvorgang rechtfertigt. Erst unter Kaiser Konstantin (337-361) wird die d. zu einem eigenen Geschäft. Besondere Fälle sind die d. mortis causa (Schenkung von Todes wegen), die d. post obitum (Gabe nach dem Tod), die d. propter nuptias (Ehegabe, Widerlage) und die d. reservato usufructu (Gabe unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts).
Lit.: Kaser § 47; Köbler, DRG 41, 37; Köbler, LAW; Cappon,
C., Eine donatio post obitum mit Treuhändern – die Schenkung von Dietrich von
Ulft zugunsten des Klosters Camp (um 1138), ZRG GA 112 (1995), 245; Gade, G.,
Donationes inter virum et uxorem, 2001
Donau ist der auf fast 3000 Kilometern
vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer fließende Fluss, der für die Römer einen
Teil ihrer Nordgrenze bildet und seit dem 19. Jh. zunehmend europäischen
Rechtsregeln (Pariser Friede 1856, internationale Donaukommission 1922,
NAIDES-Aktionsprogramm der Europäischen Kommission) unterworfen ist.
Lit.: Wegener, W., Die
internationale Donau, 1951; Neweklowsky, E., Die Schifffahrt und Flößerei im
Raume der oberen Donau, 1952ff.; Weithmann, M., Die Donau, 2000
Donaumonarchie (F.) die dem Einzugsbereich der Donau weitgehend entsprechende Monarchie
Österreich-Ungarn
Doneau (Donellus), Hugo (Chalons-sur-Saône 23. 12. 1527-Altdorf 4. 5. 1591), aus patrizischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (1544) und Bourges (1546) dort Professor (1551). Als Calvinist flieht er 1572 nach Genf, geht 1572 nach Heidelberg, 1579 nach Leiden und 1588 nach Altdorf. In seinem Hauptwerk (lat. [M.Pl.] Commentarii de iure civili, Kommentare zum weltlichen Recht, 1589ff.) ordnet er das überlieferte römische Recht losgelöst von der Reihenfolge der Digesten nach einem aus ihm selbst gewonnenen System, um durch die innere Ordnung die verstreuten Einzelsätze besser zu verstehen, wobei er als einer der ersten das Recht der Obligationen im Allgemeinen zu erfassen sucht und vielleicht das Erfordernis der Kausalität von Verpflichtungen begründet.. Dabei gelingen über die Darstellung hinaus weiterführende Erkenntnisse (z. B. Ausdehnung des Satzes [lat.] impossibilium nulla est obligatio, zu Unmöglichem besteht keine Pflicht, Beiträge zur Entwicklung des subjektiven Rechts, des Besitzrechts, des Vertragsrechts und des Persönlichkeitsrechts).
Lit.: Eyssell, A., Donellus, 1860; Bergfeld, C., Savigny
und Donellus, Ius commune 8 (1980), 24; Cannata, C., Systématique et dogmatique
dans le Commentarii iuris civilis des Hugo Doneau, (in) Jacques Godefroy, 1991,
217; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums, 2000, 102f.;
Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004
Donellus → Doneau
Dorf ist die aus einer
nicht ganz geringen Zahl von beieinander liegenden Häusern gebildete,
landwirtschaftlich geprägte Siedlung. Das D. setzt die Sesshaftwerdung voraus.
Sein zeitliches Verhältnis zu Einzelhaus bzw. kleiner Hausgruppe (Weiler,
Drubbel) steht nicht sicher fest. Örtlich findet sich das D. in Deutschland im
gesamten Gebiet, ausgenommen den Nordwesten, den Schwarzwald und das
Alpengebiet. Vorherrschend ist das Haufendorf, doch prägen auch Marschhufendorf
und Waldhufendorf kleinere Räume. Das D. kann vor allem Nutzungsverband oder
auch Gerichtsverband (mit Richter und Schöffen) sein, wobei am Nutzungsverband
meist nur die Inhaber vollbäuerlicher Hofstellen berechtigt sind. Der
Dorfvorsteher und evtl. neben ihm stehende Gremien sind unterschiedlich
strukturiert und bezeichnet, die juristische Persönlichkeit lange Zeit nur
undeutlich ausgeprägt. Seit dem 19. Jh. werden D. und Stadt grundsätzlich
einheitlich als → Gemeinde im Sinne eines staatlichen Verwaltungsbezirkes
(1935 Deutsche Gemeindeordnung) angesehen, zu dem allerdings örtliche
Selbstverwaltungszüge hinzutreten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; Frey, K.,
Wollmatingen, 1910; Mayer, E., Dorf-Geschlechtsverband, ZRG GA 41 (1920), 375;
Bolleter, E., Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich),
1921; Maßberg, K., Die Dörfer der Vogtei Groß-Denkte, 1930; Steinemann, H.,
Geschichte der Dorfverfassungen im Kanton Zürich, 1932; Dinklage, K., Fünfzehn
Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1935; Ganahl, K., Langen-Erchingen
(Langdorf), ZRG GA 58 (1938), 389; Bader, K., Entstehung und Bedeutung der
oberdeutschen Dorfgemeinde, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 1
(1937), 265; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947;
Zimmermann, F., Die Rechtsnatur der altbayerischen Dorfgemeinde und ihrer
Gemeindenutzungsrechte, 1950; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. (Bd. 2 Dorfgenossenschaft und
Dorfgemeinde, 1962, Bd. 3 Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung
im mittelalterlichen Dorf, 1973); Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Die
Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Tütken,
H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Lippert, W.,
Geschichte der 110 Bauerndörfer in der nördlichen Uckermark, 1968; Ardelt, R.,
Das Dorf Edelbruck im Mühlviertel, 1972; Ossfeld, W., Obergrombach und
Untergrombach, 1975; Zeller, G., Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung,
1975; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, hg. v. Jankuhn, H.,
1977; Donat, P., Haus, Hof und Dorf, 1980; Arnold, K., Niklashausen 1476, 1980;
Wunder, H., Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Schildt, B., Bauer,
Gemeinde, Nachbarschaft, 1996; Troßbach, W. u. a., Die Geschichte des Dorfes,
2006
Dorfgericht ist das
in einem → Dorf und häufig auch nur für Angelegenheiten des Dorfes meist
unter der Linde (Gerichtslinde, Dorflinde) tätige Gericht. Es ist in vielen
Fällen ein Gericht des Grundherrn und grundsätzlich nur Niedergericht.
Spätestens in der Mitte des 19. Jh.s verschwindet es zugunsten des Amtsgerichts
oder Bezirksgerichts.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Müller, K., Das Gericht zu
Ottendorf, ZRG GA 44 (1924), 168; Mitter, F., Die Grundlagen der
Gerichtsverfassung und das Eheding der Zittauer Ratsdörfer, 1928; Frölich, K.,
Alte Dorfplätze, 1938; Herrmann, W./Schründer, H., Greven an der Ems, 1938;
Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Fried, P., Grundherrschaft und Dorfgericht im spätmittelalterlichen
Herzogtum Bayern, (in) Vorträge und Forschungen 27 (1983), 277; Kroeschell, K.,
Dorfgerichtsplätze, FS K. Bader, 1986, 1
Dorfordnung ist die das Dorf betreffende
Ordnung, wie sie als Rechtsquelle seit dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit
erscheint. S. Dorfrecht, Weistum
Lit.: Stöhr, K., Erläuterungen und Anlagen zur
Altenburger Dorfordnung vom 13. Juni 1876, 1885; Robert, H., Als sich die Eberstädter
eine Dorfordnung gaben, 1982; Kunz, R., Die Dorfordnung von Schwanheim, 1985;
Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, 1999
Dorfrecht ist das
besondere Recht eines → Dorfes bzw. subjektiv die besondere
Mitgliedschaft in einer Dorfgemeinde. Das beispielsweise durch den →
Sachsenspiegel (Landrecht III, 79, 2) bezeugte besondere D. entsteht teils
durch Gewohnheit, teils durch Anordnung oder Satzung mit der Territorialisierung
bzw. Lokalisierung des Rechts im Hochmittelalter und verschwindet mit der
staatlichen Vereinheitlichung in der Neuzeit, in der es freilich auch vielfach
erst aufgezeichnet wird (zeitlicher Schwerpunkt in Schleswig-Holstein
1675-1774). Überliefert ist es hauptsächlich im → Weistum.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Alberti, W., Der Rheingauer
Landbrauch von 1643, 1913; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1917;
Schildt, B., Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, 1996; Rheinheimer, M., Die
holsteinischen Dorfordnungen, ZRG 115 (1998), 529; Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen
im Herzogtum Schleswig, Bd. 1f. 1999
Dorpat (estnisch 1918 Tartu) wird 1030
erstmals erwähnt, 1224 als (lat. [N.] castrum tarbatum) durch den Deutschen
Orden erobert, gelangt 1558 an Russland, 1582 an Polen, 1625 an Schweden,
erhält 1632 durch König Gustav Adolf von Schweden eine Universität (Akademie
mit deutsch-lateinischer Unterrichtssprache und schwedisch-finnischen Lehrern)
(1656 geschlossen, 1690-1710 als deutschbaltische Anstalt in Pernau), die 1802
(nach der Angliederung Livlands an Russland im Jahre 1721) als einzige
deutschsprachigae Universität Russlands von Deutschbalten neu gegründet, ab
1867 allmählich und 1893 entschieden russifiziert (Jurév) und unter Besatzungsregime
des Deutschen Reiches erfolglos regermanisiert wird (Rechtslehrer Johann Ludwig
von Müthel, Karl Friedrich Meyer, Christian Daniel Rosenmüller, Friedrich
Kasimir Kleinenberg, Johann Georg Neumann, Karl Schröter, Walter Friedrich
Clossius, Friedrich von Bunge, Gustav Bröcker, Otto Karl von Madai, Karl Eduard
von Otto, Eduard Osenbrüggen, Alexander von Reutz, Ewald Tobien, Johannes
Engelmann, Karl von Rummel, Viktor Ziegler, August von Bulmerincq, Karl
Bergbohm, Ottomar Meykov, Karl Erdmann, Woldemar von Rohland, Alexander [Axel]
Baron von Freytagh-Loringhoven, Vladimir Grabar, Michail Djakonov, Aleksej
Guljaev, Evgenij Passek, Peter Pustoroslev, Ivan Ditjatin, Alexander Filippov,
Lev Schalland, Alexander Nevzorov) und erhält 1919 in Estland den Namen Tartu.
Lit.: Gernet, A. v.,
Verfassungsgeschichte des Bistums Dorpat, 1896; Lemm, R., Dorpater Ratslinie,
1960; Luts, M., Eine Universität für unser Reich, ZRG GA 117 (2000), 607; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg,
hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Donnert, E., Die Universität Dorpat-Jurév 1802-1918,
2007
Dortmund wird 880-884 (Throtmanni,
Siedlung am gurgelnden Wasser?) erstmals erwähnt, erhält im 10. Jh. eine
königliche Pfalz, wird Reichsstadt (Privilegien Konrads III., Friedrichs I.,
Friedrichs II. [1236 bzw. 1220]) und Mitglied der Hanse und kommt mit etwa 4000
Einwohnern 1802 an die Fürsten von Oranien-Nassau und 1815 an Preußen, in dem
es zur industriell geprägten Großstadt heranwächst.
Lit.: Rübel, K.,
Dortmunder Urkundenbuch, Bd.1ff. 1881ff.; Frensdorff, F., Dortmunder Statuten
und Urtheile, 1882; Meininghaus, A., Die Grafen von Dortmund, 1905;
Meininghaus, A., Die Dortmunder Freistühle und ihre Freigrafen, Beiträge zur
Geschichte Dortmunds 19 (1910); Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund,
1910; Rübel, K., Geschichte der Grafschaft und der freien Reichsstadt Dortmund,
Bd. 1 1917; Winterfeld, L. v., Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in
Dortmund, 1917; Meininghaus, A., Die Entstehung von Stadt und Grafschaft
Dortmund, 1920; Berken, R. von den, Dortmunder Häuserbuch von 1700 bis 1850,
1927; Winterfeld, L. v., Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund,
1934; Luntowski, G. u. a., Geschichte der Stadt Dortmund, 1994; Ferne Welten,
freie Stadt. Dortmund im Mittelalter, hg. v. Ohm, M. u. a., 2006
Dos (lat. [F.], zu lat. dare, geben) ist bereits im altrömischen Recht die vom Hausvater der Frau dem Ehemann grundsätzlich gegebene, der Unterhaltssicherung dienende → Mitgift, die nach dem Tod der Frau oder einer auf ihrer Seite schuldlosen Scheidung aus dem Vermögen des Mannes an den ursprünglichen Geber zurückfällt. Im Jahre 18 v. Chr. verbietet die (lat.) lex (F.) Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über Grundstücksmitgift) die Veräußerung eines Mitgiftgrundstücks ohne Zustimmung der Frau. In der Spätantike wird die Bestellung einer d. durch den Brautvater zu einer Rechtspflicht. Das Recht der d. wird im Mittelalter und in der Neuzeit (nur) teilweise aufgenommen (Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Pommern, Teile Mecklenburgs, Dotalsystem). Nach dem germanischen Recht gibt der Mann (bzw. seine Familie) der Frau (bzw. ihrer Familie) eine Gabe (vielleicht als Gegenleistung für die Personalgewalt des Mannes über die Frau).
Lit.: Kaser § 59; Söllner §§ 8, 12, 15, 18, 24; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Köbler, LAW; Schröder, R., Geschichte des
ehelichen Güterrechts in Deutschland, Teil 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Brunner,
H., Die fränkisch-romanische dos, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1894, 545;
Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Lorenz, E., Das Dotalstatut
in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965;
Stagl, J., Favor dotis, 2009
Dotalitium (lat.
[N.]) ist meist die → Leibzucht oder das → Wittum.
Lit.: Heusler, A., Deutsches
Privatrecht, Bd. 1 1885, 370; Bellomo, M., Ricerche sui rapporti patrimoniali,
1961
Dotalsystem (19. Jh.) ist das auf der
römischrechtlichen → dos aufbauende Ehegüterrecht, das von der
Gütertrennung ausgeht, bei der die Lasten der Ehe das Vermögen des Ehemannes
treffen, die Ehefrau aber mit ihrer in das Eigentum des Ehemannes übergehenden
dos die Ehelasten mittragen soll. Die Rezeption ändert das römische D. ab,
soweit es überhaupt aufgenommen wird. Mit den Kodifikationen geht das im
Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens
(1863) bereits nicht mehr erwähnte D. unter (BGB 1900, ZGB der Schweiz 1907).
Lit.: Söllner §§ 5, 9, 12, 18, 24; Hübner 664, 694,
Dotation (F.)
Ausstattung, Zuwendung, Aussteuer
Lit.: Landau, P., Ius patronatus, 1975; Dröge, M., Staatsleistungen
an Religionsgemeinschaften, 2004
Dou de Bassols, Ramón
Llàtzer de (1742-1832) verfasst nach dem Rechtsstudium in Cervara (1760-1764)
und einer anwaltlichen Tätigkeit als Professor in Cervara die erste
systematische Darstellung des spanischen öffentlichen Rechts (Instituciones del
derecho público general en España, 1800ff.), die sich in die drei Bücher
Person, Sache, Gericht und jeweils einen allgemeinen und besonderen Teil
gliedert.
Lit.: Elias de Molins, A., Diccionario
biográfico, Bd. 1 1889, 532
Do ut des (lat.). Ich gebe, damit du gibst.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 19, 5, 5, §1)
Douai
Lit.: Espinas, G., La
vie urbaine de Douai, Bd. 1ff. 1913
Drakon ist der athenische Gesetzgeber (Thesmothet), der 624 (bzw. 621/620) v. Chr. (?) das geltende Recht veröffentlicht, in dem die Selbsthilfe (Blutrache) durch strenge Strafen (drakonische Strenge) für Verbrechen ersetzt und die gewollte Tötung von der ungewollten Tötung und der gerechtfertigten Tötung unterschieden ist.
Lit.: Söllner §
7; Köbler, DRG 17; Stroud, R., Drakon´s Law on Homicide, 1968; Gagarin, M.,
Drakon and Early Athenian Homicide Law, 1981; Biscardi, A., Diritto greco
antico, 1982; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Carawan, E.,
Rhetoric and the Law of Draco, 1998
Draufgabe (lat. [F.] →
arrha) ist eine Leistung bei Eingehung eines Vertrags, die als Zeichen des
Abschlusses des Vertrags gilt und im Zweifel auf die geschuldete Leistung
anzurechnen oder bei Erfüllung zurückzugeben ist. Sie besteht im gemeinen
Recht, ist in der Gegenwart aber nur von geringer Bedeutung.
Lit.: Kaser § 41; Hübner 543; Jagemann, E. v., Die
Draufgabe (arrha), 1873; Gastreich, F., Die Draufgabe, Diss. jur. Erlangen 1932
Drei ist eine im
Recht häufiger verwendete Zahl (z. B. aller guten Dinge [Gerichte] sind drei).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, 285; Usener, H., Die Dreiheit, 2. A. 1922; Meyer,
H./Suntrup, R., Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, 1987, Neudruck
1999; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995
Dreibund (N.) den 1879 zwischen
dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn geschlossenen Bund 1882 um
Italien erweiternder Bund (1883 Beitritt Rumäniens, im ersten Weltkrieg Kündigung durch Italien, das 1915 den Alliierten beitritt, Rumänien 1916)
Dreifelderwirtschaft ist die vom 8. bis zum 19. Jh. verbreitete Form der Landwirtschaft, bei der jeweils ein Drittel des Ackerlandes mit Winterfrucht oder mit Sommerfrucht bebaut oder als Brache gelassen wird. Bei der Dreizelgenwirtschaft ist dabei die gesamte Flur eines Dorfes in drei etwa gleich große im Wechsel bewirtschaftete Teile aufgegliedert.
Lit.: Köbler, DRG 77, 174; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 46; Rösener, W.,
Bauern im Mittelalter, 1985; Brakensiek, S., Agrarreform, 1991; Rösener, W.,
Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter,
1992
Dreiklassenwahlrecht ist
das die Wähler in drei Klassen einteilende Wahlrecht (kopfzahlbezogenes D.
erstmals im Gemeindegesetz Badens vom 23. 8. 1821). Es widerspricht dem
Grundsatz der Stimmengleichheit, indem es bei dem steueranteilbezogenen D. z.
B. Wählern mit höherem Steueraufkommen mehr politischen Einfluss in einem zu
wählenden Gremium gewährt (z. B. wählen in Preußen 1849 bis 1918 etwa 4,7%,
12,6% und 82,6% der Wähler mittelbar je ein Drittel der Abgeordneten). 1918
wird es spästetens aufgegeben (Preußen, Braunschweig, Lippe, Sachsen-Altenburg,
Waldeck). In Österreich besteht von 1849 bis 1918 ein D. für das
Gemeindewahlrecht, bei dem ein Zensus den Kreis der Wahlberechtigten einengt
und die Wahlkörper eine unterschiedliche Zahl von Gemeinderäten wählen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Gerlach, D., Die
Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Boberach, H., Wahlrechtsfragen im
Vormärz, 1959 Kühne, T., Dreiklassenwahlrecht, 1994; Gerhards, J./Rössel, J.,
Interessen und Ideen im Konflikt um das Wahlrecht, 1999
Dreiliniensytem ist eine Erbfolgeordnung in den drei Linien
Abkömmlinge, Aszendenten, Seitenverwandte.
Dreißigjähriger Krieg ist der von 1618 (Prager Fenstersturz, 8. 11. 1620 Schlacht am Weißen Berg mit Niederlage der aufständischen prostestantischen Landstände Böhmens, 10. 5. 1627 Verneuerte Landesordnung für Böhmen) bis 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, → Westfälischer Friede) unter protestantenfreundlicher Beteiligung europäischer Mächte (Dänemark 1625, Schweden 1630, Frankreich 1635) währende Religionskrieg im Heiligen römischen Reich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Franz, G., Der dreißigjährige
Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Schormann, G., Der Dreißigjährige
Krieg, 1985; Burkhardt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1991; Kampmann, C.,
Reichsrebellion und kaiserliche Arbeit, 1993; Wedgwood, C., Der 30jährige
Krieg, 8. A. 1995; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 6. A. 2004; Oschmann,
A., Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650, 1991; Englund, P., Die Verwüstung
Deutschlands, 1998; Findeisen, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1998; Schmidt, G.,
Der Dreißigjährige Krieg, 4. A. 1999; Zwischen Alltag und Katastrophe, hg. v.
Krusenstjern, B. v. u. a., 1999; Bedürftig, F., Der Dreißigjährige Krieg, 2006;
Kampmann, C., Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, 2007; Sack, H.,
Der Krieg in den Köpfen, 2008; Fuchs, R., Ein Medium zum Frieden, 2008;
Brockmann, T., Dynastie, Kaiseramt und Konfession, 2009
Dreißigster ist der
dreißigste Tag nach dem Tod eines Menschen und die als gesetzliches Vermächtnis
daraus grundsätzlich sich ergebende Verpflichtung der → Erben, bestimmten
Familienangehörigen des → Erblassers während der ersten 30 Tage nach dem
selten genau vorherbestimmten Erbfall Unterhalt zu gewähren und die Benutzung
der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Eine dreißigtägige
Beweinung kennt bereits das alte Testament (5. Moses 34,8). Danach erscheint
der D. beispielsweise im → Sachsenspiegel (1221-1224). In der Zeit des
Dreißigsten ist der Erbe zwar schon Eigentümer, darf aber nicht im Widerspruch zum
Dreißigsten verfügen. Teilweise setzt das gemeine Recht den bis zum Dreißigsten
ruhenden Nachlass der römischrechtlichen (lat.) hereditas (F.) iacens (ruhenden
Erbschaft) gleich. Der D. ist noch geltendes Recht (§ 1969 BGB).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hübner 676f.; Hennecke, G., Das
Recht des Dreißigsten, Diss. jur. Heidelberg 1909
Dresden an der Elbe
(sorb., Sumpfgebiet, steinzeitliche Besiedlungsspuren, Ersterwähnung 1206,
1201?) erhält vielleicht um 1150 eine Burg der wettinischen Markgrafen von
Meißen. 1299 wird ihm das Stadtrecht von Magdeburg bestätigt. Stadtbücher sind
seit 1404 erhalten.Seit 1485 wird es Vorort der albertinischen Linie der
Herzöge von Sachsen. 1828 wird eine Technische Universität eingerichtet, an der
1991 eine juristische Fakultät entsteht, deren Auflösung 2004 beschlossen wird.
Lit.: Richter, O., Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte
der Stadt Dresden, Bd. 1ff. 1885ff.; Butte, H., Geschichte Dresdens, 1967;
Streifzüge durch die Dresdener Justiz, 1999; Die Professoren der TU Dresden
1828-2003, bearb. v. Petschel, D., 2003; Pommerin, R., Geschichte der TU
Dresden 1828-2003, 2003; Hädecke, W., Dresden, 2006; Geschichte der Stadt
Dresden, hg. v. Blaschke, K. u. a., Bd. 1-3, 2005f.; Meinhardt, M., Dresden im
Wandel, 2008; Die Stadtbücher Dresdens, hg. v. Kübler, T. u. a., Bd. 1ff.
2007ff.
Dresdener Entwurf
ist der - der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung von 1847/1848 und dem
Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 folgende - in → Dresden
in Sachsen auf Grund der nach dreijährigen Beratungen 1862 beschlossenen
Schaffung eines einheitlichen Obligationenrechts (→ Allgemeines Deutsches
Gesetz über Schuldverhältnisse) der Staaten des → Deutschen Bundes in
einer Kommission beratene, 1866 noch der Bundesversammlung zugeleitete, dort
aber nicht mehr behandelte, Entwurf, der infolge der Auflösung des Deutschen
Bundes (1866) nicht Gesetz bzw. allgemeines deutsches Recht wird, sich aber auf
das Obligationenrecht der Schweiz (1881) und den Allgemeinen Teil und das
Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896/1900) auswirkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der
Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen
Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DRE1866-EntwurfeinesallgemeinendeutschenGesetzesueberSchuldverhaeltnisse.pdf;
Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen
Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Benöhr, H., Der Dresdener Entwurf von
1866 und das Schweizerische Obligationenrecht von 1881, (in) Hundert Jahre
Schweizerisches Obligationenrecht, 1982, 57
Drews, Bill (Drews, Wilhelm Arnold, Berlin
11. 02. 1870-Berlin 17. 02. 1938) wird 1917 Minister des Innern in Preußen, 1919
Staatskommissar für die Vorbereitung einer Verwaltungsreform Preußens und 1921
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Preußens (bis 1937). 1927 legt er ein
Preußisches Polizeirecht vor. Er nimmt maßgeblichen Einfluss auf das
Polizeiverwaltungsgesetz Preußens von 1931.
Lit.: Naas, S., Die
Entstehung des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, 2003
Dritter ist
die an einem Verhältnis zweier Personen mittelbar beteiligte weitere Person.
Lit.: Barnert, E., Der
eingebildete Dritte, 2008
Drittes Reich ist die problematische Bezeichnung des → Deutschen Reiches in der vom → Nationalsozialismus Adolf → Hitlers beherrschten Zeit zwischen dem 30. 1. 1933 und dem 8. 5. 1945. Sie geht in möglichen Anfängen auf Joachim von Fiore (Celico um 1130-Fiore 1202), der Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes unterscheidet, zurück. 1923 weist A. Moeller van den Bruck (1876-1925) auf ein dem Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) und dem Reich Bismarcks folgendes D. R. hin. Dieses entwickelt sich in der Wirklichkeit zu einer totalitären Diktatur, in der das Recht an vielen Stellen zum Instrument der Durchsetzung des Nationalsozialismus wird. In ihm wird in einer Presseanweisung vom 10. 7. 1939 der Ausdruck D. R. verboten, weil die darin zwecks Sinnstiftung für das Ungewisse verwendete Tradition inzwischen als entbehrlich angesehen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234, 242; Wust, N.,
Das Dritte Reich, 1905; Mutius, G. v., Die drei Reiche, 1916; Neurohr, J., Der
Mythos vom Dritten Reich, (1933, veröff. 1957); Hertel, H., Das Dritte Reich in
der Geistesgeschichte, 1934; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.;
Kobé, E., Die Idee eines Dritten Reiches im deutschen Idealismus, Diss. phil.
Wien 1939; Fraenkel, E., The Dual State, 1941; Schorn, H., Der Richter im
Dritten Reich, 1959; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960,
2. A. 1971; Mähl, H., Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis,
1965; Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966; Scheffler, W., Judenverfolgung
im Dritten Reich, 1966; Adam, U., Judenpolitik im Dritten Reich, 1972, Neudruck
1979; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Justiz im
Dritten Reich, hg. v. Staff, I., 1979; Schönbaum, D., Die braune Revolution,
1980; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Broszat, M./Möller, H.,
Das Dritte Reich, 1983; Wistrich, R., Wer war wer im Dritten Reich, 1983;
Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Tröger, J., 1984; Shirer,
W., Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, 1984; Strafjustiz und Polizei im
Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Das große Lexikon des Dritten
Reiches, hg. v. Zentner, C. u. a., 1985; Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v.
Lundgren, P., 1985; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten
Reich, 1985; Staatsrecht und Staatslehre im Dritten Reich, hg. v. Böckenförde,
E., 1985; Koenen, A., Der Fall Carl Schmitt, 1995; Gruchmann, L., Justiz im
Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2001; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v.
Diestelkamp, B. u. a., 1988; Kropat, W., Kristallnacht in Hessen, 1988; Puppo,
R., Die wirtschaftliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Schröder, R.,
.. aber im Zivilrecht sind die Richter standhaft geblieben!, 1988; Rüthers, B.,
Entartetes Recht, 2. A. 1989; Michelberger, H., Berichte aus der Justiz des
Dritten Reiches, 1989; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u.
a., 1989; Werle, G., Justiz - Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung
im Dritten Reich, 1989; Rebentisch, D., Führerstaat und Verwaltung im zweiten
Weltkrieg, 1989; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 6. A. 2003, 7. A. 2009;
Schmoeckel, M., Die Großraumtheorie, 1994; Fürst, M., Politisches Strafrecht
im Dritten Reich, 1995; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v.
Rückert, J. u. a., 1995; Schindler, F., Paulus van Husen im Kreisauer Kreis,
1996; Nunweiler, A., Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit und seiner
Aktualisierung im Dritten Reich, 1996; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und
der Kreisauer Kreis, 1997; Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“
Ländern, hg. v. Bohn, R., 1997; Bedürftig, F., Lexikon Drittes Reich, 1997;
Kroll, F., Geschichtsdenken und politisches Handeln im Dritten Reich, 1997;
Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997;
Friedländer, S., Das Dritte Reich und die Juden, 1998; Biographisches Lexikon
zum Dritten Reich, hg. v. Weiß, H., 1998; Michelberger,
H. Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1998; Hummel, K.,
Deutsche Geschichte 1933-1945, 1998; Die juristische Aufarbeitung des
Unrechtsstaats, hg. v. d. Redaktion Kritische Justiz, 1998; Klaus, M., Mädchen
im Dritten Reich, 1998; Perels, J., Das juristische Erbe des Dritten Reiches,
1999; Wendt, B., Das Dritte Reich, 1999; Schwerin, F. Graf v., Helmuth James
Graf von Moltke, 1999; Benz, W., Geschichte des Dritten Reiches, 2000; Ellmann,
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und Zwangsarbeit bei BMW, 2005; Braun, K., Dr. Otto Thierack (1889-1946), 2005;
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der Außenpolitik totalitärer Staaten, 2006; Voß, R., Johannes Popitz, 2006;
Einhaus, C., Zwangssterilisation in Bonn (1934-1945), 2006; Winstel, T.,
Verhandelte Gerechtigkeit, Rückerstattung und Entschädigung für jüdische
NS-Opfer, 2006; Schenk, D., Hans Frank, 2006; Schäfer, K., Werner von Blomberg,
2006; Zwicker, S., Nationale Märtyrer - Albert Leo Schlageter und Julius
Fučik, 2006; Tent, J., Im Schatten des Holocaust. Schicksale
deutsch-jüdischer „Mischlinge“, 2007; Die NS-Gaue -regionale Mittelinstanzen,
hg. v. John, J., 2007; Rohrer, F., Strafjustiz im Dritten Reich und in der
SBZ/DDR, 2007; Hürter, J., Hitlers Heerführer, 2007; Lübbe, H., Vom
Parteigenossen zum Bundesbürger, 2007; Schmerbach, F., Das Gemeinschaftslager
Hanns Kerrl für Referendare in Jüterbog 1933-1939, 2008 (rund 20000
Referendare, systemstabilisierende Wirkung); Bähr, J. u. a., Der Flick-Konzern
im Dritten Reich, 2008; Stirken, H., Der Kölner Justizalltag im zweiten
Weltkrieg, 2008; Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933, hg. v.
Schoeps, J. u. a., 2008 (ab März 1933 94 Bücherverbrennungen in 62 Städten);
Ribbentrop, R. v., Mein Vater Joachim von Ribbentrop, 2008; Universitäten und
Studenten im Dritten Reich, hg. v. Scholtyseck, J. u. a., 2008; Kontinuitäten
und Zäsuren. Rechtswissenschaft und Justiz im Dritten Reich und in der
Nachkriegszeit, hg. v. Schumann, E., 2008; Harris, W., Tyrannen vor Gericht,
2008; Longerich, P., Heinrich Himmler, 2008; Schlick, C., Apotheken im
totalitären Staat, 2008; Drecoll, A., Der Fiskus als Verfolger,
2009; Tofahrn, K., Das dritte Reich und der Holocaust, 2008; Koop, V., Himmlers
letztes Aufgebot, 2008; Schleusener, J., Eigentumspolitik im NS-Staat, 2009;
Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009; Gathmann, P. u. a., Narziss
Goebbels, 2009
Drittschadensliquidation ist die Ersetzung eines einem Dritten entstandenen Schadens
durch den Schuldner eines Schuldverhältnisses. Sie ist dem römischen Recht und
dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) an sich fremd, für bestimmte
Fallgestaltungen seit einer Entscheidung in Lübeck vom 20. 1. 1855 und einer
dogmatischen Erörterung Zimmermanns (1858) aber gewohnheitsrechtlich
anerkannt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 184; Reichard, I.,
Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, 1992;
Schroeter, H., Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten, 1995;
Neuner, J., Die Entwicklung der Haftung für Drittschäden, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 193
Drittschutz ist der Schutz eines Dritten
durch eine Verhältnis zwischen zwei anderen,
Lit.: Hofer, S.,
Drittschutz und Zeitgeist, ZRG GA 117 (2000), 377
Drittwiderspruchsklage ist die als Interventionsklage entwickelte Klage des angeblichen oder wirklichen Inhabers eines die Veräußerung hindernden Rechts an einem Gegenstand (z. B. Eigentum) gegen die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand.
Lit.: Picker, E., Die
Drittwiderspruchsklage, 1981
Drittwirkung ist
die Wirkung gegenüber Dritten. Grundsätzlich wirken sich Rechte in einem
Schuldverhältnis nur zwischen Gläubiger und Schuldner (relativ) aus, so dass
im römischen Recht sogar Stellvertretung, Abtretung und Schuldübernahme
Schwierigkeiten bereiten. Dagegen wirken Sachenrechte gegenüber jedermann
(absolut). Die D. von Grundrechten wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
erörtert (z. B. Nipperdey), aber überwiegend verneint.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
droit (M.) commun (franz.)
gemeines Recht
Lit.: Bourjon, F., Le droit commun de
la France et la coutume de Paris reduits en principes, 1747; Petot, P., Le
droit commun en France selon les coutumiers, RH 38 (1960), 412
Droit (M.) coutumier
(franz.) ist das in → coutumiers aufgezeichnete Gewohnheitsrecht
(coutume) (im Norden Frankreichs).
droit (M.) écrit (franz.),
Schriftrecht, römisches Recht (im Süden Frankreichs)
droit (M.) intermédiaire (franz.) das zwischen französischer Revolution von 1789 und
den Kodifikationen Napoleons (1804ff.)
durch Einzelgesetze geschafffene französische Recht
Drost (M.) aus mnd, drossete
(Truchsess) gebildete Bezeichnung eines örtlichen Verwaltungsamtsträgers in
Norddeutschland und Westdeutschland vom 13. bis zum 19. bzw. 20. Jh.
Lit.: Bornhak, C.,
Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Drecktrah, V.,
Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002; Blazek, M.,
Von der Landdrostey zur Bezirksregierung, 2004
Druck ist das Einwirken auf einen
Gegenstand mit Gewicht oder Kraft. Seit etwa 1440 (1454?) werden Texte durch
Buchdruck vervielfältigt (z. B. Bibel in 42 Zeilen je Seite). Einblattdrucke
(z. B. Ablassbriefe, Gebete, Mahnschreiben) werden ab 1475 häufig.
Lit.: Eisermann, F.,
Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke im Heiligen römischen Reich
deutscher Nation, Bd. 1ff. 2004; Westphal, J., Die Darstellung von Unrecht in
Flugblättern der frühen Neuzeit, 2008
Druckprivileg ist das seit Erfindung des Buchdruckes (1440-1454) auf Grund des vom Kaiser beanspruchten Buchregals in Übung kommende herrscherliche, meist zeitlich begrenzte, mit Strafgeldern und Vermögenseinziehung bewehrte Privileg, zum Schutz vor allem der Drucker und auch Verleger sowie Urheber ein bestimmtes Buch ausschließlich zu drucken und dementsprechend Nachdrucke Nichtprivilegierter zu bekämpfen (Venedig 1469 auf fünf Jahre befristetes, ausschließliches Privileg Bücher zu drucken für Johan von Speyer [† 1470]], Herzog von Mailand 1481 Nachdrucksverbotsprivileg, im Heiligen römischen Reich 1501 Nachdruckprivileg für Conrad Celtis, Frankreich 1507, England 1518). Das vielfach erteilte und meist im jeweiligen Werk auch abgedruckte D. wird auf Drängen der Buchhändler und Verleger seit dem 19. Jh. durch das sie und die Urheber vollkommener schützende →Urheberrecht (Preußen 11. 6. 1837 Gesetz zum Schutze des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck) abgelöst.
Lit.: Pütter, J., Der Büchernachdruck, 1774; Bluntschli,
J., Deutsches Privatrecht Bd. 1, 1853; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht
über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Gieseke, L., Vom Privileg zum
Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, 1996; Gergen, T., Die
Nachdruckprivilegienpraxis Württtembergs im 19. Jahrhundert, 2007
Dualismus ist
grundsätzlich jede Lehre, die von zwei voneinander unabhängigen meist
gegensätzlichen Gegebenheiten ausgeht. In diesem Sinne besteht seit dem 14. Jh.
ein (durch gegenseitige vertragliche Treuebindung befriedeter)
ständisch-monarchischer D. (Otto von Gierke 1868) zwischen Landesherr und
Landständen, der im Absolutismus zu Lasten der Landstände (vor allem in Österreich
und Preußen) weitgehend verschwindet. In Österreich sind nach 1867 dualistische
Angelegenheiten die in übereinstimmenden Beschlüssen des österreichischen
Reichsrats und des ungarischen Reichstags geregelten Angelegenheiten
(Münzwesen, Zollgesetzgebung, Eisenbahnlinien, Wehrsystem), deren Verwaltung
in Österreich und Unganr jeweils eigenständig erfolgt.
Lit.: Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd.
1 1868, Neudruck 1954; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Thouzellier, C., Livre de deux principes, 1973;
Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Vormünder des Volkes?, 1999 ;
Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der
österreichisch-ungarischen Monarchie, 2001
Duaren, François
(Bourges 1509-1559), adliger Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges
und nach weiteren Studien bei Budé Advokat am Parlament von Paris und 1538
Nachfolger Alciats in Bourges. 1544 setzt er sich in der Schrift (lat.) De
ratione docendi discendi iuris (Von der richtigen Art Recht zu lehren und zu
lernen) für eine moderne Studiengestaltung (lat. → mos [M.] Gallicus) mit
Einführungslehrveranstaltungen, guten Sprachkenntnissen und neuer Methodik
ein. Sein gleichzeitig erscheinender Kommentar über Verträge beeinflusst die
Entwicklung des Schuldrechts (u. a. Grundsatz der Beschränkung der Herausgabe
des ungerechtfertigt Erlangtem auf die noch vorhandene Bereicherung).
Lit.: Vogt, W., Franciscus Duarenus, 1971
Dublin in Irland
erscheint im 3. Jh. 1171 erhält es das Stadtrecht von Bristol. 1591 bzw. 1909
werden Universitäten gegründet. Seit 1922 ist D. Hauptstadt Irlands.
Lit.: Stewig, R., Dublin, 1959
Duell ist der
geordnete Waffenkampf zweier Streitender (zur Sühnung einer Ehrverletzung).
Wurzeln des Duells reichen vielleicht in die Vorzeit zurück. Im Frühmittelalter
durchaus allgemein häufig, tritt im Hochmittelalter der ritterliche Zweikampf
zu Ross mit Schild und Lanze in den Vordergrund. Im engeren Sinn entwickelt
sich das D. erst in der Neuzeit. Vom 17. Jh. an wird es unter strenger
Strafandrohung ohne besonderen Erfolg verboten. Erst nach Ende der
adelsgeprägten Gesellschaft (1918) verschwindet das ernsthafte D. gänzlich.
Seit 1969 gelten die allgemeinen Strafrechtsnormen, wovon freilich
rechtstatsächlich die studentische Mensur noch nicht erfasst wird.
Lit.: Below, G. v., Das Duell in Deutschland, 1896; Fehr,
H., Der Zweikampf, 1908; Prokowsky, D., Die Geschichte der Duellbekämpfung,
Diss. jur. Bonn 1965; Slawig, J., Der Kampf gegen das Duellwesen, Diss. jur.
Münster 1986; Kiernan, V., The Duel in European history, 1988; Dieners, P., Das
Duell, 1992; MacAleer, K., Dueling, 1994; Bringmann, T., Reichstag und
Zweikampf, 1997; Schmiedel, H., Berüchtigte Duelle, 2000; Schlink, B., Das
Duell im 19. Jahrhundert, NJW 2002, 537; Walter, W., Das Duell in Bayern, 2002;
Baumgarten, R., Zweikampf, 2002
Duguit, Léon
(Libourne/Frankreich 1859-Bordeaux 1928), Professor des öffentliches Rechtes in
Caen und Bordeaux (1892), sieht den Staat positivistisch-realistisch als bloße
Gruppe von an einer Aufgabe arbeitenden, von Regierenden gelenkten und
kontrollierten Menschen an.
Lit.: Dumas, u. a., A la mémoire de
Léon Duguit, 1929; Grimm, D., Solidarität als Rechtsprinzip, 1973
Duisburg an der Mündung der Ruhr in den Rhein ist (883/884) Pfalz (Dispargum) des
fränkischen Königs, wird 1129 (?) Stadt (regia villa) und kommt 1290 als Pfand
vom König an Kleve und damit 1614 an Brandenburg. Von 1655 bis 1818 (dann Bonn)
ist es Sitz einer Universität, seit 1972 Sitz einer Gesamthochschule (1980 Universität).
Lit.: Geschichte der Universität Duisburg, hg. v. Ering, W., 1920; Ahrens, T.,
Aus der Lehr- und Spruchtätigkeit der alten Duisburger Juristenfakultät, 1962;
Roden, G. v./Jedin, H., Die Universität Duisburg, 1968; Roden, G. v.,
Geschichte der Stadt Duisburg, 1970ff.; Komorowski, M., Bibliographie der Duisburger
Universitätsschriften (1652-1817), 1984; Born, G./Kropatschek, F., Die alte
Universität Duisburg, 1992; Die Protokolle des Duisburger Notgerichts
1537-1545, hg. v. Mihm, M., 1994; Zur Geschichte der Universität, hg. v.
Hantsche, I., 1997; Jägers, R., Duisburg im 18. Jahrhundert, 2001; Mihm, M. u.
a., Mittelalterliche Stadtrechungen im historischen Prozess, Bd. 1f. 2007f.
Du Moulin (Molinaeus),
Charles (1500-1566), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Sprachstudium bei
Budé und dem Rechtsstudium in Poitiers und Orléans 1522 Advokat in Paris und
gelangt nach seiner Vertreibung wegen seiner Zugehörigkeit zum Calvinismus über
Basel, Genf und Straßburg 1553-1555 als Rechtslehrer nach Tübingen. 1539 kommentiert
er die Coutume von Paris, 1567 zahlreiche französische Gewohnheitsrechte (Le
grand coutumier).
Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Du Moulins auf die
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Thireau, J., Charles Du Moulin, 1980
Dundee wird 1200
erwähnt. 1883/1967 erlangt es eine Universität. Seit 1889 ist es Stadt.
Lit.: Maxwell, A., Old Dundee, 1891
Duoviri (lat.
[M.Pl.] Zweimänner) sind im altrömischen Recht ein Organ des Strafverfahrens,
im spätantiken römischen Recht ein gemeindliches Verwaltungsorgan.
Lit.: Kaser § 80; Köbler, DRG 20, 55
duplum (lat. [N.]) Doppeltes
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 65
Durantis (Duranti), Guilelmus der Ältere
(Speculator) (Puimoisson/Languedoc (1230?) 1237-Rom
1. 11. 1296) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon? und Bologna (1255, doctor
decretorum) Rechtslehrer in Modena und vielfältiger päpstlicher Amtsträger
(1271 Richter, 1279 Dekan in Chartres, 1286 Bischof von Mende/Südfrankreich).
Sein vierbändiges, in mindestens 130 Handschriften überliefertes Hauptwerk (lat.
→ Speculum [N.] iudiciale, Gerichtsspiegel, vor 1276, 2. A. 1289-1291,
Druck Straßburg 1473, Neudruck 1975) behandelt, dem Ablauf eines Prozesses
folgend, in vier Teilen (Personen, Zivilsachen, Kriminalsachen, einzelne
Klagen) in erschöpfender Sammlung und Verwaltung der prozessrechtlichen
Literatur das gesamte geistliche Gerichtsrecht unter Berücksichtigung vieler
Formulare.
Lit.: Köbler, DRG 107; Savigny, F. v., Geschichte des
römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 5 1850, 571; Guillaume Durand, hg.
v. Gy, P., 1992; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd.
2 2007, 478
Durchgangserwerb ist
der nur durchgangsweise erfolgende Erwerb eines Rechts.
Lit.: Weyand, S., Der Durchgangserwerb,
1989
Durch zweier Zeugen Mund wird die Wahrheit kund.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 360 (Simrock 1846)
dux (lat. [M.])
Feldherr, Führer, Herzog (z. B. im westfränkischen Reich dux Britonum 860, dux
Aquitanorum 909, dux Burgundiae 918, dux Francorum 937, dux Normannorum 1006,
dux Gasconum 1022, dux Narbonae 1088)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Sprandel, R., Dux
und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Kienast, W., Der
Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Ebling, H., Prosopographie
der Amtsträger, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Gasparri, S., I
duchi longobardi, 1978; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003
Dynastie (Herrschergeschlecht)
→ Merowinger, → Karolinger, → Ottonen, → Salier, →
Staufer, → Welfen, → Babenberger, → Wittelsbacher,
Luxemburger, → Wettiner, → Hohenzollern, → Habsburger,
Kapetinger, Bourbonen, Stuart u. a.
Lit.: Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht,
Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957); Sokop, B., Stammtafeln europäischer
Herrscherhäuser, 1976; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscherfamilien des
mittelalterlichen Europa, 1985; Sokop, B., Stammtafeln europäischer
Herrscherhäuser, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und
die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Durschmied, E., Der Untergang großer
Dynastien, 2000
E
Ebel, Wilhelm (Garsuche/Schlesien 7. 6.
1908-Göttingen 22. 6. 1980) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft,
Geschichte und Sprachen in Königsberg, Heidelberg und Bonn 1933 bei Adolf Zycha
in Bonn promoviert, 1936 habilitiert und 1938 nach Rostock berufen. 1939
wechselt er als Nachfolger Herbert Meyers nach Göttingen (bis 1945, ab 1954),
wo er 1965 vorzeitig emeritiert wird. Besonders verdient macht er sich durch
Arbeiten zum lübischen Recht und durch Quelleneditionen.
Lit.: Landwehr, G.,
Wilhelm Ebel, ZRG GA 98 (1981), 467; Die deutsche Rechtsgeschichte in der
NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995
Ebenburt → Ebenbürtigkeit
Ebenbürtigkeit (Ebenburt) ist die von der Gleichheit des (Geburts-)Standes abhängige rechtliche Gleichheit. Ihr ähnelt im römischen Recht das → conubium. Wann im Mittelalter E. eine Voraussetzung einer Rechtsfolge wird, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Immerhin ist erkennbar, dass seit der karolingischen Zeit der Hochadel nahezu ausnahmslos unter sich heiratet. Später zeigen sich Auswirkungen auch im Verfahrensrecht (E. der Urteiler, der Zeugen, des kampflich Ansprechberechtigten). Mit dem Verlust der Vorrangstellung des Adels verschwindet (spätestens 1918) auch die rechtliche Bedeutung der E. weitgehend.
Lit.: Köbler, DRG 120; Pütter, J., Über Missheiraten
teutscher Fürsten und Grafen, 1796; Göhrum, C., Geschichtliche Darstellung der
Lehre von der Ebenbürtigkeit, 1846; Dungern, O. v., Das Problem der
Ebenbürtigkeit, 1905; Anschütz, G., Das Reichskammergericht und die
Ebenbürtigkeit, ZRG GA 27 (1906), 172; Minnigerode, H. v., Ebenburt und
Echtheit, 1912; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des
Spätmittelalters, 1993; Willoweit, D., Standesungleiche Ehen des regierenden
hohen Adels in der neuzeitlichen deutschen Rechtsgeschichte, 2004
Ebenteuer (N.) Sicherstellung
(z. B. des Erwerbers eines ohne Erbenlaub veräußerten Gutes unmündiger Kinder)
durch gleichen Wert (z. B. Pfand)
Lit.: Mayer-Maly, T.,
Ebenteuer, ZRG GA 72 (1955), 216
Ebstorf
Lit.: Urkundenbuch des
Klosters Ebstorf, hg. v. Jaitner, K., 1985; Die Ebstorfer Weltkarte, hg. v.
Kugler, H., 2007
ecclesia (lat. [F.]) Kirche
Ecclesia non sitit sanguinem (lat., die Kirche dürstet nicht nach Blut) ist eine mittelalterliche Rechtsregel unbekannter Herkunft, die begründet, weshalb Geistliche nicht an Verfahren teilnehmen dürfen, die zu einer → Todesstrafe oder Verstümmelungsstrafe führen können. Sie wird im Hochmittelalter sichtbar (Westminster 1173, Rouen 1190, Dublin 1214). Sie hat zur Folge, dass die Kirche in ihren weltlichen Herrschaftsgebieten Gerichtshalter (Vögte) einsetzen muss, die für sie das Blutgericht ausführen. Zumindest inhaltlich nicht an ihre Selbstbeschränkung hält sich die Kirche gegenüber Ketzern, Zauberern und Hexen. Auch bei Kreuzzügen scheut die Kirche vor dem Blutvergießen nicht zurück.
Lit.: Stickler, A., Il gladius negli
Atti dei concili, Salesianum 13 (1951), 414; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ecclesia vivit lege Romana
(lat., die Kirche lebt nach römischem Recht) ist eine beispielsweise in der
(lat.) → Lex (F.) Ribvaria (61) des 7. Jh.s bezeugte mittelalterliche
Rechtsregel, die zum Ausdruck bringt, dass die christliche Kirche grundsätzlich
römische Rechtsgedanken angenommen hat und ihre Geltung für ihre Angehörigen
einfordert. Stellenweise grenzt sich die Kirche aber auch bewusst vom römischen
Recht ab.
Lit.: Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, 1952ff.;
Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956),
1; Fürst, C., Ecclesia vivit lege Romana?, ZRG KA 92(1975), 17; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Lex Ribvaria 763/4)
Echte Not ist die von der
mittelalterlichen Rechtsordnung als Ausnahmetatbestand einer Rechtsregel
anerkannte besondere Lage (z. B. ist Säumnis im Verfahren bei echter Not [z. B.
Krankheit, Haft, Unwetter, Krieg, Kreuzzug] entschuldigt), deren Wirkung in
dem Satz Echte Not kennt kein Gebot zum Ausdruck kommt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schmidt, A., Echte Not, 1888; Sousa Costa, A. de, Studien
zu volkssprachigen Wörtern in kaorlingischen Kapitularien, 1993, 151
Echtes Ding ist das nicht besonders gebotene, regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindende → Ding.
Eckhardt, Karl August
(Witzenhausen 5. 3. 1901-Witzenhausen 29. 1. 1979); Rechtsanwaltssohn, wird
nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Marburg 1922 vier Wochen nach der
ersten juristischen Staatsprüfung bei Walther Merk mit einer Dissertation über
die Witzenhäuser Schwabenspiegelhandschrift promoviert und 1924 mit 23 Jahren
in Göttingen bei Herbert Meyer mit einer Schrift über den Deutschenspiegel für
deutsches Recht habilitiert. 1928 wird er ordentlicher Professor in Kiel,
1932 (mit bereits mehr als 70 Veröffentlichungen) an der Handelshochschule
Berlin, dann in Bonn, 1933 in Kiel, 1934 für Geschichte in Berlin und
Hauptreferent für Recht, Staat, Politik, Wirtschaft und Geschichte der
Hochschulabteilung des Reichs- und preußischen Ministeriums für Wissenschaft,
Erziehung und Volksbildung (Eckhardtsche juristische Studienreform). 1936
wechselt er an die juristische Fakultät, 1937 nach Bonn, zeitweise ist er in
Paris. 1945 wird er als entschiedener Anhänger der Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei (Oktober 1933 Mitglied der SS, 1935 zum persönlichen
Stab des Reichsführers SS abkommandiert) (mit 44 Jahren) seines Amtes enthoben,
1948 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, eine Emeritierung wird von seiner
Fakultät verhindert. Als Privatgelehrter führt er seine Editionstätigkeit
mittelalterlicher Rechtsquellen mit starkem persönlichem Einsatz fort.
Lit.: Festschrift zum
60. Geburtstag von Karl August Eckhardt, hg. v. Perst, O., 1961;
Werksverzeichnis Karl August Eckhardt, zusammengestellt v. Eckhardt, A., 1979;
Krause, H., Karl August Eckhardt, DA 35 (1979), 1; Die Juristen der Universität
Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004, 160
Edda (an. Urgroßmutter?) ist der
Name für eine in einer um 1270 (anonym) verfassten isländischen Handschrift
(lat. [M.) Codex regius) überlieferten altnordischen Liedersammlung
(Götterlieder und Heldenlieder) in Stabreimen (Liederedda, mit der noch weitere
Texte anderer Handschriften als [lat. N. Pl.] Eddica minora verbunden werden,)
und vor allem für ein überwiegend in Prosa gehaltenes, um 1225 entstandenes
altnordisches Werk des Isländers Snorri Sturluson (1179-1241) über altnordische
Dichtung und Mythologie (Snorra Edda.), von denen die möglicherweise erheblich
ältere Geschehnisse verarbeitende Liederedda auch als rechtsgeschichtlich
ertragreich angesehen wird.
Lit.: Snorra Edda, hg.
v. Jónsson, F., 1900; Eddica minora, hg. v. Heusler, A. u. a., 1903, Neudruck
1974); Edda - Die Lieder des Codex regius nebst verwandten Denkmälern, hg. v.
Neckel, G., 5. A. 1936; Kommentar zu den Liedern der Edda. hg. v. See, K. v. u.
a., Bd. 2ff. 1997ff.; Fidjestøl, B., The Dating of Eddic Poetry, 1999; Krause,
A., Die Götter- und Heldenlieder der älteren Edda, 2004
Eddach (mnd.) Eidtag
Lit.: Ebel, W., Bursprake, echteding,
eddach, FS H. Niedermeyer, 1953, 53
edictum (lat. [N.]) Ausgesagtes,
Ankündigung, Festlegung, Edikt (z.
B. e. des römischen Prätors, in dem er
angibt, nach welchen Grundsätzen er in seinem Amt Recht sprechen wird, oder der kurulischen Ädilen über die Folgen eines
Mangels bestimmter Sachen wie Sklaven, Zugtieren und Lasttieren)
Edictum Chilperici
ist das von dem merowingischen König Chilperich I. (561-584, Reichsteil um
Soissons) verfasste, in einer karolingischen Handschrift überlieferte Edikt
bzw. Kapitular.
Lit.: Beyerle, F., Das
legislative Werk Chilperichs I., ZRG GA 78 (1961), 1; Pactus legis Saliacae,
hg. v. Eckhardt, K., 1962, Tit. 106-116
Edictum Theoderici ist der nur durch einen frühneuzeitlichen Druck (Pierre Pithous [1579] aus zwei seitdem verschollenen Handschriften) überlieferte Rechtstext der ausgehenden Spätantike (2. H. 5. Jh.?), der in 154 bzw. 155 kurzen, zeitlich geordneten Kapiteln unter Verwendung des (vulgar umgeformten römischen) Codex Theodosianus, des Codex Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der sog. Paulussentenzen und der Responsen des Paulus verschiedenste Gegenstände behandelt und dabei in 26 Kapiteln die Todesstrafe androht. Streitig ist, ob das E. T. dem Gotenkönig → Theoderich dem Großen (493-526) und der Zeit um 500 zugeschrieben werden kann (oder älter ist).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 80; Bluhme, F.,
MGH LL (in folio) 5, 1, 145-168, 176-179; Gaudenzi, A., Die Entstehungszeit
ZRG GA 7 (1886), 29; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G., Edictum
Theoderici, 1967, Ius Romanum Medii Aevi I 2 b aa α, dazu Nehlsen, H., ZRG
GA 86 (1969), 246; Stelzer, W., Gelehrtes Recht, 1982; Liebs, D., Die
Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen
zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, 1995
Edictum (N.) tralaticium
(lat.) ist das überlieferte → Edikt des römischen Prätors. Um 130 n. Chr.
beauftragt Kaiser Hadrian den Rechtskundigen Julian mit der Festlegung des bis
dahin jährlich neu angenommeneen Edikts in einem (lat.) edictum (N.) perpetuum
(dauernden, unveränderlichen Edikt), wonach die kaiserlichen Konstitutionen die
Aufgabe der Rechtsfortbildung übernehmen..
Lit.: Köbler, DRG 30
Edictus Rothari ist das unter
der Herrschaft König Rotharis 643 in 388 Kapiteln lateinisch aufgezeichnete
Recht der Langobarden (→Volksrecht). Es berücksichtigt neben den
hergebrachten Gewohnheiten (langobardisch cawarfide) römisches Recht, biblische
Gedanken und vielleicht westgotisches, bayerisches, alemannisches und
fränkisches Recht. Die Nachfolger Rotharis fügen Ergänzungen an (→ Leges
Langobardorum).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Edictus ceteraeque
Langobardorum leges, ed. Bluhme, F., 1869;
Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948),
64; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Dold, A., Zur ältesten Handschrift
des Edictus Rothari, 1955; Cavanna, A., Nuovi problemi intorno alle fonti,
Studia et documenta 34 (1968), 269; Cavanna, A., La civiltà giuridica
longobarda, 1978; Vismara, G., Il diritto in Italia nell’ alto medioevo, 1981
Edikt ist allgemein
die Bekanntmachung oder der Erlass. In der römischen Rechtsgeschichte ist das
Edikt des Gerichtsmagistrats (Prätors) die Bekanntmachung vor allem der Grundsätze,
die der Gerichtsmagistrat während der gesamten Dauer seiner Amtszeit beachten
will (lat. edictum [N.] perpetuum, dauerhafte Bekanntmachung z. B. einer
Prozessformel, einer Rechtsschutzverheißung). Kaiser Hadrian lässt um 130 n.
Chr. das Edikt der Prätoren (lat. praetor [M.] urbanus und praetor peregrinus)
und der kurulischen Ädilen durch den Rechtskundigen Salvius → Iulianus in
eine endgültige, nur mehr durch den Kaiser abänderbare oder ergänzbare Fassung
bringen.
Lit.: Kaser §§ 2, 80; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22;
Söllner §§ 9, 15, 16, 23; Köbler, DRG 31, 161; Lenel, O., Das Edictum
perpetuum, 3. A. 1927, Neudruck 1956; Selb, W., Das prätorische Edikt, FS M.
Kaser, 1986, 259
Ediktalzitation ist
die durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende Ladung eines Beklagten, den
eine persönliche Ladung nicht oder schwer erreicht (z. B. durch Anschlag an
einem öffentlichen Gebäude wie einem Rathaus oder einer Kirche). Sie stammt aus
dem römischen Recht. Sie erscheint im 13. Jh. auch im deutschen Reich
(Reichsabschied vom 19. 11. 1274) und wird danach im Kameralprozess als
subsidiäre Einrichtung aufgenommen. Sie ist in der öffentlichen Zustellung der
Gegenwart erhalten (§§ 186 II 1, 187 ZPO, § 40 I StPO). Von der E. zu
unterscheiden ist die Feststellung, dass der Beklagte vor Gericht nicht
erschienen ist.
Lit.: Haase, C., Über Edictalladungen und Edictalprozeß,
1817; Meyer, H., Das Strafverfahren gegen Abwesende, 1869; Bethmann Hollweg, M.
v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 111; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 339;
Opet, O., Geschichte der Prozesseinleitungsformen, 1891; Sellert, W., Die
Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84(1967), 202; Reinschmidt,
T., Die Einleitung des Rechtsganges und des Versäumnisverfahrens im
salfränkischen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968; Kaser, M./Hackl, K.,
Das römische Zivilprozessrecht, 2. A. 1996, § 71
Edikt von Nantes ist das am
13. 4. 1598 von König Heinrich IV. von Frankreich erlassene Edikt, welches das
katholische Bekenntnis als Staatsreligion bestätigt, den Hugenotten (französische
Protestanten) Gewissensfreiheit und ungefähr 100 sichere Orte gewährt.
Edinburgh am Firth
of Forth entwickelt sich unterhalb einer seit dem 6. Jh. nachgewiesenen Burg,
in der seit dem Ende des 11. Jh.s die schottischen Könige sitzen (um 1470-1707
Hauptstadt). 1583 erlangt es eine Universität.
Lit.: Arnot, H., The History of Edinburgh, 1779
Edition (F.) Ausgabe, Herausgabe,
Bekanntgabe von Klagemitteilung und Beweisurkunde im römischen unf
frühneuzeitlichen Zivilprozess
Lit.: Bresslau, H.,
Geschichte der Monumenta Germaniae Historica, 1921; Richtlinien für die
Edition landesgeschichtlicher Quellen, hg. v. Heinemeyer, W., 2. A. 2000; Vom
Nutzen des Edierens, hg. v. Merta, B. u. a., 2005
Eferding
Lit.: Die Rechtsquellen
der Stadt Eferding, hg. v. Wutzel, O., 1954
Eger
Lit.: Siegl, K.,
Alt-Eger, 1927; Sturm, H., Eger, (1951), Šimek, E., Chebsko (Das Egerland),
1955; Das Egerer Urgichtenbuch, hg. v. Skála, E., 1972; Sturm, H., Districtus
Egranus, 1981
Ehaft (zu dem Adj. ehaft, echt, rechtmäßig) ist vor allem in Bayern die örtlich verbreitete Bezeichnung für → Weistum.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, C., Ehaften des Klosters
Heidenheim, ZRG GA 14 (1894), 168; Eisenbrand, T., Ehehaftsordnungen im
Hochstift Eichstätt, 1938; Trauchburg, G. v., Ehehaften und Dorfordnungen, 1995
Ehalt ist die
örtlich verbreitete Bezeichnung für → Gesinde.
Ehe ist die mit
Eheschließungswillen eingegangene anerkannte Lebensgemeinschaft zwischen Mann
und Frau. Bei den Indogermanen gibt vermutlich der Vater die Tochter dem Mann, der
sie (in das eigene Haus) führt, aber zu den Eltern der Frau in keine
verwandtschaftliche Beziehung tritt. Im altrömischen Recht, in dem die E. ein
hauptsächlich sozial geordnetes Verhältnis (gewollte tatsächliche
Lebensgemeinschaft mit Rechtsfolgen) ist, verspricht der Gewalthaber der Braut
diese dem Bräutigam. Daneben kann der Bräutigam seinerseits die Heimführung
zusagen. Beides kann durch Geldversprechen gesichert werden und wird regelmäßig
danach erfüllt. Die Eheschließung selbst erfordert den übereinstimmenden
Willen, die E. einzugehen. Kaiser Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) stellt
Eheverbote und Ehegebote auf (lex Iulia de maritandis ordinibus 18 v. Chr.
Eheverbote, Lex Iulia de adulteriis 18 v. Chr. Ehebruchsstrafen, lex Papia
Poppaea 9 n. Chr. Ehegebote). Vielleicht schon im klassischen römischen
Recht, jedenfalls in der Spätantike wird die E. unter vorwiegend christlichem
Einfluss ein stärker rechtlich geprägtes Verhältnis, wobei die Kirche
ihrerseits die Gegensätze zwischen alttestamentarischem Eheverständnis (Mehrehe,
Ehescheidung) und neutestamentarischen Eheverständnis (Einehe auf Lebenszeit)
ausgleichen muss. Für den Eheschluss der mündigen Brautleute genügt der jetzt
rechtlich eingeordnete Konsens, der aber in der Regel nur durch Urkunden über
eine Mitgiftbestellung bewiesen wird. Im Frühmittelalter setzen sich die
kirchlichen Vorstellungen gegenüber den germanischen Gestaltungen (Vertrag
zwischen Brautvater und Bräutigam [Muntehe, daneben vielleicht Entführungsehe],
Möglichkeit der Mehrehe) durch. Wohl seit dem 12. Jh. gilt der bereits den
Kirchenvätern des Altertums bekannte Satz, dass allein die Vereinbarung die E.
begründet ([lat.] solus consensus facit nuptias). Seit dem 12./13. Jh. soll aus
Gründen der Rechtssicherheit ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung
des Ja-Wortes durch den Priester erfolgen. Die E., die im 13. Jh. unter
Einengung einer ursprünglich weiteren Bedeutung (ahd. ewa, Recht) ihren Namen
E. erhält und die vor kirchlichen Gerichten hauptsächlich von Frauen eingeklagt
wird, wird christliches Sakrament. Die durch Martin Luthers Reformation von
1517 begründete protestantische Kirche lehnt dies ab und sieht die E. als
Vertrag. In der frühen Neuzeit wendet sich die Aufklärung überhaupt gegen das
kirchliche Wesen der E. Es wird die Schließung der E. vor einer staatlichen
Stelle zugelassen oder vorgeschrieben (England 1653, Frankreich 1792). Im
Kulturkampf wird im deutschen Reich die obligatorische Zivilehe in der Form
gegenseitiger Willenserklärungen vor dem Standesbeamten festgesetzt (Preußen
1874, 6. 2. 1875 Personenstandsgesetz des Reiches). Daneben besteht die
Möglichkeit der (zusätzlichen) kirchenrechtlichen E. fort. Das Bürgerliche
Gesetzbuch von 1900 geht von der auf Lebenszeit von den Eheleuten vor dem Standesbeamten
geschlossenen E. aus, sieht aber die Möglichkeit der Ehescheidung durch
gerichtliches Urteil bei Vorliegen bestimmter Gründe vor. Am Ende des 20. Jh.s
wird die Ehe rechtstatsächlich durch viele nichteheliche Lebensgemeinschaften
und gesetzlich durch die Zulässigkeit der eingetragenen
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft ergänzt bzw. ersetzt.
Lit.: Kaser § 58; Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 12, 14, 18, 23; Hübner
624ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 15, 22, 36, 58, 114, 120, 161,
209, 238, 267; Baltl/Kocher; Schulte, J. v., Handbuch des katholischen
Eherechts nach dem gemeinen katholischen Kirchenrecht, 1855; Friedberg, E., Das
Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865, Neudruck
1965; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Kawerau, W., Die Reformation
und die Ehe, 1892; Köstler,
R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Schlatter, A., Der
Schutz der ehelichen Gemeinschaft, 1920; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts,
1926; Preisker, H., Christentum und Ehe in den ersten drei Jahrhunderten, 1926,
Neudruck 1979; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934; Plöchl, W., Das Eherecht
des Magisters Gratian, 1935; Vaccari, P., Il matrimonio germanico, 1935; Schubart-Fikentscher,
G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Goern, H., Das Ehebild im
deutschen Mittelalter, 1936; Köhler, W., Die Anfänge des protestantischen
Eherechts, ZRG KA 61 (1941), 271; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei
den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen
Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Erle, M.,
Die Ehe im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1952; Ziegler, J., Die Ehelehre der
Poenitentialsummen, 1956; Lettmann, R., Die Diskussion über die klandestinen
Ehen, 1966; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung
in der Neuzeit, 1967; Tietz, G., Verlobung, Trauung und Hochzeit in den
evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 1969; Schulze-Beckhausen,
O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht
in den Coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Dufour, A., Le mariage dans
l’Ecole allemande du droit naturel moderne, 1972; Giesen, D., Grundlagen und
Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Huber, J., Der Ehekonsens im
römischen Recht, 1977; Mikat, P., Dotierte Ehe – rechte Ehe, 1978; Die
nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Fricke, F., Das
Eherecht des Sachsenspiegels, 1978; Raiser, B., Die Rechtsprechung zum
deutschen internationalen Eherecht im Dritten Reich, 1980; Hauser, H., Die geistigen Grundlagen des Eherechts an der Wende
des 18. zum 19. Jahrhundert, 1980; Buchholz,
S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W.,
1981; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988; Goody, J., Die Entwicklung
von Ehe und Familie in Europa, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der
Rechtssprache, 1991; Marriage, property and succession, ed. by Bonfield, L.,
1992; Krüger, J., Die Ehegesetzgebung des Kaisers Augustus, 1994; Seehase, H.,
Ehesachen vor dem Reichskammergericht, Diss. jur. Münster 1998; Fuhrmann, I.,
Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe in Deutschland und
Österreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts, 1998; Harmat, U., Ehe auf Widerruf?
Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Ehe und Familie,
hg. v. Hecker, H., 1999; Göwer, K., Wilde Ehen, 1999; Blümel, K., Die Aufhebung
der sog. Rassenmischehe, Diss. jur. Regensburg 1999; Eisenring, G., Die
römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2000; Das älteste Tübinger Ehebuch
(1553-1614), hg. v. Schiek, S. u. a., 2000; Matrimoni in dubbio a cura di
Seidel Menchi S. u. a., 2001; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister
1348-1352, 2001; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen
Ehe, 2002; Saar, S., Ehe – Scheidung - Wiederverheiratung, 2002;
Mammeri-Latzel, M., Justizpraxis in Ehesachen im Dritten Reich, 2002;
Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2002; Fischer, G., Die
Problematik der Ehe, 2003; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe,
2003; Arni, C., Entzweiungen, 2004; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung
und Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Arni, C.,
Entzweiungen, 2004; Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von
Bologna, 2004; Karl, A., Castitas temporum meorum, 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval
England, 2004; Lang, M., Das Eheverbot wegen Glaubensverschiedenheit, 2004;
D’Avray, D., Medieval Marriage, 2005; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005;
Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005;
Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Lumpp, S., Die Scheinehenproblematik,
2007; Kaiser, D., Die elterliche Eheeinwilligung, 2007; Westphal, S., Ehen vor
Gericht, 2008
Ehebruch ist der
zumindest bedingt vorsätzliche Vollzug des Beischlafs eines Ehegatten mit einer
dritten Person anderen Geschlechts. Der wohl zunächst privat geahndete E. (der
Frau), dem nach der Bibel die Steinigung folgt (1. Moses 38,24), wird seit
Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) strafbar. Bei den Germanen darf der Mann die
Frau nackt und geschoren durch die Siedlung treiben und damit dem Untergang
preisgeben oder überhaupt töten. Ihr männlicher Partner darf in handhafter Tat
bußlos getötet werden und unterliegt im Übrigen der Rache und später der Buße.
Die christliche Kirche verlangt die Gleichbehandlung von Mann und Frau (unter
Ausschluss der Wiederheirat), setzt sie aber erst seit dem 14. Jh. in den
Städten durch. Dem folgt im Gegensatz zum Sachsenspiegel (1221-1224) und zur
Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) die Constitutio Criminalis Carolina
(1532), äußert sich aber zur Strafe selbst nicht. Das preußische Allgemeine
Landrecht (1794) bestraft die Ehebrecher nur im Fall der Eheschließung auf
Antrag des beleidigten Ehegatten mit höchstens einjähriger Gefängnisstrafe. Je
nach dem Religionsbekenntnis ist im Josephinischen Gesetzbuch (1787) und im
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) der E. Ehescheidungsgrund.
1969 wird in Deutschland die Strafbarkeit beseitigt (Österreich 1996, aber
schwere Eheverfehlung). Mit dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip (1976) ist E.
als solcher auch kein Grund mehr zur Ehescheidung (in Österreich seit 1999 kein
absolouter Ehescheidungsgrund mehr).
Lit.: Söllner §§ 10, 14; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 35,
119, 264; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch, Gerichtssaal 22 (1870), 401;
Bennecke, H., Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch, 1884; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 691; Dahm, G., Das Strafrecht
Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 424; Bruns, B., Ehescheidung und
Wiederheirat im Fall von Ehebruch, 1976; Bullough, V./Brundage, J., Sexual
Practices, 1982; Graf, W., Der Ehebruch im fränkischen und deutschen Mittelalter,
Diss. jur. Würzburg, 1983; Schmitz, W., Der nomos moicheias, ZRG RA 114 (1997),
233; Kossak, W., Ehebruch, 2000; Melchior-Bonnet, S./Tocqueville, A. de, In
flagranti, 2000; Mader, K., Ehebruch als Scheidungstatbestand, 2002;
Trasgressioni, hg. v. Seidel Menchi, S., 2004; Kümper, H., Ein
spätmittelalterlicher Kurztraktatüber die Tötung der Ehebrecherin, ZRG GA 126
(2009), 223
Ehefrau → Frau
Ehegattenerbrecht ist
das Erbrecht eines Ehegatten beim Tode des anderen Ehegatten. In Rom führt die wachsende
Häufigkeit der gewaltfreien Ehe schließlich zur Einführung einer (allen
Verwandten nachgeordneten) Erbfolge zwischen Ehegatten. Justinian spricht der
bedürftigen undotierten Witwe neben Kindern ein Viertel des Erbes ihres Mannes
zu (Novellen 53). Im deutschen Reich fehlt anfangs ebenfalls ein E., doch
erkennen Stadtrechte im Hochmittelalter als Folge der Gütergemeinschaft
allmählich ein E. an. In der Neuzueit wird vielerorts unabhängig vom Güterstand
ein bestimmter Anteil am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten gewährt.
Teilweise wird das justinianische Recht aufgenommen. Nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) erhält der Ehegatte mindestens ein Viertel des Nachlasses
(Österreich 1914). Dieser Erbteil erhöht sich im Falle der Zugewinngemeinschaft
(1957) um ein Viertel. Seit 2004 erbt der hinterbliebene Ehegatte in Österreich
bereits neben Neffen oder Nichten den gesamten Nachlass
Lit.: Kaser §§ 65, 66; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 123, 210, 269; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit
der Rezeption, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Fröschle, T., Die Entwicklung der gesetzlichen Rechte des überlebenden
Ehegatten, 1996; Heyse, G., Mulier non debet abire nuda, 1994
Ehegattenschenkung ist
die Schenkung von Gütern unter Hausverbänden von Ehegatten. Sie wird im
römischen Recht (vielleicht im 3. Jh. v. Chr. unter dem Einfluss der Stoa entwickelt
und) unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) verboten.
Lit.: Köbler, DRG 37; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke
bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Schenkungen unter Ehegatten, (in)
Familie und Recht, 1995, 177; Kemner, D., Schenkungen unter Ehegatten, 1998;
Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001
Ehegesetz ist ein
die → Ehe betreffendes Gesetz, insbesondere das am 6. 7. 1938 auf Grund
des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich erlassene, zum 1. 8. 1938 in
Kraft gesetzte Gesetz (zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und
Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet), welches das
Recht der Eheschließung und Ehescheidung aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch
Deutschlands und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (unter
Beendigung des konfessionell gegliederten Eherechts Österreichs, des
Konkordatsrechts von 1933 und des Sonderrechts des Burgenlands) herausführt und
u. a. die Ehescheidung erleichtert. 1946 wird das E. durch Gesetz des
Alliierten Kontrollrats von nationalsozialistischem Gedankengut gereinigt
(ähnlich in Österreich), 1976 das Ehescheidungsrecht und (nach Wiedererlangung
der vollständigen Souveränität im Jahre 1990) bis 1. 7. 1998 in Deutschland
das gesamte Eherecht wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239, 254;
Baltl/Kocher; Grachl, P., Die geschichtliche Entwicklung des § 48 Ehegesetzes,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip im
Ehescheidungsrecht und die Nationalsozialisten, FamRZ 1988, 1271; Gruchmann,
L., Das Ehegesetz, ZNR 11 (1989), 63; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der
Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999
Ehegüterrecht ist
das die Güter der Ehegatten betreffende Recht. Im altrömischen Recht gibt der
Hausvater der Frau dem Ehemann in der Regel eine → dos, die nach ihrem
Tod grundsätzlich aus dem Vermögen des Mannes an den Geber zurückfällt. Bei den
später immer häufiger werdenden gewaltfreien Ehen bleibt das Vermögen der Ehegatten
rechtlich getrennt, wird aber tatsächlich weiter (wohl unter unter der
Verwaltung des Ehemannes) gemeinsam genützt. Die Schenkung unter Ehegatten (bei
gewaltfreier Ehe) ist verboten.Bei den Germanen wird wohl ein eingebrachtes Gut
vom Ehemann verwaltet. Im Frühmittelalter wird neben dieser grundsätzlichen →
Gütertrennung mit Verwaltungseinheit bei Franken und Westfalen eine
Gemeinschaft an dem in der Ehe gewonnenen Gut sichtbar (→
Errungenschaftsgemeinschaft). Im Hochmittelalter dringt im weltlich bleibenden
E. die → Gütergemeinschaft in verschiedenen Formen weiter vor (allgemeine
Gütergemeinschaft, Fahrnisgemeinschaft), wobei die örtlichen Regeln sehr
unterschiedlich sind und vertragliche Gestaltungen häufig werden. In der frühen
Neuzeit wird das römische → Dotalsystem abgewandelt in einzelnen
Gebieten aufgenommen (Braunschweig, Kurhessen). Die naturrechtlichen Kodifikationen
sehen nur gewisse Regelgüterstände vor (ALR grundsätzliche Verwaltung und
Nutzung des gesamten Vermögens der Frau durch den Mann, § 1237 ABGB Gütertrennung
mit Verwaltungsgemeinschaft). Die fünf noch im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
enthaltenen Güterstände (Regelgüterstand Verwaltungsgemeinschaft) werden
später auf Zugewinngemeinschaft (18. 6. 1957) als gesetzlicher Güterstand,
Gütertrennung und Gütergemeinschaft als durch Ehevertrag vereinbare
Wahlgüterstände verringert. Gesetzlicher Güterstand des Zivilgesetzbuchs der
Schweiz (1907/1911) ist die Gütervebindung.
Lit.: Kaser § 59; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler,
DRG 161, 209; Baltl/Kocher; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts
in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Adler, S., Eheliches
Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Mottloch, T., Traktat über das
eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns, ZRG GA 23 (1902), 275; Behre,
E., Die Eigentumsverhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Arnold, H., Das
eheliche Güterrecht von Mülhausen im Elsass, 1906; Hradil, P., Beiträge zur
Geschichte des süddeutschen Ehegüterrechts, ZRG GA 30 (1909), 304; Hradil, P.,
Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Ehegüterrechtsbildung nach
bayrisch-österreichischen Rechtsquellen, 1908; Steiner, H., Das eheliche
Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in
der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Merz, H., Die historische
Entwicklung des aargauischen ehelichen Güterrechts, 1923; Willecke, R., Das
eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Schubert, K., Die
Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Winter, G., Das eheliche
Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Brauneder,
W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Akademie für
deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 3,2, Familienrechtsausschuss,
Unterausschuss für eheliches Güterrecht, hg. v. Schubert, W., 1989; Schmid,
K., Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1990; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2002;
Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Lehmann, J., Die
Ehefrau und ihr Vermögen, 2006; Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht
der Ehegatten nach § 1368 BGB, 2009
Ehehindernis ist
der einer Eheschließung entgegenstehende Umstand. Anscheinend können bei den
Germanen Kinder von (im gleichen Haus lebenden) Brüdern nicht heiraten. Im
altrömischen Recht ist die Ehe ausgeschlossen unter Verwandten bis zum sechsten
Grad, mit einem Verheirateten sowie beim Fehlen des → conubium. Witwen
sollen zur Vermeidung von Unklarheiten über die Vaterschaft von Kindern 10
Monate nach dem Tod des Mannes nicht heiraten. Im spätantiken römischen Recht
sind christliche Ehehindernisse zu beachten. Seit dem 6. Jh. wirkt sich dies
auf das fränkische Recht aus, das ursprünglich wohl nur wenige tatsächliche
Ehehindernisse kennt. Danach setzt die Kirche ihr Recht der Ehehindernisse durch.
Ein staatliches Recht der Ehehindernisse begegnet ansatzweise im Verlauf der
frühen Neuzeit (Frankreich 1629 Entwurf, Österreich 1783, Frankreich 1804) und
wird danach allgemein aufgegriffen. Verboten ist die Ehe nach § 4 Ehegesetz von
1938 auch zwischen Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes mit
Personen artfremden Blutes (1945 aufgehoben).
Lit.: Kaser § 58; Hübner; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 58, 88, 122, 161, 209, 239
Ehemakler ist der
gegen (nicht einklagbares) Entgelt tätige Vermittler von Ehen.
Lit.: Jung, K., Der Ehemaklerlohn, 1991
Ehepatent ist die
am 16. 1. 1783 von Joseph II. für Österreich veröffentlichte Regelung, welche
die Ehe als bürgerlichrechtlichen Vertrag (vor dem Geistlichen [als
Staatsbeamten]) ansieht, die Ehescheidung erleichtert und für Ehestreitigkeiten
die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte anordnet.
Lit.: Köbler, DRG 142, 161; Baltl/Kocher; Schwab, D.,
Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967;
Mühlsteiger, J., Der Geist des josephinischen Eherechts, 1967
Eherecht ist das
Recht der → Ehe. Es betrifft vor allem die Eheschließung, die Ehehindernisse,
die Ehewirkungen, die Ehescheidung und das Ehegüterrecht. Nach M. Schmoeckel
entsteht das kirchliche Eherecht im 9. Jh. gelegentlich des Ehestreits Lothars
II.
Lit.: Söllner §§ 8, 14; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Fricke,
F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1898; Emge, C., Das Eherecht Immanuel
Kants, Kant-Studien 29 (1924), 243ff.; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters
Gratianus, 1935; Pappe, H., Methodische Strömungen in der eherechtsgeschichtlichen
Forschung, 1934; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner
Schöffenbuch, 1935; Schönsteiner, F., Grundriss des kirchlichen Eherechts, 2.
A. 1937; Schultze, A., Das Eherecht in den älteren angelsächsischen Königsgesetzen,
1941 (SB Leipzig); Dieterich, H., Das protestantische Eherecht, 1970; Gräfe,
R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunders, 1972; Ramm, T.,
Eherecht und Nationalsozialismus, FS Fraenkel, 1973; Giesen, D., Grundlagen
und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Buchholz, S., Eherecht zwischen
Staat und Kirche, 1981; Schäfer, J., Die Entstehung der Vorschriften über das
persönliche Eherecht, 1983; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v.
Mohnhaupt, H., 1987; Eherecht und Familiengut, hg. v. Simon, D., 1992; Gmür,
R., Betrachtungen zur Entwicklung des Eherechts, FS W. Stree/J. Wessels, 1993,
1227; Sibeth, U., Eherecht und Staatsbildung, 1994; Jackman, D., Das Eherecht
und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; Schwab, D., 20 Jahre „Erstes
Eherechtsreformgesetz“, JuS 1997, 587; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der
Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Deutsch, C.,
Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005; Frassek, R.,
Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005; Aspecten van het
Middeleeuwse Romeinse Recht, hg. v. Waelkens, L.,, 2008, 109ff.
Ehering ist der als
Zeichen eines Eheschließungswillens gegebene Fingerring. Er geht wohl auf den
(lat.) anulus (M.) pronubus (Verlobungsring) der Römer zurück, den das
Christentum als Symbol der Treue fördert. Er ist im Frühmittelalter zuerst im
Volksrecht der Westgoten und Langobarden belegt. Unter kirchlichem Einfluss
entwickelt sich die einseitige Gabe des Bräutigams an die Braut bei der
Verlobung und dann auch bei der Trauung seit dem Mittelalter allmählich zum
gegenseitigen Ringwechsel. Der E. ist bis in das 19. Jh. aber nur in einer
dünnen Oberschicht tatsächlich üblich.
Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und
Hochzeit, 1914; Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 53 (1933), 1;
Mühl, M., Anulus pronubus, 1961; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981;
Schott, C., Trauung und Jawort, 1992
Ehescheidung ist
die Auflösung der Ehe aus nach der Eheschließung eingetretenen Gründen. Sie ist
bei den Römern (lat. [N.] → divortium) einseitig wie einvernehmlich
zunächst ebenso möglich wie bei den Germanen, ohne dass sie in der Rechtswirklichkeit
allzu häufig gewesen sein dürfte. In der Spätantike führen die christlichen
Vorstellungen zur allmählichen Einschränkung der freien E. Im Frühmittelalter
wird die E. von der Kirche auf Grund von 1. Korinther 7,39ff. seit dem 8. Jh.,
verstärkt seit 829, bekämpft und bald gänzlich ausgeschlossen. Demgegenüber
lässt die protestantische Religion seit 1517, in der die Ehe kein Sakrament
mehr ist, allmählich die E. aus bestimmten Gründen (Matthäus 5,31ff., 19,3, 1.
Korinther 7,15), die Stadtgericht oder Landpfarrer sowie später die
Konsistorien in einem Verfahren überprüfen, zu. Die Aufklärung versucht dies
auszudehnen (Preußen 1749, Frankreich 1792, Österreich 1783 für Protestanten).
Im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Code civil Frankreichs (1804)
ist die E. auf Grund Vereinbarung möglich. In England wird 1857 erstmals die E.
mit gerichtlicher Mitwirkung möglich. In Deutschland lässt das Personenstandsgesetz
vom 6. 2. 1875 die E. durch ein staatliches Gericht aus bestimmten Gründen zu,
doch wird zur Verhinderung von Ehescheidungen ein Verschulden als Ehescheidungsgrund
gefordert. 1976 wird das grundsätzlich erforderliche Verschulden durch die
Zerrüttung ersetzt. Bei der E. erfolgt nunmehr auch ein Ausgleich der
Versorgungsansprüche. Am Ende des 20. Jh.s wird im Durchschnitt jede dritte
Ehe geschieden. In Österreich lassen das josephinische Ehepatent (1783) und das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811) nur die E. von Protstanten und Juden
zu. Im Gegensatz hierzu dispensiert Albert Sever (1867-1942) als
Landeshauptmann Niederösterreichs von dem Ehehindernis des bestehenden
Ehebandes, um Ehescheidungen von Katholiken tatsächlich zu ermöglichen
(Sever-Ehen). 1938 gestattet das nach dem Anschluss im gesamten Deutschen Reich
eingeführte Ehegesetz die E. und wird
1978 die einvernehmliche E. vor dem Außerstreitgericht eingeführt (§ 55a
EheG).
Lit.: Kaser § 58 II 2a; Söllner §§ 5, 8, 12, 23;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 58, 72, 88, 122, 161, 219, 239, 267;
Baltl/Kocher; Richter, Ä., Beiträge zur Geschichte des Ehescheidungsrechts in der
evangelischen Kirche, 1858; Hubrich, E., Das Recht der Ehescheidung in
Deutschland, 1891; Geffcken, H., Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian,
1894; Damas, P., Les origines du divorce en France, 1897; Wehrli, P. Die
Ehescheidung zur Zeit Zwinglis, Zürcher Taschenbuch, 1934, 61; Rost, S., Die
Einführung der Ehescheidung in Zürich, 1935; Wolf, E. u. a., Scheidung und
Scheidungsrecht, 1959; Hesse, H., Evangelisches Ehescheidungsrecht in
Deutschland, 1960; Escher, K., Die Entwicklung des Ehescheidungsrechts in
Kleve und Mark 1532-1874, 1967; Hecker, A., Die historische Entwicklung des Ehescheidungsprozessrechts,
1967; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in
der Neuzeit, 1967; Dieterich, H., Das protestantische eherecht, 1970; Mikat,
P., Zur Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die Entwicklung des
deutschen Scheidungsrechts, FS W. Bosch, 1976, 671; Schnell, R., Praesumpta
mors, ZRG GA 100 (1983), 181; Jensen, H., Die Ehescheidung des Bischofs Hans
von Lübeck von Prinzessin Julia Felicitas von Württemberg-Weiltingen, 1984;
Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik, 1986; Blasius, D.,
Ehescheidung in Deutschland 1784-1945, 1987; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip,
FamRZ 1988, 1271ff.; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschland im 19. und 20.
Jahrhundert, 1992; Wadle, E., Ehescheidung vor dem Standesbeamten, FS H.
Herrmann, 1995, 291; Roßdeutscher, G., Privatautonomie im Scheidungsrecht,
1995; Horn, C., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Ehesachen, 1997; Nahmacher,
K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Hamburger Gerichte, 1999;
Hoffmann-Steudtner, V., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu dem
Scheidungsgrund, 1999; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das
Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Saar, S., Ehe, Scheidung, Wiederverheiratung,
2003; Schubert, W., Die Abkehr vom Verschuldensprinzip im
Ehescheidungsrecht, ZRG GA 120 (2003), 280; Duncker, A., Gleichheit und
Ungleichheit in der Ehe, 2004; Humphrey, M., Die Weimarer Reformdiskussion über
das Ehescheidungsrecht, 2006; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Köhler, A.,
Die Sorgerechtsregelung bei Ehescheidung seit 1945, 2006, Försch, H., Die
Scheidungsgründe im Wandel der Zeit, 2006; Die Reform des Ehescheidungsrechts
von 1976, hg. v. Schubert, W., 2007; Mund, W., Das preußische Ehescheidungsrecht,
2008
Eheschließung ist die Eingehung der → Ehe. Sie erfordert geschichtlich unterschiedliche Voraussetzungen und erfolgt in verschiedenen Formen. Im Mittelalter wird sie allmählich vom kirchlichen Recht ([lat.] consensus facit nuptias, die Willensübereinstimmung der Eheleute bewirkt die Ehe, seit 1563 Gegenwart des Priesters und zweier Zeugen nötig) bestimmt, in der Neuzeit setzt sich vor allem im 19. Jahrhundert (Kulturkampf) das staatliche Recht wieder durch.
Lit.: Kaser §§ 6, 58; Söllner §§ 5, 8, 12, 18; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 122, 161, 209; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung
in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung,
1875; Scheurl, C., Die Entwicklung des kirchlichen Eheschließungsrechts, 1877;
Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen
Trauungsritualen, 1910; Zallinger, O., Die Eheschließung im Nibelungenlied,
1923; Schwerin, C. Frhr. v., Quellen zur Geschichte der Eheschließung, Bd. 1ff.
1925ff.; Frölich, K., Die Eheschließung des deutschen Mittelalters, Hess. Bll.
f. Volkskunde 1928, 144; Meyer, H., Die Eheschließung im Ruodlieb und das
Eheschwert, ZRG GA 52 (1932), 276; Melicher, T., Die germanischen Formen der
Eheschließung im westgotisch-spanischen Recht, 1940; Weltliche und kirchliche
Eheschließung, hg. v. Dombois, H. u. a., 1952; Ritzer, K., Formen, Riten und
religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1962, 2. A. 1981; Landau, P., Hadrians
IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511; Schröter, M., Wo
zwei zusammenkommen in rechter Ehe, 1990; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die
Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998; Fassbender, M., Das
Eheschließungsrecht im Herzogtum Berg, 1998 (Diss. jur. Köln 1998); Siffert,
R., Verlobung und Trauung, 2004; Scholz Löhnig, C., Bayerisches Eherecht von
1756 bi1 1875, 2004
Ehevertrag (Ehepakt) ist der
zur besonderen Gestaltung der abänderbaren ehelichen Rechtsverhältnisse
geschlossene, vielfach formbedürftige Vertrag zwischen den Eheleuten. Er
betrifft hauptsächlich das Ehegüterrecht. Er wird schon in den hochmittelalterlichen
Städten häufiger, bleibt aber insgesamt auf vermögende Menschen beschränkt.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in
Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hillenbrand, M., Fürstliche
Eheverträge, 1996
Ehre ist der Wert
eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Die Verletzung der E. kann schon im
altrömischen Recht eine Folge nach sich ziehen (bei [lat.] iniuria [F.] sind 25
Pfund Kupfer zu leisten). Ihr Schutz bleibt weitgehend der Selbsthilfe und dem
Strafrecht überlassen. Bestimmtes Verhalten führt zum rechtlichen Verlust der
E. (Ehrlosigkeit, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte). Im Mittelalter ist die
E. durch den Stand bestimmt. In der Neuzeit dient der Verteidigung verletzter
Ehre besonders das Duell. Nach Art. 1 GG ist die Würde des Menschen
unantastbar.
Lit.: Kaser § 13; Köbler, DRG 216; Marezoll, T.,
Bürgerliche Ehre, 1824; Osenbrüggen, E., Ehre im Spiegel der Zeit, 1872;
Binding, K., Die Ehre im Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit, 1890; Kisch, G.,
Ehrenschelte und Schandgemälde, ZRG GA 51 (1931), 514; Brauer, G., Die
ehrenwörtliche Bekräftigungsform, ZRG GA 54 (1934), 117; Reiner, H., Die Ehre,
1956; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz
im nationalsozialistischen Recht, 1987; Müller-Burgherr, T., Die Ehrverletzung,
Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Polay, E., Der Schutz der Ehre, ZRG RA 106
(1989), 502; Verletzte Ehre, hg. v. Schreiner, K. u. a., 1995; Backmann, S. u.
a., Das Konzept der Ehre, 1997; Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit, hg. v.
Backmann, S. u. a., 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998; Hagemann, M., Iniuria
bis zur justinianischen Kodifikation, 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1999;
Dülmen, R. van, Der ehrlose Mensch, 1999; Beher, K. u. a., Strukturwandel des
Ehrenamts, 1999; Bastl, B., Tugend, Liebe, Ehre, 2000; Waldow, J., Der
strafrechtliche Ehrenschutz in der NS-Zeit, 2000; Görich, K., Die Ehre
Friedrich Barbarossas, 2001; Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003; Lentz, M.,
Konflikt, Ehre, Ordnung – Untersuchungen zu den Schmähbriefen und Schandbildern,
2004; Burkhart, D., Geschichte der Ehre, 2001; Burkhart, D., Eine Geschichte
der Ehre, 2006; Brüggenbrock, C., Die Ehre in den Zeiten der Demokratie, 2006
Ehrengericht ist das Gericht zur Entscheidung
von Fragen der Ehre. In Preußen wird nach längeren Erörterungen 1808 ein E. zur
Übherwachung des Verhaltens der Offiziere eingerichtet, in Bayern und
Österreich wenig später, doch erklärt die Reichsverfassung des deutschen
Reiches von 1919 die Ehrengerichte für aufgehoben. E. ist auch das seit dem
Mittelalter geführte Standesgericht der Zünfte, das im 19. Jh. geschaffene E.
studentischer Verbindungen (Burschenschaften) und das E. sonstiger Verbände.
oder Personengruppen.
Lit.: Dietz, H., Die
Ehrengerichtsverordnungen, 3. A. 1912; Holly, G., Geschichte der
Ehrengerichtsbarkeit der Rechtsanwälte, 1989; Voigt, E., Die Gesetzgebungsgeschichte
der militärischen Ehrenstrafen und der Offizierehrengerichtsbarkeit im
preußischen und deutschen Heer von 1806 bi1 1918, 2004
Ehrenstrafe ist die die → Ehre betreffende Strafe. Bereits das römische Recht lässt die Aberkennung bürgerlicher Vorrechte vor allem als Nebenfolge einer Verurteilung auf Grund bestimmter Straftaten zu. Im Mittelalter sind als Ehrenstrafen beispielsweise anzusehen das Ausstellen am → Pranger, das Scheren der Haare oder das Tragen einer Schandmaske. In der frühen Neuzeit versucht man die E. gesetzlich festzulegen. Im 19. Jh. werden ältere Formen der E. wie Zurschaustellung am Pranger in Sachsen 1838 und in Preußen 1851 beseitigt, doch wird in Anlehnung an das römische Recht nach dem Vorbild des Code pénal (Strafgesetzbuchs) Frankreichs von 1810 die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte als zeitlich begrenzte Nebenstrafe aufgenommen. In der 2. Hälfte des 20. Jh.s (deutsches StGB 1969) wird ihre Bedeutung gering, doch dürfen Amtsfähigkeit, Wählbarkeit und Stimmrecht auf bis zu fünf Jahre aberkannt werden (§ 45 StGB).
Lit.: Marcuse, O., Die Ehrenstrafe, 1899; Quanter, R., Die
Schand- und Ehrenstrafen in der deutschen Rechtspflege, 1901, Neudruck 1970;
Künßberg, E. Frhr. v., Über die Strafe des Steintragens, 1907; Kühne, E., Die
Ehrenstrafe, 1931; Rannacher, H., Der Ehrenschutz in der Geschichte des
deutschen Strafrechts mit besonderer Berücksichtigung der Ehrenstrafen, 1938;
Voigt, E., Die Gesetzgebungsgeschichte der militärischen Ehrenstrafen, 2004;
Lidman, S., Zum Spektakel und Abscheu, 2008
Ehrenwort ist das die Ehre als Sicherungsmittel
der Wahrheit oder der Verwirklichung einer Erklärung einsetzende Wort (18. Jh.
aus franz. parole d’honneur). Seine rechtliche Bedeutung ist gering.
Ehrlich, Eugen (Czernowitz/Bukowina 14. 9. 1862-Wien 2. 5. 1922), Sohn eines Advokaten, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Advokat und 1896 Professor für römisches Recht in Czernowitz. Schon seine frühe Schrift über Lücken im Recht (1888) wendet sich gegen die herrschende Vorstellung von der Unangreifbarkeit des staatlichen Rechts. Der Vortrag Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft (1903) folgert daraus, dass im Falle einer Lücke eine freie Rechtsfindung erforderlich sei, die sich auf überkommene Gerechtigkeitsvorstellungen und im Zweifel auf soziologische Überlegungen stützen müsse. 1909 richtet E. ein Seminar für lebendes Recht ein und 1913 bietet E. mit seinem Hauptwerk Grundlegung der Soziologie des Rechts eine der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der Rechtssoziologie. Eigentlicher Sitz der Rechtsentwicklung ist ihm die Gesellschaft, während Juristenrecht und staatliches Recht nur zu dieser Grundlage hinzukommen.
Lit.: Köbler, DRG 189, 228; Rehbinder, M., Die Begründung
der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, 2. A. 1986; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 469; Vogl, S., Soziale
Gesetzgebungspolitik, freie Rechtsfindung und soziologische Rechtswissenschaft,
2003; Ehrlich, E., Politische Schriften, hg. v. Rehbinder, M., 2007
Ehrlichkeit → unehrlich
Ehrlosigkeit ist der ohne Ehre bestehende
Zustand eines Menschen. Die im Mittelalter bestehende E. ist wohl auch auf die
von der Kirche vermittelte römischrechtliche Figur der (lat. [F.) infamia
zurückzuführen. E. besteht z. B. für Diebe, Räuber, Henker, mancherorts für
Müller, Spielleute u. a. Seit der Neuzeit wird die E. zurückgedrängt und
allmählich rechtlich beseitigt.
Lit.: Dülmen, R. v., Der ehrlose Mensch, 1999
Eichhorn, Karl-Friedrich (Jena 20. 11. 1781-Köln 4. 7. 1854), Theologensohn, wird nach dem Rechtsstudium (seit 1797) in Göttingen (Hugo, Pütter, 1801 Promotion, 1803 Habilitation) 1805 Professor in Frankfurt an der Oder, 1811 in Berlin, 1817-1829 in Göttingen sowie nach krankheitsbedingter Unterbrechung seit 1832-1834 in Berlin. 1808 veröffentlicht er ganz aus den Quellen geschrieben die erste Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte), seit 1823 die Einleitung in das deutsche Privatrecht, die das geltende deutsche Privatrecht systematisch-dogmatisch gegliedert (als innere Rechtsgeschichte) aussondert. Die Einheit des deutschen Rechts wird dabei auf die Gemeinsamkeiten der mittelalterlichen Landrechte, sein System auf die ihnen angeblich zugrunde liegenden gemeinsamen Grundsätze gegründet. 1831-1835 folgen noch die zweibändigen Grundsätze des Kirchenrechts.
Lit.: Köbler, DRG 188; Frensdorff, F., Karl Friedrich Eichhorn,
1881; Kerler, H.?, Zur Lebensgeschichte Karl Friedrich Eichhorns, ZRG GA 3
(1882), 177; Schulte, J. v., Karl Friedrich Eichhorn, 1884; Jelusic, K., Die
historische Methode Karl Friedrich Eichhorns, 1936; Erler, A., Eine unbekannte
Niederschrift nach Eichhorns Vorlesung „Deutsche Geschichte und
Rechtsaltertümer“, ZRG GA 66 (1948), 537; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn
als Staatsrechtslehrer, 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F.,
1987, 166ff.; Dopke, F., Eichhorn als Rechtsgutachter, Diss. jur. Kiel 1992
Eichmann, Eduard
(Hagenbach/Pfalz 14. 2. 1870-München 26. 4. 1946) wird nach dem Studium der
Theologie (1888) und der Rechtswissenschaft (1898) in Würzburg, Straßburg und
München (1904 Promotion Dr. iur., Freiburg 1909 Promotion theol.) 1905
Professor für Kirchenrecht in Prag, Wien (1913) und München (1918-1936, 1946
Vertretung) und veröffentlicht 1923 das führende Lehrbuch des Kirchenrechts
seiner Zeit (13. A. 1991).
Lit.: Festschrift für Eichmann, hg. v. Laforet, W. u. a.,
1940; Hofmann, K., Eduard Eichmann, ZRG KA 65 (1947), VII
Eichstätt ist
die Stadt an der mittleren Altmühl, an der ein von Bonifatius um die Mitte des
8. Jh.s gestiftetes Bistum liegt.
Lit.: Das Bistum Eichstätt - Die
Bischofsreihe bis 1535, hg. v. Wendehorst, A., 2006; Zürcher, P., Die Bischofswahlen im Fürstbistum
Eichstätt von 1636 bis 1790, 2008
Eichwesen ist die Sicherstellung redlicher Verwendung von Maßen (z. B. Längenmaßen, Hohlmaßen, Gewichten). Ansätze des Eichwesens finden sich bereits in der hochmittelalterlichen Stadt (z. B. Stadtelle). Mit verstärkter Genauigkeit wird die Eichung auf der Grundlage technisch-wissenschaftlich definierter Maße seit dem 19. Jh. vorgeschrieben (1869 Normal-Eichungskommission, 1875 Pariser Meterkonvention, 1887 Phsyiklaisch-Technische Reichsanstalt).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Vec, M.,
Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006
Eid ist die
Anrufung einer (übermenschlichen) Macht (z. B. Gott, Feuer?) als Zeugen für die
Wahrheit einer Aussage oder die Gültigkeit eines Versprechens. Der E. ist weit
verbreitet, aber z. B. in Matthäus 5,33ff. verboten. Er verbindet meist Worte
mit besonderen Formen (z. B. Handerheben, Berühren der Bibel, eines Kreuzes,
einer Waffe usw.). Er ist ein wichtiges Beweismittel im Verfahren (z. B.
Reinigungseid des Beschuldigten [vielfach nicht als Eineid möglich, sondern
Eidhelfer nötig], Zeugeneid). Strafbar ist der → Meineid. Eine umfassende
Untersuchung des Eides fehlt bislang.
Lit.: Kaser §§ 84 I, 87; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
70, 114, 116, 155, 202, 216, 235; Köbler, WAS; Strippelmann, F., Der
Gerichtseid, 1855ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879;
Loening, R., Der Reinigungseid, 1880; Göpfert, F., Der Eid, 1883; Siegel, H., Handschlag
und Eid, 1894; His, R., Der Gleichheitseid, ZRG GA 27 (1906), 331; Thudichum,
F. v., Geschichte des Eides, 1911; Pedersen, J., Der Eid bei den Semiten, 1914;
Hirzel, T., Der Eid, 1922; Friesenhahn, E., Die politischen Eide, 1928;
Gottlob, T., Der kirchliche Amtseid, 1936, Neudruck 1963; David, M., Le serment
du sacre, 1951; Koller, F., Der Eid im Münchener Stadtrecht des Mittelalters,
1953; Bauernfeind, O., Eid und Frieden, 1956; Hofmeister, P., Die christlichen
Eidesformen, 1957; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Ebel, W., Das Ende der
bürgerlichen coniuratio reiterata, ZRG GA 78 (1961), 319; Scheyhing, R., Eide,
Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Giesey, R., If Not, Not, 1968; Lea, H., The Duel and the Oath, 1974;
Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueidleistung im
merowingischen Frankenreich, 1976; Vormbaum, T., Eid, Meineid und
Falschaussage, 1990; Prodi, P., Il sacramento del potere, 1992 (deutsch 1997);
Prodi, P., Das Sakrament der Herrschaft: Der politische Eid, 1997; Czeguhn, I.,
Der Herrschereid am Beispiel des Eides und der Eidesbekräftigung des spanischen
Königs, ZRG GA 115 (1998), 589; Eid und Wahrheitssuche, hg. v. Esders, S. u.
a., 1999; Esders, S./Mierau, H., Der althochdeutsche Klerikereid, 2000; Lange,
S., Der Fahneneid, 2001
Eidgenossenschaft
(14. Jh., Eidgenosse 13. Jh.) ist
allgemein das eidlich bekräftigte genossenschaftliche Bündnis. Die wichtigste
besondere E. ist die → Schweiz. Hier schließen die Länder → Uri und
→ Schwyz zwischen 1240 und 1273 einen ersten Bund, dem 1291 und 1315
sowie 1351ff. (Zürich, Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Glarus, Zug) weitere
folgen und zu dem danach zusätzliche Orte hinzutreten. Von einer
Schweizerischen E. wird dabei aber erst seit dem späten 18. Jh. gesprochen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hilty, C., Die Bundesverfassung
der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1891; Meyer, K., Italienische Einflüsse
bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jahrbuch für schweizerische
Geschichte 45 (1920), 1; Fehr, H., Die Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1929; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit
im Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Quellenwerk zur
Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Schieß, T. u. a., Bd.
1ff. 1933ff.; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG
GA 60 (1940), 1; Meyer, K., Der Ursprung der Eidgenossenschaft, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 21 (1941), 285; Pappard, W., Die Bundesverfassung der
schweizerischen Eidgenossenschaft 1848-1948, 1948; Claussen, H., Der
Zusammenschluss der schweizerischen Eidgenossen als Beispiel für die Ausübung
des Widerstandsrechts, Diss. jur. Hamburg 1951; Abegg, R., Die alte
Eidgenossenschaft, 1964; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Meyer, B., Die Bildung der
Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Braun, B., Die Eidgenossen, 1997;
Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft
und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008
Eidhelfer (Wissenschaftsbegriff), Eideshelfer, ist im (früh)mittelalterlichen deutschen
Recht der Mensch, der schwört, dass der Eid eines Eidesleistenden rein und nicht
mein (falsch) sei. Häufig soll dabei ein Beschuldigter mit sechs oder 12 (oder
auch 72) Eidhelfern sich durch Eid von einer Beschuldigung reinigen. Der E. ist
vom Zeugen grundsätzlich zu trennen, doch ist die Buße für einen Meineid eines
E. mit der für den Meineid eines Zeugen gleich. Im Heiligen römischen Reich
schwindet der E. im Spätmittelalter. In England wird der Eidhelfereid erst
1833 aufgegeben.
Lit.: Cosack, K., Die Eidhelfer des Beklagten, 1885;
Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg);
Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922, Neudruck 1973; Loschiavo, L., Figure di
testimoni, 2004
Eidsivathingslög ist
das Recht des ostnorwegischen Gebietes um Eid (Eidsvoll), das in seinem
weltlichen Teil bruchstückhaft, in seinem kirchenrechtlichen Teil (Christenrecht)
in vier Handschriften des frühen 14. Jh.s überliefert ist (Eidsivathingsbok).
Lit.: Meißner, R., Bruchstücke der Rechtsbücher des
Borgarthings und des Eidsivathings, 1942
Eigen ist im
deutschen Mittelalter das einem Menschen (uneingeschränkt) gehörige Gut. Es
bildet meist den Gegensatz zum Gemeinland (→ Allmende) und zum →
Lehen als einem geliehenen Gut. Häufig wird neben E. auch das → Erbe
besonders genannt. In den schriftlichen Zeugnissen betrifft das E. überwiegend
die Liegenschaft. Seit dem 13. Jh. wird E. durch das vermutlich lateinisch
beeinflusste → Eigentum (lat. [F.] proprietas) abgelöst.
Lit.: Hübner 241; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 116, 124;
Puntschart, P., Das „Inwärts-Eigen“ im österreichischen Dienstrecht des
Mittelalters, ZRG GA 43 (1922), 66; Buchda, G., Dursal (dursal eigen), ZRG GA
59 (1939), 194; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Eigener Herd ist Goldes
wert.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 175 (Franck 1541)
Eigenhändiges Testament
ist das mit der eigenen Hand geschriebene und unterschriebene →
Testament.
Eigenkirche (lat.
ecclesia [F.] propria) ist (nach Ulrich Stutz) die einem Einzelnen (auch
hinsichtlich der vollen geistlichen Leitungsgewalt) gehörende Kirche. Sie hat
ihren Ursprung darin, dass in der christlichen Frühzeit der Gottesdienst häufig
in einem privaten Haus abgehalten wird (Unterscheidung zwischen [lat.]
ecclesia [F.] publica und ecclesia privata, öffentlicher Kirche und privater
Kirche, im Osten 388, im 5. Jh. im weströmischen Reich, 441 in Orléans, 546 in
Lérida/Spanien), und darin, dass auf dem Land oft der Grundherr am leichtesten
in der Lage ist, ein Kirchengebäude zu errichten. In der Folge wählt der
Gebäudeeigner vielfach den dort tätigen Geistlichen aus, verlangt die Teilhabe
an den Einkünften und kann die Kirche übertragen, während der Bischof auf die
bloße Weihe beschränkt wird. Im → Investiturstreit wird die E. als Form
der Simonie bekämpft und danach seit dem 12. Jh. durch Patronat und
Inkorporation ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 90; Stutz, U., Die
Eigenkirche, 1895, Neudruck 1955; Stutz, U., Ausgewählte Kapitel aus der
Geschichte der Eigenkirche, ZRG KA 57 (1937), 1; Landau, P., Ius patronatus,
1975; Petke, W., Von der klösterlichen Eigenkirche zur Inkorporation, RHE 87
(1993), 34ff., 375ff.; Oberholzer, P., Vom Eigenkirchenwesen zum
Patronatsrecht, 2002
Eigenleute (lat.
homines [M.Pl.] proprii) sind im Mittelalter die einem anderen gehörenden und
damit eigenen Menschen. Sie bilden keine in sich einheitliche Gruppe (z. B.
Sachsenspiegel Landrecht III 44,3 Laten, Südwesten des Heiligen römischen
Reichs 15. Jh., Westfalen bis in das 18. Jh.). Teils schulden sie Abgaben,
teils Dienste. Im Gegensatz zu den → Sklaven haltenden Gesellschaften
lässt das Mittelalter einen lebhaften Handel mit Eigenleuten nicht erkennen. →
Hörige
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wretschko, A., Über Eigenleute
und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926); Klein, H., Die bäuerlichen
Eigenleute des Erzstifts Salzburg, Mitteilungen d. Ges. f. salzburg. Landeskunde 73 (1933),109, 74 (1934),1; Demade,
J./Morsel, J., Les eigenleute aux XIIIe-XVe siècles, (in) Forms of servitude in
Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005, 75ff.
Eigentum (§ 903 BGB) ist das Recht, mit
einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von einer Einwirkung auf die
Sache auszuschließen. In altrömischer Zeit ist E. die Gewalt des Hausvaters
über Sachgüter unter Einschluss der Vorläufer der beschränkten dinglichen
Rechte (z. B. Servituten) und ohne scharfe Grenze gegenüber dem → Besitz.
Im klassischen römischen Recht entwickelt sich das E. als (lat.) →
dominium (N.) ex iure Quiritium an beweglichen Sachen und italischen
Grundstücken, neben dem das E. nach prätorischem Recht (lat. → in bonis
esse) steht. Einschränkungen bestehen auch hier (z. B. Baurecht, Nachbarrecht).
Erworben werden kann E. ursprünglich (Aneignung, Fruchtwerwerb, Verbindung,
Vermischung, Vermengung, Verarbeitung und, Ersitzung oder abgeleitet von einem
Berchtigten durch Rechtsgeschäft). Gleichbedeutend mit dominium ist die
Bezeichnung (lat. [F.]) → proprietas. Im nachklassischen römischen Recht
wird die damit geschaffene Trennung von E. und Besitz bzw. beschränkten
dinglichen Rechten vielleicht weniger streng gehandhabt, doch verwendet
Justinian unter Vereinheitlichung des Eigentums für jedermann an allen Sachen
die begriffliche Schärfe des klassischen römischen Rechts. Im germanischen
Bereich bildet das bloße Haben (germ. *aigan, *haben) den Ausgangspunkt des
Eigentums. Dementsprechend ist im Mittelalter Eigen die Bezeichnung der
Herrschaft über eine Sache, wobei die Herrschaft durch Zeichen (Eigentumsmarke,
Hausmarke, Hofmarke, Ohrenmarke) dargestellt sein kann. Diesem Eigen stehen vor
allem → Allmende und → Lehen gegenüber, während die → Gewere
die äußere (sichtbare) Erscheinungsform („Kleid“) aller (wegen ihres
gedanklichen Wesens notwendigerweise unsichtbaren) Sachenrechte und damit auch
des Eigens ist. Im 13. Jh. erscheinen mhd. eigenschaft und mnd.(?) egendom
(Köln 1230 hegindum) wohl als Lehnübersetzungen von lat. proprietas. Das E. hat
aber keinen eindeutigen Inhalt. Es kann zeitlich und inhaltlich beschränkt sein.
Neben einem (lat. dominium [N.] directum) Obereigentum (etwa des Lehnsherrn)
kann selbst nach gelehrtem Recht (z. B. Wilhelmus de Cabriano, Pilius [† 1213,
Azo [zuerst nur bei der Emphyteuse], Accursius) in Anknüpfung an eine dem
einstigen bonitarischen Berechtigten des römischen Rechts gewährte (lat.) rei
vindicatio (F.) utilis ein Untereigentum (lat. dominium [N.] utile) (etwa des
Ersitzungsbesitzers, Erbpächters, Erbbauberechtigten oder des Lehnsmanns)
stehen. Nach Bartolus, der Eigentum im Kern als das umfassende Recht der
Verfügung über einen körperlichen Gegenstand (lat. ius de re corporali perfecte
disponendi n. 4 ad D. 41. 2. 17) erfasst, kann E. (dominium) im weiteren Sinn
auch auf unkörperliche Gegenstände bezogen (und zwischen mehreren Berechtigten
aufgeteilt) werden. Dies wird mit der Aufnahme des gelehrten Rechts
fortgeführt, wobei das Untereigentum zur Aufzehrung des Obereigentums neigt.
Erst unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus wird das E. (über
Kant) zu einem völlig freien, von Einschränkungen gelösten Recht einer Person
an einer körperlichen Sache (Thibaut, A., Über dominium directum und utile,
1801 [Aufsatz]). Am entschiedensten zeigt sich dies (nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch Sachsens von 1863) in § 903 BGB (trotz Otto von Gierkes vergeblichen
Versuchs der Entwicklung eines besonderen deutschrechtlichen Eigentumsbegriffs).
Die fragwürdigen Folgen schrankenloser Freiheit haben seitdem zur Anerkennung
der Sozialbindung des Eigentums geführt. Außerdem hat sich im öffentlichen
Recht die Ansicht durchgesetzt, die unter dem von der Verfassung garantierten
E. jede schützenswerte Vermögensposition versteht. Das sozialistische E. der
Deutschen Demokatischen Republik (1949ff.) ist mit deren Beitritt zur
Bundesrepublik Deutschland (1990) wieder aufgegeben.
Lit.: Kaser § 22; Söllner §§ 8, 23; Hübner 241ff., 453ff.;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 40, 124, 163, 174,
211, 269; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 65; Arnold,
W., Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861; Felix, L.,
Entwicklungsgeschichte des Eigentums, Teil 1ff. 1883ff.; Landsberg, E., Die
Glosse des Accursius, 1883; Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte
in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Hedemann, W., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2, 1 1930; Dungern, O. Frhr. v., Über
die Freiheit des Eigentums im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 287; Keller, R.
v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933, Wieacker,
F., Wandlungen in der Eigentumsverfassung, 1935; Wagner, H., Das geteilte
Eigentum, 1938; Eichler, H., Wandlungen des Eigentumsbegriffes in der deutschen
Rechtsauffassung, 1938; Coing, H., Zur Eigentumslehre des Bartolus, ZRG RA 70
(1953), 348; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A.
1956; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1964; Feenstra, R., Les
origines du dominium utile, (in) Flores legum, 1971, 49; Eigentum und
Verfassung, hg. v. Vierhaus, R., 1972; Brandt, R., Eigentumstheorien von
Grotius bis Kant, 1974; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Rittsteig, H.,
Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und
Bodenordnung im historischen Wandel, 1976; Kroeschell, K., Die Lehre vom
germanischen Eigentumsbegriff, FS H. Thieme, 1977, 34; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Zenati, M., La nature juridique de la propriété,
1981; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Klemm, P.,
Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus
pandectarum, 1984; Kühl, K., Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, 1984;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eigentum, hg. v. Köhn,
J., 1987; Kroeschell, K., Die nationalsozialistische Eigentumslehre, (in)
Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, 1989, 43; Baker, J., An Introduction
to English Legal History, 4. A. 2002; Hecker, D., Eigentum als Sachherrschaft,
1990; Property and Power in the Early Middle Ages, hg. v. Davies, W. u. a.,
1995; Penner, J., The idea of property in law, 1997; Eigentum im
internationalen Vergleich, hg. v. Siegrist, H. u. a., 1999; Eigentum im
internationalen Vergleich 18.-20. Jahrhundert, hg. v. Siegrist, H. u. a., 2000;
Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundeigentums, 2000;
Finkenauer, T., Eigentum und Zeitablauf, 2000; Diestelkamp, B., Frühe
urkundliche Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13.
Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts, 2000, 391ff.; Michaels, R., Sachzuordnung
durch Kaufvertrag, 2002; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003;
Hoppe, K, Eigentum, Erbrecht und Vertragsrecht, 2003; Gottschalk, K., Eigentum,
Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung, 2004;
Keiser, T., Eigentumsrecht im Nationalsozialismus und Fascismo, 2005
Eigentumserwerb ist
der Erwerb des → Eigentums. Er erfolgt anfangs originär (ursprünglich)
durch Aneignung. Später verdrängt der (abgeleitete) E. durch Rechtsgeschäft (→
Übergabe auf Grund eines Titels, → Einigung und Übergabe) den
ursprünglichen E., der im Übrigen auch durch Fruchterwerb, Verbindung,
Vermischung, Vermengung und Verarbeitung möglich ist. Daneben steht der E.
durch Hoheitsakt. Gegründet auf Grotius’ Verständnis von Institutionen 2. 1. 40
lässt der Code civil (1804) Frankreichs das Eigentum mit dem Vertragsabschluss
(z. B. Kaufvertrag) übergehen (Konsensprinzip).
Lit.: Kaser §§ 24ff.; Köbler, DRG 40, 61, 163; Brandt, H.,
Eigentumserwerb und Austauschgeschäft, 1940; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler, G.,
Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 201;
Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Klinck, F.,
Erwerb durch Übergabe an Dritte nach klassischem römischem Recht, 2004; Damler,
D., Wildes Recht. Zur Pathogenese des Effektivitätsprinzips in der
neuzeitlichen Eigentumslehre, 2008
Eigentumsübertragung ist
die Übertragung des → Eigentums von einem bisherigen Eigentümer auf einen
neuen Eigentümer. Ihr geht im römischen Recht die Vorstellung voraus, dass dem
Untergang eines Rechts eines bisherigen Eigentümers die Entstehung des
Eigentums als neues bei einem neuen Berechtigten folgt, doch kennt bereits das
klassische römische Recht den Gedanken der Übertragung. Die wichtigsten Wege
hierfür sind die (lat. [F.]) → mancipatio, die (lat.) → in iure
cessio (F.) und die formfreie Übergabe (lat. [F.] → traditio) bei
Vorliegen eines Rechtsgrundes. Für die Germanen ist ein einfaches Handgeschäft
zu vermuten. Im Frühmittelalter stehen Einigung oder Übergabe (ahd. →
sala, lat. traditio) und Besitzeinräumung oder Bekleidung (ahd. giwerida, lat. →
investitura) in nicht völlig klarer Weise nebeneinander. Mit dem Beginn der
Geldwirtschaft wird die E. sehr häufig. Sie erfolgt bei Liegenschaften vielfach
vor Gericht und unter Verwendung von Schriftakten ( → Schreinskarten).
Mit der Aufnahme des römischen Rechts setzt sich die Lehre vom vorausgesetzten
(lat.) titulus (M.) acquirendi und vom erfüllenden (lat.) modus (M.) acquirendi
weitgehend durch. Im 19. Jh. entwickelt Savigny die Rechtsfigur des dinglichen,
neben dem schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) stehenden Vertrages
(abstrakte → Einigung). Sie findet Eingang in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900). Danach erfolgt die E. durch Einigung und Übergabe oder
Übergabesurrogat sowie bei Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und →
Eintragung in das Grundbuch. In den übrigen europäischen Ländern ist die E. ein
kausales Geschäft.
Lit.: Kaser § 24; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht,
9. A. 1981, Kap. 28; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909;
Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in
der Reichsstadt Ulm, 1961; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische
Grundstücksübertragung, 1984; Transfer of Title Concerning Movables, Teil 1ff.,
hg. v. Rainer, J. u. a., Bd. 1ff. 2006 ff.
Eigentumsvorbehalt ist
der Vorbehalt des Verbleibens des Eigentums bei einem bisherigen Eigentümer
trotz einer Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt. Der bereits dem klassischen römischen Recht (Ulpian D. 43, 26, 20
bekannte), im mittelalterlichen Italien durch die Glosse zu C. 4, 54, 3
übernommene, in Deutschland durch die Rente vertretene, aber zu Anfang des 17.
Jh.s zunächst in Kursachsen und der Oberlausitz bei Kauf von Grundstücken
ausdrücklich erwähnte und verbreitete E. gewinnt mit dem Vordringen des
Abzahlungskaufs im ausgehenden 19. Jh. Bedeutung. Der Eigentumsvorbehaltskäufer
erlangt eine Anwartschaft, die zum Vollrecht erstarken soll.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Berger, W.,
Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und
Eigentum, 1984; Misera, K., Eigentumsvorbehalt im klassischen römischen Recht,
FS R. Serick, 1992, 275; Maaß, M., Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts, 2000
Eike von Repgow (um
1180?-nach 1233?) ist der wahrscheinlich aus einer ostfälisch-sächsischen, im
12. Jh. in das sorbische Gebiet Serimunt eingewanderten Familie stammende
Verfasser des (zunächst lateinisch verfassten und dann) mittelniederdeutschen
Rechtsbuchs → Sachsenspiegel. Er benennt sich selbst (in den Versen
261-266 der Reimvorrede) nach dem Dorf Repchowe (Reppichau westlich Dessaus im
Anhaltinischen). Er tritt in sechs Urkunden 1209 (Mettine), 1215 (Lippehna),
1218 (Grimma), 1219, 1224 (Delitzsch) und 1233 (Salbke) an unterschiedlichen
Orten in der Nähe bedeutender Fürsten als Zeuge auf. Er ist schöffenbarfrei und
bezeichnet Graf Hoyer von Falkenstein, den Stiftsvogt von Quedlinburg, als
seinen Herrn. Da er den Sachsenspiegel zunächst in Latein schreibt und danach
übersetzt, gehört er zur dünnen Bildungsschicht der hochmittelalterlichen
Gesellschaft. Sonstige Einzelheiten über ihn stehen nicht sicher fest.
Lit.: Köbler, DRG 102; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes
von Repgow, ZRG GA 37 (1915), 131; Voltelini, H. v., Der Verfasser der
sächsischen Weltchronik, 1924; Möllenberg, W., Eike von Repgow und seine Zeit,
1934; Heck, P., Eike von Repgow, 1939; Lieberwirth, R., Eike von Repchow und
der Sachsenspiegel, 1982; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes,
1984; Johannek, P., Eike von Repgow, Hoyer von Falkenstein und die Entstehung
des Sachsenspiegels, (in) Civitatum communitas 2, 1984, 716ff.; Kroeschell, K.,
Der Sachsenspiegel in neuem Licht, (in) Rechtsgeschichte in beiden deutschen
Staaten, 1991, 232; Schroeder, K., Eike von Repgow, JuS 1998, 776; Landau, P.,
Der Entstehungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73ff.; Lück, H.,
Magdeburg, Eike von Repgow und der Sachsenspiegel, (in) Magdeburg, hg. v.
Puhle, M. u. a., 2005, 155ff.
Einantwortung ist die Übertragung einer
Gesamtheit von Rechten an einen Erwerber z. B. eines Landes (1317) oder eines
Nachlasses (in den Besitz des Erben durch Gerichtsbeschluss, § 797 ABGBG
1811) oder früher auch eines Mündels im Verhältnis zum Vormund.
Lit.: Wesener, G.,
Einantwortung, FS Kocher, G., 2006, 485
Einbenennung ist die Erteilung des Ehenamens der Mutter und ihres Ehemannes oder die Erteilung des Namens des Vaters an das nichteheliche Kind.
Lit.: Engler, H., Der Familienname des nichtehelichen
Kindes, FamRZ 1971, 76
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand,
R., 1996, 121 (Gruter 1612)
Einforstung ist die Beanspruchung eines
Waldes als andere auschließenden Forstes seit dem 7. Jh. bis in die Neuzeit.
Lit.: Hasel, K.,
Forstgeschichte, 1985, 2. A. 2002; Günther, R., Der Arnsberger Wald im Mittelalter,
1994; Kieß, R., Forst-Namen und kleine Forsten, Forstliche Forschungsberichte
München 161 (1997), 66ff.; Dasler, C., Forst- und Wildbann im frühen deutschen
Reich, 2001
Eingriffsverwaltung ist der Teil der öffentlichen → Verwaltung, der in die Rechte (z. B. Freiheit, Eigentum) des Untertanen bzw. Staatsbürgers eingreift. Er ist der Kernbestand der Verwaltung, dem seit dem 19. Jh. die → Leistungsverwaltung gegenübertritt.
Einheitliche Europäische Akte ist die am 17. 2. 1986 von den Mitgliedstaaten der
europäischen Gemeinschaften beschlossene, am 1. 7. 1987 in Kraft getretene
Abänderung der römischen Gemeinschaftsverträge von 1957. Sie legt die
schrittweise Vollendung des Binnenmarkts bis 1992 und eine Wirtschafts- und
Währungsunion fest, stellt die Europäische Politische Zusammenarbeit auf eine
vertragliche Grundlage und richtet den Europäischen Rat ein.
Einigung ist allgemein die Übereinkunft mehrerer Beteiligter. Im 19. Jh. wird die E. als Vereinbarung (dinglicher Vertrag) über den Eigentumsübergang von → Savigny entwickelt. Unterstützt von seit der Mitte des 19. Jh.s spürbaren Bestrebungen, die umständlichen Formen des älteren Rechts (z. B. Hypothekenordnung Preußens von 1783) zu vereinfachen, wird diese Vorstellung in Preußen 1872 und im deutschen Reich 1897/1900 gesetzlich anerkannt.
Lit.: Köbler, DRG 212; Felgentraeger, C., Friedrich Carl
von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Schubert, W., Die
Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966
Einigungsvertrag ist
der am 31. 8. 1990 zwischen der Bundesrepublik → Deutschland und der →
Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossene Vertrag über die – von
Margaret Thatcher eisern bekämpfte - Herstellung der Einheit Deutschlands, auf
dessen Grund am 3. 10. 1990 die Deutsche Demokratische Republik der
Bundesrepublik Deutschland beitritt.
Lit.: Köbler, DRG 247; Jackisch, K., Eisern gegen die
Einheit, 2004
Einkammersystem ist
das politische System, in dem das Gesetzgebungsorgan (→ Parlament) bzw.
die Volksvertretung nur aus einer Kammer besteht (z. B. Sachsen-Weimar 1816,
Schwarzburg-Rudolstadt 1816, Sachsen-Hildburghausen 1818, Sachsen-Meiningen
1824, Sachsen-Altenburg 1831, Kurhessen 1831, Braunschweig 1832). Es bildet den
Gegensatz zum Zweikammersystem.
Lit.:
Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 2 1979, 451ff.
Einkindschaft (Ingelheim 1419) ist die
vertraglich vereinbarte erbrechtliche Gleichstellung von Kindern aus zwei Ehen
eines Elters (lat. unio [F.] prolium). Sie findet sich in einer österreichischen
Urkunde von 1275, in einem Stadtbucheintrag in Wismar von 1324, in Ingelheim
1378, Frankfurt am Main 1399, Wetzlar 1475, Worms 1498, Freiburg im Breisgau
1520 und Solms 1571. Dabei vereinbaren die Ehegatten der zweiten Ehe zwecks
Abdingung des im Hochmittelalter entstehenden Ehegüterrechts
(Verfangenschaftsrechts, Teilungsrechts, Teilrechts) meist bei oder kurz nach
der Eingehung einer neuen Ehe vor Zeugen oder vor Gericht mit den Kindern einer
vorangehenden Ehe, dass diese Kinder (Vorkinder) unter Verzicht auf ihr
Erbrecht (Verfangenschaftsrecht, Teilungsrecht, Teilrecht) am Vermögen der
verstorbenen ersten Ehegatten zugunsten der oder des neuen Ehegatten (wie die
Kinder der neuen Ehe, Nachkinder) ein Erbrecht gegen diesen bzw. diese erhalten.
Die E. ist noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 2 §§ 717-752)
enthalten, verschwindet danach jedoch.
Lit.: Hübner 509f.; Hertel, C., Über die Einkindschaft,
1818; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, 2, 1,
1868, Neudruck 1967; Mittelstein, M., Die Einkindschaft nach hamburgischem
Recht, 1886; Meyer, H., Die Einkindschaft, Diss. jur. Breslau 1900; Meyer, H.,
ZRG GA 34 (1913), 610ff. (Besprechung); Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15.
Jahrhundert, 1968; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und
des Neustädter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977, 203ff.; Schartl,
R., Zur Entstehung der fränkischen Einkindschaft, Ius commune 16 (1989), 264
Einkommensteuer ist
die vom Einkommen natürlicher Personen als Steuerobjekt zu entrichtende Steuer.
Sie wird in England (income tax zur Finanzierung des Krieges gegen Napoleon)
1799, in Ostpreußen 1808 und in Preußen 1851 eingeführt. 1878 beträgt sie in
Sachsen bis 5%. Im 20. Jh. wird sie (unter Verselbständigung der Körperschaftsteuer
für juristische Personen 1920) zu einer der wichtigsten staatlichen
Einnahmequellen.
Lit.: Köbler, DRG 198, 233, 251; Großfeld, B., Die
Einkommensteuer, 1981; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen
Einkommensteuer, 1984; Greim-Kuczewski, P., Die preußische Klassen- und
Einkommensteuergesetzgebung, 1990; Mathiak, W., Die erste Einkommensteuer in
Deutschland, (in) Steuer und Wirtschaft, 1995, 352
Einlager ist die
seit dem 12. Jh. (mangels besserer Erfüllungsverwirklichungsmöglichkeiten)
entstehende bzw. bekannte Form der Schuldsicherung, bei der sich der →
Bürge oder → Schuldner (z. B. Adliger, Stadt vielfach gegenüber Juden)
verpflichtet, bei Fälligkeit der Schuld einen festgelegten Ort (z. B. ein
Gasthaus) aufzusuchen und ohne Einwilligung des Gläubigers nicht wieder zu
verlassen, was als Folge der entstehenden Kosten den Schuldner oder Bürgen zur
baldigen Leistung bewegen sollte. Die Kosten der Unterbringung fallen je nach
Vereinbarung dem Hauptschuldner oder dem Bürgen zur Last. 1572 verbietet
Sachsen (Kursachsen), 1577 eine Reichspolizeiordnung das E., doch hat es
zumindest örtlich bis in das 19. Jh. tatsächlich Bestand. Im Übrigen wird es
durch die → Schuldhaft abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128; Friedlaender, E.,
Das Einlager, 1868; Lechner, A., Das Obstagium, 1906; Rintelen, M., Schuldhaft
und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Kisch, G., Das Einlager, 1912;
Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965),
140; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004; Lentz, M., Konflikt,
Ehere, Ordnung, 2004
Einlassung ist die
Bereitschaftserklärung eines Beklagten, mit dem Kläger über die Klage streiten
zu wollen. Sie ist der Sache nach bereits Bestandteil des römischen
Formularprozesses (förmliche Verneinung des Begehrens des Klägers, nicht
Anerkenntnis oder Untätigkeit des Beklagten), wobei ein Zwang zur E. bei einer
(lat.) actio in personam besteht, während bei einer (lat.) actio in rem der
Gerichtsmagistrat erst Rechtsschutz (lat.) in personam gewähren muss. Im
Heiligen römischen Reich wird die E. mit der Aufnahme des gelehrten Prozesses
ein Teil der Streitbefestigung (lat. litis contestatio [F.]). Eine klare
Bestimmung der E. im gemeinrechtlichen Verfahren des Reichskammergerichts ist
nicht möglich, weil sowohl die Litiskontestationsbegründung wie auch die
Einrede oder Antwort des Beklagten als E. bezeichnet werden., obwohl die
Reichskammergerichtsordnung von 1500 beides trennt. Die Reichskammergerichtsordnung
von 1555 sieht in jeder Klageerwiderung eine Litiskontestation. Der jüngste
Reichsabschied von 1654 übernimmt aus dem sächsischen Verfahren die besondere
Litiskontestation und lässt die E. als zusammenhängende Klageerwiderung in
einem einfachen Klaglibell erfolgen. In der Gegenwart ist im Zivilprozess das
Verhandeln zur Hauptsache eine Zuständigkeitsvereinbarung (§§ 39, 504 ZPO).
Im Strafprozess ist E. jede Äußerung des Beschuldigten zur Sache.
Lit.: Kaser § 82; Wetzell, G., System des ordentlichen
Zivilprozesses, 3. A. 1878, § 14; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966, 2. A. 1996; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus curiae am Reichshofrat,
1973; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Dick, B., Die Entwicklung
des Kameralprozesses, 1981
Einmal ist keinmal.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 88 (Hertius 1737, lat. unus actus nullus actus)
Ein Mann, ein Wort.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand,
R., 1996, 235 (Sachße 1856)
Einmanngesellschaft ist
in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die zunächst bei einer bereits bestehenden
Gesellschaft und danach auch für die Entstehung einer Gesellschaft mit
beschränkter Haftung zugelassene, nur aus einem Gesellschafter bestehende
Gesellschaft.
Einmauern ist im Altertum eine
Todesstrafe und seit dem Mittelalter eine Art Freiheitsstrafe, die mit der
Aufklärung aufgegeben wird.
Lit.: His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920
Einrede ist das nicht im bloßen Leugnen bestehende, gegen den Klaganspruch gerichtete Vorbringen des Beklagten. Die E. ist schon dem römischen Zivilprozessrecht als (lat.) exceptio (F.) bekannt. Dementsprechend erscheint sie bei der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts in Deutschland. Bereits im Hochmittelalter werden in Urkunden umfängliche romanistische Verzichtsformeln für Einreden aufgenommen.
Lit.: Kaser § 4 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 155;
Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963;
Wesener, G., Nichtediktale Einreden, ZRG GA 112 (1995), 109; Ernst, W., Die
Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000
Einstweilige Anordnung
ist die vorläufige Anordnung des Gerichts in einem Rechtsstreit. Sie findet
sich sachlich notwendigerweise seit dem Beginn von Verfahren. Sie wird aber
erst spät grundsätzlich geregelt.
Lit.: Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der
einstweiligen Anordnung im Verwaltungsprozess, Diss. jur. Hamburg 1967
einstweilige Verfügung
→ Mandatsprozess
Eintragung ist die
Aufnahme in ein Register. Sie ist an unterschiedlichen Stellen Voraussetzung
für eine Rechtsfolge. Im 19. Jh. wird in Deutschland die E. in das Grundbuch
grundsätzlich Voraussetzung für das Entstehen eines dinglichen Rechts oder die
E. einer Gesellschaft in das Handelsregister Voraussetzung für ihre Entstehung
(Eintragungsgrundsatz, Intabulationsprinzip). In Österreich ist E. (lat.) modus
des Rechtsübergangs für unbewegliche Sachen (auf Grund Eintragungsbewilligung
bzw. Aufsandungserklärung).
Lit.: Köbler, DRG 125, 212; Planitz, H., Konstitutivakt und
Eintragung in den Kölner Schreinsurkunden, FS A. Schultze, 1934, 175; Grolle,
N., Die Eintragungsbewilligung, Diss. jur. Münster 1989
Eintritt ist das Hineintreten in eine
Lage oder einen Raum (z. B. auch in ein Haus oder in eine Gesellschaft).
Eintrittsrecht ist das Recht zum Eintritt in einen Raum oder in eine Rechtslage. Im Erbrecht ist insbesondere das E. (Repräsentationsrecht) von Enkeln an Stelle vorverstorbener Kinder bedeutsam. Es findet sich im römischen Recht (Gaius, Institutionen 3,7, 3,8, I. 3. 1. 6, Nov. 118, 1). Dort kenn Justinian (527-565) nur das E. der Geschisterkinder. Das E. wird bereits spätestens 596 vom fränkischen König in der (lat.) Decretio (F.) Childeberti bestimmt und 942 auf Grund eines Zweikampfes für Sachsen zugunsten von Sohnessöhnen bejaht (eingeschränkt nach Söhnen im Sachsenspiegel 1221-1224, abgelehnt in Augsburg 1276/1420). Mit der Aufnahme des römischen Rechts findet es allgemeine Anerkennung im Heiligen römischen Reich (Reichsabschied 1500, 1521, Jülich-Berg 1555/1564, Solms 1571, Kurköln 1663, Kurtrier 1668/1713, ALR 1794, Code civil 1804, ABGB 1811, ABGB Aargau 1856, BGB Sachsen 1863, PRG Schaffhausen 1864). In Österreich folgt der Entwurf Neue Satz- und Ordnung (1720) weitgehend, der Codex Theresianus (1766) Justinian
Lit.: Hübner 766ff.; Kroeschell, DRG 1; Wesener, G., Zum
Weiterleben römischen Rechts im Frühmittelalter ,(in) Cinquante anni
della Corte costituzionale della Repubblica italiana, 2006, 1751
Einung ist die Vereinbarung unter mehreren Menschen und auch deren dsdurch geschaffener Zusammenschluss (z. B. Innung). Die E. kann bindende Wirkung für eine Gesamtheit entfalten. Insofern werden etwa hochmittelalterliche Landfriedenseinungen als Gesetze eingeordnet.
Lit.: Köbler, WAS; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Vogel, O.,
Die ländliche Einung, Diss. jur. Zürich 1953; Bader, K., Die städtische Einung,
Arch. d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1958), 159; Kulenkampff, A., Einungen
mindermächtiger Stände, Diss. phil. Frankfurt am Main 1967; Kulenkampff, A.,
Einungen und Reichsstandschaft fränkischer Grafen und Herren, 1971; Spieß, P.,
Rüge und Einung, 1988; Einungen und Bruderschaften, hg. v. Johanek, P., 1993;
Moraw, P., Die Funktion von Einungen und Bünden, (in) Alternativen zur
Reichsverfassung, hg. v. Press, V., 1995, 1; Pitz, E., Bürgereinung und
Städteeinung, 2001
Einwerfung oder
Ausgleichung ist die Berücksichtigung eines einem von mehreren Erben zu
Lebzeiten des Erblassers von diesem zugeflossenen Vermögenswerts bei der Auseinandersetzung
des Nachlasses (Teil der gesetzlichen Ausgestaltung der Erbauseinandersetzung).
Sie ist dem römischen Recht als (lat.) → collatio (F.) bonorum bekannt.
Sie findet sich im langobardischen Volksrecht (Edictus Rothari [643] 199) und
westgotischen Volksrecht (L. Vis. [7. Jh.] IV, 5, 3) sowie im →
Sachsenspiegel ([1221-1224] Landrecht I 10, 13) und im → Schwabenspiegel
([um 1275] 148a). Ausführlich ist die E. oder Ausgleichung in den
neuzeitlichen Gesetzbüchern behandelt (ALR [1794] II 2 §§ 303ff., Code civil
[1804] Art. 843ff., ABGB [1811] §§ 788, 790ff., BGB Sachsen [1863] §§ 2354ff.,
BGB [1900] §§ 2050ff., ZGB [1907/1911] Art. 626ff.).
Lit.: Kaser § 73 IV; Hübner 750ff.; Reinhardt, K., Die
Lehre von der Einwerfung, 1818; Rummel, C. v., Zur Lehre von der Einwerfung,
1843; Staudinger, J./Kipp, T./Coing, H., Erbrecht, 12. A. 1965, § 120;
Eberl-Borges, C., Die Erbauseinandersetzung, 2000; Werbik, K., Lebzeitige
Zuwendungen des Erblassers, 2004
Einwilligung ist die vorherige Zustimmung zu
einem Rechtsgeschäft oder sonstigen Verhalten.
Lit.: Kaiser, D., Die elterliche Einwilligung, 2008
Eisenach am nordwestlichen Fuß des Thüringer Waldes erhält 1283 Stadtrecht. Eisenacher Rechtsbuch ist ein in verschiedenen Fassungen überliefertes Rechtsbuch der Stadt E. Das bruchstückweise in einer einzigen in Kassel befindlichen Handschrift des ersten Viertels des 15. Jh.s überliefert erhaltene ältere Eisenacher Rechtsbuch des Stadtschreibers Johannes → Rothe (Creuzburg 1350/60-Eisenach 1434) von 1384-1387 verbindet Teile des Meißener Rechtsbuches, des glossierten Sachsenspiegels, des Schwabenspiegels und des Decretum Gratiani, der Digesten, der Dekretalen, des Liber Sextus und anderer gelehrter Quellen mit dem Eisenacher Stadtspiegel von 1283 und Eisenacher Gerichtsgewohnheiten des 14. Jh.s (Buch 1 Erbrecht, Buch 2 Heergewäte, Leibgeding, Morgengabe [, Vormundschaft], Buch 3 Häuser, Äcker, Vieh). Quelle ist das an 20 Stellen in Bezug genommene Eisenacher Kettenbuch, das landgräfliche Privilegien und städtische Willküren verarbeitet. Von Rothe stammt ein weiteres, zehn Bücher umfassendes Rechtsbuch, das 1503/1504 der Stadtschreiber Johann → Purgold unter Einbeziehung der Institutionen und des Codex in den 8 wenig geordneten Büchern seines jüngeren Eisenacher Rechtsbuches überarbeitet.
Lit.: Das Rechtsbuch nach Distinktionen. Ein Eisenacher
Rechtsbuch, hg. v. Ortloff, F., 1836, 625-756; Die Stadtrechte von Eisenach,
Gotha und Waltershausen, hg. v. Strenge, K. u. a., 1909; Helmoldt, H.,
Geschichte der Stadt Eisenach, 1936; Rondi, P., Eisenacher Rechtsbuch, 1950;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57
Eisenbahn - nach einer berühmten Begriffsbestimmung des Reichsgerichts (RGZ 1, 247, 252) ein Unternehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtmassen bzw. die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf, Electrizität, thierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere der Transportgefäße und deren Ladung, u.s.w.) bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige (je nach den Umständen nur in bezweckter Weise nützliche, oder auch Menschenleben vernichtende und die menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist - ist das im 19. Jh. auf der Grundlage älterer Ansätze entwickelte, auf Schienen laufende, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienende Transportmittel. Die erste Eisenbahnstrecke wird 1830 zwischen Manchester und Liverpool, die erste deutsche Eisenbahnstrecke 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet. Bereits am 3. 11. 1838 sieht Preußen auf Grund eines schriftlichen Votums des Staatsratsmitglieds (1817-1848) Friedrich Carl von Savigny im Gesetz über Eisenbahnunternehmungen (§ 25) für die E. eine (abdingbare) → Gefährdungshaftung vor. Zu Gunsten der E. werden vielfach Grundstückseigentümer enteignet. Häufig erweisen sich übergeordnete Einheiten und Verinbarungen als sinnvoll (Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen 1847, Reichseisenbahnamt 1873, internationale Vereinbarung über die technische Einheit im Eisenbahnwesen 1887, Union für den Eisenbahnfrachtverkehr 1890, Staatsvertrag zur Gründung der deutschen Reichsbahngesellschaft 1920, Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr 1980). Die aus militärischen Gründen (ab 1879 auch in Preußen) überwiegend verstaatlichten Eisenbahnen wirtschaften vor allem nach Erfindung des nicht an Schienen gebundenen Automobils (Kraftfahrzeugs) grundsätzlich mit Verlusten, weshalb seit der Mitte des 20. Jahrhunderts Streckenstilllegungen erforderlich sind. Wegen der für den Staatshaushalt infolge hoher Ausgaben und geriner Einnahmen zunehmend untragbaren Verluste ist die auf Kernstrecken beschränkte Bundesbahn Deutschlands seit 1994 privatisiert (Deutsche Bahn AG).
Lit.: Köbler, DRG 176; Camphausen, L., Versuch eines
Beitrags zur Eisenbahngesetzgebung, 1838; Endemann, W., Das Recht der
Eisenbahnen, 1886; Anderegg, F., Schweizerische und bernische
Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung,
1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Ziegler, D.,
Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, 1996; Then, V.,
Eisenbahnen und Eisenbahnunternehmer, 1997; Bracht, C., Der Bau der ersten
Eisenbahnen in Preußen, 1998; Julitz, L., Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, 1998;
Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG GA 116 (1999), 152;
Die Eisenbahn in Deutschland, hg. v. Gall, L. u. a., 1999; Thomas, W.,
Lawyering for the railroads, 1999; Wachtel, R./Marxmüller, H./Heide, H.,
Eisenbahnunfälle, 2000; Mitchell, A., The Great Train Race, 2000; Delbanco,
H., Ursprünge des europäischen Eisenbahnrechts, (in) Aktuelle Probleme des
Eisenbahnrechts 5 (2000), 215; Ely, jr., J., Railroads and American law, 2001;
Prêtre, A., Eisenbahnverkehr als Ordnungs- und Gestaltungsaufgabe des jungen
Bundesstaats, 2002; Usselman, S., Regulating railroad innovation, 2002; Raster,
J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Bremm, K., Von der Chaussee zur Schiene,
2005
Eisenbahnrecht ist
die Gesamtheit der die auf Schienen laufenden, dem öffentlichen oder ihm
ähnlichen Verkehr dienenden Transportmittel betreffenden Rechtssätze. Rechtlich
wirkt sich die Herrschaft über Raum und Zeit erleichternde → Eisenbahn
vor allem auf die Bildung von Aktiengesellschaften, die Enteignung von
Grundstücken und die Entwicklung der Gefährdungshaftung (Preußen 1838) aus.
1920 übernimmt in Deutschland das Reich (bis 1924 und von 1937 an) die
Eisenbahnverwaltung. Nach 1993 wird die verlustreiche Deutsche Bahn teilweise
privatisiert.
Lit.: Loth, W., Verkehrsentwicklung in Deutschland seit
1800, 1920; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung,
1975; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978;
Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung
des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Küper, N., Entlastung des Straßengüterverkehrs
durch den Schienengüterverkehr, 1997; Schubert, W., Das preußische
Eisenbahngesetz von 1838, ZRG 116 (1999), 152; Roth, R., Das Jahrhundert der
Eisenbahn, 2005; Sonderzüge in den Tod, hg. v. Kill, S. u. a., 2009
Ekenberger, Blasius
Lit.: Elucubratio
Blasii Ekenbergers auer dat erste undt ander Koning Waldemari Lohbuch anno
1595, hg. v. Haff, K., 1932
Ekloge ([F.]
Auswahl) ist das vor allem das römische Strafrecht abändernde byzantinische
Gesetz Kaiser Leos III. des Jahres 726, das erstmals ausdrücklich auf Generalprävention
abzielt. Es ordnet viele verstümmelnde Körperstrafen an und weitet den Bereich
der Straftaten gegen die Sittlichkeit aus.
Lit.: Sinogowitz, B., Studien zum Strafrecht der Ekloge,
1956 (F.) ist der vom Riesengebirge in Böhmen auf 1100 Kilometern
bei Hamburg in die Nordsee fließende Strom, der im frühen Mittelalter teilweise
fränkisch-deutsches Reich und Slawen voneinander abgrenzt. 1821 wird von den
Anrainerstaaten eine Elbschifffahrtsakte unterzeichnet (1844 Additionalakte).
Von 1945 bis 1990 bildet die E. eine innerdeutsche Grenze.
Lit.: Schröder, D., Die
Elb-Grenze, 1986, Jüngel, K., Die Elbe, 1993; Johne, K., Die Römer aqn der
Elbe, 2006
Elbing ist die 1237 im Land des Deutschen
Ordens gegründete, 1466 an Polen, 1772 an Preußen (1905 94065 Einwohner deutschsprachig,
280 polnischsprachig), 1945/1990 wieder an Polen gefallene Stadt. Das Elbinger
Rechtsbuch ist ein in einer 1825 in E. aufgetauchten, derzeit verschollenen Handschrift
des frühen 15. Jh.s überliefert. Es enthält in mittelmitteldeutscher Sprache
von einem unbekannten Verfasser aufgezeichnetes polnisches Recht von
wahrscheinlich zwischen 1270 und 1320 in 27 Artikeln. Quellen sind der
Schwabenspiegel, das Meißener Rechtsbuch, ein Magdeburger Schöffenbrief an Kulm
und Magdeburger Recht. Mit der vom lübischen Recht geprägten Rechtsentwicklung
Elbings besteht kein Zusammenhang.
Lit.: Steffenhagen, E.,
Deutsche Rechtsquellen in Preußen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, 1875,
118ff.; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung Elbings, ZRG 36
(1915), 24; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte
in Osteuropa, 1942; Grekow, B., Polskaja prawda, 1957; Najstarszy zwód prawa
polskiego, hg. v. Matuszewski, J., 1959; Tischer, K., Das älteste polnische
Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Maisel, W., Die
Rätsel des Elbinger Rechtsbuchs, (in) Deutsches Recht zwischen Sachsenspiegel
und Aufklärung 1991, 47ff.; Najstarszy zwód prawa polskiego, hg. v. Thieme,
H./Matuszewski, J., 1995
Elegante Jurisprudenz ist die aus dem französischen (lat.) → mos (M.) Gallicus entwickelte niederländische Rechtswissenschaft des 17./18. Jh.s.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Canoy-Olthoff/Nève, P., Holländische Eleganz, 1990; Van den
Bergh, G., Die holländische elegante Schule, 2001
Elektriziät ist das zuerst an der Reibung von Bernstein erkannte Spannungsverhältnis zwischen einem geladenen Teilchen und seiner Umgebung. Im 19. Jh. wird die E. wirtschaftlich nutzbar gemacht. Seitdem wird sie auch rechtlich erfasst.
Lit.: Stier, B., Staat und Strom, 1997; Kehrberg,
J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts in Deutschland, 1997
Elisabeth von Thüringen (Ungarn 1207-Marburg
16./17. 11. 1231) Hospitalheilige
Lit.: Sankt Elisabeth,
hg. v. d. Philipps-Universität Marburg, 1981; Elisabeth, hg. v. Blume, D. u.
a., 2007
Elsass ist die Landschaft zwischen Oberrhein und Vogesen, die seit 269 n. Chr. von Alemannen besetzt wird. Im 7. Jh. entsteht unter der Familie der Etichonen ein Herzogtum, das in der Mitte des 8. Jh.s unter Teilung in die Grafschaften Nordgau und Sundgau beseitigt wird. Das E. kommt 870 zum ostfränkischen Reich. Im Hochmittelalter erringen neben den Staufern die Grafen von → Habsburg wichtige Rechte (z. B. Landgrafen im Sundgau), verpfänden ihre Güter 1469 aber an Burgund. 1648/1697 gelangt das E. an Frankreich, das es seit 1789/1790 zunehmend integriert. Von 1871 bis 1918 bildet das E. einen Teil des deutschen Reichslandes Elsass-Lothringen. 1940-1945 wird nochmals eine deutsche Zivilverwaltung errichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Stouff, L., Les origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en
1469, 1901; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im
Oberelsass, 1902; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogtei im Elsass, 1905;
Hessel, A., Elsässische Urkunden, 1915; Meyer, O., La régence épiscopale de
Saverne, 1935; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938),
654; Colmarer Stadtrechte, bearb. v. Finsterwalder, P., 1938; Büttner, H.,
Geschichte des Elsass, Bd. 1 1939; Atlas de villes médiévales d’Alsace, hg. v.
Himly, F., 1970; Seidel, K., Das Oberelsass, 1980; Dollinger, P., Histoire
d’Alsace, 4. A. 1984; Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, 1982ff.;
Das Elsass, hg. v. Erbe, M., 2002; Hummer, H., Politics and Power in Early
Medieval Europe, 2005; Igersheim, F.,
L’Alsace et ses historiens 1680-1914, 2006; Sütterle, H., Die Salier und das
Elsass, 2009
Elsass-Lothringen →
Elsass, → Lothringen
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jacob, K., Das
Reichsland Elsass-Lothringen, Bd. 1ff. 1898ff.; Hamburger, G., Die
staatsrechtlichen Besonderheiten der Stellung des Reichslandes
Elsass-Lothringen, 1901; Preibusch, S., Verfassungsentwicklungen im Reichsland
Elsass-Lothringen 1871-1918, 2006
elterliche Gewalt →
Eltern, → Kind
elterliche Sorge →
Eltern, → Kind
Lit.: Schlüter, W., Elterliches Sorgerecht, 1985;
Liebler-Fechner, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen
Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Andermann, M., Der
ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts im Dritten Reich und
in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Köhler, A., Die
Sorgerechtsregelungen bei Ehescheidung seit 1945, 2006
Eltern sind Vater
und Mutter eines Kindes. Von ihnen hat im römischen Recht der Hausvater (lat.
[M.] pater familias) bis zu seinem Tode die fast unbeschränkte väterliche
Gewalt (lat. patria potestas [F.]) über die Haussöhne und Haustöchter, die nur
allmählich gemäßigt wird. In gleicher Weise untersteht bei den Germanen das
Kind der Personalgewalt (germ. *mundiz) des Familienvaters. Nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) stehen die ehelichen Kinder bis zur
Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt, die in erster Linie dem Vater und nur
daneben der Mutter obliegt. Österreich
führt ab 1970 die elterliche Obsorge statt der elterlichen Gewalt ein.
Am 18. 7. 1979 wird die elterliche Gewalt in Deutschland durch die elterliche
Sorge ersetzt, bei der Kinder in gewissem Umfang an wichtigen Entscheidungen
beteiligt und die Eltern stärker auf das Wohl der Kinder verpflichtet sind.
Lit.: Kaser § 60; Hübner; Krause, E., Die gegenseitigen
Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern, 1982; Zitscher, H.,
Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Schumacher, S., Das
Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das
Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000
Emancipatio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die rechtsgeschäftliche Entlassung des Hauskindes
aus der väterlichen Gewalt. Bei ihr werden Söhne dreimal, Töchter und Enkel
einmal, vom Hausvater an einen Vertrauensmann übertragen. Von diesem werden
sie danach jeweils freigelassen, wodurch sie an den Hausvater zurückfallen.
Nach der letzten, für die Beendigung der väterlichen Gewalt erforderlichen
Übertragung wird das Hauskind vom Vertrauensmann an den leiblichen Vater zurückübertragen,
damit es von diesem endgültig freigelassen wird, ohne durch die Freilassung in
die Patronatsgewalt des Vertrauensmannes zu fallen.
Lit.: Kaser § 60 IV; Köbler, DRG 21
Emancipatio (lat. [F.]) Saxonica ist die in der frühen Neuzeit im Heiligen römischen Reich
(deutscher Nation) geübte Lösung des Haussohns aus der väterlichen Gewalt durch
wirtschaftliche Verselbständigung (→ Abschichtung).
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 160
Emanzipation ist
die Befreiung aus einem Zustand der Beschränkung oder Abhängigkeit. Sie nimmt
ihren Ausgang bei der römischrechtlichen → emancipatio. Seit dem 19. Jh.
richtet sich die E. hauptsächlich auf die Befreiung der Frau von der
Vorherrschaft des Mannes, deren Auswirkungen sich im Familienrecht der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s erkennen lassen.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 178, 252; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 153; Theurer, A., Emanzipation, 1996; Jenni, R., Die
Emanzipation der mehrjährigen (!) Frauenzimmer, 1997; Grimme, M., Die
Entwicklung der Emanzipation der Frau, 2003; Revolution und Emanzipation, hg.
v. Rennhak, K. u. a., 2004
Emden
Lit.: Fritzschen, G.,
Die Entwicklung des Emder Stadtrechts, Diss. jur. Göttingen 1958
Emendatio (lat. [F.]) ist die lateinische Bezeichnung für die frühmittelalterliche → Buße.
Lit.: Köbler, DRG 91
Emigration (F.) Auswanderung
Emilia Romagna ist die zwischen Po, Apennin und Adria gelegene, ursprünglich von Etruskern besiedelte, nach der Konsularstraße des M. Aemilius Lepidus (187 v. Chr.) benannte Landschaft. Im Mittelalter steht sie teils unter der Herrschaft der Langobarden, teils Byzanz‘ bzw. des Kirchenstaats. Die sich danach entwickelnden Herzogtümer Modena und Reggio sowie Parma und Piacenza kommen 1860 zu → Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
(Modena, Parma); Storia della Emilia Romagna, hg. v. Berselli, A., 1976
Emmingersche Justizreform ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich
Emminger (1880-1951) benannte Vereinfachung des Verfahrensrechts. Zwei Verordnungen
vom 4. 1. 1924 (Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege, RGBl.
I, 15, gesetzliche Grundlage Ermächtigungsgesetz vom 8. 12. 1923) und 13. 2.
1924 schränken die Herrschaft der Partei über das Zivilverfahren zugunsten der
Leitungsbefugnis des Richters ein und wandeln das im 19. Jh. errichtete →
Schwurgericht (mit 12 Geschworenen) unter Beibehaltung des Namens in ein großes
→ Schöffengericht (3 Berufsrichter, 6 Geschworene [Laien]) um.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Vormbaum, T., Die Lex Emminger
vom 4. Januar 1924, 1988; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts,
Abteilung I Weimarer Republik, hg. v. Schubert, W., Bd. 4 1999; Zivilprozessreform
in der Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2005; Koch, A., Das bayerische
Schwurgericht der Nachkriegszeit, ZRG GA 122 (2005), 242
Emphytheusis (lat.
[F.]) ist die Erbpacht des spätrömischen Rechts, die auch im Wege der Rezeption
Auswirkungen hat.
Lit.: Kaser § 30; Köbler, DRG 61; Cencetti, G., Il
contratto di enfiteusi, 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Theisen, F., Studien zur Emphyteuse, 2003
Empirismus ist die
von Francis → Bacon (1561-1626) in Fortführung des mittelalterlichen
Nominalismus, dem Allgemeinbegriffe nur Sammelnamen für einzelne wirkliche
Erscheinungen sind, begründete, neue, von kirchlicher Dogmatik befreite
Erkenntnismethode (Begriff von Kant [1724-1804] eingeführt), die von der
vorurteilslosen Beobachtung von Einzelvorgängen als Begreifen der Welt an Hand
von messbaren und zählbaren Größen induktiv zu allgemeinen Erkenntnissen führen
soll. Die Erkenntnistheorie des E. entwickelt John Locke (1632-1704).
Lit.: Köbler, DRG 136; Moody, E., Empiricism and
Metaphysics, Philosphical Revue 67 (1958), 145; Engfer, H., Empirismus versus
Rationalismus, 1996
Emptio venditio (lat. [F.])
ist im römischen Recht der → Kauf (Verkauf). Er ist ursprünglich wohl
ein Handgeschäft, bei dem Abschluss und Ausführung des Austausches einer Sache
gegen einen in Geld bestehenden Preis zeitlich zusammenfallen, unabhängig
davon, ob eine (lat. [F.]) → mancipatio erforderlich ist oder ein
formfreies Geschäft (über eine [lat.] res nec mancipi oder mit einem
Nichtrömer) zur Sicherung des Erwerbers vor Diebstahlverdacht ausgeführt wird.
Spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. werden Vereinbarung (Konsensualkontrakt)
und Erfüllung getrennt, so dass die e. v. den Verkäufer zur möglicherweise
später erst erfolgenden Übertragung des Eigentums verpflichtet. In
nachklassischer Zeit wird der Vertragsabschluss vielfach beurkundet und geht
das Eigentum mit dem Abschluss und der Zahlung des Kaufpreises über. Justinian
trennt Kauf und Übereignung wieder, lässt aber die Schriftform als
Wirksamkeitsvoraussetzung zu. Möglich ist der Kauf einer Hoffnung (Chance) und
einer erhofften Sache.
Lit.: Kaser §§ 38, 41; Söllner §§ 9,
15; Köbler, DRG 45
Emser Punktation ist die in
Bad Ems im Jahre 1786 getroffene, nicht in Wirksamkeit getretene Vereinbarung
der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und Salzburg mit dem Ziel, eine größere
Selbständigkeit (der deutschen Kirche) vom Papst zu erreichen.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Emunitas (lat.
[F.]) ist die Freiheit von der Abgabenpflicht der kirchlichen Güter und der
Kleriker seit Kaiser Konstantin (306-337). → Immunität
Lit.: Köbler, DRG 30
Endlicher Rechtstag
(Art. 91, 123 CCB, 78 [, 82] CCC ist vor allem im von der Constitutio
Criminalis Bambergensis (1507) → Constitutio Criminalis Carolina (1532)
maßgeblich geprägten frühneuzeitlichen Strafverfahren der der heimlichen →
Inquisition folgende Tag der öffentlichen Verhandlung, der angesichts des durch
Folter erreichten Geständnisses für das Urteil weitgehend nur noch förmliche
Bedeutung hat. Er entwickelt sich als Folge der Inquisition seit dem 14. Jh.
und verschwindet endgültig erst im frühen 19. Jh. (e. R. noch in Dresden am 12.
7. 1821). An manchen Orten ist der endliche Rechtstag auf die Verkündung und
Vollstreckung des Urteils beschränkt (Norditalien, Freiburg im Breisgau 1361,
Worms 1498, Tirol 1499, Radolfzell 1506).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 118, 156; Müller, K.,
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Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002
Endlösung ist die
vom Nationalsozialismus u. a. mittels der nur zweistündigen Wannseekonferenz am
20. 1. 1942 unter der Leitung Reinhard Heydrichs angestrebte und teilweise
verwirklichte Vernichtung des Judentums (Holocaust) in besonderen
Vernichtungslagern (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Dachau).
Lit.: Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel,
E. u. a., 1985; Verbrechen erinnern, hg. v. Knigge, V. u. a., 2002
Energiewirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die seit dem 19. Jh. immer
bedeutendere Energiewirtschaft betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Kehrberg, J., Die Entwicklung des
Elektrizitätsrechts, 1997; Grunwald, J., Das Energierecht der Europäischen
Gemeinschaften, 2003
Engadin ist die
Tallandschaft des oberen Inn in → Graubünden, die seit dem 10. Jh. an den
Bischof von Chur gelangt.
Lit.:
Jecklin, F., Land und Leute des Unterengadins und Vintschgaus im 14.
Jahrhundert, 1922; Stolz, O., Beiträge zur Geschichte des Unterengadis aus
Tiroler Archiven, Jahresbericht der hist. ant. Gesellschaft von Graubünden 53
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Oberengadins, 1931; Planta, P. v., Die Rechtsgeschichte des Oberengadins, 1931
Engelbert (Poetsch bzw. Pötsch) von Admont (Steiermark um 1250-Admont 16.? 5. 1331) wird nach dem
1267 erfolgten Eintritt in das Benediktinerstift Admont in der Steiermark und
dem Studium in Prag (1271-1274) und Padua (1278?-1287 u. a. Recht) 1297 Abt in
Admont (bis 1327) und verfasst, beeinflusst von Aristoteles, Cicero, Seneca und
Augustinus, (mindestens 39) verschiedene staatspolitische Schriften
(Tugendspiegel, [lat.] De regimine principum [um 1300], [lat.] Speculum
virtutum [um 1310], Über Fürstenherrschaft, [lat.] De ortu et fine Romani
imperii [1312], Vom Anfang und Ende des römischen Reichs).
Lit.: Fowler, G., Engelbert of Admont and the Universal
Idea, 1958; Hamm, M., Engelbert von Admont als Staatstheoretiker, Diss. phil.
Würzburg 1973; Engelbert von Admont, hg. v. Baum, W., 1998; Ubl, K., Engelbert
von Admont, 2000; Engelbert von Admont, hg. v. Ubl, K., 2004
Engels, Friedrich
(Barmen/Wuppertal 28. 11. 1820-London 5. 8. 1895), Textilfabrikantensohn, wird
nach kaufmännischer Lehre und dem Besuch von Philosophievorlesungen
Mitbegründer des → Marxismus (Die Lage der arbeitenden Klasse, 1845).
Lit.: Hirsch, H., Friedrich Engels, 1968; Herferth, W.,
Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, 1983; Marx-Engels
Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984
England ist die
vereinfachende Bezeichnung für die zunächst (3. Jh. v. Chr.) von Kelten
(Briten, Pikten) besiedelten, um die Zeitenwende (41-54 n. Chr.) zum Teil von
Rom in sein Weltreich eingegliederten und gegen 470 n. Chr. von den Angeln,
Sachsen und Jüten (→ Angelsachsen) eroberten nordwesteuropäischen
Inseln. 1066 geraten die erst am Ende des 9. Jh.s unter Wessex geeinten
Angelsachsen unter die Herrschaft der → Normannen, woraus eine ziemlich
unterschiedliche anglonormannische Oberschicht entsteht. Überschaubares Gebiet
und Streulage adliger Güter begünstigen anscheinend die Durchsetzung
königlicher Gewalt, der gegenüber der Adel zwar nicht Landesherrschaft
errichten, aber die königliche Macht in der (lat.) Magna charta libertatum
(1215) eingrenzen kann. Nacheinander regieren Könige aus den Häusern →
Plantagenet (1154-1399, Verlust der meisten Güter in Frankreich in der Schlacht
von Bouvines 1214 und im hundertjährigen Krieg zwischen 1337 und 1453),
Lancaster (1399-1461), York (1461-1485), Tudor (1485-1603), → Stuart
(1603-1649, 1660-1714), Hannover (1714-1901), Sachsen-Coburg (1901-1910) und
Windsor (seit 1910), wobei 1536 Wales stärker mit E. verbunden wird und sich
König Heinrich VIII. auch zum König Irlands erklärt. Bereits 1614 gelingt es
dem seit dem 13. Jh. sichtbaren → Parlament, seine Stellung dauerhaft so
zu stärken, dass es die Einberufung unabhängig vom Willen des Königs, die
Zuständigkeit für alle Steuergesetze und die Beseitigung aller Sondergerichte
erreicht. 1649 wird König Karl I. hingerichtet, die Monarchie abgeschafft und
E. zum Commonwealth erklärt. 1660 wird der Sohn Karls I. als Karl II. zum König
berufen, doch gelingt 1689 in der → Bill of Rights dem Parlament der
Ausbau seiner Rechte. 1707 wird durch die Vereinigung des Parlamentes →
Schottlands mit dem englischen Parlament aus der seit dem Beginn der Herrschaft
der Stuarts bestehenden Personalunion die Realunion → Großbritannien
(1801 United Kingdom of Great Britain and Ireland, 1921 The United Kingdom of
Great Britain and Northern Ireland). Danach wird das über ein durch seinen
hohen Anteil indirekter Steuern ertragreiches Steuersystem verfügende Land
allmählich Weltmacht. In ihm beginnt die wohl vom puritanischen Unernehmergeist
begünstigte sog. industrielle Revolution. 1801 wird der Titel eines Königs von
Frankreich aufgegeben. Das Unterhaus (→ House of Commons) (Wahlrechtsänderungen
1832, 1867, 1884, 1918, 1948) setzt sich bis 1911 gegenüber dem Oberhaus (→
House of Lords) durch und gestaltet allmählich die Monarchie zur bloßen
äußerlichen Staatsform. Mit dem zweiten Weltkrieg endet die Stellung als
Weltmacht, doch erhält der Staat noch ein Vetorecht im Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen. Die Kolonien (z. B. Indien) erlangen ganz überwiegend
Selbständigkeit. 1973 tritt Großbritannien der Europäischen Gemeinschaft (1993
Europäischen Union) bei.
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Englisches Recht ist das in → England (seit 1330 auch in Wales, nicht dagegen ohne weiteres auch in Schottland und Irland) geltende Recht. Seinen Ausgangspunkt bilden die frühmittelalterlichen → Volksrechte (Gesetze) der → Angelsachsen. Mit dem Sieg der → Normannen unter Wilhelm dem Eroberer über die Angelsachsen (1066) wird das → angelsächsische Recht auf die örtlichen Gerichte beschränkt, während am Königsgericht (lat. curia [F.] regis, Königsrat, → Court of King`s Bench [E. 13. Jh.] für Delikte, Strafen, Appellationen, → Court of Common Pleas für alle gewöhnlichen Klagen [1178], → Court of Exchequer für Abgabenstreitigkeiten [E. 13. Jh.]) und bei den dieses bzw. diese unterstützenden Reiserichtern eine übergeordnete, französisch (Law French) gehaltene commune ley (lat. communis lex [F.], gemeines Recht) Anwendung findet (→ common law). Besondere Bedeutung erlangt hier der vom Kanzler des Königs dem Kläger ausgestellte, lateinisch abgefasste → writ (verfahrensrechtliche Weisung) an den Sheriff, von dem es bereits am Ende des 12. Jh.s etwa 75 bzw. 1227 56 verschiedene Arten gibt, die Ranulf de Glanvill († 1190) in dem (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consuetudinibus regni Angliae (Traktat über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) und Henricus de Bracton († 1268) in seinem Werk (lat.) De legibus et consuetudinisbus Angliae (Über die Gesetze und Gewohnheiten Englands) ordnen und darstellen. Wegen des Gewichts des Königsgerichts und der grundlegenden Bedeutung der vor ihm durch den writ eröffneten Verfahrensarten rückt der praktisch geschulte, ab 1200 namentlich bekannt werdende, bis etwa 1300 professionalisierte Richter im Mittelalter in den Mittelpunkt des Rechts. Dieses wird (neben allgemeinen Bestimmungen wie der Magna Charta von 1215 oder den Provisions of Westminster von 1259 vor allem) durch Einzelurteile fortgebildet, in denen nur ausnahmsweise von einem Präjudiz abgewichen wird (amtliche Aufzeichnungen in Latein als records, nichtamtliche Aufzeichnungen durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536 in reports bzw. year books). Dabei kommt zum königlichen Gericht seit dem Spätmittelalter das Gericht des Kanzlers (→ Court of Chancery) hinzu, das nach Billigkeit (→ equity) urteilt (z. B. Anspruch auf vorbeugende Unterlassung, Anspruch auf Vertragserfüllung). In den Auseinandersetzungen zwischen König und Parlament im 17. Jh. stellen sich die praktisch in den inns of court ausgebildeten englischen Rechtskundigen (z. B. Edward Coke [1552-1643], der in seinen Institutes of the Laws of England eine erste umfassende Darstellung des common law bietet) auf die Seite des Parlaments und festigen dadurch ihre Stellung. Im 18. Jh. entwickelt William Blackstone (1723-1380) in seinen Commentaries on the laws of England erstmals eine nach materiellen Rechtssätzen geordnete Darstellung des englischen Rechts, das im Übrigen durch die Gewinnung von Kolonien auf viele Teile der gesamten Welt verbreitet wird (z. B. Vereinigte Staaten von Amerika, Kanada, Australien, Neuseeland, Afrika, Asien). Seit dem 19. Jh. gewinnt gegenüber den richterlichen Fallentscheidungen nicht zuletzt auch unter dem Einfluss Jeremy Benthams (1748-1832) das Gesetz (z. B. Judicature Act 1873/1875, Verbindung von courts of law und court of chancery zu einem supreme court of judicature mit high court of justice und court of appeal, Zusammenfassung der writs in einem einleitenden writ of summons) ein gewisses, mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union steigendes Gewicht.
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Enkel ist das Kind
eines Kindes. Der E. ist grundsätzlich von der Erbfolge nach seinen Großeltern
durch seinen Vater oder seine Mutter ausgeschlossen. Ihm wird aber schon früh
(z. B. 596 n. Chr.) ein → Eintrittsrecht zugesprochen.
Lit.: Hübner
Enklave (Einschlussgebiet) ist das
vom Gebiet eines anderen Staates oder mehrerer anderer Staaten (aus deren
Sicht) eingeschlossene Teilgebiet eines anderen Staats (aus der Sicht dieses
Staates Exklave bzw. Ausschlussgebiet) (z. B. Büsingen innerhalb der Schweiz,
Campione am Luganer See innerhalb der Schweiz, bis 1797 päpstliches Avignon in
Frankreich, nicht Vatikan, San Marino, Monaco, Liechtenstein, Andorra, Ceuta,
Königsberg/Kaliningrad, kleines Walsertal). Für die zahlreichen Enklaven der
Länder des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) ist ein allgemeines
Durchzugsrecht anerkannt. Der Durchzug bewaffneter Kräfte bedarf grundsätzlich
einer besonderen Erlaubnis. 1928 bestehen in Deutschland noch mehr als 200
Enklaven.
Lit.: Lancizolle, W. v., Übersicht der deutschen
Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830; Ritter, E., Freie
Reichsländer, 1927; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007
Enneccerus, Ludwig
(Neustadt am Rübenberge 1. 4. 1843-Marburg 31. 5. 1928), Pastorensohn, wird
nach dem Studium von Mathematik und Recht in Göttingen und Promotion (1868) und
Habilitation (1870) 1872 außerordentlicher Professor für römisches Recht in
Göttingen und 1873 ordentlicher Professor in Marburg, der von Bernhard
Windscheid und Rudolf von Ihering beeinflusst ist (1921 emeritiert). Er
verfasst 1898 ein während der ersten Hälfte des 20. Jh.s bedeutsames Lehrbuch
des bürgerlichen Rechts (Allgemeiner Teil, 30.-34. A. bzw. 12. Bearbeitung
1928, Schuldrecht, 28.-30. A. bzw. zweiter Abdruck der 10. Bearbeitung 1928) in
Deutschland. Von 1882 bis 1889 ist er Mitglied des Abgeordnetenhauses Preußens,
von 1887 bis 1890 und 1893 bis 1898 als Vertreter der nationalliberalen Partei
Mitglied des Reichstags.
Lit.: Köbler, DRG 184; Jacobi, A.,
Ludwig Enneccerus 1843-1928, 1999
Enteignung ist die Entziehung
oder Belastung des Eigentums durch staatlichen Hoheitsakt zur Befriedigung
öffentlicher Belange (z. B. zum Wohl der Allgemeinheit, zum allgemeinen
Besten). Die E. wird bereits in der römischen Spätantike bezüglich Grundstücke
oder Lebensmittel geübt und als Zwangskauf verstanden. Danach kann in der
hochmittelalterlichen Stadt (Oberitalien 12. Jh., Kopenhagen 1254, Schaffhausen
1380) eine bauliche Beschränkung festgelegt oder sogar das → Eigen
gänzlich entzogen werden. Das Naturrecht anerkennt wegen der Entstehung des
Eigentums des Einzelnen aus dem Recht der Allgemeinheit grundsätzlich die E. gegen Entschädigung (→ Grotius,
Christian Wolff, Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756, §§ 74, 75
Einleitung zum ALR 1794, § 365 ABGB 1811, Zwangskauf). Seit der französischen
Revolution (1789 [Art. 17 Menschenrechtserklärung]/1807/1810 Expropriationsgesetze)
werden als grundlegende Voraussetzungen der E. (franz. [F.] expropriation) ein
öffentliches Bedürfnis, ein rechtmäßiges Verfahren sowie eine ausgleichende
Entschädigung angesehen (Bayern 1818, Deutsches Reich 1848/1849, Preußen 1850).
Die E. wird als öffentlichrechtlicher Eingriff in ein privates Recht
verstanden. Im 20. Jh. bildet in Deutschland die Verfassung (Art. 153 WRV, 14
GG) die Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Eigentum.
Lit.: Kaser § 23 I 3; Hübner 272; Köbler, DRG 40, 124, 163,
212; Baltl/Kocher; Layer, M., Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902; Hedemann,
J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 1 1930, 225; Giese,
F., Enteignung und Entschädigung, 1950; Mann, F., Zur Geschichte des
Enteignungsrechts, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 2 1960, 291;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1770; Rittstieg, H., Eigentum als
Verfassungsproblem, 1975; Grimm, D., Die Entwicklung des Enteignungsrechts,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 121;
Pennitz, M., Der Enteignungsfall, 1992; Schubert, W., Zur Entwicklung des
Enteignungsrechts 1919-45, ZRG GA 111 (1994), 482; Jung, O., Volksgesetzgebung,
Bd. 1f. 2. A. 1996; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Paffrath,
C., Macht und Eigentum, 2004; Niesler, A., Aufopferung und Enteignung vom ALR
bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.; Eigentumsrecht und
Enteignungsunrecht, hg. v. Gornig, G. u. a., 2008
Enteignungsgleicher Eingriff
ist der in Deutschland durch die Rechtsprechung 1952 als
entschädigungspflichtig eingeordnete rechtswidrige, einer rechtmäßigen
Enteignung in den Wirkungen gleichkommende Eingriff in eine vermögenswerte
Rechtsposition.
Lit.: Köbler, DRG 259
Enterbung ist die
bereits dem klassischen römischen Recht (lat. [F.] exheredatio) bekannte
Entziehung einer Erbaussicht eines (gesetzlich) Erbberechtigten durch →
letztwillige Verfügung. Sie erscheint überall, wo letztwillige Verfügungen
unbeschränkt zulässig sind.
Lit.: Kaser §§ 65, 67, 69; Hübner; Köbler, DRG 38; Siegel,
H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Merkel, J., Die justinianischen
Enterbungsgründe, 1908; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Entführung ist die
rechtswidrige Fortführung eines Menschen, insbesondere einer (einwilligenden)
Frau zur Erreichung sexueller Ziele. Im römischen Recht ist für Vergewaltigung,
Frauenraub und E. Enthauptung angedroht (C. 9, 13, 1). Im Frühmittelalter
begründet die E. eine → Fehde. Im Spätmittelalter wird für E. (ohne
Einwilligung) wie für Frauenraub und Notzucht Enthauptung angedroht. Seit der
Mitte des 18. Jh.s tritt an die Stelle der Todesstrafe eine zeitliche
Freiheitsstrafe. Im 19. Jh. geht die E. in der allgemeineren Freiheitsberaubung
auf.
Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928,
Neudruck 1967, 145; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden
Mittelalter, 1931
Entgeltfortzahlungsgesetz ist das 1995 das Lohnfortzahlungsgesetz ersetzende deutsche
Gesetz.
Lit.: Köbler, DRG 273
Enthauptung ist die
durch Abtrennung des Haupts vom Rumpf mittels Schwert oder später mittels
Guillotine vollzogene Tötung bzw. → Todesstrafe.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967
Entmannung (Kastration)
ist die Entfernung der Keimdrüsen eines Mannes. Sie führt im Frühmittelalter
als Körperverletzung zu einer Buße (Wergeld). Sie kann im hohen Mittelalter
auch als Strafe (bei Vergehen gegen die Sittlichkeit) eingesetzt werden. Im
Dritten Reich wurden in Umsetzung älterer Überlegungen rund 366000 Menschen zur
Verhütung erbkranken Nachwuchses sterilisiert.
Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928,
Neudruck 1967; Tuchel, S., Kastration im Mittelalter, 1998; Kramer, S., Ein
ehrenhafter Verzicht auf Nachkommenschaft, 1999; Schneider, C., Die Verstaatlichung
des Leibes, 2000
Entmündigung ist
die Entziehung oder Beschränkung der dem Entmündigten dem Alter nach an sich
zustehenden → Geschäftsfähigkeit. In Rom kann nach dem Zwölftafelgesetz
(5, 7c) der Verschwender durch (lat. [F.]) interdictio (Untersagung) (des
Prätors) von allen Verpflichtungsgeschäften und Verfügungsgeschäften
ausgeschlossen werden, wobei für das Vermögen des Verschwenders eine →
Pflegschaft (lat. [F.] cura) eingesetzt wird. Im Mittelalter wird die Familie
tätig, welche die bei körperlichen und geistigen Gebrechen mögliche E. vor
Gericht kundzugeben hat. Später greift die Obrigkeit ein. Im 16. Jh. kann der
Verschwender für unmündig erklärt werden. Seit dem 18. Jh. ist die E. ein
besonderer Rechtsakt auf Grund eines eigenen gerichtlichen Verfahrens (1775
preuß. AGO
I, 38, 1794 ALR I, 2 §§ 27ff., 1804 Code civil Art. 490ff., Code de procédure
civile Art. 890ff., 1877 ZPO §§ 593ff.) Der
Entmündigte erhält einen Vormund. Zur Erhebung einer Entmündigungsklage sind
Ehegatte und Verwandte berechtigt, später auch der Staatsanwalt und
gegebenenfalls die Gemeinde. Trunksucht und Rauschgiftsucht werden Grund für
die E., während körperliche Gebrechen die E. nicht mehr begründen können. 1971
stützt eine Resolutuin der Vereinten Nationen (2856/XXVI die Rechte geistig
behinderter Menschen. Österreich hebt die Entmündigungsordnung vom 28. 6. 1916
durch das Sachwaltergesetz vom 2. 2. 1983 auf. In Deutschland wird die E. 1992
(Gesetz vom 12. 9. 1990) durch die → Betreuung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Hübner; Rive, F., Geschichte
der deutschen Vormundschaft, Bd. 1f. 1862ff.; Schwarz, A., Die Entmündigung des
Verschwenders, Diss. jur. Tübingen 1891; Ent, H., Das Sachwalterrecht für
Behinderte, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996; Schmidt, T.,
Die Entmündigung, 1998
Entnazifizierung ist
die Reinigung von nationalsozialistischem Gedankengut und die damit verbundene
Entfernung von Anhängern des → Nationalsozialismus aus ihren beruflichen
Stellungen (auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20. 12. 1945 und z.
B. des Gesetzes zur Befreiung unseres Volkes vom Nationalsozialismus vom 5. 3.
1946). Sie erfasst im Gebiet der alten Bundesländer der Bundesrepublik
Deutschland 3,6 Millionen Fälle. Als Folge werden 486 Menschen hingerichtet,
1667 als Hauptschuldige, 23060 als Belastete, 150425 als Minderbelastete,
1500874 als Mitläufer und 1213873 als Entlastete eingestuft. Andererseits
entsteht bald eine überparteiliche Übereinstimmung dahin, Belastete rasch in
die demokratische Gesellschaft einzugliedern. 1948 werden die
Entnazifizierungsmaßnahmen der Alliierten eingestellt. In Westberlin werden
aber zwischen 1955 und 1979 mehr als 1000 Sühneverfahren mit Geldstrafen von
insgesamt mehr als 1,5 Millionen DM durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Fürstenau, J.,
Entnazifizierung, 1969; Niethammer, L., Entnazifizierung in Bayern, 1972;
Lange, J., Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen, 1976; Henke, K.,
Politische Säuberung unter französischer Besatzung, 1981; Niethammer, L.,
Entnazifizierung in Bayern?, 1982; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA
106 (1989), 239; Entnazifizierung, hg. v. Vollnhals, C., 1991; Frei, N.,
Vergangenheitspolitik, 1996, 2. A. 1997; Kappelt, O., Die Entnazifizierung in
der SBZ, 1997; Schuster, A., Die Entnazifizierung in Hessen, 1999; Borgstedt,
A., Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951, 2001; Entnazifizierung im
regionalen Vergleich, hg. v. Schuster, W. u. a., 2004; Deissler, D., Die
entnazifizierte Sprache, 2004; Bedau, M., Entnazifizierung des Zivilrechts,
2004; Entnazifizierung, hg. v. Mesner, M., 2005; Hesse, H., Konstruktionen der
Unschuld, 2005; Botor, S., Das Berliner Sühneverfahren, 2006
Entsippung ist das
im Frühmittelalter verschiedentlich erkennbare (freiwillige oder unfreiwillige)
Ausscheiden aus einem Verwandtschaftsverband (→ Sippe).
Lit.: Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A.
1906, 129
Entwerung ist der
(freiwillige oder unfreiwillige) Verlust der → Gewere an einer Sache. Der
Käufer einer Sache kann sich bereits im römischen Recht erst dann (wegen
Nichterlangung des Eigentums) an den Verkäufer halten, wenn ihm die Sache von
einem Dritten abgestritten worden ist.
Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Meyer, H.,
Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902
Enzyklopädie (F.) →
Rechtsenzyklopädie
Lit.: Vulgariser la science - les encyclopédies médiévales,
hg. v. Ribémont, B., 1999; Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter bis
zur frühen Neuzeit, hg. v. Meier, C., 2002; Kiesow, R., Das Alphabet des
Rechts, 2004; Blom, P., Das vernünftige Ungeheuer, 2005; Seine Welt wissen.
Enzyklopädien in der frühen Neuzeit, hg. v. Schneider, U., 2006
Episcopalis audientia
(lat. [F.]) ist die in der römischen Spätantike einsetzende besondere
Gerichtsbarkeit des → Bischofs.
Lit.: Köbler, DRG 56
Episkopalismus ist
die im Gefolge des Konzils von Trient die Stellung der Bischöfe gegenüber dem
Papst betonende Strömung in Deutschland im 16. und 17. Jh. (Nikolaus von
Hontheim 1763, Emser Punktation 1786).
Lit.: Raab, H., Die
Concordata nationis Germanicae, 1956
Epitome (gr. [F.]) Auszug (aus einem umfangreichen Text) (z. B. E. exactis regibus [Frankreich 12. Jh.], E. legum [Byzanz 920])
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Epitome Iuliani ist eine Einführungsvorlesung in lateinischer
Sprache zu einer Sammlung von 124 Novellen Kaiser Justinians, die im Westen im
Frühmittelalter die Kenntnis der justinianischen Novellen vermittelt und von
François Pithou in Basel 1576 ediert wird.
Lit.:
Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechts, hg. v. Avenarius, M., 2008,
300
eques (lat. [M.]) → Ritter
Lit.: Stemmler, M., Eques Romanus, 1997
Equity (engl.) ist
allgemein die → Billigkeit und im besonderen die Gesamtheit der
anerkannten Sätze, nach denen das Gericht des Kanzlers (→ Court of
Chancery) des → englischen Rechtes unter Rücksicht auf die Umstände des
Einzelfalles, aber ohne unberechenbare Freiheit des Ermessens, verfährt. → aequitas
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Barbour, W., The history of contract in early English
Equity, 1914; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002;
Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999
Erasmus von Rotterdam
(Rotterdam 28. 10. 1466? [uneheliches Kind eines Geistlichen]-Basel 12. 7.
1536), Humanist
Lit.: Kisch, G.,
Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Ribhegge, W., Erasmus von
Rotterdam, 2009
Erbabfindung ist der vermögensmäßige Ausgleich für die Aufgabe einer Erbaussicht. → Abschichtung, → Aussteuer
Erbach ist Hauptort einer Grafschaft
im Odenwald, die um 1165 erstmals genannte ursprünglich ministerialische Herren
von E. im allmählichen Aufstieg in die Reichsstandschaft (1422) gewinnen. Sie
gelangt 1806 hauptsächlich an Hessen-Darmstadt und damit ihr Gebiet 1945 an
Hessen.
Lit.: Killinger, G.,
Die ländliche Verfassung der Grafschaft Erbach, 1912; Steiger, U., Die Schenken
und Herren von Erbach, 2007
Erbauseinandersetzung ist die Aufteilung eines Erbes (N.) unter mehreren Erben (M.). Bereits im altrömischen Recht kann jeder Miterbe (lat. [M.] → coheres) die Aufhebung der ohne weiteres eintretenden Gemeinschaft am Erbe (lat. [N.] → consortium) jederzeit mit dem Erbteilungsklaganspruch (lat. → actio [F.] familiae erciscundae) fordern. Seit der jüngeren Republik erhält jeder Miterbe schon während bestehender Gemeinschaft ein quotenmäßig begrenztes Recht an den einzelnen Erbschaftsgegenständen, über das er jederzeit verfügen kann. Außerdem kann er uneingeschränkt die Erbteilung begehren. Eine Aufteilung ist wohl auch bei den Germanen möglich. Allerdings erben mehrere Erben vermutlich als Gemeinschaft zur gesamten Hand, so dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass nicht verfügen kann. Jeder kann aber Teilung verlangen. Im Hochmittelalter soll dabei nach einer auch schon bei Plutarch für das 8. Jh. v. Chr. sowie bei dem Kirchenvater Augustin (354-430) bezeugten Regel der (eher zu einer gleichmäßigen Teilung fähige) Ältere teilen und der Jüngere (den ihm günstiger erscheinenden Teil) wählen (→ maior dividat, minor eligat). Die gesamthänderische Gestaltung wird 1900 auch in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, das allerdings die Verfügung über den gesamten Erbteil zulässt.
Lit.: Kaser § 73; Hübner; Kroeschell,
DRG 2
Erbbaurecht ist das
veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter fremdem Grund und Boden ein
Bauwerk zu haben. Ihm entspricht im römischen Recht schon früh die Bürgern
vererblich, aber zunächst wohl nicht veräußerlich erteilte Befugnis, auf
städtischem Boden gegen Bezahlung eines Bodenzinses (lat. [N.] vectigal) ein
Gebäude zu haben. Um die Zeitenwende tritt zu diesem als Pacht verstandenen
Verhältnis das Recht hinzu, auf einem privaten Grundstück ein Gebäude (lat.
[F.] → superficies) zu haben. Justinian erfasst dieses veräußerlich,
vererblich und belastbar gestaltete Recht teils als Recht eigener Art, teils
als Servitut und teils als Emphyteuse. Im Mittelalter entsteht unabhängig
hiervon die → Erbleihe städtischer Grundstücke, die dem Beliehenen gegen
jährlichen Zins ein vererbliches, unveräußerliches Recht an einem Grundstück
gewährt, das jedoch allmählich zum → Eigentum erstarkt. Danach wird das
römische Recht der superficies aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) und ausführlicher die insofern das Gesetz ersetzende Verordnung über das
E. (15. 1. 1919) schaffen ein besonderes veräußerliches und vererbliches,
grundsätzlich grundstücksgleich bestehendes Nutzungsrecht auf Errichtung,
Besitz und Benutzung eines Bauwerks am Grundstück, wobei ein Erbbauzins nicht
unbedingt erforderlich ist. Der Erbbauberechtigte ist regelmäßig Eigentümer
des einen wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts bildenden Gebäudes. Das E.
darf sich nicht auf einen Gebäudeteil beschränken. Die tatsächliche Bedeutung
des Erbbaurechts ist gering. Österreich folgt der Regelung Deutschlands durch
das das Baurechtsgesetz von 1912, die Schweiz im Zivilgesetzbuch von 1907/1911.
Die Deutsche Demokratische Republik kennt ein vergleichbares Recht im 1975
erlassenen Zivilgesetzbuch.
Lit.: Kaser § 30 II; Hübner; Köbler, DRG 41, 61, 240;
Schiwek, D., Das Erbbaurecht, Diss. jur. Kiel 1969
Erbbaurechtsverordnung → Erbbaurecht
Erbe (M.) ist der
Vermögensnachfolger des Erblassers. Erben sind in den ältesten Zeiten die
Kinder des Erblassers, die das eigentümerlos gewordene Gut ohne weiteres in
ihrer Gewalt haben. Im ältesten römischen Recht treten mit dem Tod des
Familienvaters seine Hauskinder und seine gewaltunterworfene Ehefrau, die mit
dem Tod des Familienvaters gewaltfrei werden, als Rechtsgemeinschaft (lat. [N.]
→ consortium) der (lat.) → sui heredes (M.Pl.) an seine Stelle.
Fehlen Hauserben, gelangt das Gut an die Agnaten (z. B. Geschwister des
Erblassers, Geschwister des Vaters des Erblassers usw.) oder hilfsweise auch an
die Gentilen als sog. Außenerben ([lat.] extranei heredes). Möglich sind aber
Abschichtung und Abänderung durch ein Testament. E. (lat. [M.] → heres)
ist dabei nur der E. nach dem Recht der römischen Bürger (lat. ius [N.]
civile), dessen Berufung auf Gesetzen, Senatuskonsulten oder auf dem vom Kaiser
geschaffenen Recht beruht. Deswegen kann der Prätor auch keinen Erben schaffen,
sondern nur den Güterbesitz (lat. bonorum possessio [F.]) bestimmter Menschen
wie den eines Erben schützen. Justinian beseitigt die Unterscheidung zwischen
zivilem Erbrecht und bonitarischem Erbrecht, stellt Männer und Frauen sowie
Hauskinder und emanzipierte Abkömmlinge gleich und schließt die Agnaten 543/548
als solche von der Erbfolge aus. Er bildet vier neue Erbklassen (Abkömmlinge
[wobwi die Kinder nach Stämmen teilen], dann Eltern [Tewnnung in väterlichen
Stamm und müttelrichen Stamm], Vorfahren und vollbürtige Geschwister, dann
halbbürtige Geschwister und Kinder, und schließlich übrige Seitenverwandte),
von denen jede frühere jede spätere verdrängt. Die christliche Kirche fordert
vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen
heraus allmählich einen Anteil an jedem Erbe (→ Freiteil). Bei den
Germanen geht das einem Hausvater (während seines Lebens als Verwalter für die
Familie oder den Verwandtschaftsverband) besonders zustehende Gut mit seinem
Tod auf seine Kinder über, Grund und Boden vielleicht nur auf die Söhne.
Mehreren gehört es bis zu seiner Aufteilung gemeinschaftlich. Fehlen Kinder, so
gelangt das Gut, da der Vater des Verstorbenen meist vorverstorben ist, als
Erbe an Brüder, sonst Onkel usw. Stirbt die Frau, so fällt das von ihr
möglicherweise mitgebrachte wie das ihr gegebenenfalls vom Mann zugewandte Gut
an die Kinder, bei deren Fehlen aber an den (ursprünglich) Berechtigten ihrer
väterlichen Familie zurück. Auch im Frühmittelalter haben Möglichkeiten zur
Veränderung dieser Regeln noch keine wirkliche Bedeutung. Erst im
Hochmittelalter wird das → Testament aufgenommen. Seitdem stehen neben
den gesetzlichen Erben die gewillkürten Erben. Die Erbfolge ist im Einzelnen
von Recht zu Recht unterschiedlich. An vielen Stellen dringt die justinianische
Ordnung allmählich ein. Im 18. Jh. wird hieraus das → Parentelensystem
entwickelt (Joachim Georg Darjes 1714-1791). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
verbessert sich die rechtliche Stellung der Ehegatten (Deutschland 1957). Das
nichteheliche Kind erhält in Deutschland 1969 ein Erbrecht oder zumindest einen
Erbersatzanspruch, 1998 wird es gleichgestellt.
Lit.: Kaser § 65; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
15, 23, 37, 59, 73, 88, 116, 122, 162, 210, 239, 268; Siegel, H., Das deutsche
Erbrecht, 1853; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine Erben“, ZRG GA 84
(1967), 236; Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und
familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters,
2001
Erbe (N.) (lat.
[F.] hereditas) ist der Nachlass eines verstorbenen Menschen. Er umfasst
anfangs nur Werte (Vermögen), später auch Schulden. Manche Gegenstände können
dabei zeitweise einer → Sondererbfolge unterfallen (z. B. Gerade,
Heergewäte, Erbhof, Gesellschaftsanteil).
Lit.: Kaser § 65 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2
Erbebuch, Erbbuch ist eine Art des
Amtsbuchs seit dem 16. Jh. bzw. eine Art des Stadtbuchs seit dem 13. Jh.
Lit.: Homeyer, G., Die
Stadtbücher des Mittelalters, 1860; Die Erbebücher der Stadt Riga 1384-1579,
bearb. v. Napiersky, J., 1888; Thieme, A., Die kursächsischen Amtsbücher,
Familie und Geschichte 6/16 (2007), 1ff.
Erbeinsetzung ist die besondere Bestimmung zum Erben. Vielleicht schon im altrömischen Recht ist die E. (lat. heredis institutio [F.]) das Kernstück jeden Testaments. Jedes Testament muss eine E. enthalten, die (bis zu Kaiser Konstantin [306-337]) am Anfang stehen muss (lat. z. B. Titius heres esto, Titius soll Erbe sein). Die E. schafft entweder einen einzigen Erben oder lautet auf einen Bruchteil der Erbschaft. Im mittelalterlichen Recht gibt es eine besondere E. des Enkels am Grabe oder an der Bahre eines vorverstorbenen Kindes, die ein fehlendes → Eintrittsrecht ersetzt. In der Neuzeit übernehmen Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756), Allgemeines Landrecht Preußens (1794) und Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs (1811) die Notwendigkeit der E. im Testament, während Code civil Frankreichs (1804), Bürgerliches Gesetzbuch Sachsens (1863), Bürgerliches Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900) und Zivilgesetzbuch der Schweiz (1907/1911) hierauf verzichten.
Lit.: Kaser § 68; Köbler, DRG 23, 38; Gudian, G.,
Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968
Erbengemeinschaft ist
die im Falle mehrerer Erben (Miterben) entstehende Gemeinschaft (lat. [N.] →
consortium [ercto non cito]). Sie ist im klassischen römischen Recht sowie im
neuzeitlich aufgenommenen römischen Recht Bruchteilsgemeinschaft, bei der
Forderungen und Verbindlichkeiten anteilmäßig geteilt sind (z. B. § 555 ABGB
Österreichs 1811), sonst meist Gesamthandsgemeinschaft (BGB des deutschen
Reiches 1896/1900 §§ 2032ff., ZGB Schweiz 1907/1911, ähnlich ALR Preußens
1794). Sie endet durch → Erbauseinandersetzung. Vorempfänge sind meist
rechnerisch auszugleichen.
Lit.: Kaser § 73; Söllner § 8; Hübner 749ff.; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 122, 162, 207; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts,
1962, 5. A. 2001
Erbenhaftung ist
die Haftung des Erben für Schulden des Erblassers (und der Erbschaft). Wohl
schon das römische → Zwölftafelgesetz (451/450 v. Chr.) lässt die Haftung
für Schulden des Erblassers auf den übergehen, der die Rechte des Erblassers
erwirbt. Teilbare Schulden zerfallen mit der Erbfolge von selbst nach dem
Verhältnis der Erbteile in selbständige Schulden. Der Erbe haftet
unbeschränkt. Er muss also notfalls auch sein vor dem Erbfall bestehendes
Vermögen zur Tilgung der ererbten Schuld verwenden. Er kann sich aber als
Hauserbe der Erbschaft enthalten oder als Außenerbe die Erbschaft ausschlagen.
Dagegen können sich die Nachlassgläubiger gegen die Nachteile, die ihnen aus
der Überschuldung des Erben drohen, durch Verlangen einer Sicherheitsleistung
oder durch eine Scheidung vom Nachlass und Erbenvermögen (lat. separatio [F.]
bonorum) schützen. Justinian (527-565) gewährt dem Erben die Wohltat des →
Inventars (lat. → beneficium [N.] inventarii), wonach er durch die
Errichtung eines Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände die Haftung für
Schulden des Erblassers auf die Gegenstände der Erbschaft beschränken kann
Haftung cum viribus hereditatis). Im deutschen Recht haftet für Schulden des
Erblassers noch im → Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei
bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl, Spiel) überhaupt ausgenommen
sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen. In
der Neuzeit wird die justinianische Rechtswohltat des Inventars übernommen. Das
Allgemeine Landrecht Preußens (1794) geht von der beschränkten Haftung des
Erben aus, verwandelt diese aber in eine unbeschränkte Haftung, wenn der Erbe
nicht fristgerecht ein Inventar errichtet. Das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens
(1863) sieht beschränkte Haftung vor. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des
deutschen Reiches (1896/1900) ist die Haftung des Erben unbeschränkt, aber auf
den Wert des Nachlasses beschränkbar (Haftung pro viribus hereditatis,
Nachlassverwaltung, Nachlasskonkurs, Inventarerrichtung).
Lit.: Kaser § 74; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lewis, W., Die
Succession des Erben, 1864; Freytagh-Loringhoven, A. v., Die Schuldenhaftung
der Erben nach den livländischen Rechtsbüchern, ZRG GA 27 (1906), 92;
Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28
(1907), 69; Enneper, C., Die Reform der Erbenhaftung im Erbrechtsausschuss,
1993; Peer, R., Die Vorschläge der Akademie für Deutsches Recht, Diss. jur.
Mannheim 1995; Muscheler, K., Die Haftung der Erben im preußischen ALR, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Erbenlaub ist im
mittelalterlichen deutschen Recht (z. B. → Sachsenspiegel) die (aus der
Gebundenheit des Familienguts erwachsende Notwendigkeit der) Zustimmung
(Erlaubnis) des (zur Zeit einer Verfügung) nächsten Erben zu einer Verfügung
des (künftigen) Erblassers über ein Grundstück. Damit gibt der Erbe seine
Erbaussicht auf Erbgut (im Gegensatz zu Kaufgut) auf. Fehlt das E., ist das
Geschäft zwischen Erblasser und Dritten gegenüber dem Erben unwirksam. Dieser
kann es angreifen und das veräußerte Gut teils ohne Gegenleistung, teils gegen
Erstattung des Kaufpreises (→ Erbenlosung) verlangen. Der unmündige Erbe
hat diese Rechte bis zu einer bestimmten Frist nach Erreichen der Mündigkeit.
Zuerst in den Städten, dann auch allgemeiner schwindet das E., wird aber
teilweise als Vorkaufsrecht fortgeführt.
Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1886, 54;
Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familiengemeinschaft im älteren Walliser
Recht, 1955
Erbenlosung ist im
mittelalterlichen deutschen Recht die Befugnis eines Erben, ein ohne seine
Zustimmung abgeschlossenes Verfügungsgeschäft über ein Grundstück des
Erblassers gegen Erstattung des Kaufpreises an den Erwerber rückgängig zu
machen.
Lit.: Hübner 428; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853
Erbenwartrecht ist
das Anrecht (Wartrecht) des nächsten künftigen Erben (z. B. der Söhne) auf das
Vermögen eines künftigen Erblassers. Es ist eine Art Anwartschaft auf die in
Aussicht stehende Erbschaft. Es beruht auf der Familiengebundenheit des
Hausguts. Es wirkt sich (allmählich nur noch) im → Erbenlaub und der →
Erbenlosung bzw. dem ausgleichsfreien Herausgabeanspruch (Revokationsrecht) aus.
In der frühen Neuzeit wird es durch den Grundsatz der Testierfreiheit
verdrängt.
Lit.: Hübner 328; Köbler, DRG 124; Schröder, R., Zur
Geschichte des Warterechts der Erben, ZRG 9 (1870), 410; Adler, S., Über das
Erbenwartrecht nach den ältesten bairischen Rechtsquellen, 1891; Brunner, H.,
Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 1931, 217
Erbfolge ist der
Übergang des Vermögens des Erblassers auf den Erben. Für die E. entwickeln sich
bereits früh vor allem in der Hinsicht Regeln, wer der → Erbe (oder die gemeinschaftlichen
Erben) innerhalb der Gesamtheit der Verwandtschaft des Erblassers ist (oder
sind). Dabei unterscheidet das römische Recht zunächst zwischen von selbst
erbenden Hauserben (lat. → sui heredes [M.Pl.) und nach Annahme erbenden
Außenerben (lat. heredes extranei) und legt danach eine genauere Reihenfolge
fest, die in der justinianischen Novelle 118 zu den vier einander sukzessive
ausschließenden Klassen der Abkömmlinge (1), der Eltern und sonstigen Vorfahren
sowie der vollbürtigen Geschwister (2), der halbbürtigen Geschwister und ihrer
Kinder (3) und aller übrigen Seitenverwandten (4) führt. Das germanische Recht
trennt zwischen Hausgemeinschaft und der (ansatzweise in Familienschaften
gegliederten übrigen) Verwandtschaft. Der Sachsenspiegel (Landrecht I 3 § 3
[1221-1224]) verwendet hierfür das Bild des menschlichen Körpers, bei dem der
Erblasser durch den Kopf, die Kinder, Eltern und Geschwister durch den Hals,
die Enkel, Großeltern, Elterngeschwister und Geschwisterkinder durch die
Schulter, die Urenkel, Urgroßeltern, Großelterngeschwister,
Elterngeschwisterkinder und Geschwisterenkel durch die Ellenbeuge, die
Ururenkel, Ururgroßeltern, Urgroßelterngeschwister, Großelterngeschwisterkinder,
Elterngeschwisterenkel und Geschwisterurenkel durch das Handgelenk usw.
versinnbildlicht werden und ausgenommen die Angehörigen des ersten Glieds die
gleich nah Geborenen zu gleichen Teilen erben. Im Übrigen sind die Ordnungen
der E. im Einzelnen landschaftlich und örtlich sehr unterschiedlich. Allgemein
wird ein → Eintrittsrecht der Enkel zunehmend bejaht und die
Schlechterstellung der Frau verringert. In der Neuzeit dringen verschiedene
Gedanken des römischen Rechtes in das deutsche Recht ein. Das Erbfolgepatent
Kaiser Josphs II. vom 11. 5. 1786 legt eine einheitliche Intestaterbfolge für
die österreichischen Erbländer nach dem Parentelsystem fest, wobei bei Fehlen
eine Verwandten der 6 Parentelen der Ehegatte erbt. Das Allgemeine Landrecht
Preußens (17949 verbindet die Erbfolge nach Stämmen mit dem Eintrittsrecht der
Abkömmlinge (II 2 §§ 348ff.). Der Code civil (1804) unterscheidet Deszendenten,
Aszendenten und Seitenverwandte (Art. 731ff.), so dass den Deszendenten die
Eltern und Geschwister mit sämtlichen Abkömmlingen folgen. Das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) wendet das Parentelensystem
durchgehend an (§§ 730ff., Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge,
Großeltern und deren Abkömmlinge, Urgroßeltern) und knüpft den Erbgang an die
gerichtliche Einantwortung in den Nachlass an. Im Bürgerlichen Gesetzbuch des
deutschen Reiches (1896/1900) geht die gewillkürte E. der gesetzlichen E. vor
und werden (jeweils außer dem Ehegatten) fünf Ordnungen von gesetzlichen Erben
nach einem → Parentelensystem unterschieden (Abkömmlinge, Eltern und
deren Abkömmlinge, Großeltern und deren Abkömmlinge usw.). Fehlen Verwandte
und Ehegatte, so erbt der → Fiskus als gesetzlicher Erbe. Zusätzliche
Besonderheiten gelten für die E. in die Stellung eines Monarchen.
Lit.: Kaser § 66; Hübner 752; Danz, W., Versuch einer
Entwicklung der gemeinrechtlichen Erbfolgeart in Lehen, 1793; Siegel, H., Das
deutsche Erbrecht, 1853; Wasserschleben, H., Das Prinzip der Successionsordnung
nach deutschem und insbesondere sächsischem Rechte, 1860; Stobbe, O., Die
Erbfolgeordnung nach den Magdeburger Schöffensprüchen, 1865; Wasserschleben,
H., Das Prinzip der Erbenfolge, 1870; Schanz, F., Das Erbfolgprinzip des
Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 1883; Gál, A., Der Ausschluss der
Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Freytagh-Loringhoven, A.
Frhr. v., Der Sukzessionsmodus des deutschen Erbrechts, 1908; Die Vererbung des
ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preußen, hg. v. Sering, M., Bd. 7 1908;
Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts,
ZRG GA 36 (1915), 137; Kühn, O., Die kaiserliche Konstitution von 1529 über die
Erbfolge der Geschwisterkinder und Ulrich Zasius, ZRG GA 78 (1961), 310;
Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche
Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Mertens, H., Überlegungen zur
Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149ff.; Diestelkamp, B., Das
Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme
1977, 1; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht,
Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v.
Kunisch, J., 1982; Buchholz, S., Erbfolge und Wiederverheiratung, 1986; Olzen,
D., Vorweggenommene Erbfolge, 1988; Meuten, L., Die Erbfolgeordnung des
Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 2000; Hartmann, P., Das Recht der
vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren Privatrechtsgeschichte, 2005
Erbfolgekrieg ist
der aus Anlass eines Streites um die → Erbfolge in einem Erbfall
entstehende Krieg (z. B. bayerischer E., schlesischer E., spanischer E.). Er
endet vielfach mit einer einvernehmlichen Güteraufteilung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Erbfolgepatent ist das die Erbfolge ordnende Patent wie z. B. das Patent Josephs II. vom 11. 5. 1786,
mit dem eine einheitliche gesetzliche Erbfolge für die österreichischen
Erbländer festgesetzt wird (6 Parentelen, subsidiäres Erbrecht des Ehegatten,
der bis zur Wiederverheiratung außerdem ein Fruchtgenussrecht an einem Viertel
des Nachlasses erhält).
Erbgut ist im deutschen Mittelalter das durch Erbfolge erworbene Gut im Gegensatz zum durch Kauf erlangten Gut. Für das E. gelten bis in die Mitte des 19. Jh.s verschiedentlich besondere Regeln (z. B. → Erbenwartrecht).
Lit.: Hübner 747; Kroeschell, DRG 1f.
Erbhof ist
allgemein der durch lange → Erbfolge im Eigentum einer Familie stehende
bäuerliche Hof. Im Dritten Reich wird für den Eigentümer des vom →
Reichserbhofgesetz (vom 29. 9. 1933, aufgehoben durch Art. I 1
Kontrollratsgesetz Nr. 45 zum 23. 4. 1947) erfassten Erbhofs (35 % der Höfe)
(sog. Bauer im Gegensatz zu den sonstigen Landwirten) die →
Testierfreiheit eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 239; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus
konkretem Ordnungsdenken, ZNR 1992, 55ff.; Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht,
2004; Czeguhn, I., Das Reichserbhofgesetz (ungedruckt)
Erbhuldigung ist
(vor allem in den österreichischen Erbländern) der besondere Akt der →
Huldigung (der Landleute gegenüber dem Landesherrn), der in Niederösterreich
auf das Jahr 1282, in der Steiermark auf das Jahr 1186 und in Kärnten auf die
Herzogseinsetzung auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal zurückgeführt wird.
Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in
Kärnten, 1899; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Brademann,
J., Autonomie und Herrschaft, 2006
Erblande sind
grundsätzlich die (seit alters) ererbten Länder gegenüber neueren Ländern. Zu
den nach anderen älteren Zusammenfassung von 1336 oder 1364 seit dem 15. Jh.
so bezeichneten, sich im Lauf der Zeit wandelnden österreichischen Erblanden
oder Erbländern zählen zunächst die Stammlande Habsburgs in der Schweiz und in
Schwaben (1380 obere lande, 1480 vordere Lande, 16. Jh. Vorderösterreich), das
Herzogtum Österreich einschließlich vor allem der Steiermark, Kärntens (1335,
mit Krain) und Tirols (1363) sowie der Markgrafschaft Istrien und der
windischen Mark (1374), Triests (1382) der Grafschaft Görz und der Herrschaft
Gradiska (1500). Später kommen Burgund (selten) sowie Böhmen (und Ungarn
selten) hinzu. Schließlich werden unter dem Begriff der E. alle
österreichischen Gebiete einschließlich Böhmens von Ungarn, Galizien und den
italienischen Ländern geschieden. Um 1800 erstrecken sich die deutschen E. der
Habsburger auch auf Galizien, Bukowina, Dalmatien und Lombardo-Venetien. Der
eher privatrechtlichen Vorstellung der E. entspricht dann (1848) der
öffentlichrechtliche der Kronländer, innerhalb deren zwischen österreichischen
(mit Galizien) und ungarischen getrennt wird. In der zweiten Hälfte des 19.
Jh.s werden österreichische E. und Länder der ungarischen Krone
gegenübergestellt, allerdings stark abnehmend, da die österreichischen E.
bald inoffiziell und ab 1915 auch offiziell als Österreich bezeichnet werden.
Lit.: Baltl/Kocher; Hellbling, E., Österreichische
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956, 65, 267, 275; Zöllner, E., der
Österreichbegriff, 1988; Brauneder, W., Die Habsburgermonarchie als
zusammengesetzter Staat, (in) Zusammengesetzte Staatlichkeit, hg. v. Becker,
H., 2006, 197ff.
Erblasser ist der
Mensch, der bei seinem Tode ein Erbe (hinter)lässt.
Lit.: Immel, G., Die höchstpersönliche Willensentscheidung
des Erblassers, 1965; Tschäppeler, H., Die Testierfreiheit, 1983
Erbleihe ist im
mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die erbliche, vielfach
veräußerbare, meist entgeltliche → Leihe von Grundstücken. Sie
entspricht in vielen Zügen der spätrömischen Emphyteuse (Erbpacht) und der
Bittleihe (Prekarie). Sie entwickelt sich sowohl in der mittelalterlichen Stadt
wie in der ländlichen Grundherrschaft. In der Stadt wird aus dem erblichen Zins
allmählich eine privatrechtliche → Reallast an Eigentum. Auf dem Land
treten zu dem privatrechtlichen Verhältnis die öffentlichrechtlichen Elemente
der Herrschaft des Grundherrn über den Hintersassen hinzu. Die E. endet hier
mit der Beseitigung der → Grundherrschaft in der Mitte des 19. Jh.s,
weshalb sie im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nicht mehr enthalten
ist.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers,
J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130;
Schwind, E. v., Zur Entstehungsgeschichte der freien Erbleihen, 1891, Neudruck
1973; Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe, ZRG GA 22 (1901), 181;
Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe
Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in
Österreich, 1906; Schreiber, O., Die Geschichte der Erbleihe in der Stadt
Straßburg im Elsass, 1909; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den
westfälischen Städten bis 1500, 1925; Beer, K., Beiträge zur Geschichte der
Erbleihe in elsässischen Städten, 1933; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln, 1939
Erbmonarchie ist
die durch das Erbrecht einer Dynastie auf die (staatliche) Herrschaft
gekennzeichnete Monarchie. Das Heilige römische Reich (deutscher Nation)
schwankt zwischen Erbrecht und Wahl, wobei der Versuch eines Erbreichsplans
Heinrichs VI. im deutschen Reich 1196 scheitert. Tatsächlich kommen aber die
Könige und Kaiser des Reiches seit 1438 fast durchweg aus der Familie der
Habsburger bzw. dem Hause → Habsburg. In den Ländern setzt sich
demgegenüber das Prinzip der Erblichkeit der Herrschaft durch, bis es 1918
beseitigt wird.
Lit.: Köbler, DRG 95; Perels, E., Der Erbreichsplan
Heinrichs VI., 1927; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan,
2004
Erbpacht (z. B. § 1122 ABGB, vgl.
§ 1123 ABGB Erbzinsrecht, ab 1848 leerlaufend) → emphyteusis
Lit.:
Brunner, H., Die Erbpacht der Formelsammlungen, ZRG GA 5 (1884), 69
Erbrecht ist
objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die das → Erbe betreffen,
subjektiv die im Erbfall entstehende Berechtigung des Erben am Nachlass. Es ist
von den erkennbaren Anfängen des Rechts an ein wichtiger Bestandteil (des
Privatrechts). Kennzeichnend ist zunächst die vorgegebene (gesetzliche) →
Erbfolge (der Verwandten nach verwandtschaftlicher Nähe zum Erblasser unter
teilweiser Bevorzugung von Männern), die schon im altrömischen Recht und danach
erneut im hochmittelalterlichen Recht um die Möglichkeit ergänzt wird, die
gesetzliche Erbfolge gewillkürt abzuändern (gewillkürte Erbfolge, →
Erbvertrag, → Testament). Seit dem Ende des 19. Jh.s wird das E.
zunehmend durch die → Erbschaftsteuer (Deutsches Reich 1906/1911) beeinflusst.
Lit.: Kaser §§ 65ff.; Söllner §§ 8, 12, 18; Hübner 734;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 162, 206, 210; Baltl/Kocher;
Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Zachariä von Lingenthal, K.,
Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955, 133;
Brunner, H., Der Totenteil in germanischen Rechten, ZRG GA 19 (1898), 107;
Brunner, H., Kritische Bemerkungen zur Geschichte des germanischen
Weibererbrechts, ZRG GA 21 (1900), 1; Dultzig, E. v., Das deutsche Grunderbrecht,
1899; Escher, A., Der Einfluss des Geschlechtsunterschiedes, 1899; Schultze,
A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG
GA 35 (1914), 75; Ferrari, G., Ricerche sul diritto ereditario, 1914; Fischel,
A. v., Erbrecht und Heimfall auf den Grundherrschaften Böhmens und Mährens,
Archiv für österreichische Geschichte 106 (1915); Schultze, A., Augustin und
der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928; Meyer, H., „Ligurisches
Erbrecht“, ZRG GA 50 (1930), 354; Hegglin, G., Das gesetzliche Erbrecht der
Rechtsquellen Unterwaldens, Diss. jur. Bern 1930; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 516;
Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956; Wesener, G., Geschichte
des Erbrechtes in Österreich, 1957; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung
der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959;
Besta, E., Le successioni, 2. A. 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval
England, 1963; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und
Erbrechts, 1964; Arnold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965;
Bart, J., Recherche sur l’histoire des successions, 1966; Ebel, W., Über die
Formel „für mich und meine Erben“ in mittelalterlichen Schuldurkunden, ZRG GA
84 (1967), 236ff.; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen
Landrecht von 1555, 1968; Fedynskyj, J., Rechtstatsachen auf dem Gebiete des
Erbrechts im Gerichtsbezirk Innsbruck 1937 bis 1941, 1968; Vismara, G.,
Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Hafström, G., Den
svenska familjerättens historia, 1970; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen
des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977;
Schröder, R., Abschaffung oder Reform des Erbrechts, 1981; Müller-Eiselt, K.,
Divus Pius constituit, Diss. jur. Freiburg 1982; Kroeschell, K., Söhne und
Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87;
Hattenhauer, H., Zur Dogmengeschichte des Erbrechts, Jura 1983, 9, 68; Klippel,
D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Udina Abelló, A., La
successió testado, 1984; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission
zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert,
W., Erbrecht, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zur
Geschichte des Familien- und Erbrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Waibel, T.,
Erbrecht und Familie, 1988; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8. und 9.
Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236;
Baker, H., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Das
Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W.,
1993; Andres, I., Der Erbrechtsentwurf von Friedrich Mommsen, 1996; Wacker, G.,
Der Erbrechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht, 1997; Bühler, T., Die
Methoden der Rezeption des römisch-gemeinen Rechts in die Erbrechte der
Schweiz, ZRG GA 120 (2003); Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern, 2001;
Heusen, F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002; Beckert, J.,
Unverdientes Vermögen, 2004; Seif, U., Römisch-kanonisches Erbrecht in
mittelalterlichen deutschen Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88
Erbschaft ist das
aus Rechten und Pflichten bestehende Vermögen des Erblassers, das bei seinem
Tod als Ganzes auf eine(n) oder mehrere Menschen bzw. Personen übergeht.
Lateinisch heißt die E. → hereditas (F.). Die Zugehörigkeit der
Grundstücke, Rechte und Verpflichtungen zur E. entwickelt sich erst allmählich.
Lit.: Kaser §§ 65 I, 66 IV; Heuser, F., Der
Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002
Erbschaftsanfall ist
der Übergang der Rechte und Pflichten des Erblassers (Erbschaft) auf den Erben
(im Wege der Gesamtrechtsnachfolge). Er erfolgt z. B. bei den mit dem Tod des
Hausvaters gewaltfrei werdenden römischen Hauserben (lat. sui heredes als
necessarii heredes) grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers, wobei eine Enthaltungsmöglichkeit
([lat.] beneficium abstinendi) besteht. Dagegen müssen im römischen Recht die
Außenerben (Agnaten, Gentilen) einen besonderen Erwerbsakt (Erbschaftsantritt,
lat. [F.] aditio hereditatis) vornehmen, so dass zwischen dem Tod des
Erblassers und dem Erbschaftsantritt eine sog. ruhende Erbschaft (lat.
hereditas [F.] iacens) vorliegt. Dieses Ruhen der Erbschaft wird in der Neuzeit
in einigen Rechten (für alle Erben) übernommen. Daneben ist verschiedentlich
eine Einweisung in die Erbschaft durch das zuständige Gericht erforderlich (§
797 ABGB Österreichs [1811], vorher Erbantrittserklärung). Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900) und im schweizerischen Zivilgesetzbuch
(1907/1911) wird die Erbschaft unmittelbar erworben.
Lit.: Kaser § 71 II; Hübner 734; Köbler, DRG 210; Huber,
E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4 1893, 541;
Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Fischer, H.,
Vonselbsterwerb und Antrittserwerb, 1996; Bielefeld, C., Die Entwicklung des
Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht, 1997; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb
im Spätmittelalter, 2002
Erbschaftsanspruch ist
bereits im klassischen römischen Recht der eine (lat. actio in rem bildende)
Klaganspruch des Erben (nach zivilem Recht) gegen den, der einen
Vermögensvorteil aus der Erbschaft erlangt hat, auf Herausgabe (lat.
hereditatis petitio [F.]), wobei ein gutgläubiger Besitzer nach dem →
Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) nur herauszugeben hat, worum er
bereichert ist. Der Erbe nach prätorischem Recht (lat. bonorum possessor [M.] )
kann die Herausgabe auf Grund eines (lat.) interdictum (N.) quorum bonorum
verlangen. Der E. wird in der frühen Neuzeit weitgehend übernommen
(Erbschaftsklage).
Lit.: Köbler, DRG 37; Müller-Ehlen, M.,
Hereditatis petitio, 1998
Erbschaftsschuld ist
die von einem Erblasser oder aus dem Erbfallsvorgang herrührende Schuld. Für
sie haftet der Erbe nach römischem Recht mit der von Justinian gewährten
Rechtswohltat des → Inventars. Im Hochmittelalter haftet noch im Sachsenspiegel
nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub,
Diebstahl oder Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden
und mit dem ganzen Nachlass einzustehen, doch wird die Rechtswohltat des
Inventars aufgenommen. → Erbenhaftung
Lit.: Kaser § 74; Hübner; Köbler, DRG 59, 123
Erbschaftsteuer ist
die den Übergang eines Vermögens durch → Erbfolge erfassende →
Steuer. Ihr gehen bereits im Mittelalter Sterbefallsabgaben etwa an den
Grundherrn (→ Besthaupt, Buteil) voraus. Im Deutschen Reich wird (3. 6.)
1906/1911 eine E. eingeführt. Ihre Höhe wird gestaffelt und führt bei sehr
großen Vermögen zu sehr beachtlichen Steuern. Sie werden im Laufe der Zeit (z.
B. 1997 bis 30%, 2008) noch erhöht.
Lit.: Köbler, DRG 210; Hübner, H., Erbschaftsteuerreform
2009, 2009
Erbschein ist das
amtliche, vom Nachlassgericht auf Antrag auszustellende Zeugnis des Erben über
sein Erbrecht und bei mehreren Erben auch über die Größe des jeweiligen
Erbteils. Ein entsprechendes Zeugnis kennen bereits neuzeitliche
Partikularrechte, die es allerdings auf den Fall der gesetzlichen →
Erbfolge beschränken. Aus den Erbbescheinigungen in Mecklenburg und
Neuvorpommern sowie seit 1869 das ganze Preußen entwickelt sich der E. des
Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 211; Siegel, H., Das deutsche
Erbrecht, 1853; Hirsch, M., Von der Erbbescheinigung des preußischen Rechts zum
Erbschein des BGB, 2004
Erbschulze ist der
erbliche Leiter (Schulze) der bäuerlichen Gemeinde (und Beauftragter der
Herrschaft) der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung vom 12. bis zum 19.
Jh. Der E. hat meist einen besonderen Erbschulzenhof und oft auch weitere
Vorrechte.
Lit.: Riedel, L., Über die Dorfschulzen, 1834;
Schwineköper, B., Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen, (in)
Vorträge und Forschungen 8, 1964, Bd. 2 115
Erbteilung ist die Aufteilung des Erbes unter Erben. Für sie
kennt im Streitfall bereits das römische Recht Klagansprüche ([lat.] actio
familiae erciscundae).
Lit.: Voltelini, H. v.,
Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478
Erbtochter ist die Tochter (evtl. auch eine weitere weibliche Verwandte) des letzten Mannes einer (adligen) Familie. Über sie werden vielfach bedeutende Güter vererbt (z. B. Maria Theresia in Österreich).
Lit.: Hübner; Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, A.,
Prinzipien der Thronfolge in Europa, (in) Vorträge und Forschungen, 1986
Erbunfähigkeit ist die Unfähigkeit, Erbe zu werden (z. B. im
römischen Recht Personenverbände, später Ordensangehörige mit Armutsgelübde).
Erbuntertänigkeit ist im neuzeitlichen deutschen Recht (in Preußen) die in Abschwächung der Leibeigenschaft entstehende grundherrschaftliche Abhängigkeit (Unfreiheit).
Lit.: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Erbunwürdigkeit ist
die im spätrömischen Recht aus Einzelfällen (z. T. Tötung des Erblassers,
Verhinderung, Unterdrückung oder Fälschung des Testaments) entwickelte Unwürdigkeit,
Erbe zu sein. Dem Erbunwürdigen wird das ererbte Gut vom Staat (lat. [N.]
aerarium, später [M.] fiscus) entzogen. Die E. wird im neuzeitlichen Recht
übernommen.
Lit.: Kaser § 71 V; Hempel, I., Erbunwürdigkeit, Diss. jur.
Köln 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Erbverbrüderung → Erbvertrag
Lit.: Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867
Erbvertrag ist der
Vertrag zwischen mindestens zwei Menschen, in dem mindestens einer der
Vertragsschließenden (Erblasser) vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen (z.
B. Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflage) trifft. Der E. ist im römischen Recht
(als sittenwidrig) unzulässig (D. 45, 1, 61), den griechischen Rechten dagegen
geläufig und deswegen in der oströmischen Rechtswirklichkeit im Gegensatz zum
gesetzlichen Verbot verbreitet. Das Frühmittelalter kennt mit der fränkischen →
Affatomie und dem langobardischen Speergedinge die Möglichkeit, den Nachlass
einem nicht verwandten Menschen durch Rechtsgeschäft zukommen zu lassen. Etwas
später gewinnt die Gabe nach dem Tod (lat. donatio [F.] post obitum) an
Bedeutung, für die es streitig ist, ob sie schon E. ist. Hierher gehört dann
insbesondere die seit dem 14. Jh. vordringende Erbverbrüderung (adliger
Familien) zwecks Gestaltung der künftigen Güterzuordnung (z. B. 1373/1457
Braunschweig, Sachsen, Hessen, 1442 Brandenburg, Mecklenburg, 1537 Liegnitz).
In der frühen Neuzeit werden seit der Mitte des 17. Jh.s vom → usus
modernus pandectarum bestimmte Arten von erwerbenden Erbverträgen auf
deutschrechtlicher Grundlage bejaht. Eine allgemeine Anerkennung erfolgt im
Naturrechtszeitalter bei Leyser (1683-1752), Böhmer (1674-1749) und Heineccius
(1681-1741). Die Gesetzbücher seit dem 18. Jh. lassen den E. zu (Codex Maximilianeus
Bavaricus civilis 1756 III, 11, § 1, ALR Preußens 1794 I 12 §§ 617ff.), wobei
ihn das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) auf
Ehegatten und drei Viertel des Nachlasses beschränkt. Die strenge
wissenschaftliche Ausformung des Erbvertrags erfolgt durch Hasse 1828.
Lit.: Kaser § 65; Hübner 788; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 38, 123, 162, 211; Hasse, J., Ueber Erbvertrag, Rhein. Museum für
Jurisprudenz 2 (1828), Heft 2; Beseler, G., Die Lehre von den Erbverträgen, Bd.
1ff. 1835ff.; Hartmann, G., Zur Lehre von den Erbverträgen, 1860; Loening, R.,
Erbverbrüderungen, 1867; Kugelmann, G., Gemeinrechtliche Begründung des
partikulären Erbvertrages, 1875; Vismara, G., Storia dei patti successori, Bd.
1f. 1941; Vismara, G., I patti successori nella dottrina di Bartolo, (in)
Bartolo di Sassoferrato, Bd. 2 1962, 755; Battes, R., Gemeinschaftliches
Testament und Ehegattenerbrecht, 1974; Wesener, G., Zur Lehre vom Erbvertrag,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 607; Jaeckel,
G., Die Liegnitzer Erbverbrüderung von 1537, 1988; Kuttig, W., Der
brandenburgisch-schlesische Erbverbrüderungsvertrag, 1988; Weimar, P.,
Erbvertrag und gute Sitten, Misc. D. Maffei, Bd. 4 1995, 231; Christiansen, T.,
Die erbvertragliche Bindungswirkung in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts,
2004; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren
deutschen Privatrechtsgeschichte, 2005
Erbverzicht ist
der Verzicht auf das Erbe. Er ist im römischen Recht ausgeschlossen.
Erbzins (M.) erbliche Zinsverpflichtung,
vielfach aus Erbleihe, vom Mittelalter bis ins 19. Jh.
Lit.: Winiarz, A.,
Erbleihe und Rentenkauf in Österreich im Mittelalter, 1906; Dannhorn, W.,
Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003
Ercto non cito (lat.) ist die altrömische Erbengemeinschaft (lat. [N.] consortium).
Lit.: Kaser §§ 66 I 2
Erfindung ist die
erstmalige Herstellung eines neuen Werkes. In Altertum und Mittelalter erfährt
die E. keinen rechtlichen Schutz. Erst mit der E. des Buchdrucks mit
beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg (Mainz um 1450) entwickelt sich
allgemeiner der Schutz der E. (z. B. durch Privilegien gegen den unerlaubten
Nachdruck von Büchern). Hieraus entstehen im 19. Jh. Urheberrecht, Patentrecht
und weitere Erfinderrechte.
Lit.: Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen
Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Zycha, A., Zur älteren Geschichte und
vergleichsweisen Bedeutung des niederländischen Erfindungsschutzes, ZRG GA 62
(1942), 294; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, 2000; Vogel, F.,
Urheber- und Erfinderrechte im Rechtsverkehr, 2004; Schmidt, A.,
Erfinderprinzip und Erfinderpersönlichkeitsrecht im deutschen Patentrecht, 2009
Erfolgshaftung ist die
beim bloßen Verursachen eines Erfolgs ohne Rücksicht auf die Vorwerfbarkeit
eines Verhaltens eintretende Haftung (wie sie in dem spätmittelalterlichen
Rechtssprichwort → „Die Tat tötet den Mann“ zum Ausdruck gebracht wird).
Im weiteren Sinn wird darunter auch die Strafbarkeit wegen eines bloßen
verursachten Erfolges verstanden. E. in diesem Sinn ist für die Frühzeit in
weitem Umfang wahrscheinlich, weil (wie bei der Rache) ein Anknüpfen am verursachten
sichtbaren Erfolg geringere Schwierigkeiten bereitet als die Prüfung eines
inneren unsichtbaren Gedankenvorgangs und die Erfahrung zudem zeigt, dass
bestimmte äußere Ergebnisse typischerweise bestimmten inneren Zielsetzungen
entsprechen. Abweichend hiervon unterscheidet bereits das altrömische Recht (→
Zwölftafelgesetz [451/0 v. Chr.] 8, 24a) zwischen gewolltem Erfolg und nicht
gewolltem Erfolg. Hieraus entwickelt sich die grundsätzliche Beschränkung auf
die Haftung für ein verschuldetes Verhalten. Allerdings ist auch eine Haftung
für das Verschulden eines Gehilfen (bei Werkvertrag) oder aus deliktischem
Verhalten eines Gewaltunterworfenen (→ Noxalhaftung) anerkannt. Dieser
Entwicklung entspricht es, dass das germanische Recht wohl zwar am äußeren
Erfolg anknüpft, darin aber typisierend zugleich den schädigenden Willen
erfassen will. Das frühmittelalterliche Recht unterscheidet zwischen
vorsätzlicher Tat und sog. Ungefährwerk. Demgegenüber bedrohen
hochmittelalterliche Strafrechtsquellen des öfteren Fälle von Ungefährwerk
(ungewollte Tötung und Körperverletzung) mit peinlichen Strafen. Demnach
entwickelt sich ein ausgeprägtes Schuldstrafrecht erst in der Neuzeit. Im
Privatrecht setzt sich das Verschuldensprinzip unter dem Einfluss des
Liberalismus im 19. Jh. (→ Ihering) durch. Gleichzeitig gewinnt aber
gerade in und seit dieser Zeit die → Gefährdungshaftung (Eisenbahn usw.)
an Bedeutung.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 71, 128; Brunner, H.,
Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 487;
Kaufmann, E., Die Erfolgshaftung, 1958; Mikat, P., Erfolgshaftung und
Schuldgedanke im Strafrecht der Angelsachsen, FS H. Weber, 1963, 9; Ogorek, R.,
Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Bader, K., Zum
Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995) 1ff.;
Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380ff; Stübinger, S.,
Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schumann, E., Unrechtsausgleich im
Frühmittelalter, Habilitationsschrift 2003; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische
Strafe, 2006; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld, 2005; Der Strafgedanke,
2007
Erfüllung ist das
Bewirken der geschuldeten Leistung durch den Schuldner. Die E. ist im römischen
Recht als (lat. [F.]) → solutio bekannt. Mit der E. wird der Schuldner
von seiner Verpflichtung frei.
Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 215; Mitteis, H./Lieberich,
H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 46; Heymann, E., Das Verschulden
beim Erfüllungsverzug, 1913; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Harder, M.,
Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Seong, S., Der Begriff der nicht
gehörigen Erfüllung, 2004
Erfüllungsgehilfe ist
die Person, die mit Wissen und Wollen des Schuldners tatsächlich in dessen
Pflichtenkreis tätig wird. Der E. wird als solcher besonders im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfasst. Nach § 278 BGB haftet der Schuldner für
Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter ohne eigenes
Verschulden.
Lit.: Köbler, DRG 214
Erfurt an der Gera
(742 Erphesfurt), das im 8. Jh. durch Bonifatius kurzzeitig Bischofssitz ist
und zu unbekannter Zeit (E. 10. Jh.) vom König an den Erzbischof von Mainz
gelangt, ist von (1378/1389/)1392 bis 1816 Sitz einer Universität. 1802/1814
fällt es an Preußen. 1850 berät in E. ein Deutsches Parlament erfolglos über
einen Bundesstaat „Deutsches Reich“. Eine von Preußen mit Sachsen und Hannover
gegen Österreich gerichtetete Erfurter Union scheitert am Widerstand
Österreichs und einiger Mittelstaaten (Olmützer Punktation). 1991 wird E.
Hauptstadt Thüringens. 1994 wird die Universität wiederbegründet. →
Johannes von E.
Lit.: Reuleaux, C., Das Erfurter Parlament, Diss. jur.
Mainz 1953; Schubert, W., Die für das Reichsgericht der Erfurter Union
bestimmten Organisations- und Verfahrensgesetze von 1849/50, ZRG GA 101 (1984),
169; Lorenz, S., Studium generale Erfordense, 1989; Erfurt 742-1992, hg. v.
Weiß, U., 1992; Märker, A., Geschichte der Universität Erfurt, 1993; Moraw, P.,
Die ältere Universität Erfurt, (in) Erfurt. Geschichte und Gegenwart, hg. v.
Weiß, U., 1995, 189; Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850,
hg. v. Mai, G., 2000; Lengemann, J., Das Deutsche Parlament (Erfurter
Unionsparlament) von 1850, 2000; Große Denker Erfurts und der Erfurter
Universität, hg. v. Pfordten, D. v. d., 2002; Gramsch, R., Erfurter Juristen im
Spätmittelalter, 2003; Wolf, S., Erfurt im 13. Jahrhundert, 2005; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 169
Erholung ist im
mittelalterlichen deutschen Recht die Rücknahme einer von einem →
Fürsprecher durchgeführten fehlerhaften Rechtshandlung durch die Partei (→
Sachsenspiegel Landrecht I 60 § 1). Sie ist vielleicht vor 1200 gegen die
Formenstrenge des Verfahrensrechts und zur inhaltlichen Verbesserung
nachteiliger Äußerungen entwickelt und verschwindet im Spätmittelalter.
Lit.: Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, 1863;
Oestmann, P., Erholung am Ingelheimer Oberhof, (in) Symbolische Kommunikation
vor Gericht, 2006, 29ff.
Erkenntnisverfahren ist
das mit einer Entscheidung über einen Rechtsstreit endende Verfahren. Ihm kann
ein Vorverfahren vorangehen und ein Vollstreckungsverfahren folgen. Es bildet
seit den Anfängen des Verfahrensrechts dessen Kern.
Lit.: Köbler, DRG 19, 202
Erlangen (1002 ersterwähnt, 1398
Stadtrecht) an der Regnitz wird am 4. 11. 1743 (in der Markgrafschaft
Bayreuth) Sitz einer der Aufklärung verpflichteten Universität (1792 Preußen,
1810 Bayern), die 1961 mit einer Wirtschaftshochschule in Nürnberg (1919)
verschmolzen wird.
Lit.: Kolde, T., Die Universität Erlangen, 1910;
Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger
Juristenfakultät, 1951, 2. A. 1962; Köbler, G., Erlanger juristische
Vorlesungen, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Beyer, A., Die Verfassungsentwicklung
der Universität Erlangen, 1992; Wendehorst, A., Geschichte der Universität
Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Wittern, R., Die Professoren und Dozenten,
Bd. 1f. 1993ff.; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001;
Schieber, M., Erlangen, 2002; Wachter, C./Hoffmann-Randall, C., Die
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2004
Erlass ist im
Verwaltungsrecht eine innerdienstliche allgemeine Anweisung und im Schuldrecht
ein Schuldaufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner. Der
privatrechtliche E. ist bereits dem klassischen römischen Recht geläufig (lat. → solutio [F.] per
aes et libram nummo uno, acceptilatio, ähnlich pactum de non petendo). Über die Aufnahme des römischen Rechtes findet er in das
moderne Privatrecht Eingang.
Lit.: Kaser §§ 52, 52; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Erlaubnis ist im
Verwaltungsrecht die Erklärung einer Behörde, dass sie ein bestimmtes Verhalten
zulässt. Sie entsteht im Sinne von Regel und Ausnahme mit der Entwicklung
obrigkeitlicher Verbote.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Becker, K., Die behördliche
Erlaubnis, Diss. jur. Marburg 1970
Erler, Adalbert (Kiel 1. 1. 1904-Frankfurt am
Main 19. 4. 1992), Admiralssohn, wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft
in Heidelberg und Berlin (Hans Fehr, Ulrich Stutz, Promotion Greifswald 1929)
während einer Tätigkeit als Finanzbeamter in Frankfurt am Main (Rudolf Ruth)
1939 habilitiert. Über Straßburg (1941) und Mainz (1946) wird er 1950 nach
Frankfurt am Main berufen. Dort ediert er die Urteile des Ingelheimer Oberhofes
und begründet auf Anregung Wolfgang Stammlers das Handwörterbuch zur deutschen
Rechtsgeschichte.
Lit.: Rechtsgeschichte
als Kulturgeschichte, hg. v. Becker, H. u. a., 19776, Recht, Gericht, Genossenschaft
und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Dilcher, G., Nachruf, ZRG GA 110
(1993), 680ff.; In memoriam Adalbert Erler, hg. v. Hennle, K. u. a, 1994
Ermächtigungsgesetz ist das Gesetz, das ein Verfassungsorgan zu einem bislang nicht zulässigen Verhalten ermächtigt. Beispielsweise erlaubt es das deutsche E. vom 4. 8. 1914 dem Bundesrat des Deutschen Reiches, (rund 1000) Notverordnungen zu erlassen. Zwischen 1919 und 1923 werden wegen der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage 7 Ermächtigungsgesetze (1919-1921 viermal Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung übertragen) verabschiedet. Zwischen 1923 und 1932 wird stattdessen das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten verwendet. Am 23. 3. 1933 bzw. 24. 3. 1933 wird das (mit notwendiger Zweidrittelmehrheit beschlossene) Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich erlassen bzw. verkündet, durch das der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung überträgt und diese damit zur Gesetzgebung ermächtigt. 1937, 1939 und 1943 (durch Erlass des Führers) wird die Geltungsdauer verlängert. Die auf seiner Grundlage erlassenen Gesetze sind wirksam. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 wird dieses E. aufgehoben. In Österreich erlässt der Kaiser 1914 gemäß § 14 des Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung eine Notverordnung, die zu notwendigen Verfügungen auf wirtschaftlichem Gebiet und zur Versorgung der Bevölkerung ermächtigt und 1917 durch Beschluss der Reichsregierung zum kriegswirtschftlichen Emächtigungsgesetz wird. Nach Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs durch Regierungsverordnung vom 23. Mai 1933 wird am 30. 4. 1934 das bis 1938 geltende Bundesverfassungsgesetz über außerordentliche Maßnahmen im Bereich der Verfassung die Bundesregierung zur Gesetzgebung und zur Wiederverlautbarung der Maiverfassung 1934 beschlossen, das Nationalrat und Bundesrat auflöst und das Erfordernis einer Volksabstimmung bei einer Gesamtänderung des Bundesverfassungsgesetzes aufhebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
170, 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933;
Schneider, H., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933, 1955, 2. A. 1961,
Neudruck 1968; Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R.,
1968; Huemer, P., Sektionschef Robert Hecht, 1975; Frehse, M.,
Ermächtigungsgesetzgebung im Deutschen Reich, 1985; Biesemann, J., Das
Ermächtigungsgesetz, 1985, 2. A. 1988; Eilers, S., Ermächtigungsgesetz und
militärischer Ausnahmezustand, Diss. jur. Köln 1988; Morsey, R., Das
Ermächtigungsgesetz, 1992; Schnur, R., Die Ermächtigungsgesetze von Berlin 1933
und Vichy 1940, 1993; Mommsen, H., Entstehung und Bedeutung des
Ermächtigungsgesetzes, 2003; Das Ermächtigungsgesetz, eingel. v. Laufs, A.,
2003; Bickenbach, C., Vor 75 Jahren - Die entmächtigung, JuS 2008, 199
Ermessen ist der an
der Vernünftigkeit des Ergebnisses ausgerichtete Maßstab für ein
Verwaltungshandeln. Die dabei bestehende Entscheidungsfreiheit wird im Laufe
des (19. und) 20. Jh.s zunehmend verrechtlicht.
Lit.: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K.
u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Held-Daab, U., Das freie Ermessen, 1996
Ermittlungsverfahren ist
das Verfahren zur Ermittlung eines Täters einer Straftat. Es entwickelt sich
seit dem Hochmittelalter. Seit dem 19. Jh. wird es verrechtlicht.
Lit.: Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen
Großstädten 1850-1914, 1996; Weinke, A., Eine Gesellschaft ermittelt gegen sich
selbst, 2. A. 2009
Ermland
Lit.: Perk, H., Verfassungs- und Rechtsgeschichte des
Fürstbistums Ermland, 1931; Thimm, W., Die Ordnungen der ermländischen
Kapitelsburgen, Zs. f. d. Gesch. und Altertumsunde Ermlands 33 (1969), 53
Ernestiner → Wettiner
Erpressung ist die
Beschädigung des Vermögens eines anderen durch Nötigung dieser oder einer
anderen Person in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern. Dem
entspricht im klassischen römischen Recht die (lat. [F.]) → concussio. In
der Neuzeit erscheint die E. im 18. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 35; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Error (lat. [M.])
ist im römischen Recht der Irrtum. Er wird zunächst bei den
Konsensualkontrakten (z. B. Kauf) dann berücksichtigt, wenn er einen Konsens
verhindert. Dies kann sich auf den Gegenstand (lat. [N.] corpus), den Preis,
den Geschäftstyp oder (str.) eine wesentliche Eigenschaft (lat. [F.]
substantia) beziehen, nicht dagegen auf die bloße Bezeichnung (lat. [N.]
nomen).
Lit.: Kaser § 8 II; Köbler, DRG 43; Error iudicis.
Juristische Wahrheit und justizieller Irrtum, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998
Errungenschaftsgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft zweier Ehegatten an den während
der Ehe erworbenen Gütern (Gesamtgut im Gegensatz zum Sondergut jedes
Ehegatten). Die E. erscheint im Frühmittelalter bei Franken und westfälischen
Sachsen. Danach verbreitet sie sich besonders in Süddeutschland und bildet um
1900 für rund 10 Millionen Deutsche den Regelgüterstand. Beim Tod eines
Ehegatten erwirbt der überlebende Ehegatte in beerbter Ehe das Sondergut des
Verstorbenen, während bei unbeerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen an die
Herkunftsseite zurückfällt und das Gesamtgut zwischen dem überlebenden
Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten meist hälftig geteilt wird.
Die noch im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) beibehaltene E. wird 1957
beseitigt. In Frankreich gilt die E. in Form der Fahrnisgemeinschaft.
Lit.: Hübner 667; Köbler, DRG 88, 210; Schröder, R.,
Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1f. 1863ff.; Hradil,
P., Über eheliche Errungenschaftsgemeinschaft, ZRG GA 36 (1915), 459
Ersatzerbe ist der
vom Erblasser für den Fall des Wegfalls des Erben vor oder nach Eintritt des
Erbfalls eingesetzte Erbe. Die Einsetzung eines Ersatzerben (lat. [F.]
substitutio) im Testament ist bereits im klassischen römischen Recht möglich
und wird von dort mit der Aufnahme des römischen Rechts übernommen.
Lit.: Kaser § 68 II, V; Söllner § 11; Köbler, DRG 38;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985ff.
Ersitzung ist der
Erwerb des Eigentums durch Zeitablauf. Bereits im altrömischen Recht kann der
Gewaltinhaber über eine Sache seine Berechtigung auf Gebrauchnahme (lat. [F.]
usucapio) stützen, womit die Berufung auf einen Vormann (im Recht an der Sache)
überflüssig wird. Damit ist jeder, der ein Grundstück 2 Jahre oder eine andere
Sache 1 Jahr unangefochten gebraucht hat, gegen jedermann geschützt, sofern es
sich nicht um eine gestohlene, geraubte oder von Unmündigen und Frauen ohne
Mitwirkung des Vormunds veräußerte handgreifbare Sache handelt. Später muss der
Eigenbesitz, der ein fremdes Besitzrecht ausschließen will, einen rechtsgültigen Erwerbsgrund haben und
der Eigenbesitzer im Augenblick der Besitzerlangung gutgläubig sein (vgl. D.
41, 3, 1). Mit Ablauf der Ersitzungsfrist erwirbt der Ersitzungsbesitzer
ziviles Eigentum. Im deutschen Recht hat die → Verschweigung (in einer
Frist von Jahr und Tag) eine vergleichbare Wirkung. Mit der Aufnahme des
römischen Rechts wird die E. in der Form übernommen, wie sie sie unter
Justinian durch Verbindung von (lat. [F.]) usucapio mit (lat.) longi temporis
praescriptio (F.) gefunden hat. Danach muss eine ersitzbare bewegliche Sache 3
Jahre (usucapio), ein ersitzbares Grundstück bei Anwesenheit in der gleichen
Provinz 10 bzw. bei Abwesenheit 20 Jahre (longi temporis praescriptio)
gutgläubig auf Grund eines rechtsgültigen Erwerbsgrundes oder wenigstens 30
Jahre (longissimi temporis praescriptio) gutgläubig besessen worden sein. Nach
kanonischem Recht muss seit Papst Innozenz III. (X 2, 26, 20) guter Glaube noch
am Ende der Ersitzungsfrist vorliegen. Vielfach wird dabei die E. mit der
Verjährung in der (lat. [F.]) praescriptio zusammengefasst. Savigny trennt
beides wieder. Die E. verliert wegen der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs
und wegen der Einrichtung des Grundbuchs an tatsächlicher Bedeutung. Nach dem
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfordert die E. bei beweglichen
Sachen 10 Jahre gutgläubigen Eigenbesitz (§ 937 BGB, Österreich 1452 ABGB, 3
bzw. 30 Jahre), bei Grundstücken 30 Jahre Besitz und Eintragung im Grundbuch
(§ 900 BGB Tabularersitzung). Eine E. gegen das Grundbuch (Kontratabularersitzung)
ist ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 25; Söllner §§ 8, 9; Hübner 271, 468;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 25, 40, 61, 163; Immerwahr, W., Die
Verschweigung im deutschen Recht, 1895; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen
Recht, 1988
Erskine of Carnock, John
(1695-1768), nach dem Studium in den Niederlanden 1719 Anwalt am Obergericht
Schottlands und 1737 Professor für schottisches Recht in Edinburgh,
veröffentlicht 1754 mit den systematisierenden (engl.) Principles of the Law of
Scotland (Grundsätze des Rechts Schottlands) das bis in das 20. Jh. führende
Lehrbuch des schottischen Rechts.
Lit.: Walker,
D., The Scottish Legal System, 3. A. 1969, 171; Walker, D., The Scottish
Jurists, 1985, 202
Erstbittrecht (lat.
ius [N.] primariarum precum) ist das wohl nach dem Investiturstreit
entstandene, 1191 erstmals belegte, seit 1437 allmählich an die Zustimmung des
Papstes gebundene Recht des deutschen Königs (und dann auch der Landesherren)
auf einen verbindlichen Besetzungsvorschlag für die erste nach seiner Krönung
bzw. ihrem Herrschaftsantritt freigewordene Pfründe jedes Stiftes oder
Klosters. Das E. ist zum Panisbrief zu trennen.
Lit.: Bauer, H., Das Recht der ersten Bitte, 1919; Feine,
H., Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers, ZRG KA 51 (1931), 1;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 387
Erstgeburt → Primogenitur
Ertränken ist die
im gewaltsamen Untertauchen im Wasser bis zum Eintritt des Todes bestehende,
vom Altertum bis in das 18. Jh. bekannte Form der Todesstrafe (ertränkt werden
einerseits vor allem Frauen, andererseits die Täter von Diebstahl, Unterschlagung,
Notzucht, Doppelehe, Gotteslästerung usw.). Abgelehnt wird das E. von der
Constitutio Criminalis Theresiana (Österreich 1768).
Lit.: Baltl/Kocher 127; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922
Erwählter römischer Kaiser (lat. electus Romanorum imperator [M.]) ist seit dem 4./8.
2. 1508 (dem Scheitern der angestrebten Krönung Maximilians I. folgend) der die
Unabhängigkeit von der Krönung durch den Papst ausdrückende Titel des →
Kaisers des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Rabe, H., Reich und Glaubensspaltung, 1989; Willoweit,
D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 III 1
Erzamt (14. Jh., lat. [N.]
archiofficium) ist die aus dem frühmittelalterlichen Hofamt der
Stammesherzöge im Laufe des Mittelalters (Erzkanzler 10. Jh.) entwickelte, 1356
den sieben Kurfürsten für die Kurländer zugeteilte und später zahlenmäßig noch
erweiterte oberste Reichswürde (Erzkanzler für das Reich [Mainz], Italien
[Köln], Burgund [Trier], Erztruchsess [Pfalzgraf bei Rhein, dann Bayern, dann
Hannover], Erzmarschall [Sachsen], Erzkämmerer [Brandenburg], Erz[mund]schenk
[Böhmen]).
Lit.: Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911;
Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970;
Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A. 2000;
Erkens, F., Kurfürsten und Königswahl, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und
Reichstag im späteren Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Ertl, T., Alte
Thesen und neue Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZHF 30
(2003), 619ff.
Erzberger, Matthias (Buttenhausen/Württemberg
20. 9. 1875-bei Bad Griesbach/Schwarzwald 26. 8. 1921) wird 1903 für die
(katholische) Zentrumspartei als jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt
und unterzeichnet als Staatssekretär der Regierung Prinz Max von Baden am 11.
11. 1918 den Waffenstillstand zur Beendigung des ersten Weltkriegs für das
deutsche Reich. Als Reichsfinanzminister (20. 6. 1919) setzt er eine umfassende
Reichsfinanzreform durch, muss aber wegen nur teilweise entkräfteter
Bereicherungsvorwürfe am 12. 3. 1920 zurücktreten. Bei einem Spaziergang wird
er von Nationalisten erschossen.
Lit.: Epstein, K.,
Matthias Erzberger, 1962; Möller, A., Reichsfinanzminister Matthias Erzberger,
1971; Huber-Stentrup, E., Der Mord an Matthias Erzberger, JuS 1981, 246ff.; Haehling
von Lanzenauer, R., Der Mord an Matthias Erzberger, 2008
Erzbischof (lat. [M.] archiepiscopus) ist in der katholischen (seit dem 3. Jh. n. Chr.) (sowie in der anglikanischen, schwedischen und finnischen) Kirche der Titel des Leiters einer Kirchenprovinz (Erzbistum).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Erzherzog ist die
durch das gefälschte lat. → privilegium (N.) maius entwickelte, 1442 von Friedrich
III. bestätigte und 1453 von den Kurfürsten gebilligte Titulatur des Herzogs
von → Österreich (1804 Kaiser).
Lit.: Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957
Erzkanzler ist der
Inhaber der obersten, auf das Schreibwesen bezogenen Würde im Heiligen
römischen Reich (deutscher Nation). Dies ist seit dem 9./10. Jh. (für das
Reich) der Erzbischof von Mainz (, für Italien seit 1031 der Erzbischof von
Köln und für Burgund bzw. lat. [F.] Gallia seit 1308 der Erzbischof von Trier).
Lit.: Seeliger, G., Erzkanzler und Reichskanzler, 1889;
Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1;
Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997
Eschwege
Lit.: Eckhardt, A.,
Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Eckhardt, K.,
Eschwege, 1964; Heinemeyer, K., Der Königshof Eschwege in der Germar-Mark, 1970
Eselreiten ist die aus Ostrom über Italien in das Heilige römische Reich kommende, für die Neuzeit bezeugte, teils (für Frauen) auf einem lebenden Esel, teils (für Soldaten) auf einem hölzernen Gestell mit scharfer Oberkante ausgeführte → Ehrenstrafe.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 318; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, 1920; Künßberg, R., Rechtliche Volkskunde, 1936; Lentz, M.,
Konflikt, Ehre und Ordnung, 2004
Esmein, Adhémar
(Touvérac 1. 2. 1848-Paris 22. 7. 1913) wird nach dem Rechtsstudium in Paris
und Lehrtätigkeiten in Douai und Paris 1890 Professor für Rechtsgeschichte
Frankreichs (1892 Cours élémentaire d’histoire du droit français, daneben
weitere Grundrisse und Einzelarbeiten).
Lit.: Weiss, A., Notice sur la vie et
les travaux de Adhémar Esmein, (in) Séances et travaux de l’Académie des
sciences morales 87, 1917, 437
Essen
Lit.: Ribbeck, K.,
Geschichte der Stadt Essen, 1915; Vries, R. de, Die Landtage des Stiftes Essen,
1934; Stift Essen, die große Vogteirolle des Grafen Friedrich von
Isenberg-Altena um 1220, hg. v. Bentheim-Tecklenburg-Rheda, M. Graf zu, 1955; Brand,
J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der
Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971);
Gründerjahre, hg. v. Borsdorf, U. u. a., 2005
Esslingen
Lit.: Maier, K., Das
Strafrecht der Reichsstadt Esslingen, Diss. jur. Tübingen 1960; Kirchgässner,
B., Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstadt Esslingen im Spätmittelalter,
1964; Arold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Kittelberger G.,
Der Adelberger Freihof in Esslingen, 1970; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr
Prozess, 1992
Estland ist der am Ostrand der mittleren Ostsee südlich Finnlands gelegene nordosteuropäische Staat mit der Hauptstadt Reval bzw. Talinn. E. geht auf ein von den finno-ugrischen Esten besiedeltes Gebiet am Finnischen und Rigaischen Meerbusen zurück, das 1207/1227 vom Schwertbrüderorden und Dänemark erobert wird und bis 1346 an den → Deutschen Orden gelangt. 1315 entsteht unter dem Einfluss niederdeutscher Siedler das waldemar-erichsche Lehnrecht und das älteste livländische Ritterrecht. Das Recht der deutschen Herrschaftsschicht folgt dem Recht des Heiligen römischen Reichs, während die abhängigen Bauern nach ungeschriebenem Gewohnheitsrecht leben. 1561 (Norden)/1580 fällt das Gebiet an Schweden, das die Reformation einführt und in Dorpat eine Universität gründet. 1710/1721 kommt das Land (mit rund 430 Rittergütern etwa 160er landtagsfähiger Familien) an → Russland und wird dort im 19. Jh. verstärkt russifiziert. 1864 wird das liv-, est- und kurländische Privatrecht in einem von Friedrich Georg von → Bunge erarbeiteten, zu merh als der Hälfte römischrechtlich geprägten Gesetzbuch (Provinzialrecht des Ostseegouvernements Russlands, rund 4600 Bestimmungen) niedergelegt, das dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nahesteht und in E. bis 1945 gilt. Das Gerichtswesen wird 1889 modernisiert. Die am 24. 2. 1918 ausgerufene baltische Republik E. (Strafgesetzbuch 1929/1935, Entwurf eines Zivilgesetzbuchs 1936), in der 1939 die Deutschbalten ausgesiedelt werden, wird am 6. 8. 1940 der das sowjetische Recht in Kraft setzenden Sowjetunion eingegliedert (1941-1944 vom deutschen Reich besetzt), am 6. 9. 1991 aber von der Sowjetunion wieder als unabhängig anerkannt. Das sowjetische Recht wird unter Verwendung deutscher Vorbilder vor allem im Privatrecht und Strafrecht durch eigenes Recht ersetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v.,
Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schmidt,
O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Kraus, H.,
Grundriss der Geschichte des estnischen Volkes, 1935; Wedel, H. v., Die
estländische Ritterschaft, 1935; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076;
Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der
Mächte, Nordeuropäische Studien Bd. 11, 1997; Ludwig, K., Estland, 1999;
Deutsch-estnische Rechtsfragen, hg. v. Recker, N. v., 2003; Küpper, H.,
Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Modernisierung durch
Transfer im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hg.v. Giaro, T., 2006;
Modernisierung durch Transfer zwischen den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007;
Luts-Sootak, M., Der Fall Estland, ZRG GA 125 (2008), 276; Donnert, E.,
Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008
Estoppel (Verschweigung)
ist im englischen Verfahrensrecht die Unzulässigkeit der Rechtsausübung (aus
einem übergeordneten Grund). Die älteste Erscheinungsform der von frz. étouffer
(vertuschen, niederschlagen) abgeleiteten Einrichtung zeigt sich in den Leges
des englischen Königs Heinrich I. (um 1118), nach denen der Inhalt von
Eintragungen in die Urkundenrolle (ne. record) des Königsgerichts nicht
bestritten werden kann. Um die Mitte des 15. Jh.s ist dann anerkannt, dass
Urteile zuständiger Gerichte in ihren rechtserheblichen Feststellungen von den
Parteien und ihren Rechtsnachfolgern nicht angegriffen werden können (e. by
record). Daneben erscheint seit dem Ende des 13. Jh.s der Satz, dass eine
Erklärung, die in einer unter Handsiegel abgegebenen Urkunde (ne. deed)
enthalten ist, von dem nicht bestritten werden kann, dessen Handschrift und
Siegel die Urkunde trägt, sofern die Urkunde rechtlich wirksam ist (e. by
deed). Seit dem 15. Jh. ist die vielleicht hieraus abgeleitete Regel bezeugt,
dass eine Partei, die eine im Lande (mengl. pays) weithin bekannt gewordene
Rechtshandlung vorgenommen hat, eine ihr notwendig als Voraussetzung dienende Tatsache
(z. B. Mietvertrag für Mietzahlung) nicht bestreiten darf (e. by in pais,
daraus entwickelt e. by conduct, e. by representation). In der Folge wird das
Prinzip des e. erheblich verfeinert und wirkt über das englische Recht hinaus.
E. wird nicht vom Richter von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur auf
Vortrag der Partei.
Lit.: Riezler, E., Venire contra factum proprium, 1912, 55;
Holdsworth, W., History of English Law, 9 1926; Cohn, E., Die materielle
Rechtskraft im englischen Recht, FS H. Nipperdey 1965, Bd. 1, 875
Estor, Johann Georg
(Schweinsberg/Hessen 8. 6. 1699-Marburg 25. 10. 1773) wird nach dem Studium des
Rechts und der alten Sprachen in Gießen, Jena (1719) und Halle (Johann Peter
von Ludewig, Nikolaus Hieronymus Gundling) in Gießen 1726 außerordentlicher
und 1728 ordentlicher Professor und promoviert. 1734 wechselt er nach Jena,
1742 nach Marburg. Seine dreibändige bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen
(1757) enthält erstmals eine systematische Zusammenstellung des gesamten geltenden
einheimischen deutschen Rechts und beeinflusst wie auch das übrige Werk Estors
Schüler Johann Stephan Pütter.
Lit.: Sippel, C., J. G.
Estor, 1874; 650 Jahre Stadt Schweinsberg, 1982; Buschmann, A., J. G. Estors
System der bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen, (in) Wirkungen
europäischer Rechtskultur, 1997, 77ff.; Buschmann, A., Estor, Pütter, Hugo,
(in) Festgabe Elmar Wadle, 2004, 75ff.
états généraux (franz.) Generalstände (1468)
Ethik (F.) Sittenlehre
Lit.: Lexikon der Ethik, hg. v. Höffe, O., 5. A. 1997;
Hauskeller, M., Geschichte der Ethik, 1999
Ethnologie (F.)
Völkerkunde (völkerkundliche Berichte antiker Autoren seit Hekataios von Milet
500 v. Chr., wissenschaftliche Ethnologie 19. Jh. mit Suche evolutionärer
Gesetzmäßigkeiten, Feldforschung einfacher Stammesgesellschaften,
Ethnographie traditioneller Streitschlichtungsverfahren, Rechtspluralismus)
Lit.: Post, A., Bausteine für eine allgemeine
Rechtswissenschaft auf vergleichender ethnologischer Basis, Bd. 1f. 1880f., Neudruck 1995; Thurnwald, R., Werden, Wandel
und Gestaltung des Rechts, 1934; Pospisil, L., Anthropology of Law, 1971;
Moore, S., Law as process, 1978; Newman, K., Law and economic organization,
1983; Kohl, K., Ethnologie, 1993; Rouland, N., Legal anthropology, 1994; Fikentscher,
W., Modes of thought, 1995, 2. A. 2004; Streck, B., Vom Wissen der Ethnologie, 1997;
Panoff, M./Perrin, M., Taschenwörterbuch der Ethnologie, 3. A. 1999; Wörterbuch
der Ethnologie, hg. v. Streck, B., 2. A. 2000; Kaschuba, W., Einführung in die
europäische Ethnologie, 2. A. 2003; Gingrich, A./Schweitzer, P., Geschichte der
deutschsprachigen Ethnologie, 2004; Petermann, W., Die Geschichte der
Ethnologie, 2004
Etrusker ist der Angehörige eines vielleich vior den Römern und neben den Römern in Mittelitaline (Toskana) ansässigen, hochstehenden, aber nicht näher bekannten Volkes.
Lit.: Pfiffig, A., Einführung in die Etruskologie, 4. A.
1991; Torelli, M., Die Etrusker, 1988; Heurgon, J., Die Etrusker, 1993; Cristofani,
M., Die Etrusker, 1995; Aigner-Foresti, L., Die Integration der Etrusker, 1998;
Briquel, E., La civilisation étrusque 1999; Falchetti, F. u. a., Die Etrusker,
2001; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker und das frühe Rom, 2003; Entstehung von
Staat und Stadt bei den Etruskern, hg. v. Aigner-Foresti, L u. a., 2006
Etter ist der (aus
lebenden Gewächsen geflochtene) Zaun, der im Mittelalter die dörfliche
Wohnsiedlung oder die einzelne Hofstatt (tatsächlich bzw. rechtlich) vom Umland
trennt.
Lit.: Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 74; Lieberich, H., Etterrecht und
Ettergerichtsbarkeit in Bayern, Z. f. bay. LG. 21 (1958), 472ff.
Etymologie ([F.]
Wahrheitslehre) ist die seit dem 5. Jh. v. Chr. bei den Griechen erkennbare
Lehre vom Ursprung (gr. etymon, Stammwort) eines Wortes, die bei der Aufklärung
der Entwicklungsgeschichte der sprachlichen Einheiten hilfreich ist.
Lit.: Klinck, R., Die lateinische Etymologie des
Mittelalters, 1970; Seebold, E., Etymologie, 1981; Köbler, G., Etymologisches
Rechtswörterbuch, 1995
Eugenik (F.) Erbgesundheitslehre
Lit.: Roth,
A./Schlatmann, B., Eugenik im Recht, (in) Themen juristischer Zeitgeschichte
(1) Schwerpunktthema- Recht und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a.,
1998, 152; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000; Merkel, C.,
„Tod den Idioten“, 2006; Wie nationalsozialistisch ist die Eugenik? hg. v.
Wecker, R. u. a., 2008
Euratom (F.) Europäische
Atomgemeinschaft
Eurich (um 440?-484) ist der westgotische König (466) mit königlichem Vater (Theoderich I.), der große Gebiete erobert und dem der → Codex Euricianus (um 475) zugeschrieben wird. → Gote
Lit.: Köbler, DRG 80; Stroheker, K.,
Eurich, 1937; El Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960
Euro ist die seit 1. 1. 2002 in der
seinerzeitigen Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende
Währungseinheit.
Lit.:
Grosjean, R., Was passiert mit unserem Geld?, 2003
Europa ist (die von Zeus in der Gestalt eines Stieres entführte Frau der griechischen Mythologie und namensgleich) die tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens zwischen Atlantik und Ural (str., 10,5 Mill. qkm). In vielen Beziehungen entwickelt sich E. seit dem Altertum verhältnismäßig übereinstimmend. Insbesondere wird in zahlreichen Gebieten seit dem Mittelalter das römische Recht des Altertums wieder aufgegriffen (→ Rezeption). Auch Kirchenrecht, Aufklärung und Vernunftrecht wirken vereinheitlichend. 1923 begründet der Schriftsteller Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi (Tokio 17. 11. 1894-Schruns 25. 7. 1972) eine Paneuropa-Bewegung (1947 Europäische Parlamentarier Union, später Reorganisation der Paneuropa-Bewegung). Zu einer festeren Ausbildung einheitlichen Rechts kommt es jedoch erst seit den zur Vermeidung weiterer Kriege (vor allem zwischen Frankreich und Deutschland geschaffenen) Europäischen Gemeinschaften der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1951/1952/1957, Europäische Union 1993, Verfassung 2003/2004/2007/2008).
Lit.: Coudenhove-Kalergi, R. Graf, Paneuropa 1923, 4. A. 1926;
Dawson, C., The Making of Europe, 1932; Reynold, G. de, L’Europe tragique,
1934; Reynold, G. de, La formation de l’europe, 1942ff.; Curtius, E.,
Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 1947, 5. A. 1965; Ritter, G.,
Europa und die deutsche Frage, 1948; Ritter, G., Die Neugestaltung Europas im
16. Jahrhundert, 1950; Chabod, F., Storia dell’idea di Europa, 1961; Foerster,
R., Die Idee Europas 1300–1946, 1963; Koschaker, P., Europa und das römische
Recht, 4. A. 1966; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen
Europa, 1964; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967;
Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard,
D., 1969; Bosl, K., Europa im Mittelalter, 1970; Wagner, W., Europa zwischen
Aufbruch und Restauration, 2. A. 1972; Luig, K., Zur Verbreitung des
Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; La formazione storica del diritto
moderno in Europa, Bd. 1ff. 1977; Craig, G., Geschichte Europas im 19. und 20.
Jahrhundert, Bd. 1f. 1978; Schoenberger, Der gelbe Stern, 1978; Diritto Comune
e diritti locali nella storia dell’Europa, 1980; Gerhard, D., Old Europe, 1981;
Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft
in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in
Amerika und Europa, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20.
Jahrhundert, 1986; Lansky, R., Bibliographisches Handbuch der Rechts- und
Verwaltungswissenschaften, Bd. 1 Allgemeines und Europa, 1987; Republiken und
Republikanismus im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Königsberger, H., 1988;
Verosta, S., Kollektivaktionen der Mächte des europäischen Konzerts
(1866-1914), 1988; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen
Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Towards the United States of Europe,
ed. by Ransome, P., 1991; Schulze, R., Die europäische Rechts- und
Verfassungsgeschichte, 1991; Propyläen Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1992f.;
Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Le Goff,
J., Das alte Europa, 1994; Europaideen im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich
und Zentraleuropa, hg. v. Reinalter, H., 1994; Fontana, J., Europa im Spiegel,
1995; Europa im Blick der Historiker, hg. v. Hudemann, R., 1995; Craig, G.,
Geschichte Europas, 1995; Europa im Umbruch 1750-1850, hg. v. Albrecht, D. u.
a. 1995; Brown, P., Die Entstehung des christlichen Europa, 1996; Brandstetter,
G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Bartett, R.,
Die Geburt Europas, 1996; Davies, N., Europe, 1996; Europäische Geschichte als
historisches Problem, hg. v. Duchardt, H. u. a., 1997; Das europäische
Geschichtsbuch, hg. v. Delouche, F., 1998; Siedler, Geschichte Europas, Bd.
1ff. 1998ff.; Mieck, I., Europäische Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit, 1998;
Möller, H., Europa zwischen den Weltkriegen, 1998; Neumann, T., Die
europäischen Integrationsbestrebungen in der Zwischenkriegszeit, 1999; Die
Entstehung des modernen Europa, hg. v. Mörke, O. u. a., 1998; Schneider, R.,
Europas Einigung und das Problem Deutschland, 1999; Salewski, M., Geschichte
Europas, 2000; Schümer, D., Das Gesicht Europas, 2000; Demel, W., Europäische
Geschichte des 18. Jahrhunderts, 2000; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem
Großen, 2000; Schmale, W., Geschichte Europas, 2000; Bade, K., Europa in
Bewegung, 2000; Schulz, G., Europa und der Globus - Staaten und Imperien seit
dem Altertum, 2001; Vom Mittelmeer zum Atlantik, hg. v. Feldbauer, P. u. a.,
2001; Segl, P., Byzanz. Das andere Europa, 2001; Zimmermann, R., Roman Law,
Contemporary Law, European Law, 2001; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002;
Borgolte, M., Europa entdeckt seine Vielfalt, 2002; Fisch, J., Europa zwischen
Wachstum und Gleichheit 1850-1914; Bernecker, W., Europa zwischen den
Weltkriegen 1914-1945, 2002; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Caenegem,
R. van, European law, 2002; Brunn, G., Die europäische Einigung, 2002; Mitterauer,
M., Warum Europa? 2003; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1650,
2003; Duchhardt, H., Europa am Vorabend der Moderne 1650-1800, 2003; Reinhard,
W., Lebensformen Europas, 2004; Le Goff, J., Die Geburt Europas im Mittelalter,
2004; James, H., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Altrichter, H. u.
a., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Kleines Europa-Lexikon, hg. v.
Gruner, W. u. a., 2004; Grabmayer, J., Europa im späten Mittelalter 1250-1500,
2004; Europa und seine Regionen. 2000 Jahre europäische Rechtsgeschichte, hg.
v. Bauer, A. u. a., 2004; Gruner, W./Woyke, W., Europa-Lexikon, 2004; Postel,
V., Die Ursprünge Europas, 2004; Reale, G., Kulturelle und geistige Wurzeln
Europas, 2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische
Kulturgeschichte, 2004; Etappen auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung,
hg. v. Hummer, W., 2004; Der europäische Konvent und sein Ergebnis. Eine
europäische Verfassung, hg. v. Busek, E. u. a., 2004; Eine Verfassung für
Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Der Konvent zur Zukunft der
Europäischen Union, hg. v. Mantl, W. u. a., 2004; Ehlers, J., Das westliche
Europa, 2004; Weiler, J., Ein christliches Europa, 2004; Schuller, W., Das
erste Europa, 2004; Langewiesche, D., Europa zwischen Restauration und
Revolution 1815-1849, 4. A. 2005; Blanning, T., Das alte Europa 1660-1789,
2005; Nolte, H., Weltgeschichte, 2005; Conze, V., Das Europa der Deutschen,
2005; Petersen, T., Europa – Eine Kulturgeschichte, 2006; Elvert, J., Die europäische
Integration, 2006; Borgolte, M., Christen, Juden, Muselmanen, 2006; Wyrwa, U.,
Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, HZ 283 (2006), 102; Krüger, P., Das
unberechenbare Europa, 2006; Europa im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R.
u. a., 2006; Gasteyger, C., Europa zwischen Spaltung und Einigung, 2006; Judt,
T., Geschichte Europas, 2006; Boshof, E., Europa im 12. Jahrhundert, 2007;
Chabert, G., L’idée européenne, 2007; Blickle, P., Das alte Europa, 2008;
Europa im Weltbild des Mittelalters. Kartographische Konzepte, hg. v.
Baumgärtner, I. u. a., 2008; Gall, L., Europa auf dem Weg in die Moderne, 5. A.
2009; Liedtke, R., Geschichte Europas von 1800 bis zur Gegenwart, 2009;
Schorn-Schütte, L., Studienhandbuch frühe Neuzeit Europäische Geschichte
1500-1789, 2009; Dirlmeier, U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2.
A. 2009; Schulz, M., Normen und Praxis, 2009
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) ist die (nach Scheitern einer europäischen
politischen Gemeinschaft und einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft an
der Ablehnung durch die Nationalversammlung Frankreichs 1954) am 25. 3. 1957
zwecks gegenseitiger Kontrolle geschaffene Gemeinschaft europäischer Staaten
(zunächst Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg) in
Angelegenheiten der Kernspaltung. → Europäische Gemeinschaft
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996;
Blockmans, W., Geschichte der Macht in Europa, 1998
Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) (oder Europäische Freihandelszone) ist der am 4.
1. 1960 in Stockholm gegründete Zusammenschluss siebener europäischer Staaten
(Großbritannien, Irland, Dänemark [alle bis 1973], Portugal [bis 1985],
Finnland [1961/1986], Schweden, Österreich [alle bis 1994], Schweiz, Island
(1970), Norwegen, Liechtenstein [1991]). Die Bedeutung der Europäischen
Freihandelsassoziation ist infolge des Eintritts der wichtigsten Mitglieder in
die → Europäische(n) Gemeinschaft(en) bzw. Europäische Union und der
Gründung eines europäischen Wirtschaftsraums (1994, Liechtenstein 1. 5. 1995)
gering.
Europäische Gemeinschaft ist die 1993 (Vertrag von Maastricht 7. 2. 1992) durch
Umbenennung aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entstehende europäische
Gemeinschaft.
Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Geiger, R., EG-Vertrag, 2. A.
1995
Europäische Gemeinschaft(en) sind die Europäische Atomgemeinschaft (25. 3. 1957), die
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (18. 4. 1951-2002) und die
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3. 1957) mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit.
Sie haben seit dem Abkommen über gemeinsame Organe der Europäischen
Gemeinschaften vom 25. 3. 1957 ein gemeinsames Parlament und einen gemeinsamen
Gerichtshof, und seit dem sie zu den Europäischen Gemeinschaften
zusammenschließenden Fusionsvertrag (8. 4. 1965 unterzeichnet, 1. 1.1967 in
Kraft getreten) eine gemeinsame Kommission, einen gemeinsamen Rat und einen
gemeinsamen Rechnungshof. 1973 werden die europäischen Gemeinschaften um
Dänemark, Großbritannien und Irland erweitert (Norderweiterung), 1981 um
Portugal, Spanien und Griechenland (Süderweiterung). Zum 7. 2. 1992 (Vertrag
von Maastricht/Niederlande) werden sie zur → Europäischen Gemeinschaft
zusammengeschlossen, die 1993 in Europäische Union umbenannt wird (am 1. 11.
1993 in Kraft getretener Vertrag [von Maastricht] über die europäische Union).
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist die auf der Grundlage eines Plans Robert Schumans als
Außenminister Frankreichs vom 9. 5. 1950 am 18. 4. 1951 zwecks Kontrolle der
deutschen Rüstungsindustrie zwischen der Bundesrepublik Deutschland,
Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg unter Übertragung
einzelstaatlicher Hoheitsrechte für die Montanindustrie (Kohle, Eisenerz)
vereinbarte und später um zusätzliche Mitglieder erweiterte internationale
Gemeinschaft (Montanunion mit hoher Behörde, Rat, Versammlung und
Gerichtshof). In ihrem Rahmen wird auf der Konferenz von Messina am 1./2. 6.
1955 die Einsetzung von Arbeitsgruppen zur Bildung weiterer europäischer
Gemeinschaften beschlossen, deren Tätigkeit die Grundlage für die römischen
Verträge vom 25. 3. 1957 über die
europäische Atomgemeinschaft und die europäische Wirtschaftsgemeinschaft
bildet. Der am 23. Juli 2002 ausgelaufene Vertrag über die Europäische
Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist nicht erneuert und der Kohle- und
Stahlsektor dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft
unterstellt.
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäische Konvention
zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist der auf der Grundlage der
Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948 vom → Europarat
1950 ausgearbeitete, in Rom am 4. 11. 1950 von 13 Staaten (Belgien, Dänemark,
Deutschland, Frankreich, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande,
Norwegen, Türkei und Großbritannien) unterzeichnete, 1952 von der
Bundesrepublik Deutschland als Gesetz angenommene, am 3. 9. 1953 allgemein in
Kraft getretene, 1957 von Österreich mit Verfassungsreang und inzwischen von
allen Staaten Europas anerkannte
völkerrechtliche, um (14) Zusatzprotokolle ergänzte Vertrag, der in allen der
Herrschaft der angeschlossenen Staaten unterstehenden Ländern die grundlegenden
menschlichen Freiheiten sichern will. Dazu sind (bis 1998) eine Europäische
Kommission für Menschenrechte und ein Europäischer Gerichtshof für
Menschenrechte mit Sitz in Straßburg gebildet.
Lit.: Seidel, P., Der Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention
in den Mitgliedstaaten, DVBll. 1975, 747; Frowein, J./Peukert, W., Europäische
Menschenrechtskonvention, 2. A. 1997; Grabenwarter, C., Europäische
Menschrechtskonvention, 3. A. 2008
Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ist der gemeinsame Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften bzw. → Europäischen Union, der die einheitliche Anwendung,
Auslegung und Fortbildung des Europäischen Unionsrechts sichern soll.
Lit.: Kenke, U., Der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften, 1989; Drewes, E., Entstehung und Entwicklung des Rechtsschutzes
vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ist das gemäß der → Europäischen Konvention zum
Schutz der Menschenrechte in Straßburg errichtete Gericht, das über die
Einhaltung der in der Konvention gewährleisteten Menschenrechte wacht und von
den Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission für Menschenrechte (, an
die sich Bürger wenden müssen,) mit einem Fall befasst werden kann. 1998 wird
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ständiger Gerichtshof neu
geordnet.
Lit.: Polakiewicz, J., Die Verpflichtungen der Staaten aus den
Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1994; Haß, S., Die
Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2006
Europäischer Rat ist
das aus den Ministerpräsidenten der Mitgliedstaaten der → Europäischen
Union gebildete, die Richtlinien der Politik der Europäischen Union bestimmende
Organ.
Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ist der in Verhandlungen zwischen der →
Europäischen Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen Freihandelszone
vereinbarte, 1994 mit Österreich, Schweden, Finnland (bis 31. 12. 1994),
Norwegen und Island in Kraft getretene einheitliche europäische
Wirtschaftsraum, dem die Staaten der Europäischen Union und Island, Norwegen
und Liechtenstein angehören.
Lit.: Streit, A., Das Abkommen über den Europäischen
Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555
Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das besondere, zwischen Völkerrecht und staatlichem
Recht angesiedelte Recht der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der
Europäischen Union. Es setzt sich zusammen aus dem zur Bildung der Europäischen
Gemeinschaften geschaffenen Vertragsrecht (primäres E. G.) und dem von den
Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Recht (sekundäres E. G.).
Das Europäische Gemeinschaftsrecht gilt zum Teil unmittelbar in den einzelnen
Mitgliedstaaten und hat dann Vorrang vor dem Recht des einzelnen Staates. Nicht
E. G. ist das nationale, auf Grund gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedstaaten
geschaffene Recht.
Lit.: Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht,
1979; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäisches Parlament
(Versammlung) in Straßburg ist das gemeinsame parlamentarische Hauptorgan der →
Europäischen Gemeinschaften bzw. Europäischen Union.
Lit.: Thöne-Wille, E., Die Parlamente der EG, 1984
Europäisches Recht
ist das in → Europa geltende Recht. Ein in ganz Europa einheitlich
geltendes Recht gibt es bis zur Gegenwart nicht. Vielmehr gilt im Altertum
selbst das römische Recht nur innerhalb des römischen Weltreiches. Im
Frühmittelalter stehen zahlreiche Rechte einzelner Völker, im Hochmittelalter
und im Spätmittelalter viele territoriale Landrechte und Stadtrechte
nebeneinander. Mit der Aufnahme des römischen Rechts in andere Rechte kommt es
zwar ebenso zu einer gewissen Europäisierung wie mit der Anwendung des einheitlichen
kirchlichen Rechts im christianisierten Europa, doch gelten beide gelehrten
Rechte grundsätzlich nur subsidiär zu partikularen Rechten. Deren Geltungsgebiet
erweitert sich mit der Bildung der europäischen Nationalstaaten. In sie finden
zunehmend allgemeine Reformgedanken Eingang. Daneben wird e. R. erst im Rahmen
der → Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union in größerem
Ausmaß (für große Gebiete Europas einheitlich) geschaffen. → Europarecht,
Europäisches Gemeinschaftsrecht
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Kropholler, J., Europäisches Zivilprozessrecht, 1985, 7. A. 2002, 8. A. 2005;
Schwarze, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1 1988; Vers un droit privé
commun? – Skizzen zum gemeineuropäischen Privatrecht, 1994; Europas universale
rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends, hg. v.
Köbler, G. u. a., 2000; Jansen, N., Binnenmarkt, Privatrecht und europäische
Identität, 2003; The need for a European contract law, hg. v. Smits, J., 2005;
Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, hg. v. König, B. u. a., 2007;
Metzger, A., Extra legem - intra ius, 2009
Europäisches Währungssystem ist das auf einer Entschließung des Rates der →
Europäischen Gemeinschaften beruhende Währungssystem mit dem Ziel, bis zum
Jahre 1999/2002 zu einer stabilen Währungszone in Europa zu gelangen
(Währungseinheit Euro).
Lit.: Scharrer, H./Wessels, W., Das Europäische
Währungssystem, 1983
Europäische Union
ist die durch den Vertrag von Maastricht/Niederlande am 7. 2. 1992 gegründete,
zum 1. 11. 1993 unter Ergänzung um die Politikbereiche gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik und Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres aus der
Europäischen Gemeinschaft bzw. den Europäischen Gemeinschaften entwickelte Verbindung
(Staatenverbund) der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien,
Niederlande, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Irland, Dänemark,
Griechenland, Spanien und Portugal, zu denen zum 1. 1. 1995 Österreich,
Schweden und Finnland stoßen. Ihre (in der Form der Organleihe wirkenden
[str.]) Organe sind Rat, Kommission, Versammlung und europäischer Gerichtshof.
Zum 1. 5. 2004 wird die E. U. um Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei,
Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern (Südzypern), zum 1.
1. 2007 um Rumänien und Bulgarien erweitert. Außerdem äußern die Türkei,
Kroatien, Serbien, Albanien, Russland und andere Staaten einen Wunsch nach
Mitgliedschaft. Die Staatsbürger der Mitgliedstaaten der europäischen Union
(Unionsbürger 1993) dürfen sich der Freiheiten der Europäischen Union bedienen
und sind im Wohnsitzstaat kommunalwahlberechtigt.
Lit.: Sachwörterbuch zur Europäischen Union, hg. v. Monar,
J. u. a., 1993; Kommentar zur Europäischen Union, hg. v. Grabitz, E. u. a., 2.
A. 1994; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen
Integration, 1996; Dedman, M., The origins and development, 1996; Pfeil, W.,
Historische Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der „Vier
Grundfreiheiten“, 1998; Die Europäische Union als Prozess, hg. v Hrbek, R. u.
a., 1998; Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, hg. v. Schubert, K.
u. a., 2000; Der Europäische Konvent und sein Ergebnis, hg. v. Busek, E. u. a.,
2004; Butschek, F., Vom
Staatsvertrag zur EU, 2004; Dinan, D., Europe Recast, 2004; Schönberger, C.,
Unionsbürger, 2006; Thurner, P., Die graduelle Konstitutionalisierung der
Europäischen Union, 2006; Kristoferitsch, H., Vom Staatenbund zum Bundesstaat?,
2007; Vom gemeinsamen Markt zur Europäischen Unionsbildung, hg. v. Gehler, M.,
2007; Fünfzig Jahre römische Verträge, hg. v. Schulze, R. u. a., 2008;
Thiemeyer, G., Europäische Integration, 2009
Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist die durch Gründungsvertrag am 27. 5. 1952
beschlossene, auch die Schaffung einer europäischen politischen Gemeinschaft
vorsehende, am 30. 8. 1954 an der blhenung durch die Nationalversammlung
Frankreichs gescheiterte Verteidigungsgemeinschaft Deutschlands, Frankreichs,
Italiens, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs mit europäischer Gemeinschaftsarmee),
deren Zielsetzung am 23. 10. 1954 in der Westeuropäischen Union fortgeführt
wird.
Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung ist die durch Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 7. 1985 zur Verfügung gestellte Unternehmensform. Sie beruht auf dem in Frankreich am 23. 9. 1967 als neue Gesellschaftsform geschaffenen Groupement d’Intérêt Economique.
Lit.: Bott, R./Rosener, W., Das Groupement d´Intérêt
Economique, NJW 1970, 364; Hatzig, C., Die Europäische Wirtschaftliche
Interessenvereinigung, 1990
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwischen Deutschland, Frankreich,
Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg vereinbarte und später auf weitere
Mitglieder ausgedehnte, eine allgemeine wirtschaftliche Untegration durch
Herstellung eines gemeinsamen Marktes anstrebende europäische Gemeinschaft in
Wirtschaftsangelegenheiten. Sie ist eine der → Europäischen
Gemeinschaften. Nach Erweiterung ihrer Politiken (Aufgaben) durch die
einheitliche Europäische Akte (1986) und den Vertrag von Maastricht (1992) wird
sie in Europäische Gmeienschat umbenannt.
Lit.: Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. Grabitz, E., 1989;
Thiemeyer, G., Vom „Pool Vert“ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1999
Europarat (Sitz in
Straßburg) ist der am 5. 5. 1949 in London von 10 Staaten (Belgien, Dänemark,
Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden,
Vereinigtes Königreich von Großbritannien) errichtete völkerrechtliche Zusammenschluss
zunächst westeuropäischer, seit 1990 zunehmend auch osteuropäischer Länder
(1999 41 Mitglieder, als erste Kaukasusrepublik wird Georgien am 27. 4. 1999
41. Mitgliedsland des Europarates, 2007 47 Mitglieder) mit dem Ziel, eine
engere allgemeine und wirtschaftliche Verbindung der Mitgliedstaaten
herzustellen. Die Organe sind das Ministerkomitee (der Außenminister), die
beratende Versammlung (von Vertretern der Parlamente der Mitgliedstaaten) und
das Ständige Sekretariat. Sie wirken hauptsächlich durch Empfehlungen und
Konventionen. Auf den E. gehen die → Europäische Konvention zum Schutz
der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der → Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte zurück.
Lit.: Carstens, K., Das Recht des Europarates, 1956; Österreich
im Europarat 1956-1986, hg. v. Hummer, W. u. a., 1988; Council of Europe, hg.
v. Streinz, R., 2000; Winkler, G., Der Europarat und die Verfassungsautonomie
seiner Mitgliedstaaten, 2005; Österreich im Europarat 1956-2006, hg. v. Hummer,
W., 2008
Europarecht ist das
gesamte, eine europäische Organisation betreffende Recht. Dementsprechend wird
zum E. im weiteren Sinn insbesondere das Recht des Nordatlantikpakts (NATO),
der Westeuropäischen Union (WEU), der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des → Europarats, der Europäischen
Freihandelsassoziation (EFTA) und das → europäische Gemeinschaftsrecht
gezählt. Im engeren Sinn ist E. nur das europäische Gemeinschaftsrecht
(Unionsrecht).
Lit.: Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Streinz, R.,
Europarecht, 1994; Arndt, U., Europarecht, 1994; Schweitzer, M./Hummer, W.,
Europarecht, 5. A. 1996
Euthanasie ist die
bereits dem griechisch-römischen Altertum bekannte Sterbehilfe durch Arzneimittel.
Sie wird insbesondere im Dritten Reich planmäßig für gesellschaftspolitische
Ziele verwendet (Euthanasiebefehl Adolf Hitlers von Ende Oktober 1939 mit [bis
24. 8. 1941] rund 100000 vergasten oder verhungerten Menschen „lebensunwerten
Lebens“).
Lit.: Nowak, K., Euthanasie und Sterilisierung im Dritten
Reich, 2. A. 1980; Klee, „Euthanasie“ im NS-Staat, 1983; Schmuhl, H.,
Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rainer, J., Zur
Euthanasie, (in) Ethik und Recht, 1993, 19; NS-„Euthanasie“ vor Gericht, hg. v.
Loewy, H. u. a., 1996; Bieber, E., Der Euthanasiebefehl Hitlers, 1996; Brass,
C., Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Saarland 1935-1945, 2004; Die
Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, hg. v. Riha, O., 2005
evangelisch
(Adj.) die Evangelien betreffend, protestantisch, lutherisch
Evangelisches Kirchenrecht ist das Recht der seit 1517 entstandenen evangelischen bzw. protestantischen Kirchen. Es baut auf dem → kanonischen Recht auf. Es unterscheidet sich aber von diesem durch zahlreiche eigenständige Entwicklungen.
Lit.: Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und
Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Eventualmaxime ist der
Verfahrensgrundsatz, wonach eine Partei eines Zivilprozesses zur Vermeidung des
Ausschlusses ihres gesamten Vortrages diesen einschließlich aller (denkbaren)
Möglichkeiten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Prozess einzubringen
hat. Durch die Notwendigkeit des gleichzeitigen Vorbringens aller Klagetatsachen
soll das Verfahren beschleunigt werden. Die E. gehört dem frühneuzeitlichen
sächsischen Prozess an, wird aber vom französischen Prozess des beginnenden 19.
Jh.s abgelehnt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 201; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Damrau, J., Die Entwicklung
einzelner Prozessmaximen, 1975; Schulte, J., Die Entwicklung der
Eventualmaxime, 1980
Evers, Johann
Gustav (1781-1830), Professor für Rechtsgeschichte in Dorpat, stellt unter dem
Einfluss Hegels 1826 in dem Werk „Das älteste Recht der Russen“ die Entwicklung
des Rechts in Russland vom patriarchalischen Zustand der bürgerlichen
Gesellschaft bis zum Territorialstaat der Neuzeit dar.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Russlands, 1961
Eviktion (→
Entwerung) ist die Wiedererlangung des Besitzes einer verkauften Sache durch
den Berechtigten bzw. der Entzug des Besitzes auf Seiten eines Käufers. Im
klassischen römischen Recht kann der Käufer einer dem Verkäufer nicht gehörigen
(beweglichen) Sache gegen den Verkäufer grundsätzlich Schadensersatz wegen
Nichterfüllung nur verlangen kann (lat. [F.] actio auctoritatis), wenn die
Sache dem Käufer auf Grund eines dinglichen Rechts im Rechtsstreit entzogen
wird. Diese Gestaltung ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
aufgenommen.
Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 46; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 452
Evokationsrecht (lat.
ius [N.] evocandi, zu lat. evocatio [F.] Amtsladung) ist im mittelalterlichen
und neuzeitlichen deutschen Recht die Befugnis des Königs, jeden noch nicht
entschiedenen Rechtsstreit vor sein Hofgericht zu ziehen. Seit dem 13. Jh.
streben die Landesherren nach einem (lat.) privilegium (N.) de non evocando.
Dieses wird 1356 den Kurfürsten allgemein erteilt. In der Folge verlagert sich
die Gerichtsbarkeit auf die Länder, 1487 wird das E. des Königs beseitigt.
Lit.: Kaser § 87; Köbler, DRG 114; Eisenhardt, U., Die
Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et
appellando, ZRG GA 86 (1969), 97
Ewa (F.) ist die
althochdeutsche Bezeichnung (8. Jh.) für das (objektive) Recht (lat. [F.] lex).
Die Etymologie des nur westgermanisch (ahd., mhd., as., afries., ae.)
verbreiteten Wortes ist streitig (zu aind. éva, Lauf, Gang, Gewohnheit, zu lat.
aevum, Ewigkeit, zu lat. aequum, Billigkeit, zu lat. ius?). Der Bezug zum
religiösen Kult könnte unter dem Einfluss des Christentums entstanden sein (altiu
ewa, lat. testamentum vetus). Im 13. Jh. engt e. seine Bedeutung auf
(rechtmäßige) → Ehe ein.
Lit.: Köbler, DRG 80; Köbler, WAS; Weisweiler, J.,
Bedeutungsgeschichte, Linguistik und Philologie, (in) Stand und Aufgaben der
Sprachwissenschaft, 1924, 419; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter,
1971; Seebold, E., Etymologie, 1981, 89; Schmidt-Wiegand, R., Recht und ewa,
(in) Althochdeutsch, hg. v. Bergmann, R. u. a., 1987, 937
Ewa Chamavorum ist das
Volksrecht (lat. [F.] lex) des fränkischen Teilstamms der an der Zuidersee
siedelnden Chamaven (Ewa quae se ad Amorem habet). Es ist in zwei Handschriften
überliefert und in 48 knappe Kapitel gegliedert. Vielleicht wird es 802/3 in
Aachen durch einen Königsboten erfragt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R., Die
Rechtsquellen, 1953
Ewiger Landfriede ist der am
7. 8. 1495 in Worms von König Maximilian mit Rat der Reichstände auf der
Grundlage von Landfrieden von 1486, 1474, 1471 und 1442 (sowie [1356 und]
1235) erlassene, dauerhafte Geltung beanspruchende und deswegen zwar nicht im
Text, aber doch von den Zeitgenossen als ewig bezeichnete und tatsächlich bis
1806 geltende → Landfriede des Heiligen römischen Reiches. Er hebt das
Fehderecht zugunsten der gerichtlichen Entscheidung jedes Rechtsstreits auf
(Fehdeverbot unter Androhung der Reichsacht). Zugleich drängen damit die Stände
den König in der Friedenswahrung zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Angermeier, H., Königtum und
Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 15 II 4; 1495, 1995, 71ff.; Landfriede,
hg. v. Buschmann, A. u. a., 2002; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EwigerLandfriede1495.htm
Ewigrente ist im
spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer vereinbarte → Rente.
Lit.: Hübner
Ewigsatzung ist im
spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer gedachte → Satzung
eines → Pfandes.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9.
A. 1981
exactio (lat. [F.])
Eintreiben (von Forderungen)
Exceptio (lat. [F.]
Ausnahme) ist die Einrede (als Verteidigung eines Beklagten gegen einen
Klaganspruch [stricti iuris, strengen Rechts]). Sie ist im römischen Recht
ursprünglich die dem Beklagten günstige Ausnahme von den Bedingungen, unter
denen er dem Klaganspruch (lat. [F.] → actio) zufolge zu verurteilen
wäre. Aus dieser verteidigenden Einrichtung des Verfahrensrechts, die auf
Antrag des Beklagten in die Klagformel eingefügt wird (z. B. lat. exceptio
doli, exceptio pacti), entwickelt sich allmählich ein selbständiges Recht des
Beklagten, das Begehren des Klägers zu verweigern. Mit der Aufnahme des
römischen Rechts im Heiligen römischen Reich im Spätmittelalter wird die e.
aufgenommen (z. B. 1721 mehr als 150 exceptiones unterschieden). Im Laufe des
19. Jh.s wird die e. durch Einrede und Einwendung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 4, 80; Söllner § 9;
Köbler, DRG 33f.; Köbler, LAW; Wetzell, G., System des ordentlichen
Zivilprozesses, 3. A. 1878; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess,
1971; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Litewski, W., Der
römisch-kanonische Zivilprozess, 1999
Exceptio (F.) doli (lat.) ist
die Einrede der Arglist. Sie gilt im römischen Recht (bei den iudicia stricti
iuris) grundsätzlich nur bei besonderer Aufnahme in die Klagformel des Prätors
auf Verlangen des Beklagten, bei den sog. → bonae-fidei-iudicia aber auch
ohne diese. Sie kann auf die Vergangenheit oder die Gegenwart bezogen sein.
Lit.: Kaser §§ 4, 8, 9, 22, 26, 27, 33, 36, 37, 40, 53, 62,
65, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 43, 45; Haferkamp, H., Die exceptio doli
generalis in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 1
Exceptio (F.) iusti dominii (lat.) ist im römischen
Recht die Einrede des quiritischen
Eigentümers gegenüber der (lat.) actio (F.) Publiciana des Ersitzungsbesitzers.
Exceptio (F.) non adimpleti contractus (lat.) ist im römischen Recht (bei Kauf, Miete und Gesellschaft) die Einrede der Nichterfüllung.
Lit.: Kaser § 38
Exceptio (F.) non numeratae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des
nichtgezahlten Entgeltes.
Lit.: Kaser §§ 40, 53; Litewski, W.,
Non numerata pecunia, SDHI 60 (1994)
Exceptio (F.) rei sibi (ante bzw. quoque) pigneratae (lat.) ist im römischen
Recht bei einer Mehrfachverpfändung die Einrede eines vorrangigen oder
besitzenden Pfandgläubigers gegen eine (lat.) actio (F.) Serviana eines
nachrangigen oder anderen Pfandgläubigers.
Exceptio (F.) rei venditae et traditae (lat.) ist im römischen Recht die dem Käufer (einer nicht durch [lat.] mancipatio, sondern nur durch [lat.] traditio übertragenenen res mancipi als bloßem bonitarischem Eigentümer) seit Einführung des Formularverfahrens vom Prätor gegenüber dem herausverlangenden Verkäufer und quiritischen Eigentümer gewährte Einrede der verkauften und übergebenen Kaufsache.
Lit.: Kaser §§ 22, 27
Exegese (F.) ist
die Auslegung eines Textes (z. B. Digestenexegese, Sachsenspiegelexegese,
Bibelexegese). Sie ist notwendiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen juristischen
Tätigkeit. Als eigene Lehrveranstaltung tritt die E. im ausgehenden 20. Jh.
zurück.
Lit.: Köbler, DRG 11; Lubac, H. de, Exégèse médievale,
1959ff.; Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese,
2. A. 1993; Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1975; Waßmer,
M./Wittemann, F., Die verfassungsgeschichtliche Exegese, 1999
exegetisch (auslegend)
z. B. exegetische, eng an das Gesetz gebundene und dessen Fortbildung
grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassende Schule zur Anwendung des
Privatrechts nach gesetzlich [§§ 6, 7 ABGB] festgelegten Regeln in Österreich
ab 1812 (tatsächlich Rechtsfortbildung z. B. durch verschämte
Verwaltungsgemeinschaft und Gütergemeinschaft auf den Todesfall)
Exemption (F.) Herausnahme, Ausnahme (z.
B. aus der Herrschaft eines kirchlichen Oberen, aus einer Gerichtszuständigkeit
oder aus der Geltung des Rechts eines Staates zu Gunsten von Geschäftsträgern
eines anderen Staates)
Exercitalis (lat. [M.]) Heermann, Arimanne
Lit.: Jarnut, J.,
Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88
(1971), 1
exercitor (lat. [M.]) Reeder
Exekution (F.) → Vollstreckung, → Zwangsvollstreckung
Lit.: Mally, A., Der österreichische Kreis in der
Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967
Exekutive ist die
ausführende Gewalt. Sie wird als solche von den Vertretern der Lehre von der →
Gewaltentrennung (→ Locke 1680, → Montesquieu 1748) von der
Legislative (und der Judikative) getrennt.
Lit.: Köbler, DRG 190, 191
Exil ist seit dem Altertum das
(freiwillige oder zwangsweise) Ausscheiden eines oder mehrerer Menschen aus
einem Staat. Seit dem 19. Jh. können im E. auch Regierungen beibehalten oder
geschaffen werden.
Lit.: Die 48er, hg. v.
Freitag, S., 1998; Auswanderung, Flucht, Vertreibung, Exil im 19. und 20. Jh.,
hg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 2003; Exile in the Middle Ages,
hg. v. Napran, L. u. a., 2007
Exklave ist das Teilgebiet eines Staates
(aus dessen Sicht), das von seinem übrigen Gebiet getrennt und vollständig vom
Staatsgebiet anderer Staaten eingeschlossen ist (z. B. deutsche Exklave
Büsingen in der Schweiz, Russlands Gebiet um Königsberg). S. Enklave.
Exkommunikation ist im (katholischen) Kirchenrecht ursprünglich der strafweise Ausschluss eines Mitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Seit der Wende zum 5. Jh. wird die E. auf den Entzug der mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte (ohne Entbindung von den Pflichten) eingeschränkt. Die Dekretisten entwickeln im Hochmittelalter ein differenziertes Regelwerk für die E. Wegen der starken Ausweitung verliert die E., abgesehen vom klerikalen Bereich, später ihre Bedeutung. In der Gegenwart kann die Mitgleidschaft in der katholischen Kirche nicht mehr verloren werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56; Morel, M.,
L’Excommunication, 1926; Hyland, F., Excommunicatio, 1928; Siuts, H., Bann und
Acht, 1959; Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales
Vollstreckungsmittel, FS E. Kern, 1968, 69; Logan, F., Excommunication, 1968;
Weigand, R., Zur Exkommunikation bei den Glossatoren, ZRG KA 56 (1970), 396;
Vodola, E., Excommunication, 1986; Murray, A., Excommunication, 1991; Pauler,
R., Dum esset catholicus – Zur Frage der Gültigkeit von Regierungshandlungen
exkommunizierter und abgesetzter Kaiser, ZRG GA 112 (1995), 344; Helmholtz,
R., The Spirit of the Classical Canon Law, 1996; Magnúsardottir, L.,
Bannfoering og Kirkjuvald, 2007
Exlibris (lat.
ex libris, aus den Büchern) ist
das seit Erfindung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s zur
Bezeichnung des Eigentümers des einzelnen Buches auf die Innenseite des
vorderen Buchdeckels geklebte Blatt.
Lit.: Kretz, H., Exlibris für Juristen,
2003
Ex nihilo nihil (lat.). Aus nichts wird nichts.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Anaxagoras, um 500-428 v. Chr.)
Extrajudizialappellation ist
die bereits dem römischen Recht bekannte Appellation außerhalb gerichtlicher
Endurteile. Sie ist in Lübeck 1296 bezeugt. Sie wird durch den Reichsabschied von
1594 für den Prozess des Reichskammergerichts in engen Grenzen eröffnet. Seit
dem Ende des 18. Jh.s wird sie eingeengt und durch die Reichsjustizgesetze des
deutschen Reiches von 1877/1879 beseitigt.
Lit.: Wetzell, G.,
System des ordentlichen Zivilprozeses, 3. A. 1878, 768ff.; Budischin, H., Der
gelehrte Zivilprozess, 1974; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans
Reichskammergericht, 1976; Seeger, T., Die Extrajudizialalppellation, 1992;
Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht, 1997
Extranei heredes (lat. [M.Pl.], Sg. extraneus heres) sind im römischen Recht die im Gegensatz zu den (lat. [M.Pl.]) → sui heredes (Hauserben) stehenden Außenerben (Agnaten, Gentilen).
Lit.: Kaser §§ 66, 71
Extraordinaria cognitio
(lat. [F.]) ist im römischen Recht das seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.)
das ältere zweigeteilte Verfahren vor Magistrat und ehrenamtlichem Richter
ablösende einheitliche → Kognitionsverfahren eines einzigen öffentlichen
Amtsträgers.
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14,
15, 16, 18
Extravagantes (lat.
[M. Pl.] Herumschweifende) ist die Bezeichnung für die 20 (bereits 1325 in einer
privaten Sammlung zusammengestellten) Dekretalen Papst Johannes’ XXII.
(1314ff., Extravagantes Johannis XXII.) und die 70 eher zufällig ausgewählten
Dekretalen der Päpste Bonifaz’ VIII. (1294-1303) bis Sixtus’ IV. (1471-1484)
(Extravagantes communes, allgemeine Extravaganten), die der Pariser Kirchenrechtler
Jean Chappuis in seine Ausgabe des → corpus iuris canonici (1499ff.,
Korpus des kanonischen Rechts) ohne amtlichen Auftrag aufnimmt. Zitiert werden
sie z. B. als Extr. Joann. XXII. 4. 2 bzw. Extrav. com. 1. 7. 1.
Lit.: Bickell, J., Über die Entstehung und den heutigen
Gebrauch der beiden Extravagantensammlungen, 1825; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 276; Tarrant, J., Extravagantes Iohannis XXII,
1983;
Extremismus ist die inhaltlich am Rand
stehend politische Strömung.
Lit.: Backes, U., Politische Extreme, 2006
Eyre (engl. [N.]) ist die von lat. (N.) iter (Reise, Weg) abgeleitete Bezeichnung für die Reise bzw. Sitzung der königlichen englischen Reiserichter zwischen 1086 bzw. 1166 und 1294.
Lit.: Harding,
A., Rolls of the Shropshire Eyre of 1256, 1981
F
Faber → Favre
Faber, Johannes
ist der um 1270 geborene, in Montpellier und vielleicht Bologna ausgebildete,
um 1340 verstorbene, praktisch tätige französische Jurist, der breviarium
Codicis und Commentarius in institutiones verfasst.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 581
Fabrik ist das
Gebäude, in dem industriemäßig aus Rohstoffen Erzeugnisse hergestellt werden.
Die F. entwickelt sich seit dem 18. Jh. aus dem Verlagssystem. Kennzeichnend
ist die Tätigkeit der Bediensteten außerhalb des eigenen Hauses. Im 19. Jh.
wird die F. Gegenstand besonderer rechtlicher Regelungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 175; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 229; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken
Deutschlands, Teil 1f. 1781; Anton, G., Geschichte der preußischen
Fabrikgesetzgebung, 1891, Neudruck, 1953; Mises, L., Zur Geschichte der
österreichischen Fabrikgesetzgebung, Z. f. Volkswirtschaft, Sozialpolitik und
Verwaltung 14 (1905), 230; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der
Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Worring, H., Das fürstenbergische
Eisenwerk Hammereisenbach, 1954; Dällenbach, H., Kantone, Bund und
Fabrikgesetzgebung, Diss. jur. Bern 1961; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und
Markenrecht, 1983; Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh.,
hg. v. Otruba, G., 1981, 84; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht
in der Schweiz, ZNR 8 (1986), 157; Ruppert, W., Die Fabrik, 2. A. 1993
Fabrikengericht ist
das im späten 18. Jh. in Preußen für einige Zeit aus der Polizeijurisdiktion
entwickelte und danach im Rheinland geschaffene besondere Gericht für
Rechtsstreitigkeiten in einer Fabrik zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern.
Lit.: Willoweit, D., Die Entstehung der preußischen
Fabrikengerichtsbarkeit, ZNR 4 (1982), 1; Schloßstein, K., Die westfälischen
Fabrikengerichtsdeputationen, 1982; Schöttler, P., Die rheinischen
Fabrikengerichte, ZNR 7 (1985), 160
facere (lat.)
handeln, tun
facultas (F.) alternativa
(lat.) Ersetzungsbefugnis
Fahndung
ist die Verfolgung möglicher Straftäter durch die Allgemeinheit, die seit der
frühen Neuzeit und besonders seit dem 19. Jh. ausgebaut und zur Staatsaufgabe
erhoben wird..
Lit.: Blauert, A. u. a.
Gauner- und Diebslisten, 2001; Benad, R., Geschichte der Fahndung, 2006
Faden ist das dünne, längliche, meist
durch Drehen entstehende, meist dem Verbinden von Geweben oder Lederstücken
dienende menschliche Erzeugnis (Gespinst). Der F. kann als Längenmaß verwendet
werden (z. B. etwa 185 cm). Er ist auch Gegenstand der rechtlichen Volkskunde.
Lit.: Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1994
Fahne ist das als Symbol verwendete, meist rechteckige Tuch. → Fahnenflucht, → Fahnenlehen, → Reichsfahne
Lit.: Meyer,
H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930), 310; Meyer, H., Sturmfahne und Standarte,
ZRG GA 51 (1931), 204; Meyer, H., Kaiserfahne und Blutfahne, ZRG GA 53 (1933),
291; Neubecker, O., Fahnen und Flaggen, (um 1940)
Fahnenflucht ist
das eigenmächtige auf Dauer angelegte Verlassen des Heeres, das schon im
Altertum gewichtige Folgen nach sich zieht. Das langobardische Volksrecht sieht
die Tötung, das alemannische Volksrecht die Buße von 80 Schillingen vor. Auch
später wird zumindest für schwere Fälle die Todesstrafe angedroht, während
einfachere Fälle mit Gefängnis und Ehrenminderung bestraft werden. Seit der
zweiten Hälfte des 17. Jh.s dringt die Bezeichnung Desertion ein. Im zweiten
Weltkrieg werden etwa zwei Drittel der als fahnenflüchtig bezeichneten deutschen
Soldaten zum Tode verurteilt. Die F. in der Unrechtsherrschaft (berechtigte
Fahnenflucht in verbrecherischen Regimen) kann gerechtfertigter Widerstand
sein. Am 17. 5. 2002 beschließt der Bundestag Deutschlands die Aufhebung aller
Urteile wegen F. (Desertion) im zweiten Weltkrieg.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 561; Sargmeister, M., Das Delikt der Fahnenflucht, Diss. jur. Erlangen
1908; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff.,
Neudruck 1964; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939;
Haase, N., Gefahr für die Manneszucht, 1996; Armeen und ihre Deserteure, hg. v.
Bröckling, U. u. a., 1998; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtsjustiz 1933-1945,
2005; Brümmer-Pauly, K., Desertion im Recht des Nationalsozialismus, 2006
Fahnenlehen,
Fahnlehn, ist das mit einer Fahne als Symbol (einer besonderen
Herrschaftsgewalt?) verliehene → Lehen. Nach verbreiteter
hochmittelalterlicher Ansicht ist die königliche Belehnung mit einem F.
Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Fürstenstand. Das F. darf weder geteilt
noch vom König länger als Jahr und Tag einbehalten werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Bruckauf, J., Vom Fahnlehn, 1906;
Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 36
Fähre ist das dem
planmäßigen Übersetzen über einen Strom oder See meist an fester Stelle
dienende Fahrzeug. Seit dem Hochmittelalter wird das Recht zum Betrieb einer F.
auf öffentlichem Gewässer als → Regal verstanden. Von ihm leitet sich das
einzelne Fährenrecht ab. In Deutschland gelten (über Art. 73 EGBGB) die
früheren landesrechtlichen Vorschriften, sofern in den Landeswassergesetzen
keine andere Regelung enthalten ist.
Lit.: Nordegg zu Rabenau, L. v., Das Recht der Fähren mit
besonderer Berücksichtigung des Regierungsbezirks Danzig, Diss. jur. Leipzig
1910; Sandkaulen, J., Fährgerechtsame, Diss. jur. Köln 1925; Künßberg, E. v.,
Fährenrecht und Fährenfreiung, ZRG GA 45 (1925), 144; Riegler, B.,
Fährgerechtigkeiten, Diss. jur. Würzburg 1933; Elben, J., Die Deutz-Kölner
Rheinfähre als Kurkölner Regal, 1933; Hahn, C., Das Fährenrecht am Niederrhein,
1949
Fahrende Habe →
Fahrnis
Fahrende Leute sind die in Ausnützung
ursprünglich allgemein verwendeter Freiheit der Ortsveränderung ohne festen
Wohnsitz umherziehenden Menschen (im Mittelalter schätzungsweise 5-10 Prozent
der Bevölkerung). Seit dem Spätmittelalter werden sie als Störung der Ordnung
angesehen. Seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird Umherziehen
teilweise strafbar, wobei Rechtssätze und angedrohte Strafen nicht stets
umgesetzt werden. Gegen f. L. werden Pass und Meldepflicht eingesetzt, ohne
dass ein vollständiger Erfolg erreicht wird.
Lit.: Mylius,
A./Barthel, D., Iura vagabundorum, 1679; Enklaar, D., Varende Luyden, 1957;
Schubert, E., Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts,
1983, 2. A. 1990; Jütte, R., Poverty and Deviance, 1994; Schubert, E.,
Fahrendes Volk im Mittelalter, 1995; Rheinheimer, M., Arme, Bettler und
Vaganten, 2000; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005
Fahrhabe → Fahrnis
Fahrlässigkeit ist
im Privatrecht die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, im
Strafrecht für die wenigen auch fahrlässig begehbaren Straftaten der Vorwurf,
dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht nicht erkannt oder die daraus
folgende Sorgfaltsanforderung nicht erfüllt hat, obwohl er dazu nach seinen
persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens imstande
gewesen wäre. Im römischen Recht wird erst zu Beginn der klassischen Zeit an
die an ein Handeln gebundene F. (lat. [F.] → culpa) die zunächst auf den
Vorsatz beschränkte Folge angeknüpft. Dies gilt allmählich auch für Verträge.
Bei Justinian hat der Schuldner eine allgemeine Pflicht zur Sorgfalt (lat. [F.]
→ diligentia), mit deren schuldhafter Verletzung er eine Nachlässigkeit
(lat. [F.] → neglegentia) begeht. Innerhalb der (lat. [F.]) culpa wird
die grobe F. dem Vorsatz gleichgehalten. Im Frühmittelalter kennen die Quellen
eine Reihe von Tätigkeit-Erfolgs-Beziehungen, bei denen kein Vorsatz angenommen
wird (Ungefährwerk). Die Folgen sind allerdings durchaus unterschiedlich, wobei
am Ende des Mittelalters eine Tendenz zur schwächeren Folge für den nicht
gewollten Erfolg überwiegt. Ziemlich klar unterscheidet die Constitutio
Criminalis Carolina (1532) vorsätzliche Tötung, fahrlässige Tötung und
zufällige Tötung. Daran knüpft die weitere Entwicklung an, in der seit dem 19.
Jh. eine Legaldefinition der strafrechtlichen F. vermieden wird.
Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 158, 204; Bruck, F., Zur Lehre von der Fahrlässigkeit, 1885;
Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Hippel. R. v., Die Grenze
von Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1903; Exner, F., Das Wesen der Fahrlässigkeit,
1910, 12; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 90,
Neudruck 1964; Wiegand, H., Rechtspolitische Untersuchungen über die Stufen der
Fahrlässigkeit, 1925; Engisch, K., Untersuchungen über Vorsatz und
Fahrlässigkeit, 1930, Neudruck 1964; Tobler, R., Fahrkässigkeit im Zivil- und
Strafrecht, 1931; Plass, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur qualifizierten
Fahrlässigkeit, 1932; Ziegler, W., Fahrlässigkeit und Gefährdung, 1935;
Brehmer, I., Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1935; Nörr, D., Die
Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, 1960; Deutsch, E.,
Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963; Jescheck, H., Aufbau und
Behandlung der Fahrlässigkeit im modernen Strafrecht, 1965; Hoffmann, H., Die
Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968; Köbler, G.,
Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP
1969, 404; Holl, T., Entwicklungen der Fahrlässigkeitsdogmatik im Strafrecht
von Feuerbach bis Welzel, 1992; König, V., Die grobe Fahrlässigkeit, 1998;
Rösler, H., Haftungsgründe und -grenzen für fahrlässiges Verhalten, 1999;
Schrage, E., Negligence, 2001; Mikus, R., Die Verhaltensnorm des fahrlässigen
Erfolgsdelikts, 2002; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004
Fahrnis (Fahrhabe) ist die
bewegliche (mobile) Sache, die ohne Verletzung von einem Ort zu einem anderen
Ort gefahren bzw. bewegt werden kann (z. B. Kleid, Tier, Marktbude). Auf die
Beweglichkeit einer Sache stellt das römische Recht nur in wenigen Einzelheiten
(z. B. Ersitzung, Besitzschutz, später besondere Form des Kaufs unbeweglicher
Sachen) ab. Im mittelalterlichen deutschen Recht kann über F. schon früh frei
verfügt werden, unterliegt F. in der Ehe vielfach anderen Regeln hinsichtlich
der Nutzung, Verwaltung und Verfügung und gibt es an F. keine mehrfache und
keine ideelle Gewere. Möglich sind aber Entliegenschaftung und
Verliegenschaftung einer Sache. In der Neuzeit verblassen die Unterschiede
unter dem Einfluss des römischen Rechts, doch regelt beispielsweise noch das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) den Erwerb von Rechten an beweglichen
Sachen (z. B. Einigung und Übergabe) einleuchtenderweise anders als den Erwerb
von Rechten an unbeweglichen Sachen (z. B. Auflassung und Eintragung).
Lit.: Kaser § 15 I; Hübner 182, 430; Kroeschell, DRG 2;
Estlander, E., Bidrag till en undersökning om klander, 1900; Meyer, H.,
Entwerung und Eigentum, 1902; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation,
ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Hübner, H., Der Rechtsverlust im
Mobiliarsachenrecht, 1955
Fahrnisgemeinschaft ist
im Ehegüterrecht die → Errungenschaftsgemeinschaft (betreffend Fahrnis
und Liegenschaften), in der auch die voreheliche → Fahrnis den Eheleuten
gemeinschaftlich zusteht. Sie ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) aufgenommen. Seit 1. 7. 1958 kann die F. in Deutschland nicht mehr
vereinbart werden.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 18
faida → Fehde
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schumann, E.,
Unrechtsausgleich im Frümittelalter, Habilitationsschrift Leipzig 2003
Faktorei ist seit dem Spätmittelalter
die kaufmännische Niederlassung außerhalb des Hauptsitzes des Unternehmens (z.
B. Kontore der Hanse im Nordseeraum und Ostseeraum, Fondaco dei Tedeschi in
Venedig, Zweigniederlassung), vor allem im Kolonialhandel.
Lit.: Bürger, R., Die
Organisation der Fuggerschen Faktoreien, 1955; Wirtschaft und Handel der
Kolonialreiche, hg. v. Schmitt, E., Bd. 4 1988
Fakultät ist die Fachabteilung der Universität. Im Mittelalter ist die Universität meist in die vier Fakultäten der Artisten, Theologen, Juristen und Mediziner gegliedert. Ihre Geschäfte leitet der Dekan. Seit dem 19. Jh. hat sich die Zahl der Fakultäten vermehrt. Seit 1970 sind in Deutschland die Fakultäten an vielen Orten in Fachbereiche umbenannt und teilweise aufgegliedert.
Lit.: Köbler, DRG 99, 143; Baltl/Kocher; Wretschko, A. v.,
Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck, FS zum
27. Deutschen Juristentag 1904, 101; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der
Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Dickel, G., Die Heidelberger
juristische Fakultät, 1961; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät
der Universität Basel, 1962; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät
1477-1534, 1972; Schikora, A., Die Spruchpraxis der juristischen Fakultät zu
Helmstedt, 1972; Cobban, A., The medieval University, 1975; Festschrift der
juristischen Fakultät Heidelberg, 1986; Artisten und Philosophen –
Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät, hg. v. Schwinges, R.,
1999; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu
Jena, Diss. jur. Jena 2007
fakultativ (Adj.) möglich, nicht zwingend (z. B. Zivilehe)
Falkenstein
Lit.: Codex Falkensteinensis,
bearb. v. Noichl, E., 1978
Fall (lat. [M.] casus) ist die durch
die Anziehungskraft der Erde bewirkte senkrechte ungewollte Ortsveränderung.
Wegen der damit vielfach verbundenen nachteiligen Folgen wird als F. auch das einzelne
rechtlich bedeutsame Geschehen bezeichnet. Einzelne Rechtsordnungen werden
durch die gerichtlichen Entscheidungen der Fälle geprägt (z. B. Rom,
angloamerikanisches Recht). Als berühmte einzelne Fälle gelten etwa das
Strafverfahren gegen Sokrates, die (lat. [F.]) causa Curiana (1. Jh. v. Chr.),
der Prozess Jesu, der Prozess der Iusta, der Ehestreit Lothars II. (ab 859),
der Prozess gegen Heinrich den Löwen (1180), der Prozess gegen Galileo Galilei
(1633), die Prozesse des Müllers Arnold (um 1779), das Strafverfahren gegen
Alfred Dreyfus (1894), das Strafverfahren wegen Entziehung elektrischen
Stromes (1896) u. a.
Lit.: Mit den Augen der
Rechtsgeschichte - Rechtsfälle selbstkritisch kommentiert, hg. v. Luminati, M.
u. a., 2008; Fälle aus der Rechtsgeschichte, hg. v. Falk, U. u. a., 2008
Fallrecht ist die auf richterlichen Entscheidungen beruhende Rechtsordnung. F. sind das klassische → römische Recht und das → englische Recht (case-law) sowie die päpstliche Rechtsprechung seit dem 12. Jh. Ansätze zu einem F. finden sich auch in Deutschland (mittelalterliche Schöffensprüche, Entscheidungen des Reichskammergerichts), können sich jedoch wegen der Aufnahme des römisch-justinianischen Gesetzesrechts, des Gesetzgebungsanspruchs der Landesherren und des Fehlens einer durchsetzungsfähigen Höchstgerichtsbarkeit nicht ausreichend entwickeln und durchsetzen. Dennoch besteht F. auch nach Erlass der Vernunftrechtsgesetzbücher in der Praxis in den Fallsammlungen der Höchstgerichte (z. B. Reichsgericht, Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Europäischer Gerichtshof). Allerdings ist das F. auf dem europäischen Kontinent dem vor allem seit dem 18. Jh. kodifikativ ausgebauten Gesetzesrecht grundsätzlich untergeordnet, während in England das Parlament kein Rechtsetzungsmonopol beansprucht und sich die stare-decisis-Vorstellung 1898 zum (1966 aufgehobenen) Prinzip verfestigt. Daneben ist F. auch das Rückfallrecht von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen an die Familie, aus der sie gekommen sind.
Lit.: Kaser § 2; Köbler, DRG 31; Gál, A., Der Ausschluss
der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 298ff., 468ff.; Esser, J.,
Grundsatz und Norm, 1956; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der
Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959;
Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974;
Weller, H., Die Bedeutung der Präjudizien im Verständnis der deutschen
Rechtswissenschaft, 1979; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat,
1986; Case-Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., 1997; Müßig, U., Geschichte
des Richterrechts und der Präjudizienbildung auf dem europäischen Kontinent,
ZNR 28 (2006), 79ff.; Reimann, M., Die Erosion der klassischen Formen, ZNR 28
(2006), 209ff.; Vogenauer, S., Zur Geschichte des Präjudizienrechts in England,
ZNR 28 (2006), 48ff.
Falsa demonstratio non nocet (lat.). Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Gaius, um 120-um 180, Digesten 35, 1, 17, pr.)
Falschaussage → Meineid
Lit.: Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990
Falsche Verdächtigung ist der
1871 in das Strafgesetzbuch Deutschlands eingefügte, die wahrheitswidrige
Verdächtigung eines anderen betreffende Tatbestand des § 164 StGB.
Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165
StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003
Falschmünzer ist der Münzen fälschende Täter.
Fälschung ist die zu betrügerischem Zweck vorgenommene Veränderung oder Nachbildung eines Gegenstandes (z. B. Münze, Bild). Einzelne Fälschungshandlungen erwähnt bereits das altrömische Zwölftafelgesetz (Falschaussage 8,23, Richterbestechung 9,3). Seit dem 1. Jh. v. Chr. bilden sich Fälschungsdelikte (lat. crimina [N.Pl.] falsi) als besondere Gruppe (falsum) aus (Testament, Urkunde, Grenze, Münze, Maß, Gewicht usw.), neben die um 200 n. Chr. der „Betrug“ (lat. [M.] stellionatus, D. 47, 20, 3, 1) tritt. Im Frühmittelalter verschmelzen die Tatbestände des römischen Rechts zu Deliktsfiguren, die nur noch wenige Ähnlichkeiten mit ihren Vorbildern haben. Im Hochmittelalter werden etwa falsche Maße und Gewichte oder der Verkauf verfälschter Waren wie Diebstahl behandelt. Dagegen fasst das spätmittelalterliche gelehrte Recht (z. B. Klagspiegel 1436/1442) die Fälschungsdelikte zu einem einheitlichen (lat. [N.]) crimen falsi zusammen, zu dem (lat. [M.]) → stellionatus ein qualifizierter Sonderfall ist. Im 19. Jh. werden im Code pénal Frankreichs (1810) → Betrug und Fälschung voneinander getrennt. Dem folgen die deutschen Strafgesetzbücher (Bayern 1813, Baden 1845, Preußen 1852, Reich 1871) im Wesentlichen.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Binding, K., Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Teil 2, 2,
1901; Beyerle, K., Die Urkundenfälschungen des Kölner Burggrafen Heinrich III.,
1913; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Fuhr,
L., Zur Entstehung und rechtlichen Bedeutung der mittelalterlichen Formel ane argliste
unde geverde, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Fuhrmann, H., Die Fälschungen
im Mittelalter, HZ 197 (1963), 529; Kocher, E., Überlieferung und
ursprünglicher Anwendungsbereich der Lex Cornelia de falsis, 1965; Hupe, E.,
Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1968; Kausch, W., Die
Entwicklung des Falsum von der Carolina zur Aufklärung, 1971; Lorenz, W., Die
Falschbeurkundung, 1976; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd.
1ff. 1987ff.; Fuld, W., Das Lexikon der Fälschungen, 1999; Topper, U.,
Fälschungen der Geschichte, 2001; Fortschritt durch Fälschungen? hg. v.
Hartmann, W. u. a., 2002; Fezzi, L., Falsificazione di documenti pubblici nella
Roma tardorepubblicana, 2003; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2006
Falsum (lat. [N.]) ist
die im klassischen römischen Recht als Straftat erfasste → Fälschung, für
die Sulla an der Wende vom 2. zum 1. Jh. eine eigene Untersuchungsbehörde
einrichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen
Kriminalverfahrens, 1962
Familia (lat. [F.])
ist im frühen Mittelalter nach antikem Vorbild vor allem der zu einer
Grundherrschaft gehörige Personenverband.
Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Baltl/Kocher;
Weizsäcker, W., Die familia des Klosters St. Emmeram in Regensburg, Verhandl.
d. histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 92 (1951), 1; Bosl, K., Die
„familia“, Z. f. bay. LG. 38 (1975), 403; Kuchenbach, L., Bäuerliche
Gesellschaft und Klosterherschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Scherner, K., Ut
proprian familiam nutriat, ZRG 111 (1994), 330; Paludan, H., Familia og
Familie, 1995; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des
Spätmittelalters, 1993
familiae emptor (lat. [M.]) Erbschaftskäufer
Familie ist der
Kreis der durch Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft verbundenen Menschen,
insbesondere die Ehegatten und ihre Kinder. Im Altertum wird die F. als von der
Natur des Menschen gegeben eingestuft. Vermutlich sind sich bereits die
Indogermanen der F. bewusst. Vielleicht mit der Sesshaftwerdung bildet sich in
Rom die auf dem Einzelhof lebende, aus Familienvater, Ehefrau und Kindern
(sowie Gesinde) bestehende F. Dem dürfte auch die F. der Germanen entsprochen
haben. Sie ist Wirtschaftsgemeinschaft. Die durchschnittliche Zahl der
Geburten einer Frau dürfte wegen der hohen Sterblichkeit und der längeren
Stillzeiten fünf nicht überschritten haben. Die F. steht meist unter der
Personalgewalt (munt) des Hausvaters, die mit Emanzipation, Abschichtung oder
Verheiratung endet. Mit der Christianisierung verbessert sich die Stellung der
Frau in der F. Seit der Neuzeit entdeckt der Staat sein Interesse an der
Kindererziehung. Mit der Industrialisierung wird die F. zur bloßen Verbrauchsgemeinschaft.
Mit dem 19. Jh. lockern sich auch die familienrechtlichen Bindungen, so dass
das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die F. eher als Summe rechtlicher
Einzelbeziehungen versteht. Im 20. Jh. ändert sich vielleicht als Folge des
allmählichen Zurücktretens der körperlichen Arbeit die F. grundlegend.
Dementsprechend stellt Art. 199 I der Weimarer Reichsverfassung fest, dass
Grundlage der F. die auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beruhende Ehe
ist. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hebt alle den
Gleichberechtigungsgrundsatz verletzenden Bestimmungen auf. In der
Bundesrepublik entsteht infolge Nichterfüllung eines Auftrags des Grundgesetzes
zum 1. 4. 1953 ein gesetzloser Zustand, den das Bundesverfassungsgericht am
18. 12. 1953 durch Anerkennung der Gleichberechtigung hilfsweise schließt. Am
18. 6. 1957 verabschiedet der Bundestag ein am 1. 7. 1958 in Kraft tretendes
Gleichberechtigungsgesetz, das durch das Bundesverfassungsgericht am 29. 7.
1959 teilweise aufgehoben wird. Danach tritt in an die Stelle der väterlichen
Gewalt die gemeinschaftliche Leitung der F. durch Mann und Frau. 1979 wird die
gemeinsame → elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge ersetzt.
Tatsächlich treten neben die durch die Ehe gekennzeichnete F. nichteheliche
Lebensgemeinschaft und gleichgeschlechtliche Partnerschaft.
Lit.: Kaser § 12; Söllner §§ 4, 5, 8, 12, 18; Hübner 615;
Köbler, DRG 129, 209, 238, 252, 267; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975,
253; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und
Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Schulz, W., Die germanische Familie der
Vorzeit, 1925; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77
(1960), 1; Möller, H., Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert, 1969;
Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Scheffler,
E., Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der
Rechtsordnung seit 1918, 1970; Weber-Kellermann, I., Die deutsche Familie,
1974; Montanos, E., La familia en la Alta Edad Media española, 1980; Maschke,
E., Die Familie in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, 1980; Familie
zwischen Tradition und Moderne, hg. v. Bulst, N., 1981; Gaunt, D., Familjelivi
i Norden, 1983; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v.
Haverkamp, A., 1984; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984),
117; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, 2002; Burguière, A. u.
a., Histoire de la famille, 1986; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988;
Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Rosenbaum, H.,
Formen der Familie, 5. A. 1990; Haushalt und Familie, hg. v. Ehlert, T., 1991;
Dixon, S., The Roman Family, 1992; Rachel, C., Die Diskussion um den
französischen Familienrat in Deutschland im 19. Jahrhundert, 1994; Geschichte
der Familie, hg. v. Burguière, A. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Historische
Familienforschung, hg. v. Ehmer, J. u. a., 1997; Rothenbacher, F., Historische
Haushalts- und Familienstatistik, 1997; The Roman Family, hg. v. Rawson, B. u.
a., 1997; Schumann, E., Die nichteheliche Familie, 1998; Gestrich, A.,
Geschichte der Familie, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Die
jüdische Familie, hg. v. Keil, M. u. a., 1999; Peters, U., Dynastiegeschichte und
Verwandtschaftsbilder, 1999; Gestrich, A. u. a., Geschichte der Familie,
2003; Heinemann, R., Familie zwischen Tradition und Emanzipation, 2004; Kuller,
C., Familienpolitik im föderativen Sozialstaat, 2004; Schneiders, U.,
Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Le médiéviste et la
monographie familiale, hg. v. Aurell, M., 2004; Klippel, D., Familienpolizei,
FS Dieter Schwab, 2005; Köbler, G., Familienrecht im geschichtlichen Wandel
(in) Recht als Erbe und Aufgabe, 2005, 355ff; Bauszus, S., Der Topos von der
Großfamilie, 2006; Familiensozialisation seit 1933, hg. v. Gebhardt, M. u. a.,
2007; Gendering the Fertility Decline in the Western World, hg. v. Janssens,
A., 2007; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2007
Familienfideikommiss ist
die auf rechtsgeschäftlicher Stiftung beruhende Bindung des Vermögens (z. B.
auch Grundstück, Haus, Bibliothek) einer Familie im Mannesstamm ohne Bildung
einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Solche Stiftungen des niederen Adels, die
dieselben Wirkungen wie die auf Rechtsetzungsgewalt beruhenden Hausgesetze der
späteren Landesherren anstreben, sind in England seit dem 8. Jh., in
Deutschland seit dem 11. Jh. bezeugt. Sie nehmen in der Neuzeit seit dem
dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zu. Philipp Knipschild formuliert 1654 (De
fideicommissis familiarum nobilium, Über die Fideikommisse der adligen
Familien) die dafür aus dem römischrechtlichen (lat. [N.]) fideicommissum der
justinianischen Novelle 159 und dem lehnrechtlichen Gedanken einer (lat.)
successio (F.) ex pacto et providentia maiorum (Nachfolge aus Vertrag und
Voraussicht der Vorfahren) entwickelte Theorie vorbildlich. Danach ist
Eigentümer des durch schriftliche Willenserklärung errichteten
Familienfideikommisses (evtl. Eintragung und staatliche Genehmigung notwendig)
der oder gesamthänderisch die jeweiligen Inhaber. Veräußerungen und Belastungen
sind nichtig. Meist folgt der älteste Sohn nach. Schon Montesquieu (1748)
bekämpft den F. aus wirtschaftlichem Grund. 1804 wird der F. im Gebiet des
französischen Rechts aufgehoben. Dem passt sich die (gescheiterte) deutsche
Reichsverfassung von 1848/1849 an. In Preußen wird die 1850 verfügte Aufhebung
später wieder beseitigt. Art. 155 II der Weimarer Reichsverfassung setzt die
Auflösung fest, ein Reichsgesetz vom 6. 7. 1938 beschleunigt sie (erloschen zum
1. 1. 1939, vgl. das Bundesgesetz vom 28. 12. 1950/3. 8. 1967). Vielfach ist
der F. in eine Stiftung überführt.
Lit.: Kaser § 77; Söllner § 17; Hübner 337; Köbler, DRG
123, 162, 210, 231; Lewis, W., Das Recht der Familienfideikommisse, 1868,
Neudruck 1969; Bruckner, F., Zur Geschichte des Fideicommisses, 1893; Hager,
P., Familienfideikommiss, 1897; Kunsemüller, E., Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse,
1909; Sautier, A., Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern,
1909; Meyer, H., Die Anfänge des Familienfideikommisses in Deutschland,
FG R. Sohm 1914, 225; Seelmann, W. u. a., Das Recht der Familienfideikommisse,
1920; Horsten, F., Die Familien-Fideikommiss-Politik in Preußen, 1924; Hausgeschichte
und Diplomatarium der Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v.
Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Klässel, O./Köhler, K., Die Zwangsauflösung der
Familienfideikommisse, Bd. 1 1932; Koehler, K./Heinemann, E., Das Erlöschen der
Familienfideikommisse, 1940; Söllner, A., Zur Rechtsgeschichte des
Familienfideikommisses, FS M. Kaser, 1976, 657; Bar, C. v./Striewe, P., Die
Auflösung der Familienfideikommisse, ZNR 3 (1981), 184; Eckert, J., Der Kampf
um die Familienfideikommisse, 1992; Eckert, J., Use, Trust, strict Settlement,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bayer, B., Sukzession und
Freiheit, 1999; Trott zu Solz, T. v., Erbrechtslose Sondervermögen, 1999;
Brandner, B., Die Auflösung der Familienfideikommisse in Thüringen, 2000
Familiengericht ist
die in Deutschland am 1. 7. 1977 geschaffene Gerichtsbarkeit in Familiensachen
am → Amtsgericht. Das F. entwickelt sich am Beginn des 20. Jh.s aus dem
Jugendgericht in den Vereinigten Staaten. Nach 1920 wird es in Japan
aufgenommen.
Lit.: Röhl, Das Familiengericht in
Japan, NJW 1957, 12; Erdsiek, G., Der Family Court in USA, NJW 1961, 1066;
Peschel-Gutzeit, L., 25 Jahre Familiengerichte in Deutschland, NJW 2002, 2737
Familiengesetzbuch ist
das am 20. 12. 1965 zur Neuordnung des Familienrechts in der → Deutschen
Demokratischen Republik geschaffene Gesetzbuch (Egalisierung im Namensrecht,
erleichterte Scheidung ohne Unterhaltsansprüche, Errungenschaftsgemeinschaft,
Erziehung der Kinder zu Erbauern des Sozialismus).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Douma, E., Die Entwicklung des
Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Schneiders, U.,
Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Fischer-Langosch, P., Die
Entstehungsgeschichte des Familiengesetzbuches der DDR von 1965, 2006
Familienrecht ist
die Gesamtheit der die → Familie betreffenden Rechtssätze. Sachlich
erfasst sind davon in erster Linie das Verhältnis von Mann und → Frau in
der Ehe, die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sowie die →
Vormundschaft, → Pflegschaft und → Betreuung. Die Erfassung der
gesellschaftlichen Gegebenheiten durch das Recht ist erst allmählich erfolgt.
Einen bedeutsamen Anteil hieran hat die christliche Kirche mit ihrer
sakramentalen Ehevorstellung. Als besonderes Rechtsgebiet erscheint das F. erst
im späten 18. Jh. Seitdem wird es zunehmend geprägt von der Emanzipation der
Frau. Tatsächlich bedeutsam wird seit etwa 1970 die medizinische Entdeckung der
medikamentösen Empfängnisverhütung. Seit 1. 1. 2008 ist das F. in Deutschland
nochmals erheblich verändert, das Familienverfaqhrensrecht seit 1. 9. 2009
(Abschaffung des Vormundschaftsgerichts, Erweiterung der Zuständigkeit des
Familiengerichts)..
Lit.: Kaser §§ 12, 58; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der
deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Dargun, L., Studien zum ältesten
Familienrecht, 1892; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts, 1962;
Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts, 1964;
Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970;
Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bextermöller, C., Das
Familienrecht in den Systemen der Pandektistik, 1970; Dörner, H.,
Industrialisierung und Familienrecht, 1974; Buchholz, S., Savignys
Stellungnahme zum Ehe- und Familienrecht, Ius commune 8 (1979), 148; Die
Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs
eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Familienrecht 3 Teile,
1983; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, (in)
Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A.,
1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Zur
Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Das
Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W.,
1993; Ramm, T., Familienrecht – Verfassung, Geschichte, Reform, 1996; Vaupel,
H., Die Familienrechtsreform, 1999; Frank, R., 100 Jahre BGB, Familienrecht
zwischen Rechtspolitik, Verfassung und Dogmatik, AcP 200 (2000), 400; Franzius,
C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Wellenhofer, M., Das neue
Familienrecht, JuS 2009,673
Familienstammgut
ist das seit dem 13. Jh. kraft Hausgesetzes des Hochadels (meist mit Zustimmung
des Kaisers des Heiligen römischen Reiches) einer besonderen Erbfolge
(ungeteilte Ältestenerbfolge) unterworfene Gut. Ziel ist die Wahrung der
Herrschaftsstellung. Wem dabei das Eigentum zusteht, ist noch im 19. Jh.
streitig. Nach einem Gesetz des deutschen Reiches vom 6. 7. 1938 erlöschen alle
bestehenden, nicht in Stiftungen umgewandelten Familienstammgüter mit dem 1.
1. 1939.
Lit.: Zimmerle, L, Das deutsche Stammgutsystem, 1857; Schulze,
H., Erb- und Familienrecht der deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871;
Nöthiger, R., Familienfideikommisse, Stammgüter und standesherrliche
Hausgüter, 1932; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse in
Deutschland, 1992
Fara ist das langobardisch(-burgundisch)e Wort des 6./7. Jh.s für die Fahrtgenossenschaft der Völkerwanderungszeit bzw. die Familie oder das Geschlecht.
Lit.: Köbler, WAS; Fasoli, G., I Langobardi in Italia,
1965, 50; Cavanna, A., Fara, 1967; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden,
1982, 47; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und
Gruppen in den Leges Barbarorum, 1991
Farbe ist der Eindruck, den der Mensch
mit einem unbewegten Auge von einem im Licht befindlichen Gegenstand wahrnimmt.
Mit dem Eindruck kann der Mensch Vorstellungen verbinden (z. B.
Nationalfarben, Rubrum des Urteilskopfes, rote Robe). Mit ihnen befasst sich
vor allem die rechtliche Volkskunde.
Lit.: Grumm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899; Meyer, H., die rote Fahne, ZRG Ga 50
(1930), 310ff.; Haupt, G., Die Farbe in der sakralen Kunst des abendländischen
Mittelalters, 1941; Lauffer, O., Farbe im deutschen Volksbrauch, 1948; Gage,
J., Kulturgeschichte der Farbe, 1994; Schwartzkopff, A., Die Schutzfähigkeit
von Farben als Marken, 2002; Münch, I. v., Farben und Recht, 2006; Thurn, H.,
Farbwirkungen, 2007
Faschismus ist die politische Bewegung mit nationalistischer totalitärer Zielsetzung, die ihren historischen Ausgang von Benito Mussolini (Italien 23. 3. 1919 fasci di combattimento) genommen hat. Ihr verbunden fühlen sich rasch Adolf → Hitler im Deutschen Reich, Frncisco Franco in Spanien und andere. Nach dem zweiten Weltkrieg (1939-1945) wird der F. weltweit geächtet.
Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1975, 329; Nolte, E., Der Faschismus, 9. A. 1984; Turner, H., Faschismus und
Kapitalismus in Deutschland, 1972; Wippermann, W., Faschismustheorien, 6. A.
1995; Payne, S., The History of Facism, 1995; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 40 I; Faschismus und Gesellschaft in Italien,
hg. v. Petersen, J. u. a., 1998; Sternhell, Z. u. a., Die Entstehung der
faschistischen Ideologie, 1999; Kühnl, R., Der deutsche Faschismus, 7. A. 2000;
Nolte, E., Der Faschismus in seiner Epoche, 5. A. 2000; Payne, S., Geschichte
des Faschismus, 2001; Reichardt, S., Faschistische Kampfbünde, 2002; Nietzsche,
Godfather of Facism?, hg. v. Golomb, J. u. a., 2002; Classen, C., Faschismus
und Antifaschismus, 2004; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus, 2005;
Bauerkämper, A., Der Faschismus in Europa 1918-1945, 2006; Somma, S., Nicht
einen Nagel habt ihr entfernt, ZRG 125 (2008), 314; Wippermann, W., Faschismus,
2009
Faustpfand ist das
dem Pfandgläubiger zu unmittelbarem Besitz übergebene → Pfand, dessen
Name sich von der unrichtigen Verbindung von (lat. [N.]) pignus, Pfand mit
(lat. [M.]) pugnus, Faust ableitet. Im römischen Recht ist das Pfand teils
Besitzpfand, teils besitzloses Pfand. Im deutschen Pfandrecht ist das Pfand
zunächst F., doch entwickelt sich im Hochmittelalter an einigen für den Schuldner
schwer entbehrlichen Sachen auch ein besitzloses Pfand (neuere Satzung an
Fahrnis). Trotz der Aufnahme des römischen Rechts bleibt das (dadurch
zurückgedrängte) F. bestehen und wird in die Hypothec- und Concursordnung
Preußens (1722), das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) und in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Die deutsche Rechtswirklichkeit des 20. Jh.s
zieht die → Sicherungsübereignung vor.
Lit.: Kaser § 31 III; Köbler, DRG 126, 164, 213; Hromadka,
W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Mitteis, H./Lieberich, H.,
Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 39
Faustrecht (1467) ist die
Bezeichnung für den Zustand der menschlichen Gesellschaft, in dem sich jeder
sein Recht mit eigener Faust (Selbsthilfe) zu erkämpfen versucht. Insofern ist
ein rechtsfreier Urzustand ein Zustand des Faustrechts, dem als Gegensatz der
moderne, zunehmend besser bewertete Rechtsstaat gegenübersteht, in dem alle
Verhältnisse rechtlich geordnet sind und grundsätzlich alle einzelnen
Interessen im Streit der Durchsetzung durch den gewaltmonopolistischen Staat
bedürfen.
Lit.: Wendt, O., Das Faustrecht, 1883;
Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007
favor (lat. [M.]) Gunst, Begünstigung (z. B. im Zweifel für Gültigkeit oder
für Freiheit)
favor (M.) iuris (lat.) Rechtswohltat
Favor (M.) libertatis (lat.)
ist im spätrömischen Recht die im Zweifel im Rechtsstreit um die Freiheit
gewährte Begünstigung der Freiheit.
Lit.: Kaser §§ 13, 15; Söllner § 12;
Köbler, DRG 57
Favor (M.) testamenti (lat.)
ist im römischen Recht die bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten im Zweifel
gewährte Begünstigung des nur unentgeltliche Verfügungen enthaltenden
Testamentes gegenüber Geschäften unter Lebenden.
Lit.: Kaser § 68 I; Köbler, DRG 60
Favre (Faber),
Antoine (1557-1624) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Turin 1585
Mitglied und 1610 Präsident des Gerichtshofes von Savoyen, dessen Entscheidungen
er in dem nach dem justinianischen Codex systematisierten Codex Fabrianus
definitionum forensium (Faberschen Buch der gerichtlichen Erklärungen) 1609
veröffentlicht.
Lit.: Chevalier, L., Le président
Favre, TRG 20 (1952), 263, 456
FDGB (Freier Deutscher
Gewerkschaftsbund [in der Deutschen Demokratischen Republik])
Febronius, Justinus ist das Pseudonym
Johann Nikolaus von Hontheims (Trier 27. 1. 1701-Montquintin/Luxemburg 2. 9.
1790, Weihbischof von Trier), unter dem 1763 (lat.) De statu ecclesiae (Vom
Zustand der Kirche) erscheint, in dem der Gedanke der den Papst beschränkenden
Nationalkirchen unterstützt wird (Febronianismus).
Lit.: Mejer, O.,
Febronius, 2. A. 1885; Pitzer, V., Justinus Febronius, 1976
Februarpatent ist in → Österreich das dem → Oktoberdiplom folgende Patent vom 26. 2. 1861, das als Verfassung (Februarverfassung) des österreichischen Reiches einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion, Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der ungarischen Verfassung, Grundgesetz über die Reichsvertretung, neue Landesordnungen für die cisleithanischen Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern (Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht (, wobei die Abgeordneten von den Landtagen zu entsenden sind, 1873 Direktwahl) und damit den → Neoabsolutismus formal beendet. Das F. schafft ein zentrales System und bildet die erste Grundlage für den mit der → Dezemberverfassung 1867 begründeten Konstitutionalismus. In Ungarn wird das Grundgesetz über die Reichsvertretung von liberalen Kräften abgelehnt.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Rottenbacher, B., Das
Februarpatent in der Praxis, 2001 ist im
mittelalterlichen deutschen Recht der Zustand der rechtmäßigen, Verletzungen
fremder Menschen und Sachen erlaubenden Feindschaft zwischen dem Verletzten
(und seiner Verwandtschaft) und dem Rechtsbrecher (und seiner Verwandtschaft)
zwecks Durchsetzung eines bestehenden oder behaupteten Rechts. Die F. lässt
die Selbsthilfe zu und zwar auch in der Form der Blutrache. Neben ihr steht
wohl schon früh die Möglichkeit des Erfolgsausgleichs durch Verhandlung bzw.
Meinungsbildung oder Entscheidung Dritter. Im Frühmittelalter beginnen König
und Kirche die F. wegen ihrer unbefriedigenden, in der Nähe des Unrechts
stehenden Folgen zurückzudrängen. Deswegen enthalten die Volksrechte
umfangreiche Bußkataloge (→ Kompositionensystem). Im Hochmittelalter
wird in den Landfriedensbestimmungen das Mittel der peinlichen → Strafe
gegen die F. eingesetzt. Die F. wird auf den Adel beschränkt. Dem römischen
Recht und dem kanonischen Recht ist die F. unbekannt, so dass die Rezeption
eher zur Ablehnung der F. führt. Landfrieden von 1467, 1486 und schließlich der
ewige Landfriede von 1495 verbieten die F. umfassend. Gleichzeitig wird das
Reichskammergericht als Streitentscheidungsorgan verfügbar. Danach geht die
wohl noch gewohnheitsrechtlich legitimierte oder zumindest gewohnheitsmäßig
geübte F., wie sie beispielsweise auch der Berliner Kaufmann Hans Kohlhase von
1534 bis 1538/1540 führt, tatsächlich allmählich zurück. → Duell und →
Selbsthilfe bleiben Überreste auch in der Neuzeit.
Lit.: Köbler, LAW; Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und
Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas,
1911; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915;
His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 263, Neudruck
1964; Blockmans, F., Een patricische veete te Gent, Bulletijn der koninkl.
commissie van geschiedenis 99 (1935), 573; Goebel, J., Felony and misdemeanor,
1937; Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 2. A. 1942, 3. A. 1943, 4. A.
1959, 5. A. 1965; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage, 1941; Asmus, H.,
Rechtsprobleme des mittelalterlichen Fehdewesens, 1951; Kaufmann, E., Die Fehde
des Sichar, JusS 1 (1961), 85; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Obenaus,
H., Recht und Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Orth, E.,
Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, 1973; Sendler,
H., Über Michael Kohlhaas, 1985; Kaufmann, M., Fehde und Rechtshilfe, 1993;
Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994; Ritzmann, P., Plackerey in deutschen
Landen, 1995; Müller-Tragin, C., Die Fehde des Hans Kohlhase, 1997; Zmora, H.,
State and Nobility in Early Modern Germany, 1996; Althoff, G. Spielregeln der
Politik im Mittelalter, 1997; Vogel, T., Fehderecht und Fehdepraxis im
Spätmittelalter, 1998; Dießelhorst, M./Duncker, A., Hans Kohlhase, 1999; Graf,
K., Gewalt und Adel in Südwestdeutschland, 2000; Hoheitliches Strafen in der
Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Reinle, C.,
Bauernfehden, 2003; Hyams, P., Rancor and Reconciliation in Medieval England,
2003; Bechstein, E., Die Tierberger Fehde, 2004; Kortüm, H., Wissenschaft im
Doppelpass? Carl Schmitt, Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282
(2006), 561ff.; Feud in Medieval and Early Modern Europe, hg. v. Netterström,
J. u. a., 2007; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007;
Bernoth, C., Die Fehde des Sichar, 2008
Fehmarn
Lit.: Thon, H., Untersuchungen
zur Rechtsgeschichte der Insel Fehmarn, Zs. der Gesellschaft für
schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 117; Kramer, K., Fehmarner
Volksleben, 1982,
Fehr, Hans (Sankt Gallen 9. 11. 1874-Muri bei Bern 21. 11. 1961) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Berlin (Heinrich Brunner, Otto von Gierke, Josef Kohler), Bern (Eugen Huber) und Leipzig (Rudolf Sohm, Gerhard Seeliger) Professor für deutsche Rechtsgeschichte in Jena (1907), Halle (1912), Heidelberg (1917, Nachfolge Richard Schröders) und Bern (1924-1944). Seine Hauptwerke betreffen das Recht im Bilde (1923), das Recht in der Dichtung (1933) und die Dichtung im Recht (1937).
Lit.: Kunst und Recht, hg. v. Beyerle, F./Bader, K., 1948;
Bader, K., Hans Fehr, ZRG GA 80 (1963), XV; Jelowik, L., Tradition und
Fortschritt, 1998, 125f.
Feiertag ist
der kraft Rechts arbeitsfreie Arbeitstag. Die Arbeitsfreiheit des siebenten
Wochentages und der Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten geht auf die
jüdisch-christliche Tradition zurück. 1642 schränkt Papst Urban VIII. die zu
groß gewordene Zahl der katholischen Feiertage auf 34 jährlich ein. Seit dem
19. Jh. wird die staatliche Gesetzgebung entscheidend, auf die auch die an
bezahlter Arbeitsfreiheit interessierten Gewerkschaften (Tag der Arbeit) und
die ihr ablehnend gegenüberstehenden Arbeitgeber Einfluss nehmen. Im
ausgehenden 20. Jh. verringern wirtschaftliche Überlegungen (z. B.
Maschinenauslastung, Konsumsteigerung, Freizeitmerkantilisierung) die
Bedeutung des Feiertags.
Lit.: Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff.
1953ff.; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Grube, A., Der
Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in
Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003
Feigheit ist die Neigung des Menschen,
sein Handeln von Furcht vor Gefahren bestimmen zu lassen. Im
Militärstrafgesetzbuch Preußens von 1845 wird F. Straftatbestand. Auch nach §
6 Wehrstrafgesetz von 1957 entschuldigt Furcht vor persönlicher Gefahr nicht.
Lit.: Brinkkötter, H., Feigheit, Diss, jur. Marburg 1983
Feine, Hans Erich (Göttingen 21. 3.
1890, Tübingen 6. 3. 1965), Theologensohn, wird 1913 in Halle bei Paul Rehme
promoviert und nach Kriegsteilnahme und Assistentenzeit bei seinem
Schwiegervater Ulrich Stutz 1920 bei Paul Rehme in Breslau habilitiert. 1922
wird er Professor in Rostock, 1931 in Tübingen, wo er wegen seiner
Verbundenheit mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus 1946 amtsenthoben und
1952 emeritiert wird, 1955 aber seinen früheren Lehrstuhl wieder erhält. Seine
Verfassungsgeschichte der Neuzeit ist im Nationalsozialismus erfolgreich, seine
kirchliche Rechtsgeschichte unvollendet.
Lit.: Tausend Jahre
deutsche Reichssehnsucht und Reichswirklichkeit, 1935; Bader, K., Hans Erich
Feine, ZRG KA 51 (1965), XIff., Münchener rechtshistorische Studien zum
Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H., 1996
Feld ist das dem Ackerbau
unterworfene Grundstück (im Gegensatz zu Wiese und Wald).
Feldfrevel ist die ältere
Sammelbezeichnung für die Beschädigung eines fremden Feldes (z. B. Reiten über
fremdes Feld, Überpflügen, Übermähen). Der F. ist vor allem in Weistümern und
Polizeiordnungen behandelt (vgl. auch Art. 167f. CCC). Rechtsfolgen sind
vielfach Bußen und Schadenseratz.
Lit.: His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 224ff.
Feldservitut (F.) s. Servitut, Dienstbarkeit
Felonie (11. Jh.) ist der Treuebruch (im mittelalterlichen Lehnswesen) durch Nichterfüllung der Lehnspflichten (z. B. heimlicher Verkauf des Lehens, Verweigerung der Einlassung in einen Lehnsprozess, Tötung des Lehnsherrn. Die F. des Lehnsmanns berechtigt den Lehnsherrn zur Einziehung des Lehens, doch wird diese Folge in der Neuzeit abgemildert. Bei F. des Lehnsherrn kann der Lehnsmann eine → Fehde beginnen oder eine Klage erheben.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 542, 679; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937;
Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Theuerkauf,
G., Land und Lehnswesen, 1961; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von
Katzenelnbogen, 1969; Bellamy, J., The Law of Treason, 1970; Ganshof, F., Was
ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983, 104; Krieger, K., Die Lehnshoheit der
deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 400
Feme (Bund?,
Strafe?), mhd. veme, ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf die
Verbesserung der Rechtspflege durch Femegerichte abzielende Bewegung innerhalb
der Gerichtsbarkeit (vemenoten 1227, 1306, 1311 belegt). Zu diesem Zweck
entstehen seit dem (13. oder) 14. Jh. aus den westfälischen Freigerichten
besondere Femegerichte, die mit einem Freigrafen und 7 Freischöffen besetzt
sind. Die Angehörigen des Femegerichts sind in feierlicher Form in die
Geheimnisse der F. eingeweiht. Jeder Freischöffe ist verpflichtet, todeswürdiges
Unrecht zu rügen (Diebstahl, Raub, Gewalt gegen Kirchen, Mord, Meineid). Bei
Bedarf können die Freischöffen überall ein Notgericht durchführen und nach Überführung
den Täter sofort mit dem Strang richten. Missachtet ein Beschuldigter eine
Ladung, so wird das Verfahren in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt. Ohne
dass er das Urteil kennt, muss er jederzeit mit der Vollstreckung rechnen,
wenngleich anscheinend nur eine ziemlich geringe Zahl von Todesurteilen
tatsächlich vollstreckt wird. Die allmählich mit teilweiser königlicher
Unterstützung über das Reich (rund 15000-30000 Freischöffen) verbreitete F.
wird wegen der auftretenden Missbräuche seit der Mitte des 15. Jh.s
zurückgedrängt. Sie endet im 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wigand, P., Das Femgericht
Westfalens, 1825, 2. A. 1893, Neudruck 1968; Tross, L., Sammlung merkwürdiger
Urkunden für die Geschichte der Femgerichte, 1826; Usener, P., Die Frei- und
heimlichen Gerichte Westphalens, 18323; Duncker, H., Kritische Besprechung der
wichtigsten Quellen, ZRG GA 5 (1884), 116; Lindner, T., Die Veme, 1888, 2. A.
1896, Neudruck 1989; Schnettler, O., Die Veme, 1921, 2. A. 1933; Siedler, A.,
Geschichte des Niedergangs der westfälischen Femegerichte, 1935; Scherer, C.,
Die westfälischen Femegerichte und die Eidgenossenschaft, 1941; Veit, L.,
Nürnberg und die Feme, 1955; Harnisch, W., Anmerkungen zu neueren Ansichten
über die Feme, ZRG GA 102 (1985), 247; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am
Main, 1990; Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002; Schwob, U., Spuren der
Femgerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Tirol, 2009
Femegericht → Feme
Fememord (politischer Mord im 20. Jh.)
z. B. an Matthias Erzberger (1921) oder Walter Rathenau (1923)
Fenus (N.) nauticum (lat.) ist im klassischen römischen Recht das aus dem griechischen Recht kommende, ohne weiteres in unbeschränkter Höhe verzinsliche → Darlehen im Seerecht. Gehen die auf dem Schiff verladenen Sachen unter, so wird der Darlehensnehmer frei.
Lit.: Kaser §§ 34 IV 2, 39 I 3; Mathiass, B., Das foenus
nauticum und die geschichtliche Entstehung der Bodmerei, 1881; Schuster, S.,
Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Ferdinand I. (Alcalá
de Henares 10. 3. 1503-Wien 25. 7. 1564) ist der zweite Sohn Philipps von
Burgund und Johannas von Kastilien. Er vertritt seit 1521 seinen älteren Bruder
Kaiser Karl V. im Reich, erhält 1521/1522 die österreichischen Herzogtümer,
wird über (Heirat mit) Anna Jagiello von Ungarn am 23. 10. 1526/17. 12. 1526
zum König von Böhmen bzw. Ungarn gewählt, wird am 5. 1. 1531 römischer König
und am 14. 3. 1558 Kaiser des Heiligen römischen Reiches. Er begründet die
österreichische Linie der Habsburger. Bei seinem Tod werden die
österreichischen Länder in eine österreichische Linie, steirische Linie und
Tiroler Linie geteilt.
Lit.:
Buchholtz, F., Geschichte der Regierung Ferdinand des Ersten, Bd. 1ff. 1831ff.;
Ferdinand I., hg. v. Fuchs, M. 2002; González Navarro, R., Fernando I., 2003;
Kaiser Ferdinand I. 1503-1564, 2003
Fernhandel ist der
weiträumige Handel in Altertum und Mittelalter. Im Frühmittelalter wird der F.
vor allem von syrischen und jüdischen sowie auch friesischen, angelsächsischen
und normannischen Händlern betrieben. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft
dehnt sich der auch technisch verbesserte F. über weite Teile Europas aus und
geht in der Neuzeit in einen erdumspannenden F., Außenhandel oder Welthandel
über.
Lit.:
Warnke, C., Die Anfänge des Fernhandels in Polen, 1964; Untersuchungen zu Handel
und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa,
Teil 1ff. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel
frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1995; Fernhandel und Geldwirtschaft, hg.
v. Kluge, B., 1993; Mercati e Mercanti nell’alto medioevo, 1993; Stoob, H., Die
Hanse 1995; Nagel, J., Abenteuer Fernhandel, 2007
Ferrara
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007
Fertigung
Lit.: Müller, W.,
Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976
Fertigungsrecht
Lit.: Escher, A., Zur
Geschichte des zürcherischen Fertigungsrechtes, Jb. f. schweiz. Geschichte 32
(1907), 89
Fest ist die gemeinschaftliche Feier eines Ereignisses. Verschiedentlich werden auch rechtliche bedeutsame Ereignisse durch ein F. hervorgehoben (z. B. Friedensschluss, Heirat).
Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Fest und Festhistorik, hg. v.
Kopperschmidt, J. u. a., 1999; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und
Feste, 2000; Das Fest, hg. v. Maurer, M., 2004; Festrituale in der römischen
Kaiserzeit, hg. v. Rüpke, J., 2008
Festkrönung ist im
Mittelalter die (Wiederholung einer) Krönung an einem Fest.
Lit.:
Klewitz, H., Die Festkrönung der deutschen Könige, ZRG KA 28 (1939), 48ff.;
Brühl, C., Fränkischer Krönungsbrauch und das Problem der Festkrönung, HZ 194
(1962), 265ff.; Jäschke, K., Frühmittelalterliche Festkrönungen?, HZ 211
(1970), 556ff.
Festschrift
Lit.:
Bibliographie juristischer Festschriften, bearb. v. Dau, H., Bd. 1ff.
(1945-1961ff.), 1962ff.
Feststellungsklage ist
die auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage.
Lit.: Weismann, J., Die
Feststellungsklage, 1879
Festuca ist der
seit dem Frühmittelalter (→ Lex Salica, → Lex Ribvaria) als Rechtssymbol
verwendete Halm oder Stab. Eine f. wird etwa geworfen, wenn jemand einseitig
eine Bindung aufsagt (Exfestukation). Eine f. wird überreicht, wenn ein Recht
einverständlich übertragen werden soll. In der frühen Neuzeit verschwindet die
f.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 23; Köbler, LAW;
Michelsen, A., Über die festuca, 1856; Thévenin, M., Wadium et festuca,
Nouvelle Revue historique du droit, 1880, 69; Amira, K. v., Der Stab in der
germanischen Rechtssymbolik, 1909, 145; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio,
ZRG GA 83 (1966), 1
Festung ist der zum
Zweck der Verteidigung durch Bauwerke besonders (fest) gesicherte Ort in der
frühen Neuzeit. Die F. entsteht im 14./15. Jh. in Italien, als die schweren
Geschütze die bisherigen Befestigungen von Burg und Stadt entwerten. Führend im
Festungsbau wird danach Frankreich (Vauban 1633-1707). 1820 gibt es in Preußen
noch 24 Festungen. Spätestens die Erfindung der Luftwaffe lässt die nur
horizontal gesicherten Festungen wertlos werden.
Lit.: Menne, P., Die Festung des norddeutschen Raumes,
1942; Huber, R./Rieth, R., Festungen, 1979; Neumann, H., Festungsbaukunst und
Festungsbautechnik, 1988; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Burgen, Schlösser
und Festungen, 2004
Festungsbaustrafe ist
die in der zwangsweisen Mitwirkung im Bau einer → Festung bestehende
Strafe der frühen Neuzeit (z. T. bis 1867).
Lit.: Kleinschrod, G., Über die Strafe der öffentlichen
Arbeiten, 1789; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999; Ivanovic, I.,
Zwangsarbeit als Strafe, 2002
Festungshaft ist
die in einer → Festung vollzogene Freiheitsstrafe der mittleren Neuzeit.
Sie zieht keine Ehrenminderung nach sich. 1954 wird sie von den Alliierten
verboten, nach Wiederbelebung als Einschließung 1969 mit Einführung der
Einheitsfreiheitsstrafe aufgegeben.
Lit.: Wächter, C., Lehrbuch des römisch-deutschen
Strafrechts, Bd. 1 1825; Sonntag, K., Die Festungshaft 1872; Otto, W., Die
Festungshaft, Diss. jur. Jena 1939; Uhl, K., Grundlagen der Festungshaft, Diss.
jur. Tübingen 1840 (masch. schr.); Giesing, G., Entbehrlichkeit der
Festungshaft?, Diss. jur. Tübingen 1948 (masch. schr.); Jennings, G., Die
custodia honesta, Diss. jur. Köln 1965 (masch. schr.); Krause, T., Geschichte
des Strafvollzugs, 1999
Feudalismus (frz. feodalité 1722/1727) ist im
Sinne eines idealtypischen Ordnungsbegriffs die soziale, wirtschaftliche und
politische Ordnung einer Gesellschaft, in der eine (adlige) Oberschicht mit
Rechten an Land und anderen Gegenständen als Ausgleich für Kriegsdienste und
andere Dienste ausgestattet wird, im engeren Sinn das Lehnswesen. In Europa
entsteht der F. spätestens im Frühmittelalter. Er bleibt bis in das 19. Jh.
(1848) bestimmend, wenn er auch seit dem ausgehenden 18. Jh. bekämpft wird. →
Lehen
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 174; Baltl/Kocher;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 337; Beaudoin, E., Étude sur les
origines du régime féodal, 1889; Bloch, M., La société féodale, Bd. 1f. 1939f.;
Brunner, O., Feudalismus, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz, 1958, 10; Graus, F.,
Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus, Jb. f. Wirtschaftsgeschichte 1
(1961), 61; Feudalismus, hg. v. Wunder, H., 1974; Feudalismus, hg. v.
Kuchenbuch, L. u. a., 1977; Guerreau, A., Le féodalisme, 1980; Duby, H., Die
drei Ordnungen, 1981; Zum Problem des Feudalismus in Europa, 1981; Schulze, H.,
Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 1985; Feudalismus, hg. v.
Müller-Mertens, E., 1985; Strukturen der Grundherrschaft im frühen
Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Kroeschell, K., Lehnrecht und
Verfassung, 1997; Borgolte, M., Feudalismus, ZHF 25 (1998), 245ff.; Bloch, M.,
Die Feudalgesellschaft, 1999; Blickle, P., Kommunalismus, 2000; Die Gegenwart
des Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a., 2002; Fiefs et féodalité, hg. v.
Bonnassie, P., 2002
Feudistik (F.) Wissenschaft vom
(mlat.) feudum (N.) bzw. vom Lehnswesen bzw. vom Lehnsrecht
feudum (mlat. [N.]) Lehen, wahrscheinlich zu ahd. fihu (N.) Vieh, Erstbeleg Sankt Gallen 786, im 13. Jh. häufiger als (lat.) beneficium (N.), f. extra curtem (sachlich seit dem hohen Mittelalter, Wort 18. Jh.) Lehen außerhalb der eigenen Landesherrschaft
Lit.: Köbler, LAW; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929;
Krawinkel, H., Feudum, 1938; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger
Herkunft, 1973, 100ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2002
Feuerbach, Paul
Johann Anselm von (Hainichen bei Jena 14. 11. 1775-Frankfurt am Main 29. 5.
1833), unehelich geborenes Kind eines späteren Anwalts, wird nach dem Studium
von Philosophie und Recht in Jena (1795 Dr. phil., 1799 Dr. iur.) außerordentlicher
Professor in Jena, 1801 ordentlicher Professor, 1802 in Kiel und 1804 in
Landshut sowie nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit 1805 Verwaltungsbeamter in
München, 1814 Appellationsvizegerichtspräsident in Bamberg und 1817 Appellationsgerichtspräsident
in Ansbach. Auf Grund des 1801 erschienenen Lehrbuchs des gemeinen in
Deutschland gültigen peinlichen Rechts (Jede Zufügung einer Strafe setzt ein
Strafgesetz voraus - die Zufügung einer Strafe ist bedingt durch das Dasein der
bedrohten Handlung - die gesetzlich bedrohte Tat bedingt die gesetzliche
Strafe) wird ihm (1804) die Erarbeitung eines modernen → Strafgesetzbuchs
(1813) in → Bayern übertragen. Wegen seiner von der Aufklärung geprägten
Theorie des psychologischen Zwangs will er mit genauen Tatbeständen ([lat.] →
nullum crimen sine lege) jedermann von Verletzungen der Rechte anderer
abschrecken (→ Generalprävention durch Furcht vor Strafe) und dadurch die
wechselseitige Freiheit des Bürgers schützen. Im Verfahren setzt sich F. für
Öffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Daneben entwickelt er auch
kriminalsoziologische Vorstellungen.
Lit.: Köbler, DRG 181, 204; Feuerbach, L., Anselm Ritter
von Feuerbachs Leben, 1852; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck
1958; Radbruch, G., Paul Johann Anselm Feuerbach, 1934, 2. A. 1957, 3. A. 1969,
4. A. 1998 (auch in Radbruch-Gesamtausgabe); Blau, G., P. J. A. Feuerbach,
1948; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 543; Naucke, W., Kant und
die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Gallas, W., P. J. A.
Feuerbachs „Kritik des natürlichen Rechts“ 1964 (SB Heidelberg); Kipper, E.,
Johann Paul Anselm Feuerbach, 1969; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem
Strafgesetzbuch, 1978; Feuerbach, Paul Johann Anselm – Savigny, Friedrich Carl
von, 12 Stücke aus dem Briefwechsel, hg. v. Kadel, H., 1990; Neh, S., Die
posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Küper, W., Das Verbrechen am
Seelenleben, 1991; Feuerbach, P., Reflexionen, hg. v. Küper, W., 1993; Die
Bedeutung P. J. A. Feuerbachs, hg. v. Haney, G., 2003
Feuerschau ist die
im Spätmittelalter in den Städten und danach auch in den Dörfern entwickelte
regelmäßige amtliche Überprüfung aller Gebäude auf ihre Feuersicherheit, bei
der auch Geldstrafe oder Gefängnis verhängt werden kann.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff., 2, 367ff.
Feuerstrafe ist das
Verbrennen eines Täters. Die F. ist im Altertum bekannt. Sie ist im Frühmittelalter
selten. Mit dem peinlichen Strafrecht wird sie für Brandstiftung, Ketzerei und
Unzucht mit Tieren üblich (Sachsenspiegel Landrecht [1221-1224] II 13 § 7, CCC
[1532] Art. 109, 111, 116, 125, 172). Bald werden insbesondere Hexen verbrannt.
Als Folge der Aufklärung wird die F. seit dem 18. Jh. aufgegeben.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 639; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 502,
Neudruck 1964; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tod, 1988
Feuerversicherung ist
die Versicherung gegen Schäden an Sachen durch .Feuer. Erste Ansätze finden
sich bereits im Mittelalter. In der Neuzeit wird die F. Zwangsversicherung.
Lit.:
Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung in den Herzogtümern
Schleswig und Holstein, Bd. 1f. 1925f.; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte
und die Anfänge des deutschen Feuerversicherungsrechts, 1936
Feuerwehr ist die
Abwehr von Gefahren des Feuers meist durch gemeinsame Anstrengung mehrerer
Menschen. Sie beginnt als staatliche Leistung im Grunde mit der Schaffung von
Wächtern ([lat.] vigiles [M.Pl.] Wächter) in Rom unter Kaiser Augustus (27. v.
Chr.-14 n. Chr.). Im 19. Jh. treten freiwillige Feuerwehr in kleinen Gemeinden
und berufsmäßige Feuerwehr in Großstädten einander gegenüber.
Lit.: Wallat, K., Sequitur clades – Die Vigiles im antiken
Rom, 2004
Fiat iustitia et pereat mundus (lat.). Es muss Gerechtigkeit geübt werden und der Hochmut zu Fall
kommen (bzw. es muss Gerechtigkeit geschehen, selbst wenn die Welt darüber
zugrunde gehen sollte).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Anfang 16. Jh.)
Fichard, Johann
(Frankfurt am Main 23. 6. 1512-Frankfurt am Main 7. 6. 1580) wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg (1528), Freiburg im Breisgau (Ulrich Zasius) und
Basel (1530) sowie der Promotion in Freiburg im Breisgau am 28. 11. 1531
Advokat in Frankfurt am Main, 1532/1533 am Reichkammergericht in Speyer und
dann Syndikus in Frankfurt am Main und nach dem Studium in Padua 1536/1537
Anwalt und Berater in Frankfurt am Main. Seine wichtigsten Leistungen sind
neben den 1539 in Fortführung eines Werkes des Bernhard Rutilius
veröffentlichten (lat.) Vitae (F.Pl.) iurisconsultorum recentiorum
(Lebensbeschreibungen neuerer Rechtsgelehrter) (stark romanisiert) die
Gerichts- und Landesordnung der Grafschaften → Solms (1571) und die
revidierte Reformation der Stadt → Frankfurt am Main (1578).
Lit.: Köbler, DRG 143; Jung, R., Dr.
Johann Fichard, 1889; Rivier, A., Über die ars notariatus von Johann Fichard
(1539), ZRG RA 13 (1892), 356
Fichte, Johann Gottlieb (Rammenau bei
Bischofswerda 19. 5. 1762-Berlin 29. 1. 1814), Philosoph des deutschen
Idealismus (Jena 1794-1799, Erlangen 1805-1806, Königsberg 1806-1807, Berlin
1810) bestimmt das Recht im Sinne eines Verhältnisses der wechselseitigen
Freiheitsbeschränkungen, genannt Rechtsverhältnis, wobei schon im Naturzustand
das Rechtsgesetz den Einzelnen verpflichtet und ein Urrecht auf Freiheit,
Unantastbarkeit des Körpers und Eigentum verleiht.
Lit.: Verweyen, H.,
Recht und Sittlichkeit in Johann Gottlieb Fichtes Gesellschaftslehre, 1875;
Fichtes Lehre vom Rechtsverhältnis, hg. v. Kahlo, M., Pauly, W., Freiheit und
Zwang in Fichtes Staatsphilosophie (in) Recht, Idee, Geschichte, 2000, 591ff.
Ficker, Julius (Paderborn 30. 4. 1826-Innsbruck 10. 7. 1902) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Münster, Berlin und Bonn 1852 (bis 1879) Professor für Geschichte und zeitweise (1863) Rechtsgeschichte in Innsbruck, wo er zahlreiche unterschiedliche Fragen an Hand vorwiegend urkundlicher Quellen und später auch vergleichender Zielsetzungen untersucht.
Lit.:
Puntschart, P., Julius Ficker, ZRG GA 23 (1902), XIV; Jung, J., Julius Ficker,
1907; Brechenmacher, T., Julius Ficker, Geschichte und Region 5 (1996), 53ff.
fictus (lat. [Adj.]) erdacht,
fingiert z. B. (lat.)
fictus possessor, gingierter Besitzer
Fideicommissum (lat. [N.] der Treue Anvertrautes) ist im römischen Recht zunächst die formlose, nur sittlich verpflichtende Anordnung (Bitte), die der Erblasser dem in einem Testament eingesetzten Erben erteilt bzw. mitteilt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) wird das aus solchen Briefen entstehende Kodizill zusammen mit dem darin enthaltenen f. zu einer obligatorisch wirkenden Rechtseinrichtung, die der Bedachte vor dem Konsul, später vor einem besonderen (lat.) praeor (M.) fideicommissarius (Fideikommissprätor) geltend machen kann.. Justinian (527-565) stellt f. und (lat. [N.]) legatum, Vermächtnis gleich. Beschwert werden kann der Erbe, der Vermächnisnehmer, ein anderer Fideikommissar oder der erbende Fiskus, betroffen sein kann ein einzelner Gegenstand oder die ganze Erbschaft.
Lit.: Kaser § 68 V
Fideikommiss → fideicommissum, Familienfideikommiss
Lit.:
Kunsemüller, E., Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Heß, K.,
Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990
fideikommissarisch (Adj.) ein Fideikommiss betreffend
Fideiussio (lat. [F.]) ist im römischen Recht eine in der späten Republik für jede Schuld zulässige Form der → Bürgschaft.
Lit.: Kaser § 57 II 2
Fidelis (lat. [M.]) Getreuer,
Gläubiger
Lit.: Gladiß, D. v., Fidelis regis,
ZRG GA 57 (1937), 442; Hannig, J., Consensus fidelium, ZRG GA 102 (1985), 351
Fidepromissio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die Nachbildung der nur unter römischen Bürgern
und neben einer Stipulation möglichen (lat. [F.]) sponsio (→ Bürgschaft)
für Nichtbürger.
Lit.: Kaser § 57 II 2; Köbler, DRG 44,
63
Fides (lat. [F.])
ist im römischen Recht die anfangs nur sittliche, dann aber auch rechtliche
Verpflichtung, zu einem gegebenen Wort zu stehen. Bona f. ist die gute Treue,
mala f. die schlechte Treue, durch die sich beispielsweise redlicher Besitzer
und unredlicher Besitzer voneinander unterscheiden. Auf die f. stützt das
römische Recht vor allem die Fälle des → bonae-fidei-iudicium (Klage aus
den wichtigsten formfrei begründeten Schuldverhältnissen).
Lit.: Kaser §§ 3 III 3, 13 I 2, 63 I 3; Söllner § 9;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 45; Köbler, LAW; Lombardi, L., Della fides
alla bona fides, 1961; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83
(1966), 1; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969; Nörr, D.,
Die fides im römischen Völkerrecht, 1991; Schneider, N., Uberrima fides, 2004
Fiducia (lat. [F.])
ist im klassischen römischen Recht die Sicherungsübereignung, bei der dem
Gläubiger (Fiduziar) als
Sicherungsnehmer vom Schuldner (Fiduziant) als Sicherungsgeber das Eigentum an
einer Sache unter der Treuabrede (f.) verschafft wird, dass die Sache nach
Erreichung des Sicherungszwecks (z. B. Tilgung der gesicherten Schuld) zurückzuübereignen
sei. Im spätantiken römischen Recht stirbt die F. ab.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 24 II 2, 39 IV 2; Söllner § 9;
Köbler, DRG 41, 62; Noordraven, B., Von der fiducia zur Treuhandschaft,
Österreich. Notariatszeitung 1995, 256; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R.
u. a., 1998; Noordraven, B., Die Fiduzia im römischen Recht, 1999
Fiktion ist der
Rechtssatz, der eine in Wahrheit nicht bestehende Tatsache als bestehend
behandelt (z. B. gilt lange Zeit das uneheliche Kind nicht als mit seinem Vater
verwandt, obwohl es tatsächlich mit ihm verwandt ist). Die F. ist bereits dem
römischen Recht an einzelnen Stellen bekannt (z. B. bei vereitelter Bedingung).
Lit.: Kaser § 10 I 1; Söllner § 9
Fiktionstheorie ist
im 19. Jh. die von Savigny vertretene Ansicht, dass die → juristische
Person nur eine → Fiktion sei.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
filia (lat. [F.]) Tochter
filius (lat. [M.]) Sohn
final zweckgerichtet
Finale Handlungslehre ist die von Hans Welzel in der Mitte des 20. Jh.s entwickelte Lehre vom zweckgerichteten Handeln des Straftäters, nach welcher der → Vorsatz als subjektiver Teil des Tatbestandes zu verstehen ist.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Finanz ist die vom mlat. Verb finare,
festgesetzte Abgabe bezahlen abgeleitete Vermögenslage einschließlich des dafür
notwendigen Rechnungswesens. Der Ausdruck Finanz(en) wird im 16. Jh.
gebräuchlich, nachdem die Verfügbarkeit über Geldmittel als Grundlage von Herrschaftsverwirklichung
erkannt wird. Im 16. und 17. Jh. bestehen landesherrliche und landständische
Finanzverwaltung nebeneinander, doch bricht die landständische Finanzverwaltung
im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) vielerorts zusammen. Danach dienen alle
öffentlichen Einnahmen der Befriedigung aller öffentlichen Ausgaben. Im 19. Jh.
setzt sich die Steuer als Einnahmequelle gegenüber den Einnahmen aus Domänen
und Regalien durch. Nach dem ersten Weltkrieg wird unter dem
Reichsfinanzminister Matthias Erzberger die progressive Einkommensteuer mit
Lohnsteuerabzug bei dem Arbeitgeber eingeführt. Das ausgehende 20. Jh. ist von
der zunehmenden Bedeutung der weniger deutlich erkennbaren indirekten Steuer
(Mehrwertsteuer), das Haushaltsbewilligungsrecht des Parlaments, die
öffentliche Haushaltsordnung, durch Kassenordnungen, Rechnungslegungsordungen
und Prüfungsbehörden gekennzeichnet.
Lit.: Brunner, O., Die
Finanzen der Stadt Wien, 1929; Schnee, H., Die Hoffinanz und der moderne Staat,
Bd. 1ff. 1963ff.; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im
werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983;
Witzleben, A. v., Staatsfinanznot und sozialer Wandel, 1985; Ullmann, H.,
Staatsschulden und Reformpolitik, 1986; Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und
Finnazverwaltung, 1992; Schremmer, E., Über gerechte Steuern, 1994; Economic
Systems and State Finance, hg. v. Bonney, R., 1995; Alpers, M., Das
nachrepublikanische Finanzsystem, 1995; Buchholz, W., Geschichte der
öffentlichen Finanzen in Europa, 1996; Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat,
1996; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v. Bonney, R., 1999;
Staatsfinanzen - Statsverschuldung - Staatsbankrotte in der europäischen
Staaten- und Rechtsgeschichte, hg. v. Lingelbach, G., 2000; Mersiowsky, M., Die
Anfänge territorialer Rechnungslegeung im deutschen Nordwesten, 2000; Finanzen
und Herrschaft, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2003; Ullmann, H., Der deutsche
Steuerstaat -Eine Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005; Isenmann, M., Die
Verwaltung der päpstlichen Staatsschuld, 2005; Schirmer, U., Kursächsische
Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Handbuch der europäischen
Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., Bd. 1 2006
Finanzausgleich ist der finanzielle Ausgleich zwischen verschiedenen
Personen, insbesondere zwischen Hoheitsträgern (z. B. Ländern, Gemeinden,
Krankenkassen).
Lit.: Hidien, J.,
Der bundesstaatliche Finanzausgleich, 1998
Finanzgerichtsbarkeit ist der in Deutschland 1918 aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit gelöste
(RGBl 1918, 959 Reichsfinanzhof, 13. 12. 1919 Finanzgericht, 28. 8. 1939 außer
Tätigkeit gesetzt), vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s hauptsächlich
für Steuerstreitigkeiten eingerichtete Zweig der → Gerichtsbarkeit.
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Kumpf, J., Die Finanzgerichtsbarkeit, (in) Justizalltag im Dritten Reich,
1988, 81
Finanzverwaltung ist
der die Einnahmen des Staates (und anderer öffentlichrechtlicher
Körperschaften) betreffende Teil der Verwaltung. Die F. erfolgt in Rom durch
Verpachtung der Staatseinkünfte an meistbietende private Unternehmer (Steuerpächter).
Im Mittelalter gelangen trotz des besonderen Hofamtes des → Kämmerers
erst die Landesherren allmählich zu einer geordneten F. (z. B. Raitkammer König
Maximilians in Tirol, im Reich 1495 Versuch des Gemeinen Pfennigs). Diese
gewinnt mit dem Ausbau der gesamten Staatstätigkeit in der Neuzeit immer
größere Bedeutung, wobei in Preußen seit 1713 ein genauer und regelmäßiger
Haushaltsvoranschlag aufgestellt und 1714 zur Prüfung eine Oberrechnungskammer
geschaffen wird. Im 19. Jh. wird das Finanzwesen weitgehend verrechtlicht. In
Deutschland ist die F. in der Gegenwart in Finanzministerium, Oberfinanzdirektion
und Finanzamt gegliedert.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A.
1887, Neudruck 1963; Schmoller, G., Preußische Verfassungs-, Verwaltungs- und
Finanzgeschichte, 1921; Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen
Territorien des Mittelalters 1200-1500, Z. f. d. ges. Staatswiss. 77 (1923),
168; Handbuch der Finanzwissenschaft, hg. v. Gerloff, W. u. a., Bd. 1 2. A.
1952; Kummer, J., Der Einfluss des Parlaments auf das Finanzwesen, 1964;
Engelhardt, H., Landstände und Finanzwesen in Bayern im 15. und 16. Jahrhundert,
1967; Wolfe, M., The Fiscal System of Renaissance France, 1972; Küchler, W.,
Die Finanzen der Krone Aragón, 1983; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989;
Die Verwaltung und ihre Ressourcen, hg. v. Dilcher, G., 1991; Finanzen und
Staatsräson in Italien und Deutschland, hg. v. Maddalena, A. de u. a., 1992; 75
Jahre Reichsfinanzhof - Bundesfinanzhof, 1993; Kanther, M., Finanzverwaltung
zwischen Staat und Gesellschaft, 1993; Schremmer, E., Steuern und
Staatsfinanzen, 1994; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v. Bonney,
R., 1999; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006
Finch, Heneage
(1611-1682) wird nach dem Studium am Christ Church College 1638 Mitglied der
Inn of Court Inner Temple in London und 1673 als Lord Chancellor Vorsitzender
des → Court of Chancery, wo er eine zusammenfassende Gestaltung der →
equity (des englischen Rechts) bewirkt.
Lit.:
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., 6, 539
Findebuch, Findbuch,
ist das archivalische Hilfsmittel zum Auffinden von Daten (z. B. Akten) vor
allem in Archiven.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberling, H., Findbuch zu den
Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Stein-Stegemann, H., Findbuch der
Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987
Findelkind ist das ohne sicheren Hinweis
auf seine Eltern gefundene Kind. Vielleicht anfangs rechtmäßig, wird die
Aussetzung eines Kindes in Rom 374 n. Chr. mit Strafe bedroht. Ausgehend von
Italien (Mailand 787, Siena 832) entstehen Findelhäuser. Um 1800 wird die Zahl
der Findelkinder auf rund 100000 jährlich geschätzt.
Lit.: Hügel, F., Die
Findelhäuser und das Findelwesen, 1863; Hunecke, V., Die Findelkinder von
Mailand, 1987; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995;
Gestrich, A. u. a., Geschichte der Familie, hg. v. 2003
Finnland ist der zwischen Schweden, Russland und Estland gelegene nordosteuropäische, hauptsächlich von schon im 4. oder 3. Jt. v. Chr. aus Asien kommenden Finnen besiedelte Staat. Im Hochmittelalter (1150-1323) wird das von Schweden aus christianisierte Gebiet zu einem Teil → Schwedens erklärt. Im frühen 16. Jh. wird die Reformation eingeführt. 1809 muss Schweden zugunsten → Russlands auf F. (autonomes Großfürstentum) verzichten, doch bleibt das von Schweden geprägte Recht bestehen. Helsinki wird 1812 statt des westlicheren Turku Hauptstadt und erhält 1827 auch die 1640 in Turku gegründete Universität. 1863 wird Finnisch neben Schwedisch zweite Amtssprache. Seit 1872 arbeiten die nordischen Länder im Recht verstärkt zusammen. Unter dem Einfluss der deutschen Rechtswissenschaft entsteht eine finnische Rechtswissenschaft. 1889/1894 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. 1906 wird im Rahmen eines allgemeinen Wahlrechts das Frauenwahlrecht eingeführt. Nach der Oktoberrevolution vom (25. 10./)7. 11. 1917 in Russland ruft F. am 15. 11. 1917 die Selbständigkeit aus. 1920 erkennt Russland das am 21. 6. 1919 mit einer republikanischen Verfassung begabte F. an. Im zweiten Weltkrieg verliert das bis 1944 auf Seiten des Deutschen Reiches kämpfende Land Gebiete an die Sowjetunion und steht lange unter sowjetischem Einfluss. 1961 verbindet es sich mit der Europäischen Freihandelszone. 1975 findet in Helsinki eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa statt. 1991 ratifiziert F. die Europäische Menschenrechtskonvention. Zum 1. 1. 1995 tritt es aus der Europäischen Freihandelszone der → Europäischen Union bei. 2000 wird ein Grundgesetz angeommen.
Lit.: Jutikkala, E./Pirinen, K., Geschichte Finnlands,
1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,542,1027, 3,4,485; Klinge, M., A brief history of Finland,
1984; Vahtola, J., Keskiaika. Suomen historia pikkujättiläinen,
1987; Jodhatus Suomen oikeushistoriaan, hg. v. Letto-Vanamo. P., 1990;
Albrecht, W./Kantola, M., Finnland, 1992; Finlands Historia, hg. v. Edgren, T.
u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd.
1ff. 1995ff.; Finnland und Deutschland, hg. v. Menger, M. u. a., 1996;
Finnisch-deutsche Kulturbeziehungen, hg. v. Jäntti, A. u. a., 1998; Endemann,
H., Das Regierungssystem Finnlands, 1999; Ettmayer, W., Finnland, 1999;
Pesonen, P./Riihinen, O., Dynamic Finland, 2002; Kohler, M., Die Entwicklung
des schwedischen Zivilprozessrechts, 2002; Björne, L., Den Nordiska
rättsvetenskapens historia, Bd. 3 1871-1910, 2002; Nesemann, F., Ein Staat,
kein Gouvernement, 2003; Kähönen, A., The Soviet Union, Finland and the Cold
War, 2006; Meinander, H., Finlands historia, 2006
Firma ist der →
Name des Kaufmanns, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt, im
weiteren Sinn auch das → Unternehmen. Die F. entsteht aus dem
mittelalterlichen Handel (Italien 12. Jh., in den deutschen Sprachraum am
Anfang des 18. Jh.s entlehnt, ALR [1794] II, 8, 617). Sie kann mit dem
Unternehmen übertragen werden.
Lit.: Erlanger, H., Über Ursprung und Wesen der Firma,
Diss. jur. Tübingen 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Bokelmann, G., Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 1974, 5. A.
2000; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften,
1976; Krause, O, Die Entwicklung des Firmenrechts im 19. Jahrhundert, 1995;
Fischereirecht ist
das Recht, in einem Binnengewässer Fische, Krebse und andere nutzbare
Wassertiere, die nicht Gegenstand des Jagdrechts sind, zu hegen und sich
anzueignen. Die ursprünglich freie Fischerei wird schon im Frühmittelalter an
kleinen Gewässern vom Anwohner als Eigentümer und an größeren Gewässern vom
König als Regal beansprucht. Vom König geht das Regal seit dem Hochmittelalter
auf den Landesherrn und damit später grundsätzlich auf den neuzeitlichen Staat
als Eigentümer des Gewässers über. Der Inhaber des Fischereirechts kann das
Fischereiausübungsrecht verpachten.
Lit.:
Hübner; Kroeschell, DRG 2; Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des
Bodensees, 1906; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des altpreußischen Jagd- und
Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Zumbach, E., Die Fischereirechte des
Aegerisees, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1922; Kisch, G., Das Fischereirecht
im Deutschordensgebiete, 1932, 2. A. 1978; Münch, W., Das Fischereirecht des
Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Cahn, E., Das Recht der Binnenfischerei,
hg. v. Kaufmann, E., 1956; Kunz, R., Fischereirechte im Untersee und Seerhein,
1984; Jahnke, C., Das Silber des Meeres, 2000; Lampen, A., Fischerei und
Fischhandel im Mittelalter, 2000; Schütt, E., Geschichte des Fischereirechts
und der Fischerei im deutschen Ostseeraum, 2001; Sahrhage, D., Die Schätze
Neptuns, 2002
Fiscus (lat. [M.]
Korb) (Caesaris) ist im römischen Recht die Bezeichnung für die Kasse (des
Kaisers), in welche die Einnahmen der Kaiserprovinz aus Steuern, Zöllen,
Gebühren und Domänen fließen. Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) fasst die
verschiedenen fisci zu einem einzigen f. zusammen. Zumindest später herrscht
die Vorstellung, dass der f. gleichsam Eigentum des Kaisers ist. Am Beginn des
4. Jh.s geht die (vom Senat verwaltete) Staatskasse (lat. aerarium [N.]) im f.
auf., während das Privatvermögen des Kaisers (lat. [N.] patrimonium) getrennt
bleibt. Der f. wird eine Art die Vermögensrechte des Staates im
Privatrechtsverkehr wahrnehmender, vielfach privilegierter → juristischer
Person.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 II B; Kroeschell, DRG
1; Köbler, DRG 36, 40, 57; Köbler, LAW; Alpers, M., Das nachrepublikanische
Finanzsystem, 1995
Fiskal ist im
spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Verwaltungsrecht der
Interessenvertreter des (lat. fiscus [M.] bzw.) Staates. Er findet sich um 1225
in Sizilien unter Kaiser Friedrich II., von wo aus er nach Frankreich und
Spanien ausstrahlt. 1421 ist Dr. Bartholus aus Pisa urkundlich als erster F.
des Heiligen römischen Reiches nachweisbar. Aufgaben des Fiskals sind der
Schutz der Kronrechte und die Vertretung des Königs bzw. Kaisers bei der
gerichtlichen Verfolgung der Übertretungen der reichsrechtlichen Rechtssätze
(z. B. Durchsetzung der Ansprüche gegenüber Reichsständen). Neben dem F. am
königlichen Kammergericht des 15. Jh.s und am Reichskammergericht und
Reichshofrat entsteht auch in Österreich, Bayern, Sachsen und Preußen ein F.
(Landesfiskal). Am Reichskammergericht wird der F. im 16. Jh. von einem
Vertreter der Interessen des Kaisers zu einem in gewisser Hinsicht
privilegierten, in den Gerichtsbetrieb eingegliederten Angehörigen des
Gerichts.→ Fiskalat
Lit.:
Demel, H., Geschichte des Fiskalamtes in den böhmischen Ländern, 1909;
Rautenberg, B., Der Fiskal am Reichskammergericht, 2008
Fiskalat ist die
spätmittelalterlich-neuzeitliche, vielleicht an den römischen (lat.) advocatus
(M.) fisci angelehnte Behörde, die von Amts wegen die Rechte des Herrschers
wahrnimmt. Das F. entwickelt sich um 1225 unter Kaiser Friedrich II. in
Sizilien und gelangt von dort noch im 13. Jh. nach Frankreich (ministère
public) und Spanien sowie im frühen 15. Jh. in das Heilige römische Reich (1421
Dr. Bartholus aus Pisa). Unabhängig hiervon wird im 19. Jh. die
Staatsanwaltschaft aus Frankreich übernommen.
Lit.: Ortloff, H., Die öffentliche Anklage in Deutschland,
16 (1865), 254ff.; Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Knolle, U.,
Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1964
Fiskus ist der Träger
öffentlicher Verwaltung, soweit er in privatrechtlichen Formen tätig wird. Der
F. geht auf den römischen → fiscus zurück. Das lateinische Wort fiscus
(M.) bezeichnet im Frühmittelalter (vereinzelt das herzogliche und) meist das
königliche Vermögen (u. a. das einzelne Landgut). Bis zum 13. Jh. werden
Hausgut und Reichsgut und damit Person des Königs und F. getrennt. In den
Ländern entsteht ein F. des Landes. Dort wird als F. zunächst die
landesherrliche Kasse als solche verstanden, danach das Finanzvermögen des
Staates. Der F. wird zum Träger der staatlichen Vermögensrechte. Bis zum frühen
19. Jh. wird der Staat in die juristische Person des öffentlichen Rechtes
„Staat“ und die juristische Person des privaten Rechtes „Fiskus“ aufgeteilt.
Seit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im späteren 19. Jh. wird
der Staat als einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechtes
verstanden, die Bereiche, in denen diese Person sich aber privatrechtlicher
Formen bedient, weiterhin als F. bezeichnet.
Lit.: Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962;
Machleidt, M., Stellung und Funktion des Fiskus im deutschrechtlichen Bereich,
Diss. jur. Hamburg 1965; Lechner, W., Das deutsche Verwaltungsrecht in den
Kategorien von Res publica, Civitas und Fiscus, Diss. jur. Würzburg 1969;
Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Römermann, K., Der
Rechtsschutz bei streitigen Polizei-, Kameral- und Fiskalsachen in Kurköln,
Diss. jur. Bonn 1969; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes,
1971; Fiskus, Kirche und Staat, hg. v. Kellenbenz, H. u. a., 1994; Maletzky,
M., Das Erbrecht des Fiskus, 2001
Flächenstaat ist
der durch sein ausgedehntes Gebiet gekennzeichnete und vom Stadtstaat wie dem
Personenverbandsstaat zu unterscheidende, seit dem Mittelalter entstehende →
Staat.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111
Flame ist der fränkisch sprechende
Bewohner der nordwestlichsten Gebiete (Flandern) des Heiligen römischen Reichs
bzw. der Bürger Belgiens. Flämisches Recht ist das in Flandern ausgebidete
Recht. Seit dem Hochmittelalter wird modernes flämisches (niederländisches)
Recht im Zuge der Ostsiedlung verbreitet.
Lit.: Goerlitz, T.,
Das flämische und das fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen
das sächsische Recht, ZRG GA 57 (1937), 138; Van Winter, J., Vlaams en Hollands recht bij de kolonisatie
von Duitsland in de 12e en 13e eeuw, TRG 21 (1953), 205ff.; Higounet, C., Die
deutsche Ostsiedlung im MIttelalter, 1990; Lück, H., Flämische Siedlungen und
flämisches Recht in Mitteldeutschland, (in) Sprachkontakte, hg. v. Stellmacher,
D., 2004, 73ff.
Flandern ist das im frühen 8. Jh. erstmals unter diesem Namen bezeugte Flachland an der Schelde. 843 kommt es zum westfränkischen Reichsteil, 1384/1385 an das Herzogtum Burgund, 1477 mit Burgund an Habsburg und 1556 an die spanische Linie Habsburgs. Verkleinert gelangt F. 1714 an → Österreich, 1794 an Frankreich, 1814 an die → Niederlande und 1830 überwiegend an → Belgien. Dementsprechend ist sein Recht anfangs fränkisch und später französisch geprägt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Nowé, H., Les baillis
comtaux de Flandre, 1929; Ganshof, F., Recherches sur les tribunaux de
châtellenie en Flandre, 1932; Sproemberg, H., Die Entstehung der Grafschaft
Flandern, 1935, Neudruck 1965; Ganshof, F., Die Rechtsprechung des gräflichen
Hofgerichtes in Flandern vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938),
163; Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954,
Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafprocesrecht in Vlaanderen, 1956;
Ganshof, F., Einwohnergenossenschaft und Graf, ZRG GA 74 (1957), 98; Koch, A.,
Die flandrischen Burggrafschaften, ZRG GA 76 (1959), 153; Roosbroeck, R. van,
Geschichte Flanderns, 1968; Grotte, W. v., Praecones und Magnus Praeco in
Flandern, ZRG GA 90 (1973), 165; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas
méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Van Peteghem, P., De raad van
Vlaanderen, 1990; Jacob, R., Les époux, le seigneur et la cité, 1990; Nicolas,
D., Medieval Flanders, 1992; Opsommer, R., Omme dat leengoed es thoochste dinc
van der weerelt het leenrecht in Vlanderen in de 14de en 15de eeuw, 1995;
Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft
Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000
Flavius, Gnaeus,
ist der Schreiber des römischen Zensors Appius Claudius Caecus, der 304 v. Chr.
die zuvor nur den Priestern (lat. [M.Pl.] pontifices) vertrauten Prozessformeln
(Legisaktionen) veröffentlicht (sog. ius [N.] civile Flavianum, flavisches
römisches Recht der Bürger).
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Wolf, J., Die
literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch
Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2
Flensburg ist die
schleswig-holsteinische Stadt, die 1436 ihr → Grundbuch nach dem
Realfoliensystem gestaltet.
Lit.: Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen
Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1, 49
Fleta ist das in
lateinischer Sprache verfasste, bald nach 1290 vollendete, in einer
mittelalterlichen Handschrift überlieferte englische Rechtsbuch eines
unbekannten Verfassers, das den (lat.) Tractatus (M.) de legibus (Abhandlung
von Gesetzen) → Bractons kommentierend fortführt.
Lit.: Plucknett,
T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 265
Florentina (Codex
Florentinus) ist die in zwei Bände (1-29, 30-50) getrennte, im 6. oder frühen
7. Jh. vermutlich in Konstantinopel/Byzanz zweispaltig geschriebene,
spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, in Süditalien im späteren
11. Jh. wiederentdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa (littera
Pisana) und 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte, 1553 erstmals gedruckte
Handschrift der → Digesten Justinians mit insgesamt 907 Blättern.
Lit.: Söllner § 22; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997
Florenz am Arno
wird vermutlich im 2. Jh. v. Chr. von den Römern auf älteren Grundlagen als
Florentina neu gegründet. 962 ist es Teil Reichsitaliens. 1138 weist F. eigene
(lat. [M.Pl.]) consules auf und wird mit bedeutender Tuchherstellung im 13. und
14. Jh. führende Macht im mittleren Italien (Währung Florentiner bzw. Gulden).
1348 erlangt es erstmals eine Universität (1472 Pisa). 1354 erkennt es die
Reichshoheit an. Seit dem 15. Jh. erringt die Familie Medici die Macht. 1531
wird F. Herzogtum. 1718 wird bei dem Aussterben der Medici der spanische Infant
Karl als Erbe eingesetzt, zugleich aber die gesamte Toskana zum Reichslehen
erklärt. 1737 fällt F. an Österreich. Im Frieden von Campo Formio (1797)
verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reichs auf alle Reichsrechte in
Italien und damit auch auf F. 1859 gelangt F. an Italien (1865-1871
Hauptstadt).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Davidsohn, R.,
Geschichte von Florenz, Bd. 1ff. 1896ff.; Doren, A., Studien aus der
Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2 1908; Grote, A., Florenz, 2. A. 1968;
Hale, J., Die Medici und Florenz, 1979; Firenze e la Toscana dei Medici
nell’Europa, hg. v. Garfagnini, G., 1983; Panella, A., Storia di Firenze, 1984;
Luzzati, M., Firenze e la Toscana nel Medioevo, 1986; Zorzi, A.,
L’amministrazione della giustizia penale nella republica fiorentina, 1988;
Brucker, G., Florenz in der Renaissance, 1990; Turner, A., Renaissance in
Florenz, 1997; Statuti della repubblica Fiorentina, hg. v. Pinto, G. u. a., Bd.
1f. 1999; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001;
Dameron, G., Florence and Its Church, 2005; Najemy, J., A History of Florence 1200-1575,
2006; Höchli, D., Der Florentiner Republikanismus, 2005; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 34
Floß ist das aus mehreren
verbundenen Baumstämmen gebildete Wasserfahrzeug, das vor allem dem Transport
von Holz dient. Seit dem 13. Jh. erscheint das F. häufiger in Quellen. Die
Flößerei ist Regal. 1895 regelt ein Reichsgesetz des Deutschen Reiches die
Flößerei (vgl. auch Art. 65 EGBGB), die mit der Verbreitung der Eisenbahn und
der Lastkraftwagen aber ihre wirtschaftliche Bedeutung verliert.
Lit.: Sponeck, C. Graf
v., Handbuch des Floßwesens, 1825; Jägerschmid, K., Handbuch für Holztransport
und Floßwesen, 1827f.; Herold, H., Trift und Flößerei in Graubünden, 1982;
Hasel, K./Schwartz, E., Forstgeschichte, 1985, 2.A. 2002
Flucht ist das Ausweichen vor einer Gefahr durch Ortsveränderung. Die F. ist ein Grundverhaltensmuster von Lebewesen. Die F. eines Menschen kann je nach den Umständen unterschiedliche Rechtsfolgen haben. → Flüchtling
Lit.:
Flucht, Vertreibung, Integration, red. v. Rösgen, P., 2. A. 2006
Flüchtling ist der Mensch, der aus seiner jeweiligen Umgebung flieht. Er ist grundsätzlich Feind, kann aber als Gast aufgenommen werden. Im 20. Jh. entwickeln sich allgemeine Regeln über die rechtliche Behandlung der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen.
Lit.: Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, hg. v.
Bundesministerium für Vertriebene usw., Bd. 1ff. 1958; Hathaway, J., The Rights
of Refugees, 2005
Flumet
Lit.: Diestelkamp, B.,
Die Gründungsurkunde der Stadt Flumet (1228), ZRG GA 94 (1977), 204
Flur ist der vom Wald getrennte
einzelne Teil des bäuerlichen Wirtschaftslands (Wiese, Feld).
Lit.: Kirbis, W.,
Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952
Flurbereinigung ist die Zusammenlegung und Umgestaltung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in einem öffentlichrechtlichen Verfahren zum Zweck ertragreicherer Bewirtschaftung. Sie entwickelt sich in England und danach in Deutschland (19. Jh., Baden 1856, Hessen 1857, Bayern 1861) mit der Bauernbefreiung als Folge der Auflösung des Gemeinlandes (→ Allmende). Am 16. 6. 1937 wird sie im Deutschen Reich durch eine Reichsumlegungsordnung und am 14. 7. 1953 in der Bundesrepublik Deutschland durch ein Flurbereinigungsgesetz geordnet. Ihre Ergebnisse sind wegen der sich am Ende des 20. Jh.s rasch ändernden Betriebsstruktur der Landwirtschaft von bescheidener Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 175, 250; Bornhak, C., Grundriss des
deutschen Landwirtschaftsrechts, 1921; Abel, W., Geschichte der deutschen
Landwirtschaft, 1962, 3. A. 1978; Berkenbusch, F., Die Rechtsgeschichte der
Flurbereinigung, Diss. jur. Göttingen 1972; Tayama, T., Die
Entwicklungsgeschichte der Landeskultur, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 524; Vergleichende Studien über die
japanische und mitteleuropäische Flurbereinigung, hg. v. Tayama, T., 1998;
Quellen zur Entstehungsgeschichte des Flurbereinigungsgesetzes der
Bundesrepublik Deutschland von 1959, hg. v. Weiß, E., 2000
Flurname ist der besondere Name einer
Flur oder eines Geländeteiles (Berg, Tal, Wasser, Wald, Feld). Der F. ist
Ortsname im weiteren Sinn (z. B. Judenbühel, Lehfeld, Langgreid, Hungerwiese,
Himmelreich, Paint, Kach, Hut, Füchsle, Holzacker). Er kann Rechtsvorstellungen
enthalten.
Lit.: Künßberg, E. Frhr.
v., Flurnamen und Rechtsgeschichte, ZRG GA 51 (1931), 93ff.; Hänse, G., Die
Flurnamen des Stadt- und Landkreises Weimar, 1970; Piirainen, E., Flurnamen in
Vreden, 1984; Hessischer Flurnamenatlas, hg. v. Ramge, H. u. a., 1987
Flurschütz (Flurer, Flurknecht, Heye u. a.)
ist der die Aufsicht über die Fluren führende niedere dörfliche Amtsträger.
Lit.: Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft,
1996
Flurzwang ist die durch Zwang erreichte einheitliche Bewirtschaftung der Flur. Der F. könnte mit der mittelalterlichen → Dreifelderwirtschaft entstanden sein. Er verschwindet mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96; Bader, K., Studien
zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996
Föderalismus ist die auf dem Bündnisgedanken (lat. [N.] foedus, Bund) beruhende gesellschaftliche Vorstellung, die sich besonders in der machtmäßigenden, mehrstufigen, relative Eigenständigkeit Beteiligter wahrenden Gestaltung eines Staates auswirkt (Bundesstaat im Gegensatz zum Einheitsstaat). Als älteste geschichtliche Form des F. gilt der Stammesföderalismus (z. B. der 12 Stämme Israels). Eine völkerrechtliche Form des F. ist der Staatenbund, der verschiedentlich einem Bundesstaat vorausgeht.
Lit.: Baltl/Kocher; Hintze, H., Staatseinheit und
Föderalismus im alten Frankreich, 1928, Neudruck 1989; Der österreichische Föderalismus,
1969; Rauch, H., Föderalismus und Parlamentarismus im Wilhelminischen Reich,
1972; Föderalismus, hg. v. Kisch, G., 1977; Héraud, G., Prinzipien des
Föderalismus und die Europäische Föderation, 1979; Föderalismus in Deutschland,
1992; Föderalismus, hg. v. Kinsky, F., 1995; Konsens und Konsoziation, hg. v.
Duso, G., 1997; Laufer, H./Münch, U., Das föderative System der Bundesrepublik
Deutschland, 1998; Föderative Nation, hg. v. Langewiesche, G. u. a., 2000;
German federalism, hg. v. Umbach, M., 2002; Föderalismus in der griechischen
und römischen Antike, hg. v. Siewert, P. u. a., 2005; Kaiser, A., Föderalismus,
2007
Fodrum (lat. [N.])
ist die frühmittelalterliche Abgabe (Aquileja 792) (für Futter) an den Grafen
bzw. König. In norditalienischen Städten entwickelt sich das f. im 12. und 13.
Jh. zum Namen der direkten → Steuer.
Lit.: Köbler, LAW; Post, B., Über das Fodrum, Diss. phil.
Straßburg 1880; Brühl, C., Das fränkische fodrum, ZRG GA 76 (1959), 53; Brühl,
C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Grüninger, S., Grundherrschaft im
frühmittelalterlichen Churrätien, 2006
Foederati (lat.
[M.Pl.], Sg. foederatus) sind im spätrömischen Recht die besoldeten Verbündeten
(z. B. Goten 382 n. Chr.).
Lit.: Köbler, DRG 67; Horn, H., Foederati, 1930
foenus (N.) nauticum (lat.) Seedarlehen →
fenus (N.) nauticum
folkland (ae. [858]) Allod?,
verliehenes Königsland?
Folter ist die
Zufügung oder Ausnutzung vermeidbarer, nicht ganz unerheblicher Schmerzen oder
Leiden, die von einem Staat oder einem entsprechenden Machtorgan selbst bzw.
mit dessen Bewilligung oder Duldung eingesetzt wird, um den Gefolterten oder
einen Dritten zu einer Aussage zu zwingen oder einzuschüchtern. Sie wird
bereits seit Kaiser Tiberius (14-42 n. Chr.) gegenüber Freien angewendet, um
ein Geständnis zu erreichen. Vielleicht wird sie im Frühmittelalter gegenüber
Unfreien gebraucht. Im Hochmittelalter (Verona 1228, Recht der Wiener Neustadt
[1221/1230 str.], kirchliche Inquisition 1215/1231/1252 [Bulle Ad exstirpanda],
Augsburg 1321) darf der verdächtigte Beschuldigte der F. (zu spätlat. [5. Jh.]
poledrus [M.] „Fohlen“) auf einem Holzbock bzw. durch Gefängnis, Schläge,
Hunger, Kälte, Daumenschrauben, Strecken, Feuer u. a. ausgesetzt werden (str.
ob Rezeptionsvorgang). Im 15. Jh. wird die F. auch ohne besondere
Verdachtsgründe angewandt. Dagegen setzt die → Constitutio Criminalis
Carolina (1532) das Vorliegen besonderer Indizien vor Anwendung der F. voraus.
Die Aufklärung wendet sich erfolgreich gegen die F. (Juan Luis Vives 1522,
Michel de Montaigne, Pierre Bayle, Schweden 1734, Preußen 1740, Österreich
[Beschränkung auf mit der Todesstrafe bedrohte Tatbestände 1768] 1776, Polen,
Litauen 1776, Schweiz 1798, Bayern 1806, Baden 1831). In der zweiten Hälfte des
20. Jh.s kämpft insbesondere die private Organisation Amnesty International
gegen die nach wie vor (versteckt) gebrauchte F. Art. 3 der europäischen
Menschenrechtskonvention vom 4. 11. 1950 stuft die F. als Verletzung der
Menschenrechte ein. Mit der am 10. 12. 1984 beschlossenen, am 31. 12. 1990 in
Kraft getretenen Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ist die F.
weltweit geächtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 34, 118, 156;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Folter
in der deutschen Rechtspflege, 1900, Neudruck 1970; Heijnsbergen, P. van, De
pijnbank in de Nederlanden, 1925; Fehr, H., Gottesurteil und Folter, FS R.
Stammler, 1926; Helbin-Bauer, F., Die Tortur, 1926; Morschel, M., Der Kampf um
die Abschaffung der Folter, Diss. jur. Gießen 1926; Fehr, H., Zur Lehre vom
Folterprozess, ZRG 53 (1933), 317; Vogt, A., Die Anfänge des
Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schünke, W.,
Die Folter im deutschen Strafverfahren, Diss. jur. Münster 1952; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto commune, Bd.
1f. 1953f.;
Thomasius, C., Über die Folter (1705), hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Langbein,
J., Torture and the Law of Proof, 1977; Ruthven, M., Torture, 1978; Schmoeckel,
M., Humanität und Staatsraison, 2000; Das Quälen des Körpers, hg. v. Burschel,
P. u. a. 2000; Kramer, S., Die Folter in der Literatur, 2003; Baldauf, D., Die
Folter, 2004; Hermann, H., Die Folter, 2004; Waltos, S., Die Abschaffung der
Folter im Jahre 1776 in Polen und Litauen, 2004; Zagolla, R., Im Namen der
Wahrheit, 2006; Gegen Folter und Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007;
Möhlenbeck, M., Das absolute Folterverbot, 2008;
Fondaco ist die auswärtige Kaufmannsniederlassung
im Mittelalter (gr. pandocheton, Herberge, arab. funduq, Unterkunft). In
Italien begegnet der F. 1085 in Amalfi, 1191 in Genua, im 13. Jh. in Pisa und
Venedig (F. dei Tedeschi, 1505 abgebrannt, bis 180 Handelshaus deutscher
Kaufleute).
Lit.: Simonsfeld, H.,
Der Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1f. 1887, Neudruck 1968; Concina, E., Fondaci,
1997; Constable, O., Houisng the Stranger in the Mediterranean World, 2003
Forderung ist das Recht des Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung. Die ältesten Forderungen entstehen vermutlich bei den Unrechtserfolgen. Später tritt die rechtsgeschäftliche F. hinzu. Streitig ist, ob die F. bereits von Anfang an durch ein Einstehenmüssen (→ Haftung) des Schuldners gesichert ist. Die F. erlischt grundsätzlich mit der Erfüllung.
Lit.: Kaser § 32; Hübner; Buch, G., Die Übertragbarkeit von
Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Strohal, E.,
Schuldpflicht und Haftung, 1914; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im
römischen Recht, 1999
Forensium institutionum summa (lat. [F.] Gesamtheit der gerichtlichen Einrichtungen) ist
das von König Alfons VIII. (1158-1214) veranlasste höfische Werk über den →
Fuero viejo de Castilla.
Form ist die
sinnlich wahrnehmbare Gestalt eines Gegenstandes oder einer Vorstellung. Nach
einem geflügelten Wort ist die F. die älteste Norm. Es ist aber fraglich, ob
strenge Anforderungen an eine F. in die Anfänge einer Rechtseinrichtung (z. B.
Frühmittelalter) oder erst in eine fortgeschrittenere Entwicklungsstufe
gehören. Die Schriftform ist jedenfalls noch im ausgehenden 20. Jh. im
Vordringen.
Lit.: Kaser § 6ff.; Hübner; Köbler, DRG 42, 126; Siegel,
H., Erholung und Wandelung im gerichtlichen Verfahren, 1863; Siegel, H., Die
Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Brunner, H., Wort und Form im
altfranzösischen Prozess (1868) (in) Brunner, H., Forschungen zur Geschichte
des deutschen und französischen Recgts, 1894, 260; Stutz, U., Das Stadtrecht
gegen die Formstrenge im Strafverfahren, ZRG GA 38 (1917), 367; Henssler, O.,
Formen des Asylrechts, 1954; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum
der Eheschließung, 1961; Ebel, W., Recht und Form, 1975; Gmür, R.,
Rechtswirkungsdenken in der Privatrechtsgeschichte, 1981; Eckhardt, U.,
Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Symbolische
Kommunikation vor Gericht in der frühen Neuzeit, hg. v. Schulze, R., 2006;
Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009
Formalismus ist das
Betonen einer Form. Nach überwiegender, aber nicht wirklich belegter Ansicht
ist das ältere Recht durch F. gekennzeichnet (z. B. lat. mancipatio [F.] im
römischen Recht) und setzt sich die → Formfreiheit erst allmählich durch.
Im Gegensatz hierzu hält aber auch das Recht der Gegenwart in vielen Fällen an
einer vorgeschriebenen Form fest. Ein Kennzeichen des modernen Totalitarismus
ist es, unerwünschte Form als bloßen F. abzustufen.
Lit.: Kaser §§ 6, 7, 8, 68; Söllner §§ 9, 11; Kroeschell,
DRG 1; Zallinger, O. v., Wesen und Ursprung des Formalismus, 1898; Kaufmann,
E., Formalismus, HRG Bd. 1 1968, 1166; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit
statt Formalismus, 1986
Formalvertrag ist
der in seiner Entstehung von der Einhaltung einer vorgesehenen → Form
abhängige Vertrag. Nach herkömmlicher Lehre ist im germanistischen Bereich der
älteste Vertrag der F. (str.). Hier sind Eid, Wortformel und Gebärde die
Vertragsform. Im Mittelalter sollen sich die Formen vereinfacht haben.
Allmählich soll die Tendenz zur formlosen Beredung durchgedrungen sein.
Lit.: Köbler, DRG 74, 91, 126, 164; Hagemann, H., Fides
facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981 Kap. 45; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875
Formel ist die
förmlich festgelegte häufig wiederkehrende Aussage. Im altrömischen Recht
beispielsweise bringen die Beteiligten eines Verfahrens vor dem Magistrat in
einem ersten Verfahrensabschnitt regelmäßig in der jeweils erforderlichen
Verfahrensform (lat. [F.] → legisactio), zu der genau vorgeschriebene
Spruchformeln gehören, ihr Vorhaben vor. Das spätere Formularverfahren kennt
statt der wenigen Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis
bezogene Klageformeln. Die Verbalkontrakte des klassischen römischen Rechts
erfordern für die Entstehung der Obligation bestimmte Worte. Außerdem
entwickeln sich etwa für Eide, Gelöbnisse, Einsetzungen usw. häufig gewisse
Formeln. Umfangreichere (lat. [F.] → formulae) werden in → Formelsammlungen
gesammelt.
Lit.: Köbler, DRG 5, 33, 81, 116; Dilcher, G., Paarformeln
in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Selb, W., Formeln mit
unbestimmter intentio, 1974; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der
Formel „Habere fundatam intentionem“, FS H. Krause, 1976, 126
formell, Adj., die Form
betreffend (im Gegensatz
zum Inhalt bzw. der Materie)
Formelles Recht ist das das Verfahren betreffende Recht (Verfahrensrecht, Prozessrecht) im Gegensatz zum materiellen Recht (z. B. Privatrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht).
Lit.: Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte, 1996
Formelsammlung ist
die bereits im Altertum bekannte, besonders für das quellenarme Frühmittelalter
bedeutsame Sammlung von allgemeinen Formularen für Urkunden, wie sie auch in
der Gegenwart kautelarjuristisch gepflegt wird. Die bekanntesten frühmittelalterlichen
Formelsammlungen (31 Handschriften) sind die westgotischen (lat. [F.Pl.])
formulae (Cordoba 616-620), die formulae Andecavenses (Angers um 600), die
formulae Marculfi (um 650?, 721-735?), die formulae Bituricenses (Bourges 8.
Jh.) und die formulae imperiales (vor 832), wobei das Fehlen von
Formelsammlungen aus Italien bemerkenswert ist. Danach finden sich vielleicht
unter dem Einfluss italienischer Notarskunst seit dem 11. Jh. Formelsammlungen
innerhalb der (lat.) ars (F.) dictandi (z. B. Breviarium de dictamine des
Alberich von Montecassino, um 1080) oder der (lat.) ars (F.) notariae
(Rainerius Perusinus [1185-1245] vor 1234, Rolandinus Passageri Summa artis
notariae, 1255/1256, insgesamt schätzungsweise 3000 Handschriften und
Frühdrucke). Für das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Heilige römische
Reich haben besonderes Gewicht der (lat.) Formularius (M.) de modo prosandi
(Baumgartenberg bei Linz A. 14. Jh., 240 Stücke, Formularbuch) und Perneder,
Andreas, Summa Rolandina (vor 1540).
Lit.: Rockinger, L., Über Formelbücher, 1855; Rockinger,
L., Briefsteller und Formelbücher des 11. bis 14. Jahrhuderts, 1863f.;
Schröder, R., Über die fränkischen Formelsammlungen, ZRG GA 4 (1883), 75;
Collectarius perpetuarum formarum Iohannis de Geylnhusen, hg. v. Kaiser, H.,
1900; Liber Diurnus, hg. v. Foerster, H.,, 1958; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Uddholm, A., Marculfi formularum libri
duo, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964; Worstbrock,
F./Klaes, M./Lütten, J., Repertorium der Artes dictandi des Mittelalters, Bd. 1
Von den Anfängen bis um 1200, 1992
Formfreiheit ist
die Freiheit einer rechtlich bedeutsamen Handlung von einer besonderen → Form.
Es ist streitig, inwieweit am Beginn rechtlicher Entwicklung F. besteht.
Jedenfalls werden schon in den frühesten Quellen auch feste Formen sichtbar (z.
B. lat. [F.] mancipatio). Im Spätmittelalter setzt sich die Kirche für die F.
der Verträge ein. Auch der Liberalismus bejaht grundsätzlich die F.
Dessenungeachtet entwickeln sich im 20. Jh. neue Formen (z. B. allgemeine
Geschäftsbedingungen, Verbraucherkreditverträge, Arbeitsverträge).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Baltl/Kocher
formulae (lat. [F. Pl.]) →
Formelsammlung
Formular ist
das die allgemeinen Angaben eines Typs von Urkunden zwecks leichter indiviueller
Ergänzung enthaltende Schriftstück.
Formularverfahren oder Formularprozess ist das dem älteren Legisaktionenverfahren (→ legisactio) im klassischen römischen Recht nachfolgende, dem späteren → Kognitionsverfahren vorausgehende Verfahren. Es ist vielleicht anfangs nur dem Fremden zugänglich und kennt statt weniger Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln (Formulare). Sie werden auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor hin meist schriftlich in einer (lat. [F.]) formula (Schriftformel) niedergelegt, woraufhin der (lat. [M.]) iudex (Richter) gemäß der Formel Beweis erhebt und sein Urteil spricht. 17 v. Chr. wird das Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste abgeschafft.
Lit.: Kaser §§ 80, 82ff.; Söllner § 9; Artner, M., Agere
praescriptis verbis, 2002
Foro ist die
portugiesische Bezeichnung für → Fuero. 1111 wird ein F. an Coimbra
verliehen, 1166 an Evora, um 1160 an Trancoso, 1179 an Lissabon (F. von
Santarém). Seit dem 14. Jh. wird ein F. nur noch selten gewährt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 666
Forsman, Jaakko
(1839-1899), aus einer schwedischen Theologenfamilie, wird nach dem Studium von
Philosophie und Recht in Helsinki 1879 Professor für Strafrecht und
Rechtsgeschichte und verfasst 1896 eine Geschichte der finnischen Gesetzgebung
(Suomen laindsäädännön historia).
Forst (Etymologie unklar) ist seit dem Frühmittelalter der vielleicht dem römischen (lat. [M.]) saltus nachgebildete, durch → Bann abgesonderte herrschaftliche Wald (meist des Königs, Austrasien 648, Neustrien 657/661). Im Hochmittelalter gehen die Forsten des Königs auf die Landesherren über. Örtlich unterschiedlich greift der absolutistische Fürst entschiedener auf die damit verbundenen Rechte zu. Der Liberalismus verlangt die Aufhebung der staatlichen Forsthoheit, doch verfahren die Forstgesetze des 19. Jh.s unterschiedlich. Im 20. Jh. lebt trotz einer Rahmengesetzgebung durch das Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) in Deutschland der hergebrachte Föderalismus im Forstrecht fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, WAS; Roth, K., Geschichte
des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Völker, A., Die Forsten der
Stadt Goslar bis 1552, 1922; Goller, F., Die älteren Rechtsverhältnisse am Wald
in Altbaiern, Diss. jur. München 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957;
Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Rubner, H.,
Untersuchungen zur Forstverfassung des mittelalterlichen Frankreichs, 1965;
Bothmer, H. v., Mirica, Forst und Gesellschaft, 1965; Rubner, H.,
Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, 1967; Young, C., The
Royal Forests of Medieval England, 1979; Mantel, K.,
Forstgeschichte des 16. Jahrhunderts, 1980; Rubner, H., Deutsche
Forstgeschichte 1933-1945, 1985, 2. A. 1997; Hasel, K.,
Forstgeschichte, 1986, 2. A. 2006; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur.
Marburg 1988; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001; Marquardt, B., Umwelt und
Recht in Mitteleuropa, 2003
Forsthoff, Ernst
(Laar bei Duisburg 13. 9. 1902-Heidelberg 13. 8. 1974) wird nach der Promotion
bei Carl → Schmitt 1933 Professor für öffentliches Recht in Frankfurt am
Main, Hamburg (1935), Königsberg (1936), Wien (1941) und Heidelberg (1943-1946,
1952-1967). Er setzt sich für den starken Staat ein, der allein die mit dem
technischen Fortschritt eintretenden Probleme bewältigen könne, und steht einem
Wertesystem, der Verfassungsgerichtsbarkeit, der umfassenden Verwaltungsgerichtsbarkeit
und dem Sozialstaat zurückhaltend gegenüber. Trotz seines konservativen
Verfassungsverständnisses ist sein Verwaltungsrechtsverständnis modern. Sein
Lehrbuch des Verwaltungsrechts (1950, 10. A. 1973) ist längere Zeit in
Deutschland führend.
Lit.: Storost, U., Staat und Verfassung bei Ernst
Forsthoff, 1978; Doehring, K., Ernst Forsthoff, (in) Juristen im Portrait,
1988, 341; Ernst Forsthoff Kolloquium, hg. v. Blümel, W., 2003; Schütte, C.,
Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer Grundlage, 2006;
Briefwechsel Ernst Forsthoff Carl Schmitt (1926-1974), hg. v. Mußgnug, D. u.
a., 2007
Fortescue, Sir John
(um 1385-um 1479), nach Ausbildung in Lincoln’s Inn 1442 oberster Richter am
königlichen Gericht (King’s Bench), von 1463 bis 1471 im Exil in Frankreich,
vergleicht in seinem in der Form eines Lehrgespräches an Prinz Eduard von
Lancaster gerichteten Hauptwerk ([lat.] De laudibus legum Angliae, 1470, Über
die Vorzüge des englischen Rechts) das englische Recht mit dem festländischen
(französischen) Recht in einer für Laien verständlichen Weise. In (engl.) On
the Governance of the Kingdom of England (Über die Beherrschung des Königreichs
England) (1471/1473) stellt er den politischen Gesamtzustand seines Landes dar.
Lit.: The Works of Sir John Fortescue, hg. v. Clermont, T.,
1869; Heymann, E., Fortescues Laudes legum Angliae, ZRG GA 58 (1938), 615;
Kluxen K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987
Forum (lat. [N.])
ist im römischen Recht der Marktplatz und das dort öffentlich abgehaltene
Gericht. Das mittelalterliche Kirchenrecht bildet von daher die Vorstellung
eines (lat.) f. externum und eines f. internum. Daneben bezeichnet f. auch den
Markt.
Lit.: Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 19; Schlesinger, W.,
Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters,
Bd. 1 1961, 275; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im
Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A.
1980
Forum (N.) externum (lat.)
oder (lat.) forum (N.) iudiciale ist seit dem Ende des 12. Jh.s (Glossenapparat
[lat.] Animal est substantia [vor 1210], Wilhelm von Auvergne um 1225) bzw.
seit Thomas von Aquin (1225-1274) (forum exterius) im mittelalterlichen
Kirchenrecht der Bereich des menschlichen Bußwesens und Gerichtswesens
(kirchliche Gerichtshöfe) im Gegensatz zum nur Gott einsehbaren inneren Gericht
des Gewissens ([lat.] forum [N.] paenitentiale im Beichtstuhl), das in der
frühen Neuzeit (nach 1563) als (lat.) forum (N.) internum bezeichnet wird. Das
Verfahren vor dem f. e. verläuft grundsätzlich streitig. Der Angeklagte muss
erscheinen und die Wahrheit wird in einem von einem Richter (Archidiakon)
geleiteten Ablauf erforscht.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen, W.,
Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG KA 76 (1990),
254ff.
Forum (N.) internum (lat.)
ist seit der frühen Neuzeit (nach 1563) der neuere Name für das zunächst als
(lat.) forum (N.) paenitentiale bezeichnete, im Beichtstuhl erforschte Gewissen
im Gegensatz zum (lat.) → forum (N.) externum. Im f. i. zu erscheinen,
steht in der (freiwilligen) Entscheidung des Betroffenen. Allein auf seinem
Bekenntnis beruht das „Urteil“ des Beichtpriesters (Penitentiars).
Lit.: Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen,
W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971),
83; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG
KA 76 (1990), 254ff.; Goering, J., The Internal Forum and the Literature of
Penance and Confession, Traditio 59 (2004), 175ff.
Fracht ist der Lohn
für die Beförderung eines Gutes und das gegen Lohn beförderte Gut. Der die F.
betreffende Vertrag entsteht im Hochmittelalter und ist Werkvertrag. Der
Frachtführer ist Kaufmann. Seefrachtrecht wird vor allem im Libre del Consolat
de Mar, in den Rôles d’Oléron, im Blackbook of the Admiralty oder im
Schiffsrecht von Hamburg aufgezeichnet. Wichtige gesetzliche Regelungen finden
sich im dänischen Seegesetz (1561), in Ordonnanzen Kaiser Karls V. und Philipps
II. für die Niederlande von 1551 und 1563, in der Ordonnance de la Marine Frankreichs
(1681), im Seerecht Preußens (1727), in den Ordonanzas von Bilbao, im Codice
per la Veneta Mercantile di Marina Venedigs (1786) oder im Code de commerce
Frankreichs (1807) und den ihm folgenden Handelsgesetzbüchern. Ausführlich
erörtert C. E. Münster 1798 das Frachtfahrer-Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Universalgechichte
des Handelsrecht, 3. A. 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Pappenheim, M., Zur Entwicklung des Seefrachtvertrags, ZRG GA 51 (1931),
175ff.; Ohler, N., Reisen im Mittelalter, 1986; Basedow, J., Der Transportvertrag,
1987; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996;
Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in)
Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595; Lopez, R./Raymond, I., Medieval
Trade in the Mediterranean World, 2001
Fragment (N.) Bruchstück (z. B. in den Digesten, dort weitere Unterteilung
in [principium und] Paragraphen)
Fragmenta (N.Pl.) Gaudenziana (lat.) (Gaudenzische Fragmente) sind die von dem Bologneser Professor Augusto Gaudenzi (1858-1916) in einer (um 900 geschriebenen) Handschrift der Bibliothek von Lord Leicester (Codex Holkhamensis Nr. 210) entdeckten, bis dahin unbekannten 14 Kapitel des gotischen Rechtskreises des 6. Jh.s (?).
Lit.: Gaudenzi, A., Un’ antica compilazione di diritto
romano e visigoto, 1886; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G.,
Fragmenta Gaudenziana, (in) Ius Romanum medi aevi I 2 b aa, 1967; Kaiser, W.,
Die Epitome Iuliani, 2004
Fragmenta (N. Pl.) Vaticana (vatikanische Fragmente) sind die auf einem
Palimpsest in der vatikanischen Bibliothek in Rom 1821 von Angelo Mai
entdeckten Bruchstücke einer Rechtssammlung wohl des 4. Jh.s mit Auszügen aus
den Werken des Paulus, Papinians und Ulpians sowie der kaiserlichen
Konstitutionen des (lat.) Codex (M.) Gregorianus und des Codex Hermogeninus.
Fraktion ist das Bruchstück oder (seit
1848) die Vereinigung von Mitgliedern einer Partei im Parlament. In den
Verfassungen erscheint die politische F. im Gegensatz zur Partei meist nicht,
doch sind sie betreffende Grundsätze in Geschäftsordnungen geregelt. In
Einparteiensystemen gibt es die F. rechtlich oder rechtstatsächlich nicht.
Lit.:
Kramer, H., Fraktionsbindungen in den deutschen
Volksvertretungen 1819-1849, 1968; Die Fraktion als Machtfaktor, hg.
v. Schwarz, H., 2009
Franciscus de Accoltis
ist der in Arezzo spätestens 1418 geborene, vielleicht in Bologna ausgebildetr
und dort sowie in Ferrara, Siena, Ferrara, Mailand, Siena und Pisa lehrende,
1485, 1486 oder 1488 verstorbene Jurist, der commentaria zu den Digesten,
commentaria zu einzelnen Titeln, commentaria zum Codex, casus, repetitiones und
consilia verfasst..
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 854
Franche-Comté (Freigrafschaft) → Burgund
Lit.: Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79
(1962), 106
Francia (lat. [F.])
fränkisches Gebiet, → Franken
Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia, 1960
Franckensteinsche Klausel
ist die im Streit um die Verteilung der Finanzen zwischen Deutschem Reich und
seinen Bundesstaaten am 12. 7. 1879 in zulässiger Verfassungsdurchbrechung
verabschiedete, nach dem Abgeordneten der Zentrumspartei im Reichstag des
Deutschen Reiches Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein (2. 7.
1825-22. 1. 1890) als ihrem Urheber bezeichnete Klausel (§ 8 I 1 des Gesetzes
betreffend den Zolltarif des deutschen Zollgebietes und den Ertrag der Zölle
und der Tabaksteuer), dass der Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer (des
Reiches), der die Summe von 130 Millionen Mark in einem Jahr übersteigt, den
Bundesstaaten entsprechend ihren Bevölkerungszahlen zu überweisen ist. Am 14.
5. 1904 wird sie im Kern aufgehoben und der Ertrag aus Zöllen und Tabaksteuer
ganz dem Reich zugeschlagen.
Lit.: Kittel, J., Franckensteinsche Klausel und die
deutsche Finanzreform, 1894; Thier, A., Steuergesetzgebung, 1999; Ullmann, H.,
Der deutsche Steuerstaat, 2005
Franeker in den
Niederlanden (Friesland) ist von 1585 bis 1811 Sitz einer juristischen Fakultät
(Ulrich Huber, Johann Gottlieb Heineccius).
Lit.: Universiteit te Franeker 1585-1811, hg. v. Jensma, G.
u. a., 1985; Ahsmann, M., De juridische faculteit te Franeker, TRG 54 (1986),
39; Feenstra, R., Heineccius in den alten Niederlanden, TRG 74 (2004), 297ff.;
Feenstra, R., Bibliografie van hoogleraren in de rechten aan de Franeker
Universiteit tot 1811, 2003
Frank und frei ist diee in der frankophonen
Schweiz 1461 (franc et libre de toutes taillés) erstmals nachweisbare Wendung
(Paarformel).
Franke („Kühner“) ist der Angehörige einer 258 n. Chr. am Niederrhein erstmals sichtbaren germanischen Völkerschaft, die im 5. Jh. allmählich in das südlich gelegene, römische Gallien zwischen Rhein und Somme eindringt. Die Franken besiegen unter ihrem sie gewaltsam einenden König Chlodwig ([* um 466,] 481/482-511) aus dem Hause der → Merowinger den römischen Statthalter in Nordgallien (Soissons) (486), die am oberen Rhein und an der oberen Donau sitzenden Alemannen (496) und die in Südgallien siedelnden Westgoten (Vouillé 507). Danach bringen ihre merowingischen Könige von dem Kernraum zwischen Rhein und Loire aus die Thüringer (531/534), Burgunder (532/534), die Provence (536) und Bayern (bis 545) in eine gewisse Abhängigkeit. Das Recht der Franken wird im (lat.) → Pactus (M.) legis Salicae (507/11?) und in der (lat.) → Lex (F.) Ribvaria sowie der → Ewa Chamavorum aufgezeichnet. Vielfach wird das Reich geteilt, kommt aber z. B. zwischen 558 und 561 unter Chlothar I. oder auch danach unter Chlothar II. wieder in eine Hand. Vielleicht erst in den dabei ausgelösten Wirren verfallen die römerzeitlichen Einrichtungen Galliens weitgehend. Seit dem späteren 7. Jh. gewinnen die Hausmeier als der Familie der (Arnulfinger oder) Pippiniden (oder später Karolinger) an Bedeutung (Pippin der Mittlere 687-714, Karl Martell 714-741, Pippin der Jüngere 741-768(. 751 löst die Familie der Karolinger die Merowinger mit Unterstützung Papsts Zacharias durch Akklamation seitens der Großen im Königtum ab ([lat.] consecratio [F.] durch die Bischöfe, 754 Salbung durch Papst Stephan II.). Unter Karl dem Großen, der Weihnachten 800 vom Papst zum (west)römischen Kaiser gekrönt wird, gewinnt das Reich der Franken seine größte Ausdehnung (Sachsen, Italien 774). 843 wird es in Westreich, Lotharingien und (deutschsprachiges) Ostreich geteilt, woraus sich unter einstweiligem Ausscheiden Italiens und Burgunds 887 eine Zweiteilung entwickelt, die im deutschen Reich einerseits und in Frankreich andererseits endet. In Frankreich gehen die Franken bald in der unterworfenen gallorömischen Bevölkerung auf. Im deutschen Reich verlagert sich die Herrschaftsgewalt 919 auf die Herzöge von Sachsen. Das Herzogtum der Franken (ebenso wie ein Territorialherzogtum Franken [1168]) verschwindet infolge seiner späteren Königsnähe bald in vollständiger Zersplitterung und hinterlässt nur in den 1838 gebildeten bayerischen Regierungsbezirken Mittelfranken (Ansbach), Oberfranken (Bayreuth) und Unterfranken (Würzburg) eine blasse Erinnerung. Auch das fränkische Recht ist nur im Frühmittelalter deutlich erkennbar (s. Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chamavorum).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 3;
Rübel, K., Die Franken, 1904; Petri, F., Germanisches Volkserbe in Wallonien
und Nordfrankreich, 1937; Zöllner, E. Die politische Stellung der Völker im
Frankenreich, 1950; Petri, F., Zum Stand der Diskussion über die fränkische
Landnahme, 1954; Balon, J., Études franques 1, 1963; Zöllner, E., Geschichte
der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 1970; Bosl, K., Franken um 800,
2. A. 1980; Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. v.
Petri, F., 1973; Schneider R., Das Frankenreich 1982; Schulze, H., Vom Reich
der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Périn, P./Feffer, C., Les Francs,
1987; James, E., The Francs, 1988; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994;
Wood, I., The Merovingian Kingdoms, 1994; Franken, Reallexikon der germanischen
Altertumskunde, Bd. 9 1995, 373; Die Franken – Wegbereiter Europas, 1996;
Clovis, hg. v. Rouche, M., 1997; Kasten, B., Königssöhne und Königsherrschaft,
1997; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Die Franken und die
Alemannen, hg. v. Geuenich, D., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v.
Hässler, H., 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Semmler, J., Der
Dynastiewechsel, 2003; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs,
2005; Collins, R., Die Fredegar-Chroniken, 2007
Franken ist das 531/vor 720 von den
Thüringern an die Franken gefallenen Gebiet um Würzburg (Herzogtum der Hedene,
10. Jh. orientalis Francia) ausgehende Gebiet zwischen Rhön und Donau, das im
Mittelalter in zahlreiche kleine Herrschaften zerfällt (Ansbach, Bayreuth,
Hohenlohe, Würzburg, Bamberg, Eichstätt, Deutscher Orden, Reichsstädte,
Reichsritter, insgesamt 43 Landesherren im fränkischen Reichskreis), am Beginn
des 19. Jh.s insgesamt aber an Bayern gelangt, das die drei Regierungsbezirke
Unterfranken (Würzburg), Mittelfranken (Ansbach mit Nürnberg) und Oberfranken
(Bayreuth) bildet. → Franke
Lit.: Stein, F.,
Geschichte Frankens, Bd. 1f. 1885f.; Hartung, F., Geschichte des fränkischen Kreises
I, 1910, Neudruck 1973; Schmidt, G., Das Herzogtum Franken, 1913; Schaumberg,
O. Frhr. v. u. a., Regesten des fränkischen Geschlechts von Schaumberg,
1930ff.; Franken, hg. v. Scherzer, C., Bd. 1f. 1955ff.; Historischer Atlas von Bayern, Teil
Franken; Bog, I., Dorfgemeinde, Freiheit und Unfreiheit in Franken, 1956;
Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae. Das kaiserliche
Landgericht des Herzogtums Franken im Spätmittelalter, 1956; Bosl, K., Franken
um 800, 1959; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962;
Schrader, E., Vom Werden und Wesen des würzburgischen Herzogtums Franken, ZRG
GA 80 (1963), 27; Zimmermann, G., Vergebliche Ansätze zu Stammes- und
Territorialherzogtümern in Franken, Jb. f. fränkische Landesforschung 23
(1963), 379ff.; Wöppel, G., Prichsenstadt, 1968; Handbuch der bayerischen
Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Handbuch der bayerischen
Geschichte, Bd. III/1, Franken, hg. v. Spindler, M. u. a., 3. A. 1997; Der
deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert Bd. 2, hg. v. Patze, H., 1971,
255ff.; Moraw, P., Franken als königsnahe Landschaft im späten Mittelalter,
Bll. f. dt. Landesgeschichte 112 (1976), 123ff.; Andraschke, J., Arianische und
fränkische Missionierung im Regnitz- und Obermaingebiet um 500 bis 800 n. Chr.,
Bericht des hist. Vereins Bamberg 135 (1999), 89; Franken von der
Völkerwanderungszeit bis 1268, bearb. v. Störmer, W., 1999; Merz, J., Fürst und
Herrschaft. Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470-1519, 2000;
Riedenauer, E., Fränkische Landesgeschichte, hg. v. Wendehorst, A., 2001;
Franken in Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte, hg. v. Blessing, W.
u. a., 2003; Franken im Mittelalter, hg. v. Merz, J. u. a., 2004; Edel und
Frei, hg. v. Jahn, W. u. a., 2004; Petersohn, J., Franken im Mittelalter, 2008;
Blessing, W., Kleine Geschichte Frankens, 2008
Frankenberg ist die
1243 erstmals erwähnte Stadt an der oberen Eder, für die 1493 der in Erfurt
(1454) und Leipzig (1457-1459) immatrikulierte, bakkalaurierte Bürgermeisterssohn
und Schöffe Johannes Emmerich († 15. 11. 1494) ein Stadtrechtsbuch vollendet,
das in seinem ersten Teil (Von den burgern) überwiegend auf Gewohnheitsrecht
und (1476 verbrannten) Privilegien und in seinem zweiten Teil (Von dem gericht)
vor allem auf dem (in etwa 190 Artikel geteilten) Schwabenspiegel und dem
Kleinen Kaiserrecht (Frankenspiegel) beruht und wohl aus dem Gedächtnis auch
die Dekretalen Gregors IX. und die Institutionen Justinians einbezieht. Es wird
1556 abgeändert nach Alsfeld übernommen.
Lit.: Diemar, H., Die Chroniken des Wigand Gerstenberg von
Frankenberg, 1909; Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg,
Diss. jur. Marburg 1922; Anhalt, E., Der Kreis Frankenberg, 1928; Spieß, W.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, 1930; Gerhardt, H., Das Alsfelder
Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 82; Eckhardt, W., Das Stadtgericht
als Oberhof, Zs. f. hess. Gesch. 110 (2005), 21ff.
Frankenspiegel ist
die an Sachsenspiegel, Deutschenspiegel und Schwabenspiegel ausgerichtete
Bezeichnung (Richard Schroeders) des zwischen 1344 und 1350 bei Frankfurt am
Main verfassten, eng an den sog. Schwabenspiegel angelehnten → Kleinen
Kaiserrechts.
Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt. K.,
Frankenspiegel-Studien, 1923; Stutz, U., Frankenspiegel-Studien, ZRG GA 44
(1924), 316; Hatzfeld, L., Frankenspiegel oder Kaiserrecht, TRG 26 (1958), 15;
Ochsenbein, P. u. a., Neue Bruchstücke einer alemannischen Frankenspiegelhandschrift,
ZRG GA 95 (1978), 237; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003
Frankfurt am Main ist
die 794 als Pfalz erstmals erwähnte Stadt am unteren Main. Seit 856 bzw. 1152
ist F. Ort der Königswahl (bis 1752 36 Könige in F. gewählt), wie dies die
Goldene Bulle (1356) ausdrücklich festlegt, und seit 1562 auch Ort der Krönung.
Um 1150 wird erstmals die Messe in F. erwähnt (seit Ende des 15. Jh.s auch für
Bücher, Buchmesse). Bis 1372 (Erwerb des Pfandrechts am Schultheißenamt) wird F.,
dessen Recht erstmals in einem Weistum für Weilburg über Pfahlbürger (1297)
aufgezeichnet (und auch an Friedberg, Gelnhausen, Steinheim am Main, Hanau,
Limburg und Wetzlar vermittelt) wird, tatsächlich reichsunmittelbar. 1509
reformiert die Stadt ihr Recht und erweitert diese Reformation 1578 durch
Johann → Fichard noch. Die Zahl der danach in F. arbeitenden, häufig in
Gießen ausgebildeten Rechtsanwälte ist überdurchschnittlich groß. Nach dem
Ende des Heiligen römischen Reiches 1806 wird F. Hauptstadt des Rheinbunds mit
Residenz des Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg im Palais Thurn und Taxis
(1810 Großherzog von F., 1811 Einführung des Code Napléon). Nach dem Sturz
Napoleons wahrt Karl Freiherr vom Stein die auf dem Wiener Kongress 1815
gesicherte Selbständigkeit der (freien) Stadt. Von 1815 bis 1866 ist F. Sitz
der Bundesversammlung des Deutschen Bundes (und vom 31. 3.-3. 4. 1848 des die
Wahl einer Nationlversammlung vorbereitenden Frankfurter Vorparlaments,
dessen Beschlüsse vom Deutschen Bund anerkannt werden, sowie ab 18. 5. 1848
bis 1849 Sitz der deutschen Nationalversammlung mit 812 Abgeordneten, davon 491
Juristen, viele mit Studien in Göttingen, Heidelberg oder Berlin). 1866 wird es
von Preußen annektiert. Wirtschaftlich entwickelt es sich zur Großstadt. 1914
wird es auf der Grundlage einer Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften
Sitz einer Stiftungsuniversität (1932 Johann Wolfgang Goethe-Universität), in
der 1964 das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (Helmut Coing)
gegründet wird. 1945 gelangt es zu Hessen.
Lit.: Köbler, DRG 171; Köbler, Historisches Lexikon;
Böhmer, J., Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus - Urkundenbuch deer
Reichsstadt Frankfurt am Main (794-1400), 1836; Thomas, J., Der Oberhof zu
Frankfurt a. M., 1841; Hohenemser, P., Der Frankfurter Verfassungsstreit 1705
bis 1732, 1920; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935;
Cellarius, H., Die Reichsstadt Frankfurt und die Gravamina der deutschen
Nation, 1938; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am
Main, 1939; Ziehen, E., Frankfurt, Reichsreform und Reichsgedanke 1486-1504,
1940; Lenhardt, H., Feste und Feiern des Frankfurter Handwerks, 1950; Die
Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt 1311-1400, hg. v. Andernacht, D., 1955;
Habich, W., Das Weinungsgeld der Reichsstadt Frankfurt am Main, 1967; Wolf, A.,
Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am
Main, hg. v. Wolf, A., 1969; Schalles-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt,
1969; Jahns, S., Frankfurt, Reformation und schmalkaldischer Bund, 1976; Orth,
E., Frankfurt, (in) Die deutschen Königspfalzen Bd. 1 Hessen, 1985, 131ff.;
Reformacion der Stat Franckenfort am Meine, hg. v. Köbler, G., 1984;
Hammerstein, N., Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd.
1 1985; Zande, J. van der, Bürger und Beamter Johann Georg Schlosser 1739-1799,
1986; Bund, K., 1436-1986. 500 Jahre Stadtarchiv Frankfurt am Main, 1986; Die
Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, hg. v. Koch, R., 1989; Die Frankfurter
Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Juristen an der Universität
Frankfurt am Main, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1989; Ein Jahrhundert
Frankfurter Justiz, Gerichtsgebäude, hg. v. Henrichs, H. u. a., 1989; Gimbel,
R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main unter dem Einfluss der westfälischen
Gerichtsbarkeit – Feme, 1990; Fischer, R., Frankfurts Beitrag für das heutige
Hessen, 1990; Frankfurt am Main, hg. v. der Frankfurter historischen
Kommission, 1991; Maly, K., Die Macht der Honoratioren, 1992; Dölemeyer, B.,
Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993 (737 Juristen);
Frankfurter Biographie, hg. v. Klötzer, W., 1994; Frankfurt, hg. v. d.
Frankfurter historischen Kommission, 1994; Frankfurt am Main 1200, hg. v. Gall,
L., 1994; Regierungsakten des Primatialstaates und des Großherzogtums Frankfurt
1806-1813, bearb. v. Rob, K., 1995; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt
am Main, 1996; Best, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten der
Frankfurter Nationalversammlung, 1996; Roth, R., Stadt und Bürgertum in
Frankfurt/Main, 1996; Weber, M., Verfassung und Reform in Vormärz und
Revolutionszeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1996; Ribhegge, W., Das Parlament
als Nation, 1998; Laufs, A., Die Frankfurter Nationalversammlung, JuS 1998,
385; Rothemann, M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Recht und
Juristen in der deutschen Revolution 1848/49, hg. v. Düwell, F., 1998; Johann,
A., Kontrolle mit Konsens, 2001; Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Körner,
H., Frankfurter Patrizier, 2003; Repertorium der Policeyordnungen der frühen
Neuzeit – Frankfurt am Main, hg. v. Halbleib, H. u. a., 2004; Ihrer Bürger
Freiheit - Frankfurt im Mittelalter, hg. v. Müller, H., 2004; Schartl, R.,
Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter,
ZRG GA 123 (2006), 136; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H.
u. a., 2007; Wintergerst, M., Franoconofurt, 2007; Die Reichsstadt Frankfurt am
Main als Rechts- und Gerichtslandschaft, hg. v. Amend, A., 2008; Frankfurt im
Schnittpunkt der Diskurse, hg. v. Seidel, R. u. a., 2010
Frankfurt an der Oder wird im frühen 13. Jh. als Handelssiedlung gegründet und erhält 1253
das Stadtrecht von Berlin (der Magdeburger Stadtrechtsfamilie). Ab 1506 ist es
Sitz der ersten brandenburgischen, 1811 nach Breslau verlegten, 1991 erneuerten
Universität (Samuel Stryk, Johann Samuel Friedrich Böhmer, Johann Gottlieb
Heineccius, Johann Brunnemann, Karl Friedrich Eichhorn).
Lit.: Haalck, J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät
Frankfurt, (in) Heimatkunde und Landesgeschichte, 1958, 151ff.; Kliesch, G.,
Der Einfluss der Universität Frankfurt (Oder) auf die schlesische
Bildungsgeschichte, 1961; Bardong, O., Die Breslauer an der Universität
Frankfurt/Oder, 1970; Huth, E., Die Entstehung und Entwicklung der Stadt
Frankfurt, 1975; Jajesniak-Quast, D./Stoklosa, K., Geteilte Städte an Oder und
Neiße, 2000; Höhle, M., Universität und Reformation, 2002; Frankfurt an der
Oder 1253-2003, hg. v. Knefelkamp, U. u. a., 2003; Kilian-Buchmann, M.,
Frankfurt im Mittelalter, 2005
Frankfurter Nationalversammlung → Frankfurt am Main
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Siemann, W., Die Frankfurter
Nationalversammlung 1848/49, 1976; Die Protokolle des volkswirtschaftlichen
Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, hg. v. Konze, W. u. a., 1992
Fränkisches Recht
ist das für → Franken geltende Recht. Dem fränkischen Recht untersteht
der deutsche König, der auf fränkischem Boden gewählt und gekrönt wird (Frankfurt
am Main, Aachen). Als besondere Einheit ist es trotz gelegentlicher hochmittelalterlicher
Bezugnahmen kaum fassbar (vielleicht Königsgericht, Königsbann, Königspfalz,
Graf, Lehen, Kesselfang). → Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa
Chamavorum, Decretio Childeberti, Pactus pro tenore pacis, Praeceptio
Chlotharii, Kapitular
Lit.: Sohm, R., Fränkisches Recht und römisches Recht, ZRG
GA 1 (1880), 1; Beaudoin, E., La participation des hommes libres au jugement
dans le droit franc, 1888; Frommhold, G., Zur Geschichte des fränkischen Rechts
in Schlesien, ZRG GA 13 (1892), 220; Schröder, R., Die Franken und ihr Recht,
ZRG GA 2 (1881), 1; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen
Recht, 1903; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907),
236; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910; Goldmann, E.,
Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts 1, 1924; Goldmann, E., Neue
Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts, 1928; Buchner, R., Die
Rechtsquellen, 1953; Claude, D., Zu Fragen frühfränkischer
Verfassungsgeschichte, ZRG GA 83 (1966), 273; Sizaret, L., Essai sur l’histoire
de la dévolution successorale ab intestat, 1975; Mordek, H., Studien zur
fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000
Frankreich ist der
aus dem westlichen Teil des Reiches der → Franken seit 843 allmählich
entstandene westeuropäische Staat, in dem sprachlich die zahlenmäßig unterlegenen
Franken in der romanischen Mehrheit allmählich aufgehen. In ihm entwickeln sich
unter den Karolingern zahlreiche ziemlich selbständige Herrschaften
(Aquitanien, Normandie, Burgund, Blois-Tours, Anjou, Flandern, Toulouse). Seit
888 ist das Königtum zwischen Karolingern und Robertinern umstritten. Als nach
dem Aussterben der westfränkischen → Karolinger 987 der Robertiner Hugo
Capet, Graf von Paris, zum König ([lat.] rex [M.] Francorum, König der Franken)
gewählt wird, setzt er die Erblichkeit des Königtums durch. Danach tritt an die
Stelle des westfränkischen Reiches F. (mit den Grenzflüssen Schelde, Maas,
Saône, Rhône), das rasch kulturell führend wird. Der König ist zunächst auf die
um 1180 nur ein Zehntel des Reichs ausmachende Krondomäne beschränkt und
beherrscht neun Zehntel des Reichs nicht mehr selbst, drängt aber später die
großen Lehnsträger (rund ein Dutzend Prinzipate) zurück (1328 zwei Drittel
Frankreichs Krondomäne). Der seit 1154 aus dem Haus Anjou-Plantagenet stammende
König von England muss bis 1214 (Schlacht von Bouvines) große Teile Frankreichs
an den französischen König überlassen. Dazu kommen kleinere Erweiterungen
(Toulouse nach 1213, Lyon 1312, Dauphiné 1349, Grafschaft Provence 1482). Zwar
herrscht der König noch im Umherziehen durch sein Reich, doch bleiben ab der
Herrschaft Philipps II. (1180-1233) Parlament und Kanzlei zunehmend in Paris.
König Ludwig IX. (1226-1270, rex Franciae) gelingt die Schaffung wichtiger
Verwaltungseinrichtungen (Staatsrat, Hofgericht, Rechenkammer). Auch die
Gesetzgebung wird früh als Herrschaftsmittel erkannt. 1303 kann der König von
F. den Papst gefangennehmen und 1309 nach Avignon verbringen. Beim Aussterben
der → Kapetinger (1328) kommt es 1337 zum hundertjährigen Krieg mit
England (Plantagenet), während dessen Dauer sich (nach anfänglichen großen
Erfolgen Englands) unter dem Haus Valois (1328-1589) die Erbmonarchie festigt.
Durch das Eingreifen der Bauerntochter Jeanne d’Arc gelingt der nationale Sieg
über das sein kontinentales Gut verlierende England, so dass F. 1453 trotz
großer Verwüstungen gestärkt aus dem Krieg hervorgeht. Gegen 1440 wird das Steuerwesen
zu einer festen Einrichtung, das Heer stehend. 1477 fallen die Lehen des
Herzogs von Burgund zurück. 1481 umfasst die Krondomäne des Königs (mit Nevers,
Picardie, Anjou, Maine und Provence) drei Viertel Frankreichs (1491 Bretagne).
1492 wird nach Italien (Neapel) ausgegriffen. Die religiöse Bewegung des
Calvinismus wird durch die Hugenottenkriege bis 1598 zurückgedrängt (Nacht zum
24. 8. 1572 Bartholomäusnacht mit rund 12000 Toten in Paris und 20000 Toten in
Frankreich). Unter dem zum Katholizismus zurückgekehrten König Heinrich IV. aus
dem Hause Bourbon (1589-1792) (13. 4. 1598 Edikt von Nantes [an der Loire nahe
dem Atlantik] zur Tolerierung der Hugenotten, Glaubensfreiheit,
Gewissensfreiheit, politische Gleichberechtigung, 1685 aufgehoben) beginnt der
Aufbau einer absolutistischen Herrschaft, in der die Generalstände (états
généraux) seit 1614 nicht mehr einberufen werden, aber doch die Gesetzgebung
des Königs nicht wirklich schrankenlos wird. Unter Kardinal Richelieu als
erstem Minister Ludwigs XIII. wird F. führende Macht Europas. Am Ende des
dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) erlangt F. von Habsburg Gebiete im →
Elsass, 1659 Roussillon und Artois. Der mit vier Jahren auf den Thron gelangte
König Ludwig XIV. (1643-1715) wird als Sonnenkönig (mit Schloss Versailles)
merkantilistisch tätiges, Ordonnanzen erlassendes absolutistisches Vorbild in
Europa, muss aber am Ende des spanischen Erbfolgekrieges (1714) trotz sehr
hoher Staatsverschuldung ein Gleichgewicht der Mächte anerkennen. Während des
18. Jh.s wendet sich die bürgerliche Aufklärung gegen die absolute Herrschaft
und stürzt nach außenpolitischen Misserfolgen im siebenjährigen Krieg und im
amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und innenpolitischen Wirtschaftskrisen
trotz Einberufung der Generalstände (1788, 1789) als auf Betreiben des
Abgeordneten Emmanuel Sieyès am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung erklärter
(nichtadliger und nichtgeistlicher) dritter Stand (tiers, état, rund 96 Prozent
der Bevölkerung) am 14. 7. 1789 den
König unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (27. 8. 1789
Erklärung der Menschenrechte, 3. 9. 1791 Verfassung, konstitutinonelle
Monarchie, 1792 erste Republik). Nach langjährigen revolutionären Wirren
(Schreckensherrschaft unter Marat und Robespierre) erreicht am 9. 11. 1799 Napoleon
Bonaparte (als einer von drei Konsuln) die Macht und bringt als selbstgekrönter
Kaiser (2. 12. 1804) in kurzer Zeit große Teile Europas unter den Einfluss
Frankreichs. Nach militärischen Niederlagen (Leipzig 16.-19. 10. 1813, Waterloo
18. 6. 1815) Napoleons wird F. konstitutionelle Monarchie (Bourbon, 1814-1830
Restauration, Juli 1830 Revolution, 1830-1848 Juli-Monarchie, Bürgerkönig
Louis Philippe, Zensuswahlrecht), 1848 (bis 1851) zweite Republik), 1853
(zweites) Kaiserreich), 1871 (dritte) Republik). 1871 verliert F. den wegen der
Thronfolge in Spanien gegen Preußen und seine deutschen Verbündeten geführten
Krieg. 1894 wird F. durch die Affäre Dreyfus (Offizier Alfred Dreyfus
[1859-1535] aus anitsemitischen Gründen mit Hilfe gefälschter Beweise wegen
Spionage zu lebenslanger Haft verurteilt, 1906 rehabilitiert) erschüttert,
wodurch die Trennung von Staat und Kirche beschleunigt wird. Das 1871 verlorene
Elsass-Lothringen gewinnt es am Ende des ersten Weltkrieges (1918) zurück.
Danach verliert es in blutigen Kämpfen allmählich die in der Neuzeit eroberten
Kolonien. Trotz vorläufiger Kapitulation gegenüber dem deutschen Reich (1940)
und Errichtung eines autoritären Regimes im nichtbesetzteb Teil (État Français,
Vichyregime) wird es 1945 gleichberechtigte Besatzungsmacht Deutschlands und
erhält einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit
Vetorecht. Rasch verliert es in Freiheitskämpfen die meisten seiner Kolonien
(z. B. Indochina, Algerien). In der vierten Republik (1947-1958) schließt es
sich seit 1952 mit Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg
zwecks gegenseitiger Kontrolle (Frankreichs über Deutschland) zu Gemeinschaften
(Staatenverbünden) der Montanindustrie (Montanunion), der Atom-wirtschaft
(Euratom) und der Wirtschaft (EWG) (1957) zusammen (1958 fünfte Republik unter
Charles de Gaulle), aus denen nach Zusammenfügung zu einer Europäischen
Gemeinschaft 1993 insgesamt die → Europäische Union erwächst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 76,
131, 141, 149, 186, 191, 223, 246, 256; Flach, J., Les origines de l’ancienne
France, 1886ff.; Pouffin, H., Essay sur l’organisation et la juridiction
municipales au moyen age, 1886; Beauchet, L., Histoire de l’organisation
judiciaire en France, 1886; Viollet, P., Histoire des institutions politiques
et administratives de la France, 1890ff.; Epinas, G., Les finances de la
communauté de Douai, 1902; Viollet, P., Histoire du droit civil français, 1905,
Neudruck 1966; Histoire de France, hg. v. Lavisse, E., Bd. 1ff. 1900ff.;
Viollet, P., Le roi et ses ministres pendant les trois derniers siècles de la
monarchie, 1912; Wartburg, W. v., Französisches etymologisches Wörterbuch, Bd.
1ff. 1922ff.; Dillay, M., Les chartes de franchises de Poitou, 1927;
Französisches etymologisches Wörterbuch; Dictionnaire de biographie française,
Bd. 1ff. 1933ff.; Thomas, P., Textes historiques sur Lille et le Nord de la
France, 1936; Gallet, L., Les traités de pariage dans la France féodale, 1935;
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G., Stadt, Recht und Krone, 2002; Le Moyen Âge, hg. v. Contamine, P., 2002;
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Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002;
Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt, 2002;
Baldinger, K., Dictionnaire étymologique de l’ancien français, 2003; Grüner,
S./Wirsching, A., Frankreich, 2003; Goldsmith, J., Lordship in France, 2003;
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Auguste Roi de France, hg. v. Favier, J. u. a., 2004; WBG Deutsch-französische
Geschichte, hg. v. Paravicini, W. u. a. 2004ff.; Gauvard, C., La France au
Moyen Âge, 2004; Schilling, L., Normsetzung in der Krise, 2005; Telliez, R.,
Per potentiam officii - Les officiers devant la justice, 2005; Schmidt, B. u.
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Ludwigs XVIII. in der Krise von 1830, 2006: Burguière, A., L’Ècole des Annales,
2006; Connelly, O., The Wars of the French Revolution and Napoleon 1792-1815,
2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 945; Regnum et imperium, hg. v. Weiß, S.,
2008; Krause, S., Die souveräne Nation, 2008; ; In the embrace of France, hg.
v. Jacobs, B., 2008Frankreich am Rhein, hg. v. Theis, K. u. a., 2009; Ehlers,
J., Geschichte Frankreichs im Mittelalter, (2. A.) 2009
Franz I. (Franz Stephan, Nancy 8. 12.
1708-Innsbruck 18. 8. 1765), 1723 in Wien erzogen, 1729 Herzog von Lothringen,
1732 Statthalter Ungarns, 12. 2. 1736 Heirat mit Maria Theresia, nach
Ländertausch 1737 Großherzog von Toskana, 1745 Kaiser des Heiligen römischen
Reiches
Lit.: Die Kaiser der
Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990, 232ff.
Franz II. (Florenz 12. 2. 1768-Wien 2. 3.
1835), Sohn Kaiser Leopolds II., in Toskana aufgewachsen, 1784 Wien, 1792
Kaiser des Heiligen römischen Reiches, 1797 Westgalizisches Gesetzbuch, 1803
Strafgesetz, 1804 auch selbst verfassungswidrig ernannter (erblicher) Kaiser
Österreichs, 6. 8. 1806 Niederlegung der Krone des Heiligen römischen Reiches,
1811 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Lit.: Die Kaiser der
Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990, 286ff.; Hattenhauer, C., Wahl und
Krönung Franz II., 1995
Franz Joseph I. (Schönbrunn 18. 8. 1830-Schönbrunn 21. 11. 1916) folgt am2. 12. 1848 seinem Onkel Ferdinand I. als
Kaiser Österreichs,.
Lit.: Conte
Corti, E., Der alte Kaiser, 3. A. 1956
Franziskaner ist der Angehörige des von Franz
von Assisi (1181/1182-1226) begründeten Ordens der Minoriten (Minderbrüder,
einschließlich der Kapuziner). Bekannt sind Heinrich von Merseburg (um 1242
[lat.] Summa super V libros decretalium), Balduin von Brandenburg (um 1270
[lat.] Summa titulorum), Johannes von Erfurt (Ende 13. Jh. [lat.] Tabula iuris
utriusque, Summa confessorum), Bonagratia von Bergamo, Wilhelm von Ockham,
Anaklet Reiffenstuel (1700ff. [lat.] Ius caonicum universum) und Lucius
Ferraris (1746ff. Prompta bibliotheca canonica). Vermutlich sind
Deutschenspiegel und Schwabenspiegel von Franziskanern beeinflusst.
Lit.: Ertl, T., Religion und Disziplin, 2006
Französisch
Lit.: Tobler,
A./Lommatzsch, E., Altfranzösisches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1954ff. (11.-14. Jh.)
Französische Revolution ist die revolutionäre Veränderung des politischen Systems (ancien régime) in → Frankreich 1789/1799. Sie erwächst aus der zunehmenden Spannung zwischen dem durch Krieg und Hofhaltung die Staatsverschuldung mehrenden König und dem nach politischen Rechten strebenden, mit der wirtschaftlichen Lage und wohl auch der mangels eines Steuerkatasters willkürlichen Steuererhebung unzufriedenen dritten Stand (der → Bürger [16 Prozent, Bauern 82 Prozent]). Als nach sehr strengen Wintern (1787, 1788) die zum 1. 5. 1789 nach fast 175 Jahren vom König erstmals wieder zusammengerufenen Generalstände (états généraux, 300, 300 und 600 Mitglieder der drei Stände) nach ergebnislosen Beratungen über ein Stimmrecht nach Köpfen sich am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung (des dritten, hauptsächlich aus Verwaltungsbeamten, Juristen und Kaufleuten zusammengesetzten Standes) erklären, versucht der König erfolglos, sie aufzulösen. Nach dem Sturm des politischen Gefängnisses (Bastille, Stadtorburg im Osten von Paris) am 14. 7. 1789 muss er sie als verfassunggebende Nationalversammlung bestätigen. Die feudalen Rechte des ancien régime werden aufgehoben (4./5. 8. 1789). Am 26. 8. 1789 werden von der Nationalversammlung Menschenrechte und Bürgerrechte verkündet. Am 2. 11. 1789 wird die Kirche enteignet. Am 3. 9. 1791 wird eine erste → Verfassung geschaffen (konstitutionelle Monarchie mit Zensuswahlrecht, König als Spitze der ausführenden Gewalt). Die Schulen werden verstaatlicht. Die zivile Eheschließung wird eingeführt. Der Staat wird in 83 Departements eingeteilt. 1792 wird eine neue Nationalversammlung gewählt (radikale Jakobiner, gemäßigte Girondisten). Gegenüber Österreich und Preußen wird der Krieg erklärt. Am 21. 9. 1792 wird die Republik ausgerufen. Der König wird wegen Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und die allgemeine Sicherheit des Staates zum Tode verurteilt und am 21. 1. 1793 hingerichtet. Am 10. 3. 1793 entsteht ein Revolutionstribunal. Die darauf folgende Schreckensherrschaft eines Sicherheits- und Wohlfahrtsausschusses (Robespierre, Marat, Danton) wird mit dem Sturz Robespierres am 27. 7. 1794 beendet. Am 22. 8. 1795 wird eine liberale Verfassung geschaffen. Am 9. 11. 1799 stürzt Napoléon Bonaparte das diktatorisch herrschende fünfköpfige Direktorium.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Redslob, R., Völkerrechtliche
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alten Reich zu neuer Staatlichkeit, hg. v. Gerlich, A., 1982; Furet, F./Richet,
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Kuhn, A./Schweigard, J., Freiheit oder Tod!, 2005
Französisches Recht
ist das in Frankreich geltende Recht bzw. das in Frankreich geschaffene Recht.
Es ist aus zwei großen Teilgebieten erwachsen. Im Süden Frankreichs gilt seit
dem Untergang des weströmischen Reiches (476) das in vereinfachter Form (→
Breviarium Alaricianum) fortgeführte römische Recht als Schriftrecht fort (frz.
droit [M.] écrit). Nördlich der Loire bilden sich auf der Grundlage der
fränkischen Volksrechte (→ Pactus legis Salicae) viele örtliche oder
gebietliche Gewohnheiten (frz. [F.Pl.] → Coutumes). Sie werden seit dem
13. Jh. nichtamtlich aufgezeichnet. Am bekanntesten sind die → coutumes
de Beauvaisis des Philippe de → Beaumanoir (1283). 1454 wird die amtliche
Aufzeichnung vom König geboten. Im 16. Jh. entsteht eine glanzvolle
französische Rechtswissenschaft (lat. → mos [M.] Gallicus) mit dem
Mittelpunkt in Bourges. Gewicht gewinnen einzelne königliche ordonnances (1510,
1539, 1566, 1579, 1667, 1673, 1681, 1731, 1735, 1745). Mit dem Edikt von
Saint-Germain (1679) erhält jede juristische Fakultät eine Professor für
französisches Zivilrecht. Die Aufklärung erweckt ein Streben nach allgemeinen
Rechtsregeln. Am 3. 9. 1791 kündigt die Verfassung ein einheitliches
bürgerliches Gesetzbuch (frz. Code [M.] des lois civiles communes) an, doch
werden drei Entwürfe nicht verabschiedet und nur Einzelgesetze gegen Kirche und
Adel erlassen (sog. droit [M.] intermédiaire). Nach der Machtergreifung
Napoléons entstehen binnen weniger Jahre ein → Code civil des Français
(Bürgerliches Gesetzbuch 1804), ein der ordonnance von 1667 eng folgender, das
europäische Zivilprozessrecht des 19. Jh.s wesentlich bestimmender → Code
de procédure civile (Zivilverfahrensgesetzbuch, in Kraft zum 1. 1. 1807), ein
Code de commerce (Handelsgesetzbuch 1807), ein Code de l’instruction criminelle
(Strafverfahrensgesetzbuch 1808) und ein → Code pénal (Strafgesetzbuch
1810). Sie beeinflussen das Recht vieler Staaten (u. a. des linksrheinischen
Deutschland) und gelten trotz erheblicher Abänderungen (z. B. Loi Naquet 1884,
Reformen von 1975 und 2004 im Ehescheidungsrecht, 1999 Gesetz über den Pacte
civil de solidarité, Relativierung des Eigentums, Höchstpreise, Verbraucherschutz,
Gefährdungshaftung) teilweise noch in der Gegenwart. 1958 wird ein neuer Code
de procédure pénale (Strafprozessgesetzbuch) geschaffen, (1975 bzw.) 1976/81
ein Nouveau code de procédure civile (Neues Zivilprozessgesetzbuch), seit 1989
ein neues Strafgesetzbuch. Das Handelsgesetzbuch erfährt schon seit 1867
erhebliche Veränderungen.
Lit.: Boucher D’Argis, A., Lettres d’un
magistrat de Paris à un magistrat de province sur le droit Romain, 1782, hg. v.
Wolodkiewicz, W., 1984; Glasson, E., Histoire du droit et des institutions de
la France, Bd. 1ff. 1887ff.; Brissaud, J., Manuel d’histoire du droit français,
1898; Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899; Lefebvre, C., Leçons
d’introduction à l’histoire du droit matrimonial français, 1899; Caillemer, R.,
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Crestien von Troyes, 1906; Senn, F., L’institution des vidamies en France,
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code civil de 1804, 2005; 1806 - 1976 – 2006 De la commémoration d’un code à
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Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815),
2007; Dictionnaire historique des juristes français, hg. v. Arabeyre, P. u. a.,
2007
Französische Zone ist
die 1945 im Deutschen Reich eingerichtete Besatzungszone Frankreichs
(Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern, Rheinland-Pfalz), die am 8. 4. 1949
der Bizone angeschlossen wird und danach in der →Bundesrepublik
Deutschland aufgeht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Frau ist der
erwachsene weibliche Mensch. In einer patriarchalischen Gesellschaft ist die F.
dem Mann rechtlich nicht in jeder Beziehung gleichgestellt. Im altrömischen
Recht steht die F. grundsätzlich in der Hausgewalt (lat. [F.] manus, Hand) des
Ehemannes (, die mündige Frau sui iuris unter Geschlechtsvormundschaft, lat.
tutela [F.] iuris), im Frühmittelalter in der Hausgewalt (ahd. munt) des
Ehemannes oder der Vormundschaft des nächsten mündigen männlichen Verwandten.
Ihre durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 21 Jahre. Auch das Christentum
unterstellt die F. dem Mann. Im Alemannien des Frühmittelalters können Töchter
Grundstücke erben, doch scheint ihr Erbrecht gesellschaftlich weniger fest
verankert zu sein, und können verheiratete Frauen teils mit und teils ohne
Ehemann über Erbgut verfügen. Die Stellung der F. bessert sich mit ihrem
Eintritt in die Marktwirtschaft (Kauffrau). Im 16. Jh. bricht, wenn auch noch
ohne bestimmte rechtliche Folgen, die Erörterung über die Gleichrangigkeit der
Geschlechter auf. Im Zuge der Aufklärung verlangen zuerst einzelne Frauen die
Angleichung bzw. die grundsätzliche Gleichstellung (Dorothea Erxleben, Mary
Wollstonecraft). Dies verstärkt sich mit der französischen Revolution von 1789
(Olympe de Gouges 1791 Erklärung der Frauen- und Bürgerinnenrechte). Vereinzelt
treten in Deutschland Frauen auch im Umkreis der politischen Unruhen des Jahres
1848 hervor. 1865 wird ein Allgemeiner Deutscher Frauenverein gegründet.
Danach werden 1869 in Preußen die Schranken der Handlungsfähigkeit aufgehoben
und wird 1877 im Deutschen Reich Prozessfähigkeit gewährt. 1894 erwächst aus
unterschiedlichen Flügeln der Frauenbewegung (Helene Lange, Gertrud Bäumer, Minna
Cauer, Anita Augspurg 1857-1943) der Bund deutscher Frauenvereine. Im
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält die F. Anteil an der elterlichen Gewalt.
Sie wird 1900 zum Studium (Baden, Preußen 1908, Mecklenburg 1909, in
Deutschland 1911 43 Rechtsstudentinnen, 1917 117, Anita Augspurg erste
juristische Doktorin Deutschlands, erste habilitierte deutsche Juristin
Magdalene Schoch, erste Dr. h. c. der Rechte Marianne Weber, 1919 gleichberechtigte
Zulassung zu allen öffentlichen Ämtern, 1948 erste ordentliche Professorin der
Rechtswissenschaft im deutschen Sprachraum Gertrud Schubart-Fikentscher in
Halle), 1919 zu Wahlen (New Jersey 1776-1807, Pitcairn 1838, Wyoming 1869,
Pariser Kommune 1871-1871, Neuseeland 1893/1919, Südaustralien 1894,
Australien 1902, Finnland 1906, Norwegen 1913, Island 1915, Dänemark 1915,
Sowjetunion 1917, Kanada 1918, Österreich 1919, Vereinigte Staaten von Amerika
1920, Großbritannien 1928, Türkei 1930/1934, Spanien 1931, Frankreich 1944,
Italien 1945/1946, Ungarn 1945, Japan 1945, Belgien 1946, China 1949, Indien
1950, Schweiz 1971, Liechtenstein 1984, Südafrika 1994, Afghanistan 2003,
Kuweit 2005) und (1. 7.) 1922 zu den Ämtern der Rechtspflege (1924 erste
Gerichtsassessorin) zugelassen. Die Verfassung des Deutschen Reiches (1919) und
das Bundesverfassungsgesetz Österreichs (1920) erkennen die
Gleichberechtigung der Geschlechter grundsätzlich an. Zum 31. 3. 1953 erklärt
das Bundesverfassungsgericht alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz des
Grundgesetzes entgegenstehende Recht als außer Kraft. Weitere wichtige
rechtliche Veränderungen schließen sich an (1973 Strafrecht, 1976
Familienrecht, 1980 Arbeitsrecht, 1983, 1987, 1992 Rentenrecht). 1979 wird
weltweit eine Vereinbarung zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung von
Frauen beschlossen. 1995 erklärt der Europäische Gerichtshof eine Bevorzugung
einer F. nur wegen ihrer Eigenschaft als F. für rechtswidrig. Auf die Länge
scheint das veränderte Weltbild der F. das durch den medizinischen Fortschritt
ermöglichte Wachstum der Bevölkerung auszugleichen.
Lit.: Kaser § 12; Hübner; Köbler, WAS; Weinhold, K., Die
deutschen Frauen im Mittelalter, 3. A. 1987; Bartsch, R., Die Rechtsstellung
der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907;
Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Schubart-Fikentscher, G., Das
Recht der Frau nach dem Sachsenspiegel, (in) Die Frau 41 (1933/4), 28;
Schmelzeisen, G., Die Stellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft, 1935;
Barchewitz, J., Von der Wirtschaftstätigkeit der Frau, 1937; Merschberger, G.,
Die Rechtsstellung der germanischen Frau, ZRG GA 58 (1938), 824; Heß, L., Die
deutschen Frauenberufe des Mittelalters, 1940; Pesle, O., La femme musulmane,
1946; Vogelsang, T., Die Frau als Herrscherin im hohen Mittelalter, 1954;
Scheffler, E., Die Stellung der Frau, 1970; Pauli, L., Infirmitas sexus, 1975;
Schwanecke, I., Die Gleichberechtigung der Frau unter der Weimarer
Reichsverfassung, 1977; Frauen in der Geschichte, hg. v. Kuhn, A. u. a., 1979;
The Women of England, hg. v. Kanner, B., 1979; Schmitter, R., Die
Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, 1981; Hervé, F., Geschichte der deutschen
Frauenbewegung, 1982, 7. A. 2001; Weber-Will, S., Die rechtliche Stellung der
Frau im Privatrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1983; Ennen, E.,
Frauen im Mittelalter, 1984, 5. A. 1994; Wemple, S., Women in Frankish society,
1985; Frauenlexikon, Fakten, Perspektiven, hg. v. Lissner, A., 1988; Kroj, K.,
Die Abhängigkeit der Frau, 1988; Duby, G., Die Frau ohne Stimme, 1989; Frauen
in den 80er Jahren, 1989; Freiburg, A., Die Rechtsstellung der Frau, Diss. jur.
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v. Affeldt, W., 1990; Medieval Women, hg. v. Rosenthal, J., 1990; Gerhard, U.,
Unerhört, 1990; Koch, E., Maior dignitas est in sexu virili, 1991; Demars-Sion,
V., Femmes séduites et abandonnées au 18e siècle, 1991; Schenk, H., Die
feministische Herausforderung, 1992; Geschichte der Frauen, hg. v. Duby, G. u.
a., Bd. 1ff. 1993ff.; Arjava, A., Women and
Roman Law in late Antiquity, Diss. Helsinki, 1994; Wolf, G., Æthelfled von
Mercia und andere ottonische „dominae“, ZRG GA 111 (1994), 524; Douma, E., Die
Entwicklung des Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Alfing,
S. u. a., Frauenalltag im frühneuzeitlichen Münster, 1994; Frauen, hg. v.
Dülmen, A. van, 6. A. 1995; Schuster, B., Die freien Frauen, 1995; Berneike,
C., Die Frauenfrage ist Rechtsfrage, 1995; Dressel-Schuh, E., Frauen in
Frankfurt, 1995; Goetz, H., Frauen im frühen Mittelalter, 1995; Von Huren und
Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995; I ,CLAVDIA, hg. v. Kleiner,
D./Matheson, S., 1996; Walther, W., Die Frau im Islam, 1997; Rosenbusch, U.,
Die Belagerung der männlichen Rechtsburg, JuS 1997, 1062; Frauen in der
Geschichte des Rechts, hg. v. Gerhard, U., 1997; Ziegler, S.,
Frauennachtarbeit, 1997; Frauen arbeiten, hg. v. Budde, G., 1997; Ziolkowski,
K., Frauendiskriminierung, 1997; Byok, N., Die rechtliche Stellung der Frau im
alten Ägypten, Diss. jur. Berlin 1997; Nave-Herz, R., Die Geschichte der
Frauenbewegung in Deutschland, 1997; Stretton, T., Women waging law, 1998;
Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland, 1998; Hufton, O.,
Frauenleben, 1998; Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit, hg. v. Floßmann, U., 1998;
Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Juristinnen in Deutschland, hg.
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Ansprüche der Ehefrau, Diss. jur. Köln 1998; Hellmuth, D., Frau und Besitz,
1998; Johlen, M., Die vermögensrechtliche Stellung der weströmischen Frau,
1999; Gilde, A., Die Stellung der Frau im Reichsstrafgesetzbuch, 1999;
Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999; Klemm, S., Frauenbewegung und
Familienrecht, Diss. jur. Tübingen 1999; Hemelrjk, E., Matrona docta, 1999;
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Kannappel, P., Die Behandlung von Frauen im nationalsozialistischen
Familienrecht, 1999; Rublack, U., The crimes of women in early modern Germany,
1999; Mönnich, U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999; Bock, G.,
Frauen in der Geschichte Europas, 2000; Feld, H., Frauen des Mittelalters,
2000; Medieval Women and the Law, hg. v. Menuge, N., 2000; Iwersen, J., Die
Frau im alten Griechenland, 2002; Die Kaiserinnen Roms, hg. v. Temporini-Gräfin
Vitzthum, H., 2002; Lauterer, H., Parlamentarierinnen in Deutschland 1918/19
bis 1949, 2002; Schulz, K., Der lange Atem der Provokation, 2002; Lauterer, H.,
Geschichte des Frauenstimmrechts, Universitas 2003, 801; Frauen und Kirche, hg.
v. Schmitt, S., 2002; Die Macht der Frauen, hg. v. Finger, H., 2003;
Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; Höbenreich, E./Rizzelli,
G., Fragmente einer juristischen Geschichte der Frauen im antiken Rom, 2003;
Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Les femmes antiques,
hg. v. Frei-Stolba, R., 2003; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003;
Godineau, D., Les femmes dans la société française 16e-18e siècle, 2003;
Wischermann, U., Frauen und Öffentlichkeiten um 1900, 2003; Barth, R., Frauen
die Geschichte machten, 2004; Schötz, S., Handelsfrauen in Leipzig, 2004;
Frauen in der frühen Neuzeit, hg. v. Bonnet, A., u. a., 2004; Frauenrechtsgeschichte,
hg. v. Floßmann, U., 2004; Women’s Influence on Classical Civilization, hg. v.
McHardy, F. u. a., 2004; Gender in the Early Medieval World, hg. v. Brubaker,
L. u. a., 2004; Hacke, D., Women, Sex and Marriage in Early Modern Venice,
2004; Bock, G., Frauen in der europäischen Geschichte, 2005; Schüller, E.,
Marie Stritt, 2005; In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Kinnebrock,
S., Anita Augspurg (1857-1943), 2005; Juristinnen, hg. v. Deutscher
Juristinnenbund, 2005; Frauen an der Macht, hg. v. Illner, M., 2005;
Spitzenfrauen, hg. v. Schulz, A., 2005; Timoschenko, T., Die Verkäuferin im
wilhelminischen Kaiserreich, 2005; McIntosh, M., Working Women in English
Society 1300-1620, 2005; Makowski, E., A Pernicious Sort aof Woman, 2005;
Frauenrecht und Rechtsgeschichte, hg. v. Meder, S. u. a., 2006; Schaser, A.,
Frauenbewegung in Deutschland 1815-1933, 2006; Ilan, T., Jewish Women in
Greco-Roman Palestine, 2006; Rottloff, A., Lebensbilder römischer Frauen, 2006;
Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006; Stavrianopoulou, S.,
Gruppenbild mit Dame, 2006; Die Stellung der Frau im islamischen
Religionsunterricht, hg. v. Oebbecke, J. u. a., 2006; Röhrig, A., Klug, schön,
gefährlich – Die hundert berühmtesten Frauen der Weltgeschichte, 2007; Die
Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, hg. v. Schorlemer,
S. v., 2007; Balaş,
O., Reprezentǎri ale feminitǎţii în eposul germanic medieval
(Die Darstellung der Weiblichkeit im mittelalterlichen germanischen Epos), 2007; Beattie, C.,
Medieval Single Women, 2007; Hartmann, E., Frauen in der Antike, 2007; Vogt,
A., Vom Hintereingang zum Hauptportal?, 2007; Riedel, T., Gleiches Recht für
Mann und Frau, 2008; Majer, D., Frauen - Revolution - Recht, 2008; Grochowina,
N., Das Eigentum der Frauen, 2009; Hauch, G., Frauen bewegen Politik -
Österreich 1848-1938, 2009
Frauenarbeit ist die → Arbeit der → Frau außerhalb des Haushaltes und der Familie. Sie gewinnt seit dem ausgehenden 19. Jh. an Bedeutung. Politisches Ziel ist seitdem die Gleichheit der Arbeit von Frau und Mann.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, W./Willms, A./Handl, J.,
Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980, 1983; Werkstetter, C., Frauen im
Augsburger Zunfthandwerk, 2001
Frauenhaus ist das
in deutschen Städten seit dem Spätmittelalter als stadteigene Einrichtung
erkennbare Bordell. In der Gegenwart ist F. die Zufluchtsstätte misshandelter
Frauen.
Lit.: Schuster, P., Das Frauenhaus, 1992
Frauenraub ist die
gewaltsame Entführung einer Frau (zwecks Eheschließung). Der F. führt in der
Frühzeit zur Fehde und begründet keine Ehe (str.). Im Frühmittelalter ist Buße zu
leisten. Die → Constitutio Criminalis Carolina (1532) übernimmt die
Todesstrafe des römischen Rechts (C. 9, 13). Die Aufklärung sieht den F. als
Freiheitsdelikt an.
Lit.: Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Gössler,
Die Entführung, Diss. jur. Rostock, 1903; Köstler, R., Raub-, Kauf- und
Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Boes, W., Frauenraub und
Raubehe bei den westgermanischen Stämmen des Merowingerreiches, Diss. jur. Bonn
1956
Frauenstimmrecht→ Frau, Wahlrecht
fraus (lat. [F.]) Tücke
(actio de dolo, exceptio doli möglich)
Lit.: Behrends, O., Die fraus legis,
1982
Fredus (lat. [M.])
ist das im → Kompositionensystem des Frühmittelalters (Franken,
Alemannen, Bayern, Thüringer, Friesen) bei einem Unrechtserfolg in
verschiedenen Fällen (nicht an den Verletzten, sondern) an den König, Grafen,
Fiskus oder die Kirche in unterschiedlicher Höhe zu entrichtende Friedensgeld
(z. B.1/3 der Buße).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
91; Köbler, LAW; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter,
Habilitationsschrift Leipzig 2003 (ungedruckt)
Freher, Marquard
(Augsburg 26. 7. 1565-Heidelberg 13. 5. 1614), Sohn des Kanzlers der Kurpfalz,
wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf und Bourges (Cujas) Rat in der Pfalz und
von 1596 bis 1598 Professor in Heidelberg, danach Hofgerichtsvizepräsident. Er
veröffentlicht eine Reihe deutscher Geschichtsquellen und verfasst daneben
eigene Abhandlungen.
Lit.: Freher, M., Germanicarum rerum scriptores, 1600ff.;
Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt.
1 1880, Neudruck 1957, 1978, 680; Schwan, B., Das juristische Schaffen Marquard
Frehers, 1984
Freibauer → Freier, Bauer
Freiberg ist die in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s gegründete sächsische Stadt, deren zwischen 1210 und 1218 verliehenes, ziemlich selbständiges Stadtrecht in einer 1296-1307 entstandenen Prachthandschrift und 4 weiteren Handschriften überliefert ist. Im Stadtrecht finden sich erste zusammenhängende Regelungen des erstmals in der Kulmer Handfeste (1233) erwähnten Freiberger Bergrechts ([lat.] ius [N.] Frybergense mit freiem Schürfrecht), die in Bergrechten von 1307-1328 bzw. 1346-1375 vertieft werden. 1572 wird das Stadtrecht von den kursächsischen Konstitutionen verdrängt.
Lit.: Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des
Mittelalters, 1887; Ermisch, H., Das Freiberger Stadtrecht, 1889; Retzlaff, H.,
Die Entwicklung des Rechtsgangs nach dem Freiberger Stadtrechtsbuch, 1929;
Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs, Diss. phil. Leipzig 1957;
Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Löscher, H., Zur
Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343ff.; Unger, M.,
Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs im Mittelalter, 1963; Geschichte der
Bergstadt Freiberg, hg. v. Kasper, H. u. a., 1986; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 81; Stadt Freiberg, hg. v. Hoffmann,
Y. u. a., 2003
Freibrief ist die eine Freiheit
enthaltende Urkunde (Brief).
Lit.: Lerchenfeld, G.
v., Die altbayerischen landständischen Freiheitsbriefe, 1853; Nebinger, G.,
Geburts- und Freibriefe 1543-1700 der Reichsstadt Kempten, Blätter des bay.
Landesvereins für Familienkunde 51 (1988), 60ff.
Freiburg im Breisgau ist der möglicherweise 1091 durch Herzog Berthold II. von Zähringen neben einem bereits römerzeitlich besiedelten Burgberg (Schlossberg) gegründete, vielleicht 1120 durch Herzog Konrad von Zähringen um (oder auf) einen Markt (lat. [N.] forum) oder eine Stadt (lat. [F.] civitas) erweiterte, (Gewerbetätigkeit bezeugende?,) wohl um 1150 ummauerte Ort am Ausfluss der Dreisam aus dem Schwarzwald, dem der Herzog von Zähringen als Ortsherr bei Gelegenheit der Erweiterung ein berühmtes Stadtrechtsprivileg für die (lat.) mercatores (M.Pl.) personati (namhaften Kaufleute) erteilt (str., Diessenhofen 1178, Freiburg im Üchtland um 1175, Flumet 1228, Kenzingen 1249). 1368 unterstellt sich F. (1385 rund 9000 Einwohner, 1500 rund 7000 Einwohner) Habsburg (1415-1457 Reichsstadt). 1457 wird eine Universität eingerichtet. 1520 tritt ein von Ulricus Zasius (Ulrich Zäsy) verfasstes, fünfteilig in Prozess, Schulden und Sachen, Familien und Erbe, Baurecht und Strafrecht gegliedertes, reformiertes Stadtrecht in Kraft, das bis 1781 (Allgemeine Gerichtsordnung)/1787 (Josephinisches Gesetzbuch)/1810 (Badisches Landrecht) gilt und auf Tirol (1526), Rheinfelden (1530), Württemberg (1555), Solms 1571, Frankfurt am Main (1578), Pfalz (1582), Katzenelnbogen (1591), Solothurn 1604, Baden (1654) Basel (1719) und Mainz (1755) ausstrahlt. 1805/1806 fällt F. von Habsburg bzw. Vorderösterreich an Baden und damit 1951/1952 an Baden-Württemberg.
Lit.: Schreiber, H., Geschichte der Stadt Freiburg im
Breisgau, 1857; Flamm, H., Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg
im Breisgau, Häuserstand 1400-1806, 1903; Flamm, H., Der wirtschaftliche
Niedergang Freiburgs, 1905; Joachim, H.,
Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25;
Rietschel, S., Neue Studien über die älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau,
1907; Beyerle, F., Untersuchungen zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von
Freiburg i. Br. und Villingen a. Schw., 1910; Rietschel, S., Das Freiburger
Stadtrecht, ZRG GA 33 (1912), 471; Albert, P., Achthundert Jahre Freiburg im
Breisgau, 1920; Below, G. v., Deutsche Städtegründung, 1920; Below, G. v., Zur
Deutung des ältesten Freiburger Stadtrechts, Zeitschrift der Gesellschaft für
Geschichte zu Freiburg 36 (1920); Müller, K., Geschichte der Getreidehandelspolitik,
1926; Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Freiburger Urkundenbuch,
bearb. v. Hefele, F., Bd. 1ff. 1938ff.; Schindler, G., Verbrechen und Strafen
im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Gerber, H., Der Wandel der Rechtsgestalt der
Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau, (1957); Aus der Geschichte
der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät zu Freiburg im Breisgau, hg.
v. Wolff, H., 1957; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von
1520, 1957; Freiburg im Breisgau, hg. v. statistischen Landesamt Baden-Württemberg,
1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau,
1965; Schlesinger, W., Das älteste Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 83 (1966), 63;
Heinemeyer, W., Der Freiburger Stadtrodel, ZRG GA 83 (1966), 116; Nehlsen, H.,
Die Freiburger Familie Snewlin, 1967; Sauter, H., Studien zum mittelalterlichen
Privatrecht der Stadt Freiburg, 1969; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg,
1970; Diestelkamp, B., Gibt es eine Freiburger Gründungsurkunde aus dem Jahr
1120?, 1973; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v.
Köbler, G., 1986, 2. A. 2008 (Internet
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/NueweStattrechtenundStatutenFreiburgimBreisgau1520.pdf);
Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Nasall, W., Das
Freiburger Stadtrecht von 1520, 1989; Die Freiburger Universität in der Zeit
des Nationalsozialismus, hg. v. John, E. u. a., 1991; Blattmann, M., Die
Freiburger Stadtrechte zur Zeit der Zähringer, 1991; Speck, D., Die
vorderösterreichischen Landstände, Bd. 1f. 1994; Freiburg 1091-1120. Neue
Forschungen zu den Anfängen der Stadt, hg. v. Schadek, H. u. a., 1995;
Geschichte der Stadt Freiburg, hg. v. Haumann, H. u. a., Bd. 1ff. 1996, 2. A.
2001; Kälble, M., Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, 2001; Bubach,
B., Richten, Strafen, Vertragen, 2005; Speck, D., Eine Universität für
Freiburg, 2006; Hollerbach, A., Jurisprudenz in Freiburg, 2007; Hundertfünzig
Jahre Amtsgericht Freiburg, hg. v. Kummle, T., 2007
Freiburg im Üchtland wird 1157
von Herzog Berthold IV. von Zähringen gegründet. Am 28. 6. 1249 erhält es von
den Grafen von Kyburg (1218) eine (erneuerte) Stadtrechtsurkunde. 1277 wird es
von Habsburg gekauft. 1452 fällt es an Savoyen. 1478 wird es freie Reichsstadt.
1481/1502 tritt es der Eidgenossenschaft der Schweiz bei. 1889 geht eine 1763
geschaffene Rechtsschule in einer neuen Universität auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Welti, F., Beiträge zur
Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg im Üchtland, 1908; Vevey, B.
de, Les sources du droit du canton de Fribourg, 1932; Vevey, B. de, Le droit de
Bulle, 1935; Das Notariatsformularbuch des Ulrich Manot, hg. v. Bruckner, A.,
1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,449, 3,2,1898;
Geschichte des Kantons Freiburg, 1981; Carlen, L. u. a., Hundert Jahre Rechts-
und Wirtschaftsgeschichte, 1982; Histoire de l’université de Fribourg/Suisse,
hg. v. Ruffieux, R., Bd. 1ff. 1991; Pahud de Mortanges, R./Siffert, R., Das
Zivilgesetzbuch für den Kanton Freiburg, Freiburger Zeitschrift für
Rechtsprechung 3 (1998), 247ff.; Die Freiburger Handfeste von 1249, hg. v.
Foerster, H. u. a., 2003
Freier ist der
nicht von einem anderen unmittelbar abhängige Mensch. Im römischen Recht ist
insbesondere der römische Bürger (lat. civis [M.] Romanus) frei. Für die
Germanen ist es streitig, ob den Kern des Volkes eine Vielzahl von Freien
bildet. Im Frühmittelalter stehen sich Adel, Freie, Halbfreie und Unfreie in
den Volksrechten vielfach gegenüber, doch ist unklar, wie groß die Zahl der
Freien in der zunehmend von der → Grundherrschaft gekennzeichneten Gesellschaft
ist. Die Lehre von den Königsfreien sieht in den Freien geradezu Abhängige des
Königs. Im Hochmittelalter erwächst für den Bürger der Stadt und vielfach auch
den Rodungssiedler eine neue Freiheit (→ Stadtluft macht frei). Im frühen
19. Jh. verschafft die Bauernbefreiung (Preußen Edikt vom 9. 10. 1807 die
persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend) allgemeine Freiheit.
Damit ist der Begriff des Freien entbehrlich.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 68, 71, 87, 98; Köbler, WAS; Heck, P., Die Gemeinfreien der
karolingischen Volksrechte, 1900; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände
der Freien, 1905; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und der
Sachsenspiegel, 1910; Schweikert, E., Die deutschen edelfreien Geschlechter des
Berner Oberlandes, 1911; Ernst, V., Mittelfreie, ZRG GA 41 (1920), 410; Diehl,
A., Die Freien der Weibelhube und das Gericht der Siebzehner, Zs. f.
württembergische Landesgeschichte 7 (1943), 209; Bosl, K., Frühformen der
Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Wittmann, R., Die
Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 1972; Köbler, G.,
Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171;
Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und franko-lateinische Bezeichnungen für
soziale Schichten, 1972; Müller, W., Freie Gotteshausleute, ZRG GA 92 (1975),
89; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum
frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38; Olberg, G. v., Freie,
Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J.,
1991
Freie Rechtsschule
(Freirechtsschule) ist die von wenigen unterschiedlichen Forschern bzw. Gruppen
vor allem zwischen 1903 und 1914 geprägte Richtung (Schule) der
Rechtswissenschaft (Ernst Stampe [1856-1942], Unsere Rechts- und
Begriffsbildung, 1907, Freirechtsbewegung, 1911, Ernst Fuchs [1859-1929], Die Gemeinschädlichkeit
der konstruktiven Jurisprudenz, 1907, Eugen → Ehrlich [1862-1922], Freie
Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903, H. U. Kanntorowicz
[1877-1940]), die davon ausgeht, dass die einzelne Fallentscheidung des
Richters nicht auf logisch-verstandesmäßiger Unterordnung (Subsumtion) des
Sachverhaltes unter den Tatbestand der Norm, sondern in Wahrheit auf dem
Rechtsgefühl beruhe. Deshalb dürfe und müsse der Richter vom Gesetz abweichen,
sobald dieses bei bloßer Subsumtion zu ungerechten Ergebnissen führen würde,
und das lebende Recht nach Maßgabe des Sozialverhaltens in der Gesellschaft
feststellen. Seine Aufgabe bestehe mehr in der am allgemeinen Wohl ausgerichteten
Gesellschaftsgestaltung (Rechtsschöpfung) als in der strengen Normanwendung.
Diese Ansichten setzen sich nicht durch.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Riebschläger, K., Die Freirechtsbewegung, 1968; Moench, D.,
Die methodologischen Bestrebungen der Freirechtsbewegung, 1971; Fuchs, E.,
Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 1970ff.; Muscheler, K., Relativismus und
Freirecht, 1984; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte,
9. A: 2001, 10. A. 2005; Bartels-Ishikawa, A., Theodor Sternberg, 1998;
Rückert, J., Vom „Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125
(2008), 199
Freie Stadt ist die von der
ursprünglich bestehenden Herrschaft des Bischofs frei (und damit
reichsunmittelbar) gewordene Stadt (Regensburg 1255-1800, Straßburg 1263-1681,
Speyer 1294-1801, Worms 1247/73-1801, Mainz 1244/1331-1462, Köln
1288/1475-1801, Bremen 1541/1646, Hamburg 1510-1768, Bescançon 1290/1364-1648,
Metz 1180/1210-1552, Toul 1271/1278-1552, Verdun 1156-1552, Cambrai 12.
Jh.-1552) des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation). Die Benennung als
f. S. wird seit der Mitte des 14. Jh.s, die Benennung als (freie) Reichsstadt
am Ende des Mittelalters üblich.
Lit.: Arnold, W., Verfassungsgeschichte der deutschen
Freistädte, 1854; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte,
1967; Möncke, G., Bischofsstadt und Reichsstadt, 1971; Heinig, P.,
Reichsstädte, freie Städte und Königtum 1389-1450, 1983
Freigelassener (lat.
[M.] libertus) ist der von seinem Herrn durch Rechtsgeschäft mit der
Freiheit begabte Unfreie. Der Freigelassene ist im römischen Recht rechtsfähig,
verbleibt aber unter einer Schutzgewalt (Patronat mit gewisser Abhängigkeit)
des bisherigen Herrn. Auch im mittelalterlichen Recht steht der Freigelassene
dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.
Lit.: Kaser §§ 16 II, 58, 62, 66, 69; Söllner §§ 8, 12, 14;
Hübner; Köbler, DRG 21, 35, 68, 78, 88, 98; Sohm, R., Die liberti der
altgermanischen Zeit, ZRG GA 21 (1900), 20; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen
für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges barbarorum, 1991;
Mihailescu-Birliba, L., Les affranchis dans les provinces romaines d’illyricum,
2006
Freigericht ist die
Bezeichnung für ein im Heiligen römischen Reich vom Reich abgeleitetes Gericht
(bzw. Gebiet eines solchen Gerichts).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Thudichum, F., Geschichte des
freien Gerichts Kaichen, 1858; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in
Westfalen, 1909; Müller, W., Das Freigericht Thurlinden, Thurgauische Beiträge
zur vaterländischen Geschichte 103 (1966); Hardt-Friederichs, F., Das
königliche Freigericht Kaichen, 1975 (mit etwa einem Dutzend Dörfern, 1293
erstmals erwähnt)
Freigrafschaft ist
eine in verschiedenen Teilen des Heiligen römischen Reiches seit dem 12. Jh.
auftretende Art der Grafschaft, deren Herkunft ungeklärt ist. Sie ist vielfach
mit der Hochgerichtsbarkeit verknüpft. In Westfalen entsteht aus der F. die →
Feme.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brode, R., Freigrafschaft und
Vehme, 1886; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1908; Waas,
A., Zur Frage der Freigrafschaften, vornehmlich in der Wetterau, ZRG GA 38
(1917), 146; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft und Gografschaft, 1949;
Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (19545), 167;
Hömberg, A., Die Entstehung der westfälischen Freigrafschaften, 1953
Freigut ist das in unterschiedlicher
Weise freie Gut.
Lit.: Wilde, M., Die
Ritter- und Freigüter in Nordsachsen, 1997
Freiheit ist die Möglichkeit der uneingeschränkten Entfaltung. Für viele Menschen besteht bis in das 19. Jh. keine F., weil sie nicht dem Stand der → Freien (oder des Adels) angehören, was von grundsätzlich sehr großer Bedeutung ist. Andere erlangen durch Privileg einzelne besondere Freiheiten. In England ist bereits 1215 in der (lat.) Magna Charta (F.) F. vor allem der Schutz vor rechtswidriger Verhaftung. (ähnlich Habeas-Corpus-Akte von 1679). Von hier aus fordert John Locke (1632-1704) Leben, Freiheit und Eigentum als unveräußerliche Rechte ein. Erst in der französischen Revolution des Jahres 1789 aber setzt sich unter dem Einfluss der Aufklärung der politische Gedanke einer allgemeinen F. (frz. liberté) des Menschen durch (, die vermutlich in einem vorgeschichtlichen Urzustand ohne weiteres bestand). Umstritten ist die Erklärung der F. als eines Zustandes des von einem Herrn Geschütztseins. Die Privatrechtswissenschaft des 19. Jh.s geht von einer F. in Grenzen aus.
Lit.: Kaser § 16; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 425; Köbler, WAS; Hölzle, E., Die Idee einer altgermanischen
Freiheit vor Montesquieu, 1925; Keller, R. v., Freiheitsgarantien für Person
und Eigentum im Mittelalter, 1933; Tellenbach, G., Libertas, 1936, Neudruck
1996; Voltelini, H. v., Der Gedanke der allgemeinen Freiheit in den deutschen
Rechtsbüchern, ZRG GA 57 (1937), 182; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Waas,
A., Die alte deutsche Freiheit, 1939; Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im
Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 66; Mayer-Maly, T., Zur Rechtsgeschichte
der Freiheitsidee in Antike und Mittelalter, Z. f. öff. Recht 6 (1954), 425;
Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte, hg.
v. Mayer, T., 1955, 4. unv. A. 1981; Reibstein, E., Volkssouveränität und
Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972; Hunke, H., Germanische Freiheit im Verständnis
der deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichtsschreibung, Diss. jur. Göttingen
1972; Immink, P., La liberté et la peine, 1973; Klippel, D., Politische
Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts,
1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Grund- und
Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G.,
1981; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982;
Chaimowicz, T., Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes,
1985; Schott, C., Freiheit und libertas, ZRG GA 104 (1987), 84; Battisti, S.,
Freiheit und Bindung, 1987; Grund- und Freiheitsrechte, hg. v. Birtsch, G.,
1987; Lübtow, U. v., Die Freiheit, 1988; Die abendländische Freiheit, hg. v.
Fried, J., 1991; Fairén-Guillen, V., Die rechtlichen Mittel gegen Angriffe und
Eingriffe in die persönliche Freiheit, ZRG GA 109 (1992), 335; Maier, H., Das
Freiheitsproblem in der deutschen Geschichte, 1992; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten,
Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; Klementowski,
M., Studia nad kszałtowaniem się gwarancji ochrony wolności
osobistej w państwie niemieckim (10-14 wiek) (Studien zur Entstehung der
Freiheitsgarantien für die Person im deutschen Staat (10.-14. Jahrhundert),
1994; Roche, J., Libertés publiques, 12. A.
1997; Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung, hg. v. Kervégan, J.
u. a., 1998; Cafagna, E., La libertà, 1998; Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche
Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000; Hofer, S.,
Freiheit ohne Grenzen? 2001; Schneider, R., Appetitus libertatis –
Mittelalterliches Freiheitsstreben ZRG 119 (2002), 27; Blickle, P., Von der
Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003; Altes Reich und Neues Recht, hg.
v. Schmidt-von Rhein, G., 2006; Rückert, J., Frei und sozial als Rechtsprinzp,
2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen Freiheit, 2007
Freiheit der Meere ist
die Freiheit der Nutzung der Meere. Sie wird am Beginn der Neuzeit zur
Rechtsfrage zwischen den europäischen Großmächten. Dabei nimmt die
rechtswissenschaftliche Literatur teils für Holland (Hugo Grotius 1609), teils
für Portugal oder für England Partei. Seit dem frühen 18. Jh. entstehen
Grundsätze über die Rechte der Uferstaaten, während in der Gegenwart das
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1982 (1994 in Kraft)
entscheidend ist.
Lit.: Davenport, G.,
European Treaties, 1917; García Arias, L., De la libertad de los mares, 1946;
Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere, 1969; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Freiheitsrechte ist die Gesamtheit der Rechte des Menschen auf Freiheit in der Entfaltung seiner Persönlichkeit in bestimmter Hinsicht. Die F. werden auf Grund der gegen den Absolutismus gerichteten Aufklärung seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s als Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat verstärkt anerkannt. Seit etwa 1780 werden Freiheitskataloge erstellt. Sie betreffen beispielsweise die Meinung, die Presse, die Lehre, das Gewissen, die Religion oder die Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Neumann, F., Freiheitsrechte in
Deutschland, 1957; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im
deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Grund- und Freiheitsrechte im
Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Weitzel, J.,
Das Reichskammergericht und der Schutz von Freiheitsrechten, (in) Die
politische Funktion des Reichskammergerichts, 1993, 157; Krug, G., Die
Entwicklung ökonomischer Freiheitsrechte, 1995
Freiheitsstrafe ist
die im Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit durch Zuweisung von
Zwangsaufenthalt in Haftanstalten bestehende Strafe. Sie ist im römischen
Altertum nur als Begleitfolge anderer Strafen bedeutsam und begegnet auch im Frühmittelalter
kaum. Erst im 14. Jh. gewinnt sie in den Städten vielleicht in Anlehnung an
Kloster und Spital an Bedeutung. In der Constitutio Criminalis Carolina (1532)
wird sie ersatzweise bei kleinem Diebstahl angedroht. Seit dem 16. Jh. werden
in England (Bridewell 1555) und dann in den Niederlanden (Amsterdam 1595) aus
religiöser Fürsorge Häuser errichtet, in denen zunächst Bettler und
Arbeitsflüchtlinge und später auch Straftäter durch Zwangserziehung zur Arbeit
angehalten werden können. Im ausgehenden 17. Jh. wird die F. allgemein als
sinnvoll anerkannt. Vielleicht erst im ersten Drittel des 19. Jh.s wird die
Freiheitsentziehung voll als eigenständige Strafengruppe dem Strafensystem
eingeordnet. Danach wird die F. (unter Zurücktreten der Todesstrafe und
Leibesstrafe) bis in das 20. Jh. zur vorherrschenden Strafe.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119, 158, 205, 236,
265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schmidt, E.,
Entwicklung und Vollzug der Freiheitsstrafe in Brandenburg-Preußen, 1915; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Doleich von Dolsberg, F., Die Entstehung der Freiheitsstrafe, 1928, Neudruck
1970; Hippel, R. v., Die Entstehung der modernen Freiheitsstrafe, 1932; Krebs,
A., Freiheitsentzug, hg. v. Müller-Dietz, H., 1978; Kröner, W., Freiheitsstrafe
und Strafvollzug, 1988; Kleinheyer, G., Freiheitsstrafen, ZRG GA 107 (1990),
102; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu
Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Schidorowitz, M., H. B. Wagnitz und die Reform
des Vollzugs, 2000; Bretschneider, F., Gefangene Gesellschaft, 2008
Freiherr ist der
unter dem Grafen stehende niedere Adelige, der dem Baron entspricht.
Freilassung (lat. [F.] manumissio) ist in der
ständischen Gesellschaft das Rechtsgeschäft, durch das der Unfreie aus der
Unfreiheit entlassen wird, daneben auch die Beendigung eines Freiheitsentzugs.
Das römische wie das mittelalterliche Recht kennen verschiedene Formen der F. (→
mancipatio, Schatzwurf, Speergedinge, Freilassungsbrief). Der Freigelassene
steht dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.
Lit.: Kaser § 16 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 21,
57, 71, 88; Fournier, M., Essai sur les formes et les effets de
l’affranchissement, 1885; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte der
germanischen Freilassung durch Wehrhaftmachung, 1904; Fabbrini, F., La
manumissio in ecclesia, 1965; Nitschke, A., Die Freilassung, ZRG GA 99 (1982),
220
Freimaurer
Lit.: Aufklärung und
Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Schuster, J., Freimaurer und
Justiz in Norddeutschland unter dem Nationalsozialismus, 2007
Freirechtsbewegung → freie Rechtsschule
Freischöffe ist der
Schöffe am Freigericht. → Feme
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Freising ist der
Sitz eines um 738 von Bonifatius in Bayern eingerichteten Bistums, das als
Hochstift 1220 reichsunmittelbar wird. Nach F. benannt ist das zum eigenen
Gebrauch des 1319 in einer Münchener Urkunde erwähnten Fürsprech Rupprecht (von
Freising) 1328 geschaffene, in 13 Handschriften überlieferte, auf Schwabenspiegel
(um 1275), Augsburger Stadtrecht (1276/1281) und bayerischem Landfrieden von
1300 aufbauende (Freisinger) → Rechtsbuch, das vorwiegend Strafrecht und
Pflichten des Fürsprechers behandelt.
Lit.: Freisinger Rechtsbuch, bearb. v. Claußen, H., 1941;
Stahleder, H., Hochstift Freising, 1974; Mass, J., Das Bistum Freising, 1986;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58;
http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/hsta-freisingertraditionen/
Freistaat ist eine
Lehnschöpfung für lat. (F.) res publica. Als F. in Deutschland benennen sich
(seit 1918) Bayern und Sachsen.
Freistuhl → Freigericht
Freiteil (Seelteil)
ist der seit dem Altertum von der christlichen Kirche (z. B. Augustinus 354-430)
vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen
allmählich als Kindesteil oder fester Bruchteil (z. B. 1/5, 1/3) geforderte
Anteil an jedem Erbe. Er wird im Frühmittelalter (außer bei Sachsen und
Thüringern) übernommen (lat. donatio [F.] reservato usufructu, donatio post
obitum) und bildet einen wichtigen Ansatzpunkt für die Zurückdrängung des
Anrechts der nächsten Verwandten auf das Erbe. Am Ende des Mittelalters besteht
Testierfreiheit.
Lit.: Köbler, DRG 89; Gál, A., Totenteil und Seelteil nach
süddeutschen Rechten, ZRG GA 29 (1908), 225; Schultze, A., Der Einfluss der
Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75;
Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, ZRG GA 50
(1930), 1928; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956
Freiwillige Gerichtsbarkeit ist (als Teil der → Gerichtsbarkeit) eine staatliche
Organisation und ein staatliches Verfahren zur amtlichen Hilfe in privatrechtlichen
Angelegenheiten. Die f. G. schließt an den Ausdruck (lat. iurisdictio [F.]
voluntaria) der justinianischen Digesten (D. 1, 16, 2 principium) an. Sie
erwächst aus dem Gedanken herrschaftlicher Fürsorge seit dem Hochmittelalter
vor allem in Nachlasssachen, Vormundschaftssachen, Beurkundungssachen,
Liegenschaftsrechtsübertragungen und Aufgeboten. Zuständig werden in
Anlehnung an streitige Verfahren die Gerichtsbarkeit, verschiedene
Verwaltungsbehörden und die Notare. Allgemeine Vorschriften bringen die
preußische Allgemeine Gerichtsordnung (1783), das österreichische Gesetz über
das Verfahren in Außerstreitsachen von 1854 (geändert 2003/2005) und das
deutsche Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
(17. 5. 1898).
Lit.: Köbler, DRG 184, 292; Claproth, J., Primae lineae
jurisprudentiae extrajudicialis, 1759; Oesterley, F., Versuche aus dem Gebiete
der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Puchta, W., Handbuch des
gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. A.
1831f.; Ott, E., Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorgeverfahrens,
1906; Hofmann, K., Die freiwillige Gerichtsbarkeit (jurisdictio voluntaria) im
kanonischen Recht, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 173; Brehm, N., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. A. 1993;
Außerstreitverfahren, 1996
Freizügigkeit ist
das Recht der freien Ortsveränderung. F. besteht nicht für Unfreie und bei
fehlendem Zuzugsrecht. Der → Augsburger Religionsfriede von 1555 gewährt
Abzugsfreiheit (für Andersgläubige) gegen Zahlung von Abzugsabgaben, das
preußische Allgemeine Landrecht (1794) das Recht zu freier Auswanderung, die
Deutsche Bundesakte (1815) F. innerhalb des Bundesgebietes, die Verfassung von
1849 Niederlassungsfreiheit innerhalb des Reichsgebietes und Auswanderungsfreiheit.
In den Europäischen Gemeinschaften bzw. in der Europäischen Union gilt die F.
der Arbeitnehmer bzw. die Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der
Mitgliedstaaten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Scheuner, U., Die
Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma 1950, 199; Freedom of movement in the middle
ages, hg. v. Horden, P., 2007
Fremdbesitz ist
der das Eigentum eines anderen an einer Sache anerkennende Besitz (z. B. des
Mieters, nicht des Diebes). Fremdbesitzer ist, wer eine Sache als nicht ihm
gehörig besitzt. Gegensatz des Fremdbesitzes ist der Eigenbesitz (z. B. des
Eigentümers oder des Diebes). Im römischen Recht ist an F. keine
Rechtserwerbswirkung und kein Besitzschutz des Prätors geknüpft (z. B. für
Mieter, Entleiher, Verwahrer, Ausnahmen Erbpächter, Prekarist,
Faustpfandgläubiger, Sequester).
Fremder im Verhältnis zu einer Personengemeinschaft ist der Mensch, der nicht der Personengemeinschaft angehört. Er ist rechtlos (Feind), kann aber als Gast in das Recht aufgenommen werden. In Rom entwickelt sich für die freien Nichtbürger (lat. [M.] peregrinus) das besondere (lat.) → ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Im Frühmittelalter verbietet Karl der Große 802, dem Fremden das Gastrecht vorzuenthalten. Die territoriale Rechtspartikularisierung des Hochmittelalters ist dem Fremden nicht günstig. Dagegen verlangt das frühneuzeitliche Naturrecht die völlige Gleichstellung des Fremden mit dem Einheimischen. Der Nationalstaat des 19. Jh.s lehnt Fremde grundsätzlich ab. 1871 werden alle Deutschen im Deutschen Reich zu Inländern. Wegen des starken Zustroms von Fremden infolge ökonomisch motivierter internationaler Mobilisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden detaillierte Ausländergesetze nötig.
Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Hübner 83, 460; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 120; Köbler, WAS; Bar, L. v., Das Fremdenrecht und
seine volkswirtschaftliche Bedeutung, 1892; Weizsäcker, W., Die Fremden im
böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; L’Étranger, 1958; Scholla, P.,
Untersuchungen zur Rechtsstellung der Fremden in der Schweiz des 19.
Jahrhunderts, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Die Begegnung mit dem Fremden,
hg. v. Schuster, M., 1996; Seiring, C., Fremde in der Stadt (1300-1800), 1999;
Keechang, K., Aliens in Medieval Law, 2000; Lübke, C., Fremde im östlichen
Europa, 2001; Cavallar, G., The rights of strangers, 2002; Der Fremde, hg. v.
Dummer, J. u. a., 2004; Rici, C., Orbis in urbe, 2005; Schwanke, I., Fremde in
Offenburg, 2005
Frevel ist im
mittelalterlichen Recht die Waghalsigkeit, die eine Untat bedeuten kann und die
sich daraus ergebende Rechtsfolge (Geldstrafe).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 48, Neudruck 1964; Ruoff,
W., Die Züricher Räte als Strafgericht, Diss. jur. Zürich 1941
Friedberg, Emil
(Konitz 22. 12. 1837-Leipzig 7. 9. 1910), Sohn eines 1824 zur evangelischen
Kirche übergetretenen Richters, wirkt als Professor für Kirchenrecht,
Staatsrecht und Handelsrecht in Halle (1865), Freiburg im Breisgau (1868) und
Leipzig (1873). Politisch tritt er für die Trennung von Staat und Kirche und
die Aufsicht des Staates über die Kirche ein. Bedeutsam sind seine
kirchenrechtsgeschichtlichen Editionen (→ Corpus iuris canonici,
1879ff., Neudruck 1955, Quinque compilationes antiquae, 1882, Neudruck 1956,
Canonessammlungen zwischen Gratian und Bernhard von Pavia, 1897, Neudruck
1958).
Lit.: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 283
Friedberg-Scheer → Thurn und Taxis
Friede ist der
Zustand ungestörter Ordnung, in dem sich niemand der Gewalt bedient, um seine
besonderen Interessen zu verwirklichen. Der F. innerhalb des Volkes ist
zunächst die Aufgabe aller Einzelnen, erst im Laufe des Mittelalters drängt der
Staat mit Unterstützung der Kirche (→ Gottesfriede) die → Fehde
durch die Durchsetzung des Gewaltmonopols (→ Strafrecht, →
Polizeirecht) zurück. Außerhalb des Volkes bildet der → Krieg zweier oder
mehrerer Völker den Gegensatz zum Frieden. Zur Beendigung des Krieges bedarf es
grundsätzlich eines (völkerrechtlichen) Friedensvertrages (z. B. Friede von
Münster und Osnabrück 1648).
Lit.: Köbler, DRG 84; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1975, 543; Köbler, WAS; Osenbrüggen, E., Der Hausfrieden, 1863, Neudruck 1968;
Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Wilke, K., Das
Friedegebot, 1911, His, R., Gelobter und gebotener Friede im deutschen
Mittelalter, ZRG GA 33 (1912), 139; Schneider, B., Friedewirkung und Grundbesitz,
1913; Prutz, H., Die Friedensidee im Mittelalter, SB. d. Akad. d. Wiss.
München, 1920; Nestle, W., Der Friedensgedanke in der antiken Welt, 1938;
Wiesenthal, F., Die Wandlung des Friedensbegriffs, Diss. phil. München 1949;
Achter, V., Über den Ursprung des Gottesfriedens, 1955; Hattenhauer, H., Die
Bedeutung der Gottes- und Landfrieden für die Gesetzgebung in Deutschland,
Diss. jur. Marburg, 1958; La Paix, 1961,(Recueils de la Société Jean Bodin 15);
Dickmann, F., Der Westfälische Frieden und die Reichsverfassung, 1965; Weimann,
K., Der Friede im Altenglischen, 1966; Åqvist, G., Frieden und Eidschwur, 1968;
Justus, W., Die frühe Entwicklung des säkularen Friedensbegriffs, 1975; Rabe,
H., Der Augsburger Religionsfriede 1550-1600, 1976; Körner, T., Iuramentum und
frühe Friedensbewegung, 1977; Duchhardt, H., Studien zur Friedensvermittlung in
der frühen Neuzeit, 1979; Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag,
1979; Renna, T., The Idea of Peace, Journal of Medieval History 6 (1980) 143;
Ermacora, F., Der unbewältigte Friede. St. Germain und die Folgen, 1989;
Schildt, B., Der Friedensgedanke im frühneuzeitlichen Dorfrecht – Das Beispiel
Thüringen, ZRG GA 107 (1990), 188; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994,
2. A. 2007; Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit, 1994; Träger
und Instrumentarien des Friedens, hg. v. Fried, J., 1996; Tuck, R., The rights
of war and peace, 1999; Suche nach Frieden, hg. v. Brieskorn, N. u. a., Bd.
1ff. 2000ff.; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001;
Schmidt, K., Friede durch Vertrag, 2002; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und
Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Irenik und Antikonfessionalismus
im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Klueting, H., 2003
Friedelehe ist
(nach umstrittener Ansicht) die durch bloße Vereinbarung der Brautleute (und
Aufnahme einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft) geschlossene Ehe (des
mittelalterlichen Rechts), bei welcher der Mann im Gegensatz zur Eheschließung
unter Mitwirkung des Vaters der Braut keine Personengewalt (munt) über seine
Friedel (Geliebte) gewinnt. Ihre tatsächliche Bedeutung ist ganz unsicher. Von
der Kirche wird sie abgelehnt. Möglicherweise geht die morganatische Ehe des
Adels auf die F. zurück.
Lit.: Hübner 642; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht,
ZRG GA 47 (1927), 198; Haff, K., Das „Werven der echtinge“ des Friedelkindes,
ZRG GA 53 (1933), 316; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den
Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA
47 (1927), 198; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993;
Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?, 2002
Friedensgeld →
fredus
Friedensgericht
Lit.: Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit
1789-1814 unter besonderer Berücksichtigung der vier rheinischen Departements,
1994
Friedensgesetzgebung
→ Landfriede
Friedensrichter s.
Friedensgericht, Richter
Friedensvertrag ist
der den Kriegszustand zwischen mehreren Staaten beendende völkerrechtliche Vertrag
(z. B. F. zwischen Ägyptern und Hethitern 1270 v. Chr., F. zwischen Rom und
Karthago 201 v. Chr., F. von Troyes 1420, F. von Münster und Osnabrück 1648, F.
von Nimwegen 1678/9, F. von Rijswijk 1697, F. von Lunéville 1801, F. von
Versailles 1919, F. von St. Germain 1919).
Lit.: Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag,
1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Peace treaties and international law, hg. v. Lesaffer, R., 2004
Friedhof ist der
Ort, an dem die Toten bestattet werden. Die Totenbestattung geschieht anfangs
nach unterschiedlichem Brauchtum (Hügelgräber, Reihengräberfelder). Mit der
Christianisierung entwickelt sich der F. um die Kirche, auf dem Verbrechern,
Selbstmördern, Ketzern oder Fremden die Bestattung verweigert wird. Mit der
neuzeitlichen Bevölkerungszunahme wird der F. an den jeweiligen Ortsrand
verlegt. Es werden besondere Satzungen oder Ordnungen zur rechtlichen Regelung
des Friedhofswesens geschaffen.
Lit.: Cohen, G., Der jüdische Friedhof, 1930; Derwein, H.,
Geschichte des christlichen Friedhofs, 1931; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957; Gaedke, J., Handbuch
des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker
zum Krematorium, 1996
Friedlosigkeit ist
im mittelalterlichen Recht vermutlich der Zustand des Ausgestoßenseins aus der
Rechtsgemeinschaft. Wer friedlos ist, darf bußlos getötet werden. Das
tatsächliche Vorkommen der F. ist nicht gut bezeugt. → Acht, →
Gottesfriede, → Landfriede
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 87; Wilda, W., Das
Strafrecht der Germanen, 1842; Brunner, H., Abspaltungen der Friedlosigkeit,
ZRG GA 11 (1890), 62; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906ff.;
Haff, K., Zur Friedlosigkeit nach holsteinischem Recht, ZRG GA 62 (1942), 375;
Kaufmann, E., Zur Lehre von der Friedlosigkeit im germanischen Recht,
Gedächtnisschrift H. Conrad 1980, 32
Friedrich I. → Friedrich I. Barbarossa
Friedrich II. (Iesi bei Ancona 26. 12. 1194-Castel
Fiorentino bei Lucera 13. 12. 1250), Sohn des
Staufers Heinrich VI. und Konstanzes von Sizilien sowie Enkel → Friedrich
Barbarossas, wird 1196/1212 deutscher König. Er errichtet in Sizilien mit Hilfe
rechtlicher Regelungen (Assisen von Capua 1220, Konstitutionen von Melfi 1231)
eine fortschrittliche Verwaltung. Im Reich verbrieft er die von den Fürsten
errungenen Rechte (→ Confoederatio cum principibus ecclesiasticis, 1220, →
Statutum in favorem principum, 1231). Seine Mitwelt versetzt er als (lat.)
stupor (M.) mundi in vieler Hinsicht in Erstaunen.
Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106, 108; Blondel, G., Étude sur
la politique de l’empereur Frédéric II, 1892; Kantorowicz, E., Kaiser Friedrich
II. 1929 (Materialband 1931), 6. unv. A. 1985 (Ergänzungsband 2. A. 1980);
Schrader, E., Ursprünge und Wirkungen der Reichsgesetze Friedrichs II. von
1220, 1231/32 und 1235, ZRG GA 68 (1951), 354; Zinsmaier, P., Zur Diplomatik
der Reichsgesetze Friedrichs II. (1216, 1220, 1231/(12)32, 1235, ZRG GA 80
(1963), 82; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982; Kaiser Friedrich
II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, hg. v. Heinisch, J., 1968, 6. A.
1978; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich
Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Probleme um Friedrich II., hg. v.
Fleckenstein, J., 1974; Ipser, K., Kaiser Friedrich der Zweite, 1977; Federico
II, 1980; Wolf, G., Kaiser Friedrich II. und das Recht, ZRG RA 102 (1985), 327;
Zinsmaier, P., Beiträge zur Diplomatik der Urkunden Friedrichs II., DA 41
(1985), 101; Bibliographie zur Geschichte Kaiser Friedrichs II. und der letzten
Staufer, 1986 (212 Quellentitel, 2014 Monographien und Aufsätze); Martino, F.,
Federico II, 1988; Lammers, W., Friedrich II. (1212-1250), (in) Kaisergestalten
des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991, 199; Stürner, W., Friedrich
II., 1992; Federico II., hg. v. Toubert, P., 1994; Rösch, E./Rösch, G., Kaiser
Friedrich II., 1995; Friedrich II., hg. v. Esch, A. u. a., 1996; Die
Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v. Stürner, W.,
1996; Sommerlechner, A., Stupor mundi?, 1999; Kaiser Friedrich II., hg. v.
Eickels, K. van u. a., 2000; Rotter, E., Friedrich II. von Hohenstaufen, 2000;
Stürner, W., Friedrich II., 2. A. 2003; Die Urkunden Friedrichs II. 1198-1212,
bearb. v. Koch, W., Teil 1 2002, Teil 2 2007; Fumagalli, M., Federico II.,
2004; Thomsen, M., Ein feuriger Herr des Anfangs, 2005; Federico II., hg. v.
Zecchino, O. u. a., 2005; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006;
Houben, H., Kaiser Friedrich II., 2007
Friedrich I. Barbarossa (Rotbart) (nach 1122-Kleinasien 10. 6. 1190) aus der
Familie der → Staufer ist der zwischen 1152 und 1190 im deutschen Reich
herrschende König. Er führt 1156 im sog. (lat.) → privilegium minus einen
Ausgleich zwischen Staufern und → Welfen herbei, indem er den Welfen das
1138 vom König entzogene Herzogtum → Bayern, vermindert um das
verselbständigte Herzogtum → Österreich, zurückgibt. 1158 lässt er auf
dem Reichstag von Roncaglia die → Regalien durch Juristen feststellen.
Durch Landfriedensgesetze geht er gegen Rechtsbruch vor. Eine konstante
römisch-rechtliche, Rechtsdenken oder Rechtspraxis prägende Komponente lassen
seine Urkunden noch nicht erkennen. Unter ihm beginnt die Zerschlagung der dem
König zu mächtigen Herzogtümer (1156 Bayer, 1180 Sachsen) in die das Reich
letztlich auflösenden → Länder. (Mit seiner ersten Frau – Adela von
Vohburg - scheint er im siebten Grad verwandt gewesen zu sein so dass die Ehe
aufgelöst werden musste.)
Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106; Rassow, P., Honor imperii,
1940; Heimpel, H., Kaiser Friedrich Barbarossa, 1942; Hess-Gotthold, J.,
Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raume des heutigen Pfälzer
Waldes, 1962; Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Appelt, H., Bd. 1ff 1975ff.;
Opll, F., Das Itinerar Kaiser Friedrich Barbarossas, 1978; Georgi, W.,
Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte, 1990; Friedrich Barbarossa,
hg. v. Haverkamp, A., 1992; Kaiser Friedrich Barbarossa, hg. v. Engel, E./Töpfer,
B., 1994; Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, 1994; Opll, F., Friedrich
Barbarossa, 3. A. 1998; Plassmann, A. Die Struktur des Hofes, 1998; Richter,
K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Görich, K., Die Ehre Friedrich
Barbarossas, 2001; Dick, S., Die Königserhebung Friedrich Barbarossas, ZRG GA
121 (2004), 200; Laudage, J., Friedrich Barbarossa, hg. v. Hageneier, L. u. a.,
2009
Friedrich II. der Große (Berlin 24. 1. 1712-Potsdam 17. 8. 1786) ist der bedeutendste König in Preußen (1740-1786). Seine militärischen Erfolge (Eroberung Schlesiens von Österreich) begründen Preußens Stellung als Großmacht in Europa. Die Schaffung des preußischen Allgemeinen Landrechts (1794) geht maßgeblich auf den dem aufgeklärten Absolutismus (1740/1754 Abschaffung der Folter, planvolle Kriminalpolitik, Bauernschutz, Toleranz) verpflichteten Monarchen zurück.
Lit.: Heymann, E., Über die Bedeutung der Philosophie
Friedrichs des Großen für seine Rechtspolitik, 1934 (SB Berlin); Ritter, G.,
Friedrich der Große, 1936; Jacobs, H., Friedrich der Große und die Idee der
Vaterlandsliebe, 1939; Jessen, H., Friedrich der Große und Maria Theresia,
1965; Merten, D., Der Katte-Prozess, 1980; Hubatsch, W., Friedrich der Große
und die preußische Verwaltung, 2. A. 1982; Schieder, T., Friedrich der Große,
1983; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen
Friedrichs des Großen, 1984; Aretin, K. Frhr. v., Friedrich der Große, 1985;
Panorama der fridericianischen Zeit, hg. v. Ziechmann, J., 1985; Ausstellung
des geheimen Staatsarchivs, 2. A. 1986; Analecta Fridericiana, hg. v. Kunisch,
J., 1987; Friedrich der Große und seine Zeit, hg. v. Hauser, O., 1987;
Fridericianische Miniaturen 2, hg. v. Ziechmann, J.,1 991; Duffy, C., Friedrich
der Große, 1994; Tagebuch oder Geschichtskalender aus Friedrichs des Großen
Regentenleben, Bd. 1ff. 2003ff.; Kunisch, J., Friedrich der Große, 2004; Wehinger, B., Geist und Macht, 2004;
Hahn, P., Friedrich der Große und die deutsche Nation, 2007
Friese ist der
Angehörige des an der Nordsee siedelnden, im 1. Jh. n. Chr. durch Plinius
erwähnten, friesisch sprechenden germanischen Volkes. 734/785 werden die
Friesen von den → Franken unterworfen. Um 802 wird in der → Lex
Frisionum ihr Recht aufgezeichnet. Dem folgen im Hochmittelalter zahlreiche
weitere Quellen des → friesischen Rechts. 1464 wird Ostfriesland zu
einer Reichsgrafschaft erhoben. Im ausgehenden 20. Jh. sprechen noch rund
300000 Menschen in Deutschland und den Niederlanden die friesische Sprache.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Köbler,
Historisches Lexikon; Heck, F., Die altfriesische Gerichtsverfassung, 1894;
Jaekel, H., Abba, Âsega und Redjêva, ZRG GA 27 (1906), 114; Jaekel, H.,
Êtheling, Frîmon, Frîling und Szêremon, ZRG GA 27 (1906), 275; His, R.,
Friesisches, ZRG GA 28 (1907), 439; Jaekel, H., Die münzmetrologischen
Anhaltspunkte für die Erkenntnis der altfriesischen Ständeverfassung, ZRG GA 30
(1909), 49; Jaekel, H., Chumas und twalepti, ZRG GA 30 (1909), 251; Mayer, E.,
Friesische Ständeverhältnisse, FS Hugo von Burkard, 1910; Die Friesen, hg. v.
Borchling, C. u. a., 1931; Siebs, B., Grundlagen und Aufbau der altfriesischen
Verfassung, 1933; Gosses, J., De friesche hoofdeling, 1933; Buijtenen, M., Het
friese dorp, 1961; Schmidt, H., Politische Geschichte Ostfrieslands, 1975;
Handbuch des Friesischen, hg. v. Munske, H., 2001; Die friesische Freiheit des
Mittelalters, hg. v. Lengen, H. van, 2003; Van der Velden, B., Waar gaan wij
heen met het Fries?, 2004; http://www.koeblergerhard.de/afrieswbhinw.html;
Bremmer, R./Vries, O./Laker, S., Advances in Old Frisian Philology, 2007;
Hofmann, D. u. a., Altfriesisches Handwörterbuch, 2008.
Friesisches Recht
ist das Recht der Friesen. Es begegnet zuerst in der → Lex Frisionum (um
802). Vielleicht seit dem 11. Jh. entwickeln die Friesen 17 Küren, 24
Landrechte, 7 Überküren und die Wundtaxen, die in 16 nach 1276 einsetzenden
Handschriften und einem Druck von 1485 (?) teils amtlich, teils nichtamtlich in
meist friesischer Sprache für das gemeinfriesische Gebiet aufgezeichnet
werden. Daneben stehen für einzelne Landschaften etwa die Westerlauwerschen
Schulzenrechte (Westfriesland 12. Jh.), die Hunsigoer Küren (Hunsigo, nördlich
von Groningen, 1252), das Rüstringer Recht (Rüstringen, westlich der
Wesermündung 12./13. Jh.), das Brokmer Recht (Brokmerbrief, um Aurich
1300-1345), das Emsiger Pfennigschuldbuch (1300) und verschiedene Beliebungen (→
Siebenhardenbeliebung 1426) (altostfriesisch Rüstringer Recht, Brokmer Recht,
Emsinger Recht). In der ersten Hälfte des 13. Jh.s verfasst ein Geistlicher ein
auf Rudolf von Schwaben bezogenes Rechtsbuch (Rudolfsbuch). Im 14. und 15. Jh.
entstehen unter Einfluss der gelehrten Rechte Processus iudicii, Jurisprudentia
Frisica und die Excerpta Legum. Ergänzt werden die allgemeinen Bestimmungen
durch rund 1300 Urkunden der Jahre 1329 bis 1573. Seit dem 16. Jahrhundert wird
das friesische Recht allmählich zurückgedrängt und 1744/1794 durch Preußen in
Ostfriesland beseitigt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840,
Neudruck 1960; Telting, A., Het oud-friesche Stadrecht, 1882; De friesche
Stadrechten, hg. v. Telting, A., 1883; His, R., Die Überlieferung der
friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 20 (1899), 39; His, R., Das Strafrecht
der Friesen im Mittelalter, 1901; Jaekel, H., Hêmêthoga, Liudamon, Ked,
Koninges-orkene und Tolevabôth, ZRG GA 28 (1907), 164; Jaekel, H., Foged,
Skelta, Frâna und Bon, ZRG GA 28 (1907), 205; Die niederdeutschen Rechtsquellen
Ostfrieslands, hg. v. Borchling, C., Bd. 1 1908; Steller, W., Das
altwestfriesische Schulzenrecht, 1926; His, R.,
Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937),
58; Trägert, H., Familienerbe in Friesland, 1937; Oosten, M. van, De
ambtshalve vervolging naar oudfriesch recht, 1938; Fairbanks, S., The old west
Frisian skeltana riucht, 1939; Oudfriese Taal- en Rechtsbronnen, hg. v. Sipma,
P. u. a., Bd. 1ff. 1943ff.; Krogmann, W., Zu den Emsgauer Bußen, ZRG GA 69
(1952), 345; Krogmann, W., Eine lateinische Vorstufe ostfriesischer
Bußregister, ZRG GA 75 (1958), 352; Gerbenzon, P., Excerpta Legum, 1956;
Snitser Recesboken 1490-1517, hg. v. Osterhout, M., 1960; Ebel, W., Das Ende
des friesischen Rechts in Ostfriesland, 1961; Das Rüstringer Recht, hg. v.
Buma, W./Ebel, W., 1963; Das Brokmer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1965;
Ostfriesische Bauerrechte, hg. v. Ebel, Wilhelm 1964; Krogmann, W.,
Volksetymologische Umdeutungen einer friesischen Bußtaxe, ZRG GA 82 (1965),
298; Krogmann, W., Die friesische Sage von der Findung des Rechts, ZRG GA 84
(1967), 72; Krogmann, W., Die friesische Vorstufe des „Vetus Ius Frisicum“ (17
Küren, 24 Landrechte, allgemeine Bußtaxen), ZRG GA 89 (1972), 33, 90 (1973) 31;
Meijering, H., De Willekeuren van de Opstallsbom (1323), 1974;
Westerlauwerssches Recht 1 Jus municipale Frisonum, hg. v. Buma, W. u. a.,
1977; Köbler, G., Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen früher friesischer
Quellen, 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de Studie van oudfries Recht, 1981;
Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches
Wörterbuch, 1983; Codex Aysma, hg. und übersetzt v. Buma, W. u. a., 1993;
Lokin, J. u. a., Het Rooms-Friese recht, 1999; Algra, N., Oudfries recht
800-1256, 2000; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th
Century, 2003; http://www.koeblergerhard.de/afrieswbhinw.html; Hempenius-van
Dijk, B., Hof van Friesland, 2004; Nijdam, H., Lichaam, eer en recht in
middeleeuws Friesland, 2008
Friesland ist das Siedlungsgebiet der
Friesen an der Nordsee.
Lit.: Iterson, W. van,
Feudalisierungsversuche im westerlauwerschen Friesland, ZRG GA 97 (1962), 72;
Agena, G., Eine Studie über die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen
Verhältnisse des Norderlandes, 1962; Le Bailly, M., Hof van Holland, Zeeland
en West-Friesland, 2008
Frist ist der
bestimmte oder bestimmbare Zeitraum. Die F. spielt in jeder Gesellschaft, in
der die Zeit berechnet werden kann, eine Rolle. Für die Germanen wird in diesem
Zusammenhang davon berichtet, dass sie nach Nächten zählen und den Zeitpunkt
der Versammlung nach Vollmond und Neumond bestimmen. Mit der Verrechtlichung
aller Lebensverhältnisse gewinnt die genaue Bestimmung von Fristen (z. B. für
Leistungen, Prozesshandlungen, Verjährung usw.) ein immer größeres Gewicht.
Lit.: Köbler, DRG 235; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 505; Ziegeltrum,
A., Grundfälle zur Berechnung von Fristen, JuS 1986, 705; Schmitz, M., Die
Fristberechnung nach römischem Recht, 2002
Fristenlösung →
Abtreibung
Fritzlar
Lit.: Quellen zur
Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar, hg. v. Demandt, K., 1939; Fritzlar im
Mittelalter, 1974
Fron ist (als Ableitung zu ahd. fro [M.] Herr) im mittelalterlichen deutschen Recht der (Dienst in) Bezug auf einen Herren. → Fronbote, Frondienst, Fronhof
Fronbote ist im
mittelalterlichen deutschen Recht der Gehilfe eines Richters für tatsächliche
Aufgaben (Botendienste, Wachdienste, Vollstreckungen). Nach dem Sachsenspiegel
(1221-1224) steht er nach Wahl durch den Richter auf Lebenszeit im Dienst des
Königs und ist durch doppelte Buße geschützt. Ihm entsprechen andernorts
Büttel, Scherge oder Weibel.
Lit.: Eggert, C., Der Fronbote im Mittelalter, 1897;
Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991
Frondienst ist im
Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem der einem Grundherrn oder
Gerichtsherrn zu erbringende Dienst (z. B. Pflügen, Säen, Eggen, Ernten,
Mahlen, Backen, Brauen, Spinnen, Weben, Fahren, Reiten, Bauen usw.). Der sog.
gemessene F. umfasst selten mehr als die Hälfte der jährlichen Arbeitszeit.
Seit dem Frühmittelalter geht der tatsächlich geleistete F. zurück und wird bis
zur Mitte des 19. Jh.s durch die Bauernbefreiung beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Siebeck, O., Der Frondienst als
Arbeitssystem, 1904; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen
Kaiserzeit, 1939, 46ff.; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft,
1962, 93ff., 126ff.; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und
Klosterherrschaft, 1978, 124; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 3. A. 1987,
25ff.
Fronhof ist der
Haupthof des Grundherrn in der mittelalterlichen → Grundherrschaft. Er
wird vom Grundherrn selbst oder durch Verwalter bewirtschaftet. Zu ihm gehört
das umgebende Salland (Herrenland). Seit dem Hochmittelalter verliert der F.
mit dem Übergang zur → Rentengrundherrschaft einerseits und zur →
Gutsherrschaft andererseits seine Bedeutung und verschwindet mit der
Beseitigung der Grundherrschaft im 19. Jh. gänzlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 77, 96; Maurer, G.
v., Geschichte der Fronhöfe, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Kötzschke, R.,
Salhof und Siedelhof, 1953
Fronung ist im
mittelalterlichen deutschen Recht die öffentliche → Beschlagnahme von Gegenständen
im Zuge der Zwangsvollstreckung (zugunsten des Königs). In der (lat. [F.])
Capitulatio de partibus Saxoniae (782/5) wird die F. angeordnet, falls ein
Verurteilter ein Urteilserfüllungsgelöbnis mangels eines Bürgen nicht ablegen
kann, in einem weiteren Kapitular (803), falls der Beklagte auf viermalige
Ladung nicht vor Gericht erscheint. Im Hochmittelalter ist die F. nur in
Ostfalen (Sachsenspiegel, Stadtrechte) gebräuchlich. Im 16. Jh. ist sie
allgemein geschwunden.
Lit.: Planitz, H., Die Fronung, ZRG GA 78 (1961), 39ff.
Frostathingslög ist
das in 16 Teile gegliederte Rechtsbuch des um den Drontheimfjord gelegenen
norwegischen Gebiets, dessen erhaltener Text durch eine zwischen 1260 und 1269
entstandene, 1728 verbrannte Handschrift überliefert ist (Frostothingsbok). Der
F. geht die → Gragas voraus. Ihrerseits ist sie Vorbild für →
Jarnsida und für das Reichsrecht König Magnus Hakonarsons (1274).
Lit.: Meissner, R., Germanenrechte,
1939; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977
Frucht (lat. [M.]
fructus) ist das Erzeugnis (z. B. Kalb) einer Sache (z. B. Kuh) und die
sonstige ihrer Bestimmung gemäß aus ihr gewonnene Ausbeute (z. B. Sand) sowie
der seiner Bestimmung gemäß aus einem Recht gewonnene Ertrag (z. B. Dividende).
Im klassisch-römischen Recht wird die F., zu der nicht das folglich dem
Eigentümer der Mutter gehörende Kind der Sklavin und auch nicht der Zins für
ein Kapital zählen, (erst) mit der Trennung von der Muttersache rechtlich
selbständig. Sie wird Eigentum des Eigentümers der Muttersache, sofern diesem
nicht ein anderer Berechtigter (z. B. Erbpächter) vorgeht. Im mittelalterlichen
deutschen Recht fällt die natürliche F. grundsätzlich dem zu, der die zu ihrer
Gewinnung erforderlichen Aufwendungen erbracht hat (Wer sät, der mäht,
Produktionsprinzip). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem
Spätmittelalter dringen die romanistischen Regeln ein.
Lit.: Kaser § 18 III; Hübner 463; Köbler, DRG 39; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 55
fructus (lat. [M.])
→ Frucht
Frühkapitalismus ist
die Anfangsstufe des → Kapitalismus am Beginn der frühen Neuzeit (z. B.
Fugger, Welser).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 134; Baltl/Kocher 109,
145; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Sombart, W.,
Der moderne Kapitalismus, Bd. 2 1916; Trusen, H., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961
Frühkonstitutionalismus ist die eine Verfassung (Konstitution) erstrebende
politische Bewegung des beginnenden 19. Jh.s (nach französischem Vorbild Bayern
1818, Baden 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Brandt, H., Der deutsche
Frühkonstitutionalismus, (in) Hessen, 1997, 39
Frühmittelalter ist
der etwa zwischen dem Untergang des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) und dem
(Aussterben der ostfränkischen Karolinger [911] bzw. dem) →
Investiturstreit (1076) liegende Abschnitt des Mittelalters.
Lit.: Köbler, DRG 75; Köbler, G., Civis und ius civile im
deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Schneider, R., Königswahl
und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Bund, K., Thronsturz und
Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl
dem Großen, 2000; Buc, P., The Dangers of Ritual, 2001; The Early Middle Ages,
hg. v. McKitterick, R., 2001; Grant, M., Die Welt des frühen Mittelalters,
2003; Goetz, H., Europa im frühen Mittelalter, 2003; Wickham, C., Framing the
Early Middle Ages, 2005
Frühneuhochdeutsch ist
die zwischen 1350 (Mittelhochdeutsch) und 1650 (Neuhochdeutsch) gesprochene,
frühe Stufe der neuhochdeutschen Sprache (zeitliche Abgrenzung zum
Mittelhochdeutschen streitig).
Lit.: Götze, A., Frühneuhochdeutsches Glossar, 7. A. 1967;
Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Anderson, R. u. a., Bd. 1ff. 1986ff.;
Baufeld, C., Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch, 1996
Frührezeption (des
römischen Rechts) ist der erste zeitliche Abschnitt der Aufnahme (→
Rezeption) des römischen Rechts in mittelalterliche Rechtsordnungen. Angesichts
der Übernahme römischrechtlicher Vorstellungen bereits in frühmittelalterliche
Volksrechte lässt sich von F. schon für das Frühmittelalter sprechen. In einem
engeren Sinn schließt F. aber erst an die Wiederaufnahme der Beschäftigung mit
dem justinianischen Rechtstexten seit dem ausgehenden 11. Jh. an.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hageneder, O., Zur
Frührezeption des römisch-kanonischen Prozessverfahrens im Lande ob der Enns,
FS K. Pivec, 1966, 131; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb.
89 (1969), 337
Frühsozialismus ist
der erste zeitliche Abschnitt des Sozialismus. Er lässt sich in seinem Beginn
in die Mitte des 16. Jh.s setzen. Er endet um 1848. Seine Zielsetzungen sind
zumindest anfangs noch sehr allgemein und unterschiedlich.
Lit.: Der Frühsozialismus, hg. v. Ramm, T., 2. A. 1968;
Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995
Fuero (zu lat. [N.]
forum, Markt, Gericht) bzw. foro oder fur ist in → Spanien (bzw.
Portugal) das teilweise bis in das 20. Jh. geltende landschaftliche Recht des
Hochmittelalters (im engeren Sinn das aufgezeichnete Stadtrecht). Besonders in
Aragón und Valencia steht der besondere F. im Gegensatz zum allgemeinen Recht.
Der Name F. erwächst erst allmählich. Die ersten überlieferten Fueros sind
nicht umfangreich. Von besonderer Bedeutung ist die Bewahrung von aus dem
westgotischen Volksrecht (→ Lex Visigothorum) rührendem germanistischem
Rechtsgut. Unterscheiden lassen sich vor allem Privilegien, Urkunden über
Abgaben und Stadtrechte.
Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragons und ihre
Verbreitung, FS E. Heymann, 1940, 108; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der
sog. Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 681;
Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la Espana cristiana, 2000
Fuero de Aragón
ist die Sammlung von Gesetzen oder Verordnungen, die besonders Aragón
betreffen. Den Auftrag hierzu erteilt König Jakob I. an den Bischof von Huesca
und ehemaligen Bologneser Scholasten Vidal de Canellas. Von dessen zwei
Kompilationen billigen die Cortes von Huesca 1247 die kleinere, weniger
romanistische. 1283 wird sie in das vom Adel König Peter III. abgerungene
(span.) Privilegio general (allgemeine Privileg) aufgenommen. Im 14. und frühen
15. Jh. wird sie um je ein Buch der vier in dieser Zeit herrschenden Könige
erweitert.
Lit.: Tilander, G., Los fueros de
Aragón, 1937; Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragóns, FS E. Heymann, 1940,
108; Wohlhaupter, E., Das Privatrecht der fueros de Aragón, TRG GA 62 (1942),
89, 63 (1943), 214, 64 (1944), 173; Lalinde Abadía, J., Los Fueros de Aragón,
1976
Fuero de Burgos ist ein die
Hauptstadt der Grafschaft → Kastilien betreffender Text des spanischen
Rechts.
Lit.: Martínez Díez, G., Fueros en el
territorio de la provincia de Burgos, 1982
Fuero de Castiella
ist das älteste Rechtsbuch Kastiliens, in dem durch einen unbekannten Verfasser
in Burgos nicht lange nach 1248 das kastilische Recht des 13. Jahrhunderts aufgezeichnet
wird.
Lit.: Libro de los
Fueros de Castiella, hg. v. Sanchesz, S., 1924
Fuero de Cuenca ist der ziemlich ausführliche, in 43 Kapitel gegliederte Fuero des spanischen Rechts im Königreich Leon und Navarra, den König Alfons VIII. (1189/1190 bzw. zwischen November 1189 und März 1193 oder in der ersten Hälfte des 13. Jh.s) der 1177 zurückeroberten Stadt Cuenca gewährt.
Lit.: The Code of Cuenca, übers. v. Powers, J., 2000
Fuero de Francos ist der
1095 von König Alfons VI. von Kastilien dem Dorf Logroño bei der Erhebung zur
Stadt verliehene Fuero des spanischen Rechts, der später auch anderen Städten
gewährt wird (Miranda 1099, Toledo).
Fuero de Jaca ist das 1063
von Sancho Ramírez bei der Erhebung des Ortes von einer villa zu einer Stadt
verliehene Recht von → Jaca.
Lit.: Ramos y Loscertales, J., Fuero
de Jaca, 1927; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964
Fuero de la Novenera ist die
Sammlung des aragonesisch-navarrischen Gewohnheitsrechts, in die auch bäuerliches
Gewohnheitsrecht Eingang findet.
Fuero de León ist ein von
1017(-1020) stammender, sich selbst als (lat. [N.]) Decretum bezeichnender Text
des spanischen Rechts aus dem Königreich → Leon. Er geht auf Alfons V.
zurück. Seine ersten 20 Artikel betreffen das ganze Land, die übrigen 28 nur
einzelne Orte.
Lit.: García-Gallo, A., El fuero de
Léon, AHDE 39 (1969), 5
Fuero del trabajo ist das
1938 erlassene, 1967 abgeänderte Arbeitsgesetzbuch → Spaniens.
Fuero de Madrid ist das Recht von →
Madrid.
Lit.: Sánchez, G., El Fuero de Madrid,
(in) El Fuero de Madrid, 2. A. 1963
Fuero de Sepulveda ist der
in einem Privileg König Alfons VI. von Kastilien (1072-1109) enthaltene Fuero
des spanischen Rechts der südlichen Grenzgebiete des Königreichs Kastilien, den
die Könige Alfons I. und Alfons II. von Aragón auch in Teilen Aragoniens
einführen.
Fuero de Soria ist das Recht
von Soria in Kastilien.
Lit.: Sánchez, G., Historia del Fuero
de Soria, (in) Fueros castellanos de Soria de Léon y Castilla, 1919, 227
Fuero de Teruel
ist der ausführliche Fuero des spanischen Rechts der 1171 von Alfons II. von
Aragón zurückeroberten Stadt Teruel.
Fuero de Toledo ist der die städtischen Privilegien Toledos zusammenfassende Fuero des spanischen Rechts, die allen Bewohnern gemeinsam sind. Er folgt dem nach der Eroberung 1085 gewährten Fuero de Juzgo (der [westgotischen] Mozaraber) bzw. Fuero der Kastilier bzw. Fuero de Francos nach.
Lit.: García-Gallo, G., Los Fueros de
Toledo, AHDE 45 (1975), 341
Fuero de Zaragoza ist der
Fuero des spanischen Rechts, der die Interessen der sog. Infanzones
(ritterlichen Adligen) stärker berücksichtigt als die der Bürger.
fuero ecclesiastico (span.)
kirchliche Gerichtsbarkeit in Spanien
Fuero general ist die
umfassende private Sammlung des spanischen Gewohnheitsrechts des Adels und
seiner Bauern in Aragón und Navarra aus dem 13. Jh.
Fuero Juzgo ist die in
verschiedenen Fassungen in das Kastilische übertragene (lat.) → Lex (F.)
Visigothorum, die auch nach der Zerstörung des Westgotenreiches in Spanien
durch die Araber für die unterworfenen Westgoten (Mozaraber) gilt. Der F. J.
ist auch das von der königlichen Rechtsprechung des vereinigten Königreiches
von Leon und Navarra in Leon - nicht in Kastilien - angewendete Recht. Nach
1240 verleiht König Ferdinand III. den zwölfteiligen F. J. an eroberte Städte
in Andalusien und Levante (Córdoba, Sevilla, Jaén, Murcia, Alicante, Jerez).
1263 wird der F. J. von König Alfons X. in den → Fuero real (bzw. den
Libro de las Leyes) modernisiert.
fuero militar (span.)
Militärgerichtsbarkeit in Spanien
fuero municipal (span.)
Stadtrecht in Spanien
Fuero real (bzw. Libro de
las Leyes) ist der 1255 oder 1263 von König Alfons X. dem Weisen von Leon und
Navarra aus dem → Fuero Juzgo modernisierte → Fuero des spanischen Rechts.
Er passt den aus der frühmittelalterlichen (lat.) Lex (F.) Visigothorum
entwickelten Fuero Juzgo den hochmittelalterlichen Bedürfnissen an und nimmt
verschiedene römischrechtliche und kirchenrechtliche Sätze auf. Er ist in vier
Bücher gegliedert (Verfassung, Verfahren, Familie, Erbe und Schulden sowie
Strafe). Er wird bestimmten Städten in Leon und Kastilien (Valladolid 1255,
Madrid 1262) sowie Burgos und Soria verliehen, doch muss der König 1272 die
Fortgeltung der alten städtischen Fueros anerkennen. Von ihnen werden viele bis
1340 neu aufgezeichnet.
Lit.: Martínez Díez, G., Leyes de Alfonso X.: Fuero Real,
1988
Fuero viejo de Castilla ist
die umfassende private Zusammenstellung des kastilischen Gewohnheitsrechts.
Eine um 1248 entstandene Fassung ist unsystematisch. Der F. v. d. C. erhält
seine endgültige systematische und in fünf Bücher gegliederte Gestalt um 1356. Seine wichtigste Quelle ist
der Libro de los Fueros.
Lit.: García González, F., El fuero
viejo assistemático, AHDE 41 (1971), 767
Fugger ist der
Angehörige einer 1367 in Augsburg als Weber genannten Familie, die in der Linie
von der Lilie durch die Fuggersche Handelsgesellschaft, das Kupfermonopol und
den Ablasshandel Weltgeltung erreicht. Als Bankiers der Päpste und der
Habsburger erlangen sie 1504 den Adel und 1511 den Grafenrang und finanzieren
die Wahl Karls V. zum Kaiser des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation).
Sie bilden ein anschauliches Beispiel des → Frühkapitalismus.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pölnitz, G. Frhr. v.,
Jakob Fugger, Bd. 1f. 1949ff.; Pölnitz, G. Frhr. v., Fugger und Hanse, 1953;
Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Pölnitz, G. Frhr. v., Die Fugger, 6.
A. 1999; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften,
1976; Nebinger, G./Rieber, A., Genealogie des Hauses Fugger, 1978;
Tietz-Strödel, M., Die Fuggerei, 1982; Mandrou, R., Die Fugger, 1997;
Häberlein, M., Die Fugger, 2006
Führer ist (der von
Adolf → Hitler im Nationalsozialismus beanspruchte) anführende Rang
innerhalb einer Gemeinschaft. Der F. (Adolf Hitler) steht außerhalb der
Verfassung. Er vereinigt nacheinander unterschiedliche Verfassungsstellungen in
sich (Reichskanzler, Reichspräsident). Sein Wille wird als Gesetz angesehen.
Nach dem Prinzip des Führers wird das → Dritte Reich organisiert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222, 226, 229; Das
deutsche Führerlexikon, 1934; Fauser, M., Das Gesetz im Führerstaat, Arch. f.
öff. Recht 1965, 129; Majer, D., Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems,
1987; „Führer – Erlasse – 1939-1945“, hg. v. Moll, M., 1997
Führerschein ist
die Urkunde über die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Führerscheine
werden kurz nach Erfindung der Kraftfahrzeuge (1876 N. A. Otto stationärer
Viertaktverbrennungsmotor, 1885 C. F. Benz verkehrsfähiges Kraftfahrzeug,
1886 G. Daimler) eingeführt. Die vorläufigen und regional unterschiedlichen
Berechtigungen löst 1910 auf Grund des Gesetzes über den Verkehr mit
Kraftfahrzeugen (3. 5. 1909) der F. in Preußen ab (1910 in Deutschland 36077
Führerscheine, 1924 121431 neue Führerscheine, 1957 rund 1081000, 1991
2122706). Seit 1. 1. 1999 ist der F. in der Europäischen Union vereinheitlicht.
Führungsschicht ist
die politische oder geistig führende Gruppe von Menschen einer bestimmten
Gesellschaft. Im Mittelalter stellt der Adel die F. In der Aufklärung tritt der
Bürger hinzu. In der Gegenwart wird die allgemeine Meinung in erheblichem Maß
durch die Medien Zeitung und Fernsehen bestimmt, deren Träger die Führung mitgestalten.
Lit.: Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in
Österreich und Preußen 1804-1918, 1955; Deutsche Führungsschichten in der
Neuzeit, hg. v. Hofmann, H. u. a., 1980; Wildenmann, R. u. a., Führungsschicht
in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, 1982; Rösch, G., Der venezianische
Adel, 1989
Führungszeugnis
Lit.:
Burchardi, K., Strafregister und polizeiliches Führungszeugnis, 2. A. 1944
Fulgosius, Raphael
ist der in Piacenza 1367 geborene, in Bologna und Pavia ausgebildete, ab 1388
in Pavia, Siena und Padua lehrende, am 12. 9. 1427 verstorbene Jurist
(commentarium in Digestum vetus, commentarium zum Codex, Gutachten).
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 802
Fulda ist die am 12. 3. 744 von dem Schüler Sturmi des Bonifatius in Hessen gegründete, 765 reichsunmittelbar (Reichsabtei) werdende Abtei mit sehr großer Grundherrschaft und bedeutender Schriftkultur. Die dort 1723/1734 gegründete Universität wird nach der Säkularisation (1802) aufgehoben.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch des
Klosters Fulda, Bd. 1 1913; Werner-Hasselbach, T., Die älteren
Güterverzeichnisse der Reichsabtei Fulda, 1942; Lübeck, K., Die Hofämter der
Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Lübeck, K., Die Fuldaer
Bürgeraufstände, ZRG GA 68 (1951), 410; Mauersberg, H., Die Wirtschaft und
Gesellschaft Fuldas, 1969; Jäger, B., Das geistliche Fürstentum Fulda in der
frühen Neuzeit, 1986; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002
Fund ist das
Entdecken und Ansichnehmen einer verlorenen (besitzlosen) beweglichen Sache
eines anderen. Der Finder muss den F. kundtun. Der Eigentümer muss dem Finder
nach einzelnen mittelalterlichen Rechtsquellen einen Lohn zahlen. Meldet sich
der Eigentümer innerhalb einer Frist (nach Aufgebot) nicht, so fällt die Sache
teils an den Finder, teils an den König, Kirche, Gemeinde oder Grundherrn, seit
der Neuzeit an den Finder.
Lit.: Hübner 457; Hübner, J., Der Fund,
1914
Fur (lat. [M.]) ist
im römischen Recht der → Dieb. Der auf frischer Tat ertappte freie Dieb
(lat. [M.] f. manifestus) darf im altrömischen Recht getötet werden und wird
später als Sklave zugesprochen, der unfreie f. manifestus darf vom tarpeischen
Felsen gestürzt werden. Jeder andere f. hat das Doppelte des Wertes zu leisten
und wird infam.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 51 I
Furiosus (lat. [M.]) ist im
römischen Recht der → Geisteskranke, der ohne weiteres geschäftsunfähig
und deliktsunfähig ist und einen (lat. [M.]) curator (Pfleger) hat.
Lit.: Kaser § 14 IV; Boari, M., Qui
venit contra iura. Il furiosus, 1983
Fürkauf ist im 13.
bis 16. Jh. der Vorkauf (zwecks künstlicher Verknappung und Verteuerung).
Lit.: Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht,
1983
Furs de Valencia sind die
nach 1240 abgefassten → Fueros (Gesetze bzw. Verordnungen) des
Königreichs von Valencia des spanischen Rechts, die in einer 1330 entstandenen,
völlig romanisierten Fassung Alfons’ IV. bekannt sind. 1482 wird eine
erweiterte, chronologisch geordnete Sammlung von Gabriel de Riucech unter dem
Titel Furs e ordinacions de València veröffentlicht, 1707 wird der F. d. V.
von König Philipp V. abgeschafft. 1708 werden die Fueros alfonsinos in Valencia
für weitergeltend erklärt.
Lit.: Barrero, A., El Derecho romano en los Furs de
Valencia de Jaime I, AHDE 41 (1971), 639
fur (M.) manifestus (lat.)
→ handhafter → Dieb, → Diebstahl
Fur semper in mora (lat.). Der Dieb ist immer in Verzug.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Tryphonius um 160-um 220, Digesten 13, 1, 20)
Fürsorge ist
insbesondere die Unterstützung einzelner aus allgemeinen Mitteln in Notlagen.
F. tätigt anfangs die Familie, dann die Kirche und die Grundherrschaft, seit
der frühen Neuzeit auch der Wohlfahrtsstaat. In Preußen wird hierfür das
Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. 12. 1842
(Unterstützungswohnsitz) erlassen, im Deutschen Reich das Reichsgesetz über den
Unterstützungswohnsitz vom 6. 6. 1870 (preußisches Ausführungsgesetz vom 8. 3.
1871) und die Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. 2. 1924, ergänzt
durch die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen
Fürsorge vom 4. 12. 1924 (kein Rechtsanspruch, Träger Ortsarmenverbände bzw.
Gemeinden, in Städten 5,6-8 % Unterstützungsempfänger, auf dem Land 0,5-0,8 %).
In Deutschland wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus der F. die →
Sozialhilfe.
Lit.: Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften, 1906;
Dilger, A., Die Grundlagen des Fürsorgerechts, Diss. jur. Tübingen 1945
masch.schr.; Jutte, R., Obrigkeitliche Armenfürsorge, 1984; Hauser, S.,
Geschichte der Fürsorgegesetzgebung in Bayern, Diss. jur. München 1986;
Peukert, D., Grenzen der Sozialdisziplinierung, 1986; Armengesetzgebung und
Freizügigkeit (1867-1881), hg. v. Sachße, C. u. a., 2000; Willing, M., Das Bewahrungsgesetz
(1918-1967), 2003; Marx-Jaskulski, K., Armut und Fürsorge auf dem Land, 2008
Fürsprech, Fürsprecher, Vorsprecher, ist im hoch- und spätmittelalterlichen deutschen Recht der Vertreter eines Menschen im Wort vor Gericht. Er wird entwickelt, um die Gefahr zu vermeiden, durch einen bloßen Fehler im Wort (z. B. Husten, Räuspern, Versprechen) einen Rechtsstreit zu verlieren. Seine Rede kann die im Wort vertretene Partei billigen oder verwerfen und selbst richtig ausführen. Der F. ist erst im 12. Jh. in deutschen, französischen und englischen Quellen sicher belegt und könnte eine Antwort auf das Vordringen gelehrter Genauigkeit in das Verfahren sein. Ein Zwang, einen F. zu nehmen, erscheint erst im 15. Jh. Im Übrigen bittet die Partei den Richter um einen F. Wirkung hat sein Vortrag nur nach Billigung durch die Partei. Seit dem 15. Jh. wird der F. zum frei handelnden Beistand, seit dem 16. Jh. verschmilzt er mit dem Anwalt zum Vertreter in der Sache. In der Schweiz ist der Fürsprecher der Rechtsanwalt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Siegel, H.,
Die Erholung und Wandelung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 42 1853; Laß, L., Die
Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte und Kapitularien, 1891; Bauhofer, A., Fürsprechertum und Advokatur im Kanton Zürich,
Zürcher Taschenbuch 1926; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den
fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Schudel, H., Fürsprecher und Anwälte
im schaffhauserischen Recht, Diss. jur. Zürich 1940; Müller, L., Die Freiheit
der Advokatur, 1972
Fürsprecher → Fürsprech
Fürst ist im
mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der Adlige, dessen Stellung
ursprünglich durch die unmittelbare Belehnung durch den König gekennzeichnet
ist. Er ist also Erster oder bei mehreren Ersten einer von diesen. Dazu zählen
im Frühmittelalter die Großen des Reiches und des Königs (Herzöge, Grafen,
Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte). Kennzeichen sind Teilhabe am Reich und
Herrschaft über einen Teil (z. B. eine Grafschaft), doch ist die Abgrenzung
nach unten nicht eindeutig. Das wichtigste Recht der Fürsten ist die Wahl des
Königs, die sich aber bald auf die → Kurfürsten beschränkt. Etwa
gleichzeitig wird die Stellung als Reichsfürst genauer festgelegt auf die
meisten Herzöge, einen Teil der Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen und
einzelne Grafen (herzogsgleiche Landesherrschaft und reichsunmittelbares
Lehen) sowie die geistlichen Reichsfürsten (Erzbischöfe, viele Bischöfe, viele
Äbte und Äbtissinnen, einzelne Pröpste). 1184/88 wird der Graf von Hennegau als
erster förmlich zum Reichsfürsten erhoben. Demgegenüber wird in Frankreich die
Zahl der Fürsten verringert und in England auf den Prinzen von Wales
beschränkt. Als Landesherr gerät der F. im Laufe der Zeit in einen Interessengegensatz
zum König. Seit 14. 8. 1919 darf der Titel F. in Deutschland nicht mehr
verliehen werden und gilt der überkommene Titel F. als Teil des Namens.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 111, 130, 149,
154, 167, 195; Köbler, WAS; Seckendorff, V. v., Teutscher Fürstenstaat, 1656,
Neudruck 1976; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt in den deutschen
Fürstenhäusern, 1851; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, SB. d. sächs.
Ges. d. Wiss. 58, 1906; Schulte, A., Fürstentum und Einheitsstaat in der
deutschen Geschichte, 1921; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924),
1; Kraemer, H., Der deutsche Kleinstaat des 17. Jahrhunderts im Spiegel von
Seckendorffs Fürstenstaat, 1922, Neudruck 1974; Schroeder, E., Herzog und
Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kienast, W., Die deutschen Fürsten im Dienste der
Westmächte, Bd. 1f. 1924ff.; Mayer, T., Fürsten und Staat, 1950; Petersohn, J.,
Fürstenmacht und Ständetum in Preußen, 1963; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“,
1977; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Der dynastische Fürstenstaat,
hg. v. Kunisch, J., 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu
Nürnberg 1355/56, 1983; Klein, T., Die Erhebungen in den deutschen Fürstenstand
1550-1806, Bll. f. dt. LG. 122 (1986), 137; Ay, K., Land und Fürst im alten
Bayern, 1988; Der Fürst, hg. v. Weber, W., 1998; Schlinker, S., Fürstenamt und
Rezeption, 1999; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001;
Gottwald, D., Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009
Fürstenberg
Lit.: Barth, F., Die
Verwaltungsorganisation der gräflich fürstenbergischen Territorien, Schriften
des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 16 (1926), 48; Link,
R., Verwaltung und Rechtspflege im Fürstentum Fürstenberg, 1944;
Bieberstein-Krasicki, D. Graf v., Das Prozessrecht der Gerichts- und
Landesordnungen der fürstenbergischen Territorien, 1948; Bader, K./Platen, A.
v., Das große Palatinat des Hauses Fürstenberg, 1954; Eltz, E., Die
Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Asch, R., Verwaltung und
Beamtentum, 1986
Fürstenberg
Fürstenbergische
Geschichte, Bd. 1ff. bearb. v. Klocke, F. v. 1971; Die Tagebücher Kaspars von
Fürstenberg, hg. v. Bruns, A., 1985, 2. A. 1987
Fürstenspiegel ist die literarische Darstellung der Pflichten eines Fürsten. Die älteren Quellen des Fürstenspiegels sind hauptsächlich Xenophons (430-354 v. Chr.) Beschreibung der Erziehung des Kuros, die aus Plutarch (46-125) erstellte (lat.) Institutio (F.) Traiani, die Selbstbetrachtungen Marc Aurels (121-180) und Augustinus’ Bild vom glücklichen Herrscher im Gottesstaat (413-426). Zunächst christlich, später humanistisch betont bauen auf ihnen F. vom 9. Jh. bis in die Neuzeit (Fürstenlehre) auf (z. B. Jonas von Orléans, Sedulius Scotus, Hinkmar von Reims, Gottfried und Johannes von Viterbo, Johann von Salisbury, Polycratius, 1195, Gilbert von Tournais, Vincenz von Beauvais, Thomas von Aquin, De regimine principum, 1265/1266, Fortescue J., De laudibus legum Angliae, um 1470, Machiavelli, N., Il principe, 1532, Fénelon, Les aventures de Télémaque, 1699).
Lit.: Kleineke, W., Englische Fürstenspiegel, 1937; Berges,
W., Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, 1938; Anton, H.,
Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit, 1968; Singer, B., Die
Fürstenspiegel, 1981; Politische Tugendlehre und Regierungskunst, hg. v.
Mühleisen, H. u. a., 1990; Fürstenspiegel der frühen Neuzeit, hg. v. Mühleisen,
H. u. a., 1996; Graßnick, U., Ratgeber des Königs, 2004; Ahl, I., Humanistische
Politik zwischen Reformation und Gegenreformation, 2004; Fürstenspiegel des frühen
und hohen Mittelalters, hg. v. Anton, H., 2006
Fürstentum ist das Herrschaftsgebiet und die Stellung eines → Fürsten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schotte, W., Fürstentum und Stände
in der Mark Brandenburg, 1911; Dunkhase, H., Das Fürstentum Krautheim, 1968;
Werner, K., Die Entstehung des Fürstentums, Bd. 1f. 1970; Thomas, H., Zwischen
regnum und imperium, 1973; Geistliche Staaten in Oberdeutschland, hg. v. Wüst,
W., 2002
Fürstprimas ist der
in der Rheinbundakte von 1806 für den bisherigen Reichserzkanzler Karl Theodor
von Dalberg vergebene geistlich-weltliche Titel. Das Fürstentum des F.
(Regensburg mit Aschaffenburg und Wetzlar) wird durch Napoleon (1808) in ein
weltliches Großherzogtum umgewandelt, das 1813 endet.
Lit.: Färber, K., Der Übergang des dalbergischen
Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern, 1985
Fürth
Lit.: Hofmann, M., Die
mittelalterliche Entwicklung der Gerichtsverhältnisse im alten Amt Fürth, 1932;
Mauersberg, H., Wirtschaft und Gesellschaft Fürths, 1974; Windsheimer, B.,
Geschichte der Stadt Fürth, 2007
Furtum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Sachentziehung bzw. der Diebstahl ([lat.] contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia, tückische Ergreifung einer Sache zwecks Gewinnerzielung). → fur
Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8;
Köbler, DRG 27, 48; Köbler, LAW
Fusionsvertrag ist der eine Fusion anstrebende de oder bewirkende
Vertrag (z. B. 8. 4. 1965 Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und
einer gemeinsamen Kommission der Europäischen
Gemeinschaften mit Wirkung vom 1. 7. 1967).
Fuß als der unterste Teil des stehenden menschlichen Körpers wird bis in die Gegenwart als Maßeinheit verwendet (z. B. engl. foot).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 141, 196, 213
Füssen
Lit.: Das Füssener
Bürgerbuch, hg. v. Weitnauer, S., 1940; Das Füssener hochstiftische Urbar von
1398, bearb. v. Dertsch, R., 1940; Rump, H., Füssen, 1977
Futhark ist die der herkömmlichen Zeichenfolge (f, u, th, a, r, k usw.) entsprechende Benennung der germanischen Runenschrift.
Lit.: Krause, W., Die Runeninschriften im älteren Futhark,
1966
G
Gabe ist der
Vorgang und der Gegenstand der Übergabe einer Sache oder eines Menschen an einen
Menschen. Nach einem jüngeren Rechtssprichwort soll in der älteren Zeit
gegolten haben: G. schielt nach Entgelt. Demgegenüber kennt das römische Recht
die unentgeltliche G. (→ Schenkung).
Lit.: Kaser; Hübner 575; Köbler, DRG 74; Heusler, A.,
Institutionen, Bd. 2 1885f., 370ff.; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der
altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35
Gabella (F.) emigrationis
(lat.) ist die im 11./12. Jh. erscheinende, vor allem in der frühen Neuzeit
verbreitete Auswanderungsabgabe (Abfahrtsgeld, vgl. ALR II 17 §§ 141ff.) in
Höhe von rund 10% des inländischen Vermögens.
Gabella (F.) hereditaria
(lat.) ist im Mittelalter die Erbschaftsabgabe beim Erbfall Fremder an König,
Landesherrn oder Stadt. Ein Gesetz Kaiser Friedrichs II. von 1220 hebt sie auf,
wird aber nicht beachtet.
Lit.: Meynal, E., Études sur la
gabelle, TRG 3 (1922), 119
gafol (ae.) Abgabe,
Zins
Gagern, Wilhelm
August Heinrich Freiherr von (Bayreuth 20. 8. 1799-Darmstadt 22. 5. 1888), nach
dem Rechtsstudium Regierungsrat und am 5. 3. 1848 Leiter des Staatsministeriums
Hessen-Darmstadts, wird am 19. 5. 1848 Präsident der deutschen
Nationalversammlung.
Lit.: Wentzcke, P., Zur Geschichte Heinrich von Gagerns,
1910
Gaill, Andreas
(Köln 12. 11. 1526-11. 12. 1587), Patrizierssohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Köln, Orléans, Löwen und Bologna (1555) Anwalt in Köln, 1558 Beisitzer am
Reichskammergericht in Speyer, 1569 Reichshofrat in Wien und 1583 Kanzler in
Köln. In seinen (lat.) Practicarum observationum libri (M.Pl.) duo (Zwei Bücher
praktischer Beobachtungen) (1578) bemüht er sich wie schon zuvor →
Mynsinger um eine systematische Darstellung der Entscheidungen des →
Reichskammergerichts.
Lit.: Köbler, DRG 143; Kempis, K. v.,
Andreas Gaill, 1988
Gairethinx (N.)
Speergedinge → Launegild
Lit.: Schröder, R., Gairethinx, ZRG GA 7 (1886), 53
Gaius ist der in
der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. lebende, hauptsächlich in der Provinz tätige,
nicht mit dem (lat.) ius (N.) respondendi (Antwortrecht) begabte Verfasser
(eines Kommentars zu dem in den Provinzen üblichen Rechtsschutzregister des
Privatrechts und) des in vier Bücher (lat. [M. Pl.] commentarii) über personae
(Personen), res (Sachen, 2 Bücher, Sachenrecht, Erbrecht, Schuldrecht) und
actiones (Klagansprüche, Zivilprozess) gegliederten Lehrbuchs →
Institutionen (159?, 161?). Er gehört der Rechtsschule der Sabinianer (→
Julian) an. Sein auf (lat.) → ius (N.) civile (römisches Recht) und
(lat.) → ius (N.) gentium (Fremdenrecht) als Rechtsquellen beschränktes,
in einer späteren Fassung vor allem durch eine wohl dem 5. Jh. entstammende,
1816 in Verona von Barthold Georg Niebuhr aufgefundene Palimpsesthandschrift
und zwei in Ägypten entdeckte Handschriftenbruchstücke unmittelbar
überliefertes System der Einrichtungen des Rechts (lat. institutiones) wird von
dem oströmischen Kaiser Justinian in dessen Institutionen (533) übernommen. In
den Digesten sind 542 Fragmente aus Werken des Gaius verwertet.
Lit.: Kaser § 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 34; Söllner
§§ 5, 7, 16, 19, 20, 22, 23; Köbler, DRG 30, 52, 54; Honoré, A., Gaius, 1962;
Nelson, H./David, M., Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones,
1981; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 131; Nelson,
H./Manthe, U., Gai Institutiones III 1-87, 1992; Vano, C., Il nostro autentico
Gaio, 2000; Gaius, Institutiones. Lateinisch und deutsch, hg. v. Manthe, U.,
2004; Vano, C. Der Gaius der historischen Rechtsschule, 2008
Gaius von Autun (lat. Gaius
[M.] Augustodunensis) ist der in größeren Fragmenten einer Palimpsesthandschrift
aus Autun erhaltene klassizistisch-spätnachklassische Kommentar wohl des 5.
Jh.s zu → Gaius.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2; Köbler, DRG 52
Galater → Kelte
Galeerenstrafe ist
die seit dem 15. Jh. im Mittelmeerraum (Rom 1471, Spanien 1502, Kirchenstaat
1511, 1516) verhängte Strafe, auf einer Galeere angeschmiedet als Ruderer zu
sühnen. In den österreichischen Erblanden und Böhmen wird die G. von 1556 bis
1768 verwendet. In Frankreich endet sie sachlich mit der Aufgabe der Galeeren
(1748), wird aber rechtlich erst am 27. 3. 1852 abgeschafft. In der Türkei wird
sie bis zum 20. Jh. gebraucht.
Lit.: Frauenstädt, P., Zur Geschichte der Galeerenstrafe in
Deutschland, Z. f. ges. StrafRWiss. 16 (1896), 518; Carlen, L., Die
Galeerenstrafe im Militärstrafrecht, ZRG GA 92 (1975), 210; Carlen, L., Die
Galeerenstrafe in der Schweiz, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 88 (1976), 557;
Schlosser, H., Die Strafe der Galeere, ZNR 10 (1988), 19
Galgen ist die
meist aus zwei Pfosten und einem Querholz bestehende künstliche Vorrichtung zur
Tötung von Menschen durch Aufhängen an einem Strick. Bereits die Germanen
hängen den Volksverräter. Seit wann dazu der G. verwendet wird, ist unklar. Im
Hochmittelalter ist Erhängen am G. eine ehrenmindernde Strafe. Seit 1871 ist
die → Todesstrafe in Deutschland durch Enthaupten zu vollziehen. Die
Alliierten bestrafen die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher 1946 durch
Erhängen.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 257f.; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Wohlhaupter, E., Haargalgen,
Müllergalgen, ZRG GA 63 (1943), 324; Frank, H., Im Angesicht des Galgens, 1953
Galicien ist die im
Nordwesten der iberischen Halbinsel gelegene Landschaft, die zunächst von
Kelten besiedelt ist. Nach dem Ende der römischen Herrschaft dringen im 5. und
6. Jh. Sweben (Sueben) und Westgoten, 711/718 Araber ein. Mit der Lösung von
den Arabern fällt G. meist an → Leon und mit diesem an → Kastilien.
1979 erhält G. in Spanien Autonomie.
Lit.: Tranoy, A., La Galice Romaine,
1981; García Oro, J., Galicia, 1987; Galicia, hg. v. Hann, C. u. a., 2005
Galizien (Halic-Volhynien,
→ Wolhynien) ist die nördlich der Karpaten gelegene Hügellandschaft, die
nach dem Abzug der Germanen im 6. Jh. von Slawen (Polen im Westen, Ukrainer im
Osten) besetzt wird. Im 11. bzw. 12. Jh. entsteht ein Fürstentum G. (Galitsch).
G. gelangt im Spätmittelalter (1349/1387) an → Polen. 1772 wird das
östliche G. dem österreichischen Königreich G. und Lodomerien zugeteilt, 1795
kommen weitere Gebiete hinzu (→ Westgalizien). Hauptstadt von Galizien-Lodomerien ist
Lemberg. 1846 wird das seit 1815 selbständige Krakau annektiert und mit
Galizien-Lodomerien vereinigt, welches das größte Kronland Zisleithaniens ist.
1918 annektiert das wiedergebildete Polen G. Ostgalizien wird 1939 von der
Sowjetunion in Besitz genommen.
Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Stupnicki, H., Das Königreich Galizien und Lodomerien, 1853;
Pohl, D., Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, 1996;
Röskau-Reidel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Bachmann, K., Ein Herd der
Feindschaft gegen Russland, 2001; Fellerer, J., Mehrsprachigkeit im galizischen
Verwaltungswesen, 2004; Struve, K., Bauern und Nation in Galizien, 2005; Maner,
H., Galizien, 2007
Gallicus → mos Gallicus
Gallien (lat. [F.] Gallia)
ist das Gebiet zwischen Apennin und Alpen (Gallia citerior) und seit Caesar (58-51
v. Chr.) das Land der Gallier zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und
Atlantik (Gallia ulterior). Nach der Eroberung Galliens durch die Römer (225-51
v. Chr.) wird G. romanisiert. Um 500 ist es fast vollständig im Besitz der
rasch romanisierten → Franken. → Frankreich
Lit.: Stroheker, K., Der senatorische Adel im spätantiken
Gallien, 1948 (5 bzw. 8 Namen von insgesamt 411 Personen); Lugge, M., Gallia
und Francia, 1960; Lerat, L., La Gaule romaine, 1977; Gallien in der
Spätantike, hg. v. Römisch-germanischen Zentralmuseum, 1980; Wightman, E.,
Gallia Belgica, 1985; King, A., Roman Gaul, 1990; Recht im
frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H. u. a., 1995; Woolf, G.,
Becoming Roman, 1998; Freyberger, B., Südgallien, 1999; Wierschowski, L., Fremde
in Gallien, 2001; Botermann, H., Wie aus Galliern Römer wurden, 2005; Mériaux,
C., Gallia irradiata, 2006
Galway an einer
irischen Atlantikbucht erscheint 1124 erstmals. Im 14. Jh. wird es Stadt. 1845
erlangt es eine Universität.
Gandinus (de Gandino),
Albertus (Crema/Lombardei um 1245-1311) wird nach dem Rechtsstudium in Padua
(1265-1275) Richter in Lucca, Bologna, Siena, Florenz und Bologna, 1305 Herr
(Podestà) in Fermo und 1310 Höchstrichter in Florenz. 1286/1287 veröffentlicht
er eine in erster Fassung in Perugia verfasste Sammlung berühmter Rechtsfragen
(vor allem des Odofredus und des Guido de Suzaria), die erweitert und erstmals
systematisiert (5 Verfahrensarten [lat. accusatio, denunciatio, inquisitio,
exceptio, notorium], gemeinsame Fragen dieser Verfahrensarten [Ladung, Stellvertretung,
Bann usw.], Strafrecht) 1299 in Siena und 1300 in Perugia erscheint, als (lat.)
Tractatus (M.) de maleficiis (Abhandlung von Verbrechen) bekannt ist und in
Deutschland im 15. Jh. (→ Klagspiegel, → Constitutio Criminalis
Bambergensis 1507) aufgenommen wird. Daneben stellt er (lat.) Quaestiones
(F.Pl.) statutorum (Fragen der Statuten) zusammen (Bologna 1289).
Lit.: Kantorowicz, H., Geschichte des Gandinus-Textes, ZRG
RA 42 (1921), 1, 43 (1922), 1; Kantorowicz, H., Leben und Werk des Albertus
Gandinus, ZRG RA 44 (1924), 224; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 468
Ganerbe ist der
Angehörige einer rechtlich ungeteilten Erbengemeinschaft, insbesondere in der
Ritterschaft. Eine Ganerbschaft kann auch durch Vertrag begründet werden. Ziel
ist dabei die Erhaltung des Familienguts, weswegen eine Teilung oft nur
hinsichtlich der Nutzung erfolgt. Der Erhaltung dient auch die Begründung eines
→ Familienfideikommisses. Trotz dessen Vordringens bestehen
ritterliche Ganerbschaften bis zum 19. Jh.
Lit.: Hübner 157f., 251, 429; Köbler, WAS; Wippermann, E.,
Über Ganerbschaften 1873; Zimmermann, J., Ritterschaftliche Ganerbschaften in
Rheinhessen, Diss. phil. Mainz, 1957; Alsdorf, F., Untersuchungen zur
Rechtsgestalt und Teilung der Ganerbenburgen, 1980
Gans, Eduard
(Berlin 23. 3. 1797-5. 5. 1839), aus norddeutscher jüdischer Hoffaktorenfamilie,
wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Göttingen und Heidelberg und nach der
Taufe (1825) 1826 in Berlin außerordentlicher, 1828 ordentlicher Professor für
römisches und bürgerliches Recht in Berlin. Im Streit mit → Savigny tritt
er gegen die Erforschung von geschichtlichen Einzelheiten und für der
Aufklärung verpflichtete philosophisch-universalgeschichtliche Studien (Das
Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, Bd. 1ff. 1824ff., Neudruck 1963)
ein.
Lit.: Reissner, H., Eduard Gans, 1965; Braun, J., Die „Lex
Gans“ – ein Kapitel aus der Geschichte der Judenemanzipation in Preußen, ZRG GA
102 (1985), 60; Eduard Gans, hg. v. Waszek, N., 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 45; Braun, J., Judentum,
1997; Eduard Gans 1797-1839, hg. v. Blänkner, R. u. a., 2002; Gans, E.,
Naturrecht und Universalrechtsgeschichte, hg. v. Braun, J., 2005
Gant ist im
mittelalterlichen deutschen Recht die Versteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung.
Sie entsteht in der Stadt. Sie will die Selbsthilfe eindämmen und den Schuldner
vor übermäßigem Wertverlust sichern. Zu diesem Zweck werden besondere
Gantordnungen (z. B. Augsburg 1447) erlassen. Danach muss das vom Büttel oder
Fronboten verwahrte (bewegliche) Pfand öffentlich zum Kauf angeboten und an den
Meistbietenden gegen Barzahlung ausgehändigt werden.
Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
Bd. 1 1912, 680
Garantie ist die
einem anderen gegenüber abgegebene Beteuerung der Richtigkeit einer Erklärung.
Sachlich wirkt sich der Gedanke der G. bereits in der (lat. [F.]) custodia des
römischen Rechts aus. Als eigener Vertrag erscheint der Garantievertrag wohl
erst im 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mager, U., Einrichtungsgarantien,
2003
Garantismus ist eine Form des Wohlfahrtsstaats,
bei der ein Grundeinkommen garantiert wird.
Lit.: Opielka, M., Sozialpolitik, 2004
García Goyena, Florencio (1783-1835) wird nach dem Rechtsstudium in Madrid und Salamanca Verwaltungsbeamter, Richter und Justizminister (1847). 1851 legt er einen an Frankreich, Preußen und Österreich orientierten, das partikulare Recht Spaniens missachtenden Entwurf eines (span.) Codigo civil (Zivilgesetzbuches) vor. Erst 1888/9 gelingt ein spanisches Zivilgesetzbuch.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,497
Gareis, Karl (24.
4. 1844-München 15. 1. 1923) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Bern,
Gießen und München (Das deutsche Handelsrecht, 9. A. 1909, Enzyklopädie und
Methodologie der Rechtswissenschaft, 5. A. 1920).
Lit.: Schwab, D., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten,
FS H. Hübner, 1984, 215
Garsten ist die im Siedlungsgebiet der
Bayern 985 urkundlich erwähnte spätere Marktgemeinde Oberösterreichs, in der
1107 ein 1787 aufgelöstes Benediktinerkloter errichtet wird, aus dem zwei
Traditionsbücher des späteren 12. Jh.s bekannt sind.
Lit.: Haider, S.,
Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters Garsten, 2008
Garten ist das durch Hecke oder Zaun abgegrenzte, intensiv durch Pflanzenanbau bewirtschaftete Grundstück. Da der G. die Allgemeinheit von der Mitbenutzung ausschließt, bedarf seine Einrichtung zeitweise der Zustimmung der Grundherrschaft oder Gemeinde.
Lit.: Bader, K., Gartenrecht, ZRG GA 75 (1958), 252
Gas ist der Zustand eines Körpers
und der Körper, in dem sich alle Moleküle vollkommen frei bewegen und der
Körper jeden verfügbaren Raum vollständig und gleichmäßig ausfüllt.
Lit.: L’industrie du
gaz en Europe, hg. v. Paquier, S. u. a., 2005; Auf der Suche nach Eden, hg. v.
Stolberg, E., 2008
Gascogne im Südwesten des Frankenreichs ist ein nach den mit den Basken verwandten Wasconen benanntes, seit 768 selbständiges Herzogtum, das 1052 an Aquitanien fällt.
Lit.: Histoire de la Gascogne, hg. v.
Bordes, M., 1978
Gasparri, Pietro (Ussita 5. 5. 1852-Rom 18. 11. 1934) wird nach der Ausbildung in Rom Doktor der
Philosophie, Theologie und Kanonistik, 1880 Professor für kanonisches Recht und
1901 Sekretär einer Kurienkongregation. Auf seine Anregung, ein neues
kirchliches Gesetzbuch zu schaffen, ernennt ihn Papst Pius X. 1904 zum Sekretär
der für die Gesetzgebung eingerichteten Kardinalskommission. 1917 wird der von
ihr erarbeitete → Codex iuris canonici veröffentlicht.
Lit.: Stickler, A., Historia iuris canonici latini, Bd. 1
1950, 376; Müller, A./Elsener, F./Huizing, P., Vom Kirchenrecht zur
Kirchenordnung?, 1968, 29
Gast ist der in den
Schutz eines Gastgebers aufgenommene Mensch, insbesondere der Fremde. Für ihn
entwickeln sich schon früh einige besondere Rechtssätze.
Lit.: Kaser § 13 I 2b; Köbler, DRG 15; Rudorff, H., Zur
Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907;
Schultze, A., Über Gästerecht und Gastgerichte, HZ 101 (1908), 473; Hellmuth,
L., Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen, 1984; Stein-Hölkeskamp,
E., Das römische Gastmahl, 2005
Gastalde ist im
frühmittelalterlichen Italien der vielleicht um 590 geschaffene langobardische
Amtsträger teils des Königs, teils der Herzöge. Er bleibt in Oberitalien trotz
der teilweisen Umwandlung in den Grafen bis in das Hochmittelalter bedeutsam.
Lit.: Mor, C., Lo stato longobardo nel
VII secolo, Sett. di Spoleto V 1969, Bd. 1, 271
Gaster
Lit.: Gmür, E.,
Rechtsgeschichte der Landschaft Gaster, 1905
Gastung ist die einem → Gast meist auf Grund einer Verpflichtung zu erbringende Leistung.
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, Bd. 1f.
1968
Gastwirt ist der geschäftsmäßig andere
Menschen beherbergende und mit Speisen und Getränken bedienende Unternehmer.
Für ihn gilt bereits im römischen Recht das wohl aus Vertragsgewohnheit
entstandene besondere (lat. [N.]) receptum nautarum cauponum et stabulariorum,
das der Gefährdung der vielfach fremden Gäste durch den bodenständigen G.
Rechnung trägt. Der geschädigte Gast hat die (lat.) actio de recepto. Den nach
Aufnahme des römischen Rechts entwickelten gemeinrechtlichen Lehren folgend
wird am Ende des 19. Jh.s noch eine vertragliche Haftung angenommen, später
die Haftung als gesetzlich angesehen.
Lit.: Immenhauser, M.,
Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Zimmermann, R., Geschichte der
Gastwirtshaftung in Deutschland, (in) Usus modernus pandectarum, 2007, 271ff.;
Hellwege, P., Der formularmäßige Ausschluu der Haftung der Gastwirte, ZNR 2007,
240ff.; Girtler, R., Herrschaften wünschen zahlen, 2008
Gattungskauf ist der → Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Sache. Er ist dem römischen Recht erst in der Form des Kaufes einer zu einem Vorrat gehörigen Sache bekannt.
Lit.: Kaser § 41 II 2; Ernst, W., Gattungskauf und Lieferungskauf,
ZRG RA 114 (1997), 272, Ernst, W., Kurze Rechtsgeschichte des Gattungskaufs,
ZEuP 1999
Gattungsschuld ist
die bereits dem römischen Recht bekannte, auf die Leistung eines nur der
Gattung (lat. [N.] genus) nach bestimmten Gegenstandes gerichtete →
Schuld. Bei ihr trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs der Schuldner, der
so lange leisten muss, wie die Gattung nicht erschöpft ist ([lat.] genus non
perit, Gattung geht nicht unter).
Lit.: Kaser § 34 III 2
Gau ist die als
besondere Einheit angesehene kleinere (, wasserreiche, siedlungsgünstige)
Landschaft (z. B. Aargau, Pongau, Rheingau). Sie hat insbesondere im
Frühmittelalter Bedeutung, in dem der G. nach umstrittener Ansicht den
örtlichen Tätigkeitsbereich eines → Grafen (lat. comes, → comitatus)
bezeichnet, ohne dass auch in nur einem einzigen Fall die Deckungsgleichheit
der Gauangaben der Quellen und der jeweils gegebenen Bezirke der Grafen
erwiesen und ohne dass von einem lückenlosen unveränderlichen Netz von Gauen
ausgegangen werden kann. Im Dritten Reich wird - vorbereitet durch die Romantik
des 19. Jh.s - vor allem ab 1928 der G. künstlich wiederbelebt (Baden, bayerische
Ostmark, Berlin, Düsseldorf, Essen, Franken, Halle-Merseburg, Hamburg, Hessen-Nassau,
Koblenz-Trier/Moselland, Köln-Aachen, Kurhessen, Kurmark, Magdeburg-Anhalt,
Mainfranken, Mecklenburg, München-Oberbayern, Ost-Hannover, Ostpreußen,
Pommern, Saarpfalz/Westmark, Sachsen, Schlesien, Schleswig-Holstein,
Schwaben, Süd-Hannover-Braunschweig, Thüringen, Weser-Ems, Westfalen-Nord,
Westfalen-Süd, Württemberg-Hohenzollern, (1939) Kärnten, Niederdonau,
Oberdonau, Salzburg, Steiermark, Tirol-Vorarlberg, Wien, Sudetenland,
Danzig-Westpreußen, Wartheland).
Lit.: Köbler, WAS; Baumann, F., Die Gaugrafschaften im
Wirtembergischen Schwaben, 1879; Curs, O., Deutschlands Gaue im 10.
Jahrhundert, Diss. phil. Göttingen 1908; Werneburg, R., Gau, Grafschaft und
Herrschaft in Sachsen, 1910; Bauer, A., Gau und Grafschaft in Schwaben, 1927;
Prinz, J., Pagus und comitatus in den Urkunden der Karolinger, AUF 17 (1941);
Hamm, E., Herzogs- und Königsgut, Gau und Grafschaft im frühmittelalterlichen
Bayern, Diss. phil. München 1949 (masch.schr.); Metz, W., Bemerkungen über
Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Hessler, W., Mitteldeutsche Gaue, 1957;
Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen
Deutschland, 1961; Wagner, G., Die Verwaltungsgliederung im karolingischen
Reich, 1963; Heinemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968;
Hüttenberger, P., Die Gauleiter, 1969; Nonn, U., Pagus und comitatus in
Niederlothringen, 1983; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens,
1984; Puhl, R., Die Gaue und Grafschaften des frühen Mittelalters im
Saar-Mosel-Raum, 1999; Rumschöttel, H./Ziegler, W., Staat und Gaue in der
NS-Zeit in Bayern, 2003; Die NS-Gaue, hg. v. John, J. u. a., 2007
Gaudenzi → Fragmenta Gaudenziana
Gauner ist die
vielleicht auf Ionier (Griechen) anspielende, aus dem Westjiddischen kommende
Bezeichnung für Spieler oder Verbrecher, die zeitweise eine aus
unterschiedlichen Gegebenheiten erwachsende Schicht von nichtsesshaften
Rechtsbrechern bilden, die im 18. und 19. Jh. eine gewisse Dichte erreicht.
Lit.: Ave-Lallemant, F., Das deutsche Gaunertum, Bd. 1ff.
1858ff.; Frauenstädt, P., Das Gaunertum des deutschen Mittelalters, Z. f. d.
ges. StrafRWiss. 18 (1898), 331; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919;
Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951, 291; Blauert,
A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Danker, U., Die Geschichte der
Räuber und Gauner, 2001
Gebärde ist die
eine innerliche Einstellung ausdrückende äußerliche Haltung eines Menschen,
insbesondere des Gesichtes und der Hände. Bestimmte Gebärden können in
bestimmter Umgebung eine rechtliche Bedeutung haben (z. B. Erheben der
Schwurhand bei einem Eid). Der Untersuchung rechtsgeschichtlicher Gebärden
widmet sich die Rechtsarchäologie.
Lit.: Sittl, C., Die Gebärden, 1890; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 4. A. 1899ff., Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die
Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Panzer, M.,
Tanz und Recht, 1938; Künßberg, E. Frhr. v., Schwurgebärde und Schwurfingerdeutung,
1941; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in die Rechtsarchäologie, 1943;
Garnier, F., Le langage de l’image, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992;
Kresse, D./Feldmann, G., Handbuch der Gesten, 1999
Gebäude ist das von
Menschen geschaffene Bauwerk. Es ist im älteren deutschen Recht Fahrnis und
kann daher einen anderen Eigentümer haben als das Grundstück, auf dem es
errichtet ist. Mit der Aufnahme des römischen, auch besondere Gebäudeservituten
kennenden Rechts seit dem Spätmittelalter wird es mehr und mehr als
wesentlicher Bestandteil des Grundstücks angesehen. Seit dem 17. Jh. wirkt sich
das → Baurecht immer stärker auf die Errichtung von Gebäuden aus.
Lit.: Hübner 188f.
Gebietsgemeinde ist die auf ein (größeres) Gebiet bezogene Gemeinde (z. B. österreichisches
provisorisches Gemeindegesetz vom 17. 3. 1849, später wieder aufgegeben).
Geblütsrecht ist das auf Grund der Verwandtschaft bestehende Recht oder Anrecht auf einen Gegenstand. In Bezug auf das deutsche Königtum kann sich ein G. gegenüber dem Wahlgrundsatz nicht entscheidend durchsetzen. Dagegen steigert sich in den Ländern das G. sogar zum Erbrecht (Erbmonarchie).
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck
1965, 1981, 28; Rörig, F., Geblütsrecht und freie Wahl, Abh. d. Akad. d. Wiss.
Berlin, 1948
Gebot ist die
hoheitliche Anordnung eines bestimmten Verhaltens (, im Zivilverfahrensrecht
im Rahmen der Zwangsvollstreckung das Angebot zu einem öffentlichrechtlichen
Vertrag). Das G. findet sich, wo immer Hoheitsgewalt besteht. Seine besondere
Bedeutung zeigt sich bei der Entstehung des → Staates.
Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im
Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Gebotenes Ding ist
das durch einzelnes → Gebot besonders festgesetzte → Ding.
Gebotsgewalt ist die Gewalt zum Erlass von
Geboten.
Gebrauch
(lat.) usus (M.)
Gebrauchsmuster ist die Gestaltung einer Arbeitsgerätschaft oder eines Gebrauchsgegenstandes oder eines Teiles davon, die dem Arbeitszweck oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen soll. In Deutschland wird 1876 bzw. 1891 das erste Gebrauchsmustergesetz erlassen.
Lit.: Müller, E., Die Entwicklung des Erfindungsschutzes,
1898
Gebühr ist die
Geldleistung, die als Gegenleistung für eine besondere, vom Einzelnen
veranlasste Inanspruchnahme der Verwaltung verlangt wird. Sie ist als (lat.
[F.]) sportula bereits dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter entwickeln
die Landesherren aus den auf sie übergegangenen Regalien Einnahmequellen. Auch
die Kirche verlangt für bestimmte Handlungen Gegenleistungen, selbst für den
besonderen Sündenerlass. Eine eindeutige Trennung zwischen G. und Steuer
vollzieht erst das späte 19. Jh. (Preußen Landgemeindeordnung vom 3. 7. 1891,
Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 36 II 4; Moll, W., Über
Gebühren, 1916; Domschke, M., Der Gebührenbegriff, 1928; Waitz, H., Die
Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939
Geburt ist der
Vorgang, durch den die Leibesfrucht des Menschen (oder eines höheren Tieres)
aus dem mütterlichen Körper an die Außenwelt gelangt. Nach dem römischen Recht
wird zwar das noch ungeborene Kind (lat. → nasciturus) für die Erbfolge
nach seinem Vater als bereits geboren fingiert, doch beginnt im Übrigen erst
mit der G. die → Rechtsfähigkeit. Nach mittelalterlichem und vermutlich
germanischem Recht muss das Kind nach der G. vom Vater bzw. der Familie besonders
aufgenommen werden. Verschiedentlich wird auch eine gewisse Lebenskraft als
Voraussetzung für einen Rechtserwerb verlangt. Für die christliche Kirche wird
der Mensch erst durch die Taufe zur Person.
Lit.: Kaser § 13 II; Hübner § 6; Köbler, DRG 75, 120, 129;
Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche Vermögensrecht,
ZRG GA 16 (1895), 63; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 248,
253; Labouvie, E., Andere Umstände, 2. A. 2000; Uebe, A., Die rechtliche
Situation der Hebammen in der Geburtshilfe, 2000; Drescher, T., Beginn des
Menschseins, 2004
Geburtenregister ist
das durch das Konzil von Trient (1545-63) in der Kirche vorgesehene, die →
Geburten festhaltende Verzeichnis. Es geht am Ende des 19. Jh.s auf den Staat
über (→ Personenstandsgesetz).
Geburtsstand ist im
römischen und mittelalterlichen Recht der durch die → Geburt erworbene
Stand (z. B. Adliger, Freier, Unfreier, Sklave).
Gedanken sind frei.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 123 (Franck 1541)
Gedinge ist im
mittelalterlichen Recht die Vereinbarung oder auch die Verhandlung. In
Frankreich und England wird im 12. Jh. der Vereinbarung der Vorrang vor dem
allgemeinen Recht gewährt, in Deutschland anscheinend im 14. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Stölzel, A., Geding,
Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, Abschied und Urteil, 1912; Hagemann, H.,
Gedinge bricht Landrecht, ZRG 87 (1970), 114
Gefahr ist die
Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens. Grundsätzlich muss jeder
Mensch sich selbst vor Schäden schützen, weshalb im römischen Recht der
Grundsatz gilt (lat.) casum sentit dominus (den Fall spürt der Herr). Vor der
G. des Verfahrensverlustes durch Verfahrensfehler soll im hochmittelalterlichen
Recht der → Fürsprech schützen. Beim Kauf teilt das römische Recht die G.
(lat. [N.] periculum) des zufälligen Untergangs der Kaufsache zwischen
Kaufvertragsabschluss und Vertragserfüllung grundsätzlich dem Käufer zu, der
den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er die Kaufsache nicht erhält (periculum est
emptoris).
Lit.: Kaser §§ 34, 41, 42, 62; Siegel, H., Die Gefahr vor
Gericht und im Rechtsgang, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 51, 1866; Mitteis, H.,
Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag, 1913; Ernst, W., Das
klassische römische Recht der Gefahrtragung, Diss. jur. Bonn 1981; Bauer, M.,
Periculum emptoris, 1998; Pennitz, M., Das periculum rei venditae, 2000;
Müller, C., Gefahrtragung bei der locatio conductio, 2002
Gefährdungshaftung (Rümelin
1896) ist das einseitig verpflichtende
gesetzliche Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Schaden zu ersetzen ist, der
durch eine erlaubte, abstrakt gefährliche Betätigung oder Anlage entsteht. Die
G. ist eine Art der Erfolgshaftung. Sie entsteht als G. in der Zeit, in der
sich auf der Grundlage des Liberalismus der Verschuldensgrundsatz des
Schadensersatzrechts durchsetzt. Beispielhaft verwirklicht wird die G. durch
den von Friedrich Carl von Savigny mittels eines schriftlichen Votums fördernd
beeinflussten § 25 des preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. 11. 1838. Mit der
sozialversicherungsrechtli
chen Lösung der Haftung bei Arbeitsunfall durch pauschale Versicherungsbeiträge
des Arbeitgebers schwindet das Bedürfnis nach einer allgemeinen Regelung der G.
Diese wird Einzelgesetzen überlassen (1871 Reichshaftpflichtgesetz, 1900
Wildschaden, Tierhaltung [im BGB, 30. 5. 1908 gemildert], 1909 Automobilgesetz,
1. 8. 1922 Luftfahrzeuge, 29. 4. 1940 Sachschäden durch Eisenbahn und
Straßenbahn, 15. 8. 1943 Energieanlagen, 1957 Wasserhaushaltsgesetz, 1959
Stromgesetz, 1990 Produkthaftungsgesetz, 1991 Umwelthaftungsgesetz, 2007
Umweltschadensgesetz). In der Regel ist der Umfang der Haftung summenmäßig
beschränkt. Ausgeschlossen ist die G. meist bei höherer Gewalt oder Verschulden
des Geschädigten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216, 242; Ogorek,
R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Baums, T., Die
Einführung der Gefährdungshaftung durch F. C. von Savigny, ZRG GA 104 (1987),
277; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002; Bürge, A., Die Entstehung
und Begründung der Gefährdungshaftung im 19. Jahrhundert, FS Canaris 2007
Gefahrenabwehr → Gefahr, → Polizei
Gefahrgeneigte Tätigkeit
ist im 20. Jh. in Deutschland die Tätigkeit eines Arbeitnehmers, die mit einer
gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden des Arbeitnehmers, Arbeitgebers
oder eines Dritten führt, für die der Schädigende aus sozialen Gründen nicht
nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen einstehen soll, so dass der
Arbeitgeber ohne Verschulden einstehen muss. 1995 dehnt das
Bundesarbeitsgericht diese Risikoverteilung auf alle Arbeitsverhältnisse aus,
so dass die g. T. als solche überflüssig wird.
Lit.: Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische
Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Ehrenberg, S., Die
rechtshistorischen Wurzeln des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung, 1998
Gefahrtragung → Gefahr
Gefälle sind im
mittelalterlichen deutschen Recht Abgaben und Einkünfte.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gefangenenbefreiung
Lit.:
Hofmann, H., Die Gefangenenbefreiung, 1903
Gefängnis ist das für einen meist hoheitlich angeordneten Freiheitsentzug eines Menschen verwendete Gebäude. Im Gegensatz zu dem deutlich älteren Freiheitsentzug durch Kriegsgefangenschaft oder zur Untersuchung wird der auch in Rom unbekannte Freiheitsentzug als Strafe erst seit der Zeit zwischen 1250 und dem 15. Jh. bedeutsamer (z. B. Venedig, Florenz, Bologna, Siena). Das G. dieser Zeit ist einfach und zumindest teilweise unmenschlich, wogegen sich erstmals John Howard ([engl.] State of prisons in England and Wales, 1777, Der Zustand der Gefängnisse in England und Wales) wendet. Mit dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) wird die Freiheitsstrafe wichtigste Strafe. Am 7. 6. 1923 vereinbaren die Länder des Deutschen Reiches Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen. Einzelne Ansätze zu einer beschränkten Gefangenenmitverantwortung verdichten sich nur allmählich. 1969 wird das G. verbal beseitigt (Justizvollzugsanstalt).
Lit.: Köbler, DRG 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus-
und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd.
1f. 1922ff.; Hippel, R. v., Deutsches Strafrecht, Bd. 1 1925; Appenzeller, G.,
Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Blesken, H., Ältere
deutsche Gefängnisnamen, ZRG GA 80 (1963), 357; Foucault, M., Überwachen und
Strafen, 1976; Lawn, E., Gefangenschaft, 1977; Zwicky, J., Das Gefängniswesen
zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; The Oxford History of the
Prison, ed. by Morris, N., 1996; Schildt, B., Tumult und Aufruhr in Bernburg,
(in) Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998, 53; Krause, J., Gefängnisse
im römischen Reich, 1996; Nutz, T., Strafanstalt als Besserungsmaschine, 2001;
Dunbabin, J., Captivity and Imprisonment in Medieval Europe 1000-1300, 2002;
Gefängnis und Gesellschaft, hg. v. Ammerer, G., 2003; Schäfer, J.,
Nicht-monetäre Entlohnung von Gefangenenarbeit, 2006; Ohlemann, K., Historische
Entwicklung der Gefangenenmitverantwortung, 2007; Bretschneider, F., Gefangene
Gesellschaft, 2008; Ohlemann, K., Historische Entwicklung der
Gefangenmitverantwortung in den deutschen Gefängnissen, 2007; Rosenblum, W.,
Beyond the Prison Gates, 2008: Geltner, G., The Medieval Prison, 2008; Maes,
E., Van gevangenisstraf naar vrijheidsstraf, 2009
Gefolgschaft (19. Jh.) ist im
germanischen Recht möglicherweise die Gruppe (lat. [M.] comitatus, Begleitung)
um einen Adligen gescharter junger Krieger. Die Verbindung zu jüngeren
Erscheinungen (z. B. Vasallität) ist ungesichert.
Lit.: Brunner, H., Zur Geschichte des fränkischen
Gefolgswesens, ZRG GA 9 (1888), 210; Seeck, O., Das deutsche Gefolgswesen auf
römischem Boden, ZRG GA 17 (1896), 97; Bretschneider, G., Die altnordische
Gefolgschaft, Diss. jur. Bonn 1950; Schlesinger, W., Herrschaft und
Gefolgschaft in der deutschen Verfassungsgeschichte, HZ 176 (1953), 225; Kuhn,
H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 77 (1960), 1; Kroeschell,
K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Olberg, G. v., Freie,
Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Kristensen, A., Tacitus’ germanische
Gefolgschaft, 1983; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen
deutschen Recht, 1995, 183
Gegen den Lügner gibt es keine Redlichkeit. → Lüge
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Graf/Dietherr 1864)
Gegenreformation ist
die mit Hilfe staatlicher Gewalt ausgeführte Gegenbewegung der katholischen
Kirche gegen die kirchliche Reformation Martin → Luthers (1517) zwischen
1555 und 1648 bzw. die gewaltsame Rekatholisierung protestantisch gewordener
Gebiete hauptsächlich durch Jesuiten. Sie beruht gedanklich auf dem im
Augsburger Religionsfrieden gesicherten Grundsatz (lat.) → cuius regio,
eius religio. Sie wirkt sich deutlich in Bayern, Fulda, Würzburg, Österreich
(Böhmen), Oberpfalz und Kurpfalz aus, bis der Friede von Münster und Osnabrück
1648 den Untertanen den Bekenntnisstand des Jahres 1624 gewährt. In Spanien,
Italien und Frankreich, Ungarn, Polen und dem Baltikum ist die dem Abolutismus
verbundene G. ebenfalls erfolgreich, in England, den Niederlanden und
Skandinavien scheitert sie.
Lit.: Köbler, DRG 130; Brandi, K., Gegenreformation und
Religionskriege, 2. A. 1941; Zeeden, E., Das Zeitalter der Gegenreformation,
1967; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 4. A. 1997; Herzig, A., Der
Zwang zum rechten Glauben, 2000; Pörtner, R., The Counter-Reformation in
Central Europe, 2001; Lotterer, J., Gegenreformation als Kampf um die
Landesherrschaft, 2003; Deventer, J., Gegenreformation in Schlesien, 2003;
Weiß, D., Katholische Reform und Gegenreformation, 2005
Gegenzeichnung ist
die Unterschrift eines zweiten Menschen nach der Unterschrift eines zu einer
Handlung in erster Linie zuständigen Menschen. Sie wird seit dem 19. Jh. als G.
eines Ministers (Preußen 1808) zur Einschränkung der Rechte des Monarchen
verwendet.
Lit.: Köbler, DRG 193, 194; Schulz, A., Die Gegenzeichnung,
1978; Weber, C., Das Gegenzeichnungsrecht, 1997
Gehalt ist die
alimentierende Vergütung des → Beamten.
gehegtes Ding → Hegung,
Ding
Geheimer Rat ist die Gesamtheit
der den Fürsten nichtöffentlich beratenden Personen. Der geheime Rat entsteht
zu Beginn der frühen Neuzeit in Frankreich und Burgund (1604). Er berät oder
entscheidet in den wichtigsten Angelegenheiten (mit anderen Behörden). Er wird
im 19. Jh. durch das Ministerium verdrängt. Der Titel Geheimer Rat wird 1919
beseitigt.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
19. A. 1992, §§ 35, 41; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den
ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Matthias, E., Zwischen Räten und
Geheimräten, 1970
geheimer Vorbehalt →
Mentalreservation
geheime Staatspolizei →
Gestapo
Lit.: Heuer, H., Geheime Staatspolizei,
1995
Gehilfenhaftung ist
die Haftung eines Herrn für einen Gehilfen. Sie findet sich schon im römischen
Recht ([lat.] → noxae datio [F.]). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
wird zwischen → Erfüllungsgehilfen des rechtsgeschäftlichen Bereiches und
→ Verrichtungsgehilfen des außerrechtsgeschäftlichen Bereiches
unterschieden.
Lit.: Köbler, DRG 27, 214; Seiler, Die deliktische
Gehilfenhaftung, JZ 1967, 525; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des
Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000
Geisel ist der in
Gewahrsam genommene Mensch, der mit Freiheit oder Leben für die Erfüllung
bestimmter Pflichten (oder das Erreichen eines sonstigen Zieles) haftet. Das
vereinbarte Stellen und das einseitige Nehmen einer G. sind sehr alt. Sie
finden sich sowohl unter Völkern wie auch unter Einzelnen. Der bzw. die G. darf
anfangs bei Nichterfüllung getötet oder verknechtet werden. Im Privatrecht
endet das Tötungsrecht bereits früh und wird das Stellen oder Nehmen von
Geiseln schon im frühen Mittelalter durch andere Sicherungsmittel ersetzt. Im
Völkerrecht schließt das Genfer Abkommen zum Schutz der Kriegsopfer von 1949
die Geiselnahme aus.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 74, 128; Köbler, WAS; Lechner,
A., Das Obstagium oder die Geiselschaft nach schweizerischen Quellen, 1906;
Gierke, O., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, 50, 127;
Lutteroth, A., Der Geisel im Rechtsleben, 1922; Ogris, W., Die persönlichen
Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Allen, J., Hostages and
Hostage-Taking in the Roman Empire, 2006
Geisteskranker ist
der an einer erheblichen Störung der Geistestätigkeit leidende Mensch. Er ist
als (lat. [M.]) → furiosus im römischen Recht ohne weiteres
geschäftsunfähig und deliktsunfähig und erhält einen (lat.) curator (M.,
Pfleger).. Auch das mittelalterliche deutsche Recht schließt den Geisteskranken
vom Handeln im Rechtsverkehr aus. Am Ende des Spätmittelalters wird das
römische Recht aufgenommen. Der Geisteskranke kann durch → Entmündigung
unter Vormundschaft gestellt werden. Zum 1. 1. 1992 wird in Deutschland die
Entmündigung durch die → Betreuung ersetzt.
Lit.: Kaser § 14 IV; Hübner; Köbler, DRG 36; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. III 6; Selesnick, S.,
Geschichte der Psychiatrie, 1969; Jetter, D., Grundzüge der Geschichte des
Irrenhauses, 1981; Kuban, S., Das Recht der Verwahrung und Unterbringung,
1997; Platen-Hallermund, A., Die Tötung Geisteskranker, 3. unv. A. 1998;
Dettling, A., Von Irren und Blödsinnigen, 2008
geistiges Eigentum
→ Urheberrecht
Lit.: Wadle, E., Das geistige Eigentum in der
Reichsverfassung, (in) Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, 929; Wadle, E., Geistiges
Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Löhnig, M., Der Schutz des geistigen Eigentums von
Autoren im preußischen Landrecht von 1794, ZNR 2007, 197ff.; Grundlagen und
Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, L. u. a., 2008
Geistliche Bank ist
die Gesamtheit der geistlichen Fürsten eines Verfassungsgremiums
(insbesondere des Reichstages des Heiligen römischen Reiches [deutscher
Nation]). 1792 umfasst die g. B. dort 35 Virilstimmen und 2 Kuriatstimmen der
schwäbischen und rheinischen Prälatenbank mit zusammen zuletzt etwa 40
Mitgliedern.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat von
1495-1654, 1882; Conrad, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 1966, 97
Geistlicher ist der
Inhaber eines höheren kirchlichen Amtes der anerkannten öffentlichrechtlichen
Religionsgemeinschaften (z. B. Priester). Er wird schon im Altertum vom Laien
durch besonderes Recht geschieden. Infolge seiner Schriftkundigkeit ist er
seinen Mitmenschen auch im Mittelalter überlegen. Zahlreiche Rechtsvorschriften
gewähren ihm besonderen Schutz.
Lit.: Köbler, DRG 99; Prochnow, F., Das Spolienrecht und
die Testierfreiheit der Geistlichen, 1919, Neudruck 1965; Reinhard, U.,
Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Geistlicher Fürst
ist der Landesherr (→ Fürst) des Heiligen römischen Reiches (deutscher
Nation), dem seine Landesherrschaft auf Grund seines geistlichen Amtes
zusteht (z. B. Erzbischof von Mainz). Am Beginn des 19. Jh.s umfassen die
weltlichen Herrschaftsgebiete der (66) geistlichen Fürsten des Heiligen
römischen Reichs rund 95000 Quadratkilometer mit mehr als drei Millionen
Einwohnern.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geistliche Staaten in
Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, hg. v. Wüst, W., 2003
Geistlicher Vorbehalt
(lat. reservatum [N.] ecclesiasticum) ist der für den Fall eines Übertrittes
eines Inhabers eines geistlichen Amtes vom katholischen Glauben zum
protestantischen Glauben im Augsburger Religionsfrieden (1555) festgelegte
Vorbehalt gegenüber dem Grundsatz (lat.) cuius regio, eius religio, dass der
Inhaber des geistlichen Amtes zwar seine persönliche Rechtsstellung behält,
aber sein geistliches Amt und die damit verbundenen Rechte aufgeben muss und
das für die Besetzung der Stelle zuständige Gremium einen katholischen
Nachfolger wählen kann. 1648 wird eine Garantie des Besitzstandes vom 1. 1.
1624 vereinbart.
Lit.: Brandi, K., Reformation und Gegenreformation, 1927
Geistliches Recht
(lat. ius [N.] canonicum) ist das die christliche(n) Kirche(n) betreffende, im
Gegensatz zum weltlichen Recht (lat. ius [N.] civile) stehende Recht. →
Kirchenrecht
Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Geld ist das (von
einem Staat oder einer durch ihn ermächtigten Stelle beglaubigte,) zum Umlauf
in der Öffentlichkeit bestimmte Zahlungsmittel. Im altrömischen Recht ist
Tauschmittel anfangs das Vieh (lat. [N.] pecus → lat. pecunia [F.] G.). Dann wird Rohkupfer zuerst gewichtsmäßig gehandelt und im
4. Jh. v. Chr. nach kleinasiatischem Vorbild (7. Jh., Griechenland 6. Jh. v.
Chr.) in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr.
werden Münzen von 330 g (lat. libra [F.] Pfund) geschaffen, denen später Silbermünzen
(187 v. Chr. Silberdenar mit 10 As von 4,55 g Gewicht), seit Caesar († 44 v.
Chr.) Goldmünzen (lat. [M.Pl.] aurei) folgen. Die Germanen kennen zwar römische
Münzen, verwenden sie aber nicht als G. Im Frühmittelalter sind Pfennig,
Schilling und Pfund hauptsächlich Rechnungseinheiten, wenn auch in
karolingischer Zeit ein königlicher Silberdenar geprägt wird. Als Grabbeigaben
aufgefundene Feinwaagen deuten darauf hin, dass auch bei Münzen das Gewicht des
Metalls noch entscheidend ist. Im Hochmittelalter bewirkt das als einfachstes
Tauschmittel anerkannte und damit als Zahlungsmittel wieder vorherrschende G.
die Umwandlung der Naturalwirtschaft in die Geldwirtschaft. Seit der frühen
Neuzeit (18. Jh.) tritt zum Metallgeld (Münze) das Papiergeld hinzu, seit der
Mitte des 19. Jh.s zum Hartgeld und Zeichengeld das durch Guthaben bei einer
Kontostelle gebildete unkörperliche Buchgeld (Giralgeld), seit dem Ende des 20.
Jh.s das elektronisch gespeicherte Guthaben (Plastikgeld, Netzgeld). Für
Münzen und Geldscheine gilt im Wesentlichen das Recht der Sachen. Ungelöst ist
die Problematik der Geldentwertung (Inflation), die aus dem Ungleichgewicht
zwischen Geldmenge und Gütermenge erwächst.
Lit.: Kaser §§ 26 III, 32 II; Hübner; Köbler, DRG 96, 97,
119; Köbler, WAS; Taeubner, W., Geld und Kredit im Mittelalter, 1933; Mickwitz,
G., Die Systeme des römischen Silbergeldes im 4. Jahrhundert nach Christus,
1933; Laurent, H., La loi de Gresham au moyen âge, 1933; Gaettens, R., Das
Geld- und Münzwesen der Abtei Fulda, 1957; Völlmy, H., Zur Geschichte des
schweizerischen Papiergeldes, Diss. staatswiss. Basel 1966; Nau, E., Epochen
der Geldgeschichte, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914,
1975; Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19.
Jahrhunderts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 5
1980, 27; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; La repubblica
internazionale del denaro tra 15 e 16 secolo, hg. v. Maddalena, A. de u. a.,
1986; Spufford, P., Money, 2. A. 1989; North, M., Das Geld, 1994; Duncan-Jones,
R., Money and Government, 1994; Howgego, C., Geld in der antiken Welt, 2000;
Sprenger, B., Das Geld der Deutschen, 3. A. 2001; Ott, K., Geld und
Geldwerttheorien, 1998; Weatherford, J., Eine kurze Geschichte des Geldes,
1999; Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Geld im
Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K. u. a., 2005; Gray, R., Money Matters, 2008;
Brodbeck, K., Die Herrschaft des Geldes, 2009
Geldern
Lit.: Jappe Alberts, W.,
De Staten van Gelre en Zutphen, 1950; Geldersche Wyssenissen van het
Hoofdgerecht te Roermond, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1953; Reichsarchiv der
Provinz Gelderland in Arnheim, bearb. v. Vollmer, B., 1957; Nikolay, W., Die
Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13.
und 14. Jahrhunderts, 1985; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008
Geldkondemnation (lat. condemnatio [F.] pecuniaria) ist im klassischen römischen Recht die (notwendige) Verurteilung des Schuldners auf den Schätzwert (lat. quanti ea res erit, was die Sache wert ist) einer streitigen bestimmten Sache im → Formularverfahren. Sie soll es auch einem Dritten gestatten, den Beklagten auszulösen. Sie tritt im → Kognitionsverfahren zurück.
Lit.: Kaser § 35 I 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 34, 42
Geldschuld ist die
in Geld zu erfüllende Schuld. Die G. wird schon im römischen Recht als
Gattungsschuld angesehen. Mit Ausweitung der Geldwirtschaft wird sie immer
häufiger.
Lit.: Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der
Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, (in) Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H., Bd. 2 1977, 74ff.; Ahrens, M., Der mittellose Geldschuldner,
1994
Geldstrafe ist die
auf Geldleistung an den Staat lautende → Strafe. Vielleicht aus dem
plebejischen Bereich stammend, ist sie bereits dem späteren altrömischen Recht
bekannt. Im Frühmittelalter herrscht die davon zu unterscheidende, in Geld nur
berechnete Buße des → Kompositionensystems vor, von der nur ein Teil
(lat. [M.]→ fredus) an die Allgemeinheit fällt. Die hochmittelalterlichen
und spätmittelalterlichen peinlichen Strafen sind in Geld nur ablösbar. In der
frühen Neuzeit schließt zwar die Constitutio Criminalis Carolina (1532) die G.
aus, doch sehen die Reichspolizeiordnung von 1530, Landesordnungen und
Stadtrechte in vielen Fällen G. vor. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794)
droht G. bei Münzdelikten, Bestechung, Wucher, Fälschung und Betrügerei an. Das
preußische Strafgesetzbuch (1851) und das Reichsstrafgesetzbuch (1871) dehnen
die G. aus. Die Strafrechtsreformen (9. 4. 1923, 1969, 1975) des 20. Jh.s
verstärken diese Entwicklung. Dabei wird nach skandinavischem Vorbild die Höhe
der G. von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters abhängig (sog.
Tagessätze).
Lit.:Köbler,
DRG 20, 119, 158, 205, 236; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe im späten Mittelalter, FS
A. Erler 1977, 273; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des
Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993
Geldwäsche ist der
Umtausch des aus rechtswidrigem Verhalten erlangten Geldes ist nicht erkennbar
rechtswidrig erlangtes Geld (in Deutschland seit 1992 strafbar).
Lit.: Remmers, B., Die Entwicklung der Gesetzgebung zur
Geldwäsche, 1998
Geldwirtschaft ist
die auf den Gebrauch von → Geld als Zahlungsmittel aufbauende Wirtschaft
(z. B. seit dem Hochmittelalter). Die G. verdrängt die Naturalwirtschaft.
Lit.: Köbler, DRG 29, 96, 97; Dopsch, A., Naturalwirtschaft
und Geldwirtschaft, 1930
Gelegenheit macht Diebe.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716)
Gelehrter Richter ist
der durch universitäre Ausbildung gekennzeichnete Richter. Der gelehrte Richter
erscheint im 13. Jh. im kirchlichen Gericht (als → Offizial). Im königlichen
Kammergericht des Reiches begegnen Doktoren der Rechte seit dem Beginn des 15.
Jh.s. Im Reichskammergericht muss 1495 die Hälfte der Beisitzer gelehrt sein.
Erst später wird es üblich, dass der Richter als der Vorsitzende gelehrt ist.
Im Übrigen sind die Mitglieder der Gerichte bis in das 18. Jh. vielfach Laien.
Im 18. Jh. werden die Assessorstellen der Obergerichte mit nach besonderen
Vorschriften geprüften Juristen besetzt.
Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten
Richtertums in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von
Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Gelehrte im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996;
Verger, J., Le gens de savoir, 1997
Gelehrtes Recht
ist das an der Universität durch Lehre vermittelte Recht. G. R. ist demnach das
römische (weltliche) Recht und das kirchliche (geistliche) Recht. Dem gelehrten
Recht steht das einheimische Recht der einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In
den Rechtsquellen der Neuzeit werden g. R. und einheimisches Recht in
vielfältiger Weise zu neuen Einheiten verknüpft (→ Reformation, →
Kodifikation).
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in
Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher
Gerichte, 1974; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12.
Jahrhundert, 1974; Nörr, K., Zum institutionellen Rahmen der gelehrten Rechte
im 12. Jahrhundert, FS H. Coing 1982, 233; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des
gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme 1986, 43
Geleit ist die
Begleitung und meist auch sichere Führung eines Reisenden (oder einer Sache
durch Bewaffnete gegen Entgelt, lat. [M.] conductus). Das G. zu gewähren ist im
Mittelalter ein bedeutsames, Einkünfte und Gewalt vermittelndes Recht, das
vom König auf den Landesherrn übergeht (Regal, Westfalen 1180). Freies G. ist
das Recht auf ungehinderte Hinreise und Rückreise.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Fiesel, L.,
Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41 (1920), 1; Wilhelm,
R., Das Zollgeleit in der Grafschaft und im Herzogtum Württemberg, Diss. jur.
Tübingen 1957; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1976; Müller, U., Das Geleit,
1991
Gelnhausen ist der
1133 erstmals bezeugte Ort im unteren Kinzigtal, in dessen Pfalz 1180 das
Verfahren gegen Herzog → Heinrich den Löwen stattfindet, in dem er nach
Landrecht in Acht getan und nach Lehnrecht seiner Herzogtümer → Sachsen
und → Bayern verlustig erklärt wird, so dass die Herzogtümer in →
Länder aufgeteilt werden können. → Konrad von G.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Güterbock, F., Die
Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Der Reichstag von
Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und Handwerksurkunden der freien
Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996; Zieg, M., Gelnhäuser
Regesten, 2008
Gelöbnis ist die
Erklärung, mit der jemand zustimmt (z. B. → Erbenlaub) oder verspricht.
Das G. erscheint bereits im Frühmittelalter (z. B. Urteilserfüllungsgelöbnis).
Die Folgen des Bruches des Gelöbnisses hängen von verschiedenen Umständen ab
und reichen von der Leistungsklae über die Schadensersatzklage, die Buße und
die Geldstrafe bis zur → Strafe an Leib und Leben.
Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15; Puntschart, P.,
Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910;
Reincke, H., Die Bedeutung der Gelöbnisgebärde, ZRG GA 40 (1919), 280; His, R.,
Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41 (1920), 386; Strätz, H.,
Treu und Glauben, 1974
Geltung ist die
Anwendbarkeit und die Anwendung. Ein Rechtssatz gilt rechtsdogmatisch, wenn
eine entsprechende Sollensanforderung besteht. Er gilt rechtssoziologisch,
wenn er tatsächlich angewendet wird.
Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente
im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der Geltungsgrund des
römischen Rechts im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819;
Nehlsen, H., Aktualität und Effektivität der ältesten germanischen
Rechtsaufzeichnungen, (in) Vorträge und Forschungen 23 1977, 449; Wagner, W.,
Geltungsbereiche ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich, Ius commune
14 (1987), 203; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts
in den altösterreichischen Ländern, 1989
Gemara (F.) → Mischna
Gemeinde ist die
einfache unmittelbare kommunale (,dem Staat eingegliederte) Gebietskörperschaft
mit (vom Staat abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbstverwaltung universal
überlassener örtlicher Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener Aufgaben.
Als solche Gemeinden sind im Altertum außer Rom (und anderen Stadtstaaten) die
Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser Gemeindeordnungen erlassen (z.
B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im deutschen Reich erscheint die G. (Stadt,
Dorf) seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.). In der frühen Neuzeit verliert
sie ihre älteren Rechte durch (vereinheitlichende) Maßnahmen des absoluten
Staates (und der Grundherrschaft). Im 19. Jh. erhält die G. → Selbstverwaltung
(Preußen 19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert, Bayern 1818/1839,
Württemberg 1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832, Kurhessen 1834,
Braunschweig 1834, Hannover 1851, Westfalen 1841 Landgemeindeordnung,
Rheinprovinz 1845 Gemeindeordnung, Preußen 30. 9. 1853 Städteordnung, Bayern
1869 Gemeindeordnung, Preußen 1872 Kreisordnung, 1875 Provinzialordnung, 3.
7. 1891 Landgemeindeordnung [, Österreich 4. 3. 1849 provisorisches
Gemeindegesetz, 5. 3. 1862 Reichsgemeindegesetz], Neuregelung Art. 115-120
B-VG 12. 7. 1962). Vorübergehend beseitigen das Dritte Reich, in dem sich
anscheinend die Gemeinden den Zielen des Nationalsozialismus zumindest
teilweise öffnen, und die Deutsche Demokratische Republik die in Art. 127, 17
II WRV (und 28 GG) verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltung. Insgesamt
bleibt die G. aber in durch Verwaltungsreformen vergrößertem Umfang bestehen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG 197;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Schrötter, R., Die
rechtliche Natur der sogenannten Gemeindenutzungen in Bayern, 1934; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Heider, J., Von der Gemain zur politischen Gemeinde, Schwäbische Blätter für
Heimatkunde 9 (1958), 70; Siegrist, J., Die Gemeinde Unterkulm, 1957; Die
Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964;
Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v.
Volkert, W., 1983; Ogris, W., Die Entwicklung des österreichischen
Gemeinderechts im 19. Jahrhundert, (in) Die Städte Mitteleuropas, hg. v.
Rausch, W., 1983, 83; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im
Nidwalden des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die Integration
der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H., Die
bäuerlichen Gemeinden in Deutschland, 2. A. 1986; Ennen, E., Die europäische
Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Goetz, H., Gottesfriede und
Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v.
Blickle, P., 1991; Schachner-Blazizek, A., Gemeinderecht und
Gemeindeverwaltung, 1995, Gemeinde und Staat im alten Europa, hg. v. Blickle,
P., 1997; Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in mittelalterlichen
Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A., 1998; Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a.
2001; Gotto, B., Nationalsozialistische Kommunalpolitik, 2006; Die Gemeinde -
FS Heiko Faber, hg. v. Frank, F. u. a., 2007;
Gemeinderecht ist
die Gesamtheit der die → Gemeinde betreffenden Rechtssätze. Im römischen
Altertum erhalten die einzelnen Gemeinden in Italien zunächst eine ziemlich
verschiedene Stellung als (lat.) oppidum (N.), colonia (F.) oder municipium
(N.) mit teils eigener, teils römischer Verwaltung, bis vermutlich unter Caesar
eine in Magistrate, Senat (lat. ordo [M.] decurionum, Gemeinderat) und
Volksversammlung gegliederte, einheitliche Kommunalverfassung eingerichtet
wird ([lat.] lex [F.] Iulia municipalis, julisches Stadtgesetz). Im deutschen
Reich ist das G. unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen werden erst
im 19. Jh. geschaffen. 1935 wird eine einheitliche Deutsche Gemeindeordnung
erlassen. Nach 1945 ist das G. wieder Landesrecht, so dass es sich von Land zu
Land unterscheidet.
Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Haase, C., Die
oldenburgische Gemeindeordnung von 1855, Oldenburger Jahrbuch 55 (1955), 1;
Oberndorfer, P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus,
W., Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975;
Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.;
Low, P., Kommunalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeindeordnungen,
hg. v. Knemeyer, F., 1994
Gemeinderschaft ist
die aus der (von Brüdern gebildeten) Erbengemeinschaft der bäuerlichen
Miterben entwickelte gesamthänderische Personenvereinigung des deutschen
mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechts (z. B. Ganerbschaft). Sie wird
später weitgehend durch den Teilungsgrundsatz einerseits und durch das
Anerbenrecht andererseits verdrängt.
Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft der
Schweiz, 1897
Gemeiner Pfennig ist die am 7.
8. 1495 im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) (im Rückstand gegenüber
der weiter fortgeschrittenen Steuergesetzgebung der Nachbarländer, besonders
Frankreichs) für vier Jahre eingeführte Abgabe (versuchte Kopfsteuer für die
gesamte Bevölkerung). Der gemeine Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24 Gulden,
½ Gulden und 1 Gulden festgesetzt. Er wird nur teilweise eingesammelt und nur
teilweise an die sieben dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der gemeine Pfennig
auf dem Reichstage von Worms, 1877; Schmidt, P., Der gemeine Pfennig von 1495,
1989
Gemeines deutsches Privatrecht
ist das dem gemeinen (römischen Privat-)Recht seit dem 17. Jh. (Conring,
Thomasius, Beyer) gegenübergestellte Privatrecht deutschrechtlicher Herkunft (→
deutsches Privatrecht). Mit der Schaffung des deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuches (1896/1900) verliert es seine unmittelbare Geltung.
Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Borrmann, K., Gemeines
deutsches Privatrecht bei Carl Joseph Anton Mittermaier, 2009
Gemeines Recht ist das allgemeine
Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht. Schon im römischen Recht ist eine
derartige Gegenüberstellung eines (lat.) ius (N.) commune und mehrerer
besonderer Rechte etwa der römischen Bürger oder eines räumlich bzw. ständisch
bzw. personal abgegrenzten Bereichs bekannt. Sie findet sich vereinzelt auch im
frühen Mittelalter, häufiger seit dem Hochmittelalter. Als g. R. kann dabei das
römische Recht, das kirchliche Recht, das römische und kirchliche Recht oder
auch ein sonstiges allgemeines Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht
(einschließlich eines Privilegs) bezeichnet werden. Im Verhältnis beider
entwickeln die Juristen der oberitalienischen Städte im Hochmittelalter den
Vorrang des eigenen besonderen Stadtrechts (Statutes) vor dem gemeinen Recht.
Dem folgt § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495, der wohl die redlichen
ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der Fürstentümer,
Herrschaften und Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen
sie redlich, ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d. h. nachgewiesen
werden. Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat
im 17. Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechts die Vermutung der
Anwendbarkeit für sich. Im 18. Jh. wird das gemeine Recht durch die von ihm
mitgeprägten Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückgedrängt. Mit dem Inkrafttreten
des → deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1. 1. 1900) endet für 16,5
Millionen Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg,
Mecklenburg, Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein usw. (insgesamt in 93
verschiedenen Gebieten) die unmittelbare Geltung des gemeinen Rechts in
Deutschland. → Allgemeines deutsches Recht, → common law
Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184;
Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bellomo, M., L’Europa
del diritto comune, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen
Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Gemeines
Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, hg. v. Müller-Graf, 1993;
Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A.
2005; Nève, P., (Europäisches) ius commune und (nationales) gemeines Recht, FS
K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Watson, A., Legal history and a
common law for Europe, 2001; Daniel, A., Gemeines Recht, 2003
Gemeines Sachsenrecht ist das
auf der Grundlage des → Sachsenspiegels (1221-1224), der Glosse zum
Sachsenspiegel und der sog. Richtsteige (sowie des sächsischen Weichbildrechts
[str.]) entwickelte, in Sachsen mehr oder weniger allgemein anerkannte Recht,
dessen Durchsetzung vor allem die Schöffenstühle von Magdeburg, Leipzig und
Halle, die juristischen Fakultäten in Leipzig, Wittenberg und Jena sowie die
verschiedenen Hofgerichte fördern. Die Gesetze einzelner Länder engen zwar den
Geltungsbereich des gemeinen Sachsenrechts ein, entwickeln dieses aber auch
durch ihre Grundgedanken fort. Die Geltung des gemeinen Sachsenrechts betrifft
das Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/1865), Schlesien, Brandenburg, die
sachsen-ernestinischen Teilfürstentümer (z. B. Sachsen-Weimar-Eisenach,
Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg: „Thüringen“ bis
1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900), Hannover, Lüneburg, Lauenburg,
Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und dazwischenliegende kleinere Länder.
Mit dem sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch (1863/5) und dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die Geltung des gemeinen Sachsenrechts beendet.
Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen
Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich-sächsischen Privatrechts, 3.
A. 1847; Emminghaus, G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848;
Schultze von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann,
1938, 51
Gemeines Strafrecht ist das auf
der Grundlage der → Constitutio Criminalis Carolina (1532), die den örtlichen
Gewohnheiten und Satzungen nachgehen will, gebildete deutsche Strafrecht des
16. bis 18. Jh.s.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gemeinfreier ist
der allgemeine → Freie der germanischen Zeit und des frühen Mittelalters.
Im Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen Rechtsgeschichte ist es in der
Gegenwart streitig geworden, ob es in der fraglichen Zeit eine breite, „den
Staat tragende“ Schicht freier Leute unter einem Adel mit schwach ausgeprägten
Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt die Zahl der Freien im
Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der → Grundherrschaft ab.
Lit.: Köbler, DRG 71; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie,
ZRG GA 19 (1898), 76; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen
Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 4.
unv. A. 1981
Gemeinschaft ist
die durch eine Gemeinsamkeit verbundene Mehrheit von Personen, insbesondere im
Schuldrecht die gemeinschaftliche Inhaberschaft eines einzelnen Rechtes durch
mehrere. G. ist im klassischen römischen Recht die vielleicht in den letzten
vorchristlichen Jahrhunderten aus wirtschaftlichen Gründen entwickelte (lat.) →
communio (F.) pro indiviso, bei der über die ganze Sache alle Gemeinschafter
zusammen verfügen können und jeder Gemeinschafter unabhängig von den anderen
über seinen (rechnerischen) Anteil. Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der
jederzeit möglichen allgemeinen Teilungsklage (lat. actio [F.] communi
dividundo). Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche, dem Gesamthandsgrundsatz
widersprechende G. in Deutschland übernommen.
Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Schultze, A., Zur
Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264;
Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung des 18. und
beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1
1985, 293, 549; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1988; Schnorr, R., Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004
Gemeinschaftsrecht →
Europäische Gemeinschaft
Lit.: Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale
Rechte, 1971; Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979
Gemeinwerk ist die
vielleicht aus der mittelalterlichen Grundherrschaft entwickelte Pflicht der
Mitglieder einer örtlichen Gemeinschaft zur tatsächlichen Leistung persönlicher
Dienste zu Gunsten der Gemeinschaft. Seit dem 18. Jh. wird sie durch Abgaben
bzw. Steuern ersetzt.
Lit.: Gremler, F., Die Naturaldienste im preußischen
Gemeinderecht, Diss. jur. Bonn 1912; Durgiai, E., Das Gemeinwerk, Diss. jur.
Bern 1943
Gemeinwohl (lat.
salus [F.] publica) ist das allgemeine Wohl einer Gesellschaft. Das G. ist
vielfach Ziel eines Staates (Wohlfahrtsstaat). Es kann dabei missbraucht
werden.
Lit.: Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS Alfred
Schultze 1940, 2. A. 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen
Recht, 1974; Honsell, T., Gemeinwohl und öffentliches Interesse, ZRG RA 95
(1978), 93; Hibst, P., Utilitas publica, 1991; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat,
hg. v. Ebel, F., 1995; Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken
politischer Leitbegriffe, hg. v. Münkler, H. u. a., 2001
Gemischtes
Bezirksamt ist in Österreich von 1852 bis
1868 die staatliche, durch Zusammenlegung
von Bezirkshauptmannschaft und Bezirksgericht entstehende Verwaltungs- und Gerichtsbehörde erster Instanz.
Genannter
Lit.: Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971
Genealogie (F.) Familienkunde
Lit.: Köbler, DRG 2; Forst de Battaglia, O., Wissenschaftliche
Genealogie, 1948; Melville, G., Vorfahren und Vorgänger, (in) Die Familie als
sozialer und historischer Verband, 1987, 203; Europäische Stammtafeln, hg. v.
Schwennicke, D., 1998, 2. A. 2005; Hlawitschka, E., Die Ahnen der
hochmittelalterlichen deutschen Könige, Kaiser und ihrer Gemahlinnen 1
(911-1137), 2007
Genehmigung ist die
Erklärung des Einverständnisses mit dem Verhalten eines anderen. Sie ist
bereits dem römischen Recht bekannt. Sie entwickelt sich im Verwaltungsrecht
zu einer Erlaubnis oder zu einer nachträglichen Billigung, im Privatrecht zur
nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft.
Lit.: Kaser §§ 11 IV, 49 II, 53 I;
Kroeschell, DRG 2
Generalauditeur ist
im 17. Jh. nach schwedischem Vorbild im Heiligen römischen Reich (deutscher
Nation) der Leiter der Rechtspflege des Heeres. 1898 wird der G. durch die
Militärstrafgerichtsordnung beseitigt.
Lit.: Meyer, O., Die Stellung des preußischen
Generalauditeurs, Arch. Mil.R. 3 (1911/2), 138, 4 (1912/3), 349
Generaldirektorium (Generaloberfinanzkriegs-
und -domänendirektorium) ist die aus einer zentralen Fachbehörde der Domänenverwaltung
und aus dem Generalkriegskommissariat erwachsene oberste Behörde in →
Preußen im 18. Jh.
Lit.: Hartung, F., Die Entwicklung des Generaldirektoriums
in Preußen 1723-1876, FuF 18 (1942), 110
Generalhypothek ist
die im römischen Recht mögliche → Hypothek am ganzen Vermögen eines
Pfandschuldners. Sie wird teilweise in der Neuzeit in Deutschland aufgenommen.
Sie verunsichert durch fehlende Offenkundigkeit das Kreditwesen, weshalb sie
später beseitigt wird.
Lit.: Kaser § 31; Köbler, DRG 41; Wagner, H.,
Voraussetzungen, Vorstufen und Anfänge der römischen Generalverpfändung, 1967;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Generalklausel ist
der nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellende, die konkrete Bestimmung im
Einzelfall den Gerichten überlassende Rechtssatz. Die G. hat den Vorzug der
Offenheit für nichtvorhersehbare Umstände für sich und den Nachteil der
Rechtsunsicherheit gegen sich. Im 20. Jh. wird dem Gesetzgeber die Flucht in
die Generalklauseln vorgehalten.
Lit.: Köbler, DRG 229; Hedemann, J., Die Flucht in die
Generalklauseln, 1933; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989
Generalpfand ist das im römischen
Recht mögliche Pfand am gesamten gegenwärtigen Vermögen eines Pfandschuldners. →.Generalhypothek
Generalprävention ist der → Strafzweck, der auf allgemeine Vorbeugung gegenüber Straftaten durch Abschreckung auch unbekannter Dritter gerichtet ist (Feuerbach 1813).
Lit.: Köbler, DRG 204; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Generalstaatsanwalt ist
der oberste Leiter einer gesamten Staatsanwaltschaft (z. B. DDR).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Generalstände (M.Pl.)
allgemeine → Stände, états généraux
Lit.: Soule, C., Les États généraux de France (1302-1798),
1968; Bulst, L., Die französischen Generalstände, 1992
Genf am Ausfluss
der Rhone aus dem Genfer See wird um 400 Sitz eines Bischofs und 1365 Sitz
einer Universität Seit 1536 wirkt in G. Calvin reformatorisch. 1815 wird G.
Mitglied der Eidgenossenschaft der → Schweiz. Im frühen 19. Jh. werden
Privatrecht und Prozessrecht (1819) gesetzlich geregelt (→ Bellot). 1873
erlangt G. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Cramer, J., Précis de
l’histoire du droit genevois, 1761; Rivoire, É. u. a., Les sources du droit du
canton du Genève, Bd. 1f. 1927ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,450, 3,2,1866; Histoire de Genève, hg. v. Guichonnet, P., 3. A.
1986
Genfer Konvention ist die
(seit dem 22. 8. 1864) in Genf abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarung (z.
B. zur Humanisierung des Kriegsrechts).
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Genosse → Genossenschaft
Genossenschaft ist
die Personenvereinigung zur Erfüllung der von ihren Mitgliedern (Genossen)
angestrebten Zwecke, insbesondere der Förderung des Erwerbs oder der
Wirtschaft mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs. Ihre ältesten Formen
betreffen die vielleicht von Verwandtschaften ausgehende gemeinsame Nutzung
von Land. Bedeutsam ist die möglicherweise noch ins Frühmittelalter reichende →
Markgenossenschaft. Besondere Erwähnung verdient auch die durch eidlich
bestärkte Vereinbarung entstehende → Eidgenossenschaft. Eine stärkere
Verfestigung zeigt die im 12. Jh. sichtbare (als G. erklärbare) Stadtgemeinde.
Genossenschaftlich organisiert sind im Hochmittelalter auch →
Gemeinderschaft, → Zunft, Bruderschaft, → Universität, bergrechtliche
→ Gewerkschaft, Waldgenossenschaft und Deichgenossenschaft. In der
frühen Neuzeit drängt der Einfluss der gelehrten Rechte die G. zugunsten der
römischrechtlichen (lat. [F.]) → societas bzw. (lat. [F.]) →
universitas zurück. Die hierauf gegründete Theorie des 19. Jh.s, dass die →
juristische Person eine Fiktion sei, wird von Georg von → Beseler und
Otto von → Gierke (Theorie der realen Verbandspersönlichkeit) bekämpft.
In Preußen bzw. dem Norddeutschen Bund wird 1867/1868, in Österreich am 9. 4.
1873 ein Gesetz betreffend die G. (Gesellschaft mit offener Mitgliederzahl, bei
Eintragung in das Genossenschaftsregister juristische Person) geschaffen
(Konsumgenossenschaft, Raiffeisengenossenschaft, Wohnungsbaugenossenschaft).
Lit.: Hübner 123ff.; Köbler, DRG 96, 121, 174, 177, 207,
218; Köbler, WAS; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff.
1868ff.; Solmi, A., Le associazioni in Italia, 1898; Haff, K., Zur Rechtsgeschichte
der mittelalterlichen Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253;
Weimann, K., Die Mark- und Walderbengenossenschaften des Niederrheins, 1911;
Bader, K., Das mittelalterliche Dorf, Bd. 1ff. 1957ff.; Schlosser, M., Genossenschaften
in der Grafschaft Ysenburg, 1956; Faust, H., Geschichte der
Genossenschaftsbewegung, 1965; Bludau, K., Nationalsozialismus und Genossenschaften,
1968; Laufs, A., Genossenschaftsdoktrin und Genossenschaftsgesetzgebung vor
100 Jahren, JuS 1968, 311; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur
Betriebsgemeinschaft, 1982; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie,
Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Gericht, Genossenschaft und Policey,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Schubert, W., Zur Entstehung der
Genossenschaftsgesetze Preußens und des Norddeutschen Bundes (1863-1868), ZRG
GA 105 (1988), 97; Hundert Jahre Genossenschaftsgesetz, hg. v. Institut für
Genossenschaftswesen u. a., 1989; Akademie für deutsches Recht 1933-1945,
Protokolle der Ausschüsse 4, Ausschuss für Genossenschaftsrecht, hg. v.
Schubert, W., 1989; Hettrich, E./Pöhlmann, P., Genossenschaftsgesetz, 1995;
Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein, 1997; Helin, I., Vom Brodverein
zur co op, 1998; Zinke, J., Die Entwicklung der landwirtschaftlichen
Genossenschaften in der Weimarer Republik, 1999; Kattinger, D., Die
gotländische Genossenschaft, 1999; Wilcken, C., Die Reformbestrebungen zum
Genossenschaftsgesetz in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2000; Peters, M., Die
Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Schneider, R., Altrechtliche Personenzusammenschlüsse,
2003
Genossenschaftsgesetz → Genossenschaft
Genozid (N., M.,) → Völkermord
Lit.: Grenke, A., Der Genozid in der
Weltgeschichte, 2001; Genesis des Genozids, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2004;
Barth, B., Genozid, 2006
gens (lat. {[F.])
Sippenverband, Volk
Gent an der Leie (7./8. Jh. [lat.] pagus [M.] Gandao) erscheint im 10. Jh. als Handelsort. Im 12. Jh. erlangen die Kaufleute wichtige Rechte. 1879 wird G. Sitz einer Universität.
Lit.: Oppermann, O., Die älteren Urkunden des Klosters
Blandinium und die Anfänge der Stadt Gent, 1928; Werveke, H. van, Kritische
studiën betreffende de oudste geschiedenis van de stad Gent, 1933; Werveke, H.
van, De gentsche stadsfinanciën, 1934; Verhulst, A., De Sint-Baafsabdij te
Genbt en haar grondbezit, 1958; Koch, A., Gentse keuren van vóór 1240, 1960;
Verhulst, A., Die Frühgeschichte der Stadt Gent, FS Edith Ennen, 1972, 108;
Gent, red. Decavele, J., 1989
Gentechnologie ist
die auf die Gene der Lebewesen bezogene, in
Deutschland seit 20. 6. 1990 gesetzlich geregelte Technologie.
Gentile ist der
Angehörige eines Sippenverbandes (lat. [F.] gens) im römischen Recht. Er ist
nachrangig Erbe.
Lit.: Kaser § 12 I 1; Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 21
Gentili, Alberico
(1552-1608) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia Richter in Ascoli. Auf der
Flucht der Familie vor der Inquisition gelangt er 1581 nach Oxford (1587
Professor für civil law) und veröffentlicht vor allem bedeutende
völkerrechtliche (kriegsrechtliche) Werke (De iure belli commentationes [F.Pl.]
tres, 1588f., Drei Abhandlungen zum Kriegsrecht). Nach 1590 wird er als Anwalt
tätig.
Lit.: Hugo Grotius and International Relations, hg. v.
Bull, H. u. a., 1990, 133
gentry (engl.) Landadel (seit 15. bzw. 16. Jh.)
Lit.: Gentry, hg. v. Jones, M., 1986
Genua am südlichen
Steilabfall der Alpen zum Mittelmeer kommt über Römer, Ostgoten, Byzantiner und
Langobarden an die Franken. Seit dem 10. Jh. erlangt es eine eigene Verwaltung.
Vielfach unter fremder Herrschaft, wird es 1815 mit dem Königreich Sardinien-Piemont
(1861 Italien) vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Chiaudano, M.,
Contratti commerciali Genovesi, 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,162; Airaldi, G., Genova, 1986; Schweppenstette, F., Die Politik
der Erinnerung, 2003
genus (lat. [N.]) Geschlecht,
Gattung
Genus perire non censetur (lat.). Von einer Gattung wird nicht angenommen, dass sie untergeht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Genuss
Lit.: Menninger, A.,
Genuss im kulturellen Wandel, 2. A. 2008
Gény, François (1861-1959) kommt über Algier (1887) und Dijon (1892) nach Nancy (1901, 1905 ordentlicher Professor für bürgerliches Recht) und verfasst bedeutsame Studien über Natur und Methode des Privatrechts (Méthode d’interprétation et sources en droit privé positif, 1899, Science et technique en droit privé positif, 1913ff.).
Lit.: Dabin, J. u. a., Le centenaire
du doyen François Geny, 1963
geometricus → mos geometricus
Georgenberger Handfeste
ist die umfangreichere (von mehreren) Urkunde(n) über den am 17. 8. 1186 auf
dem im Bereich der Stadt Enns liegenden St. Georgsberg (Georgenberg) (mündlich)
abgeschlossenen Erbvertrag zwischen dem kinderlosen, kranken Herzog Otakar IV.
von → Steiermark und Herzog Leopold V. von → Österreich, auf Grund
dessen mit dem Tod Otakars IV. 1192 die Steiermark an Österreich fällt.
Lit.: Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Spreitzhofer, K., Die
Georgenberger Handfeste, 1986
Gerade ist
vielleicht schon im germanischen Recht die Ausrüstung der Braut für die
Verheiratung (vgl. rhedo in der [lat.] Lex [F.] Thuringorum [802] und
mahalareda in der [lat.] Lex [F.] Burgundionum [um 500]). Im Hochmittelalter
umfasst sie im Verbreitungsgebiet des Sachsenspiegels Schmuck, Kleider, Gefäße
und Hausrat (Bett, Kiste, Gebetbuch, vielleicht Gänse, Enten, Schafe). Beim Tod
des Hausvaters fällt sie (vor allem in der Stadt) als Voraus an die Ehefrau,
beim Tod der Frau (vor allem auf dem Land) an eine bestimmte nichtverheiratete
weibliche Verwandte (oder einen Geistlichen).
Lit.: Hübner 664, 739; Köbler, DRG 89, 123, 162; Hradil,
P., Zur Theorie der Gerade, ZRG GA 31 (1910), 67; Frommhold, E., Das Recht der
Gerade, Diss. jur. Leipzig 1934; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss.
jur. Göttingen 1966; Ottenjohann, H., Das Sondervermögen „Gerade“, (in) Aus dem
Leben gegriffen, 1995, 379; Gottschalk, K., Streit um Frauenbesitz, ZRG GA 114
(1997), 182
Gerber, Karl Friedrich
Wilhelm (Ebeleben 11. 4. 1823-Dresden 23. 9. 1891) wird nach dem Rechtsstudium
in Leipzig und Heidelberg (Hänel, Albrecht, Puchta, Mittermaier, Vangerov) 1844
außerordentlicher Professor in Jena, 1847 ordentlicher Professor in Erlangen,
1851 Tübingen und 1863 Leipzig. 1871 wird er Kultusminister Sachsens. 1846 legt
er eine Untersuchung über das wissenschaftliche Prinzip des →gemeinen
deutschen Privatrechts vor, in der er das deutsche Recht statt als
Rechtsquelle als bloßes System von Rechtsgedanken (Geist des deutschen Rechts)
versteht. Hierauf gründet er sein erfolgreiches romanistisch beeinflusstes
Lehrbuch System des deutschen Privatrechts (1848/9), in dem er den Geist des
deutschen Rechts in konkrete juristische Sätze fasst. 1852 lässt er die auf den
Willensäußerungen der Einzelnen als Glieder der Volksverbindung beruhende
Untersuchung über öffentliche Rechte folgen, die 1865 zu Grundzügen eines
Systems des deutschen Staatsrechts (mit den vier Abteilungen Staatsgewalt
[Willensmacht des Staates], Organe des Staates, [Formen der] Willensäußerungen
des Staates, Rechtsschutz) werden, die den → Staat als →
juristische Person verstehen und die moderne deutsche Staatsrechtswissenschaft
begründen.
Lit.: Köbler, DRG 205; Wilhelm, W., Zur juristischen
Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Pauly, W., Der Methodenwandel im
deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Schmidt-Radefeldt, S., Carl Friedrich
von Gerber (1823-1891), 2003; Bürger, J., Carl Friedrich Wilhelm von Gerber als
sächsischer Kultusminister, 2007; Kremer, C., Die Willensmacht des Staates -
Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des Carl Friedrich von Gerber, 2008
Gerechter Krieg
(lat. bellum [N.] iustum) ist der gerechtfertigte Fall einer gewaltsamen
Auseinandersetzung von Völkern oder Staaten. Nach Cicero (106-43 v. Chr.)
begründen Rache und Vertreibung von Feinden allein den gerechten Krieg. In
gleicher Weise anerkennt das Christentum (Augustinus 354-430) Verteidigung und
Strafe als Grund eines gerechten Krieges, zu dem noch die rechte Gesinnung des
Kriegführenden hinzukommen muss. Thomas von Aquin (um 1270) fordert die (lat.
[F.]) auctoritas des Herrschers, den gerechten Grund und die rechte
Einstellung. Francisco de Vitoria begründet die Lehre vom beiderseits gerechten
Krieg. Nach Alberico Gentili (1588) schränkt Grotius (1583-1643) demgegenüber
dahin ein, dass zwar nur einer der Kriegsführenden im Recht sein könne, beide
aber in gutem Glauben streiten könnten. Im 18. Jh. wird auf eine Untersuchung
von ungerechten Kriegen und gerechten Kriegen verzichtet. Im 19. Jh. herrscht
die Lehre vom freien Kriegsführungsrecht der souveränen Staaten. Dagegen
erfolgt nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918) eine Rückkehr zur Lehre vom
gerechten Krieg, so dass der Angriffskrieg verboten wird.
Lit.: La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin 15;
Tooke, J., The Just War in Aquinas and Grotius, 1965; Russel, F., The Just War,
1975; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
gerechter Preis →
Preis
Gerechtigkeit ist
das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens. Bereits Aristoteles (384-322 v.
Chr.) unterscheidet die ausgleichende G. (lat. iustitia [F.] commutativa)
zwischen den Einzelnen und die austeilende G. (lat. iustitia [F.] distributiva)
zwischen Allgemeinheit und Einzelnen. Ulpian (170-223) erklärt die G. (lat.
[F.] iustitia) als den ständigen Willen, jedem sein Recht dadurch zu gewähren,
dass man ehrbar lebt, den anderen nicht verletzt und jedem das Seine gibt. Das
Christentum bestimmt die G. durch die in der Natur sich zeigende göttliche
Ordnung. Seit der Neuzeit versucht der Mensch die G. mit Hilfe der (der Natur
des Menschen entsprechenden) Vernunft zu ermitteln. Die G. vollkommen zu
verwirklichen, muss dabei wohl als wünschenswertes Ideal angesehen werden, das
tatsächlich nicht oft genug erreicht wird.
Lit.: Köbler, DRG 2, 254; Frommhold, G., Die Idee der
Gerechtigkeit in der bildenden Kunst, 1925; Simon, K., Abendländische
Gerechtigkeitsbilder, 1948; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231;
Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Kissel,
O., Die Iustitia, 2. A. 1997; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984;
Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Recht und
Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, hg. v. Pleister, W. u. a.,
1988; Manthe, U., Beiträge zur Entwicklung des antiken Gerechtigkeitsbegriffes,
ZRG RA 114 (1997), 1; Gerechtigkeit, hg. v. Assmann, J. u. a., 1998; Justiz und
Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Prodi, P., Eine Geschichte der
Gerechtigkeit, 2003; Hayek, F. v., Recht, Gesetz und Freiheit, 2003;
Brüschweiler, A., Gerechtigkeit durch Ironisierung, 2003; Duvanel, L., La
justice contractuelle, 2004; Schröder, J., Verzichtet unser Rechtssystem auf
Gerechtigkeit?, 2005; Petersen, J., Nietzsches Genialität der Gerechtigkeit,
2008; Schlotmann, K., Recht und Gerechtigkeit im Werk Heinrich Bölls, 2008;
Rüthers, B., Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, 3. A. 2009; Sutter, C.,
Flämische Gerechtigkeitsbilder, 2009
Gerhabe ist an
manchen Orten eine mittelalterliche Bezeichnung für den → Vormund.
Lit.:
Haff, K., Gerhaben-Stellen aus unveröffentlichten Urkunden des Allgäus, ZRG GA
51 (1931), 512
Gericht ist die
(staatliche) Einrichtung, welche die Entscheidung in Streitigkeiten durch
Rechtsanwendung ausüben soll. Das altrömische Recht unterscheidet dabei (im
Zivilverfahren) zwischen dem G. (lat. [N.] ius) und dem Richter (lat. [M.]
iudex). Das G. findet auf dem Markt (lat. [N.] forum) vor dem zuständigen
Magistrat (seit 367 v. Chr. lat. [M.] praetor) statt, der darüber entscheidet,
ob die Rechtsordnung für das Begehren des Verfolgers einen Schutz (lat. [F.]
actio) enthält und danach gegebenfalls unter Auswahl oder Auslosung seitens der
Parteien den Richter ermittelt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) tritt an
die Stelle von Magistrat und Richter der einheitliche öffentliche Amtsträger
des → Kognitionsverfahrens, der untersucht und entscheidet. Bei den
Germanen finden demgegenüber die Entscheidungen in Streitigkeiten anfangs
vermutlich in der vom König oder mehreren Großen geleiteten → Volksversammlung
unter freiem Himmel statt, wobei ein Entscheidungsvorschlag aus dem →
Umstand vorgebracht wird. Im Frühmittelalter leitet zunächst der König oder der
(fränkische) (lat.-ad. [M.]) → thunginus (Dingmann) die Versammlung auf
dem → Malberg, und → Rachinburgen schlagen ein Urteil vor. Später
verdrängt der → Graf den thunginus. Zwischen 770 und 780 ersetzt Karl der
Große die Rachinburgen durch → Schöffen als Urteiler. Im geistlichen
Gericht (Lüs. aus lat. [F.] correctio?) des fränkischen Reiches entsprechen dem
Grafen und den Schöffen der Bischof bzw. Archidiakon bzw. Archipresbyter und
die Sendschöffen, bis seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit
1246 der gelehrte → Offizial des Bischofs als ständiger, ordentlicher (berufsmäßiger)
Einzelrichter, der selbst entscheidet, erscheint. Noch im Reichskammergericht
(1495) ist der Richter grundsätzlich nur Verhandlungsleiter und ist die Hälfte
der Beisitzer (Assessoren) nur adlig und (zunächst) nicht rechtsgelehrt. Im
Laufe der frühen Neuzeit wird das mehr und mehr in festen Gebäuden tagende G.
aber zu Lasten der Laien zunehmend mit rechtsgelehrten Berufsjuristen besetzt
und entscheidet (auch) der Richter. Demgegenüber belebt der Liberalismus des
19. Jh.s das Laienelement wieder (→ Schwurgericht). In der Gegenwart ist
in Deutschland die → Gerichtsbarkeit in unterschiedliche Zweige von
Gerichten (ordentliches Gericht, Arbeitsgericht, Finanzgericht,
Sozialgericht, Verfassungsgericht, Verwaltungsgericht) gegliedert. Diese sind
in mehrere Instanzen gestuft (z. B. Amtsgericht, Landgericht,
Oberlandesgericht, Bayerisches Oberstes Landesgericht [bis 2004],
Bundesgerichtshof). Die meisten der sehr vielen Rechtsstreitigkeiten werden
durch Berufsrichter entschieden.
Lit.: Kaser §§ 80ff.; Köbler, DRG 111, 116, 150; Köbler,
WAS; Luschin von Ebengreuth, A., Geschichte des älteren Gerichtswesens in
Österreich, 1879; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der
Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1 1889, Neudruck 1968, 1984; Das älteste
Gerichtsbuch der Stadt Wiesbaden, hg. v. Otto, F., 1900; Funk, M., Die
lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53; Lenel, P., Die Scheidung von Richter
und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der
Gerichtsverfassung der Stadt Frauenburg (im Ermlande), ZRG GA 37 (1916), 313;
Jecklin, C., Das Chorherrengericht zu Schiers, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft Graubündens 49 (1919); Pöhlmann, C.,
Gerichtssäule, ZRG GA 41 (1920), 387; Hillmann, H., Das Gericht als Ausdruck
deutscher Kulturentwicklung im Mittelalter, 1930; Frölich, K., Stätten
mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, 1938; Grosse, W.,
Land- und Godingstätten in den Schwabengaugrafschaften, Festschrift für Walter
Möllenberg, 1939, 53; Grosse, W., Die mittelalterlichen Gerichte und
Dingstätten im Harzgau, Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und
Altertumskunde 72 (1939), 1; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in
Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der
Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG 75 (1958), 108; Köbler, G.,
Richten, Richter, Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Müller-Volbehr, J., Die
geistlichen Gerichte in den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972;
Krause, H., Mittelalterliche Anschauungen vom Gericht, 1974 (SB München);
Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G.
Schmelzeisen, 1980, 166; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung
1869-1877, 1981; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Keller, O., Die Gerichtsorganisation
des Raumes Marburg im 19. und 20. Jahrhundert, 1982; Handbuch der bayerischen
Ämter, Gemeinden und Gerichte, hg. v. Volkert, W., 1983; Schumacher, U.,
Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Turner, R., The English
Justiciary, 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Dülmen, R.
van, Theater des Schreckens, 1985; Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Franz,
E./Hofmann, H./Schaab, M., Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern
und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert, 1989; Das Oberste Gericht der DDR, 1989;
Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993),
530; Rose, M., Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18.
Jahrhundert, 1994; Klemmer, K./Wassermann, R./Wessel, T., Deutsche
Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in Sachsen, 1995; Ishikawa, T. Das
Gericht im Sachsenspiegel, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Zehetmayer, R., Kloster
und Gericht, 2001; Lenzing, A., Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland,
2005; Höchstgerichte in Europa, hg. v. Auer, L. u. a., 2007; Gerichtskultur im
Ostseeraum, hg. v. Knothe, H. u. a., 2007; Strauch, D., Rheinische Gerichte in
zwei Jahrhunderten, 2007; Loroch, S., Zeitungsrubrik Gerichtssaal, 2009
Gerichtliche Medizin
ist die rechtlich bzw. verfahrensrechtlich bedeutsame Medizin. Im Mittelalter
werden allmählich ärztliche Sachverständige in das Verfahren vor Gericht
eingeführt. Die erste bekannte richterliche Leichenöffnung findet in Bologna
1302 statt. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) behandelt die Bedeutung
verständiger Frauen und verständiger Ärzte für das Strafverfahren allgemein. Im
18. Jh. erscheint die (lat.) medicina (F.) forensis als Vorlesung an den
Universitäten. Eigene Lehrstühle folgen etwas später nach (Wien 1804, Prag
1807). 1901 wird im Deutschen Reich g. M. Pflichtfach des Studiums.
Lit.: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer,
1970; Bader, K., Ärztliche Sachverständige im Mittelalter, 1976
Gerichtsakte ist
die (seit dem 14. Jh. einsetzende) → Akte eines Gerichts.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gerichtsbarkeit ist
die auf Verwirklichung der bestehenden Rechtsordnung gerichtete Tätigkeit (des Staates
bzw. der Allgemeinheit) (Judikative). → Gericht
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über
Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Goldhardt, O.,
Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909;
Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit, Bd. 1ff. 1952ff.; Hirsch, H., Die
hohe Gerichtsbarkeit, 1922, 2. A. 1958; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der
Gerichtsbarkeit in Baiern, ZRG GA 71 (1954), 242; Tomaschek, Die höchste
Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reiches im 15. Jahrhundert, 1965;
Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich,
1967; Laufs, A., Die Anfänge einheitlicher höchster Gerichtsbarkeit in
Deutschland, JuS 1969, 256; Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und
Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch-Hall, 1971; Modéer, K.,
Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, Bd. 1
1975; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund
1806-1866, 1975; Rödel, U., Königliche Gerichtsbarkeit, 1979; Globig, G.,
Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Schild, W., Alte
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen
Absolutismus und Liberalismus, 1987; Schild, W., Geschichte der
Gerichtsbarkeit, 1995; Oberste Gerichtsbarkeit und zentrale Gewalt im Europa
der frühen Neuzeit, hg. v. Diestelkamp, B., 1996; Harendil, H.,
Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Royer, J., Histoire de la justice en
France, 1997; Albert, D., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998;
Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002;
Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004; Praxis der
Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, hg. v.
Arlinghaus, F., 2006; Murauer, R., Die geistliche Gerichtsbarkeit im Salzburger
Eigenbistum Gurk im 12. und 13. Jahrhundert, 2009
Gerichtsbuch ist
das bei einem → Gericht geführte Buch über gerichtliche Handlungen der
streitigen oder freiwilligen Tätigkeit (z. B. Urteile, Rügen, Klagen,
Protokolle, Vergleiche, Rechtsgeschäfte). Gerichtsbücher sind beispielsweise
überliefert aus den Städten Worms, Bamberg, Bingen, Stralsund, Luckau und aus
vielen Dörfern (z. B. Niederingelheim, Eppelsheim, Hamm, Erpolzheim, vor
allem in Bayern, Pfalz, Schlesien und Brandenburg).
Lit.: Rehme, P., Über Stadtbücher als Geschichtsquelle,
1913; Frommhold, G., Das Gerichtsbuch von Pfalzfeld, ZRG GA 47 (1927), 664;
Schultheiß, W., Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und
Franken, FS H. Liermann, 1964, 264
Gerichtsgebrauch ist
die an einem oder mehreren Gerichten geübte besondere Art der Rechtsanwendung.
Lit.: Schumacher, D., Das rheinische
Recht, 1970
Gerichtsgefälle sind
die an ein → Gericht zu erbringenden Leistungen (Gefälle). Sie dienen der
Unterhaltung der mit der Gerichtsbarkeit betrauten Menschen. Zu ihnen gehört z.
B. das Friedensgeld. Seit dem Mittelalter begegnen sich Geldleistungen für
einzelne Gerichtshandlungen, wie beispielsweise auch für die Tätigkeit des →
Gerichtsschreibers. Hieraus entwickeln sich bis zum Beginn der Neuzeit an
vielen Stellen besondere Ordnungen für im voraus zu erhebende → Gebühren,
die der im Verfahren Unterliegende zu erstatten hat. Später finden die G. über
den allgemeinen Staatshaushalt Verwendung zur Besoldung des Gerichtspersonals
mit festen Gehältern.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 75ff.
Gerichtshof ist das
mit mehreren Richtern besetzte (obere) Gericht bzw. ein Hof, an dem Gericht
gehalten wird.
Lit.: Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die
britische Zone (1948-1950), ZNR 3 (1981), 158
Gerichtsmagistrat ist in Rom der für die Gerichtsbarkeit und damit
für die Einsetzung von entscheidenden Gerichten zuständige Magistar (Prätor,
kurulische Ädil,, Statthalter u. a.).
Gerichtsmedizin ist die für gerichtliche Zwecke notwendige medizinische Betrachtung.
Lit.: Lorenz, M., Kriminelle Körper – Gestörte Gemüter,
1999; Herber, F., Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, 2002
Gerichtsordnung ist
die Gesamtheit der für ein → Gericht unmittelbar geltenden Rechtssätze.
Sie entwickelt sich aus dem von der Kirche geförderten Gedanken, dass ein
rechtliches Verfahren in klarer Weise geordnet sein soll (lat. ordo [M.]
iudiciarius). In der Neuzeit wird hieraus die → Prozessordnung.
Lit.: Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903;
Meier, A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im
Gebiete der heutigen Schweiz, 1910; Meyer, D., Gerichtsverfahren und
Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen
1972; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause
1975, 110; Dank, E., Die Appellationsvorschriften der bayerischen
Gerichtsordnung von 1520, 1977; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine
Gerichtsordnung von 1781, 1978; Bader, K., Landes- und Gerichtsordnungen im
Gebiet des Fürstentums Fürstenberg, FS G. Schmelzeisen, 1980, 9
Gerichtsschreiber ist
der wohl seit dem 14. Jh. an einzelnen → Gerichten zur Aufzeichnung von
Rechtshandlungen bestellte besondere → Schreiber. Seine Rechtskenntnisse
sind vielfach denen des ungelehrten Richters und der ungelehrten Schöffen
überlegen. 1923/1927 wird im Deutschen Reich die Amtsbezeichnung G. durch
Urkundsbeamter ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt
und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1491, 1974; Dumke, D., Vom
Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993
Gerichtsstab → Richterstab
Lit.: Rintelen, M., Der Gerichtsstab in den österreichischen
Weistümern, FS H. Brunner, 1910, 631; Kocher, G., Richter und Stabübergabe,
1971
Gerichtsstand ist
die örtliche, teilweise auch sachliche Zuständigkeit eines Gerichts. Nach dem
G. entscheidet sich, ob eine an einem Gericht erhobene Klage zulässig ist. Der
G. ist spätestens seit dem Hochmittelalter sehr bedeutsam.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Battenberg, F., Die
Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige, 1983; Hubig, S., Die
historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002
Gerichtsverfahren ist
das vor und von → Gerichten durchgeführte Verfahren. Dabei wird bereits
im altrömischen Recht zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren und zwischen
Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren unterschieden. Allerdings
setzt sich das G. nur langsam gegenüber der → Selbsthilfe des Verletzten
durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich wird dabei die gerichtliche
Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt ist auch in den germanischen
Anfängen das G. gegenüber der → Selbsthilfe (→ Fehde) selten. König
und Kirche fördern das G. seit dem Frühmittelalter. Auf die Klage des
Verletzten und die Klagantwort des Beklagten entscheiden die unter der Leitung
des → Richters versammelten → Schöffen den Streit durch ein meist
zweizüngiges → Urteil. Entlastet sich der Beklagte nicht (durch Eid), so
siegt der Kläger. Die Vollstreckung führt der Kläger selbst durch. Eine
Überprüfung des Urteils steht nur dem König zu. Wohl erst im Hochmittelalter
(str.) treten Zivilverfahren und Strafverfahren auseinander. Im Strafverfahren
gewinnt die amtliche Untersuchung an Bedeutung. Das Zivilverfahren wandelt
sich unter oberitalienisch-kanonistischem Einfluss (Schriftlichkeit). Die
Berufung (Appellation) an ein Obergericht wird möglich. In England ändert sich
das G. am stärksten zwischen 1154 und 1272. In der Neuzeit erlangt eine
Sonderstellung auch das Gebiet des sächsischen Rechts. Im 19. Jh. beeinflusst
das freiere Verfahren der französischen Gesetze Zivilprozess und Strafprozess
in den deutschen Staaten.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses,
3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd.
1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der
Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den
badischen Markgrafschaften, 1961; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Markov, J., Das
landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert,
ZRG GA 83 (1966), 145; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der
Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Fowler-Magerl,
Gerichtsverfassung ist
die organisatorische Gestaltung der Rechtspflege. Sie ist anfangs ziemlich
einfach, entwickelt sich aber seit dem hohen Mittelalter mit dem Übergang
wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom König auf die Landesherren zu
vielfältigen Gestaltungen. 1877/1879 wird im Deutschen Reich die partikuläre G.
durch das Gerichtsverfassungsgesetz vereinheitlicht (Amtsgericht,
Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht, in Österreich Jurisdiktionsnorm
von 1895 mit Bezirksgerichten, Landesgerichten bzw. Kreisgerichten, Oberlandeserichten
und Oberstem Gerichtshof [in Wien]). → Gericht
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 183,
200; Kühns, F., Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses der Mark
Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische Reichs-
und Gerichtsverfassung, 1871; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des
Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Probst, K., Die Entwicklung der
Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E.,
Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Lenel, P., Die Scheidung
von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt-Regensburgs
Gerichtsverfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung
Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der Carolina, Diss. jur.
Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, Archiv
f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung des
Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands
2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig,
1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Lohmann, U.,
Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff, H./Wagner, A.,
Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts
im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in
Oberhessen, 1978; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877),
1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher
Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997;
Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998;
Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing,
Diss. jur. Regensburg 1999; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in
Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136
Gerichtsverfassungsgesetz → Gerichtsverfassung
Gerichtsvollzieher ist
seit dem 19. Jh. der mit den Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen zu
betrauende Beamte. Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel, Fronboten oder
Gerichtsdiener wahrgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 202; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Ziegler, H., Die Stellung des
Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung nach dem Entwurf einer ZPO von
1931, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1936
Gerichtszeugnis ist
vor allem die Aussage des → Gerichts (Richter und Schöffen) über
Handlungen und Ereignisse vor Gericht. Das G. wird im Hochmittelalter häufig.
Es erbringt vollständigen Beweis einer Behauptung und kann nicht gescholten
werden. Sachlich kann ein G. auch in einer Gerichtsurkunde enthalten sein.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte,
1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986
Germane ist der
Angehörige der Völker, die sich von den Indogermanen abgespaltet haben und die
besondere gemeinsame Sprache Germanisch sprechen. Die Germanen werden
vielleicht in der ersten Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. in Norddeutschland (und
Südskandinavien) sichtbar. Sie lassen sich in mehrere Großgruppen (z. B.
Nordgermanen, Ostgermanen, Westgermanen, im Einzelnen str.) und viele
kleinere, seit 325 v. Chr. im griechisch-römischen Schrifttum genannte Völker gliedern.
Ihr nicht sicher deutbarer Name ist um 90 v. Chr. bei dem antiken
Schriftsteller Poseidonios erstmals bezeugt. Seit dem 1. Jh. v. Chr. dringen
sie nach Süden (Teutonen 102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr. bei Vercellae
von den Römern geschlagen). Im 4. Jh. überwinden sie den ab 84 n. Chr. von den
Römern gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] → limes) und brechen
unter dem Druck der Hunnen ab 375 in der → Völkerwanderung in das
weströmische Reich ein. 476 setzt der Söldnerführer → Odowakar den
weströmischen Kaiser Romulus Augustulus ab. Es entstehen im Zuge einer
Umgestaltung der römischen Welt verschiedene Reiche einzelner, aus den G.
hervorgegangener Stämme (Franken, Goten, Burgunder, Alemannen, Langobarden,
Vandalen, Angelsachsen). Das Wissen über die G. entstammt im Wesentlichen den
römischen Schriftstellern (Caesar, Tacitus).
Lit.: Köbler, DRG 66; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Ross, D., The early history of landholding among the Germans,
1883; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Kossinna, G., Die
Herkunft der Germanen, 1911; Roessingh, D., Het gebruik en bezit van den grond,
1915; Mayer, E., Germanische Geschlechtsverbände und das Problem der
Feldgemeinschaft, ZRG GA 44 (1924), 30; Frahm, F., Cäsar und Tacitus als
Quellen für die altgermanische Verfassung, Historische Vierteljahrsschrift 24
(1928), 145; Koehne, C., Die Streitfragen über den Agrarkommunismus der
germanischen Urzeit, 1928; Voltelini, H. v., Nordgermanische Grabfunde, ZRG GA
51 (1931), 111; Neckel, G., Liebe und Ehe, 1932; Schmidt, L., Geschichte der
deutschen Stämme. Die Ostgermanen, 2. A. 1934; Höfler, O., Kultische
Geheimbünde der Germanen, 1934; Gædeken, P., Retsbrudet, 1934; Wührer, K.,
Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Eckhardt,
K., Irdische Unsterblichkeit, 1937; Schultz, W., Altgermanische Kultur, 4. A.
1937; Grönbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 1937ff.;
Germanische Altertumskunde, hg. v. Schneider, H., 1938; Schulz, W., Indogermanen
und Germanen, 2. A. 1938; Meyer, H., Das Wesen des Führertums in der
germanischen Verfassungsgeschichte, 1938; Schmidt, L., Geschichte der deutschen
Stämme. Die Westgermanen, 1938; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, ZRG GA
59 (1939), 1; Haller, J., Der Eintritt der Geermanen in die Geschichte, 1939;
Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1939; Kienle, R., Germanische
Gemeinschaftsformen, 1939; Thaerigen, G., Die Nordharzgruppe der Elbgermanen,
1939; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, 2. A. 1940; Kramer, K., Die
Dingbeseelung in der germanischen Überlieferung, 1940; Rehfeldt, B., Recht,
Religion und Moral bei den frühen Germanen, ZRG GA 71 (1954), 1; Scovazzi, M.,
Le origini del diritto germanico, 1957; Germanen, hg. v. Krüger, P., 5. A.
1988; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 2. A. 1977;
Uslar, R. v., Die Germanen, 1980; Germanenprobleme aus heutiger Sicht, hg. v.
Beck, H., 1986; Jacoby, M., Germanisches Recht und Rechtssprache zwischen
Mittelalter und Neuzeit, 1986; Picard, E., Germanisches Sakralkönigtum?, 1991;
Price, A., The Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996; Wolfram, H., Die Germanen,
1995, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und
Britannier, 1998; Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die Germanen, 2000;
Ernst, P./Fischer, G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause, A., Die
Geschichte der Germanen, 2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio
germanica. Die Sehnsucht nach der alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002;
Bemmann, K., Arminius und die Deutschen, 2002; Maier, B., Die Religion der
Germanen, 2003; Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003; Arminius
und die Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003; Simek, R., Götter
und Kulte der Germanen, 2004; Maier, G., Ämter und Aufträge in der Romania
Gothica, 2004; Kakoschke, A., Germanen in der Fremde, 2004 (174 Fälle);
Fruscione, D., Zur Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122
(2005), 1; Rothenhöfer, P., Die Wirtschaftsstrukturen im südlichen
Niedergermanien, 2005; Wiwjorra, I., Der Germanenmythos, 2006; Die Germanen in
der Völkerwanderung, hg. v. Goetz, H. u. a., 2006; Timpe, D.,
Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit,
2006 (Aufsätze); Simek, R., Die Germanen, 2006; Ausbüttel, F., Germanische
Herrscher, 2007; Feindliche Nachbarn - Rom und die Germanen, 2008; Bleckmann,
B., Die Germanen, 2009
Germania (bzw. De
origine et situ Germaniae) ist ein 98 n. Chr. (?) verfasstes Werk des römischen
Schriftstellers Publius Cornelius Tacitus (um 55-nach 115, 97 Konsul). Die G.
schildert das Naturvolk der Germanen als ein gegen den Sittenverfall in Rom
nachzuahmendes Vorbild. Deshalb bedürfen die Aussagen dieser für die
germanische Zeit wichtigsten Geschichtsquelle sorgfältiger Prüfung.
Überliefert ist die G. durch eine Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach Italien
gebrachte und dort in ihrem die G. betreffenden Teil verschollene Sammelhandschrift
des 9. oder 10. Jh.s.
Lit.: Müllenhoff, K., Die Germania des Tacitus, 1900, neuer
Abdruck 1920; Norden, E., Die germanische Urgeschichte in Tacitus’ Germania,
1920; Lintzel, M., Germanische Monarchien und Republiken in der Germania des
Tacitus, ZRG GA 54 (1934), 227; Melander, K., Tacitus Germania als Quelle der
deutschen Frühgeschichte, 1940; Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u.
a., 3. A. 1967; Krapf, L., Germanenmythos und Rechtsideologie, 1979; Beiträge
zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil 1f., hg. v. Jankuhn, H. u. a.,
1989ff.; Wolfram, H., Die Germanen,1995, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Altes
Germanien, hg. v. Goetz, H. u. a., 1995; Germania inferior, hg. v. Grünewald,
T., 2001; Busch, J., Das Germanenbild der deutschen Rechtsgeschichte, 2004;
Däumer, J., Aufstände in Germanien und Britannien, 2005; Riemer, U., Die
römische Germanienpolitik, 2006; Schulz, M., Caesar zu Pferde, 2008
Germanisches Recht
ist die Gesamtheit der bei den verschiedenen Stämmen der → Germanen
geltenden Rechtssätze. Das germanische Recht ist infolge der bescheidenen
Überlieferung nur teilweise bekannt oder erschließbar. Es ist vermutlich
größtenteils als Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch einzelne
Rechtssetzungsakte wahrscheinlich sind. Ein mythischer Gesetzgeber ist ebensowenig
anzunehmen wie ein germanischer Rechtsgott. Die einzelne, in Raum und Zeit
individuelle germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen Angelegenheiten
in der von einem König oder mehreren Vornehmen geleiteten → Volksversammlung.
Dort ergehen auch Urteile in Streitigkeiten. Eine allgemeine Verfolgung
findet nur bei wenigen Verhaltensweisen (Volksverrat, Unzucht) statt. In der
Familie steht der Hausvater an der Spitze. Die Ehe ist grundsätzlich Einehe
und wird vom Gewalthaber über die Frau mit dem Mann abgeschlossen. Sie kann
durch Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung des Mannes aufgelöst
werden. Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder weiteren Verwandten. Ein
Testament gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus und Hof auch Acker und
Wiese einzeln zugeordnet sind und der Berechtigte über sie verfügen kann. Die
wohl seltenen Tauschgeschäfte und Vergabungen erfolgen als Handgeschäfte.
Unrechtserfolge ziehen die → Fehde nach sich, doch ist ein Ausgleich
durch Leistungen, die teils an den Verletzten, teils an die Allgemeinheit
gehen, möglich.
Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842,
Neudruck 1960; Grundriss der germanischen Philologie, hg. v. Paul, H., 1890
(Recht v. Amira, K. v.); Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A.
1906, Neudruck 1958; Schreuer, H., Altgermanisches Sakralrecht, ZRG GA 34
(1913), 313; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang,
1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Wiebrock, I., Die Sippe
bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic Kinship Structure, 1983;
Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Kroeschell, K.,
Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme, 1986; Landau, P.,
Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage nationalistischer und völkischer
Ideologie, (in) Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in
Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999
Germanist ist der
sich mit den (Germanen und) Deutschen befassende Rechtswissenschaftler oder
Sprachwissenschaftler. Er steht in Gegensatz zum Romanisten. Die Unterscheidung
entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.], De origine iuris Germanici,
1643, Hauschild 1741, Cg. [!] 1780 bzw.) 19. Jh. (Eichhorn, Grimm, Brunner).
Sie verliert mit der Internationalisierung des Rechtes an Bedeutung.
Lit.: Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung
aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Gierke, O. v., Die
historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Dilcher, G./Kern, B., Die
juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 101 (1984), 1; Zur
Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth,
F. u. a., 1999, 327; Internationales Germanistenlexikon 1800 bis 1950, hg. v.
König, C., 2003; Netzer, K., Wissenschaft aus nationaler Sehnsucht –
Verhandlungen der Germanisten 1846 und 1847, 2006; Schäfer, F., Juristische
Germanistik, 2008
Gerüfte (Gerüft) ist im
mittelalterlichen deutschen Recht die durch Geschrei erfolgende Verlautbarung
eines (rechtswidrigen) Geschehens (z. B. einer Vergewaltigung) oder einer
drohenden Gefahr. Dem G. ist zwecks Hilfestellung Folge zu leisten. Es befreit
den Rufenden von dem Verdacht der Verheimlichung einer Tat.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 190, 517;
Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964
Gesamtgläubigerschaft ist die Gläubigerschaft, bei der jeder Gläubiger die gesamte Schuld
verlangen kann, der Schuldner aber nur einmal zu leisten verpflichtet ist.
Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998
Gesamthand ist die
Mehrheit von Menschen, denen ein Sondervermögen in besonderer Art und Weise
(gesamthänderisch) zusteht. Vielleicht fällt in einfachen Gesellschaften der
Nachlass eines Menschen an mehrere Erben allgemein in der Art und Weise an,
dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass (und einzelnen
Nachlassgegenständen) nicht (allein) verfügen kann. Jedenfalls deuten die
mittelalterlichen Rechtsquellen auf eine derartige Gestaltung (zu gesamter
Hand) in Deutschland (→ Ganerbschaft, → Gemeinderschaft, →
Handelsgesellschaft). In der frühen Neuzeit behandelt die Rechtswissenschaft
diese Verbindungen meist als (lat. [F.]) → societas oder →
communio. Daneben entwickelte sich seit dem Ende des 17. Jh.s für eheliche
Gütergemeinschaft, Gesamtbelehnung, Ganerbschaft und Markgenossenschaft auch
eine Vorstellung eines (lat.) dominium (N.) plurium in solidum (Eigentum
mehrerer als Einheit). Im 19. Jh. versteht Georg → Beseler (1809-1888)
unter der G. eine Gemeinschaft, die für bestimmte Beziehungen die Grenzen der
Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe gleichmäßig über die den
Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert, ohne dass jedoch ein
neues selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. In der
Schweiz anerkennt Johann Caspar Bluntschli für das Privatgesetzbuch Zürichs
(1854/1856) neben dem Miteigentum ein Gesamteigentum (vgl. Art. 652ff. ZGB
1907/1911). Nach dem Protest Otto von → Gierkes (1888/1889), dass ein
Bürgerliches Gesetzbuch, das deutsch sein wolle, den deutschen, sozialen Gemeinschaftsgedanken
nicht aus dem Recht weisen dürfe, wird die G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen
die gemeinsame Verfügung der mehreren Beteiligten über den Gegenstand und die
Anwachsung der Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die Berechtigungen
der Verbleibenden) angesehen werden, an einzelnen Stellen noch in die in Kraft
gesetzte Fassung des deutschen → Bürgerlichen Gesetzbuches (1. 1. 1900)
aufgenommen (Gesellschaft, eheliche Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft).
Die G. ist nicht juristische Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist streitig.
Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2
1873, 923; Frommhold, G., Zur Geschichte der gesamten Hand, ZRG GA 37 (1916),
504; Buchda, G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936;
Seif, U., Die Gesamthand als Konstruktion der Germanistik, ZRG GA 118 (2001),
302; Wächter, T., Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche
Gesetzbuch, 2002
Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) ist die Nachfolge in einen Inbegriff von
Vermögensgegenständen ohne einzelne Übertragungsakte. Sie ist schon dem römischen
Recht bei der → Erbfolge bekannt. An tatsächlicher Bedeutung wird sie
aber von der im Übrigen vorgesehenen Einzelrechtsnachfolge übertroffen.
Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210; Eisenhardt,
U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Gesamtschuld ist
die Schuld, die mehrere in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu
bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung insgesamt nur einmal zu
fordern berechtigt ist. Sie ist bereits im klassischen römischen Recht (lat.
[N.] [debitum] in solidum) zumindest in den Wurzeln angelegt (Celsus D. 31, 16
frühes 2. Jh., Papinian E. 2. Jh.) und in der Kompilation Justinians (527-534)
von der Stipulation aus verallgemeinert. Wegen ihrer Brauchbarkeit für den
Gläubiger mehrerer Schuldner hat sie sich bis zur Gegenwart behauptet.
Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die
Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte
Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität); Schmieder, P., Duo rei.
Gesamtobligationen im römischen Recht, 2007
Gesandter ist der
diplomatische Vertreter eines Staates bei einem anderen Staat oder einer
internationalen Organisation. Bereits im römischen Recht ist der fremde
Gesandte wegen der Wichtigkeit auswärtiger Beziehungen unverletzlich. Im 15.
Jh. wird in Italien der ständige Gesandte geschaffen. Im 19. Jh. wird das
diesbezügliche Völkerrecht genauer ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3.
1815, Aachener Protokoll vom 21. 11. 1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18.
4. 1961).
Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen
Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter,
1892; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden,
1976; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Gesandtschafts- und Botenwesen im
spätmittelalterlichen Europa, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2003; Aus der
Frühzeit europäischer Diplomatie, hg. v. Zey, C. u. a., 2008
Geschäftsfähigkeit ist
die Fähigkeit, mit rechtlicher Wirkung durch eigene Handlung Rechtsgeschäfte
vorzunehmen. Sie wird bereits vom römischen Recht dem Kind (lat. [M.] infans)
(unter 7) abgesprochen. Der etwas ältere Unmündige (lat. [M.] impubes infantia
maior) kann rechtlich unvorteilhafte Geschäfte nur mit Einverständnis des
Vormundes vornehmen. Um 200 v. Chr. sieht eine (lat.) lex (F.) Laetoria vor,
dass die noch nicht 25jährigen geschützt werden, woraus die Möglichkeit
entwickelt wird, durch Wiederherstellung des früheren Zustandes (lat. in
integrum restitutio [F.]) die Leistungen und sonstigen benachteiligenden
Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Im germanischen Recht steht das Kind
bis zu seiner Verselbständigung unter der Hausgewalt des Hausvaters oder bis
zur Wehrhaftmachung bzw. Geschlechtsreife unter der Hausgewalt des Vormundes.
Zwar sind die Geschäfte von Unmündigen wohl an sich wirksam, aber die
Unmündigen können die von ihnen oder vom Inhaber der Personalgewalt getätigten
Geschäfte nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen und umgekehrt Geschäfte,
durch die sie verpflichtet werden, nicht erfüllen, solange ihr Vermögen von
einem Gewalthaber verwaltet wird. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit
dem Spätmittelalter werden dessen Regeln (abgeändert) übernommen. Geschäfte der
Geschäftsunfähigen sind nichtig (Kinder unter 7, Entmündigte, Geisteskranke),
Geschäfte der beschränkt Geschäftsfähigen bedürfen der Genehmigung des
gesetzlichen Vertreters, soweit sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind.
Der Ausdruck G. wird am 12. 7. 1875 in Preußen verwendet.
Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207;
Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1983; Wolter, U.,
Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, 1991; Benöhr, H., Über Udo Wolters
Buch zu Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, ZRG GA 112 (1995), 413;
Minzenmay, S., Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht
des 17. Jahrhunderts, 2003
Geschäftsführung ohne Auftrag ist das gesetzliche, unvollkommen zweiseitige
Schuldverhältnis, das dadurch entsteht, dass ein Geschäftsführer (ohne Auftrag)
für einen anderen (Geschäftsherrn) ein Geschäft besorgt, obwohl zwischen ihnen
noch kein Rechtsverhältnis (Auftrag) besteht. Die G. o. A. (lat. negotia
[N.Pl.] gesta, geführte Geschäfte) ist im römischen Recht entsprechend ihrer
Stellung im Edikt des Prätors vermutlich von der Vertretung (eines abwesenden
Freundes) im Rechtsstreit ausgegangen. Die Verpflichtungen aus der Tätigkeit
(Herausgabe des vom Geschäftsführer Erlangten, Ersatz der Aufwendungen des
Geschäftsführers) werden wie beim Auftrag auf die Treue (lat. [F.] fides)
begründet. Justinian ordnet die G. o. A. als Quasikontrakt ein. Mit der
Aufnahme des römischen Rechtes wird die G. o. A. als gesetzliches
Schuldverhältnis in Deutschland übernommen.
Lit.: Kaser § 44 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 47; Wollschläger,
C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, § 98; Sippel, H., Geschäftsführung ohne Auftrag, 2005
Geschäftsgrundlage →
clausula rebus sic stantibus
Lit.: Zirker, M., Vertrag und Geschäftsgrundlage, 1996;
Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen
Recht, 2002; Huang, Z., Zur Lehre von der Geschäftsgrundlage nach altem und
neuem Recht, 2009
Geschäftsordnung ist
die einer Geschäftsführung einer Gruppe von Menschen zugrundegelegte Ordnung.
Lit.: Hayungs, C., Die Geschäftsordnung des hannoverschen
Landtages, 1999
Geschäftsunfähigkeit →
Geschäftsfähigkeit
Geschäftszeuge ist
der zu einem Geschäft als → Zeuge zugezogene Mensch. Er findet sich bereits
im frühen römischen und im germanischen Recht. Mit Vordringen der
Schriftlichkeit verliert er seit dem Hochmittelalter an Bedeutung.
Lit.: Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922
Geschichte ist
das in der Dimension Zeit Geschehene und die damit befasste Wissenschaft
(Anfänge bei [Eunapios, ]Herodot und Thukydides in der griechischen Antike).
Besondere Gebiete der G. sind beispielsweise das Recht, die Gesellschaft oder
die Wirtschaft. Methode der G. ist das Verstehen des Vergangenen durch den
gegenwärtigen Betrachter.
Lit.:
Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, 1858; Below, G.
v., Die deutsche Geschichtsschreibung, 1916; Rothenbücher, K., Über das Wesen
des Geschichtlichen, 1926; Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen, Bd.
1ff. 1938ff.; Brandenburg, E., Der Begriff der Entwicklung, 1941 (SB Leipzig);
Weis, E., Geschichtsschreibung und Staatsauffassung in der französischen
Enzyklopädie, 1956; Dahlmann/Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte, 10.
A. Bd. 1f. 1969ff.; Fuchs, K./Raab, H., Wörterbuch Geschichte, 11. A. 1998;
Baumgart, W., Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte, 15. A. 2003; Brandt,
A., Werkzeug des Historikers, 1958, 17. A. 2007; Postel, R., Johann Martin
Lappenberg, 1972; Meister, K., Die griechische Geschichtsschreibung, 1990;
Simon, C., Historiographie, 1996; Demandt, A., Geschichte der Geschichte, 1997;
Burkardt, J., Die historischen Hilfswissenschaften in Marburg, 1997; Iggers,
G., Deutsche Geschichtswissenschaft, 4. A. 1997; Hauptwerke der Geschichtschreibung,
hg. v. Reinhardt, V., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A.
1998; Das europäische Geschichtsbuch, 1998; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des
positiven Rechts, 1998; Goetz, H., Geschichtsschreibung und
Geschichtsbewusstsein, 1999; Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhunderte, hg.
v. Gall, L., 1999; Chun, J., Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, 2000;
Geschichtskultur, hg. v. Mütter, B. u. a., 2000; Mehl, A., Römische Geschichtsschreibung,
2001; Kompass der Geschichtswissenschaft, hg. v. Lottes, G. u. a., 2001;
Internet-Handbuch Geschichte, hg. v. Jenks, S. u. a., 2001; Wolfrum, E.,
Geschichte als Waffe, 2001; Die Nation schreiben, hg. v. Conrad, C. u. a.,
2002; Geschichtswissenschaft um 1950, hg. v. Duchhardt, H., 2002; Lexikon
Geschichtswissenschaft, hg. v. Jordan, S., 2002; Geschichte(n) der
Wirklichkeit, hg. v. Landwehr, A., 2002; Kompass der Geschichtswissenschaft,
hg. v. Eibach, J. u. a., 2002; Fellner, F., Geschichtsschreibung und nationale
Identität, 2002; Formen römischer Geschichtsschreibung von den Anfängen bis
Livius, hg. v. Eigler, U., 2003; Howell, M./Prevenier, W., Werkstatt des
Historikers, 2004; Freytag, N./Piereth, W., Kursbuch Geschichte, 2004; Griff
nach der Deutungsmacht, hg. v. Winkler, A., 2004; Geschichtspolitik, hg. v.
Fröhlich, C. u. a., 2004; Wozu Geschichte(n)?, hg. v. Sommer, A. u. a., 2004;
Fried, J., Der Schleier der Erinnerung, 2004; Herbst, L., Komplexität und
Chaos, 2004; Schramm, G., Fünf Wegscheiden der Weltgeschichte, 2004; Fasolt, C.,
The Limits of History, 2004; Henning, E., Auxilia historica, 2. A. 2004;
Clemens, G., Sanctus amor patriae, 2004; Zwenger, T., Einführung in die
Geschichtsphilosophie, 2005; Tschopp, S., Das Unsichtbare begreifen, HZ 280
(2005), 39; Geschichtsdarstellung, hg. v. Borsò, V. u. a., 2005; Baberowski,
J., Der Sinn der Geschichte, 2005; Nolte, H., Weltgeschichte, 2005; Geschichte
für Leser, hg. v. Hardtwig, W. u. a., 2005; Völkel, M., Geschichtsschreibung,
2005; Historische Hilfswissenschaftenm hg. v. Diederich, T. u. a., 2005;
Nagel, A., Im Schatten des Dritten Reichs, 2005 (Mayer, Aubin, Baethgen,
Heimpel, Grundmann, Tellenbach, Schlesinger, Bosl, Beumann); Fellner, F. u. a.,
Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2006; Christ, K.,
Klios Wandlungen. Die deutsche Althistorie, 2006; Hasberg, W., Didaktik der
Geschichte, 2006; Pape, J., Der Spiegel der Vergangenheit, 2006; Völkel, M.,
Geschichtsschreibung, 2006; Große, J., Kritik der eschichte, 2006; Timpe, D.,
Antike Geschichtsschreibung, 2007; Langewiesche, D., Zeitwende. Geschichtsdenken
heute, hg. v. Plaert, U. u. a., 2008; Österreichische Historiker 1900-1945, hg. v.
Hruza, K., 2008; Geschichte, hg. v. Budde, G. u. a., 2008; Goetz, H.,
Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, 2. A.
2001; Henning, E., 175 Fragen & Antworten rund um die historischen
Hilfswissenschaften, 2009; WBG Weltgeschichte, hg. v. Demel, W. u. a., Bd. 1ff.
2009ff.; Nolte, H., Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2009; Daniels, M., Geschichtswissenschaft
im 20. Jahrhundert, 2009; Geschichte schreiben, hg. v. Rau, S. u. a., 2009; 150
Jahre Geschichtsforschung, 2009; Historiographie an europäischen Höfen, hg. v. Völkerl, M. u. a., 2009
Geschlecht
Lit.: Stoob,
H., Die dithmarsischen Geschlechterverbände, 1951; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1;
Geschlechterbeziehungen in Ostmitteleuropa nach dem zweiten Weltkrieg, hg. v.
Kraft, C., 2008
Geschlechtsvormundschaft → Vormundschaft, Frau
Lit.:
Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG GA 116 (1999), 119
Geschmacksmuster ist
das ästhetisch wirkende gewerbliche Muster oder Modell, das durch Gesetz
zugunsten des Urhebers besonders geschützt ist. Seine Anfänge gehen auf
Zunftordnungen in Florenz (1418), Genf (1432), Flandern und Burgund zurück.
Staatliche Regelungen werden im 18. Jh. in Frankreich (1711, 1744) und England
(1787) erlassen. Eine Unterscheidung zwischen Kunstwerk und G. findet
Frankreich (1787, 1806). In Deutschland wird am 11. 1. 1876 das Geschmacksmustergesetz
geschaffen.
Lit.: Schmid, P., Die Entwicklung des Geschmacksmusterschutzes,
1896; Werner, H., Die Geschichte des deutschen Geschmacksmusterrechtes, Diss.
jur. Erlangen 1954
Geschworener (lat.
[M.] iuratus) ist der Mensch, der einen Schwur (→ Eid) abgelegt hat (,
eine Handlung rechtmäßig auszuführen). Geschworene treten im römischen Recht
und auch im Frühmittelalter im deutschen Recht auf. Insbesondere Inhaber eines
Amtes müssen einen Eid leisten, ihr Amt rechtmäßig auszuüben (z. B. Richter,
Schöffe, Bürgermeister, Ratmann). Im 19. Jh. wird das → Schwurgericht
mit besonderen Geschworenen besetzt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 11; Köbler, DRG 263; Biener, F.,
Beitrag zur Geschichte des Inquisitionsprozesses und der Geschworenengerichte,
1827, Neudruck 1965; Gneist, R. v., Die Bildung der Geschworenengerichte in
Deutschland, 1849, Neudruck 1967; Mayer, E., Geschworenengericht und
Inquisitionsprozess, 1916; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Behrends, O., Die römische Geschworenenverfassung, 1970; Kleinz, A.,
Individuum und Gemeinschaft in der juristischen Germanistik, 2001
Geschworenengericht ist in Österreich bis 1993 das Gericht, in dem seit
18. 5. 1848 Laien (Geschworene, zunächst nur in Pressedelikten, in sonstigen
Delikten 17. 1. 1850, 1852 abgeschafft, wiedereingeführt für Pressedelikte mit
Gesetz vom 9. 3. 1869, allgemein ab 23. 5. 1873) allein über die Schuldfrage
zu entscheiden haben (aufgehoben vom 19. 6. 1934-22. 11. 1950).
Lit.:
Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004
Geselle ist ursprünglich der Mensch, der im selben Raum lebt. Im 18. Jh. wird G. zur Bezeichnung des Handwerkers, der nach einer Lehrzeit eine Prüfung bestanden hat und noch nicht Meister ist.
Lit.: Köbler, WAS; Schanz, G., Zur Geschichte der deutschen
Gesellenverbände, 1877; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und
Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Reininghaus, W., Die Entstehung der
Gesellengilden im Spätmittelalter, 1981; Historische und rechtshistorische
Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde, hg. v. Jankuhn, H. u.
a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Wesoly, K.,
Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985
Gesellschaft ist
die Gesamtheit von Menschen, insbesondere im Privatrecht die Vereinigung
mehrerer Menschen (ausnahmsweise nach neuerer Entwicklung auch die Tätigkeit
eines einzigen Menschen) durch Rechtsgeschäft zur Erreichung eines
(gemeinsamen) Zweckes. Im altrömischen Recht schließt sich die G. an die Hauserbengemeinschaft
(lat. [N.] → consortium, ohne persönliche Haftung der Gesellschafter) an.
Daneben entwickelt sich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ein
formfreier Zusammenschluss zu gemeinschaftlichen Handelsunternehmungen. Aus beiden
entsteht die G. (lat. [F.] → societas). Wohl auch im Anschluss an die
Miterbengemeinschaft bilden sich im Hochmittelalter vertragliche Zusammenschlüsse
zu Handelszwecken unterschiedlicher Ausgestaltung (stille G., offene G.,
beschränkte Haftung, unbeschränkte Haftung, Mitarbeit, Kapitaleinsatz,
wahrscheinlich persönliche Haftung des Gesellschafters, erstmals jedenfalls
angeordnet in Stadtrechtsreformationen). Hieraus werden allmählich die offene
Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die stille G. Nach
Entdeckung der neuen Welt bewirken hoher Kapitalbedarf und großes Risiko die
Ausbildung der → Aktiengesellschaft (Anfang 17. Jh.). In den
Kodifikationen zwischen 1794 und 1811 wird das Gesellschaftsvermögen zum
eigenen Haftungsvermögen. Im 19. Jh. wird das Recht der G. genauer geregelt
(Code de commerce, ADHGB 1861). 1892 wird durch Gesetz eine besondere →
G. mit beschränkter Haftung geschaffen. Die Grundform der nichtrechtsfähigen
G. wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) als → Gesamthand
ausgestaltet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird zunächst bei der G. mit
beschränkter Haftung die → Einmanngesellschaft zugelassen, 2001 die
Teilrechtsfähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit einer
bürgerlichrechtlichen Außengesellschaft anerkannt.
Lit.: Kaser § 43; Hübner § 41; Köbler, DRG 14, 17, 29, 45,
46, 51, 64, 67, 98, 121, 135, 146, 167, 176, 207, 225, 252; Köbler, WAS;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 801; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895, Neudruck
1968; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1898; Silberschmidt,
W., Beteiligung und Teilhaberschaft, 1915; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique
des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lutz, E., Die rechtliche Struktur
süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Servos, R., Die
Personenhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln
1984; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19.
Jahrhundert, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 107;
Misera, K., Klagen manente societate, FS R. Nirk, 1992, 697; Reiter, H., Die
Handelsgesellschaft Villeroy & Boch, 1992; Cordes, A., Stuben und
Stubengesellschaften, 1993; Gall, L., Von der ständischen zur bürgerlichen
Gesellschaft, 1993; Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit,
1997; Cordes, A., Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998;
Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, Diss. jur.
Bonn 2000; Hofmeister, J., Die Entwicklung des Gesellschafterwechsels, 2002;
Thomas, F., Die persönliche Haftung von Personengesellschaftern, 2003;
Meissel, F., Societas, 2004; Weiss, M., Rechtsfähigkeit, Parteifähigkeit und
Haftungsordnung der BGB-Gesellschaft, 2005; Politische Vereine, Gesellschaften
und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2005;
Jahntz, K., Privilegierte Handelscompagnien in Brandenburg und Preußen, 2006;
Hasselmann, N., Die Lehre Ulmers zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2007;
Oechsler, J., Die Geschichte der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, NJW
2008, 2471
Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die einfacher gestaltete, rechtsfähige Kapitalgesellschaft,
die 1892 im Deutschen Reich (Österreich 6. 3. 1906) durch besonderes Gesetz
geschaffen wird und die im 20. Jh. beachtliche Verbreitung erfährt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 218, 272; Schubert,
W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12
(1982/3), 589; Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über
Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, hg. v. Schubert, W., 1985;
Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Ausschuss für GmbH-Recht, 1986; Stroth,
R., Das Recht der GmbH, Diss. jur. Tübingen 1991; Koberg, P., Die Entstehung
der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Stupp, M., GmbH-Recht im
Nationalsozialismus, 2002; Kalss, S./Eckert, G., Zentrale Fragen des
GmbH-Rechts, 2005
Gesellschafter ist
das Mitglied einer (wirtschaftlichen) →Gesellschaft.
Gesellschaftsrecht ist die Gesamtheit der (handelsrechtliche) → Gesellschaften betreffenden Rechtssätze. Das G. verselbständigt sich als besonderes Rechtsgebiet seit dem 19. Jh.
Lit.: Adler, K., Zur Entwicklungslehre und Dogmatik des
Gesellschaftsrechts, 1895; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16.
Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2969; Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, hg. v.
Crone, H. v. d., 2003; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v.
Gepken-Jager, E. u. a., 2005; Wörner, B., Adelbert Düringers Einfluss als
Richter am Reichsgericht, 2007; Hein, J. v., Die Rezeption US-amerikanischen
Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008
Gesellschaftsvertrag ist
politisch der von den Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zur Beseitigung
des Kampfes aller gegen alle (idealtypisch) geschlossene Vertrag (Jean Jacques →
Rousseau, [frz.] contrat [M.] social), durch den sich jeder Einzelne
verpflichtet, sich dem allgemeinen, auf das allgemeine Wohl ausgerichteten
Willen zu unterwerfen, privatrechtlich der zwischen den Gesellschaftern einer →
Gesellschaft abgeschlossene Vertrag.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 191; Crezelius, G., Neuzeitliche
Gesellschaftsverträge, 1987
Gesetz ist die
abstrakte und allgemeine, in einem festgelegten Verfahren durch Festsetzung
geschaffene rechtliche Regelung. Sein Kern ist die bewusste Festsetzung eines
Inhaltes durch besondere Handlung. Als G. erscheint - (nach dem Codex
Urnammu des Königs Urnammu von Lagusch
[Ur, um 2100 v. Chr.] und dem Codex des babylonischen Königs → Hammurapi
[1728-1686 v. Chr. ],) nach den Festsetzungen → Lykurgs, → Solons
und → Drakons in griechischen Stadtstaaten sowie nach sagenhaften
römischen Königsgesetzen - in Rom 451/450 v. Chr. in das →
Zwölftafelgesetz (lat. lex [F.] duodecim tabularum). In der Folge gibt es
zahlreiche römische, jeweils nach ihrem Urheber benannte Einzelgesetze (→
lex). Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) greift der Herrscher (Prinzeps,
Kaiser) vielfach zur Festsetzung (lat. [F.] constitutio), um das Recht zu
gestalten. Dabei werden am Ende des Altertums umfassende, älteres Recht aber
nur kompilierende Gesetzbücher (lat. [M.Pl.] codices) in Kraft gesetzt (→
Codex Theodosianus, → Codex). Demgegenüber ist bei den Germanen die
Setzung von Recht wohl selten. Die fränkischen Herrscher schließen deshalb in
Konstitutionen und Kapitularien eher an römische Vorbilder an. Im 12. Jh. tritt
der Setzungsgedanke wieder hervor (→ Landfriede). Er bleibt im Heiligen
römischen Reich aber wegen der Schwäche des Königs bzw. Kaisers und der damit
verbundenen Schwerfälligkeit des Gesetzgebungsverfahrens eher Ausnahme.
Dagegen wird der absolutistische Landesherr vielfach gesetzgeberisch tätig. Die
gewichtigsten Zeugnisse dieses Wirkens sind die → Polizeiordnungen, →
Reformationen und vor allem die naturrechtlichen Gesetzbücher (→
Kodifikationen) der Wende vom 18. zum 19. Jh. ([Bayern 1751-1756], preußisches
Allgemeines Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811/1812). Mit dem 19. Jh. beginnt eine
noch immer steigende, vom Rechtsstaatsgedanken und der beachtlichen Vergütung
der gesetzgeberischen Tätigkeit der Abgeordneten und ihrer Gehilfen nicht
unwesentlich beeinflusste Gesetzesflut.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 4, 6, 31, 50,
52, 78, 101, 138, 181, 189, 199, 254; Köbler, WAS; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 863; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre,
1924; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Ebel, W., Geschichte
der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Böckenförde,
E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Kopp, H., Inhalt und Form der
Gesetze, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960;
Kirschenmann, D., „Gesetz“ im Staatsrecht und in der Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus,
1970; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975;
Genicot, L., La Loi, 1977; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und
verwaltungsinterne Gesetzgebung, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 601;
Berman, H., Law and Revolution, 1983; Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht
als Grenze der Gesetzgebung im neunzehnten Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104;
Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a.,
1987; Karpen, U., Entwicklung des Gesetzesbegriffes in Deutschland, Gedächtnisschrift
W. Martens, 1987; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz (1919-79), ZRG GA 106
(1989), 46; Das Gesetz in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Sellert, W.,
1992; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Nomos und
Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit,
1996; Schilling, L., Gesetzgebung im Frankreichs Ludwigs XIII., Ius commune 24
(1997), 91; Simon, T., Krise oder Wachstum?, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler,
G. u. a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v.
Dölemeyer, B. u. a., 1998; Weber, R., Das Gesetz bei Philon von Alexandria und
Flavius Josephus, 2001; Igwecks, T., Die drei Lesungen von Gesetzen im
deutschen Bundestag, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen
Republik, 2003; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003;
Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes,
2004; Schröder, J., Gesetz und Naturgesetz in der frühen Neuzeit, 2004; Gesetz
und Vertrag, hg. v. Behrends, O. u. a., 2004ff.; Schilling, L., Normsetzung in
der Krise, 2005; Alexandrino Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des
Gesetzes, 2005 Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; Vec,
M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006; Der biblische
Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O., 2006; Schennach, M., Zuschreiben von
Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133; Transformation des Gesetzesbegriffs im
Übergang zur Moderne? hg. v. Walther, M. u. a., 2008
Gesetzblatt ist das
amtliche Druckwerk, in dem Gesetze (und Rechtsverordnungen) zu veröffentlichen
sind (z. B. Frankreich 4. 12. 1793 Bulletin des lois de la république, Bayern
1799 Kurbayrisches Regierungs- und Intelligenzblatt, Baden 1803 Kurfürstliches
Regierungsblatt, Württemberg 1807 Königlich württembergisches Staats- und
Regierungsblatt, Westphalen 1807, Großherzogtum Hessen 1808 Großherzoglich
Hessische Zeitung, Preußen 1810 Gesetzessammlung, Mecklenburg-Schwerin 1812,
Oldenburg 1814, Hannover 1818, Sachsen 1818, Österreich 1. 10. 1849 Allgemeines
Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaisertum Ö., Schleswig-Holstein
1849).
Lit.: Silvestri, G., Die deutschsprachigen Gesetzblätter
Österreichs, 1967; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und verwaltungsinterne
Gesetzgebung in Preußen vor der Kodifikation, Gedächtnisschrift H. Conrad
1979, 601; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003
Gesetzbuch ist das
umfassende Gesetz. Es findet sich bereits im Altertum (Codex Theodosianus,
Codex Justinianus). Danach erscheint es wieder in der frühen Neuzeit (z. B.
ALR, Code civil, ABGB usw.).
Lit.: Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch,
2003
Gesetzesauslegung →
Auslegung, → Interpretation, → Gesetz
Lit.: Wesel, U., Rhetorische Statuslehre und
Gesetzesauslegung der römischen Juristen, 1967; Pauly, S., Organisation,
Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen
Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987
Gesetzespositivismus ist
die Form des Positivismus im Recht, die im letzten Drittel des 19. Jh.s das
Recht allein auf das den Volkswillen verkörpernde → Gesetz gründet. Der
G. geht davon aus, dass das ordnungsmäßige Zustandekommen des Gesetzes Willkür
ausschließt und Gerechtigkeit gewährleistet. Deshalb bindet er den Richter fest
an das Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler,
DRG 189
Gesetzessammlung,
Gesetzsammlung, ist die Zusammenstellung von einzelnen Gesetzen zwecks
Vermehrung der Rechtssicherheit. Sie erfolgt im Altertum zunächst privat (→
Codex Gregorianus 294, → Codex Hermogenianus) und danach im besonderen
Gesetzbuch (→ Codex Theodosianus, → Codex). Auch in der Neuzeit
erweisen sich teils amtliche, teils private Gesetzessammlungen als notwendig
oder sinnvoll.
Lit.: Köbler, DRG 181; Codex Austriacus, 1704, 1748, 1752,
1777; Justizgesetzsammlung (Österreichs), 1780-1848; Politische Gesetzsammlung
(Österreichs) 1793-1848; Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg.
v. Triepel, H., 5. A. 1931
Gesetzessprecher ist
der für Island (930-1262/1271) gesicherte bzw. abgeändert auch für Norwegen (um
1100) und Schweden wahrscheinliche, auf Zeit oder Lebenszeit gewählte
Rechtskundige, der in der Volksversammlung (→ Ding) das Recht mündlich
vorträgt. Die Herkunft des Gesetzessprechers ist unbekannt. In Island
verschwindet der G. im 13. Jh. wieder.
Lit.: Köbler, DRG 70; Maurer, K., Das Alter des
Gesetzessprecheramtes in Norwegen, FG L. Arndt, 1875, 1; Schröder, R.,
Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215;
Lehmann, K., Zur Frage nach dem Ursprunge des Gesetzsprecheramtes, ZRG GA 6
(1885), 193; Haff, K., Der germanische Rechtssprecher als Träger der
Kontinuität, ZRG GA 66 (1948), 364; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72
(1955), 34; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 44, 82, 107, 195
Gesetzesumgehung →
Umgehungsgeschäft
Lit.: Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung,
1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004
Gesetzgeber ist der
Urheber eines → Gesetzes. In monarchisch geprägten Zeiten ist dies der →
Monarch (z. B. Augustus, Diokletian, Justinian), in demokratisch strukturierten
Gesellschaften das → Parlament als die Vertretung des Volkes.
Lit.: Kleeberger, W., Die Aufgaben der bayerischen
Gesetzgebung in der Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. München
1958; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959),
173; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Hesse, H., Gesetzgeber und
Gesetzgebung in Bayern 1848-1870, 1984; Kipper, E., Johann Paul Anselm
Feuerbach, 2. A. 1989; Kummerer, C., Der Fürst als Gesetzgeber in den
lateinischen Übersetzungen von Averroes, 1989; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter,
Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Miersch, M., Der
sogenannte réferé législatif. Eine Untersuchung zum Verhältnis Gesetzgeber,
Gesetz und Richtermat, 2000
Gesetzgebung ist
die Schaffung eines (formellen) → Gesetzes. Sie ist im Altertum in
erheblichem Umfang üblich. Im Frühmittelalter ist sie möglich. Im Hochmittelalter
wird sie verstärkt aufgegriffen. Dabei entsteht im Umkreis der
oberitalienischen Städte auf der Grundlage der von der Scholastik aufgenommenen
Politik des Aristoteles die erste Gesetzgebungslehre, welche die Gesetzgebung
in die Mitte der Regierungstätigkeit des Fürsten stellt, aber nördlich der
Alpen erst am Ausgang des Mittelalters wirksam wird. Die größte Bedeutung
erlangt die G. seit dem Absolutismus und der Aufteilung der Gewalten sowie der
Anerkennung des Rechtsstaats. Ab 1888 entwickelt sich in Deutschland eine
eigenständige Methodenbewegung legislative Rechtswissenschaft (Rudolf
Stammler), seit etwa 1970 eine Gesetzgebungslehre.
Lit.: Köbler, DRG 191; Niese, H., Die Gesetzgebung der
normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hartz, W., Die Gesetzgebung
des Reichs und der weltlichen Territorien in der Zeit von 1495-1555, Diss.
phil. Marburg, 1931; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland,
1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und
Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Gagnér, S., Studien zur Geschichte der
Gesetzgebung, 1960; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und
althellenischen Gesetzgebung, 1963; Wolf, A., Typen der Gesetzgebung im
Mittelalter, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code en
Europe occidentale, 1967; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation im
späten Absolutismus, HZ 208 (1969), 265; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser
Friedrichs II., 1975; Ziller, G., 30 Jahre Bundesgesetzgebung, (in) Bulletin
der Bundesregierung 11. September 1979, Nr. 103, 960; Kussmaul, P., Pragmaticum
und lex, 1981; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen
Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Kocher, G., Zur Funktion der Gesetzgebung
im 18. Jahrhundert, (in) Das achtzehnte Jahrhundert, Bd. 1 1983, 44; Jakobs,
H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Stolleis, M.,
Condere leges et interpretari. Gesetzgebungsmacht und Staatsbildung im 17.
Jahrhundert, ZRG GA 101 (1984), 89; Gesetzgebung als Faktor der
Staatsentwicklung, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz als Grundlage
der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat, 1985; Renaissance du pouvoir
législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Gesetzgebung und
Dogmatik, hg. v. Behrends, O. u. a., 1989; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa
1100-1500, 2. A. 1996; Simon, T., Krise oder Wachstum? FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag,
1996; Gesetz und Gesetzgebung in der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u.
a., 1998; Legislation und Justice, hg. v. Padoa Schioppa, A. u. a., 1995;
Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in
Deutschland, 2001; Prudentia legislatoria, hg. v. Maier, H. u. a., 2003;
Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003; Mertens, B.,
Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Schwieger, C.,
Volksgesetzgebung in Deutschland, 2005; Emmenegger, S., Gesetzgebungskunst,
2006; Gesetzgebung in antiken Gesellschaften - Israel, Griechenland, Rom, hg.
v. Burckhardt, L. u. a., 2007
gesetzlich (Adj.) auf Gesetz
beruhend, Gesetz
betreffend
Gesetzlicher Richter ist der vom Gesetz durch allgemeine Regeln festgelegte zuständige Richter. Mit dieser Einrichtung soll im Rechtsstaat unlauterer persönlicher Einflussnahme vorgebeugt werden. Nach älteren, bis ins Mittelalter (Kirchenrecht C. 2. q. 1. c. 7) zurückreichenden Ansätzen wird sie (unabhängig vom modernen Rechtsstaatsbegriff) im Deutschen Bund in den Verfassungen des 19. Jh.s verwirklicht (Baden 1818 ordentlicher Richter, Hessen 1820 g. R.).
Lit.: Köbler, DRG 200; Kern, E., Der gesetzliche Richter,
1927; Scupin, H., Der gesetzliche Richter im Bonner Grundgesetz, Diss. jur. Tübingen
1963; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Müßig, U., Der gesetzliche
Richter ohne Rechtsstaat?, 2007
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die Bindung der Tätigkeit der staatlichen
Verwaltungsbehörden an rechtliche Vorschriften. Die G. d. V. wird erstmals
1810 von W. J. Behr zur Verhinderung übermäßiger Einschränkungen der
menschlichen Handlungsfreiheit eingefordert (System der allgemeinen
angewandten Staatslehre).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199
Gesinde ist die
Gesamtheit der in einem Hauswesen beschäftigten und der Personalgewalt des
Hausvaters unterstehenden Dienstboten (um 1800 10% der Bevölkerung). Zu
unterscheiden ist dabei zwischen unfreiem und freiem G. Für das unfreie G.
gelten zunächst die allgemeinen Regeln der → Grundherrschaft. Für das
freie G. entwickeln sich in den Städten im Spätmittelalter besondere
Gesindevorschriften (z. B. Freiberg um 1300). Im 18. Jh. werden im Heiligen
römischen Reich zahlreiche Gesindeordnungen erlassen und werden dann auch in
Kodifikationen allgemeine Regeln festgelegt.
Lit.: Köbler, DRG 127; Köbler, WAS; Hertz, G., Die
Rechtsverhältnisse des freien Gesindes, 1881, 2. A. 1935; Kähler, W.,
Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland, 1896; Lennhoff, E., Das ländliche
Gesindewesen in der Kurmark Brandenburg, 1906; Könnecke, O., Rechtsgeschichte
des Gesindes in West- und Süddeutschland, 1912, Neudruck 1970; Götsch, S.,
Beiträge zum Gesindewesen in Schleswig-Holstein zwischen 1740 und 1840, 1978;
Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, 1981; Haus und
Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984;
Schröder, R., Das Gesinde war immer frech und unverschämt, 1992; Dürr, R.,
Gesinde in der Stadt, 1995; Gesinde im 18. Jahrhundert, 1995; Dienstbotinen,
hg. v. Barth-Scalmani, G. u. a., 2007
Gesta (N.Pl.) municipalia
(lat.) sind im ausgehenden Altertum gemeindliche Verzeichnisse oder öffentliche
Akten.
Lit.: Hirschfeld, B., Die gesta municipalia, Diss. Marburg
1904; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977
Gestaltungsrecht
ist das Recht auf Gestaltung bzw. Änderung einer Rechtslage in einem fremden
Rechtsbereich durch eigene Handlung (z. B. einseitiges Rechtsgeschäft). Es geht
in seiner Entwicklung auf Savigny (anfechtbares Rechtsgeschäft), Windscheid
(1856), Brinz und Zitelmann zurück. Den Begriff Gestaltungsrecht prägt Emil
Seckel (1903).
Lit.: Steiner, R., Das
Gestaltungsrecht, 1984; Hattenhauer, C., Einseitige private Rechtsgestaltung,
2009
Geständnis (lat. [F.] confessio) ist das Eingestehen der Wahrheit einer von einem anderen behaupteten Tatsache durch einen Verfahrensbeteiligten. Das G. gehört, weil es weiteren Streit entbehrlich macht, schon in die Anfänge des Verfahrensrechts. Dort wird es später als Königin der Beweismittel angesehen. Seiner Erzielung dient vor allem vom 13. Jh. bis zum 18. Jh. die → Folter.
Lit.: Kaser § 84 I 2; Köbler, DRG 117; Beyerle, F., Das
Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1914, 400; Kleinheyer, G., Zur
Rolle des Geständnisses im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980,
367ff.
Gestapo (geheime
Staatspolizei) ist die aus meist fähigen und harten, dem Staat aus Überzeugung
dienenden, selbst vor brutalsten Maßnahmen nicht zurückschreckenden Polizisten
zusammengesetzte politische Polizei (z. B. im nationalsozialistischen Deutschen
Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weyrauch, W., Gestapo V-Leute,
1989; Gellately, R., Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, 2. A. 1994; Heuer,
H., Geheime Staatspolizei, 1995; Die Gestapo, hg. v. Paul, G. u. a., 1995;
Johnson, E., Nazi Terror, 1999; Stolle, M., Die Geheime Staatspolizei in Baden,
2001; Schmidt, S., Gestapo, Strafjustiz und „Kanzelmissbrauch“ in Südbayern
1933 bis 1939, 2002; Bornschein, J., Gestapochef Heinrich Müller, 2004; Dams,
C. u. a., Die Gestapo, 2008; Die Gestapo nach 1945, hg. v. Mallmann, K. u. a.,
2009
gestio (lat. [F.])
Betragen, Führung
Gesundes Volksempfinden ist im
Dritten Reich (1933-45) die der Ideologie entsprechende allgemeine Anschauung,
die als Korrektiv eines formaljuristisch gefundenen, dem →
Nationalsozialismus unannehmbar erscheinenden richterlichen Ergebnisses
verwendet wird.
Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ - eine
Erbschaft Savignys, ZRG GA 103 (1986), 199
Gesundheit ist der Zustand vollkommenen
Wohlbefindes eines Lebewesens. 1876 wird im Deutschen Reich als oberste
Reichsbehörde für das Medizinalwesen ein Kaiserliches Gesundheitsamt
gegründet (1918 Reichsgesundheitsamt, 1952 Bundesgesundheitsamt, 1994
aufgelöst zu Gunsten des Bundesinstituts für Infektionskrankheiten, des
Bundesinstituts für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und des
Bundesinstituts für Arzneimittel und medizinische Produkte).
Lit.: Möller, C.,
Medizinalpolizei, 2005; Grumbach, T., Kurmainzer Medicinalpolicey, 2006 (von
1650 bis 1803 etwa 240 landesherrliche „Gesetzte“); Hüntelmann, A., Hygiene im
Namen des Staates, 2008
Geteiltes Eigentum ist das (seit dem Hochmittelalter in Anlehnung an die im römischen Recht dem Erbpächter eröffnete [lat.] rei vindicatio [F.] utilis anerkannte,) an mindestens zwei in unterschiedlicher Stärke berechtigte Personen aufgeteilte „Eigentum“ (z. B. Obereigentum mit Anrecht auf Substanz, Untereigentum [neben Recht auf die Substanz vor allem Nutzung]). Es wird von Naturrecht, Liberalismus, Kant und vor allem von → Thibaut (1801) abgelehnt und zwar noch nicht vom Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und dem Allgemeinen Gesetzbuch Österreichs (1811/1812, § 357 ABGB, veraltet spätestens mit der Grundentlastung 1848), aber doch bereits vom Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) und vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ausgeschlossen. Es soll in veränderter Form im Vorbehaltseigentum, im Sicherungseigentum oder in der Wohnraummiete fortleben (str.).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pichler, J., Das geteilte
Eigentum im ABGB, ZNR 1986, 23; Krauss, F., Das geteilte Eigentum im 19. und
20. Jahrhundert, 1999; Lehmann, J., Sachherrschaft, 2004
Geverde (F.)
Gefahr, Gefährdung
Lit.: Gudian, G., Zur
rechtlichen Bedeutung der Formel „ane geverde“ im Spätmittelalter, ZRG GA 82
(1965), 333
Gewährleistung ist das Einstehen für die Mangelfreiheit (Freiheit von Sachmangel und Rechtsmangel) einer Sache oder eines Werkes. Sie findet sich bereits im römischen Kaufrecht (→ Wandelung, → Minderung, Entwerung). Entsprechend muss auch der Vermieter einstehen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird sie den einheimischen Grundsatz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ zurückdrängend übernommen.
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Köbler, DRG 46, 214; Lautner, J.,
Grundsätze des Gewährleistungsrechts, 1937; Jakab, E:, Praedicere und cavere
beim Marktkauf, 1997; Ernst, W., Neues zur Sachmängelgewährleistung, ZRG GA 116
(1999), 208; Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der Spruchpraxis des
preußischen Kammergerichts von 1794-1810, 2006
Gewährschaft ist
das Einstehen des Veräußerers einer Sache für den Fall, dass ein Dritter von
dem Erwerber die Sache herausverlangt. Im römischen Recht erhält der Erwerber
aus der (lat. [F.]) mancipatio das Recht, in einem solchen Fall den Veräußerer
als seinen (lat. [M.]) auctor zu prozessualer Beistandschaft zu veranlassen, um
die Sache gegen den Dritten zu verteidigen. Verweigert der Veräußerer die
Unterstützung oder erteilt er sie erfolglos, so dass der Dritte die Sache
erhält, so haftet der Veräußerer dem Erwerber auf den doppelten Kaufpreis.
Außerhalb der (lat. [F.]) mancipatio wird dieses Ergebnis durch eine
vertragliche Abrede auf Leistung des doppelten Kaufpreises erreicht. Im deutschen
Recht entwickelt sich im Frühmittelalter (str.) eine Gewährschaftsbürgschaft
und daraus eine allgemeine G.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577f.; Rabel, E., Die Haftung
des Verkäufers wegen Mangels im Recht, 1902; Gillis, F., Gewährschaftszug und
laudatio auctoris, 1911; Ullrich, G., Eine Urkunde über Gewährschaft nach
fränkischem Recht, ZRG GA 59 (1939), 269; Eckhardt, K., Gewährschaft und
Übereignung, Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937; Partsch, G.,
Zur Entwicklung der Rechtsmangelhaftung des Veräußerers, ZRG GA (1960), 87
Gewalt ist der
Einsatz von Kraft zur Erreichung eines Zieles sowie die Möglichkeit hierzu. Der
moderne Staat strebt das Gewaltmonopol an. Deswegen versucht er die G. des
Einzelnen möglichst auszuschließen. → väterliche Gewalt
Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 817; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981;
Buisson, L., Potestas und caritas, 2. A. 1982; Wenninger, L., Geschichte der Lehre
vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Richardi, H., Schule der Gewalt, 1983;
Willoweit, D., Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols, (in) Konsens
und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986, 313; Roth, A., Kollektive
Gewalt und Strafrecht, 1989; Die Gewalt in der Geschichte, hg. v. Sieferle, R.,
1998; Lacour, E., Schlägereien und Unglücksfälle, 2000; Violence in Medieval
Society, hg. v. Kaeuper, R., 2000; Ruff, J., Violence in early modern Europe
1500-1800, 2001; Töngi, C., Geschlechterbeziehungen und Gewalt, 2002; Gewalt,
hg. v. Bulst, N. u. a., 2004; Töngi, C., Um Leib und Leben, 2004; Hahn, J.,
Gewalt und religiöser Konflikt, 2004; A Great Effusion of Blood?, hg. v.
Meyerson, M. u. a., 2004; Gewalt im Mittelalter, hg. v. Braun, M. u. a., 2005;
Gewalt in der frühen Neuzeit, hg. v. Ulbrich, C. u. a., 2005;; Angenendt, A.,
Toleranz und Gewalt, 2006; Boari, M., La coercizione privata nella Magna
Glossa, 2007
Gewaltenteilung ist
die Aufteilung der staatlichen Hoheitsgewalt in mehrere sich gegenseitig
kontrollierende und beschränkende, von unterschiedlichen Menschen innegehabte
Gewalten. Die Vorstellung von der Notwendigkeit der G. entsteht unabhängig von
älteren Gedankengängen (z. B. Herodot, Plato, Aristoteles, Cicero) und Wirklichkeitsansätzen
(römische Republik) in der frühen Neuzeit als Folge der gegen den →
Absolutismus eines Monarchen gerichteten Aufklärung. Vielleicht schon vor 1690
entwickelt John → Locke (1632-1704) in England zur Sicherung der Freiheit
des Einzelnen die Trennung von ausführender Gewalt (executive power) und
gesetzgebender Gewalt (legislative power) (1690 Two Treatises of Government,
Zwei Abhandlungen über die Regierung). 1748 gestaltet dies Charles de Secondat
Baron de la Brède et de → Montesquieu (1689-1755) in die Dreiteilung
Exekutive, Legislative und Judikative um (De l’ésprit des lois, Vom Geist der
Gesetze). In Frankreich greifen dies 1789 die Déclaration des droits de l’homme
et du citoyen (Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte), am 16. 8. 1790 ein
besonderes Gesetz und 1791, 1795 und 1848 die Verfassungen auf. Im deutschen
Bereich übernehmen die meisten
Verfassungen der deutschen Einzelstaaten in ihren Text (nur) die Bestimmung,
dass alle Gesetze der Zustimmung des Landtages bedürftig seien, welche die
Freiheit oder das Eigentum der Staatsangehörigen betreffen. Später wird das
Gewaltenteilungsschema leitendes Ordnungsprinzip. In der Demokratie, in der
alle Gewalt vom Volk ausgeht, wird die G. verschiedentlich in Frage gestellt
(z. B. Volksdemokratie), hat aber auch hier als Schutz vor Missbrauch
tatsächliche Vorzüge.
Lit.:
Köbler, DRG 190, 197, 200; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 923;
Klimowski, E., Die englische Gewaltenteilungslehre bis zu Montesquieu, 1927;
Kägi, O., Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des
Gewaltenteilungsprinzips, 1937; Imboden, M., Montesquieu und die Lehre von der
Gewaltentrennung, 1959; Gewaltentrennung im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D.,
1989; Executive and Legislative Powers in the Constitutions of 1848-1849, hg.
v. Dippel, H., 1999; Pahlow, L., Justiz und Verwaltung, 2000; Máthé, G., Die
Problematik der Gewaltentrennung, 2004; Racky, M., Die Diskussion über
Gewaltenteilung und Gewaltentrennung im Vormärz, 2005; Maier, C.,
Gewaltenteilung bei Aristoteles, 2006
Gewaltverhältnis ist das von Gewalt bestimmte Verhältnis (z. B. zwischen
Allgemeinheit und Einzelnem).
Lit.:
Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982
Gewann ist die
vielleicht in der Grundherrschaft ausgebildete Unterteilung der Ackerflur des
mittelalterlichen Dorfes in Gruppen gleichförmiger und einheitlich zu
bewirtschaftender Streifen. Die Gewanne werden wegen ihrer gegenwärtigen
Unwirtschaftlichkeit durch die Flurbereinigung beseitigt.
Lit.: Haff, K., Gewann – Aas, ZRG GA 42 (1921), 465; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42
Gewedde
s. Gewette
Lit.: Ebel, F., Der
Traktat „Von gewedde, ZRG GA 99 (1982), 276
Gewerbe ist die erlaubte, auf Dauer und Gewinnerzielung (str.) gerichtete selbständige Tätigkeit. In Rom finden sich neben der Plantagenwirtschaft von Großgrundherren auch mit Hilfe von Sklaven betriebene Manufakturen für Textilien, Metallwaren und Keramik, die noch keinen Maschineneinsatz kennen. In den Wirren des 3. Jh.s n. Chr. verfällt die gewerbliche Produktion. Sie beginnt neu in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (z. B. Schmied, Töpfer, Weber), gelangt aber erst in der hochmittelalterlichen Stadt zu größerer Bedeutung. Dort wird das G. in der → Zunft organisiert und reglementiert. Im 19. Jh. löst der Liberalismus die Zwangsordnung auf und schafft die → Gewerbefreiheit, aber auch die staatliche Gewerbeaufsicht.
Lit.: Köbler, DRG 67, 78, 97, 134, 175, 225, 250;
Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899; Schulte, E., Das
Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Peterka, O., Das Gewerberecht
Böhmens im 14. Jahrhundert, 1909; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen
Weistümer, 1909; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Koehne, C.,
Gewerberechtliches in deutschen Rechtssprichwörtern, 1915; Heimpel, H., Das
Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der
gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Huber, H., Die Arbeitsverfassung im
Süderländer und Siegener Eisengewerbe, Diss. jur. Göttingen 1956; Kreutzberger,
E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar, 1959; Henning, F., Wirtschafts-
und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v.
Willoweit, D. u. a., 1982; Weyrauch, T., Städtische Amts- und Gewerbeordnungen,
1987; Reininghaus, W., Gewerbe in der frühen Neuzeit, 1990; Ziekow, J.,
Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Karl, M., Fabrikinspektoren in
Preußen, 1993; Kraushaar, M., Die Gewerbegerichte, (in) Arbeit und Recht, 1995,
313; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und
Immissionsschutzrecht von 1810 bis in die Gegenwart, 2000; Vorindustrielles
Gewerbe, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2004; Sack, R., Das Recht am
Gewerbebetrieb, 2007
Gewerbefreiheit ist
die Freiheit der gewerblichen Betätigung (Frankreich 1791, Preußen
1807/1810/1811/1845, England 1814, Dänemark 1849/1857, Österreich 1859). Sie
ist im Einzelnen im Deutschen Reich durch die → Gewerbeordnung von 1869
näher ausgestaltet.
Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3527; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983
Gewerbegericht ist das für Gewerberechtsstreitigkeiten
(Arbeitsrechtsstreitigkeiten) zuständige Gericht. Nach mittelalterlichen
Vorläufern innerhalb der Zünfte entstehen zu Beginn des 19. Jh.s auf deutschem
Boden besondere gewerbliche Fachgerichte, die aber von geringer Bedeutung
bleiben. In Frankreich gründet Napoleon für Lyon am 18. 3. 1806 einen Conseil
de Prud’hommes als Ausnahme von der ordentlichen Gerichtsbarkeit, was von 1809
an verallgemeinert wird und über das Rheinland und Elsass-Lothringen auch
Eingang im deutschsprachigen Raum findet. Die Gewerbeordnung Preußens von
1845 sieht für Streitigkeiten die Anrufung des Gemeindevorstehers vor, was die
Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes 1869 übernimmt. Am 29. 7. 1890 wird
ein Reichsgesetz betreffend Gewerbegerichte geschaffen. Die danach
eingerichteten Gewerbegerichte (Bayern etwa 80) erweisen sich nur als bedingt
erfolgreich und werden 1927 durch die Arbeitsgerichte (23. 12. 1926/1. 7. 1927)
abgelöst.
Lit.: Zimmermann, U.,
Die Entwicklung der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland, 2005
Gewerbeordnung ist die rechtliche Regelung des Rechts der → Gewerbe (z. B. Allgemeine preußische Gewerbeordnung vom 17. 1. 1845), insbesondere im Norddeutschen Bund das am 21. 6. 1869 geschaffene Gesetz.
Lit.: Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen
im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810 bis in die Gegenwart, 2000
Gewerbesteuer ist
die vom Gewerbeertrag zu leistende Steuer.
Lit.: Köbler, DRG 55; Heni, G., Historische Analyse und
Entwicklungen der Gewerbesteuer, 1991; Schnädter, H., Die Geschichte des
Gewerbesteuerrechts, Diss. jur. Köln 1993
Gewerblicher Rechtsschutz ist der gewerbliche Rechte betreffende Schutz durch die
Rechtsordnung. Er umfasst das Recht der Patente (Venedig 1474, England 1623/4,
Frankreich 1791), der Gebrauchsmuster (Deutschland 1871), der Geschmacksmuster
(Frankreich 1711, Deutschland 1876), der Zeichen (Deutschland 30. 11. 1874,
12. 5. 1894, 5. 5. 1936) und des unlauteren Wettbewerbs (Deutschland 12. 5.
1894, 7. 6. 1909).
Lit.: Zimmermann, P., Frühe Beispiele aus der Welt der
gewerblichen Eigentumsrechte, GRUR 69 (1969), 173; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4205; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und
seine gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Ausschüsse für den gewerblichen
Rechtsschutz, hg. v. Schubert, W., 1999; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der
Wirtschaft, 2008
Gewere ist im
mittelalterlichen deutschen Recht (der sachenrechtliche Vorgang [Einkleidung
eines Menschen mit einer Sache oder einem Amt, lat. investitura] und) das (aus
diesem Vorgang erwachsende) Verhältnis eines Menschen zu einer Sache oder einem
Amt, kraft dessen der Träger vor allem rechtswidrige Zugriffe auf den
Gegenstand abwehren und den Gegenstand nach Wegnahme herausverlangen sowie
außerdem übertragen darf. Die G. gilt der herrschenden Meinung als urtümliche
Grundfigur des germanischen Sachenrechts. Wahrscheinlich wird sie aber im
spätantiken Kirchenrecht zur Sicherung gegenüber sich wandelnden Sachenrechtsverhältnissen
entwickelt. Sie wird formelhaft als Kleid (d. h. äußere Erscheinungsform) des
(als rein gedanklichen Gebildes unsichtbaren) Sachenrechtes (z. B. Eigentum an
einem Grundstück) beschrieben. Sie zeigt sich augenscheinlich beispielsweise im
Innehaben und Benutzen des Gegenstandes. Der Aufteilung des Sachenrechts auf
mehrere Berechtigte (z. B. Obereigentümer, Untereigentümer) entspricht die
Aufteilung in eine ideelle (unkörperliche) und eine leibliche (körperliche) G.
Der G. werden eine Offensivfunktion, eine Defensivfunktion und eine
Translativfunktion zugeschrieben. Durch Ausübung einer ursprünglich fehlerhaft
begründeten, auf Schein beruhenden G. während einer bestimmten Zeit ohne
gerichtliche Inanspruchnahme seitens des Berechtigten kann rechte G.
entstehen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem späten Mittelalter
wird das Wort G. durch das zu (lat. [F.]) possessio gebildete Wort Besitz
abgelöst, innerhalb dessen zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitz
unterschieden wird.
Lit.: Hübner 198, 430; Köbler, DRG 74, 90, 123, 162;
Köbler, WAS; Albrecht, W., Die Gewere, 1828; Heusler, A., Die Gewere, 1872;
Huber, E., Die Bedeutung der Gewere im deutschen Sachenrecht, 1894; Kiesel, K.,
Die Bedeutung der Gewere des Mannes am Frauengute für das Ehegüterrecht des
Sachsenspiegels, 1906; Bückling, G., Die Wechselwirkung gewererechtlicher und
fronungsrechtlicher Elemente im Liegenschaftsrecht des deutschen Mittelalters,
1911; Iterson, W. van, Der Ausdruck „mit allerschlachter Nut“ und sein
Zusammenhang mit der Gewere, ZRG GA 84 (1967), 310; Levy, E., The Law of
Property, 1975; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Laske,
W., Die Bedeutung des „Gewereanschreibens“ gemäß dem Tractatus de iuribus
incorporalibus von 1679, ZRG GA 93 (1976), 344; Ishikawa, T., Die Gewere im
Sachsenspiegel, FS H. Thieme, 1986, 59
Gewerkschaft ist der
Zusammenschluss von Menschen zu einem gewerblichen Zweck, insbesondere im
Arbeitsbereich der freiwillige Zusammenschluss von Arbeitnehmern zur Sicherung
und Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Im Bergrecht
ist die G. eine wohl im 13. Jh. aus älteren Arbeitsgenossenschaften gebildete
Gesellschaftsform ohne festes Grundkapital. Die vor dem Allgemeinen Berggesetz
für die preußischen Staaten vom 24. 6. 1865 gebildete ältere bergrechtliche G.
ist → Gesamthand (mit herkömmlich 128 Wertanteilen [Kuxen] am
Gesellschaftsvermögen), die G. neueren Rechts ist juristische Person mit
zwischen 100 und 10000 Kuxen. Im Arbeitsrecht bildet sich aus älteren
Gesellenvereinen die G. (engl. trade union) zuerst in England, wo sie durch
Gesetz (Combination Laws von 1799 bzw. 1800) bis 1824 verboten wird. In
Deutschland entwickelt sich die G. nach unbedeutenden Anfängen in der Mitte des
19. Jh.s als arbeitsrechtliche G. nach der Aufhebung gesetzlicher Vereinigungsverbote
(Sachsen 1861, Preußen 1867, Norddeutscher Bund 21. 6. 1869 [§ 152 I
Gewerbeordnung]). Sie ist regelmäßig nichtrechtsfähiger → Verein. 1868
entsteht ein allgemeiner deutscher Arbeiterschaftsverband (von 12 sog. freien
Gewerkschaften), 1869 ein Verband der deutschen Gewerkenvereine. 1890 gründen
die freien Gewerkschaften die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands
(1919 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund). 1894 entwickeln sich
christliche Gewerkschaften. Nach Auflösung der freien Gewerkschaften und
Einbeziehung der übrigen Gewerkschaften in die Deutsche Arbeitsfront im Dritten
Reich (1933-1945) wird 1949 in der Bundesrepublik der Deutsche
Gewerkschaftsbund mit (16) Einzelgewerkschaften gegründet, dem die Deutsche
Angestelltengewerkschaft und der Deutsche Beamtenbund zur Seite stehen. Seit
dem ausgehenden 20. Jh. verlieren die (zumindest mittelbar Herstellungskosten
steigernden und damit Arbeitslosigkeit verursachenden) Gewerkschaften
Mitglieder und Einfluss.
Lit.: Hübner 312; Köbler, DRG 167, 177, 218, 24; Gierke, O.
v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954, 971; Deutsch,
J., Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Bd. 1f. 1908ff.;
Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Jühe,
R./Niedenhoff, H./Pege, W., Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland,
2. A. 1982; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Schulte
Beerbrühl, M., Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, 1991; Schneider, M., Kleine
Geschichte der Gewerkschaften, 2. A. 2000; Stadtland, H., Herrschaft nach Plan
und Macht der Gewohnheit, 2001; Zwickel, K., Geben und Nehmen, 2005
Gewette (Gewedde) ist in Ostfalen
(Sachsenspiegel) im Hochmittelalter die vom Täter an den Richter zu erbringende
Leistung, die neben der Leistung an den verletzten Kläger steht. →
fredus, Bann
Lit.: Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898,
196
Gewicht → Maß
Lit.: Mulsow, H., Maß
und Gewicht der Stadt Basel, 1910
Gewissensfreiheit ist
die Freiheit der Gewissensbildung wie der Gewissensbetätigung. Sie wird in
Frankreich um 1600 erkannt. Sie wird fester Bestandteil der →
Grundrechte.
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Gewohnheit
Lit.: Buchda, G.,
„Gewohnheiten“ in der Pößnecker Schöffenspruchsammlung, ZRG GA 78 (1961), 64
Gewohnheitsrecht ist das durch langdauernde Übung in der Überzeugung, damit recht zu handeln, von dem Beteiligten geschaffene Recht. Vermutlich erwachsen die ersten Rechtssätze allgemein aus Gewohnheiten und entsteht erst zusätzlich hierzu die bewusste Setzung von Recht durch → Gesetz. In Rom wird in der Spätantike neben der kaiserlichen Konstitution auch die von Kaiser Konstantin (319) noch bekämpfte Gewohnheit (lat. [M.] mos, [F.] consuetudo) als Quelle neuen Rechtes anerkannt. Im Mittelalter wird das partikuläre G. zusammen mit einzelnen Gesetzen in → Volksrechten und Rechtsbüchern (→ Landrechten) aufgezeichnet. In der Neuzeit ist das G. als ausschließliches Erzeugnis des Volkes dem Gesetz zunächst noch gleichwertig, wird aber ab etwa 1650 dem Gesetzgeber unterstellt, so dass zu seiner Entstehung die (vermutetete) Zustimmung des Gesetzgebers erforderlich ist. Im 18. Jh. verlegt man zwar den Entstehungsgrund des Gewohnheitsrechts wieder allein in das Volk zurück, indem man den gesetzlichen Vorschriften ein allgemeines Einverständnis des Gesetzgebers entnimmt, doch wendet sich der absolute Staat mit seiner Gesetzgebung (Kodifikation) gegen das G. (vgl. Einl. § 60 zum ALR, § 10 ABGB). Auch der liberale Rechtsstaat des 19. Jh.s bevorzugt trotz der abweichenden Einschätzung durch die (eigentlich auf das wissenschaftliche Recht zielende) → historische Rechtsschule das Gesetz. Dennoch gibt es noch in der Gegenwart gewohnheitsrechtliche Rechtsbildung (z. B. auch Völkergewohnheitsrecht).
Lit.: Köbler, DRG 4, 52, 101, 142, 185, 227, 254; Puchta,
G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Brie, S., Die Lehre vom
Gewohnheitsrecht, 1899; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA
59 (1939), 52; Smidt, J. de, Rechtsgewoonten, 1954; Schmiedel, B., Consuetudo
im klassischen und nachklassischen römischen Recht, 1966; Köbler, G., Zur
Frührezeption der consuetudo in Deutschland, Hist. Jb. 89 (1969), 337; Fürst,
C., Zur Rechtslehre Gratians, ZRG KA 57 (1971), 276; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Diestelkamp, B., Das Verhältnis
vom Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme, 1977, 1;
Gilissen, J., La coutume, 1982; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992; Overdijk, D., De gewoonte, 1999; Geyer, P., Das
Verhältnis von Gesetzes- und Gewohnheitsrecht in den privatrechlichen
Kodifikationen, Diss. jur. Göttingen 1998; Garré, R., Consuetudo, 2005; Maisel,
S., Das Gewohnheitsrecht der Beduinen, 2006; Meder. S., Ius non scriptum, 2008
Gewohnheitsverbrechergesetz
Lit.: Müller, C., Das Gewohnheitsverbrechergesetz, 1997
Gibraltar ist die an der Südspitze Spaniens gelegene Kronkolonie Großbritanniens (6,5 Quadratkilometer, 27100 Einwohner). G. hat seinen Namen (Felsen des Tarik) von dem 711 n. Chr. hier eine Befestigung anlegenden arabischen Feldherrn Tarik. 1462 wird G. von Spanien zurückerobert und 1704 von England besetzt. Dementsprechend ist sein Recht nacheinander islamisch, spanisch und englisch beeinflusst.
Gierke, Otto von
(Stettin 11. 1. 1841-Berlin 10. 10. 1921), Sohn des Stadtsyndikus von Stettin,
wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg und nach der Promotion
(1860, Homeyer) und Habilitation in Berlin (1867, Beseler) Professor in Breslau
(1871), Heidelberg (1884) und Berlin (1887). In seiner mehrbändigen,
unvollendeten Untersuchung Das deutsche Genossenschaftsrecht (Bd. 1ff.
1868ff.) unternimmt er den Versuch der Ermittlung der großen Entwicklungslinien
der Geschichte der menschlichen Verbände, in seinem unvollständigen deutschen
Privatrecht (Bd. 1ff. 1895ff.) den Versuch der umfassenden Darstellung der
deutschen Privatrechtsentwicklung aus deutschrechtlicher Sicht.
Rechtspolitisch beeinflusst er die Gestaltung des deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuches (1900) und des deutschen Rechtes in sozialrechtlicher Richtung
(Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1888/1889,
→ Gesamthand).
Lit.: Köbler, DRG 207; Festschrift Otto Gierke, 1911;
Stutz, U., Zur Erinnerung an Otto von Gierke, ZRG GA 43 (1922), VII (mit
Schriftenverzeichnis); Mogi, S., Otto von Gierke, 1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 543; Jobs, F., Otto von Gierke und das moderne
Arbeitsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1968; Janssen, A., Otto von Gierkes
Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1974; Mundt, H.,
Sozialpolitische Wertungen als methodischer Ansatz in Gierkes privatrechtlichen
Schriften, 1976; Otto Gierke, Associations and Law, hg. v. Heiman, G., 1977;
Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982;
Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht, 1979; Haack, T., Otto
von Gierkes Kritik, 1997; Pfennig, C., Die Kritik Otto von Gierkes, 1997;
Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Janssen, A., Die
bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts Otto von Gierkes, ZRG GA 122
(2005), 353
Gießen an der Lahn
ist seit 1607 Sitz einer (lutherischen) juristischen Fakultät.
Lit.: Hall, A., Die juristische Fakultät der Universität
Gießen im 17. Jahrhundert, Ludwigs-Universität, 1957, 1-16; Köbler, G.,
Gießener juristische Vorlesungen 1607-1982, 1982; Köbler, G., Zur Herkunft der
Gießener Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, FS W. Mallmann, 1978, 117;
Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Chroust, P., Gießener
Universität und Faschismus, 1994; Panorama 400 Jahre Universität Gießen, hg. v.
Carl, H. u. a., 2007; Rechtswissenschaft im Wandel, hg. v. Gropp, W., 2007
Gilde ist die
Vereinigung mehrerer Menschen zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Zwecken im mittelalterlichen nördlichen Europa. Eine G. wird erstmals 688-726
in England als Empfänger von → Wergeld erwähnt. In Skandinavien erscheint
die G. im 12. Jh. Im Hochmittelalter bilden die Gewerbetreibenden Gilden. In
der Neuzeit verliert die G. an Bedeutung und beschränkt sich seit der
Gewerbefreihet des 19. Jh.s auf die Brauchtumspflege (z. B. Schützengilde). →
Zunft
Lit.: Köbler, DRG
121; Köbler, WAS; Wilda, W., Das Gildenwesen im Mittelalter, 1831, Neudruck
1964; Pappenheim, M., Die altdänischen Schutzgilden, 1885; Nitzsch, K., Die
niederdeutsche Kaufgilde, ZRG GA 13 (1892), 1; Nitzsch, K., Die
niederdeutschen Verkehrseinrichtungen neben der alten Kaufgilde, ZRG GA 15
(1894), 1; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG
Anton Hagedorn, 1906, 25; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51
(1931), 132; Weider, M., Das Recht der deutschen
Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Engemann, H., Die Gilden der Stadt
Goslar, 1957; Black, A., Guilds, 1984; Gilden und Korporationen, hg. v.
Friedland, K., 1984; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Anz, C.,
Gilden im mittelalterlichen Skandinavien, 1998; Maniatis, G., The Guild System
in Byzantium and Medieval Western Europe, Byzantion 76 (2006), 463
Giphanius (van
Giffen), Hubert (Buren 1533/4-Prag 1604) wird nach dem Studium in (Löwen,)
Orléans, Bourges, Paris und Orléans teils gefeierter, teils umstrittener
Professor in Straßburg (1570), Altdorf (1583) und Ingolstadt (1590) und 1599
Reichshofrat.
Lit.: Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter
Juristenfakultät, 1973, 134
Gladbach
Lit.: Gödde, K.,
Landesherrschaft und Stadtrechte in Gladbach bis 1609, Diss. jur. Bonn 1959
Gladiator
Lit.: Meijer, F., Gladiatoren, 2004
Glanvill, Ranulf de
(Suffolk um 1140?-Akkon 1190), aus normannischer (?), begüterter Familie, wird
1163 als Sheriff von Yorkshire (bis 1170) und 1173 als Sheriff von Lancashire
genannt und 1180 zum ersten Rechtsberater (lat. [M.] capitalis iustitiarius)
König Heinrichs II. von England erhoben. Seit dem 13. Jh. wird ihm der durch
mehr als 30 Handschriften überlieferte (lat.) Tractatus (M.) de legibus et
consuetudinibus regni Angliae (Treatise on the Laws and Customs of England,
Abhandlung von den Gesetzen und Gewohnheiten Englands) zugeschrieben, eine
kurze, klare, in einfachem Latein vielleicht zwischen 1187 und 1189 verfasste
Darstellung des englischen, von den Gerichten geformten Rechtes (Buch 1-13
Zivilklagen mit 76 Formularen eines königlichen writ [Buch 7 Erbrecht], Buch 14
Strafklagen), in dem die römischrechtlichen und kirchenrechtlichen Einflüsse
den Kern des einheimischen Rechtes
nicht berühren. Der Tractatus ist das älteste book of authority des → common law. Es wird von Henry de → Bracton benutzt.
Lit.:
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 188; Peter, H.,
Actio und writ, 1957, 20, 105; The Treatise on the Laws, hg. v. Hall, G., 1965;
Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988
Glarus ist das seit
1352 zur Eidgenossenschaft der Schweiz gehörige, 1803 als Kanton anerkannte
Gebiet an der Linth, das sich am 22. 5. 1887 eine Verfassung gibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stucki, F., Beiträge zur
Geschichte des Landes Glarus, 1936; Liebeskind, W., Stab und Stabgelübd im
Glarner Landrecht, 1936; Zweifel, E., Johann Jakob Blumer und das glarnerische
bürgerliche Gesetzbuch (Diss. jur. Zürich 1965), 1966; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Rechtsquellen des Kantons Glarus, hg. v. Stucki,
F., Bd. 1ff. 1983ff.; Schießer, F., Entstehung und Inhalt der Verfassung des
Kantons Glarus, Jb. d. hist. Ver. d. Kantons Glarus 71 (1986)
Glaser, Julius
(bzw. Josua) (Postelberg 19. 3. 1831-Wien 26. 12. 1885), Kaufmannssohn, wird
1856/60 Strafrechtsprofessor in Wien und erarbeitet als liberaler
Justizminister (1871-1879) die österreichische Strafprozessordnung des Jahres
1873.
Lit.: Unger, J., Julius Glaser, 1885; Sinzheimer, H.,
Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, (1938) 1953, 127; Juristen
in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 184
Glasgow in
Schottland erhält um 548 eine erste Kirche. 1136 wird es Sitz eines Bischofs.
Sein Marktrecht von 1189 wird 1689 in Stadtrecht umgewandelt. 1451 bzw. 1796
entstehen zwei Universitäten.
Lit.: Durkan,
J./Kirk, J., The
Glatz
Lit.: Schubert, F., Das
älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250
Glaubensfreiheit ist die Freiheit, einen eigenen religiösen Glauben zu bilden und dafür zu werben. Sie ist z. B. durch Art. 14 I des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (1867 in Österreich, Art. 63 II Friedensvertrag von Saint Germain öffentliche Religionsausübung, 1949 Europäische Menschenrechtskonvention Schutz für nichtreligiöse Weltanschauungen) und Art. 135 der Weimarer Reichsverfassung geschützt. → Religionsfreiheit
Gläubiger (lat.
[M.] → creditor) ist der aus einem Schuldverhältnis zu einer Leistung
Berechtigte. Er ist bereits dem römischen Recht allgemein bekannt. Wird er
benachteiligt, so gewährt der Prätor während des Vollstreckungsverfahrens die
Wiederherstellung des vorherigen Zustandes (lat. → in integrum
restitutio [F.]) und nach dem Vollstreckungsverfahren ein wiederherstellendes
Edikt, woraus sich bei Justinian die (lat.) → actio (F.) Pauliana
(Gläubigeranfechtungsrecht) entwickelt, die in Deutschland seit dem
Spätmittelalter aufgenommen und mit ähnlichen Gestaltungen des
mittelalterlichen Stadtrechts verbunden wird.
Lit.: Kaser § 32 I; Hübner; Oertel, R., Entwicklung und
Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren
deutschen Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen
des Schuldners, ZRG GA 41 (1920), 210
Gläubigeranfechtung
Lit.: Schultze, A.,
Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach
deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210
Gläubigerbenachteiligung ist die bereits dem römischen Recht bekannte, durch
Verschiebung von Vermögensteilen des von Zwangsvollstreckung und Konkurs
bedrohten Schuldners erfolgende Benachteiligung von Gläubigern ([lat.]
alienatio [F.] in fraudem creditorum) Der römische Prätor schützt den Gläubiger
durch die (lat.) restitutio (F.) in integrum, das (lat.) interdictum (N.)
fraudatorium und die (lat.) denegatio (F.) actionis. Justinian fasst alles zur
(lat.) actio (F.) Pauliana (paulianischer Klaganspruch) zusammen. In der
Neuzeit sollen der G. besondere gesetzliche Regeln (Anfechtungsgesetz)
entgegenwirken.
Lit.: Kaser § 9 III
Gläubigerverzug (lat. mora creditoris) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Verzögerung
der Erfüllung durch Fehlen eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen
Verhaltens (z. B. Annahme) des Gläubigers. Durch G. wird der Schuldner nicht
von der Leistungspflicht befreit, doch muss er nur noch für Vorsatz (lat.
dolus) einstehen.
Lit.: Kaser § 37 III; Köbler, DRG 44; Heuer, P., Der
Annahmeverzug im älteren deutschen Privatrecht, 1911; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Harke, J., Mora debitoris und mora
creditoris im klassischen römischen
Recht, 2005
glebae adscriptus (lat. [M.])
Schollengebundener (Kolone bzw. Bauer)
Gleichberechtigung ist
die Gleichstellung bezüglich der Rechte (für Frauen und Männer). Der Grundsatz
der G. wird in Abkehr von der älteren patriarchalischen Familienstruktur im
Gefolge der Aufklärung seit der Mitte des 19. Jh.s (1848) verlangt, nachdem
zuvor die Ausnahme von der Gleichheit als angesichts der Schwachheit der Frau
und ihrer mangelnden Begabung zu vernünftiger Erkenntnis notwendige Schutzmaßnahme
erklärt worden war. Danach werden 1869 in Preußen wichtige Einschränkungen der
Handlungsfähigkeit der Frau aufgehoben und wird 1877 die Prozessunfähigkeit
der Ehefrau beseitigt. Nach 1900 wird die Frau zum Universitätsstudium
zugelassen, 1919 erhält sie das aktive und passive Wahlrecht, seit 1922 kann
sie die Befähigung zum Richteramt erwerben. Nach einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts Deutschlands tritt zum 31. 3. 1953 alles dem
Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes entgegenstehende Recht außer
Kraft. Das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 bringt eine Neuregelung.
Am 29. 7. 1959 entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht gegen den
Vorrang des Mannes bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder (Gleichberechtigungsgesetz).
Lit.: Hübner 71, 656; Köbler, DRG 238; Hippel, T. v., Über
die bürgerliche Verfassung der Weiber, 1792; Wollstonecraft, M., Vindication of
the rights of Women, 1793; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts durch
das Gleichberechtigungsgesetz, 1962; Ramm, T., Gleichberechtigung und
Hausfrauenehe, JZ 23 (1968), 41, 90; Dann, O., Gleichheit und
Gleichberechtigung, 1980; Leicht-Scholten, C., Die Gleichberechtigung im
Grundgesetz, 2000; Wendrich, J., Die Entwicklung der familienrechtlichen
Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau, 2002; Franzius, C., Bonner Grundgesetz und
Familienrecht, 2005; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008
Gleichheitsgrundsatz ist
der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Gleichheit der
Menschen bejahen theoretisch schon die antiken Philosophen (Stoa, Cicero) und
das Christentum. Dennoch sind antike und mittelalterliche Gesellschaft durch
die Ungleichheit oder die nur stufenförmige Gleichheit gekennzeichnet. Erst in
der Aufklärung des 18. Jh.s wird die Beseitigung der ständischen Ungleichheit
zur politischen Forderung (→ Montesquieu, → Voltaire, →
Rousseau). Seit 1776 nehmen die Verfassungen den G. auf (Frankreich [égalité]
1791, Bayern 1818, Österreich 1848, Preußen 1850, Weimarer Reichsverfassung
1919). Eine Unterscheidung zwischen Staatsbürgern bzw. Unionsbürgern und
Ausländern ist bei den Bürgerrechten möglich. Unterscheidungen sind nur bei
objektiven Gesichtspunkten rechtmäßig.
Lit.: Köbler, DRG 206, 252; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 2 1975, 997; Adams, W., Das Gleichheitspostulat in der amerikanischen
Revolution, HZ 212 (1977), 59; Erler, A., Alle Menschen sind vor dem Gesetz
gleich, 1967; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Von der
ständischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gleichheit, 1980; Kleinheyer, G.,
Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4, 1980, 7; Chaimowicz, T., Freiheit
und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Böttger, B., Das Recht
auf Gleichheit und Differenz, 1990; Maldeghem, C. v., Die Evolution des
Gleichheitssatzes, 1997; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten,
2000; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Rabe, C.,
Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006
Gleve
(F.) Einheit im Ritterheer
Lit.: Schulze, W., Die
Gleve, 1940
Glocke
Lit.: Lippert, E.,
Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939
Glogau
Lit.: Goerlitz, T., Die
Gubener Handschrift des Glogauer Rechtsbuches, ZRG GA 64 (1944), 319
Glorious Revolution ist die Bezeichnung für den 1688 durch Eingreifen des Parlamentes unblutigen Wechsel vom 1672 katholisch gewordenen König Jakob II. aus dem Hause Stuart zu Maria II. Stuart und ihrem protestantischen Ehemann Wilhelm III. von Oranien. Obwohl die G. R. keine wirkliche Revolution ist, sondern die aristokratische Ordnung vordergründig eher festigt, legt die in der → Bill of Rights (1689) errungene Sicherung der Rechte des → Parlaments die Grundlage für die weitere verfassungsmäßige Entwicklung zum Parlamentarismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
glossa →
Glosse
Glossa (F.) ordinaria (lat.,
ordentliche Glosse) ist die Zusammenfassung aller einzelnen → Glossen zum
römischen bzw. kirchlichen Recht zu einer kettenförmig um den Text gelegten
Einheit durch Accursius (1182/1185-1260/1263, 96940 Einzelglossen, 22365 zum
Digestum vetus, 17969 zum Digestum infortiatum, 22243 zum Digestum novum, 17814
zum Codex [1-9], 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum, 680 zu den
Libri feudorum in insgesamt 5 Bänden, durch etwa 1200 Handschriften belegt)
bzw. Johannes Teutonicus (1216). Die bereits 1258 in Florenz wenig später in
Frankreich (Toulouse 1275-1300), Spanien und Portugal sowie gegen Ende des 13.
Jh.s in Deutschland (Johannes von Erfurt 1285, Brügge 1291) verwendete g. o.
des Accursius enthält u. a. etwa 10400 als von früheren Verfassern (z. B.
Irnerius 330, Martinus 590, Bulgarus 315) stammend gekennzeichnete Glossen.
Lit.: Accursii Glossa, 1487ff., Neudruck 1968ff.; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Glossator → Glosse
Glosse ist das
ungewöhnliche und deshalb erklärungsbedürftige Wort, dessen Erklärung und die
Gesamtheit aller Erklärungen erklärungsbedürftiger Wörter eines Textes (z. B.
der Bibel). Die Erklärung wird meist an den Rand (Marginalglosse) oder zwischen
die Zeilen (Interlinelglosse) des zu erklärenden Textes gesetzt. Im Recht
beginnt die Glossierung mit dem Ziel der analysierenden Aufschließung des
Textes, dann der Erleichterung des Verständnisses und schließlich der synthetizierenden
Entwicklung einer widerspruchsfreien Einheit der justinianischen Texte wohl
mit (Pepo von Bologna,) Irnerius (1060?-1125?) in Bologna. Ihm folgen vor allem
die vier Doktoren Bulgarus, Hugo, Jacobus und Martinus. Seit etwa 1160 werden
die Glossen durch Namenssiglen gekennzeichnet. Weitere bekannte Glossatoren
sind Rogerius, Albericus, Aldricus, Wilhelmus de Cabriano, Placentinus,
Henricus de Baila, Johannes Bassianus, Pillius, Cyprianus, Otto Paiensis, Lotharius,
Burgundio von Pisa, Vacarius, Azo, Hugolinus, Jacobus de Ardizone, Jacobus
Columbi, Jacobus Balduini, Tancredus, Bagarottus, Damasus, Bernardus Dorna,
Pontius de Ilerda, Karolus de Tocco, Symon Vicentius, Roffredus und Odofredus
sowie Accursius. Nach 1215 wird die Tätigkeit der
Glossatoren durch Begutachtung (Konsilien der Konsiliatoren) und Kommentierung
(Kommentare der Kommentatoren) ersetzt. → Malbergische Glosse,
Sachsenspiegelglosse
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 106, 107; Köbler, LAW;
Savigny, C., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3ff. 2. A.
1834ff.; Schulte, J. v., Die Glosse zum Dekret Gratians, 1872; Engelmann, W.,
Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Calasso, F., I glossatori e
la teoria della sovranità, 2. A. 1951; Dilcher, H., Die Theorie der
Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960;
Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG
RA 77 (1960), 182; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Fried, J., Die Entstehung
des Jursitenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Villata di Renzo, G., La tutela,
1975; Glosse preaccursiane alle Istituzioni, hg. v. Caprioli, S. u. a., Bd. 1f.
1984ff.; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani,
1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Otte, G., Logische
Einteilungstechniken bei den Glossatoren, (in) Dialektik und Rhetorik, hg. v.
Fried, J., 1997, 157; Mittelalterliche volkssprachige Glossen, hg. v. Bergmann,
R. u. a., 2001; Maceratini, R., La glossa ordinaria al Decreto di Graziano e la
Glossa di Accursio al Codice di Giustiniano, 2003; Wallinga, T., The Casus
Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006
Glück, Christian Friedrich von; geb.
Halle 01. 07. 1755; gest. 20. 01. 1831, 1770 Studium Rechtswissenschaft
Universität Halle, 1776 Referendar Magdeburg, 1777 Promotion Universität Halle,
1784 Professor Universität Erlangen, 1820 geheimer Hofrat, 1827 Nobilitierung
ist der Verfasser der (unvollendeten) ausführlichen Erläuterung der Pandekten
in 34 Bänden (1790ff.).
Lit.: Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg
1743-1993, 1993; Hirata, A., Die Vollendung des usus modernus pandectarum, ZRG
RA 123 (2006), 330
GmbH →
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gnade → Begnadigung
Lit.: Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910;
Butz, H., Gnadengewalt und Gnadensachen, 1975; Laske, W., Die rechtliche
Unzulässigkeit der Mönchung als Gnadenakt im fränkischen Hofgericht, ZRG GA 95
(1978), 239; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Vrolijk, M., Recht
door gratie, 2004; Ludwig, U., Das Herz der Justitia, 2008
Gnadenjahr
Lit.:
Brünneck, W., v. Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr, ZRG GA 27
(1906), 1
Gneist, Heinrich
Rudolf Hermann Friedrich von (Berlin 13. 8. 1816-22. 7. 1895),
Justizkommissarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) 1845
außerordentlicher Professor und 1858 ordentlicher Professor (1857/1860 Das heutige
englische Verfassungs- und Verwaltungsrecht). Er wirkt als Politiker zunächst
gegen Bismarck und später Bismarck unterstützend gegen Sozialisten und
Klerikale und fördert maßgeblich das Zustandekommen der Reichsjustizgesetze
(1877/1879) und die Einführung des richterlichen Prüfungsrechts, der freien
Rechtsanwaltschaft und der gerichtlichen Überprüfung der Verwaltungstätigkeit.
Lit.: Schiffer, E., Rudolf von Gneist, 1929; Weber, D., Die
Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Luig, K., Soziale Monarchie oder
soziale Demokratie, ZRG GA 111 (1994), 464; Hahn, E., Rudolf von Gneist, 1995;
Eßer, D., Gneist als Zivilrechtslehrer, 2004
Go ist der
hochmittelalterliche Dorfschaftsverband (Landgemeinde) in Sachsen. Meist
zweimal jährlich findet eine Versammlung der Gobewohner statt (Goding). Das
Alter des G. ist ebenso streitig wie die Herkunft. Im 16./17. Jh. beseitigt der
Landesherr den G. zugunsten des Amtes.
Lit.: Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien,
1905, 118, 137; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS
K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichtsbarkeit,
Diss. phil. Münster 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83
(1966), 127
Go
(M.) Gau, Gebiet, Dorf
Gobler, Justin (St. Goar um 1503-Frankfurt am Main 21. 5. 1567) wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Bourges [Alciat]) Rat, Richter und Publizist. Er übersetzt und kommentiert als erster (vor 1543) die → Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 ins Lateinische. Durch sein umfangreiches, vielfach angefeindetes Gesamtwerk fördert er sowohl die Aufnahme des römischen Rechtes in Deutschland wie auch die Kenntnis deutschen Rechtes im europäischen Umfeld.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 582; Kantorowicz, H.,
Goblers Karolinenkommentar, 1904
Goch
Lit.: Liesegang, E.,
Einige Rechtsaufzeichnungen aus dem Privilegienbuch der Stadt Goch, ZRG GA 33
(1912), 224
Gode (M.) altisländischer Priester(häuptling) (um 1000)
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 107;
Karlsson, G., Godar og baendur, 1972
Godefroy (Gothofredus), Denis (Dionysius) (Paris 17. 10. 1549-Straßburg 7. 9. 1622), adliger Parlamentsratssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Paris (Baudoin), Löwen, Köln, Heidelberg und
Orléans (1579) als hugenottischer Glaubensflüchtling Professor in Genf,
Straßburg (1591), Heidelberg (1600), Straßburg (1601) und Heidelberg
(1604-1621). Er veröffentlicht 1583 eine humanistisch gebesserte kritische
Ausgabe der justinianischen Gesetzbücher (lat. [N.] → corpus iuris
civilis), die bis 1776 die allgemein anerkannte Edition bleibt.
Lit.: Söllner §§ 22, 23; Köbler, DRG 143;
Godefroy-Ménilglaise, D., Les savants Godefroys, 1873, Neudruck 1971; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Godefroy (Gothofredus),
Jacques (Jacobus) (Genf 1587-1652), Sohn des Denis Godefroy (Dionysius
Gothofredus [1549-1622]), wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (1611) und
weiteren Studien in Paris 1619 Professor des Rechts in Genf, Ratsmitglied,
Syndikus und Diplomat. Er veröffentlicht 1665 eine kommentierte, kritische
Ausgabe des → Codex Theodosianus in sechs Bänden, die bis zur Gegenwart
nicht ersetzt ist. Neben kleineren Quelleneditionen verfasst er ein sehr
erfolgreiches Handbuch der (römischen) Rechtsgeschichte (lat. Manuale [N.] iuris,
1632).
Lit.: Jacques
Godefroy (1587-1652), hg. v. Schmidlin, B. u. a., 1991
Goding → Gogericht
Lit.: Laur, W., Goding
und Gogericht in Holstein und Niedersachen, ZRG GA 111 (1994), 536
Goethe, Johann Wolfgang (Frankfurt am Main 28. 8. 1749-Weimar 22. 3. 1832), Sohn des Juristen und kaiserlichen Rates Johann Kaspar Goethe und einer Stadtschultheißentochter, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1765-1768) und Straßburg (1770, Lizentiat, nicht zum Doktor promoviert) Advokat in Frankfurt am Main und Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar und 1775 bzw. 1776 Rat des Herzogs von Sachsen-Weimar, für den er vor allem in den ersten zehn Jahren für mehr als 20000 Verwaltungsangelegenheiten vielleicht ein Drittel seiner Zeit aufwendet. In sein berühmtes dichterisches Werk fließen auch seine rechtlichen Erfahrungen ein.
Lit.: Meisner, J., Goethe als Jurist, 1885; Fischler, M.,
Der Ordnungsgedanke in Goethes Rechtsdenken, (um 1940); Schubart-Fikentscher,
G., Goethes Straßburger Thesen vom 6. 8. 1771, 1949; Goethes amtliche
Schriften, Goethes Tätigkeit im geheimen Consilium, Bd. 1ff. 1950ff.;
Schubart-Fikentscher, G., Goethes amtliche Schriften, 1977; Goethe-Zitate für
Juristen, hg. v. Pausch, A. u. a., 4. A. 2000; Pausch, A./Pausch, J., Goethes
Juristenlaufbahn, 1996; Unwandelbar G., hg. v. Schünemann, P., 1998; Boyle, N.,
Goethe, Bd. 1ff. 1999ff.; Heinze, M., Der Advokat Goethe, NJW 1999, 1897;
Goethes Amtliche Schriften, Band 5 Kalendarium über Goethes amtliche Tätigkeit
1776-1819, hg. v. Wahl, V., 2000; Wadle, E., Goethes Wünsche zum
Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes, ZRG GA 122 (2005), 301
Gogericht (Goding)
ist das Gericht des Gografen über die Gogemeinde in Sachsen im Mittelalter.
Seine Zuständigkeit ist im Sachsenspiegel (1221-1224) hauptsächlich auf Fälle
niederer Strafgerichte eingeschränkt, umfasst aber nach den Zeugnissen der
Wirklichkeit weitere Bereiche. Alter und Herkunft des Gogerichts sind streitig.
Lit.: Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des
Sachsenspiegels, ZRG GA (1884), 1; Sauer, H., Die ravensbergischen Gogerichte,
Diss. phil. Münster 1909; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft,
Gografschaft, 1949; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte,
FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichtsbarkeit,
Diss. phil. Münster, 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83
(1966), 127; Bemmann, K., Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen
Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein
und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichte,
Diss. jur. Münster 1997; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen
Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578,
2004
Gografschaft
Lit.: Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft,
Gografschaft, 1949
Gold
Lit.: Striedinger, I., Der Goldsucher Marco Bragdino, 1928;
Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Häßler, H., Frühes Gold. Ur- und
Frühgeschichtliche Goldfunde aus Niedersachsen, 2004
Goldast von Haiminsfeld,
Melchior (Espen [in] Bischofszell/Thurgau 6. 1. 1578-Gießen 11. 8. 1635) wird
nach dem Schulbesuch in Memmingen und dem Studium der Philosophie und
Rechtswissenschaft in Altdorf (Magister artium) sowie einem nach eigenen
Angaben 1604 von der Stadt Genf verliehenen, aber nicht angenommenen
Doktortitel Erzieher und Herausgeber einheimischer Quellen (z. B. Imperatorum
.. statuta, 1607) und Rat (Weimar 1613, Bückeburg 1615, Kaiser 1627).
Lit.: Schecker, H., Melchior Goldast von Haiminsfeld, 1930;
Hertenstein, B., Joachim von Watt (Vadianus), Bartholomäus Schobinger, Melchior
Goldast, 1975; Caspary, G., Späthumanismus und Reichspatriotismus, 2006
Goldene Bulle ist das vor
allem die Rechte der → Kurfürsten regelnde, seit 1400 nach dem seinen
sieben erhaltenen Ausfertigungen (5 für Kurfürsten, je eine für Frankfurt am
Main und Nürnberg) anhängenden, nach byzantinischem Vorbild im 9. Jh. im Westen
eingeführten goldenen Siegel benannte, lateinisch gefasste, vielleicht
weitgehend vom Hofkanzler Johann von Neumarkt formulierte Reichsgesetz Kaiser
Karls IV. (1346-1378) vom 10. 1. 1356 (Kapitel 1-23) bzw. 25. 12. 1356 (Kapitel
24-31, Name erstmals 1400 bezeugt). Obwohl die G. B. sich als Privileg
darstellt, fasst sie eigentlich nur bereits weitgehend anerkannte Sätze
zusammen. Dabei festigt sie das Wahlrecht der sieben Kurfürsten
(Mehrheitsgrundsatz) für den (lat.) rex (M.) Romanorum in imperatorem promovendus
(den zum Kaiser zu erhebenden König der Römer), erkennt die unbeschränkte
Gerichtshoheit, das Bergregal, Judenregal und Zollregal, das Münzrecht und die
Landerwerbsberechtigung der Kurfürsten an und regelt das kurfürstliche
Erbfolgerecht (Kapitel 7 Primogeniturerbfolge im unteilbaren Fürstentum).
Andere goldene Bullen sind die G. B. von Rimini Kaiser Friedrichs II. vom 26.
3. 1226, mit der er dem Deutschen Orden die Herrschaft über das Kulmer Land
östlich der unteren Weichsel bestätigt, die G. B. von Rieti des Papstes Gregor
IX. von 1234 mit gleichem Inhalt, Urkunden der Könige Andreas II. (1224 für
Siedler in Siebenbürgen) und Béla IV. von Ungarn oder die Goldbulle von Eger
vom 12. 7. 1213, in der König Friedrich II. den Bischöfen in Deutschland die
freie Bischofswahl zuerkennt und auf das Spolienrecht und das Regalienrecht
verzichtet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 101; Ludewig, J. v., Vollständige
Erläuterung der Güldenen Bulle, 2. A. 1752, Neudruck hg. v. Hattenhauer, H.
2005; Olenschlager, J., Neue Erläuterung der Guldenen Bulle Kayser Carls IV.,
1766, Neudruck hg. v. Buschmann, A., 2008; Lindner, T., Die Goldene Bulle und
ihre Originalausfertigungen, MIÖG 5 (1884), 96; Altmann, W., Die alte
Frankfurter deutsche Übersetzung, ZRG GA 18 (1897), 107; Zeumer, K., Die
Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1908, Neudruck 1972; Quellensammlung zur
Geschichte der deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913,
192ff.; Werminghoff, A., Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356, ZRG
GA 36 (1915), 275; Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA
43 (1922), 217; Petersen, E., Studien zur Goldenen Bulle von 1356, DA 22
(1966), 227; Die güldin bulle, hg. v. Wolf, A., 1968; Eisenhardt, U., Die
Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando
et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Die Goldene Bulle, König Wenzels
Handschrift, hg. v. Wolf, A., 1977; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von
1356. Faksimile der Ausfertigung für den Kurfürsten von Köln, 1982; Hergemöller,
B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/6, 1983; Die Goldene Bulle vom
10. Januar und 25. Dezember 1356, bearb. v. Fritz, W., 1988 (MGH,
Constitutiones 11, 537-641); Die Goldene Bulle. König Wenzels Handschrift,
Kommentar von Wolf, A., 2002; Laufs, A., Das Reichsgrundgesetz von 1356, NJW
2006, 3189; Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle
1356-1806, hg. v. Brockhoff, E. u. a., 2006; Die Goldene Bulle. Politik -
Wahrnehmung - Rezeption, hg. v. Hohensee, U. u. a., 2008
Goldene Regel ist vielleicht
seit 1724 der Name für die schon dem Alten Testament bekannte, lateinisch quod
ab alio odis fieri tibi, vide ne alteri tu aliquando facias und deutsch was du
nicht willst, dass man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu lautende
Erfahrungsregel oder Lebensweisheit.
Lit.: Mayer-Maly, T., Der Weg der goldenen Regel, FS A.
Söllner, 2000
Goldschmidt, Levin
(Danzig 30. 5. 1829-Berlin 16. 7. 1897), Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin, Bonn, Heidelberg und Berlin (Dissertation De societate
en commandite) 1855 in Heidelberg habilitiert, 1860 außerordentlicher
Professor, 1866 ordentlicher Professor sowie 1875 in Berlin Inhaber der ersten
deutschen Handelsrechtsprofessur. In seinen handelsrechtlichen und
handelsrechtsgeschichtlichen Arbeiten (Handbuch des Handelsrechts, 1864ff.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, [Bd. 1 3. A.] 1891, Neudruck 1957)
bemüht er sich auch um die Verbindung von römischrechtlichen und
nichtrömischrechtlichen Sätzen, um Einbeziehung wirtschaftswissenschaftlicher
Erkenntnisse und um Berücksichtigung der praktischen Rechtsanwendung mit dem
Ziel einer möglichst vielseitigen Sehweise. 1874 ist er Mitglied einer
Kommission zur Vorbereitung des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1952; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.
v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Weyhe, L., Levin Goldschmidt, 1996
Göllnitz (Gelnica) ist
ein 1264 von König Bela IV. mit Stadtrecht begabter Bergbauort in der Unterzips,
der um 1500 etwa 5000 Einwohner zählt und aus dem ein frühneuhochdeutsches
Stadtbuch überliefert ist.
Lit.: Protze, H., Das älteste Stadtbuch der königlich freien Bergstadt
Göllnitz/Gelnica in der Unterzips und seine Sprache, 2002
Gönner, Nikolaus Thaddäus von (Bamberg 18. 12. 1764-München 18. 4. 1827) wird zunächst in Bamberg, seit 1799 in Ingolstadt bzw. 1800 in Landshut Professor und wechselt 1811 in den Justizdienst Bayerns. Vom Reichsstaatsrecht (Teutsches Staatsrecht, 1804) kommend wendet er sich der politischen Entwicklung folgend der einzelstaatlichen Gesetzgebung zu (Hypothekengesetz 1822). Bedeutsam sind auch seine öffentlichrechtliche Erfassung der Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums (Der Staatsdienst, 1808) und sein auf die Natur der Sache ausgerichtetes Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses (Bd. 1ff. 1801ff.).
Lit.: Koch, J., Nikolaus Thaddäus von Gönners Staatslehre,
1902; Schaffner, L., Nikolaus Thaddäus von Gönner, Diss. jur. Würzburg 1955 (masch.schr.);
Stolleis, M., Das Bayerische Hypothekenbankgesetz von 1822, (in) Wissenschaft
und Kodifikation im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976
Görlitz an der
Neiße wird 1071 erstmals erwähnt und hat um 1500 rund 10000 Einwohner. Das Görlitzer
Rechtsbuch ist ein in einer in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?)
geschriebenen Abschrift (101 Blätter) erhaltenes Stadtrechtsbuch für G., das
eine wortgetreue ungereimte Übersetzung des (lat.) → Auctor (M.) vetus de
beneficiis ins Mittel(mittel)deutsche (Artikel 1-30 von insgesamt 47) mit
Auszügen aus dem Landrecht des Sachsenspiegels, dem Weichbildrecht, vermutlich
auch dem sächsischen Landfrieden (1221) und der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung
(1304) verbindet und dabei in seinem zweiten Teil vielleicht auf dem
(verlorenen) lateinischen Auctor vetus (Sachsenspiegel Landrecht) beruht.
Lit.: Köbler, DRG 103; Buhr, J., Das Görlitzer Rechtsbuch,
Diss. jur. Bonn 1941 (verloren); Auctor vetus, hg. v. Eckhardt, K., 1966;
Lemper, E., Görlitz, 4. A. 1980; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 30; Anders, I./Wolfrum, P., Görlitz, 1996; Behrisch,
L., Städtische Obrigkeit und soziale Kontrolle, 2005
Görres, Josef (1776-1848)
Lit.: Raab, H., Josef
Görres, 1978; Görres, hg. v. Raab, H., 1985
Görz (Grafschaft
nahe der Adria), Güter zwischen 1335 und 1500 an Habsburg, 1754 gefürstete
Grafschaft Görz und Gradisca, 1816 Küstenland, 1919 Italien.
Goslar am Harz ist Ort einer bedeutenden Königspfalz, neben der eine Stadt entsteht, welcher der Staufer Friedrich II. am 13. 7. 1219 einen großen Freiheitsbrief gibt. Wirtschaftliche Bedeutung erlangt sie infolge des Silberbergbaus im nahegelegenen Rammelsberg. Zu Beginn des 14. Jh.s erringt sie die Reichsunmittelbarkeit und zeichnet vermutlich zwischen 1348 und 1360 ihr Recht in den Goslarischen Statuten auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frölich, K., Die
Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter, 1910; Feine, H., Der goslarische
Rat, 1913; Frölich, K., Verfassung und Verwaltung der Stadt Goslar im späteren
Mittelalter, 1921; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922;
Wiederhold, W., Goslar als Königsstadt und Bergstadt, 1922; Brinkmann, H., Das
Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Frölich, K., Die
Verfassungsentwicklung von Goslar im Mittelalter, ZRG GA 47 (1927), 287; Meier,
P., Die Stadt Goslar, 1926; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer
Wasserwirtschaft, 1928; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933;
Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934; Frölich, K., Die
Goslarer Straßennamen, 1949; Frölich, K., Das Stadtbild von Goslar im
Mittelalter, 1949; Frölich, K., Das älteste Archivregister der Stadt Goslar,
1951; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Ebel, W., Studie über
ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Kreutzberger, E., Das
Gewerberecht der Reichsstadt Goslar im 18. Jahrhundert, 1959; Ebel, W., Das
Stadtrecht von Goslar, 1968; Goslar im Mittelalter, hg. v. Engelke, H., 2003;
Kelichhaus, S., Goslar um 1600, 2003
Gote ist der
Angehörige eines in der Völkerwanderungszeit von der Ostsee (Gotland) über den
Südosten (Krim) unter dem Druck der Hunnen 375 n. Chr. in das römische Reich
eindringenden germanischen Volkes, das sich in → Ostgoten (Italien) und →
Westgoten (Gallien, Spanien) aufteilt. Zwischen 25 und 50% der als Goten
bezeichneten Menschen dürften nach ihrer volksmäßigen Herkunft Goten gewesen
sein. Ihr Ursprung in Skandinavien wird bezweifelt.
Lit.: I Goti in occidente, 1956 (Spoleto); Burn, T., A
History of the Ostrogoths, 1984; Teillet, S., Des Goths à la nation gothique,
1984; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Wolfram, H., Die Goten, 4. A.
2001; Heather, P., Goths and Romans, 1991; Köbler, G., Neuhochdeutsch-gotisches
Wörterbuch, 1993; Heather, P., The Goths, 1996; Sonderegger, S., Tradition und
Erneuerung der germanischen Rechtssprache aus der Sicht des Gotischen, FS K.
Kroeschell, 1997; Mussot-Goulard, R., Les Goths, 1999; Petit, C., Iustitia
Gothica, 2001; Christensen, A., Cassiodorus, Jordanes and the History of the
Goths, 2002; Giese, W., Die Goten, 2004; Wolfram, H., Gotische Studien, 2005;
Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo,
2005; Maier, G., Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, 2005
Göteborg am
Kattegat wird 1619 angelegt und 1621 mit Stadtrecht begabt. 1891 erhält es eine
Universität.
Gothofredus →
Godefroy
Gotland →
Gutalagh
Lit.: Kattinger, D.,
Die gotländische Genossenschaft, 1999; Lerbom, J., Mellan två riken, 2003
Gott ist nach
jüdischer und christlicher Lehre der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er ist
der Herr über das Recht, das er als Gebot und Verbot den Menschen gegeben hat (→
Dekalog). Im jüngsten Gericht zieht er den Menschen zur Rechenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 108; Kern, F., Gottesgnadentum und
Widerstandsrecht, 1915; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Lang,
B., Jahwe der biblische Gott, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht,
2002; Leisner, W., Gott und Volk, 2008
Gottesfriede (lat.
[F.] pax Dei) ist das im späten Frühmittelalter ([Le Puy um 975,] Charroux 1.
6. 989, Narbonne um 990, Limoges 994, Le Puy 994, Poitiers 1000, Beauvais 1023,
Ivois/Meuse 1023, Amiens 1033/1036) von der Kirche in Wiederholung
merowingischer und karolingischer Kapitularien, Konzilienbeschlüsse (Orléans
511-548, Tours 567, Mâcon 585, Paris 614, Quierzy 857, Ver-sur-Launette 884,
Metz 893), und Bußbücher ausgehende Friedensgebot,dessen Verletzung kirchliche
Folgen nach sich zieht. Der G. erreicht von Südfrankreich aus gegen Ende des
11. Jh.s das deutsche Reich (Lüttich 1082, Köln 1083, Bamberg 1085). Inhaltlich
sehen beschworene Beschlüsse geistlicher und weltlicher Herren
Exkommunikation, Verfluchung, Bußen für Mord, Diebstahl, Raub usw. vor. Besonders
geschützt werden Mönche, Kaufleute, Bauern, Frauen, Kirchen oder Vieh.
Besondere Zeiten des Friedens sind die hohen Feste und die Tage von Donnerstag
bis Sonntag. Seit dem ausgehenden 11. Jh. weicht der G. dem →
Landfrieden.
Lit.: Köbler, DRG 118; Wasserschleben, H., Zur Geschichte
der Gottesfrieden, ZRG GA 12 (1891), 112; Huberti, L., Der Gottesfriede in der
Kaiserchronik, ZRG GA 13 (1892), 133; Huberti, L., Studien rzu Rechtsgeschichte
der Gottes- und Landfrieden, 1892; Winterfeld, L. v., Nochmals Gottesfrieden
und deutsche Stadtverfassung, ZRG GA 54 (1934), 238; Wohlhaupter, E., Studien
zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Conrad, H.,
Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Achter, V., Über den
Ursprung der Gottesfrieden, 1955 (29 S.); Hattenhauer, H., Die Bedeutung der
Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Hoffmann, H., Gottesfriede
und Treuga Dei, 1964; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977;
Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Wadle, E.,
Gottesfrieden und Landfrieden, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.
a., 1996, 63; Barthélemy, D., L’an mil et la paix de Dieu, 1999; Gergen, T.,
Pratique juridique de la paix et trêve de Dieu, 2004
Gotteslästerung (vgl.
Leviticus 24,11-16) ist die im römischen Recht (Todesstrafe) und seit dem
Spätmittelalter (1495) strafbare, besonders verletzende öffentliche Kundgabe
der Missachtung des christlichen Gottes, die seit dem 18. Jh. problematisiert
wird (von 1813 bis 1827 in Bayern straflos) und 1969 in Deutschland straflos
wird.
Lit.: Köbler, DRG 19; Ettinger, J., Zur Lehre von den
Religionsregeln, 1919, 29; Forrer, D., Der Einfluss von Naturrecht und
Aufklärung auf die Bestrafung der Gotteslästerung, 1973; Leutenbauer, S., Das
Delikt der Gotteslästerung, 1984; Pahud de Mortanges, R., Die Archetypik der
Gotteslästerung, 1987
Gottesstaat ist die
Vorstellung von der Herrschaft des christlichen Gottes auf der Erde. Sie wird
maßgeblich von Augustinus (354-430) geprägt, der in seinem Werk (lat.) De
civitate Dei (413-426) einen Gegensatz von (lat.) civitas (F.) Dei (Staat
Gottes) und (lat.) civitas (F.) terrena (irdischer Staat) bildet.
Lit.: Köbler, DRG 82; Loewenich, W. v., Augustin, 1965
Gottesurteil ist das
Urteil (eines?) Gottes in einer menschlichen Streitfrage. Im mittelalterlichen,
wohl insofern von der christlichen Kirche beeinflussten Recht ist das G. die
Entscheidung über die Schuld oder die Unschuld eines Beschuldigten durch ein
auf (den christlichen) → Gott zurückgeführtes äußeres Zeichen (z. B.
[folgenloses] Tragen eines glühenden Eisens, [folgenloses] Schreiten über
glühende Pflugscharen, [folgenloses] Eintauchen des Armes in siedendes Wasser,
[folgenloses] Treten vor die Leichenbahre eines Toten usw.). Streitig ist, ob
Zweikampf und Los Gottesurteile sind. Die Stellung der Kirche zum G. ist lange
Zeit uneinheitlich. 1219/1222 wendet sie sich deutlicher gegen das G. Dennoch
erhält sich das G. bis in das 17. Jh., bis es vielleicht durch die Aufnahme des
römischen Rechts oder die zunehmende Vernünftigkeit des Menschen verschwindet.
Lit.: Köbler, DRG 86; Karasconyi, J. u. a., Registrum Varadinense examinum ferri
candentis, 1903; Pappenheim, M., Über die Anfänge des germanischen
Gottesurteils, ZRG GA 48 (1928), 136; Schwerin, C. Frhr. v., Rituale für
Gottesurteile, 1933 (SB Heidelberg); De ordaliis, collegit Browe, P.,
1932/1933; Schwerin, C. Frhr. v., Das Gottesurteil des Poppo, ZRG GA 58 (1938),
69; Erler, A., Der Ursprung der Gottesurteile, Paideuma 2, 1941, 44; Nottarp, H., Gottesurteile, 1949; Thoma, H., Ein
Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Nottarp, H.,
Gottesurteilsstudien, 1956; Hexeter, R., Equivocal Oaths and Ordeals, 1975;
Bürge, A., Realität und Rationalität der Feuerprobe, ZRG GA 100 (1983) 257;
Bartlett, R., Trial by fire and water, 1986; Köbler, G., Welchen Gottes Urteil
ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, hg. v. Brieskorn, N.,
1994, 89
Göttingen an
der Leine (953 Gutingi) wird (1736/)1737 Sitz einer aufgeklärten, im 18. Jh. in
Deutschland führenden Universität (→ Pütter, → Hugo), von deren
172000 Studenten der ersten 225 Jahre rund 70000 Rechtswissenschaft studieren.
Am 18. 11. 1837 protestieren sieben (von insgesamt 32) Göttinger Professoren
(Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Dahlmann, Gervinus, Albrecht, Weber, Ewald)
gegen die Aufhebung der 1833 gewährten Verfassung seitens des Königs von
Hannover, an die sich selbst wieter gebunden fühlen, und verlieren dadurch ihr
Amt.
Lit.: Köbler, DRG 136, 170; Pütter, J., Versuch einer
academischen Gelehrtengeschichte von der Georg-August-Universität in Göttingen,
Bd. 1ff. 1765ff., Neudruck 2005; Cornberg, H. v., Beiträge vornehmlich zum
Privatrecht der Stadt Göttingen, 1910; Arnim, M., Corpus academicum Gottingense
1737-1928, 1930; Smend, R., Die Göttinger Sieben, 1951; Klugkist, E., Die
Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1952; Gundelach, E., Die
Verfassung der Göttinger Universität, 1955; Ebel, W., Zur Geschichte der
Juristenfakultät und des Rechtsstudiums an der Universität Göttingen, 1961;
Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962, hg. v. Ebel, W., 1962; Die
Privilegien und ältesten Statuten der Georg-August-Universität zu Göttingen,
hg. v. Ebel, W., 1961; Mohnhaupt, H., Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis
19. Jahrhundert, 1965; Wittram, G., Die Gerichtsverfassung der Stadt Göttingen,
1966; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967;
Eysel, H., Die Steuerverfassung Göttingens, Diss. jur. Göttingen 1968; Ebel,
W., Memorabilia Gottingensia, 1969; Kallmann, R., Das bürgerliche Recht, 1972;
Boockmann, A., Urfehde und ewige Gefangenschaft, 1980; Rechtswissenschaft in
Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Göttingen, hg. v. Denecke, D., 1987; Die
Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Becker, H. u. a.,
1987; Dilcher, G., Der Protest der Göttinger Sieben, 1988; Zur geistigen
Situation der Zeit der Göttinger Universitätsgründung 1737, hg. v. Stackelberg,
J. v., 1988; 250 Jahre Georgia Augusta, 1988; Neitzert, D., Die Stadt Göttingen
führt eine Fehde, 1992; Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der
Georg-August-Universität, hg. v. Schlotter, H., 1994 (Aufsätze); See, K. v.,
Die Göttinger Sieben, 1997, 3. A. 2000; Boockmann, H., Göttingen, 1997; Jeske,
R., Bürgertum in der Universitätsstadt Göttingen, 1999; Szabó, A., Vertreibung,
Rückkehr, Wiedergutmachung, 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a.,
2001; Göttingen, hg. v. Böhme, E. u. a., Bd. 2 2002; Streidl, P., Naturrecht,
2003; Saage-Maaß, M., Die Göttinger Sieben, 2007
Goudelin → Gudelinus
Grab ist der Ort der Beerdigung
eines toten Menschen.
Lit.: Paret, O., Die
frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart, 1937
Grad (zu lat. [M.] gradus) ist allgemein
der Schritt oder die Stufe. Akademischer G. ist die wissenschaftliche
Qualifizierung auf Grund einer Prüfung. Der akademische G. geht auf
Bezeichnungen in der römischen Verwaltung zurück (z. B. lat. [M.) magister
equitum, Heermeister, doctor gladiatorum, Fechtlehrer, seit dem 3. Jh. n. Chr.
magister auch Ehrenbezeichnung für christliche Große). Missstände im
hochmittelalterlichen Lehrbetrieb des 13. Jh.s bewirken Regelungen (z. B. Paris
1215 Bedingungen für den [lat.] magister [M.) artium und magister theologiae,
1233 Lehrerlaubnis für jeden in Toulouse geprüften (lat.) magister). Als Grade
entwickeln sich (lat. [M.]) baccalaureus, magister und doctor, wobei im
Heiligen römischen Reich das Bakkalaureat seit dem 16. Jh. schwindet und mit
der Wandlung der artistischen Fakultät zur philosophischen Fakultät der (lat.
[M.]) magister artium zum doctor philosophiae wird. 1402 wird im Heiligen
römischen Reich erstmals für Juristen der Grad doctor iuris utriusque (Lehrer
beider Rechte, d. h. geistliches Recht, weltliches Recht) verliehen. Mit dem G.
werden sonstige Vorteile verbunden (teilweise Adelsgleichheit). Wegen der
Vielzahl der meist mit schriftlichen Arbeiten verbundenen Promotionen zum
Doktor wird seit dem 18. Jh. zunehmend die Lehrerlaubnis (lat. venia [F.]
legendi des Universitätslehrers) mit der Habilitation in einem Einzelfach
oder mehreren Einzelfächern verknüpft, zumal teilweise in Abwesenheit zum
Doktor promoviert (Jena 1841 Karl Marx, erst ab etwa 1882 allmählich
abgeschafft) oder der G. auch durch eine bloße mündliche Prüfung erworben
werden kann (Heidelberg bis 1908, Österreich drei Rigorosen bis etwa 1990).
Seit etwa 1820 erscheint der ehrenhalber erteilte G. (Dr. h. c.). 1899 erhalten
im deutschen Reich auch die neuen technischen Hochschulen das Recht zur
Verleihung von Graden. Seit dem Ende des 20. Jh.s werden in der Europäischen
Union die akademischen Grade zunehmend vereinheitlicht (Bologna-Modell mit dreijährigem
Bachelor-Studium, anschließendem Magisterstudium und anschließendem Doktoratsstudium),
während die Habilitation in Deutschland rechtlich als Voraussetzung der
Professur aufgegeben ist.
Lit.: Oberbreyer, M.,
Die Reform der Doktorpromotion, 3. A. 1878; Wretschko, A. v., Die akademischen
Grade, 1910; Roß, G., Das Aufkommen der juristischen Ehrenpromotion, Diss.
jur. Erlangen-Nürnberg 1967; Bleek, W., Von der Kameralausbildung zum
Juristenprivileg, 1972; Prahl, H., Gesellschaftliche Funktionen von
akademischen Abschlussprüfungen und Graden, 1974; Zimmerling, W., Akademische
Grade und Titel, 2. A. 1995; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und
Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2001; Wollgast, S., Zur Geschichte des
Promotionswesens in Deutschland, 2001
Graf (lat. [M.] comes) ist im Frankenreich im Mittelalter der ursprünglich königliche Amtsträger. Der Titel (lat. [M.]) comes (Gefährte, Begleiter) findet sich im römischen Altertum seit Kaiser Diokletian (284-313/316) für hohe Höflinge und danach für örtliche Amtsträger (u. a. auch [lat.] comes civitatis). Der frühmittelalterliche fränkische comes soll den Frieden wahren, Übeltäter verfolgen und Schutzbedürftige sichern. Daneben kennt die fränkische (lat. [F.]) Lex Salica einen vielleicht zu got. gagrefts, Befehl, zu stellenden afrk. grafio, der auf Verlangen eines Rechtsuchenden Sachen wegnehmen oder unerwünschte Siedler vertreiben soll und der möglicherweise ein örtlicher königlicher Befehlshaber ist. In der Mitte des 8. Jh.s verschmilzt dieser grafio anscheinend mit lat. comes, dessen Aufgaben in karolingischer Zeit in der Erhaltung des Königsgutes, der Aufbietung der Heerfolgepflichtigen, der Erhebung von Zöllen, der Einziehung von verfallenem Gut und der Leitung des Rechtsstreits um Freiheit und Grund bestehen. Zwar ist der G. absetzbar, doch wird seine Stellung in vornehmen Familien bald erblich. Die richterlichen Aufgaben treten in den Vordergrund. Seit dem 11. Jh. gerät die gräfliche Gewalt unter den Einfluss nichtköniglicher Mächte. Der Grafentitel wird zu einer Standesbezeichnung. Ein Teil der Grafen wird mittelbarer landsässiger Adel, die reichsständischen Grafen treten im Reichsfürstenrat zusammen (schwäbische, wetterauische, fränkische und westfälisch-niedersächsische Grafenkurie). Das Gericht des Grafen wird vielfach Landgericht. Mit dem Ende des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) verliert auch der reichsunmittelbare G. seine selbständige Bedeutung. G. wird zum (verliehenen) höheren Adelstitel.
Lit.: Köbler, DRG 84, 86; Köbler, WAS; Ficker, F., Vom
Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 72, 95; Fehr, H., Fürst und Graf im
Sachsenspiegel, 1906; Hausgeschichte und Diplomatarium des Reichs-Semperfreien
und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Schlesinger, W., Die
Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964;.Krüger, S., Studien zur
sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Guttenberg, E. v.,
Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel 1952, 93; Sprandel, R., Dux und
comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Schöllkopf, R., Die
sächsischen Grafen, 1957; Mitterauer, M., Die Grafenfamilien der bayrischen
Marken in der Karolingerzeit, Diss. phil. Wien 1960 (masch.schr.); Bosl, K.,
Franken um 800, 2. A. 1980; Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der
ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963; Schulze, H., Grundprobleme der
Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Borgolte, M., Die
Grafen Alemanniens, 1986; Zotz, T., Grafschaftsverfassung und
Personengeschichte, ZGO 136 (1988), 1; Schmidt, G., Der Wetterauer
Grafenverein, 1989; Grafen und Herren in Südwestdeutschland, hg. v. Andermann,
K. u. a., 2006
Grafenbann ist der
vom König im Frühmittelalter dem → Grafen verliehene → Bann von 15
Schillingen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
grafio → Graf
Grafschaft ist der
Amtsbezirk des → Grafen (lat. comes, → lat. comitatus). Im
Gegensatz zu älteren Forschungen werden trotz etwa der erheblichen
Anstrengungen von Herrschern wie Pippin des Jüngeren oder Ludwig des Frommen in
der Gegenwart die Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Gauangaben der
Quellen und jeweils gegebenen Bezirken von Grafen und die Vorstellung eines
lückenlosen Systems von Grafschaften für das Frühmittelalter abgelehnt
(Amtsgrafschaften neben auf verstreuten Königsgut gegründeten
Streugrafschaften). Zu einer stärkeren Geschlossenheit von Amtsbezirken scheint
es mit der Festigung der Landesherrschaft zu kommen.
Lit.: Köbler, WAS; Hömberg, A., Grafschaft, 1949; Krüger,
S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950;
Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (1954), 167;
Schulze, H., Die Grafschaftsverfassung der Karolingerzeit in den Gebieten
östlich des Rheins, 1973; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften
Alemanniens, 1984; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung, Z. f.
württemberg. LG. 44 (1985), 265; Hoffmann, H., Grafschaften in Bischofshand, DA
46 (1990), 375; Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994
Gragas (Graugans)
ist die auf einem Irrtum beruhende, 1548 nachweisbare, seit dem 17. Jh. übliche
Bezeichnung für das aus Gesetzen, Gutachten, privaten Aufzeichnungen und
Formelsammlungen zusammengesetzte, zwischen 1258 und 1271 aufgezeichnete und
durch das Königsbuch (Konungsbok, [lat.] Codex [M.] regius) und das
Stadarholsbuch (Stadarholsbok, [lat.] Codex [M.] Arnamagnaeanus) der zweiten
Hälfte des 13. Jh.s überlieferte, altisländische Recht ([930-1264]
Christenrecht, Strafrecht, Eherecht, Erbrecht, Grundgüterrecht und
Vertragsrecht). Die Geltung der G. auf Island wird nach der Unterwerfung →
Islands unter Norwegen (1262/4) 1271/81 durch das Gesetzbuch König Magnus
Hakonarsons (→Jarnsida, → Jonsbok) aufgehoben.
Lit.: Bechert, R., Eine dunkle Stelle der Graugans, ZRG GA
48 (1928), 442; Isländisches Recht. Die Graugans, hg. v. Heusler, A., 1937;
Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 120; Foote,
P., Some Lines in Logréttutháttr, FS P. Foote, 1984, 155; Beck, H., Wortschatz
der altisländischen Grágás, 1993
Granada an der
Sierra Nevada geht auf eine keltische Gründung zurück. Im Mittelalter ist es
Mittelpunkt eines maurischen Königreichs (1030-1050, 1238-1492). 1526/1531
erhält es eine Universität.
Lit.: Ladero Quesada, M., Granada, 1988
Grande ordonnance de réformation du royaume ist das französische Gesetz von 1302, durch das der König
den Schutz der Kirche auch in den Gebieten der Landesherren (Herzöge, Grafen,
Barone) übernimmt.
Grangie ist der
hochmittelalterliche klösterliche Wirtschaftshof vor allem der Zisterzienser.
Lit.: Wiswe, H., Grangien niedersächsischer Zisterzienserklöster,
Braunschweig. Jb. 34 (1953), 5; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 175f.; Villa, curtis, grangia, hg. v.
Janssen, W. u. a., 1983
Gratian (Carraria
um 1100-Bologna? nach 1143 [um 1150?]), (kamaldulensischer Mönch? und) Magister
der Theologie in Bologna, verfasst zwischen 1125 und 1140 die → concordia
discordantium canonum (→ Decretum Gratiani). Er begründet mit diesem
vielleicht 3800 Kapitel kirchenrechtlicher Quellen zusammenfassenden, die Widersprüche
kommentierend auflösenden Werk die kirchenrechtliche Wissenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 102, 105; Plöchl, W., Das Eherecht des
Magisters Gratianus, 1935; Kuttner, S., Graziano, 1953, 20; Weigand, R., Die
Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967, 132; Kuttner, S., Research
on Gratian, (in) Seventh International Congress of medieval Canon Law, 1984;
Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg.
v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum,
2000
Graubünden ist der aus antihabsburgischen Bündnissen (1367 Gotteshausbund, 1395 Oberer oder Grauer Bund) entstandene, seit 1497ff. zur → Eidgenossenschaft in Beziehung tretende Kanton (1803/1815) der → Schweiz.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jecklin, F.,
Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gemeiner III Bünde, Teil 1f.
1907ff.; Caliezi, B., Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton
Graubünden, 1920; Pieth, F., Die
Umbildung des Freistaates der drei Bünde in den Kanton Graubünden,
Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 57
(1928); Liver, P., Vom Feudalismus zur Demokratie, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 1930; Lalive-Acatos,
K., Das gesetzliche Erbrecht Graubündens, 1931; Gillardon, P., Geschichte des
Zehngerichtenbundes, 1936; Zur Fünfjahrhundertfeier des Zehngerichtenbundes,
1936; Müller, I., Die Entstehung des grauen Bundes 1367-1424, Zs. f. schweiz.
Gesch. 21 (1941), 137; Maron, C., Das Zivilgericht nach den bündnerischen
Statutarrechten, 1942; Bündner Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v.
Meyer-Marthaler, E. u. a., 1947ff.; Die lex Romana Curiensis, hg. v.
Meyer-Marthaler, E., 1959; Staatsarchiv Graubünden, Einbürgerungen 1801-1960,
hg. v. Jenny, R., 1965; Padrutt, C., Staat und Krieg im alten Bünden, 1965;
Caroni. P., Einflüsse des deutschen Rechts Graubündens südlich der Alpen, 1970;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,451; Der
Gotteshausbund, hg. v. Schorta, A., Bd. 1f. 1980f.; Bundi, M., Zur Besiedlungs-
und Wirtschaftsgeschichte Graubündens, 1982; Geschichte und Kultur Churrätiens,
1986; Cavigelli, M., Entstehung und Bedeutung des Bündner Zivilgesetzbuches von
1861, 1994; Rathgeb, C., Die Verfassungsentwicklung Graubündens im 19.
Jahrhundert, 2003
gravamen (lat.
[N.]) Last, Beschwerde (im Gegensatz zu Vorteil, Gewinn)
Gravina, Gian
Vincenzo (1664-1718), nach dem Studium in Scaela (Caloprese) und Neapel
(Biscardi) seit 1689 in Rom, wird Professor zunächst für Zivilrecht, 1703 für
kirchliches Recht. Sein Hauptwerk sind die 1701 veröffentlichten (lat.)
Origines (F.Pl.) iuris civilis (Ursprünge des weltlichen Rechts).
Lit.: Ghisalberti, C., Gian Vincenzo Gravina, 1962
Graz (zu slaw.
gradec, Bürglein) an der Mur wird 1164 als Markt neben einer Burg genannt. Seit
1379 ist es Residenz. 1584/1586 erhält es zum Zweck der Gegenreformation eine
Universität, an der auch juristischer Unterricht stattfindet.
Lit.: Popelka, F., Geschichte der Stadt Graz, 1928;
Popelka, F., Die Bürgerschaft der Stadt Graz, 1941; Ebert, K., Die Grazer
Juristenfakultät im Vormärz, 1969; Ebert, K., Die Pflege der Rechtsgeschichte
an der Universität Graz, ZRG GA 87 (1970), 239; Wesener, G., Römisches Recht
und Naturrecht, 1978; 850 Jahre Graz, hg. v. Steinböck, W., 1978; Reformen des
Rechts. Festschrift zur 200-Jahr-Feier der rechtswissenschaftlichen Fakultät
der Universität Graz, hg. v. Sutter, N., 1979; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei
1786-1850, 1992; Wesener, G., Österreichisches Privatrecht an der Universität
Graz, 2002; Professoren erinnern sich, hg. v. Wünsch, H., 2008
Gregorius ist der
Verfasser des → Codex Gregorianus.
Gregor von Tours (Clermont 30. 11.
538/539-Tours 17. 11. 594), seit 573 Bischof
von Tours, überliefert in seinen zehn Büchern Geschichte (lat. Decem libri
[M.Pl.] historiarum) wichtige Gegebenheiten der merowingischen Frankenzeit.
Lit.: Gregorii
episcopi Turonensis historiarum libri X, 2. A. hg. v. Krusch, B., 1937ff.;
Weidemann, M., Kulturgeschichte der Merowingerzeit, 1982; Goffart, W., The
Narrators of Barbarian History, 1988; Heinzelmann, M., Gregor von Tours, 1994;
The World of Gregory of Tours, hg. v. Mitchell, K. u. a., 2002
Greife ist der
Angehörige eines vor 1124 christianisierten Herzogsgeschlechts der Pomoranen
(Pommern), das seit 1215 einen Greifen im Wappen führt und 1631 ausstirbt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wehrmann, M.,
Genealogie des pommerschen Herzoghauses, 1937
Greifswald nahe der
Ostsee mit → lübischem Stadtrecht erhält 1456 eine Universität (1456-1524
3317 Immatrikulationen, Matrikel von 1456 bis 1700 von Ernst Friedländer 1893f.
veröffentlicht).
Lit.: Molitor, E., Die Greifswalder Juristenfakultät, FS
zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, Bd. 2 1956; Seth, I., Die
Universität Greifswald und ihre Stellung in der schwedischen Kulturpolitik
1637-1815, 1956; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Feltkamp,
K./Biederstedt, R., Greifswald, 1983; Vorholz, I., Die rechts- und
staatswissenschaftliche Fakultät, 2000; Das älteste Greifswalder Stadtbuch
(1291-1332), bearb. v. Poeck, D., 2000; Matthiesen, H., Greifswald in
Vorpommern, 2000; Link, A., Auf dem Weg zur Landesuniversität, 2000;
Greifswald, hg. v. Wernicke, H., 2000; Fietz, J., Nordische Studenten an der
Universität Greifswald, 2004; Die Matrikel der Universität Greifswald, hg. v.
Schmidt, R. u. a., Teil 1ff. 2004ff.; Die Universität Greifswald und die
deutsche Hochschullandschaft im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Buchholz, W.,
2004; Universität und Gesellschaft, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2006; Igel, K.,
Zwischen Bürgerhaus und Frauenhaus, 2006; Bausteine zur Greifswalder
Universitätsgeschichte, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2008; Greifswald - Spiegel
der deutscher Rechtswissenschaft 1815 bis 1945, hg. v. Lege, J., 2009
Grenze ist die
Trennungslinie zwischen zwei Bereichen, insbesondere zwei Staaten. Ursprünglich
nur wenig genau bestimmt, wird die G. mit wachsender Bevölkerungsdichte und
zunehmender Territorialisierung immer eindeutiger gekennzeichnet und gesichert.
Für die Grenzfestlegung entwickeln sich besondere technische Verfahren, deren
Einhaltung strafrechtlich bewehrt wird.
Lit.: Hübner; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 69; Erben, W., Deutsche Grenzaltertümer
aus den Ostalpen, ZRG GA 43 (1922), 1; Bader, K., Der schwäbische Untergang,
1933, Grenzrecht und Grenzzeichen (, hg. v. Bader, K.), 1940; Karp, H., Grenzen
in Ostmitteleuropa, 1972; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v.
Demandt, A., 3. A. 1993; Simmerding, F., Grenzzeichen, 1997; Grenze und
Differenz im frühen Mittelalter, hg. v. Pohl, W. u. a., 2000
Greyerz (Gruyères)
Lit.: Vevey, B. de, Le droit de Gruyères, 1939, Rennefahrt,
H., Der Geltstag des letzten Grafen von Greyerz, Zs. f. schweiz. Gesch. 22
(1942), 321
Grieche ist der
Angehörige des die griechische Sprache sprechenden, von den Indogermanen
abstammenden Volkes, das im 2. Jt. v. Chr. in den Südosten Europas eindringt.
Nach dunklen, erst mit den 27803 Versen von Ilias und Odysee sich lichtenden
Jahrhunderten (1200-800 v. Chr.) bilden die Griechen in der Mitte des 1. Jt.s
v. Chr. den Stadtstaat (griech. [F.] polis) aus (Sparta, Athen und viele
andere). Sie führen die Wissenschaften auf einen hohen Stand (Thales,
Anaximander, Anaximenes, Xenophanes, Heraklit, Demokrit, Pythagoras,
Sokrates, Plato, Aristoteles). Ihr Recht ist durch schon im 7. Jh. einsetzende
Gesetzgebung (Lykurg, Solon, Drakon) und die rechtsphilosophische Unterscheidung
von natürlichem Recht (→ Naturrecht) und gesetztem Recht gekennzeichnet.
Aus dem 5. und 4. Jh. v. Chr. sind Gerichtsreden und Inschriften (u. a. Recht
von Gortyn auf Kreta um 450 v. Chr.), seit dem 3. Jh. v. Chr. Papyri (in
Ägypten).
Lit.: Köbler, DRG 15, 16, 29; Zachariae von Lingenthal, K.,
Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955; Mühl,
M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung,
1963; Mummenthey, H., Zur Einführung: Griechisches Recht, JuS 1969, 307; Wolff,
H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, 1978; Biscardi, A., Diritto
greco antico, 1982; Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen,
1985; Lendle, O., Einführung in die griechische Geschichtsschreibung, 1992;
Greek Law, hg. v. Foxhall, L. u. a., 1996; Burkert, W., Die Griechen und der
Orient, 2003; Cerchiai, L. u. a., Die Griechen in Süditalien, 2004; Köbler, G.,
Rechtsgriechisch, 2004; Greek Colonization, hg. v. Tsetskhladze, 2006;
Karvounis, C., Aussprache und Phonologie des Altgriechischen, 2007
Griechenland ist
der südosteuropäische, zwischen Italien und der Türkei gelegene, seit 1. 1.
1981 der → Europäischen Gemeinschaft (1993 → Europäischen Union)
angehörende Staat. Sein anfangs durch viele Stadtstaaten (z. B. → Athen)
gekennzeichnetes Gebiet wird seit 336 v. Chr. unter Makedonien vereinigt,
gelangt 146 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, wird 330 n. Chr. Ostrom
bzw. → Byzanz zugeteilt und fällt 1453 an die Osmanen (Türken). Seit dem
4. 3. 1821 erheben sich die Griechen gegen die osmanische Herrschaft. Nach
Erringung der Unabhängigkeit wird 1828 der → Hexabiblos als vorläufiges
Zivilgesetzbuch bestimmt. Am 3. 2. 1830 wird G. als unabhängige Erbmonarchie
anerkannt, zu dessen König 1832 der bayerische Prinz Otto von Wittelsbach
bestimmt wird. Das danach geschaffene Recht ist vom deutschen Recht geprägt
(1832-1834 Georg Ludwig von Maurer Strafgesetz, Strafprozessordnung, Gerichts-
und Notariatsordnung, Zivilprozessordnung, Vorbereitung eines
Zivilgesetzbuches). 1940 wird das vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch beeinflusste
Zivilgesetzbuch geschaffen, dessen Inkrafttreten am 23. 2. 1946 die Geltung des
gemeinen Rechts (→ Hexabiblos) beendet. Am 21. 4. 1967 putscht die Armee
gegen den König, am 1. 6. 1973 wird die Republik ausgerufen.
Lit.: Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff.,
Neudruck 1984; Jones, J., The Law and Legal Theory of the Greeks, 1956;
Mantzoufas, G., Über griechisches Prvatrecht, 1955; Sontis, J., Das griechische
Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Woodhouse, C., The story of modern
Greece, 1968; Larsen, J., Greek Federal States, 1968; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,473; Bengtson, H., Griechische Geschichte, 8. A. 1994;
Schuller, W., Griechische Geschichte, 4. A. 1995, 6. A. 2008; Inschriftliche
Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. Hallof, K., 1993; Selb, W.,
Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; Passow, F., Handwörterbuch der griechischen
Sprache, 5. A. 1993; Inschriftliche Gesetzestexte, hg. v. Hallof, K., 1993;
Argyriades, C., Staatsbilder und Rechtspraktiken, 1994; Christ, C., Griechische
Geschichte, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Rhodes,
P./Lewis, D., The Decrees of the Greek States, 1997; Einleitung in die
griechische Philologie, hg. v. Nesselrath, H., 1997; Große Gestalten der
griechischen Antike, hg. v. Brodersen, K., 1999; Price, S., Religions of the
Ancient Greeks, 1999; Thomas, C./Conant, C., Citadel to City-State, 1999;
Botsiou, K., Griechenlands Weg nach Europa, 1999; Hölkeskamp, K.,
Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999;
Rosen, K., Griechische Geschichte erzählt, 2000; Riemer, P./Weißenberger,
M./Zimmermann, B., Einführung in das Studium der Gräzistik, 2000;
Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre. Griechisch-deutsche Wechselwirkungen,
hg. v. Kassimatis, G. u. a., 2000; Encyclopedia of Greece and the Hellenic
Tradition, hg. v. Speake; G., 2000; Welwei, K., Die griechische Frühzeit, 2002;
Lotze, D., Griechische Geschichte, 5. A. 2003; Rose, H., Griechische
Mythologie, (10. A.) 2003; Buckler, J., Aegean Greece in the Fourth Century BC,
2003; Stahl, M., Gesellschaft und Staat bei den Griechen, 2003; Barceló, P.,
Kleine griechische Geschichte, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004; Barta,
H., Zur juristischen Professionalisierung im alten Griechenland, FS Rudolf
Welser, 2004, 27; Osborne, R., Greek History, 2004; Sünderhauf, E.,
Griechensehnsucht und Kulturkritik, 2004; Linke, B., Religion und Herrschaft im
archaischen Griechenland, HZ 280 (2005), 1; The Cambridge Companion to Ancient
Greek Law, hg. v. Gagarin, M., 2005; A Companion to the Classical Greek World,
hg. v. Kinzl, K., 2006; Freitag, K., Ethnogenese, Ethnizität und die
Entwicklung der griechischen Staatenwelt in der Antike, HZ 285 (2007), 373;
Gagarin. M., Writing Greek Law, 2008; Das Bild Griechenlands im Spiegel der
Völker, hg. v. Konstantinou, E., 2008; Fischer, J., Griechische Frühgeschichte
bis 500 v. CHr., 2009
Grimm, Jakob (Hanau 4. 1. 1785-Berlin 20. 9. 1863), Amtmannssohn, wird nach dem nicht abgeschlossenen Rechtsstudium in Marburg (Savigny) Bibliothekar in Kassel und 1829/1830 Professor der Germanistik in Göttingen. 1837 wird er als einer der Göttinger Sieben (→ Göttingen) des Amtes enthoben, 1840 nach Berlin an die Akademie der Wissenschaft geholt. 1828 erscheinen nach den Kinder- und Hausmärchen (1812ff., zusammen mit Wilhelm Grimm [24. 2. 1786-16. 12. 1859]), den deutschen Sagen (1816ff.) und der deutschen Grammatik (1819) seine deutschen Rechtsaltertümer, über die er in Berlin auch Vorlesungen hält, seit 1840 seine deutschen Weistümer sowie 1854ff. sein seit 1837 vorbereitetes deutsches Wörterbuch, durch die Jakob G. den germanistischen Teil der historischen Rechtsschule nicht unmaßgeblich beeinflusst.
Lit.: Köbler, DRG 188; Grimm, J., Von der Poesie im Recht,
Z. f. gesch. Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Grimm, J./Grimm, W., Deutsches
Wörterbuch, Bd. 1ff. 1854ff.; Briefe der Brüder Grimm, hg. v. Leitzmann, A.,
1923; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann, hg. v.
Leitzmann, A., 1927; Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 144; Ebel, W.,
Jakob Grimm und die deutsche Rechtswissenschaft, 1963; Schuler, T., Jacob Grimm
und Savigny, ZRG GA 80 (1963), 197; Grimm, J., De desiderio patriae, hg. v.
Ebel, W., 1967; Jacob Grimms deutsche Altertumskunde, hg. v. Ebel, E., 1974;
Seitz, G., Die Brüder Grimm, 1984; Dilcher, G., Jakob Grimm als Jurist, JuS
1985, 931; Der Nachlass der Brüder Grimm, bearb. v. Breslau, R., 1997; Hussong,
U., Jacob Grimm und der Wiener Kongress, 2002; Briefwechsel der Brüder Jacob
und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004; Die Brüder Grimm in
Berlin, red. v. Kaindl, K. u. a., 2004; Briefwechsel der Brüder Jacob und
Wilhelm Grimm mit den Verlegern des „Deutschen Wörterbuchs“, hg. v. Kirkness,
A., 2007
Grolman, Karl
Ludwig Wilhelm von (Gießen 23. 6. 1775-Darmstadt 14. 2. 1829) wird nach dem
Rechtsstudium in Gießen und Erlangen Professor in Gießen und 1819
Staatsminister in Hessen-Darmstadt. Er setzt sich für die Auffassung ein, dass
es Sinn der Strafe sei, durch Einwirkung auf Straftäter deren künftigen
Verbrechen vorzubeugen (→ Spezialprävention).
Lit.: Esselborn, K., Grolman, (in) Hessische Biographien,
Bd. 3 1934, 157; Röger, M., Karl Ludwig Wilhelm von Grolman, Diss. jur. Gießen
1995; Cattaneo, M., Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus, 1998
Groningen wird im
Jahre 1000 erstmals erwähnt. 1559 wird es Sitz eines Bischofs. 1614 erhält es
eine Universität.
Lit.: Peters, C., Oud Groningen, 1907; Iterson, W. van, Die
Stadt Groningen und ihre Beziehungen zum Reich, ZRG GA 85 (1965), 99
Grönland ist die
verwaltungsmäßig zu → Dänemark gehörende größte Insel der Erde. G. wird
wohl schon 900 von → Wikingern entdeckt. Die 982 anschließende Besiedlung
geht im Spätmittelalter unter. 1721 beginnt eine Neubesiedlung unter Dänemark.
Unter dem dänischen Recht erhält G. 1979 Selbstverwaltung.
Lit.: Dúason, J., Grønlands retsstilling i middelalderen,
1934; Dúason, J., Die koloniale Srtellung Grönlands, 1955; Gad, F., The History
of Greenland, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,525
Großbritannien ist
der nordwesteuropäische, zwischen Irland und Frankreich gelegene, seit 1. 1.
1973 der → Europäischen Gemeinschaft bzw. → Europäischen Union
angehörende Staat. Er entsteht 1707 durch die Überführung der 1603 gebildeten
Personalunion zwischen England und Schottland in eine → Realunion
(Vereinigung des englischen und schottischen Parlamentes). Sein amtlicher Name
lautet United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland (Selbstverwaltung
1999, zeitweise aufgehoben). Seine ungeschriebene Verfassung nähert sich unter
dem Einfluss des Europarechts den kontinentaleuropäischen Verfassungen an (1998
Human Rights Act zur Aufnahme der Europäischen Menschenrechtskonvention). →
England, → Schottland, → Irland
Lit.: Jennings, I., The British Constitution, 4. A. 1961;
Hrebek, R./Keutsch, W., Gesellschaft und Staat in Großbritannien, 1971; Ritter,
G., Parlament und Demokratie in Großbritannien, 1972; Wellenreuther, H., Der
Aufstieg des ersten britischen Weltreichs, 1987; Metz, K., Industrialisierung
und soziale Sicherheit, 1988; British Biographical Index, hg. v. Bank, D.,
1990; Speck, W., A Concise History of Britain, 1993; Rubin, G., Private
Property, 1994; Händel, H./Gossel, D., Großbritannien, 3. A. 1994; Oxford
Dictionary of National Biography, Bd. 1ff. 1992ff.; Hübner, E./Münch, U., Das
politische System Großbritanniens, 1998; Brodersen, K., Das römische
Britannien, 1998; The Oxford History of the British Empire, hg. v. Marshall,
P., Bd. 1f., 1998ff.; Ottow, R., Eine kommentierte Bibliographie zum britischen
Verfassungsdenken der frühen Neuzeit, 1999; Todd, M., Romain Britain, 3. A.
1999; Oxford History of the British Empire, Bd. 3 hg. v. Winks, R., 1999; A
Handbook of Dates, for Students of British History, ed. by Cheney, C. R.,
revised by Jones, M., 2000; Tompson, R., Islands of law, 2000; Schnurmann, C.,
Vom Inselreich zur Weltmacht, 2001; Wende, P., Großbritannien 1500 bis 2000,
2001; Schieren, S., Die stille Revolution – Der Wandel der britischen
Demokratie unter dem Einfluss der europäischen Integration, 2001; Moeder, R.,
Inzidente Gesetzesprüfung im Vereinigten Königreich, 2002; Fröhlich, M.,
Geschichte Großbritanniens von 1500 bis heute, 2004; Mergel, T., Großbritannien
seit 1945, 2005; Asch, R., Jakob I. (1566-1625), 2005; Webster, A., The Debate
on the Rise of the British Empire, 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the
Protestant Interest 1688-1756, 2006; The Hanoverian Dimension in British
History 1714-1837, hg. v. Simms, B. u. a. 2007: Wende, P., Das britische
Empire, 2008; The Judicial House of Lords 1876-2009, hg. v. Blom-Cooper, L.,
2009
großdeutsch
(Adj.) den deutschen Sprachraum einschließlich Österreichs umfassend
Großherzog ist der den Fürstentitel Herzog erhöhende Fürstentitel (Toskana 1569, Berg, Hessen-Darmstadt 1806, Luxemburg 1815).
Grotius (de Groot), Hugo (Huig) (Delft 10. 4. 1583-bei Rostock 28. 8. 1645), Patrizierssohn, wird nach dem 1594 begonnenen
Studium in Leiden und der Promotion in Orléans (1598) 1599 mit 16 Jahren Anwalt
und danach Syndikus. 1604/1605 oder 1606-1608 erarbeitet er in und nach
Verteidigung von Ansprüchen der Vereinigten Ostindischen Kompagnie (VOC von
1602) gegen auf Aneignung, Besitz, Papst und Gewohnheit gegründeten Ansprüche
Portugals das auch auf römisches Recht und antike Ethik gestützte Werk (lat.)
De iure praedae (Vom Recht der Beute), in dem er zu Gunsten der
Handelsgesellschaft den Grundsatz der Freiheit der Meere vertritt. 1619 wird er
aus politischen Gründen zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er 1621 nach
Frankreich flieht. In der Gefangenschaft verfasst er die 1631 veröffentlichte
niederländische, der Systematik der Institutionen Justinians folgende
Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd, in der Verbannung sein
Hauptwerk (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (, 1625, Drei Bücher Kriegs-
und Friedensrecht [einschließlich etwa von Eigentum, Vertrag, unerlaubter
Handlung oder Strafe]). Damit begründet er über die aus der Moraltheologie
stammenden Naturrechtslehren das Naturrecht in der Rechtswissenschaft,
dessen Sätze unmittelbar aus der vernünftigen Natur des Menschen folgen und
auch gelten würden, wenn es Gott nicht gäbe, und festigt das Völkerrecht.
Lit.: Köbler, DRG 144, 146; Lee, R., The Jurisprudence of
Holland by Hugo Grotius, 1926; Inleidinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleerdheid, beschreven bij Hugo de Groot, hg. v. Fockema Andreae,
S./Apeldoorn, L. van, 1926; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927;
Wellschmied, K., Zur Entstehung und Bedeutung der Inleidinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleerdheid von Hugo Grotius, ZRG GA 69 (1952), 155; Groot, Hugo de,
Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, hg. v. Dovring, F. u. a.,
1952; Wehberg, H., Hugo Grotius, 1956; Dießelhorst, M., Die Lehre des Hugo
Grotius vom Versprechen, 1959; ter Meulen, J./Diermanse, P., Bibliographie des
écrits sur Hugo Grotius imprimés au 17e siècle, 1961; Hugonis Grotii
Instiutiones juris Hollandici e Belgico in Latinum sermonem translatae, hg. v.
Fischer, H., 1962; De Pauw, F., Grotius and the Law of Sea, 1965; Brandt, R.,
Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Link, C., Hugo Grotius als
Staatsdenker, 1983; The World of Hugo Grotius, 1984; Hugo Grotius and
International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133; Schnepf, R.,
Naturrecht und Geschichte bei Hugo Grotius, ZNR 1998, 1; Grunert, F., Von der
Morgenröte zum hellen Tag, ZNR 2003, 204; Staat bei Hugo Grotius, hg. v.
Konegen, N. u. a. 2005; Straumann, B., Hugo Grotius und die Antike, 2007
Grundbuch ist das
vom Grundbuchamt geführte, alle die Rechtsverhältnisse an Grundstücken
betreffenden Beurkundungen aufnehmende öffentliche Register. Die ältesten
Belege des Wortes verstehen unter G. allerdings nur ein Verzeichnis der Grundstücke
und Einkünfte einer Grundherrschaft. Die Ursprünge des Grundbuchs liegen im
Mittelalter (→ Köln um 1130 → Schreinskarten, Metz [1197], Andernach
[12. Jh.], Lübeck [1284], österreichische Städte [14. Jh.]). Die Ordnung
erfolgt zunächst nach Geschehniszeitpunkten oder nach Personen
(Personalfoliensystem), in Anklam (1401) und Hannover (1428) bereits nach einzelnen
Grundstücken (Realfoliensystem). Die Aufzeichnung dient anfangs der Gedächtnisstützung,
gewinnt später aber selbständigen (konstitutiven) Rechtswert. Die Aufnahme des
römischen Rechts drängt das G. zurück. Zunächst nur in Sachsen, seit dem 19.
Jh. allgemein (Sachsen 1843, Österreich [1794 böhmisches Landtafelpatent,
1812 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch mit Eintragungsgrundsatz und
Vertrauensgrundsatz,] 1871 Grundbuchsgesetz [in Tirol und Vorarlberg
chronologisch geordnete Verfachbücher bis 1897 bzw. 1900, 1951 Anlegung des
Grundbuchs in Vorarlberg vollendet, 1955 Neufassung Allgemeines
Grundbuchsgesetz ohne grundlegende Neuerungen], Preußen 1872, Deutsches Reich
24. 3. 1897), setzt es sich aus Verkehrsbedürfnissen durch (Dreiteilung in
Eigentümer, Reallasten, Dienstbarkeiten usw., Hypotheken usw.). 1995 beschließt
Griechenland als (bislang) letzter Mitgliedstaat der Europäischen Union, (bis
2009) ein G. einzurichten. Seit etwa 1980 wird das Grundbuch elektronisiert
bzw. digitalisiert.
Lit.: Hübner 235; Köbler, DRG 125, 163, 212; Mascher, H.,
Das deutsche Grundbuch- und Hypothekenwesen, 1869; Randa, A., Die
geschichtliche Entwicklung des Institutes der öffentlichen Bücher in
Österreich, Z. f. d. Privat- und öffentl. Recht 6 (1879), 81; Aubert, L.,
Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1; Rehme,
P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Rehme, P.,
Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; His, E., Geschichte des
Basler Grundbuchs, 1915; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39
(1918), 45; Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, bearb. v. Kober, A.,
1920, Neudruck 2000; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19.
Jahrhundert, II, 2, 1935; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und
Grundbucheintragung, 1935; Demelius, H., Österreichisches Grundbuchsrecht,
1948; Abendroth, K., Die Klauseleintragungen der hamburgischen Grundbücher,
Diss. jur. Hamburg 1950; Wandel, R., Der Beitrag der Steuer- und Güterbücher
zur Entwicklung des Grundbuches in Württemberg, Diss. jur Tübingen (um 1958);
Hammer, E., Die Geschichte des Grundbuchs in Bayern, 1960; Deckwirth, H., Das
Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F.
(1971), 1; Brauneder, W., Grundbuch und Miteigentum im „Tractatus de iuribus
incorporalibus“, ZRG GA 94 (1977), 218; Böhringer, W., Historie und Vergleich,
Rechtspfleger-Studienhefte 1997, 33
Grunddienstbarkeit ist
die → Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus), bei der ein Grundstück
zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise
belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen
darf, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden
dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist. Dem älteren
deutschen Recht ist die G. fremd. Mit der Zunahme der Siedlungsdichte entwickeln
sich Nutzungsrechte an fremden Grundstücken. Mit der Aufnahme des römischen
Rechts im ausgehenden Mittelalter dringt die Unterscheidung von bloß bestimmten
Personen zustehenden (persönlichen) Dienstbarkeiten und den dem jeweiligen
Eigentümer eines Grundstücks zustehenden Dienstbarkeiten (Grunddienstbarkeiten)
ein.
Lit.: Köbler, DRG 41; Naendrup, H., Zur Geschichte
deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten
nach altwestnordischem Rechte, 1902; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Grundeigentum ist
das → Eigentum an einem → Grundstück. Im Mittelalter ist das
Grundstück vielfach lehnsrechtlich oder grundherrschaftlich gebunden. Im 19.
Jh. werden diese Bindungen aufgehoben.
Lit.: Judeich, A., Die Grundentlastung in Deutschland,
1863; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und
Westpreußen, 1891, 1895, 1896; Hausmann, S., Die Grundentlastung in Bayern,
1892; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Dyckerhoff, E.,
Die Entstehung des Grundeigentums und die Entwicklung der gerichtlichen
Eigentumsübertragung an Grundstücken in der Reichsstadt Dortmund, 1909; Ernst,
V., Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, 1926; Haff, K., Zur Geschichte
des germanischen Grundeigentums, ZRG GA 49 (1929), 433; Schabinger Freiherr von
Schowingen, K., Das sankt gallische Freilehen, 1938; Habermann, N., Die
preußische Gesetzgebung zur Herstellung eines frei verfügbaren Grundeigentums,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 3;
Goeke, U., Das Grundeigentum im Luftraum und im Erdreich, 1999
Grundentlastung ist die Aufhebung der Grundherrschaft (und
Patrimonialgerichtsbarkeit) (z. B. in Österreich durch Grundentlastungspatent
vom 30. 8. 1848 Richstag/7. 9. 1848 Kaiser auf Antrag Hans Kudlichs vom 26. 7.
1848, geldliche Abwicklung durch Entschädigungszahlung der Bauern innerhalb
zehner Jahre weitgehend gelungen). →
Bauernbefreiung.
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die Verfassung(surkunde) der Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 (am 8. 5. 1949 beschlossen, mit 24. 5. 1949 in Kraft). Das G. entsteht auf Veranlassung der westlichen Besatzungsmächte des Deutschen Reiches. Ein von den 11 Ministerpräsidenten berufener Verfassungskonvent arbeitet vom 10. bis 23. 8. 1948 auf Herrenchiemsee einen Entwurf eines vorläufigen Organisationsstatuts aus. Dieser wird von einem → Parlamentarischen Rat in Bonn überarbeitet, von den drei westlichen Militärgouverneuren genehmigt und von den Vertretungen von 10 der 11 damaligen Länder angenommen. Er gliedert sich in einen Grundrechtsteil und einen Organisationsteil (Bundesstaat, Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesverfassungsgericht und [5] Bundesgerichte). Es ist inzwischen vielfach geändert, trägt aber noch den ursprünglichen Namen, der informell auch mit Bonn in Beziehung gebracht werden kann (Bonner Grundgesetz).
Lit.: Köbler, DRG 256; Vorgeschichte der Bundesrepublik
Deutschland, hg. v. Becker, J., 1979; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf
Herrenchiemsee, 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen,
NJW 1989, 1312; Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland, hg. v.
Benz, W. u. a., 1989; Robbers, G., Die Änderungen des Grundgesetzes, NJW 1989,
1125; Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v. Schneider, H.,
Bd. 1ff. 1990ff.; Wehner, G., Die Westalliierten und das Grundgesetz, 1994;
Kahl, W., Die Entstehung des Grundgesetzes, JuS 1997, 1083; Bauer, A./Jaestedt,
M., Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz,
1998; Wilms, H., Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des
Grundgesetzes, 1999; Wilms, H., Die Entstehung des Grundgesetzes, 1999;
Schneider, H., 50 Jahre Grundgesetz, NJW 1999, 1497; Die Entstehung des
Grundgesetzes, hg., v. Feldkamp, M., 1999; Auf dem Weg zum Grundgesetz, hg. v.
Brakelmann, G., 1999; Spevack, E., Allied Control and German Freedom, 2002;
Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes – Dokumente -,
hg. v. Wilms, H., 2003; Das Grundgesetz zwischen Stabilität und Veränderung,
hg. v. Huber, P., 2007; Grundgesetz - Textausgabe mit sämtlichen Veränderungen,
hg. v. Dreier, H. u. a., 2006, 2. A. 2007, 4. A. 2008
Grundgesetz über die
Reichsvertetung → Februarverfassung (1861)
Grundherr → Grundherrschaft
Grundherrschaft ist
die von einem (weltlichen oder geistlichen) Grundherrn (z. B. König, Bischof)
beherrschte Gesamtheit von Gütern und die darauf befindlichen Leute, die dieser
von einem Haupthof (→ Fronhof, Salhof) aus mit Hilfe abhängiger Bauern
(Grundholden, Hintersassen) bewirtschaftet. Bereits im Altertum finden sich
Verbindungen von umfangreichem Eigentum an Grundstücken und Herrschaftsrechten
über Menschen. Wie weit die Germanen Vorformen der G. kennen, ist trotz der
Hinweise Tacitus’ nicht sicher. Jedenfalls ist bereits im Frühmittelalter die
G. (als Herrschaft über Land und Leute mit bis zu 5000 Höfen) weit verbreitet.
In sie treten Bauern häufig durch Vergebung ihres Hofes an einen Herren ein.
Die meist unfreien Hintersassen haben für die Nutzung des ihnen überlassenen
Grundstücks → Abgaben und → Dienste zu leisten. Der Grundherr
gewährt (außer Landnutzung) Schutz und Schirm. Die G. ist ein wichtiger
Ausgangspunkt für die Bildung von Landesherrschaft. Der Grundherr erlangt
danach vielfach Patrimonialgerichtsbarkeit und Polizeigewalt. Mit dem Eindringen
der Geldwirtschaft im Hochmittelalter wird die G. zur →Rentengrundherrschaft,
in der Herrschaftsrechte allmählich auf den Staat übergehen. Im Nordosten des
Reiches entwickelt sich die G. seit dem Spätmittelalter zur →
Gutsherrschaft. Wo die Grundherren die Eigenwirtschaft aufgeben und das
betreffende Land an Bauern ausgeben, entfällgt die Verpflichtung zu Frondienst.
Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird die G. bis zur Mitte des 19. Jhs. allgemein
beseitigt (→ Bauernbefreiung, Ablösungsgesetzgebung, Österreich Grundentlastungspatent
vom 30. 8. 1848 Reichstag/7. 9. 1848 Kaiser). Grundsätzlich ist die
(bäuerliche) G. vom (adligen) → Lehen streng zu trennen.
Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 32, 51, 77, 96, 111, 133, 174;
Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Knapp, T., Die
Grundherrschaft im südwestlichen Deutschland, ZRG GA 22 (1901), 48; Kötzschke,
R., Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden, 1901;
Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Fehr, H.,
Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 264; Grosch, G., Markgenossenschaft
und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Hofbauer, S., Die
Ausbildung der großen Grundherrschaften im Reiche der Merowinger, 1927; Klein,
H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg im Mittelalter,
Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 73 (1933), 74 (1934);
Perrin, C., Recherches sur la seigneurie rurale, 1935; Lütge, F., Die
mitteldeutsche Grundherrschaft, 1934, 2. A. 1957; Dopsch, A., Herrschaft und
Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939; Klebel, E., Die Grundherrschaften um
die Stadt Villach, Archiv für vaterländische Geschichte 27 (1942); Kötzschke,
R., Salhof und Siedelhof im älteren deutschen Agrawresen, 1953; Schreiber, A.,
Rudolfingen, 1954; Kirchner, G., Probleme der spätmittelalterlichen
Klostergrundherrschaft in Bayern, Z. f. bay. LG. 19 (1956), 1; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen, 1958; Bergengruen, A., Adel und
Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Lennard, R., Rural England, 1959;
Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964; Kuchenbuch, L.,
Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978;
Lindkvist, T., Landborna i Norden, 1979; Die Grundherrschaft im späten
Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Vassberg, D., Land and Society in Golden
Age Castile, 1984; Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v.
Rösener, W., 1989; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg,
1989; Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u.
a., 1989; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Kuchenbuch, L.,
Grundherrschaft, 1991; Scherner, K., Ut propriam familiam nutriat - Zur Frage
der sozialen Sicherung in der karolingischen Grundherrschaft, ZRG GA 111
(1994), 330; Čechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im
mittelalterlichen Böhmen, 1994; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995;
Grundherrschaft und bürgerliche Gesellschaft im Hochmittelalter, hg. v.
Rösener, W., 1995; Strutture e trasformazioni della signoria rurale, hg. v.
Dilcher, G. u. a., 1996; Grundherrschaft – Kirche – Stadt zwischen Maas und
Rhein während des hohen Mittelalters, hg. v. Haverkamp, A. u. a., 1997; Otto,
G., Die Arbeitsverfassung der bayerischen Grundherrschaft, 1998; Kuchenbuch,
L., Abschied von der „Grundherrschaft“, ZRG GA 121 (2004), 1; Grüninger, S.,
Grundherrschaft im frühmittelalterlichen Churrätien, 2006 Winkelbauer, T.,
Gundaker von Liechtenstein als Grundherr, 2008
Grundholde → Grundherrschaft
Grundlagenvertrag ist
der am 21. 12. 1972/6. 6. 1973 zwischen Bundesrepublik Deutschland und
Deutscher Demokratischer Republik abgeschlossene Vertrag.
Lit.: Nakath, D., Die Verhandlungen zum deutsch-deutschen
Grundlagenvertrag 1972, 1993
Grundpfandrecht ist
das in der Verpfändung eines Grundstücks bestehende beschränkte dingliche
Recht. → Hypothek, → Grundschuld
Lit.: Köbler, DRG 212; Meibom, V. v., Das deutsche
Pfandrecht, 1867; Mutzner, P., Geschichte des Grundpfandrechts in Graubünden,
1909; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Kölner Schreinskarten, ZRG GA 54
(1934), 1; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936, Neudruck 1983;
Schulin, H., Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz, (in)
Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3
1976
Grundrecht ist das dem Einzelnen zustehende, verfassungsmäßig verbürgte elementare Recht. Eine Vorform des Grundrechts wird in den Rechten sichtbar, die der englische König Johann Ohneland am 15. 6. 1215 den Baronen in der (lat.) → Magna Charta (F.) libertatum (große Urkunde der Freiheiten) verbriefen muss (z. B. Steuerbewilligung, Pairsgericht). Zur gleichen Zeit sehen einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum als dem Zugriff des Staates entzogene allgemeine Rechte des Menschen an. In der Neuzeit betonen die Erklärung vom Dordrecht (15./16. 7. 1572) in den Niederlanden sowie Petition of Rights (1628), Habeas-Corpus-Act (1679) und Declaration of Rights (1689) besondere Rechte des Einzelnen. In den Einzelstaaten Amerikas finden zu Beginn des Unabhängigkeitskrieges gegen England auch fundamentale Rechte ([engl.] inherent rights, unalienable rights, [franz.] 1770 droits fundamentaux) des Einzelnen in die formellen Verfassungen (1776 Virginia Bill of Rights) Eingang (26. 8. 1789 Déclaration des droits de l’Homme et du citoyen 26. 8. 1789 Frankreich). Dem folgen deutsche Verfassungen im 19. und 20. Jh. (Österreich 25. 4. 1848 nur Staatszielbestimmungen, Kremsierer Entwurf, 4. 3. 1849 Grundrechtspatent für Cisleithanien, im Silvesterpatent 1851 aufgehoben, geplantes aber gescheitertes Deutsches Reich 27. 12. 1848 [17. 1. 1849 in Kraft und zwar auch für Österreich, 23. 8. 1851 aufgehoben], Preußen 1850, nicht die Verfassung von 1871, Österreich 21. 12. 1867), wobei sich viele Grundrechte bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom politischen Programmsatz zum einlösbaren Rechtsanspruch wandeln. Inhaltlich bilden die verschiedenen Formen der → Freiheit und der → Gleichheit (→ Gleichheitsgrundsatz) den Kern der in erster Linie gegen den Staat gerichteten Grundrechte. → Menschenrecht
Lit.: Köbler, DRG 191, 194, 195, 231, 232, 257;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1047; Mommsen, T., Die Grundrechte
des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Fürstenau, H., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1891; Eckhardt, E., Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis
zur Gegenwart, 1913; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und
Bürgerrechte, 4. A. 1927; Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung,
hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Bohatec, J., England und die Geschichte
der Menschen- und Bürgerrechte, 1956; Genzmer, H., Die Grundrechte in der
Hamburger Konstituamte, Diss. jur. Hamburg 1957; Oestreich, G., Geschichte der
Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriss, 1968; Die Grundrechtsdiskussion
in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Rimscha, W. v., Die Grundrechte
im süddeutschen Konstitutionalismus, 1973; Huber, E., Grundrechte im
Bismarkschen Reichssystem, FS U. Scheuner, 1973, 163; Oestreich, G., Geschichte
der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2. A. 1978; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und
Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Grundrechte im 19. Jahrhundert,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 1982; Starck, C., Entwicklung der Grundrechte, 1982;
Sutter, B., Die Entwicklung der Grundrechte, 1982; Loew, W., Die Grundrechte,
2. A. 1982; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der
Lehre von den Grundrechten, 1987; Eisenhardt, U., Die gerichtliche Überprüfung,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 75; Grund- und Freiheitsrechte
von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G.,
1987; Brauneder, W., Geschichte der Grundrechte in Österreich, 1992; Dreier,
H., Dimensionen der Grundrechte, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des
Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Oechsle, K., Die steuerlichen
Grundrechte, 1993; Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte,
1997; Kröger, K., Grundrechtsentwicklung, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges
fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Hufen, E., Entstehung und
Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, 1504; Lamprecht, R., Vom Untertan zum
Bürger, 1999; Müller, J., Grundrechte in der Schweiz, 1999; Eisenhardt, U., Zur
Entwicklung des Grundrechtsverständnisses, FS A. Söllner, 2000; Die
Grundrechte im Spiegel des Plakats, hg. v. Artinger, K., 2000; Austermühle, G.,
Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002;
Das Menschenbild der Grundrechte, hg. v. Schünemann, B. u. a., 2002; Schäfer,
H., Die ungeschriebenen Freiheitsrechte in der schweizerischen Bundesverfassung,
2002; Quellen zur Entstehung der Grundrechte in Deutschland, hg. v.
Fikentscher, W. u. a., 2002; Köster, F., Entstehungsgeschichte der
Grundrechtsbestimmungen des zweiten Hauptteils der Weimarer Reichsverfassung,
2003; Handbuch der Grundrechte, hg. v. Merten, D. u. a., Bd. 1ff. 2004ff.;
Goller, P./Oberkofler, G., Grundrechtskatalog für Österreich?, 2004; Pauly, W.,
Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Suppé, R., Die Grund- und Menschenrechte
in der Staatslehre des 19. Jahrhunderts, 2004; Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne,
T. u. a., 2005; Hilker, J., Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus,
2005; Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Stern, K., Bd. 4
2006f.; Mahlmann, M., Elemente einer ethischen Grundrechtstheorie, 2008
Grundrente ist der
Ertrag, den der Grund (Grundstück) ohne Arbeitsaufwand und Kapitalaufwand des
Eigentümers abwirft. Die G. ist eine vermögensrechtliche → Reallast. Sie
hat sich vermutlich aus der → Erbleihe entwickelt. Später wird die G.
durch → Rentenkauf geschaffen. Seit dem 14. Jh. überwiegt die Geldrente
die Rente in Naturalleistungen. In der Neuzeit wird die G. durch das
verzinsliche hypothekarisch gesicherte → Darlehen ersetzt.
Lit.: Hübner 397
Grundruhr ist die
Berührung des Grundes durch ein Schiff (beim Schiffbruch). Die anfängliche
Folge der G. ist, dass das Gut dem zufällt, der es in Besitz nimmt. Seit dem
12. Jh. wird dies von Kirche und Kaiser bekämpft und durch das Strandregal zu
ersetzen versucht. Das Völkerrecht der Gegenwart gesteht ein Strandrecht bzw.
Bergerecht dem Küstenstaat zu.
Lit.: Nittemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa im
Mittelalter, 1955
Grundschuld ist
eine Belastung eines Grundstücks in der Weise, dass an den, zu dessen Gunsten
die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen
ist. Die in Mecklenburg ausgebildete G. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 213; Buchholz, S.,
Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978
Grundsteuer ist die
von → Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten zu entrichtende →
Steuer. Sie wird bereits von dem römischen Kaiser Diokletian (284-313/316)
erhoben. Der frühneuzeitliche Staat greift dies wieder auf. Wegen der bisher
eher geringen Höhe ist künftig mit verstärkter Abschöpfung zu rechnen.
Lit.: Köbler, DRG 55, 152; Mit dem Zehnten fing es an, hg.
v. Schultz, U., 3. unv. A. 1992
Grundstück ist der
abgegrenzte Teil der Erdoberfläche (, der im Bestandsverzeichnis eines
Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer gebucht ist). Im römischen Recht
sind die italischen Grundstücke (lat.) → res (F.Pl.) mancipi. Im
deutschen Recht wird das G. vielfach anders behandelt als die bewegliche Sache.
Im 20. Jh. ist der Erwerb landwirtschaftlich genutzter Grundstücke durch das
Erfordernis staatlicher Genehmigung eingeschränkt (Grundstücksverkehrsbekanntmachung
vom 15. 3. 1918, Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. 7. 1961, österreichische
Grundverkehrsordnung vom 9. 8. 1915, Grundverkehrsgesetz 1919).
Lit.: Kaser §§ 18, 28; Hübner 181; Köbler, DRG 90; Böckel,
F., Die Grundstücksübereignung in Sachsen-Weimar-Eisenach, 1911; Hallermann,
H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten, 1925; Richter,
G., Die Grundstücksübertragung im ostfälischen Sachsen, 1934; Merk, W., Die
Grundstücksübertragung in Meersburg am Bodensee, ZRG GA 55 (1935), 169, 56
(1936), 1; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen,
1934; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung in Freiburg,
1937; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken
in Preußen, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3
1967, 201; Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976;
Hofmeister, H., Zur Entwicklung des Eigentumserwerbs an Grundstücken und des
Grundkredits in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses
der preußischen Gesetzgebung von 1872, Wissenschaft und Kodifikation 3, 1976,
346; Hofmeister, Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der
österreichischen Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert, 1977;
Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984
Gründungsstadt ist
die durch bewusste Gründungshandlung geschaffene → Stadt (z. B. Freiburg
im Breisgau 1120?).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Grundvertrag →
Grundlagenvertrag
Grupen, Christian
Ulrich (1692-1767)
Lit.: Hoppenstedt, D.,
Christian Ulrich Grupen als Jurist und Rechtshistoriker, Hannoversche
Geschichtsblätter, neue Folge 25 (1971)
Gubernium ist die ab 1744 von Maria
Theresia auf Betreiben Haugwitz‘ in den einzelnen Ländern unter Ausschluss ständischer Mitwirkung eingerichtete absolutistische Zentralstaatsbehörde für politische Verwaltung und
Finanzverwaltung (Repräsentation
und Kammer), von der 1763 die Finanzverwaltung abgetrennt wird, zu der aber die
Justiz hinzukommt (in Österreich unter der Enns und in Schlesien Regierung).
1782 wird vom G. das Appellationsgericht verselbständigt. 1849 wird das G.
durch die Statthalterei ersetzt.
Gudelinus (Goudelin), Petrus (Ath 1550-Löwen 1619) wird nach dem Rechtsstudium (1567) in Löwen und einer Tätigkeit als Advokat 1582 Professor in Löwen. In seinen posthum veröffentlichten Werken verbindet er römisches Recht mit den Gewohnheitsrechten der Niederlande und Frankreichs.
Lit.: Leuven. 550 jaar universiteit,
1976, 301
Guilelmus de Cuneo
ist ein in Südfrankreich vielleicht um 1270 geborener, promovierter, zeitweise
in Toulouse lehrender Jurist (lecturae, additiones ad glossam, Traktate).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 567
Gulathingsbok ist
das in einer Handschrift der Mitte des 13. Jh.s (um 1250) und in weiteren
Fragmenten überlieferte, vielleicht in verschiedenen Redaktionen (Olavstext,
Magnustext) des späten 11. bis 13. Jh.s gefasste Recht des Things von Gula
(Gulen) nahe dem Sognefjord, das die älteste norwegische Rechtsaufzeichnung
darstellt. 1267 setzt König → Magnus Hakonarson eine neue, nur in ihrem
Christenrecht erhaltene G. in Kraft. Zahlreiche Bestimmungen werden 1274 in das
norwegische Reichsrecht (Landslag) übernommen.
Lit.: Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings,
hg. v. Meißner, R., 1935; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960, 112; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977, 247
Gülte, Gült, ist
eine Bezeichnung für die mittelalterliche → Grundrente.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Adler, S., Das
Gültbuch von Nieder- und Oberösterreich, 1898; Maidhof, A., Das Passauer
Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358
Gundling, Nicolaus
Hieronymus (Kirchensittenbach 25. 2. 1671-Halle 9. 12. 1729), Pfarrerssohn,
wird nach dem Studium der Theologie in Altdorf, Jena, Leipzig und Altdorf
Hofmeister in Halle. Als Schüler Thomasius’ wird er Professor für Beredsamkeit
und Naturrecht in Halle (Abriss zu einer rechten Reichshistorie, 1708).
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 302
Gutachten ist die
Beurteilung einer Frage durch einen Fachmann. Bereits die klassische römische
Jurisprudenz ist dadurch gekennzeichnet, dass seit Augustinus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.) einzelnen Rechtskundigen (sog. Respondierjuristen) das Recht verliehen
wird, auf eine Anfrage im Namen des Staatsoberhauptes (lat. [M.] princeps) eine
gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu erteilen, welcher der (lat. [M.]
iudex) Richter zu folgen hat. Seit dem 13. Jh. erteilen die oberitalienischen
Juristen (→ Konsiliatoren, z. B. Johannes Bassianus als Schüler des →
Bulgarus, Azo [1150?-1220]) G. Mit der → Aktenversendung beginnt eine
reiche gutachterliche Tätigkeit der juristischen Fakultäten (bis 1877/1879) und
entsteht ein Markt, auf dem rechtswissenschaftliche Dienstleistungen in großer
Zahl angeboten und nachgefragt werden. Die Technik des Gutachtens geht von der
Frage aus und folgert von Voraussetzungen auf ein Ergebnis hin.
Lit.: Söllner §§ 9, 10, 14, 15, 17; Köbler, DRG 107;
Seeger, H., Die strafrechtlichen Consilia Tubingensia, 1877; Kohler,
J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Klugkist,
E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. jur. Göttingen
1951 masch.schr.; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der
Erlanger Juristenfakultät, Diss. jur. Erlangen 1952; Mayer, H., Die Bedeutung
der Rechtsgutachten in der Rezeptionszeit, Diss. jur. Basel (um 1962); Schott,
C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kempter, F., Die
Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät
Ingolstadt-Landshut-München, Diss. jur. Mannheim 1976; Falk, U., Consilia.
Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006
Gutalagh ist das
wohl nach 1285 (str.) in der Volksversammlung nach norwegischem Vorbild
entstandene, in zwei Handschriften (um 1350, [1470 bzw.] 1587) und zwei
Übersetzungen überlieferte Recht der Insel Gotland, das um 1400 auch in die
deutsche Sprache übersetzt wird.
Lit.: Wessén, E., Lex Gotlandiae, 1945; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 108; Sjöholm, E.,
Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976
Gütergemeinschaft ist
der (vertragliche) Güterstand, bei dem grundsätzlich das gesamte Vermögen der
Ehegatten, das sie bei Eingehung der → Ehe haben oder später erwerben,
kraft Gesetzes gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut) wird. Die G. findet sich
bereits im Frühmittelalter bei Franken und Westfalen in der Form der →
Errungenschaftsgemeinschaft. Im Hochmittelalter dringt sie in örtlich recht
verschiedener Form weiter vor, wobei die Verwaltung der Güter grundsätzlich dem
Mann zusteht. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812)
lässt die G. zu (vgl. § 1234 ABGB), erschwert sie aber (bevorzugte G. auf den
Todesfall rechtstatsächlich bedeutungslos). Im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) wird die für rund 11 Millionen Menschen bestehende allgemeine
Gütergemeinschaft zu einem vertraglich festlegbaren Ehegüterstand
(Wahlgüterstand), für den der Grundsatz der → Gesamthand gilt.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 207, 210, 267;
Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff.
1863ff., Neudruck 1967; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht
im 19. Jahrhundert, 1978; Schmüser, S., Die Anwendung der Vorschriften des
allgemeinen Landrechts, 2007
Guter Glaube ist das Vertrauen
auf die Richtigkeit eines Anscheins. Im römischen Recht (D. 50, 17, 54) gilt
der Grundsatz (lat.) → nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet
(niemand kann mehr Rechte übertragen als er hat), so dass nur der wahre
Berechtigte ein Recht übertragen kann, doch schützt bei freiwillig aus der Hand
gegebenen Sachen (also nicht bei gestohlenen, verlorenen oder [in klassischer
Zeit auch] unterschlagenenen Sachen) ein rechtmäßiger Erwerbsgrund (z. B. Kauf)
nach Ablauf der einjährigen Ersitzungsfrist den Erwerber vor dem Herausgabeanspruch
des Berechtigten. Demgegenüber sichern hochmittelalterliche Quellen den
Erwerber von Sachen, die der Berechtigte freiwillig aus der Hand gegeben hat,
ohne dass Unkenntnis des Rechtsmangels vom Dritten verlangt wird. Das lübische
Recht führt 1586 im Interesse des Verkehrsschutzes den gutgläubigen Erwerb an
beweglichen Sachen (Fahrnis) ein. Der (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766)
lässt den sofortigen Erwerb durch den gutgläubigen Erwerber zu. Gedanklich
beeinflusst könnte dabei die Formulierung g. G. von der lateinischen bona fides
(F.) (guten Treue) sein. Nach Kant entspricht der gutgläubige Erwerb
distributiver Gerechtigkeit. Art. 306 ADHGB (1861) teilt bei nicht gestohlenen
oder verlorenen beweglichen Sachen dem redlichen Erwerber in einem
Handelsbetrieb das Eigentum zu. Dem folgt das Bürgerliche Gesetzbuch 1900,
während das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik einen
gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten für nicht erforderlich hält.
Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 212;
Bruns, C., Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung, 1872; Hübner, H., Der
Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955; Kofferath, G., Stand der Forschung
über die geschichtlichen Grundlagen des Gutglaubensschutzes (§§ 932ff. BGB),
Diss. jur. Bonn 1962; Kaiser, M., Der gute Glaube im Codex iuris canonici,
1965; Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS
H. Coing, 1982, 389; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs,
1991; Good Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann, R. u. a., 2000;
Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen
Pfandgesetzgebung, 2004
Güterrecht → Ehegüterrecht
Güterstand ist
die Gesamtheit der güterrechtlichen Verhältnisse in einer Ehe. Eine
vertragliche Regelung ist in bestimmten Grenzen möglich. Sonst gilt der so
genannte gesetzliche G.
Gütertrennung ist der Ehegüterstand, bei dem jeder Ehegatte alleiniger Berechtigter der ihm bei der Eheschließung gehörigen Güter bleibt und alleiniger Berechtigter der von ihm in der Ehe erworbenen Güter wird. Bei den Germanen wird, sofern die Frau Gut (Aussteuer, Unterhaltssicherung) in die Ehe einbringt, dieses Gut wohl vom Mann (nur) verwaltet. Dieser Güterstand der grundsätzlichen Gütertrennung mit Verwaltungseinheit auf der Seite des Mannes, besteht anscheinend im Frühmittelalter bei den deutschen Stämmen mit Ausnahme der Franken und Westfalen. Später wird die G. von der → Gütergemeinschaft zurückgedrängt. Die neuzeitlichen Kodifikationen behandeln die G. als einen Regelgüterstand. In Österreich sieht § 1237 ABGB (1811/1812) Gütertrennung vor, die aber infolge verschiedener unklarer Vermutungen inhaltlich als „vermutete“ Verwaltungsgemeinschaft verstanden wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die G. ein Wahlgüterstand. Die mit dem Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 als Regelgüterstand festgelegte → Zugewinngemeinschaft ist inhaltlich G. mit Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach Auflösung der Ehe. Daneben ist die einfache G. zulässig.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 210, 267; Schröder
R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff.,
Neudruck 1967; Martitz, F., Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels, 1867;
Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973
Gutes altes Recht ist das
Schlagwort für die von Fritz Kern verbreitete Ansicht, dass das germanische
Recht deswegen gegolten habe, weil es alt und gut gewesen sei, so dass im
Mittelalter Recht nicht geschaffen, sondern nur nach Beseitigung der von den
Menschen bewirkten Verdunkelung wiederentdeckt habe werden können. Diese
Ansicht widerspricht der germanischen und mittelalterlichen Wirklichkeit, in
der sich Recht unablässig entsprechend den menschlichen Bedürfnissen ausformt.
Sie deckt sich allerdings mit der christlichen Trias von Paradies, Sündenfall
und Erlösung, der im Recht der göttliche Dekalog, die menschliche Verirrung
(Rechtsverdunkelung) und die (Möglichkeit der) Rückkehr zum von Gott gegebenen
(und deswegen notwendigerweise guten, alten) Recht entspricht, wie sie die
christliche Kirche auch im Mittelalter verkündet.
Lit.: Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom
Recht, HZ 115 (1916), 496; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971;
Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der
Forschung, ZRG GA 111 (1994), 272; Köbler, G., Recht, Gesetz und Ordnung im
Mittelalter, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93;
Willoweit, D., Vom guten alten Recht, Jb. d. historischen Kollegs, 1997, 23
Gute Sitten (lat. →
boni mores [M.Pl.], Sg. bonus mos) sind die vom Recht für anerkennenswert
gehaltenen Verhaltensweisen. Im römischen Recht werden Geschäfte, die das
(gute) Herkommen der Vorfahren (lat. [boni] mores [M.Pl.] maiorum) verletzen,
wie beispielsweise die Schenkung einer erwarteten Erbschaft eines noch
lebenden Dritten, von den Juristen und den Kaisern als rechtswidrig bekämpft.
Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden die
guten Sitten als Bewertungsmaßstab übernommen.
Lit.: Kaser § 9 II; Köbler, DRG 43; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 414
Güteverfahren
Lit.: Peters, B., Der Gütegedanke im deutschen Zivilprozessrecht,
2004
Gutglaubensschutz → guter Glaube
Gutgläubiger Erwerb
ist der Erwerb einer nicht dem Veräußerer gehörigen Sache zu Lasten des
Berechtigten durch einen Erwerber, der → guten Glauben in Bezug auf das
Recht des Veräußerers haben, also den in Wirklichkeit nichtberechtigten
Veräußerer (fälschlich) für den Eigentümer halten muss (z. B. gutgläubiger
Erwerb beweglicher Sachen Codex Theresianus II, 8, ABGB § 367, ADHGB Art. 306,
BGB § 932, gutgläubiger Erwerb von Grundstückseigentum Württemberg 1828,
Sachsen 1843, Preußen 1872). Der vom mittelalterlichen deutschen Recht
geschützte, vom römischen Recht abgelehnte, von den naturrechtlichen Gesetzbüchern
aber in bestimmten Grenzen anerkannte gutgläubige Erwerb dient dem
Verkehrsinteresse.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Anners, E., Hand wahre hand, 1952; Anners, E., Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Dünkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Anners, E., Från lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, ZEuP 1995, 398; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Lang, N., Erwerberschutz in Europa, 2004; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung von 1825/1828 und im Bürgerlichen Gesetzbuch, 2004; Göhlert, T., Der Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten, 2007
Gutsgebiet ist in
Österreich zwischen 1948 und 1918 das keiner Gemeinde angehörende, dem
Eigentümer verwaltungsmäßig (ausgenommen das Polizeistrafrecht) ohne gewählte
Organe unterstehende Gebiet.
Gutsherrschaft ist das geschlossene, in Eigenwirtschaft durch Tagelöhner bewirtschaftete Großgrundeigentum (→ Grundherrschaft), in dem der Eigentümer meist auch die unteren hoheitlichen Befugnisse (Gerichtsbarkeit, Polizei) ausübt. Sie entsteht als Folge der mittelalterlichen Ostsiedlung, in welcher der oft ritterliche Siedlungsunternehmer Vorrechte erlangt. Seit dem Spätmittelalter sieht sich der adlige, im Kriegswesen entbehrlich werdende Ritter darauf verwiesen, seine Eigenwirtschaft auszuweiten. Unter Verwendung der ihm vom Landesherrn überlassenen Herrschaftsrechte verdrängt er seit der Mitte des 16. Jh.s die Bauern von ihren Höfen (Bauernlegen). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die G. von der Aufklärung bekämpft. Im 19. Jh. werden viele Güter aufgeteilt und bzw. oder gehen an Bürger oder Bauern über, 1945 findet eine sozialistische Enteignung der (ostdeutschen) Gutsherren statt.
Lit.: Köbler, DRG 134; Fuchs, C., Zur Geschichte des
gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in der Mark Brandenburg, ZRG GA 12
(1891), 17; Maybaum, H., Die Entstehung der Gutsherrschaft im nordwestlichen
Mecklenburg, 1926; Spies, K., Gutsherr und Untertan in der Mittelmark
Brandenburg zu Beginn der Bauernbefreiung, 1972; Die Grundherrschaft im späten
Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Konflikt und Kontrolle, (in) Kaak, H., Die
Gutsherrschaft, 1991; Gutsherrschaftsgesellschaften, hg. v. Peters, J., 1997; Schleinert, D., Die Gutswirtschaft im
Herzogtum Pommern-Wolgast, 2001; Maur, E., Gutsherrschaft und zweite
Leibeigenschaft in Böhmen, 2001; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte, 2005;
Stefanová, D., Erbschaftspraxis, Besitztransfer und Handlungsspielräume der
Untertanen in der Gutsherrschaft, 2008
H
Haager Landkriegsordnung ist
das auf den Friedenskonferenzen in Den Haag (Niederlande) 1899/1907 geschlossene
Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.2007
Haarscheren ist
eine Form der Körperstrafe oder sonstigen kennzeichnenden Behandlung.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Habeas-corpus-Akte ist das
1679 zum Schutz der Freiheit erlassene englische Gesetz, nach dem niemand ohne
richterlichen Haftbefehl verhaftet oder ohne richterliche Überprüfung in →
Haft gehalten werden darf.
Lit.: Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987
Habilitation ist der Nachweis vertiefter wissenschaftlicher
Befähigung zu Lehre und Forschung in Deutschland (lat. disputatio pro loco)
seit dem frühen 19. Jahrhundert (Berlin 1810/1816, um 1870 in Tübingen erst 58
Prozent der ordentlichen Professoren habilitiert).
Lit.: Kundert, W.,
Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984; Bruch, R. vom,
Forschung und Lehre, 2000, 69
Habsburg (Habichtsburg)
ist die um 1020 von Bischof Werner von Straßburg an der oberen Aare (in der
heutigen Nordostschweiz) errichtete Burg, nach der sich seit 1090 eine
alemannische bzw. südwestdeutsche, bis in das 10. Jh. zurückzuverfolgende
Adelsfamilie benennt, die 1273 den deutschen König (Rudolf von H.) stellt. Sie
belehnt sich 1282 in den Söhnen des Königs mit → Österreich und baut von
dort eine Hausmacht auf (1282 Steiermark, 1335 Kärnten, 1363 Tirol, 1438-1457
Ungarn und Böhmen, 1477 Burgund, 1504/1516 Spanien, 1526-1918 Ungarn und
Böhmen). Vom Spätmittelalter (1298-1308, ab 1438) bis 1740 bzw. (als
Habsburg-Lothringen ab 1745 bis) 1806 stammt der König bzw. Kaiser des Heiligen
römischen Reichs (deutscher Nation) (fast durchgehend) aus dieser Familie. Von
1806 bis 1918 herrscht sie im selbständig gewordenen Österreich(-Ungarn)
weiter, wird dann aber ausgewiesen (Karl I.)
und enteignet (4. 3. 1919 Gesetz betreffend die Landesverweisung und die
Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, 1935 aufgehoben, 1945
wieder in Kraft) und nach Rückgabe des Privatvermögens 1939 nochmals
enteignet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 131; Köbler, Historisches
Lexikon; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Schmidlin,
J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902;
Ammann, H., Die Habsburger und die Schweiz, Argovia 43 (1931); Meyer, B., Das
habsburgische Archiv in Baden, Zs. f. schweizerische Geschichte 23 (1943), 169;
Feine, H., Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, ZRG GA
67 (1950), 176; Die Auflösung des Habsburgerreiches, 1970; Die
Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. 1ff., hg. v. Wandruszka, A. u. a., 1973ff.;
Wandruszka, A., Das Haus Habsburg, 1978; Wachter, D., Der Aufstieg der
Habsburger, 1982; Kohler, A., Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V.,
1982; Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986;
Die Habsburger, hg. v. Hamann, B., 1988, 4. A. 2002; Kamm, R., Geschichte des
Habsburgerreiches, 1990; Baum, W., Kaiser Sigismund, 1993; Kaiser Friedrich
III. (1440-1493) in seiner Zeit, hg. v. Heinig, P., 1993; Heinig, P., Kaiser
Friedrich III. (1440-1493), 1997; Krieger, K., Die Habsburger im Mittelalter,
2. A. 2004; Bankl, H., Die kranken Habsburger, 1998; Hansert, A., Der Prinz wird
König, 1998; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1998; Die Habsburger im
deutschen Südwesten, hg. v. Quarthal, F./Faix, G., 1999; Erbe, M., Die
Habsburger, 2000; Heimann, H., Die Habsburger, 2001; Laubach, E., Ferdinand I.
als Kaiser, 2001; Nuss, P., Les Habsbourg en Alsace, 2002; Leidinger,
H./Moritz, V./Schippler, B., Schwarzbuch der Habsburger, 2003; Sauter, A.,
Fürstliche Herrschaftsrepräsentation, 2004; Böhmer, P. u. a., Die Erben des
Kaisers, 2004; Kadgien, M., Das Habsburgergesetz, 2005; Wolf, S., Die
Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians (1486-1493), 2005;
Koller, H., Friedrich III., 2005; Regesta Habsburgica 5, 1, bearb. v. Lackner,
C., 2007; Hengerer, M., Ferdinand III. (1608-1657), 2008; Höbelt, L., Franz
Joseph I., 2009
Hafen ist der
Landeplatz und die Liegestelle für Schiffe. Der H. erscheint schon im Altertum.
Lit.: Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26
(1905), 34; See- und Flusshäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung,
hg. v. Stoob, H., 1986; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und
Schiffahrstsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag)
Haflidaskra ist das
1117/8 in → Island eingeführte, nicht überlieferte Recht, das in der →
Gragas aufgeht.
Lit.: Johannesson, Islands Historie,
1969
Haft ist die
amtliche Entziehung der Bewegungsfreiheit vor allem zum Zweck der Untersuchung
oder Bestrafung und der Erzwingung einer Handlung. Ihre Voraussetzungen sind
zunächst nicht festgelegt. Bereits hoch- und spätmittelalterliche Quellen (mit
Schöffenvorbehalten) sowie dann die englische → Habeas-corpus-akte (1679)
verlangen aber vielleicht als Folge des Aufkommens des Inquisitionsprozesses
einen richterlichen Haftbefehl bzw. eine richterliche Untersuchung. Im
Rechtsstaat des 19. Jh.s wird jeder staatliche Eingriff in die Freiheit von
einer gesetzlichen Gestattung abhängig gemacht (Bayern 1818, Baden 1818,
Württemberg 1819 usw.).
Lit.: Köbler, DRG 205; Thissen, M., Das Verhaftungsrecht,
Diss. jur. Bonn 1961; Hermes, T., Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, 1992;
Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997
Haftbefehl ist die
schriftliche Anordnung eines Richters, einen Menschen in Haft zu nehmen.
Vorstufen des Haftbefehls sind sowohl der englische warrant of commitment, der
dem Büttel (constable) aufgibt, den Beschuldigten in das Gefängnis zu bringen,
wie auch der französische → lettre de cachet, der oft den königlichen
Befehl enthält, sich in ein Gefängnis zu begeben. Demgegenüber bestimmt nach
der englischen → Habeas-corpus-akte (1679) die französische →
Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (1789), dass kein Mensch in
Haft genommen oder gefangengehalten werden darf, außer in den durch Gesetz
bestimmten Fällen und nach den vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Die
französische Verfassung von 1791 fordert für jede Verhaftung einen
polizeilichen oder gerichtlichen H. Nach der Verfassung von 1795 muss der H.
den Haftgrund und die Rechtsgrundlage enthalten und dem Verhafteten
abschriftlich ausgehändigt werden. Die Verfassung von 1799 verlangt einen
richterlichen H. Der 1808 erlassene Code d’instruction criminelle
unterscheidet vier Arten von Haftbefehlen und wirkt in der Folge auf das
deutsche Strafverfahrensrecht ein (Bayern 1813, Deutsches Reich 1848,
Reichsstrafprozessordnung 1877/1879).
Lit.: Speck, H., Die Geschichte der Voraussetzungen für die
Anordnung der Untersuchungshaft, Diss. jur. Kiel 1969
Haftpflichtversicherung ist die für den Fall der gesetzlichen Verpflichtung zu
einer → Haftung abzuschließende oder abgeschlossene → Versicherung
(z. B. [1939] des Halters eines Kraftfahrzeuges).
Lit.: Bar, C. v., Das Trennungsprinzip, AcP 181 (1981), 289
Haftung ist das
Unterworfensein des Schuldners als Person mit seinem Vermögen unter den
Vollstreckungszugriff des Gläubigers. Die H. ermöglicht deshalb die Erzwingung
der Erfüllung, die der Schuld als solcher (vermutlich) fehlt. Dementsprechend
gibt es (einzelne Fälle von) H. ohne Schuld und Schuld ohne H. Im römischen
Recht ist nach Ersetzung des ursprünglichen rächenden Zugriffsrechts des
Verletzten gegenüber dem unrecht handelnden Täter durch eine Sühnegabe auch
die künstliche Herstellung einer H. durch Geschäft möglich (z. B. lat. [N.] →
nexum, [F.] → sponsio - stipulatio). Später tritt neben der H. auch der
Gedanke der Schuld hervor. Spätestens in der jüngeren Republik wird in der
(lat. [F.]) → obligatio neben der H. die Schuld mitverstanden. Ähnliche
Verhältnisse sind auch für das germanische Recht anzunehmen. Dementsprechend
setzt sich seit dem Frühmittelalter die Auffassung durch, dass jede Schuld auch
ohne besondere zusätzliche Vereinbarung eine H. zur Folge habe. Auf dieser
Grundlage wird seit dem Spätmittelalter mit der Aufnahme des römischen Rechts
auch die römische Vorstellung von der (lat. [F.]) obligatio aufgenommen. Die
älteste Form der leiblichen Haftung (z. B. Geiselschaft, Schuldknechtschaft,
Schuldhaft) endet dabei im Jahre 1868 (Wechselarrest). Im Übrigen steht neben
der Haftung eines einzelnen bestimmten Gegenstands (Sache, Recht) die
allgemeine, grundsätzlich unbeschränkte persönliche Vermögenshaftung.
Vertraglich ist jeweils auch eine Haftungsbeschränkung möglich.
Lit.: Kaser § 32 II; Köbler, DRG 26, 59, 127, 167; Egger,
A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gierke, O. v.,
Schuld und Haftung im älterem deutschem Recht, 1910, Neudruck 1969; Goerlitz,
T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer
Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Schneider-Horn, W., Die
Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel nach lübischem Recht, Diss. jur.
Hamburg 1969; Benöhr, H., Zur außervertraglichen Haftung im gemeinen Recht, FS
M. Kaser, 1976, 689; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21;
Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini
11/12 (1982/3), 589; Eska, A., Schuld und Haftung, Diss. jur. Potsdam 1998;
Jansen, N., Die Struktur des Haftungsrechts, 2003
Hagen
Lit.: Linscheidt, P., Das Landgericht Hagen, 2004
Hagenrecht ist das im 12. Jh. im Weserbergland sichtbar werdende günstige Bodennutzungsrecht der hochmittelalterlichen deutschen Rodungssiedlung.
Lit.: Engel, F., Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen, 1949;
Kroeschell, K., Waldrecht und Landsiedelrecht, Hess. Jb. f. LG. 4 (1954), 117;
Molitor, E., Verbreitung und Bedeutung des Hägerrechts, (in) Adel und Bauern,
2. A. 1967, 331; Asch, J., Grundherrschaft und Freiheit, Nds. Jb. 1978, 107
Hagestolz
Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Stoll,
F., Das Hagestolzenrecht, 1970
Hagerup, Francis
(1853-1921), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig und
Paris 1887 Professor und 1895 Ministerpräsident. Durch eine Reihe von wichtigen
Beiträgen zu verschiedenen Rechtsgebieten (Privatrecht, Methodenlehre,
Strafprozess, Zivilprozess, Strafrecht) wird er zu einem der bedeutendsten
Rechtswissenschaftler → Norwegens.
Lit.: Kaartvedt, A., Hoyres Historie,
Bd. 1 1984, 133
Halberstadt
Lit.: Schmidt-Ewald,
W., Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Bistums Halberstadt, 1916;
Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980; Urkundenbuch des Stifts
S(ank)t Johann bei Halberstadt 1119/1123-1804, hg. v. Diestelkamp, A. u. a.,
1989
Hale, Sir Matthew (1609-1676), früh verwaist, wird nach kurzem Theologiestudium in Cambridge (1626) 1628 Mitglied von Lincoln’s Inn in London, 1636 Anwalt, 1654 Richter und Parlamentsmitglied, nach der Wiedereinsetzung des englischen Königs Karl II. 1660 Richter am Court of Exchequer und 1671 Chief Justice of the King’s Bench. In seinen nach seinem Tod teilweise gedruckten Schriften versucht er eine Ordnung des englischen Strafrechts (Pleas of the Crown), eine methodische Erfassung des Rechts (Analysis of the Civil Part of the Law), eine Geschichte des Strafrechts (History of the Pleas of the Crown) und eine Geschichte des Common Law (History of the Common Law).
Lit.: Burnet,
G., Life and Death of Sir Matthew Hale, 1682; Holdsworth, W., History of
English Law, Bd. 6 1937, 574
Halle an der Saale ist der wegen des dortigen Salzvorkommens schon um 1000 v. Chr. besiedelte Ort, der wohl im 12. Jh. Stadt wird. Nach dem 1680 erfolgten Übergang an den Markgrafen von Brandenburg richtet dieser 1694 eine aufgeklärte Modelluniversität in H. ein (→Thomasius) (bis 1806). Nach dem Erwerb der Gebiete Sachsens um Wittenberg durch Preußen (1815) wird die 1813 von Napoleon geschlossene Universität Wittenberg nach Halle verlegt und am 12. 4. 1817 die Universität Halle-Wittenberg gegründet.
Lit.: Köbler, DRG 136; Gaupp, E., Das alte magdeburgische
und hallische Recht, 1826; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für
Neumarkt in Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137;
Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526;
Urkundenbuch der Stadt Halle, bearb. v. Bierbach, A., Bd. 1ff. 1930ff.; Sandow,
E., Das Halle-Neumarkter Recht, 1932; Goerlitz, T., Zum Jahr 1181 der
hallischen Rechtsmitteilung an Neumarkt, ZRG GA 56 (1936), 378; Bucda, G., Die
Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät in ihrem äußeren Verlauf, Teil
1, ZRG GA 62 (1942), 210, Teil 2 ZRG GA 63 (1943), 251, Teil 3 ZRG GA 64
(1944), 223, 68 (1951), 308 (Schluss); 250 Jahre Universität Halle, 1944;
Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950),
416; Körner, H., Stadt- und grundherrliche Rechte in Halle, Diss. jur. Halle
1952; Buchda, G., Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät (Nachtrag),
ZRG GA 71 (1954), 367; Winter, E., Halle als Ausgangspunkt der deutschen
Russlandkunde im 18. Jahrhundert, 1953; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der
Halleschen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1980; Halle, 2. A. 1983; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Jelowik, L., Kuriosa aus der Geschichte
der halleschen Juristenfakultät, ZRG GA 109 (1992), 382; 300 Jahre Universität
Halle, hg. v. Speler, R., 1994; Maier, H., Aufklärung, Pietismus,
Staatswissenschaft, HZ 261 (1995), 769; Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer
Herkunft, hg. v. Pauly, W., 1996; Hüls, T., Die Juristenausbildung an der
Universität Halle, 1997; Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R.,
1998; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998; Kannowski, B. u. a., Der
hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235, ZRG GA 120 (2003), 61;
Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005
Halm ist der
Stengel des Grases (bzw. Getreides), der im mittelalterlichen Recht vielfach
als Symbol der → Investitur mit einem Gut verwendet wird.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 168 u. ö.
Haloander (Meltzer),
Gregor (Zwickau 1500-1531) gibt 1528-1531 auf der Grundlage der Vorarbeiten
Polizians und Bolognins sowie der Florentiner Handschrift eine (humanistische)
unglossierte Ausgabe der justinianischen Rechtstexte mit unvollständigen
griechischen Bestandteilen in Pandekten und Codex und griechischen Novellen
heraus, in der er die mittelalterliche Gliederung der Pandekten beseitigt, die
Inskriptionen beachtet und im Codex die Subskriptionen herstellt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,645
Hals und Hand ist im
deutschen Mittelalter eine Paarformel für die Lebensstrafe bzw. Leibesstrafe.
Halseisen ist im
deutschen Mittelalter die Vorrichtung, mit deren Hilfe ein Straftäter am →
Pranger befestigt werden kann.
Lit.: Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen
1949
Halsgericht (13.
Jh. [1296]) → Hals und Hand, Halsgerichtsordnung
Halsgerichtsordnung ist
die Strafverfahrensordnung am Beginn der frühen Neuzeit ([Nürnberg 1314,]
Ellwangen 1466, Nürnberg 1485, Tirol 1499, [Volkach 1504,] Radolfzell 1506,
Bamberg 1507, Laibach 1514, Krain 1535, Niederösterreich 1514/1540, Kärnten,
Steiermark, Oberösterreich 1559, [Regensburg 1565/1575, Eberstein 1609/1622]).
Als H. wird auch die → Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532
benannt. In den Hasgerichtsordnungen ist zu erkennen, wie sich das
Schwergewicht des Verfahrens in Strafsachen auf das ermittelnde Vorverfahren
verlagert.
Lit.: Köbler, DRG 139; Schmidt, E., Die Maximilianischen
Halsgerichtsordnungen, 1949; Merzbacher, F., Das alte Halsgerichtsbuch des
Hochstifts Eichstätt, ZRG GA 73 (1956), 375; Schultheiß, W., Geschichte des
Nürnberger Ortsrechts, 1957, 10; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung
Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schild, W., Die Halsgerichtsordnung der Stadt
Volkach, 1997
Hambacher Fest ist
das vom 27.-30. 5. 1832 auf der Burgruine von Hambach (Maxburg) in der Pfalz
auf Einladung des Schriftstellers Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1785-1849) als
politische Kundgebung des Liberalismus mit etwa 25000 Teilnehmern durchgeführte
Fest. Die geplante Wahl einer provisorischen Nationalregierung zwecks Abschaffung
der Monarchie und Bildung eines Bundes von Republiken nach amerikanischem
Muster scheitert. Die Hauptverantwortlichen werden auf Drängen Österreichs und
Preußens zu Haft verurteilt. → Deutscher Bund
Lit.: Wirth, J., Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach,
Teil 1f. 1832; Süß, E., Die Pfälzer im „schwarzen Buch“, 1956; Das Hambacher
Fest, hg. v. Baumann, K., 2. A. 1982; Freiheit, Einheit und Europa - das
Hambacher Fest von 1832, hg. v. Kermann, J. u. a., 2006
Hamburg ist der
vielleicht aus einem Königshof Karls des Großen nahe der Mündung der Alster in
die Elbe erwachsene Stadtstaat. 1189 bestätigt Kaiser Friedrich I. Barbarossa
der Neustadt H. umfangreiche Handels-, Zoll- und Schiffahrtsrechte. Um 1270
wird das Recht im sog. Ordeelbook aufgezeichnet, 1292 erhält die Stadt vom
Stadtherrn das Recht der eigenen Rechtssetzung. Am Beginn des 15. Jh.s wird
die Reichsunmittelbarkeit anerkannt (1460 Reichsstadt). 1497 wird das Recht in
einer Bilderhandschrift neu gefasst, 1603 nach dem Vorbild Nürnbergs reformiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hamburgisches
Urkundenbuch, hg. v. Lappenberg, H. u. a., Bd. 1ff. 1842ff.; Baumann, H., Das
Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 1f. 1856; Die
Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts von 1497, 1917 (mit einem
Wörterverzeichnis); Reincke, H., Hamburg, 1925; Reincke, H., Agneta Willeken,
1928; Schalk, E., Einführung in die Geschichte des Liegenschaftsrechts der
freien und Hansestadt Hamburg, 1931; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen
Güterrechtsverhältnisse, 1934; Bücherkunde zur hamburgischen Geschichte, Bd.
1ff. 1939ff.; Reincke, H., Forschungen und Skizzen zur Geschichte Hamburgs,
1951; Strehlow, G., Die holländischen Einwanderungen, Diss. jur. Hamburg 1951;
Ewald, M., Der hamburgische Senatssyndicus, 1954; Reincke, H., Das hamburgische
Ordeelbook von 1270 und sein Verfasser, ZRG GA 72 (1955), 82; Kausche, D.,
Untersuchungen zur älteren Rechtsgeschichte und Topographie Harburgs, Zs. d.
Vereins f. hamburg. Geschichte 43 (1956), 105; Genzmer, H., Die Grundrechte in
der Hamburger Konstitutante, Diss. jur. Hamburg 1957; Winter, G., Das eheliche
Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Otto, F.,
Die rechtlichen Verhältnisse des Domstiftes zu Hamburg von 1719 bis 1802, Diss.
jur. Göttingen 1958; Hamburgische Burspraken, hg. v. Bolland, J., 1960;
Dokumente zur Geschichte der hamburgischen Reichsfreiheit, bearb. v. Reincke,
H., 1961; Pitz, E., Die Zolltarife der Stadt Hamburg, 1961; Schultze-von
Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961; Die Hamburger
Elbkarte aus dem Jahre 1568, gez. v. Lorichs, Melchior, hg. v. Bolland, J.,
1964; Ipsen, H., Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1965; Die
Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts 1497, erl. v. Reincke, H., 1968;
Hamburger Testamente, bearb. v. Loose, H., 1970; Rückleben, H., Die
Niederwerfung der hamburgischen Ratsgewalt, 1970; Ramcke, R., Die Beziehungen
zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert, 1969; Richter, K.,
Untersuchungen zur Hamburger Wirtschafts- und Sozialgeschichte um 1300, 1971;
Gabrielson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäfte 1471-1490,
1971; Wenner, H., Handelskonjunkturen und Rentenmarkt, 1972; Hamburg, hg. v.
Loose, H., 1982; Augner, G., Die kaiserliche Kommission der Jahre 1708-1712,
1983; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt
Hamburg von 1731, 1990; Voß, J. v., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hamburg,
1988; Stadtgeschichte Hamburg, red. v. Schöller, A., 1990; Hochschulalltag im Dritten
Reich, hg. v. Krause, E. u. a., 1991; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben
Hamburgs, 1997; Rademacher, R., Die Geschichte des Hafen- und
Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 3 1997; Das Hamburger Ordeelbook von 1270,
v. Eichler, F. 2005; Krieger, M.,
Geschichte Hamburgs, 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und
französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen
(1806-1815), 2007; Hamburgische Biographie, hg. v. Kopitzsch, F. u. a., Bd. 3
2006; Eichler, F., Das Hamburger Ordeelbook in der Erstfassung von 1270, 2007;
Die Langenbeck’sche Glosse zum Hamburger Stadtrecht von 1497, hg. v. Eichler,
F., 2008
Hamm
Lit.: 700 Jahre Stadt Hamm, hg. v. Magistrat, 1926
Hammurapi (1793-1750
bzw. 1728-1686 v. Chr.), König von Babylon, veranlasst die bekannteste,
1901/1902 auf einer 2,25 Meter hohen, in der Gegenwart in Paris befindlichen
Dioritstele entdeckte, aus Abschriften ergänzte Rechtssammlung des
orientalischen Altertums (Codex Hammurapi) mit 280 bzw. 282 Abschnitten über
die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und über unterschiedliche
Sachverhalte des Privatrechts und Strafrechts (z. B. 192 Wenn ein Mann einem
Manne einen Zahn ausgeschlagen hat, wird sein Zahn ausgeschlagen). Noch älter
ist der → Codex Urnammu.
Lit.: Fehr, H., Hammurapi und das salische Recht, 1910;
Koschaker, Paul, Rechtsvergleichende Studien zur Gesetzgebung Hammurapis, 1917;
Driver, G. u. a., The Babylonian Laws, 1952ff.; Nörr, D., Studien zum
Strafrecht im Kodex Hammurapi, 1954; Haase, R., Einführung in das Studium
keilschriftlicher Quellen, 1965; Müller, D., Die Gesetze Hammurabis, 1975;
Ringer, J., Noch einmal: Was war der „Kodex“ Hammurapi, (in)
Rechtskodifikation, hg. v. Gehrke, H., 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts,
3. A. 2006; Strenge, I., Codex Hammurapi und die Rechtsstellung der Frau, 2006
Hand ist das zum
Greifen dienende menschliche Gliedmaß, das im Recht vielfach symbolisch
verwendet wird. → Hals und Hand
Lit.: Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den
Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Jursch, H./Jursch, L., Hände als
Symbol und Gestalt, 8. A. 1951
Handel ist der
Ankauf und Verkauf von Waren auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher. An
seinem Anfang steht der → Tausch. Mit der Verwendung von → Geld
beginnt der → Kauf den Tausch abzulösen. Bedeutsam ist der H. im
Stadtstaat des Altertums und seit dem Hochmittelalter in der Stadt. Mit dem 19.
Jh. tritt die Selbstversorgung allgemein hinter der Versorgung durch Markt und
Handel zurück.
Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 29, 67, 78, 97, 167, 176, 217,
225, 242, 271; Stein, W., Handels- und Verkehrsgeschichte der deutschen
Kaiserzeit, 1922, Neudruck 1967; Rundstedt, H. v., Die Regelung des Getreidehandels
in den Städten, 1930; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden im
Mittelalter, 1931; Beutin, L., Der deutsche Seehandel, 1933; Koppe, W.,
Lübeck-Stockholmer Handelsgeschichte, 1933; Müller, K., Welthandelsbräuche
1480-1540, 1934, Neudruck 1962; Laurent, H., Un grand commerce d’exportation,
1935; Köhler, E., Einzelhandel im Mittelalter, 1938; Aubin, G./Kunze, A.,
Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland, 1940; Peyer,
H., Zur Getreidepolitik oberitalienischer Städte im 13. Jahrhundert, 1950;
Kehn, W., Der Handel im Oderraum im 13. und 14. Jahrhundert, 1968;
Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in
Mittel- und Nordeuropa, Bd. 1ff. hg. v. Düwel, K., 1985ff. (Bd. 3 Der Handel im
frühen Mittelalter); Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel
frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; North, M., Kommunikation, Handel,
Geld und Banken, 2000; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute,
2001; Hornbogen, J., Travail national – nationale Arbeit – die
handelspolitische Gesetzgebung in Frankreich und Deutschland, 2002; Reyerson,
K., The Art of the Deal, 2002; Nagel, J., Abenteuer Fernhandel. Die
Ostindienkompagnien, 2007
Handelsbrauch ist der im Handel beachtete und
im Zweifel zu beachtende Brauch.
Lit.: Müller, K.,
Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934
Handelsbuch ist das seit dem Spätmittelalter vom Händler über seine Geschäfte geführte → Buch, das in der Neuzeit auch rechtlich den Beweis erleichtert (ALR [1794]).
Lit.: Köbler, DRG 167; Schmidt-Busemann,
W., Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, Diss. rer.
pol. Göttingen 1977; Stockalpner, K. v., Handels- und Rechnungsbücher, hg. v.
d. schweizerischen Stiftung für das Stockalperschloss u. a., Bd. 1ff. 1987ff.;
Dunkmann, C., Die Beweiskraft der Handelsbücher, 2007
Handelsgericht ist das für Handelssachen zuständige Gericht.
Lit.: Schön, D.,
Die Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 1999
Handelsgesellschaft ist
die → Handel treibende → Gesellschaft. Sie erscheint zum einen im
Mittelmeerraum (Venedig, Genua), wobei die (lat. [F.]) commenda (Seedarlehen)
gegenüber der H. (lat. societas [F.] maris) zumindest zeitweise den Vorrang
hat. Aus der Erbengemeinschaft entwickelt sich die → offene H. Sie wird
in Florenz 1408 durch die Beschränkung der Haftung abgeändert, woraus sich im
16. Jh. als neue Form die → Kommanditgesellschaft ergibt. Im nordischen
Bereich finden sich ebenfalls genossenschaftliche Unternehmungen. Bedeutsam
sind hierbei die Kommission (→ sendeve) und das Darlehen (wederlegginge).
In Oberdeutschland bilden Familien offene Handelsgesellschaften (z. B.
Fugger). Mit der Entdeckung der neuen Welt seit 1492 werden hohes Kapital und
breite Gefahrenstreuung notwendig. Hieraus entwickelt sich die →
Aktiengesellschaft (1602 Niederländische ostindische Handelskompagnie).
Allgemein befasst sich der deutsche Gesetzgeber mit der H. im Allgemeinen
Landrecht (Preußens) von 1794. Frankreich, das bereits 1673 und 1681
ordonnances zum Handel erlassen hatte, setzt 1808 einen eigenen (franz.) Code
de commerce (Handelsgesetzbuch) in Kraft, der die Aktiengesellschaft (franz.)
société (F.) anonyme gesetzlich regelt. Im Deutschen Bund behandelt 1861 das →
Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch die offene Handelsgesellschaft, die
Kommanditgesellschaft, die Aktiengesellschaft und die stille Gesellschaft. Das
Handelsgesetzbuch von 1897 nimmt zusätzlich die Kommanditgesellschaft auf
Aktien auf. Mit dem 20. 4. 1892 wird die → Gesellschaft mit beschränkter
Haftung geschaffen, mit dem 30. 1. 1937 die Aktiengesellschaft in einem eigenen
Gesetz verselbständigt.
Lit.: Köbler, DRG 127; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften, 1889; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2007; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schulte, A., Geschichte der
großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1 1923; Pollack-Parnau, F. v.,
Eine österreichisch-ostindische Handelskompagnie 1775-1785, 1927; Ammann, H.,
Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, 1928; Fitzler, M., Die Handelsgesellschaft
Felix v. Oldenburg & Co. 1753-160, 1931; Condanari-Michler, S., Zur
frühvenezianischen collegantia, 1937; Silberschmidt, W., Von collegantia und
rogadia zu widerlegung und sendeve, Studi di storia e diritto in onore di
Enrico Besta, 1938; Bruhl-Lévy, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce
en France, 1938; Lopez, R., The Commercial Revolution of the Middle Ages, 1971;
Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976;
Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, FS F. Vischer,
1983, 557; Societates, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Söhnchen, M., Die historische
Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005
Handelsgesetzbuch ist
das den Handel regelnde besondere Gesetzbuch. Es erscheint 1808 als (franz.)
Code (M.) de commerce in Frankreich, wo schon → ordonnances von 1673 und
1681 vorangegangen waren (→ Spanien 1829 [Código de comercio], →
Portugal 1833, → Niederlande 1838). Im → Deutschen Bund wird nach
einem vergeblichen Versuch von 1848 auf bayerischen Antrag und unter Verwendung
preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 durch Vereinbarung unter den
Bundesstaaten ein → Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch geschaffen,
das die einzelnen Mitgliedstaaten als eigenes Gesetz in ihrem Staatsgebiet
einführen. Es wird im Deutschen Reich 1897 in das Handelsgesetzbuch mit auf
den Kaufmann abstellendem subjektivem System umgeformt. Das in Österreich 1938
zum 1. 3. 1939 eingeführte H. des deutschen Reiches wird 2007 durch ein Unternehmensgesetzbuch
abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 182, 184, 217; Protokolle der Kommission
zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J.,
Bd. 1ff. 1858, Neudruck 1984; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm;
Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches auf die
Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Schubert, W., Die
Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuchs als Bundesgesetze 1869, ZHR 144 (1980), 484;
Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), hg.
v. Baums, T., 1982; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897,
hg. v. Schubert, W., 1986ff.; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M.
u. a., 1998
Handelskammer ist
die im 19. Jh. geschaffene Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Wahrung
und Förderung der Interessen der Mitglieder im Bereich des Handels (Frankreich,
Österreich 1850, Hamburg 1868, Preußen 1870).
Lit.: Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und
Staat, 1964; Die Bozner Handelskammer, 1981; Bibliographie zur Geschichte und
Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986
Handelsrecht ist
das Recht des → Handels bzw. subjektiv das Sonderprivatrecht der →
Kaufleute. Es entwickelt sich trotz einiger besonderer Einrichtungen für den
Handel im Altertum erst seit dem Mittelalter in Oberitalien (Genua 1056, Pisa
1161 Constitutum usus, Mailand 1170) und Spanien (Barcelona, Valencia). Führend
sind dabei die genossenschaftlichen Zusammenschlüsse der Kaufleute.
Bemerkenswert sind Einflüsse der Araber. Für das Seerecht gewinnen Rhodos (8. Jh.), Trani (11. Jh.), Oléron
(12. Jh.), Pisa (1161), Genua (1350) und
Barcelona (1348 → Consolat del Mar) besondere Bedeutung, im nordeuropäischen
Raum die → Hanse. In der frühen Neuzeit findet sich H. hauptsächlich in
den städtischen Statuten (Hamburg 1603, 1642 u. ö., Nürnberg 1647, 1654,
Leipzig 1682 u. a.), daneben auch in Reichspolizeiordnungen (1523, 1530, 1548,
1577 u. ö.). Etwa zu dieser Zeit setzen auch wissenschaftliche Bemühungen um
das H. ein (Johann Marquard 1662). In Frankreich erlässt Ludwig XIV. 1673 die
(frz.) → ordonnance du commerce und 1681 die (frz.) → ordonnance de
la marine. Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) befasst sich
Kreittmayr in seinen Anmerkungen mit dem H. Die erste zusammenfassende Regelung
ist im preußischen → Allgemeinen Landrecht (1794) als Standesrecht der
Kaufleute enthalten. Demgegenüber fasst der französische → Code de
commerce (1808) das H. als sachliches Sonderrecht des Handels auf. Eine
eigenständige deutschrechtliche Sonderentwicklung im deutschen Bereich lässt sich
nicht erkennen, obgleich sich die Lehrbücher des gemeinen deutschen
Privatrechts besonders auch des Handelsrechts annehmen. → Handelsgesetzbuch
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 205; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Raisch, P., Die Abgrenzung des
Handelsrechts vom bürgerlichen Recht als Kodifikationsproblem des 19.
Jahrhunderts, 1962; Raisch, P., Geschichtliche Voraussetzungen, 1965; Scherner,
K., Anfänge einer Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972),
465; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,797, 2,2,571,
3,3,2853; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277;
Gelehrte in Hamburg, hg. v. Loose, H., 1976 (Büsch 1728-1800); Bergfeld, C.,
Einzelkaufmann und Unternehmer, Person und Organisation im Handelsrecht, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126;
Sonnleithner, G. v., Bearbeitung des Handelsrechts durch Ignaz von
Sonnleithner, 1982; Montag, J., Die Lehrdarstellungen des Handelsrechts von
Georg Friedrich Martens bis Meno Pöhls, 1986; Quellen zum Handelsgesetzbuch von
1897, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1f. 1986ff.; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
3,3, 1986; Mohnhaupt, H., „Jura mercatorum durch Privilegien“, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 308; The Courts and the
development of commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 1987; Müller-Boysen,
C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht im frühmittelalterlichen Nordeuropa,
1990; Modernisierung des Handelsrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Scherner, K.,
1993; Ittenbach, H., Handelsrechtssysteme, 1994; Eisenhardt, U., Zu den
deutschrechtlichen Wurzeln des Handelsrechts, FS P. Raisch, 1998, 51;
Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Handelsregister
ist das handelsrechtliche Sachverhalte verzeichnende öffentliche, bei den
Amtsgerichten geführte Register. Frühe , von Notaren wahrzunehmende Ansätze werden
in Frankfurt am Main 1666 (Protocollum) sichtbar. 1829 wird im Codigo de
comercio Spaniens der Verwaltung die Führung eines Handelsregisters übertragen,
1839/1840 nach einem Entwurf Württembergs erstmals Gerichten.
Lit.: Rintelen, M., Das
Ragionenbuch der Augsburger Kaufmannschaft, Hist. Zeitschrift für Schwaben und
Neuburg 39 (1913), 96; Rintelen, M., Das Wiener Merkantilprotokoll, ZRG GA 34
(1913), 258; Rintelen, M., Untersuchungen über die Entwicklung des
Handelsregisters, 1914; Heimann, R., Die Entwicklung der handelsrechtlichen
Veröffentlichung vom ALR bis zum ADHGB, 2008
Handelsvertrag ist der den → Handel zwischen mindestens zwei → Staaten betreffende Vertrag. Er findet sich seit dem 12. Jh., und zwar neben dem Privileg des Herrschers.
Lit.: Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit
Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Prüser, J., Die Handelsverträge der
Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, 1962
Handelsvertreter (bis
1953 Handlungsagent) ist der als
Vertreter tätige Gehilfe des → Kaufmanns.
Lit.: Schmidt, D., Die Reform des Rechts der
Handelsvertreter, 1995; Bromm, B., Die Entstehungsgeschichte des Berufs der
Handelsvertreter, 2000; Schmidt, K., Vom Handelsvertreterrecht zum modernen
Vertriebsrecht, JuS 2008, 665
Handfeste ist eine
mittelalterliche Bezeichnung für ein Schriftstück (vgl. gr. [N.] cheirógraphon,
Handschrift) (z. B. Georgenberger H. 1186, Kulmer H. 1233, Berner H. 1218?).
Handgemal (Handmahal) (N.) ist im deutschen Mittelalter das Handzeichen und das
vielleicht damit bezeichnete Stammgut.
Lit.: Köbler, WAS; Homeyer, C., Über die Heimat nach altdeutschem
Recht, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1852; Keller, S., Handmahal und
anthmallus, ZRG GA 30 (1909), 224; Sohm, R., Über das Hantgemal, ZRG GA 30
(1909), 103; Meyer, H., Das Handgemal als Gerichtswahrzeichen des freien
Geschlechtes bei den Germanen, 1934; Krogmann, W., Handmahal, ZRG GA 71 (1954),
126; Balon, J., L’Handgemal à l’épreuve du droit, ZRG GA 73 (1956), 141;
Krogmann, W., Rechtsgeschichte ohne Philologie?, ZRG GA 74 (1957), 271
Handhafte Tat ist
im Mittelalter die durch Ergreifen des Täters in oder unmittelbar nach der
Ausführung gekennzeichnete Tat (vgl. im römischen Recht das [lat.] furtum [N.]
manifestum). Wahrscheinlich darf in germanischer Zeit der handhafte Täter
sofort getötet werden. Die frühmittelalterlichen Volksrechte gestatten die
Tötung zwar nicht (mehr) in allen Fällen, aber doch bei nächtlicher Tat, bei
Widerstand oder Flucht. Vor Gericht ist dem Handhafttäter der →
Reinigungseid verwehrt. Im Hochmittelalter darf nur noch der handhafte
Ehebrecher sofort getötet werden. In der vom Inquisitionsprozess gekennzeichneten
Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheint ein besonderes Verfahren bei
handhafter Tat nicht mehr auf.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 21 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 70, 86; Köbler, WAS; Scherer, M., Die Klage gegen den toten Mann, 1909;
Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann und die Klage mit der toten Hand, ZRG
GA 31 (1910), 235; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37
(1916), 382
Handlung ist das
menschliche Verhalten, das als von Willen beherrschbar gedacht ist und daher
objektiv zugerechnet werden kann. In den Einzelheiten problematisch wird die H.
erst der neuzeitlichen Rechtswissenschaft. Im Strafrecht setzt sich am Ende des
19. Jh.s eine rein kausale Handlungslehre durch (Franz von List, Beling), die
in der Mitte des 20. Jh.s von einer finalen Handlungslehre (Hans Welzel)
bekämpft wird.
Lit.: Köbler, DRG 204, 208; Bubnoff, E. v., Die Entwicklung
des strafrechtlichen Handlungsbegriffes von Feuerbach bis Liszt, 1966
Handlungsfähigkeit →
Geschäftsfähigkeit, Deliktsfähigkeit
Handlungsfreiheit ist die grundsätzlich bestehende Freiheit des
Menschen, zu tun und zu lassen, was er will. Sie wird seit dem 18. Jh. in
Verfassungsurkunden aufgenommen. Ihre bei dichtem Zusammenleben notwendigen
Schranken finden sich vor allem in Gesetzen.
Lit.: Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte
zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000
Handschenkung ist
die am Anfang der Entwicklung der → Schenkung stehende, auch in der Gegenwart
bei geringwertigen Gütern übliche, sofort vollzogene Schenkung.
Lit.: Meinig, I., Die Entwicklung der Lehre von der
Handschenkung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972
Handschlag ist das
gegenseitige Handgeben zweier Vertragspartner zum Zeichen des Abschlusses des
Geschäftes im deutschen Recht, dem bei den Römern lat. manum dare entspricht.
Lit.: Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894
Handschrift ist die
mit der Hand ausgeführte Schrift und das dadurch geschaffene umfangreichere
Ergebnis. Die H. entsteht mit der Entwicklung der → Schrift und geht seit
der Mitte des 15. Jh.s für bedeutsamere Schreibergebnisse in das gedruckte →
Buch über. Möglicherweise konnte ein Schreiber täglich etwa sieben Seiten
schreiben. In Bologna wurden dabei seit 1250 Handschriften jeweils in Lagen an
Berufsschreiber zur Vervielfältigung abgegeben (Peciensystem). Seit der
Mitte des 19. Jh.s werden Schreibmaschinen zur Herstellun einzelner
Schriftstücke verwendet.
Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A.
1986; Verzeichnisse der deutschen Handschriften österreichischer Bibliotheken,
Bd. 2 Salzburg, bearb. v. Jungreithmayr, A., 1988; Le livre au Moyen Age, hg.
v. Glenisson, J., 1988; Die datierten Handschriften der bayerischen
Staatsbibliothek München, Teil 1ff., bearb. v. Schneider, K. u. a. 1994ff.; Die
Handschriften der Universitätsbibliothek München. Mikrofiche-Edition 1994-1995
(99 deutschsprachige mittelalterliche Handschriften, 447 lateinische
mittelalterliche Handschriften); Katalog der illuminierten Handschriften der
württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 3, 1, bearb. v. Sauer, C. u. a.,
1996; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v.
Schieffer, R., 1996; Bischoff, B., Katalog der festländischen Handschriften des
9. Jahrhunderts, Bd. 1f. 1998ff.; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002;
Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 57 (2001), 555; Köbler, G.,
Altdeutsch - Katalog aller allgemein bekannten altdeutschen Handschriften,
2005; Mentzel-Reuters, A., Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 63
(2007), 135; Orth, P., Über Nutzen und Perspektiven eines gedruckten Initienverzeichnisses,
DA 63 (2007), 125; Murano, G., Opere diffuse per Exemplar e Pecia, 2005
Handschuh ist das
Bekleidungsstück der menschlichen Hand, das im (deutschen) Recht als Symbol
Verwendung findet (z. B. Fehdehandschuh).
Lit.:
Norton-Kyshe, J., The Law and Customs relating to Gloves, 1901; Schwineköper,
B., Der Handschuh im Recht, 1938, Neudruck 1981
Hand wahre Hand ist im
spätmittelalterlichen deutschen Recht (seit dem 14. Jh. bzw. später) die
Wendung, die zum Ausdruck bringen soll, dass der Eigentümer, der einem anderen
eine bewegliche Sache anvertraut, diese nur von ihm, nicht dagegen von einem
Dritten, an den die Sache gelangt ist, zurückverlangen kann. Alter und Herkunft
der Wendung sind streitig. Der Sache nach enthält zwar bereits der
Sachsenspiegel einen entsprechenden Satz, doch sind die mittelalterlichen
Lösungen dieses Rechtsproblems durchaus unterschiedlich (z. B. nach h. M.
abgelehnt vom Ingelheimer Oberhof). Mit der Aufnahme des römischen Herausgabeanspruches
(Vindikation) des Eigentümers seit dem Spätmittelalter erweist sich ein
erneutes Durchdenken der Frage als erforderlich, als dessen Folgen der (aus den
römischrechtlichen Sätzen über die Ersitzung hergeleitete) → gute Glaube
des Erwerbers bedeutsam und die Fahrnisverfolgung gegenüber Dritten unter
Verpflichtung der Aufwanderstattung (Lösungsrecht) erweitert wird. Der →
Codex Theresianus (1766) erkennt den gutgläubigen Eigentumserwerb des
Erwerbers an. Streitig ist in der Folge, inwieweit der gutgläubige Erwerb vom
Nichtberechtigten auf dem Satz H. w. H. beruht.
Lit.: Hübner 433; Köbler, DRG 125, 163; Planitz, H.,
Fahrnisverfolgung im deutschen Recht, ZRG GA 34 (1913), 424; Meister, E.,
Fahrnisverfolgung und Unterschlagung, FS Adolf Wach 1913; Anners, E., Hand
wahre Hand, 1952; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991;
Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002
Handwerk ist Bearbeitung und Verarbeitung von Stoffen für andere ohne Verwendung industrieller Arbeitsformen (z. B. Schreiner, Zimmermann, Maurer, Bäcker, Metzger, Fischer). Im Altertum wird diese Tätigkeit überwiegend von → Sklaven ausgeführt, im Frühmittelalter im Rahmen der → Grundherrschaft. Dagegen bildet sich in der hochmittelalterlichen Stadt das freie H. in vielfältiger Aufgliederung aus und schließt sich genossenschaftlich ab (→ Zunft, → Gilde, → Innung). Wer in einem H. tätig sein will, muss dieses mit einer mehrjährigen Lehre bei einem Meister erlernen. Danach kann er als Geselle wirken. Vollberechtigt ist er im H. erst, wenn er Meister geworden ist. In manchen Städten nehmen seit dem 14. Jh. die Angehörigen des Handwerks an der Stadtherrschaft teil. Im Kampf mit der liberalen → Gewerbefreiheit des 19. Jh.s gelingt dem H. die Bewahrung der durch Prüfungen nachzuweisenden Qualifikationsmerkmale bis in die Gegenwart (Handwerksordnung). Trotz der Konkurrenz der Industrie vermag das H. sich zu halten.
Lit.: Köbler, DRG 78, 111; Stockbauer, J., Nürnbergisches
Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts, 1879; Haandværksskik i Danmark, hg. v.
Nyrop, C., 1903; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909;
Bock, H., Die Entwicklung des deutschen Schuhmachergewerbes, 1922, Wissell, R.,
Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, hg. v. Hahm, K., Bd. 1f. 1929;
Hornschuch, F., Aufbau und Geschichte der internationalen Kesslerkreise in
Deutschland, 1930; Weichs, E. Frhr. v., Studien zum Handwerkerrecht des
ausgehenden 17. Jahrhunderts, 1939; Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien,
1949; Proesler, H., Das gesamtdeutsche Handwerk im Spiegel der
Reichsgesetzgebung, 1954; Fischer, W., Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft
um 1800, 1955; Schraepler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Uhl,
H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973;z, C., Die Zürcherische Handwerksordnung
von 1681, FS J. Bärmann, 1975; Göttmann, F., Handwerk und Bündnispolitik, 1977;
Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung, Diss.
phil. Göttingen 1981; Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und
Gewohnheit, Bd. 1ff. 1929, 2. A. 1981; Landolt, K., Das Recht der
Handwerkslehrlinge, 1977; Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit,
hg. v. Jankuhn, H. u. a., Bd. 1f. 1981ff.; Schichtel, P., Das Recht des
zünftigen Handwerks im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1986; John, P., Handwerk im
Spannungsfeld zwischen Zunftordnung und Gewerbefreiheit, 1987; Deter, G.,
Handwerksgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Lexikon
des alten Handwerks, hg. v. Reith, R., 1990; Brand, J., Zur Rechtsfunktion des
Gelages im alten Handwerk, ZRG GA 108 (1991), 297; Schultz, H., Das ehrbare
Handwerk, 1993; Spohn, R., Kampf um die Arbeitskraft, 1993; Weyrauch, T.,
Handwerkerorganisationen, 1996; Wiener Neustädter Handwerksordnungen, hg. v.
Scheutz, M. u. a., 1997; Brohm, U. Die Handwerkerpolitik Herzog Augusts des
Jüngeren, 1999; Handwerk in Europa, hg. v. Schulz, K., 1999; Handwerk zwischen
Zunft und Gewerbefreiheit, hg. v. Bernert, H., 1999; Stadt und Handwerk, hg. v.
Kaufhold, H. u. a., 2000; Blume, H., Ein Handwerk – eine Stimme, 2000; Winzen,
K., Handwerk – Städte – Reich, 2002; Deter, G., Handwerk vor dem Untergang,
2005
Hänel, Albert
(1833-1918) wird nach dem Rechtsstudium und nach der Habilitation in Leipzig
als Professor in Königsberg und seit 1863 in Kiel ein bedeutender liberaler
Vertreter des Staatsrechts (Deutsches Staatsrecht, 1892).
Lit.: Friedrich, M., Zwischen Positivismus und materialem
Verfassungsdenken, 1971; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 355
Hängen ist das
Töten eines Menschen durch Aufhängen an einem Strick (→ Todesstrafe, →
Galgen). Das H. ist dem römischen Altertum fremd, den Germanen bekannt. Später
wird vor allem der Dieb gehängt. Seit 1771 wird das H. im deutschen Sprachraum
durch das Enthaupten ersetzt. Mit dem Verbot der → Todesstrafe
verschwindet es allgemein. In den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg werden
1946 die Todesurteile durch H. vollstreckt, ebenso im Irak 2006 (Saddam
Hussein).
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922
Hannover ist das aus Braunschweig-Lüneburg hervorgegangene, nach der Stadt (1163? bzw. 1189) H. an der Leine (1831 Technische Hochschule) benannte norddeutsche Fürstentum (1714-1837 Personalunion mit England), das 1814 zum Königreich aufsteigt (1850 Bürgerliche Prozessordnung) und 1866 von Preußen annektiert wird. Am 1. 1.. 1837 hebt der König (Ernst August) verfassungswidrig das Staatsgrundgesetz vom 26. 9. 1833 auf und löst damit einen Verfassungskonflikt aus, in dem sieben protestierende Göttinger Professoren (u. a. Brüder Grimm) entlassen werden. Am 6. 8. 1840 wird ein neues Landesverfassungsgesetz geschaffen. → Göttingen
Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Allgemeine
Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 4. 12. 1847,
Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 8. 11. 1850,
Neudruck 1971; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen
Rechte, 1904; Florin, W., Der fürstliche Absolutismus, 1952; Ohnsorge, W.,
Zweihundert Jahre Geschichte der königlichen Bibliothek zu Hannover 1665-1866,
1962; Besecke, K., Das Vogtgericht der Altstadt Hannover, Diss. jur. Göttingen
1964; Pufendorf, F., Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W.,
1970; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans.
Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Der hannoversche Verfassungskonflikt
1837/1838, ausgew. v. Real, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,2618, 3,3,2896; Müller, S., Stadt, Kirche und Reformation, 1987;
Rechtsquellen aus den hannoverschen Landen 1501 bis 1803, hg. v. Oberschelp,
R., 1999; May, J., Vom obrigkeitlichen Stadtregiment zur bürgerlichen
Kommunalpolitik, 2000; Roolfs, C., Der hannoversche Hof von 1814 bis 1866,
2005; Festschrift zum 175-jährigen Bestehen der Universität Hannover, Bd. 1ff.,
hg. v. Seidel, R. u. a., 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the
Protestant Interest 1688-1756, 2006; Kempf, S., Wahlen zur Ständeversammlung im
Königreich Hannover 1848-1866, 2007; Harding, N., Hannover and the British
Empire 1700-1837, 2007
Hanse (ahd. hansa,
Schar) ist der von hochmittelalterlichen Kaufleuten ausgehende norddeutsche →
Städtebund. Seinen Anfang bildet vielleicht die schon im beginnenden 11. Jh.
bevorrechtigte Genossenschaft deutscher Kaufleute in England. Bedeutsam wird
danach die Gründung deutschbesiedelter Städte von Lübeck bis Riga (1201), Reval
(nach 1219) und Dorpat (um 1230). Seit den Wirren des Interregnums fassen die
einander nahestehenden Städte gemeinsame Beschlüsse (Wismar 1256, Lübeck 1358
[mnd.] stede von der dudeschen hanse). Außer in London (Guild Hall, Stalhof)
bestehen bedeutsame Niederlassungen in Nowgorod (um 1200-1494), Brügge und
Bergen (um 1340). Unter der Führung der H., der bis zu 70 Städte angehören,
kann im Kampf gegen Dänemark 1368 Kopenhagen erobert werden. In der frühen
Neuzeit treten viele Städte aus der H. aus, so dass nach 1669 nur noch ein
Schutzbündnis von Bremen, Hamburg und Lübeck verbleibt.
Lit.: Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Frensdorff, F., Das
Reich und die Hansestädte, ZRG GA 20 (1899), 115, 248; Schäfer, D., Die
deutsche Hanse, 1914; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Rundstedt, H. v., Die Hanse
und der deutsche Orden in Preußen, 1937; Denucé, J., Die Hanse und die Antwerpener
Handelskompagnien in den Ostseeländern, 1938; Rörig, F., Vom Werden und Wesen
der Hanse, 3. A. 1943; Ebel, W., Hansisches Recht, 1949; Reibstein, E., Das
Völkerrecht der deutschen Hanse, Zs. f. ausländ. öff. Recht 17 (1956), 38;
Pagel, K., Die Hanse, 3. A. 1963; Olechnowitz, K., Handel und Seeschifffahrt
der späten Hanse, 1965; Bruns, F./Weczerka, H., Hansische Handelsstraßen, Bd.
1f. 1962ff.; Die deutsche Hanse als Mittler zwischen Ost und West, 1963; Sauer,
H., Hansestädte und Landesfürsten, 1971; Stark, W., Lübeck und die Hanse, 1973;
Spading, K., Holland und die Hanse, 1973; Dollinger, P., La Hanse, 4. A. 1989;
Schildhauer, J., Die Hanse, 6. A. 1985; Die Hanse, 3. A. 1999; Quellen zur
Hansegeschichte, hg. v. Sprandel, R., 1982; Fahlbusch, F. u. a., Beiträge zur
westfälischen Hansegeschichte, 1988; Der hansische Sonderweg?, hg. v. Jenks, S.
u. a., 1993; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Ziegler, H., Die Hanse, 1996;
Genossenschaftliche Strukturen in der Hanse, hg. v. Jörn, N. u. a., 1999;
Hammel-Kiesow, R., Die Hanse, 2000; Pichierri, A., Die Hanse, 2000; Pitz, E.,
Bürgereinung und Städteeinung, 2001; Daenelle, E., Die Blütezeit der deutschen
Hanse, 3. A. 2001; Novgorod, hg. v. Angermann, N. u. a., 2002; Landwehr, G.,
Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003; Behrmann, T., Herrscher und
Hansestädte, 2004; Hansisches und hansestädtisches Recht, hg. v. Cordes, A.,
2007; Burkhardt, M., Der hansische Bergen-Handel im Spätmittelalter, 2009; Die
Hanse, hg. v. Kiesow, R. u. a., 2009; Skvajrs, E., Die Hanse in Novgorod, 2009
Hansegraf ist im
Mittelalter verschiedentlich die Benennung für einen Amtsträger in der Stadt
mit unterschiedlichen Aufgaben (Regensburg 1184, Brügge 1187, Österreich seit
1266, Kassel 1323, Bremen 1405).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A.
1980, 58, 284
Hardburi
Lit.: Krogmann, W., As.
hardburi, ahd. hartpuri, ZRG GA 74 (1957), 233 (Stammesobrigkeit)
Hardehausen
Lit.: Urkunden des
Klosters Hardehausen, bearb. v. Müller, H., 2002
Hardenberg, Karl August (Essenroda 31. 5. 1750-Genua 26. 11. 1822) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Göttingen (Pütter) und einem Besuch am Reichskammergericht in Wetzlar 1770 Verwaltungsbeamter in Hannover, 1782 in Braunschweig, danach in Preußen (1791 Staatsminister für Ansbach und Bayreuth, 6. 10. 1810-1822 Staatskanzler in Preußen). Mit seinem Namen verbinden sich die Maßnahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen (Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit 1810, Regulierungsedikte 1811, 1816).
Lit.: Vaupel, R., Die Reorganisation des preußischen
Staates unter Stein und Hardenberg, 1938; Zeeden, E., Hardenberg und der
Gedanke einer Volksvertretung in Preußen, 1940; Thielen, P., Karl August von
Hardenberg, 1967; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Hardenberg, Karl
August von, 1750-1822. Tagebücher, hg. v. Stamm-Kuhlmann, T., 1999; Hermann,
I., Hardenberg, 2003
Harderwijk ist von 1648 bis 1814 Sitz einer
Universität.
Häresie ist die dem kirchlichen Dogma widersprechende Irrlehre (Ketzerei). Sie wird schon im ausgehenden Altertum durch Verbote von Gottesdiensten, Enteignung von Gütern und Androhung der Todesstrafe sowie im Mittelalter seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft.
Lit.: Köbler, DRG 117; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen
im Mittelalter, 1935; Selge, K., Die ersten Waldenser, Bd. 1f. 1967; Lerner,
E., The Heresy, 1972; Merlo, G., Eretici, 1977; Segl, P., Ketzer in Österreich,
1984; Häresie und vorzeitige Reformation, hg. v. Smahel, F., 1998; Lambert, M.,
Häresie im Mittelalter, 2001; Forrest, I., The Detection of Heresy, 2006;
Heresy and Identity in Late Antiquity, hg. v. Iricinschi, E. u. a., 2006
Harlem wird 1752 Sitz einer
Universität.
Harmenopulos, Konstantinos, verfasst 1345 als Richter von Thessaloniki ein → Hexabiblos genanntes Gesetzeshandbuch des spätbyzantinischen Reiches in sechs Büchern, das nach weiter Verbreitung auf dem Balkan während der Osmanenzeit 1828 in Griechenland als vorläufiges Zivilgesetzbuch (bis 1946) Verwendung findet.
Lit.: Söllner §§ 23; Köbler, DRG 107; Juristen, hg. v.
Stolleis, M., 1995
Harmschar (F.) Qual, Schande
Harpprecht,
Johannes Friedrich (Walheim 20. 1. 1560-Tübingen 18. 9. 1639), früh verwaister
Juristensohn, wird nach dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft in
Straßburg, Tübingen und Marburg 1589 in Tübingen promoviert und nach kurzer
Tätigkeit am Reichskammergericht 1592 Professor in Tübingen. Sein bekanntestes
Werk ist ein sechsbändiger Kommentar zu den Institutionen Justinians (Opera
[N.Pl.] omnia multis insignibus quaestionibus adaucta, 1627-1630, Gesammelte,
mit vielen berühmten Untersuchungen vermehrte Werke), der auch die Praxis und
das heimische Recht berücksichtigt.
Lit.: Schnee, H., Die Professoren Dr. Harpprecht und Dr.
Schöpf, FS G. Schreiber, 1963, 272
Hartmann von Aue
(Oberrheingebiet 1160/5-nach 1210?), mittelhochdeutscher Dichter, der vielleicht
von (lat.) legibus (Gesetzen) gelesen hatte und dadurch (mhd.) legiste geworden
ist. Seine Werke erfassen zahlreiche rechtliche Geschehnisse.
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Wapnewski,
P., Hartmann von Aue, 3. A. 1967
Hasse, Johann
Christian (1779-1830) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Thibaut) Professor
in Jena, Königsberg, Berlin und Bonn. In seinem Buch Die Culpa des römischen
Rechts (1815) teilt er die (lat. [F.]) culpa unter Missachtung der Quellen in
die Widerrechtlichkeit (Rechtswidrigkeit) und die Schuld (culpa).
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III 2, 289
Hassfurt
Lit.: Tittmann, A., Hassfurt, 2002
Hattingen an
der Ruhr wird 990 erstmals als Reichshof erwähnt und erwächst bis zur Neuzeit
zu einer Kleinstadt. Aus ihr ist ein von 1629 bis 1652 reichendes Ratsprotokollbuch
erhalten. Es erweist noch ein Vorherrschen mittelalterlicher Strukturen.
Lit.: Piel, H., Die Protokolle des Rates der Stadt Hattingen von 1629 bis
1652, 2008
Hauberggenossenschaft ist die im Siegerland übliche, seit dem 15. Jh. belegte Genossenschaft zur landwirtschaftlich-gewerblichen Nutzung des Niederwaldes im Turnus von 16-18 Jahren. Sie entwickelt sich zur juristischen Person.
Lit.: Achenbach, H., Die Hauberggenossenschaften des
Siegerlandes, 1863; Delius, W., Hauberge und Haubergsgenossenschaften des
Siegerlandes, 1910; Lorsbach, J., Hauberge und Hauberggenossenschaften des
Siegerlandes, 1956
Häuptling (lat.
[M.] capitaneus) ist ein Anführer wie z. B. in Friesland seit dem 14. Jh.
Lit.:
Boden, F., Die isländischen Häuptlinge, ZRG GA 24 (1903), 148
Hauptstadt ist im
neuzeitlichen Staat der amtlich festgelegte Ort des Sitzes der
Herrschaftsgewalt.
Lit.: Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen
Rechtsgeschichte, 2004 (Diss. jur. Bonn 2003)
Hauriou, Maurice
(1856-1929), Professor für Verwaltungsrecht (1888) und Verfassungsrecht (1920)
in Toulouse, begründet, ausgehend vom Verwaltungsakt, die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht
in Frankreich (Précis de droit administratif et de droit public général, 1892,
Grundriss des Verwaltungsrechts und allgemeinen öffentlichen Rechts).
Lit.: Sfez, L., Essai sur la
contribution du doyen Hauriou au droit administratif français, 1966
Haus ist das zum
Benutzen durch Menschen bestimmte größere Gebäude. Seinem Schutz dient der
Hausfriede. Die Hausgewalt steht lange Zeit in erster Linie dem Hausvater zu.
Die Hausdurchsuchung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Der Bau
eines Hauses unterliegt bei dichterer Besiedlung öffentlichrechtlichen
Vorschriften (Baurecht, hochmittelalterliche Stadt, 19. Jh.). Übertragen ist H.
auch das Geschlecht (oder Herrschaftsgebiet des Geschlechts).
Lit.: Kaser §§ 4, 12; Hübner 127; Köbler, DRG 21, 71, 88,
120, 160; Köbler, WAS; Haus und Siedlung im Wandel der Jahrtausende, 1937;
Kramer, K., Haus und Flur im bäuerlichen Recht, 1950; Lhotsky, A., Was heißt
„Haus Österreich“?, Anz. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Kl. 93 (1956),
155; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958;
Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kroeschell, K., Haus
und Herrschaft, 1968; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt
Hannover, Hann. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Köbler, G., Das Recht an Haus
und Hof im spätmittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v. Friedland,
K., 1980, 31; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v.
Haverkamp, A., 1984; Histoire de la vie privée, hg. v. Aries, P. u. a., Bd. 2
1985; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a.,
1997; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2007
Haus-, Hof- und Staatskanzlei ist die am 17. 2. 1742 aus der österreichischen Hofkanzlei herausgenommene Behörde zur
Besorgung der auswärtigen Geschäfte und der geheimen Haussachen, die 1848 in
das Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Äußeren umgewandelt wird.
Hausarbeit (Heimarbeit) ist die seit dem
14. Jh. erkennbare handwerksartige Tätigkeit in eigenen Räumen für
Zwischenmeister oder Unternehmer. Bedeutsam ist sie vor allem im frühen 19.
Jahrhundert. Für die 1882 etwa 480000 Heimarbeiter in Deutschland wird 1911 ein
Hausrbeitgesetz geschaffen.
Lit.: Leuthier, O.,
Entstehung und Entwicklung des Hausarbeitgesetzes, 2006
Hauser, Kaspar ist der Name eines am 26.
Mai 1828 in Nürnberg aufgefundenen, der Sprache unkundigen jungen, am 17.
Dezember 1833 an den Folgen eines Anschlags vom 14. Dezember 1833 verstorbenen
Mannes, dessen Herkunft insbesondere P. J. Anselm von Feuerbach sehr
beschäftigte, ohne dass sie bislang geklärt ist.
Lit.:
Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Forker, A., Kaspar Hauser, (in)
Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs (1775-1833) für die Gegenwart, 2003, 99
Hauserbe (lat. suus heres [M.]) ist im römischen Recht der Mensch, der durch den Tod des Vaters gewaltfrei (lat. sui iuris) wird, nämlich vor allem der (mündige) Sohn, die (mündige) Tochter, das adoptierte Kind, der adrogierte Sohn sowie die gewaltunterworfene Ehefrau.
Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 23, 38
Hausfriede ist das
Recht, innerhalb der eigenen Wohnung und des umfriedeten Lebensbereiches
ungestört zu sein. Bereits im Frühmittelalter sind Tötung und Verletzung
innerhalb des Hauses mit höherer Buße bewehrt. Im Hochmittelalter wird der
Friede für das Haus allgemein erfasst. Danach schaffen partikulare Rechte sowie
1871 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch einen besonderen Tatbestand des
Hausfriedensbruches.
Lit.: Osenbrüggen, E., Der Hausfriedensbruch, 1857,
Neudruck 1968; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Hausgesetz ist die
von einer hochadligen Familie für sich gesetzte besondere Rechtsordnung. Das
H. findet sich seit Anfang des 14. Jh.s. Es betrifft vor allem die Erbfolge,
die Ehe und die Veräußerlichkeit des Familiengutes (z. B. → Dispositio
Achillea für die Hohenzollern 1473, → Pragmatische Sanktion vom 19. 4.
1713 für Österreich). Im 19. Jh. wird das H. von der Genehmigung durch den
Staat abhängig.
Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden
deutschen Fürstenhäuser, Bd. 1ff. 1862ff.; Turba, G., Die Grundlagen der
pragmatischen Sanktion, 1911
Hausgewalt → Haus
Haushalt ist
ursprünglich die häusliche Verbrauchsgemeinschaft, seit dem 20. Jh. die Gesamtheit
der der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dienenden Einkünfte und Ausgaben
einer → juristischen Person des öffentlichen Rechts (→
Staatshaushalt), die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit
dem 19. Jh. (Sachsen-Coburg 1821) vom Parlament durch ein Haushaltsgesetz
beschlossen werden müssen.
Lit.: Köbler, DRG 99, 129; Schroeter, O. v., Das Recht der
Haushaltführung und Haushaltkontrolle in Preußen, 1938; Friauf, K., Der
Staatshaushaltsplan, 1968; Haushalten in Geschichte und Gegenwart, hg. v.
Richarz, I., 1994; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und
Familienstatistik, 1987; Strube, S., Die Geschichte des Haushaltsrechts, 2002;
Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006
Hauskind ist im
römischen Recht das unter der väterlichen Gewalt lebende → Kind.
Lit.: Kaser §§ 12 I 2b, 33 III, 49 I,
50 III 4a, 66 VI, 68 III 2
Häusler ist im
mittelalterlichen Recht der nur ein Haus und kein Feld besitzende Dorfbewohner
(Gärtner, Kossäte, Seldner).
Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der Deutschen
Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966, 457
Hausmarke ist im
Mittelalter und in der Neuzeit das bestimmte, dem Wappen des Adels
vergleichbare schriftartige Erkennungszeichen für einen Menschen oder ein Haus
(u. a. Handelsmarke, Notarssignet).
Lit.: Homeyer, C., Haus- und Hofmarken, 1870, Neudruck,
1964; Grohne, E., Die Hausmarken und Hauszeichen, 1912; Gmür, M.,
Schweizerische Bauernmarken und Holzurkunden, 1917, 2. unv. A. 1991; Ruppel,
K., Die Hausmarken, ZRG GA 60 (1940), 320
Hausmeier (lat.
maior [M.] domus) ist der Leiter einer Hausverwaltung im spätrömischen
Italien und im Frühmittelalter. Bei den fränkischen Königsfamilien finden sich
(anfangs unfreie) H. seit dem 6. Jh. Im Jahre 751 verdrängt der austrasische H.
Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der Arnulfinger oder Pippiniden den König
aus dem Geschlecht der → Merowinger und begründet die Königsfamilie der →
Karolinger.
Lit.: Köbler, DRG 76; Hermann, E., Das Hausmeieramt, 1880,
Neudruck 1970; Heidrich, J., Titulatur und Urkunden der arnulfingischen
Hausmeier, Archiv f. Diplomatik 11/12 (1965/6), 71; Haas, K., Studien zur
Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des fränkischen maior-domus-Amts, Diss.
phil. Heidelberg 1968; Heidrich, J., La maison du palais Neustriens, Francia
Beiheft 16/1 1989, 217
Haussuchung ist die
Durchsuchung eines Hauses. Nach altrömischem Recht kann bei Diebstahlsverdacht
eine (lat.) quaestio (F.) lance et licio (Untersuchung mit Schüssel und
Schurzfell) erfolgen, bei welcher der Suchende nackt, nur mit einem Schurzfell
(lat. [N.] licium) bekleidet und eine Schüssel (lat. [F.] lanx) tragend, das
Haus betreten muss und der Täter bei erfolgreicher Suche als handhafter Dieb
(lat. fur [M.] manifestus) getötet werden darf. Im Mittelalter ist H. bei
Verfolgung einer abhanden gekommenen beweglichen Sache möglich. Vermutlich wird
bei erfolgloser H. der Suchende bußpflichtig. Seit dem Hochmittelalter bedarf
die H. mehr und mehr der vorherigen Erlaubnis des Richters oder Rates. Im 19.
Jh. sichern die Verfassungen vor willkürlicher H. (Hessen-Kassel 1831, Reich
1848). Im 20. Jh. gewähren sie ein Grundrecht auf Freiheit der Wohnung, das
nur durch Gesetz eingeschränkt werden kann.
Lit.: Kaser § 51 I 2; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Schwerin, C. Frhr. v., Die Formen
der Haussuchung, 1924; Wolff, J., Lanx et licium, (in) Sympotica F. Wieacker
1970, 59
Haustürgeschäftswiderrufsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 1. 1986, das im Interesse des
Verbrauchers bestimmt, dass eine auf Abschluss eines Vertrages über eine
entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung eines Kunden in bestimmten
Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen einer Frist von einer
Woche schriftlich widerruft. Sein Inhalt wird 2002 in das Bürgerliche
Gesetzbuch aufgenommen (§§ 312ff. BGB).
Lit.: Köbler, DRG 266
Hauswirtschaft ist
die auf den einzelnen Haushalt beschränkte, alle verwendeten Güter herstellende
und verbrauchende Wirtschaft. Sie ist bereits im antiken Rom zugunsten der
Marktwirtschaft aufgegeben. Im Frühmittelalter erweitert sie sich auf die
jeweilige Grundherrschaft und tritt seit dem Hochmittelalter zurück, um seit
dem 19. Jh. fast gänzlich ihre Bedeutung zu verlieren.
Lit.: Köbler, DRG 67, 77; Bauer, L./Matis, H., Geburt der
Neuzeit, 1988
Haut und Haar ist eine
mittelalterliche Bezeichnung für Leibesstrafen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Haverei (Haverie)
ist der während einer Schifffahrt an Fahrzeug und Ladung entstehende Schaden.
Dazu übernimmt bereits das römische Recht die im hellenistischen Bereich
entwickelte (lat.) → lex (F.) Rhodia de iactu (rhodisches Gesetz über den
Seewurf), nach welcher der Schiffer, der in Seenot Güter eines Befrachters ins
Meer wirft und sein Schiff rettet, dem geschädigten Befrachter zur Erstattung
eines anteiligen Ausgleiches entsprechend dem Wert der Ladungen der anderen
Befrachter verpflichtet ist, gegen die er seinerseits Rückgriff nehmen darf. Im
Hochmittelalter ändern dies die → Rôles d’Oléron in gewisser Weise ab.
Auch das Hamburger Stadtrecht bildet Regeln über die H. aus, wobei im 18. Jh.
zwischen kleiner, nur das Frachtgut betreffender, und großer, auch das Schiff
erfassender H. unterschieden wird. Über das → Allgemeine Deutsche
Handelsgesetzbuch (1861) gehen diese Regeln in das deutsche Handelsgesetzbuch
(1897) ein.
Lit.: Kaser § 42 IV 4; Claussen, C., Über die lex Rhodia de
iactu, Diss. jur. Kiel 1876; Heck, P., Das Recht der großen Haverei, 1889;
Reincke, H., Die ältesten Formen des hamburgischen Schiffsrechts, Hamburg.
Geschbll. 63 (1968); Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der rôles d’Oléron,
1970; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen,
1985; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt
Hamburg von 1731, 1990; Landwehr, G., Zur Begriffsgeschichte der Haverei, FS H.
Niederländer, 1991, 57
hebräisch →
Israel, Jude
Heck, Philipp (St.
Petersburg 22. 7. 1858-Tübingen 28. 6. 1943) wird nach dem Studium von
Mathematik und Recht in Leipzig und der Habilitation in Berlin Professor in
Greifswald (1891), Halle (1892) und Tübingen (1901). Er begründet in der
Nachfolge Rudolf von Iherings die gegen → Begriffsjurisprudenz und →
freie Rechtsschule gerichtete → Interessenjurisprudenz, die Lücken im
Recht durch Vergleich gesetzlicher Entscheidungen von Interessengegensätzen
(oder bei deren Fehlen durch persönliches Wertempfinden) schließen will.
Daneben verfasst er Grundrisse zum Schuldrecht (1929) und Sachenrecht (1930)
und zahlreiche rechtsgeschichtliche Arbeiten.
Lit.: Das Problem der Rechtsgewinnung, 1912, 2. A. 1932;
Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; Kallfass, W., Die
Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Wolf, M., Philipp Heck als
Zivilrechtsdogmatiker, 1996; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als
Lebensaufgabe, 2001; Auer, M., Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP
2008, 517
Heer ist der zu
Land kämpfende Teil der Streitkräfte. Sowohl in Rom wie auch bei den Germanen
ist das H. zunächst allgemeines Volksheer. In Rom beginnt mit Marius (um 100 v.
Chr.) die Umwandlung in ein Berufsheer von Söldnern, das nach Bedarf
aufgestellt wird. Bereits unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) ist ein
stehendes H. von 27-28 Legionen zu 6000 Männern vorhanden (Berufsarmee). Seit
dem Frühmittelalter (9. Jh.-12. Jh.) verschwindet bei den germanistischen Nachfolgevölkern
das Volksheer der einfachen Freien und wird durch ein ständisches Reiterheer
(Ritter) im Umfang von meist nicht mehr als 2000 Gepanzerten ersetzt. An dessen
Stelle tritt seit dem 14. Jh. der berufsmäßige, zunächst mit Lanze, dann mit
Feuerwaffen ausgerüstete Fußsoldat, der nach Bedarf angeworben wird (Landsknechte).
Das Reichsheer besteht aus geringen Kontingenten der Reichsstände, wobei sich
die mächtigeren Fürsten zunehmend ihren Gestellungsverpflichtungen entziehen.
Seit der Mitte des 17. Jh.s strebt der Landesherr ein stehendes H. an. Dabei
ersetzt später die Aushebung die Anwerbung (Preußen 1733). Zu Beginn des 19.
Jh.s wird die allgemeine Wehrdienstpflicht eingeführt (Preußen 3. 9. 1814).
1919 wird das deutsche H. auf 100000 Mann beschränkt, doch durchbricht Adolf
Hitler bald diese Einschränkung. 1956 wird die Bundeswehr der Bundesrepublik
Deutschland (und im Gleichlauf die Nationale Volksarmee der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik) eingerichtet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 III; Köbler, DRG 112,
150, 152, 198; Köbler, WAS; Stein, L. v., Die Lehre vom Heerwesen, 1872; Bonin,
B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren zu Beginn der
Neuzeit, 1904; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455;
Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920; Wohlers, G., Die staatsrechtliche
Stellung des Generalstabes in Preußen und dem deutschen Reich, 1921; Niemann,
A., Kaiser und Heer, 1923; Frauenholz, E. v., Das Heerwesen, 1935ff.; Huber,
E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938; Höhn, R.,
Verfassungskampf und Heereseid, 1938; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Conrad, H., Gottesfrieden und Heeresverfassung,
ZRG GA 61 (1941), 71; Merzbacher, F., Der Artikelbrief für die Reichsarmee von
1682, ZRG GA 69 (1952), 349; Hencke, U., Die Heeresverfassung des deutschen
Bundes, Diss. jur. Tübingen 1955; Bodmer, J., Der Krieger der Merovingerzeit,
1957; Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500
bis 1800, FG F. Hartung, 1958, 419; Keen, M., The Laws of War, 1965; Hermann,
C., Deutsche Militärgeschichte, 1966; Müller, K., Das Heer und Hitler, 1969;
Schweling, O./Schwinge, E., Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des
Nationalsozialismus, 2. A. 1978; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A.
1992; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des
Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende, 1987; Masson, P., Die deutsche
Armee, 1996; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1999; Verbrechen der
Wehrmacht, hg. v. Hamburger Institut für Sozialforschung, 2. A., 2002;
Gilliver, K., Auf dem Weg zum Imperium, 2003; Walter, D., Preußische
Heeresreformen 1807-1870, 2003; Bald, D., Die Bundeswehr, 2005; Messerschmidt,
M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Megargee, G., Hitler und die Generäle, 2006; Die
Zeit nach 1945, hg. v. Neugebauer, K., 2008; Vom Mittelalter bis zur Gegenwart,
hg. v. Neugebauer, K., 2008
Heerbann ist seit
dem Frühmittelalter (Erstbeleg um 665) der das → Heer betreffende →
Bann des Königs, dessen Aufgebotsrecht mit dem H. bewehrt ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Heergewäte (Hergewäte)
ist die Heeresbekleidung für den Krieg. Das H. wird wohl schon seit dem
Frühmittelalter in einer Sondererbfolge an einen männlichen Verwandten
(ältesten Sohn) vererbt. In den Städten seit dem Hochmittelalter im Schwinden
begriffen, wird es zwischen dem 17. und 19. Jh. (Fehmarn) allgemein abgeschafft.
Lit.: Köbler, DRG 73, 89, 123, 162; Haff, K., Ein
Herwedekatalog, ZRG GA 48 (1928), 447; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade,
Diss. jur. Göttingen 1966
Heerschild ist das
Einteilungskriterium der mittelalterlichen Ordnung der lehnsrechtlich gestuften
Gesellschaft. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) hat der König den ersten H.
Die geistlichen Fürsten stehen im zweiten H., die weltlichen Fürsten im
dritten. Wie weit die (siebenstufige) Heerschildordnung nach unten reicht, ist
auch den mittelalterlichen Zeitgenossen nicht völlig klar.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 98; Ficker, J., Vom
Heerschilde, 1862, Neudruck 1964; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen
Könige, 1979
Hegel, Georg
Friedrich Wilhelm (Stuttgart 27. 8. 1770-Berlin 14. 11. 1831), Beamtensohn,
wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Tübingen Hauslehrer und
nach der Habilitation (1801) und Tätigkeiten in Jena (1801-1807) und Nürnberg
(Gymnasiallehrer 1808-1816) außerordentlicher Professor in Heidelberg (1816)
und Berlin (1818). Für H. ist Weltgeschichte der notwendig fortschreitende
Prozess, in dem sich der absolute Geist seiner Freiheit im dialektischen
Dreischritt von These, Antithese und Synthese bewusst wird. In der
tatsächlichen Umwelt versteht H. den preußischen Staat als Verwirklichung der
Freiheit. Damit wird zu Unrecht der Staat dem Einzelnen stärker übergeordnet
als notwendig.
Lit.: Hegel, G., Kritik der Verfassung Deutschlands [um
1803], hg. v. Mollat, G., 1893; Landau, P., Hegels Begründung des
Vertragsrechts, ARSP 59 (1973), 117; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie,
2. A. 1975; Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Riedel, M., 1975;
Theunissen, M., Sein und Schein, 1980; Gessmann, M., Hegel, 1999; Fulda, F.,
Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 2003; Hegel-Lexikon, hg. v. Cobben, P., 2006;
Binkelmann, C., Theorie der praktischen Freiheit, 2007; Senk, N., Junghegelianisches
Rechtsdenken, 2007
Hegemonie
(F.) Vormachtstellung
Lit.: Triepel, H., Die
Hegemonie, 1938
Hegung ist im deutschen Recht die förmliche Eröffnung von gerichtlichen Versammlungen durch künstliche Abgrenzung und Durchführung eines Frage-Antwort-Ritus. Alter und Herkunft der im 13. Jh. eindeutig sichtbaren Vorgangsweise sind unklar. Bereits seit dem Spätmittelalter wird die H. ziemlich sinnentstellt durchgeführt (, in Basel wohl noch bis in das ausgehende 19. Jh.).
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 130; Burchard, K., Die Hegung, 1893;
Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989,
1994, 437, 483; Buchda, G., Die Hegung und Aufhebung des Vogtgerichts zu
Kindleben, ZRG GA 62 (1942), 355
Hehler ist, wer
eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes
Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft, sich oder einem
Dritten verschafft, absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu
bereichern. Der H. ist strafbar (→ Der Hehler ist nicht besser als der
Stehler). Bereits ein Privileg Heinrichs IV. für die Juden in Speyer und Worms
von 1090 bestimmt aber, dass Juden, die gestohlene Sachen gegen Entgelt
erworben haben, sie nur gegen Ersatz des Kaufpreises herausgeben müssen (sog.
Hehlerprivileg oder Lösungsrecht, vgl. Sachsenspiegel Landrecht III, 7). Mit
dem Ausgang des Mittelalters verliert das Lösungsrecht an Bedeutung, ohne ganz
zu verschwinden. → Der Hehler ..
Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Meyer, H., Das
Hehlerrecht, (in) Forschungen zur Judenfrage, Bd. 1 1937, 92; Feenstra, R., Zum
Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch, 1955, 237; Kisch, G., Zur
Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 360; Dersch, G.,
Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Wolff, B.,
Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002
Heidelberg am
Neckar unterhalb einer wohl im 11. Jh. erbauten Burg wird seit dem 13. Jh. ein
bedeutender Ort (1196 erstmals erwähnt) der seit 1214 wittelsbachischen
Pfalzgrafen bei Rhein, an dem 1386 eine Universität errichtet wird, an deren
juristischer Fakultät 1932 Eugen Ulmer, Heinrich Mitteis, Max Gutzwiller, Ernst
Levy, Gustav Radbruch, Gerhard Anschütz und Walter Jellinek (sowie Herbert
Engelhard, Leopold Perels, Eberhard Freiherr von Künßberg und Karl Geiler)
lehren.
Lit.: Köbler, DRG 100; Dickel, G., Die Heidelberger
juristische Fakultät, 1960 (Diss. masch.schr. und, Ruperto-Carolina, Sonderband
Aus der Geschichte der Universität Heidelberg und ihrer Fakultäten 1961);
Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät im 19. Jahrhundert als
Spruchkollegium, 1964; Merkel, G., Wirtschaftsgeschichte der Universität
Heidelberg im 18. Jahrhundert, 1973; Willoweit, D., Das juristische Studium in
Heidelberg, (in) Semper apertus, FS Universität Heidelberg, hg. v. Doerr, W.,
Bd. 1 1985, 85; Landwehr, G., Heidelberger Juristen in sechs Jahrhunderten,
(in) Richterliche Rechtsfortbildung, FS der juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier
der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1986, 653; Heidelberger
Strafrechtslehrer im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Küper, W., 1986; Der
Humanismus und die oberen Fakultäten, hg. v. Keil, G. u. a., 1987; Mußgnug, D.,
Die vertriebenen Heidelberger Dozenten, 1988; Wolf, K., Die Heidelberger
Universitätsangehörigen, 1991; Kolb, J., Heidelberg, 1999; Die Rektorbücher der
Universität Heidelberg, Bd. 1f. 1999ff.; Remy, S., The Heidelberg Myth, 2002;
Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, hg. v. Weckart, W. u. a.,
2006; Cser, A., Kleine Geschichte der Stadt und Universität Heidelberg, 2008;
Stipendienstiftungen und Stipendiaten vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum
Beginn des Dreißigjährigen Krieges, bearb. v. Merkel, G., 2008; Baur, S., Vor
vier Höllenrichtern, 2009; Vetter, V., Die ganze Stadt ist abgebrannt, 2009;
Vogt, H., Die Ruprecjt-Karls-Universität Heidelberg im Aufbruch, 2009; Die im
Dritten Reich entrechteten und vertriebenen Mitglieder der Heidelberger
Akademie, hg. v. Heidelberger Akademie, 2009
Heilige Allianz ist das am 26.
9. 1815 zwischen Franz I. von → Österreich, Friedrich Wilhelm III. von →
Preußen und Alexander I. von → Russland abgesprochene religiös-moralische
Manifest, das neben dem Bekenntnis zur christlichen Religion und zu den
Grundsätzen der Legitimität, Legalität und Stabilität auch ein allgemeines
Beistandsversprechen enthält. Ihm treten fast alle christlichen Staaten
Europas bei. Bereits 1823 außerhalb Europas und 1830 in Europa (Belgien,
Griechenland) wird das legitimistische Interventionsprinzip auf Grund der sich
entwickelnden Interessengegensätze der beteiligten Mächte aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 170; Näf, W., Zur Geschichte der Heiligen
Allianz, 1928
Heiliger → Reliquie
Lit.: Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976;
Wetzstein, T., Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen
Spätmittelalter, 2004; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005 (64
zwischen 993 und 1523)
Heiliger Stuhl → Papst
Heiliges römisches Reich (deutscher
Nation) ist die sich im Spätmittelalter ausformende Bezeichnung des (ersten)
deutschen Reiches (1474, amtlich 1512, um 1000 regnum Teutonicum, ab 962 [lat.]
imperium Romanum, Wipos Gesta Chuoradi 1040-1046, 1122 unter Anknüpfung an das
antike römische Reich Romanorum imperator [Kaiser der Römer], ab 1157
phasenweise [lat.] sacrum imperium [N., Heiliges Reich], seit der Spätzeit
Friedrich Barbarossas vereinzelt, seit etwa 1230 häufiger sacrum Romanum
imperium). Das H. R. R. (ostfränkisch-deutsches Reich, Italien und ab 1033
Burgund) wird getragen von → König bzw. Kaiser und → Reichsständen.
Seit dem Spätmittelalter geht Burgund überwiegend an Frankreich verloren und
bleiben die Reichsfürsten Italiens dem Reichstag fern. Vielfach als (lat.
[N.]) corpus eingeordnet endet das reformunfähige H. R. R. auf den politischen
Druck Napoleons (ultimative Rücktrittsforderung an den Kaiser vom 22. 7. 1806)
am 6. 8. 1806 mit der Niederlegung der Krone des Deutschen Reiches durch Kaiser
Franz II. (aus der Familie der → Habsburger). Die h. M. legt den im 15.
Jh. aufkommenden, tatsächlichen Zusatz „Deutscher Nation“ als auf das deutschsprachige
Gebiet einschränkend aus. Die (materielle) → Verfassung des Heiligen
römischen Reiches wird durch eine Reihe von einzelne Fragen behandelnden
„Grundgesetzen“ bestimmt, die man bereits mit dem Wormser Konkordat von 1122
beginnen lassen kann (vor allem Licet iuris 1338, Goldene Bulle 1356, Wiener
Konkordat 1448, Ewiger Landfriede 1495, Reichskammergerichtsordnung 1495, Augsburger
Reichsabschied 1555, Westfälischer Friede 1648, Jüngster Reichsabschied 1654,
Reichshofratsordnung 1654, Capitulatio perpetua 1711,
Reichsputationshauptschluss 1803). 1797 verzichtet der Kaiser des Heiligen
römischen Reiches auf alle Reichsrechte in Italien.
Lit.: Köbler, DRG 110, 133; Krebs, C., Teutscher
Reichsstaat, Teil 1f. 1706f.; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Bd. 1ff.
1737ff., Neudruck 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation,
1910; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil(igen) Röm(ischen) Reiches,
ZRG GA 52 (1932), 65; Diehl, E., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, HZ
156 (1937), 457; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen
römischen Reiches, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 187; Heer, F., Die Tragödie
des heiligen Reiches, Bd. 1f. 1952f.; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges römisches
Reich 1776-1806, 1967; Randelzhofer, A., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen
römischen Reiches nach 1648, 1967; Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit
Maria Theresias, hg. v. Conrad, H., 1964; Aretin, K., Frhr. v., Heiliges
römisches Reich 1776 bis 1806, Bd. 1f. 1967; Das Staatsrecht des Heiligen
römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Wenkebach, H.,
Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des heiligen römischen Reiches, 1970;
Koch, G., Auf dem Wege zum sacrum imperium, 1972; Schubert, E., König und
Reich, 1979; Bussi, E., Diritto e politica in Germania nel 18. secolo, 1971;
Aretin, K. Frhr. v., Das Alte Reich, Bd. 1ff. 1980ff. (Band 4 Register);
Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen römischen Reiches, 1980; Nonn, U.,
Heiliges römisches Reich deutscher Nation, ZHF 9 (1982), 129; Hammerstein, N.,
Das Römische am Heiligen römischen Reich, ZRG GA 100 (1983), 119; Heiliges
Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, hg. v. Brauneder, W., 1993; Aretin,
K. v., Das alte Reich 1648-1806, Bd. 1ff. 1993ff.; Luh, J., Unheiliges
Römisches Reich, 1995; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Essig, M., Das
Reich als europäische Vision, 1999; Schmidt, G., Geschichte des alten Reiches,
1999; Marquardt, B., Das römisch-deutsche Reich als segmentäres
Verfassungssystem, 1999; Hartmann, P., Kulturgeschichte des heiligen römischen
Reiches 1648 bis 1806, 2001; Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher Reichs-Staat,
hg. v. Schnettger, M., 2002; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel, 2003;
Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003; Prietzel, M., Das heilige
römische Reich im Spätmittelalter, 2004; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u.
a., 2004; Herbers, K. u. a., Das Heilige römische Reich, 2005, 2. A. 2006;
Mazohl-Wallnig, B./Böschle, A., Zeitenwende 1806, 2005; Hartmann, P., Das
Heilige römische Reich in der Neuzeit, 2005; Stollberg-Rilinger, B., Das
heilige römische Reich deutscher Nation, 2006; Lesebuch altes Reich, hg. v.
Wendehorst, S. u. a., 2006; Kraus, H., Das Ende des alten Deutschland, 2006;
Heiliges römisches Reich deutscher Nation 962 bis 1806, hg. v. Puhle, M. u. a.,
2006; Externbrink, S., Friedrich der Große, Maria Theresia und das alte Reich,
2006; Weinfurter, S., Das Reich im Mittelalter, 2008; Marquardt, B., Die alte
Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008; Burgdorf,
W., Ein Weltbild verliert seine Welt, 2. A. 2008; Vielhaber, T., Reformperspektiven
zur Reichsverfassung im Jahrhundert nach dem westfälischen Frieden, Diss. Bonn
2008; Müller-Mertens, E., Römisches Reich im Frühmittelalter, HZ 288 (2009),
51; Herbers, K. u. a., Das heilige römische Reich, 2009
Heilung (von
Rechtsgeschäften) → Konvaleszenz
Heimbürge (seit 9. Jh. belegt) ist seit
dem Hochmittelalter der Leiter (von Ortsgericht und Verwaltung) einer meist
dörflichen Gemeinde zwischen Elsass und Thüringen, der endgültig im 19. Jh.
verschwindet.
Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge, 1962
Heimfall ist der
Anfall des Nachlasses von erbenlos verstorbenen Menschen. Er steht als Recht
teils dem Grundherrn, teils dem Lehnsherrn, teils der Gemeinde, teils dem König
oder Landesherrn bzw. Staat zu. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist
der → Fiskus gesetzlicher Erbe.
Lit.: Hübner 777; Brünneck, W. v., Das Heimfallsrecht und
die Gütervereinigung im älteren böhmisch-mährischen Recht, ZRG GA 20 (1899), 1;
Poll, B., Das Heimfallsrecht auf den Grundherrschaften Österreichs, 1925,
Neudruck 1978; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 149;
Jewell, H., English Local Administration, 1972
Heimtücke (F.) Hinterhältigkeit
Lit.: Dörner, B., Heimtücke, 1998
Heineccius (Heinecke), Johann Gottlieb (Eisenberg 11. 9. 1681-Halle 31. 8. 1741)
wird nach dem Studium der Theologie in Leipzig und des Rechtes in Halle (Stryk,
Thomasius, Böhmer, Gundling, Ludewig) 1713 Philosophieprofessor und 1720/1721
Rechtsprofessor in Halle, Franeker (1723), Frankfurt an der Oder (1727) und
Halle (1733). Seine dogmatischen Grundrisse (darunter die erste geschlossene
Darstellung des deutschen Privatrechts und das erste römischrechtliche Lehrbuch
moderner Form) machen ihn zum einflussreichsten deutschen Juristen des 18. Jh.s (Antiquitatum Romanarum
syntagma [N.], 1721, Elementa [N.Pl.] iuris civilis secundum ordinem institutionum,
1725 (insgesamt 176 Ausgaben), Elementa [N.Pl.] pandectarum, 1727, Jurisprudentia
[F.] Romana, 1738ff., Antiquitates [F.Pl.] Germanicae jurisprudentiam patriam
illustrantes, 1772ff., Elementa [N.Pl.] iuris Germanici, 1735f., Elementa
[N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1737, deutsch 1994, Grundzüge des Natur- und
Völkerrechts).
Lit.: Köbler, DRG 144; Reibstein, E., J. G. Heineccius als
Kritiker des grotianischen Systems, Zs. f. ausl öff. Recht und Völkerrecht 24
(1964), 236; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht,
Ius commune 1 (1967), 195; Elementa iuris naturae et gentium (deutsch), hg. v.
Bergfeld, C., 1994; Wardemann, P., Johann Gottlieb Heineccius (1681-1741).
Leben und Werk, 2007
Heingereiden (Haingeraiden)
sind (16) seit dem 13. Jh. nachweisbare dörfliche Marknutzungsverbände von den
Vogesen bis zur Haardt, die seit 1792 von Frankreich beseitigt werden.
Lit.: Christmann, E., Name und Entstehung der pfälzischen
Heingereiden, ZGO 99 (1951), 407; Ziegler, H., Die Auflösung der Haingeraiden,
Pfälzer Heimat 20 (1969), 20
Heinrich der Löwe
(1128/9?-Braunschweig 6. 8. 1195), → Welfe, Herzog von Sachsen (1142) und
Bayern (1156), gefährdet durch seine beinahe königliche Machtstellung den mit
ihm verwandten deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (→ Staufer). Da
er mehreren Ladungen in einem von Fürsten wegen Landfriedensbruches
eingeleiteten Verfahren vor dem Kaiser nicht Folge leistet, wird er im Juni
1179 (29. Juni?) geächtet und als Folge des Nichterscheinens in einem
daraufhin wegen Nichtachtung der Majestät begonnenen Verfahrens im Januar 1180
für aller Reichslehen verlustig erklärt. Im April 1180 wird das Herzogtum
Sachsen in Westfalen (an den Erzbischof von Köln) und (östliches) Sachsen
(Bernhard von Askanien) geteilt, im September 1180 das Herzogtum Bayern an Otto
von → Wittelsbach gegeben. H. d. L. behält nur die Eigengüter um Braunschweig
und Lüneburg. Mit der Zerschlagung des Stammesherzogtums Sachsen wird die
Bildung von → Ländern weiter gefördert.
Lit.: Güterbock, F., Der Prozess Heinrichs des Löwen, 1909;
Haller, J., Der Sturz Heinrichs des Löwen, Archiv für Urkundenforschung 3
(1911), 295; Niese, H., Zum Prozess Heinrichs des Löwen, ZRG GA 34 (1913), 195;
Moeller, R., Die Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1;
Schambach, K., Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des
Löwen, Zs. d. hist. Ver. für Niedersachsen 81 (1916), 1, 83 (1918), 189;
Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen,
1920; Hüttebräuker. L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Haendle, O., Die
Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Hasenritter, F., Beiträge zum Urkunden-
und Kanzleiwesen Heinrichs des Löwen, 1936; Hildebrand, R., Der sächsische
„Staat“ Heinrichs des Löwen, 1937; Läwen, G., Die herzogliche Stellung
Heinrichs des Löwen in Sachsen, Diss. phil. Königsberg 1937; Ganahl, K., Neues
zum Text der Gelnhäuser Urkunde, MIÖG 53 (1940), 287; Die Urkunden Heinrichs
des Löwen, bearb. v. Jordan, K., 1941ff.; Schambach, K., Der genaue Tag des
Achtspruches, ZRG GA 69 (1952), 309; Bärmann, J., Die Städtegründungen
Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Städtegründungen und
Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Jordan, K., Heinrich
der Löwe, 1979, 2. A. 1980; Heinrich der Löwe, hg. v. Mohrmann, W., 1980;
Engels, O., Stauferstudien, 1988; Heinrich der Löwe, hg. v. Luckhardt, J.,
1995; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 1997; Seibert, H., Heinrich der Löwe und die
Welfen, HZ 268 (1998), 375; Gaethke, H., Herzog Heinrich der Löwe und die
Slawen nordöstlich der unteren Elbe,1999; Heinrich der Löwe, hg. v. Fried, J.
u. a., 2003; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 2008
Heinrich von Segusia → Hostiensis
Heirat (F.) → Eheschließung
Lit.: Mantl, E., Heirat als Privileg, 1997; Liebl, R., Ein
Königreich als Mitgift, 1998; Weller, T., Die Heiratspolitik des deutschen
Hochadels im 12. Jahrhundert, 2004; Kaiser, D., Die
elterliche Einwilligung, 2008
Heirat macht mündig.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Hillebrand 1858)
Heiratserlaubnis ist
die Erlaubnis der Eheschließung eines Menschen mit einem anderen durch einen
Dritten. Im Frühmittelalter bedarf die Braut der H. des Inhabers der
Personalgewalt, die später auf die Fälle fehlender Ehemündigkeit eingeschränkt
wird. Daneben benötigt der Unfreie die H. des Grundherrn. Seit dem 16. Jh.
begründet der Landesherr Heiratserlaubnisse für Beamte, Soldaten, Kranke,
Witwen usw. Die Aufklärung drängt seit dem ausgehenden 18. Jh. die H. allgemein
zurück, doch sieht noch das Ehepatet Josephs II. für Österreich von 1783 die
Nichtigerklärung der Eheschließung wegen fehlender Ehebewilligung vor..
Lit.: Thudichum, F., Über unzulässige Beschränkungen des
Rechts der Verehelichung, 1866; Köstler, R., Die väterliche Ehebewilligung,
1908; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 30; Schwab, D.,
Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967
Helgoland
Lit.: Moeller, E, v.,
Die Rechtsgeschichte der Insel Helgoland, 1904
Heliand („Heiland“) ist die nach der lateinischen Übersetzung (6. Jh.) der Evangelienharmonie des Syrers Tatian (2. Jh.) vor 850 (wohl in Fulda oder Werden) verfasste altsächsische Stabreimdichtung. Es ist streitig, in welchem Umfang das Werk frühmittelalterliches Recht wiedergibt (Herrschaft, Stände, Rüge).
Lit.: Vilmar, A., Deutsche Altertümer im Heliand, 2. A.
1862; Lagenpusch, E., Das germanische Recht im Heliand, 1894; Kuhn, H., Die
Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 73 (1956), 28; Sowinski, B.,
Darstellungsstil und Sprachstil im Heliand, 1985; Heliand und Genesis, hg. v.
Taeger, B., 10. A. 1996
Hellenismus ist
ursprünglich der richtige Gebrauch der griechischen Schriftsprache, später die
Ausbreitung griechischer Kultur seit Alexander dem Großen (356-13. 6. 323 v.
Chr.).
Lit.: Kaser §§ 1 II 2, 3 III 4; Söllner §§ 18, 19, 22;
Kreissig, H., Geschichte des Hellenismus, 1984; Gehrke, H., Geschichte des
Hellenismus, 3. A. 2003, 4. A. 2008; Hellenismus, hg. v. Funck, B., 1997; Die
Rezeption der Antike, hg. v. Konstantinou, E., 1998; Christ, K., Hellas, 1999;
Heinen, H., Geschichte des Hellenismus, 2003; Lexikon des Hellenismus, hg. v.
Schmitt, H./Vogt, E., 2005; Meißner, B., Hellenismus, 2007; Kulturgeschichte
des Hellenismus, hg. v. Weber, G., 2007
Heller, Hermann
(Teschen 17. 7. 1891-Madrid 5. 11. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Wien, Innsbruck und Graz 1920 in Kiel (Radbruch) habilitiert,
1928 zum außerordentlichen Professor in Berlin und 1932 zum ordentlichen
Professor in Frankfurt am Main (bis 7. 4. 1933) ernannt. Er versteht in der
Staatslehre den Staat als sozialen Rechtsstaat.
Lit.: Robbers, G., Hermann Heller, 1983; Der soziale Rechtsstaat,
hg. v. Müller, C./Staff, J., 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 767; Fiedler, W., Das Bild Hermann Hellers, 1994;
Goller, P., Hermann Heller, 2002
Helmarshausen
Lit.: Hoffmann, H.,
Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey, 1992
Helmstedt ist von 1576 bis 1810 Sitz einer vom Herzog von Braunschweig gegründeten Universität.
Lit.: Behse, A., Die juristische Fakultät der Universität
Helmstedt im Zeitalter des Naturrechts, 1920; Baumgart, P./Pitz, E., Die
Statuten der Universität Helmstedt, 1963; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der
juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kundert, W., Katalog der Helmstedter
juristischen Disputationen, 1984 (2774 Titel); Hahn, P., Die Gerichtspraxis der
altständischen Gesellschaft im Zeitalter des „Absolutismus. Die
Gutachtertätigkeit der Helmstedter Juristenfakultät, 1989; Alschner, U.,
Universitätsbesuch in Helmstedt, 1998
Helsinki (Helsingfors)
wird 1550 vom König von Schweden gegründet und 1640 verlegt. Am neuen Ort
erhält es eine Universität. 1812 wird es Hauptstadt des russischen
Großfürstentums → Finnland.
Helvetische Republik
ist die nach dem keltischen, von Caesar 58 v. Chr. besiegten Stamm der
Helvetier benannte, von Frankreich (Napoleon) beeinflusste Republik in der →
Schweiz (1798-1803).
Lit.: Levi, R., Der oberste Gerichtshof der Helvetik, 1945;
Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982;
Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984
Helvetisches Bekenntnis ist das die Theologie Jean Calvins (1509-1564) und
Ulrich Zwinglis (1504-1575) 1566 zusammenfassende Bekenntnis, das im Westfälischen
Frieden 1648 reichsrechtlich anerkannt wird und dessen Anhänger in Österreich
seit Toleranzpatenten Josephs II. seit 1781 toleriert werden.
Henker ist der 1276 in Augsburg zuerst bezeugte Vollstrecker des (auf Hängen lautenden) Todesurteils. Der H. gilt als unehrlich. Vor der Vollstreckung steht dem Hinzurichtenden eine Henkersmahlzeit zu.
Lit.: Mackensen, L., Henkersmahl und Johannisminne, ZRG GA
44 (1924), 318; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Hentig, H.
v., Vom Ursprung der Henkersmahlzeit, 1958; Schuhmann, H., Der Scharfrichter,
1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder, 1978; Deutsch, A.,
Das schwere Schicksal der Henker, ZRG GA 118 (2001), 420; Bendlage, A., Henkers
Hetzbube, 2003; Schubert, E., Räuber und Henker, 2007
Henlich ist
ursprünglich der Heiratsgesang und im Hochmittelalter und Spätmittelalter insbesondere
im Recht des Ingelheimer Oberhofes der → Ehevertrag.
Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert,
1968, 104
Henneberg
Lit.: Zickgraf, E., Die
gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen, 1944; Bibliographie zur hennebergischen
Geschichte, bearb. v. Henning, E. u. a., 1976; Regesten des Archivs der Grafen
von Henneberg-Römhild, hg. v. Mötsch, J., 2006
Henneberg, Berthold von (1441/2-21. 12. 1504), aus der Familie der Grafen von Henneberg-Römhild, wird nach dem Studium der Theologie in Erfurt (1455) und Italien Domherr in Mainz (1464) und Erzbischof von Mainz (20. 5. 1484). Er bestimmt als Erzkanzler maßgeblich die Reformen des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) im Jahre 1495 (→ Reichskammergericht, → Landfriede, → Gemeiner Pfennig).
Lit.: Weiß, E., Berthold von Henneberg, 1889; Bader, K.,
Ein Staatsmann vom Mittelrhein, 1955; Schröcker, A., Unio atque concordia,
Diss. phil. Würzburg 1970
Hennegau
Lit.: Goldhardt, O., Die
Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909;
Verriest, L., Le servage dans le Comté de Hainaut, 1910; Cauchies, J., La
législation princière pour le comté de Hainaut, 1982
Henricus de Baila
ist ein 1169 und 1170 bezeugter Glossator in Bologna (Glossen, Distinktionen,
Disputationen?).
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 214
Heraldik (F.) Wappenkunde
Lit.: Köbler, DRG 3; Berchem, E. Frhr. v., Heraldische
Bibliographie, 1937; Galbreath, D., Handbüchlein der Heraldik, 2. A. 1948;
Crusius, E., Heraldik in Niedersachsen und Westfalen, 1957; Gumowski, M.,
Handbuch der polnischen Heraldik, 1969; Neubecker, O., Heraldik, 1977; Zenger,
Z., Ceska heraldika, 1978; Bertenyi, I., Kis, magyar eimertan, 1983; Lexikon der
Heraldik, 1984; Henning, E./Jochums, G., Bibliographie zur Heraldik, 1984;
Dictionnaire heraldique, 1985; Woodcock, T./Robinson, J., The Oxford Guide to
Heraldry, 1988; Handbuch der Heraldik, 19. A. 1998; Filip, V., Einführung in
die Heraldik, 2000; Filip, V., Einführung in die Heraldik, 2005;
Scheibelreiter, G., Heraldik, 2006, 2. A. 2009
Heraklit von
Ephesos (um 500 v. Chr.) ist der erste europäische Philosoph, der den Einsatz
des Einzelnen für die rechtliche Ordnung als Voraussetzung für den Bestand des
Gemeinwesens hervorhebt.
Lit.: Moser, P., Heraklits Kampf ums
Recht, 1993
Herausgabeanspruch ist
der Anspruch auf die Herausgabe eines Menschen oder einer Sache. Der
bekannteste Fall des Herausgabeanspruches ist die schon dem altrömischen Recht
vertraute (lat.) → rei vindicatio (F.). Sie lebt im modernen H. in
abgewandelter Form fort.
Lit.: Kaser § 27 I; Köbler, DRG 212
Herberge
Lit.: Hermesdorf, B.,
De herberg in de Nederlanden, 1957
Herborn ist von 1584 bis 1815 Sitz
einer Universität.
Lit.: Schmidt-von
Rhein, G., Zur Geschichte der rechtswissenschaftlichen Fakultät der hohen
Schule zu Herborn, ZRG GA 103 (1986), 263; Terharn, C., Die Herforder Fehden im
späten Mittelalter, 1994
Herdecke
Lit.: Schnettler, O., Herdecke an der Ruhr, 1939
Herder, Johann Gottfried (Mohrungen 25. 8. 1744-Weimar 18. 12. 1803) wird nach dem Theologiestudium in Königsberg (1762-1764) Prediger. Er sieht in der Volkssprache und im Volkslied den Ausdruck des unbewusst schaffenden → Volksgeistes, dessen nationale Eigenart geschichtlichen Eigenwert besitzt (Idee der Kulturnation). Damit beeinflusst er → Savignys Verständnis vom Recht als sich organisch entfaltendem Teilbereich der Gesamtkultur in bedeutsamer Weise.
Lit.: Herder, J., Über die neuere deutsche Literatur,
1766/7; Herder J., Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772;
Würtenberger, T., Johann Gottfried Herder und die Rechtsgeschichte, JZ 12
(1957), 137; Kalletat, F., Herder und die Weltliteratur, 1984; Zaremba, M.,
Johann Gottfried Herder, 2002
Heredis institutio (lat. [F.]
Erbeinsetzung) ist in klassischer römischer Zeit die schon früh an den Anfang
des Testamentes zu stellende, lange Zeit unabdingbare Erbeinsetzung (z. B.
[lat.] Titius heres esto).
Lit.: Kaser §§ 65 II 1, 67 I 2
Hereditas ([F.]
lat.) ist im römischen Recht die vor allem aus Vermögensrechten gebildete
Erbschaft (das Erbe). Die h. fällt als Einheit durch Gesamtnachfolge dem Erben
an. Sie kann h. iacens (ruhende Erbschaft) sein.
Lit.: Kaser §§ 65f.; Köbler, LAW
Hereditas (F.) iacens (lat.) (liegende bzw. ruhende Erbschaft) ist im römischen Recht
die einem Außenerben (lat. heres [M.] extraneus) anfallende Erbschaft in der
Zeit zwischem dem Tod des Erblassers und der Ergreifung der Vermögensrechte
durch den Außenerben. Ursprünglich gelten die Erbschaftsgegenstände als (lat.)
res (F.) nullius (Sachen niemands). Die Rechte und Pflichten bestehen weiter,
haben aber zeitweilig keinen Träger und können deswegen nicht geltend gemacht
werden. Die h. i. kann Rechte erwerben. Die h. i. wird mit der Aufnahme des
römischen Rechts seit dem Spätmittelalter an verschiedenen Orten übernommen (z.
B. Österreich).
Lit.: Kaser § 72 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1 1985, 562, 621, 629
Hereditatis petitio
(lat. [F.] Erbschaftsbegehren) ist bereits im altrömischen Recht das
Herausverlangen der Erbschaft durch eine Person, die behauptet Erbe zu sein.
Lit.: Kaser §§ 65 III, 75
Heres (lat. [M.])
ist im römischen Recht der → Erbe (Hauserbe oder Außenerbe).
Lit.: Kaser § 65 III; Köbler, DRG 37;
Köbler, LAW
Herford ist eine
westfälische, um das 823 gegründete, 1147 reichsunmittelbare Stift erwachsene
Stadt, von der die Bilderhandschrift eines mittelalterlichen Rechtsbuches
überliefert ist.
Lit.: Löning, G., Vom Schöffenstuhl zu Herford im 17.
Jahrhundert, ZRG GA 64 (19449, 326; Korte, F., Die staatsrechtliche Stellung
von Stift und Stadt Herford, Jahresbericht des historischen Vereins für die
Grafschaft Ravensberg 58 (1955), 1; 1200 Jahre Herford, 1989; Rechtsbuch der
Stadt Herford, hg. v. Helmert-Corvey, T., 1989; Terharn, C., Die Herforder
Fehden, 1994
Hergewäte → Heergewäte
Herisliz (ahd. [M.]
Heerzerstörung) ist der tatbestandliche Vorwurf (des Hochverrats), der 788 zur
Absetzung Herzog Tassilos III. von Bayern führt.
Lit.: Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, 53
Hermann von Oesfeld (Magdeburg
Mitte 14. Jh.), Bürger in Magdeburg, fertigt möglicherweise ein Register zum
Landrecht des → Sachsenspiegels sowie die um 1350 entstehenden
verfahrensrechtlichen Schriften → Cautela und → Premis an.
Lit.: Homeyer, C., Richtsteig Landrecht nebst Cautela und
Premis, 1857, 390; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 66
Hermann von Salza von 1209 bis
(Salerno) 20. 3. 1239 (vierter) Hochmeister des Deutschen Ordens, erlässt die
sog. → Kulmer Handfeste, die lübischem und magdeburgischem Vorbild
folgend den nach Kulm und Thorn gezogenen Bürgern freiheitliche Rechte gewährt.
Lit.: Caspar, E., Hermann von Salza und die Gründung des
Deutschordensstaates in Preußen, 1924
Hermeneutik (F.) Verstehenslehre
Lit.: Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechts, hg. v.
Avenarius, M., 2008
Hermogenian (um 300) ist vielleicht unter Kaiser Diokletian (284-313/316) Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und (lat.) praefectus (M.) praetorio (Prätorianerpräfekt). Er verfasst die private (halbamtliche?) Sammlung von Konstitutionen Diokletians fast nur der Jahre 293 und 294 (→ Codex Hermogenianus), von der 104 Fragmente in die → Digesten Justinians aufgenommen werden, und (lat.) Iuris epitomarum libri (M.Pl.) VI (Auszüge aus klassischen Schriften Rechtskundiger).
Lit.: Söllner §§ 19, 22; Liebs, D., Hermogenians Iuris
Epitomae, 1964; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987, 36,
137
Herold (M.) Verkünder
Lit.: Wagner, A., Heralds and Heraldry, 2. A. 1956
Herold, Basilius
Johann (Höchstädt an der Donau 17. 12. 1514-1567), Übersetzer und Drucker,
veröffentlicht in Basel 1557 eine Sammlung von 12 (10) Volksrechten, deren
handschriftliche Vorlagen seitdem teilweise (lat. Lex [F.] Frisionum, eine
Fassung der lat. Lex [F.] Salica) verschollen sind.
Herr ist der
Gebieter über einen anderen Menschen (oder über einen Gegenstand). Das Wort
wird im 8. Jh. als Lehnübersetzung von lat. [M.] senior, Älterer, gebildet.
Hausherr, Grundherr, Lehnsherr und → Landesherr sind wichtige
Erscheinungsformen. Erst spät wird H. zu einer allgemeinen Anrede erwachsener
Männer. In den ständischen Landtagen von Österreich ob der Enns und Österreich
unter der Enns sind die Herren eine eigene Kurie, in der Steiermark, in Kärnten
und Krain eine Kurie mit den Rittern.
Lit.: Köbler, WAS; Lünig, J., Thesaurus iuris deren Grafen
und Herren des Heiligen römischen Reichs, 1725; Dungern, O. Frhr. v., Der
Herrenstand im Mittelalter, 1908; Forst-Battaglia, O., Vom Herrenstande, 1916;
Oberschelp, B., Die Edelherren von Büren, 1963; Dopsch, H., Landherren,
Herrenbesitz und Herrenstand in der Steiermark 1100-1500, Diss. phil. Wien 1969
(masch.schr.); Kulenkampf, A., Einungen und Reichsstandsschaft fränkischer
Grafen und Herren, Diss. jur. Bonn 1971; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und
Städte zu Nürnberg 1355/65, 1983; Müller, P., Die Herren von Fleckenstein,
1990; Algazi, G., Herrengewalt, 1996
Herrenchiemseer Verfassungskonvent ist das von den 11 Ministerpräsidenten der westlichen
Besatzungszonen des Deutschen Reiches auf Einladung Bayerns vom 10. bis 23. 8.
1948 nach Herrenchiemsee im Chiemsee einberufene, eine → Verfassung (→
Grundgesetz) der späteren Bundesrepublik → Deutschland vorbereitende
Gremium (Carlo Schmid Justizminister Württemberg-Hohenzollerns SPD, Josef
Schwalber Staatssekretär im Innenministerium Bayern CSU, Josef Beyerle Justizminister
Württemberg-Baden CSVP/CDU, Adolf Süsterhenn, Justizminister Rheinland-Pfalz
CDU, Paul Zürcher Oberlandesgerichtspräsident (Freiburg im Breisgau) Baden
CDU, Hermann Louis Brill Leiter der Staatskanzlei Hessen SPD, Theodor Spitta
Bürgermeister Bremen BDV/FDP, Fritz Baade Professor der Wirtschaftswissenschaften
Schleswig-Holstein SPD, Justus Danckwerts Ministerialrat Niedersachsen, Theodor
Kordt Diplomat und Völkerrechtler Nordrhein-Westfalen, Wilhelm Drexelius
Senatssyndikus Hamburg SPD, Otto Suhr Volkswirt und Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung
Berlin als Gast SPD).
Lit.: Köbler, DRG 256; Buchner, P., Der Verfassungskonvent
auf Herrenchiemsee. Der Parlamentarische Rat 1948/49, 1981; 50 Jahre Verfassungskonvent
Herrenchiemsee, hg. v. März, P. u. a., 1998; Weichenstellung für Deutschland,
hg. v. März, P. u. a., 1998
Herrenfall ist der
Tod des → Herrn im Lehnsverhältnis.
Herrenhaus ist die
Bezeichnung für ein dem englischen House of Lords nachgebildetes Staatsorgan
der Verfassungen des 19. Jh.s (Preußen 1855-1918, Österreich 1861-1865,
1867-1918, ab 1907 mindestens 150 und höchstens 170 Mitglieder). Ihm gehören
hauptsächlich Vertreter des → Adels an.
Lit.: Baltl/Kocher; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Spenkuch, H., Das preußische Herrenhaus, 1998
Herrenlos ist die
Sache, die keinen Eigentümer hat (z. B. in Freiheit befindliche wilde Tiere).
Die herrenlose Sache unterliegt der Aneignung. Aneignungsberechtigt ist
ursprünglich jedermann, nach späterem deutschem Recht der jeweils besondere
Träger eines Aneignungsrechts (z. B. Jagdberechtigter, Fiskus).
Lit.: Hübner 454f.
Herrschaft ist die
Macht oder Gewalt eines Menschen (→ Herrn) über einen anderen Menschen
(oder einen Gegenstand). Sie entsteht vorwiegend durch Eroberung und
Überschichtung. Es ist streitig, ob sich die umfassende Rechtsgemeinschaft in
eine Vielzahl von Herrschaften auflösen lässt. Geschichtliche Formen der H.
sind jedenfalls Grundherrschaft und Landesherrschaft, Hausherrschaft und
Lehnsherrschaft. Das deutsche Wort herscaf (mhd.) als Herrenstellung findet
sich erst im 13. Jh. Seit etwa 1750 wird zwischen öffentlichrechtlicher
Herrschaft und privatem Eigentum des Landesherrn unterschieden.
Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 1; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868; Waas, A.,
Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Schlesinger, W.,
Herrschaft und Gefolgschaft, HZ 176 (1953), 225; Dannenbauer, H., Grundlagen
der mittelalterlichen Welt, 1958, 121; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und
souveräner Staat, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft,
1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Brunner, O.,
Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen
deutschen Recht, 1968; Pezold, U. v., Die Herrschaft Thurnau, 1968; Dubler, A.,
Die Klosterherrschaft Hermetschwil, 1968; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 1970; Herrschaftsstruktur und
Ständebildung, 1973; Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze,
hg. v. Vierhaus, R., 1977; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale
Herrschaft in der frühen Neuzeit, 1980; Jäckell, E., Hitlers Herrschaft, 1986;
Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken totalitärer Herrschaft,
1988; Wolf, G., Mittel der Herrschaftssicherung in den Germanenreichen des 6.
und 7. Jahrhunderts, ZRG GA 105 (1988), 214; Sprandel, R., Verfassung und
Gesellschaft im Mittelalter, 3. A. 1988; Hohkamp, M., Herrschaft in der
Herrschaft, 1998; Virtuosen der Macht, hg. v. Nippel, W., 2000; Holtz, S.,
Bildung und Herrschaft, 2002; Die Sakralität von Herrschaft, hg. v. Erkens, F.,
2002; Herrschaft, hg. v. Kaak, H. u. a., 2003; Rader, O., Grab und Herrschaft,
2003; Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), hg. v. Rogge,
J. u. a., 2003; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Schliesky, U.,
Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004; Ergebene Diener ihrer
Herren?, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 2005; Debatten über die Legitimation von
Herrschaft, hg. v. Schorn-Schütte, L. u. a., 2006; Urbanczyk, P., Herrschaft
und Politik im frühen Mittelalter, 2007
Herrschaftsvertrag ist
der bereits im griechischen Altertum ansatzweise sichtbare, für die Vorzeit
angenommene Vertrag zur Begründung der Herrschaft Herrschender (Staat) über
Beherrschte (Untertanen). Das Mittelalter sieht diesen Vertrag als Unterwerfungsvertrag
an (Thomas von Aquin, → Marsilius von Padua). Die Neuzeit versteht ihn
mehr und mehr als → Gesellschaftsvertrag (→ Althusius, →
Hobbes, → Locke, → Pufendorf, → Rousseau 1762).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Näf, W., Herrschaftsverträge
und Lehre vom Herrschaftsvertrag, 1949; Der Herrschaftsvertrag, hg. v. Voigt,
A., 1965
Herrschaftszeichen ist
das sichtbare Zeichen der (als solcher unsichtbaren) Herrschaft (z. B. →
Ornat, → Krone, → Lanze, → Schwert, → Zepter). Seine
Ausprägung ist in einfachen Verhältnissen eher bescheiden. Der bedeutendste
Schatz an H. sind die → Reichsinsignien.
Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik,
Bd. 1ff. 1954ff.; Schramm, P., Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen, 1955;
Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954
Herrschende Lehre
ist die vom gewichtigeren Teil der Gelehrten (z. B. Rechtsgelehrten in einer
Frage (z. B. Rechtsfrage) vertretene Ansicht. Förmliche Ansätze hierzu finden
sich bereits im römischen Altertum (z. B. Kassiergesetz Konstantins [321], das
zunächst → Papinian(us) für maßgeblich erklärt, Zitiergesetz Theodosius’
II. und Valentinians III. [426], das der Meinung von Papinianus, →
Paulus, → Ulpian, → Modestin und → Gaius besondere Geltung
verleiht und bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden lässt). Im
Spätmittelalter werden hierfür feste Maßstäbe erarbeitet. Danach kommt der
(lat.) glossa (F.) ordinaria zum weltlichen und geistlichen Recht, →
Bartolus, → Baldus sowie den Richtern des höchsten kirchlichen Gerichts
das regelmäßig ausschlaggebende Gewicht zu.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff., Bd. 6, 14; Engelmann, W., Die Wiedergeburt
der Rechtskultur in Italien, 1938, 204
Herrschende Meinung
ist die in einer Streitfrage insgesamt vorherrschende Meinung.
Lit.: Zimmermann, R., Die Relevanz einer herrschenden
Meinung, 1983; Drosdek, T., Die herrschende Meinung, 1989
Herrscher
Lit.: Europäische
Herrscher, hg. v. Vogler, G., 1988; Herrscherchronologien der antiken Welt, hg.
v. Eder, W., u. a., 2004; Bussmann, B., Die Historisierung der Herrscherbilder
(ca. 1000-1200), 2006; Erkens, F., Herrschersakralität im Mittelalter, 2006
Hert (Hertius), Johann Nikolaus (Niederkleen 6. 10. 1651-Gießen 19. 9. 1710) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Gießen und des Rechts in Jena, Leipzig und Wittenberg 1683 Professor in Gießen. Er verwendet neben dem römischen Recht auch deutsche Rechtsquellen, befasst sich mit dem Kollisionsrecht (Dissertatio de collisione legum, 1688) und gibt drei Bücher deutscher Rechtssprichwörter heraus.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, 3, 1, 62;
Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963
Herzegowina → Bosnien
Lit.: Lovrenovic, I., Bosnien und Hercegovina, 1998;
Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003 Classen, L., Der völkerrechtliche
Status von Bosnien-Herzegowina, 2004
Herzog ist die wohl
nach griechischem Vorbild geschaffene germanistische Bezeichnung für den Führer
des Heeres (oder Volkes). Bei den Franken führen (lat. [M.Pl.]) duces auch
Aufgaben aus, wie sie weströmische duces wahrgenommen hatten. Seit der zweiten
Hälfte des 6. Jh.s stammen die Herzöge im Frankenreich aus angesehenen
Familien und steigen bei Schwäche der königlichen Gewalt zu nahezu
selbständigen Herrschern einzelner Stämme oder Völker (Franken, Bayern,
Alemannen, Sachsen, Thüringer, Friesen usw.) auf ([ältere] Stammesherzöge). Die
Karolinger ersetzen die stammesverbundenen H. durch fränkische Adlige
(Amtsherzog). In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s entsteht erneut ein (zweites)
(Stammes-)Herzogtum auf herrschaftlicher Grundlage, das sich dem König aber
früh zumindest teilweise wieder beugen muss (Schwaben 926, Bayern 938). Seit
dem Ende des 10. Jh.s führen in Deutschland einzelne Familien den Herzogstitel
fort, auch wenn sie die Stellung als H. verlieren. Durch Friedrich I.
Barbarossa wird 1156/1180 das Gebietsherzogtum an die Stelle des
Amtsherzogtums gesetzt (→ Österreich 1156, Westfalen 1180, danach
Braunschweig-Lüneburg 1235, Herzogswürde ohne Herzogsgewalt z. B. für Meranien
1195). 1918 verschwindet der H. aus der deutschen Verfassungsgeschichte.
Lit.: Köbler, DRG 69, 94; Köbler, WAS; Puntschart, P.,
Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Rosenstock, E., Herzogsgewalt
und Friedensschutz, 1910; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1;
Much, R., Herzog, ein altgermanischer Name des dux, ZRG GA 45 (1925), 1, 406;
Miller, C., Neuwürttemberg unter Herzog und König Friedrich, 1934; Mayer, T.,
Der Staat der Herzöge von Zähringen, 1935; Werle, W., Titelherzogtum und
Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225; Sprandel, R., Dux und comes in der
Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Prinz, F., Herzog und Adel im
agilolfingischen Bayern, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 283; Kienast, W., Der
Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Maurer, H., Der Herzog von
Schwaben, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen
bei Rhein und Herzöge von Bayern, 1986; Schneidmüller, B., Völker - Stämme -
Herzogtümer?, MIÖG 108 (2000), 31
Herzogtum ist die
Würde und der Herrschaftsbereich des → Herzogs. Wichtige Herzogtümer sind
zu unterschiedlichen Zeiten Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen, Thüringen,
Österreich, Steiermark, Kärnten, Würzburg, Westfalen, Braunschweig-Lüneburg,
Burgund, Lothringen, Jülich, Cleve, Berg, Württemberg, Nassau usw.
Lit.: Köbler, DRG 94
Hessen ist im Jahre 738 der Name eines kleinen, wahrscheinlich auf die germanischen Chatten zurückzuführenden Stammes an der unteren Fulda, dessen Gebiet seit dem 4. Jh. dem Einflussbereich der → Franken zuzurechnen ist Die Grafschaft H. gelangt 1122 an die Landgrafen (1130) von Thüringen und wird nach Aussterben der Ludowinger (1247) selbständige Landgrafschaft. Nach dem Übertritt Philipps des Großmütigen zum Luthertum (1524) wird H. bei seinem Tode 1567 geteilt (Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel). Hessen-Darmstadt erhält 1820 eine Verfassung, Hessen-Kassel 1831 die liberalste deutsche Verfassung (Einkammersystem, ansatzweise tatsächliche Gewaltenteilung, Vorrang und Schutz der Verfassung) vor 1848 (am 13. 4. 1852 durch oktroyierte Verfassung ersetzt). Hessen-Kassel wird wie Nassau 1866 von Preußen annektiert (Provinz Hessen-Nassau). Am 19. 9. 1945 wird der 1918 aus Hessen-Darmstadt entstandene Volksstaat mit den preußischen Provinzen Nassau und Kurhessen zu Großhessen bzw. H. verbunden.
Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon;
Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im
Großherzogtum Hessen, 1893; Lichtner, A., Landesherr und Städte in
Hessen-Cassel, 1913; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der
kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer
Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Bruchmann, K., Der
Kreis Eschwege, 1931; Müller, A., Die Entstehung der hessischen Verfassung von
1820, 1931; Sponheimer, M., Landesgeschichte der Niedergrafschaft
Katzenelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich, 1932; Der
ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., bearb. v. Zimmermann, L., Bd. 1f.
1933f.; Blecher, G., Wie und wann entstanden Burg und Stadt Friedberg? Oberhessische
Anzeigen (2.–9. September) 1936; Helbig, B., Das Amt Homberg an der Efze, 1938;
Kroeschell, K., Hessen und der Kaufungerwald, 1953; Deutsches Städtebuch,
Hessen 1957; Gensicke, H., Landesgeschichte des Westerwaldes, 1958; Hessische
Ortsbeschreibungen, hg. v. Eckhardt, W. u. a., Heft 1ff. 1958ff.; Demandt, K.,
Geschichte des Landes Hessen, 1959, 2. A. 1980; Schunder, F., Der Kreis
Fritzlar-Homberg, 1960; Uhlhorn, F., Geschichtlicher Atlas von Hessen, 1960ff.;
Kleeberger, E., Territorialgeschichte des hinteren Odenwaldes, 1958;
Geschichtlicher Atlas von Hessen, begründet v. Stengel, E., bearb. v. Uhlhorn,
F., 1960ff.; Schrifttum zur Geschichte und geschichtlichen Landeskunde von
Hessen, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1965ff; Lachmann, H., Untersuchungen
zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter, 1967; Heß, W.,
Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Niemeyer, W.,
Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Schubert, W., Der Code civil
und die Personenrechtsentwürfe des Großherzogtums Hessen-Darmstadt von 1842 bis
1847, ZRG GA 88 (1971), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.
3,2,1518, 3,3,3698; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975;
Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Battenberg, J., Ein
hessischer Appellationsprozess des späten 15. Jahrhunderts, ZRG GA 98 (1981),
56; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981;
Krüger, K., Finanzstaat Hessen 1500-1567, 1981; Acker, K., Verwaltungskontrolle
in Hessen-Darmstadt, 1983; Akten und Dokumente zur kurhessischen Parlaments-
und Verfassungsgeschichte 1848-1866, hg. v. Seier, H., 1987; Hessische
Landtagsabschiede, Bd. 1ff. 1989ff.; Rudersdorf, M., Ludwig IV. Landgraf von
Hessen-Marburg 1537-1604, 1991; Akten und Briefe aus den Anfängen der
kurhessischen Verfassungszeit 1830-1837, hg. v. Seier, H., 1992; Grothe, E.,
Verfassungsgebung und Verfassungskonflikt, 1996; Die Entstehung der hessischen
Verfassung von 1946, 1996; Hessen, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 1997;
Regierungsakten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt 1802-1820, bearb. v.
Ziegler, U., 2002; Franz, E., Von Hessengau und terra Hassia zum heutigen Land
Hessen, 2003; Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen, hg. v. Wunder, H.,
2004; Wicke, C., Kodifikationsbestrebungen und Wissenschaft in
Hessen-Darmstadt im vorkonstitutionellen Zeitalter, 2005; Franz, E., Das Haus
Hessen, 2006; Dippel, H., Die kurhessische Verfassung von 1831 im
internationalen Vergleich, HZ 282 (2006), 619; Kroll, F., Geschichte Hessens,
2006; Philippi, H., Die Landgrafschaft Hessen-Kassel 1648-1806, 2007; Ham, R.,
Ludwig Hassenpflug, 2007; Dieses Haus ist gebaute Demokratie, hg. v. Flemming,
J. u. a., 2007; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 30
(2008), 65; Will, M., Die Entstehung der Verfassung des Landes Hessen von 1946,
2009
Hethiter ist der Angehörige des während der Bronzezeit das Gebiet zwischen
Schwarzem Meer, Mittelmeer und persischem Golf beherrschenden
indogermanischen, um 700 v. Chr. untergegangenen Volkes.
Lit.: Brandau,
B./Schickert, H., Hethiter, 2001; Die Hethiter und ihr Reich, 2002; Sperlich,
W., Die Hethiter, 2003; Friedrich, J. u. a., Hethitisches Wörterbuch, 2. A.
2000ff.; Taggar-Cohen, A., Hittite Priesthood, 2007
Heuer ist der Lohn
eines Besatzungsmitgliedes eines Schiffes. Die H. erscheint seit dem
Spätmittelalter, in dem der Dienst auf einem Schiff durch Dienstvertrag
vereinbart wird. Sie ist lange nur ein Teil des Entgeltes und in ihrer Höhe vom
Ertrag der Fahrt abhängig.
Lit.: Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd. 1 1915;
Abel, W., Die Grundzüge des deutschen Seearbeiterrechts, Diss. jur. Greifswald
1938
Heusler, Andreas
(Basel 30. 9. 1834-2. 11. 1921), Sohn des Rechtsprofessors Andreas Heusler
(1802-1868), wird nach dem Rechtsstudium in Basel, Göttingen und Berlin (1856)
1863 Professor, Richter und Politiker in Basel. Sein bedeutendstes Werk sind
die Institutionen des Deutschen Privatrechts (Bd. 1f. 1885f.), in denen er auf
den Grundbegriff der Gewalt über Menschen (→ Munt) und über Sachen (→
Gewere) ein umfassendes Rechtssystem des mittelalterlichen deutschen
Privatrechts aufzubauen versucht. Auf H. geht auch die Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen (1894ff.) zurück.
Lit.: Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel,
1860; Festgabe der juristischen Fakultät der Universität Basel zum siebzigsten
Geburtstag, 1904; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Stutz, U.,
Andreas Heusler, ZRG GA 43 (1921), LXIV; Heusler, A., Schweizerische
Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Heusler, A., Der Zivilprozess in
der Schweiz, 1923; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler
Stadtgerichtsordnung, 1963; Sonderegger, S., Andreas Heusler (1865-1940) und
die Sprache, 1967; Landau, P., Die Vormundschaft als Prinzip, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Germanentum im fin de siècle, hg. v. Glauser, J.
u. a., 2005
Hexabiblos ist die in Thessaloniki um
1345 durch Konstantin Harmenopoulos erfolgte verkürzende Neubearbeitung der →
Basiliken in sechs Büchern. → Griechenland
Lit.:
Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 7; Harmenopoulos, K., Manuale legum sive
Hexabiblos, hg. v. Heimbach, 1851, Neudruck 1969
Hexe (Zaungeist?)
ist die zauberkundige Frau mit magisch-schädigenden Kräften, die angeblich
durch die Luft fliegen, sich in Tiere verwandeln und giftige Zaubertränke
herstellen kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt (lat. [F.] striga). Vielleicht
im frühen 15. Jh. in Savoyen beginnen bei der Verfolgung der Armut und Frieden
fordernden, Eid und Amt verweigernden Waldenser (des Lyoner Kaufmanns Pierre
Valdes) Hexenverfolgungen (um 1430, 1431/1432 und 1457/1459 38 Hexenprozesse im
Tessin [in der Leventina]), aus denen mit päpstlicher Unterstützung durch die →
Hexenbulle (1484) nach 1500 rasch um sich greifende Hexenprozesse werden, die
sich unter Mitwirkung bekannter Theologen des Konzils von Basel (1431-1439) aus
Inquisitionsprozessen entwickelt haben dürften und die auch der
Herrschaftsausübung dienen können. Möglicherweise werden vor allem zwischen
1590 und 1630 bis zu (neun Millionen [Gottfried Christian Voigt] bzw. bis zu)
einer Million Hexen (oder in Deutschland insgesamt [nur] 30000?, in ganz Europa
[nur] 50000 bis 100000?, darunter auch Kinder) verbrannt, ehe der Aufklärung
der Sieg über den Hexenglauben gelingt (Johann Georg von Godelmann, De magis,
1584, Friedrich von Spee, Cautio criminalis contra sagas, 1631, Christian
Thomasius, 1712). Noch nach der Constitutio Criminalis Theresiana (1768) ist
Hexerei strafbar (Art. 58). Der letzte Hexenprozess auf deutschem Boden findet
in Kempten 1775 statt und endete mit dem Tod der Angeklagten in langjähriger
Haft (Glarus 1782, Posen 1793). 1986 wird in Deutschland die Frage Glauben Sie,
dass es Menschen gibt, die ihren Mitmenschen etwas anhexen können, von einem
Drittel der Befragten bejaht.
Lit.: Köbler, DRG 157; Köbler, WAS; Rapp, L., Die
Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A. 1891; Riezler, S., Geschichte der
Hexenprozesse in Bayern, 1896, Neudruck 1968; Hansen, J., Zauberwahn,
Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Hansen,
J., Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung
im Mittelalter, 1901; Soldan, G./Heppe, H./Bauer, M., Geschichte der Hexenprozesse,
Bd. 1f. 1912; Eschenröder, Hexenwahn und Hexenprozesse in Frankfurt am Main,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1932; Bader, G., Die Hexenprozesse in der Schweiz,
Diss. jur. Zürich 1935; Croissant, W., Die Berücksichtigung geburts- und
berufsständischer und soziologischer Unterschiede im deutschen Hexenprozess,
1953; Zwetsloot, H., Friedrich von Spee und die Hexenprozesse, 1954; Bavoux,
F., Hantises et diableries dans la terre abbatiale de Luxeuil, 1956; Krämer,
W., Kurtrierische Hexenprozesse, 1959; Merzbacher, F., Die Hexenprozesse in
Franken, 1957, 2. A. 1970; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse, hg. v.
Lieberwirth, R., 1960; Baroja, J., Las brujas y su mundo, 1961; Baroja, J., Die
Hexen und ihre Welt, 1967; Stebel, H., Die Osnabrücker Hexenprozesse, 1969;
Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozesse in der Reichsstadt Nürnberg, 1970;
Kunze, M., Zum Kompetenzkonflikt zwischen städtischer und herzoglicher
Strafgerichtsbarkeit in Münchner Hexenprozessen, ZRG GA 87 (1970), 305;
Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt in der Literatur von 1350 bis 1550,
1972; Kneubühler, Die Überwindung von Hexenwahn und Hexenprozess, Diss. jur.
Zürich 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Nordwestdeutschland, 1977;
Kneubühler, H., Die Überwindung von Hexenwahn und Hexenprozess, 1977;
Schormann, G., Hexenprozesse in Deutschland, 1981; Lorenz, S., Aktenversendung
und Hexenprozess, 1983; Hexenprozesse, hg. v. Degn, C., 1983; Wichert, G., Die
Hexenprozesse in den österreichischen Alpenländern, der Schweiz und Bayern,
1984; Baumhauer, J., Johann Kruse und der neuzeitliche Hexenwahn, 1984;
Häxornas Europa 1400-1700, hg. v. Ankarloo, B. u. a., 1987; Hexen und
Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Behringer, W., 4. A. 2000; Ginzburg, C.,
Hexensabbat, 1989; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Heinemann, E.,
Hexen und Hexenangst, 1989; Schormann, G., Der Krieg gegen die Hexen, 1991;
Hexe oder Hausfrau, hg. v. Niederstätter, A. u. a., 1991; Siefener, M., Hexerei
im Spiegel der Rechtstheorie, 1992; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess,
1992; Walz, R., Hexenglaube und magische Kommunikation im Dorf der frühen
Neuzeit, 1993; Hexenverfolgung und Regionalgeschichte, hg. v. Wilbertz, G. u.
a., 1994; Lambrecht, K., Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse, 1995;
Hexenglaube und Hexenprozesse, hg. v. Franz, G. u.a, 1995; Das Ende der
Hexenverfolgung, hg. v. Sönke, L. u. a., 1995; Das Hexenregister des Claudius
Musiel, bearb. v. Voltmer, R. u. a., 1996; Oestmann, P., Hexenprozesse am
Reichskammergericht, 1997; Schild, W., Die Maleficia der Hexenleut`, 1997;
Behringer, W., Hexenverfolgung in Bayern, 3. A. 1997; Biesel, E., Hexenjustiz,
1997; Tschaikner, M., Magie und Hexerei im südlichen Vorarlberg, 1997;
Behringer, W., Hexen, 1998; Briggs, R., Die Hexenmacher, 1998; Gehm, B., Das
Ende der Hexenverfolgung, ZRG GA 115 (1998), 566; Dillinger, J. u. a., Zum
Feuer verdammt, 1998; Levack, P., Hexenjagd, 1999; Methoden und Konzepte der
historischen Hexenforschung, hg. v. Franz, G u. a., 1998; Schmidt, J., Glaube
und Skepsis, 2000; Schulte, R., Hexenmeister, 2000, 2. A. 2001; Himmlers Hexenkartothek,
hg. v. Lorenz, S. u. a., 2000; Oestmann, P., Böse Nachbarn – gute Juristen?,
ZNR 2001, 254; Kauertz, C., Wissenschaft und Hexenglaube, 2001; Schulte, R.,
Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, 2001; Hexenprozesse und Gerichtspraxis,
hg. v. Eiden, H./Voltmer, R., 2002; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von
Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Guggenbühl, D.,
Mit Tieren und Teufeln, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in
Kursachsen, 2003; Levack, B., Hexenjagd, 2003; Decker, R., Die Päpste und die
Hexen, 2003; Tschaikner, Manfred, Die Zauberer- und Hexenprozesse in der Stadt S(ank)t
Gallen, 2003; Koppenburg, I., Hexen in Detmold, 2003; Zika, C., Exorcising our
demons, 2003; Perlhefter, V., Die Gestalt des Hexenjägers, 2003; Schatzmann,
N., Verdorrende Bäume und Brote wie Kuhfladen, 2003; Decker, R., Die Päpste und
die Hexen – Aus den geheimen Akten der Inquisition, 2003; Decker, R., Hexen.
Magie, Mythen und die Wahrheit, 2004; Wider alle Hexerei und Teufelswerk, hg.
v. Lorenz, S. u. a., 2004; Tschaikner, M., Hexenverfolgungen in Hohenems, 2004;
Koppenborg, I., Hexen in Detmold, 2004; Behringer, W., Witches and Witch-Hunts,
2004; Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis, hg. v. Voltmer, R., 2005; Rau, K.,
Augsburger Kinderhexenprozesse 1618-1730, 2006; Roper, L., Hexenwahn, 2007;
Rummel, W./Voltmer, R., Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, 2007;
Moeller, K., Das Willkür über Recht ginge, 2007; Zagolla, R., Folter und
Hexenprozess, 2007; Hexenprozess und Staatsbildung, hg. v. Dillinger, J. u. a.,
2008
Hexenbulle ist die
Bulle Papst Innozenz’ VIII. (1484-1492), mit der er die Verfolgung der →
Hexen (durch Inquisition) fördert (Summis desiderantes affectibus vom 5. 12.
1484).
Hexenhammer (lat.
malleus [M.] maleficarum) ist die erstmals 1486 bei Peter Drach in Speyer
gedruckte, die → Hexenbulle kommentierende Anleitung zum Vorgehen gegen →
Hexen von Heinrich Institoris (Kramer) (und Jakob Sprenger) (handschriftliche
deutsche Fassung 1491 an Nürnberg übersandt).
Lit.: Schmidt, J., Der Hexenhammer, Bd. 1ff. 1930; Malleus
maleficarum 1487 (Hexenhammer), hg. v. Jerouschek, G., 1990; Malleus
maleficarum, hg. v. Schnyder, A., 1991; Malleus maleficarum 1487 von Heinrich
Kramer (Institoris), Neudruck hg. v. Jerouschek, G., 1992; Nürnberger
Hexenhammer 1491, hg. v. Jerouschek, G., 1992; Schnyder, A., Malleus
maleficarum von Heinrich Institoris, Kommentar, 1993; Kramer (Institoris), H.,
Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000;
Henricus Insitoris/Jacob Sprenger, Malleus maleficarum, hg. v. Mackay, C., 2006
Hexenprozess →
Hexe
Heymael (N.) (Hegemal) landesherrliches
Gericht für Strafsachen
Lit.: Hermesdorf, B.,
Het Heymael, aantekeningen bij een oude dingrtaal uit het Amorland, 1950
Heymann, Ernst (Berlin 6. 4. 1870-Tübingen 2. 5. 1946) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau (Dahn) außerordentlicher Professor in Berlin und ordentlicher Professor in Königsberg, Marburg und Berlin (1914). Kennzeichnend für ihn sind die Annäherung der Rechtsgeschichte an das geltende Recht und der vielseitige Weitblick (Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896, Überblick über das englische Recht, 1914, Die Rechtsformen der militärischen Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen deutschen Industrierechts, 1921).
Lit.: Festschrift Ernst Heymann, 1940 (mit Schriftenverzeichnis);
Mitteis, H., Nachruf auf Ernst Heymann, ZRG GA 65 (1947), IX
Hierarchie ist die
stufenmäßig aufgebaute, auf Überordnung und Unterordnung beruhende Ordnung. Die
H. wird schon im Altertum in der Kirche und im römischen Dominat entwickelt.
Ihrer bedient sich der seit dem Spätmittelalter erwachsende Staat zur
Gestaltung seiner Verwaltung.
Lit.: Köbler, DRG 55; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 103
Hildebrandslied ist
das in einer lateinischen, aus Fulda stammenden Handschrift von zwei Händen des
mittleren 9. Jh.s in 68 stabreimenden Langzeilen aufgezeichnete einzige
althochdeutsche Heldenlied.
Lit.: Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher
Denkmäler, 1986
Hildesheim
Lit.: Gebauer, J.,
Geschichte der Stadt Hildesheim, Bd. 1f. 1922ff.; Klewitz, H., Studien zur
territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, 1932; Gebauer, J., Worthzins
und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 151; Adamski, H., Der
welfische Schutz über die Stadt Hildesheim, 1939; Quellen zur Hildesheimer
Landesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, 1964; Lücke, J., Die
landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Illemann, H.,
Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969; Schwarz, B., Der
Pfennigstreit in Hildesheim 1343, 1978; Die Hildesheimer Bischöfe von 815-1221,
bearb. v. Goetting, H., 1984; Höhl, M., Die Pest in Hildesheim, 2002; Plath,
C., Konfessionskampf und fremde Besatzung, 2005; Giese, M., Die Textfassungen
der Lebensbeschreibung Bischof Bernwards von Hildesheim, 2006; Die Hildesheimer
Bischöfe von 1221 bis 1398, bearb. v. Kruppa, N. u. a., 2006; Giese, M.,
Hildesheimer Bischofskataloge des 11. bis 16. Jahrhunderts, DA 62 (2007), 569
hinkend
(Adj.) unvollkommen wirksam (lat. claudicans) z. B. Rechtsgeschäft eines
Minderjährigen
Hinkmar von Reims (um 806-Epernay 21.? 12. 882), aus vornehmem fränkischem Geschlecht, wird nach der Schulung in St. Denis 854 Erzbischof von → Reims. Neben umfangreichen nichtrechtlichen Schriften und Stellungnahmen in einzelnen Rechtsfragen gibt er eine auf Adalhard von Corbie aufbauende Darstellung des Hofes des fränkischen Königs (lat. De ordine palatii, Von der Ordnung des Palastes).
Lit.: Schrörs, H., Hinkmar, 1884, Neudruck 1967; Hincmarus
de ordine palatii, hg. v. Krause, V., 1894; Devisse, J., Hincmar, 1975f.;
Hinkmar von Reims, De ordine palatii, hg. v. Gross, T. u. a., 1980; Stratmann,
M., Hinkmar von Reims, 1991; Die Streitschriften Hinkmars von Reims und
Hinkmars von Laon 869-871, hg. v. Schieffer, R. 2003; Schmitz, G., De
presbiteris criminosis, 2004
Hinrichtung ist die
Vollstreckung eines Todesurteils. Sie erfolgt im altrömischen Recht durch
Enthauptung mit dem Beil, im klassischen römischen Recht durch Enthauptung mit
dem Schwert. Nach Tacitus hängen die Germanen Volksverräter auf und versenken
Unzüchtige im Moor. Seit dem Hochmittelalter finden sich zahlreiche
verschiedene → Todesstrafen (Enthaupten, Hängen, Rädern, Verbrennen,
Pfählen, Vierteilen, Lebendigbegraben, Ertränken).
Lit.: Feucht, D., Grube und Pfahl, 1967; Ruoff, W., Die
Hauptgrube, ZRG GA 86 (1969), 198; Marschall, D., De laqueo rupto, 1968;
Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), 1992;
Martschukat, J., Die öffentliche Hinrichtung, Kriminolog. Journal 1995, 186;
Seeger, A., Hinrichtungen, 1998
Hinschius, Paul
(Berlin 25. 12. 1835-13. 12. 1898), protestantischer Juristensohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Heidelberg (Keller) und Berlin (Richter) Professor in
Halle (1863), Berlin (1865), Kiel (1868) und Berlin (1872) und
Kirchenpolitiker. Unvollendet ist sein sechsbändiges Kirchenrecht der Katholiken
und Protestanten in Deutschland (1869ff.). Politische Bedeutung hat seine
Mitwirkung am → Kulturkampf (Personenstandsgesetz).
Lit.: Stutz, U., Die kirchliche Rechtsgeschichte, 1905
Hinterlegung (lat.
[F.] → depositio) ist die im Rahmen eines Schuldverhältnisses erfolgende
Übergabe einer hinterlegungsfähigen Sache durch den Schuldner an die
öffentliche Hinterlegungsstelle. Sie ist dem klassischen römischen Recht
bekannt und wird seit dem Spätmittelalter (Köln 1288) mit dem römischen Recht
zu Lasten der bloßen Preisgabe aufgenommen, erfolgt allerdings meist bei Gericht.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 215; Müller, P., Die
Hinterlegung, Jh. Jb. 41 (1899), 411
Hintersasse ist der
vom Grundherrn abhängige Mensch in der → Grundherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit
über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102
Hippolithus a Lapide (Bogislaw Philipp [von]
Chemnitz) (Stettin 9. 5. 1605-Hallstaad
[Gut]/Vestmanland/Schweden 17. 5. 1678), lutherisch, wird nach dem Studium von
Recht und Geschichte in Rostock und Jena (Dominicus Arumaeus) Soldat in den
Niederlanden und in Schweden (1630-1637), 1644 Hofhistoriograph Schwedens und
veröffentlicht (zwischen 1640 und 1647 [um 1640?, um 1643?]) unter diesem
Namen die (lat.) Dissertatio (F.) de ratione status in imperio nostro
Romano-Germanico (Erörterung über das Wesen des Staates in unserem
römisch-deutschen Reich), in der er das Reich als Aristokratie der (souveränen)
Stände erklärt und sich für die Stärkung des Reichstags unter Schwächung der
Kurfürsten sowie die Ausgliederung Habsburgs aus dem Reich ausspricht.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 203
Hirdskra ist die
zwischen 1274 und 1277 entstandene, unter König → Magnus Hakonarson
(1263-1281) aufgezeichnete norwegische Gefolgschaftsordnung, der eine vor 1200
entstandene, verlorene Vorgängerin vorausgeht. In 54 Kapiteln behandelt das
vielleicht von einem Geistlichen verfasste Werk die Erbfolge und Wahl des
Königs, die Eide der Amtsträger, die Hofämter, die Verteidigung, den Frieden
usw.
Lit.: Das norwegische Gefolgschaftsrecht, hg. v. Meißner,
R., 1938
Hirtenrecht ist das
für Hirten in Spätmittelalter und Neuzeit geltende besondere Recht.
Lit.: Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schöller, R.,
Der gemeine Hirte, 1973
His, Rudolf (Basel
1870-Münster 1938), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Genf, Leipzig (Binding, Sohm), Berlin und Basel (Heusler) und der Habilitation in
Heidelberg (1896, Schröder) Professor in Münster. Er verfasst in der Nachfolge
der Systematik Heinrich Brunners eine grundlegende Strafrechtsgeschichte (Das →
Strafrecht des deutschen Mittelalters 1920, 1935, vereinfachend Die Geschichte
des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967).
Lit.: Naendrup, H., Rudolf His, 1941
Historie (F.)
Geschichte
Historiker (M.) Geschichtsforscher
Lit.: Historikerlexikon, hg. v. Bruch, R. vom/Müller, R.,
2. A. 2002
Historikerstreit ist
in Deutschland der von Jürgen Habermas 1985 ausgelöste, 1988 ohne greifbare
wissenschaftliche Früchte versiegte Streit deutscher Historiker über die
Bedeutung des Nationalsozialismus in Deutschland.
Lit.: Kailitz, F.,
Die politische Deutungskultur im Spiegel des „Historikerstreits“, 2001
Historische Rechtsschule ist die von Friedrich Carl von → Savigny (und Karl
Friedrich Eichhorn) begründete Schule der geschichtlichen Rechtswissenschaft.
Für sie greift Savigny in einem objektiven, scheinbar gegen das ungeschichtliche
→ Naturrecht (Vernunftrecht) gezielten Idealismus rechtspolitisch die
Freiheitsethik Immanuel → Kants (1724-1804) auf und bezieht Gustav →
Hugos (1764-1844) methodische Forderungen nicht nur in seine frühen
methodologischen Gedankengänge (1802) ein, sondern verwirklicht sie bereits im
„Recht des Besitzes“ (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen,
allgemeinen, absoluten, systematisch-theoretischen) Durchdringung des
historischen (tatsächlichen, positiven, konkreten, exegetisch-praktisch
behandelten) Stoffes, um in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen
den Besitzwillen als allgemeines, logisches, konstituierendes Element des
Besitzrechts konstruktiv-systematisch zu erarbeiten. In der historischen
Rechtsschule sieht er das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen
gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt
willkürlich selbst hervorbringe. Das Recht, das Vernunft und Ordnung in sich
selbst birgt und damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihm
entsprechend den Vorstellungen → Herders (1744-1803) ein aus dem
Innersten der Nation selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der
Gesamtkultur und muss mit dieser, gespeist von irrationalen Kräften, wachsen.
Weil das Historische in der Jurisprudenz nicht mehr als zufällig, sondern als
geschichtlich notwendig verstanden wird, hält er eine → Kodifikation wie
das → Allgemeine Landrecht (1794), den → Code civil (1804) oder das
→ Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch 1811/1812 (zumindest in ihrem
Entstehungszeitpunkt) für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich. Allerdings
dient die als geschichtlich behauptete Betrachtungsweise Savigny im Ergebnis
nur dazu, den insgesamt vorhandenen Rechtsstoff von dem zu reinigen, was nur
historische Bedeutung hat und deshalb für die Gegenwart ausgeschieden werden
kann. Schon seit seinen Landshuter Vorlesungen der Jahre 1808/1809 vertritt
Savigny, ohne dies zu begründen, dabei die Ansicht, dass die Wanderungen und Revolutionen
der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische
Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt habe, weshalb die
Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie
das übernommene römische Recht das eigentümliche Recht sei (!). Der nach der
damit begründeten Zurückweisung des älteren deutschen Rechts germanischer
Herkunft und nach Ausscheiden der mittelalterlichen und neuzeitlichen Entstellungen
des römischen Rechts verbleibende Stoff, nämlich das klassisch-römische Recht,
ist im eigentlich von einer historischen Rechtsschule nicht zu erwartenden
Wiederaufgreifen naturrechtlicher Begriffsbildung und naturrechtlicher Systematik
für Savigny der Gegenstand konstruktiv-systematischer, die tatsächliche geschichtliche
Entwicklung bewusst als überflüssig abstreifender Durchdringung (System des
heutigen römischen Rechts, 1840ff.). Die h. R. teilt sich später in Romanisten
(→ Savigny, → Puchta, → Windscheid) und Germanisten (→
Eichhorn, → Grimm, → Gierke). Ihre dogmatisch-praktische
Zielsetzung geht bald in der (unhistorischen) → Begriffsjurisprudenz auf.
Lit.: Köbler, DRG 187; Gierke, O. v., Die historische
Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Rexius, G., Studien zur Staatslehre der
historischen Schule, HZ 107 (1911), 496; Kantorowicz, H., Volksgeist und
historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Conrad, H., Aus der
Entstehungszeit der historischen Rechtsschule – Friedrich Carl von Savigny und
Jacob Grimm, ZRG GA 65 (1947), 261; Vischer, E., Barthold Georg Niebuhr und die
Schweiz, Die Welt als Geschichte 16 (1956), 1; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der
historischen Rechtsschule, 1967; Böckenförde, E., Die historische Rechtsschule
und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechtes, FS J. Ritter, 1965, 9;
Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967;
Scheuermann, R., Die Einflüsse der historischen Rechtsschule, 1972; Conradi,
R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Klemann, B., Rudolf
von Ihering und die historische Rechtsschule, 1989; Reimann, M., Historische
Schule und Common Law, 1993; Bürge, A., Ausstrahlungen der historischen
Rechtsschule in Frankreich, ZEuP 1997, 643; Gadomski, C., Die Rezeption der
historischen Rechtsschule und der Pandektenwissenschaft in der italienischen
Wissenschaft, Diss. jur. Frankfurt 2006; Lüderssen, K., Eichendorff und das
Recht, 2007; Jouanjan, O., Philosophische Verwicklungen in der
Rechtswissenschaft, ZRG GA 125 (2008), 367
Historischer Materialismus ist die von Karl → Marx als geschichtlicher
Gesetzmäßigkeit unterliegend erklärte materialistische Geschichtsphilosophie.
historische Schule →
historische Rechtsschule
Historismus ist
(seit etwa 1850, verstärkt seit 1874 [Nietzsche]) die Betrachtung eines
Geschehens unter dem Blickpunkt des Einmaligen und Besonderen, womit
historische Vorgänge und Strukturen ihre Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit
einbüßen.
Lit.: Wittkau, A., Historismus, 1992; Jaeger, F./Rüsen, J.,
Geschichte des Historismus, 1992; Geschichtsdiskurs Bd. 3, hg. v. Küttler, W.
u. a., 1996, Historismus, hg. v. Oexle, O. u. a., 1996; Historismus am Ende des
20. Jahrhunderts, hg. v. Scholtz, G., 1997;
Conte, D., Storicismo e storia universale, 2000; Historismus im 19.
Jahrhundert, hg. v. Nordalm, J., 2006
Hitler, Adolf
(Braunau 20. 4. 1889-Berlin 30. 4. 1945), Sohn eines unehelich geborenen
Zollamtsoberoffizials (Alois Schicklgruber, [1876 wegen einer erwarteten
Erbschaft Namensänderung in Hitler, † 1903, Halbwaisenrente für H.] und seiner
Cousine zweiten Grades Klara Pölzl † 21. 12. 1907), wird (ohne Schulabschluss
[1905]) nach Aufenthalten in Wien (1907 gescheiterte Aufnahmeprüfung in
Kunstakademie, 1908, 1909 zweiter gescheiterter Versuch der Aufnahme in die
Kunstakademie, Wohnung in Obdachlosenasyl, 1910 in Männerwohnheim, Maler von
Sehenwürdigkeiten Wiens, Verkauf der Bilder durch jüdische Händler) und München
(1913, auch zwecks Vermeidung des Militärdiensts in Österreich, 5. 2. 1914 in
Salzburg als waffenunfähig beurteilt) sowie freiwilliger Kriegsteilnahme (16.
8. 1914 16. Reserveinfanterieregiment Bayerns, eingesetzt als Meldegänger an
der Westfront) mit trotz psychiatrischer Heilung von Erblindung weiterwirkender
posttraumatischer Belastungsstörung (1919) Vertrauensmann der Reichswehr
(Propagandist zur politischen Aufklärung der zu entlassenden Soldaten im
Sinne der neuen Republik) und (19. 10. 1919) Mitglied (Nr. 55) der Deutschen
Arbeiter
partei (Februar 1920 → Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei,
Juli 1921 Vorsitzender [31. 3. 1920 aus Armee entlassen]). Nach einem
gescheiterten Putsch (mit Erich Ludendorf 8. 11. 1923/9. 11. 1923) inhaftiert
und wegen Hochverrats zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt, verfasst er in der
Festung Landsberg die Rudolf Heß diktierte Programmschrift „Mein Kampf“ [20.
12. 1924 Entlassung]. 1925 gibt er die Staatsbürgerschaft Österreichs auf.
Seit 1928/1929 gelingen ihm wachsende Wahlerfolge (14. 9. 1930 Steiegerung des
Stimmanteils bvon 2,6 auf 18,3 Prozent). Im Februar 1932 erwirbt er die
Staatsbürgerschaft des deutschen Reiches. Am 30. 1. 1933 ernennt ihn der Reichspräsident
als Führer der stärksten Reichstagsfraktion zum Reichskanzler des →
Deutschen Reiches. Durch Überredung, Drohung und Gewalt wandelt H. die Republik
in den totalitären Einparteienstaat eines diktatorischen Führers (→
Drittes Reich). Nach dem 2. 8. 1934 übernimmt er auch das Amt des verstorbenen
Reichspräsidenten. Gestützt auf ein Bündnis mit Italien und Japan und einen
taktisch motivierten Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion greift er am 1. 9.
1939 Polen an („wird zurückgeschossen“) und löst damit den zweiten Weltkrieg
aus, in dessen Verlauf Hitlers Imperium am Ende des Jahres 1941 größer ist als
die Vereinigten Staaten von Amerika, an dessen Ende aber nach seiner
Selbsttötung (in Berlin am 30. 4. 1945) am 8. 5. 1945 die völlige Kapitulation
des Deutschen Reiches steht. Das Recht gebraucht und missbraucht H. in
vielfältiger Weise als Kampfinstrument zur Durchsetzung der Ideologie des →
Nationalsozialismus.
Lit.: Köbler, DRG 222; Heuß, T., Hitlers Weg, 8. A. 1932,
Neudruck 2008; Hitler, A., Mein Kampf, 17. A. 1933; Braun, O., Von Weimar zu
Hitler, 3. A. 1949; Hofmann, H., Der Hitlerputsch, 1961; Domarus, M., Hitlers
Reden und Proklamationen, 2. A. 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich
- Attentat, 1969; Franz-Willing, G., Ursprung der Hitlerbewegung 1919-1922, 2.
A. 1974; Phillips, L., Adolf Hitler and the Third Reich, 1977; Broszat, M., Der
Staat Hitlers, 15. A. 2000; Jäckel, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Zitelmann,
R., Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs, 2. A. 1998; Lang, J., Die
Partei, 1989; Steinert, M., Hitler, 1994; Goldhagen, D., Hitlers willige
Vollstrecker, 1996; Hamann, B., Hitlers Wien, 1996; Turner, H., Hitlers Weg zur
Macht, 1996; Lukacs, J., Hitler, 1997; Pätzold, K./Weissbecker, M., Adolf
Hitler, 1997; Der Hitler-Prozess, hg. v. Gruchmann, L., Bd. 1ff. 1997ff.;
Large, D., Hitlers München, 1998; Kershaw, I., Hitler, Bd. 1ff. 1998ff.;
Schmitz, H., Adolf Hitler, 1998; Mommsen, H., Alternative zu Hitler, 2000;
NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär,
G., 2000; Kershaw, I., Hitler 1936-1945, 2000; Zehnpfennig, B., Hitlers „Mein
Kampf“, 2000; Krockow, C. Graf v., Hitler und seine Deutschen, 2001; Gellately,
R., Backing Hitler, 2001; Gritschneder, O., Der Hitler-Prozess und sein Richter
Georg Neithardt, 2001; Rauscher, W., Hitler und Mussolini, 2001; Zürner, B.,
Adolf Hitler – Feldherr wider Willen?, 2001; Fest, J., Der Untergang – Hitler
und das Ende des Dritten Reiches, 2002; Der deutsche Widerstand gegen Hitler,
hg. v. Überschär, G., 2002; Reuth, R., Hitler, 2003; Koch-Hillebrecht, M.,
Hitler, 2003; Horstmann, B., Hitler in Pasewalk, 2004; Schwarz, B., Hitlers
Museum, 2004; Thonke, C., Hitlers langer Schatten, 2004; Rietzler, R., Mensch
Adolf, 2004; Seligmann, R., Die Deutschen und ihr Führer, 2004; Aly, G.,
Hitlers Volksstaat, 2005; Frank, M., Der Tod im Führerbunker, 2005;
Schreckenberg, H., Hitler, 2006; Zehnpfennig, B., Hitlers Mein Kampf, 3. A.
2006; Plöckinger, O., Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers Mein Kampf, 2006;
Grabner-Haider, A., Hitlers mythische Religion, 2008; Ryback, T., Hitler’s
Private Library, 2008; Mazower, M., Hitlers Imperium, 2009; Haasis, H., Den
Hitler jag ich in die Luft, 2009
Hobbes, Thomas (Westpool 5. 4. 1588-Hardwick Hall 4. 12. 1679) wird nach dem Philosophiestudium in Oxford
Hauslehrer bei Baron Cavendish. In seinem Hauptwerk (lat.) Elementa (N.Pl.)
philosophiae (Grundlagen der Philosophie) (Teil 3 [lat.] De cive [Vom Bürger],
1649, ähnlich Leviathan, 1651) erklärt er den Ursprung des Staates mit dem vom
(bösen) Menschen zur Vermeidung des Kampfes aller gegen alle zugunsten des
souveränen Herrschers geschlossenen → Gesellschaftsvertrag, als dessen
Folge auf Grund der Autorität des Herrschers die menschlichen Gesetze die
Naturgesetze ablösen.
Lit.: Tönnies,
F., Thomas Hobbes, 3. A. 1925; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus,
1962; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; MacPherson,
C., Die politische Theorie des Besitzindividualismus, 1967; Dießelhorst, M.,
Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Hobbes-Forschungen, hg.
v. Koselleck, R. u. a., 1969; Förster, W., Thomas Hobbes und der Puritanismus,
1969; Schelsky, H., Thomas Hobbes, 1981, Willms, T., Thomas Hobbes, 1987;
Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988;
Thomas Hobbes und die englische Revolution, 1991; Ludwig, B., Die
Wiederentdeckung des epikureischen Naturrechts, 1998; Hüning, D., Freiheit und
Herrschaft, 1998; Kremkus, A., Die Strafe, 1999; Bredekamp, H., Thomas Hobbes,
2003; Hirsch, A., Recht auf Gewwalt?, 2004; Hobbes, T., Leviathan, 2. A. 2008
Hochadel → Adel
Hochgerichtsbarkeit ist
seit dem Hochmittelalter die Gerichtsbarkeit über die mit der →
Todesstrafe bedrohten Verbrechen (→ Totschlag, → Notzucht, →
Diebstahl). Sie steht (auf Grund königlicher Verleihung) grundsätzlich dem →
Landesherrn zu, der sie seit dem (lat.) → Statutum (N.) in favorem
principum (1231/1232, Gesetz zugunsten der Fürsten) als eigenes Recht
weiterverleihen kann. Demgegenüber wird die Niedergerichtsbarkeit (→
Niedergericht) von niederen Gerichten ausgeübt.
Lit.: Fabricius, E., Das Hochgericht Rhaunen, 1901; Rietschel,
S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Wohlhaupter, E.,
Hoch- und Niedergericht, 1929; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A.
1958; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen
Herzogtum Bayern, 2000
Hochmeister → Deutscher Orden
Lit.: Stengel, E., Hochmeister und
Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994,
hg. v. Arnold, U., 1998
Hochmittelalter ist
der mittlere Zeitabschnitt des Mittelalters, der von etwa 911 (bzw. 1000) bzw.
1076 bis (etwa 1250 bzw.) 1254 bzw. 1273 angesetzt werden kann.
Lit.: Köbler, DRG 93; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das
Reich im Hochmittelalter, 1959; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen,
hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Goez, W., Gestalten des Hochmittelalters, 1983;
Jakobs, H., Kirchenreform und Hochmittelalter, 2. A. 1988; Haas, W., Welt im
Wandel, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert (1125-1198), 2003
Hochstift ist das
weltliche Herrschaftsgebiet eines geistlichen Reichsfürsten (und bei unscharfem
Sprachgebrauch auch das zugehörige Bistum) (z. B. Minden, Münster, Osnabrück,
Hildesheim, Würzburg, Bamberg, Straßburg, Augsburg, Freising, Passau,
Regensburg, Brixen usw.) vom Hochmittelalter bis zum Jahre 1803.
Lit.: Werminghoff, A., Verfassungsgeschichte der deutschen
Kirche im Mittelalter, 2. A. 1913, 72; Bachmann, S., Die Landstände des
Hochstifts Bamberg, 1962; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Wetter,
I., Hochstifte als mittelalterliche Verkehrszentren, 2006 (Konstanz, Augsburg)
Hochschule s. Universität
Hochverrat ist seit
dem frühen 18. Jh. (1703, möglicherweise kann auch bereits der Bauernaufstand
von Untergrombach 1502 als früher Ansatzpunkt angesehen werden) ein neuer
Ausdruck für das Majestätsverbrechen (lat. [N.] → crimen laesae
maiestatis), das im Hochmittelalter den älteren Treuebruch verdrängt. H. soll
im Kampf gegen den Absolutismus die Taten erfassen, die den inneren Bestand des
Staates angreifen (im Gegensatz zum → Landesverrat und zum →
Majestätsverbrechen). Nach → Feuerbach (1798) ist jeder Angriff auf den
Staatsvertrag (bzw. die drei Staatsverträge) H. (z. B. Entziehung eines
Gliedstaats, Angriff auf das Leben des Herrschers, Revolution), doch folgt dem
die Rechtspraxis nicht. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch von 1871 bietet
demgegenüber eine ausführliche Kasuistik.
Lit.: Söllner § 10; Baltzer, C., Die geschichtlichen
Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter, 1966; Reimann,
M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste
Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994;
Böttger, M., Der Hochverrat, 1998; Widerstand als Hochverrat, bearb. v.
Zarusky, J. u. a., 1998; Hochverrat?, hg. v. Lill, R., 1999; Richter, I.,
Hochverratsprozesse als Herrschaftspraxis, 2001; Bundschuh, hg. v. Blickle, P.
u. a., 2004
Hochzeit ist eine
Bezeichnung für die Feier(lichkeiten) der → Eheschließung (13. Jh.).
Hierfür schafft der Landesherr seit dem 15. Jh. besondere Hochzeitsordnungen. Sie
verbieten übermäßigen Luxus (→ Luxusverbot).
Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und
Hochzeit, 1914; Neumann, G., Hochzeitsbrauchtum in Westfalen, Westfalen 33
(1955), 212; Goldmann, E., Hochzeitsbräuche, Seelenreise, 1956; Leisching, P.,
Et teneat eam, Studia Gratiana 27 (1996), 311; Tisch und Bett, hg. v. Riis, T.,
1998
Hof ist der zu
einem Haus unmittelbar gehörige Platz, allgemeiner der landwirtschaftliche
Betrieb oder der Lebensbereich eines Adligen. Der landwirtschaftliche H. ist
überwiegend Teil der → Grundherrschaft. Seit dem 19. Jh. wird für ihn
teilweise ein besonderes → Hofrecht geschaffen. Für den adeligen H.
entstehen schon früh eigene Hofrechte, besondere Hofämter, später auch Hoftage,
Hofgerichte, Hofräte und Hofordnungen. In Bayern-Landshut besteht das
spätmittelalterliche Hofgesinde aus 150 vergüteten Mitgliedern. Im
ernestinischen Sachsen umfasst der Hof 1531 etwa 500 Menschen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 35f.; Kroeschell, DRG
1, 83, 112; Köbler, WAS; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe und der
Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Härle, P., Die
zwölf Abteimaierhöfe des Stiftes Buchau, 1937; Hartmann, K., Haus Rhade op de
Volme, 1938; Haff, K., Hofübergabe und Ältestenrecht, ZRG GA 62 (1942), 377;
Elsener, F., Der Hof Benken, 1953; Ohe, J. v. d., Die Zentral- und
Hofverwaltung des Fürstentums Lüneburg, 1955; Herold, E., Hofdienst und
Hofschutz, Diss. jur. München 1956; Dölling, H., Haus und Hof in
westgermanischen Volksrechten, 1958; Kruedener, J. Frhr. v., Die Rolle des
Hofes im Absolutismus, 1973; Hollegger, M., Maximilian und die Entwicklung der
Zentralverwaltung am Hof, 1983; Bumke, J., Höfische Kultur, 1986; Moraw, P.,
Hoftag und Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3;
Alltag bei Hofe, hg. v. Paravicini, W., 1995; Haus und Hof in ur- und
frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Plassmann, A., Die
Struktur des Hofes, 1998; Hillen, C., Curia regis, 1999; Höfe und Höfeordnungen
1200-1600, hg. v. Kruse, H. u. a., 1999; Bahl, P., Der Hof des Großen
Kurfürsten, 2000; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar –
Urkundenvergabe – Hof, 2002; Hofkultur und aufklärerische Reformen in
Thüringen, hg. v. Ventzke, M., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag,
hg. v. Moraw, P., 2003; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich,
hg. v. Paravicini, W., 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Weise, W.,
Der Hof der Kölner Erzbischöfe in der Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas, 2004;
Nolte, C., Familie, Hof und Herrschaft, 2004; Fürstenhöfe und ihre Außenwelt,
hg. v. Zotz, T., 2004; Dvory a rezidence ver středovĕku, 2006;
Hofkultur in Frankreich und in Europa im Spätmittelalter, hg. v. Freigang, C.
u. a., 2005; Kaiserhof – Papsthof (16. – 18. Jh.), hg. v. Bösel, R. u. a.,
2006; Die Hofgeschichtsschreibung im mittelalterlichen Europa, hg. v.
Schieffer, R. u. a., 2006; Biersack, I., Die Hofhaltung der reichen Herzöge von
Bayern-Landshut, 2006; Spieß, Karl-Heinz, Fürsten und Höfe im Mittelalter, 2008
Hofamt ist
hauptsächlich das Amt der Verwaltung eines herrschaftlichen (fürstlichen,
königlichen) → Hofes. Bereits zum spätrömischen → Kaiser gehört
eine nahezu aus dem Nichts geschaffene umfangreiche Zentralverwaltung in Rom
mit zahlreichen hierarchisch geprägten Ämtern. Wohl im Anschluss hieran folgt
auch dem frühmittelalterlichen → König ein Hof mit hauptsächlich
Seneschall bzw. Truchsess, Marschall, Schenk, Kämmerer und Kanzler als Trägern
von Ämtern, die dem hohen Adel zugeteilt, später aber von Dienstleuten
tatsächlich ausgeübt werden. Der königliche Hof bildet sich bis zum Ende des
Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) immer vielseitiger aus und gibt
das Vorbild für die Hofämter an den einzelnen Fürstenhöfen ab.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29; Kroeschell, DRG 1,
2; Baltl/Kocher; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Lübeck,
K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177;
Bosl, K., Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f.;
Klafki, E., Die kurpfälzischen Erbhofämter, 1966; Latzke, I., Hofamt, Erzamt
und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Mitteis, H., Der Staat des
hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989);
Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in
Sachsen, 1995; Hof und Theorie, hg. v. Butz, R. u. a., 2004; Keller, K.,
Hofdamen, 2005
Höfeordnung ist das
am 24. 4. 1947 für die → britische Zone des Deutschen Reiches erlassene
Gesetz, das für landwirtschaftliche Höfe teilweise besondere Rechtsregeln
(Sondererbfolge) schafft und am 26. 7. 1976 abgeändert wird.
Lit.:
Kannewurf, T., Die Höfeordnung vom 24. April 1947, 2004
Hofer, Andreas
(Sankt Leonhard 22. 11. 1767-Mantua 20. 2. 1810), Gastwirt und Tiroler
Freiheitskämpfer gegen die Besetzung → Tirols durch → Bayern und →
Frankreich (1809), nach anfänglichen Erfolgen verraten und hingerichtet
Höferecht ist das
seit der Mitte des 19. Jh.s in Anknüpfung an das ältere → Anerbenrecht
gesetzlich geschaffene besondere Erbrecht für bestimmte landwirtschaftliche
Höfe (preußische Provinz Hannover 1874 und 10 weitere deutsche Bundesstaaten
[Reichsländer] bis 1930, Reicherbhofgesetz 1933, Höfeordnung der britischen
Besatzungszone 1947, Höfeordnung von Rheinland-Pfalz 1953). 1963 erklärt das
deutsche Bundesverfassungsgericht den Vorzug von Männern vor Frauen im H. für
verfassungswidrig. Für die nicht vom besonderen H. erfassten Höfe gilt das
Grundstückverkehrsgesetz.
Lit.: Gersbach, A., Das Agrar- und Höferecht der Grafschaft
Hauenstein, 1948; Bischof, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover,
Diss. jur. Göttingen 1966; Dehne, F., Vom Hof zum Betrieb, 1966; Tykwer, F.,
Hofnachfolge in Westfalen-Lippe, 1997; Fastenmayer, B., Hofübergabe als
Altersversorgung, 2009
Hoffahrt ist das
Erscheinen am adligen Hof, insbesondere die Teilnahme am Hoftag. Die H. gründet
sich im Laufe des Mittelalters mehr und mehr auf das Lehnsrecht. Vielfach wird
sie von einer anfänglichen Pflicht zu einem Recht auf Teilnahme am Hoftag.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972
Hofgericht ist
einerseits das am grundherrschaftlichen Fronhof eingerichtete Gericht eines →
Grundherrn über seine Hintersassen und andererseits das am fürstlichen Hof
gebildete Gericht des Herrschers, aus dem der Fürst selbst spätestens im
15./16. Jh. ausscheidet. Das königliche H. (Reichshofgericht) kennt seit 1235
neben dem König einen besonderen Hofrichter, hat als Urteiler neben den Fürsten
auch Juristen, überliefert etwa 2000 Urkunden, verliert aber durch die den
Landesherren erteilten Nichtevokationsprivilegien an Bedeutung (Achtregister
1290, 1346, 1353, Ladungsregister 1396, Hofgerichtsregister 1409) und wird
1451 durch das Kammergericht ersetzt. Das H. in Rottweil ist ein seit 1273 von
den Königen vielfach bevorrechtigtes Landgericht, dessen Vorsitz ein Hofrichter
als Stellvertreter des Königs innehat.
Lit.: Köbler, DRG 114, 115; Franklin, O., Das
Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff.; Kohler, J., Das Verfahren des
Hofgerichts Rottweil, 1904; Böker, H., Hofgerichtsbarkeit und Hofgerichte im
Vest Recklinghausen, Diss. jur. Bonn 1957; Grube, G., Die Verfassung des
Rottweiler Hofgerichts, 1969; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970;
Wohlgemuth, H., Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts 1273-1378,
1973; Battenberg, F., Die Hofgerichtssiegel, 1979; Heitzenröder, W., Ein
Prozess gegen Stift und Stadt Fulda, ZRG GA 100 (1983), 267; Diestelkamp, B.,
Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44;
Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451,
Bd. 1ff. 1987ff.; Frey, S., Das württembergische Hofgericht (1460-1618), 1989;
Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Mentgen, G., Das
kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396; Hofgericht, Bd. 8, hg.
v. Diestelkamp B., bearb. v. Neumann, R., 1996; Battenberg, F., Die königlichen
Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert (in) Deutscher Königshof, hg. v. Moraw,
P., 2002, 239
Hofgerichtsordnung ist
die Ordnung der Verfassung und des Verfahrens eines → Hofgerichts. Für
das königliche Hofgericht gibt es einen Entwurf einer H. von 1409.
Landesherrliche Hofgerichtsordnungen erscheinen später (z. B. Pfalz 1462,
verloren).
Lit.: Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von
1516/1521, 1964; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die
Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967
Hofkammer ist
die 1498 für die Finanzverwaltung des Heiligen römischen Reiches und der
österreichischen Erbländer geschaffene, 1527 von Ferdinand I. reorganisierte
Behörde, die von 1749 bis 1761 mit der inneren Verwaltung im Directorium, von
1782 bis 1791 in der vereinigten Hofstelle, von 1792 bis 1797 im Directorium
und von 1801 bis 1802 in der vereinigten Hofstelle zusammengelegt und (in
Österreich) 1848 in das Finanzministerium umgewandelt wird.
Lit.: Körbl, H.,
Die Hofkammer und ihr ungetreuer Präsident, 2009
Hofkanzlei ist die Kanzlei des fürstlichen Hofes. Die österreichische H. wird an der Wende vom 16. zum 17. Jh. von der Reichskanzlei getrennt.
Lit.: Köbler, DRG 150; Baltl/Kocher
Hofkapelle
Lit.: Görlitz, S.,
Beiträge zur Geschichte der königlichen Hofkapelle, 1936; Hausmann, F.,
Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad III., 1956
Hofmark
Lit.: Kellner, S., Die
Hofmarken Jettenbach und Aschau in der frühen Neuzeit. Studien zur Beziehung
zwischen Herrschaft und Untertanen in Altbayern am Beispiel eines adeligen
Herrschaftsbereiches, 1986
Hofmeister ist seit dem Spätmittelalter (2. H. 13. Jh.) ein führender Verwaltungsbeamter des fürstlichen Hofes, der statt des Fürsten dem Hofrat vorsitzen kann.
Lit.: Seeliger, G., Das deutsche Hofmeisteramt, 1885
Hofnarr ist der
nach antiken und orientalischen Vorbildern vom Hochmittelalter bis ins 17. Jh.
(Frankreich) oder 18. Jh. (Heiliges römisches Reich [deutscher Nation]) als
Unterhalter an Fürstenhöfen tätige Narr (oft Zwerg oder Krüppel).
Lit.: Amelunxen, C., Rechtsgeschichte der Hofnarren, 1991
Hofpfalzgraf ist
der Träger eines in Italien seit dem frühen Hochmittelalter entstandenen Amtes
zur Vertretung des Kaisers in bestimmten Angelegenheiten (z. B. Legitimation
unehelich Geborener, Bestätigung von Vormundschaften, Ernennung von Notaren,
Verleihung von Adel). Seit der Mitte des 14. Jh.s nehmen die Zahl der
Hofpfalzgrafen und der Umfang ihrer Rechte zu. Im 18. Jh. verfällt das mit dem
6. 8. 1806 ganz erloschene Amt zusehends.
Lit.: Jecklin, F., Die Hofpfalzgrafen in der Schweiz, 1890;
Dobler, E., Das kaiserliche Hofpfalzgrafenamt und der Briefadel im alten
Deutschen Reich, 1950; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Heroldsausschuss,
1953ff.; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Herold, bearb. v. Arndt, J., Bd. 1 1964
Hofrat ist das
zunächst aus dem → Adel gebildete, unscharf umgrenzte, ständige Beratergremium
eines Fürsten. Unter Kaiser Friedrich III. (1452-1493) umfasst er 283 weltliche
und 150 geistliche Berater, von denen 235 aus den Erblanden und 198 aus dem
außererbländischen Binnenreich einschließlich Tirols stammen. Der H. wird seit
dem Ende des 15. Jh.s zur zentralen kollegialen Behörde der Landesverwaltung.
Zunehmend finden gelehrte → Juristen Aufnahme. Statt des Fürsten sitzt
ihm später der Kanzler oder → Hofmeister vor. Vielfach verlegt sich das
Schwergewicht der Tätigkeit auf die Rechtsprechung.
Lit.: Köbler, DRG 113, 114; Erdmann, K., Der
jülich-bergische Hofrat, Düsseldorfer Jb. 41 (1939), 1; Eisenhardt, U.,
Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Heydenreuter,
R., Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von
Bayern, 1981; Buhlmann, G., Der kurkölnische Hofrat, 1998; Recht und Verfasung,
hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998
Hofrecht ist seit
dem Hochmittelalter das besondere Recht eines grundherrschaftlichen Verbands
(Worms 1023/1025, Limburg 1035). Später geht das H. in dem → Dorfrecht
auf.
Lit.: Köbler, DRG 101, 105; Lohmeyer, K., Das Hofrecht und
Hofgericht des Hofes zu Loen, 1906; Arnold, H., Das Hofrecht und die
Hofgerichte (Hobsgerichte) in Mülheim an der Ruhr, Diss. jur. Bonn 1955; Schulte-Beckhausen,
K., Hofrecht und Hofgerichtsbarkeit in Gelsenkirchen, Diss. jur. Bonn 1958;
Fricke, E., Das Recht und Gericht des Stilkinger Lehnsverbandes, Diss. jur.
Bonn 1958; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Spieß, P., Das
Limburger Hofrecht, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 468
Hofrichter ist
der Richter des Hofgerichts (zwischen 1235 und 1451 im Heiligen römischen Reich
40 durchweg adelige, ungelehrte H. und 76 Hofgerichtsstatthalter bekannt).
Lit.: Battenberg, F.,
Die königlichen Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert, (in) Deutscher
Königshof, hg. v. Moraw, P., 2002, 239
Hoftag ist
der vom Herrscher in seinem Reich abgehaltene Tag, welcher der Verwirklichung
seiner Herrschaft dient. Im Heiligen römischen Reich ist er (bis 1470/1480?)
Vorläufer des Reichstags. → Hof
Lit.: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v.
Moraw, P., 2003; Annas, C., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004
hohe Gerichtsbarkeit →
Hochgerichtsbarkeit
Hoheitsgewalt ist
die Befugnis des Staates, einseitig rechtlich verbindliche Anordnungen zu
erlassen. Sie entsteht aus der frühmittelalterlichen Banngewalt und zunächst
vereinzelten Hoheitsrechten des Landesherrn mit der seit dem Spätmittelalter
einsetzenden Verdichtung. Seit dem 18. Jh. spricht man von Landeshoheit. Sie
wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen.
Lit.: Köbler, DRG 149; Leitges, K., Die Entwicklung des
Hoheitsbegriffes, 1998
Hohenberg
Lit.: Quellen zur Verwaltungs-
und Wirtschaftsgeschichte der Grafschaft Hohenberg, bearb. v. Müller, K., Bd.
1f. 1953ff.
Hohenlohe
Lit.: Ganzhorn, G., Die
Entstehung und die Quellen des hohenlohischen Landrechtes aus dem Jahre 1738,
Diss. jur. Tübingen 1955; Ulshöfer, F., Die hohenlohischen Hausverträge, Diss.
jur. Tübingen 1960; Steinle, P., Die Vermögensverhältnisse der Landbevölkerung
in Hohenlohe im 17. und 18. Jahrhundert, 1971; Weber, H., Die Fürsten von
Hohenlohe im Vormärz, 1977; Magen, F., Reichsgräfliche Politik in Franken,
1975; Hohenlohische Dorfordnungen, bearb. v. Schumm, K. u. a., 1985
Hohenstaufen → Staufer
Hohenzollern ist
die nach der Burg Zollern bzw. H. in Schwaben (seit 1350) benannte gräfliche
Familie, deren Stammgut 1849 an den 1411/1415/1417 als Markgrafen nach
Brandenburg gelangten Zweig der zugehörigen Familie (1648 → Preußen) zurückfällt.
Das Gebiet geht 1945/1951 im Zuge der Aufteilung Preußens in Baden-Württemberg
auf. In Preußen nennt sich die Familie seit 1701 König. Im Deutschen Reich
stellt sie von 1871 bis 1918 den Kaiser.
Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon;
Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk (1415-1915), 1915, Neudruck 1980;
Eisele, K., Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern, 1956; Ulshöfer, W.,
Das Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969; Kirchherr, R., Die Verfassung des
Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen vom Jahre 1833, 1979; Sauer, P., Napoleons
Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern, 1987; Herm, G., Der Aufstieg
des Hauses Hohenzollern, 1995; Stamm-Kuhlmann, T., Die Hohenzollern, 1995;
Neugebauer, W., Die Hohenzollern, Bd. 1f. 1996ff.; Die Protokolle der
Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004
Höhere Gewalt ist die vom
Menschen nicht abwendbare Gewalt. Diese befreit den Schuldner schon im
römischen Recht in bestimmten Fällen vom → Schadensersatz. In
spätklassischer Zeit spricht man zusammenfassend von (lat.) → vis (F.)
maior (vis cui resisti non potest, Gewalt der nicht widerstanden werden kann).
Diese wird im Hochmittelalter im Reich aufgenommen. Sie verbindet sich mit dem
Begriff der → echten Not, in der eine Fristversäumnis (mit höherer
Gewalt) entschuldigt wird.
Lit.: Kaser § 36 III; Hübner 563, 583; Exner, A., Der
Begriff der höheren Gewalt, 1883, Neudruck 2007; Doll, A., Von der vis maior
zur höheren Gewalt, 1989
Holdsworth, William Searle (Elmers End 7. 5. 1871-Oxford 2. 1. 1944), Rechtsanwaltssohn, wird nach
dem Studium von Geschichte und Recht in Oxford und London 1897 Professor in
Oxford. Mit seiner sechsbändigen History of English Law verfasst er ohne eigene
Quellenstudien eine umfassende, die Grundlagen einbeziehende Darstellung des
englischen Rechts von den Anfängen bis zur Gegenwart.
Lit.: Lawson,
F., The
Holland ist die
seit dem 10. Jh. im Gebiet der Maasmündung bezeugte Grafschaft, die über
Burgund (1433) und Habsburg (1477) 1579 in die Vereinigte Republik (1815
Königreich) der → Niederlande gelangt. Durch Verordnung vom 13. 8. 1428
wird der Rat von Holland und Seeland als oberste Gerichtsbehörde und
Verwaltungsbehörde eingesetzt und später vom Hof von Holland fortgesetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; De oudste Rechten der
stad Dordrecht, hg. v. Fruin, J., 1882; Memorialen van het Hof (den Raad) van
Holland, Zeeland en West-Friesland van den secretaris Jan Rosa, hg. v.
Blécourt, A. u. a., 1929; Jansma, T., Raad en Rekenkamer in Holland en Zeeland,
1932; Uit de practijk van het hof van Holland, hg. v. Apeldoorn, L. van, 1938;
Oorkondenboek van Holland en Zeeland tot 1299, Bd. 1f. hg. v. Koch, A. u. a.,
1970ff.; Lingbeek-Schalekamp, C., Overheid en Muziek in Holland tot 1672, 1984;
Das römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Price, L.,
Holland, 1994; Israel, J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O.,
Zur holländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122
(2005), 318; Le Bailly, M. u. a., Hoge raad van Holland, 2006; Le Bailly, M.,
Hof van Holland, Zeeland en West-Friesland, 2008
Holmgangr ist der
altnordische Zweikampf, der bereits um 1000 in Island (1004?) und Norwegen (um
1012) abgeschafft wird.
Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911
Holocaust → Endlösung
Lit.: Benz, W., Der Holocaust, 5. A. 2003; Finkelstein, N.,
The Holocaust Industry, 2000; Benz, W., Lexikon des Holocaust, 2002; Die Täter
der Shoa, hg. v. Paul, G., 2002; Berg, N., Der Holocaust und die westdeutschen
Historiker, 2003; Tent, J., In the Shadow of the Holocaust, 2003; Mayer, E.,
Verfälschte Vergangenheit, 2003; Browning, C., Die Entfesselung der Endlösung,
2003; Freyhofer, H., The Nuremberg Medical Trial, 2004; Longerich, P., Davon
haben wir nichts gewusst, 2006; Tent, J., Im Schatten des Holocaust, 2007;
Dörner, B., Die Deutschen und der Holocaust, 2007
holograph,
holographisch (Adj.) ganz eigenhändig geschrieben (z. B. Testament)
Holschuld ist die Schuld, bei welcher der Handlungsort des Schuldners der Ort des Wohnsitzes des Schuldners ist. Im älteren Recht ist die Schuld grundsätzlich H. Im Mittelalter werden viele Schulden zu Bringschulden. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) ist die Schuld im Zweifel Bringschuld, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) H.
Lit.: Hübner 556; Baltl/Kocher; Leonhard, F., Erfüllungsort
und Schuldort, 1907
Holstein ist der um
800 erscheinende Name des nördlichen Stammesgebietes der Sachsen
(„Holzsassen“). 1110/1111 werden die von Schauenburg Grafen von H. Seit
1375/1386 sind H. und → Schleswig in fester staatsrechtlicher Verbindung,
doch gelangt Schleswig erst 1865 unter die Herrschaft des Deutschen Bundes.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das älteste Urteilsbuch
des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925;
Kuhn, H., Zur Geschichte der Volksgerichte in Holstein, 1926
Holzding oder
Holzgericht ist im Mittelalter in Norddeutschland das besondere Niedergericht
in Waldnutzungsangelegenheiten. Es schwindet seit der frühen Neuzeit unter
landesherrlichem Einfluss und geht spätestens 1877/1879 gänzlich unter.
Lit.: Timm, A., Die Waldnutzung, 1960
Homagium (lat.
[N.]) ist im Mittelalter die förmliche Ergebung des Lehnsmannes in die Gewalt
des Lehnsherrn (Handgang). Das h. geht im Spätmittelalter im Lehnseid auf.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 27; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1970, 259
homagium (N.) pacis (mlat.) →
Huldigung (des Lehnsmannes)
Homeyer, Carl Gustav (Wolgast 13. 8. 1795-Berlin 20. 10. 1874) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny,
Eichhorn), Göttingen (Hugo) und Heidelberg (Thibaut) 1824 außerordentlicher
Professor und 1827 ordentlicher Professor in Berlin. Seit 1827 veröffentlicht
H. kritisch mittelalterliche Rechtsbücher und stellt die Handschriften übersichtlich
zusammen (Des Sachsenspiegels erster Theil, oder das Sächsische Landrecht,
1827, 2. A. 1835, 3. A. 1861, Des Sachsenspiegels zweiter Theil, Bd. 1 1842,
Bd. 2 1844, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, 1836).
Lit.: Verzeichnis deutscher Rechtsbücher des Mittelalters und
ihrer Handschriften (1836), 1856; Brunner, H., Abhandlungen zur
Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 2 1931, 433; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990ff.,
Hommel, Karl Ferdinand
(Leipzig 6. 1. 1722-16. 5. 1781), Rechtsprofessorensohn, wird 1756 Professor in
Leipzig und wirkt, beeinflusst von → Thomasius und → Beccaria, auf
der Grundlage des Determinismus zugunsten der → Aufklärung im
Strafrecht („Joch, A. v.“, Von Verbrechen und Strafe nach türkischen Gesetzen,
1770, Neudruck 1970).
Lit.: Rosenbauer, A., Carl Ferdinand Hommel, Diss. jur.
Berlin 1907; Zahn, K. v., Karl Ferdinand Hommel als Strafrechtsphilosoph und
Strafrechtslehrer, 1911; Hommel, K., Über Belohnung und Strafe nach türkischen
Gesetzen, 2. A. 1772, Neudruck, hg. v. Holzhauer, H. 1970; Polley, R., Die
Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Hommel, Karl Ferdinand, Principis cura
leges, übers. v. Polley, R., 1975
homo (lat. [M.]) Mensch, Sklave
homo (M.) ecclesiae (lat.) (unfreier) Mann der Kirche
Homo (M.) ligius (lat.),
Ledigmann, ist im mittelalterlichen Recht (seit dem 10. Jh.?) der eng an den
Lehnsherrn gebundene Lehnsmann.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 434; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983
Homosexualität (Bezeichnung
Karl Kertbeny1869) ist die geschlechtliche
Beziehung zu einem Menschen gleichen Geschlechts, insbesondere zwischen Männern.
Sie ist dem griechischen Altertum vertraut. Das Judentum, die Römer und das
Christentum lehnen die H. ab. Der Codex Theodosianus (Konstitution von 390)
bedroht H. mit der Verbrennung. Nach Tacitus wird bei den Germanen der
Unzüchtige im Moor versenkt. Das Mittelalter sieht die H. als Sünde. Die
Constitutio Criminalis Carolina (1532) bedroht H. unter beiden Geschlechtern in
Übereinstimmung mit dem gemeinen Recht mit dem Feuertod. Dagegen stellt der
Code civil (1804) nur bestimmte Gestaltungen unter Strafe. In manchen deutschen
Ländern ist H. unter Männern nicht strafbar, bis sie § 175 StGB (1871) mit
einer Strafandrohung versieht. In Deutschland wird 1969 (nach rund 140000
Verurteilungen), in Österreich 1971 die homosexuelle Betätigung Erwachsener
straflos. 1973 erfolgt eine weitere Reform, nach der nur noch homosexuelle
Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar sind,
während das Schutzalter bei lesbischen
und heterosexuellen Beziehungen bei 14 Jahren liegt. Durch Gesetz vom 31. 5.
1994 wird § 175 StGB auf Grund liberaler Überlegungen zum 11. 6. 1994
aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 264; Kuster, H.,
Over Homoseksualiteit, Diss. Utrecht 1977; Sexual Practices, hg. v. Bullough, V. u. a.,
1982; Boowell, J., Christianity, Social Tolerance and Homosexuality, 1980;
Stümke, H., Homosexuelle in Deutschland, 1989; Jellonek, B., Homosexuelle
unterm Hakenkreuz, 1990; Hundert Jahre schwul, hg. v. Kraushaar, E., 1997;
Sommer, K., Die Strafbarkeit der Homosexualität, 1998; Hergemöller, B., Mann
für Mann, 1998; Lutterbach, H., Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, HZ
267 (1998), 282; Hergemöller, B., Einführung in die Historiographie der
Homosexualität, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Bastian, T.,
Homosexuelle im Dritten Reich, 2000; Nationalsozialistischer Terror gegen
Homosexuelle, hg. v. Jellonek, B. u. a., 2002; Müller, J., Ausgrenzung der
Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft, 2003
honorarium (lat.
[N.]) Ehrengabe als (freiwilliges) Entgelt für höhere Dienste im römischen
Recht
Höpfner, Ludwig
Julius Friedrich (Gießen 3. 11. 1743-29. 12. 1797) wird nach dem Rechtsstudium
in Gießen Erzieher und 1767 Professor der Rechte in Kassel, 1771 ordentlicher
Professor in Gießen. In seiner Zeit gilt er als der bedeutendste Zivilist.
Seine Hauptwerke sind das Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaften
und Völker und der Theoretisch-practische Kommentar über die Heineccischen
Institutionen. Unter dem Einfluss des Naturrechts fördert H. die Begriffe der
Verbindlichkeit, der Willenserklärung und des Eigentums, ohne dem Naturrecht
den Rang einer das geltende Recht verdrängenden Rechtsquelle einzuräumen.
Lit.: Söllner, A., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, FS W.
Mallmann 1978, 281; Plohmann, M., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, 1992
Horborch, Wilhelm
(Hamburg 1320-81), Ratsherrnsohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechts
in Avignon (1362) und Bologna (1367) Professor in Prag (1372). Als Richter an
der (lat.) → Rota (F.) Romana veröffentlicht er (1376-1381) eine Sammlung
von Entscheidungen.
Lit.: Pfaff, I., Zur Geschichte des Kanonisten Wilhelm
Horborch, ZRG KA 13 (1924), 513; Dolezalek, G., Die handschriftliche
Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 58 (1972)
Hörensagen ist das
Hören der Erzählung eines anderen. Im Hochmittelalter stellt das kirchliche
Recht den Grundsatz des Verbotes des Aussagezeugnisses vom bloßen H. auf. Er
wird seit dem Spätmittelalter in Deutschland aufgenommen und behauptet sich bis
zur Einführung der Zivilprozessordnung 1877/1879.
Lit.: Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863; Kornblum, U.,
Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960,
59
Höriger ist im
mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der grundherrschaftlich
abhängige, dem → Grundherrn in gewisser Weise gehörige Mensch. Der Ausdruck
erscheint seit dem 14. Jh. in Norddeutschland. Seit dem späten 18. Jh. wird er
wissenschaftlich verallgemeinert. → Hintersasse
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kindlinger, N., Geschichte der
deutschen Hörigkeit, 1819; Perrin, C., Le servage, 1955; Bloch, M., Slavery and
Serfdom, 1975; Banzhaf, M., Unterschichten in bayerischen Rechtsquellen des 8.
bis 11. Jahrhunderts, 1991
Horten, Johann
Bernhard (1735-1786) → Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Hospital → Spital
Hostiensis (Heinrich
von Segusia) (Susa vor 1200-Lyon 1270) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna
(Jacobus Balduini) seit 1236/1239 Lehrer des kirchlichen Rechts in Paris und
nach einem Englandaufenthalt 1244 Bischof von Sisteron, 1250 Erzbischof von
Embrun sowie 1262 Kardinalerzbischof von Ostia. Seit 1239 erarbeitet er die
bedeutsamste Titelsumme zum (lat.) → Liber (M.) extra (Summa super
titulos decretalium, Summe über die Titel der Dekretalen, 2. A. um 1253 Summa
aurea, Goldene Summe). 1270/1271 gibt er einen Kommentar zum Liber extra zur
Veröffentlichung frei ([lat.] Commentum [N.] super decretalibus, Kommentar über
die Dekretalen). Infolge der weiten Verbreitung seiner Werke beeinflusst H. die
Aufnahme der gelehrten Rechte in vielen Teilen Europas.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in
Deutschland, 1962, 16; Rivera Damas, A., Pensamiento politico di Hostiensis,
1964
Hotman (Hotomannus),
François (Franciscus) (1524-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans Anwalt
in Paris, Lateinlehrer in Genf und 1556 Rechtsprofessor in Straßburg, 1563 in
Valence, 1566 in Bourges, 1572-1578 in Genf. Verschiedenen
humanistisch-textkritischen Arbeiten folgt der 1603 posthum erschienene
Antitribonianus, in dem H. die Anwendbarkeit des römischen (lat.) →
corpus (N.) iuris civilis verneint und eigenständige Gesetzbücher vorschlägt.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Vogel, W., Franz Hotman, 1960; Kelley, D., François Hotman,
1973
House of Commons (Unterhaus)
ist im → englischen Recht die im 13. Jh. (unter der Wirkung Simon de
Montforts 1265/1297) zur Versammlung der großen Lehnsleute des Königs (→
House of Lords) hinzutretende Versammlung von (74, um 1600 92) Rittern und (um
1600 417) Vertretern von Städten (Bürgern) (und der vier Universitäten). Sie
entwickelt sich aus bescheidenen Anfängen in Jahrhunderten zum entscheidenden
politischen Organ → Englands.
Lit.: The
English Parliament, hg. v. Davies, R. u. a., 1981; Baker, J., An Introduction
to English Legal History, 4. A. 2002
House of Lords (Oberhaus)
ist im → englischen Recht die im Laufe des 13. Jh.s aus dem Königshof
hervorgegangene Versammlung der großen Lehnsleute des Königs, zu der 1265/97
das → House of Commons hinzutritt. Es umfasst (1998) 635 Angehörige des
Erbadels, 26 anglikanische Bischöfe und 505 auf Lebenszeit ernannte Lords oder
Ladies, seit 1999 92 ausgewählte Mitglieder des Erbadels, die wenigen
Lordrichter, zwei Erzbischöfe, 24 Bischöfe und im Übrigen auf Lebenszeit
ernannte Lords und Ladies.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Hoyer von Falkenstein, Graf,
ist der Herr → Eike von Repgows, der die Übersetzung des →
Sachsenspiegels (1221-1224) aus dem Lateinischen in das Mittelniederdeutsche
bewirkt haben soll.
Hube, Romuald von
(1803-1890) wird nach dem Rechtsstudium in Warschau (1818-1821) und Berlin
Professor in Warschau (1829-1832) und Sankt Petersburg (1841-1845) sowie
Verfasser des Strafgesetzbuchs Russlands (1845) und Polens (1847).
Lit.: Vetulani, A., Dzieje historii
prawa w Polsce, 1948
Huber, Ernst Rudolf
(1903-1990) wird nach dem Rechtsstudium in Bonn (Carl → Schmitt)
Professor in Kiel (1933), Leipzig (1937), Straßburg (1941-1944), 1957 Hochschule
Wilhelmshaven und Göttingen (1962-1968). Sein Verfassungsrecht des
großdeutschen Reiches (1937/1939) will den Führerstaat in rechtliche Form
bringen, seine spätere achtbändige deutsche → Verfassungsgeschichte seit
1789 (1957ff.) die Geschichte des Staates als der maßgeblichen Ordnungseinheit
darlegen.
Lit.: Simon, W. v., Ernst Rudolf Huber, NJW 1991, 893;
Walkenhaus, R., Konservatives Staatsdenken, 1997; Jürgens, M., Staat und Reich
bei Ernst Rudolf Huber, 2005
Huber, Eugen
(Stammheim 13. 7. 1849-Bern 23. 4. 1923) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich
Redakteur, Richter und 1881 außerordentlicher Professor in Basel, 1882
ordentlicher Professor in Basel, Halle (1888) und Bern (1892). Von 1884 an
vergleicht er das kantonale Schweizer Privatrecht (System und Geschichte des
schweizerischen Privatrechts, 1886ff.), von 1892 an erarbeitet er das
schweizerische Zivilgesetzbuch (1907).
Lit.: Köbler, DRG 182; Stutz, U., Eugen Huber, ZRG GA 44
(1924), XI; Wartenweiler, F., Eugen Huber, 1932; Manaï, D., Eugen Huber, 1990
Huber, Ulrik
(Ulrich) (Dokkum 1636-Franeker 1694) wird nach dem Artesstudium und dem
Rechtsstudium in Franeker, Utrecht, Marburg und Heidelberg Professor der
Beredsamkeit in Franeker (1657), danach Professor der Institutionen (1665). Am
erfolgreichsten sind seine (lat.) Praelectiones (F.Pl.) (Vorlesungen) zu
Institutionen (1678) und Digesten (1689), bedeutsam auch seine niederländisch
geschriebene Darstellung des friesischen Rechts (Hoedendaegse
Rechtsgeleertheyt, soo elders als in Frieslandt gebruikelijk, 1686).
Lit.: Veen, T., Recht en nut, Diss. jur. Groningen 1974
Hübner, Rudolf
(Berlin 19. 9. 1864-Jena 7. 8. 1945), Professorensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin, Straßburg (Laband) und Berlin (Brunner, Beseler) 1895
außerordentlicher Professor in Bonn, 1904 ordentlicher Professor in Rostock,
1913 in Gießen, 1918 in Halle und 1921 in Jena. Nach frühen Arbeiten über die (lat.)
donationes (F.Pl.) post obitum (1888, Gaben nach dem Tod) und den
Immobiliarprozess der fränkischen Zeit (1893), denen eine Sammlung der
Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit (1893) zur Seite steht, verfasst H. im
Rahmen des Pandektenschemas eine bis an die Gegenwart herangeführte Dogmengeschichte
der Institutionen des deutschen Privatrechts (Grundzüge des deutschen
Privatrechts, 5. A. 1930).
Lit.: Schultze-von Lasaulx, H., Rudolf Hübner, ZRG GA 66
(1948), IX
Hude
Lit.: Lappe, J., Die
Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912
Hufe ist vor allem im Frühmittelalter ein Landmaß unterschiedlicher Größe. Die H. erscheint im 8. Jh. am Rhein und in Thüringen. Sie umfasst anfangs im Durchschnitt etwa 30 Morgen, kann aber vielfach geteilt werden. Später wird sie zur steuerlichen Berechnungseinheit (z. B. Preußen 1715).
Lit.: Köbler, WAS; Rhamm, K., Die Großhufen der
Nordgermanen, 1905; Reichel, J., Die Hufenverfassung zur Zeit der Karolinger,
1907; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Weidinger, U.,
Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda, 1990
Hugenotten (entsteht
aus „Eidgenossen“?, frühester Nachweis 1551 in einem französischen Manuskript)
ist die Bezeichnung für die mit dem Eindringen des Calvinismus (→ Calvin)
aus der Schweiz nach Frankreich in der Mitte des 16. Jh.s entstehenden
französischen Protestanten (helvetischen Bekenntnisses). Die H. werden
nachdrücklich verfolgt (u. a. Bartholomäusnacht auf den 24. 8. 1572), erhalten
aber im Edikt von Nantes (13. 4. 1598) das Recht der freien Religionsausübung.
Nach dem Widerruf dieses Edikts durch König Ludwig XIV. (1685) verlassen rund
200000 Hugenotten Frankreich (140000 nach Großbritannien und Irland, in die
Niederlande und die Schweiz, 44000 in das Heilige römische Reich, darunter
20000 nach Brandenburg). Erst die Französische Revolution von 1789 sichert ihre
Rechte endgültig.
Lit.: Schreiber, H., Auf den Spuren der Hugenotten, 1983;
Brandenburg, I./ Brandenburg, K., Hugenotten, 1990; Dölemeyer, B., Die
Hugenotten, 2006; Hugenotten: Glaubensflüchtlinge auf deutschem Boden, hg. v.
Braun, G. u. a., 2007
Hugo (Ugo) ist der von 1144 bis 1166
bezeugte Glossator in Bologna, von dem Glossen, Summulae, Disputationen und
Quästionen stammen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 183
Hugo, Gustav (Lörrach 23. 11. 1764-Göttingen 15. 9. 1844), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (→ Pütter) und → Halle (Promotion) 1788 außerordentlicher Professor und 1792 ordentlicher Professor in Göttingen. Sein Hauptwerk ist das auf sechs Bände angelegte, siebenbändige Lehrbuch eines civilistischen Cursus (vor allem Enzyklopädie 1792, [als zweiter Band unter Berücksichtigung der Ergebnisse Montesquieus wie Kants] Naturrecht 1798 [, 2. A. 1799, 3. A. 1809, 4. A. 1819], Geschichte des römischen Rechts 1790, heutiges römisches Recht 1789 Institutionen, 1798 Pandektenrecht), in dem er in der Nachfolge Pütters versucht, streng zwischen historischer, dogmatischer und philosophischer Behandlung des römischen Rechts zu unterscheiden, bei der römischen Rechtsgeschichte (Lehrbuch der Geschichte des römischen Rechts 1790, 11. A. 1832) die Geschichte des Systems mit der Geschichte der Quellen zu verbinden und das neuzeitliche römische Recht auf der Grundlage des geschichtlichen römischen Rechts zu erläutern. Mit dieser sowohl gegen eine rein antiquarische Rechtsbehandlung wie gegen eine unkritische, nur an der Praxis ausgerichtete Rechtswissenschaft sich wendenden ersten geschlossenen systematischen Darstellung der gesamten römischrechtlichen Rechtswissenschaft (Jurisprudenz des römischen Rechts als eine geschlossene geschichtliche Wissenschaft im Sinne des modernen Wissenschaftsbegriffs) wird er zum Begründer der Rechtswissenschaft des 19. Jh.s und zum Vorläufer der → historischen Rechtsschule.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 187, 206; Weber, H., Gustav
Hugo, 1935; Eichengrün, F., Die Rechtsphilosophie Gustav Hugos, 1935;
Buschmann, A., Ursprung und Grundlagen der geschichtlichen Rechtswissenschaft,
Diss. jur. Münster 1963; Ebel, W., Gustav Hugo, 1964; Behrends, O., Gustav
Hugo, (in) Gibbon, E., Historische Übersicht des römischen Rechts, 1996;
Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas,
S., 2004; Buschmann, A., Naturrecht und geschichtliches Recht - Gustav Hugos
Rechtsphikosophie und die Anfänge der geschichtlichen Rechtswissenschaft, (in)
Elementa iuris, hg. v. Behrends, O. u. a., 2009, 17ff,
Hugolinus ist der von 1197 bis 1233
bezeugte Schüler des Johannes Bassianus aus Bologna, von dem vor allem Glossen,
Erläuterungen zum Codex, zu den Tres libri Codicis, zu den Institutionen,
Summen zu den Digesten, Quaestiones insolubiles, Distinktionen und
prozessrechtliche Summen stammen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 271
Huguccio de Pisa (Pisa? um 1140-Ferrara 30. 4. 1210) wird nach dem Studium von Kirchenrecht und Theologie in Bologna Rechtslehrer (um 1180) und Bischof von Ferrara (1190). Sein Hauptwerk ist die zwischen 1188 und 1190 verfasste ungedruckte (lat.) Summa (F.) super decretum (Summe über das Dekret), die das → Decretum Gratians am ausführlichsten erläutert.
Lit.: Köbler,
DRG 107; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983; Müller, W.,
Huguccio, 1994
huissier (franz.
[M.]) Türsteher, Gerichtsvollzieher
Hulde, Huld, ist
die Gunst oder das Wohlwollen eines Menschen, insbesondere im Lehnswesen. Im
Mittelalter huldigt der Mann dem Herrn. Der Herr kann dem Mann die H. entziehen.
Im römischen Recht entspricht dem die (lat. [F.]) indignatio des Herrschers.
Lit.: Köstler, R., Huldentzug, 1910, Neudruck 1965;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 113;
Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1977
Huldigung ist das
Versprechen des Wohlwollens, der Treue oder der Ehrerbietung. Bereits im
Frühmittelalter sollen die Franken dem Grafen oder dem König Treue schwören.
786 und 802 verlangt Karl der Große eine allgemeine Eidesleistung. An die
Stelle dieses allgemeinen Untertaneneides tritt später der Eid der Lehnsmannen,
seit dem Hochmittelalter auch der Huldigungseid der Reichsunmittelbaren
gegenüber dem König einerseits und ein Erbhuldigungseid der Landesbewohner bzw.
der Stände gegenüber dem Landesherrn (in Niederösterreich bis 1835)
andererseits.
Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in
Kärnten, 1899; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und
England, 1952; Müller, H., Formen und Rechtsgehalt der Huldigung, Diss. jur.
Mainz 1954; Holenstein, A., Die Huldigung, 1991; Die Kultur des Humanismus, hg.
v. Mout, N., 1998
Humanismus (1808)
ist allgemein das Bemühen um eine der Menschenwürde entsprechende Gestaltung
der Gesellschaft, insbesondere die geistige Bewegung des 14. bis 16. Jh.s, die
das Vorbild der Gesellschaftsgestaltung in den klassischen römischen Schriften
sieht. Der H. wird zuerst in Italien (Dante, Petrarca, 14. Jh.), im 15. Jh. in
Frankreich, Spanien und England und schließlich auch im Heiligen römischen Reich
(deutscher Nation) wirksam (Erasmus von Rotterdam u. a., politische
Auswirkungen auf Köln, Kleve-Mark und Jülich-Berg-Ravensberg). Für die
Rechtswissenschaft bedeutet der H. den Übergang vom sog. (lat. [M.]) mos
Italicus zum (lat. [M.]) → mos Gallicus. Im Kirchenrecht bleiben die
Einflüsse des H. vereinzelt.
Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 135; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1063; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die
Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423; Schaffstein, F., Die
europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Kisch,
G., Forschungen zur Geschichte des Humanismus in Basel, Archiv für
Kulturgeschichte 40, 2 (1958), 194; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz
seiner Zeit, 1960; Kisch, G., Claudius Cantiuncula, 1970; Troje, H., Graeca
leguntur, 1971; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des
Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Burmeister, K., Das Studium der Rechte,
1974; Humanismus und Naturrecht in Berlin-Brandenburg-Preußen, hg. v. Thieme,
H., 1979; Troje, H., Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluss des
Humanismus, Ius commune 3 (1980), 33; Humanismus im Bildungswesen, hg. v.
Reinhard, W., 1984; Buck, A., Humanismus, 1988; Geschichte der Universität in
Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Die Kultur des Humanismus, hg. v.
Mout, N., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen
Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Hartmann, M., Humanismus und Quellenkritik –
Matthias Flacius Illyricus, 2001; Augustijn, C., Humanismus, 2003; Humanisme et
Église en Italie et en France méridionale, hg. v. Gilli, P., 2004;
Kloosterhuis, E., Erasmusjünger als politische Reformer, 2004; Humanisten am
Oberrhein, hg. v. Lembke, S., 2004; Verfasserlexikon Deutscher Humanismus
1480-1520, hg. v. Worstbrock, G., Bd. 1f. 2005ff.; Funktionen des Humanismus,
hg. v. Maissen, T. u. a., 2006; Genese und Profil des europäischen Humanismus
im 18. Jahrhundert, hg. v. Vöhler, M. u. a., 2009
Humboldt, Wilhelm
von (Potsdam 22. 6. 1767-Tegel 8. 4. 1835) wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft und der Altertumswissenschaft in Frankfurt an der Oder und
Göttingen und längeren privaten Studien Leiter des Unterrichtswesens in
Preußen, als der er das Bildungswesen aus dem Geist des idealistischen →
Humanismus erneuert (Elementarschule, Gymnasium, Universität). Zur
Verwirklichung der wichtigsten Ziele wird 1810 die Universität → Berlin (→
Savigny) gegründet, an der Einheit von Forschung und Lehre und Entfaltung von
Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit stattfinden sollen.
Lit.: Schaffstein, F., Wilhelm von Humboldt, 1952; Hübner,
U., Wilhelm von Humboldt und die Bildungspolitik, 1983; Sauter, C., Wilhelm von
Humboldt und die deutsche Aufklärung, 1989; Fröling, S./Reuss, A., Die
Humboldts, 1999; Humboldt International, hg. v. Schwinges, R., 2001;
Schalenberg, M., Humboldt auf Reisen?, 2002; Spitta, D., Die Staatsidee Wilhelm
von Humboldts, 2004; Petersen, J., Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, 2.
A. 2007
Hume, David (Edinburgh
7. 5. 1711-25. 8. 1776) (aus niederem Adel) wird nach dem Studium von
Rechtswissenschaft, Philosophie und Literatur (in Edinburgh) Privatgelehrter (A
Treatise on Human Nature 1739), Diplomat, Historiker und Philosoph. Nach ihm
wirkt der Mensch auf der Grundlage von allgemein anerkannten Regeln (Eigentum,
Vertragstreue) zusammen, weil der einzelne Mensch wegen der knappen Güter
allein nicht lebensfähig ist. Staatszweck ist der Schutz der Interessen der
Bürger. Der Staat, der Eigentum und Freiheit sichert, ist der verhältnismäßig
beste. H. beeinflusst Smith, Kant, Bentham und Mill mit seinen Vorstellungen
unmittelbar.
Lit.: Jäger, W., Politische Partei und parlamentarische
Opposition, 1971; Kulenkampff, J., David Hume, 2. A. 2003; Streminger, G.,
David Hume, 1994; Vernunft und Leidenschaft, hg. v. Doering, D., 2003;
Szczekalla, M., David Hume, 2003
Hundertschaft (lat.
[F.] centuria) ist im altrömischen Recht die militärische Einheit, die von den
10 Kurien einer Tribus zu stellen ist. Ob sie auch eine germanische Verwaltungseinheit
darstellt, erscheint fraglich. Im Mittelalter wird an verschiedenen Stellen ein
(ahd.) huntari oder eine hundred erwähnt (Mittelrhein, Niederrhein, Hessen,
Franken, obere Donau, Friesland, Schweden, England), deren Herkunft und Zusammenhang
nicht zweifelsfrei erwiesen sind. In der Gegenwart wird H. eine Verwaltungseinheit
der Polizei (Bereitschaftspolizei, Bundesgrenzpolizei) genannt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 3 III; Kroeschell, DRG
1; Köbler, DRG 69; Schwerin, C. v., Die altgermanische Hundertschaft, 1907;
Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft,
ZRG GA 28 (1907), 342; Schwerin, C. Frhr. v., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA
29 (1908), 261; Rietschel, S., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 30 (1909), 193;
Mayer, E., Hundertschaft und Zehntschaft nach niederdeutschen Rechten, 1916;
Mayer, E., Die Hundertschaft, insbesondere nach ostniederländischem Recht, ZRG
GA 46 (1926), 290; Leiß, L., Der Hundertschaftsrichter in bayerischen Ortsnamen,
ZRG GA 53 (1933), 277; Andersson, T., Die schwedischen Bezirksbezeichnungen
hund und hundare, Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), 88; Wirth, G., A
Hila, 1998
Hunne ist der Angehörige des aus
Asien kommenden, 375 die Völkerwanderung germanischer Stämme in das römische
Reich auslösenden Volkes.
Lit.: Attila und die
Hunnen, 2007; Schmauder, M., Attila und die Hunnen, 2009
Hure ist die käufliche Frau. → Prostitution
Lit.: Von Huren und
Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995
Hus, Johannes bzw. Jan (um 1370-6. Juli 1415), Magister, in Konstanz als Ketzer verbrannt, Anhänger (Hussiten) haben bis 1436 maßgeblichen Einfluss unter den Landständen Böhmens und Mährens, im 19. Jh. Symbolfigur des tschechischen Nationalismus
Lit.: Smahel, F., Husitská revoluce, 2. A. 1995f.; Jan Hus,
hg. v. Seibt, F., 1997; Hilsch, P., Johannes Hus (um 1370-1415). Prediger
Gottes und Ketzer, 1999; Jan Hus, hg. v. Drda, M. u. a., 1999; Smahel, F., Die
hussitische Revolution, 2002
Hut (M.) ist im
älteren Recht ein Rechtssymbol (z. B. Hut des Landvogtes Gessler bei Wilhelm
Tell).
Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 36;
Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut und Krone, 1952
Hygiene
Lit.: Hygiene in
preußischen Schulvorschriften, hg. v. Apel, H. u. a., 1986
Hypothek ist die Belastung eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück in der Weise, dass an den (Hypothekengläubiger), zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt bzw. besteht, (trotz fehelenden Besitzes) eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Im römischen Recht ist bereits in der klassischen Zeit (→ Iulianus) unter dem Einfluss östlicher Provinzialpraxis (lat. [F.]) hypotheca („Unterpfand“) ein Name für das besitzlose, beim Schuldner verbleibende → Pfand (z. B. Inventarstücke eines Gutes zur Sicherung einer Forderung), von dem die griechische hypothéke (Unterlage) als ein Verhältnis reiner Sachhaftung zu unterscheiden ist. Dieses Pfandrecht kann an einzelnen Sachen oder Forderungen oder am ganzen Vermögen (Generalhypothek) bestellt werden. Mehrfache Verpfändung ist möglich, wobei der Prioritätsgrundsatz durchbrochen werden kann. Im Gegensatz zum römischen Recht entwickelt sich im deutschen Recht ein besonderes Grundpfand im Unterschied zum allgemeinen Pfand (an beweglichen Sachen). Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter bleibt an vielen Orten das bisherige Grundpfandrecht bestehen. An anderen wird das geltende Recht römischrechtlich abgeändert und eine Generalhypothek am gesamten Vermögen anerkannt. Verschiedentlich wird dem öffentlichen Pfand der Vorrang vor formlosen Pfandrechten gewährt. Teils auf Grund von Gesetzen (Legalhypothek), teils auf Grund Gewohnheitsrechts wird ohne Vereinbarung eine (lat.) hypotheca (F.) tacita (z. B. des Fiskus, des Bestandgebers, des Mündels, der Ehefrau) anerkannt. Seit dem ausgehenden 17. Jh. werden aber zur Sicherung des dadurch gefährdeten Kreditverkehrs Hypothekenbücher eingeführt, welche die Öffentlichkeit gewährleisten und die stillschweigende H. ebenso ausschließen wie die Generalhypothek. Im 19. Jh. wird das → Hypothekenbuch zum → Grundbuch erweitert (Preußen 1872, Österreich 1871). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die H. nur eines von insgesamt drei Grundpfandrechten.
Lit.: Kaser § 31 III; Hübner; Köbler, DRG 163, 213, 240;
Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Cohen,
A., Die Verschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in Bayern, 1906; Herman, A.,
Het karakter van ons hypotheekrecht, 1914; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1936; Pos, A. van der, Hypotheek op roerend grond, 1970;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Marzi, L., Das Recht der
Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002
Hypothekenbuch ist
das seit dem ausgehenden 17. Jh. eingerichtete Buch zur Sicherung des
Grundpfandverkehrs (Berlin 1693, Preußen 1722, Hypothekenordnung 1783). →
Hypothek
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 163; Strippel, K., Die
Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914
Hypothekenordnung (Preußen 1722, 1783, Bayern 1822, Württemberg 1825, Sachsen 1843)
Lit.: Köbler, DRG 141; Bornhak, C., Preußische Staats- und
Rechtsgeschichte, 1903
I
Iavolenus Priscus (C.
Octavius Tidius Tossianus L. Iavolenus Priscus) (um 100 n. Chr.) ist der als
besoldeter Staatsbeamter aufgestiegene römische Rechtskundige der →
Sabinianer, von dem drei Bearbeitungen der Werke älterer Rechtskundiger und ein
in 14 Bücher gegliedertes Sammelwerk praktischer Rechtsfälle (lat. [F.Pl.]
epistulae, Briefe) bekannt sind.
Lit.: Söllner §§ 11, 16; Köbler, DRG 30; Eckardt, B.,
Iavoleni Epistulae, 1978; Manthe, U., Die libri ex Cassio des Iavolenus
Priscus, 1982
Ibn Hazm (994-1064), Sohn
eines hohen arabischen Amtsträgers in Cordoba (Spanien), ist der bedeutendste
Vertreter der Rechtsschule Zahiriya. Für ihn ist Recht ein religiöses Gebot,
das es dem Menschen ermöglicht, Gottes Willen zu erfüllen.
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995, 110
Idealismus ist die
philosophische Strömung, die alle Dinge auf einen geistigen (ideellen) Ursprung
zurückführt. Der I. steht im Gegensatz zum → Materialismus. Bekanntester
Vertreter des I. im Altertum ist Platon (428/427-348/347 v. Chr.), bedeutendste
deutsche Vertreter des I. → Kant (1724-1804), von dem → Savigny
beeinflusst wird, und →Hegel (1770-1831).
Lit.: Köbler, DRG 178; Metzger, W., Gesellschaft, Recht und
Staat in der Ethik des deutschen Idealismus, 1917, Neudruck 1966; Rückert, J.,
Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984
Ideologie ist die
Gesamtheit der einer bestimmten Gruppe von Menschen zugeordneten Denkweisen und
Wertvorstellungen. Sie wirkt sich besonders im 20. Jh. auf das Recht aus.
Sowohl im → Nationalsozialismus wie auch im → Sozialismus (und
anderen Ideologien) ist das Recht nur ein Mittel zur Durchsetzung der I.
Lit.: Köbler, DRG 226; Ideologie und Herrschaft in der
Antike, 1979; Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, hg. v. Kerner, M., 1982;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 131; Rüthers, B., Die Wende-Experten,
2. A. 1995; Choe, H., Ideologie, 1997; Schreckenberg,
H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003
Iglau in Südmähren
wird nach der Entdeckung von Silber (um 1240) als Stadt um 1245 von deutschen
Bergleuten gegründet. Sein → Bergrecht (1249/1280) wird vielfach
andernorts übernommen.
Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren und seine
Schöffensprüche, 1868; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht, 1900; Kresadlo, K.,
Jihlava, 1986
Ihering (Jhering),
Rudolf von (Aurich 22. 8. 1818-Göttingen 17. 9. 1892), aus einer
Juristenfamilie (Vater Notar und Abgeordneter der Ständekammer Hannover, †
1825), wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (1836), Göttingen, München und
Berlin (Puchta), der Promotion (Berlin 1842) und der Habilitation in Berlin
(1843, Homeyer) Professor in Basel (1845), Rostock (1846), Kiel (1849), Gießen
(1852), Wien (1868) und Göttingen (1872). Zunächst folgt er bis 1858/1859 →
Puchta und erklärt das (römische) Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Der
Rechtswissenschaft schreibt er die Aufgabe zu, nach Auflösung (Analyse) der
komplexen Rechtsverhältnisse in einfache Elemente durch deren Kombination neue
Rechtsbegriffe zu erzeugen (Der Geist des römischen Rechts auf den
verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1f. 1852ff., unvollendet) und
damit letzlich das überkommene Recht der agrarischen Welt für die industrielle
Welt zu modernisieren. Während der Arbeit an diesen Überlegungen wendet sich I.
unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Fortschritte seiner Zeit der
soziologischen Betrachtung des Rechts zu und befasst sich mit dem Zweck im
Recht (1877f., unvollendet). Zu einer zukunftweisenden brauchbaren
Methodenlehre gelangt er dabei nicht, wenngleich er die → Interessenjurisprudenz
anregt. Dogmatisch gelingt ihm die Festigung der Unterscheidung von
Rechtswidrigkeit und Schuld (1867) sowie die Entdeckung der → culpa in
contrahendo. Beachtliche Breitenwirkung erlangen die Bücher Der Kampf ums
Recht (1872, 20. A. 1921, veranlasst durch die Kündigung eines Dienstvertrags
seitens einer Köchin) sowie Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (13. A. 1924,
Neudruck 1988).
Lit.: Köbler, DRG 189; Ist die Jurisprudenz eine
Wissenschaft? (Wiener Antrittsvorlesung vom 16. Oktober 1868), hg. v. Behrends,
O., 1998; Der Kampf ums Recht, 1872, 8. A. bearb. v. Hollerbach, A., 2003,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/JheringDerKampfumsRecht.htm; Scherz und
Ernst in der Jurisprudenz, 1884, hg. v. Leitner, M., 2009; Lange, H., Die
Wandlungen Iherings, 1927; Wieacker, F., Rudolf von Jhering, ZRG RA 86 (1969),
1; Jherings Erbe, hg. v. Wieacker, F. u. a., 1970; Pleister, W.,
Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Jherings, 1982; Der Briefwechsel
zwischen Ihering und Gerber, hg. v. Losano, M., 1984; Choe, B., Culpa in
contrahendo bei Rudolf von Jhering, 1988; Iherings Briefe an Windscheid, hg. v.
Kroeschell, K., 1988; Klemann, B., Rudolf von Jhering und die historische
Rechtsschule, 1989; Rudolf von Ihering, hg. v. Behrends, O., 1992, 2. A. 1993;
Privatrecht heute und Jherings evolutionäres Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O.,
1993; Der Kampf ums Recht, hg. v. Luf., G. u. a., 1995; Iherings Rechtsdenken,
hg. v. Behrends, O., 1996; Der Briefwechsel Iherings mit Unger und Glaser, hg. v.
Losano, M., 1996; Rudolf von Ihering, Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?,
hg. v. Behrends, O., 1999
Illegitimität (F.) → Unehelichkeit
Lit.:
Harms-Ziegler, B., Illegitimität und Ehe, 1991
Illyrien ist
das nach dem indogermanischen Volk der Illyrer (u. a. Messapier und zahlreiche
andere Einzelvölker) benannte Gebiet im Südosten und Nordwesten der Adria.
Zwischen dem 5. bzw. 3. und dem 2. Jh. v. Chr. gerät es unter die Herrschafts
Roms. Gaius Julius Caesar trennt es von Makedonien als eigene Provinz. Am
Anfang des 6. Jh.s lassen sich im Norden Goten und ab etwa 580 Slawen nieder.
Von 1767 bis 1777 werden Kroatien, Slawonien und Dalmatien Illiren genannt.
1809 sind Osttirol, Westkärnten, Krain, KüstenlandKroatien, Dalmatien und
Ragusa bzw. Dubrovnik Teil der illyrischen Provinzen Frankreichs. Von 1814 bis
1849 besteht in Österreich ein ungefähr entsprechendes Königreich Illyrien, das
in den Kronländern Kärnten, Krain und Küstenland aufgeht..
Lit.: Napoleon
und seine Zeit, hg. v. Fräss-Ehrfeld, C., 2009
Imbreviatur ist die durch Abkürzungen gekennzeichnete Aufzeichnung eines rechtlichen Vorganges durch einen → Notar (Urschrift). Im Gegensatz zum bloßen Entwurf enthält die I. den endgültigen vollständigen Urkundentext unter Verwendung notarieller Abkürzungen (Imbreviaturen). Bereits im 12. Jh. sammeln Notare in Italien ihre Imbreviaturen in Imbreviaturbüchern (ältestes erhaltenes Fragment Genua 1154). Im 14. Jh. wird dies allgemein üblich.
Lit.: Voltelini, H. v., Die Südtiroler
Notariatsimbreviaturen, Teil 1f. 1899ff.; Kern, F., Dorsualkonzept und
Imbreviatur, 1906; Dolezalek, G., Das Imbreviaturbuch des erzbischöflichen
Gerichtsnotars Hubaldus von Pisa, 1969; Notariado público, 1989
Imbreviaturbuch → Imbreviatur
Immaterialgüterrecht ist
das Recht der unkörperlichen, geistigen Rechtsgüter. Es gewinnt erst im Laufe
der Neuzeit an Bedeutung. Seine bekannteste Ausprägung ist das →
Urheberrecht.
Lit.: Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR
1982, 132
immediat
(Adj,) unmittelbar →
Mediatisierung
Immerwährender Reichstag ist der seit 1663 als ständiger Gesandtenkongress in Regensburg tagende → Reichstag.
Immission (lat.
[F.] immissio) ist die Zuführung unwägbarer Stoffe (auf ein Grundstück).
Bereits im römischen Recht muss der Eigentümer eines Grundstücks das Eindringen
von Rauch, Wasser und dergleichen auf das Grundstück dulden, wenn es das
übliche Maß nicht überschreitet. Andernfalls stehen ihm Abwehransprüche zu. Das
Mittelalter kennt nur einzelne entsprechende Sätze. Als Folge der Industrialisierung
bilden die Immissionen eine wichtige Abgrenzungsfrage zwischen dem Freiheitsstreben
der Industrie und dem Schutz der Betroffenen, zu der sich das preußische
Obertribunal durch Beschluss vom 7. 6. 1852 weiterführend äußert. § 906 BGB
nimmt das auf dieser Grundlage geschaffene Recht auf (Unwesentlichkeit,
Üblichkeit). In der Gegenwart gilt in Deutschland daneben ein besonderes
Bundesimmissionsschutzgesetz, das die Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter
Anlagen vorsieht. Rechtmäßig genehmigte Anlagen sind zu dulden, doch kann ein
Schadensersatzanspruch in Betracht kommen.
Lit.: Kaser § 23 III 4; Kroeschell, DRG 3; Rohde, J., Das
Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht
von 1810, 2000; Seyed-Mahdavi Ruiz, S., Die rechtlichen Regelungen der
Immissionen im römischen Recht und in ausgewählten europäischen
Rechtsordnungen, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhudert,
2002; Koch, N., Die Entwicklung des deutschen privaten Immissionsschutzrechts
seit Beginn der Industrialisierung, 2004; Staats, C., Die Entstehung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974, 2009
immobil (Adj.)
unbeweglich
Immobiliarprozess ist
der Prozess um Immobilien (unbewegliche Sachen, Grundstücke).
Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen
Zeit, 1893
Immobiliarrecht ist
das besondere Recht der Grundstücke (Liegenschaften), wie es sich im deutschen
Recht entwickelt.
Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen
Zeit, 1893; Meyer, F., Zur Geschichte des Immobiliarrechts der deutschen
Schweiz im 13. bis 15. Jahrhundert, 1921; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Buchholz, S., Die Quellen des deutschen Immobiliarrechts
im 19. Jahrhundert, Ius commune 7 (1978), 250
Immunität ist die Freiheit
von einem Eingriff oder einer Einwirkung. Im Frühmittelalter ist I. die
Freiheit einer besonders ausgenommenen → Grundherrschaft von königlicher
Gewalt. Sie geht auf die spätrömische (lat. [F.]) → emunitas zurück, die
Freiheit der kirchlichen, vielleicht auch der kaiserlichen Güter von
öffentlichen Lasten bedeutet. Im 6./7. Jh. erweitert sich die I. dahin, dass
der (Graf als der) örtliche Gewalthaber (kraft königlichen Privilegs für den
Grundherrn) im Immunitätsgebiet ausgeschlossen wird und deshalb keine Verhöre
durchführen, keine Abgaben einziehen, keine Geiseln wegführen und schließlich
das Immunitätsgebiet überhaupt nicht mehr betreten darf. Seine Aufgaben nehmen
die weltlichen und geistlichen Großen (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte) als
Immunitätsberechtigte selbst (oder durch Vögte) wahr. Otto I. gleicht diese
Art der Beseitigung des Einflusses der weltlichen Gewalt auf die
immunitätsbegabte Kirche dadurch aus, dass er selbst durch Einsetzen der
Immunitätsberechtigten (Erzbischöfe usw.) unmittelbare Herrschaft über die
zunehmend zu geschlossenen Bezirken werdenden Immunitätsgebiete gewinnt (ottonisches
bzw. ottonisch-salisches → Reichskirchensystem). Nach dem hierdurch
hervorgerufenen → Investiturstreit (1075-1122) gehen die bedeutenden
Immunitäten in den Landesherrschaften (geistlichen Fürstentümern) auf. In der
Gegenwart genießt der Abgeordnete parlamentarische I. im Sinne eines Schutzes
vor bestimmten Maßnahmen, die sich gegen sein Verhalten außerhalb des
Parlaments richten (Frankreich 1799, 1814).
Lit.: Köbler, DRG 85; Stengel, E., Grundherrschaft und
Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im
Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Voltelini, H.
v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol,
Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Kroell, M., L’immunité
franque, 1910; Stengel, E., Die Immunität, 1910, Neudruck 1964; Hirsch, H., Die
Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913, 2. A. 1967; Kühn, G., Die Immunität
der Abtei Groß-St. Martin zu Köln, 1913; Zatschek, H., Beiträge zur Diplomatik
der mährischen Immunitätsurkunden, 1931; Heidrich, I., Die Verbindung von
Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10; Pfaff, V., Die päpstlichen
Klosterexemtionen in Italien, ZRG KA 72 (1986), 76; Frey, L./Frey, M., The
History of Diplomatic Immunity, 1999; Immunität und Landesherrschaft, hg. v.
Kappelhoff, B. u. a., 2002
Immunitätsprivileg → Immunität
Impeachment ist vor
allem ein seit 1376 angewendetes Strafverfahren im englischen Recht, bei dem
das → House of Commons anklagt und das House of Lords entscheidet (z. B.
1386 gegen den englischen Kanzler).
Lit.: Plucknett,
T., Studies in English Legal History, 1983
impedimentum (lat. [N.]) Hindernis
(z. B. Ehehindernis)
imperator (lat. [M.]) Kaiser
Lit.: Söllner §
14; Köbler, LAW; Mc Fayden, D., The History of the
Imperialismus ist
die auf Gewinnung eines Imperiums durch Eroberung und Ausdehnung gerichtete
Zielsetzung des Staates seit dem 17., insbesondere seit dem 19. Jh.
Lit.: Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969;
Imperialismus und Kolonialismus, hg. v. Bade, K., 1983; Schöllgen, G., Das
Zeitalter des Imperialismus, 3. A. 1994, 5. A. 2009; Cain, J./Hopkins, A., British
Imperialism, 1993; Fröhlich, M., Imperialismus, 1994; Petersson, N.,
Imperialismus und Modernisierung, 2000; Berke, A., Imperialismus und nationale
Identität, 2003
Imperium (lat.
[N.]) ist im altrömischen Recht die unbeschränkte Amtsgewalt der Konsuln
(später auch der Staahalter von Provinzen), zu der auch die Zuchtgewalt zählt,
sowie das Gebiet, in dem sie ausgeübt wird. Nach dem (lat.) imperium (N.)
Romanum versteht sich auch die weltliche Herrschaft im Mittelalter als ein i.
Ihm tritt das (lat. [N.]) sacerdotium des Papstes gegenüber. Mit dem Beginn der
Neuzeit nimmt (lat. [F.]) potestas (Gewalt, Hoheitsgewalt) den Platz von i.
ein, das seinerseits als Weltreich verstanden wird.
Lit.: Söllner §§ 6, 9, 14, 15; Köbler, DRG 18; Köbler, LAW;
Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichsteilung im imperium Romanum, 1930;
Stengel, E., Regnum und imperium, 1930; Heuß, A., Zur Entwicklung des imperiums
des römischen Oberbeamten, ZRG RA 64 (1944), 57; Dempf, A., Sacrum imperium, 2.
A. 1954; Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, 2. A. 1969;
Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Papst, A., Divisio regni, 1986
Imperium (N.) merum et mixtum (lat.)
ist nach einer Unterscheidung des römischen Rechtskundigen Ulpian (170?-223)
die oberste Staatsgewalt und die oberste Gewalt der Zivilrechtspflege. Seit dem
12. Jh. erscheint die hierauf gegründete Einteilung der Gerichtsbarkeit in die
Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit und Bürgerrecht und die übrige
Gerichtsbarkeit im deutschen Reich. Seit dem 14. Jh. wird das i. m. e. m. als
Grundlage aller Hoheitsrechte verstanden, danach als Landeshoheit.
Lit.: Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem
Investiturstreit, 1913
imperium (N.) Romanum (lat.)
Römisches Reich
implantatio (lat.
[F.]) Einpflanzung, Verbindung
Impossibilium nulla est obligatio (lat.). Zu Unmöglichem gibt es keine Verpflichtung (z. B. bewirkt Fehelen eines Kaufgegenstands Nichtigkeit des Kaufvertrags).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140 n. Chr., Digesten 50, 17, 185); Wollschläger, C., Die
Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970
Impubes (lat. [M.])
ist im römischen Recht der Unmündige (Geschelchtsunreife). Ist er (lat.) infantia
maior (älter als 7), kann er, gegebenenfalls mit Zustimmung des Vormundes (lat.
[M.] tutor), ein Rechtsgeschäft vornehmen. Mit dem Eintritt der
Geschlechtsreife (lat. [F.] pubertas) wird der i. ursprünglich vollständig
geschäftsfähig und deliktsfähig. Die Mündigkeit wird bei Knaben (durch die
Prokulianer) auf 14, bei Mädchen auf 12 festgelegt.
Lit.: Kaser § 14 II, 62 I, 82 II; Köbler, DRG 21
Imputation ist die
von → Pufendorf (1632-1694) aus der Theologie in das Strafrecht
übernommene Zurechnung einer Handlung und eines Erfolges zu einem Menschen.
Ihre Möglichkeit beruht auf der Freiheit und der Normbezogenheit menschlichen
Handelns. Ermittelt werden die Voraussetzungen, die für Bestrafung bestehen. →
Feuerbach (1755-1833) unterscheidet demgegenüber die abstrakte I. des
Gesetzgebers bei der Festlegung des strafbaren Verhaltens und der Strafe im
Strafbestand und die konkrete I. des Richters bei Bestimmung der Strafe im
einzelnen Fall. Wenig später wird die I. auf die Handlung beschränkt. Erhalten
geblieben ist der Begriff der Zurechnungsfähigkeit.
Lit.: Berner, A., Grundlinien der criminalistischen
Imputationslehre, 1843; Welzel, H., Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs,
1958; Genka, T., Zur textlichen Grundlage der Imputationslehre Gratians, BMCL 25
(2002/2003, 40
inaedificatio (lat. [F.]) Einbau
Inama-Sternegg, Karl Theodor von (Augsburg 20. 1. 1843-Innsbruck 28. 11. 1908) wird nach dem Studium von Geschichte, Recht und Staatswissenschaft in München 1868 außerordentlicher Professor und 1871 ordentlicher Professor in Innsbruck, 1880 in Prag und 1881 in Wien. Seine Deutsche Wirtschaftsgeschichte (1878ff.) ist die erste unmittelbar aus den Quellen erarbeitete Gesamtdarstellung.
Inauguration (F.) Einführung
Lit.: Königshaus, J., Die Inauguration der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel 1665, 2002
In bonis (lat. im
Vermögen) sein bzw. haben ist im klassischen römischen Recht eine Bezeichnung
für den Schutz durch den Prätor gegen einen Dritten. Wer eine handgreifbare
Sache (lat. [F.] res mancipi) ohne den Formalakt der → Manzipation erhält
und i. b. hat, (erwirbt zwar nicht ziviles Eigentum, das bei dem Veräußerer
verbleibt,) erlangt (aber) prätorisches bzw. bonitarisches Eigentum bzw. Schutz
durch den Prätor. Im spätantiken römischen Recht wird die Unterscheidung
zwischen zivilem Eigentum und prätorischem Eigentum beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 22ff.; Söllner § 9; Ankum, H. u. a., Die
verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107
(1990), 155
incapacitas (lat. [F.]) Unfähigkeit
Incertum (lat. [N.] Unbestimmtes) ist im römischen Recht die unbestimmte Leistung. Im spätantiken Recht wird die Unterscheidung zwischen bestimmter Leistung und unbestimmter Leistung gelockert.
Lit.: Kaser §§ 35 I, 37 I, 48 II
incipit (lat.) es fängt an
Indebitum solutum
(lat. [N.]) ist im römischen Recht die nichtgeschuldete Leistung. Sie kann im
klassischen römischen Recht wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen mit der
besonderen Begehrensform der → Kondiktion zurückverlangt werden.
Lit.: Kaser § 48 II 2
Indemnität ist die
Befreiung des Abgeordneten von der gerichtlichen oder dienstlichen Verfolgung
wegen einer Abstimmung oder Äußerung im Parlament. Die früher auch als →
Immunität bezeichnete I. entsteht in England mit der → Bill of Rights
(1689). Im → Deutschen Bund erscheint sie seit 1818 (Bayern, Württemberg
1819, Sachsen 1831, Preußen 1848).
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789,
Bd. 3 1963, 348; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der
parlamentarischen Redefreiheit, 1991
Index (M.) librorum
prohibitorum (lat.) ist der Anzeiger der (für Christen) verbotenen Bücher
(1559/1564-1966/1967).
Lit.: Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf
den römischen Indices des 16. Jahrhunderts, 1970; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck
bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS
G. Bemmann, 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001
Indien
Lit.: Das, I., Staat
und Religion in Indien, 2004: Kulke, H., Indische Geschichte bis 1750, 2005;
Mann, M., Geschichte Indiens. Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, 2005; Schoettli,
U., Indien, 2009
Individuum (N.) Unteilbares, Einzelmensch
Lit.: Conrad, H.,
Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung, (1956)
Indiz ist eine Tatsache, aus deren Vorhandensein einleuchtenderweise auf das Vorhandensein einer anderen Tatsache geschlossen werden kann. Das I. ist von besonderer Bedeutung im Strafverfahrensrecht. Hier ist bei Fehlen besserer Beweismöglichkeiten der Beweis mit Hilfe von Indizien (Indizienbeweis) möglich. Nach der frühneuzeitlichen Indizienlehre etwa der → Constitutio Criminalis Carolina von 1532 ist die → Folter nur zulässig bei Vorliegen bestimmter Indizien (z. B. blutbefleckte Kleidung eines einer Bluttat Verdächtigen).
Lit.: Köbler, DRG 138, 156; Kusch, K., Der Indizienbeweis
des Vorsatzes, Diss. jur. Hamburg, 1963; Langbein, J., Torture and the Law of
Proof, 1976; Pöltl, R., Die Lehre vom Indizienbeweis, 1999; Michels, K., Der
Indizienbeweis, Diss. jur. Tübingen 2000
Indogermane ist der
Angehörige eines der zur indogermanischen Sprachenfamilie (keltisch, italisch,
germanisch, baltisch, slawisch, illyrisch, thrakisch, albanisch, griechisch,
phrygisch, hethitisch, armenisch, iranisch, indoarisch, tocharisch, mit einer
jeweils ältesten Überlieferung zwischen dem 14. Jh. v. Chr. und dem 16. Jh. n.
Chr.) gehörenden Einzelvölker. Wann und wo dieses philologisch rekonstruierte
Volk besteht, ist unklar (Mitteleuropa?, Osteuropa?, um 2000 v. Chr.?,
Entstehung in Anatolien vor 7800 bis 9800 Jahren?). Die Zahl seiner
philologisch erschließbaren Rechtseinrichtungen (Volk, Haus, Zeuge, Gast,
Erbe) ist gering. Dem Indogermanischen könnte ein wenig bekanntes
Protoindogermanisch nördlich des Schwarzen Meeres um 3500 v. Chr. vorangegangen
sein.
Lit.: Söllner §§ 2, 4; Köbler, DRG 10, 13; Delbrück, B.,
Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen, 1889; Leist, B., Altarisches ius
gentium, 1889, Neudruck 1978; Brunner, H., Eine bisher unbekannte indogermanische
Sprache, ZRG GA 29 (1908), 340 (tocharisch); Schulz, W., Indogermanen und
Germanen, 2. A. 1938; Pokorny, O., Indogermanisches etymologisches Wörterbuch,
1959ff.; Schlerath, B., Die Indogermanen, 1972; Schmitt-Brandt, J., Einführung
in die Indogermanistik, 1998; Köbler, G., Indogermanisch-neuhochdeutsches und
neuhochdeutsch-indogermanisches Wörterbuch, 3. A. 1999 (Internet); Greenberg, J., Indo-European and its closest
relatives, 2000; Anthony, D., The Horse, the Wheel and Language, 2007; Stüber,
K. u. a., Indogermanische Fraennamen, 2009
in dorso (lat.) auf dem
Rücken, → Indossament
Indossament ist
eine regelmäßig auf der Rückseite (lat. in dorso, frz. en dos) eines →
Wertpapieres angebrachte Erklärung, durch die eine Person (Indossant) die Rechte
aus einem → Orderpapier auf eine andere Person (Indossatar) überträgt.
Das erstmals in Pisa 1392 bezeugte I. erscheint häufiger zu Beginn des 17. Jh.s
in Frankreich( etwa gleichzeitig mit der zur selben Zeit in Süditalien aufgekommenen,
vorderseitig angebrachten girata). Ihre Ursprünge sind ungeklärt.
Lit.: Köbler, DRG 167; Schaps, G., Zur Geschichte des
Wechselindossaments, 1892; Opitz, P., Der Funktionswandel des
Wechselindossaments, Diss. jur. Berlin 1967; Melis, F., Guida alla mostra
internazionale della banca, 1972
In dubio pro reo ist der
bereits im klassischen römischen Recht im Ansatz bekannte Satz, dass ein
Angeschuldigter im Zweifel freizusprechen ist. In der Neuzeit formuliert Stübel
1811 in Anschluss an Justinians → Digesten 42, 1, 38 den Satz neu.
Demnach gilt der Angeklagte bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig, weil im
Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden ist (vgl. Art. 6 II der europäischen
Konvention zum Schutze der Menschenrechte 1950). In der Verfahrenswirklichkeit
setzt sich der Satz aber erst allmählich durch.
Lit.: Köbler, DRG 35, 203; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Bossius 1562, vgl. Digesten 50, 17, 125 Gaius um
120-um 180, Aristoteles); Moser, K., In dubio pro reo, Diss. jur. München 1933;
Wenig, G., In dubio pro reo, Diss. jur. Tübingen 1946; Holtappels, P., Die
Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965
Industrie ist die
gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen. Die I. entsteht seit dem
Ende des 18. Jh.s in Großbritannien. Seit dem frühen 19. Jh. folgen die
deutschen Staaten (z. B. Sachsen) (1800-1830 leichtindustriell, 1830-1880
schwerindustriell, Durchbruchsphase 1845-1875, 1880-1914 Elektroindustrie,
chemische Industrie, optische Industrie). Die Industrialisierung bedeutet den
raschen Übergang von der Landwirtschaft zur arbeitsteiligen gewerblichen
Wirtschaft (industrielle Revolution). Eine wichtige Folge ist die Entstehung
des → Arbeitsvertrages.
Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 3 1982, 237; Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution, hg. v.
Treue, W. u. a., 1966; Mauersberg, H., Deutsche Industrien im Zeitgeschehen
eines Jahrhunderts, 1966; Forsthoff, E., Der Staat in der
Industriegesellschaft, 1971; Abel, W., Massenarmut und Hungerkrisen im
vorindustriellen Deutschland, 1972; Söllner, A., Der industrielle
Arbeitsvertrag, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288;
Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Sozialgeschichtliche
Probleme in der Zeit der Hochindustrialisierung, hg. v. Pohl, H., 1979;
Schlosser, H., Folgen der Industrialisierung, Quaderni Fiorentini 10 (1981),
403; Klassen, K., Mitverwaltung und Mitverantwortung in der frühen Industrie,
1984; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2 6. A. 1984;
Ruppert, W., Die Fabrik, 1987; Kiesewetter, H., Industrialisierung und
Landwirtschaft, 1988; Kiesewetter, H., Industrielle Revolution, 1989; Studien
zur Einwirkung der Industrialisierung auf das Recht, hg. v. Coing, H., 1991;
Hudson, P., The Industrial Revolution, 1992; Die Eisen- und Stahlindustrie im
Dortmunder Raum, hg. v. Dascher, O. u. a., 1992; Buchheim, C., Industrielle
Revolutionen, 1994; Hahn, H., Die industrielle Revolution, 1998; Gestwa, K.,
Proto-Industrialisierung in Russland, 1999; Marsch, U., Industrieforschung in
Deutschland und Großbritannien, 1999, Bührer, W., Der Bundesverband der
Deutschen Industrie, 1999; Marsch, U., Industrieforschung, 1999; Krämer, J.,
Industrialisierung und Feiertage, 1999; Kiesewetter, H., Region und Industrie
in Europa 1815-1995, 2000; Gall, L., Krupp, 2000; Gorißen, S., Vom Handelshaus
zum Unternehmen, 2002; Butschek, F., Europa und die industrielle Revolution,
2002; Lenger, F., Industrielle Revolution und Nationalstaatsgründung, 2003;
Kiesewetter, H., Industrielle Revolution in Deutschland, 2004; Condrau, F., Die
Industrialisierung in Deutschland, 2005; Ziegler, D., Die industrielle
Revolution, 2005, 2. A. 2009; Vec, M., Recht und Normierung in der
industriellen Revolution, 2006; Butschek, F., Industrialisierung, 2006;
Kiesewetter, H., Die Industrialisierung Sachsens, 2006; Risques et prises de
risques dans les sociétés industrielles, hg. v. Varaschin, D., 2007; Gehlen,
B., Paul Silverberg (1876-1959) 2007
Industriekammer ist
die politische Vertretung der Interessen der Unternehmen der Industrie.
Lit.: Bibliographie zur Geschichte und Organisation der
Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Kaltenhäuser, K.,
Möglichkeiten und Perspektiven einer Organisation der Wirtschaftsverwaltung,
1998
infam →
Infamie
Infamie (lat. [F.] infamia) ist die
mit gewissen Handlungen verbundene Rechtsfolge des Verlustes der bürgerlichen →
Ehre im älteren Recht. Im römischen Recht ziehen Kuppelei, Lohnkampf mit Tieren,
Schauspielerei, Doppelehe, Wucher, Häresie, Ausstoßung aus dem Heer und
bestimmte Verurteilungen die I. (Verlust der bürgerlichen Ehre) nach sich. Die
Kirche setzt seit 419 auf die schuldhafte Aufgabe des christlichen Gesetzes und
die Missachtung kirchlicher Vorschriften (Sakrileg, Grabfrevel, Zauberei,
Giftmischerei, Ehebruch, Blutschande, Meineid, Diebstahl, Raub, Mord) die I.
(Weihehindernis, Zeugnisunfähigkeit usw.). Im weltlichen Recht schließen
einzelne deutsche Reichsgesetze von einzelnen Rechten aus (1512 Ehrlose vom
Notariat, 1577 Zöllner, Müller, Bader usw. von Zünften, 1577 Bankrotteure). Ein
Überrest der I. ist die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte im deutschen
Reichsstrafgesetzbuch von 1871. Nach Aufhebung der Vorschriften zum 1. 4. 1970
sieht § 45 StGB nur noch eine eingeschränkte Aberkennung von Rechten vor.
Lit.: Kaser §§ 13 III, 36 III, 82 II; Mühlebach, A., Die
Infamie in der decretalen Gesetzgebung, 1923; Löbmann, B., Der kanonistische
Infamiebegriff, 1956; May, G., Die Anfänge der Infamie im kanonischen Recht,
ZRG KA 47 (1961), 77; Landau, P., Die Entstehung des kanonistischen
Infamiebegriffs, 1966
Infans (lat. [M.])
ist im römischen Recht das → Kind, das die für rechtliche Folgen bedeutsamen
Wörter noch nicht sprechen kann, im spätrömischen Recht das Kind bis zur
Vollendung des siebenten Lebensjahres. Der i. kann kein Rechtsgeschäft tätigen
(geschäftsunfähig) und keine ersatzpflichtige Handlung (Delikt,
deliktsunfähig) begehen.
Lit.: Kaser § 14 I 1; Köbler, LAW
Inflation ist die
Erhöhung des nominalen Wertes einer Geldeinheit. Eine geringfügige I. ist ein
Kennzeichen fast aller Zeiten der Geldwirtschaft. In der I. im →
Deutschen Reich nach dem ersten Weltkrieg ist als Folge der
Reparationsverpflichtungen Deutschlands im November 1923 ein Dollar 4200000000
Mark wert. Eine derartige I. hat unmittelbare Auswirkung auf alle
wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse.
Lit.: Köbler, DRG 224; Redlich, F., Die deutsche Inflation
des frühen 17. Jahrhunderts, 1972; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und
Wirklichkeit, 1996; Kerstingjohänner, H., Die deutsche Inflation 1919-1923,
2004
Infortiatum (lat.
[N.]) → Digestum infortiatum
Lit.: Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum,
Ius commune 11 (1984), 231
Ingelheim am
mittleren Rhein ist Sitz eines vielleicht aus einem ehemaligen Reichsvogteigericht
hervorgegangenen, seit 1366 bezeugten → Oberhofes, dessen erhaltene
Aufzeichnungen mehr als 3000 Urteile zwischen 1398 und 1464 überliefern (davon
etwa 7% Strafrechtsfälle).
Lit.: Loersch, H., Der Ingelheimer Oberhof, 1885; Meyer,
H., Über die Wiederauffindung eines verschollenen Protokollbuches, ZRG GA 24
(1903), 390; Tillmann, W., Aus dem Prozess des Ingelheimer Oberhofs, 1935;
Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen F. J. Bodmanns, ZRG GA 69 (1952),
74; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff.
1952ff.; Erler, A., Die Stilllegung des Schöffenstuhls im Recht des Ingelheimer
Oberhofes, ZRG GA 76 (1959); Rotthaus, K., Redde und Schult in den Urteilen des
Ingehheimer Oberhofes, 1959; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Vorlagen F. J.
Bodmanns, ZRG GA 77 (1960), 345; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer
Oberhofes, 1960; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim Gauodernheim
Ingelheim 1375-1648, (Diss. phil. Mainz 1964) 1968; Gudian, G., Der Oberhof
Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Ingelheim am Rhein, hg. v. Autenrieth, J.,
1964; Eigen, P., Die Verbotung in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, 1966;
Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Schmitz, H., Pfalz und
Fiskus Ingelheim, 1974; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des
Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977; Erler,
A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981; Zwerenz, R., Der
Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen
1988; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters
in Deutschland, 2001
ingenuus (lat.
[Adj.]) freigeboren
Ingolstadt an der Donau wird 806 bezeugt (841 Königshof an Niederaltaich). Um 1250 ist es Stadt. 1459/1472 wird es Sitz einer 1800 nach Landshut und 1826 nach München verlegten → Universität.
Lit.: Listl, R., Die Ingolstädter Handwerkerverbände, Diss.
jur. München 1956; Dickerhof, H., Land, Reich, Kirche im historischen
Lehrbetrieb an der Universität Ingolstadt, 1971; Seifert, A., Statuten- und
Verfassungsgeschichte der Universität Ingolstadt (1472-1586), 1971; Real, H.,
Die privaten Stipendienstiftungen, 1972, Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter
Juristenfakultät 1472-1625, 1973; Kreh, F., Leben und Werk des Reichsfreiherrn
Johann Adam von Ickstatt (1702-1776), 1974; Ingolstadt, hg. v. Müller, T. u.
a., Bd. 1ff. 1974ff.; Freilinger, H., Ingolstadt, 1977; Hofmann, S., Geschichte
der Stadt Ingolstadt, 2000
Inhaberpapier ist
das → Wertpapier, bei dem das verbriefte Recht grundsätzlich von jedem
Inhaber geltend gemacht werden kann. Es fehlt dem Altertum, von bescheidenen
Ansätzen abgesehen, ganz, erscheint aber seit dem 9. Jh. vor allem in Gebieten
langobardischen Rechts in Italien und ist im Mittelalter als Möglichkeit der
Übertragung von Rechten und der Vertretung verbreitet. In Sachsen tritt 1763
die Inhaberschuldverschreibung auf. Seit dem → Allgemeinen Landrecht
(Preußen 1794) finden sich gesetzliche Regelungen.
Lit.: Hübner; Brunner, H., Zur Geschichte des
Inhaberpapieres in Deutschland, ZHR 23 (1978), 225; Brunner, H., Das
französische Inhaberpapier, 1879
In integrum restitutio
(F.) (lat.) ist im römischen Recht in verschiedenen Fällen (z. B. Zwang) die
vom Prätor gewährte → Wiedereinsetzung in den früheren Stand, mit der die
eingetretenen Wirkungen des Geschäfts durch besondere Klagen wieder beseitigt
werden sollen. Eine vom Richter durchgeführte i. i. r. bewirkt die (lat.) →
actio (F.) quod metus causa, die den bestraft, der die Wiedergutmachung
verweigert.
Lit.: Kaser § 8 IV
in iure (lat.) vor (dem)
Gericht(smagistrat)
In iure cessio (F.) (lat.) ist die im römischen Recht als Umgehung schwerfälliger Formalakte im Wege eines Scheinverfahrens mögliche Übertragung, Abtretung oder Aufhebung bestimmter Rechte auf der Gerichtsstätte.
Lit.: Kaser § 7 II; Söllner §§ 8, 9,
18; Köbler, DRG 21, 25, 40
Iniuria (lat. [F.])
ist im römischen Recht das Unrecht (in der Form der Personenverletzung, das
bei Vorleigen eines Rechtferigungsgrunds ausscheidet). Nach altrömischem Recht
soll neben Gliedzerreißen und Beinbrechen jedes sonstige Unrecht (i.) mit der
Leistung von 25 Pfund Kupfer ausgeglichen werden. Im klassischen römischen
Recht wird die i. zu einem Tatbestand erweitert, der jede bewusste Missachtung
der Persönlichkeit in Wort oder Tat (→ Körperverletzung) eines anderen
erfasst. Rechtsfolge ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Geldausgleich. Im
spätantiken römischen Recht ist i. ein Straftatbestand (Ehrverletzung) und eine
Deliktsobligation (Persönlichkeitsmissachtung). Im Deutschen wird iniuria als
Injurie (Realinjurie, Verbalinjurie) aufgenommen (z. B. Bayern 1756, Preußen
1793 bzw. 1794→ Beleidigung).
Lit.: Söllner §§ 5, 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 65; Köbler,
LAW; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht,
1984; Hagemann, M., Iniuria, 1998; Lingelbach, G., Jnjurie und Injuriensachen,
(in) Organisation der Kritik, hg. v. Matuschek, S., 2004, 143
in ius vocatio (lat. [F.]) ist die Rufung bzw. Ladung des Gegners in das Gericht, welcher der Gegner im altrömischen Recht der
Zwölftafeln sofort zu folgen hat.
Inkorporation ist die Eingliederung einer kirchlichen → Körperschaft in eine andere. Sie entwickelt sich seit dem Ende des 11. Jh.s (Benediktinerorden) und wird im 13. Jh. voll ausgebildet. Mit der I. gehen die Rechte an der bisherigen kirchlichen Körperschaft (z. B. Kirche) auf eine andere kirchliche Körperschaft (z. B. Kloster) über, ohne dass die Rechtspersönlichkeit der inkorporierten Körperschaft endet. In der Neuzeit wird die I. wegen der mit ihr gegebenen Zerstörung der kirchlichen Ordnung zurückgedrängt (Trient 1545-1563).
Lit.: Hinschius, P., Zur Geschichte der Inkorporation und
des Patronatsrechts, 1873; Sanmann-von Bülow, H., Die Inkorporationen Karls
IV., 1941; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951
Inkunabel (F.) Wiegendruck,
Druck vor 1500
Lit.: Langer, G., Von
Zusammenhängen zwischen Inkunabelforschung und Rechtsgeschichte, ZRG GA 85
(1968), 217; Catalogogus incunabulorum .Hungariae, hg. v. Sájo, G. u. a.,
1970; Bayerische Staatsbibliothek, Inkunabelkatalog, Bd. 6 2005
(Internetversion vorhanden); Mazal, O., Österreichische Nationalbibliothek
Inkunabelkatalog, Bd. 1 2004
Innehabung (lat. [F.] detentio) ist im römischen Recht eine nur schwach geschützte Beziehung eines Menschen zu einer Sache, die den Innehaber schlechter stellt als den Besitzer beim Besitz (lat. [F.] possessio). Bloße Innehaber sind alle nicht besonders begünstigten Fremdbesitzer (z. B. Verwahrer, Entleiher, Beauftragter, Geschäftsführer ohne Auftrag, Werkunternehmer, Mieter, Pächter). Ihnen steht kein → Besitzschutz zu. Die I. ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aufgegeben.
Lit.: Kaser § 19 V
Innenministerium ist das für innere Angelegenheiten zuständige Ministerium eines Staates (z. B. Österreich 1848 aus böhmisch-österreichischer Hofkanzlei).
Innerösterreich ist die im Spätmittelalter (1379-1457/1463) und in der frühen Neuzeit (1564-1619) infolge von Erbteilungen des Hauses → Habsburg entstehende Gebietseinheit (Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Windische Mark), die auch später noch als eigene Verwaltungseinheit behandelt wird (Regiment in Graz bis 1749).
Lit.: Wolf, A., Die Aufhebung der Klöster in
Innerösterreich 1782-1790, 1871, Neudruck 1971; Schulze, W., Landesdefension
und Staatsbildung, 1973; Thiel, V., Die innerösterreichische Zentralverwaltung 1564-1749,
AÖG 105 (1916), 111
Inn of court ist die von
der Universität unabhängige Ausbildungsstätte (Innung) für den englischen
Juristen (Anwalt). Sie entsteht daraus, dass im Mittelalter Schreiber (clerk)
und Schüler (apprentice at law) gemeinsam in Häusern der westlichen Vororte
Londons leben. In der Mitte des 14. Jh.s wird dort ein praktischer
Rechtsunterricht sichtbar. Von den etwa 20 bekannten inns (z. B. Clifford’s
Inn) setzen sich bis etwa 1420 vier inns of court durch (Inner Temple, Middle
Temple der Templer [vor 1388], Gray’s Inn, Lincoln’s Inn [1417?]).
Lit.:
Thorne, S., The early History of the Inns of Court with special reference to
Gray’s Inn, 1959; Palmer, R., The Origins of the Legal Profession, 1976;
Richardson, W., A History of the Inns of Court, 1978; Ives, E., The Common
Lawyers of pre-Reformation England, 1983; Baker, J., An Introduction to English
Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000; Baker,
J., Readers and Readings in the Inns of Court and Chancery, 2001; McGlynn, M.,
The Royal Prerogative and the Learning of the Inns of Court, 2003
Innominatkontrakt ist
der im spätantiken römischen Recht entstehende, der (lat.) actio (F.)
praescriptis verbis (Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte) zugewiesene sog.
unbenannte Vertrag, der nicht schon nach (lat.) ius (N.) civile (Zivilrecht)
klagbar ist, aber vom Prätor allmählich über das Rückgabeverlangen hinaus
klagbar gemacht wird. Bei dem I. erbringt jemand eine Leistung und soll deshalb
eine Gegenleistung erhalten, obwohl er an sich die Rückgabe erreichen kann. Die
vier Fälle des Innominatkontraktes sind (lat.) do, ut des (ich gebe, damit du
gibst), do, ut facias (ich gebe, damit du tust), facio, ut des (ich tue, damit
du gibst) und facio, ut facias (ich tue, damit du tust). Hierzu zählen (lat.
[F.]) permutatio (Tausch), aestimatum (N., Trödelvertrag), contractus mohatrae
und dare ad inspiciendum (Übergabe zwecks Prüfung).
Lit.: Kaser §§ 33 I 2, 38 III 3, 45; Köbler, DRG 64;
Bucher, E., Der Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95
Innozenz III. (Lothar von Segni) (Gavignano
bei Segni 1160/1-Perugia 16. 7. 1216),
Grafensohn, wird 1198 Papst und sichert die Stellung des Papstes durch
bedeutsame Dekretalen (z. B. Venerabilem).
Lit.: Laufs, M., Politik und Recht bei Innozenz III., 1980;
Rainer, J., Innocenz III. und das römische Recht, RHM 25 (1983), 15; Sayers,
J., Innocent III., 1994; Papst Innozenz III., hg. v. Frenz, T., 1999; Pope
Innocent III and his World, ed. Moore, J., 1999; Innocenzo III, hg. v.
Sommerlechner, A., 2003; Moore, J., Pope Innocent III, 2003; Meschini, M.,
Innocenz III. und der Kreuzzug, DA 16 (2005), 537
Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi) (Genua um
1195-Neapel 7. 12. 1254) wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna (Johannes Teutonicus, Azo, Accursius) und kirchlichen
Tätigkeiten 1243 im ersten Konklave der Geschichte Papst. Die von ihm
erlassenen, in drei Sammlungen zusammengefassten Dekretalen stehen zwischen
(lat.) → Liber (M.) extra (1234) und (lat.) → Liber (M.) sextus
(1298). Um 1250 veröffentlicht er einen maßgeblichen Kommentar zum Liber extra
(lat. Apparatus [M.] in quinque libros decretalium, Kommentar zu den fünf
Büchern der Dekretalen). Mit der Dekretale „Romana ecclesia“ (1245) verbessert
er die kirchliche Gerichtsbarkeit. Dogmatisch fördert er die Rechtsfiguren der →
juristischen Person (lat. persona [F.] ficta), des → gerechten Krieges
(lat. bellum [N.] iustum) und die Fortbildung der Reservatrechte und
Dispensrechte des Papstes.
Lit.: Legendre, P., La Pénétration du
droit romain dans le droit canonique, Diss. jur. Paris 1964; Juristen, hg. v.
Stolleis, M., 1995, 313
Innsbruck (Innbrücke
um 1175, urkundliche Ersterwähnung 1187,, 1187-1205 Stadtrecht, bestätigt 1239, 1420 Residenz der Grafen von
Tirol) am mittleren Inn in → Tirol ist seit 1490 Anfangspunkt der ersten
modernen Postverbindung (nach Mecheln bzw. Brüssel) und wird 1669 (bei etwa
6500 Einwohnern) Sitz einer (letzten) von der Gegenreformation geprägten,
mehrfach teilweise aufgehobenen Universität.
Lit.: Probst, J., Geschichte der Universität Innsbruck,
1869; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der
Universität Innsbruck 1671-1904, FS für den deutschen Juristentag 1904, 101;
Wretschko, A., Die Frage der Landstandschaft der Universität Innsbruck, ZRG GA 41
(1920), 40; Matricula philosophica. Erster Teil 1671 bis 1700, hg. v. Huter,
F., 1952; Huter, F., Die Anfänge der Innsbrucker Juristenfakultät (1671-1686),
ZRG GA 85 (1968), 223; Oberkofler, G., Josef Oberweis, Inhaber der Lehrkanzel
für deutsches Privatrecht und deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte mit
italienischem Vortrag, ein Beitrag zur Geschichte der Pflege des deutschen
Rechts und der Habilitationspraxis an der Innsbrucker Juristenfakultät, ZRG GA
88 (1971), 204; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen
Kaiserrechts, 1974; Oberkofler, G./Goller, P., Geschichte der Universität
Innsbruck (1869-1945), 2. A. 1996; Lichtmannegger, S., Die rechts- und
staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck 1945–1955, 1999;
Goller, P. u. a., Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation
von Nazikadern (1945-1950), 2003
Innung ist der
freiwillige Zusammenschluss selbständiger Gewerbetreibender eines bestimmten Bezirkes
zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen. Das im 13. Jh.
erscheinende Wort findet sich vor allem im mittleren Deutschland. Im 19. Jh.
wird nach Aufhebung des Zunftzwangs mit der Gewerbeordnung vom 21. 6. 1869 auf
Drängen der Handwerker die I. wieder eingerichtet.
Lit.: Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens, 1900;
Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968
Innviertel ist die
zwischen Salzach, unterem Inn, Donau und Salzburg gelegene Landschaft. Sie
fällt 1779 von Bayern an → Österreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Inoue, Kowashi
(1843-1895) wird nach dem Studium in Tokio Beamter im Justizministerium
Japans. Nach Aufenthalten in Frankreich und Deutschland (Berlin) übersetzt er
die Verfassung Preußens in das Japanische und setzt sich für eine (aufgeklärte)
Verfassung Japans nach dem Muster Preußens bzw. des Deutschen Reiches ein
(Meiji-Verfassung vom 11. 2. 1889).
Lit.: Meiji-kokka keisei to Inoue Kowashi, hg. v.
Goin-bunko kenkyûkai, 1992
Inquisition ist allgemein
die Untersuchung, besonders das geistliche Gericht zur Verfolgung der Ketzer.
Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im ausgehenden Altertum durch Verbote der
Gottesdienste, Enteignung der Güter und Androhung der Todesstrafe. Seit
1215/1231/1252 (1215 4. Laterankonzil mit Pflichtbeichte mit der Folge der
Herausbildung eines inquisitorischen Prozessrechts für die Beichtpraxis) werden
besondere Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von
Marburg). Hieraus entwickelt sich wohl der → Inquisitionsprozess, dessen
erste Formen in Oberitalien im 13. Jh. sichtbar werden. In ihm hat der Richter
im Beisein von mindestens zwei Schöffen die Wahrheit durch I. (Untersuchung,
Befragung) zu ermitteln, wozu er den Angeschuldigten in Haft nehmen kann. Zur
Erlangung eines Geständnisses darf die → Folter (1252) angewandt werden.
In Spanien ist die 1478 von Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von
Aragón eingesetzte, die Lehre vom verdorbenen Blut verwendende I. eine
staatliche, der Sicherung der Rückeroberung des Landes von den Muslimen
dienende, zutiefst korrupte Einrichtung, die sich später auch gegen Lutheraner
und jede Aufklärung richtet. Die I. verschwindet im Heiligen römischen Reich
nach der Reformation und endet im Übrigen mit der Aufklärung (Frankreich 1772,
Spanien 1808/1834, Portugal 1820, Italien 1808/1859).
Lit.: Köbler, DRG 118, 156; Lea, H., Geschichte der
Inquisition im Mittelalter, Neudruck 1997; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition
und Hexenwahn im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Guiraud, J., Histoire
de l’Inquisition au Moyen-Age, 1935; Leiber, R., Die mittelalterliche
Inquisition, 1963; Vermaseren, B., Een bibliografie over de inquisitie, TG 77
(1964), 472; Peters, E., Inquisition, 1988; Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter,
hg. v. Segl, P., 1993; Lemm, R., Die spanische Inquisition, 1996; Seifert,
P./Pawlik, M., Das Buch der Inquisition, 1999; Inquisition – Index – Zensur,
hg. v. Wolf, H., 2001; Le Livre des sentences de l’inquisiteur Bernard Gui
1308-1323, 2002; Edwards, J., Die spanische Inquisition, 2003; Schwerhoff, G.,
Die Inquisition, 2004; Römische Inquisition und Indexkongregation, hg. v. Wolf,
H., Bd. 1ff. 2005ff.; Siebenhüner, K., Bigamie
und Inquisition, 2006; Rawlings, H., The Spanish Inquisition, 2006
Inquisitionsbeweis ist
im Mittelalter der Beweis durch eine Untersuchung. Der I. findet sich in
merowingischen und karolingischen Quellen.
Lit.: Brunner, H., Zeugen und Inquisitionsbeweis der
karolingischen Zeit, 1865
Inquisitionsprinzip →
Untersuchungsgrundsatz
Lit.: Sellert, W., Die Bedeutung und Bewertung des
Inquisitionsprinzips, FS H. Scupin, 1983, 161
Inquisitionsprozess ist
der durch die amtliche Verfolgung und Untersuchung gekennzeichnete
Strafprozess. Es ist streitig, ob der I. in Deutschland unabhängig von fremden
Einflüssen entstanden oder durch kirchlich-oberitalienische Anregungen veranlasst
ist. Jedenfalls zeigen sich schon seit dem 12. Jh. verschiedene Ansätze zur
öffentlichen Klage in peinlichen Sachen. So werden etwa bestimmte Menschen
verpflichtet, Unrechtsgeschehnisse im Gericht zu rügen. → Landschädliche
Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sollen öffentlich verfolgt und wie handhafte
Täter durch den Eid des Verletzten und sechser Eidhelfer überführt werden. In
der Kirche fügt Papst → Innozenz III. in ein kirchliches Disziplinarverfahren
den von Amts wegen zu erhebenden Beweis der Wahrheit ein und werden Ketzer seit
1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft. Überhaupt wird
das Verfahren vor allem auch in den Städten allmählich (z. B. in Frankfurt am
Main im 14. Jh.) zu einem einseitigen Verfahren des (öffentlichen) Richters
gegen den Verdächtigen, in dem der → Richter zur Unrechtsverfolgung
verpflichtet ist und sich selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten
muss. Ziel dieser Verfolgungen ist die unbedingte Sühnung von Unrecht, weshalb
es stärker als zuvor auf die Ermittlung der tatsächlichen Wahrheit ankommt. Als
ihr sicherster Beweis gilt das Geständnis. Um das → Geständnis zu
erreichen, darf der verdächtige Beschuldigte durch den Richter und die
Folterknechte sowie gegebenenfalls zwei Schöffen der von der Antike bekannten
und von daher auch wohl im Frühmittelalter gegenüber Unfreien verwandten →
Folter durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte und andere Mittel (Daumenschrauben,
Strecken) ausgesetzt werden. Nach dem Geständnis in der Untersuchung beginnt
das eigentliche öffentliche Verfahren (sog. → endlicher Rechtstag), in
dem nach der Anklageerhebung der Richter den Beweis der Tat durch das
Geständnis oder das Zeugnis zweier Schöffen über das Geständnis führt, am Ende
das Urteil verliest und den Stab über den Angeklagten bricht. Sofern die Akten
versendet werden, schlägt die angerufene Einrichtung das Urteil vor. Im 19. Jh.
wird der etwa in der → Constitutio Criminalis Carolina (1532) und noch
der (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (1768) ausführlich geregelte,
nunmehr als rechtsstaatswidrig angesehene I. allgemein aufgegeben (Österreich
1873) und nur noch vereinzelt (Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hansestädte)
bis zur Reichsstrafprozessordnung von 1877/1879 fortgeführt.
Lit.: Köbler, DRG 86, 256; Biener, F., Beiträge zur
Geschichte des Inquisitionsprozesses, 1827, Neudruck 1965; Allmann, I.,
Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Schmidt, R., Die Herkunft des Inquisitionsprozesses, FS zum
50jährigen Regierungsjubiläum seiner königlichen Hoheit des Großherzogs
Friedrich, 1902, 65; Mayer, E., Geschworenengericht und Inquisitionsprozess,
1916; Alfred, K., Die Lehre vom corpus delicti, 1933; Vogt, A., Die
Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234;
Schmidt, E., Der Inquisitionsprozess, FS H. v. Weber, 1964, 33; Henschel, F.,
Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1972; Kunze, M., Der Prozess Pappenheimer, 1981; Trusen, W., Der
Inquisitionsprozess, ZRG KA 74 (1988), 168; Die Anfänge der Inquisition, hg. v.
Segl, P., 1993; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV. Lateranum und die
Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05; Koch, A., Die gescheiterte Reform des
reformierten Strafprozesses, ZID 10 (2009), 548
Inquisitionsverfahren → Inquisition, Inquisitionsprozess
Inschrift ist die Schrift auf nicht
hauptsächlich der Wiedergabe geschriebener Texte dienenden Gegenständen (z. B.
Grabsteinen, Kirchentüren, Holzbalken).
Lit.: Panzer, F., Die
Inschriften, 1938; Frölich, K., Deutsche Rechtsinschriften des Mittelalters,
ZRG GA 66 (1948), 500; Müller, W., Urkundeninschriften des deutschen
Mittelalters, 1975 (73 bis 1525); Koch, W. u. a., Literaturbericht zur
mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik (1998-2002), 2005; Koch, W.,
Inschriftenpaläographie, 2007
Inscriptio (lat.
[F.] Inschrift) ist für das spätantike römische Recht die Angabe der Herkunft
einer Textstelle (z. B. bei Codex Theodosianus [438] und Codex Justinians
[534] jeweiliger Kaiser und Empfänger, bei Digesten [533] Verfasser, Werk,
Untergliederung).
Insel ist das von Wasser umgebene
Landstück (z. B. Mainau, England, Grönland, nicht mehr Australien, Amerika).
Lit.: Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht
der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333
Insidia (F.) verborum (lat.) Prozessgefahr (durch Versprechen oder Verlesen)
Insignien (N.Pl.)
Zeichen (von Würde oder Macht) → Reichinsignien, Reichskleinodien
Lit.:
Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen, 1964
Insinuation (F.)
Bekanntgabe, Vorlage, Zustellung
Insolvenz ersetzt
mit dem Ziel der Wahrung wirtschaftlicher Werte in Deutschland zum 1. 1. 1999
den Konkurs.
Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen
römischen Recht, 2001
Instanz ist die
zuständige Stelle. Im → Inquisitionsprozess gibt es die besondere →
Instanzentbindung. Im Verhältnis mehrerer Instanzen zueinander besteht der →
Instanzenzug.
Instanzentbindung (absolutio
[F.] ab instantia [lat.]) ist die im mittelalterlichen Italien (12. Jh.,
Johannes Andreae) entwickelte, seit 1648 (Brunnemann, Tractatus iuridicus de
inquisitionis processu, Rechtliche Abhandlung über den Inquisitionsprozess) im
deutschen Strafverfahrensrecht aufgenommene, vorläufige Beendigung eines
Verfahrens aus Mangel an Beweisen mit der jederzeitigen Möglichkeit des
Neubeginns. Von der Aufklärung bekämpft, wird die I. (seit der französischen
Revolution von 1789) auch in Deutschland in der Mitte des 19. Jh.s
eingeschränkt (Württemberg 1843) oder aufgegeben (Baden 1845, allgemein
1877/1879). Ihre Aufgabe übernimmt die Einstellung des Verfahrens.
Lit.: Allmann, J., Außerordentliche Strafe und
Instanzentbindung, 1903; Holtappels, P., Die Entwicklung des Grundsatzes „in
dubio pro reo“, 1965; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000
Instanzenzug ist
eine Mehrheit von hierarchisch gestuften behördlichen oder gerichtlichen
Instanzen (Stellen). Nach Ansätzen im römischen Altertum entwickelt sich der I.
mit der Ausbildung des Staates seit dem Spätmittelalter. Allgemein wird ein
vierstufiger I. der Gerichtsbarkeit in Österreich unter Joseph II. (1780-1790)
(Ortsgericht, Kreisamt, Appellationsgericht, Oberste Justizstelle, 1895
Bezirksgericht, Landesgericht bzw. Kreisgericht, Oberlandesgericht, oberster
Gerichtshof) und im Deutschen Reich 1877/1879 (Amtsgericht, Landgericht,
Oberlandesgericht, Reichsgericht) geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 154; Tille, A., Instanzenzug des kurkölnischen
Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Institor (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der Geschäftsführer, für dessen Schulden der
Geschäftsherr haftet. Umgekehrt erhält der Unternehmer aus den Forderungen, die
sein gewaltfreier kaufmännischer Angestellter erwirbt, eine (lat.) →
actio (F.) utilis.
Lit.: Kaser § 11
Institut (N.) ist
seit dem 18. Jh. die Einrichtung.
Lit.: Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht einiger
Institute des Zivilprozess- und Gerichtsverfassungsrechts, 1986
Institutes of the Laws of England (Einrichtungen der Gesetze Englands) ist der Titel des
Hauptwerkes Sir Edward → Cokes (1551-1633). Der erste Teil der I. o. t.
L. o. E. ist ein gründlicher Kommentar zu → Les Tenures Sir Thomas →
Littletons (1480). Die Teile 2 bis 4 betreffen ältere statutes, Strafrecht und
Gerichtsverfassung.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
4. A. 2002
Institutionen ist
schon im klassischen römischen Recht die Bezeichnung für die (Lehrbücher über
die) Einrichtungen des Rechtes. Als I. herkömmlicherweise geführt wird das
(lat. [M.Pl.]) commentarii betitelte elementare, von den Zeitgenossen kaum
gewürdigte Einführungswerk in (4 Büchern und) insgesamt 98 Titeln des Gaius
(159?, 161 n. Chr.), das die grundlegende systematische, der griechischen
Gegenüberstellung von Menschen (Personen) und Sachen folgende Einteilung des
Rechtsstoffes in (lat.) personae (F.Pl., Personen), (zwei Bücher) res (F.Pl.,
Sachen), actiones (F.Pl., Klagansprüche) überliefert und das römische
Zivilverfahren am klarsten darstellt. Andere Institutuinen werden von Marcian,
Florentin oder Ulpian verfasst. Unter dem oströmischen Kaiser → Justinian
erscheint 533 ein ebenfalls in vier Bücher geteiltes, auf Gaius gegründetes
amtliches, als Gesetz erlassenes Einführungsbuch I. (lat. [F.Pl.]
institutiones) (, aus dem nach Buch, Titel und Paragraph zitiert wird, z. B. I.
2,1,30). In Parallele hierzu werden vor allem im 19. Jh. unter dem Titel I.
auch Lehrbücher (zum römischen Recht) bzw. unter dem Titel I. des deutschen
Privatrechts auch Lehrbücher zum deutschen Privatrecht vorgelegt.
Lit.: Söllner §§ 12, 16, 22; Köbler, DRG 30, 54;
Schneidewin, J., In quatuor institutionum imperialium D. Iustiniani libros
commentarii, 1575, Neudruck 2004; Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 1f. 1885f.; Sohm, R./Mitteis, L./Wenger, L., Institutionen.
Geschichte und System des römischen Privatrechts, 17. A. 1923, Neudruck 1949;
Seckel, E./Kübler, B., Gai institutionum commentarii quattuor, 8. A. 1939;
Luig, K., Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18.
Jahrhundert, Ius commune 3 (1970), 64; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des
Institutionensystems, ZRG RA 70 (1973), 93; Institutionen, übers. v. Behrends,
O. u. a., 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2007; Meincke, J., Die Institutionen
Iustinians, JZ 1997, 14; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1f.
1997ff.; Institutionen, Instrumente und Akteure sozialer Kontrolle und
Disziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, 1999; Institutionen und Ereignis,
hg. v. Blänkner, R. u. a., 1998; Mager, U., Einrichtungsgarantien, 2003;
Institutionen, hg. und übers. v. Manthe, U., 2004; Forrez, R., Cupidae legum
iuventuti, 2009
Institutionensystem ist
das im späten Naturrecht (Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) den
privatrechtlichen Stoff nach dem Vorbild der → Institutionen des Gaius in
Personen, Sachen, Klagansprüche einteilende System. Es wird im 19. Jh. (→
Heise 1807) vom → Pandektensystem (Personen bzw. Allgemeines, Schulden,
Sachen, Familie, Erbe) abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des
modernen Pandektensystems, ZRG GA 42 (1921), 578; Wieacker, F. Griechische
Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93
Instruktionsmaxime ist
im Strafverfahrensrecht der Grundsatz, dass sich der Richter selbst über die
erheblichen Tatsachen unterrichten muss.
Lit.:
Köbler, DRG 117
Instrumenta (N.Pl.) dotalia (lat.) ist im spätrömischen Recht die Mitgifturkunde.
Lit.: Kaser §§ 58, 59
instrumentum (lat. [N.]) Urkunde, Zubehör, Notariatsinstrument (z. B.
instrumentum pacis Monasteriense bzw. Osnabrugense, Westfälischer
Friedensvertrag von Münster und Osnabrück)
Lit.: Kaser § 7; Köbler, DRG 43
Intabulation (F.) Eintragung in eine Tafel bzw. in das Grundbuch
Integration (F.) Herstellung eines
Ganzen
Integrationslehre ist die von Rudolf → Smend (1882-1975) begründete Lehre vom in der Integration bestehenden Wesen des → Staates.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blessing, W., Staatsintegration
als soziale Integration, Z. f. bay. LG. 41 (1978), 633
Intentio (lat.
[F.]) ist im römischen Zivilprozessrecht der erste Satz der Klagformel, der zur
Beschreibung des Begehrens den Grund der möglichen Verurteilung und die
geforderte Leistung enthält. (z. B. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio
sestertium x milia dare oportere, wenn sich ergibt, dass N. N. dem A. A. 10000
Sesterzen geben muss).
Lit.: Kaser § 83 I 3a; Söllner § 9
Inter armas silent leges (lat.). Wo die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43 v. Chr., Silent leges inter
arma.)
Intercessio (lat. [F.] Dazwischentreten) ist im römischen Schuldrecht das
Dazwischentreten im Sinne des Eingehens von Verbindlichkeiten im Interesse Dritter
(z. B. Bürgschaft, Darlehen, Verpfändung, Schuldübernahme durch Novation). Ein
(lat.) → senatusconsultum (N.) Vellaeanum aus der Mitte des 1. Jh.s n.
Chr. verbietet Frauen die i. Es begründet eine Einrede gegenüber einer aus dem
an sich gültigen Rechtsgeschäft erhobenen Forderung. Das Verbot der i. wird
mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter übernommen
(Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756, Allgemeines Landrecht 1794), seit
dem 19. Jh. aber aufgegeben (ABGB, BGB).
Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 6; Köbler, DRG 44; Mönnich,
U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999
Interdictio (lat.
[F.]) Untersagung (z. B. im mittelalterlichen Kirchenrecht seit dem 10. Jh. die
I. des Rechts auf geistliche Güter oder der Vornahme einer kirchlichen Handlung
in einem bestimmten Gebiet)
Lit.: Krehbiel, E., The Interdict, 1909
Interdictum (lat.
[N.]) ist im römischen Recht ein Verbot des Prätors zur Sicherung von
Rechtslagen. Dazu gebietet der Prätor vor allem die Wiederherstellung einer
früheren Lage oder verbietet störendes Verhalten für die Zukunft. DIe
Verletzung eines i. wird auf Grund einer Klage überprüft.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 25, 33,
40
Interdictum (N.) de arboribus caedendis (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz bei
Entfernung von Überhang.
Lit.: Kaser § 23 III 1
Interdictum (N.) de glande legenda (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz beim
Einsammeln von Früchten.
Lit.: Kaser § 23 III 2
Interdictum (N.) de migrando (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des
Wohnungsmieters beim Verlassen der Wohnung auf Freigabe seiner Sachen nach Erfüllung
der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietvertrag.
Lit.: Kaser § 31 III 6
Interdictum (N.) de precario (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Rückgabe
einer aus der Bittleihe (lat. [N.] precarium) erlangten Sache.
Lit.: Kaser § 21 II 2
Interdictum (N.) de vi armata (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen
Störung des Besitzes mit Waffengewalt.
Lit.: Kaser § 21 II 2
Interdictum (N.) quam hereditatem (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz zwecks
Herausgabe einer Erbschaft gegen einen die Einlassung auf die
Erbschaftsherausgabeklage verweigernden Erbschaftsbesitzer.
Lit.: Kaser § 75 I 4
Interdictum (N.) quem fundum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Herausgabe
eines Grundstücks, das ein Kläger herausverlangen will, an jeden, der das
Grundstück besitzt oder den Besitz arglistig aufgegeben hat.
Lit.: Kaser § 27 I 5
Interdictum (N.) quem usumfructum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl, sich auf eine
Klage zum Schutz des Fruchtziehungsrechtes einzulassen.
Lit.: Kaser § 29 I 5
Interdictum (N.) quod vi aut clam ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen heimliche
oder gewaltsame Arbeiten auf einem Grundstück.
Lit.: Kaser § 23 III 9
Interdictum (N.) quorum bonorum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des
Erbschaftsbesitzers.
Lit.: Kaser § 75 II
Interdictum (N.) Salvianum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Verpächters
bei der besitzlosen, der Sicherung der Pachtzinsansprüche dienenden Verpfändung
von Inventar eines Pächters an den Verpächter.
Lit.: Kaser § 31 III 6a
Interdictum (N.) unde vi (lat.) ist das Besitzstörungsverfahren gegen gewaltsame
Eindringlinge.
Interdictum (N.) uti possidetis ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den
fehlerhaften Besitzer eines Grundstücks.
Lit.: Kaser §§ 21 II 1a, 32 III 4
Interdictum (N.) utrubi (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer
einer beweglichen Sache.
Lit.: Kaser § 21 II 1b
Interdikt →
interdictio, → interdictum
Interdiktenbesitz ist
im römischen Recht der nach prätorischem Recht gegen eigenmächtige Entziehung
oder Störung durch ein (lat. [N.]) → interdictum geschützte →
Besitz (lat. [F.] possessio). I. haben Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist,
Pfandgläubiger und Sequester.
Lit.: Kaser § 19 IV
Interesse ist der
Umfang eines zu ersetzenden Schadens. Das I. geht auf die römischrechtliche
Wendung (lat.) quod interest zurück (z. B. Wert einer nicht geleisteten Sache,
Minderwert einer mangelhaften Sache, Verzugsschaden, Kosten eines
Ersatzgeschäfts, entgangener Gewinn). Im 20. Jh. (→
Interessenjurisprudenz) ist I. auch die bloße Zielsetzung oder
Begehrensdisposition eines abstrakt oder konkret Beteiligten.
Lit.: Söllner § 9; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 305; Wieling, J., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, H., Herkunft
und Kritik des Interessebegriffs, JuS 1973, 69
Interessenjurisprudenz ist die methodische Richtung in der Rechtswissenschaft, die
davon ausgeht, dass wegen der Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung der Richter
sein Urteil nicht logisch ableiten kann, sondern als wertende Entscheidung
eines Konfliktes abgeben muss. Sie geht auf (Rudolf von Ihering [1818-1892]
und) den Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler Philipp → Heck
(1858-1943) (Gesetzesauslegung und Jurisprudenz, 1914) zurück. Heck stellt
dabei auf den sozialen Konflikt der in den einzelnen Fällen beteiligten
Interessen ab. Der Richter habe sich zunächst der vom Gesetzgeber in den
gesetzlichen Regeln abstrakt gefassten Entscheidungen der Konflikte und der
dabei getroffenen Wertungen der beteiligten Interessen oder
Begehrensdispositionen zu bedienen. Dazu müsse er bei der Anwendung des
Gesetzes auf den streitigen Fall den zu Grunde liegenden Konflikt
interessengliedernd herausarbeiten und nach Abwägung der widerstreitenden
Interessen nach der gesetzlich höher bewerteten Konfliktlösungsregel
entscheiden.Erst dann, wenn er keine (analog) anwendbare abstrakte Interessenbewertung
auffinde (Gesetzeslücke), dürfe er selbst so entscheiden, wie der Gesetzgeber
vermutlich entscheiden würde.
Lit.: Köbler, DRG 228; Heck, P., Begriffsbildung und
Interessenjurisprudenz, 1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Edelmann, J., Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz,
1967; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972;
Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001; Auer, M., Methodenkritik
und Interessenjurisprudenz, ZEuP 2008, 517
Interimsschein
Lit.: Simon, H., Die Interimsscheine, 1913
Interlinearglosse (F.) ist die zwischen den Zeilen eingetragene Erklärung (Glosse)
Internationale kriminalistische Vereinigung ist die von Franz von → Liszt begründete Vereinigung
von Strafrechtlern (1889-1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bellmann, E., Die Internationale
Kriminalistische Vereinigung, 1994
Internationaler Gerichtshof ist der 1946 als Nachfolger des ständigen Internationalen Gerichtshofes
des Völkerbundes gegründete Gerichtshof der Vereinten Nationen mit Sitz in Den
Haag und einer Besetzung durch 15 hauptamtliche Richter, der Rechtsstreitigkeiten
zwischen Staaten auf Grund des Völkervertragsrechts, des Völkergewohnheitsrechts
und der von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze
entscheidet und bis 2006 92 Urteile gefällt und 25 Gutachten (ohne
Vollstreckungsmöglichkeit) erstattet hat.
Lit.: Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, § 50 VI; Fifty Years of the
International Court of Justice, hg. v. Lowe, V., 1996
Internationaler Strafgerichtshof ist der durch Vertrag als Folge der
Kriegsverbrecherprozesse gegen Deutsche, Ruander und Jugoslawen 1998
vereinbarte Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen.
Lit.: Ferencz, B.,
Von Nürnberg nach Rom, 1998; Ahlbrecht, H., Geschichte der völkerrechtlichen
Strafgerichtsbarkeit, 1999; Kemper, G., Der Weg nach Rom, 2004; Mangold, C.,
Die völkerrechtliche Verfolgung von Individuen durch internationale
Strafgerichtshöfe, 2007
Internationales Privatrecht ist das Sachverhalte mit Auslandsberührung betreffende staatliche
(nationale) Privatrecht. Das römische Recht bietet hierzu nur wenige Ansätze.
Nach dem frühmittelalterlichen, auf das jeweilige Volk bezogenen Personalrecht
gilt zu Beginn der Territorialisierung des Rechtes der Grundsatz des Ortsrechts
(lat. lex [F.] loci) des entscheidenden Richters, den → Accursius (1228)
und → Azo mit römischen Quellenbelegen rechtfertigen. Unter den Kommentatoren
(Jacobus Balduini, Albericus de Rosate) wird dies auf das Verfahrensrecht
eingeschränkt, das materielle Recht dagegen hiervon ausgenommen und besonderen
Kollisionsnormen oder Verweisungsnormen unterworfen, die auf der Grundlage der
römischrechtlichen Gerichtsstandsregeln entwickelt werden. Demgegenüber setzt
sich zu Beginn der Neuzeit die Statutentheorie (Bartolus, d’Argentré) durch,
die (lat.) statuta (N.Pl.) personalia (Personalstatute), (lat.) statuta (N.Pl.)
realia (Realstatute) und (lat.) statuta (N.Pl.) mixta (gemischte Statute)
unterscheidet und damit in erster Linie auf das innerstaatliche Recht abstellt.
Zu Beginn des 19. Jh.s bewirkt Savigny die Rückkehr zu den Kollisionsnormen d.
h. dem für das einzelne Rechtsverhältnis maßgeblichen Recht (Sitz des Rechtsverhältnisses).
Auf dieser Grundlage entsteht in der Mitte des 19. Jh.s eine eigentliche
Wissenschaft des internationalen Privatrechts, deren Ergebnisse Eingang finden
in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands (1900). Im
ausgehenden 20. Jh. wird das einzelstaatliche internationale Privatrecht in
Deutschland (25. 7. 1986), Österreich (1978) und der Schweiz (1989) neu
gefasst.
Lit.: Köbler, DRG 274; Savigny, F., System des heutigen
römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff., Bd. 8 1849, Neudruck 1956; Neumayer, K.,
Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts
bis Bartolus, Bd. 1 1901, Neudruck 1969, Bd. 2 1916; Neumeyer, K.,
Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Gutzwiller,
M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts,
1923; Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des
Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Hermann, G., Nikolaus Hert und die
deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen
Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Hartwieg, O./Korkisch, F.,
Die geheimen Materialien zur Kodifikation, 1973; Kropholler, J.,
Internationales Einheitsrecht, 1975; Gutzwiller, M., Geschichte des
Internationalprivatrechts, 1977; Anhauser, V., Das internationale
Obligationenrecht, 1986; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17.
Jahrhundert, Bd. 1f., hg. v. Bar, C. v. u. a., 1995ff.; Kleinschmidt, H.,
Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Koskenniemi, M., The gentle
civilizer of nations. The rise and fall of international law 1870-1960, 2001;
Guddat, T., Ein europäischer Jurist des 19, Jahrhunderts – Jean-Jacques G.
Foelix, 2006
Internierungslager (Freiheitsbeschränkungslager
im Landes„inneren“)
Interparlamentarische Union
ist die 1888 in Paris gegründete nichtstaatliche internationale Vereinigung von
Abgeordneten verschiedener Parlamente mit Sitz in Genf.
Lit.: Uhlig, R., Die Interparlamentarische Union 1889-1914,
1988
Interpolation ist
die abändernde und damit wohl oft verfälschende Einschaltung von Wörtern oder
Sätzen in den ursprünglichen Wortlaut eines Textes, insbesondere im Rahmen der die
Schriften der klassischen Rechtskundigen verwertenden Gesetzgebungstätigkeit
Justinians (z. B. Ersetzung von [lat. F.] mancipatio durch [lat. F.] traditio).
Seit der Neuzeit (Humanismus, lat. mos Gallicus) versucht die Wissenschaft die
Ermittlung der Interpolationen, um frühere Textstufen und spätere Veränderungen
sachgerecht zu scheiden. Im Einzelnen sind die Ergebnisse vielfach umstritten.
Lit.: Kaser § 1 II 3; Söllner §§ 3, 16, 24; Köbler, DRG 54;
Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss.
Wien 1979
interpretatio (lat.
[F.]) Auslegung, → Interpretation
Interpretation ist
die → Auslegung von Gedankenerklärungen. Die juristische I. beginnt
bereits im altrömischen Recht am Zwölftafelgesetz durch die Priesterschaft. Aus
der ursprünglichen Geheimwissenschaft entwickelt sich nach der
Veröffentlichung der zunächst nur den Priestern vertrauten Verfahrensformeln
(304 v. Chr.) eine weltliche Rechtsunterweisung mit Aufsetzen von Formularen,
Beratung und Gutachtenerteilung, deren Kern die I. ist. Mit der Aufnahme des
römischen Rechts im Mittelalter wird auch die I. aufgenommen, wobei es am
Beginn der Neuzeit im sog. (lat.) → mos (M.) Gallicus um die
bessere I. besserer Texte geht.
Lit.: Söllner §§ 7, 9; Köbler, DRG 31; Kaser, M./Schwarz,
F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956; Behrend, O., Die fraus
legis, 1982; Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, hg. v.
Schröder, Jan, 2001
Interregnum ist die
zwischen zwei Königsherrschaften liegende Zeit, insbesondere die im deutschen
Reich zwischen (1250 bzw.) dem Aussterben der → Staufer (1254) und der
Wahl Graf Rudolfs von → Habsburg zum deutschen König (1273) liegende
Zeit, in der sich kein gewählter Herrscher durchsetzen kann und die
Landesherren zu Lasten des Reiches erstarken. Das I. trennt Hochmittelalter
und Spätmittelalter voneinander. Daneben ist I. auch allgemeiner die Zeit
zwischen der Herrschaft eines Menschen und der Herrschaft seines Nachfolgers.
Lit.: Köbler, DRG 95; Triepel, H., Das Interregnum, 1892;
Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1971; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter
Verdichtung, 1985; Kaufhold, M., Deutsches Interregnum und europäische Politik,
2000; Kaufhold, M., Interregnum, 2002, 2. A. 2007; Kirk, M., Die kaiserlose,
die schreckliche Zeit, 2002
Intertiatio (lat.
[F.]) ist der Zug auf einen Gewähren im Frühmittelalter (6. Jh.). Danach muss,
wenn sich bei Spurfolge der Besitzer einer abhandengekommenen beweglichen Sache
auf seinen Gewähren (lat. tertia manus [F.]) beruft, der Spurfolger geloben,
die Sache vor das Ding zu bringen, ehe er sie in Besitz nehmen darf.
Beansprucht er außerhalb der Spurfolge die Sache, so muss der Besitzer
schwören, dass er seinen Gewähren zum Ding bringen werde.
Lit.: Hübner, 437; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908;
Andreae, F., Die Intertiatio im fränkischen Fahrnisprozesse, ZRG GA 33 (1912),
129
Intervenient (M.) „Dazwischenkommender“
Lit.: Gawlik, A.,
Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970
Interzession → intercessio (lat. [F.])
Intestaterbe ist im
römischen Recht der ohne → Testament zur Erbfolge berufene Mensch. Dies
ist der → Hauserbe und danach der Außenerbe (sowei hilfsweise anfangs der
Gentile, später die Allgemeinheit). Das dem altrömischen Recht folgende
prätorische Recht fasst die prätorischen Erben in mehrere (4), hintereinander
berufene Klassen zusammen. Dem I. entspricht später der gesetzliche Erbe.
Lit.: Kaser §§ 65, 66; Söllner § 12; Köbler, DRG 38;
Merkel, J., Die Lehre von der successio graduum unter Intestaterben, 1876;
Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957
introitus (lat.
[M.]) Eintritt → Immunität
Invaliditätsversicherung ist die in Deutschland 1884 zwecks Entschärfung sozialer
Schwierigkeiten durch Gesetz geschaffene → Sozialversicherung für den
Fall der Arbeitsunfähigkeit. Zur Organisation werden besondere
Versicherungsanstalten eingerichtet. Der Invalide erhält eine Rente.
Lit.: Stolleis, M., Die Sozialversicherung Bismarcks, (in)
Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, 1979,
387; Rückert, J., Entstehung und Vorläufer der gesetzlichen Rentenversicherung,
(in) Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, 1
Inventar (lat. [N.]
inventarium) ist eine Gesamtheit von Gegenständen und ein über dieses geführtes
Verzeichnis. Im spätantiken römischen Recht führt Justinian 531 die Wohltat des
Inventars (lat. beneficium [N.] inventarii) ein, wonach der, welcher innerhalb
bestimmter Fristen ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände erstellt, die
Haftung für die Erbschaftsschulden auf die Nachlassgegenstände beschränken und
damit von seinem bereits vor dem Erbfall vorhandenen Vermögen fernhalten kann.
Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch das I.
in diesem Sinne aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 62 III, 74 II; Köbler,
DRG 59; Mely, F. de/Bishop, E., Bibliographie générale des inventaires
imprimés, Bd. 1ff. 1892ff.; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 600
inventarium (lat.
[N.]) → Inventar
Investitor (M.) Einkleider, Einweiser (Bologna 1057)
Investitur ist im
Mittelalter die förmliche, die unsichtbaren Rechtsvorstellungen (z. B.
Eigentum, Lehen) äußerlich sichtbar machende Bekleidung mit einem Amt oder
einem Recht. Ob sie germanischer Herkunft ist, ist zweifelhaft. Lat. vestire,
investire im Sinne des Bekleidens mit einem (an sich unsichtbaren) Recht
scheint eher aus der spätantiken Kirche zu kommen. Auch das Verhältnis zu einem
vorangehenden Geschehen (ahd. sala, lat. [F.] traditio) ist ungewiss. Als
Symbole der den Übergang der → Gewere bewirkenden I. werden Halm, Zweig,
Scholle, Ring, Kreuz, Lanze, Fahne und anderes verwendet.
Lit.: Hübner 258, 366; Köbler, DRG 90; Köbler, LAW; Mayer,
E., Die Einkleidung im germanischen Rechte, FS Adolf Wach, 1913; Mayer, E., Zur
Einkleidung (Gewere), ZRG GA 35 (1914), 431; Mayer, E., Zur Lehre von der Einkleidung, ZRG GA 36 (1915),
439; Visconti, A., Su alcune „notitiae investiturae“ contenute nel
Codice diplomatico Lombardo, Annali della R. Università di Macerata 6 (1930);
Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1957; Müller, W., Ein
Auflassungs- und Investitursymbol des Klosters St. Gallen, 1972; Köbler, G.,
Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Quellen zum Investiturstreit, Teil
1 Ausgewählte Briefe Papst Gregors VII. übersetzt v. Schmale, Franz-Josef,
1978; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Investitur- und Krönungsrituale, hg.
v. Steinicke, M. u. a., 2004
investitura (lat.
[F.]) Einkleidung, → Investitur
Investiturstreit ist
der aus → Immunität und ottonisch-salischem → Reichskirchensystem
erwachsene, 1075 zwischen dem Salier Heinrich IV. und Papst Gregor VII. anlässlich
der Besetzung des Erzbistums Mailand ausgebrochene Streit um die Bekleidung (→
Investitur) von Laien mit kirchlichen Ämtern (Bistümern, Abteien). Hier
verbündet sich der Papst mit deutschen Fürsten gegen den König, doch gelingt
diesem 1077 mit dem Reue bezeugenden Gang nach → Canossa die Lösung vom
Bann. Mit dem → Wormser Konkordat kommt es 1122 zu einem vorläufigen
Ausgleich.
Lit.: Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit,
1913; Schmeidler, B., Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im Investiturstreit,
1927; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Investiturstreit und Reichsverfassung,
hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen
Investiturverbotes, 1981; Blumenthal, U., Der Investiturstreit, 1982; Hartmann,
W., Der Investiturstreit, 2. A. 1996; Laudage, J., Greforianische Reform und
Investiturstreit, 1993; Englberger, J., Gregor VII. und die Investiturfrage,
1996; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit, 1996; Golinelli, P.,
Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Goez, W., Kirchenreform und
Investiturstreit 910-1122, 2000, 2. A. 2008; Der Investiturstreit, hg. v.
Laudage, J. u. a., 2. A. 2006
Inzest (M.) Blutschande
Lit.: Mikat, P., Die Inzestgesetzgebung der merowingisch-fränkischen
Konzilien, 1994; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1996, 1998;
Siegel, E., Inzest, 1999; Jarzebowski, C., Inzest, 2005; Karst, S., Die
Entkriminalisierung des § 172 StGB, 2009
Inzichtverfahren ist
im Mittelalter ein zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren stehendes
besonderes Leumundsverfahren, das seit dem 16. Jh. im →
Inquisitionsprozess aufgeht.
Lit.: Müller, R., Studien zum Inzichtverfahren nach
bayerischen Quellen, 1939, Neudruck 1970
Ipso iure compensatur (durch
das Recht selbst wird aufgerechnet) ist eine im Codex Justinians (C. 4, 31, 14
pr) enthaltene Rechtsregel, welche die Entbehrlichkeit einer eigenen
Aufrechnungserklärung ausspricht (anders § 388 BGB).
Iran
Lit.: Gronke, M., Geschichte Irans, 2003
Irland ist der westlich Englands gelegene, nordwesteuropäische Staat, der seit 1973 der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) angehört. Seit der zweiten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. wandern Kelten in die bereits besiedelte Insel ein. Um 450 n. Chr. werden die Bewohner christianisiert. 1171/1172 greift der König von England auf I. aus. 1534 beginnt er mit der Unterwerfung und nennt sich 1541 König von I. Im Norden setzt sich der englische Einfluss und damit auch die protestantische Religion durch. Seit dem Ende des 18. Jh.s gibt es so gut wie kein selbständiges irisches Privatrecht mehr. 1801 wird ein gemeinsames Parlament eingerichtet. Am 6. 12. 1921 wird die Loslösung Irlands (ausgenommen Nordirland) von Großbritannien vertraglich vereinbart. Das irische Recht ist englisch geprägt, wird aber seit 1922 durch Gesetze ergänzt. Im Gegensatz zu England hat I. eine formelle Verfassung.
Lit.: Studies in early Irish law by Thurneysen, R. u. a.,
1936; Szövérffy, J., Irisches Erzählgut im Abendland, 1957; Hand, G., English
Law in Ireland 1290-1324, 1967; Beckett, J., Geschichte Irlands, 1971; Die Iren
in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982; Irland und Europa, 1984; A new history of
Ireland, hg. v. Cosgrave, A., 1987; Lee, J., Ireland 1912-1985, 1989; Elvert, J.,
Geschichte Irlands, 1993; Croinin, D., Early Medieval Ireland, 1995; Irland und
Europa im frühen Mittelalter, hg. v. NiChatháin, P. u. a., 1996; Richter, M.,
Irland im Mittelalter, 1996; Maurer, M., Kleine Geschichte Irlands, 1998;
Richter, M., Ireland and her Neighbours, 1999; Charles-Edwards, T., Early
Christian Ireland, 2000; Noetzel, T., Geschichte Irlands, 2003; Breuer, R.,
Irland, 2003; Braun, N., Terrorismus und Freiheitskampf, 2003; Richter, M.,
Irland im Mittelalter, 2003; Holthusen, C., Der Nordirlandkonflikt, 2005;
Flanagan, M., Irish Royal Charters, 2005; Osborough, W., Recent writing on
modern Irish legal history, ZNR 2008, 93
Irnerius (Guarnerius,
[eigenhändig wohl immer] Wernerius) (1060?-1125?) ist der erste bedeutende
Vertreter der durch Wiederbehandlung der → Digesten Justinians (530/3)
veranlassten, durch die zunehmende Schulung in den freien Künsten (lat. artes
[F.Pl.] liberales) ermöglichten und im Ergebnis wohl auch gewissen praktischen
Bedürfnissen entsprechenden rechtswissenschaftlichen Literatur des
Mittelalters. Vermutlich erteilt I. zuerst Unterricht in den freien Künsten
und behandelt dabei im Rahmen der Rhetorik auch das Recht. Danach versieht er
bei scholastischer Interpretation fast die gesamten justinianischen Rechtstexte
(Digestum vetus, → Codex, → Institutiones) mit mehreren tausend nur
teilweise erhaltenen Glossen (lat. Apparatus [M.] glossarum, Sigle Y bzw. G).
Außerdem fertigt er die → Authenticae an und verfasst vielleicht eine
kurze → Distinktion. Zwischen dem 28. 6. 1112 und dem 10. 12. 1125 ist er
als (lat. [M.]) causidicus (1112, 1113) der Markgräfin Mathilde von Tuszien und
(lat. [M.]) iudex (1116-1118) Kaiser Heinrichs V. bezeugt. 1119 wird er
(wahrscheinlich) exkommuniziert.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 105; Pescatore, G., Die
Glossen des Irnerius, 1888, Neudruck 1968; Besta, E., L’opera d’Irnerio, 1896,
Neudruck 1980; Nörr, D., Zur Herkunft des Irnerius, ZRG RA 82 (1965), 327;
Weigand, R., Die Naturrechtslehre, 1967; Spagnesi, E., Wernerius bononiensis iudex,
1970; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 154; Fried, J.,
auf Bitten der Gräfin Mathilde, (in) Europa an der Wende vom 11. zum 12.
Jahrhundert, hg. v. Herbers, K., 2001
Irrtum (lat. [M.]
error) ist das Auseinanderfallen von Vorstellung eines Handelnden und
Wirklichkeit. Im römischen Recht ist der I. ein Fall von fehlender
Willensübereinstimmung, so dass er (als I. über Vertragspartner, Gegenstand,
Preis oder Vertragstyp) keinen Vertrag entstehen lässt. In der byzantinischen
und mittelalterlich-römischen Rechtswissenschaft schließt auch der I. über die
tatsächlichen Eigenschaften des Geschäftsgegenstands die Bindung aus, wobei es
später darauf ankommt, dass der Irrtum für die Vornahme des Geschäfts
ursächlich ist. Im frühneuzeitlichen gemeinen Recht werden als Fallgruppen der
Irrtümer Geschäftsort, Geschäftsgegenstand, Geschäftsgegner und Geschäftsbezeichnung
unterschieden. Das Vernunftrecht hält den I. teils grundsätzlich für
unbeachtlich (Kreittmayr), teils grundsätzlich für bedeutsam (Allgemeines
Landrecht 1794). Im 19. Jh. wird teils auf den Willen abgestellt
(Willenstheorie, Savigny), teils auf die Erklärung (Erklärungstheorie). Im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) werden die Vorzüge beider Ansichten in
einem komplizierten Geflecht verbunden. Unter Berufung auf einen I. kann das
zustandegekommene Geschäft nachträglich angefochten und damit grundsätzlich
beseitigt werden. Im 19. Jh. erscheint der I. als allgemeine Figur auch im
allgemeinen Teil des Strafrechts.
Lit.: Kaser § 8 I; Hübner; Köbler, DRG 43, 165, 204, 208;
Engelmann, W., Irrtum und Schuld nach der italienischen Lehre und Praxis des
Mittelalters, 1922, Neudruck 1975; Haupt, P., Die Entwicklung der Lehre vom
Irrtum, 1941; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36;
Kramer, E., Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998; Schermaier, M., Europäische
Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, ZEuP 1998, 60; Ranieri, F.,
Kaufrechtliche Gewährleistung und Irrtumsproblematik, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 207; Schermaier, M., Die Bestimmung des
wesentlichen Irrtums, 2000; Löhnig, M., Die Entstehung des Irrtumsrechts im
Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 120 (2003), 200; Harke, J., Irrtum über
wesentliche Eigenschaften, 2003
Isidor von Sevilla (Cartagena
um 560-Sevilla 4. 4. 636), aus hispanorömischer Familie, Bischof von Sevilla,
stellt in seinen (lat. [F.Pl.]) Etymologiae (bzw. Origines) das Wissen seiner
Zeit in 20 Büchern dar. Durch die weite Verbreitung dieses Werkes werden
zahlreiche römische Rechtsbegriffe schon im Frühmittelalter vermittelt (z. B.
lat. ius Recht, lex Gesetz, consuetudo Gewohnheit, mos Sitte, ius civile
römisches Recht, Zivilrecht, ius gentium Fremdenrecht, Völkerrecht, ius
naturale Naturrecht). Isidors von Gregor dem Großen beeinflusstes Werk
Sententiae (Urteile, Sentenzen) (mehr als 500 erhaltene mittelalterliche
Handschriften) wirkt mit seinen theologischen Definitionen stark auf
Florilegien, Summen und Kirchenrechtssammlungen ein.
Lit.:
Etymologiae, hg. v. Lindsay, W., 1911; Isidoro di Siviglia, hg. v. Fontaine,
H., Bd. 1ff. 1962ff.; Diesner, H., Isidor von Sevilla und das westgotische
Spanien, 1977; Fontaine, J., Isidore de Séville, 2000
Islam ist die von →
Mohammed (Mekka um 569-Medina 8. 6. 632) gestiftete Weltreligion (des
alleinigen Gottes Allah), deren Anhänger sich Muslime (die sich Gott
unterwerfen) nennen. Noch im 7. Jh. dehnt sich der I. von Arabien bis zum
Nordwesten Afrikas aus. Seit 711 wird Spanien gewonnen. Im 10. Jh. werden die
Türken im Herzen Asiens bekehrt, im 11. Jh. Teile Indiens. 1258 fällt Bagdad an
die Mongolen. 1453 wird Byzanz von den Türken erobert und der I. auf dem Balkan
verbreitet. Im 16. Jh. gelangt der I. nach Indonesien, im 20. Jh. in weitere
Teile Afrikas. Der I. ist Gesetzesreligion, weshalb schon der Koran für alle
Lebensbereiche Rechtsvorschriften festlegt. Hinzu kommt das überlieferte
Handeln Mohammeds. Hieraus entsteht durch islamische Rechtsgelehrte eine
Pflichtenlehre (→ Saria, Scharia). Im 16. Jh. wird im osmanischen Reich
der Richter darüber hinaus den Anweisungen des Sultans unterstellt.
Lit.: Horster, P., Zur Anwendung des islamischen Rechts im
16. Jahrhundert, 1935; Enzyklopädie des Islam, Bd. 1f. 2. A. 1960ff.; Coulson, N., A History of Islamic Law, 1964; The Cambridge
History of Islam, 1970; Lexikon der islamischen Welt, hg. v. Kreiser, K. u. a.,
Bd. 1ff. 1974; Watt, M./Welch, A., Der Islam, 1980; Schacht, J., An
Introduction to Islamic Law, 1982; Abu-Ghosh, S., Das islamische
Unterhaltsrecht nach al-Kasani, 1989; Dilger, K., Tendenzen zur
Rechtsentwicklung, (in) Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170;
Motzki, H., Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, 1991; Khoury/Hagemann/Heine,
Islam-Lexikon, Bd. 1ff. 1991; Der politische Islam, hg. v. Schwarz, J., 1993;
Coulson, N., Histoire du droit islamique, 1995; Der Islam in der Gegenwart, hg.
v. Ende, W. u. a., 4. A. 1996; Scholz, P., Malikitisches Verfahrensrecht, 1997;
Endreß, G., Der Islam, 3. A. 1997; Oßwald, R., Pactane sunt servanda, 1998;
Nagel, T., Die islamische Welt bis 1500, 1998; Schneider, I., Kinderverkauf und
Schuldknechtschaft,
1999; Der Islam in Europa, hg. v. Heuberger, V., 1999; Arkoun, M., Der
Islam, 1999; Halm, H., Der Islam, 5. A. 2004; Cardini, F., Europa und der
Islam, 2000; Beiträge zum islamischen Recht, Bd. 1ff., hg. v. Ebert, H. u. a.,
2000ff.; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2001; Tibi, B.,
Einladung in die islamische Geschichte, 2001; Motzki, H., The origins of
islamic jurisprudence, 2002; Bihl, W., Islam, 2003; Möhring, H., Warum verlor
die islamische Kultur ihre führende Stellung? HZ 277 (2003), 655; Krämer, G.,
Geschichte des Islam, 2005; Lohlker, R., Bibliographie des islamischen Rechts,
2005; Endreß, G., Der Islam in Daten, 2006; Heine, P., Einführung in die
Islamwissenschaft, 2008; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2008
Island ist der auf
der zweitgrößten Insel Europas gebildete nordwesteuropäische Staat. I. ist seit
dem 4. Jh. n. Chr. bekannt und wird am Anfang des 9. Jh.s durch iroschottische
Mönche und um 875 durch Wikinger (Normannen) besiedelt. 930 erscheint das
Allthing. 1000 wird I. christlich. Trotz karger natürlicher Gegebenheiten
entwickeln sich hohe literarische Kultur und vorbildliche Armenfürsorge. 1262
erhält der König von → Norwegen durch Vertrag die Herrschaft. 1380 fällt
I. mit Norwegen an → Dänemark, das 1550 die Reformation durchsetzt. 1918
wird I. von Dänemark unabhängig. 1944 wird I. Republik.
Lit.: Finsen, V., Om de oprindelige Ordning af nogle af den
islandske Fristats Institutioner, 1888; Boden, F., Die isländische
Regierungsgewalt in der freistaatlichen Zeit, 1905; Haff, K., Die
wiederaufgefundene „Descriptio Islandiae“, ZRG GA 50 (1930), 389; Midderhoff,
H., Thinggericht und Zwölferspruch in Altisland, ZRG GA 77 (1960), 26;
Scovazzi, M., La saga di Hrafnkell, 1960; Scovazzi, M., Il diritto islandese
nella Landnámabók, 1961; Paulsen, P., Drachenkämpfer, 1966; Imhof, A.,
Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Kuhn, H., Das alte Island, 1971;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,523, 4,4,631; Die Saga von Egil, hg. v.
Schier, K., 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Byock, J.,
Medieval Iceland, 1988; Schröder, P., Island, 1994; Björne, L., Den nordiska
rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Gerhold, W., Armut und
Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002
Isländisches Recht
ist das Recht der Isländer bzw. Islands. Seine Anfänge sollen um 930 in
Norwegen nach dem Vorbild der Gulathingslög von Ulfljotr zusammengefasst und in
Island von einer Versammlung (Allthing) als Recht (an. log) angenommen worden
sein. Mit der Christianisierung (1000) treten Änderung in dem mündlich durch
Gesetzessprecher (an. logsogumadr) bewahrten Recht ein. 1117/1118 verfasst der
Gode Hafliðe Marsson eine schriftliche Fassung (an. Haflidaskra), die ebenso
verschollen ist wie das 1122-32 entstehende Christenrecht (an. Kristinna laga
thattr). Vermutlich beruht auf den Inhalten die → Gragas (2. H. 13 Jh.).
1271/1273 wird unter norwegischer Herrschaft (1262) die → Jarnsida
(Eisenseite) angenommen, 1281 die → Jonsbok (Lögbok Islendinga), von der
rund 200 Handschriften überliefert sind. Um 1275 stellt Bischof Arne von
Skalholt ein neues Christenrecht (an. kristinrettr Arna biskupes) zusammen.
Rechtliche Aufschlüsse ermöglichen auch die Geschichtsdarstellungen und die
Isländersagas.
Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911;
Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Isny
Lit.: Die Urkunden des
früheren reichsstädtischen Archivs Isny bis 1550, hg. v. Kammerer, I. u. a.,
1955; Kammerer, I., Isny, 1956; Wunderlich, P., Das Recht der Reichsstadt Isny,
Diss. jur. Tübingen 1957; Speth, Hermann, Die Reichsstadt Isny am Ende des
alten Reiches, 1973; Hauptmeyer, C., Verfassung und Herrschaft in Isny, 1976
Israel ist im Alten Testament der zweite Name Jakobs, der stellvertretend für die → Juden und ihren Staat steht, insbesondere für den seit 1917 angestrebten bzw. (am 14. Mai 1948 (durch Ausrufung seitens David Ben Gurions) verwirklichten Staat.
Lit.: Noth, M., Geschichte des Volkes Israel, 1956;
Wolffsohn, M., Politik in Israel, 1982; Raacke, G., Der Einfluss
deutschbürtiger Juristen, ZRP 1997, 308; Timm, A., Israel, 1998; Schirer, L.,
Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Clauss, M., Das alte Israel, 1999; Herz,
D., Geschichte Israels, 2003; Israel und Deutschland, hg. v. Ben Natan, A. u.
a., 2005; Gerstenberger, E., Israel in der Perserzeit, 2005; Kessler, R., Leben
zur Zeit der Bibel, 2006; Avidan, I., Ein Staat sucht sich selbst, 2008; Balke,
R., Israel, 3. A. 2007; Clauss, M., Geschichte des alten Israel, 2009
Istanbul am
Bosporus geht auf das griechische Byzanz zurück. 1453 wird es von den Osmanen
erobert. Es erhält eine Universität.
Lit.: Barisch, K./Barisch, L., Istanbul,
5. A. 1985
Istrien ist
die nach den illyrischen Histri benannte Halbinsel im Nordosten der Adria, die
bis 178 v. Chr. von den Römern erobert wird.. Den Römern folgen im 6. Jh. die
Langobarden, dann die Slawen und 789 die Franken. Über die Grafen von Görz
(1291) gelangt Inneristrien 1381 an Österreich, mit Venetien 1797 auch das
Küstenland. 1816 wird der Anteil Österreichs an Istrien dem Königreich Illyrien
zugeteilt, 1849 dem Kronland Görz-Gradiska-Istrien (Küstenland). 1919 gelangt
I. an Italien, 1945 überwiegend an Jugoslawien (Kroatien), 1991 zum größten
Teil an Kroatien..
Italicus →
mos Italicus
Italien ist der zwischen Griechenland und Spanien bzw. Adria und Tyrrhenischem Meer gelegene südeuropäische Staat, der seit 1952 zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) gehört. Am Ende des 2. Jt.s v. Chr. wandern dort von Norden Italiker (zu lat. vitulus [M.] Kalb?) ein, nach denen die Griechen zunächst den Süden als Italia bezeichnen. Seit dem 5. Jh. v. Chr. entsteht von Rom aus ein Reich, das allmählich ganz I. erfasst und sich auf den gesamten Mittelmeerraum ausdehnt. 476 fällt I. als Teil der westlichen Hälfte des Reiches der Römer mit Rom an Germanen (Odowakar 476-493, Theoderich den Großen 493-526). Die Rückgewinnung seitens des oströmischen Kaisers Justinian (527-565) wird durch den Einbruch der → Langobarden in der Völkerwanderung (568) gestört. Danach wird I. unter Ostrom (Venedig, Ravenna, Unteritalien), den Langobarden und dem Papst geteilt. Auf einen Hilferuf des Papstes besiegt der fränkische König Pippin III. den Langobardenkönig Aistulf und gewährt dem Papst in der → pippinischen Schenkung 754 Teile der von den Langobarden besetzten Gebiete (→ Kirchenstaat). 774 unterwirft Karl der Große die Langobarden. Nach zwischenzeitlichen Wirren erneuert Otto I. 951 die Bindung eines Teiles Italiens an das fränkisch-deutsche Reich. Im 11. Jh. fassen Normannen in Unteritalien (Sizilien) Fuß und beginnen oberitalienische Städte (z. B. Mailand) nach Selbständigkeit zu streben. Trotz der Heirat Heinrichs VI. und Konstanzes von Sizilien gelingt den Staufern eine dauerhafte Sicherung der von Papst und Städten bekämpften Herrschaft nicht. Nach dem Scheitern der Idee eines einheitlichen Imperiums der Staufer steht I. für drei Jahrhunderte im Zeichen verhältnismäßig selbständiger, dem Reich meist lehnsrechtlich verbundener Mittelstaaten (z. B. Florenz, Genua, Mailand, Neapel, Venedig). Seit 1494 wird I. zum Streitgegenstand zwischen Frankreich (als Nachfolger der Anjou [1265-1282 Sizilien, 1265-1435 Neapel]) und Spanien/Habsburg (Aragón [Sizilien 1282, Sardinien 1323, Neapel 1442]). 1701/1713 gelangt als Folge des spanischen Erbfolgekrieges der Süden an Frankreich, der Norden an Österreich. 1797 verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in Italien. Das erwachende Nationalgefühl führt (als [it.] risorgimento) 1859 zum Kampf (Piemonts [und Frankreichs] gegen Österreich (1859 Sieg bei Solferino), das 1859 die Lombardei verliert. Danach werden die französischen Bourbonen aus dem Süden vertrieben. 1860 schließen sich sechs Staaten (Parma-Piacenza, Toskana, Modena, Umbrien, Marken, Sizilien-Neapel) unter Volksbefragung an Sardinien-Piémont an. Der Fürst von Sardinien-Piémont nimmt mit dem 17. 3. 1861 den Titel eines Königs von I. an. 1866 wird Österreich Venedig abgenommen und bis 1870 der Kirchenstaat bis auf geringe Reste durch Annexion eingezogen. 1922 gelangt Benito Mussolini (Dovia di Predappio bei Forli 29. 7. 1887-Giulino di Mezzegra am Comer See 28. 4. 1945, 1919/1921 Gründung der Faschistischen Partei) (als Duce del Facismo bzw. Ministerpräsident) tatsächlich an die Macht im Königreich und verbündet sich wenig später mit dem Deutschen Reich unter Adolf Hitler (sowie Japan, Achsenmächte, 1940 Eintritt in den Weltkrieg). Im zweiten Weltkrieg wird Mussolini nach der Landung der Alliierten in Sizilien am 25. 7. 1943 gestürzt. Die neue italienische Regierung schließt am 3. 9. 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten, worauf ab 9. 9. 1943 deutsche Soldaten italienische Soldaten entwaffnen und vor die Wahl stellen, sich den deutschen Streitkräften anzuschließen oder in Kriegsgefangenschaft zu gehen. Mussolini wird von deutschen Truppen befreit und gründet mit deutscher Hilfe eine Rpublik in Norditalien. Am 28. 4. 1945 wird er nach Ergreifung auf der Flucht von kommunistischen Partisanen hingerichtet. Am 2. 6. 1946 wird I. unter Absetzung des Königs wegen Unterstützung des Faschismus Republik. Politisch gelingen ihm stabile Regierungen nicht. Seit 1949 gehört Italien der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation an. Seit 1951 ist es Gründungsmitglied der europäischen Gemeinschaften.
Lit.: Köbler, DRG 133, 170, 172, 173; Köbler, Historisches
Lexikon; Lessico Etimologico Italiano; Blandini, G., La tirannide italiana nel
rinascimento, 1889; Roberti, M., Dei bene appartenenti alle città, 1903; Mayer,
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frühmittelalterlichen, insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte,
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meridionale, 1929; Mochi Onory, S., Ricerche sui poteri civili dei vescovi,
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der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden
Mittelalter, 1931; Solmi, A.,
L’amministrazione finanziaria del regno italico nell’ alto medio, 1932;
Chiapelli, L., Storia di Pistoia, 1932; Mochi Onory, S., Vescovi e città (sec.
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italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u.
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J./Heullant-Donat, I., L’Italie au Moyen Âge, 2000; Ascheri, M., I diritti del
Medioevo Italiano, 2000; Voßkamp, U., Instabilität und Regierbarkeit, 2001;
Cammarosano, P., Storia dell’Italia medievale, 2001 Verfassungsgebung,
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2002; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 2003; Padoa-Schioppa, A., Italia ed
Europa nella storia del diritto, 2003; Italy in the Central Middle Ages
1000-1300, hg. v. Abulafia, D., 2004; Arnaldi, G., Italien und seine Invasoren,
2005; Reiter, J., Entstehung und staatsrechtliche Theorie der italienischen
Carta del lavoro, 2005; Quellen zu den deutsch-italienischen Beziehungen
1861-1963, hg. v. Altgeld, W., 2005; Moos, C., Ausgrenzung, Internierung,
Deportation, 2005; Israel, U., Fremde aus dem Norden, 2005; Fennoaltea, S.,
L’economia italiana dall’Ùnità alla Grande Guerra, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 941; Altgeld, W., Benito Mussolini (1883-1945), 2009
Italienisches Recht ist
das in Italien geltende Recht. Es ist im Altertum das römische Recht. Nach dem
Untergang Westroms dringen germanisch/germanistische (Goten, Langobarden,
Franken, Normannen), griechische und arabische (sarazenische) Volksgruppen ein.
Die Wissenschaft des römischen Rechts verschwindet (vermutlich). In Pavia
entwickelt sich eine Rechtsschule der Langobarden. Im ausgehenden 11. Jh. wird
das römische Recht wiederentdeckt (→ Irnerius). Daneben tritt örtliches
Recht der einzelnen Städte und Stadtstaaten immer stärker hervor (→
Statuten), neben denen das von Glossatoren und Kommentatoren weiterentwickelte
gelehrte Recht als gemeines Recht (lat. → ius [N.] commune) gilt. Am
Beginn der Neuzeit tritt die italienische Rechtswissenschaft (lat. [M.] →
mos Italicus) zugunsten der französischen Rechtswissenschaft (lat. [M.] mos
Gallicus) zurück. Die bereits im 18. Jh. entstehenden Gesetze einzelner Staaten
werden zwischen 1804 und 1811 durch die Kodifikationen Frankreichs ersetzt und
danach nur teilweise wieder eingeführt. Im Königreich Italien werden 1865 ein
Zivilgesetzbuch (it. Codice civile), eine Zivilprozessordnung, ein
Handelsgesetzbuch (it. Codice di commercio) und 1889 ein Strafgesetzbuch
erlassen. 1930 wird das Strafrecht neu gefasst, 1931 das Strafprozessrecht und
1942 das Zivilgesetzbuch (einschließlich Handelsrecht, 2969 Artikel) und das
Zivilprozessrecht. Bereits seit 1890 entstehen zahlreiche Sozialgesetze.
Lit.: Pertile, A., Storia del diritto italiano, Bd. 1ff. 2.
A. 1896ff.; Ciccaglione, F., Il diritto successorio nella storia del diritto
italiano, 1891; Schneider, F., Einleitung zum Regestum Volaterranum, 1907;
Meyer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, Bd. 1f. 1909, Neudruck 1968; Salvioli, G., Storia della procedura civile e
criminale, 1925; Pitzorno, B., Elaborazione scientifica della storia del
diritto italiano, 1928; Brandileone, F., Scritti di storia del diritto privato
italiano, hg. v. Ermini, G., 1931; Checchini, A., Scritti giuridici e
storico-giuridici, Bd. 1ff. 1958; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im
ausgehenden Mittelalter, 1931; Calasso, F., La „convenientia“, 1932; Leicht,
P., Il diritto privato preirneriano, 1933; Paradisi, B., Massaricium ius, 1937;
Nicolini, U., Le limitazioni alla proprietà, 1937; Mochi Onory, S., Diritti della
personalità e rapporti di famiglia nel rinascimento italiano, ZRG GA 58 (1938),
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Giardina, C., La così detta proprietà degli alberi, 1941 (Ak. Palermo); Dahm,
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Petracchi, A., Le origini dell’ordinamento comunale e provinciale italiano,
1962; Luther, G., Einführung in das italienische Recht, 1968; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,53,234,872, 2,2,97,923,1113, 3,1,177,
3,2,2331, 3,3,3209,3625,3735,3831,3908,3985,4109; Celli, R., Studi sui sistemi
normativi delle democrazie comunali, 1976; Luig, K., Der Geltungsgrund des
römischen Rechts im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819;
Bonini, R., Disegno storico del diritto privato italiano (1865-1942), 1980, 2.
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Vallone, G., Iurisdictio domini – Introduzione a Matteo d’Afflitto (um
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italienischen Rechtskultur während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg.
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Cian, G., Fünfzig Jahre italienischer Codice civile, ZEuP 1993, 120; Kindler,
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Roma-Berlino, 2005; Luminati, M., Priester der Themis, 2007; Di Simone, M.,
Istituzioni e fonti normative in Italia dall’antico regime al facismo, 2007;
Sordi, B., Recent studies of public law history in Italy, ZNR 2007, 260ff.; The
Jurisprudence of the Baroque - A Census of 17th Century Italian Legal Imprints,
compiled by Osler, D., Bd. 1ff. 2008
Iter (lat. [N.]
Weg) ist schon im altrömischen Recht die Grunddienstbarkeit (Servitut) des
Fußweges und Reitweges.
Lit.: Kaser § 28 I 2a
Itinerar (N.) Reiseweg
Lit.: Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Schütte, B.,
König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002;
L’itinérance des seigneurs, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 2003
Itio (F.) in partes (lat.)
ist im neuzeitlichen Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) das
konfessionsbedingte Auseinandertreten jeder der drei Kurien des →
Reichstages in Religionsfragen seit etwa 1529, gesetzlich auf Drängen der
Protestanten anerkannt seit 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, Notwendigkeit
der [lat.] amicabilis compositio [F.] freundschaftlichen Übereinkunft).
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961, 169; Heckel, M., Itio in partes, ZRG KA
95 (1978), 180
Iudex (lat. [M.])
ist schon im altrömischen Recht der vom Magistrat einzusetzende Richter. Er ist
im Formalverfahren ein Privatmann, auf den sich die Beteiligten einigen und
der nach Ableistung eines Eides mit der Entscheidungsaufgabe betraut werden
kann. Er wird zumindest später durch Wahl seitens der Parteien oder aus einer
amtlichen Liste (von Senatoren und später auch Rittern) bestimmt (seit Augustus
etwa 3000, seit Caligula etwa 4000 Geschworene). Der i. ist für
Rechtsverletzungen mit dem Sachwert verantworlich. Im Kognitionsverfahren ist
der i. Amtsträger. → Richter
Lit.: Kaser §§ 81 II 2, 82 II 5; Köbler, DRG 19; Köbler,
LAW; Guttenberg, E. v., Iudex h. e. grafio, FS E. Stengel, 1952, 93; Broggini,
G., Iudex arbiterve, 1957; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Nörr, K., Zur
Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Horn, N.,
Bologneser Doctores und Iudices, ZHF 3 (1976); Drüppel, H., Iudex civitatis,
1981; Peachin, M., Iudex vice Caesaris, 1996; Mangold, O., Iniuria iudicis,
Diss. jur. Tübingen 2004
Iudex non calculat (lat.).
Der Richter rechnet nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Macer, frühes 3. Jh., Digesten 49, 8, 1 § 2)
Iudicium (lat. [N.]
Urteil, Gericht, Urteilsgericht) ist im römischen Recht das vom Magistrat den
Parteien unter ihrer Mitwirkung eingesetzte Gericht, in dem der Richter (lat.
[M.] iudex) das Urteil treffen soll (Spruchgericht). Bei einem (lat.) i.
stricti iuris (Verfahren nach strengem Recht) hat der Richter (iudex) kein
Ermessen (z. B. Darlehen, Stipulation) und muss die Gegenseite bereits vor dem
Gerichtsmagistrat (in iure) ihree (lat. [F.]) exceptio vortragen. Anders
verhält es sich bei dem (lat. [F.]) bonae fidei iudicium (Verfahren nach guter
Treue).
Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, LAW; Cram, K., Iudicium
belli, 1955; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Honsell, H., Quod
interest im bonae fidei iudicium, 1969
Iudicium (N.) parium (mlat.)
ist vielleicht schon seit dem Frühmittelalter das Gericht der im Stand Gleichen
(Magna Charta England 1215). Mit dem Schwinden des Gedankens der Notwendigkeit
des i. p. geht die Entstehung des Instanzenzuges einher.
Lit.: Weisse, C., De iudicio parium, 1828; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Iulianus, Publius
Salvius (Hadrumetum um 100-um 170), Abkömmling einer aus Italien kommenden
Kaufmannsfamilie in Nordafrika und Schüler Iavolens, wird mit einer
eindrucksvollen Ämterlaufbahn (Quästor, Statthalter, 148 n. Chr. Konsul) zu
einem der bedeutendsten römischen Rechtskundigen der klassischen Zeit. In
seinen in den justinianischen Digesten auszugsweise überlieferten Werken ([90
libri] digesta, libri ad Urseium Ferocem, liber singularis de ambiguitatibus,
quaestiones) erörtert er ohne verbindenden Text schwierige Einzelfragen. Kaiser
Hadrian überträgt ihm die abschließende Bearbeitung des prätorischen Edikts
(um 130). Er ist Oberhaupt der sabinianischen Rechtsschule.
Lit.: Söllner §§ 15, 16; Köbler, DRG 31; Bund, E.,
Untersuchungen zur Methode Julians, 1965; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 157
Iulianus (Konstantinopel
um 554 Einführungsvorlesung in die justinianischen Novellen in lateinischer
Sprache) ist ein byzantinischer Rechtslehrer.
Lit.: Kaiser, W., Die Epitome Iuliani,
2004
Iunius (Marcus Iunius
Brutus) ist ein römischer Rechtskundiger des 2. Jh.s v. Chr., von dem (lat.)
libri (M.Pl.) tres iuris civilis (drei Bücher Zivilrecht) bekannt sind.
iuramentum (lat.
[N.]) Eid, Schwur
Lit.:
Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977
Iura ossibus inhaerent
(lat.). Die Rechte hängen an den Knochen (Personalitätsprinzip).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Iura praediorum (lat. [N.Pl. zu ius praedii]) sind im römischen Recht die landwirtschaftlichen
und städtischen Servituten (Grunddienstbarkeiten) wie (lat.) iter (N.), actus
(M.), via (F.), aquaeductus (M.), servitus (M.) stillicidii usw.
Lit.: Kaser § 28 I 2
iuris consultus (lat. [M.]) Rechtsgelehrter
Lit.: Söllner § 11; Diplovatatius, T.,
De claris iuris consultis, hg. v. Schulz, F. u. a., 1968
iurisdictio (lat. [F.])
Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit
Lit.: Söllner §§ 6, 9
iurisdictio (F.) voluntaria (lat.) → freiwillige Gerichtsbarkeit
Lit.: Wacke, A.,
Zur iurisdictio voluntaria, ZRG RA 106 (1989), 180
Iuris praecepta sunt haec -
honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (lat.). Die Anweisungen des Rechtes sind: ehrenhaft leben, den
anderen nicht verletzen, jedem das Seine zugestehen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Pseudoulpian, 3./4. Jh., Digesten 1, 1, 10 § 1); Nörr, D., Iurisperitus
sacerdos, (in) Xenion, FS J. Zepos, 1973, Bd. 1, 555
Ius (lat. [N.]) ist
das Recht und (sekundär?) das Gericht. Die Etymologie dieses Grundwortes ist
streitig (nach Seebold verwandt mit ahd. ewa?). Das Wort kann sowohl objektiv
(Gesamtheit von ordnenden Rechtssätzen, objektives Recht) wie auch subjektiv
(Einzelberechtigung, subjektives Recht) gebraucht werden.
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 17, 60, 82; Köbler, LAW;
Levy, E., Ergänzungsindex zu ius und leges, 1930; Noailles, P., Fas et ius,
1948; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feenstra, R., Ius in
re, 1979; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1988ff.; Haug, F.,
Ius und fas, 1996; Spengler, H., Studien zur interrogatio in iure, 1994;
Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14.
Jahrhunderts, 1996; Schiavone, A., Ius – L’invenzione del diritto in occidente,
2005
Ius (N.) ad rem (lat.) ist
im Mittelalter das mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäftes entstehende Recht
auf die Sache. Es erscheint in der gelehrten Literatur des 13. Jh.s (Kanonistik
[1200-1210], Summa super usibus feudorum [1230-1250, Jacques de Revigny?]) für
den Lehnsmann, der zwar bereits belehnt ist, das Lehnsgut aber noch nicht
körperlich erlangt hat. Er darf das Gut (auch im Verhältnis zu [bösgläubigen]
Dritten) an sich ziehen. Ähnliches gilt für den Erwerber einer Pfründe. In der
frühen Neuzeit wird das i. a. r. zu dem allgemeinen Grundsatz ausgebaut, dass
der spätere dingliche Erwerber einer Sache dem früheren schuldrechtlichen,
dessen Anspruch er kennt, weichen muss. In einzelnen Regelungen ist das i. a.
r. in das → Allgemeine Landrecht (Preußen 1794) eingegangen. Mit dem
preußischen Eigentumserwerbsgesetz (5. 5. 1872) wird es für unbewegliche
Sachen durch die → Vormerkung ersetzt. Im Allgemeinen Bürgerlichen
Gestzbuch (Österreich 1811/1812) und im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen
Reiches (1896/1900) fehlt es.
Lit.: Hübner 178; Köbler, DRG 126, 164; Brünneck, W. v.,
Über den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Heymann, E., Zur Geschichte des
jus ad rem, FS O. Gierke, 1911; Eisfeldt, Beiträge zur Geschichte des ius ad
rem, Diss. jur. Kiel 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, 121; Landau, P., Zum Ursprung
des „ius ad rem“ in der Kanonistik, Proceedings of the Third International
Congress of Medieval Canon Law, 1971, 81; Wesener, G., Dingliche und
persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer,
1991, 195; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002
Ius (N.) Aelianum ist im
römischen Recht das von dem frühen Rechtskundigen Sextus Aelius Paetus Catus (198
v. Chr.) zusammengefasste Recht.
Lit.: Söllner § 11; Köbler, DRG 29
Ius (N.) affectandi (lat.)
ist das im (lat.) → privilegium (N.) minus (1156) dem babenbergischen
Herzog Heinrich Jasomirgott von Österreich und seiner Frau (nicht den
Nachfolgern) gewährte Recht, bei Kinderlosigkeit den Nachfolger zu bestimmen.
Es wird im gefälschten (lat.) privilegium (N.) maius (1358) vom Fälscher auf
alle österreichischen Herzöge erweitert.
Lit.: Baltl/Kocher
Ius (N.) armorum (lat.)
ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) in der Neuzeit das Recht,
ein Heer zu unterhalten.
Lit.: Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen
Territorien von 1500-1800, (in) Forschungen zu Staat und Verfassung, 1958, 419
Ius (N.) canonicum (lat.)
(kanonisches Recht) ist das seit etwa 1140 im → Decretum Gratiani und den
folgenden Teilen des (lat.) → corpus (N.) iuris canonici niedergelegte
kirchliche oder geistliche Recht.
Lit.: Köbler, DRG 106; Maaßen, F., Geschichte der Quellen
und Literatur des canonischen Rechts, Bd. 1 1870, Neudruck 1956; Corpus iuris
canonici, hg. v. Friedberg, E., 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Codex iuris
canonici, hg. v. Gasparri, 1917; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A.
1972; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Erler, A., Kirchenrecht,
5. A. 1983; Codex des kanonischen Rechtes, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex
iuris canonici, Lemmata, 1986
Ius (N.) civile (lat.) ist
das Recht der römischen Bürger im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) gentium und zum
(lat.) ius (N.) honorarium (bzw. praetorium). Es beruht auf dem Zwölftafelgesetz,
auf den Volksgesetzen und der daran anknüpfenden Auslegung (der Rechtskundigen).
Im Frühmittelalter ist i. c. das weltliche Recht im Gegensatz zum (lat.) ius
(N.) canonicum, seit dem Hochmittelalter auch das Stadtrecht im Gegensatz zum
Landrecht (lat. ius [N.] terrae). Im 18. Jh. entspricht dem i. c. das
bürgerliche Recht (Privatrecht). Unter dem Einfluss von i. c. ersetzt
Zivilrecht zunehmend den Ausdruck Privatrecht.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 9, 16, 18, 20, 25;
Köbler, DRG 29, 30, 31, 106; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen
Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Wolter, U., Ius canonicum in iure
civili, 1975; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1
Ius (N.) civile Flavianum
(lat.) ist das 304 v. Chr. von Gnaeus Flavius veröffentlichte römische Recht.
Lit.: Köbler, DRG 29
Ius (N.) cogens (lat.) ist
das zwingende und damit von den Beteiligten nicht abänderbare Recht (z. B. Eheschließungsrecht)
im Gegensatz zum durch die Beteiligten abänderbaren Recht (lat. ius [N.] dispositivum,
z. B. gesetzliches Erbrecht).
Lit.: Kaser § 3 II
Ius (N.) commune (lat.)
ist das gemeine Recht im Gegensatz zum besonderen Recht. Im Altertum hat i. c.
keine besondere Bedeutung. Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts im
Hochmittelalter benennt es das römische Recht (und das kanonische Recht) im
Gegensatz zum besonderen Recht einzelner Orte (Städte) oder Gebiete (Länder).
Es wird erst durch die Kodifikationen abgelöst.
Lit.: Kaser § 3 VI; Söllner §§ 2, 3, 25; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 137; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A.
1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Helmholz, R., The ius commune in England,
2002; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005
Ius (N.) divinum (lat.)
ist das göttliche Recht. Es ist im Christentum schon früh als vorrangig anerkannt.
Es wird der göttlichen Offenbarung der Bibel und im weiteren Sinn auch dem
Naturrecht entnommen. Das i. d. positivum ist unabänderlich (hierarchische
Gliederung, Gewalt, Sakramente). Das i. d. naturale, das durch die menschliche
Vernunft erkannt wird, ist zwar auch grundsätzlich unabänderlich, aber
entsprechend der menschlichen Vernunft in seiner Anwendung Schwankungen
unterworfen. Das menschliche Gesetz darf nicht gegen das i. d. verstoßen. Im
19. Jh. wird das i. d. teilweise nur als moralische Anweisung eingeordnet, die
erst in Rechtssätze überführt werden muss.
Lit.: Rößer, E., Göttliches und menschliches, unveränderliches
und veränderliches Kirchenrecht, 1934; Plöchl, W., Das Legitimitätsproblem und
das kanonische Recht, 1938; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Ius est ars boni et aequi
(lat.). Das Recht ist die Kunst (bzw. das Handwerk) des Billigen und Gerechten.
Lit.: Liebs, A., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140)
Ius (N.) evocandi (lat.)
ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) das Recht des Königs, jede
Streitsache zur Entscheidung an sich zu ziehen (Evokationsrecht). Seit dem 13.
Jh. erteilt der König vereinzelt, 1356 den Kurfürsten allgemein das Privileg,
dieses Recht nicht in Bezug auf das privilegierte Land zu nutzen. 1487 bzw.
1495 verliert das Nichtevokationsprivileg grundsätzlich seine Bedeutung, weil
das königliche Gericht keine Zuständigkeit für reichsmittelbare Menschen mehr
hat.
Lit.: Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der
Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86
(1969), 75
Ius (N.) foederis (lat.)
bzw. ius faciendi foedera ist das seit 1648 allen Gliedern des Heiligen
römischen Reiches (deutscher Nation) zustehende → Bündnisrecht.
Ius (N.) gentium (lat.) (Fremdenrecht)
ist im römischen Recht seit Cicero (106-43 v. Chr.) das (römische, bei allen
Völkern - für alle Rechtssubjekte - auch) für Nichtrömer geltende Recht (Recht
der Völker), das nach späterer Ansicht auf der natürlichen Einsicht aller
Völker beruht und dem (lat.) ius (N.) naturale (→ Naturrecht) nahesteht.
Es wird vom römischen (lat. [M.]) praetor peregrinus (fremdenprätor)
angewendet, wenn mindestens ein Fremder (lat. [M.] peregrinus) beteiligt ist.,
Es gewinnt in der frühen Neuzeit für das Naturrecht erneute Bedeutung.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 18, 20; Köbler, DRG 30, 31,
146; Kaser M., Ius gentium, 1993
Ius (N.) honorarium (lat.)
ist im römischen Recht das von den Amtsträgern (Prätoren) geschaffene Recht
(lat. [N.] ius praetorium), das vorwiegend den Bereich des Rechts der Völker
(lat. ius [N.] gentium) betrifft (z. B. bonorum possessio bei bloßer traditio
von res mancipi).
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler,
DRG 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kaser, M., Ius
honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1
ius (N.) in re (lat.)
Recht in der Sache
Lit.: Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte -
iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195
iusiurandum (lat. [N.]) Eid
iusiurandum (N.) calumniae (lat.) Schikaneeid, →
Kalumnieneid
ius (N.) liberorum (lat.) Recht der Frau nach der Geburt mehrerer Kinder (z. B.
Befreiung von Geschlechtsvormundschaft)
Ius (N.) naturale (lat.)
ist das von der Natur dem Menschen vorgegebene Recht (griech. physei dikaion).
Es steht im Gegensatz zum vom Menschen geschaffenen Recht, insbesondere dem
gesetzten Recht (griech. thesei dikaion). → Naturrecht
Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 31, 146; Waldstein, W., Ius
naturale, ZRG RA 111 (1994), 1
ius (N.) offerendi (lat.) Recht anzubieten (z. B. des nachrangigen Pfandgläubigers, der die Ablösung der Forderung eines vorrangigen
Pfandgläubigers nachrückt)
Ius (N.) Papirianum ist das durch zweifelhafte Königsgesetze geschaffene, am Ende des 6. Jh.s v. Chr. von dem Oberpriester Papirius veröffentlichte, aber nicht überlieferte römische Recht.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
ius (N.) perpetuum (lat.)
Dauerpacht
Ius (N.) politiae (lat.)
ist in der frühen Neuzeit die Polizeigewalt des Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Ius (N.) praetorium (lat.)
ist das vom römischen Prätor geschaffene Amtsrecht (lat. [N.] ius honorarium).
Lit.: Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20;
Köbler, DRG 31
Ius (N.) primae noctis
(lat.) ist das nur vereinzelt belegte, (als geldlich ablösbar erklärte) Recht
des Grundherrn (Hirslanden 1538, Muri 1543) auf die erste Nacht einer
heiratenden Hintersassin.
Lit.: Schmidt, K., Ius primae noctis, 1881; Boureau, A.,
Das Recht der ersten Nacht, 1996; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten
Nacht, 1999
Ius (N.) privatum (lat.)
ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen
Beschreibung ([lat.] privatum [ius est], quod ad singulorum utilitatem [spectat])
das Recht, das den Nutzen des Einzelnen belangt. Es bildet die Grundlage für
das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte → Privatrecht.
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner §§ 7, 18; Köbler, DRG 54;
Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1
Ius (N.) publicum (lat.)
ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen
Beschreibung ([lat.] publicum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat) das
Recht, das die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft. Es bildet die
Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte öffentliche Recht.
Lit.: Kaser §§ 3 II, 17 II; Söllner §§ 7, 18; Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103
(1986), 1; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd.
1 1988
Ius (N.) quaesitum (lat.)
ist in der frühen Neuzeit das subjektive, gerichtlich geschützte Recht, das
eine Person durch einen Rechtsvorgang im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung
erlangt hat (z. B. Konzession).
Lit.: Meyer, G., Der Staat und die erworbenen Rechte, 1895
Ius (N.) Quiritium (lat.)
ist das (lat.) → ius (N.) civile der römischen Bürger.
Lit.: Kaser § 22; Söllner § 9
Ius (N.) reformandi ist im
neuzeitlichen Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) das Recht des
Landesherrn bzw. Staates, die Religionsangelegenheiten rechtlich zu gestalten.
Es wird im Frieden von Münster und Osnabrück 1648 ausdrücklich anerkannt. Seit
dem 19. Jh. wird es eingeschränkt.
Lit.: Bonin, B. v., Die praktische Bedeutung des ius reformandi,
1902; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
ius (N.) respondendi (lat.) Prinzeps
Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Rechtskundigen des römischen
Rechts verliehenes Recht, in seinem Namen auf Anfragen zu antworten,
Ius (N.) reservatum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das (dem Kaiser) vorbehaltene Recht (z. B. Gesetzesinitiative im Reichstag, Adelsverleihung) im Gegensatz zu dem nur gemeinsam mit dem Reichstag ausübbaren ius comitiale. Für das (lat.) ius reservatum limitatum (eingeschränktes Reservatrecht) bedarf der Kaiser der Zustimmung der Kurfürsten (z. B. Verhängung der Reichsacht, Einberufung des Reichstags, Ertelung von Münzrechten oder Zollrechten). Aus den Rechten des Monarchen wird im 19. Jh. die Prärogative der Krone.
Lit.: Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, Diss.
jur. Erlangen 1957 (masch.schr.)
Ius Romanum allegans fundatam habet intentionem (lat.). Wer sich auf römisches Recht beruft, hat eine
brauchbare Klagegrundlage.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre,
1977, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ius (N.) spolii (lat.),
Spolienrecht, ist der frühere Anspruch des Staates auf das bewegliche Vermögen
verstorbener kirchlicher Würdenträger.
Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
ius (N.) strictum (lat.) strenges Recht, das durch (lat. [F.])
aequitas gemildert werden kann
ius (N.) terrae → Landrecht
ius (N.) territorii et
superioritatis (lat.) Landeshoheit
Ius (N.) teutonicum (lat.)
ist im Mittelalter (12./13. Jh.) das deutsche Recht als ein deutschen Siedlern
von slawischen Fürsten gewährtes freieres Grundbesitzrecht im Osten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Die Anfänge des
deutschen Rechts, Ber. ü. d. Verh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Leipzig phil.-hist.
Kl. 93 1941, H. 2
Ius (N.) tollendi (lat.)
ist im römischen Recht das Wegnahmerecht.
Lit.: Kaser §§ 26, 27
ius (N.) tollendi (lat.) Wegnahmerecht (z. B. des im Rechtsstreit unterlegenen
Beistzers bezüglich nicht zu ersetzender, abtrennbarer Aufwendungen)
Ius (N.) transitus (lat.) ist das Durchzugsrecht durch fremdes Staatsgebiet zu → Enklaven.
Ius (N.) utrumque (lat.) ist
seit dem 12. Jh. eine Bezeichnung für das (lat.) ius (N.) canonicum und das
(lat.) ius (N.) civile. Beide Rechte lehrt vielleicht als erster Bazianus
(1197) in Bologna. Seit der Neuzeit betrifft das juristische Studium regelmäßig
beide Rechte (→ [lat.] doctor [M.] iuris utriusque).
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in
Deutschland, 1962; Utrumque ius, hg. v. Schrage, E., 1992
Ius (N.) vitae necisque
(lat.) ist im römischen Recht das Recht des Herrn über Leben und Tod eines
Menschen (z. B. lat. [M.] servus, untreue Ehefrau).
Lit.: Kaser § 12, 58, 60; Söllner §§ 5, 8
iusiurandum ([lat.] N.) Eid
iussum (lat. [N.]) Geheiß (z. B. an einen Gewaltunterworfenen auf Erwerb einer Sache), Ermächtigung (z. B. an den Geschäftspartner eines Gewaltunterworfenen
Iusta causa (lat. [F.]) ist
im römischen Recht der anerkannte Zuwendungszweck (z. B. Kauf, Mitgift) für die
Übergabe (lat. traditio [F.]) einer Sache. Fehlt die i. c., kann kein Eigentum
übertragen werden.
Lit.: Kaser § 24 IV; Söllner § 8;
Köbler, DRG 40
Iustitia (lat.
[F.]) ist die Gerechtigkeit.
Lit.: Köbler, DRG 30; Kissel, O., Die
iustitia, 2. A. 1997; Degen, B., Justitita ist eine Frau, 2008
Iustitia est constans et perpetua
voluntas suum cuique tribuendi (lat.). Gerechtigkeit
ist der stetige und fortdauernde Wille, jedem das Seine zu geben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007, 106, Nr. 195 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Institutionen 1,
1, pr.)
Iustum bellum (lat. [N.]) ist
der → gerechte Krieg.
Iustum pretium (lat. [N.])
ist im römischen Recht der gerechte Preis. Im spätantiken römischen Recht kann
der Verkäufer einer Sache den Kaufvertrag anfechten und gegen Rückzahlung des
Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis geringer ist als die
Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis fehlenden
Betrag nachzahlt (lat. laesio [F.] enormis). Allerdings ist das i. p. schwer zu
bestimmen. 1234 übernimmt die Kirche die spätantike Lehre vom i. p. Im 19. Jh.
wird die Vorstellung des i. p. wieder zurückgedrängt.
Lit.: Köbler, DRG 64; Ruland, L., Die moraltheologische
Lehre vom gerechten Preis, 2. A. 1951; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und
gerechter Preis im Spätmittelalter, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Göttlicher,
D., Iustum pretium und Vertragsgerechtigkeit, 2004
Ivo Helori, Ivo von
Hélory, (Kermartin 17. 10. 1253 [1247?, 1250?]-19. 5. 1303), Sohn eines
Landadligen, wird nach dem 13jährigen Studium von Theologie und Recht in Paris
und Orléans Offizial und Priester. Vielleicht wegen seiner Gerechtigkeitsliebe
und Verwechslungen mit → Ivo von Chartres ist er Standespatron der
Juristen und volkstümlicher Heiliger der Gerechtigkeit.
Lit.: Moeller, E. v., Der heilige Ivo, HV 20 (1909), 321;
Schott, C., Patrone und Siegel der Freiburger Juristenfakultät, Freib. Univ.bll.
2 (1962), 32; Burmeister, K., Der heilige Ivo und seine Verehrung an den
deutschen Rechtsfakultäten, ZRG GA 92 (1975), 60; Rieck, A., Der heilige Ivo
von Hélory, 1998
Ivo von Chartres (um
1046-1116) wird nach dem Studium in Paris und Bec 1090 Bischof von Chartres. Er
verfasst eine (lat.) Collectio (F.) trium partium (Sammlung dreier Teile), ein
(lat. [N.]) Decretum und eine achtbändige (lat. [F.]) Panormia, in denen er
Kanones und Dekretalen sammelt und dadurch → Gratian erheblich
beeinflusst.
Lit.: Sprandel,
R., Ivo von Chartres, 1962; Ways of Mercy, hg. v. Brasington, B., 2004
J
Jaca ist der 1076
von König Sancho Ramirez gegründete, mit einem → Fuero begabte Sitz des
Königs von Aragón.
Lit.: Nelson, L.,
The foundation of Jaca, Speculum 53 (1978), 688
Jacobus Balduini ist
der in Bologna geborene, 1213 den Professoreneid ablegende, 1229 zum Podestà
von Genua gewählte, wohl am 10. 4. 1235 verstorbene Glossator (Schüler Azos),
von dem Glossen zum Codex und zu den Digesten, De instructione advocatorum, De
primo et secundo decreto, De fratribus habitantibus und kleinere Schriften
stammen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 286
Jacobus Butrigarius
ist ein in Bologna etwa 1273 geborener, in Bologna lehrender, am 9. 4. 1348
verstorbener Jurist (lecturae, commentaria, Traktate, quaestiones, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 621
Jacobus Columbi
ist ein unsicher bezeugter Glossator, der vielleicht einen Glossenapparat zu
den libri feudorum und eine Summa feudorum verfasst hat.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 282
Jacobus de Ardizone
ist der aus Verona stammende, im früheren 13. Jahrhundert wirkende Glossator (Schüler
Azos), von dem die ardizonische Rezension der Libri feudorum, eine Summa
feudorum und eine Summa de decurionibus stammen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 278
Jacobus de Arena
ist ein wohl aus Parma gebürtiger, vielleicht zwischen 1230 und 1240 geborener
Jurist (Lecturae, Additiones, Tractatus).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 435
Jacobus de Belvisio
ist ein wohl in Bologna um 1270 geborener, in Bologna ausgebildeter, in Neapel promovierter
und dort und später in Bologna, Padua, Siena, Perugia und schließlich in
Bologna lehrender Jurist (lecturae, additiones, casus, Traktate, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 6113
Jacobus de Porta Ravennate (Bologna um 1115-11. 10. 1178) ist einer der sog. (lat.) quattuor doctores
(M.Pl.) des 12. Jh.s in Bologna, die 1158 auf dem Reichstag in Roncaglia
auftreten. Von ihm stammen Glossen, Distinktionen, Summulae, Disputationen und
möglicherweise der erste größere strafrechtliche Traktat der Glossatorenzeit
(Tractatus criminum).
Lit.: Köbler, DRG 106; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 62; Fried, J., Die Entstehung des
Juristenstandes, 1974; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997,
178
Jacobus de Ravanis (Jacques de
Révigny) (1230/1240-1290) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans dort bis 1280
Professor und 1289 Bischof von Verdun. Neben verschiedenen Vorlesungen
(lecturae) über die justinianischen Texte stammt vielleicht ein
Rechtswörterbuch (lat. Dictionarium [N.] iuris) von ihm.
Lit.: Köbler, DRG 126; Waelkens, L.,
La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Bezemer, C., Les
répétitions de Jacques de Revigny, 1987; Bezemer, C., What Jacques saw, 1997;
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 518
Jacques de Révigny → Jacobus de Ravanis
Jagd ist das
Erlegen und Fangen jagdbarer Tiere nach den Regeln des Jagdrechts. Ursprünglich
ist die J. frei. Streitig ist, seit wann danach das Recht zur J. mit dem
Eigentum am Grundstück verbunden wird. Im Frühmittelalter erklärt der König die
J. im (eingehegten) → Forst zum königlichen Recht (→ Regal). Im
Hochmittelalter geht das allmählich erweiterte Regal auf den Landesherrn über.
Der Bauer wird von der J. ausgeschlossen, wogegen er sich zu Beginn der
Neuzeit (→ Bauernkriege) vergeblich wehrt. Der Landesherr behauptet
daneben die Jagdhoheit als das Recht, die J. rechtlich zu gestalten
(Jagdverordnung, Jagdstrafrecht). 1789 wird in Frankreich, 1848 in der
deutschen Verfassung das Jagdregal durch die Jagdberechtigung des
Grundeigentümers ersetzt. Wegen der tatsächlichen Folgen wird wenig später
(Preußen 1850, 1907) zwischen dem Jagdrecht als dem Aneignungsrecht des Grundstückeigentümers
(Eigenjagdbezirke oder Jagdgenossenschaftsjagdbezirke) und der
Jagdausübungsberechtigung (auf Grund eines Jagdscheins) unterschieden.
Lit.: Hübner 287; Köbler, DRG 90, 113; Roth, K., Geschichte
des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Brünneck, W. v., Zur Geschichte
des altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Lindner,
K., Die Jagd im frühen Mittelalter, 1940; Hagenbach, B., Beiträge zur
Geschichte des Jagdrechtes auf dem Gebiete der Schweiz, 1972; Eckardt, H., Herrschaftliche
Jagd, 1976; Kohl, G., Jagd und Revolution, 1993; Jagd und höfische Kultur, hg.
v. Rösener, W., 1997; Über die Jagd, hg. v. d. bay. Ak. d. Wiss., 2002; Almond,
R., Medieval Hunting, 2003; Rösener, W., Die Geschichte der Jagd, 2004;
Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Knoll, M., Umwelt – Herrschaft,
Gesellschaft, 2004; Manfredini, A., Chi caccia e chi è cacciato, 2006;
Schennach, M., Jagdrecht, Wilderei und gute Policey, 2007
Jahr und Tag (lat. annus
[M.] et dies) ist eine im deutschen Mittelalter häufige Zeitbestimmung
unklarer Herkunft, die erstmals in Formeln der Jahre 769-775 erscheint. Nach
umstrittener Ansicht ist damit von Anfang an die im 14. Jh. ausdrücklich
belegte Frist von einem Jahr, 6 Wochen und 3 Tagen zu verstehen. Nach J. u. T.
erlangt beispielsweise der unangesprochene Erwerber eines Grundstücks die
rechte → Gewere. Nach anderer Ansicht ist mit J. die Zeit von 13
Mondmonaten zu 28 Tagen und einem zusätzlichen, auf das Sonnenjahr von 365 Tagen
fehlender Tag gemeint.
Lit.: Hübner 17; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fockema Andreae, S., Die Frist von Jahr und
Tag und ihre Wirkung in den Niederlanden, ZRG GA 14 (1893), 75; Puntschart, P.,
Zur ursprünglichen Bedeutung von „Jahr und Tag“, ZRG GA 323 (1911), 328;
Klein-Bruckschwaiger, Franz, Jahr und Tag, ZRG GA 67 (1950), 441; Hardenberg,
L., Zur Frist von Jahr und Tag, ZRG GA 87 (1970), 287
Jahresgeschenk (lat.
donum [N.] annuale) ist eine schon im Frühmittelalter bezeugte Gabe Einzelner
an den König, die einen nicht durchgesetzten Ansatzpunkt zur Entwicklung der →
Steuer bildet.
Jahrgebung (lat.
venia [F.] aetatis) ist die Mündigmachung durch Erklärung. Sie kommt aus dem
römischen Recht, erscheint im 13. Jh. und steht zunächst allein dem Kaiser zu.
Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche
Einrichtung der (lat.) venia (F.) aetatis vollständig aufgenommen. Als
Volljährigkeitserklärung erscheint sie im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900).
Lit.: Hübner; Kraut, W., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847, 86,
168; Suchier, W., Geschichte der venia aetatis in Deutschland vor 1900, Diss.
jur. Halle-Wittenberg 1907
Jakob Ben Ascher (Deutschland
um 1270-Toledo 1343) verfasst nach seiner 1303 erfolgten Auswanderung eines der
bedeutendsten jüdischen Rechtsbücher des Mittelalters (Arba ’at ha-Turim,
vierteilig). Es betrifft Gebete und Feiertage, Sklaven, Speisen und Eide,
Frauen und Ehe, sowie Diebstahl, Erbe, Vertrag und Verfahren. Verarbeitet sind
neben → Talmud zahlreiche Rechtsquellen.
Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988,
1058
Japan ist der
östlich des Festlands auf Inseln gelegene, ostasiatische, bis zum 5. Jh. schriftlose,
in Europa seit dem 15. Jh. (und im 16. und 17. Jh. über Portugiesen) bekannter
werdende Staat, dessen überkommenes, aus China stammendes Recht, das z. B. in
einem Verfahrensrechtsbuch von etwa 1220 (Goseibai-Shikimoku) überliefert ist,
nach der von den Vereinigten Staaten von Amerika 1853 erzwungenen Öffnung des
Landes (Handelsvertrag von Kanagawa 31. 3. 1854) seit 1858 Europa angenähert
und am Ende des 19. Jh.s (Meiji-Verfassung 1889) grundlegend vom europäischen
Recht (Frankreich [Strafgesetzbuch, Strafprozessordnung], Deutschland
[Verfassung, Handelsgesetzbuch 1890/9, Bürgerliches Gesetzbuch - 1890
französisch geprägtes altes Bürgerliches Gesetzbuch verkündet, aber nach
Kodifikationsstreitigkeiten nicht in Kraft getreten, durch Hozumi, Tomii und
Ume stärker deutsch geprägtes - Meiji - Bürgerliches Gesetzbuch 1896/1898])
beeinflusst wird (→ Boissonade, Hozumi, → Inoue, → Roesler).
Lit.: Köbler, DRG 184; Gonthier, A., Histoire des
institutions Japonaises, 1956; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des
europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Murakami, J., Einführung in die
Grundlagen des japanischen Rechts, 1974; Siemes, J., Die Gründung des modernen
japanischen Staates, 1975; Tanaka, H., The Japanese Legal System, 1976;
Kroeschell, K., Das moderne Japan und das deutsche Recht, (in) Japans Weg in
die Moderne, hg. v. Martin, B., 1987, 45; Die Japanisierung des westlichen
Rechts, hg. v. Coing, H. u. a., 1990; Die Einwirkung der Rezeption westlichen
Rechts auf die sozialen Verhältnisse in der fernöstlichen Rechtskultur, hg. v.
Scholler, H., 1993; Inoue, K., Geschichte Japans, 1993; Das Japanische im
japanischen Recht, hg. v. Menkhaus, H., 1994; Eckey-Rieger, A., Der
Kodifikationsstreit zum japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994; Hartmann,
R., Geschichte des modernen Japan, 1996; Ishibe, M., Die Verwestlichung des
japanischen Rechtsdenkens, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Schenck, P., Der deutsche Anteil, 1997; Takii, K., Doitsu Kokkagaku to Meiji
Kokusei (Die deutsche Staatswissenschaft und die Meiji-Verfassung), 1999;
Bruns, G., Die japanische Demokratie, 1999; Marutschke, H., Einführung in das
japanische Recht, 1999; Takii, K., Das Japanbild der deutschen Juristen während
der Meiji-Zeit, Zinbun 1999, 107; Akamatsu, H., Bezugnahmen auf das deutsche
BGB, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 651; Ando, J.,
Die Entstehung der Meiji-Verfassung, 2000; Georg Michaelis. Ein preußischer
Jurist im Japan der Meiji-Zeit, hg. v. Becker, B., 2001; Ishibe, M., Nobushige
Hozumi und die japanische Rechtswissenschaft in der Meiji-Zeit, 2001; Pohl,
M., Geschichte Japans, 2002; Rabinovitz, R., Japan’s foreign investment law of
1950, 2003; Ishibe, M., Neuere deutsche Rechtsgeschichte in Japan, ZNR 27
(2005), 62; Zöllner, R., Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart, 2006;
Fröhlich, J., Rulers, Peasants and the Use of the Written Word in Medieval
Japan, 2007
Jarl (lat. [M.]
dux, comes, praefectus) ist im altnordischen Recht der Held, Häuptling oder
Fürst. In Norwegen wird der weltliche Titel eines J. 1308 weitgehend beseitigt.
In Schweden erscheint er von der Mitte des 12. Jh.s bis zur Mitte des 13. Jh.s,
in Dänemark um 1400.
Lit.: Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen
Verfassungsgeschichte, 1933;
Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Jorgensen, P., Dansk
Retshistorie, 2. A. 1947; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989
Jarnsida (Eisenseite)
ist das 1271/1273 unter norwegischer Herrschaft (1262/1264) in → Island
eingeführte Recht. Es beruht auf Gulathinglög und → Gragas. 1281 wird die
J. durch die → Jonsbok ersetzt.
Lit.: Corpus codicum Islandicorum, Bd. 9 1936
Jasomirgott ist ein
erst seit dem Spätmittelalter belegter, vielleicht aus dem Arabischen
kommender (verballhornter) Beiname Heinrichs II. (von Babenberg, 1107/1108-13.
1. 1177).
Lit.: Eheim, F., Zur Geschichte der Beinamen der
Babenberger, Unsere Heimat 26 (1955), 157
Jason de Mayno (Pesaro
1435-Pavia 1519), außerehelicher Sohn eines Adligen aus Mailand, wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna (Alexander de Tartagnis bzw. Tartagnus) 1467 Professor
in Pisa, 1485-1488 in Padua, 1489 in Pisa. Neben zahlreichen (414) Gutachten
verfasst er umfangreiche Kommentare zu einzelnen Stellen der justinianischen
Rechtstexte.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi
a Padova nel secolo XV, 1986, 221; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 881
Jedem das Seine.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 285 ([Beyer 1985] lat. suum cuique)
Jefferson, Thomas
(1743-1826) wird nach dem Rechtsstudium am William and Mary College (1760-1762)
und einer praktischen Ausbildung 1767 Anwalt und Politiker, Gouverneur,
Gesandter in Frankreich, Außenminister und 1801 Präsident der Vereinigten
Staaten von Amerika. Er ist maßgeblich verantwortlich für die amerikanische →
Bill of Rights 1791 und die Einschränkung der amerikanischen Zentralgewalt.
Lit.: Cunningham, N., In Pursuit of Reason, 1987
Jellinek, Georg
(Leipzig 16. 6. 1851-Heidelberg 12. 1. 1911), Sohn eines Rabbiners und
Religionswissenschaftlers, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und
Leipzig 1883 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Wien, 1889
ordentlicher Professor in Basel und 1891 in Heidelberg. Sein erfolgreichstes
Werk ist die dem System der subjektiven öffentlichen Rechte (1892) folgende
Allgemeine Staatslehre (1900). Sie erfasst den Staat einerseits als soziale
Erscheinung (sozial-empirisches Sein) und andererseits als Rechtsordnung
(normatives Sollen).
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 242; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft,
hg. v. Heinrichs, H. u. a.,1993, 355; Kempter, K., Die Jellineks, 1998;
Kersten, J., Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 2000; Georg
Jellinek, hg. v. Paulson, S. u. a., 2000; Keller, C., Victor Ehrenberg und
Georg Jellinek Briefwechsel 1872-1911, 2005
Jena erscheint um
die Mitte des 9. Jh.s (830-50). Um 1230 wird es Stadt. 1556/1557/1558 erhält es
eine Universität, neben der 1569 ein Schöppenstuhl erwähnt wird (mit bis zu 500
Akteneingängen im Jahr).
Lit.: Kühn, W., Die Entwicklung, insbesondere die Anfänge
des Jenaer Stadtgerichts, 1938; Mühlmann, O., Untersuchungen zum Geschoßbuch
der Stadt Jena vom Jahre 1406, 1938; Die Matrikel der Universität Jena, Bd.
1ff., bearb. v. Mentz. G. u. a. 1944ff.; Koch, H., Geschichte der Stadt Jena,
1966; Pester, T., Zwischen Autonomie und Staatsräson, 1992; Häder, U., Das
gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena, 1996; Kämpferische
Wissenschaft, hg. v. Hoßfeld, U. u. a. 2003; Klassische Universität und
akademische Provinz, hg. v. Steinbach, M. u. a. 2005; Hochschule im
Sozialismus, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2006; Deinhardt, K., Stapelstadt des
Wissens, 2007; Wege der Wissenschaft, hg. v. John, J. u. a., 2007; Kriebisch,
A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena, 2008 (Diss.
jur. Jena 2007); Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungsprogramm der Universität
Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a., 2008
Jerusalem ist die seit
dem 18. Jh. v. Chr. v. Chr. als kannaanäisches Uruschalim (Stadt des Friedens)
belegte, um 997 v. Chr. vom israelitischen König David eroberte, von den Juden
als Hauptstadt verwendete, durch Jesus Christus zum Ausgangspunkt des Christentums
gewordene, 70 n. Chr. von den Römern zerstörte und nach Wiederaufbau 638 n.
Chr. von den Arabern eroberte Stadt im heutigen Israel bzw. Palästina.
Lit.: Tischler, C., Die burgenses von Jerusalem im 12.
Jahrhundert, 2000; Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter, hg. v. Bauer, D. u.
a., 2001; Kirstein, K., Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem, 2002;
L’idea di Gerusalemme, 2003
Jesuitenorden (lat.
societas [F.] Jesu) ist der von Ignatius von Loyola (1491-1556) seit etwa 1534
allmählich begründete, 1540 vom Papst bestätigte, katholische Männerorden zum
apostolischen Einsatz im Dienst der Kirche. Er wird in der →
Gegenreformation tätig. Am 21. 7. 1773 hebt ihn Papst Clemens XIV. auf
(Fortbestehen in Preußen, Russland und Kanada), stellt ihn am 7. 8. 1814 aber
wieder her.
Lit.: Duhr, B., Geschichte der Jesuiten, Bd. 1ff. 1907ff.;
Hollis, C., A History of the Jesuits, 1968; Hartmann, P., Die Jesuiten, 2001;
Haub, R., Geschichte der Jesuiten, 2006; Feld, H., Ignatius von Loyola, 2006;
Vogel, C., Der Untergang der Gesellschaft Jesu, 2006
Jesus (Nazareth um 4 v. Chr.?-Golgotha/Jerusalem um 30 n. Chr.) ist der nach
etwa zweijährigem Wirken als öffentlicher Wanderlehrer nach einem Prozess im
Zusammenwirken von Juden und Römern gekreuzigte jüdische Begründer der christlichen
Religion.
Lit.: Theessen, G.,
Der historische Jeus, 1996; Cohn, H., Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer
Sicht, 1998
Jhering → Ihering
Joachimica Constitutio → Constitutio
Joachimica
Johannes Andreae (bei Florenz um
1270-Bologna 7. 7. 1348) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna spätestens 1302
Lehrer des kirchlichen Rechts. Er kommentiert den → Liber sextus, die
Clementinen (lat. glossa [F.] ordinaria) und den → Liber extra. Trotz
seiner stark kompilatorischen Arbeitsweise ist er der bedeutendste
Kirchenrechtler des 14. Jh.s. In seinen (lat.) Additiones (F.Pl.) ad speculum
Guillelmi Durantis (Zusätze zum Spiegel des Wilhelm Durantis) von kurz vor 1346
stellt er als erster die Literaturgeschichte des kirchlichen Rechts dar.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 6 2. A. 1850, Neudruck 1956, 98; Pennington, K., Johannes
Andreaes Additiones to the Decretals of Gregory IX, ZRG KA 74 (1988), 328;: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 658
Johannes Bassianus
ist ein in Cremona geborener Schüler des Bulgarus in Bologna, der Lehrer Azos
(vor 1190-1220), Karolus de Toccos und Nicolaus Furiosus‘ wird und Glossen,
Lecturae, Summen, Arbeiten zum Prozessrecht, Regulae iuris, Distinktionen,
Quästionen und Consilia verfasst.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 215
Johannes de Blanasco
ist ein um 1225 in Blanot in Burgund geborener, in Bologna ausgebildeter, nach
seinem tractatus de actionibus (1256) nach Burgund zurückgekehrter Jurist.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 461
Johannes de Imola
ist ein in Imola vielleicht um 1375 geborener, in Bologna ausgebildeter und
spätestens ab 1399 lehrender, 1436 verstorbener Jurist (commentaria, consilia,
Traktat zum großen Schisma).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 807
Johannes Teutonicus (1180?-25.
4. 1245), deutscher Schusterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo)
um 1210 Rechtslehrer in Bologna und vielleicht 1220 Kanoniker in Halberstadt
(Johannes Zemeke?). Zwischen 1210 und 1217 verfasst er die (lat.) glossa (F.)
ordinaria zum (lat.) → Decretum (N.) Gratiani. Seine Sammlung der
Dekretalen Papst Innozenz’ III. von 1210-1216 setzt sich gegen den Widerspruch
des Papstes durch.
Lit.: Köbler, DRG 106; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995,
329
Johannes von Erfurt (um
1260?-1340?), Kanonist und Theologe, ist der Verfasser verschiedener früher
rechtswissenschaftlicher Arbeiten in Deutschland (u. a. [lat.] tabula [F.]
utriusque iuris von etwa 1280).
Lit.: Johannes von Erfurt, Die Summa confessorum, hg. v.
Brieskorn, N., 1981
Johannes von Saaz (oder Tepl)
(um 1350-Prag 1414) verfasst nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.)
liberales in Prag als Lehrer und Notar außer dem Ackermann von Böhmen (1401)
vier Formelbücher und einen Band des Stadtbuches von Prag (lat. Liber [M.]
contractuum, Buch der Verträge).
Lit.: Stutz, U., Rechtshistorisches in und zu dem Ackermann
aus Böhmen, ZRG 41 (1920), 388
Johann von Buch → Buch, Johann von
Johanniter ist der Angehörige des 1099
gegründeten Johanniter ordens.
Lit.: Staehle, E.,
Geschichte der Johanniter und Malteser, Bd. 1ff. 2002; Die Ballei Brandenburg
des Johanniterordens, Findbuch, hg. v. Neitmann, K., 2006
joint tenancy (N.) Gesamthandsgemeinschaft
Jonsbok (F.) (oder
Lögbok Islendinga) ist der Name des 1281 in → Island eingeführten, in
rund 200 Handschriften überlieferten, nach (dem Lögmann) Jon Einarsson
benannten, in zehn Teile gegliederten Rechts König → Magnus Hakonarsons.
Die J. bleibt bis in das 18. Jh. bedeutsam.
Lit.: Halldorsson, Kong Magnus Hakonarsons Lovbog for
Island, 1904; Fix, H., Wortschatz der Jonsbok, 1984
Jordan von Osnabrück (um
1225?-15. 4. 1283?), Domkapitular in Osnabrück, verfasst wohl vor 1273 einen
durch → Alexander von Roes 1281 überlieferten (lat.) Tractatus (M.) super
Romano imperio (Abhandlung über das römische Reich), in dem er den Vorrang des
römischen Reiches bis an das Weltende lehrt.
Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von
Roes, 1910
Josaphat („Jahwe
richtet“) ist nach Joel 4,12 im jüdisch-christlichen Verständnis der Ort des
Jüngsten Gerichts (meist als Kidrontal verstanden).
Lit.: Hardung, S., Die Vorladung vor Gottes Gericht, 1934
Joseph II. (Wien 13. 3. 1741-20. 2. 1790), Sohn Kaiser Franz’ I. und Maria
Theresias, wird 1764 römischer König, 1765 Kaiser und nach dem Tod seiner Mutter
(29. 11. 1780) alleiniger Landesherr der österreichischen Erblande. Er strebt
einen zentralistischen Gesamtstaat → Österreich deutscher Staatssprache
an. Seine rastlose aufgeklärte Reformpolitik (Schule, Bildungswesen,
Gesundheitswesen, Toleranz 1781, Allgemeine Gerichtsordnung 1781, Ehepatent
1783, Erbfolgepatent 1786, → Josephinisches Gesetzbuch 1786/1787,
Josephinisches Strafgesetzbuch 1787/1788 mit Todesstrafe nurmehr im
Standrecht, Kriminalgerichtsordnung 1788, Bauernbefreiung, Josephinismus) kann
sich gegen ständischen und föderalen Widerstand nicht durchsetzen.
Lit.: Winter, E., Der Josefinismus, 2. A. 1962;
Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Mikoletzky, L.,
Kaiser Joseph II., 1979; Bernard, P., The limits of enlightenment, 1979;
Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Beales, D., Joseph
II., 1987; Blanning, T., Joseph II., 1994
Josephinisches Gesetzbuch
ist das aus dem Entwurf gebliebenen (lat.) → Codex (M.) Theresianus
(1766) über den Entwurf Horten (1776) hervorgegangene österreichische
Gesetzbuch vom (1. 11. 1786 bzw.) 1. 1. 1787. Dieses „Allgemeine bürgerliche
Gesetzbuch“ enthält nur das Personenrecht. Es wird zum 1. 1. 1812 durch das →
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 142; Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch.
Erster Teil, 1786; Harras von Harrasowsky, Der Theresianus und seine
Umarbeitungen, 1886¸ http://www.koeblergerhard.de/Fontes/JGB20070429-rund18800woerter.htm
Josephinismus ist
das staatspolitische bzw. kirchenpolitische System des aufgeklärten →
Absolutismus unter → Joseph II. (1780-1790) in → Österreich. Im J.
wandelt der Landesherr die ständische Verwaltung in eine bürokratische
Beamtenverwaltung um. Die Leibeigenschaft wird abgeschafft, Wohlfahrtseinrichtungen
werden gegründet. Deutsch wird Amtssprache. Der geistliche Bereich der Kirche
wird auf Predigt, Sakrament, Gottesdienst und Disziplinargewalt über den
Klerus beschränkt. Die Geistlichen werden Staatsbedienstete. Der evangelischen
Religion wird Toleranz gewährt (Toleranzpatent 1781). Die Ehe wird
bürgerlicher Vertrag (Ehepatent 1783). Grundgedanke ist die Nützlichkeit für
Staat und Gesellschaft. Viele Einzelmaßnahmen stoßen auf Widerstand und müssen
zurückgenommen werden.
Lit.: Winter, E., Der Josephinismus und seine Geschichte,
1943; Maass, F., Der Frühjosephinismus, Bd. 1ff. 1951ff.; Winter, E., Der
Josephinismus, 2. A. 1962; Der Josephinismus, hg. v. Reinalter, H., 1993; Der
Josephinismus, hg. v. Klueting, H., 1995; Josephinismus als aufgeklärter
Absolutismus, hg. v. Reinalter, H., 2008
Jude ist der
Angehörige der Religionsgemeinschaft Judentum, ursprünglich der Bewohner des
Reiches des nach dem vierten Sohn Jakobs benannten Stammes (Gebiet um
Jerusalem, Hebron, Beer Sheva). Die Frühgeschichte der Juden ist nicht
eindeutig feststellbar. Im 8. Jh. v. Chr. werden die Oberschichten der Reiche
Israel und Juda deportiert. 587 v. Chr. gerät das Reich Juda unter die
Herrschaft Babylons. 538 v. Chr. erlaubt König Kyros II. von Persien den in
diesem Zusammenhang verschleppten Juden die Rückkehr nach Jerusalem. 63 v. Chr.
erobern die Römer Jerusalem. Aufstände der Juden schlagen die Römer 70 n. Chr.
unter Zerstörung Jerusalems, 115-117 und 132-136 n. Chr. blutig nieder. Bis zum
5./6. Jh. breiten sich die Juden unter Bewahrung ihrer besonderen Religion und
ihres besonderen Rechtes in einzelne Gebiete Spaniens, des Frankenreiches und
Italiens aus und verlegen sich dabei auf die Tätigkeit als Händler. 638 fällt
Jerusalem an die Araber. Bis in das 9. Jahrhundert, in dem die Juden unter dem
Kalifen al-Mutawakkil mit einem besonderen Abzeichen gekennzeichnet werden,
sind sie im Frankenreich nur am Mittelmeer sichtbar. Seit dem 9. Jh. werden
ihnen im Frankenreich Schutzprivilegien gewährt, für die sie einen Schutzzins
leisten. Im Reichslandfrieden von 1103 werden die Juden, die in den Städten in
eigenen Gassen oder Vierteln (Ghettos) leben, unter die besonders befriedeten
Personen aufgenommen. 1236 unterstellt sie Kaiser Friedrich II. als
Kammerknechte gegen Abgaben (Judensteuer) dem Schutz des Königs bzw. des ihm
hierin folgenden Landesherrn (Judenregal). Da die Juden wegen des nur Christen
treffenden → kanonischen Zinsverbotes den Geldwechsel und das
verzinsliche Darlehen an sich ziehen, werden sie zur Zeit der Verbreitung der
Pest (1347-1351, im Herbst 1347 durch genuesische Schiffe von der Krim nach
Italien gebracht, je 50000 Tote in Florenz und Genua, im Heiligen römischen
Reich vielleicht ein Zehntel der Bevölkerung an der Pest gestorben) als deren
angebliche Urheber vielfach verfolgt und weitgehend aus den Städten vertrieben.
In den Schriften deutscher Juristen des 16. und 17. Jh.s werden sie zwar
abgelehnt, aber vor allem aus Nächstenliebe, später (Justus Henning Böhmer
1674-1749) auch aus naturrechtlichen Überlegungen geduldet. Im 17. und 18. Jh.
gelingt einzelnen der verbliebenen Juden der Aufstieg im Bankwesen. In der
Aufklärung (z. B. Dohm, C., Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781)
erhalten die Juden alle staatsbürgerlichen Rechte (Virginia 1776, Frankreich
1791, Preußen 11. 3. 1812 Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der
Juden in dem preußischen Staate – das die einheimischen Juden zu Inländern und
preußischen Staatsbürgern erklärt und ihnen grundsätzlich gleiche bürgerliche
Rechte wie den Christen zuspricht -, 1850, Österreich 1867, Sachsen 1868
Gleichberechtigung aller Staatsangehörigen unabhängig von der
Religionszugehörigkeit in Verfassungsrang erhoben), müssen aber ihr besonderes
Recht und ihre besondere Gerichtsbarkeit einschränken. Dabei wird nach 1780
allgemein die Forderung nach Eingliederung der jüdischen Minderheit in die
Gesellschaft erhoben. Als Folge der Gleichstellung und der durch die frühere
Ausgrenzung begünstigten Vorreiterrolle in der Verbürgerlichung ziehen die
Juden in die Großstädte und aus dem Osten in die deutschen Staaten, wo sich
beispielsweise in Sachsen erst nach 1830 die Befürworter eines langsamen
Angleichungs- und Erziehungsprozesses durchsetzen. Gegen 1860 hat sich das
Judentum als eigene kulturelle Komponente in der bürgerlichen Gesellschaft
etabliert (1871 1,05 Prozent der Deutschen, 1925 564379, 1933 499682 oder 0,76
Prozent von rund 65 Millionen). In Abwehr der Judenemanzipation entsteht am
Ende des 19. Jh.s der Antisemitismus (in Deutschland z. B. Treitschke,
Stoecker, Eugen Dühring, Wilhelm Marr, Hermann Ahlwardt, Theodor Fritsch
[1852-1933], Otto Böckel, Erwin Bauer, Max Bewer, Alfred Rosenberg, Hans F. K.
Günther). Er bildet einen Kern des politischen Programmes des → Nationalsozialismus
Adolf → Hitlers. Als Folge der bis 1918 judendiskriminierenden Einstellungspolitik
sind Juden im Staatsdienst nur schwach vertreten (1924 in Preußen von 987
Ordinarien 39 Juden, daneben 97 nicht beamtete Professoren, 43 Privatdozenten)
und drängen in den Rechtsanwaltsstand. 1933 wird (bei
9208 im Deutschen Reich zugelassenen Rechtsanwälten, davon rund 5000 nicht
arisch) mehr als ein Viertel (von 11814 3370 d. h. 28,5 %) der Rechtsanwälte
Preußens und die Hälfte (54 oder 48 %, rund 1830) der Rechtsanwälte Berlins als
Nichtarier erfasst (Frankfurt am Main 45 %, Breslau 35 %, Hamm 14 %, Kiel 7 %,
Bayern 460 von etwa 2400). Von 1663 Beamten des höheren Dienstes Preußens
werden 211 und 285 Beamte vom Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
betroffen (28 %, im übrigen Reich von 2339 Beamten 106 und 143, also 9,5 %).
Von 536 Richtern und Staatsanwälten jüdischer Herkunft in Preußen müssen von
Juni 1933 bis Ende 1935 309 (58 Prozent) und bis zur Mitte des Jahres 1937
weitere 182 den Justizdienst verlassen und können nur 41 (als sog.
„Mischlinge“) verbleiben. 1935 werden die Juden diskriminiert (1936 Entzug des
Titels und der Lehrbefugnis für alle jüdischen Professoren und Dozenten, 1937
Verbot der Promotion für jüdische Studenten, 1938 Verbot der Immatrikulation
für jüdische Studenten, Verbot der Benutzung von Bibliotheken und Archiven für
jüdische Professoren und Dozenten, 761 jüdische Berliner Rechtsanwälte
entlassen). Die 1938/1939 als Alternative zu der vom Ausland bzw. möglichen
Einwanderungsländern abgelehnten Auswanderung (von 300000 bis 400000 Juden)
angedrohte Vernichtung wird seit Sommer 1941 verwirklicht. Nur ein geringer
Teil der europäischen Juden (um 1930 500000 Juden im Deutschen Reich [1933
500000 mit einem geschätzten Vermögen von 16 Milliarden Reichsmark = 30000 RM
pro Person, 778 Millionen Reichsmark Einnahmen des Reiches aus der Enteignung
deportierter Juden], 190000 in Österreich, 1939 72000 Judenmischlinge ersten
Grades und 39000 Judenmischlinge zweiten Grades in Deutschland) überlebt die
sog. Endlösung (Holocaust).
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Judeneid ist der
besondere, von → Juden in Rechtsstreitigkeiten mit Nichtjuden zu
schwörende, seit dem 9. Jh. überlieferte Eid.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Claussen, H., Der Judeneid, 1937;
Schmidt, R., Judeneide in Augsburg und Regensburg, ZRG GA 93 (1976), 322;
Zimmermann, V., Die Entwicklung des Judeneids, 1973; Kisch, G., Ausgewählte
Schriften, Bd. 1 1978, 137; Vormbaum, T., Der Judeneid im 19. Jahrhundert, 2007
Judenpogrom → Juden
Judenrecht ist das
besondere, für → Juden geltende Recht. Es ist teils nichtjüdisches Recht
(z. B. Codex Theodosianus 438, Codex Justinianus 534), hauptsächlich aber
jüdisches, auf die Tora gegründetes, in Mischna und Talmud aufgezeichnetes,
und in Mischne Tora und Schulchan aruch gesetztes Recht.
Lit.: Linder,
A., The Jews in Roman Imperial Legislation, 1987; Pakter, W., Medieval Canon
Law and the Jews, 1988; An Introduction to the History and Sources of Jewish
Law, hg. v. Hecht, N. u. a., 1997; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte,
4. A.
2004
Judenregal →
Jude
Judenverfolgung →
Jude
Judicature Acts von
1873/1875 sind Gesetze, die das englische Gerichtsverfassungsrecht erheblich
abändern und dabei das Gericht des Kanzlers mit den drei Gerichten des Königs
verbinden.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Judikative ist im
Rahmen der → Gewaltenteilung die rechtsprechende Gewalt.
Lit.: Köbler, DRG 191
Judikatur (F.) Rechtsprechung
Lit.: Mertens, H., Untersuchungen zur zivilrechtlichen
Judikatur des Reichsgerichts, AcP 174 (1974), 333; Schulte-Nölke, H.,
Rheinische Judikatur, ZNR 1998, 84
jüdisches Hehlerrecht → Hehler
Jugend ist die Zeit
des Heranwachsens eines Menschen. Für die J. gelten seit Entstehung des Rechts
besondere Rechtssätze. → Kind, Vormundschaft, Jugendgericht, Jugendstrafrecht
Lit.: Speitkamp, W., Jugend in der
Neuzeit, 1998
Jugendgericht ist
das für Jugendsachen in Deutschland zuständige Gericht, das 1908 durch gerichtliche
Organisationserlasse in Köln, Frankfurt am Main und Berlin und allgemein durch
das Jugendgerichtsgesetz (16. 2. 1923) geschaffen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234; Baltl/Kocher
Jugendschutz ist
der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren. Ihm dient das besondere
Jugendschutzgesetz (Deutschland 1985, Jugendarbeitsschutzgesetz 1976, Österreich
1987).
Lit.: Ukrow, J., Jugendschutzrecht, 2004
Jugendstrafrecht ist
das seit dem 19. Jh. entstehende besondere Strafrecht für Jugendliche
(Deutschland 16. 2. 1923 Jugendgerichtsgesetz).
Lit.: Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts,
1957; Roth, A., Die Entstehung eines Jugendstrafrechts, ZNR 1991, 17; Wolff, J.
u. a., Das Jugendstrafrecht zwischen Nationalsozialismus und Demokratie, 1997;
Fritsch, M., Die jugendstrafrechtliche Reformbewegung, 1999; Oberwittler, D.,
Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Günzel, S., Die geschichtliche Entwicklung
des Jugendstrafrechts, 2001; Schady, J., Die Praxis des Jugenstrafrechts in der
Weimarer Republik, 2003; Kraft, B., Tendenzen in der Entwicklung des
Jugendstrafrechts, 2004
Jugoslawien ist der
1918 aus Gebieten Österreich-Ungarns (Bosnien-Herzegowina, Dalmatien, Krain und
Kroatien), des osmanischen Reiches (Montenegro) und des seit 1830 autonomen und
seit 1878 unabhängigen Königreichs (1882) Serbien gebildete südosteuropäische
Staat. Am 29. 10. 1918 wird die Loslösung Kroatiens, am 30. 10. 1918 die
Loslösung Bosniens und Herzegowinas von Österreich, am 19. 11. 1918 der
Anschluss Montenegros an Serbien ausgerufen. Am 1. 12. 1918 wird das Königreich
der Serben, Kroaten und Slowenen erklärt. Zu ihm kommen Teile Kärntens, der
Steiermark und Unganrns. 1929 wird das Land in J. umbenannt, 1941-1945 vom
Deutschen Reich und von Italien aufgelöst, am 29. 11. 1945 zur Republik
umgewandelt. 1947 kommen das ehemalige
Küstenland (ohne Triest) und Zadar hinzu. Seit 1991 zerfällt es wieder in mehrere
Einzelstaaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien [1992
Bundesrepublik mit Montenegro, 2006 getrennt], Makedonien).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler,
Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
4,5,325; Büschenfeld, H., Jugoslawien, 1981; Geč-Korošec, M., Die
geschichtliche Entwicklung des jugoslawischen Familienrechts, ZRG GA 106
(1989), 331; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Baer,
S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Suppan, A., Jugoslawien und Österreich,
1996; Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, verf. v. Arbeitskreis
Dokumentation in der donauschwäbischen Kulturstiftung, 1998; Der
Jugoslawien-Krieg, hg. v. Melcic, D. u. a., 1999; Meier, V., Wie Jugoslawien
verspielt wurde, 3. A. 1999; Meier, V., Jugoslawiens Erben, 2001; Dérens,
J./Samary, C., Jugoslawien von A bis Z, 2001; Schmider. K., Partisanenkrieg in
Jugoslawien 1941-1944, 2002; Zlatar, Z., The Poetics of Slavedom, 2007; Ramet,
S., Die drei Jugoslawien, 2008
Julianus → Iulianus
Jülich ist der
Mittelpunkt einer Grafschaft, die 1356 zum Herzogtum erhoben wird und deren
Gebiet über Pfalz-Neuburg (1614), Bayern (1777) und Preußen (1814/5) 1946 zu
Nordrhein-Westfalen kommt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze und Verordnungen, Bd. 1 1821; Landtagsakten von Jülich-Berg
1400-1610, hg. v. Below, G. v., Bd. 1f. 1895ff.; Stölzel, A., Die Entwicklung
der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Düren, bearb. v. Schoop, A.,
1920; Croon, H., Stände und Steuern in Jülich-Berg, 1929; Jülich, bearb. v.
Lau, F., 1932; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat, 1982; Kraus, T.,
Jülich, Aachen und das Reich, 1987
Jüngstenrecht (Minorat)
ist das Erbrecht des Jüngsten als Alleinerben bei mehreren an sich gleich nahen
Verwandten. Es entsteht im → Anerbenrecht. Es ist weniger verbreitet als
das Ältestenrecht.
Lit.: Hübner 803; Kroeschell, DRG 2
Jüngster Reichsabschied ist der
am 17. 5. 1654 verkündete letzte Reichsabschied des Reichstags des Heiligen
römischen Reiches (deutscher Nation) (vor dem immerwährenden Reichstag). Von
Bedeutung ist die im jüngsten Reichsabschied enthaltene neue Verfahrensordnung
des Reichskammergerichts mit der Abschaffung der artikulierten Klage usw.
Lit.: Ruville, A. v., Die kaiserliche Politik auf dem
Regensburger Reichstag 1653-1654, 1896; Fürnohr, W., Der immerwährende
Reichstag zu Regensburg, 1963
Jüngstes Gericht ist das von
der jüdisch-christlichen Religion erwartete Gericht Gottes am Ende der Welt.
Juniorat →
Jüngstenrecht
Junker (M.) Jungherr
Lit.:
Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Wagner,
P., Bauern, Junker und Beamte, 2005
jura (lat. [N.Pl.]) → ius (lat. [N.])
Jura ist das Gebiet
eines Gebirgszuges nahe dem Doubs. Der französischsprachige J. gehört bis 1815
zum Hochstift Basel, danach zum Kanton Bern. Nach Volksabstimmungen im Jura
(1974) und in der → Schweiz (24. 9. 1978) wird J. selbständiger Kanton.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1859
Jurisdiktion (F.)
Rechtsprechung, Erstbeleg 1298
Jurisdiktionsnorm ist
in Österreich das Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
vom 1. 8. 1895.
Lit.: Baltl/Kocher
Jurisprudenz (Rechtsklugheit) ist die (römische) Rechtskunde. Sie geht von den Priestern
(lat. [M…] pontifices, Brückenbauer) aus, entwickelt sich im Handeln (agere),
Schützen (cavere) und Antworten (respondere) und ist bedeutsam im klassischen
römischen Recht (3. Jh. v. Chr.-3. Jh. n. Chr., Hochklassiker z. B. Celsus,
Julian, Gaius, Pomponius mit klarer, knapper Sprache, sachlicher Darlegung und
überzeugender Lösung) sowie als Rechtswissenschaft seit der Wiederentdeckung
des römischen Rechtes im Hochmittelalter (→ Irnerius). Der durch J.
fachlich Gebildete ist seit dem Hochmittelalter der → Jurist. →
Begriffsjurisprudenz, Interessenjurisprudenz, Wertungsjurisprudenz
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30, 99; Kirchmann,
J. v., Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Neudruck 1956,
1960, 1988; Ihering, R. v., Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, 1868, hg.
v. Behrends, O., 1998; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit,
1960; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik,
1961; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969;
Stupp, H., Mos geometricus oder prudentia als Denkform der Jurisprudenz, Diss.
jur. Köln 1970; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Kisch, G., Studien
zur humanistischen Jurisprudenz, 1972; Blühdorn, J., Naturrechtskritik und
„Philosophie des positiven Rechts“, TRG 41 (1973), 3; Hübner, H., Jurisprudenz
als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Schröder,
J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979;
Backhaus, R., Casus perplexus, 1981; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Rückert,
J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984;
Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Radding, C., The
Origins of Medieval Jurisprudence, 1988; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in
Afrika, 1993; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Liebs, D., Römische
Jurisprudenz in Gallien (2. bis 8. Jashrhundert), 2002; Jenseits von Bologna,
hg. v. Kilian, M., 2006
Jurist ist der
planmäßig rechtswissenschaftlich ausgebildete Rechtsgelehrte. Rechtskundige
kennt bereits das römische Altertum, in dem die öffentliche Ausübung einer
weltlichen Rechtsunterweisung anschei-nend zuerst durch den ersten plebejischen
(lat.) pontifex (M.) maximus (Oberpriester) Tiberius Coruncanius (254 v. Chr.)
erfolgt. Im Hochmittelalter beginnt die Ausbildung von Juristen wohl mit →
Irnerius und seinen Schülern am Anfang des 12. Jh.s. 1267 begegnet der erste
gelehrte Jurist des Erzbistums Salzburg, danach des Erzbistums Trier. Kurz vor
1300 erscheint der erste, in Bologna noch ohne Grad ausgebildete J. am Hof des
Erzbischofs von Mainz, dem bis 1440 49 weitere, dann meist in Heidelberg oder
Erfurt geschulte Juristen folgen (Bremen 1328, Riga 1360). Insgesamt finden
sich zwischen 1250 und 1440 etwa 700 rechtsgelehrte Personen in 55 geistlichen
und 29 weltlichen Herrschaftsgebieten (König von Böhmen 72, Herzog von
Österreich 60, Erzbischof von Köln 56, Erzbischof von Mainz 49, Herzog von
Bayern 34, Bischof von Konstanz 32). Aus Bologna sind zwischen 1265 und 1425
3601 deutsche Studierende des Rechts (21 neue Namen jährlich, 0,7 Graduierungen
im Jahr) bekannt, aus Prag zwischen 1372 und 1418 3563 (jährlich 78 neue Namen
und 7 Graduierungen), aus Köln seit etwa 1400 30 (juristische)
Neuimmatrikulierte jährlich, aus Wien seit 1402 vielleicht 20, aus Heidelberg
deutlich weniger. Gegen 1300 verwendet Hugo von Trimberg im Deutschen das Wort
J. Kanonisten begegnen am deutschen Königshof erstmals unter Rudolf von
Habsburg († 1291), Legisten unter Karl IV. († 1378, in Frankreich unter Ludwig
IX., † 1270). Unter Kaiser Friedrich III. (1452–1493) dient dem Königtum die
Hälfte der mehr als 250 aus dem gesamten Spätmittelalter bekannten gelehrten
deutschen Juristen des Königs und damit ebenso viele wie in der Zeit zwischen
1300 und 1450 und mehr als an irgendeinem landesherrlichen Hof. Die Zahl der
vor allem dem niederen Adel und dem städtischen Großbürgertum entstammenden
Juristen, die zeitweise als dem Adel gleichwertig gelten, steigt anfangs
langsam, im 15. Jh. bereits deutlich, seit dem 20. Jh. immer stärker (um 1995
ca. 150000 Juristen in Deutschland). Im Dritten Reich wenden sich auch Juristen
dem Nationalsozialismus zu (u. a. Kitzeberger Lager junger Rechtslehrer mit
Wieacker, Lange, Thieme, Maunz, Dahm, Ernst Rudolf Huber, Busse, Ritterbusch
und Henkel in Kitzeberg bei Kiel 1936). Die 150 berühmtesten (deutschen)
Juristen studierten im Durchschnitt an 1,88 Universitäten und lehrten
durchschnittlich an 2,26 Universitäten, wechselten also (zur Vermehrung ihrer
Fähigkeiten und geistigen Unabhängigkeit) einmal im Studium und einmal im Beruf
ganz selbverständlich.
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 8, 100, 114, 151,
154, 188, 262; Dahl, F., Juridiske Profiler, 1920; Schultheß, H., Schweizer
Juristen, 1945; Genzmer, E., Hugo von Trimberg und die Juristen, Studi P.
Koschaker, Bd. 1 1954, 289; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt
Nürnberg, (in) Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Wieacker, F., Textstufen
klassischer Juristen, 1960; Boockmann, H., Laurentius Blumenau, 1965; Kunkel,
W., Die römischen Juristen, 2. A. 1967, Neudruck 2001, Neudruck 2001; Becker,
G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices, 1970;
Laufs, A., Rechtsentwicklungen in Deutschland, 1973, 5. A. 1996; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Deutsche Juristen aus
fünf Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a. 1976; Deutsche und europäische
Juristen aus neun Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 4. A. 1996, 5. A.
2008; Kolbeck, T., Juristenschwemmen, 1978; Das Profil des Juristen in der
europäischen Tradition, 1980 (Festband f. Franz Wieacker); Jessen, J., Die
Selbstzeugnisse der deutschen Juristen, 1983; Die Rolle des Juristen bei der
Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Schulen und Studium,
hg. v. Fried, J., 1986; Männl, I., Die gelehrten Juristen, Diss. phil. Gießen
1986; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Juristen in
Österreich (1200-1980), hg. v. Brauneder, W., 1987; Biographisches Repertorium
der Juristen im Alten Reich (A-E und Katalog der Sammlung Lehnemann), hg. v.
Ranieri, F., Bd. 1ff. 1987ff. (CD-ROM 1997); Juristen im Portrait, 1988;
Streitbare Juristen, hg. v. Kritische Justiz, 1988; Köbler, G., Wie werde ich
Jurist?, 4. A. 1988; Wirth, T., Adelbert Düringer, 1989; Göppinger, H.,
Juristen jüdischer Abstammung, 1990; Stiefel, E. u. a., Deutsche Juristen im
amerikanischen Exil, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18.
Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Ebert,
I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Beneduce, P., Il corpo
eloquente, 1996; Internationaler biographischer Index des Rechts und der
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff., 1996; Dilcher, G., Der deutsche Juristenstand, FS
K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Liebs, D., Römische Juristen der
Merowinger, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Juristinnen in
Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Recht und
Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Schmutz, J., Juristen für das
Reich, 2000; Langer, S., Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000; Frassek,
R., Steter Tropfen höhlt den Stein – Juristenbildung im Nationalsozialismus,
ZRG GA 117 (2000), 294; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 2001 (Taschenbuchausgabe);
Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Österreichische Rechtswissenschaft
in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003; Jurists uprooted –
German speaking émigré lawyers in twentieth-century Britain, hg. v. Beatson, J.
u. a., 2004; Wegerich, C., Die Flucht in die Grenzenlosigkeit. Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963), 2004; Diccionario
crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.;
Juristische Argumentation – Argumente der Juristen, hg. v. Cordes, A., 2005;
Zwischen Rechtsstaat und Diktatur – Deutsche Juristen im 20. Jahrhundert, 2006;
Juristenausbildung in Europa, hg. v. Baldus, C. u. a., 2008
Juristenausbildung ist
die universitäre oder praktische Ausbildung zu einem → Juristen (→ Rechtsunterricht).
Sie beginnt im Mittelalter nach vorrechtswissenschaftlichen Anfängen im 12. Jh.
Ausbildungsort ist hauptsächlich die → Universität, in England aber auch
die Juristenzunft (engl. inn of court). An der Universität ist die juristische
Fakultät eine der drei über der artistischen Fakultät stehenden oberen
Fakultäten. Lehrbefugt ist am Beginn der (lat. [M.]) doctor, seit dem 19. Jh.
der Habilitierte. Studierberechtigt ist anfangs der Lateinkundige, seit dem
18. Jh. der (lateinkundige) Abiturient (Preußen 1788) bzw. Maturant. Frauen
werden erst zu Beginn des 20. Jh.s zugelassen. Die Dauer des Studiums ist
zunächst (6-8 Jahre) unbestimmt, wird im 19. Jh. aber auf eine Mindestzeit von
6, später 7 Semestern festgelegt. Wichtigste Lehrveranstaltung ist die
Vorlesung (lat. [F.] praelectio). Lehrgegenstand sind ursprünglich die
römischen Texte Justinians und die kirchlichen Sammlungen, seit dem 16. Jh.
einzelne Fachgebiete. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1710, 1713) wird (für den
Staatsdienst) eine der Universitätsausbildung folgende (praktische Ausbildung
mit anschließender) Prüfung (zum Volljuristen) vorausgesetzt.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Muther, T., Zur Geschichte der
Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland, 1867; Weimar, P., Die
legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der
Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Köbler, G., Zur Geschichte der
juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Bake, U., Die Entstehung
des dualistischen Systems der Juristenausbildung in Preußen, Diss. jur. Kiel
1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
Bd. 1ff. 1972ff.; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Köbler, G.,
Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Hagemann, H.,
Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, ZNR 14 (1992), 162; Frassek, R.,
Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in
den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der
juristischen Staatsexamina, 1995; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996;
Lührig, N., Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, 1997;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007; Juristenausbildung in Europa zwischen Tradition und Reform, hg. v.
Baldus, C. u. a., 2008
Juristen, böse Christen ist
eine wohl ansatzweise im Spätmittelalter entstandene Redewendung (überliefert
in vier Handschriften von Hugo von Trimbergs Lehrgedicht „Der Renner“ [um
1300]). Sie hat ihren Grund in den Vermutungen, dass der gelehrte Rechtskundige
auf der Seite der Mächtigen steht, die Wahrheit verdunkelt und die Verfahren
verlängert.
Lit.: Stintzing, R. v., Das Sprichwort „Juristen, böse
Christen“, 1875; Riezler, E., Die Abneigung gegen den Juristen, 1925
Juristenfakultät ist
die den Rechtsunterricht ausführende Fakultät der Universität. Sie entsteht
seit dem 13. Jh. in Oberitalien und Frankreich (Paris), seit dem 14. Jh. auch
im deutschen Sprachraum. Die J. ist Verbandsperson, gerät aber in der Neuzeit
unter staatlichen Einfluss (Wittenberg 1508, einzelne → Universitäten).
Im 20. Jh. nimmt die zahlenmäßige Größe sehr stark zu.
Lit.: Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universitäten,
Bd. 1f. 1888ff., Neudruck 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg und die Lizentiaten der
Juristenfakultät von 1386 bis 1436, (in) Semper aperta, FS Universität
Heidelberg, Bd. 1 1985, 85
Juristenrecht ist
das von Juristen (statt vom Volk oder vom Gesetzgeber) geschaffene Recht. Es
spielt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion des frühen 19. Jh.s (→
Puchta) eine gewisse Rolle. → Richterrecht
Lit.: Kaser § 2 II; Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 4;
Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, Genossenschaften, Stände, Gemeines Recht,
1846; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22;
Hofer, S., Zwischen Gesetzestreue und Juristenrecht – Die Zivilrechtslehre
Friedrich Endemanns (1857-1936), 1993
Juristenstand → Jurist
Juristentag ist
eine freiwillige, periodisch stattfindende Versammlung von Juristen (in
Deutschland seit 1860). Zielsetzung ist die öffentliche Erörterung von
allgemeinen Rechtsfragen.
Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, (in)
Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des
deutschen Juristentages, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag
1960-1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996
Juristische Person
ist die durch die Rechtsordnung geschaffene Person. Dem Altertum ist der
Gedanke, dass ein Personenverband mit selbständiger Rechtsfähigkeit
ausgestattet sein kann, noch fremd. Die Römer sehen z. B. beim Staat oder
Verein die Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Rechtsträger an. Wohl als
Folge der zunehmenden Verdichtung der Gesellschaft und der sich hieraus ergebenden
Verstärkung der Verbandsbildung (Stadt, Gemeinde, Staat, Universität, Orden,
Zunft, Markgenossenschaft usw.) spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von
einer (lat.) persona (F.) ficta (erdachten Person). Im 19. Jh. wird auf der
Grundlage naturrechtlicher Ansätze der moralischen Person oder juristischen
Person eigene Rechtsfähigkeit zuerkannt. Streitig ist nur, ob die j. P. eine
Fiktion (→ Savigny) oder ein sozialer Organismus (→ Gierke) sei.
Juristische Personen sind vor allem → Verein (u. a. → Aktiengesellschaft,
Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und → Stiftung sowei Körperschaft
und Anstalt. Seit dem ausgehenden 20. Jh. ist auch die Einmanngesellschaft als
j. P. möglich. Die j. P. des Privatrechts entsteht durch Rechtsgeschäft, die
j. P. des öffentlichen Rechts durch Hoheitsakt. Sie handelt nach der Fiktionstheorie
durch Vertreter, nach der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit durch
Organe.
Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 207; Henkel, W., Zur
Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Huussen-de Groot, F.,
Rechtspersonen in de 19 eeuw, 1976; Dießelhorst, M., Zur Theorie der
juristischen Person bei Savigny, Quaderni Fiorentini 9 (1980); Brauneder, W.,
Von der moralischen Person des ABGB zur juristischen Person der Privatrechtswissenschaft,
Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 263; Ebihara, A., Was ist juristisch an der
juristischen Methode des Staatsrechts, ZNR 1996, 66; Pohlmann, J., Entstehung,
Rechtsträgerschaft und Auflösung der juristischen Person, 2007; Munsonius, H.,
Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts, 2009
Jury ist das mit
Laien besetzte Geschworenengericht. Die J. entwickelt sich in England und
Frankreich aus dem vorwissenschaftlichen Gericht. Im 19. Jh. fordert der
Liberalismus im Kampf gegen den Staat und dessen Berufsrichter die J. auch in
Deutschland. Nach
1848 wird die J. als → Schwurgericht eingerichtet.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungrechts, 1954;
Willock, J., The origins and development of the jury in Scotland, 1966; The
trial jury in England, France, Germany 1700-1900, hg. v. Padoa Schioppa, A.,
1987; Padoa Schioppa, A., La giuria penale in Francia, 1994; Cairns, J./Mc
Leod, G., The Dearest Birthright of the People of England, 2002; Pense, T., Das
spanische Schwurgericht, 2006; Masschaele, J., Jury, State and Society in
Medieval England, 2008
Justi, Johann
Heinrich Gottlob von (Brücken 28. 12. 1717-Küstrin 21. 7. 1771) wird nach dem
Rechtsstudium in Wittenberg (Leyser) 1750 Professor für Kameralistik in Wien
und nach 1755 Praktiker und Publizist mit Vorlesungen in Göttingen (1755-1757).
Sein Hauptwerk ist die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten
(1760f., Neudruck 1965). Hierzu stellt er die wirtschaftlichen Interessen der
Allgemeinheit dem fiskalischen Interesse des nur durch Grundgesetze gebundenen
absoluten Monarchen voran. Die Polizei beschränkt er auf die Gewährleistung
der Rahmenbedingungen für privates wirtschaftliches Handeln. Die
systematische Bearbeitung des Polizeibegriffs legt dabei die Grundlage für das
Verwaltungsrecht des 19. Jh.s.
Lit.: Frensdorff, F., Über das Leben und die Schriften des
Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi, 1903, Neudruck 1970;
Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985),
239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988; Adam, U.,
The Political Economy of J. H. G. Justi, 2006
Justinian (Tauresium
[Taor in Mazedonien] 482-Konstantinopel 14. 11. 565), Bauernsohn und
Kaiserneffe, verheiratet mit Theodora, der Tochter eines Bärendompteurs am
Zirkus in Konstantinopel, wird 527 Kaiser des oströmischen Reiches. Er
veranlasst die Schaffung der → Institutionen (533), der → Digesten
oder → Pandekten (530/533) und des → Codex (534) und erlässt danach
noch Einzelgesetze (→ Novellen). Anfangs tatkräftig, wird er später vom
Gedanken göttlicher Berufung beseelt.
Lit.: Söllner §§ 19, 21; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Köbler, DRG 50, 53; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966;
Browning, R., Justinian and Theodora, 1971; Mazal, O., Justinian I. und seine
Zeit, 2001; Meier, M., Das andere Zeitalter Justinians, 2003; Meier, M.,
Justinian, 2004; Cesaretti, P., Theodora, 2004; Leppin, H., (K)ein Zeitalter
Justinians, HZ 284 (2007), 659; Pratswch, T., Theodora von Byzanz, 2009
Justiz (zu lat.
iustitia [F.] Gerechtigkeit) ist die Rechtspflege (vielfach nur der ordentlichen
Gerichtsbarkeit).
Lit.: Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914;
Liebermann, F., Zur Teilung des Justizertrags zwischen Herrscher und
Gerichtshalter, ZRG GA 46 (1926), 365; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v.
Gürtner, F., 1938; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz, 1966, Neudruck
1987; Wenzlau, J., Der Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis 1948,
1979; Kuhn, Robert, Die Vertrauenskrise der Justiz (1926-1928), 1983; Fieberg,
G., Justiz im nationalsozialistischen Deutschland, 1984; Justiz in alter Zeit,
hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1984, 2. A. 1989, 3. A. 1989; Jasper, G., Justiz
und Nationalsozialismus, 1985; Just-Dahlmann, B. u. a., Die Gehilfen, 1988;
Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Recht und
Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Justiz in alter Zeit,
3. neubearb. A., hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1989; Judicial Records, hg. v.
Baker, J., 1989; Vorträge zur Justizforschung, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a.,
1992f.; Justiz im Dritten Reich, NS-Sondergerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz,
1994; Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, 1998; Royer, J., Histoire de la
justice en France, 1995; Dölemeyer, B., Justizforschung in Frankreich und
Deutschland, ZNR 18 (1996); Error iudicis, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998;
Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 20
(1998); Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2003; Justiz
und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Justiz im Nationalsozialismus.
Katalog zur Ausstellung, hg. v. Benzler, S. u. a., 2002; Seif, U., Recht und
Justizhoheit, 2003; Justiz = Justice = Justicia? Rahmenbedingungen von
Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Rudolph, H. u. a., 2003;
Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Justiz und Nationalsozialismus,
hg. v. Pauli, G. u. a., 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie, 2003;
Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Messerschmidt, M.,
Die Wehrmachtjustiz, 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der
Bundesrepublik, 2005; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer
Besatzung 1945-1949, 2007
Justizgesetzsammlung ist
eine 1780 in Österreich angelegte Sammlung der Justizgesetze.
Lit.: Baltl/Kocher
Justizsache ist im
18. Jh. die gerichtlich überprüfbare Angelegenheit.
Lit.: Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H.
Thieme, 1983
Justizstelle → oberste Justizstelle
Justizverwaltung ist
die Verwaltung der von der allgemeinen Verwaltung getrennten Gerichtsbarkeit.
Lit.: Hamann, U., Das Oberlandesgericht Celle im Dritten
Reich, (in) FS zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986;
Justizverwaltung, Rechtsprechung und Strafvollzug auf dem Gebiet des heutigen
Landes Rheinland-Pfalz, 1995
Jütisches Recht → Jyske Lov
Lit.: Das jütsche Recht, übers. v. See, K. v., 1960;
Wagner, W., Jütlands Verfassung im Mittelalter, 1992
Jütland ist der
festländische Teil Dänemarks zwischen Nordsee und Ostsee. Teile seiner
germanischen Bewohner ziehen im 5. Jh. in das heutige Belgien und von dort 449
nach Britannien bzw. England. 1241 erlässt König Waldemar von Dänemark das →
Jyske Lov.
Lit.: Nordisk kultur, Bd. 2 1938, 1ff.
Jyske Lov, Jydske Lov, ist
ein im März 1241 von König Waldemar II. (1202-1241) von Dänemark als
verbessertes Landschaftsrecht für Jütland erlassenes Gesetz in dänischer
Sprache. Es ist in 14 Handschriften des 14. Jh.s überliefert. Es gliedert sich
in drei Bücher gemischten Inhalts. Es ist kirchlich und königlich geprägt. Es
gilt bis 1683, in Schleswig bis 1900.
Lit.: Das Jyske Recht, hg. v. See, K. v., 1960; Amira, K.,
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 91, 96; Jutisch Lowbok.
Lübeck 1486, (Faksimiledruck) 1976
K
Kabbala (F.)
mystisch-spekulative Strömung des Judentums in Südfrankreich und Spanien
(13./14. Jh.)
Lit.: Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, 1962;
Reichstein, H., Praktisches Lehrbuch der Kabbala, 1984; Scholem, G., Mystik, 3.
A. 1988
Kabel (F.) ist im
mittelalterlichen Norddeutschland das Los und der durch das Los bestimmte
Anteil (z. B. an einem Deich).
Lit.: Hübner § 114
Kabinett ist ursprünglich
das kleine Gemach, in dem der neuzeitliche Fürst seine besonderen
Angelegenheiten besorgt. Hieraus entwickelt sich eine beratende beamtete
Organisation. In der Gegenwart ist K. die Regierung.
Lit.: Köbler, DRG 151; Dürichen, J., Geheimes Kabinett und
Geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken, Neues Archiv f. Gesch. 51
(1930), 68; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten
Thüringens, 1962; Leinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1973
Kabinettsjustiz ist
die Gesamtheit der Eingriffe des Landesherrn in einen geschäftlichen Ablauf im
Einzelfall. Im → Absolutismus ist der Machtspruch erlaubt. Seit der
zweiten Hälfte des 18. Jh.s wird er als Verstoß gegen die →
Gewaltenteilung bekämpft und im Gefolge der französischen Revolution (1789)
und der Verfassungsgebung Frankreichs (1791, Kapitel V, Art. 1) im 19. Jh.
ausgeschlossen.
Lit.:Köbler, DRG 154, 200; Bussi, E., Zur
Geschichte der Machtsprüche, FS E. Hellbling, 1971, 51; Ogris, W., Maria
Theresia iudex, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss.
110 (1973), 232; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H.
Krause, 1975, 171; Regge, J., Kabinettsjustiz in Brandenburg-Preußen, 1977;
Olechowski, T., Iustitia regnorum fundamentum, RZ 78 (2000), 132
Kadijurisprudenz ist
die Streitentscheidung durch den Kadi (Richter in arabischen Ländern) im
Gegensatz zur rechtsstaatlichen Rechtsprechung.
Lit.: Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz, (in)
Das Profil des Juristen, 1980, 295
Kahn-Freund, Otto
(Frankfurt am Main 1900-England 1979) wird nach dem Studium von Geschichte und
Recht in Heidelberg, Leipzig und Frankfurt (Sinzheimer) Richter. 1933 wandert
er wegen seiner jüdischen Herkunft nach England aus und wird 1951 Professor in London,
1964 in Oxford. Er gehört zu den führenden Arbeitsrechtlern des 20. Jh.s.
Lit.: Kahn-Freund, O., Autobiographische Erinnerungen an
die Weimarer Republik, Kritische Justiz 1981, 183
Kaiser ist der
Träger der höchsten weltlichen Würde. In der Nachfolge Gaius Iulius Caesars (†
44 v. Chr.) nennen sich nach Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) schon die
römischen Herrscher (lat. [M.]) caesar. Dabei hängt die Nachfolge im
Wesentlichen von den jeweiligen Machtverhältnissen ab (z. B. Soldatenkaiser).
Bei Teilung des römischen Reiches stehen mehrere K. nebeneinander. In Westrom
endet das Kaisertum 476 n. Chr. Im Osten tritt im 7. Jh. die Bezeichnung
basileus an die Stelle von Caesar. An Weihnachten 800 krönt Papst Leo III. Karl
den Großen zum K. (lat. imperator [M.] Romanorum). In der Folge erlangen viele
deutsche Könige vom Papst die Krönung zum K. (lat. [M.] imperator Romanorum
semper augustus): Karl III. der Dicke 881, Arnulf von Kärnten 896, Otto I. 962,
Otto II. 973, Otto III. 996, Heinrich II. 1014, Konrad II. 1027, Heinrich III.
1046, Heinrich IV. 1084, Heinrich V. 1111, Lothar III. 1133, Friedrich I. 1155,
Heinrich VI. 1191, Otto IV. 1209, Friedrich II. 1220, Heinrich VII. 1312,
Ludwig IV.der Bayer 1328, Karl IV. 1355, Sigismund 1433, Friedrich III. 1452,
Maximilian 1508, Karl V. [1520 Selbstbenennung als erwählter Kaiser des
Heiligen römischen Reiches, erwählter römischer Kaiser] Bologna 1530) Die damit
verbundenen Rechte sind gering. 1453 endet das oströmische Kaisertum unter dem
Ansturm der Türken, deren Sultan den Rang eines Kaisers beansprucht. Der
Herrscher Russlands nennt sich nach dem Untergang Ostroms ab 1478 Zar (1547
Krönung Iwans IV., des Schrecklichen, 1721 imperator, 1917 Zarenfamilie
gestürzt). Nach 1530 wird der K. des Heiligen römischen Reiches von den
Kurfürsten gewählt bzw. gekrönt (z. B. Ferdinand I. 1556 u. a.). 1804 nehmen
die Herrscher von Frankreich (mit Unterbrechungen bis 1870) und Österreich den
Titel K. an. 1806 endet das Kaisertum des Heiligen römischen Reiches (deutscher
Nation). 1871 wird der König von Preußen zum K. des Deutschen Reiches
proklamiert. 1918 endet das europäische Kaisertum (Deutschland, Österreich).
Daneben gibt es auch K. von Indien (1876-1947), China, Äthiopien und Japan
sowei anderen Ländern.
Lit.: Köbler, DRG 76, 83, 109, 132, 147,
194, 195; Tophoff, H., Die Rechte des deutschen Kaisers, 1902; Srbik, H. v.,
Das österreichische Kaisertum, 1927; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des
Großen, 1928; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Schramm,
P., Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, 2. A. 1957; Tiedemann, H., Der deutsche
Kaisergedanke vor und nach dem Wiener Kongress, 1932; Schneider, F., Neuere
Anschauungen der deutschen Historiker zur Beurteilung der deutschen
Kaiserpolitik des Mittelalters, 3. A. 1938; Stengel, E., Kaisertitel und
Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im früheren
Mittelalter, 1947; Ohnsorge, W., Das Mitkaisertum in der abendländischen
Geschichte des früheren Mittelalters, ZRG GA 67 (1950), 309; Andreae, F., Das
Kaisertum in der juristischen Staatslehre des 15. Jahrhunderts, Diss. phil.
Göttingen 1951; Drögereit, R., Kaiseridee und Kaisertitel bei den Angelsachsen,
ZRG GA 69 (1952), 24; Uhlirz, M., Die rechtliche Stellung der Kaiserinwitwe
Adelheid, ZRG GA 74 (1957), 84; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte,
1958; Stengel, E., Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des
Kaisergedankens im Mittelalter, 1965; Appelt, H., Die Kaiserideee Friedrich
Barbarossas, 1967; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968;
Fehrenbach, E., Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871-1918, 1969; Das
byzantinische Herrscherbild, hg. v. Hunger, H., 1975; Duchhardt, H., Et Germani
eligunt et Germanus eligendus, ZRG GA 97 (1980), 232; Wehler, H., Das Deutsche
Kaiserreich 1871-1918, 5. A. 1983; Schramm, P., Die deutschen Kaiser und Könige
in Bildern ihrer Zeit, 2. A. 1983; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A.,
1984, 2. A. 1994; Wefers, S., Das politische System Kaiser Sigmunds, 1989; Die Kaiser
der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990; Veh, O., Lexikon römischer
Kaiser, 3. A. 1990; Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A.
1991; Pabst, A., Comitia imperii, 1997; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss,
M., 2. A. 2001; Clauss, M., Kaiser und Gott, 1999; Winterling, A., Aula
Caesaris, 1999; Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v.
Duchhardt, H. u. a. 1999; Wagner, N., Der
deutsche Kaiser und König von Preußen, ZRG GA 117 (2000), 450; Die Kaiserinnen
Roms, hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Röhl, J., Kaiser, Hof und
Staat – Wilhelm II., 2002; Sommer, M., Die Soldatenkaiser, 2004; Kienast, D.,
Römische Kaisertabelle, 3. unv. A. 2004; Schneidmüller, B., Die Kaiser des
Mittelalters, 2006; Demandt, A., Das Privatleben der römischen Kaiser, 2007;
Stollberg-Rilinger, B., Des Kaisers alte Kleider, 2008
Kaisergericht ist
die vom → Kaiser verwaltete Gerichtsbarkeit (z. B. in Rom).
Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 87 I 1, II; Bleicken, J.,
Senatsgericht und Kaisergericht, 1962
Kaiserkonstitution ist
die (lat.) → constitutio (F.) des Kaisers vor allem im spätantiken Rom.
Kaiserkrönung ist
die Krönung eines Menschen zum Kaiser, wie sie im Abendland seit dem Jahre 800
stattfindet. Für die damit verbundenen Handlungen entwickelt sich ein
besonderer Krönungsordo (seit 960 überliefert). Danach folgen auf den
Krönungseid Salbung, Übergabe der Herrschaftszeichen, Messe, Steigbügelhalten,
Krönungszug und Festmahl.
Lit.: Eichmann, E., Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1f.
1942; Die Ordines für die Weihe und Krönung, hg. v. Elze, R., 1960; Hageneder,
O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983
Kaiserproklamation in
Versailles am 18. 1. 1871 ist die feierliche Amtsübernahme des Kaisers des
Deutschen Reiches.
Lit.: Die Reichsgründung 1870/71, hg. v. Schieder, T. u.
a., 1970
Kaiserrecht ist das
auf den → Kaiser bezogene → Recht. Im römischen Altertum lassen
sich die Konstitutionen der (lat. [M.Pl.]) principes als K. verstehen. Das 13.
bis 16. Jh. meint mit K. alles Recht, dessen Quelle der Kaiser ist oder sein
soll. Damit kann deutsches Recht wie römisches Recht erfasst sein. Als K. wird
beispielsweise in den meisten Handschriften der später sog. Schwabenspiegel
bezeichnet, als kleines Kaiserrecht ein wenig jüngeres Rechtsbuch (sog.
Frankenspiegel). Im Laufe des 14. Jh.s sind K. etwa die Goldene Bulle, die
Landfrieden, die Rechtsbücher, das Recht der Reichsstädte, das in der
kaiserlichen Gerichtsbarkeit gesprochene Urteil oder das römische Recht (z. B.
Sachsenspiegelglosse). Im 15. Jh. ist K. meist das aufgenommene römische Recht.
Den Gegensatz bildet häufig das kirchliche Recht.
Lit.: Schaafs, G., Ein Kaiserrechtbruchstück, ZRG GA 26
(1905), 280¸ Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Munzel, O., Die
Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Trusen, W., Die
Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 (1985), 12; Munzel-Everling, D.,
Dez keisers recht. Das kleine Kaiserrecht, 2003
Kaiserslautern
Lit.: Urkundenbuch der
Stadt Kaiserslautern, Teil 1ff., hg. v. Dolch, M. u. a., 1994ff.; Das Lauterer
Gericht und sein Speyerer Oberhof, hg. v. Dolch, M., 1996; Ratsprotokolle der
Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002; Keddigkeit, J.,
Kleine Geschichte der Stadt Kaiserslautern, 2008
Kalabrien ist bis ins 7. Jh. die südöstliche, später die südwestliche Halbinsel der Halbinsel Italien. K. kommt über die Punier, Römer, Byzantiner und Langobarden in der Mitte des 11. Jh.s an die → Normannen.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie im staufischen Königreich
Sizilien, 1975; Leo, P. de, Mezzogiorno medioevale, 1984
Kalender ist das
wichtigste Mittel zur Einteilung der Dimension Zeit (nach Tagen, Monaten und
Jahren) mit Hilfe astronomisch bestimmter Gegebenheiten (von Sonne und Mond).
Der nach lat. calendae (Monatsanfang) benannte, bereits vielen Völkern des
Altertums bekannte K., für den sich in Rom schon im 5. Jh. v. Chr. der Übergang
zum Sonnenjahr andeutet, wird von Caesar (100-44 v. Chr.) neu bestimmt
(julianischer K. mit einer Ungenauigkeit von rund 12 Sekunden pro Jahr). 325
wird der Frühjahrsanfang auf den 21. März festgesetzt. Ohne dass das
Geburtsjahr Jesus Christus’ (kurz vor 4 v. Chr.?) feststeht, setzt sich die von
Dionysius Exiguus (475?-545) eingeführte Zählung nach Christi Geburt durch. Im
Frühmittelalter verbessern Beda und vielleicht Karl der Große (Lorsch 789?) die
Kalenderführung durch Aufnahme von Ereignissen auch der gewöhnlichen
Lebenswelt. 1582 wird der zu Verschiebungen führende julianische K. unter Papst
Gregor XIII. durch den genaueren, zehn Tage auslassenden gregorianischen K.
ersetzt, dem sich die reformierten Landesherren im Heiligen römischen Reich am
23. 9. 1699 anschließen (England 1752, Russland 1917). Ein an der französischen
Revolution ausgerichteter neuer Kalender scheitert nach kurzer Zeit.
Lit.: Wislicenus, F., Der Kalender, 1905; Meinzer, M., Der
französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Graf, F., Der Lauf des
rollenden Jahres, 1997; Borst, A., Die karolingische Kalenderreform, 1998; Der
karolingische Reichskalender, hg. v. Borst, A., 2001; Der Streit um die Zeit,
hg. v. Herzog, M., 2002; Der Kalender, hg. v. Geerlings, W., 2002; Borst, A.,
Der Streit um den karolingischen Kalender, 2004; Rüpke, J., Zeit und Fest, 2006
Kalif (M.)
Stellvertreter (des islamischen Propheten Mohammed)
Lit.: Halm, H., Die Kalifen von Kairo,
2003
Kalligas, Pavlos
(1814-1896) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Gans, Savigny) und
Heidelberg 1843 Professor in Athen und Politiker. Er fördert die Aufnahme
deutscher und römischrechtlicher Gedanken in Griechenland. Er wirkt an der
Schaffung eines Entwurfes eines griechischen Zivilgesetzbuches mit.
Lit.: Kairophylas, K., Pavlos Kalligás, 1937
Kalumnieneid (Gefährdeeid,
Schikaneeid, lat. iuramentum [N.] calumniae) ist der im römischen Zivilprozessrecht
(Formularverfahren) sichtbare Eid der Parteien und ihrer Advokaten, das
Verfahren nicht rechtsmissbräuchlich zu führen. Justinian (527-565) macht ihn
zur Prozessvoraussetzung. Der K. wird nach einer frühen Erwähnung im Jahre 1186
mit dem römisch-kanonischen Verfahren am Ende des Spätmittelalters in
Deutschland übernommen, wobei das Verhältnis zum Voreid des deutschen Rechts
(Gefährdeeid) streitig ist. Später geht der Sinn des Kalumnieneids verloren.
Ihm entsprechen in der Gegenwart die Notwendigkeit des Rechtsschutzinteresses
und die Strafbarkeit wegen falscher Anschuldigung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zimmermann, E., Der Glaubenseid,
1863, 62; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 214; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 349
Kalvinismus → Calvin
Lit.: Calvinism
and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002
Kameralismus (Kameralwissenschaft)
ist die Wissenschaft von den wirtschaftlichen Verhältnissen und Aufgaben des frühneuzeitlichen
Staates (Finanzwissenschaft und Polizeiwissenschaft). Der K. ist eine Sonderform
des → Merkantilismus. Wichtige Vertreter sind → Justi, →Seckendorff
und → Sonnenfels (Wien 1763). Seit 1727 werden in Deutschland besondere
Lehrstühle für diese Wissenschaft eingerichtet.
Lit.: Köbler, DRG 134, 152; Nielsen, A., Die Entstehung der
deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert, 1911; Gerloff, A.,
Staatspraxis und Staatstheorie des kameralistischen Verwaltungsstaates, 1937;
Kunze, K., Ernst Ludwig Carl, 1966; Schiera, P., Dall’arte di governo alle
scienze di stato, 1968; Brückner, J., Staatswissenschaft, Kameralismus und
Naturrecht, 1977; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen
Steuerrechts, 1978; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im
werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Sandl, M., Ökonomie des Raumes, 1999
Kameralistik (Kameraljurisprudenz)
ist die wissenschaftlich-literarische Tätigkeit von Richtern am
Reichskammergericht (bzw. auch die Kameralwissenschaft). Als Beisitzer des
Gerichts veröffentlichen Johann → Mynsinger von Frundeck (1517-1588,
[lat.] Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.]
quattor, 1565, Vierhundert Einzelbeobachtungen des kaiserlichen Kammergerichts)
und Andreas → Gaill (1526-1587, [lat.] Practicarum observationum …. libri
[M.Pl.] duo, 1578, Zwei Bücher … praktischer Beobachtungen) Urteile.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dick, B., Die Entwicklung
des Kameralprozesses, 1981
Kameralprozess → Reichskammergericht
Kameralwissenschaft → Kameralismus
Kammer ist
ursprünglich die gewölbte Decke, danach der von daher benannte Raum und die
darin beherbergte fürstliche Behörde. Nach dem schon im Frühmittelalter
sichtbaren → Kämmerer entstehen bereits im späten 15. Jh. in einzelnen
habsburgischen Ländern ständische Raitkammern. 1498 richtet König Maximilian I.
eine Hofkammer als zentrale, kollegial organisierte Finanzbehörde des Reiches
und der habsburgischen Erbländer ein. In Brandenburg erscheinen im 16. Jh.
Amtskammern und 1689 eine geheime Hofkammer. Seit dem 18. bzw. 19. Jh. ist K.
ein Haus eines mehrteiligen Gesetzgebungsorgans, ein kollegialer Spruchkörper
eines Gerichtes oder eine berufliche Standesvertretung.
Lit.: Mensi, F. v., Die Finanzen Österreichs, 1890; Storch,
A., Der brandenburg-preußische Kammerstaat, Diss. jur. Göttingen 1912; Thimme,
H., Das Kammeramt in Straßburg, Worms und Trier, 1913; Richardson, W., Tudor
Chamber Administration, 1952; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, hg. v.
Zavelberg, H., 1989
Kämmerer (lat. [M.]
camerarius) ist der für die Einkünfte zuständige Verwaltungsamtsträger bereits
des frühmittelalterlichen Könighofes (882). 936 erscheint der Herzog von Schwaben
als K. (Erzkämmerer), seit dem 12. Jh. der Markgraf von Brandenburg. Das seit
dem 13. Jh. erbliche Hofamt des Kämmerers haben zunächst die Grafen von
Bolanden-Falkenstein, danach die von Weinsberg und seit dem 16. Jh. die Grafen
bzw. Fürsten von Hohenzollern inne, doch verliert es seit der Neuzeit an
Bedeutung. In England verdrängt in der normannischen Zeit der Schatzmeister den
königlichen K., in Frankreich im 13. Jh. der (frz.) Grand-chambellan bzw. im
14. Jh. der (frz.) trésorier. K. amtieren auch in den einzelnen Städten und
Ländern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Schubert,
P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45
(1989), 485
Kammergericht im
Heiligen römischen Reich ist ein seit 1415 urkundlich nachweisbares, neben dem
königlichen Hofgericht bestehendes königliches Gericht. Es entsteht vielleicht
bereits im 14. Jh. aus dem königlichen Rat. Es ist mit (gelehrten) Räten des
Königs besetzt. Es ist zuständig für Angelegenheiten des Königs und Reiches,
später auch für weitere Gegenstände. Nach Verschwinden des Hofgerichtes
zwischen 1451 und 1456 wird es als Hof- und Kammergericht bezeichnet. Von 1455
ist ein Sitzungsprotokollbuch überliefert, seit 1467 ein Urteilsbuch, von 1471
der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, nach der die Juristen die Hälfte der
Urteiler bilden sollen. Tatsächlich sind von fast 350 Beisitzern der
Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. (1452-1493) fast 100 Juristen. Das K.
wird vor allem von süddeutschen Ständen häufig angerufen, gelangt aber vielfach
nur sehr langsam zu Entscheidungen und vermag nur selten diese in der
Wirklichkeit umzusetzen. Seit 1461 wird es verpachtet, seit 1475 tritt es nur
noch selten zusammen. Am 9. 7. 1490 ernennt Kaiser Friedrich III. nochmals
einen Kammerrichter (1494 20 Prozessrubra, 1495 35 Prozessrubra genannt). Ihm
folgt 1495 das → Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, DRG 114; Tomaschek, J., Die höchste
Gerichtsbarkeit, 1865; Franklin, O., Das königliche Kammergericht vor dem Jahre
1495, 1871; Neumann, G., Zwei Lübecker Hausbesitzer vor dem Kammergericht, ZRG
GA 96 (1979), 209; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht,
FS A. Erler, 1986, 44; Jahns, S., Das Kammergericht und seine Richter, 1996;
Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Die Protokoll- und
Urteilsbücher des königlichen Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480, hg.
v. Battenberg, F. u. a., 2004; Weichbrodt, S., Die Geschichte des
Kammergerichts von 1913-1945, 2009
Kammergericht in
Brandenburg bzw. Preußen ist das (oberste) Gericht des Reichskämmerers
(Markgrafen von Brandenburg) für die Mark → Brandenburg (14. Jh. des
kemerers kamere tu tangermünde, 1392 kammerrecht, 17. 3. 1468 K.). Von 1516
stammen der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, von 1540 (Cölln an der Spree)
und 1709 in Kraft getretene Kammergerichtsordnungen. 1748 wird das K. auch für
Strafsachen zuständig. 1782 wird es Mittelinstanz. 1877/1879 wird es Oberlandesgericht.
Lit.: Holtze, F., Geschichte des Kammergerichts in Brandenburg-Preußen,
Bd. 1ff. 1890ff.; Hassenpflug, R., Die erste Kammergerichtsordnung Kurbrandenburgs,
1895; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Werner, F., Zur
Geschichte des Kammergerichts in Berlin, 1968
Kammergut (Tafelgut,
Domänen) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der Einkünfte der →
Kammer. Streitig ist im 17. Jh. und 18. Jh., ob das K. dem Staat oder dem
Landesherrn gehört.
Lit.: Baltl/Kocher; Zachariae, H., Das Eigentumsrecht am
deutschen Kammergut, 1864; Breysig, K., Geschichte der brandenburgischen
Finanzen, 1895
Kammerrichter → Reichskammergericht
Kammerzieler ist in
der Neuzeit (1548-1806) die Gesamtheit der von den Reichständen für das →
Reichskammergericht aufzubringenden Geldleistungen. Der K. beläuft sich
meistens auf weniger als 1% der Ausgaben des schuldenden Reichsstandes, wird
aber vielfach gleichwohl nicht ordentlich oder überhaupt nicht geleistet.
Lit.: Köbler, DRG 150; Gothein, E., Der gemeine Pfennig,
1877; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911
Kampanien ist die
um Neapel liegende süditalienische Landschaft, die über die Römer, Goten und
Oströmer um 570 an das langobardische Herzogtum Benevent gelangt.
Lit.: Storia arte e cultura della Campania, 1976
Kanada ist der
nördlich der Vereinigten Staten von Amerika gelegene, aus Kolonien Englands und
Frankreichs entstandene Staat.
Lit.: Vachon, A.,
Histoire du notariat canadien 1621-1960, 1962; Sautter, U., Geschichte Kanadas,
2000; Handschug, S., Einführung in das kanadische Recht, 2003
Kanon (lat. [M.]
canon) ist die Regel oder Vorschrift des richtigen Glaubens und Handelns sowie
des kirchlichen (kanonischen) Rechts (325). Die in (lat. [M.Pl.]) canones
formulierten Synodalbeschlüsse werden seit der Mitte des 4. Jh.s (bis zu →
Gratian, um 1140, und danach) in Kanonessammlungen, von denen allein zwischen
1000 und 1400 außerhalb Italiens mehr als 27 verschiedene entstehen,
zusammengefasst.
Lit.: Wenger, L., Über canon und regula in den römischen
Rechtsquellen, ZRG KA 63 (1943), 495; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Fransen, G., Les collections canoniques, 1985; Landau, P., Erweiterte Fassungen
der Kanonessammlung des Anselm von Lucca, (in) Sant’ Anselmo, 1987, 383;
Gaudemet, J., Droit de l’Eglise, 1989; Fowler-Magerl, L., Ausgewählte
Kanonessammlungen zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens, 1998 (CD-ROM);
Kéry, L., Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400-1140),
History of Medieval Canon Law 1, hg. v. Hartmann, W. u. a., 1999; Landau, P.,
Die Quellen der mittelitalienischen Kanonessammlung in sieben Büchern (MS Vat.
lat. 1346), Ritual, Text and Law, 2003, 255; Stadelmaier, M., Die Collectio
Sangermanensis XXI titulorum, 2004
Kanoniker (535 lat.
[M.] canonicus) ist ein Mitglied eines Stiftskapitels oder Domkapitels
(Domkapitular, Domherr).
Lit.: Semmler, J., Mönche und
Kanoniker, 1980; Istituzioni monastiche e istituzioni canonicali, 1980
Kanonisches Recht
(lat. → ius [N.] canonicum) ist das kirchliche Recht im Gegensatz zum
weltlichen Recht. Im engeren Sinn ist es im Gegensatz zum neueren kirchlichen
Recht nur das im (lat.) → corpus (N.) iuris canonicum enthaltene Recht
bzw. das innere katholische Kirchenrecht im Gegensatz zum staatlichen
Kirchenrecht (Staatskirchenrecht). Seit der Mitte des 4. Jh.s wird es in
Kanonessammlungen zusammengefasst. Große Bedeutung hat es lange für Ehe,
Verfahren, Testament, Eid, Wucher und Schule.
Lit.: Friedberg, E., Das kanonische und das Kirchenrecht,
Dt. Z. f. Kirchenrecht 8 (1898), 1; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen
Rechts auf die europäische Rechtskultur, (in) Europäische Rechts- und
Verfassungsgeschichte, 1991, 39; Die Bedeutung des kanonischen Rechts für die
Entwicklung einheitlicher Rechtsprinzipien, hg. v. Scholler, H., 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, 1997; Aymans, W./Mörsdorf, K.,
Kanonisches Recht, 13. A. Bd. 2 1997; Martínez-Torron, J., Anglo-American Law
and Canon Law, 1998; Erdö, P., Geschichte der Wissenschaft vom kanonischen
Recht, 2003; Fowler-Magerl, L., Clavis canonum. Selected Canon Law Collections
before 1140, 2005
Kanonisches Zinsverbot
ist das auf Lukas 6,35 (Tut Gutes und gebt ein Darlehen, ohne davon etwas zu
erhoffen) gegründete kirchliche Verbot, für Darlehen Zinsen zu nehmen. Es setzt
sich im Mittelalter allgemein durch. Die wirtschaftlichen Ziele des verzinslichen
Darlehens werden aber mit Hilfe zahlreicher Umgehungsgeschäfte erreicht. Im
Übrigen dürfen → Juden verzinsliche Darlehen geben und werden infolgedessen
vielfach zu Gläubigern christlicher Schuldner. 1654 wird im Heiligen römischen
Reich (deutscher Nation) das kanonische Zinsverbot durch einen Höchstzinssatz
von 6% ersetzt, im 19. Jh. schwindet auch der Höchstzinssatz.
Lit.: Köbler, DRG 127, 166; Endemann, W., Studien in der
romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff.,
Neudruck 1962; Ruth, R., Das kanonische Zinsverbot, FS E. Heymann, 1931, 316
Kanonistik (F). Wissenschaft des
kanonischen Rechts oder des Kirchenrechts
Lit.: Berman,
H., Law and Revolution, 1983 (Recht und Revolution 2. A: 1991)
Kant, Immanuel (Königsberg 22. 4. 1724-12. 2. 1804), Sattlerssohn (Riemerssohn), wird nach dem Studium von Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie 1746 Hauslehrer, 1765 Bibliothekar und 1770 (zunehmend introvertierter) ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik (1781 Kritik der reinen Vernunft). Nach ihm ist Recht der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann (Metaphysik der Sitten, 1797/1798). Hierauf bauen alle Einzelausführungen zum Recht auf. In erheblichem Maße von Kants Freiheitsethik beeinflusst wird → Savigny.
Lit.: Köbler, DRG 147, 178, 187; Cassirer, E., Kants Leben
und Lehre, 1918; Swoboda, E., Das ABGB im Lichte Kants, 1926; Haensel, W.,
Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Buchda, G., Das Privatrecht Immanuel
Kants, 1929; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932,
Neudruck 1973, 1987; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie
Feuerbachs, 1962; Kiefner, H., Der Einfluss Kants auf Theorie und Praxis des
Zivilrechts, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Naucke, W., Die
Dogmatisierung von Rechtsproblemen bei Kant, ZNR 1 (1969); Ritter, C., Der
Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, 1971; Saage, R., Eigentum, Staat
und Gesellschaft bei Immanuel Kant, 1973, 2. A. 1994; Kants Rechtsphilosohpie,
hg. v. Küsters, G., 1988; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei
Hobbes und Kant, 1988; Höffe, O., Immanuel Kant, 5. A. 2000, 7. A. 2007; Zotta,
F., Immanuel Kant. Legitimität und Recht, 1998; 200 Jahre Kants Metaphysik der
Sitten, hg. v. Sharon Byrd, B., 1998; Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel
Kant, hg. v. Hüning, D. u. a., 1998; Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe
der Rechtsgeschichte, hg. v. Höffe, O., 1999; Falkenburg, B., Kants Kosmologie,
1999; Küper, W., Immanuel Kant und das Brett des Karneades, 1999; Kater, T.,
Politik, Recht, Geschichte, 1999; May, S., Kants Theorie des Staatsrechts,
2002; Höffe, O., Kants Kritik der reinen Vernunft, 2003; Kühn, M., Kant, 2003,
5. A. 2004; Dietzsch, S., Immanuel Kant, 2003; Sala, G., Kants Kritik der
praktischen Vernunft, 2004; Baumanns, P., Kant und die Bioethik, 2004; Römpp,
G., Kant leicht gemacht, 2005; Birken-Bertsch, H., Subreption und Dialektik bei
Kant, 2006; Recht und Sittlichkeit bei Kant, Jb. f. Recht und Ethik 14 (2006);
Kersting, W., Wohlgeordnete Freiheit, 3. A. 2007
Kanton ist vor
allem das Mitglied (Verwaltungseinheit bzw. Bundesstaat) der Eidgenossenschaft
der Schweiz seit der Einrichtung der Helvetischen Republik im Jahre 1798. Die
24 (bzw. mit Halbkantonen 26) Kantone sind Aargau, Appenzell, (Appenzell-Außerrhoden,
Appenzell-Innerrhoden), Basel (Basel-Stadt, Basel-Landschaft), Bern, Freiburg,
Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Sankt Gallen, Schaffhausen,
Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau, Unterwalden (Unterwalden nid dem Wald,
Unterwalden ob dem Wald), Uri, Waadt, Wallis, Zug und Zürich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; His, E., Geschichte des
neueren Schweizer Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Adler, B., Die Entstehung der
direkten Demokratie, 2006
Kantonssystem ist
ein 1733/5 in Brandenburg-Preußen eingeführtes Aushebungssystem, bei dem der
Staat in Bezirke (Kantone) aufgeteilt wird, die je einem Regiment zur Aushebung
zugeordnet sind. Das K. wird 1771 von Österreich, 1804 von Baden und 1804/1805
von Bayern übernommen, wenig später (Preußen 1804) aber aufgegeben.
Lit.: Büsch, O., Militärsystem und Sozialleben im alten
Preußen 1713-1807, 1962
Kantorowicz,
Hermann Ulrich (Posen 1877-Cambridge 1940), Kaufmannssohn, wird nach dem
Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Nationalökonomie in Berlin
(Liszt) und München (Brentano) und der Habilitation in Freiburg (Schmidt,
Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik [1908]) 1929 Professor in
Kiel. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst (1933) wechselt er nach New York
und Cambridge. Mit seiner frühen Schrift (Gnaeus Flavius) Der Kampf um die
Rechtswissenschaft wird er einer der Begründer der → freien Rechtsschule.
Lit.: Muscheler, K., Hermann Ulrich Kantorowicz, 1984;
Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 631
Kanzlei ist die für
die Herstellung von Schriftstücken zuständige Behörde. Sie entsteht bereits im
römischen Altertum unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.). Hieran knüpfen die
merowingischen Könige an, deren K. sich aus weltlichen Hofbeamten (lat. [M.Pl.]
referendarii) und diesen untergeordneten Schreibern zusammensetzt. Wenig
später treten Geistliche an ihre Stelle. Die Leitung übernimmt 870 bzw. 965 der
Erzbischof von Mainz. Zur gleichen Zeit festigt sich auch eine K. des Papstes.
Seit dem 12. Jh. wird die K. eine nach festen Regeln eingerichtete Behörde zur
Herstellung von Schriftstücken. Im 13. und 14. Jh. bilden sich auch in den
Ländern und Städten besondere Kanzleien.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wilkinson, B., The
Chancery under Edward III, 1929; Merkel, W., Das Aufkommen der deutschen
Sprache in den städtischen Kanzleien, 1930; Groß, L., Die Geschichte der
deutschen Reichshofkanzlei, 1933; Vogelgesang, G., Kanzlei der pfälzischen
Kurfürsten, 1939; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der
Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967;
Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichtes, 1974;
Csendes, P., Die Kanzlei Kaiser Heinrichs VI., 1981; Kölzer, T., Urkunden und
die Kanzlei von Kaiserin Konstanze, 1983; Petke, W., Kamzlei, Kapelle und
königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137), 1985; Sprinkart, P., Kanzlei,
Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein, 1986; Frenz, T., Die Kanzlei
der Päpste, 1986; Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit, hg.
v. Suntrup, R., 2004; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006
Kanzler ist der
Angehörige oder Leiter einer → Kanzlei. Der (lat. [M.]) cancellarius (4.
Jh.) ist in Rom die an den die Richter von der Allgemeinheit trennenden Schranken
(lat. [M.Pl.] cancelli) Dienste verrichtende Hilfsperson, im Frühmittelalter
der Schreiber, seit dem 10. Jh. der Leiter einer Beurkundungsstelle (Reich
953, Frankreich 12. Jh.). Seit dem 12. Jh. erscheint der K. an Schulen und
Universitäten als bedeutsamer Amtsträger. Auch nach dem Ende des Heiligen
römischen Reiches (deutscher Nation) bleibt der K. bedeutsam (1810 Preußen
Staatskanzler, 1866 Norddeutscher Bund Bundeskanzler, 1871 Reichskanzler, 1949
Bundeskanzler).
Lit.: Köbler, DRG 83, 112, 113; Rosenberg, W., Die
staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912; Hantsch, H., Reichsvizekanzler Friedrich Karl
Graf von Schönborn (1674-1746), 1929; Rashdall, H., The Universities of Europe,
2. A. 1936
Kapelle ist in
Ableitung von (lat. [F.]) capa (Mantel [des heiligen Martin, 316-400]) die
kleine Kirche, deren Rechtsstellung gegenüber der Kirche zeitweise in
verschiedener Hinsicht gemindert ist.
Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen
Könige, 1959
Kaperei ist die
Aufbringung feindlicher Schiffe durch bewaffnete, staatlich dazu ermächtigte
Privatschiffe seit dem 17. Jh. Ihre Wurzeln liegen bereits im Mittelalter. Im
19. Jh. wird die K. durch Staatsverträge und die Pariser Seerechtsdeklaration
von 1856 beseitigt.
Lit.: Böhringer, K., Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1970; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007, §§ 30, 35,
36
Kapetinger,
Capetinger ist der Angehörige eines (rheinfränkischen?,) mit dem 866
gefallenen Robert sichtbaren Geschlechts, das mit Hugo Capet 987/988 das
Königtum im westfränkischen Reich erlangt. Bei dem Erlöschen der Kapetinger
(1328) folgen die Nebenlinien Valois (bis 1589), Bourbon (bis 1792, 1814-1830)
und Orléans (1830-1848). Weitere Nebenlinien (Anjou, Borgonha, Bragança u. a.)
herrschen zeitweise in Portugal (1093-1580, 1640-1853), Byzanz (1217-1261),
Neapel-Sizilien (1266-1282/1422, 1735-1860), Ungarn (1308-1385), Polen
(1370-1382), Parma (1748-1802, 1847-1860) oder Brasilien (1822-1789). Als
Familienbezeichnung erscheint das Wort K. spät (17. Jh.).
Lit.: Lohrmann, K., Die Titel der Kapetinger (987-1200).
Diss. phil. Wien 1976 (masch.schr.); Actes du colloque Hugues Capet, 1987;
Ehlers, J., Die Kapetinger, 1999
Kapital (N.) ist
die verzinsliche Geldsumme bzw. die Gesamtheit der in ein Unternehmen
eingebrachten Mittel
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 399; Weber,
A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 1954; Peyer, H., Könige, Stadt und
Kapital, 1982
Kapitalgesellschaft ist
die → Gesellschaft, bei der die bloße Beteiligung von → Kapital im
Vordergrund steht und es nicht wesentlich auf die Persönlichkeit des einzelnen
Gesellschafters ankommt. Die K. entsteht nach dem Frühkapitalismus mit der
Entwicklung des risikoreichen, kapitalbedürftigen Welthandels (→
Aktiengesellschaft) zu Beginn des 17. Jh.s. Ihre Bedeutung wächst noch immer.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913
Kapitalismus ist
die Wirtschaftsform, in der das → Kapital prägende Bedeutung hat. Auf der
Grundlage der Anerkennung des Privateigentums strebt der Einzelne im freien
Wettbewerb mit anderen am Markt den größtmöglichen Gewinn durch maximalen
Einsatz verfügbaren Kapitals an. Als Frühform des K. (Frühkapitalismus) gilt
die Wirtschaftsweise z. B. der → Fugger am Beginn der Neuzeit.
Eigentlich setzt sich der K. erst im Liberalismus des 19. Jh.s durch, bewirkt
dort aber auch die Trennung der Gesellschaft in Kapitalisten (besitzende
Bürger) und Proletarier (besitzlose Arbeiter).
Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 177; Strieder, J., Zur
Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des
modernen Kapitalismus, 2. A. 1963; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus,
1972; Koslowski, P., Ethik des Kapitalismus, 2. A. 1984; Duplessis, R.,
Transitions to Capitalism, 1997; Kurz, R., Schwarzbuch Kapitalismus, 1999;
Pelz, W., Against Capitalism, 2007; Leidinger, H., Kapitalismus, 2008
Kapitän ist der Führer eines Schiffes.
Er bedarf eines Patents (Zulassung).
Lit.:
Hanses, D., Die rechtliche Stellung des Kapitäns auf deutschen Seeschiffen,
1983
Kapitel (N.)
„Häuptlein“, Teil, Gemeinschaft
Kapitular (N.) ist
im frühmittelalterlichen fränkischen Recht die in Kapitel eingeteilte Anordnung
des Königs. Das unter verschiedenen Namen verschiedenste Gegenstände
behandelnde K. setzt der Herrscher oft mit Zustimmung der Großen und des
Volkes, meist für das ganze Reich. Kapitularien begegnen, in rund 275
Handschriften überliefert, von etwa 500 bis etwa 900, am häufigsten zwischen
802 und 830. Lat. [N.] capitulare erscheint erstmals 779 (773).
Lit.: Köbler, DRG 81; Boretius, A./Krause, V., Capitularia
regum Francorum, Bd. 1f 1883ff., Neudruck 1960; Seeliger, G., Die Kapitularien der Karolinger, 1893; Eckhardt,
W., Die Kapitulariensammlung Bischof Ghaerbalds von Lüttich, 1955; Ganshof,
F., Wat waren de Capitularia?, 1955; Ganshof, F., Was
waren die Kapitularien, 1961; Eckhardt, W., Was waren die Kaspitularien?, ZRG
GA 79 (1962), 237; Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte,
DA 23 (1967), 273; Capitula episcoporum, Bd. 1ff. 1984ff.; Überlieferung und
Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, 1986; Schmitz, G.,
Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Sousa
Costa, A. de, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen
Kapitularien, 1993; Woll, I., Untersuchungen zur Überlieferung und Eigenart der
merowingischen Frühkapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium
regum Francorum manuscripta, 1995 (sieben neue Stücke); Schriftkultur und
Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Buck, T.,
Admonitio und praedicatio, 1997; Mordek, H., Studien zur fränkischen
Herrschergesetzgebung, 2000; Koal, V., Studien zur Nachwirkung der Kapitularien
in den Kanonessammlungen, 2001; Geiselhart, M., Die Kapitulariengesetzgebung
Lothars I. in Italien, 2002; Schneider, H., Karolingische Kapitularien und ihre
bischöfliche Vermittlung, DA 63 (2007), 469
Kapitulation (17. Jh.) ist der in Kapitel
eingeteilte Vertrag (z. B. Wahlkapitulation), insbesondere der Vertrag über die
Übergabe von eigenen Truppen oder sonstigen kriegerischen Mitteln.
Lit.: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker,
J. u. a., 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Kaplan (M.) Hofgeistlicher, Hilfspriester
Kapras, Jan
(1880-1947) wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck und Prag 1910
außerordentlicher Professor und 1917 ordentlicher Professor in Prag. Sein
Hauptwerk ist die Rechtsgeschichte der Länder der böhmischen Krone (Právní
dejiny zemí Koruny ceské, 1913ff.).
Lit.: Antologie ceské právní vedy, 1993, 44
Karantanien (7.
Jh.) → Kärnten
Kardinal ist im
katholischen Kirchenrecht der vom Papst ernannte höchste kirchliche
Würdenträger nach dem Papst. Mit dem Adjektiv (lat.) cardinalis werden seit
etwa 500 n. Chr. zur Bischofskirche oder zur bischöflichen Priesterschaft
gehörende Kleriker bezeichnet, seit dem Anfang des 8. Jh.s die jeweils ranghöchsten
Priester einer Titelkirche in Rom. Am Beginn des Frühmittelalters wird (lat.)
cardinalis zum Titel. Um 1100 findet sich ein Kardinalskollegium mit Bischöfen
von 53 Kardinälen, das im 15. Jh. auf 24 Kardinäle beschränkt wird. Am Ende des
16. Jh.s wird die Zahl auf 70 und 1958 nochmals erweitert. Der K. wird vom
Papst frei ernannt. Seit dem Ende des 11. Jh.s wirken die Kardinäle
(Kardinalbischof, Kardinalpriester, Kardinaldiakon) an der Herrschaft der
Gesamtkirche mit, seit 1179 wählen sie den Papst. (Altersgrenze 80 Jahre)
Lit.: Fürst, C., Cardinalis, 1967; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hüls, R., Kardinäle, 1977; Weber, C., Senatus
divinus, 1996; Jagd nach dem roten Hut, hg. v. Karsten, A., 2004
Karl der Große (frz.
Charlemagne) (Westfranken 2. 4. 747[?]-Aachen 28. 1. 814), aus der Familie der
Arnulfinger bzw. Pippiniden bzw. Karolinger, wird 768 König der Franken (bis
771 mit seinem Bruder Karlmann) und 800 von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt.
Durch zahlreiche Kriegszüge dehnt er das Reich der Franken aus (→
Langobarden, → Sachsen). In → Kapitularien setzt er Recht. Im
Übrigen veranlasst er die Aufzeichnung von → Volksrechten. Wahrscheinlich
um 770 führt er → Schöffen in der Gerichtsbarkeit ein. Er kann, wo und
wann er will, Bischöfe einsetzen, macht davon aber nur im Kernraum zwischen
Rhein. Loire und Rhone Gebrauch. Er fördert die deutsche Sprache durch
einheimische Monatsnamen und Windnamen.
Lit.: Köbler, DRG 81; Siegel, H., Die deutschen
Rechtsbücher und die Kaiser-Karls-Sage, 1899; Gundlach, W., Karl der Große im
Sachsenspiegel, 1899; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928;
Brandenburg, E., Die Nachkommen Karls des Großen, 1935, Neudruck 1964;
Pirenne, H., Mahomet und Karl der Große, 1935 (1963); Seiler, K., Der
Erziehungsstaat Karls des Großen, 1937; Folz, R., Le souvenir et la légende de
Charlemagne, 1950; Folz, R., Études sur le culte liturgique de Charlemagne,
1951; The coronation of Charlemagne, hg. v. Sullivan, R., 1959; Sprigade, K.,
Zur Frage der Verfälschung von Karls d. Gr. divisio regnorum, ZRG GA 81 (1964),
305; Fleckenstein, J., Karl der Große, 1962; Karl der Große, hg. v. Braunfels,
W. u. a., Bd. 1ff. 1966ff.; Das Paderborner Epos von 799, 1967; Wolf, G., Die
Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht, ZRG GA 108 (1991), 282;
Wolf, G., Die Qualität der fränkisch-langobardischen Verbindung 770/71 und die
sonstigen Verbindungen Karls des Großen, ZRG GA 113 (1996), 397; Classen, P.,
Karl der Große, 1985; Becher, M., Karl der Große, 1999; Kerner, M., Karl der
Große, 2000; Hägermann, D., Karl der Große, 2000; Epperlein, S., Leben am Hofe
Karls des Großen, 2000; Karl der Große und das Erbe der Kulturen, hg. v.
Erkens, F., 2001; Kerner, M., Karl der Große, 2001; Tischler, M., Einharts Vita
Karoli, 2001; Karl der Große und sein Nachleben, hg. v. Kraus, T. u. a., 2003;
Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters, hg. v.
Bastert, B., 2004; Kintzinger, M., Die Erben Karls des Großen, 2005;
Charlemagne, hg. v. Story, J., 2005; Pauler, R., Karl der Große, 2009
Karl IV. (Wenzel) (Prag 14.
5. 1316-29. 11. 1378), aus der Familie der Grafen von Luxemburg, wird 1346
deutscher König und 1355 Kaiser. Er macht Prag zum Mittelpunkt des Reiches
(1344 Erzbistum, 1348 Universität) und veranlasst für Böhmen die sog. (lat.) → Maiestas (F.]) Carolina und für das Reich die → Goldene Bulle.
Lit.: Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV. 1356, bearb.
v. Müller, K., 1970; Seibt, F., Karl IV., 1978; Kaiser Karl IV. Staatsmann und
Mäzen, 1978; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982; Kavka, F., Am Hofe Karls IV.,
1990; Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Pauler, R., Die
Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Karl IV. und den Päpsten, 1996;
Schlotheuber, E., Die Autobiographie Karls IV., HZ 281 (2005), 561; Paravicini,
A., Die Vita Karls IV., DA 63 (2007), 101
Karl V. (Gent 24. 2.
1500-Estremadura/Spanien 21. 9. 1558), aus der Familie der Habsburger (Enkel
Maximilians), wird 1515 Herzog Burgunds, 1516 König Spaniens, 1519 deutscher
König und 1530 Kaiser. 1521/1522 überlässt er seinem Bruder Ferdinand die
Herrschaft in den österreichischen Erblanden und die Stellvertretung im Reich
(9 Reisen nach Deutschland, zehn Reisen in die Niederlande, 40 Reisen
insgesamt). 1521 entscheidet er sich gegen die Reformation. Unter seiner
Herrschaft wird 1532 die (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Carolina
erlassen. 1555/1556 verizchtet K. auf die Regentschaft in Burgund/Spanien zu
Gunsten Philipps II., 1556 auf die Kaiserwürde zu Gunsten Ferdinands I.e
Lit.: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., 1913ff.;
Kalkoff, P., Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V., 1925; Die
Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., hg. v. Gross, L., 1930; Zippel, W.,
Nationale und nationalitätenrechtliche Gedanken bei der Wahl und in der Wahlkapitulation
Karls V., 1950; Boom, G. de, Les voyages de Charles Quint, 1957; Weber, H., Die
peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG 77 (1960), 288; Rabe, H.,
Reichsbund und Interim, 1971; Press, V., Kaiser Karl V., 1976;
Spěvaček, J., Karl IV., 1978; Das römisch-deutsche Reich im
politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Brandi, K., Kaiser Karl V.,
8. A. 1986; Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung, hg. v. Naujoks, E., 1985;
Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987; Karl V., hg. v. Rabe, H., 1996;
Kohler, A., Karl V., 3. A. 2001; Größing, S., Karl V., 1999; Schulin, E.,
Kaiser Karl V., 1999; Schorn-Schütte, L., Karl V., 2000; Kodek, I., Der
Großkanzler Kaiser Karls V. zieht Bilanz, 2004; Kohler, A., Karl V. 1500-1558,
2005; Pelizaeus, L., Dynamik der Macht, 2007
Karlsbader Beschlüsse
sind die unter dem maßgeblichen Einfluss Metternichs vom 6.-31. 8. 1819 in
Karlsbad (nordwestlich Prags) von den Ministern von 10 deutschen Staaten
getroffenen, den einzelnen Untertanen unter Einschränkung der Souveränität der
beteiligten Staaten bindenden Beschlüsse zur strengen Überwachung der
Universitäten durch Regierungsbevollmächtigte (Universitätsgesetz), zur
Einschränkung der Pressefreiheit (Pressgesetz), zur Einsetzung einer Kommission
zur Aufdeckung revolutionärer Bestrebungen und zur Herstellung einer
Exekutionsordnung. Ihr äußerer Anlass ist die Ermordung des Schriftstellers
August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand. Am 20. 9. 1819
verabschiedet der Bundestag (Bundesversammlung) des → Deutschen Bundes
die in den Karlsbader Beschlüssen enthaltenen Gesetzesentwürfe.. Eine
dauerhafte Unterdrückung demokratischer Bestrebungen gelingt nicht.
Lit.: Ilse, L., Geschichte der politischen Untersuchungen,
1860; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30 III
Karlstadt
Lit.: Riedenauer, E., Karlstadt, 1963
Kärnten ist ein im keltisch-römischen Norikum enthaltenes, nach der Karanta (Ulrichsberg, Karnburg, Karnberg) benanntes, ab dem 6. Jh. von slawischen Einwandererrn besetztes, seit 740/750 (Karantanien) unter die Herrschaft der Bayern und dann der Franken geratenes Gebiet an der mittleren Drau, das unter Einschluss der Steiermark und weiterer Gebiete im Süden 976 von → Bayern getrenntes Herzogtum wird und 1335 durch Ludwig den Bayern von den Grafen von Görz/Tirol an die Grafen von Habsburg gelangt (1809-1813 in den illyrischen Provinzen Frankreichs, 1816-1849 Teil des Königreichs Illyrien Österreichs, 1849-1918 eigenes Kronland). Im 16. Jh. entsteht aus dem → Landlauf von Steyr ein Kärntner Rechtsbuch. K. ist seit 1920 Bundesland → Österreichs (1945-1955 Besatzungsgebiet Großbritanniens).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899;
Goldmann, E., Die Einführung der deutschen Herzogsgeschlechter in den
slovenischen Stammesverband, 1903; Unterluggauer, J., Sankt Leonhard und das
obere Lavanttal, 1925; Torggler, K., Darstellung des Kärntner Rechts und
Rechtsganges, Archiv f. vaterländ. G. u. T. 24/25 (1936), 127; Torggler, K.,
Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Torggler, K., Die Arbeiten
Ludmil Hauptmanns, Carinthia 1 (1938); Rauch, K., Die Kärntner
Herzogseinsetzung, FS Adolf Zycha, 1941, 173; Graber, G., Schwabenspiegel und
Einritt am Fürstenstein, 1942; Puntschart, P., Einige Ergänzugen zur kritischen
Literatur über die bäuerliche Herzogseinsetzung in Kärnten, ZRG GA 65 (1947),
337; Braunmüller, H., Geschichte Kärntens, Bd. 1ff. 1949ff.; Fräss-Ehrfeld, C.,
Geschichte Kärntens, Bd. 1 1984; Kärnten, hg. v. Rumpler, H. u. a., 1998;
Gleirscher, P., Karantanien, 2000; Die Kärntner Volksabstimmung 1920, 2002;
Kahl, H., Der Staat der Karantanen, 2002
Kärntner Rechtsbuch →
Landlauf von Steyr
Karo, Josef
(1488-Sated 1575) ist ein jüdischer Rechtsgelehrter aus Spanien, der lange auf
dem Balkan und in Galiläa lebt. Er kommentiert umfassend die Arba ’at ha-Turim
des → Jakob Ben Ascher (Bet Josef, Kurzform Sulchan ’Arukh). In
erweiterter Form gewinnt das Werk in Mitteleuropa und Osteuropa bis ins 19. Jh.
allgemeine Anerkennung in den jüdischen Gemeinden.
Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-’ibri, Bd. 2 3. A. 1988,
1087
Karolinger ist der
(seit dem 10. Jh. so bezeichnete) Angehörige eines (vielleicht mit den
Merowingern verwandten,) von Bischof Arnulf von Metz (Arnulfinger, 7. Jh.)
hergeleiteten, als → Hausmeier 751 zum fränkischen Königtum (Pippiniden)
aufgestiegenen Geschlechts, das später nach → Karl dem Großen als K.
bezeichnet wird. Die K. sterben nach der Reichsteilung von 843 (Vertrag von
Verdun) bzw. 877 im Ostteil des fränkischen Reiches 911 und im Westteil 987
aus.
Lit.: Köbler, DRG 76; Vaccari, P., Studi sull’Europa
precarolingia e carolingia, 1955; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der Karolinger,
1970; Ullmann, W., The Carolingian renaissance, 1969; Diplomata Karolinorum,
Faksimileausgabe, hg. v. Bruckner, A., 1970; Haselbach, I., Aufstieg und
Herrschaft der Karolinger, 1970; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der
Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Riché, P., Les Carolingiens, 1983; Mc
Kitterick, R., The Frankish Kingdoms, 1983; Schulze, H., Vom Reich der Franken
zum Land der Deutschen Merowinger und Karolinger, 1987; Schieffer, R., Die
Karolinger, 1992, 3. A. 2000, 4. A. 2006; Karl Martell in seiner Zeit, hg. v.
Jarnut, J. u. a., 1994; Joch, W., Legitimität und Integration, 1999; Semmler,
J., Der Dynastiewechsel, 2003; Grahn-Hoek, H., Gundulfus subregulus, DA 59
(2003), 1; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth Century, 2004;
Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs, 2005; Koch, A., Kaiserin
Judith, 2005; Laudage, J. u. a., Die Zeit der Karolinger, 2006; Kaschke, S.,
Die karolingischen Reichsteilungen bis 831, 2006; Becher, M., Merowinger und
Karolinger, 2008; Keller, H./Althoff, G., Die Zeit der späten Karolinger und
der Ottonen 888-1024, 2008
Karolus de Tocco (Tocco bei Benevent 2. H. 12. Jh.-nach 1215), adliger Sohn eines Rechtskundigen,
wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Placentinus, Johannes Bassianus)
Rechtslehrer in Bologna (?) und Benevent sowie Gerichtsbeisitzer in Sizilien.
Von ihm stammt vor allem wohl eine um 1215 entstandene umfangreiche Glossierung
der gegen Ende des 11. Jh.s entstandenen systematischen Sammlung langobardischer
Gesetze (→ Lombarda). Sie wirkt in Oberitalien bis in das 14. Jh., in
Süditalien bis in das 18. Jh.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 5 2. A. 1850, 174; Leicht, P., Le glosse di
Carlo di Tocco, (in) Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna 4
(1920), 157; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 305; Lange,
H., Zum Lombarda-Kommentar, FS D. Medicus, 1999, 317
Karrenstrafe ist in
der Neuzeit eine im (Beladen und) Ziehen eines Karrens bestehende Freiheitsstrafe
oder Ehrenstrafe.
Lit.: Wächter, C., Die Strafarten und Strafanstalten des
Königreichs Württemberg, 1832, 253
Karte ist das beschriebene Blatt bzw.
das verkleinerte Abbild von Land.
Lit.:
Ortelius, A., Theatrum orbis terrarum, 2006; Oehme, R., Die Geschichte der
Kartographie des deutschen Südwestens, 1961; Schumm, K., Inventar der
handschriftlichen Karten im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, 1961; Großer
historischer Weltatlas, hg. v. bayerischen Schulbuch-Verlag, Teil 1ff. 1953ff.;
Putzger, F., Atlas und Chronik zur Weltgeschichte, 2002; Schneider, U., Die
Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute,
2004; Recker, G., Gemalt, gezeichnet und kopiert – Karten in den Akten des
Reichskammergerichts, 2004; Kartenwelten, hg. v. Dipper, C. u. a., 2006;
Iwanczak, W., Die Kartenmacher, 2009
Kartell ist die Abrede selbständiger Unternehmer zwecks bestimmten gemeinsamen Verhaltens am Markt. Wie schon die → Zunft den Wettbewerb beeinflusst und seit dem Spätmittelalter bewusst Unternehmer sich zur Wettbewerbsgestaltung zusammenschließen, so finden sich am Ende des 19. Jh.s auch in der Großindustrie Kartelle. 1897 werden sie vom deutschen Reichsgericht zugelassen (RGZ 38, 155). Da sie bald überhandnehmen, werden sie am 2. 11. 1923 verboten, ohne dass das Verbot Wirkungen zeigt. Am 27. 7. 1957 ergeht in der Bundesrepublik Deutschland zum 1. 1. 1958 ein Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz), das später noch verschärft wird (3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht) und neben dem seit diesem Zeitpunkt auch europäisches Kartellrecht gilt. Im Mai 2004 wird das europäische Kartellrecht inhaltlich umgestellt auf das Anmeldeprinzip und kann außer von der Europäischen Kommission von allen nationalen Kartellbehörden und Kartellgerichten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union angewendet werden .
Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 243, 272; Mickwitz, G., Die
Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,3852; Großfeld, B., Zur Kartellrechtsdiskussion vor dem ersten
Weltkrieg, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4
1979, 255; Kartelle und Kartellgesetzgebung, hg. v. Pohl, H., 1985; Schwab, D.,
Kartelle im Mittelalter, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 442; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1988;
Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des
österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Nörr, K.,
Die Leiden des Privatrechts, 1994; Gith, R., Die Entstehungsgeschichte des
europäischen Kartellrechts, 2003; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch,
2004; Richter, K., Die Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914,
2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Maetschke, M.,
Ursprünge der Zwangskartellgesetzgebung, 2008
Karthager ist der
Angehörige des um die phönizische Kolonie Karthago am Golf von Tunis
gegründeten, bis nach Spanien ausgreifenden, jedoch seit dem 3. Jh. v. Chr. von
Rom (in drei punischen Kriegen) bekämpften und 146 v. Chr. von den Römern
endgültig unterworfenen Reiches (Feldherr Hannibal 247-183 v. Chr.).
Lit.: Lancel, S., Carthage, 1992;
Geus, K., Prosopographie der literarisch bezeugten Karthager, 1994; Moscati,
S., Die Karthager, 1996; Gerhold, M., Rom und Karthago zwischen Krieg und
Frieden, 2002; Zimmermann, K., Rom und Karthago, 2005, 2. A. 2009; Christ, K.,
Hannibal, 2003; Huss, W., Die Karthager, 3. A. 2004
Karthäuser,
Kartäuser, ist der Angehörige des von Bruno von Köln 1084 in La Chartreuse bei
Grenoble gegründeten christlichen Ordens.
Lit.: Gruys, A.,
Cartusiana, 1976; Mursell, S., The Theology of the Carthusian Life, 1988
Kartular (N.)
Urkundensammlung
Kaser, Max (Wien
21. 4. 1906 – Ainring bei Salzburg 13. 1. 1997), Geschichtsprofessorensohn,
wird nach der Promotion in Graz und der Habilitation in Gießen (1931) Professor
für römisches Recht in Münster (1933) und Hamburg (1959). Von ihm stammt die
führende Darstellung des römischen Privatrechts (1955ff., in drei zeitliche
Epochen gegliedert) und Zivilprozessrechts (1966). Zusammengefasst sind seine
synthetisierenden Arbeitsergebnisse in einem zeitlebens aktualisierten
Kurzlehrbuch.
Lit.: Knüttel, R., Max Kaser, NJW 1997, 1492; Giaro, T.,
Max Kaser, Rechtshist. Journal 16 (1997), 231
Kassation ist die
Aufhebung eines Urteils (wegen Nichtigkeit). Während das römische Recht ein
unter Verletzung der Gesetze zustandegekommenes Urteil ohne weiteres als
nichtig ansieht, verlangt das frühmittelalterliche langobardische Recht ein
besonderes Verfahren (lat. reclamatio [F.] ad regem, Beschwerde an den König).
Seit der Mitte des 12. Jh.s wird zwischen Verletzung des Verfahrensrechts (→
Nichtigkeitsbeschwerde) und Verletzung des materiellen Rechts (→
Appellation) unterschieden, später aber unter dem Einfluss des kanonischen
Rechts die Nichtigkeitsbeschwerde auch auf große erhebliche Rechtsfehler
erstreckt. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat zunächst devolutive und seit der
Mitte des 14. Jh.s auch aufschiebende Wirkung. Für sie werden unter Ausdehnung
auf alle Rechtsfehler im 19. Jh. in Italien Kassationsgerichtshöfe zuständig,
die 1888/1923 zusammengefasst werden. In Frankreich entwickelt sich die K.
(einer Abteilung des Staatsrats) als ein auf Rechtsfragen beschränkter Rekurs
außerhalb des eigentlichen Instanzenzugs im Lauf des 18. Jh.s und wird 1790
einer mit den Garantien einer unabhängigen Rechtsprechung ausgestatteten
Einrichtung (Kassationsgerichtshof) übertragen, welche die Einheitlichkeit
der Rechtsprechung und die genaue Auslegung der Gesetze gewährleisten soll und
zwingend an die Instanzgerichte zurückverweisen muss.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, F., Die
Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Montazel, L., Entre fait et droit, 1998;
Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin
(1819-1852), 2002; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004
Kasse ist ein
Behältnis für Geld. Mit der Entwicklung der Geldwirtschaft werden bei allen
Behörden besondere Kassen gebildet.
Kassel an der Fulda
ist eine aus einem 913 erstmals bezeugten fränkischen Königshof erwachsene
Stadt (1632-1652 Universität), die 1807-13 Hauptstadt des Königreichs
Westphalen ist und in der Bundesrepublik Deutschland das Bundessozialgericht
und von 1954 bis 1999 auch das 1993/1996 gesetzlich nach Erfurt verlegte
Bundesarbeitsgericht beherbergt.
Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919;
Eisenträger, M. u. a., Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, 1935;
Nehls, A., Alte Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, 1967; Heinemeyer.
K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Die Handschriften der
Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel, bearb. v. Kremer, M., Bd. 2 1969;
Kassel als Stadt der Juristen, 1990
Kassenarzt ist der
auf Grund eines von der deutschen Reichsregierung geforderten Abkommens
zwischen Krankenkassenverbänden und Arztverbänden abgeschlossenen Abkommens
(1914) bzw. einer Verordnung (1923) bzw. eines Gesetzes (1955) von der
Krankenkasse (→ Krankenversicherung) für die Behandlung Kranker
zugelassene und deshalb in ein Arztregister eingetragene Arzt (1914 ein K. auf
1350 Versicherte, bzw. bei Familienbehandlung ein K. auf 1000 Versicherte).
Lit.: Jörg, M., Das neue Kassenarztrecht, 1993; Maaß, R.,
Das Kassenarztrecht der Reichsversicherungsordnung, 1990
Kassiergesetz ist
das zwecks Einschränkung der Rechtsliteratur die Anwendung der Anmerkungen
Paulus‘ und Ulpians zu den Werken Papinians verbietende Gesetz Kaiser
Konstantins I. von 321 n. Chr. (Codex Theodosianus 1. 4. 2).
Kaste (F.) Stand in Indien
Lit.: Zilm, A., Das Kastensystem in der Rechtsordnung
Indiens, 1997
Kastilien ist das
nach (lat. [N.Pl.]) castella benannte Gebiet am oberen Ebro, das im späten 8.
Jh. als Grafschaft des Königreichs Asturien-León mit dem Hauptort Burgos
erscheint. K. gelangt 1029 erbweise an den König von Navarra, dessen Sohn 1035
König von K. wird. Von 1037 bis 1065 und 1230 wird León mit K. vereinigt. 1085
wird K. um Toledo erweitert, 1236 um Córdoba, 1243 um Murcia und 1248 um
Sevilla. 1412 wird der König von K. auch Herrscher in Aragonien. Wenig später
werden K. und A. in Personalunion (1474) verbunden.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff,
2,2,230; Martínez Gijón, J., La compañía mercantil en Castilla, 1979; Las
Cortes de Castilla y León, 1988; Büschgens, A., Die politischen Verträge
Alfons’ VIII. von Kastilien, 1995; Czeguhn, I., Die kastilische
Höchstgerichtsbarkeit 1250-1520, 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und
das Imperium, 2002
Kastration (F.) →
Entmannung
Lit.: Schneider, C., Die
Verstaatlichung des Leibes, 2000; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003;
Czeguhn, I., Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933
und die Erbgesundheitsgerichte, TRG 72 (2004), 359; Einhaus, C.,
Zwangssterilisation in Bonn (1933-1945), 2006
Kasuistik (F.)
Einzelfallbetrachtung (vor allem in Rechtsgutachten römischer Rechtskundiger
mit Respondierrecht im Namen des Kaisers seit Kaiser Augustus)
Katalonien (12.
Jh.) im Nordosten Spaniens gelangt über Iberer und Punier seit dem Ende des 3.
Jh.s v. Chr. allmählich an die Römer, seit 409 an die Alanen und 415 an die
Goten (Kata-lanen), um 800 an die Franken. 1137 fällt die dort entstehende
Grafschaft Barcelona an → Aragonien, behält aber Selbständigkeit. 1714
verliert K. die bestehenden Sonderrechte, erhält aber von 1932 bis 1939 und
1979 Autonomie.
Lit.: Lalinde Abadía, J., La institución virreinal en Cataluña
(1471-1716), 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,264; Iglesia Ferreirós, A., La creación del derecho en
Cataluña, Anuario de historia del derecho Español 47 (1977), 99; Allemann,
F./Bahder, X. v., Katalonien und Andorra, 3. A. 1985; Costums de Tortosa, hg.
vom Centre Associat de Tortosa, 1979; Font Ruis, J., Cartas de poblacion y
franquicia, Bd. 2 1983; Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa, 1984;
Brocá, G. de, Historia del derecho de Catalunña, 1985; Zimmermann, M., En les
orígens de Catalunya, 1989; El dret comú i Catalunya, hg. v. Ferreirós
Aquilino, 2000; Bowman, J., Shifting landmarks. Property, proof and dispute in
Catalonia around the year 1000, 2004
Kataster ist ein
Verzeichnis von Personen oder Gegenständen, insbesondere ein Verzeichnis der
Grundstücke eines Gebietes mit genauen Angaben über die tatsächlichen
Verhältnisse des Grundstücks. Im 15. Jh. erscheinen erste Vorläufer (Florenz 1427).
Der neuzeitliche Staat legt seit dem 18. Jh. zwecks Sicherung der Grundsteueraufkommen
K. an (Neapel 1740, Lombardei 1750, Österreich unter Maria Theresia und Joseph
II., Preußen 1822 für Rheinland und Westfalen). Das K. liefert auch dem →
Grundbuch die notwendigen technischen Angaben.
Lit.: Köbler, DRG
152; Grävell, M., Die Grundsteuer und deren Kataster, 1821; Strippel, K., Die
Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914; Heider, J., Der bayerische
Kataster, 1954; Lego, K., Geschichte des österreichischen Grundkatasters, 1968;
Atlante storico, hg. v. Bocchi, F. u. a., 1986ff.; Kataster und moderner Staat,
hg. v. Mannori, L., 2001
Katharer (erstmals um 1143 in Köln) → Ketzer
Lit.: Rottenwöhrer, G., Der
Katharismus, Bd. 1ff. 1982ff.; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001;
Hoécker, C., Disputatio inter Catholicum et Paterinum hereticum, 2001:
Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005
Kathedersozialist (1871) ist der im späteren 19. Jh. sozialpolitische
Anliegen (Wirtschaftsgesetzgebung, Tarifverträge, Wirtschaftsethik)
verfolgende, von Sozialisten bekämpfte Wirtschaftswissenschaftler (z. B.
Gustav von Schmoller 1838-1917, Lujo Brentano 1844-1931, Werner Sombart).
Lit.: Oppenheim,
H., Kathedersozialismus, 1872
Kathedrale ist die Hauptkirche am Sitz des Erzbischofs oder Bischofs.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
La cathédrale, 1995; Binding, G., Als die Kathedralen in den Himmel wuchsen,
2006
katholisch (allumfassend,
seit dem 4. Jh. Bischofstitel)
Lit.: Katholizismus und
Reichsgründung, hg. v. Real, W., 1988; Georg von Hertling 1843-1919, hg.
v. Becker, W., 1993; Kirche und Katholizismus seit 1945, hg. v. Gatz, E., 1998;
Arnold, C., Katholizismus als Kulturmacht, 1999; Schwendenwein, H., Die katholische
Kirche, 2003; Hollerbach, A., Katholizismus und Jurisprudenz, 2004
Katzenelnbogen ist
eine mittelalterliche, 1479 an Hessen gelangte Grafschaft. 1591 wird von
Johannes Kleinschmidt der Entwurf einer Landesordnung geschaffen, der nach
Aufnahme in der Praxis bis zum Ende des 19. Jh.s Bedeutung hat.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die
geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen,
1893, 67; Demandt, K., Regesten der Grafen von Katzenelnbogen, Bd. 1ff.
1953ff.; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969;
Maulhardt, H., Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafsachaft Katzenelnbogen,
1980
Kauf ist ein
gegenseitiger, grundsätzlich formloser Vertrag, durch den der eine Teil
(Verkäufer) sich zur endgültigen Übertragung eines Gegenstandes
(verkehrsfähiger körperlicher, möglicherweise erst noch herzustellender
Gegenstand, Recht einschließlich einer [lat.] spes [F.], Hoffnung, Chance) und
der andere Teil (Käufer) sich zur Zahlung eines bestimmten, ernst gemeinten
Kaufpreises verpflichtet. Der K. ist dem römischen Recht als (lat.) →
emptio (F.) venditio vertraut (auf [lat.] bona fides, guter Treue beruhender
Konsensualkontrakt). Er kann mit verschiedenen Nebenabreden versehen werden
(z. B. aufschiebende oder auflösende Abrede des Rücktrittsrechts des Verkäufers
bei besserem Angebot eines anderen Kaufinteressenten innerhalb einer bestimmten
Frist). Er führt als solcher (noch) nicht zum Eigentumserwerb. Möglich sind
Gattungskauf und Stückkauf. Der Käufer hat die (lat.) actio empti auf
Lieferung, der Verkäufer die (lat.)
actio venditi auf Zahlung. Zu den Germanen kommt er über den namengebenden
römischen Schankwirt an der Grenze (lat. [M.] caupo). Bedeutung erlangt er mit
der Durchsetzung der Geldwirtschaft in der hochmittelalterlichen Stadt. Seit
dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung einschließlich der
Sachmangelhaftung im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen.
Für den K. von Grundstücken wird das (aus den hochmittelalterlichen Schreinskarten
Kölns hervorgehende) → Grundbuch bedeutsam. Im 19. Jh. wird in
Deutschland der Handelskauf ausgesondert und das Verpflichtungsgeschäft vom Erfüllungsgeschäft
streng getrennt. Seit dem Ende des 19. Jh.s wird der sozial schwache Käufer
(Verbraucher) besonders geschützt (Abzahlungsgesetz). → Marktkauf
Lit.: Kaser § 41; Söllner §§ 9, 15; Hübner; Köbler, DRG 45,
63, 67, 91, 127, 165, 215, 270; Conze, F., Kauf nach hanseatischen Quellen,
1889; Amira, K., Nordgermanisches Obligationenrecht, 1892ff.; Mitteis, H.,
Rechtsfolgen des Leistungsverzugs, 1913; Peterka, O., Der Kauf im Altstadt
Prager und Brünner Recht, ZRG GA 58 (1938), 421; Planitz, H., Handelsverkehr
und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Ebel,
W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Bauer, F., Die Entwicklung des Kaufrechts
in Deutschland seit der Rezeption des römischen Rechts, Diss. jur. Bonn 1953;
Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Müller, H., Das Kaufrecht in
süddeutschen Stadtrechtsreformationen, Diss. jur. Kiel 1961; Greiser, P., Der
Kauf nach deutschen Landrechten der Rezeptionszeit, Diss. jur. Kiel 1965;
Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Scherner, K.,
Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Wesener, G., Der Kauf
nach österreichischem Privatrecht, FS H. Hämmerle, 1972, 433; Oeckinghaus, A.,
Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen,
Diss. jur. Mainz 1981; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der
Gefahrtragung beim Kauf, Diss. jur. Bonn 1981; Knellwolf, M., Zur Konstruktion
des Kaufes auf Probe, 1987; Cortesi, O., Die Kaufpreisgefahr, 1996; Knütel, R.,
Hoffnungskauf und Eviktionshaftung, ZRG RA 117 (2000), 445; Michaels, R.,
Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Kaufen nach römischem Recht, hg. v.
Jakab, E. u. a., 2007
Kauf auf Probe ist
der Kauf, bei dem der Käufer auf Grund einer Vereinbarung im Kaufvertrag den
Kaufgegenstand bei Nichtgefallen innerhalb einer bestimmten Frist zurückgeben
kann.
Kauf bricht nicht die Miete ist ein Rechtssprichwort, das besagt, dass im Gegensatz zum römischen Recht (Kauf bricht Miete, Gewährleistungsanspruch des vertriebenen Mieters gegen seinen Vermieter) in (vielen) deutschen Rechten seit dem Hochmittelalter die Veräußerung eines Grundstücks durch den Eigentümer das Mietverhältnis eines Mieters nicht beendet (Veräußerung vertreibt den Mieter nicht).
Lit.: Kaser § 42 II 4; Kroeschell, DRG 3; Gilissen, J.,
Huur gaat voor koop, TRG 16, 281; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes
„Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960
Kauf einer erhofften Sache (lat. emptio [F.] rei speratae) ist der Kauf
einer erst noch entstehenden Gegenstands (z. B. eines Tierjungen), der durch
die Entstehung aufschiebend bedingt ist.
Kaufgut ist das durch → Kauf erworbene Gut. Es wird im Mittelalter teilweise anders behandelt als das durch Erbschaft erlangte Gut (Erbgut).
Lit.: Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 2 1886, 58, 199
Kaufhaus ist das großbetriebliche
Unternehmen für den Kleinhandel mit Waren verschiedenster Art in einheitlichen
Verkaufshäusern. In Deutschland werden die ersten Kaufhäuser oder Warenhäuser
von jüdischen Kaufleuten im letzten Viertel des 19. Jh.s errichtet (Wertheim
Stralsund 1876, Karstadt Wismar 1881, Tietz Gera 1882). Gegen sie wenden sich
ohne großen Erfolg die kleineren Handelsunternehmen und Kaufleute.
Lit.: Spiekermann, U.,
Warenhaussteuer in Deutschland, 1994
Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. In Rom von eher untergeordneter rechtlicher Bedeutung, erscheinen im Frühmittelalter Syrer, Juden, Griechen und Friesen als vereinzelte Wanderhändler. Mit dem Hochmittelalter lässt sich der K. in der Stadt nieder und bildet Gilden oder Zünfte. Im 19. Jh. wird der Begriff des Kaufmanns gesetzlich festgelegt, 1998 vereinheitlicht und vereinfacht. Österreich ersetzt 2007 den Kaufmann des Handelsgesetzbuchs durch das Unternehmen und den Unternehmer des Unternehmensgesetzbuchs.
Lit.: Köbler, DRG 67, 95, 111, 167, 217; Gross, C., The
Gild Merchant, 1890; Stoeven, M., Der Gewandschnitt in den deutschen Städten
des Mittelalters, 1915; Die Korporation der Kaufmannschaft von Berlin, 1920;
Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden, 1931; Planitz, H.,
Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1
1940, 175; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG
GA 60 (1940), 1; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Sapori, A., Le
marchand italien, 1952; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126;
Kroeschell, K., Ius omnium mercatorum, FS B. Schwineköper, 1982; Köbler, G.,
Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; I mercanti italiani, hg. v.
Frangioni, L., 1990; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht, 1990;
Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns
1470-1820, hg. v. Hoock, J. u. a., Bd. 1ff. 1991ff.; Ebert-Weidengeller, A.,
Hamburgisches Kaufmannsrecht, 1992; Kaufmannsbücher und Handelspraktiken, hg.
v. Denzel, M. u. a., 2002; Rösch, G., Kaufmannsbildung und Kaufmannsethik im
Mittelalter, 2004; Becker, A., Die Entwicklung des Kaufmannsbegriffes, 2004
Kaufmannseigenschaft
→ Kaufmann
Kaufvertrag ist der
über einen → Kauf geschlossene → Vertrag.
Kausalität ([F.] Ursächlichkeit) eines Verhaltens für einen Erfolg ist gegeben,
wenn das Verhalten nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg
entfällt bzw. ein gebotenes, aber unterlassenes Verhalten nicht hinzugedacht
werden kann, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
entfiele. Im Schadensersatzrecht kann die K, durch die Adäquanz eingeschränkt
sein. K. bei einem Eigentumserwerb bedeutet, dass ohne rechtmäßigen
Erwerbsgrund (z. B. Kaufvertrag) die Erwerbsart (z. B. Übergabe) keinen
Eigentumsübergang bewirken kann (vgl. § 380 ABGB).
Lit.: Ling, M., Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges,
1996
Kautelarjurisprudenz ist
die im Verhüten von Rechtsstreitigkeiten bestehende Tätigkeit des
Rechtskundigen, die schon dem römischen Recht bekannt ist und seit dem
Mittelalter vor allem von → Notaren durch Erstellung einwandfreier
Urkunden ausgeübt wird. Von hier aus kommt es zu eigenen Sammlungen von
Cautelen und seit dem 18. Jh. auch besonderen Standesregeln.
Lit.: Söllner § 11; Weißler, A., Geschichte der
Rechtsanwaltschaft, 1905, 247
Kawerze (M.)
Einwohner von Cahors, Südfranzose, Geldhändler (13. Jh.)
Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991
Kebsehe ist die
(dauerhafte) Geschlechtsverbindung eines Mannes mit einer Unfreien (als
Nebenfrau). Sie wird von der Kirche bekämpft.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 3
Keilschrift ist die durch Zeichen in
Keilform gebildete Schrift des vorchristlichen Zweistromlands.
Keilschriftrecht (Paul Koschaker) ist das in Keilschrift aufgezeichnete Recht (der Sumerer, Akkader, Assyrer, Babylonier und Hethiter).
Lit.: Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher
Rechtsquellen, 1965; Die keilschriftlichen Rechtssammlungen in deutscher
Fassung, 2. A. 1979; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Keine Antwort ist auch
eine Antwort.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 34 (Franck 1541)
Keine Regel ohne
Ausnahme.
Lit.: Deutsche Rechtssprichwörter und Rechtsregeln, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 276 (Körte 1837, lat. nulla regula sine exceptione)
Keller oder Kellner
ist im Mittelalter der für die Verwaltung der Vorräte zuständige Amsträger der
Grundherrschaft oder der Landesherrschaft.
Lit.: Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im
Mittelalter, Bd. 1 1886, 1410; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg.
v. Patze, H., 1983
Kelloggpakt (Briand-Kellogg-Pakt)
ist ein nach dem (französischen Ministerpräsidenten Aristide Briand [Nantes 28.
3. 1862-Paris 7. 3. 1932 und dem) amerikanischen Außenminister Frank Billings Kellogg
(Potsdam 22. 12. 1856-Saint Paul 21. 12. 1937) benannter, am 27. 8. 1928 von
verschiedenen Staaten vereinbarter Vertrag zur Ächtung des Krieges.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007; Buchheit, E., Der Briand-Kellogg-Pakt, 1998
Kelsen, Hans (Prag
11. 10. 1881-Orinda bei Berkeley 19. 4. 1973), aus kleinbürgerlicher, aus
Ostgalizien kommender Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, der Taufe
(1905), der Promotion (1906) und der Habilitation (1911) während des
Kriegsdiensts als Wissenschaftsoffizier im Kriegsministerium 1917
außerordentlicher Professor, 1918 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der
Staatskanzlei und 1919 als Nachfolger seines Lehrers Edmund Bernatzik
ordentlicher Professor in Wien und (1919-1930) Mitglied des Verfassungsgerichtshofs.
1920 wirkt er unter Karl Renner bei der Ausarbeitung des Bundesverfassungsgesetzes
→ Österreichs mit (vor allem Verfassungsgerichtsbarkeit). 1930 wird er
seiner Mitgliedschaft im Verfassungsgerichtshof kraft Gesetzes enthoben. 1930
wechselt er nach Köln, wo er am 13. 4. 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft
beurlaubt wird. 1934 veröffentlicht er sein Hauptwerk (Die reine Rechtslehre),
dem es um die reine Lehre des positiven Rechts geht. Auf der Voraussetzung
einer angenommenen Grundnorm baut er eine wertfreie normative Ordnung auf,
deren Einzelgestaltung er auch während seiner späteren Tätigkeiten in Genf
(1933-1935), Prag (1936-1938), New York
(1940-1942) und Kalifornien (Berkeley 1945-1952) weiter ausgestaltet.
Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, Neudruck 2009;
Kelsen, H., Vergeltung und Kausalität, 1940; Walter, R., Hans Kelsen, 1985;
Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans
Kelsen, 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a.,
1993, 705; Rub, A., Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995; Heidemann, C., Die
Norm als Tatsache, 1997; Carrino, A., Die Normenordnung, 1998; Normativity and
Norms, hg. v. Paulson, S. u. a., 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v.
Diner, D. u. a., 1999; Walter, R., Hans Kelsens Rechtslehre, 1999; Nogueira
Dias, G., Rechtspositivismus und Rechtstheorien, 2004; Hans Kelsen, hg. v.
Paulson, S. u. a., 2005; Walter, R., Hans Kelsen als Verfassungsrichter, 2005;
Hans Kelsen, Werke, Bd. 1ff. hg. v. Jestaedt, M u. a., 2007ff. (30 Bände); Der
Kreis um Hans Kelsen, hg. v. Walter, R. 2008; Ogris, W., Hans Kelsen
redivivus?, Nova & Varia 1 (2009), 7
Kelte ist der
Angehörige der keltisch sprechenden, von den Indogermanen abstammenden Völker.
Die Kelten siedeln zuerst zwischen Main und Donau, werden dann aber nach Süden
(386 v. Chr. vor Rom) und Westen (Galicien, Bretagne, Wales, Irland) und Osten
(Galater) abgedrängt. Aus ihrer Frühzeit sind eigene schriftliche Zeugnisse
nicht überliefert. In der Gegenwart leben noch Bretonisch in der Bretagne,
Walisisch in Wales, Irisch in Irland und Gälisch in Schottland, während
Gallisch (in Frankreich und Südwestdeutschland), Lepontisch (in Oberitalien)
und Iberokeltisch (in Westspanien) ausgestorben sind.
Lit.: Köbler, DRG 66; Roessingh, D., Het gebruik en besit
van de grond, 1915; Liebermann, F., Die Fabeln von urältesten Gesetzen der
Kymren, ZRG GA 46 (1926), 365; Thurneysen, R., Das keltische Recht, ZRG GA 55
(1935), 81; Moreau, J., Die Welt der Kelten, 1958; Die Kelten in Mitteleuropa,
3. A. 1980; McCone, K., Pagan past, 1990; Wernicke, I., Die Kelten in Italien,
1991; Spindler, K., Die frühen Kelten, 1996; James, S., Das Zeitalter der
Kelten, 1996; Birkhan, H., Kelten, 2. A. 1997;
Strobel, K., Die Galater, 1998; Mees, B., Celtic Influence in the Vocabulary of
Hierarchy, ZRG GA 115 (1998), 361; Maier, B., Die Kelten, 2. A. 2003;
Demandt, A., Die Kelten, 4. A. 2002; Maier, B., Die Religion der Kelten, 2001;
Fries-Knoblach, J., Die Kelten, 2002; Sievers, S., Manching, 2003; Maier, B.,
Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs, 2003; Kuckenburg,
M., Die Kelten in Mitteleuropa, 2004; Pilch, H., Die keltischen Sprachen und
Kulturen, Bd. 1f. 2007; Die Kelten, hg. v. Zimmer,
S., 2009; Gvozdanovic, J., Celtic and Slavic in the Great Migrations, 2009
Kemnath
Lit.: Sturm, H.,
Kemnath, Landrichteramt Waldeck-Kemnath mit Unteramt Pressath, 1975
Kent, James (1763-1843), Rechtsanwalt, Professor am Columbia College und Richter, gibt mit seinen (engl.) Commentaries on American Law (1826ff., Kommentare zum amerikanischen Recht) die erste systematische Darlegung des durch Anpassung des → englischen Rechts an amerikanische Bedürfnisse geschaffenen amerikanischen Rechts.
Lit.: Horton, J., James Kent, 1939
Kerbholz ist ein
vor allem im Mittelalter zum Einkerben von Beweiszeichen für Dienste, Schulden
oder Abgaben verwendetes Holzstück.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936,
139
Kerker ist eine Art
von Gefängnis. Zeitweise wird der K. für eine verschärfte Haftstrafe verwendet.
Lit.: Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen,
1905, Neudruck 1970; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Kerze ist eine aus
Docht und umgebendem Wachs gebildete Lichterzeugungsquelle, die auch im Recht
als Symbol Verwendung findet.
Lit.: Wohlhaupter, E., Die Kerze im
Recht, 1940
Kesselfang ist im
Mittelalter das Eintauchen des Armes in siedendes Wasser eines Kessels im
Rahmen des → Gottesurteils (belegt bei Gregor von Tours).
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien,
1956, 255
Ketzer (13. Jh.,
Häretiker) ist im katholischen Kirchenrecht jeder bewusste Leugner eines
kirchlichen Grundsatzes. Ketzerische Lehren erscheinen bereits kurz nach der
Begründung des Christentums. Die Abgrenzung zwischen Glauben und Irrglauben ist
dabei objektiv kaum möglich und der Vorwurf der Ketzerei ist vielfach mit
anderen Überlegungen verbunden. Die Kirche bekämpft die K. mit Exkommunikation,
seit Gratian (um 1140) mit Verbannung, Gütereinziehung und gegebenenfalls
kriegerischem Vorgehen, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und
Todesstrafe. Im Mittelalter werden die Katharer (in Konstantinopel aus dem
älteren Bogomilismus entstanden, erstmals um 1143 in Köln, von Anfang 13. Jh.
bis etwa 1460 vernichtet) namengebend. Auch die Protestanten (1517) sind K.
1697 wendet sich Christian Thomasius dagegen, den K. als Verbrecher zu
behandeln. Seitdem setzt sich allmählich eine aufgeklärtere Betrachtungsweise
durch.
Lit.: Köbler, DRG 119; Theloe, H., Die Ketzerverfolgungen
im 11. und 12. Jahrhundert, 1913; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im
Mittelalter, 1935, Neudruck 1961; Nigg, W., Das Buch der Ketzer, 1949; Blauert,
A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Borst, A., Die Katharer, 1991; Opitz,
C./Wehrli-Johns, M., Die frommen Ketzerinnen, 1998; Lambert, M., Geschichte der
Katharer, 2001; Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005;
Ragg, S., Ketzer und Recht, 2006
Kiburg
Lit.: Rieger, E., Das
Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986
Kiel nahe der Ostsee (1773-1866 dänisch) ist seit 1665 Sitz einer Universität. 1933 werden dorthin zahlreiche junge nationalsozialistische Rechtslehrer berufen (Kieler Schule).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Kieler Erbebuch (1411-1604),
hg. v. Reuter, C., 1887; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898;
Das Kieler Varbuch 1465-1546, hg. v. Luppe, H., 1899; Schröder, R., Das
Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; Stern, M., Das zweite Kieler
Rentebuch (1487-1586), 1904; Das Kieler Denkelbok, hg. v. Gundlach, F., 1908;
Trautmann, P., Kiels Ratsverfassung und Ratswirtschaft, 1909; Rehme, P., Über
die Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Wohlhaupter,
E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938),
752; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universität
Kiel, hg. v. Ritterbusch, P. u. a., 1940 (S. 48-108 Wohlhaupter, E., Geschichte
der juristischen Fakultät); Döhring, E., Geschichte der juristischen Fakultät
1665-1965, 1965; Willert, H., Anfänge und frühe Entwicklung, 1990; Recht und
Rechtslehre im Nationalsozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992
kiesen (wählen)
Kietz (M.)
slawisch-mittelalterliche Fischersiedlung in Brandenburg (mindestens 74
bereits vor 1700 bezeugt)
Lit.: Ludat, H., Die ostdeutschen Kietze, 1936; Krüger, B.,
Die Kietzsiedlungen, 1962
Kimber ist der
Angehörige eines (wohl) aus Jütland stammenden germanischen Volkes, das 101 v.
Chr. bei Vercellae in Oberitalien von den Römern vernichtet wird.
Lit.: Köbler, DRG 28, 66
Kind ist der
Abkömmling ersten Grades eines Menschen (bis zum Erwachsensein [Mündigkeit]).
In Rom steht das K. (lat. [M.] infans) grundsätzlich unter der Hausgewalt des
freien römischen Bürgers in seiner Eigenschaft als Hausvater bzw. hilfsweise
unter der Personalgewalt eines Vormundes (lat. [M.] tutor). Bei den Germanen
untersteht es der Hausgewalt (ahd. munt) des Vaters bzw. der Personalgewalt
eines Vormundes. Aus ihr löst es sich durch Abschichtung oder Verheiratung bzw.
Mündigkeit. Die Unterscheidung nach Ehelichkeit und Nichtehelichkeit wird von
der christlichen Kirche gefördert. Schon seit dem Frühmittelalter nehmen König
und Kirche Einfluss auf die Rechtsstellung des Kindes. Ehelich ist nur das in
rechter Ehe zu rechter Zeit geborene K. Seit dem Hochmittelalter wird die
Bildung außerhalb des Hauses in Schule, Lehre oder Universität für das K. immer
wichtiger. Seit dem Spätmittelalter wird römisches Recht aufgenommen und die
Volljährigkeit als Zeitpunkt der rechtlichen Verselbständigung auf die
Vollendung des 25. Lebensjahres gelegt. Das K. unter sieben Jahren ist
grundsätzlich handlungsunfähig. Im 19. Jh. wird das K. vielfach über die
häusliche Mithilfe hinaus zur Kinderarbeit gezwungen. Aus
verteidigungspolitischen bzw. gesundheitspolitischen Gründen wird dann die
Kinderarbeit beschränkt (Österreich 1859, 1918). Der Wohlfahrtsstaat des
späteren 20. Jh.s versucht die immer wenigeren Kinder (Empfängnisverhütung)
durch Verrechtlichung der Beziehung zu den Eltern zu schützen und zu fördern
(Kindergeld, elterliche Sorge statt elterlicher Gewalt beider Elternteile
[Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18. 7. 1979],
Gleichstellung unehelicher bzw. nichtehelicher Kinder, Gesetz zur Reform des
Kindschaftsrechts vom 16. 12. 1997 zum 1. 7. 1998, Kindeswohl, Anerkennung des
Kindes als Rechtsträger).
Lit.: Kaser § 14 II 1; Hübner 64, 697; Köbler, DRG 88, 120,
160, 210, 267; Köbler, WAS; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912;
Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Jankowiak, K.,
Die Rechtsstellung der Kinder nach dem Magdeburger Recht des Mittelalters,
Diss. jur. Marburg 1923; Fiez, M., Das Eltern- und Kindesverhältnis, 1932;
Bischof, I., Die Rechtsstellung der außerehelichen Kinder, 1931; Etzensperger,
C., Die Rechtsstellung des außerehelichen Kindes nach den schaffhauserischen
Rechtsquellen, Diss. jur. Zürich 1931; Heck, F., Die Stellungnahme Erzbischofs
Wichmann von Magdeburg zu der Kindesfolge, ZRG GA 60 (1940), 257; Das Kind, hg.
v. Behler, W., 1971, 279; Wiesner, I., Über die Rechtsstellung der ehelichen
Kinder im Landrecht des Sachsenspiegels, Diss. jur. Kiel 1973; Leineweber, A.,
Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Kinderarbeit und
Kinderschutz in Deutschland, 1837-1976, hg. v. Quandt, S., 1978; Mayer-Maly,
T., Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 227; Krause,
E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Haus und Familie in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Zur Sozialgeschichte
der Kindheit, hg. v. Martin, J. u. a., 1986; Shahar, A., Childhood in the
Middle Ages, 1990 (deutsch 1991); Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser,
Kindsmord, 1995; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und
Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren
Kindern, 2000; Schulze, N., Das Umgangsrecht, 2001; Wesener, G., Peculia – bona
adventicia – freies und unfreies Kindesgut, (in) Iuris vincula Studi in onore
di M. Talamanca, 2002, 393; Brokamp, I., Die Verrechtlichung der
Eltern-Kind-Beziehung, 2002; Ohlbaum, I., Kind sein, 2003; Jütte, R., Lust ohne
Last, 2003; Krah, J., Das Haager Kinderschutzübereinkommen, 2004; Boentert,
A., Kinderarbeit im deutschen Reich 1871-1914, 2006; Winkler, S., Kindserdrücken, 2007; Ostermann, S., Das
Klärungsverfahren, 2009
Kindererziehung,
religiöse → religiöse Kindererziehung
Kindergeld ist eine
staatliche Leistung an Menschen mit Kindern zur Verminderung ihrer Belastung,
die in Deutschland nach dem Vorbild Frankreichs 1954 durch Gesetz
(Kindergeldgesetz) in Höhe von (zunächst) 25 DM ab dem dritten Kind gewährt
wird.
Lit.: Köbler, DRG 261; Igl, G., Kindergeld und
Erziehungsgeld, 1986; Nelleßen-Strauch, D., Der Kampf ums Kindergeld, 2003
Kindesmissbrauch ist
der sexuelle Missbrauch eines → Kindes, der strafrechtlich bewehrt ist.
Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Kindestötung (Kindsmord)
ist die Tötung eines Kindes (durch die Eltern). Ursprünglich hat im römischen
und germanischen Recht der Gewalthaber das Recht über Leben und Tod des Kindes.
Dieses Recht wird aber sowohl im römischen Recht wie auch im mittelalterlichen
Recht allmählich verdrängt. Als K. in einem engeren Sinn erscheint am Ende des
18. Jh.s (1772 Susanna Margarethe Brandt in Frankfurt als Anregung zu Gretchen
in Goethes Faust) die Tötung eines neugeborenen, außerehelichen Kindes während
oder gleich nach der Geburt durch die Mutter. Sie ist ein privilegierter
Tötungstatbestand, der die ältere Mordqualifizierung ablöst. Am Ende des 20.
Jh.s wird er in Deutschland aufgegeben.
Lit.: Jordan, L., Über den Begriff und die Strafe des
Kindesmordes, 1844; Wächtershäuser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973;
Weber, B., Die Kindsmörderin im deutschen Schrifttum von 1770-1795, 1974;
Dülmen, R. van, Frauen vor Gericht, 1991; Hammer, E., Kindsmord, 1997; Meumann,
M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Habermas, R., Susanna Brandt,
NJW 1999, 1936; Das Frankfurter Gretchen, hg. v. Habermas, R., 1999; Das Kind
in meinem Leib, hg. v. Wahl, V. u. a., 2004; Czelk, A., Privilegierung und
Vorurteil, 2005
Kindsmord → Kindestötung
Kipper und Wipper sind seit dem
17. Jh. (1621) Geldwechsler, die vollwertiges Silbergeld gegen unterwertiges
Kleingeld eintauschen.
Lit.: Gaettens, R., Inflationen, 2. A. 1955; Redlich, F.,
Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972
Kirche (zu griech. kyriake oikos
Haus des Herrn) ist die in eigenen Verfassungsformen geordnete, im
christlichen Bekenntnis vereinigte Gemeinde und Glaubensgemeinschaft. Sie
entsteht im Anschluss an das Leben des Religionsstifters Jesus Christus im 1.
Jh. n. Chr. Im Wettbewerb mit zahlreichen anderen fremdländischen Heilslehren
im römischen Weltreich setzt sich die christliche K., die ihre Schriften gegen
180 n. Chr. kanonisiert und schon früh eine hierarchische Verfassung von
Bischöfen, Klerus und Laien annimmt, als eine revolutionäre, die unteren
Schichten gegen ihre Obrigkeit einnehmende Massenbewegung durch. Nach
anfänglicher Verfolgung wegen der Lehre von der Unterordnung des irdischen
Reiches unter das himmlische Reich Gottes wird die christliche K. 313 im
Mailänder Toleranzedikt von Kaiser Konstantin anerkannt und in seiner im
Glaubensstreit zwischen Athanasius und Arius von Athanasius vertretenen Form
391 Staatskirche. Ihre geistige Verfeinerung und lateinische Durchdringung
erfolgt vor allem durch Hieronymus (345-420), Ambrosius und Augustinus.
Organisatorisch setzt sich unter dem Primat Roms die Bischofskirche mit
Erzbischöfen und Bischöfen in den (lat. [F.Pl.]) civitates (Städten) durch.
Spätestens seit dem 4. Jh. werden auch germanische Völker christianisiert. Seit
dem Frühmittelalter durchdringt die K. das gesamte Europa in vielfältiger
Hinsicht. Nach der Verbindung zwischen Papst und fränkischem Herrscher (751,
800) kommt es allerdings unter den Saliern (Heinrich IV. 1075) zum →
Investiturstreit mit der durch das Schisma von 1054 entstandenen
römisch-katholischen K. Die K. gewinnt als Folge der → ottonischen Reichskirchenpolitik
weltliche Macht in der Form der geistlichen Fürstentümer. 1517 verursacht
Martin → Luther mit seinen gegen kirchliche Missstände gerichteten 95 Reformationsthesen
die Abspaltung der Protestanten. Seit der Aufklärung sieht sich die als
Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte K. einer ständigen
Säkularisierung aller Verhältnisse ausgesetzt. Gefordert und in erheblichem
Umfang verwirklicht wird die Trennung von Staat und Kirche (1797 Vereinigte
Staaten von Amerika, Revolution in Frankreich, → Kulturkampf). Am Ende
des 20. Jh.s ziehen sich immer mehr Christen zwar noch nicht formal, aber doch
tatsächlich aus der K. zurück. Neben der K. als Gemeinschaft steht die K. als
Gebäude (älteste erhaltene K. 3. Jh. n. Chr.).
Lit.: Köbler, DRG 77, 79, 82, 88, 108, 115, 119, 121, 159,
205, 265; Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1887, 8. unv. A.
1954; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Schulte, A.,
Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Sehling, E., Geschichte der
protestantischen Kirchenverfassung, 2. A. 1914; Schulte, A., Der Adel und die
deutsche Kirche im Mittelalter, 2. A. 1922; Tomek, E., Kirchengeschichte Österreichs,
Bd. 1ff. 1935ff.; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Schubert, G., Der Einfluss
des kirchlichen Rechts auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937;
Gampl, I., Staat und evangelische Kirche in Österreich, ZRG KA 52 (1966), 299;
Feine, H., Reich und Kirche, hg. v. Merzbacher, F., 1966; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Huber, E./Huber, W., Staat und Kirche im 19.
Jahrhundert, Bd. 1ff. 1973ff.; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche, 1975;
Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Theologische
Realenzyklopädie, Bd. 1ff. 1977ff.; Church and Society in England, hg. v.
O’Day, R. u. a., 1977; Oakley, F., The Western Church, 1979; Buchholz, S.,
Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach
der Säkularisation, 1983; Fuchs, J., Das schweizerische Staatskirchenrecht, ZRG
KA 101 (1984); Hölscher, W., Kirchenschutz als Herrschaftsinstrument, 1985;
Leitner, F., Kirche und Parteien in Österreich nach 1954, 1988; Merzbacher, F.,
Recht-Staat-Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989; Staat, Kirche, Wissenschaft
in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989; Histoire du christianisme, hg. v.
Mayeur, J. u. a., 1990ff.; Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Kaspar, W.
u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als
Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Hauschild, W., Lehrbuch der Kirchen- und
Dogmengeschichte, Bd. 1ff. 1995ff.; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997;
Heim, M., Kleines Lexikon der Kirchengeschichte, 1998; Bücherverzeichnis zur
Kirchengeschichte, hg. v. Fürstenberg, M. u. a., 1998; Biographisch-bibliographisches
Kirchenlexikon, Bd. 1ff. 1998; Mühlenberg, E., Epochen der Kirchengeschichte,
3. A. 1999; Greschat, M., Personenlexikon Religion und Theologie, 1998;
Rehberg, A., Kirche und Macht im römischen Trecento, 1999; Heim, M., Kirchengeschichte,
2000; Wallmann, J., Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 5. A.
2000; Lexikon der Kirchengeschichte, 2001; Die Erforschung der Kirchengeschichte,
hg. v. Smolinsky, H., 2001; Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, 2001;
Frank, K., Lehrbuch der Geschichte der alten Kirche, 3. A. 2002; Prinz, F., Die
Kirche und die pagane Kulturtradition, HZ 276 (2003), 281; Schwarz Lausten, M.,
Abendländische Kirchengeschichte, 2003; Studt, B., Papst Martin V. (1417-1431)
und die Kirchenreform in Deutschland, 2004; Logan, F., Geschichte der Kirche im
Mittelalter, 2005; Ökumenische Kirchengeschichte, hg. v. Kaufmann, T. u. a. Bd.
1ff. 2006; Städtische Gesellschaft und Kirche im Spätmittelalter, hg. v. Klapp,
S. u. a., 2007; Norman, E., Geschichte der katholischen Kirche, 2007; Neumann,
F., Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007; Krüger, E.,
Der Traktat De ecclesiastica postestate des Aegidius Romanus, 2007; Atlas zur
Kirche in Geschichte und Gegenwart - Heiliges Römisches Reich -
Deutschsprachige Länder, hg. v. Gatz, E., 2009; Zippelius, R., Staat und
Kirche, 2. A. 2009
Kirchenasyl → Asyl, → Kirche
Kirchenbann →
Kirche, → Bann
Kirchenbaulast ist
die Belastung einer Gruppe von Menschen, eines einzelnen Menschen oder eines
Vermögens mit den Kosten (des Baues,) der Unterhaltung und des Wiederaufbaues
einer → Kirche (→ Eigenkirche). Sie ist mit dem → Patronat
verbunden. Wo eine K. in das Eigentum des Staates übergegangen ist, trägt
infolge des Vermögensübergangs der Staat die K.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Beyme, B. v.,
Die Baulast für das Freiburger Münster, 2003
Kirchenbuch ist ein
von der → Kirche geführtes Buch über kirchliche Angelegenheiten (z. B.
Mitglieder, Taufen, Eheschließungen, Begräbnisse). Nach Mitgliederlisten des
Altertums und Totengedenkbüchern des Frühmittelalters erscheinen
Taufmatrikeln in Italien und Südfrankreich im 14. Jh. Im Heiligen römischen
Reich (deutscher Nation) tritt das K. um 1490 auf (z. B. Tübingen 1553
Ehebuch). In der Neuzeit verwendet auch die weltliche Gewalt das K. für ihre
Zwecke. 1875 tritt neben das K. das Personenstandsbuch des Staates. Die Zahl
der Kirchenbücher des Deutschen Reichs wird auf 400000 mit rund einer Milliarde
Einzeleinträgen geschätzt.
Lit.: Köbler, DRG 105; Lampe, W., Die Kirchenbuchführung in
Vergangenheit und Gegenwart, 1936; Schmitz, H., Die pfarrlichen Kirchenbücher,
1992; Das älteste Tübinger Ehebuch, hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Neininger,
F., Brandenburgische Kirchenbuchduplikate 1794-1874, 2008
Kirchenbuße → Kirche, → Buße
Kirchenfabrik (lat.
fabrica [F.] ecclesiae) ist die mit der Errichtung einer Kirche (Gebäude)
entstehende Verbandsperson („juristische Person“). Die Hauptlast der K. ist die
→ Kirchenbaulast. Das Vermögen der K. kann nur in einem besonderen
Verfahren veräußert werden. → Kirchengut
Kirchengut ist die
Gesamtheit der geldwerten Rechte einer → Kirche. Das K. entsteht anfangs
vor allem durch Gaben, dann aber auch Abgaben (→ Zehnt), die gemeinsam
verwaltet und später nach bestimmten Regeln verteilt werden (z. B. Vierteilung
unter Bischof, Klerus, Armen und → Kirchenfabrik, 5. Jh.). Im
Frühmittelalter, in dem auch K. säkularisiert wird, können Klöster bis zu 15000
Hufen K. haben. Das K. gliedert sich dann in mehrere selbständige
Untereinheiten. Im 13. Jh. wird aus dem K. teilweise Landesherrschaft. Seit
der frühen Neuzeit wird K. in erheblichem Umfang säkularisiert (u. a. im
Reichsdeputationshauptschluss vom 28. 2. 1803).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Stutz, U., Die Verwaltung und
Nutzung des kirchlichen Vermögens, Diss. jur. Berlin 1892; Buchholzer, J., Die
Säkularisation katholischen Kirchenguts im 18. und 19. Jahrhundert, 1921;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mempel, H., Die
Vermögenssäkularisation 1803/10, 1979
Kirchenordnungen sind
ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch vorschreibende Regeln, wie
sie sich bereits im Altertum und dann insbesondere als Folge der Reformation
Martin → Luthers im 16. Jh. zwecks Ablösung des kanonischen Rechts finden
(z. B. Hessen 1526, Schwäbisch Hall 1526, Hadeln 1526, Braunschweig 1528,
Hamburg 1529, Lübeck 1531, Lüneburg 1531, Brandenburg-Nürnberg 1533, Pommern
1534, Hannover 1536 usw.).
Lit.: Schwanhäuser, G., Das Gesetzgebungsrecht der
evangelischen Kirche, 1967; Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des
16. Jahrhunderts, Bd. 1ff. 1902ff., Neudruck 1980 (z. B. Bd. 18 2006, Bd. 17,
4, 2 2009); Wolf, E., Ordnung der Kirche, 1961; Brecht, M., Kirchenordnung und
Kirchenzucht in Württemberg, 1967; Sprengler-Ruppenthal, A., Zu den
Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 2004
Kirchenrecht ist
die Gesamtheit der Rechtssätze, die entweder das Leben innerhalb der Kirche
ordnen (inneres K. bzw. in der katholischen Kirche auch kanonisches Recht) oder
das Verhältnis des Staates zur Religion und zu den Religionsgemeinschaften
regeln (äußeres K., Staatskirchenrecht). K. entsteht unter Beachtung vieler
jüdischer Sätze bereits im 1. Jh. n. Chr. Die Kirche des Altertums bedient sich
dabei in weitem Umfang des römischen Rechts, gestaltet durch Konzilien und
päpstlich-bischöfliche Einzelreskripte (Dekretalen) K. aber auch vielfach neu
([lat.] → ius divinum, → ius ecclesiasticum, → ius naturale).
Bereits seit dem 4. Jh. wird das K. gesammelt (u. a. von → Dionysius
Exiguus). Dem schließen sich frühmittelalterliche Sammlungen an (600 Vetus
Gallica, 633 Hispana, 774 von Papst Hadrian an Karl den Großen übermittelte
Dionysio-Hadriana, 850 „Benedictus Levita“, 906 [lat.] libri [M.Pl.] duo de
causis synodalibus [zwei Bücher Synodalsachen] des Regino von Prüm, 1007-1022
[lat., N.] Decretum Bischof Burchards von Worms). Um 1140 fasst in Bologna →
Gratian Konzilscanones, päpstliche Dekretalen und Texte von Kirchenvätern zu
seinem (lat. [N.]) → Decretum zusammen. Daran schließen sich Sammlungen
von Dekretalen an (1234 [lat.] → Liber [M.] extra, 1298 [lat.] Liber
sextus, 1317 → Clementinen), so dass allmählich das (lat.) →
corpus (N.) iuris canonici entsteht. Dessen Inhalt wird von den
protestantischen Kirchen seit der frühen Neuzeit zunächst grundsätzlich
anerkannt, danach aber vor allem durch → Kirchenordnungen abgewandelt.
1917/1918 und 1983 wird das katholische K. neu gestaltet (lat. → Codex
[M.] iuris canonici). → Staatskirchenrecht im eigentlichen Sinn entsteht
seit der Reformation Martin → Luthers (1517). Dabei setzt sich seit dem
ausgehenden 18. Jh. der Gedanke der Toleranz durch. Das 20. Jh. trennt zwar
Staat und Kirche grundsätzlich, sichert der Kirche aber noch wichtige Teile
ihrer hergebrachten Rechtsstellung (→ Körperschaft des öffentlichen
Rechts, → Kirchensteuer, Art. 137 WRV, 140 GG).
Lit.: Köbler, DRG 1, 8, 81, 106, 126, 205, 266; Eichhorn,
K., Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und evangelischen
Religionspartei in Deutschland, 1831ff.; Richter, A., Lehrbuch des katholischen
und evangelischen Kirchenrechts 1842, 8. A. 1886; Bickell, J., Geschichte des
Kirchenrechts, 1843; Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen und evangelischen
Kirchenrechts, 1879, 6. A. 1909, Neudruck 1965; Rothenbücher, K., Die Trennung
von Staat und Kirche, 1908; Ebers, G., Staat und Kirche im neuen Deutschland,
1930; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931;
Liermann, H., Deutsches evangelisches Kirchenrecht, 1933; Heckel, J., Das
Decretum Gratiani und das evangelische Kirchenrecht, (in) Studia Gratiana 3
(1955), 483; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.;
Mörsdorf, K., Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 11. A. 1964; Benn, E.,
Entwicklungslinien des evangelischen Kirchenrechts im 19. Jahrhundert, Z. f.
ev. Kirchenrecht 15 (1970), 2; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter,
1971; Feine H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Winter, J., Die
Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Berman, H., Law and Revolution,
1983 (Recht und Revolution 2. A: 1991Gaudemet, J., Droit de l’Eglise et vie sociale, 1989; Campenhausen, A. v.,
Staatskirchenrecht, 3. A. 1996; Stumpf, C., Kirchenrecht als Bekenntnisrecht,
1999; Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, hg. v. Campenhausen, A.
Frhr. v., Bd. 1ff. 1999ff.; Erdö, P., Die Quellen des Kirchenrechts, 2002;
Landau, P., Evangelische Kirchenrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Zs. f.
ev. Kirchenrecht 48 (2003), 1; Brundage, J., The Profession and Practice of
Medieval Canon Law, 2004; Stagnation oder Fortbildung, hg. v. Bertram, M.,
2005; Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900, hg. v. Hartmann, W., 2007;
Landau, P., Grundlagen und Geschichte des evangelischen Kirchenrechts und des
Staatskirchenrechts, 2008 (Aufsätze); Austin, G., Shaping Church Law around
the year 1000, 2008; Link, C:, Kirchliche Rechtsgeschichte, 2009; Alltag
reformierter Kirchenleitung. hg. v. Arnold, M. u. a., 2009; Der Einfluss der
Kanonistik auf die deutsche Rechtskultur, hg. v. Condorelli, O. u. a., Bd. 1
2009
Kirchenregiment ist
die am Ende des 15. Jh.s einsetzende Herrschaft (z. B. eines Landesherrn) über
die Kirche, die in protestantischen Ländern (Territorien) bis 1918 anhält.
Lit.:
Heckel, J., Cura religionis, FS U. Stutz, 1938, 224
Kirchenstaat ist der
(weltliche) → Staat der katholischen Kirche. Er nimmt seinen Ausgang vom
Mailänder Toleranzedikt des römischen Kaisers Konstantin (313), das die
christlichen Gemeinden als rechtsfähige Vermögensträger anerkennt. Hinzu kommt
die sog. → konstantinische Schenkung, nach der Konstantin Papst
Silvester die politische Autorität im weströmischen Reich verliehen haben soll.
Danach erhält die Kirche zahlreiche Grundstücke als Gaben, die in ihrer
Gesamtheit seit dem 6. Jh. (lat.) patrimonium (N.) Petri heißen.
Seit dem 7. Jh. gilt der Papst als Schutzherr und Herrscher des Gebiets um Rom
bzw. zwischen Venedig und Benevent. Am 14. 4. 754 gibt der fränkische König
Pippin Papst Stephan die ehemals oströmischen, von den Langobarden besetzten
Güter in Italien um Ravenna und Rom (zurück, → pippinische Schenkung).
Der Sicherung der Herrschaft dient wenig später der K. um die Romagna und
Tuszien (sowie um Venaissin [1274] und Avignon [1378], bis 1797), im 16. und
17. Jh. um Ferrara (1598), Urbino (1630) und Castro (1649). 1798 ersetzt
Frankreich den K. durch die Römische Republik, doch gelingt 1814/1815 die
Wiederherstellung. Am 20. 9. 1870 zieht die italienische Einigungsbewegung den
K. bis auf geringe Reste an sich bzw. das neue Königreich → Italien. 1929
kommt es in Lateranverträgen zu einem Ausgleich. Das weltliche Gebiet der
römischen Kirche beschränkt sich auf die Vatikanstadt. Der Vatikan hat Souveränität.
Lit.: Nürnberger, A., Papsttum und Kirchenstaat, Bd. 1ff.
1897ff.; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchenstaates, 1899, Neudruck 1969;
Hayward, F., Le dernier siècle de la Rome pontificale 1769-1870, Bd. 1ff.
1927f.; Ermini, G., La libertà comunale nello stato della chiesa, 1926f.;
Ermini, G., I parlamenti dello Stato della Chiesa, 1930; Kölmel, W., Rom und
der Kirchenstaat im 10. und 11. Jahrhundert,
1935; Waley, D., The Papal State in the Thirteenth Century, 1961; Quellen zur
Geschichte des Kirchenstaates, hg. v., Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The
Lands of St. Peter, 1968; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984; Arnaldi,
G., Le origini dello Stato della Chiesa, 1987; Marazzi, D., I Patrimonia sactae
Romanae ecclesiae nel Lazio, 1998; Modell Rom?, hg. v. Büchel, D. u. a., 2003
Kirchensteuer ist
die durch die öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaften erhobene, vom
Staat eingezogene Steuer. Sie ersetzt den älteren Kirchenzehnt (Preußen 20. 6.
1875, vgl. auch das Allgemeine Landrecht von 1794). Rechtliche Grundlagen
werden Art. 137 VI der Weimarer Reichsverfassung und Art. 140 GG.
Lit.:
Köbler, DRG 198; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fischer, G., Finanzierung
der kirchlichen Sendung, 2005
Kirchenvertrag ist
ein Vertrag eines Staates mit einer (evangelischen) Kirche über kirchliche
Angelegenheiten. → Konkordat
Lit.: Die Konkordate und Kirchenverträge in der
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Listl, J., Bd. 1f. 1987
Kirchenvogtei ist
die Ausübung weltlicher → Herrschaft für eine → Kirche durch einen →
Vogt.
Lit.: Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei
im 10. Jahrhundert, 1933
Kirchenzehnt ist
(meist) der zehnte Teil (von Erträgnissen und Früchten von Grundstücken und
Vieh). Er erscheint im 5. Jh. n. Chr. auf der Grundlage von 4. Moses 18,21-32.
Wenig später wird er von der Kirche gefordert und vom fränkischen König als
Ausgleich für eingezogenes Kirchengut zugestanden. Seit der französischen
Revolution (1789) und den Unruhen der Jahre 1848ff. verschwindet er und wird in
deutschen Staaten durch die → Kirchensteuer ersetzt.
Lit.: Perels, E., Die kirchlichen Zehnten im karolingischen
Reich, 1904; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Kirchliches Recht
ist das auf die → Kirche bezogene → Recht (→ Kirchenrecht). Einen
wichtigen Gegensatz zum kirchlichen Recht bildet das weltliche Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Kirchmann, Julius Hermann von (1802-1884)
Lit.: Julius Hermann
von Kirchmann, hg. v. Bast, R., 1993
Kirchspiel (Kirchenbezirk) → Kirche
Lit.: Liebe, G., Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele,
Diss. phil. Berlin 1885; Oberdörfer, K., Das alte Kirchspiel Much, 1923; Haff,
K., Das Großkirchspiel, ZRG KA 63 (1943), 1, 64 (1944), 1, 65 (1947), 1, 253;
Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966
Kistenpfand (N.)
Pfand an leblosen beweglichen (in Kisten aufbewahrbaren) Sachen
Lit.: Hübner 470
k. k. (kaiserlich-königlich, Österreich 1867, nicht pragmatische
Angelegenheiten) → k. u. k.
Klage ist im
rechtlichen Sinn das Begehren des Klägers an das Gericht auf Rechtsschutz
gegenüber dem Beklagten. Im römischen Recht ist K. die (lat.) → actio
(F.), für die der Verletzte bei dem Gerichtsmagistrat die Einsetzung eines
Gerichts (meist lat. [N.] iudex) und einer Anweisung einer Entscheidung
verlangt. Von K. wird wohl unter kirchlichem Einfluss erst seit dem
Frühmittelalter gesprochen, in dem sich der Verletzte nicht mehr unmittelbar
gegen einen möglichen Verletzer, sondern hauptsächlich an einen
Herrschaftsträger mit der Bitte um Unterstützung bei der Verfolgung des Rechts
wendet. Im Hochmittelalter werden verschiedene Arten der K. unterschieden (um
Eigen und Erbe, um Gut, um Schuld, später bürgerliche K., peinliche K. und
gemischte K.) und anscheinend genaue Formulierungen verlangt (→ Prozessgefahr),
so dass Vertreter im Wort (→ Fürsprecher) erscheinen. Mit dem im
Spätmittelalter aus Oberitalien kommenden gelehrten Verfahrensrecht wird die K.
vielfach schriftlich und durch Vertreter in der Sache (→ Anwalt) geformt.
Lit.: Kaser § 82 II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 86, 116,
117, 156, 202; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869; Planck, J.,
Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1878/9, Neudruck 1973,
357, 757; Turner, V., The King and his Courts, 1968; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Gudian, G., Zur Klage mit
Schadensformel, ZRG GA 90 (1973), 121; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren euopäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
383,467; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1; Apathy, P.,
Die publizianische Klage, 1981; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bieresbom, D., Klage und
Klageerwiderung im deutschen und englischen Zivilprozess, 1999; Artner, M.,
Agere praescriptis verbis, 2002; Halfmeier, A., Popularklagen im Privatrecht,
2006
Klage gegen den toten Mann
ist eine wissenschaftliche Bezeichnung des Verfahrens gegen den auf handhafter
Tat erschlagenen Täter. Sie ist vor allem im altnordischen Recht verbreitet.
Seit dem 13. Jh. wird die K. g. d. t. M. durch die anerkannte Berufung auf
Notwehr verdrängt.
Lit.: Scherer, Die Klage gegen den toten Mann, 1909;
Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936; Wallén, P., Die
Klage gegen den Toten, 1958
Klage mit dem toten Mann ist
im norddeutschen Recht des Mittelalters ein Verfahren gegen den auf handhafter
Tat erschlagenen, vor Gericht gebrachten Täter.
Lit.: Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann, ZRG GA 31
(1910), 235; Frommhold, G., Zur Klage mit dem toten Mann und mit der toten
Hand, ZRG GA 36 (1915), 458
Klageformel ist
im römischen Formularprozess die Anweisung und die Ermächtigung des
Gerichtsmagistrats an einen (lat.) iudex, den Beklagten unter bestimmten
Bedingungen zu verurteilen oder freizusprechen. Die K. enthält üblicherweise
eine Sachverhaltsbeschreibung (lat. demonstratio), ein Begehren (lat.
intentio) und einen Verurteilungsbefehl (lat. condemnatio).
Klagengewere ist im mittelalterlichen sächsischen Prozess die Zusicherung des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass er zur → Klage befugt sei. Macht ein zweiter Beteiligter gegen den Beklagten das Recht geltend, muss der Kläger die Ansprüche vom Beklagten abwehren. Gelingt dies nicht, muss er die eigene Klage aufgeben und → Gewette zahlen. Im 18. Jh. verschwindet die K. Sie wird von der Litiskontestation und der Einrede der Rechtskraft verdrängt.
Lit.: Ebeling, K., Die Klagengewere, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1958
Klagenkonkurrenz ist
im klassischen römischen Recht die mehrfache Geltendmachung einer Klage (gegen
mehrere Beteiligte, kumulative K.). Geht es um (lat.) eadem res (denselben
Gegenstand), besteht grundsätzlich strenge Alternativität und wird mit der
ersten (lat.) litis contestatio (F.) die Klage verbraucht.
Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, DRG 48; Liebs, D., Die
Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972
Klagenkonsumtion ist
im altrömischen Recht der Ausschluss eines zweiten Streites über das geltend
gemachte Recht durch die Streiteinsetzung (lat. [F.] → litiscontestatio)
bzw. bei einer auf den Sachverhalt hin ausgerichteten Klage und einer sachverfolgenden
Klage durch die Einrede der beurteilten Angelegenheit (lat. [F.] exceptio rei
iudicatae)..
Lit.: Kaser § 80 II, 82 III, 87 II;
Köbler, DRG 19
Kläger ist, wer
durch eine → Klage vom Gericht Rechtsschutz begehrt. Wo kein K. (ist), da
kein Richter (vgl. Codex 3, 7, 1 [lat.] invitus agere vel accusare nemo
cogitur, gegen seinen Willen wird niemand zum Klagen oder Anklagen gezwungen).
Lit.: Söllner § 9; Köbler, G., Klage,
klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1
Klageschrift ist im
gelehrten Prozessrecht seit dem Spätmittelalter der Schriftsatz, durch den der →
Kläger → Klage erhebt bzw. Rechtsschutz begehrt. Der Kläger überreicht
die K. dem Beklagten im Termin. Später reicht er sie bei Gericht ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg,
M. v., Der germanisch-römische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1 1868ff.,
Neudruck 1959; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Klagspiegel ist die
1516 von Sebastian → Brant unter dem Titel Richterlich Clagspiegel neu
aufgelegte, vermutlich von einem Stadtschreiber (Conrad Heyden, aus Schwäbisch
Hall oder der Umgebung, ab 1403 Studium in Erfurt als pauper, ohne Abschluss, 1413
Stadtschreiber Schwäbisch Hall, 1436 entlassen, † 1444) in Schwäbisch Hall um
1436 verfasste Schrift über Verfahrensfragen. Der erste Teil will,
hauptsächlich nach Roffredus, De libellis iuris civilis (Von Büchlein des
weltlichen Rechts), ein Handbuch des geschriebenen Rechtes bieten. Der zweite
Teil stellt Strafrecht und Strafverfahren nach römischen Rechtsgrundsätzen
(Digesten, Codex, Durantis, Speculum iudiciale u. a.) dar. Insgesamt ist der K.
die älteste und umfassendste Wiedergabe des römischen Rechts in deutscher
Sprache und unter Zuschnitt auf die einheimischen zeitgenössischen Bedürfnisse.
Er wird von 1460-1470 bis über die Mitte des 16. Jh.s in 24 Auflagen gedruckt
und bildet eine wichtige Quelle der Stadtrechtsreformation von → Worms,
der (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (1507), für
Tenglers → Laienspiegel (1509/11), Justin Goblers Der Rechten Spiegel
(1550) und Heinrich Rauchdorns Practica und Proceß peinlicher Halsgerichtsordnung
(1564).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stintzing, R., Geschichte der
populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 335; Deutsch, A., Der Klagspiegel,
2004
Klammer, Balthasar
(Kaufbeuren um 1504-Celle 6.(?) 2. 1578), Bürgermeisterssohn, wird nach dem
Studium von Theologie und Recht in Ingolstadt und Leipzig 1529 Notar, 1530
Professor in Marburg und 1540 Kanzler der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg.
Neben der Mitwirkung an wichtigen Landesgesetzen (Hofgerichtsordnung, Kanzleiordnung,
Polizeiordnung) verfasst er 1565 ein posthum vielfach gedrucktes, deutsches
(lat.) Compendium (N.) iuris (Lehnrecht und Landrecht) mit lateinischen
Erläuterungen.
Lit.: Eckhardt, A., Der Lüneburger Kanzler Balthasar
Klammer und sein Compendium juris, 1964; Theuerkauf, G., Lex, Speculum,
Compendium iuris, 1968
Klasse (F.) Gruppe
Lit.: Gall, L., Vom Staat zur Klasse, HZ 261 (1995), 1;
Meyer, T., Stand und Klasse, 1997
Klassenjustiz ist
die Ausübung des Richteramtes durch Angehörige der gesellschaftlich
herrschenden → Klasse (Liebknecht 1907) bzw. nach Klassen
unterscheidende, im Dienste einer herrschenden Klasse stehende Rechtspflege.
Lit.: Kroeschell, 20 Jh.; Engels, F., Die Lage der
arbeitenden Klasse in England, 1845; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 46; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983
Klassisches römisches Recht (vgl. Hugo 1790 Lehrbuch und Chrestomathie des classischen
Pandectenrechts) → römisches Recht
Kleid ist eine dem
Schutz und Schmuck dienende, durch Tätigkeit geschaffene Umhüllung des
Menschen. Das Kleid kann durch Rechtssätze festgelegt werden (Kleiderordnung).
Es kann als Metapher oder Kennzeichen für rechtliche Vorgänge und Zustände
Verwendung finden (→ Gewere, → Investitur, Robe, Uniform).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994
Kleiderordnung ist eine → Ordnung über die Verwendung von → Kleidern. Vielleicht unter dem Einfluss der Kirche, in der die Bekleidung der Geistlichen von erheblicher Bedeutung ist, werden im Spätmittelalter zum Schutz vor Verschwendung an vielen Orten Kleiderordnungen erlassen (Spanien 1234/1256, Frankreich 1279/1294, Hannover 1312, England 1336, Göttingen 1340). Dabei gehen die Städte den Ländern anscheinend voran.
Lit.: Köbler, DRG 139; Hampel-Kallbrunner, G., Beiträge zur
Geschichte der Kleiderordnungen, 1962; Eisenbart, L., Kleiderordnungen, 1962;
Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Baur, V.,
Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Jarrett, L., Striptease, 1999; Reich, A.,
Kleidung als Spiegelbild sozialer Differenzierung, 2005;
Klein, Ernst Ferdinand
(Breslau 3. 9. 1744-Berlin 18. 3. 1810), Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Halle (Nettelbladt) Anwalt, 1781 Mitarbeiter am Allgemeinen
Landrecht Preußens (Strafrecht), 1791 Professor in Halle und 1800 Richter in
Berlin. In seinen Merkwürdigen Rechtssprüchen der Hallischen Juristenfakultät
erarbeitet er Ansätze für sichernde Maßnahmen.
Lit.: Mumme, H., Ernst Ferdinand Kleins Auffassung von der
Strafe und den sichernden Maßnahmen, 1936; Hoffmann, U., Ernst Ferdinand Kleins
Lehre vom Verhältnis von Strafen und sichernden Maßnahmen, Diss. jur. Breslau,
1938; Brünker, H., Der Kriminalist Ernst Ferdinand Klein, Diss. jur. Bonn 1973;
Kleensang, M., Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei E. F. Klein, 1998
Klein, Franz (Wien
24. 4. 1854-6. 4. 1926), Goldschmiedssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien
1885 Kanzleidirektor, 1891 außerordentlicher Professor und 1895 ordentlicher
Universitätsprofessor. Auf Grund der Schrift (lat.) Pro futuro (Für die
Zukunft) wird er Beamter des Justizministeriums in → Österreich und
arbeitet die Zivilprozessordnung (1895), die Exekutionsordnung und das
Gerichtsorganisationsgesetz aus, in denen die Stellung des Richters gestärkt
wird.
Lit.: Festschrift Franz Klein, 1914; Forschungsband Franz
Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988
kleindeutsch (Adj.) deutsch ohne
Österreich
Kleines Kaiserrecht ist ein wohl zwischen 1328 und 1350 zwischen Frankfurt am Main und der Wetterau nach dem später sog. → Schwabenspiegel (Kaiserrecht) abgefasstes Rechtsbuch eines fränkischen Anhängers Ludwigs des Bayern. Es enthält Prozessrecht und Gerichtsverfassungsrecht, Privatrecht und Strafrecht, Lehnrecht (besonders der Reichsdienstmannen) und Recht der Reichsstädte.
Lit.: Das Keyserrecht, hg. v. Endemann, H., 1846; Gosen, J.
v., Das Privatrecht nach dem kleinen Kaiserrecht, 1866; Schröder, E., Ein
altertümliches Bruchstück, ZRG GA 17 (1896), 120; Isay, H., Zur Geschichte des
kleinen Kaiserrechts, ZRG GA 19 (1998), 145; Munzel, D., Die Innsbrucker
Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Munzel, D., (in) Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 42; Munzel-Everling, D.,
Des keisers recht, 2003
Klenkok, Johannes
(Brücken 1. Viertel 14. Jh.-Avignon 15. 6. 1374), Professor der Theologie,
stellt in Magdeburg 1369 zehn (später 21) Artikel des → Sachsenspiegels
zusammen, die nach seiner Ansicht gegen kirchliches Recht verstoßen (lat.
[M.Pl.] → articuli reprobati).
Lit.: Böhlau, H., Zur Chronologie, ZRG GA 4 (1883), 118;
Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 28
Kleriker ist der
Angehörige des → Klerus. Für ihn gilt das kirchliche Recht. Da vor allem
im Frühmittelater fast nur K. schreiben können, sind sie gleichzeitig Träger
wichtiger weltlicher Aufgaben (vgl. engl. clerk).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poncet, P., Les privilèges des
clercs au moyen-âge, 1901; Moeller, B., Kleriker als Bürger, FS H. Heimpel, Bd.
2 1972, 195
Klerus ist im katholischen
Kirchenrecht der geistliche Stand im Gegensatz vor allem zu den Laien. Der K.
hat zahlreiche Standespflichten. Umgekehrt genießt er zumindest zeitweise
erhöhten Schutz gegen Ehrverletzungen (lat. privilegium [N.] canonis, vgl. C.
1, 3, 10), Befreiung von der weltlichen Gerichtsbarkeit (lat. privilegium [N.]
fori, vgl. Nov. 79 u. Ä.), Befreiung von weltlichen Pflichten wie Kriegsdienst,
Schöffenamt usw. (lat. privilegium [N.] immunitatis, vgl. Codex Theodosianus
16, 2) und Schutz vor Zwangsvollstreckung (lat. beneficium [N.] competentiae,
vgl. Liber extra 3, 23, 3). Während des Heiligen römischen Reiches (deutscher
Nation) ist der K. sowohl in den Reichsständen wie auch in den Landständen
ansehnlich vertreten.
Lit.: Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im
Mittelalter, 3. A. 1958; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Johag, H., Die Beziehungen zwischen Klerus
und Bürgerschaft, 1977; Schulte-Umberg, T., Profession und Charisma, 1999
Klettgau
Lit.: Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966
Kleve, Cleve, ist eine im 11. Jh. entstandene Grafschaft, die 1417 zum Herzogtum erhoben wird und 1614 an Brandenburg (bzw. 1701 Preußen) fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze und Verordnungen, 1821; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und
Verordnungen, 1826; Schottmüller, K., Die Organisation der Centralverwaltung
in Kleve-Mark, 1896; Wollenhaupt, L., Die Cleve-Märkischen Stände im 18.
Jahrhundert, 1924; Ilgen, T., Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen
Territorien – Herzogtum Kleve, 1921; Rüthning, G., Ein bisher unbekanntes
Stadtrecht von Kleve, ZRG GA 55 (1935), 239; Köbler, G., Gericht und Recht in
der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 176; Klevische
Städteprivilegien, hg. v. Fink, K., 1989; Die ältesten Klever
Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1990; Das Stadtrecht von
Cleve, hg. v. Fink, K., 1991; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften,
bearb. v. Schleidgen, W., 1994; Der Oberhof Kleve und seine Schöffensprüche,
hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1994; Die klevischen Hofordnungen, hg. v. Flink,
K., 1997; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008
Klöntrup, Johann
Aegidius (Glane 30. 3. 1754-Lechterke 25. 4. 1830), Prokuratorssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Göttingen Anwalt in Osnabrück. Er verfasst mehrere Werke
zum bäuerlichen Recht (u. a. Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und
Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück, 1798).
Kloster ist die
geschlossene, Ordensangehörigen als gemeinsame Wohnung, Gebetsstätte und
Arbeitsraum dienende Anlage. Sie erscheint im Bereich des Christentums in
Oberägypten im 4. Jh. erstmals (Pachomius). Im fränkischen Reich werden
Marmoutier (Martin von Tours) und Luxeuil (Columban) wichtige Vorbilder für
zahlreiche, schon früh vom König und Adel durch Privilegien und Gaben
unterstützte Gründungen, für die sich im 8. Jh. die Ordnung des →
Benedikt von Nursia durchsetzt. Diese wird seit dem 10. Jh. in Cluny, Gorze und
Hirsau erneuert. Seit dem 12. Jh. bilden sich unterschiedliche Orden aus (→
Zisterzienser, → Prämonstratenser, → Dominikaner, Franziskaner).
In der Neuzeit, in der in Europa um 1750 etwa 350000 Mönche und Nonnen in etwa
25000 Ordenshäusern von der Allgemeinheit getragen werden, werden unter dem
Einfluss auch der Reformation und danach der Aufklärung zahlreiche Klöster
säkularisiert.
Lit.: Köbler, DRG 79; Wrede, A., Das Klostergut Sülz bei
Köln, 1909; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910,
Neudruck 1965; Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913;
Urkundenbuch des Klosters Fulda, hg. v. Stengel, E., Bd. 1 1913ff.; Bader, K.,
Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, 1938; Stillhart, A., Die Rechtspersönlichkeit
der klösterlichen Verbandsformen, 1953; Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen
in der Verfassung des karolingischen Reiches, 1958; Siepen, K., Vermögensrecht
der klösterlichen Verbände, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A.
1972; Rehfus, M., Das Zisterzienserinnenkloster Wald, 1971; Die Traditionen,
Urkunden und Urbare des Klosters Asbach, bearb. v. Geier, J., 1969;
Reden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982; Prinz, F.,
Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Boetticher, M. v., Kloster und
Grundherrschaft Mariengarten, 1989; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger,
G., 2. A. 1994; Grégoire, R. u. a., Die Kultur der Klöster, 1995; Die
benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, bearb.
v. Fuat, U. u. a., 2000f.; Patzold, S., Konflikte im Kloster, 2000; Zehetmayer,
R., Kloster und Gericht, 2001; Württembergisches Klosterbuch, 2003; Beales, D.,
Prosperity and Plunder, 2003; Gleba, G., Klosterleben im Mittelalter, 2004;
Schlotheuber, E., Klostereintritt und Bildung, 2004; Ströbele, U., Zwischen
Kloster und Welt, 2005, 2006;; Ertl, T., Religion und Disziplin. Selbstdeutung
und Weltordnung im frühen deutschen Franziskanertum, 2006; Gleba, G., Klöster
und Orden im Mittelalter, 2. A. 2006; Buttinger, S., Hinter Klostermauern,
2007; Beales, D., Europäische Klöster im Zeitalter der Revolution 1650-1815,
2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr Wirken, 2009; Rüffer, J.,
Mittelalterliche Klöster, 2009; Mitteleuropäische Klöster der Barockzeit, hg.
v. Herzog, M. u. a., 2009
Klosterschule ist die seit dem 5. Jh.
sichtbare Schule für Geistliche und auch Laien in einem Kloster (z. B.
Reichenau, Sankt Gallen, Fulda, Kremsmünster, Melk, Admont, Corvey, Prüm). Sie
bezieht außer der christlichen Lehre die sieben freien Künste ein. Nach dem 11.
Jh. tritt sie hinter der Universität und später auch den städtischen Schulen
zurück.
Klostertod ist der Verlust weltlicher Rechte durch den Eintritt in ein → Kloster vom Mittelalter bis in das 19. Jh. → bürgerlicher Tod
Lit.: Hübner; Brünneck, W. v., Das Klostergelübde, Gruchot
Beiträge 45 (1901), 193
Kluftbrief (Vetternschaftsbrief)
Lit.: Künssberg, E.
Frhr. v., Vier Kluftbriefe aus Dithmarschen, ZRG GA 43 (1922), 304
kluniazensische Kirchenreform → Cluny
Knappe (M.) Edelknabe, Bergmann
Knappschaft ist
vielleicht schon seit dem Hochmittelalter ein Zusammenschluss von Bergleuten
zur Sicherung gegen Unglücksfälle durch eine Unterstützungskasse. Die K. wird
seit dem Spätmittelalter in Bergordnungen geregelt. 1770 bildet sich auf Grund
eines vom König von Preußen 1767 gewährten Privilegs eine ausgedehnte
Knappschaftskasse für Kleve, Moers und Mark. Mit Gesetz vom 10. 4. 1854 führt
Preußen unter Knappschaftszwang eine öffentlich-rechtliche Versicherung in der
Form von Knappschaftsvereinen ein. Das Reichsknappschaftsgesetz vom 23. 6.
1923/1. 7. 1926 bringt eine einheitliche Regelung im Deutschen Reich (28. 7.
1969 Bundesknappschaft).
Lit.: Köbler, DRG 218; Karwehl, H., Die Entwicklung und
Reform des deutschen Knappschaftswesens, 1907; Inbusch, H., Das deutsche
Knappschaftswesen, 1910; Thielmann, H., Geschichte der Knappschaftsversicherung
seit 1934, Z. f. Bergrecht 95 (1954), 174; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J.,
1990; Lauf, U., Die Knappschaft, 1994; Festschrift aus Anlass des 30jährigen
Bestehens der Bundesknappschaft, 1999
Knecht ist der
junge Mensch, der im Verhältnis zu einem Herrn Dienste leisten muss. Am Ende
des Mittelalters scheidet K. aus den Altersbezeichnungen aus und wird unabhängig
vom Alter zur Bezeichnung für einen niederen, vielfach bäuerlichen
Bediensteten.
Lit.:
Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen Norwegen, 2004
Knien ist ein
vielleicht dem vorderen Orient entstammendes Demutsverhalten.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994
Koadjutor (M.) vom
Papst ernannter, mit bischöflicher Weihgewalt ausgestatteter Vertreter eines
Bischofs
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Koalition (F.)
Vereinigung
Koalitionsfreiheit ist
die Freiheit, zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen oder
Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden (oder auch [negativ] solchen
Vereinigungen fernzubleiben). Die frühe Neuzeit wendet sich gegen die K. der
Handwerksgesellen (1530, 1731, 1845). Im 19. Jh. werden die Verbote aufgehoben
(England 1824, Sachsen 1861, Baden 1862, Norddeutscher Bund 1869, Frankreich
1884). Die Weimarer Reichsverfassung erhebt die K. zu einem Grundrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 273; Scholz, R., Die Koalitionsfreiheit,
1971
Koblenz am Rhein ist von 1806 bis 1813
Sitz einer französischen Rechtsschule, von 1814 bis 1817 Sitz einer preußischen
juristischen Fakultät.
Lit.: Bär, M., Zur
Entstehung der deutschen Stadtgemeinde (Koblenz), ZRG GA 12 (1891), 1; Just,
L., Franz von Lasaulx, 1926; Conrad, H., Stadtgemeinde und Stadtfrieden in
Koblenz während des 13. und 14. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938), 337; Buyken,
T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165;
Eilers, K., Stadtfreiheit und Landesherrschaft in Koblenz, 1980; Mallmann, L.,
Französische Juristenausbildung im Rheinland 1794-1814. Die Rechtsschule von
Koblenz, 1987; Hennig, J., 2000 Jahre Koblenz, 1994
Kodex → Codex
Kodifikation (Gesetzbuchmachung) ist die
grundsätzlich erschöpfend gedachte (und damit anderes Recht bzw. andere Rechtsquellen
ausschließende) Zusammenfassung des gesamten Stoffes eines oder mehrerer
Rechtsgebiete in einem einheitlichen Gesetzbuch (, lat. [M.] → codex)
(oder Gesetz). Die Zusammenfassung des gesamten (römischen) Rechts in Codex,
Digesten und Institutionen durch Justinian (527-565) stellt noch eher eine
Kompilation als eine K. dar. In der Neuzeit sind die Landesherren ebenfalls an
zusammenfassender Regelung interessiert. Beeinflusst von Montesquieus De
l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, 1748) schaffen (Bayern 1751-1756,)
Preußen (auf der Grundlage eines von Samuel von Cocceji bearbeiteten Projekts
eines Codicis Fridericiani Pomeranici 1747, eines Projekts des Codicis Fridericiani
Marchici 1748 und eines Projekts des Corporis juris Fridericiani 1749, 1751,
Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs 1784ff., Allgemeines Landrecht, 1794),
Frankreich (Code civil, 1804, sowie 4 weitere Codes) und Österreich (auf der
Grundlage des Codex Theresianus von 1766, des Entwurfs Horten von 1774, des
Josephinischen Gesetzbuchs von 1787, des Entwurfs Martini 1796 und des
Westgalizischen Gesetzbuchs von 1797 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch,
1811/1812) bekannte Kodifikationen, die inhaltlich (außer vom römischen und vom
einheimischen Recht) stark vom → Naturrecht (Vernunftrecht) geprägt
sind. Ihnen schließen sich später zahlreiche andere Staaten an (z. B. Deutsches
Reich 1871, 1877/1879, 1900, Schweiz 1907/1912, Portugal 1833/1867,
Niederlande 1838, Italien 1865, Spanien 1829/1889 usw.). Geprägt wird der
Begriff der K. von Bentham (Juni 1815 in Briefen an den Zaren von Russland und
den polnischen Prinzen Adam Czartoriski, 1817 Papers relative to Codification
and Public Instruction mit einem separaten Rundschreiben On Codification).
Kennzeichnend sind materielle Vollständigkeit, sprachliche Verständlichkeit und
unabänderliche Festigkeit.
Lit.: Söllner §§ 1, 19, 20, 25; Köbler, DRG 139; Cauvière,
H., L’idée de codification en France, 1910; Thieme, H., Die preußische
Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 335; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in
Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Aquarone, A., L’unificazione
legislativa e i codici del 1865, 1960; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte
der Gesetzgebung, 1960; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée
de J. Bentham, TRG 32 (1964), 45; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in
Frankreich, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code, 1967;
Caroni, P., Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Nordmann, J.,
Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer am Ende des 18.
Jahrhunderts, Zs. f. württ. LG 28 (1969), 265; Teubner, W., Kodifikation und
Rechtsreform in England, 1974; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts
im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Sozialdemokratie und
Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Coing, H., Zur
Vorgeschichte der Kodifikation, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 797;
Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980;
Kodifikation als Mittel der Politik, 1986; Bühler, T., Der Stand der
Kodifikationsentwicklung Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, 1986; Lokin,
J., Hoofdstukken uit de Europese Codificatiegeschiedenis, 1990, 2. A. 1992;
Rechtskodifikation und soziale Normen im interkulturellen Vergleich, hg. v.
Gehrke, H., 1994; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a.,
1995; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer,
B. u. a., 1998; Caroni, P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998;
Kodifikation und Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1998; Becchi, P.,
Ideologie della codificazione in Germania, 1999; Brauneder, W., Vergessene
Jubiläen, JuS 2000, 15; La Codification des lois dans l’antiquité, hg. v. Levy,
E., 2000; Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches,
hg. v. Behrends, O. u. a., 2000; Nörr, K., Kodifikation und Wirtschaftsordnung,
ZNR 2001, 51; Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst
im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Bäumer, M., Die Privatrechtskodifikation
im juristischen Universitätsstudium, 2008
Kodifikationsstreit ist
der hauptsächlich von → Thibaut (1772-1840) und → Savigny
(1779-1861) 1814 geführte rechtspolitische Streit um die Schaffung eines
einheitlichen deutschen Nationalgesetzbuches. Thibaut begründet seine Schrift
„Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für
Deutschland“ mit Vaterlandsliebe und praktischem Interesse der
zivilrechtlichen Verhältnisse. Savigny stellt dem die Behauptung entgegen, dass
Recht organisch aus dem Volksbewusstsein entstehe und (deshalb im Jahre 1814)
ein von oben kommendes Gesetz unorganisch und damit überflüssig oder schädlich
sei. Im Ergebnis setzt sich die von den politischen Gegebenheiten (viele
souveräne deutsche Einzelstaaten) nahegelegte und von Savignys Gelehrtenruhm
gestützte Ablehnung durch, so dass es (bis 1900) bei der Rechtszersplitterung
in den deutschen Staaten bzw. seit 1871 dem Deutschen Reich (im bürgerlichen
Recht) bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 180; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern,
J. 1914; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72
(1955), 359; Wieacker, F., Wandlungen im Bild der historischen Rechtsschule,
1967; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Hattenhauer, H., Thibaut und
Savigny, 1973; Wrobel, H., Die Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und
ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung
im bürgerlichen Recht, 1983; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit, 2004
Kodizill →
codicillus (letztwillige Verfügung ohne Erbeinsetzung, die im klassischen römischen
Recht durchsetzbar und im nachklassischen römischen Recht dem Testament
angenähert wird)
Kofod Ancher, Peder
(1710-1788), 1741 Rechtsprofessor, verfasst in der Form verschiedener
Einzelabhandlungen die erste, bis zur Neuzeit reichende Rechtsgeschichte
Dänemarks (En Dansk Lovhistorie, Bd. 1f. 1769ff.).
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft,
1940, 8; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992, 98
Kognat (lat. [M.]
cognatus) ist der durch Abstammung (auch über Frauen) Verwandte. Im römischen
Recht ist zunächst der → Agnat wichtiger als der K.
Lit.: Kaser §§ 9 12 I 2e, 58 IV 5a, 61
I 1, 65 II 2, 66 III
Kognitionsverfahren (lat.
[F.] cognitio) ist im klassischen römischen Recht ein einheitliches, vor einem
beamteten Richter durchgeführtes Verfahren. Dieses recht formlose Verfahren
erscheint zunächst als durch wohlfahrtsstaatliche Erwägung gegründete (lat.)
cognitio (F.) extraordinaria (außerordentliche Erkenntnis auf ausgewählten
Sachgebieten wie Fideikommissen, Verfahren des [lat.] fiscus, Verfahren über
den [lat.] status) durch den Prinzeps in seiner Stellung als Tribun, dann durch
einzelne ausgewiesene Magistrate und schließlich durch die Verwaltung des
Prinzeps. Die Parteien sind der Entscheidung ohne weiteres unterworfen. Die →
Ladung wird ein amtlicher Akt (Amtsbetrieb), dessen Missachtung den
Streitverlust nach sich zieht. Das Begehren richtet sich allein nach dem
sachlichen Recht. Das auf freier Beweiswürdigung beruhende → Urteil wird
schriftlich verfasst. Die → Kosten trägt in der Regel der Unterlegene.
Gegen die Entscheidung wird die → Appellation an eine höhere Instanz
möglich. Im 2. und 3. Jh. verdrängt das K. das ältere → Formularverfahren.
Lit.: Kaser §§ 80, 87 I; Söllner §§ 14, 15, 17, 18; Köbler,
DRG 33, 55; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966
Kohle → Bergbau
Lit.:
Kranz, H., Kohle in der Krise, ZRG GA 117 (2002), 592
Kohler, Josef (Offenburg 9. 3. 1849-Berlin 3. 8. 1919), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau und Heidelberg (Vangerow) Richter, nach Veröffentlichung seines Werks über das deutsche Patentrecht (1878) 1878 ohne Habilitation Professor in Würzburg und 1888 in Berlin. Vielseitig interessiert befasst er sich mit zahlreichen, Vermögensrecht und Persönlichkeitsrecht verbindenden immaterialgüterrechtlichen Fragen und rechtsgeschichtlichen Ausgaben (Werksverzeichnis mit 2482 Titeln, darunter 104 Bücher, davon 80 juristischen Inhalts).
Lit.: Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler,
J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Osterrieth, A., Josef Kohler, ein
Lebensbild, 1920; Kohler, A., Bibliographie für Josef Kohler, 1931; Spendel,
G., Josef Kohler, 1983; Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums,
hg. v. Adrian, J., 1996; Spendel, G., Josef Kohler (1848-1919), ZRG GA 113
(1996), 434; Nies, K., Die Geschichte ist weiter als wir, 2009
Kohlhase → Fehde
Kolbengericht
Lit.: Haupt, H., Ein oberrheinisches
Kolbengericht aus dem Zeitalter Maximilians I., ZRG 16 (1895), 199
Kolchos(e) (F.)
landwirtschaftlicher genossenschaftlicher Großbetrieb in der Sowjetunion
Kolderup-Rosenvinge, Janus Lauritz Andreas (1792-1850), dänischer Rechtshistoriker, verfasst neben verschiedenen anderen Lehrbüchern die erste systematische Rechtsgeschichte Dänemarks (Grundrids af den danske Lovhistorie, 1822f.) und gibt verschiedene Quellensammlungen heraus.
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft,
1940, 57; Tamm, D., Retsvidenskaben i. Danmark, 1992, 148
Koldín, Pavel
Kristián (1530-1589) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Prag
1557 Professor. Er verfasst 1569 einen 1579 vom Landtag und 1610 von allen
Städten in Böhmen angenommenen Entwurf für ein einheitliches Stadtrecht, das
teilweise bis 1811 in Böhmen und Mähren gilt.
Lit.: Mestské právo v 16.-18. stoleti
v Europe, hg. v. Maly, K., 1982, 341
Kollatai, Hugo (1750-1812)
wird nach dem Studium der Theologie und des Kirchenrechts in Krakau, Wien und
Rom Priester, Professor und Richter. Auf ihn geht wesentlich die Verfassung →
Polens vom 3. 5. 1791 zurück. 1793 muss er in die Emigration gehen, 1794 bis
1802 ist er von Österreich gefangengesetzt.
Lit.: Opalek, K., Poglady Hugo
Kollataj, 1952; Chamcowna, M., Uniwersytet Jagiellonski, 1957
Kollation ([F.]
Zusammenbringen) ist das Einbringen eines vor dem Erbfall durch den Erblasser
erlangten Vermögenswerts zwecks Ausgleichs unter mehreren Anwärtern.
Kolleg (N.) Genossenschaft, Disputationsgesellschaft von Studenten (Köln 1530), Vorlesung
Lit.: Ahsmann, M., Collegium und Kolleg,
2000
Kollegialbehörde ist
eine aus mehreren gleichberechtigten Mitgliedern bestehende, meist durch
Stimmenmehrheit beschließende Behörde. Nach älteren Ansätzen wird sie zu Beginn
der Neuzeit planmäßig gebildet (Baden 1495, Reich 1498, Schlesien 1498, Sachsen
1499, Hessen 1500).
Kollegialgericht ist
ein aus mehreren Mitgliedern bestehendes, durch Abstimmung entscheidendes
Gericht. Ohne besondere Form kollegial verfahren bereits (die germanische
Volksversammlung und) die mittelalterlichen Rachinburgen oder Schöffen.
Demgegenüber tritt der Einzelrichter mit dem Aufkommen des gelehrten Rechtes
zuerst im kirchlichen Gericht, danach in den unteren landesherrlichen Gerichten
hervor. Im 19. Jh. führt der Liberalismus wieder zum K. (→ Schwurgericht).
Aus Kostengesichtspunkten wird seit 1924 dagegen die Zuständigkeit des
Einzelrichters erneut erweitert.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Kollegiatkirche (Kollegiatstift)
ist eine mit Pfründen für Kanoniker (Kollegiatkapitel) ausgestattete,
nichtbischöfliche Kirche. Sie erscheint bereits im ausgehenden Altertum. Im 12.
Jh. ist die K. voll ausgebildet. In der Neuzeit verringert sich ihre Bedeutung.
Lit.: Heckel, J., Die evangelischen Dom- und
Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Gampl, I., Adelige Damenstifte,
1960; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Studien zum
weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, hg. v. Crusius, I., 1995
kollektiv (gemeinschaftlich)
Kollisionsrecht ist
das für das Verhältnis mehrerer nationaler Rechtsordnungen zueinander geltende
nationale Recht (z. B. → internationales Privatrecht Deutschlands). Es
entsteht in Oberitalien seit dem 12. Jh. Es gewinnt mit der zunehmenden
Internationalisierung wachsende Bedeutung.
Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt
Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Behn, M., Die Entstehungsgeschichte
der einseitigen Kollisionsnormen des EGBGB, 1980; Schröder, R., Die Entwicklung
des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, 1988
Köln am Rhein geht
auf eine römische Stadt (50 v. Chr. [lat.] oppidum [N.] Ubiorum, 50 n. Chr. Colonia Agrippinensium) zurück, in der seit dem Anfang des
4. Jh.s ein Bischof wirkt, der 794/795 zum Erzbischof erhoben wird (seit dem
13. Jh. Kurfürst). Zur Sicherung des Grundstücksverkehrs werden in K. bereits
seit etwa 1130 in einem Schrein (Reliquienschrein) verwahrte Karten (→
Schreinskarten) erstellt. Seit 1288 ist K. weitgehend unabhängig und
reichsunmittelbar. 1388/1389 erhält K. die bis 1798 bestehende, unter Besetzung
Frankreichs geschlossene erste deutsche städtische Universität. Zu ihren
Fächern zählt das römische Recht. 1437 werden die Statuten der Stadt in einer
Zwischenstufe zwischen mittelalterlichen Stadtrechten und frühneuzeitlichen
Reformationen aufgezeichnet, wobei eindeutig römischen Ursprungs nur das
Inventarrecht in Art. 14 und die dem senatusconsultum Macedonianum
entsprechende Regelung in Art. 75 sind. 1919 wird die Universität erneuert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gottfried Hagen
Reimchronik der Stadt Köln, hg. v. Gärtner, K. u. a., 2008; Kruse, E., Die
Kölner Richerzeche, ZRG GA 9 (1888), 152; Liesegang, E., Zur
Verfassungsgeschichte der Stadt Köln, ZRG GA 11 (1890), 1; Kohler, J./Liesegang,
E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Tille, A., Instanzenzug
des kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Heldmann,
K., Der Kölngau und die civitas Köln, 1900; Wrede, A., Die Kölner Bauerbänke,
1905; Loesch, H. v., Die Kölner Zunfturkunden, 1907; Beyerle, K., Die
Entstehung der Stadtgemeinde Köln, ZRG GA 31 (1910), 1; Keussen, H.,
Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910; Mayer-Homberg, E., Anklänge an
die Lex Ribuaria im mittelalterlichen Kölner Recht, ZRG GA 33 (1912), 483;
Gothein, E., Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Köln vom
Untergange der Reichsfreiheit bis zur Errichtung des deutschen Reiches, 1916;
Schmidt, A., Die Kölner Apotheken, 1918; Kober, A., Grundbuch des Kölner
Judenviertels 1135-1425, 1920; Ratjen, F., Verfassung und Sitz der Gerichte in
Köln, 1921; Koebner, R., Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln, 1922;
Quellen zur Geschichte des Kölner Handels und Verkehrs, hg. v. Kuske, B., Bd.
1ff. 1917ff.; Braubach, M., Max Franz von Österreich, letzter Kurfürst von
Köln, 1925; Loesch, H. v., Das Recht des Niederichs, ZRG GA 52 (1932), 323;
Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Loesch, H. v., Die
Grundlagen der ältesten Kölner Gemeindeverfassung, ZRG GA 53 (1933), 89;
Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Köner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934),
1; Keussen, H., Die alte Universität Köln, 1934; Planitz, H., Das Kölner Recht
und seine Verbreitung in der späteren Kaiserzeit, ZRG GA 35 (1955), 131;
Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Die
Amtleutebücher der kölnischen Sondergemeinden, hg. v. Buyken, T. u. a., 1936;
Die Kölner Schreinsurkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. v. Planitz, H.
u. a., 1937; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937;
Festschrift zur Erinnerung an die Gründung der alten Universität Köln im Jahre
1388, 1938 (S. 109-238 Bohne, G., Die juristische Fakultät der alten
Universität Köln in den beiden ersten Jahrhunderten der Kölner Juristenfakultät);
Buyken, T./Conrad, H., Ein frühes Statut der Amtleutegenossenschaft, ZRG GA 58
(1938), 808; Buyken, T./Conrad, H., Das älteste Amtleutebuch der kölnischen
Sondergemeinde St. Severin, ZRG GA 59 (1939), 263; Fischer, K., Die Erbleihe in
Köln 1939; Jungbluth, T., Die donatio post obitum und die donatio reservato
usufructu in den Kölner Schreinsurkunden, 1939; Korsch, H., Das materielle
Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Droege, G., Verfassung und Wirtschaft in
Kurköln, 1957; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen
Hofrates, 1965; Pötter, W., Die Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um
1969); Strait, P., Cologne in the twelfth century, 1974; Köln 1475, hg. v.
historischen Archiv der Stadt Köln, 1975; Herborn, W., Die politische
Führungsschicht der Stadt Köln, 1977; Wensky, M., Die Stellung der Frau in der
stadtkölnischen Wirtschaft, 1980; Steinwascher, G., Die Zisterzienserstadthöfe
in Köln, 1981; Iustitia Coloniensis, 1981; Strauch, D., Iurisprudentia
Coloniensis, JuS 1985, 421; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in
Köln 1780 bis 1877, Diss. jur. Köln 1987; Deeters, J., Das Bürgerrecht der
Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Bolten, J., Hochschulstudium für kommunale
und soziale Verwaltung in Köln 1912-1929, 1987; Chmurzinski, B., Die
Kurkölnische Rechtsreformation von 1538, Diss. jur. Köln 1988; Beschlüsse des
Rates der Stadt Köln, hg. v. Groten, M., Bd. 1ff. 1988ff.; Festschrift der
rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität Köln,
1989; Aus der Geschichte der Universität zu Köln, hg. v. Binding, G., 1990;
Bergerhausen, H., Die Stadt Köln und die Reichsversammlungen, 1990; Dorn, U.,
Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Rheinische Justiz, 175 Jahre
Oberlandesgericht Köln, hg. v. Laum, D. u. a., 1994; Quellen zur Geschichte der
Stadt Köln, Bd. 2, hg. v. Deeters, J. u. a., 1996; Groten, M., Köln im 13.
Jahrhundert, 1998; Mettele, G., Bürgertum in Köln, 1998; Heppekausen, U., Die
Kölner Statuten von 1437, 1999; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. v.
Rosen, W. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der
Appellhof zu Köln, 2002; Beuckers, K., Der Kölner Dom, 2004; Berchem, V., Das
Oberlandesgericht Köln in der Weimarer Republik, 2004; Luig, K., … weil er nicht
arischer Abstammung ist, 2004; Herbers, W., Der Verlust der Hegemonie, 2003;
Daniels, H., Kurkölnisches Landrecht, hg. v. Becker, C., 2005; Dirr, K.
Hoheitsrechtliche Streitigkeiten zwischen den Kölner Erzbischöfen und der Stadt
Köln auf Grundlage reichskammergerichtlicher Verfahren des 16. und 17.
Jahrhunderts, 2005; Schlüter, T., Flug- und Streitschriften zur Kölner
Reformation, 2005; Doktorgrad entzogen, hg. v. Szöllösi-Janze, M., 2005; Bartz,
C., Köln im Dreißigjährigen Krieg, 2005; Leiverkus, Y., Köln, 2005; Haupts, L.,
Die Universität zu Köln im Übergang vom Nationalsozialismus zur Bundesrepublik,
2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007,
162; Strauch, D., Der Große Schied von 1258, 2008; Landau, P., Die Kölner
Kanonistik des 12. Jahrhunderts, 2008; Haupts, L., Die Universität Köln am
Übergang, 2007
Kolonat → colonus
Kolonialismus ist
die Bildung von Kolonien durch europäische Staaten auf den anderen Erdteilen
seit der frühen Neuzeit. Der K. unterliegt dem Freiheitsstreben der Betroffenen
nach dem zweiten Weltkrieg. Obwohl er den Kolonien auch die Vorteile der
europäischen Zivilisation vermittelt, wird er insgesamt eher als nachteilig
eingestuft.
Kolonie ist die Niederlassung von Angehörigen eines Volkes oder Staates in fremder Umgebung. Sie ist dem Altertum (Griechen, Römer) ebenso bekannt wie dem Mittelalter (Ostsiedlung). In der Neuzeit entstehen ausgedehnte Kolonien europäischer Staaten (England, Frankreich, Portugal, Spanien, Niederlande, Belgien, seit 1884 auch Deutsches Reich [Schutzgebiet] u. a. April 1884 Deutsch-Südwestafrika [Adolf Lüderitz, 1913 fast 15000 Weiße im Land], Togo, 1899 Westsamoa) in den neu entdeckten Erdteilen. Sie gehen im 20. Jh. weitgehend wieder verloren (für Deutschland 1918 als Folge des ersten Weltkriegs, im Übrigen meist nach verlustreichen Freiheitskämpfen der zweiten Hälfte des 20. Jh.s). Ihre rechtliche Einordnung in der Zwischenzeit ist nicht einheitlich (neues Volk, Teil des Mutterlands).
Lit.: Köbler, DRG 172; Deutsches Koloniallexikon, hg. v.
Schnee, H., 1920; Ansprenger, F., Auflösung der Kolonialreiche, 4. A. 1981;
Kunst, A., Recht, commercie en kolonialisme in West-Indië, 1981; Walz, G.,
Imperialismus und Kolonialmission, hg. v. Bade, K., 1983; Gründer, H.,
Geschichte der deutschen Kolonien, 2. A. 1991; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Osterhammel, J., Kolonialismus,
1995; Coloniser au Moyen Age, 1995; Wolter, U./Kaller, P., Deutsches
Kolonialrecht, ZNR 1995; Aas, N u. a., Koloniale Konflikte im Alltag, 2. A.
1997; Albertini, R. v., Europäische Kolonialherrschaft, 4. unv. A. 1997;
Schubert, W., Das imaginäre Kolonialreich, ZRG 115 (1998), 86; Wesseling, H.,
Teile und herrsche, 1999; Oloukpona-Yinnon, A., Unter deutschen Palmen, 1999;
Schwarz, M., Je weniger Afrika, desto besser, 1999; Huber, H., Koloniale Selbstverwaltung
in Deutsch-Südwestafrika, 2000; Richter, K., Deutsches Kolonialrecht in
Ostafrika, 2001; Grosse, P., Kolonialismus, 2000; Kolonialisierung des Rechts,
hg. v. Voigt, R., 2001; Zimmerer, J., Deutsche Herrschaft über Afrikaner, 2001;
Die deutsche Südsee 1884-1914, hg. v. Hiery, H., 2. A. 2002; Fischer, H., Die
deutschen Kolonien, 2001; Kaulich, U., Die Geschichte der ehemaligen Kolonie
Deutsch-Südwestafrika (1884-1914), 2. A. 2003; Fichtner, A., Die völker- und
staatsrechtliche Stellung der deutschen Kolonialgesellschaften des 19.
Jahrhunderts, 2002; Wagner, N., Die deutschen Schutzgebiete, 2002; Kundrus, B.,
Moderne Imperialisten, 2003; Hasian, M., Colonial Legacies in Postcolonial Contexts,
2002; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Völkermord in Deutsch-Südwestafrika,
hg. v. Zimmerer, J. u. a., 2003; Wesseling, H., The European Colonial Empires
1815-1919, 2004; Fuhrmann, M., Der Traum vom deutschen Orient, 2006;
Kolonialkriege, hg. v. Klein, T. u. a., 2006; Zeller, B.-, Ex facto ius oritur,
2006; Schlottau, R., Deutsche Kolonialrechtspflege, 2007; Tiebel, A., Die
Entstehung der Schutztruppengesetze, 2008; Ein Platz an der Sonne, hg. v.
Aldrich, R., 2008; Klose, F., Menschenrecht im Schatten kolonialer Gewalt,
2009; Stuchtey, B., Die europäische Expansion und ihre Feinde, 2009; Eicker,
S., Der Deutsch-Herero-Kreig und das Völkerrecht, 2009
Kommanditgesellschaft ist die Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter
gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei der bei mindestens einem
Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag
einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt (Kommanditist) sowie bei mindestens
einem anderen Gesellschafter unbeschränkt (Komplementär) ist. Sie entwickelt
sich in der frühen Neuzeit (16. Jh.) allmählich aus der im Hochmittelalter und
Spätmittelalter entstandenen → Handelsgesellschaft. Im 19. Jh. wird die
im preußischen Entwurf des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches noch als →
stille Gesellschaft bezeichnete K. gesetzlich geregelt (Code de commerce
[1807], Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch [1861]). In Österreich ist die
K. seit 2007 rechtsfähig (Unternehmensgesetzbuch).
Lit.: Köbler, DRG 167, 217; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher
Handelsgesellschaften, 1976; Engler, C., Die Kommandigesellschaft (KG) und die
stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999; Zur
Geschichte des Gesellschaftsrechts in
Europa, hg. v. Kalss, S. u. a., 2003
Kommendation ist
die übergebende Anvertrauung insbesondere innerhalb des Lehnsrechtes.
Lit.: Ehrenberg, V., Commendation und Huldigung nach
fränkischem Recht, 1877; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990
Kommentar ist die
Erklärung oder die Erläuterungsschrift (zu einem Gesetz). Der K. findet sich
bereits im Altertum. In der rechtswissenschaftlichen Literatur tritt der K.
seit dem 14. Jh. hervor. Er ist auch in der Gegenwart noch sehr bedeutsam. →
Kommentator
Lit.: Les
Commentaires, hg. v. Mathieu-Castellani, G. u. a., 1990; Mohnhaupt, H., Die
Kommentare zum BGB, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000,
495; Der Kommentar in Antike und Mittelalter, hg. v. Geerling, W. u. a., 2002
Kommentator ist der
Verfasser eines Kommentars. Als K. werden die führenden
rechtswissenschaftlichen Schriftsteller des Spätmittelalters (1250-1500) (z. B.
für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts Jacobus de Arena, Dinus de
Rossonis Mugellanus, Johannes de Blanoso, Albertus Gandinus, Guilelmus Duranti,
Raimundus Lullus, in Neapel Benedictus de Isernia, Marinus de Caramanico,
Bartholomäus de Capua, Andreas Bonellus de Barulo, Andreas de Isernia, Blasius
de Morcone, in Frankreich → Jacobus de
Ravanis, → Petrus de Bellapertica,
Guilelmus de Cuneo und Johannes Faber, für das 14. Jahrhundert Ricardus
Malumbra, Oldradus de Ponte, Jacobus de Belvisio, Jacobus Butrigarius, → Cinus de Pistoia, Johannes Andreae,
Albericus de Rosate, der berühmte → Bartolus
de Saxoferrato, Rainerius de Forlivio, Lucas de Penna, der ebenfalls berühmte → Baldus de Ubaldis sowie für das fünfzehnte
Jahrhundert Bartholomäus Salicetus, Raphael Fulgosius, Johannes de Imola, Paul
de Castro, Antonius Minuccius de Prato Veteri, Alexander Tartagnus, Bartholomaeus
Caepolla, Johannes Baptista Caccialupus, Franciscus de Accoltis, Bartholomaeus
Socinus, Ludovicus Bologninus, Philippus Decius und →
Jason de Mayno) bezeichnet.
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 107; Söllner, A., Die
causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960),
182; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren
und Kanonisten, 1960; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Horn, N., Die juristische Literatur der Kommentatorenzeit, Ius
commune 2 (1969), 84; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007
Kommentierverbot ist
das Verbot, ein Gesetz mit Erklärungen zu versehen. Es findet sich bereits bei
Kaiser Justinian (527-565) in Bezug auf die Digesten. Hieran erinnern
Erklärungen Friedrichs I. Barbarossa von 1182, Innozenz’ III. von 1200 oder
Friedrichs II. in den Konstitutionen von Melfi (1231). Tatsächliche
Kommentierverbote beginnen aber erst wieder in der Neuzeit (Spanien 1567,
Frankreich 1667, Sachsen 1729, Preußen 1794). Das 19. Jh. kehrt sich hiervon
ab.
Lit.: Maridakis, G., Justinians Verbot der Gesetzeskommentierung,
ZRG RA 73 (1956), 396; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe, 1967
Kommissar ist der
Beauftragte, der im Bedarfsfall zur Verwirklichung von Aufsichtsbefugnissen
eingesetzt werden kann. In der frühen Neuzeit unterscheidet Jean → Bodin
(1529/1530-1596) 1576 zwischen dem regelmäßigen Amtsträger und dem außerordentlichen
K. Sachlich finden sich Kommissare bereits im römischen Prinzipat und in der
mittelalterlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit. In der Gegenwart ist der K. ein
staatlicher Beamter, der die Aufsicht des Staates über bestimmte Einrichtungen
ausübt oder die zeitweise Verwaltung einer Selbstverwaltungskörperschaft
durchführt.
Lit.: Hintze, O., Der Commissarius, FS K. Zeumer 1910, 493;
Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.
Kommission ist
einerseits der Ausschuss, andererseits ein schuldrechtliches Handelsgeschäft,
bei dem es eine Person (Kommissionär) übernimmt, gegen Entgelt Waren oder
Wertpapiere für Rechnung einer anderen Person (Kommittenten) in eigenem Namen
zu kaufen oder zu verkaufen. Nach älteren Ansätzen gewinnt die K. seit dem 11.
Jh. in Südeuropa und seit dem 13. Jh. in Mitteleuropa tatsächliche Bedeutung.
Seit dem Ende des 16. Jh.s ist die K. von der → Gesellschaft sicher abgegrenzt.
Gesetzliche Regelungen finden sich seit den Statuten von Genua 1588/1589, dem
Codex Maximilianus Bavaricus civilis von 1756 und dem Code de commerce 1807.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäftes in Deutschland, Bd.
1 1915; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971;
Landwehr, T., Das Kommissionsgeschäft, 2003
kommunal (gemeindlich)
Kommunalverband ist der kommunale Personenverband (z. B. in Österreich
seit 1862 Reichsgemeindegesetz mit Ortsgemeinde. (ziemlich bedeutungsloser)
Gebietsgemeinde und bis 1920 Land).
Kommunalverfassung ist die Gesamtheit der die Grundordnung der Gemeinden und Gemeindeverbände betreffenden Rechtssätze. Nach älteren Ansätzen in Altertum und Mittelalter (Stadt, Dorf) entwickelt sich eine einheitliche Vorstellung der Gemeinde erst in der Neuzeit (Württemberg 1758 Kommunordnung). Im 19. Jh. sind mehrere Typen der K. nebeneinander vorhanden. Nach der Magistratsverfassung stehen eine Versammlung von gewählten Gemeindevertretern und ein kollegiales oberstes Verwaltungsorgan (Magistrat) nebeneinander. Nach der Bürgermeisterverfassung ist der Bürgermeister allein entscheidender Leiter der Verwaltung und gleichzeitig Vorsitzender der Versammlung der gewählten Gemeindevertreter.
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19.
Jahrhundert, 1950; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970; Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland,
1974; Speck, U., Staatsordnung und Kommunalverfassung, 1995
Kommune (F.)
Gemeinde, im Mittelalter Stadtgemeinde in Italien (z. B. 1085 Pisa, Lucca usw.,
seit etwa 1300 teilweise unter Adelsherrschaft) und Frankreich, Gemeinschaft
(z. B. Pariser Kommune 14. 7. 1789-1795, 18. März 1871-28. Mai 1871)
Lit.: Vermeersch, A., Essai sur les origines, 1966; Haupt,
H./Hauser, K., Die Pariser Kommune, 1979; L’evoluzione delle cittá italiane,
hg. v. Bordone, R. u. a., 1988; Theorien kommunaler Ordnung in Europa, 1996;
Jones, P., The Italian city-state, 1997; Tombs, R., The Paris Commune 1871;
Coleman, E., The Italian communes, Journal of Medieval History 25 (1999), 373;
Dilcher, G., Die Kommune als europäische Verfassungsform, HZ 272 (2001), 667;
Starr, P., Commemorating Trauma, 2006
Kommunikation (F.) Gedankenmitteilung
Lit.: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft, hg. v.
Rösener, W., 2000; Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im
Mittelalter, hg. v. Althoff, G., 2001; Kommunikation und Medien in Preußen, hg.
v. Sösemann, B., 2002; Öffentliche Kommunikation in Brandenburg-Preußen, hg.
v. Sösemann, B., 2002; Gall, L./Schulz, A., Wissenskommunikation im 19.
Jahrhundert, 2003; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K.,
2003; Huschner, W., Transalpine Kommunikation im Mittelalter, 2003; Aspekte der
politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts, hg. v.
Schütte-Schorn, L., 2004; Kommunikation im Spätmittelalter, hg. v. Günthart, R.
u. a., 2005; Goppold, U., Politische Kommunikation in den Städten der
Vormoderne, 2007
Kommunismus ist die
Gesellschaftsordnung, in der alle Gegenstände allen Menschen entsprechend
ihren Bedürfnissen gemeinsam zustehen und alle Menschen gleichgestellt sind.
Der K. entsteht nach älteren Ansätzen im Altertum (Urkommunismus) und im
Mittelalter kurz vor der Mitte des 19. Jh.s (1848 Kommunistisches Manifest) als
Gesellschaftstheorie. Versuche zu seiner praktischen Umsetzung finden mit
geringem Erfolg im 20. Jh. statt (Sowjetunion seit 1917, von der Sowjetunion
beeinflusste mitteleuropäische Staaten von 1945-1990). Das Recht ist im K.
theoretisch überflüssig.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 455;
Böckenförde, E., Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 2. A. 1967;
Die frühsozialistischen Bünde, hg. v. Busch, O. u. a., 1975; Leonhard, W., Was
ist Kommunismus?, 1978; Wesson, R., Communism and communist systems, 1978;
Brünneck, V., Politische Justiz, 1978; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte
der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Rudzid, W., Die Erosion der
Abgrenzung, 1988; Mallmann, K., Kommunisten in der Weimarer Republik, 1996;
Furet, F., Das Ende der Illusion, 1996; Thompson, W., The Communist Movement,
1998; Koenen, G., Utopie der Säuberung, 1998; Maier, C., Das Verschwinden der
DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Die Weltpartei aus Moskau, hg. v.
Hedeler, W. u. a., 2008
Kommunistisches Manifest
ist die von Karl → Marx und Friedrich → Engels im Auftrag des
zweiten Kongresses der Union der Kommunisten erarbeitete und in London im
Februar 1848 anonym veröffentlichte Programmschrift. Das Kommunistische Manifest
versucht die Ansicht zu belegen, dass die Geschichte aller bisherigen
menschlichen Gesellschaft die Geschichte von Klassenkämpfen sei. Es nennt als
Ziel die Aufhebung des Eigentums des Einzelnen durch Zentralisierung der Produktionsmittel
in den Händen der als herrschende Klasse organisierten Proletarier. Es erklärt
den wissenschaftlichen Kommunismus zur einzigen richtigen Theorie. Es endet mit
der Aufforderung: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Eine
kommunistische Partei entsteht in Russland 1898 (Sozialdemokratische
Arbeiterpartei Russlands), in Deutschland 1918.
Lit.: Köbler, DRG 177; Winkler, A., Die Entstehung des
„Kommunistischen Manifestes“, 1936; Chambre, H., Le Manifest communiste, 1948;
Karl Marx, 1968; Marx-Engels-Werke, Bd. 4 1972, 459ff.; Marx, K./Engels, F.,
Das Kommunistische Manifest, hg. v. Kuczynski, T., 1995; Das Manifest heute,
hg. v. Hobsbaum, E. u. a., 2. A. 2000; Bolz, N., Das kommunistische Manifest,
4. A. 2003
Komotau ist die 1252 erstmals (als
[lat.] oppidum) bei der Übergabe an den deutschen Orden erwähnte, 1335 als
Stadt (lat. civitas) bezeichnete, 1411 durch König Wenzel dem Orden wieder
entzogene böhmische Siedlung im deutschen Sprachgebiet am Fuße des mittleren
Erzgebirges.
Lit.: Weizsäcker, W.,
Rechtsgeschichte von Stadt und Bezirk Komotau, 1935
Kompetenz (F.)
Zuständigkeit
Kompetenzkompetenz ist die Zuständigkeit zur Bestimmung (bzw. Änderung) der Zuständigkeit. Sie wird 1848 bereits dem zu gründenden Deutschen Reich zugewiesen. 1873 wirkt sie sich zugunsten der Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) aus. Auch in Ö. hat der Bund die K.
Lit.:
Köbler, DRG 195
Kompetenzkonflikt ist
der Streit über die Zuständigkeit einer staatlichen Stelle. Grundsätzlich ist
er überall dort möglich, wo mehrere staatliche Stellen (ohne eindeutige Zuständigkeitsabgrenzung)
nebeneinander stehen. Geschichtlich bedeutsam sind die Kompetenzkonflikte zwischen
Herrscher und Ständen, zwischen Reichskammergericht und Reichshofrat seit dem
16. Jh., zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung seit dem 18. Jh. oder zwischen
ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit seit dem späten
19. Jh. In Österreich ist seit 1920 der Verfassungsgerichtshof für den
gerichtlichen K. zuständig.
Lit.: Brater, K., Studien zur Lehre von den Grenzen der
civilrichterlichen und der administrativen Zuständigkeit, 1855; Hagens, J.,
Über Competenz-Conflikte, Arch. f. rechtswiss. Abh. 2 (1861), 315; Poppitz, J.,
Der Kompetenzkonflikt, 1941; Lemmer, G., Die Geschichte des preußischen
Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, 1997; Fu, A.,
Kompetenzkonflikte im preußischen Recht, 1999
Kompilation (F.) Sammlung, Aufhäufung
Kompositionensystem ist
das Rechtssystem, in dem die Komposition ( Buße) eine wesentliche Stellung
einnimmt. Im altrömischen Recht soll, wer einem anderen ein Bein bricht, 300
Pfund Kupfer, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer entrichten. Wer einem anderen
ein sonstiges Unrecht antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Das ausgehende
Altertum kennt die Verdoppelung oder Vervierfachung des deliktisch entzogenen
Sachwertes. Das Frühmittelalter zeichnet umfangreiche Kataloge von festen Rechnungsbeträgen
(→ Wergeld, → Buße) für unterschiedliche Verhaltensweisen (Tötung,
Körperverletzung, Diebstahl) und verschiedene Stände (Adel, Freie,
Freigelassene, Unfreie) auf, die nach den Angaben des Tacitus germanische
Grundlagen zu haben scheinen. Das frühmittelalterliche K. wird seit dem
Hochmittelalter von der peinlichen → Strafe verdrängt, doch werden
Sühneverträge erst im 17. Jh. unter der Einwirkung der Constitutio Criminalis
Carolina allgemein aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 91, 119; Brunner, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958, 221, 332; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 342, Neudruck 1964; Levy,
E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 307; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122
(2005), 113
Komputistik (Zeitrechnung)
Lit.: Schriften zur
Komputisitk im Frankenreich von 721 bis 818, hg. v. Borst, A., 2006
Kondiktion ist der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die K. geht auf die (lat. [F.]) → condictio des römischen Rechts zurück, mit der im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum solutum [N.]) wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen zurückverlangt werden kann. Über die Nichtschuld hinaus gilt dies auch für Fälle nicht eingetretener Erwartungen oder sittenwidrigen Leistungszwecks. Herauszugeben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand, vielleicht später auch ein unbestimmter Gegenstand (lat. [N.] incertum). Im spätantiken römischen Recht gewinnt die - im Westen völlig verschwindende - (lat. [F.] ) condictio aus grundloser Vorenthaltung im Osten größere Bedeutung. Sie wird mit der allgemeinen philosophisch-christlichen Überlegung gerechtfertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher werden dürfe. Darunter werden vereint die Rückforderung des irrtümlich auf eine Nichtschuld Geleisteten, des aus unsittlichem Grund oder verbotswidrigem Grund Geleisteten und des in Erwartung eines nicht eingetretenen Grundes Geleisteten. Dazu kommen verschiedene weitere Fälle. Inhalt der K. ist stets die Herausgabe des Erlangten. In der frühen Neuzeit erscheint von den Kondiktionen, welche die hochmittelalterlichen Glossatoren erstmals fest mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung zu verbinden versuchen, die K. wegen Nichtschuld bereits in Worms 1499. Von Hugo → Grotius wird dann der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher sei. Die vernunftrechtlichen Kodifikationen beschränken sich demgegenüber vor allem auf die Regelung der K. wegen Nichtschuld. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) unterscheidet bei der ungerechtfertigten → Bereicherung zwischen Leistungskondiktion und Nichtleistungskondiktion.
Lit.: Köbler, DRG 47, 166, 215, 271; Söllner, A., Die causa
im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182;
Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des
Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Hähnchen, S., Die causa condictionis, 2003
Kondominat ist die
gemeinsame Ausübung der Hoheitsgewalt durch mehrere Hoheitsträger auf einem
ihnen gehörigen Gebiet (Kondominium). Das K. ist seit dem Mittelalter nicht
selten, wird aber seit 1803 beseitigt. 1864/1865 besteht ein K. Österreichs und
Preußens an Schleswig-Holstein, dessen Durchführung das Ende des →
Deutschen Bundes bewirkt.
Lit.: Bader, K., Beiträge zur oberrheinischen Rechts- und Verfassungsgeschichte
I. Das badisch-fürstenbergische Kondominat im Prechtal, 1934; Willoweit, D.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 32 I 2
Kondominium → Kondominat
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ist die vom 3. 7. 1973 bis 1. 8. 1975 währende
Konferenz der 35 Außenminister europäischer Staaten (sowie der Vereinigten
Staaten von Amerika und Kanadas) in Helsinki. Im Schlussdokument werden zehn
Leitlinien als Absichtserklärungen zusammengefasst. An die K. schließen sich
mehrere Nachfolgekonferenzen in Belgrad, Madrid, Wien usw. an.
Konfession (F.) Bekenntnis
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten und konfessionelle Besetzung, 1972; Heckel, M., Deutschland im
konfessionellen Zeitalter, 1983; Probleme des Konfessionalismus in Deutschland
seit 1800, hg. v. Rauscher, W., 1984; Schilling, H., Die Konfessionalisierung
im Reich, HZ 246 (1988), 1; Die Bildung des frühmodernen Staates, hg. v.
Timmermann, H., 1989; Die katholische Konfessionalisierung, hg. v. Reinhardt,
W. u. a., 1995; Konfessionen im Konflikt, hg. v. Blaschke, O., 2001; Klueting,
H., Das konfessionelle Zeitalter, 2007; Schilling, H., Konfessionalisierung und
Staatsinteressen 1559-1660, 2007; Konfession im Recht, hg. v. Cancik, P. u.
a., 2009
Konfessionsschule (Bekenntnisschule)
ist die auf eine bestimmte → Konfession ausgerichtete → Schule.
Sie ist im Gegensatz zur Gemeinschaftsschule in der Gegenwart die Ausnahme. Sie
ist aber zulässig.
Konfinen →
Militärgrenze
Konfiskation (F.)
Einziehung
Lit.:
Iterson, W. van, Geschiedenis der confiscatie in Niederland, 1957
Konflikt
Lit.: Conflict in
Medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003; Dierkes, F., Streitbar und
ehrenfest, 2007
Konföderation (F.) Staatenbund
Konfusion ist die
Vereinigung des Schuldners und Gläubigers in einer Person. Die K. bewirkt im
klassischen römischen Recht das Erlöschen einer Schuld.
Lit.: Kaser §§ 28, 31, 53, 56; Köbler, DRG 43; Kieß, P.,
Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995
Kongress (Zusammenkunft)
ist in den Vereinigten Staaten von Amerika das aus Repräsentantenhaus und Senat
bestehende → Parlament.
Koni, Anatolij Fedorovic
(1844-1927) wird als Staatsanwalt, Richter und Strafrechtslehrer in Sankt
Petersburg zu einem führenden liberalen Rechtspolitiker → Russlands im
ausgehenden 19. Jh.
Lit.:
Smoljarcuk, V., Anatolij Fedorovic Koni, 1982; Balantine, E., Anatolij Fedorovic
Koni and the Russian Judiciary, Diss. Yale 1986
König (lat. [M.]
rex) ist in den Anfängen Roms wie wohl auch bei vielen Germanenstämmen der
durch Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ausgezeichnete Anführer des Volkes. In
Rom wird im Jahre 509 der (etruskische) König (Tarquinius Superbus) gestürzt
und durch Prätor bzw. Konsuln ersetzt. Bei den Franken gelingt Chlodwig ([* um
466,] 481-511) die gewaltsame Einung unter seinem Königtum. Die wichtigste
Gewalt des Königs ist dann der Königsbann. Daneben stützt sich seine Herrschaft
außer auf Charisma (Königsheil) auch auf das Königsgut, auf die Grafen (→
Der König ist gemeiner Richter überall), auf das Lehnsprinzip und auf die
römische Tradition. Den → Merowingern folgen als Könige die →
Karolinger (751-911), → Ottonen (919-1024), → Salier (1024-1125), →
Staufer (1138-1254) und mit geringen Unterbrechungen die → Habsburger
(1273-1806). Zunehmend gebunden wird dabei der K., der mit Beginn der Neuzeit
auch ohne Mitwirkung des Papstes → Kaiser wird, durch die → Reichsstände.
Von ihnen machen die ihn seit dem 13. Jh. wählenden → Kurfürsten die Wahl
von → Wahlkapitulationen abhängig. Dennoch setzt sich die nicht durch
Erbrecht gesicherte tatsächliche Abfolge der Habsburger fast gänzlich durch.
Seit dem späten 17. Jh. streben im Übrigen auch deutsche Landesfürsten nach
einem Königstitel (Sachsen, Preußen, Hannover), der sich zu Beginn des 19. Jh.s
allgemeiner durchsetzen lässt (Bayern, Württemberg). 1918 bzw. 1945 wird in
manchen Staaten Europas das Königtum beseitigt.
Lit.: Söllner §§ 4, 6; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Krüger, J., Grundsätze und Anschauungen bei den Erhebungen
der deutschen Könige in der Zeit von 911 bis 1056, 1911; Becker, F., Das
Königtum der Thronfolger im deutschen Reich des Mittelalters, 1913; Rosenstock,
E., Königshaus und Stämme in Deutschland zwischen 911 und 1250, 1914; Bloch,
M., Les rois thaumaturges, 1924; Samanek, V., Studien zur Geschichte König
Adolfs, 1930 (SB Wien); Bögl, O., Die Auffassung von Königtum und Staat im
Zeitalter der sächsischen Könige und Kaiser, 1932; Isenburg, W., Prinz v., Die
Ahnen der deutschen Kaiser, Könige und ihrer Gemahlinnen, 1932; Schramm, P.,
Geschichte des englischen Königtums, 1937; Tellenbach, G., Königtum und Stämme,
1939; Schramm, P., Der König von Frankreich, Bd. 1f. 1939; Naumann, H.,
Altdeutsches Volkskönigtum, 1940; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A.
1944, Neudruck 1965, 1981; Das Königtum, 1954; Kantorowicz, E., The king’s two
bodies, 1957; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Fleckenstein, E., Die
Hofkapelle der deutschen Könige, 1959; Kahl, H., Europäische
Wortschatzbewegungen im Bereich der Verfassungsgeschichte, ZRG GA 77 (1960),
154; Baaken, G., Königtum, Burgen und Königsfreie, (in) Vorträge und Forschungen
6 (1961); Schmidt, R., Königsumritt und Huldigungen in ottonisch-salischer
Zeit, (in) Vorträge und Forschungen 6 (1961); Das Königtum, 1963; Krause, H.,
Königtum und Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969;
Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Sawyer, P./Wood, I., Early
Medieval Kingship, 1977; Giese, W., Das Gegenkönigtum des Staufers Konrad
1127-1135, ZRG GA 95 (1978), 202; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen
Könige, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979; Hannig, J., Consensus
fidelium, 1982; Reich und Kirche vor dem Investiturstreit, hg. v. Schmid, K.,
1985; Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. v. Schneider,
R., 1987; Krah, A., Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, 1987;
Hlawitschka, E., Stirps regia, 1988 (Aufsätze); Wolf, A., König für einen Tag,
1993; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997;
Schneider, R., Der rex Romanorum als gubernator oder administrator imperii, ZRG
GA 114 (1997), 296; Krah, A., Die Entstehung der potestas regia im
Westfrankenreich, 2000; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001;
Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes gnade, 2001; See, K. v., Königtum und
Staat im skaGdinavischen Mittelalter, 2002; Schenk, G., Zeremoniell und
Politik, 2003; Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. v. Schneidmüller,
B./Weinfurter, S., 2003; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im
Mittelalter, Bd. 4 2004; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth
Century, 2004; Erkens, F., Die Herrschersakralität im Mittelalter, 2005;
Jussen, B., Die Macht des Königs, 2005; Rogge, H., Die deutschen Könige im
Mittelalter – Wahl und Krönung, 2006; Deutinger, R., Königsherrschaft im
ostfränkischen Reich, 2006
Königin ist die Frau des Königs, bis zum 20. Jh. selten die Anführerin eines Volkes bzw. das Oberhaupt eines Staates.
Lit.: Kowalski, W.,
Die deutschen Königinnen und Kaiserinnen von Konrad III. bis zum Ende des
Interregnums, 1913; Die Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, hg. v.
Schütte, B, 1994; Schütte, B., Untersuchungen zu den Lebensbeschreibungen der
Königin Mathilde, 1994; Eickhoff, E., Theophanu und der König, 1996; Fößel, A.,
Die Königin im mittelalterlichen Reich, 2000; Woll, C., Die Königinnen des
hochmittelalterlichen Frankreich, 2002; Hartmann, M., Die Königin im frühen
Mittelalter, 2008
Königreich ist das
Herrschaftsgebiet eines → Königs.
Lit.: Reynolds, S., Kingdoms and Communities, 1984; Regna
and Gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002
Königsbann ist der
dem → König zustehende → Bann. Er wird im frühen Mittelalter auf 60
Schillinge bestimmt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Königsberg am
Pregel in Preußen, 1255 eine vom Deutschen Orden nach König Ottokar II. von
Böhmen benannte Burg, ist seit 1544 Sitz einer Universität (→ Kant) (bis
1945).
Lit.: Forstreuter, K., Das preußische Staatsarchiv in
Königsberg, 1955; Albinus, R., Lexikon der Stadt Königsberg, 1985; Komorowski,
M., Promotionen an der Universität Königsberg 1548-1799, 1988 (nur 45
juristische Inauguraldissertationen); Neuschäffer, H., „Das Königsberger
Gebiet“, 1991; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rauschning, D.,
1995; Gause, K., Die Geschichte der Stadt Königsberg, Bd. 1ff. z. T. 3. A.
1996; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rothe, H. u. a., 1996;
Heckmann, D., Das Wortzinsverzeichnis der Stadt Königsberg-Kneiphof von um
1455, ZRG GA 114 (1997), 318; Vorlesungsverzeichnisse der Universität
Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1998; Lawrynowicz, K., Albertina. hg.
v. Rauschning, D., 1999; Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte, bearb.
v. Hartmann, S., 2002; Manthey, J., Königsberg, 2005; Garber, K., Das alte
Königsberg, 2005
Königsbote (lat.
missus [M.] dominicus) ist unter den fränkischen Königen, vor allem
unter Karl dem Großen, ein Beauftragter des Königs, der
Verbesserungsbedürftiges verbessern soll. Meist werden zwei Königsboten für
ein Gebiet bestellt, das sie viermal jährlich bereisen. Am Beginn des 10. Jh.s
verschwindet der K.
Lit.: Krause, V., Geschichte des Institutes der missi
dominici, MIÖG 11 (1890), 193; Eckhardt, W., Die Capitularia missorum specialia
von 802, DA 12 (1956), 498; Hannig, H., Zur Funktion der karolingischen missi
dominici, ZRG GA 100 (1984)
Königsfreier ist
der dem → König unterworfene Freie (T. Mayer 1953). Er schuldet dem König
Zins. In den Quellen lässt er sich im 6. bis. 9. Jh. (vereinzelt und wenig
genau) fassen. Abzulehnen ist die Ansicht, jeder Freie im Frühmittelalter sei
(K. und deshalb) eigentlich unfrei.
Lit.:Köbler,
DRG 78; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6
(1943), 239; Müller-Mertens, E., Karl der Große, Ludwig der Fromme und die Freien,
1963; Tabacco, G., I liberi del re, 1966; Krause, H., Die liberi der lex
Baiuvariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Hunke, H., Germanische Freiheit, Diss.
jur. Göttingen 1972; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, (in)
Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38
Königsfriede ist
der mit dem → König verbundene → Friede im Mittelalter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Lehmann, K., Der Königsfriede
der Nordgermanen, 1886; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940,
11. A. 1987
Königsgastung ist
(der Anspruch auf) die Beherbergung des Königs und seiner Begleitung zu Lasten
eines Verpflichteten. Im Frühmittelalter hat die K. hauptsächlich der Inhaber
von Königsgut zu leisten. Ihr Umfang lässt sich daran ermessen, dass zumindest
im Hochmittelalter der Zug des Königs wohl mehr als 1000 Beteiligte umfasst.
Lit.: Lehmann, K., Die Gastung der germanischen Könige,
1888; Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Heusinger, B., Servitium regis in
der deutschen Kaiserzeit, AUF 8 (1923), 26; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Göldel, C., Servitium regis, 1997
Königsgericht ist
das durch den → König ausgeübte → Gericht, über das im
Frühmittelalter nur bruchstückhafte Berichte vorliegen. Danach sind Urteiler
die Vornehmen und Getreuen, die vielleicht zusammen mit dem König entscheiden.
Im Hochmittelalter ist der König jedenfalls allgemeiner Richter (mit
Reichsfürsten als Urteilern) und alles Gericht wird ihm ledig, wohin er auch
kommt. Er hat ein grundsätzliches, 1356 aber zu Gunsten der Kurfürsten
aufgegebenes Evokationsrecht. Allerdings beschränkt sich tatsächlich schon im
13. Jh. die königliche Gerichtsbarkeit nur noch auf wenige Gerichte, zu denen
in erster Linie das mit ihm ziehende → Hofgericht zählt. Vielleicht im
14. Jh., in dem mehr als 7400 Nachweise für Verfahren am Königshof bekannt sind
(d. h. knapp 75 je Jahr), entsteht ein königliches → Kammergericht. 1495
wird das → Reichskammergericht (der Reichsstände) geschaffen. Neben
dieses tritt bald eine Rechtsprechung des → Reichshofrates.
(Schätzungsweise beträgt die Zahl der Quellennachweise zur Tätigkeit der
zentralen Gerichte am deutschen Königshof von 911 bis 1451 rund 14500 (d. h. 27
je Jahr), davon 2000 bis 1272 (d. h. 5,5 je Jahr), 1750 von 1273 bis 1347, 2750
von 1347 bis 1400 und rund 8000 von 1400 bis 1451 d. h. rund 400 je Jahr).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Barchewitz, V., Das
Königsgericht zur Zeit der Merowinger und Karolinger, 1882; Franklin, O., Das
Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Kaufmann, E.,
Aequitatis iudicium, 1959; Diestelkamp, B., Bericht über das Projekt Sammlung
von Quellen zur Tätigkeit der höchsten Gerichte im alten Reich, ZRG GA 94
(1977), 450; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht,
FS A. Erler, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit
des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Diestelkamp,
B., Königsferne Regionen und Königsgerichtsbarkeit, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997
Königsgut ist das
dem → König zustehende (unbewegliche) Gut. Es besteht, weil im
Mittelalter eine strenge Scheidung zwischen Allgemeingut und Privatvermögen
noch nicht durchgesetzt ist, aus dem vom Vorgänger hinterlassenen Gut und dem
vom neuen König zusätzlich eingebrachten Gut. Durch zahlreiche Vergabungen
schwindet das K. Vielleicht (erst) im späteren 13. Jh. wird zwischen Reichsgut
und Eigengut deutlicher getrennt.
Lit.: Eggers, A., Der königliche Grundbesitz, 1909;
Stimming, M., Das deutsche Königsgut im 11. und 12. Jahrhundert, 1922; Ranzi,
F., Königsgut und Königsforst, 1939; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des
Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Metz, A., Das karolingische
Reichsgut, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im
Mittelalter, 1967; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Heinemeyer,
K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Müller-Kehlen, H., Die
Ardennen im Frühmittelalter, 1973; Schlunk, A., Königsmacht und Krongut, 1988;
Göldel, C., Servitium regis und Tafelgüterverzeichnis, 1997; Kupfer, E., Das
Königsgut im mittelalterlichen Niederösterreich, 2000
Königsheil ist das
den König umgebende Heil (Charisma).
Lit.: Wolfram, H., Splendor imperii, 1963
Königshof ist im
Mittelalter der den → König begleitende → Hof sowie der dem König
gehörige landwirtschaftliche Hof.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Stölzel,
A., Ein Karolinger Königshof, 1919
Königspfalz ist der
nach dem Vorbild des römischen Kaiserpalastes auf dem Palatinshügel in Rom im
fränkischen Reich vom König errichtete befestigte Aufenthaltsort (z. B. in
Paris, Orléans, Reims, Worms, Trier, Köln, Mainz, Clichy, Quierzy, Compiègne,
Herstal, Aachen, Ingelheim, Goslar). Da der tägliche Reiseweg des Königs etwa
20-30 km beträgt, wird in vielen Teilen des Reiches ein darauf abstellendes
Netz von Königspfalzen eingerichtet. Durch sie ist es dem König möglich, sein
Reich im Umherziehen zu beherrschen. Mit dem Übergang zur Hausmachtpolitik nach
1273 erübrigen sich Königspfalzen weitgehend.
Lit.: Die deutschen Königspfalzen, hg. v.
Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.
Königsschutz ist
der im Frühmittelalter aus Privilegien bekannte Schutz des Königs für einzelne
Menschen oder Gruppen von Menschen (z. B. Kleriker, Kaufleute, Juden, Witwen,
Waisen, Klöster). Die meisten dieser Gruppen werden im Hochmittelalter durch →
Landfrieden geschützt.
Lit.: Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde, ZRG GA
17 (1896), 63; Heidrich, J., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90
(1973), 10
Königsurkunde ist
die vom mittelalterlichen → König ausgestellte → Urkunde im Gegensatz
vor allem zur Privaturkunde. Sie kann nicht als falsch gescholten werden. Bei zwei
widersprechenden Königsurkunden ist bis in das 12. Jh. die ältere gültig. Seit
dem 10. Jh. finden sich vermehrt Zeugen in der K.
Lit.: Köbler, DRG 81, 105; Erben, W., Die Kaiser- und
Königsurkunden des Mittelalters, 1907, Neudruck 1970; Classen, P., Kaiserreskript
und Königsurkunde, 1977; Hägermann, D., Studien zum Urkundenwesen Wilhelms von
Holland, 1977; Fees, I., Abbildungsverzeichnis der original überlieferten fränkischen
und deutschen Königs- und Kaiserurkunden von den Merowingern bis zu Heinrich
VI., 1994; Brühl, C., Studien zu den merowingischen Königsurkunden, 1998
Königswahl ist die Wahl des Königs. Sie bedeutet vielfach nur eine Auswahl innerhalb eines mit → Königsheil begabten Geschlechtes. Anfangs sind die Wähler Große des Reiches ohne feste Abgrenzung. Im 13. Jh. sondern sich im deutschen Reich die sieben → Kurfürsten aus. Einzelheiten des Wahlverfahrens werden immer genauer festgelegt. Im 14. Jh. setzt sich dabei das Mehrheitsprinzip durch.
Lit.: Schröder, R., Zur Geschichte der deutschen
Königswahl, ZRG GA 2 (1881), 200; Lindner, T., Die deutschen Königswahlen und
die Entstehung des Kurfürstentums, 1893; Wretschko, A. v., Der Einfluss der
fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen, ZRG GA 20 (1899), 164; Lindner,
T., Der Hergang bei den deutschen Königswahlen, 1899; Mayer, E., Zu den
germanischen Königswahlen, ZRG GA 23 (1902), 1; Krammer, M., Wahl und
Einsetzung des deutschen Königs, 1905; Hugelmann, K., Die deutsche Königswahl
im corpus iuris canonici, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die
deutsche Königswahl, 1910; Bloch, H., Die staufischen Kaiserwahlen und die
Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Quellen zur Geschichte der deutschen
Königswahl, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck 1972; Buchner, M., Die
deutschen Königswahlen, 1913, Neudruck 1971; Hugelmann, K., Die Wahl Konrads
IV., 1914; Neumann, W., Die deutschen Königswahlen, 1921; Stutz, U., Zur
Geschichte des deutschen Königswahlrechtes im Mittelalter, ZRG GA 44 (1924),
263; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des deutschen
Königswahlrechtes, ZRG GA 47 (1927), 646; Oppermann, O., Der fränkische
Staatsgedanke und die Aachener Königskrönungen, 1929; Lies, R., Die Wahl
Wenzels zum römischen Könige, 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938,
2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Lintzel, M., Zu den deutschen Königswahlen der
Ottonenzeit, ZRG GA 66 (1948), 46; Schlesinger, W., Die Anfänge der deutschen
Königswahl, ZRG GA 66 (1948), 381; Mitteis, H., Die Krise des deutschen
Königswahlrechts 1951 (SB München); Höfler, O., Germanisches Sakralkönigtum,
1952; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung in der Zeit der sächsischen und
salischen Herrscher, ZRG GA 82 (1965), 1; Die deutsche Königswahl, eingeleitet
v. Schimmelpfennig, B., 1968; Königswahl und Thronfolge in ottonisch-frühdeutscher
Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1971; Schneider, R., Königswahl und
Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Reinhard, U., Untersuchungen zur
Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Königswahl und
Thronfolge in fränkisch-karolingischer Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1975;
Reinhardt, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den
Königswahlen, 1975; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln der
ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands,
1987; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert, 1987; Wolf,
A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291) König werden?, ZRG GA 109 (1992),
48; Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Wolf, A.,
Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998), 150; Weisert, H., Zur Dauer der Königswahlen bis zu den
Krönungen, ZRG GA 115 (1998), 598; Lenz, M., Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273-1349),
2002; Landau, P., Eike von Repgow und die Königswahl im Sachsenspiegel, ZRG GA
125 (2008), 18
Königszins ist ein
an den → König zu entrichtender → Zins im Mittelalter. Er beruht
auf unterschiedlichen Gründen. Erstmals erscheint er vielleicht 724.
Lit.: Minnigerode, H. Frhr. v., Königszins, 1927;
Gallmeister, E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen
1946 masch.schr.; Sprandel, R., Grundherrlicher Adel, rechtsständische Freiheit
und Königszins, DA 19 (1963), 1
Königtum → König
Lit.:
Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert, 1993; Das
frühmittelalterliche Königtum, hg. v. Erkens, F., 2005
Konkordat (1418
lat. capitula [N.Pl.] concordata) ist im katholischen Kirchenrecht ein
völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Kirche (bzw. dem Heiligen Stuhl) und
einem Staat zur Regelung einer kirchenpolitischen Angelegenheit. Als erstes K.
gilt das Wormser K. vom 23. 9. 1122, das den → Investiturstreit
(vorläufig) beendet. Danach erscheinen Konkordate mit England (1213/1215),
Portugal (1238) und anderen Ländern. Für das Reich ist besonders bedeutsam das
bis 1803 wirksame Wiener K. vom 17. 2. 1448. Seit dem 19. Jh. versucht der
Staat die Kirche seiner Aufsicht zu unterstellen (z. B. Napoleonisches K. 15.
7. 1801/8. 4. 1802). Österreich vereinbart am 18. 8. 1855 ein in weiten Teilen
kaum umgesetztes, 1870 von ihm gekündigtes1874 außer Kraft gesetzte K., das Deutsche Reich (Dritte Reich) am 20.
7. 1933, Österreich am 5. 6. 1933 (am 1. 5. 1934 mit der Maiverfassung
verkündet, 1957 als gültig erklärt).
Lit.: Köbler, DRG 205; Münch, E., Vollständige Sammlung
aller älteren und neueren Konkordate, Teil 1f. 1830f.; Bernheim, E., Das
Wormser K., 1906, Neudruck 1970; Bertrams, W., Der neuzeitliche Staatsgedanke
und die Konkordate des ausgehenden Mittelalters, 2. A. 1950; Raab, H., Die
concordata nationis Germanicae, 1956; Weber, W., Die deutschen Konkordate, Bd.
1f. 1962ff.; Hollerbach, A., Verträge zwischen Staat und Kirche in der
Bundesrepublik Deutschland, 1965; Weber, H., Staatskirchenverträge, 1967;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Volk, L., Das
Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, 1972
Konkubinat ist die
auf längere Zeit abgestellte außereheliche Geschlechtsgemeinschaft. Der K.
gewinnt im klassischen römischen Recht als Folge der Eheverbote des Princeps
Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) an Bedeutung. Da er christlichen Vorstellungen
widerspricht, wird er von der Kirche bekämpft. Von 21 sicher nachweisbaren
königlichen Konkubinen des Frümittelalters sind 6 (lat.) nobilis (adelig) und
nur eine oder zwei sicher unfrei. 1530 wird der K. förmlich verboten. Im
letzten Drittel des 20. Jh.s setzt sich die → nichteheliche
Lebensgemeinschaft durch.
Lit.: Kaser §§ 58 VIII, 61 II; Hübner; Köbler, DRG 37, 58,
161; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht,
1971; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Friedl,
R., Der Konkubinat im kaiserzeitlichen Rom, 1996; Esmyol, A., Geliebte oder
Ehefrau?. Konkubinen im frühen Mittelalter, 2002
Konkurrenz ist
allgemein der Wettbewerb. Im Recht können Ansprüche oder Straftatbestände
miteinander konkurrieren. Systematisch befasst sich mit dieser Frage erst die
neuzeitliche (strafrechtliche) Rechtswissenschaft ([nach Carpzov 1635] Koch
1758, 5. A. 1779). Sie unterscheidet Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz bzw.
Handlungseinheit und Handlungsmehrheit, doch werden die seit dem
Strafgesetzbuch Bayerns von 1813 gesetzlich festgelegten sehr unterschiedlichen
Folgen rechtstatsächlich vielfach gemildert.
Lit.: Köbler, DRG 204; Koch, J., Institutiones iuris
criminalis, 3. A. 1770; Rotteck, H. v., Über Concurrenz der Verbrechen, 1840;
Schreuer, H., Die Behandlung der Verbrechenskonkurrenz in den Volksrechten,
1896; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schaffstein, F.,
Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Liebs, D., Die
Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972; Lang, B., Die Idealkonkurrenz als
Missverständnis, 2008
Konkurs (lat.
concursus [M.] creditorum, Zusammenlauf der Gläubiger, nach 1646) ist das
Verfahren zur gleichzeitigen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger
eines Schuldners aus dessen Vermögen. Bereits im spätantiken römischen Recht
wird das Vermögen eines Schuldners in seiner Gesamtheit bei Überschuldung
gegenüber mehreren Gläubigern in einer Gesamtvollstreckung verwertet. Im
Mittelalter gilt demgegenüber zunächst der Grundsatz der Priorität der
jeweiligen Einzelvollstreckung. Seit dem Ende des 13. Jh.s findet sich
vielleicht unter oberitalienischem Einfluss in den Hansestädten zunächst bei
Tod oder Flucht des Schuldners der Gedanke der quotenmäßigen Aufteilung des
verbleibenden Vermögens auf mehrere Gläubiger. Im 17. Jh. werden die
römisch-oberitalienischen Ansätze (bahnbrechend der königliche Rat in Valladolid/Spanien
Salgado de Samoza, (lat.) Labyrinthus creditorum concurrentium ad litem per
debitorem communem inter illos causatum, 1646) von der europäischen Rechtswissenschaft
vertieft. Das gemeinrechtliche Konkursverfahren ist ein Erkenntnisprozessverfahren
mit einem langwierigen Liquidations- und Prioritätsverfahren unter Beteiligung
eines Verwalters und meist eines die Gläubiger und deren Rechte feststellenden
(lat. [M.]) contradictor, das jeweils durch ein Urteil abgeschlossen wird. Es
wird vielfach gesetzlich geregelt (Preußen Landrecht 1685, Landrecht 1721,
Hypotheken- und Konkursordnung 1722, Project des Codicis Fridericiani
Marchici 1748, Corpus Juris Fridericianum 1781, Allgemeine Gerichtsordnung
1793/1795, französischrechtlich orientierte Konkursordnung 1855, Bayern
Codex Juris Bavarici Judiciarii 1753, französischrechtlich orientierte
Zivilprozessordnung 1869, Österreich 1781, Westgalizien 1796, Württemberg
1818, 1869, Braunschweig 1850, Hannover 1850). Der Code de commerce
(Frankreich 1807) und das Fallimentgesetz (1838) beschränken den K. auf
Kaufleute und stärken die Stellung der Gläubiger. Ihnen folgen Preußen (1855,
Abwicklungsverfahren unter staatlicher Lenkung, bei dem im Vorverfahren nur
noch eine summarische Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen erfolgt,
Schuldner, Gläubiger und Verwalter nicht mehr kontradiktorisch verhandeln und
die Liquidation als Prozess abgeschafft ist), Baden (1864), Deutsches Reich
(1877/1879 bzw. 1898 mit starker Stellung des Richters zwecks Wahrheitsermittlung)
und Österreich (1869 bzw. 1914). Am Ende des 20. Jh.s (Deutschland 1994 zum 1.
1. 1999) wird der Privatkonkurs zugelassen, die Vernichtung wirtschaftlicher
Werte eingeschränkt, die interessengerchte Abwicklung zwecks Marktbereinigung
angestrebt und dabei das Konkursrecht in das allgemeinere Insolvenzrecht
(Insolvenzordnung) überführt.
Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 III; Söllner § 8; Köbler, DRG 56,
116, 156, 183, 202; Endemann, W., Die Entwicklung des Konkursverfahrens, Z. f.
dt. Civilprozess 12 (1888), 24; Kohler, J., Lehrbuch des Konkursrechts, 1891;
Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Skedl, A., Die
Grundlage des österreichischen Konkursrechts, FS L. v. Bar, 1908, 5; Hellmann,
F., Zur Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Skedl, A., Die
Grundlagen des österreichischen Konkursrechtes, FS Adolf Wach, 1913; Fliniaux,
A., La faillite des Ammanti de Pistoie, Revue historique de droit français et
étranger 4, 3 (1924), 436; Urfus, V., (Entstehung und Anfänge des Konkursrechts
in Böhmen), 1960 (mit deutscher Zusammenfassung); Santarelli, U., Per la storia
del fallimento, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,856; Wesener, G., Zur Entwicklung des Konkursrechtes, FS H. Baltl, 1978,
535; Zambrana Moral, P., Derecho concursal histórico I, 2001; Zambrana Moral,
P., Iniciación histórica al derecho concursal, 2001; Meier, A., Die Geschichte
des deutschen Konkursrechts, 2003; Hofer, S., So haben wir zu Beförderung des
Credits …, ZNR 26 (2004), 177; Vollmershausen, C., Vom Konkursprozess zum
Marktbereinigungsverfahren, 2007; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht,
hg. v. Schubert, W., 2008; Forster, W., Konkurs als Verfahren, 2009
Konkursordnung → Konkurs
Konrad III. (1138-1152) deutscher König aus
der Familie der Staufer
Lit.: Die Regesten des
deutschen Kaiserreiches unter Lothar III. und Konrad II., 2. A., bearb. v.
Niderkorn, J. u. a., 2008
Konrad von Gelnhausen (Gelnhausen um 1320-Heidelberg 13. 4. 1390) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Kirchenrechtsstudium in Bologna Professor in Paris und 1386 Mitbegründer und Kanzler der Universität Heidelberg.
Lit.: Wenck, K., Konrad von Gelnhausen, HZ 76 (1896), 6
Konrad von Megenberg → Megenberg
Konradiner ist der
Angehörige eines vom Lahngau bis Thüringen vom 8. bis 11. Jh. bedeutscmen
Grfengeschlechts.
Lit.: Jackman, D., The Konradiner, 1990; Hlawitschka, E.,
Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149;
Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Jackman, D.,
Criticism and Critique. Sidelights on the Konradiner, 1997; Hlawitschka, E., Konradiner Genealogie,
unstatthafte Verwandtenehen und spätottonische-frühsalische
Thronbesetzungspraxis, 2003; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123
(2006), 1
Konsens ist die
Willensübereinstimmung. Der K. begründet im klassischen römischen Recht den
Konsensualkontrakt (Konsensualvertrag wie Kauf, Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag,
Gesellschaft und Auftrag). Seit dem frühen Mittelalter vertritt die Kirche die
Ansicht, dass auch die Ehe durch K. zustande kommt. In der frühen Neuzeit
werden die Voraussetzungen eines Konsenses genauer festgelegt (verbindlich,
gegenseitig, wahr, vollkommen und ausdrücklich erklärt). Die Willensübereinstimmung
wird zum Kern jedes Vertrages und jeder Einigung.
Lit.: Kaser § 38; Söllner §§ 9, 12, 18; Hübner; Köbler, DRG
45, 164; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen,
1910; Marongiu, A., Il principio della democrazia e del consenso, Studia
Gratiana 8 1962, 551; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma in den Konsensualkontrakten,
1965; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Konsens und Konflikt,
hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986
Konsensualkontrakt (M.)
Konsensualvertrag → Konsens
Konsensualvertrag (nur den Konsens voraussetzender Vertrag) → Konsens
konservativ
(bewahrend)
Konservativismus ist die auf das Bewahren des Hergebrachten ausgerichtete menschliche Haltung, die sich daraus ergibt, dass von einem oder mehreren Menschen (liberale, soziale oder sonstige) Veränderungen angestrebt werden. Seit dem ausgehenden 18. bzw. dem 19. Jh. will der K. als Gegenbewegung zur → französischen Revolution von 1789 Staat, Gesellschaft und Kultur in der bisherigen Weise fortführen bzw. sich zeitweise nur gegen ungestümes Vorwärtsdrängen wehren. Der entschiedenste Vertreter der vor allem von Adel, Bauern, Beamten und Kirche geteilten Auffassung ist Karl Ludwig von Haller (1768-1854). Politisch als Partei organisiert sich der K. kurz vor 1848 (1835-45 Gerlach, Leo, Stahl). Konservative Parteien des 20. Jh.s sind etwa Zentrum, Konservative Partei, Democrazia Cristiana, Österreichische Volkspartei, Christlich-Demokratische Union, Gaullisten u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 531; Schwentker, W., Konservative Vereine und
Revolution in Preußen 1848/49; Die Konstitutierung des Konservativismus als
Partei, 1988; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Dittmer,
L., Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Conservatism, hg. v.
Müller, J., 1997; Schildt, A., Konservatismus in Deutschland, 1998; Konservativismus,
hg. v. Heidenreich, B., 1999; Stand und Probleme der Erforschung des
Konservativismus, hg. v. Schrenck-Notzing, C. v., 2000; Breuer, S., Ordnungen
der Ungleichheit, 2001; Nitschke, W., Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburg
(1803-1868), 2004; Zrenner, P., Die konservativen Parteien und die Entstehung
des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008
Konsiliator ist der
Gutachten verfassende Jurist des 14. und 15. Jh.s (Postglossator, Kommentator,
z. B. → Bartolus, → Baldus). Auch nach dieser Zeit werden einzelne
Juristen und juristische Fakultäten vielfach gutachterlich tätig (→
Aktenversendung). Die Eigenart der gutachterlichen Tätigkeit besteht in der
begründeten Anwendung des allgemeinen Rechtssatzes auf den besonderen
Einzelfall. Die Konsilien sind teilweise in gedruckten Sammlungen
veröffentlicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Lipenius, M.,
Bibliotheca realis iuridica, Bd. 1ff. 1757ff.; Kunkel, W., Das Wesen des ius
respondendi, ZRG RA 66 (1948), 423; Pfister, A., Konsilien der Basler Juristenfakultät,
1929; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, §§
9, 10; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 2 1 1975; Horn, N., Consilia, 1970; Scholz, J., Spanische
Rechtssprechungs- und Konsiliensammlungen, Ius commune 3 (1970), 98; Gehrke,
H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974; Falk, U.,
Consilia, 2006
Konsistorium ist in
der römischen Spätantike der Rat des Kaisers, seit dem Mittelalter die
Versammlung der Kardinäle, in der Neuzeit eine protestantische Kirchenbehörde
(Wittenberg 1539). Seit 1918 wird das protestantische K. zum Landeskirchenamt.
Lit.: Krusch, B., Die Entwicklung der herzoglich
braunschweigischen Centralbehörden, Z. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1893,
201; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Robinson, S., The Papacy, 1990
Konskription ist
die listenmäßige Erfassung zwecks Heranziehung zu kriegerischen Diensten. Sie
wird auf der Grundlage römischer Ansätze durch Gesetz vom 5. 9. 1798 in
Frankreich aufgegriffen und danach auch in den deutschen Staaten angewendet.
Dort war schon seit dem Beginn des 17. Jh.s das Söldnerheer allmählich durch die
Wehrpflicht ersetzt worden (Preußen 1733, Österreich 1771).
Lit.: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd. 2f.
1964ff.
Konstantin (der
Große) (Naissus 27. 2. 280-Nikomedia Pfingsten 337) ist der römische Kaiser
(306), der 330 in Konstantinopel (ab 425 Rechtsunterricht, Philosophie,
Rhetorik, spätere Namen Byzanz, Istanbul) eine neue Reichshauptstadt errichtet,
das Christentum anerkennt (313) und das Recht in mancherlei Einzelheiten ändert
(Zeugen beim Grundstückskauf, Beurkundung der Grundstücksschenkung,
Pflichtteil, Verbot der Verfallsabrede).
Lit.: Söllner § 19; Konstantin der Große, hg. v. Kraft, H.,
1979; Clauss, M., Konstantin der Große, 1996; Odahl, C., Constantine and the
Christian Empire, 2004; Heinze, T., Konstantin der Große, 2005; Schmitt, O.,
Constantin der Große, 2006; Herrmann-Otto, E., Konstantin der Große, 2007, 2.
A. 2009; Konstantin und das Christentum, hg. v. Schlange-Schöningen, H., 2007;
Kaiser Konstantin der Große, hg. v. Girardet, K., 2007; Piepenbrink, K.,
Konstantin der Große und seine Zeit, 2. A. 2007; Konstantin der Große, hg. v.
Goltz, A. u. a., 2008
Konstantinische Schenkung
ist die auf → Konstantin den Großen (306-337) gefälschte Urkunde des
8./9. Jh.s, in der Konstantin angeblich Papst Silvester I. Rom und das weströmische
Reich überträgt und den Vorrang der römischen Kirche festlegt. Die Urkunde wird
bereits 1001 als Fälschung angezweifelt und im 15. Jh. (Lorenzo Valla) als
Fälschung erwiesen. Geschichtlich gesichert ist nur die Gabe des (lat. [F.])
domus Faustae an den Bischof von Rom.
Lit.: Köbler, DRG 77; Ohnsorge, W., Die konstantinische
Schenkung, Leo III. und die Anfänge der kurialen römischen Kaiseridee, ZRG GA
68 (1951), 78; Fuhrmann, H., Konstantinische Schenkung und abendländisches
Kaisertum, DA 22 (1966), 63; Constitutum Constantini, hg. v. Fuhrmann, H., 1968
(MGH); Maffei, D., La donazione di Constantino, 1969; Fälschungen im
Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., 1988; Fried, J., Donation of Constantine and
Constitutum Constantini, 2007; Konstantin der Große, hg. v. Goltz, A. u. a.,
2008
Konstantinopel → Konstantin
Lit.:
Schreiner, P., Konstantinopel, 2007; Crowley, R., Konstantinopel 1453, 2009
Konstanz am
Bodensee beruht auf einem vermutlich nach 300 eingerichteten römischen Kastell.
Es wird (in der Tradition einer spätantiken Militärsiedlung) zwischen 550 und
590 Bischofsitz. 1237 heißt es Reichsstadt. 1414-1418 tagt dort das 16.
allgemeine Konzil. 1966 erhält K. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Beyerle, K., Die
Konstanzer Ratslisten, 1898; Konstanzer Häuserbuch, bearb. v. Beyerle,
K./Maurer, A., 1908; Beyerle, K., Grundeigentumsverhältnisse und Bürgerrecht im
mittelalterlichen Konstanz – Das Salmannenrecht, 1900; Isele, E., Die
Säkularisation des Bistums Konstanz, 1933; Feger, O., Das älteste Urbar des
Bistums Konstanz, 1943; Das rote Buch, hg. v. Feger, O., 1945; Bader, K., Eine
wieder aufgefundene Quelle zum Konstanzer Stadtrecht des 14. und 15.
Jahrhunderts, ZRG GA 71 (1954), 382; Kimmig, H./Rüster, P., Das Konstanzer
Kaufhaus, 1954; Meisel, P., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Konstanz,
1955; Feger, O., Vom Richtebrief zum roten Buch, 1955; Rexroth, K., Die
Entstehung der städtischen Kanzlei in Konstanz, 1960; Feger, O./Rüster, P., Das
Konstanzer Wirtschafts- und Gewerberecht zur Zeit der Reformation, 1961;
Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts von 1370
bis 1521, 1964; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Kühne, K., Das
Kriminalverfahren und der Strafvollzug in der Stadt Konstanz, 1979; Bechtold,
K., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und
Landgericht Konstanz, 1988; Baur, P., Testament und Bürgerschaft, 1989; Maurer,
H., Konstanz im Mittelalter, Bd. 1f. 1989; Brandmüller, W., Das Konzil von
Konstanz, 1991; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995; Burkhardt, M.,
Konstanz im 18. Jahrhundert, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000;
Die Konstanzer Bischöfe vom Ende des 6. Jahrhunderts bis 1206, bearb. v.
Maurer, H., 2003; Bihrer, A., Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jahrhundert,
2005; Crivellari, F. u. a., Vom Kaiser zum Großherzog, 2006; Immenhauser, B.,
Bildungswege –Lebenswege, 2007
Konstitution (lat. [F.]
→ constitutio) ist die Festsetzung. Im römischen (und auch
mittelalterlichen) Recht ist damit das (kaiserliche) Gesetz (im Altertum
edictum Erlass, decretum Entscheidung, rescriptum Antwort) gemeint, seit dem
ausgehenden 18. Jh. (Vattel, E. v. Völkerrecht 1758 Ordnung, nach der eine
Nation sich vornimmt, gemeinschaftlich für die Erlangung der Vorteile arbeiten
zu wollen, deretwegen die politische Gemeinschaft errichtet ist) die Verfassung
(→ Polen, → Vereinigte Staaten von Amerika).
Lit.: Söllner §§ 15, 19, 22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 32 I, II; Köbler, DRG 31, 52; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst
Augusts von Sachsen, 1857; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in
Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 42; Wegelin, P., Die bayerische
Konstitution von 1808, 1958; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser
Friedrichs II., 1975; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft
4 1980, 7; Kaiser, W., Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze,
2007
Konstitutionalismus ist
die europaweit in unterschiedlicher Einzelform erkennbare politische
Gestaltung, bei der das Staatsoberhaupt durch eine (formelle, anfangs
oktroierte, später vom Volk mitbestimmte) Verfassung (→ Konstitution)
beschränkt ist (z. B. Entwürfe am Ende des 18. Jh.s [Mainz 1792],
konstitutionelle Monarchie vor allem im 19. Jh., z. B. Spanien Cortes-Verfassung
von Cádiz 1812, Frankreich charte constitutionelle 1814, Nassau 1814, Baden,
Bayern 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Belgien 1831 usw.). Die
Gesetzgebung wird zwischen Staatsoberhaupt und Volk geteilt. Die Ausführung der
Geswetze verbleibt dem Staatsoberhaupt, das die Regierung ernennt. Unabhängige
Richter sprechen Recht in seinem Namen. Das Volk ist noch nicht der Souverän.
Lit.: Aretin, C. v./Rotteck, C. v., Staatsrecht der
konstitutionellen Monarchie, Bd. 1f. 1824ff.; Pfeffer, W., Die Verfassung der
Rheinbundstaaten, 1960; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen
Konstitutionalismus, 1973; Kohler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973;
Probleme des Konstitutionalismus, hg. v. Böckenförde, E., 1975; Aretin, K.
Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Floßmann, U.,
Eigentumsbegriff und Bodenordnung, 1976; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für
das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Dilcher, G., Zum
Verhältnis von Verfassung und Verfassungstheorie im frühen Konstitutionalismus,
Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 65; Press, V., Landtage im alten Reich und
im Deutschen Bund, Z. f. württemberg. LG. 39 (1980), 100; Wahl, R., Rechtliche
Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, Der Staat 20 (1981), 321; Ris, G., Der
kirchliche „Konstitutionalismus“, 1988; Die Anfänge des Frühkonstitutionalismus,
hg. v. Dippel, H., 1991; Peters, W., Späte Reichspublizistik und
Frühkonstitutionalismus, 1993; Würtenberger, T., Der Konstitutionalismus des
Vormärz. Der Staat, 1998, 166; Herz, D., Die wohlerwogene Republik, 1999;
Kirsch, M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Denken und
Umsetzung des Konstitutionalismus, hg. v. Kirsch, M. u. a., 1999; Der
Verfassungsstaat vor der Herausforderung der Massengesellschaft, hg. v. Kirsch,
M. u. a., 2002; Schulze, C., Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002;
Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Konstitutionalismus
und Verfassungskonflikt, hg. v. Müßig, U., 2006; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007
Konstitutionelle Monarchie
ist die durch eine Verfassung (→ Konstitution) beschränkte →
Monarchie. Vorbild der konstitutionellen Monarchie ist seit der Glorious
Revolution von 1689 → England. In → Frankreich werden 1814 die
Rechte des Monarchen durch Regelmäßigkeit der Tagungen des Parlamentes,
Budgetrecht und Ministerverantwortlichkeit eingeschränkt. Teils behält in der
Folge der Herrscher alle Rechte, die er nicht ausdrücklich der Volksvertretung
gibt, teils hat er nur die Rechte, die ihm ausdrücklich gewährt werden. Seit
1918 wird in Europa die k. M. durch die Republik oder durch die
parlamentarische Monarchie ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 193; Hartung, F., Die Entwicklung der
konstitutionellen Monarchie in Europa, (in) Hartung, F., Volk und Staat in der
deutschen Geschichte, 1940, 183; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder
parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Greve, F., Die
Ministerverantwortlichkeit im konstitutionellen Staat, 1977; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, §§ 28, 29, 31, 32, 37
Konstitutionen von Melfi
ist das von Friedrich II. im September 1231 für das Königreich Sizilien
erlassene Gesetz (seit dem 19. Jh. lat. liber [M.] augustalis). Es beruht auf
römischem, byzantinischem, langobardischem, normannischem, fränkischem,
arabischem sowie kirchlichem Recht und gliedert sich in drei Bücher mit 74, 49
und 81 Konstitutionen (später insgesamt 253 bzw. 291), von denen knapp 80
Regeln auf älteren Bestimmungen (Rogers II., Wilhelms II. und Friedrichs II.) beruhen und nur etwa ein Fünftel völlig neu
geschaffen wird. Inhaltlich werden besonders das Verfahrensrecht, das
Staatsorganisationsrecht und das Strafrecht erfasst. Die K. haben bis in die
erste Hälfte des 19. Jahrhunderts Bedeutung.
Lit.: Constitutiones regni Siciliae, 1475,
Neudruck 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II., hg. v. Conrad, A. u. a.,
1973; Buyken, T., Die Constitutionen von Melfi und das jus Francorum, 1973;
Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Il
Liber Augustalis, hg. v. Trompetti Budriesi, A., 1987; Martino, F., Federico
II, 1988; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v.
Stürner, W., 1996
Konstruktionsjurisprudenz
ist die durch wissenschaftliche Konstruktion Recht gewinnende, vor allem
romanistische, aber auch germanistische und staatsrechtliche Jurisprudenz des
19. Jh.s. → Begriffsjurisprudenz
konstitutiv (begründend)
konstruktiv (aufbauend)
Konstruktives Misstrauensvotum ist die Be
stimmung der
Verfassungen Württemberg-Badens (1947), Württemberg-Hohenzollerns,
Nordrhein-Westfalens und des deutschen Grundgesetzes (1949), nach welcher das
Parlament bzw. der Bundestag einem Ministerpräsidenten bzw. Bundeskanzler nur
dann das Misstrauen aussprechen kann, wenn er gleichzeitig mit Mehrheit einen
neuen Ministerpräsidenten bzw. Bundeskanzler wählt. Der Gedanke des
konstruktiven Misstrauensvotums wird seit 1927 erörtert (Herrfahrdt,
Rothenbücher, Glum, Schmitt, Wolgast, Smend).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Konsul (lat. [M.] →
consul) ist schon im altrömischen Recht ein Höchstmagistrat. Im Hochmittelalter
werden die Ratsherren als (lat. [M.Pl.])
consules (Italien um 1100) bezeichnet. In der Neuzeit ist K. der Vertreter
eines Staates in einem anderen Staat. 1799 bezeichnet sich Napoleon als erster
K. Frankreichs.
Lit.: Kaser §§ 61, 77; Söllner §§ 6,
11, 14, 23; Köbler, DRG 18; Gouron, A., Diffusion des consulats, (in)
Bibliothèque de l’Ecole des Chartes 121 (1963), 226 ; Brieger, A., Die
Jurisdiktion der römischen Konsuln, Diss. jur. Bonn 2007
Konsum (M.)
Verbrauch. In der Mitte des 19. Jh.s nach englischem Vorbild auch in
Deutschland gegründet, werden die frei von Gewinnstreben arbeitenden
Konsumgenossenschaften 1890 zu einem wichtigen Zweig der Arbeiterbewegung. Im
Dritten Reich werden sie enteignet, 1945 wiederhergestellt. In der freien
Marktwirtschaft unterliegen sie den gewinnorientierten Unternehmern.
Lit.: Europäische Konsumgeschichte, 1997; Konsumpolitik,
hg. v. Berghoff, H., 1999; Briesen, D., Warenhaus, Massenkonsum und
Sozialmoral, 2001; North, M., Genuss und Glück des Lebens, 2003; Haupt, H.,
Konsum und Handel, 2003; North, M., Genuss und Glück des Lebens – Kulturkonsum
im Zeitalter der Aufklärung, 2003; Konsum – Konsumgenossenschaften in der DDR,
bearb. v. Ludwig, A., 2007; Pohl, H., Aufstieg und Niedergang der deutschen
Konsumgenossenschaften, 2007
Konsument (M.)
Verbraucher
Konsumentenschutzgesetz ist das dem Schutz des Verbrauchers dienende Gesetz. Solche
Gesetze finden sich seit dem ausgehenden 19. Jh., insbesondere seit dem letzten
Drittel des 20. Jh.s.
Konsumgenossenschaft ist
eine nach englischem Vorbild (Anfänge seit etwa 1770, Verstetigung seit etwa
1840) seit dem späteren 19. Jh. (seit etwa 1860) zur Verbilligung des
Gütererwerbes der Handwerker und Arbeiter gebildete → Genossenschaft von
Verbrauchern. Im späteren 20. Jh. erweisen sich die Konsumgenossenschaften
(1969 coop) als zu unproduktiv, so dass der inzwischen entstandene Konzern
1990 in Teilbereichen verkauft wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Prinz, M., Brot und Dividende,
1996; Spiekermann, U., Basis der Konsumgesellschaft, 1999; Pohl, H., Aufstieg
und Niedergang der deutschen Konsumgenossenschaften, 2007
Konsumtionskonkurrenz ist im römischen Recht bei Gesamtforderung und Gesamtschuld der
Ausschluss einer weiteren Klage eines anderen Gläubigers oder gegen einen
anderen Schuldner durch die (lat.) → litis contestatio (F.) bezüglich
einer (lat. [F.]) → actio eines Gläubigers oder gegen einen
Schuldner.
Lit.: Kaser § 56 II
Kontinuität ist
allgemein die Fortdauer, im besonderen die Fortdauer römischer Gegebenheiten im
Frühmittelalter. Diese ist streitig. Deswegen muss im Einzelfall untersucht
werden, ob eine frühmittelalterliche Erscheinung aus dem römisch-christlichen
Bereich oder aus dem heidnisch-germanischen Bereich kommt oder in der Zeit
selbst erst neu entstanden ist. Bei Veränderungen im politischen Bereich
besteht aus Sachzwängen heraus vielfach Kontinuität der rechtlichen Bestimmungen
(z. B. 1918, 1933, 1945), so dass z. B. die Magna Charta in Großbritannien seit
1215, der Code civil in Frankreich seit 1804, das ABGB in Österreich seit 1811
oder das BGB in Deutschland seit 1900 ungeachtet einzelner Veränderungen als
solche gelten.
Lit.: Kontinuität?, hg. v. Bausinger, H. u. a., 1969;
Baumgartner, H., Kontinuität und Geschichte, 1972; La Continuità nella Storia
del Diritto, hg. v. Erler, A. u. a., 1972; Kontinuität-Diskontinuität in den
Geisteswissenschaften, hg. v. Trümpy, H., 1973; Westdeutschland 1945-1955, hg.
v. Herbst, L., 1986; Angenendt, A., Das Frühmittelalter, 1990
Kontokorrent ist
die laufende Rechnung zwischen zwei Beteiligten. Einen Ansatz hierfür liefert
bereits das in Rom bekannte Kassenbuch. Bedeutsam wird die Rechnung aber erst
in Oberitalien im 13. und 14. Jh., im Heiligen römischen Reich (deutscher
Nation) im 15. Jh. Als Vertragsverhältnis wird das K. seit dem 19. Jh.
angesehen.
Lit.: Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen
Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962, 455; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913, 77, 105; Prausnitz, O., Die Geschichte der
Forderungsverrechnung, 1928
Kontrahierungszwang ist
die rechtliche Verpflichtung, eine Vereinbarung abzuschließen. Der K.
widerspricht der Privatautonomie. Er wird in engen Grenzen im 20. Jh.
anerkannt. Ältere Ansätze kennt bereits das mittelalterliche Stadtrecht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Kontrakt (lat. [M.] →
contractus) ist der →Vertrag.
Lit.: Köbler, DRG 45
Kontraktualismus
ist die Lehre zur Begründung staatlicher Rechtsordnung auf Vertrag seit der
Aufklärung (z. B. Jean-Jacques Rousseau, Le contrat social, 1762).
Kontrollrat → Alliierter Kontrollrat
Kontroverse (F.)
Meinungsverschiedenheit
Kontumazialverfahren ist das bei Ladungsungehorsam (lat. [F.] contumacia) eintretende Verfahren des klassischen römischen und neuzeitlichen Verfahrensrechts. → Versäumnisverfahren
Lit.: Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966;
Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter,
Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959
Konvaleszenz ist
das nachträgliche Wirksamwerden eines nicht oder nicht voll wirksamen
Geschäftes im römischen und gemeinen Recht.
Lit.: Kaser §§ 9 I 3, 27 II 1, 59 I 3a; Schanbacher, D., Die
Konvaleszenz von Pfandrechten im klassischen römischen Recht, 1987
Konventionalstrafe ist
die bereits im römischen Recht als Fall der → Stipulation mögliche
Vertragsstrafe.
Lit.: Kaser § 40 I 4b
Konversion ist die
schon dem römischen Recht bekannte Umdeutung eines unwirksamen
Rechtsgeschäftes.
Lit.: Kaser § 9 I 3; Krampe, C., Die Konversion des
Rechtsgeschäfts, 1980
Konzentrationslager ist
ein wohl dem spanischen Ausdruck campos reconcentrados nachgebildetes Wort. In
campos reconcentrados (campos de concentración) hält Spanien seit 1895 im
zehnjährigen Unabhängigkeitskrieg kubanische Guerrilleros und deren Angehörige
gefangen. Am Ende des 19. Jh.s errichtet England im südafrikanischen Burenkrieg
„laagers“ bzw. concentration camps für die Angehörigen der Burenguerilleros. In
der Sowjetunion, in der 1921 bereits rund 50 Zwangsarbeitslager bestehen,
durchlaufen zwischen 1929 und 1953 etwa 18 Millonen Menschen Lager, aus denen
mehr als 4,5 Milllionern Menschen nicht zurückkehren. Seit 1933/1934 entstehen durch
das Deutsche Reich etwa 60 K. (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald,
Dachau, Neuengamme, Ravensbrück, Sachsenhausen), in denen 1934 etwa 45000,
1935 etwa 3500 und 1938 etwa 60000 Menschen untergebracht sind (1944 in
Buchenwald nur noch 8 Prozent Deutsche). Sie werden zu regierungsgestützten
planmäßigen Vernichtungslagern aller missliebigen Fremdvölkischen gemacht,
in die seit Oktober 1939 alle Juden, die ein staatsabträgliches Verhalten
zeigen, eingewiesen und überwiegend durch Arbeit und Mord vernichtet werden
(möglicherweise insgesamt mehr als 2 Millionen Opfer).
Lit.: Köbler, DRG 222; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946;
Broszat, M., Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, 1970; Richardi,
H., Schule der Gewalt, 1983; Czech, D., Kalendarium der Ereignisse im
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, 1989; Tuchel, J.,
Konzentrationslager, 1991; Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg.
v. Dieckmann, C. u. a., 1998; Konzentrationslager Buchenwald, 1998;
Konzentrationslager Buchenwald, 1998; Wippermann, W., Konzentrationslager,
1999; Orth, K., Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager,
1999; Auschwitz 1940-1945, hg. v. Dlugoborski, W. u. a., 1999; Lotfi, G., KZ
der Gestapo, 2000; Orth, K., Die Konzentrationslager-SS, 2000; Darstellungen
und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, hg. v. Institut für Zeitgeschichte u.
a., Bd. 1ff. 2000; Wenck, A., Zwischen Menschenhandel und Endlösung, 2000;
Friedler, E. u. a., Zeugen aus der Todeszone, 2002; Schwarzbuch Gulag. Die
sowjetischen Konzentrationslager, hg. v. Dobrowolski, I., 2002; Strebel, B.,
Das KZ Ravensbrück, 2003; Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Steinbacher, S.,
Auschwitz, 2004; Petit, G., Rückkehr nach Langenstein, 2004; Geschichte der
nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg. v. Benz, W. u. a., Bd. 1ff.
2005ff.; … und wir hörten auf, Mensch zu sein, hg. v. Mayer, M., 2005; Fings,
K., Krieg, Gesellschaft und KZ – Himmlers SS-Baubrigaden, 2005; Benz, W. u. a.,
Der Ort des Terrors, Bd. 1f. 2005; Konzentrationslager im Rheinland und in
Westfalen 1933-1945, hg. v. Schulte, J., 2005; Dirks, C., Das Verbrechen der
anderen, 2006; Grabher, M., Irmfried Eberl, 2. A. 2006; Kirschner, A., Salas
Geheimnis, 2008; Sommer, R., Das KZ-Bordell, 2009
Konzentrationsmaxime ist
im neuzeitlichen Verfahrensrecht der auf Konzentration gerichtete
Verfahrensgrundsatz, der den Ablauf des Verfahrens beschleunigen soll.
Lit.: Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen,
1975
Konzern ist im
Wirtschaftsrecht des 20. Jh.s die unter Wahrung der rechtlichen Selbständigkeit
erfolgende Zusammenfassung eines herrschenden und mindestens eines abhängigen
Unternehmens (Unterordnungskonzern) oder mehrerer rechtlich selbständiger,
nicht von einander abhängiger Unternehmen (Gleichordnungskonzern) unter
einheitlicher Leitung. Mit der Internationalisierung der Wirtschaft tritt der
große multinationale K. in den Vordergrund. Den Missbrauch soll in Deutschland
das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (27. 7. 1957, 3. 8. 1973) eindämmen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 250; Emmerich, V.,
Konzernrecht, 8. A. 2005; Dettling, H., Die Entstehung des Konzernrechts im
Aktiengesetz von 1965, 1997
Konzentrationsmaxime ist
die der Beschleunigung des Zivilprozesses durch Konzentration auf möglichst
wenige Termine dienende Maxime, die bereits im gemeinen Recht sichtbar wird.
Lit.: Willmann, P., Die Konzentrationsmaxime, 2004
Konzessionssystem ist
das im 19. Jh. bestehende System, das für die Entstehung einer juristischen
Person eine Konzession (Verleihung, Genehmigung) des Staates erfordert. Es wird
durch den liberalen Grundsatz der freien Körperschaftsbildung (System der
Normativbestimmungen) abgelöst (Österreich 1870).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
207, 217
Konzil (lat. [N.] concilium)
(oder → Synode, Versammlung) ist im katholischen Kirchenrecht das kollegiale,
nicht ständige Organ zur Behandlung kirchlicher Angelegenheiten. Das K. lässt
sich seit der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr. nachweisen. Allgemeine (ökumenische)
Konzile (bisher 21) finden seit Nikäa (325), Konstantinopel (381), Ephesus
(431) und Chalkedon (451) statt (Konstantinopel 553, Nikäa 787, Konstantinopel
869,Konstantinopel 880. wietere wichtige Konzile sind die vier Laterankonzile
von 1123, 1139, 1179 und 1215, das 16. ökumenische K. von Konstanz von
1414-1418, das 17. ökumenische K. von Basel (1431-1437), das 19. ökumenische K.
von Trient (1545-1563), das erste Vatikanische K. (1869-1870) sowie das zweite
Vatikanische K. von 1962-1965. Sie treffen meist richtungweisende Beschlüsse.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hefele, C. v., Conciliengeschichte,
Bd. 1ff. 2. A. 1873ff.; Jedin, H., Kleine Konziliengeschichte, 8. A. 1969;
Tangl, G., Die Teilnehmer an den allgemeinen Konzilien des Mittelalters, 1922;
Conciliorum Oecumenicorum Decreta, hg. v. Alberigo, G., 3. A. 1973; Nörr, K.,
Kirche und Konzil bei Nikolaus de Tudeschis, 1964; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Sieben, H., Die Konzilsidee der Alten Kirche,
1979; Sieben H., Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, 1984; Dekrete
der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.; Das Konzil
von Aachen, hg. v. Willjung, H., 1998; Ballweg, J., Konziliare oder päpstliche
Reform, 2000; Gresser, G., Die Synoden und Konzilien der Zeit des
Reformpapsttums in Deutschland, 2004; Uphus, J., Der Horos des zweiten Konzils
von Nizäa (787), 2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken
Gallien, 2004; Sieben, H., Studien zu Gestalt und Überlieferung der Konzilien,
2005; Boockmann, H./Dormeier, H., Konzilien, Kirchen- und Reichsreform
(1410-1495), 2005; The Oecumenical Councils, hg. v. Alberigo, G. u. a., 2006;
Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449), hg.
v. Müller, H. u. a., 2007
Konziliarismus ist
in der katholischen Kirche die am Ende des 14. Jh.s entstehende Bewegung, die
das → Konzil zur höchsten Gewalt der Kirche zu machen versucht. Der K.
kann sich nicht durchsetzen.
Lit.: Kneer, A., Die Entstehung der konziliaren Theorie,
Römische Quartalschrift 1893; Angermeier, H., Das Reich und der Konziliarismus,
HZ 191 (1961), 529; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Brandmüller, W., Papst und Konzil im großen abendländischen Schisma, 1990
Konzilsappellation ist
der wohl seit der Spätantike bekannte Versuch, gegen eine Entscheidung des
Papstes → Appellation an ein → Konzil einzulegen. Die K. kommt,
ohne durchschlagende Erfolge, während des gesamten Hochmittelalter und
Spätmittelalters häufiger vor.
Lit.: Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein
allgemeines Konzil, 1978
Kopenhagen gelangt
1167 als Fischersiedlung vom König von Dänemark an den Bischof von Seeland.
1254 erhält der Ort Stadtrecht. 1416 kommt er an den König zurück. 1479 wird er
Sitz einer Universität.
Lit.: Wiborg, A./Gralle, J., Kopenhagen, 1981;
Christophersen, A., Fra Villa Hafn, 1986; Kobenhavns Universitet, hg. v.
Ellehoj u. a., Bd. 1ff. 1990ff.
Kopernikus (Thorn 1473-Frauenburg 1543),
Domherr, Arzt, Jurist, Administrator, erweist mit seinen auf antiken
griechischen Quellen fussenden Beobachtungen (De revolutionibus orbium
coelestium, 1543, Von den Umdrehungen der himmlichsn Welten), dass die nicht
die Erde der Mittelpunkt unseres Sonnensystems ist, sondern die Sonne.
Lit.: Biographia
Copernicana, bearb. v. Kühne, A. u. a., 2004; Bieri, H., Der Streit um das
kopernikanische Weltsystem im 17. Jahrhundert, 2. A. 2008
Kopfsteuer ist eine verschiedentlich verwendete Art der → Steuer, bei welcher der Mensch (Kopf) als solcher die Steuergrundlage bildet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baltl/Kocher
Kopialbuch ist ein
Sammelband von Abschriften von Urkunden. Das K. erscheint im Frühmittelalter in
kirchlichen Kanzleien und im Hochmittelalter in landesherrlichen Behörden.
Lit.: Köbler, DRG 105; Dülfer, K., Urkunden, Akten und
Schreiben im Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957)
Köppen, Johann
(Treuenbrietzen 1531-Berlin 1611) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg und
Frankfurt an der Oder Rechtslehrer in Frankfurt an der Oder, Kammerrat, Richter
und Diplomat. Sein Entwurf eines Landrechts für die Kurmark und die Neumark
(1590, gegliedert nach Personen, Contracten, Erbrecht, Strafrecht, Verfahrensrecht)
scheitert.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf
von 1594, 1973
Koran (arab. [M.]
Lesung) ist das in Reimprosa abgefasste heilige, die Offenbarung des Propheten →
Mohammed (um 569-632) (608-632) enthaltende Buch des → Islams (114 Suren
bzw. Kapitel). Der K. ist Grundlage des islamischen Glaubens und Rechts.
Lit.: Paret, R., Der Koran, Bd. 1f. 1975, 3. A. 1983, 10.
A. 2008; Nagel, T., Der Koran, 3. A. 1998; Zirker, H., Der Koran, 1999, Thyen,
J., Bibel und Koran, 2000
Korea
Lit.: Eggert,
M./Plassen, J., Kleine Geschichte Koreas, 2005
Kormcaja (Kniga) (F.) (Steuermannsbuch?) ist das vielleicht noch in das 9. Jh. zurückreichende, auf byzantinischen Grundlagen aufbauende Rechtsbuch des slawischen Kirchenrechts (Fassung des 11. Jh.s mit 14 Titeln). Eine Fassung wird 1649/1650 bzw. 1653 in Moskau erstmals gedruckt.
Lit.: Zuzek, I., Studies on the Chief Code of Russian Canon
Law, 1964; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der
Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Körperkraft ist
verschiedentlich ein rechtlich bedeutsames Merkmal.
Lit.: Kaser §§ 17, 82 IV 3; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H., Kraft
und Recht, FS J. Hedemann, 1938, 3
Körperschaft ist
die mitgliedschaftlich verfasste, vom Wechsel der Mitglieder unabhängige
Personenvereinigung. Nach älteren Ansätzen im römischen Altertum und im
Mittelalter sowie in der evangelischen Staatskirchenlehre des 17. Jh.s (so
Endrös) setzt sich die Figur der → juristischen Person bzw. Körperschaft
in der ersten Hälfte des 19. Jh.s (so Forsthoff) durch (→ Beseler).
Streitig ist die Art des Verständnisses (Fiktion oder realer Organismus). Die
K. kann dem öffentlichen Recht oder dem privaten Recht angehören. Der Personenverband
(K.?) wird schon in älterer Zeit durch Symbole dargestellt (z. B. Krone, Lanze,
Thron, Schlüssel, Leib, Schiff, Mauer). In Deutschland wird 1920 die
Körperschaftsteuer für juristische Personen von der seit 1799 entwickelten
Einkommensteuer verselbständigt.
Lit.: Kaser §§ 17 I, II, 82 IV 3; Kroeschell, DRG 3;
Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Schnorr von
Carolsfeld, L., Geschichte der juristischen Person, 1932; Schikorski, F., Die
Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff, 1978; Schröder, J., Zur älteren
Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3) 399; Endrös, A.,
Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Körperschaft des öffentlichen Rechts“,
1985; Landau, P., Gesellschaftliches Recht und das Prinzip freier
Körperschaftsbildung in der Rechtsphilologie von Heinrich Ahrens, (in) FS A.
Erler, 1986, 157; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung,
1986; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999),
314
Körperschaftsteuer ist
die Körperschaften betreffende Einkommensteuer (2006 rund 5 Prozent des
Steueraufkommens in Deutschland). Sie entsteht in den deutschen Bundesstaten
nach 1871 durch Einbeziehung der Gesellschaften in die Einkommensteuer. Dem
folgt das Deutsche Reich 1913 und 1916/1918. 1920 wird ein besonderes
Körperschaftsteuergesetz geschaffen.
Lit.: Potthast, T., Die
Entwicklung der Körperschaftsteuer, 2008
Körperverletzung ist der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen. Die K. ist von Anbeginn der Menschheit an denkbar. Im altrömischen Recht soll, wer einem Freien ein Glied zerreißt, sich entweder mit ihm vergleichen oder (höchstens) dasselbe erleiden. Wer einem anderen (nur ?) ein Bein bricht, soll (nur ?) die feste Summe von 300 Pfund Kupfer (lat. [F.] poena) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht (sonstige Körperverletzung, Freiheitsentzug, Beleidigung) antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Im klassischen römischen Recht ist Rechtsfolge der K. ein durch Schätzung zu bestimmender (unvererblicher) Geldausgleich. Bei den Germanen und im Frühmittelalter wird die K. durch → Buße ausgeglichen. Im Hochmittelalter erscheint sie als Straftatbestand (Lähmung, blutende Wunde, trockener Schlag). In der Constitutio Criminalis Carolina (1532) fehlt ein Straftatbestand K. In der Neuzeit wird die tätliche Beleidigung von der K. abgesondert. Zugleich wird für Schmerzen im Privatrecht Schadenersatz gewährt. Im 19. Jh. wird die K. systematisiert (schwere K., fahrlässige K.).
Lit.: Söllner §§ 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 119, 158;
Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; His, R., Die
Körperverletzung im Strafrecht des deutschen Mittelalters, ZRG GA 41 (1920),
75; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen Recht, 1972;
Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984;
Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007;
Korn, F., Körperverletzungsdelikte, 2003; Gröning, C.,
Körperverletzungsdelikte, 2004
Korporation (F.) →
Körperschaft (E. 19. Jh. auch Studentenverbindung)
Korruption (Verderbnis) ist das durch materielle Vorteile (in einfachen Fällen Geld, in eleganteren Fällen geldwerte Beziehungen) bewirkte pflichtwidrige Verhalten von Verpflichteten bzw. die Erlangung eines privaten Vorteils durch Missbrauch eines öffentlichen Amtes. K. findet sich an vielen Orten zu vielen Zeiten (z. B. Vermittlung einer Stelle als Universitätsassistent als Entgelt für eine Schmeichelbiographie, Verbeamtung eines Betrügers auf Antrag eines Lügners als Entgelt für eine Wahl zum Institutsvorstand, Überlassung einer Schriftenreihe einer Klinik als Entgelt für die Habilitationsvermittlung, Verbeamtung gegen Festschrift usw.). Wer sie bekämpft und sich nicht selbst korrumpieren lässt, wird von ihr mit allen Mitteln verfolgt. In Altertum und Mittelalter ist K. (z. B. Ämterkauf) selbstverständlich, mit der Trennung von öffentlichem Bereich und privaten Interessen wird sie grundsätzlich (bei anderen öffentlich) abgelehnt (im eigenen Interesse aber tatswächlich selbverständlich geübt).
Lit.: Brooks, R., Corruption in American Politics, 1910;
Göhring, M., Die Ämterkäuflichkeit im Ancien Régime, 1935; Klaveren, J. van,
Die historische Erscheinung der Korruption, VSWG 44 (1957), 289; Gardiner, J.,
The Politics of Corruption, 1970; Korruption im Altertum, hg. v. Schuller, W.,
1982; MacCullen, R., Corruption and the Decline of Rome, 1988; Political
Corruption, hg. v. Heidenheimer, A. u. a., 1989; Bannenberg,
B./Schaupensteiner, W., Korruption in Deutschland, 2004; Engels, I., Politische
Korruption in der Moderne, HZ 282 (2006), 313; Durynek, J., Korruptionsdelikte
(§§ 331ff. StGB), 2008; Geld - Geschenke - Politik - Korruption im
neuzeitlichen Europa, hg. v. Engels, J. u. a., 2009
Korsika ist die im
nordwestlichen Mittelmeer gelegene Insel, die seit 227 zur römischen Provinz
Sardinien gehört. Nach Einfällen von Vandalen, Ostgoten, Oströmern, Langobarden,
Sarazenen und Mauren setzt sich bis 1347 Genua durch. 1764/1768 gibt Genua K.
an Frankreich. 1982 erhält das demnach im Recht nacheinander römisch,
genuesisch und französisch geprägte K. in Frankreich Autonomie.
Lit.: Histoire de la Corse, hg. v.
Arrighi, J., 1971; Grimaldi, S., La Corse, 1988
Kosovo ist das 2008 von Serbien
verselbständigte, von Albanern bewohnte Gebiet des ehemaligen Jugoslawien.
Lit.: Schmitt,
O., Kosovo, 2008
Kossuth, Lajos (Monok/ungarn 19. 9. 1802-Turin 20. 3. 1894)
wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Sárospatak imd Pest Advokat,
Journalist und Abgeordnetenvertreter (1837 vier Jahre Festuzngshaft wegen
Hochverrrats), 1848 Finanzminister Ungarns, 1849 nach Unabhängigksiterklärung
vom 14. 4. 1849 in Ungarn Reichsverweser. Am 11. 8. 1849 tritt er zurück und
flieht nach der Kapitulation in das osmanische Reich, 1852 nach London und
(nach Bekanntschaft mit Giuseppe Mazzini) 1861 nach Turin.
Lit.: Lajos
Kossuth, hg. v. Fischer, H., 2007
Kosten sind die Werte, die für die Beschaffung oder Herstellung eines Gutes aufgewendet werden. Bereits im → Kognitionsverfahren des klassischen römischen Rechts trägt der Unterliegende die K. des Verfahrens. Dieser Grundsatz ist in der Neuzeit wieder erkennbar, wobei im 18. Jh. aus aufgeklärten Erwägungen das sog. → Armenrecht bzw. im späteren 20. Jh. (Deutschland 1980) die → Prozesskostenhilfe entsteht.
Lit.: Köbler, DRG 34, 56, 155; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Birkl, N., Prozesskosten- und
Beratungshilfe, 2. A. 1981
Kostvertrag ist im
Mittelalter der Vertrag über Verköstigung, Kleidung und Ausbildung eines
Kindes.
Lit.: Ebel, W., Kostverträge nach lübischen Stadtbüchern,
FS H. Lentze, 1969, 137
KPD (Kommunistische
Partei Deutschlands) → Kommunismus
Kraftfahrzeug ist
das Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Geleise
gebunden zu sein. Das mit Benzin getriebene Kraftfahrzeug wird 1885 erfunden
und 1886 von Carl Benz vorgeführt. In Frankreich (1893 etwa 500 Automobile,
1900 2897 Automobile und 11252 Motorräder) wird am 14. 8. 1893 eine Pariser
Ordonnance über den Verkehr mit Motorfahrzeugen erlassen. In Deutschland, wo
1902 4738 Kraftfahrzeuge (Automobile) für den öffentlichen Straßenverkehr
zugelassen sind, werden 1909 durch das Kraftverkehrsgesetz (3. 5. 1909) zum 1.
10. 1909 die → Gefährdungshaftung für den Halter eines Kraftfahrzeuges
und der Straftatbestand der Unfallflucht des Kraftfahrzeugführers (§ 22 KFG)
eingeführt.
Lit.: Köbler, DRG 216, 251; Schubert, W., Das Gesetz über
den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. 5. 1909, ZRG GA 117 (2000), 238; Gadow,
O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002; Schubert, W., Das Auomobil ist der
Anarchist unter den Gefährten, ZRG GA 123 (2006), 218
Krain ist die nahe
den Karawanken gelegene Landschaft, die nacheinander von Römern, Langobarden und
Slowenen besiedelt wird und im 8. Jh. an die Bayern bzw. Franken gelangt (1040
Markgrafschaft). Über verschiedene Grafengeschlechter fällt K. 1282 und nach
Verpfändung endgültig 1335 an die Grafen von → Habsburg. 1394 wird K.
Herzogtum. Am 29. 10. 1918 kommt der größte Teil von K. mit Laibach an Jugoslawien,
von dort 1991 an Slowenien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Vilfan, S.,
Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas,
1987; Kos, D., In Burg und Stadt, 2006
Krakau an der
oberen Weichsel wird 1000 Sitz eines Bischofs und nach der Neugründung nach
Magdeburger Recht (1257) 1320-1611 Hauptstadt → Polens. 1364 wird in K.
eine Universität gegründet. Das Gericht auf der Krakauer Burg (1356?) wird
Oberhof für zahlreiche deutschrechtliche Städte und Dörfer (bis 1791, Urteile
von 1392-1794 erhalten). Von 1795 bis 1918 ist K. zeitweise österreichisch.
Lit.: Köbler, DRG 100; Patkaniowski, M., Der Krakauer
Stadtrat im Mittelalter, 1934 (polnisch); Klodzinski, A., Najstarsza ksiega
sadu najwyzszego prawa niemickiego na zamku krakowskim, 1936; Antiquum
registrum privilegiorum et statutorum civitatis Cracoviensis, hg. v.
Estreicher, S., 1936; Bardach, J., Historia Panstwa i Prawa Polskiego, Bd. 1
1965, 474; Pauli, K., Das Problem der Kodifikation des Strafrechts in der
freien Stadt Krakau nach dem Wiener Kongress, ZRG GA 87 (1970), 224; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,2108,2115,2118, 3,3,3507,3509; Z przeszlosci Krakowa, 1989; Decreta iuris
supremi Magdeburgensis castri Cracoriensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius supremum Maydeburgense
castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Schüßler, M., Verbrechen in Krakau, ZRG GA
115 (1998), 339; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Kramer (M.) Kleinhändler
Krankenhaus ist die
die bloße Aufbewahrung von Kranken im Spital durch den Versuch der
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ersetzende Einrichtung. Das K. setzt
sich im 19. Jh. durch.
Lit.: Spree, R., Krankenhausentwicklung und Sozialpolitik,
HZ 260 (1995), 75; Sauerteig, L., Krankheit, Sexualität, Gesellschaft, 1999; Kumm,
R., Das Krankenhauswesen in Hameln, 1999; Leidinger, B., Krankenhaus und
Kranke, 2000; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003;
Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Hübner, S., Vom allgemeinen Krankenhaus zur
Gesundheitsfabrik, 2004; Dross, F., Krankenhaus und lokale Politik 1770-1850,
2004
Krankenkasse → Krankenversicherung
Krankenversicherung ist
die private oder soziale Versicherung gegen (die Auswirkungen bzw. Kosten)
einer Krankheit. Die soziale K. ist Teil der Sozialversicherung. Sie entsteht
nach älteren Gemeindekrankenversicherungen, Hilfs- und Unterstützungskassen
(z. B. Armen- und Versorgungskasse Chemnitz 1795), Knappschaftskassen,
Fabrikkrankenkassen oder Innungskrankenkassen im Deutschen Reich 17. 11.
1881/15. 6. 1883 (19. 7. 1911 Reichsversicherungsverordnung, 20. 12. 1988
Sozialgesetzbuch V). Träger sind die Krankenkassen.
Lit.: Koch, P., Kleine Geschichte der privaten Krankenversicherung,
1971; Ritter, G., Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983; Bracher,
H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz und ihre Ablösung
durch Kranken- und Unfallversicherung von 1911, ZNR 8 (1986), 157; Reiter, H.,
Entstehungsgeschichte, Aufgaben und Organisation der Spitzenverbände der
Krankenkassen, 1996
Krankheit ist das Fehlen des natürlichen
Wohlbefindens des Menschen.
Lit.:
Frevert, U., Krankheit als politisches Problem 1770-1880, 1984; Göckenjan, G.,
Kurieren und Staat machen, 1985; Barthel, C., Medizinische Polizey und
medizinische Aufklärung, 1989; Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Schäfer, D.,
Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Müller-Jahncke, F. u. a.,
Arzneimittelgeschichte, 2. A. 2004; Landgraf, S., Heilen außerhalb der
Medizinal-Ordnung, 2004
Kranrecht (lat. ius [N.] geranii) ist im deutschen Mittelalter das Recht des Landesherrn, Auslegen, Wiegen und Messen von auf Schiffen beförderten Waren anzuordnen.
Lit.: Eichhorn, F., Einleitung in das deutsche Privatrecht,
3. A. 1829, 947
Kranzgeld ist die
Bezeichnung für den Schadensersatzanspruch einer unbescholtenen Verlobten, die
ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet. Dass der Verführer eines Mädchens
dieses heiraten und ausstatten soll, bestimmt bereits 2. Moses 22,16 und danach
der → Liber extra und das gelehrte Recht. Später tritt eine Entschädigung
ein, wenn der Verführer das Mädchen nicht heiratet. Im 19. Jh. wird der
Anspruch eingeschränkt, 1996 beseitigt.
Lit.: Gerber, C./Cosack, K., System des Deutschen
Privatrechts, 17. A. 1895
Krause, Karl
Christian Friedrich Eisenberg (Thüringen) 7. 5. 1781-München 27. 9. 1832
Lit.: Wirmer-Donos, B., Die Strafrechtstheorie Karl
Christian Friedrich Krauses, 2001; Forster, W., Karl Christian Krauses frühe
Rechtsphilosophie und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, 2000;
Dierksmeier, C., Der absolute Grund des Rechts, 2003; Krause, K., Ausgewählte
Schriften, Bd. 1ff., hg. v. Bach, T. u. a., 2007ff.
Kredit ist die
zeitweise Überlassung von eigenen Mitteln an einen anderen zur wirtschaftlichen
Verwertung. Der gebräuchlichste Weg der Gewährung von K. ist das →
Darlehen. Seit dem 19. Jh. wird das Kreditwesen ständig erweitert. Am 5. 12.
1934 wird in Deutschland das Gesetz über das Kreditwesen erlassen. → Bank
Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991; Müller, C., Die
Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen, 2003
Kreditderivat ist das am Ende des 20. Jh.s international
entwickelte wichtigste Instrument zur Isolierung und Übertragung eines
Kreditrisikos.
Lit.:
Berg, S., Kreditderivate im deutschen Privatrecht, 2000
Kreditmandat ist der
Auftrag, einem Dritten Kredit zu gewähren.
Kreis ist seit der frühen Neuzeit (1500) im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) eine Gebietskörperschaft (→ Reichskreis). Seit dem 19. Jh. ist K. in deutschen Staaten eine Gebietskörperschaft, die eine Mehrzahl von Gemeinden zur Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Form der Selbstverwaltung zusammenfasst (Landkreis). In Österreich werden ab 1748 nach dem Vorbild Böhmens in den Kronländern für Kreise zentralstaatliche Kreisämter eingerichtet, die 1849 in Bezirke untergliedert, aber 1851 zum Teil bzw. 1868 ganz abgeschaffft werden, wobei die Bezirkshauptmannschaften unmittelbar den Statthaltereien unterstellt werden.
Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909;
Hartung, F., Die Geschichte des fränkischen Kreises von 1521-1559, 1910,
Neudruck 1973; Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise während der
Regierungszeit Maximilians I., 1950; Mally, A., Der österreichische Kreis,
1967; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise,
1962; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Das Land Baden-Württemberg
(Amtliche Beschreibung nach Kreis und Gemeinden), Bd. 1ff. 1977ff.; Hundert
Jahre Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag
Nordrhein-Westfalen, 1988; Dotzauer, W., Die deutschen Reichskreise, 1989
Kreisassoziation ist
der Zusammenschluss mehrerer Reichskreise zu gemeinsamem Vorgehen. Eine K. wird
1559 erstmals verwirklicht. Mit der Frankfurter Assoziation vom 13./23. 1. 1697
erlangt die K. vorübergehend beachtliche Bedeutung.
Lit.: Hofmann, H., Reichskreis und Kreisassoziation, Z. f.
bay. LG. 25 (1962), 377; Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziation
1648-1746, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975
Kreisgericht ist
das für einen → Kreis zuständige Gericht (z. B. in Österreich oder der
Deutschen Demokratischen Republik).
Kreisordnung ist
eine für einen oder mehrere → Kreise geltende → Ordnung (z. B.
Preußen 13. 12. 1872, Posen 20. 12. 1828).
Lit.: Hundert Jahre Kreisordnungen in Nordrhein-Westfalen,
hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 1988; Benzig, H., Bismarcks Kampf um
die Kreisordnung, 1996
Kreisverfassung ist
die Verfassung eines Kreises (Reichskreis, Landkreis).
Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis und die
Kreisverfassung von 1542, 1909; Schmidt, W., Geschichte des niedersächsischen
Kreises, Nieders. Jb. 7 (1930), 1
Kreittmayr (Kreitmeir),
Wiguläus Xaverius Aloysius (1745 Frhr. v.) (München 14. 12. 1705-27. 10. 1790),
Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Salzburg, Ingolstadt, Leiden und
Utrecht und einem Praktikum am Reichskammergericht 1725 (mit 20 Jahren) Hofrat
in Bayern, 1749 Vizekanzler und 1758 Kanzler. Er steht im Mittelpunkt der
zwecks Rechtsvereinheitlichung, Bindung der Richter an das Gesetz und
Abstellung von Missbräuchen in der Mitte des 18. Jh.s vorgenommenen
Gesetzgebung Bayerns. Auf ihn gehen maßgeblich der (lat. [M.])
→ Codex iuris Bavarici criminalis (1751), der → Codex iuris
Bavarici iudiciarii (1753) und der → Codex Maximilianeus Bavaricus
civilis (1756) zurück, die er auch selbst kommentiert. Außerdem verfasst er
Grundrisse zum Privatrecht (1768) und Staatsrecht (1769).
Lit.: Köbler, DRG 139; Kreittmayr, W., Compendium iuris,
1768, Neudruck 1990; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Wiguläus
Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr, hg. v. Bauer, B. u. a.,1991;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CMBC1756.htm
Kreml (M.) Wald, Burg
Kremsierer Entwurf
ist der vom im Juli 1848 gewählten, am 22. 7. 1848 in Wien konstituierten, am
22. 10. 1848 von Wien nach Kremsier (in Mähren [Kromeriz]) verlegten
österreichischen Reichstag erarbeitete Entwurf einer Verfassung, der zwar
ursprünglich von der Volkssouveränität ausgeht, inhaltlich aber im Wesentlichen
der → pillersdorfschen Aprilverfassung (mit Gewaltenteilung, Gegenzeichnung
der Vollzugshandlung des Kaisers durch den verantwortlichen Minister,
Reichstag bestehend aus Volkskammer ]Zensuswahlrecht] und [von Landtagen und
Kreistagen beschickter] Länderkammer, Grundrechtskatalog) entspricht.
Wegen gewaltsamer Auflösung des Reichstags durch die Regierung zum 4. 3.
1849/17. 3. 1849 auf Grund der Meinungsverschiedenheit über die
Volkssouveränität bleibt der K. E. bloßer Entwurf.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Gottsmann, A., Der
Reichstag von Kremsier, 1995
Kremsmünster
Lit.: Die Anfänge des
Klosters Kremsmünster, red. v. Haider, S., 1978
Kreta ist die Insel im südöstlichen Mittelmeer, die 67 v. Chr. römische Provinz wird und über Oströmer und Araber 1204/1212 an Venedig fällt. 1645-1649 erobern die Osmanen (Türken) die Insel. Die 1832 einsetzende Befreiungsbewegung führt 1908/1913 zum Anschluss an → Griechenland.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,5,485; Gallas, K.,
Kreta, 1984; Tsougarakis, D., Byzantine Crete, 1988; Link, S., Das griechische
Kreta, 1994; Chaniotis, A., Das antike Kreta, 2004
Kreuz ist das
Sinnbild des Leidens und der Auferstehung des Religionsstifters Jesus Christus.
Es kennzeichnet daneben auch die Herrschaftsgewalt. Im Mittelalter werden
vielfach Steinkreuze als Erinnerung an den Tod eines Menschen angebracht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, 1, 238f., 271f.; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den
Nordgermanen, 1948; Dinkler, E., Das Kreuz als Tropaion, FS T. Klausen, 1964;
Maisel, W., Archeologia prawna Europy, 1989
Kreuzbergurteil ist
das vom preußischen Oberverwaltungsgericht 1882 gefällte Urteil, das der →
Polizei die Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege (Untersagung
eines Bauvorhabens) dann abspricht, wenn keine besondere gesetzliche Grundlage
dafür vorliegt. Damit wird die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und
Ordnung beschränkt. Der Freiheitsraum des Bürgers wird erweitert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Kreuznach
Lit.: Massmann, G, Die
Verfassung der Stadt Kreuznach, Diss. jur. Bonn 1962
Kreuzprobe ist das Gottesurteil, bei dem sich zwei Menschen mit ausgebreiteten Armen aufstellen und die Behauptung dessen als erwiesen angesehen wird, der seine Arme länger waagrecht halten kann.
Lit.: Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das
Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, 1994, 84
Kreuzzug ist die
unter dem Zeichen des christlichen Kreuzes ausgeführte Kriegsfahrt (zur
Eroberung der christlichen Gedenkstätten in Palästina zwischen 1096 und 1270).
1095 ruft Papst Urban II. in Clermont auf Bitten des von den turkmenischen
Seldschuken bedrohten oströmischen Kaisers die Ritter zum K. auf. 1099 wird
Jerusalem erobert. In den folgenden 6 Kreuzzügen wird nur die islamische
Rückgewinnung verzögert. Dessenungeachtet belebt der K. den Handel und
beeinflusst in Randbereichen auch das Recht (Ritterorden, Kreuzfahrerstaaten,
Ablass, Verschollenheit, Todeserklärung).
Lit.: Köbler, DRG 93; Mitteis, H., Zum Schuld- und Handelsrecht der Kreuzfahrerstaaten, Arbeiten zum Handelsrecht usw. 62 (1931), 229; Grousset, R., Histoire des croisades et du royaume franc de Jérusalem, Bd. 1ff. 2. A. 1949; Runciman, R., Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1ff. 1957ff., 7. A. 2001; Atiya, A., Kreuzfahrer und Kaufleute, 1964; The Atlas of the Crusades, hg. v. Riley-Smith, J., 1991; Housley, N., The Later Crusades, 1992; Mayer, H., Varia Antiochena, 1993; Hehl, E., Was ist eigentlich ein Kreuzzug?, HZ 259 (1994), 297; Buisson, L., Heerführertum und Erobererrecht auf dem ersten Kreuzzug, ZRG GA 112 (1995), 316; Richard, J., Histoire des croisades, 1996; Riley-Smith, J., The first Crusaders 1095-1131, 1997; Die Kreuzfahrerstaaten, hg. v. Mayer, H. u. a., 1997; Riley-Smith, J., Historische Geschichte der Kreuzzüge, 1999; Mayer, H., Geschichte der Kreuzzüge, 9. A. 2000; The Crusades, hg. v. Hunyadi, Z., 2001; Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas, hg. v. Bühler, A., 2002; Jaspert, N., Die Kreuzzüge, 2002, 4. A. 2008; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; The Experience of Crusading, Bd. 1f. hg. v. Bull, M. u. a., 2003; Oberste, J., Der Kreuzzug gegen die Albigenser, 2003; Thorau, P., Die Kreuzzüge, 2004; Hechelhammer, B., Kreuzzug und Herrschaft unter Friedrich II., 2005; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E., 2005; Ebendorfer, T., Historia Jerusalemitana, hg. v. Zimmermann, H., 2006; Housley, N., Contesting the Crusades, 2006; Constable, G., Crusaders and Crusading in the Twelfth Cetury, 2008
Krieg ist die
Austragung von Streitigkeiten zwischen Völkern oder Staaten mit Gewalt. Die
Anfänge des Krieges reichen in vorgeschichtliche Zeit zurück. Seit dem Altertum
stellt sich dabei die Frage nach dem → gerechten Krieg. Angesichts der
Gefährlichkeit der von der Menschheit allmählich erfundenen Waffen werden in
der Neuzeit bestimmte Erscheinungen des Krieges als menschenrechtswidrig
angesehen. Seit dem 19. Jh. kommt es zu völkerrechtlichen Vereinbarungen über
unzulässige Maßnahmen (Genfer Konvention über die Verbesserung des Loses der
Verwundeten der Streitkräfte von 1864, Haager Abkommen betreffend die Gesetze
und Gebräuche des Landkrieges, Haager Landkriegsordnung von 1907). Durch den →
Kelloggpakt (1928) wird der K. allgemein geächtet, aber nicht beseitigt.
Lit.:
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 567; Köbler, WAS; Görris, G., De
denkbeelden over oorlog, 1912; Thilo, M., Das Recht der Entscheidung über Krieg
und Frieden, 1938; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Rosenau, P., Wehrverfassung
und Kriegsrecht in mittelhochdeutscher Epik, Diss. jur. Bonn 1959; Pietzcker,
F., Die Schlacht bei Fontenoy 841, ZRG GA 81 (1964), 318; Angermeier, H., Die
Reichskriegsverfassung in der Politik der Jahre 1679-1681, ZRG GA 82 (1965),
190; Auer, L., Der Reichskriegsdienst des Klerus unter den sächsischen Kaisern,
Diss. phil. Wien 1968 (masch.schr.); Das Deutsche Reich und der zweite
Weltkrieg, Bd. 1ff. 1979ff.; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 8. A. 1985;
Goldstein, E., Wars and Peace Treaties, 1992; Contamine, P., La guerre au Moyen
Age, 3. A. 1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; La
guerre, hg. v. Contamine, P., Bd. 1f. 1996; Ohler, N., Krieg und Frieden im
Mittelalter, 1997; Heiduk, C./Höfert, A./Ulrichs, C., Krieg und Verbrechen,
1997; Krieg ist ein Gesellschaftszustand, hg. v. Hamburger Institut für
Sozialforschung, 1998; Die Wiedergeburt des Krieges, hg. v. Kunisch,
J./Münkler, H., 1999; Der Krieg im Mittelalter, hg. v. Brunner, H., 1999; Tuck,
R., The rights of war and peace, 1999; Krieg im Mittelalter, hg. v. Kortüm, H.,
2000; Staat und Krieg, hg. v. Rösener, W., 2000; Wie Kriege entstehen, hg. v.
Wegner, B., 2000; Die Wahrnehmung und Darstellung von Kriegen im Mittelalter
und in der frühen Neuzeit, hg. v. Brunner, H., 2000; Schlachten der
Weltgeschichte, hg. v. Dörster, S. u. a., 2001; Wie Kriege enden, hg. v.
Wegner, B., 2. A. 2003; Dülffer, J., Im Zeichen der Gewalt, hg. v. Kröger, M.
u. a., 2003; Wolfrum, E., Krieg und Frieden in der Neuzeit, 2003; Der Krieg im
Bild, hg. v. Arbeitskreis historische Bildforschung, 2003; Rak, C., Krieg,
Nation und Konfession, 2004; Kriegsniederlagen, hg. v. Carl, H., 2004; Luh, J.,
Kriegskunst in Europa, 2004; Fuchs, S., Vom Segen des Krieges, 2004; The
Cambridge History of Warfare, hg. v. Parker, G., 2005; Chaniotis, A., War in
the Hellenistic World, 2005; Krieg – Gesellschaft – Institutionen, hg. v.
Meißner, B. u. a., 2005; Prietzel, M., Kriegführung im Mittelalter, 2006;
Prietzel, M., Krieg im Mittelalter, 2007; Stöver, B., Der kalte Krieg, 2007;
Ganschow, T., Krieg in der Antike, 2007; Etzersdorfer, I., Krieg, 2007; Formen
des Krieges – von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Beyrau, S. u. a., 2007;
Flaig, E., Heiliger Krieg, HZ 285 (2007), 265; Zeillinger, G., Lebensformen im
Krieg, 2007; Toppe, A., Militär und Kriegsvölkerrecht, 2008; Der siebenjährige
Krieg, hg. v. Externbrink, S., 2008; Kriegskosten und Kriegsfinanzierung in der
Antike, hg. v. Burrer, F. u. a., 2008; Kortüm, H., Der Krieg im Mitttelalter,
2009; Heuser, B., Den Krieg denken, 2009; Clauss, M., Kriegsniederlagen im
Mittelalter, 2009
Kriegsartikel sind
in der Neuzeit kriegsherrliche Gebote für die Soldaten (Schweden 1632,
Brandenburg 1656, Österreich 1808). Im 19. Jh. tritt das Militärstrafgesetzbuch
teilweise an die Stelle der K.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts,
1848; Weisl, E., Heeresstrafrecht, 1892
Kriegsbefestigung oder
Streitbefestigung ist die deutsche Bezeichnung für die (lat.) → litis
contestatio (F.) des (römischen) Verfahrensrechts.
Kriegsentschädigung ist
die Entschädigung des Siegers eines Krieges durch den Besiegten wegen der
erlittenen Schäden. Ansätze hierzu kennen Altertum und Mittelalter. Francisco
de Vitoria (vor 1546) und Hugo → Grotius (1624) erlauben die K. durch
Beutemachen. Seit dem 18. Jh. enthalten Friedensverträge häufig eine
Verpflichtung zu einer K. (Reparation).
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Kriegserklärung ist
die Erklärung eines Krieges durch einen Staat gegenüber einem anderen Staat.
Sie findet sich schon im Altertum und im Mittelalter, ohne als stets notwendig
angesehen zu werden. 1907 wird die K. als verpflichtend festgelegt.
Lit.: Steinbein, A., Die Form der Kriegserklärung, Diss.
jur. Straßburg, 1917; Müller, K., Zur Reichskriegserklärung im 17. und 18.
Jahrhundert, ZRG GA 90 (1973), 246; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994,
2. A. 2007
Kriegsgefangener ist
der in einem Krieg in die Gefangenschaft des Gegners geratene Mensch.
Ursprünglich ist er Feind bzw. Beute und damit weitgehend rechtlos. Erst seit
dem späteren 18. Jh. entwickeln sich Rechte des Kriegsgefangenen
(Preußen-Amerika 1785, Genf 1864). Die Haager Landkriegsordnung (29. 7. 1899)
sichert dem Kriegsgefangenen rechtmäßiges Verhalten zu, was durch das Genfer
Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenschaft vom 26. 7. 1929 noch
entschiedener gesichert wird (abgeändert durch das Genfer Abkommen vom 12. 8. 1949).
Lit.: Kaser §§ 15 II, 58 VII; Knorr, W., Das Ehrenwort
Kriegsgefangener, 1916; Scheidl, F., Die Kriegsgefangenen, 1943; Hinz, J., Das
Kriegsgefangenenrecht, 1955; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A.
1992; In der Hand des Feindes, hg. v. Overmans, R., 1999; Hilger, A., Deutsche
Kriegsgefangene in der Sowjetunion 1941-1956, 2000; Hinz, U., Gefangen im
Großen Krieg, 2006; Kriegsgefangene im Europa des ersten Weltkrieges, hg. v.
Oltmer, J., 2006
Kriegsgericht ist
das besondere Gericht für Soldaten, später das für Straftaten der Soldaten
während eines Krieges zuständige Gericht. Zu Beginn der Neuzeit erscheint bei
den Landsknechten ein besonderes Gericht des Kriegsschultheißen und zwölfer
Landsknechte. Im 17. Jh. treten Juristen in dieses Truppengericht ein. In der
Folge wird ein stärker verrechtlichtes K. entwickelt (z. B. Schweden 1632,
Deutsches Reich, Militärstrafgerichtsordnung 1898), das jedoch entarten kann
(z. B. im Dritten Reich).
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts,
1848; Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891; Block, J., Die
Ausschaltung und Beschränkung der Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg
1967; Steinkamm, E., Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz, Diss. jur.
Würzburg 1972
Kriegsministerium ist die in Österreich 1848 nach Übergang zum Ministerialsystem aus dem
1556 gebildeten Hofkriegsrat entstehende Behörde, die 1867 trotz
getrennter Landesverteidigungsministerien in der pragmatischen Angelegenheit des Kriegswesens für den gesamten Staat
Österreich-Ungarn zuständig blieb.
Lit.:
Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen
Angelegenheiten, 2001
Kriegsrecht ist einerseits die Gesamtheit der (erst zu Beginn des 20. Jh.s eindeutig festgelegten) völkerrechtlichen, im Krieg zwischen den Beteiligten geltenden Rechtssätze und andererseits die Gesamtheit der innerstaatlichen, für den Kriegszustand abgeänderten Rechtssätze.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechtes,
1848; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Kriegsverbrechen ist
das während eines Krieges begangene Verbrechen. Zwecks Verfolgung Deutscher
verfügt Art. 227 des Versailler Friedensvertrags nach dem ersten Weltkrieg die
Einsetzung eines besonderen Gerichtshofs, doch gelangt der Artikel (samt Auslieferungsbegehren
gegen 890 Angeschuldigte) nicht zur Ausführung und werden vor dem
Reichsgericht in Leipzig insgesamt nur vier Angeklagte wegen K. verurteilt.
Nach 1945 werden internationale Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland
(Strafverfahren gegen 106178 Beschuldigte mit 6494 rechtskräftigen
Verurteilungen und 486 Hinrichtungen) und Japan, seit 1993 (mit geringem
Erfolg) Kriegsverbrecherprozesse wegen K. im jugoslawischen Bürgerkrieg und
seit 1996 im ruandischen Bürgerkrieg durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Kriegsverbrechen
in Europa und im nahen Osten im 20. Jahrhundert, hg. v. Seidler, F. u. a.,
2002; Hankel, G., Die Leipziger Prozesse, 2003; Wiggenhorn, H.,
Verliererjustiz, 2005
Kriegsverfahren ist
das im Krieg anzuwendende Militärstrafverfahren. Für dieses wird 1898 im
Deutschen Reich die Militärstrafgerichtsordnung geschaffen, die 1934 abgeändert
und 1938 (Kriegsstrafverfahrensordnung) erheblich vereinfacht wird.
Lit.: Marck, H. v., Der Militärstrafprozess in Deutschland,
Bd. 1 1893; Dombrowski, H., Kriegsstrafrecht, 6. A. 1944; Block, J., Die
Ausschaltung und Beschränkung der deutschen ordentlichen
Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg 1967
Kriegswirtschaftsrecht ist das im Krieg geltende Wirtschaftsrecht, das z. B. die
knappen Güter rationiert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
kriminal (die
Straftat betreffend, z. B. Österreich 1788 Allgemeine Kriminalgerichtsordnung,
Preußen 1805 Kriminalordnung)
Lit.: Bellmann, E., Die internationale kriminalistische Vereinigung
(1889-1933), 1994; Gschwend, L., Nietzsche und die Kriminalwissenschaften, 1999
Kriminalistik (Verbrechenskunde)
Lit.: Fallanalyse und
Täterprofil, hg. v. Hoffmann, J. u. a., 2003; Becker, P., Dem Täter auf der
Spur, 2005
Kriminalität ist die Begehung von Straftaten (Straffälligkeit). Sie setzt eine Bestimmung von Straftaten voraus. Seitdem ist jeder Verstoß gegen ein Straftatverbot grundsätzlich K. Die rechtstatsächliche Erfassung der soziologisch immer bedeutenderen K. ist Gegenstand der historischen Kriminologie (Verbrechenskunde). Während des Modernisierungsvorgangs des 19. Jh.s steigt die K. in den industriellen Ballungsgebieten (z. B. in Baden) deutlich an. Frauen treten bisher erkennbar seltener kriminell hervor (am ehesten Eigentumsdelikte, Vermögensdelikte, Aussagedelikte).
Lit.: Lipowsky, F., Geschichte des baierischen Kriminalrechtes,
1803; Quetelet, A., Sur l´homme, 1835; Bader, K., Soziologie der deutschen
Nachkriegskriminalität, 1949; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des
römischen Kriminalverfahrens, 1962; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern,
1968; Mechler, K., Studien zur Geschichte der Kriminalsoziologie, Kriminolog.
Studien 5 (1970); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Blasius, D.,
Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität, 1976; Blasius, D., Kriminalität und
Alltag, 1978; Freiburg, A., Kriminalität in der DDR, 1981; Blasius, D.,
Geschichte der politischen Kriminalität in Deutschland, 1988; Wehner, B., Vom
Rechtsstaat ins Desaster, (in) Kriminalistik 1989, 335; Verbrechen, Strafen und
soziale Kontrolle, hg. v. Dülmen, R. van, 1990; Schwerhoff, G., Köln im
Kreuzverhör, 1991; Jütte, R., Geschlechtsspezifische Kriminalität im späten
Mittelalter und in der frühen Neuzeit, ZRG GA 108 (1991), 86; Melchers, A.,
Kriminalistik im 19. Jahrhundert, 1992 (Diss.); Lange, K., Gesellschaft und
Kriminalität, 1994; Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten
1850-1914, 1996; Schüßler, M., Quantifizierung, ZRG GA 113 (1996), 247, ZRG GA
116 (1999), 482; Blastenbrei, P., Kriminalität in Rom 1560 – 1585, 1995; Frank,
M., Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995; Von Huren und Rabenmüttern,
hg. v. Ulbricht, O., 1995; Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und
Rechtstheorie, ZRG GA 113 (1996), 246; Wagner, P., Volksgemeinschaft ohne
Verbrecher, 1996; Eibach, J., Kriminalitätsgeschichte, HZ 263 (1996) 681;
Kolmer, L., Gewalttätige Öffentlichkeit, ZRG GA 114 (1997), 261; Schwerhoff,
G., Aktenkundig und gerichtsnotorisch, 1999; Kriminalität und abweichendes
Verhalten, hg. v. Berding, H. u. a., 1999; Kriminalitätsgeschichte, hg. v.
Blauert, A. u. a., 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Oberwittler, D., Von
der Strafe zur Erziehung?, 2000; Wetzell, R., Inventing the Criminal, 2000;
Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Mord und andere Kleinigkeiten, hg.
v. Freitag, S. u. a., 2001; Scheutz, M., Alltag und Kriminalität, 2001; Becker,
M., Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft im Königreich Württemberg, 2001;
Hohlfeld, N., Moderne Kriminalbiologie, 2002; Unrecht und Recht. Kriminalität
und Gesellschaft von 1500-2000. Gemeinsame Landesausstellung der
rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive. Ausstellungskatalog, hg. v.
Borck, H., 2002; Vec, M., Die Spur des Täters, 2002; Eibach, J., Frankfurter
Verhöre, 2003; Kriminalität und Gesellschaft in Spätmittelalter und Neuzeit,
hg. v. Matheus, M. u. a., 2003; Kertelhein, Arne, Alltag und Kriminalität,
2003; Krause, J., Kriminalgeschichte der Antike, 2004; Fritz, G., Eine Rotte
von allerhandt rauberischem Gesindt, 2004; Friedländer, H., Interessante
Kriminalprozesse, 2005 (CD-ROM); Moses, A., Kriminalität in Baden im 19.
Jahrhundert, 2006; Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006;
Repräsentation von Kriminalität und öffentlicher Sicherheit, hg. v. Härter, K.
u. a. 2009
Kriminalpolizei
Lit.: Wagner, P., Hitlers Kriminalisten,
2002
Kriminologie (F.) Verbrechenskunde
Lit.: Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens,
1951; Rode, C., Kriminologie in der DDR, 1996; Wetzell, R., Inventing the
Criminal, 2000; Becker, P., Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der
Kriminologie des 19. Jahrhunderts, 2002; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im
Anstaltsstaat, 2004; Galassi, S., Kriminologie im deutschen Kaiserreich, 2004;
Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Baumann, I., Dem Verbrechen auf der
Spur, 2006; Mayenburg, D. v., Kriminologie und Strafrecht zwischen Kaiserreich
und Nationalsozialismus, 2006; Vormbaum, T., Kriminologie- und Strafvollzugsgeschichte,
Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 221ff.
Kristallnacht → Reichskristallnacht
Kroatien (Kroatien-Slawonien) ist die
Landschaft zwischen Donau, Drau und Adria sowie Serbien, die seit dem 7. Jh.
von Südslawen besiedelt wird. 1102 kommt das 845 selbständige K. in Personalunion
an Ungarn und damit 1526 an → Österreich. 1849 wird K. (mit Fiume,
Küstenland und Slowenien) dort Kronland, das 1867 Ungarn zugeteilt wird (1868
kroatischer Ausgleich zwischen Ungarn und Kroatien-Slawonien in
subdualistischer Form). 1918 wird K. Teil → Jugoslawiens, von dem es sich
1991 löst.
Lit.: Gazi, S., A history of Croatia, 1973; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,331; Sanjek, F., Crkva i krscanstvo u Hrvata,
1988; Gavella, N., Die Rolle des ABGB in der Rechtsordnung Kroatiens, ZEuP
1994, 603; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Steindorff, L., Kroatien,
2001; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Weber, J., Kroatien, 2002; Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Krone ist ein aus
Metall gefertigter Stirnreif, der als Sinnbild der Würde und Macht eines
Fürsten verwendet wird. Die K. findet sich früh in vorderasiatischen
Königreichen. In Rom ist vielleicht der Lorbeerkranz der Ausgangspunkt. Die
deutsche Königskrone vom ausgehenden Frühmittelalter wird bis 1796 als Teil der
Reichskleinodien in Nürnberg verwahrt, von wo aus sie vor den Wirkungen der
französischen Revolution nach Wien verbracht wird.
Lit.: Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut
und Krone, 1952; Machetanz, G., Deutsche Königskrone und römische Kaiserkrone,
Diss. jur. Göttingen 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik,
Bd. 2 1955; Biehn, H., Die Kronen Europas, 1957; Corona regni, hg. v. Hellmann,
M., 1961; Staats, R., Theologie der Reichskrone, 1976; Staats, R., Die
Reichskrone, 1991; Schulze-Dörrlamm, M., Die Kaiserkrone Konrads II.
(1024-1039), 1991; Wolf, G., Die Wiener Reichskrone, 1995
Krone der rechten
Wahrheit
Lit.: Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte
der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für
schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368
Krongut → Königsgut
Kronkardinal ist
der seit dem Hochmittelalter auf Vorschlag eines weltlichen Herrschers vom
Papst ernannte Kardinal.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Kronland ist in
Österreich zwischen 1849 und 1860 das Erzherzogtum Österreich, das Herzogtum
Salzburg, das Herzogtum Steiermark, das Königreich Illyrien (Kärnten, Krain,
Görz, Gradiska, Istrien, Triest), die Grafschaft Tirol (mit Vorarlberg), das
Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Mähren, das Herzogtum Schlesien, das
Königreich Galizien und Lodomerien (Auschwitz, Zator, Kakau), das Herzogtum Bukowina,
das Königreich Dalmatien, das Königreich Kroatien, das Königreich Slawonien,
das Königreich Ungarn, das Großfürstentum Siebenbürgen, die Gesamtheit der
Militärgrenzbezirke und das lombardisch-venetische Königreich.
Lit.: Huber, H./Dopsch, A., Österreichische
Reichsgeschichte, 2. A. 1901, Neudruck 1968
Kronprinz ist der
als Thronfolger in Aussicht genommene Prinz.
Kronprinzenprozess ist
der 1730 gegen den Kronprinzen Friedrich (II.) von Preußen wegen eines
Fluchtversuches geführte, wegen Unzuständigkeitserklärung des Gerichtes ohne
Strafausspruch gebliebene Prozess.
Lit.: Henrichs, C., Der
Kronprinzenprozess, 1936
Krönung ist das
Aufsetzen der → Krone zum Zeichen eines Herrschaftsantrittes. Die K.
beginnt im fränkischen Reich vielleicht mit Pippin II. (751?).
Lit.: Werminghoff, A., Ein Tractatus de coronatione, ZRG GA
24 (1903), 380; Schreuer, H., Über altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 30
(1909), 142; Buchner, M., Zur Datierung und Charakteristik altfranzösischer Krönungsordnungen,
ZRG GA 31 (1910), 360; Schreuer, H., Noch einmal über altfranzösische
Krönungsordnungen, ZRG GA 32 (19119, 1; Schreuer, H., Die rechtlichen Grundgedanken
der französischen Königskrönung, 1911; Buchner, M., Nochmals die
Krönungsordnung Ludwigs VII. von Frankreich, ZRG GA 33 (1912), 328; Schiffers,
H., Die deutsche Königskrönung, 1936; Bouman, C., Sacring and crowning, 1957;
Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972;
Coronations, hg. v. Bak, J., 1990; Cavina, M., Imperator Romanorum triplici
corona coronatur, 1991; Ordines coronationis Franciae, hg. v. Jackson, R., Bd.
1f. 1995ff.; Bronisch, A., Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich,
ZRG 116 (1999), 37; Krönungen, hg. v. Kramp, M., 2000; Investitur- und
Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004; Zey, C., Imperatrix, si
venerit Romam, DA 60 (2004), 1; Wahl und Krönung in Zeiten des Umbruchs, hg. v.
Pelizaeus, L., 2008
Kronvasall ist der
mit → Königsgut vom → König bzw. von der Krone belehnte → Lehnsmann.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972
Kronzeuge ist im
angloamerikanischen Recht ein Zeuge der (die Krone bzw. den Staat vertretenden)
Anklage, der an der Tat beteiligt war, aber für seine Aussage Strafmilderung oder
Straffreiheit erhält. Am Ende des 20. Jh.s wird der K. bedingt auch in
Deutschland (kurzfristig bis 1999 und tatsächlich selten von Bedeutung) und
Österreich in das Strafverfahrensrecht aufgenommen.
Lit.: Röhrkasten, J., Die englischen Kronzeugen, 1990;
Mühlhoff, U./Mehrens, S., Das Kronzeugengesetz, 1999
Krummstab ist der
bereits bei Isidor von Sevilla (vor 639) bezeugte (oben gekrümmte) Stab des
Bischofs.
Lit.: Lind, K., Über den Krummstab, 1863; Bauerreiß, R.,
Abtsstab und Bischofsstab, Stud. u. Mitt. z. G. d. Benediktinerordens 68
(1957), 215
KSZE →
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
Kues → Nikolaus von Kues
Lit.:
Die Urkunden des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues an der Mosel, hg. v.
Kortenkamp, G., 2004; Hensel-Grobe, Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007
k. u. k. (kaiserlich und königlich, Österreich 1867, pragmatische
Angelegenheiten) → k. k.
Kulm (Culm) ist der
Mittelpunkt eines Bistums und Landes in Preußen (1366 Universität).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891; Brünneck, W. v.,
Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; 750 Jahre Kulm und
Marienwerder, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983
Kulm (der alte K.)
ist das in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Kulm aus einer um wenige Zusätze
vermehrten Form des Breslauer Stadtrechts (Magdeburg-Breslauer systematisches
Schöffenrecht) durch Auslassungen, Artikelversetzungen und Hinzufügung von
Magdeburger Schöffenurteilen für Kulm und von Stücken aus dem Schwabenspiegel
gewonnene, in fünf Bücher geteilte Rechtsbuch. → Kulmer Handfeste,
Landläufige kulmische Rechte
Lit.: Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer Systematische
Schöffenrecht, 1863; Lohmeyer, Über eine neue Handschrift des alten Kulm, ZRG
GA 3 (1882), 197; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1978; Ebel, F., Kulmer
Recht, (in) 750 Jahre Kulm, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983, 9; Sondel, J.,
Studia nad prawem rzyskim w ius Culmense, 1984; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50; Ebert, I., 600 Jahre alter Kulm,
(in) Ostdeutsche Gedenktage 1994, 1993, 241; Janicka, D., Prawo karne w trzech
rewizjach prawa chelminskiego z 16 wieku, 1992; Rymaszewski, Z., Nieznany spis prawa chełmińskiego z
przełomu XIV-XV wieku (Das bisher unbekannte kulmische Rechtsbuch aus der
Wende des 14. zum 15. Jahrhundert), 1993
Kulmer Handfeste ist die am
28. 12. 1233 (?) vom Hochmeister des Deutschen Ordens und vom Landmeister Preußens
den Städten Kulm (1232) und Thorn (1231) verliehene Urkunde, welche die
Grundlage der Rechtsentwicklung im Einflussgebiet des Deutschen Ordens wird.
Sie umfasst 24 Artikel. Sie betreffen die Rechtsverhältnisse der Ansiedler. Ihr
folgen jüngere Gerichtsbücher.
Lit.: Kretzschmer, J., Die Culmische Handfeste, 1892;
Kisch, G., Studien zur Kulmer Handfeste, ZRG GA 50 (1930), 180; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1931;
Willoweit, D., Die Kulmer Handfeste, Beitr. z. G. Westpreußens 9 (1985), 5; Das
Kulmer Gerichtsbuch 1330-1430, hg. v. Lückerath, C./Benninghoven, F., 1999
Kulpakompensation ist
im neuzeitlichen gemeinen Recht die Berücksichtigung des Mitverschuldens im
Wege einer Aufrechnung, die zum Verlust des Ersatzanspruchs führt.
Lit.: Köbler, DRG 214
Kultur (F.) Bearbeitung,
Ausbildung, Daseinsgestaltung
Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Kultur und Staat
in der Provinz, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 1992; Kulturgeschichte heute, hg.
v. Hardtwig, W. u. a., 1996; Wehler, H., Die Herausforderung der Kulturgeschichte,
1998; Kittler, F., Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft, 1999;
Kulturwissenschaft, hg. v. Appelsmeyer, H. u. a., 2001; Gassert, M.,
Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hartmann, P., Kulturgeschichte
des Heiligen römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Müller, R., Die Entdeckung
der Kultur, 2003; Handbuch der Kulturwissenschaften, hg. v. Jaeger, F. u. a.,
2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische
Kulturgeschichte, 2004; Übergänge und Verflechtungen, hg. v. Kokorz, G. u. a.,
2004; Vietta, S., Europäische Kulturgeschichte, 2005; Burke, P., Was ist
Kulturgeschichte?, 2005; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des 20.
Jahrhunderts, 2006; Maurer, M., Alte Kulturgeschicht – Neue Kulturgeschichte,
HZ 280 (2005), 281; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des 20.
Jahrhunderts, 2006; Assmann, A., Einführung in die Kulturwissenschaft, 2006;
Wagner, M., Europäische Kulturgeschichte, 2008; Kulturgeschichte, hg. v.
Tschopp, S., 2008; Landwehr, A., Kulturgeschichte, 2009
Kulturkampf ist der
politische Kampf zwischen dem liberalen → Staat und der katholischen →
Kirche (Papst Pius IX. 1846-1878) um die Säkularisierung von Staat und
Gesellschaft (Badener Artikel 1834, Aargauer Klostersturm 1841, Baden 9. 10. 1860,
Bayern 1868 Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht, Österreich 1870
Kündigung des Konkordats, Deutsches Reich 10. 12. 1871 Kanzelparagraph, 4. 7.
1872 Ausweisung der Jesuiten, Preußen 11. 3. 1872 Gesetz über die staatliche
Schulaufsicht). 1873 erlegen die vier sog. Maigesetze der Kirche staatliche
Kontrolle auf. Am 6. 2. 1875 wird die obligatorische Zivilehe eingeführt. Unter
Papst Leo XIII. kommt es seit 1880 zu einer Beruhigung und schließlich bis 1887
zu einem beiderseits annehmbaren Ausgleich.
Lit.: Köbler, DRG 172, 209; Baltl/Kocher; Heckel, J., Die
Beilegung des Kulturkampfes in Preußen, ZRG KA 19 (1930), 215; Bornkamm, H.,
Die Staatsidee im Kulturkampf, 1950; Schmidt-Volkmar, E., Der Kulturkampf in
Deutschland 1871-1890, 1962; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche in der Ära
von Reichsgründung und Kulturkampf, 1975; Der Kulturkampf in Italien und in den
deutschsprachigen Ländern, hg. v. Lill, R. u. a., 1993; Der Kulturkampf, hg. v.
Lill, R., 1997; Ross, R., The Failure of Bismarck’s Kulturkampf, 1998; Ruppert,
S., Kirchenrecht und Kulturkampf, 2002
Kummer ist im
Mittelalter die Bezeichnung für → Arrest. Der K. entwickelt sich
vielleicht im Frühmittelalter aus dem Verfahren bei handhafter Tat. Der
Gläubige kann den flüchtigen, später auch schon den nur fluchtverdächtigen
Schuldner festnehmen bzw. seine Vermögensstücke beschlagnahmen, um dadurch die
Rechtsverweigerung zu verfolgen, später auch um die Erfüllung der Ansprüche zu
sichern. Durch die spätmittelalterliche Wissenschaft wird die rechtliche
Behandlung des Kummers unter italienischem Einfluss verfeinert.
Lit.: Köbler, DRG 116; Wach, A., Der Arrestprozess, 1868,
Neudruck 1973; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922
Kündigung ist die
einseitige, auf die Beendigung eines Schuldverhältnisses
(Dauerschuldverhältnisses) gerichtete Willenserklärung. Dem römischen Recht
scheint sie nicht eigen zu sein. Vielleicht ist sie beim Darlehen entstanden.
Ihre Verallgemeinerung erfolgt erst in der Neuzeit.
Lit.: Kaser §§ 42 II 5, 43 I 4, 44 I 3; Immerwahr, W., Die
Kündigung, 1898; Molitor, E., Zur Entwicklung des Kündigungsrechts, FS E.
Heymann, 1931, 349; Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im
Franquismus, 2007
Kündigungsschutz ist
der gesetzliche Schutz gegen die → Kündigung. Der K. gehört dem 20. Jh.
an, in em die schrankenlose Freiheit aus sozialen Gründen eingeengt wird. Er
findet sich hauptsächlich im Mietrecht und im Arbeitsrecht. Im Arbeitsrecht
schreibt das deutsche Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8. 1951 für die Kündigung
eine soziale Rechtfertigung vor.
Lit.: Köbler, DRG 273; Kroeschell, 20. Jh.; Welslau, A.,
Befristete Arbeitsverhältnisse und Kündigungsschutz, Diss. jur. Bielefeld,
1998; Kaiser, C., Kündigungsschutz ohne Prinzip, 2005; Römermann, M., Kündigungen
und Kündigungsschutz im Franquismus, 2007
Kunkelmage ist im
mittelalterlichen deutschen Recht die weibliche Verwandte.
Lit.: Hübner
Künßberg, Eberhard
Frhr. v. (Porohy 28. 2. 1881-Heidelberg 3. 5. 1941), Forstmeisterssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Wien Mitarbeiter des Deutschen Rechtswörterbuches
(1911) in Heidelberg und 1929 Honorarprofessor.
Lit.: Künßberg, E., Frhr. v., Der Wortschatz des
österreichischen ABGB, 1930; Künßberg, E., Frhr. v., Rechtliche Volkskunde,
1936, Nachruf ZRG GA 62 (1942), XLIII (Fehr, Hans)
Kunst ist die
Hervorbringung eines von Menschen anerkannten Werkes.
Lit.: Fehr, H.,
Kunst und Recht, Bd. 1ff. 1923ff.; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 1ff.
1953ff.; Becker, E., Das Recht im „Parzival“, Diss. jur. Bonn 1956; Combridge,
R., Das Recht im Tristan Gottfrieds von Straßburg, 1959; Müller, J., Die
Rechts- und Staatsauffassung Heinrichs von Kleist, 1962; Pensel, F.,
Rechtsgeschichtliches und Rechtssprachliches im epischen Werk Hartmanns von Aue
und im Tristan Gottfrieds von Straßburg, Diss. phil. Berlin (HU) 1961; Mittler,
E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers „Ring“, 1967; Langer, A., Zu den Quellen
des Rechtsdenkens bei Adalbert Stifter, 1968; Hoffmann, E. T. A., Juristische
Arbeiten, hg. v. Schnapp, F., 1973; Becker, K., Amors Urteilssprüche, 1991;
Canisius-Loppnow, P., Recht und Religion im Rolandslied des Pfaffen Konrad,
1992; Just, R., Recht und Gnade in Heinrich von Kleists Schauspiel Prinz
Friedrich von Homburg, 1993; Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst,
1993; Wambach, L., Die Dichterjuristen des Expressionismus, 2002; Geschichte
der deutschen Kunst, hg. v. Klotz, H. u. a., Bd. 1ff. Sonderausgabe 2003; Meid,
V., Metzler Literatur Chronik, 3. A. 2006; Hölscher, T., Die griechische Kunst,
2007 (und 11 ähnliche Bände zu anderen Kunstepochen); Handbuch Kunst und Recht,
hg. v. Hoeren, T. u. a., 2008; Kloepfer, M., Dichtung und Recht, 2008;
Miederhoff, T., Man erspare es mir, mein Juristenherz auszuschütten, 2008
(Tucholsky); Braun, J., Kunstprozesse, 2. A. 2009
Kunstfälscher ist
der Fälscher eines Kunstwerks. Seit dem 15. Jh. und insbesondere seit dem
ausgehenden 18. Jh. wird er verstärkt bekämpft.
Lit.: Würtenberger, T., Das Kunstfälschertum, 1940,
Neudruck 1970
Kuppelei ist die
seit dem Hochmittelalter in Deutschland bis 1973 allgemein, seitdem nur noch in
wenigen Formen verfolgte Förderung sexueller Handlungen zwischen anderen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Kur (F.) Wahl, →
Kurfürst
Kurator (zu lat.
[M.] → curator, Pfleger) ist seit dem 18. Jh. der staatliche Aufsichtsbeamte
über die Universität.
Lit.: Bornhak, C., Geschichte der preußischen
Universitätsverwaltung bis 1810, 1900; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der
Universität Bonn, 1968
Kurbayern → Bayern, Kurfürstentum
Kurbrandenburg →
Brandenburg, Kurfürstentum
Kurfürst ist (im
Heiligen römischen Reich [deutscher Nation]) seit dem 13. Jh. (→
Sachsenspiegel) der den → König wählende Fürst (Wort 1298 belegt). An
sich wird der König vom Volk gewählt. Für dieses handeln allgemein die Großen
(Herzöge, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Grafen). Wie sich aus ihnen die
Kurfürsten entwickelt haben, ist ungewiss (ottonische Tochterstämme?,
unterschiedliche Einzelursachen?). Jedenfalls nennt bereits der →
Sachsenspiegel (1221-1224) die Erzbischöfe von Mainz, Köln (bis 1803) und
Trier (bis 1803), den Pfalzgrafen bei Rhein (Stammespfalzgrafen von Lothringen)
(bis 1623 und ab 1648, Erzschatzmeister, bis 1777), den Herzog von Sachsen und
den Markgrafen von Brandenburg sowie den (nicht deutschen) König von Böhmen als
Königswähler. 1356 festigt die → Goldene Bulle die Stellung der
Kurfürsten. Sie bilden gemeinsam einen Reichsstand (Kurfürstenkollegium,
Kurfürstenrat, der als Führungsgruppe um einen Anteil an der Herrschaft im
Heiligen römischen Reich ringt). Ihre Zahl steigt schließlich auf 10 (Bayern
1623/1648, Hannover 1692/1708, 1803 (ohne Auswirkung wegen fehlender
Kaiserwahl) Hessen-Kassel, Baden, Württemberg, Salzburg), doch verringert sich
ihre Bedeutung durch die Religionskriege, das Fehlen fester Verfahrensweisen
und die Verlagerung der Interessen vom Reich auf die angehörigen Länder. 1806
endet mit dem Untergang des Reiches ihre Stellung.
Lit.: Köbler, DRG 109, 110, 147, 148; Bloch, H., Die
staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Buchner, M.,
Die Entstehung und Ausbildung der Kurfürstenfabel, 1912; Krammer, M., Das
Kurfürstenkolleg von seinen Anfängen bis zum Zusammenschluss im Renser
Kurverein des Jahres 1338, 1913; Quellen zur Geschichte der deutschen
Königswahl und des Kurfürstenkollegs, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck
1972; Stutz, U., Das Mainzer Erststimmrecht, ZRG GA 42 (1921), 466; Perels, E.,
Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Mitteis, H., Die
deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Vogelgesang, G., Kanzlei
und Ratswesen der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Mess, F., Wartburgkrieg und
Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Haan, H., Der Regensburger Kurfürstentag
von 1636/1637, 1967; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Mathies, C.,
Kurfürstenbund und Königtum in der Zeit der Hussitenkriege, 1978; Reuling, U.,
Die Kur, 1979; Hoffmann, P., Die bildlichen Darstellungen des
Kurfürstenkollegiums, 1982; Luttenberger, A., Kurfürsten, Kaiser und Reich,
1994; Wolf, A., Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998),
150; Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A.
2000; Gotthard, A., Die Säulen des Reiches, 1999; Erkens, F., Kurfürsten und
Königswahl, 2002; Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. v.
Wolf, A., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren
Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und
das Reich, 2003; Ertl, T., Alte Thesen und neue Theorien zur Entstehung des
Kurfürstenkollegiums, ZHF 30 (2003), 619ff Erkens, F., Vom historischen Deuten
und Verstehen, ZRG GA 122 (2005), 327; Landau, P., Eike von Repgow und die
Königswahl im Sachsenspiegel, ZRG GA 125 (2008), 18
Kurfürstenkollegium → Kurfürst
Kurfürstenrat →
Kurfürst
Kurfürstentum ist das
Herrschaftsgebiet eines → Kurfürsten.
Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im
Kurfürstentum Mainz, 1908; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier,
1965; Pelizaeus, L., Der Aufstieg Württembergs und Hessens zur Kurwürde 1692-1803,
2000
Kurhessen ist die
1803 zum → Kurfürstentum erhobene Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kulenkamp, E., Neue
Sammlung der Landesordnungen, Bd. 1ff. 1828ff.; Probst, K., Die Entwicklung der
Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911;
Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in
Kurhessen, 1942; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 2008,
45
Kuriatstimme ist
die im Reichstag des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) mehreren
kleinen Reichsständen nur gemeinsam zustehende Stimme (Grafen und Herren,
Prälaten). 1653 bestehen 4 weltliche Kuriatstimmen (für 99 Reichsstände) und 2
geistliche Kuriatstimmen (für 41 Reichsstände).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 148;
Meister, A., Entstehung der Kuriatstimmen, Hist. Jb. 34 (1913), 828
Kurie ist im
römischen Recht eine Untergliederung der Volksversammlung (Kuriatkomitie), im katholischen
Kirchenrecht die zentrale, aus mehreren Kardinalskongregationen bzw. Ämtern
und Gerichtshöfen bestehende Verwaltungsbehörde des Papstes und im Heiligen
römischen Reich (deutscher Nation) die körperschaftlich organisierte Vertretung
der Reichsstände (Kurfürsten, sonstige Reichsfürsten, Reichsstädte) und
Landstände (Prälaten, Ritter. Städte und unter Umständen Bauern).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 3, 7, 17; Schreiber,
G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck 1965; Rusch,
B., Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie, 1936; Jordan, K., Die
Entstehung der römischen Kurie, ZRG KA 28 (1939), 97; Schubert, F., Die
deutschen Reichstage, 1966; Robinson, I., The Papacy, 1990
Kurienwahlrecht ist das Wahlrecht nach Kurien (z. B. in Österreich zwischen 1849/1850 und 1907/1918), das
dem Grundsatz der Gleichheit aller Stimmen bei einer Wahl widerspricht.
Lit.: Melik, V., Wahlen im alten Österreich, 1997
Kurköln → Köln, Kurfürstentum
Kurland ist das
Land eines Kurfürsten, an dem das Wahlrecht haftet. Davon zu trennen ist K. als
das ursprünglich von Kuren besiedelte Land am Rigaischen Meerbusen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, O.,
Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2076; Kurland, hg. v. Oberländer, E. u. a., 2008
Kurmainz → Mainz, Kurfürstentum
Kurmede ist eine
mittelalterliche grundherrschaftliche Abgabe.→ Besthaupt
Kurpfalz → Pfalz, Kurfürstentum
Kursachsen →
Sachsen, Kurfürstentum
Kursächsische Konstitutionen sind die in Kursachsen (am 21. 4.) 1572 in einem längeren
Anhörungsverfahren gesetzlich getroffenen Entscheidungen in 211 bzw. 249 bzw.
277 von den juristischen Fakultäten von Wittenberg und Leipzig ermittelten
Streitfragen (Verfahren, Verträge, Erbrecht und Lehnsrecht, Strafrecht). Sie
werden trotz ihres oft bewahrenden Zuges von den Zeitgenossen als Fortbildung
des sächsischen Rechts empfunden. 1661 und 1746 folgen 91 bzw. 40 weitere
Entscheidungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schletter, H., Die Konstitutionen
Kurfürst Augusts von Sachsen vom Jahre 1572, 1857:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KursaechsischeKonstitutionen1572.htm
Kurtrier → Trier, Kurfürstentum
kurulisch, Adj., zum Wagen (lat.] currus) gehörig
(Kennzeichnung der für das Marktwesen zuständigen Ädile in Rom, auf deren
Tätigkeit Wandelung [Rückgängigmachung] und Minderung (Preisherabsetzung] bei
Sachmängeln eines Kaufgegenstands beruhen)
Kurverein ist ein vertragliches Bündnis von → Kurfürsten. Bedeutsam ist der K. von Rhens (1338). Der Inhalt dieses Bündnisses wird 1356 durch die → Goldene Bulle gefestigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Krammer, M., Das Kurfürstenkolleg,
1913; Stengel, E., Avignon und Rhens, 1930
Kurwürde → Kurfürst
Kuss ist die
Berührung mit den Lippen. Der K. kann als Gebärde rechtliche Bedeutung haben.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, Bd. 1 1943, 83; Perella, N., The Kiss, 1969; Strätz, H., Der
Verlobungskuss, 1979; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985
Küste ist die
Grenzlinie zwischen Land und Meer. Die vor der K. liegenden Küstengewässer
werden seit dem 17. Jh. in stetig erweitertem Umfang vom Hoheitsträger auf dem
Land beansprucht (3, 12 oder 200 Seemeilen).
Lit.: Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der
Territorialgewässer, 1948; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007
Küstenland ist
das Gebeit an der oberen Adria, das 1564 zu Innerösterreich zählt, 1809 Teil
der illyrischen Provinzen Frankreichs ist und 1849 zum aus Görz-Gradisca,
Istrien und Triest gebildeten Kronland wird (1910 8000 Quadratkilometer, 900000
Einwohner, davon 50 Prozent Italiener). 1919 fällt es an Italien, 1947
überwiegend an Jugoslawien, bei dessen Auflösung 1991/1993 im Norden an
Slowenien, im Süden an Kroatien.
Kuttner, Stephan (Bonn 24. 03.
1907-Berkeley 12. 08. 1996) ist der führende, aus politischen Gründen aus
Deutschland über Italien 1940 in die Vereinigten Staaten von Amerika
ausgewanderte Kanonist des 20. Jh.s.
Lit.: Hetzenecker, A.,
Stephan Kuttner in Amerika 1904-1964, 2007
Kux ist seit dem Anfang des 14. Jh.s der Anteil an einer → Gewerkschaft des Bergrechts. Der Anteil an der Gewerkschaft des alten Rechts ist (unbewegliches Vermögen und) ideeller Anteil zur gesamten Hand (ursprünglich 4, zuletzt 128 Anteile, davon 122 für Gewerken, 4 für Grundstückseigentümer, 2 für Gemeinde, 2 für Schule). Bei der seit dem preußischen Allgemeinen Berggesetz vom 24. 6. 1865 entstehenden Gewerkschaft neuen Rechts ist der K. Anteil an der Gewerkschaft als juristischer Person und damit ein Recht (100 oder höchstens 10000 Anteile). In Deutschland wird der K. 1980 beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 167; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht
des Mittelalters, 1902; Kromrey, P., Die Übertragung, Belastung und Pfändung
von Kuxen, Diss. jur. Heidelberg, 1905; Müller-Erzbach, R., Das Bergrecht
Preußens, 1917; Ehrenzweig, Das Wort Kux, Z. f. Bergrecht 62 (1921), 191;
Kuhlen, H., Die Wandlung in der Rechtsnatur der Kuxe, Diss. jur. Köln 1938;
Guder, A., Der Kux, 1959
L
Laband, Paul
(Breslau 24. 5. 1838-Straßburg 23. 3. 1918), Arztssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Breslau, Heidelberg (Vangerow, von Mohl) und Berlin (Gneist, Stahl)
und der Konversion (1857) 1864 außerordentlicher Professor und 1866
ordentlicher Professor in Königsberg und 1872 in Straßburg. Von der
Rechtsgeschichte ausgehend wendet er sich dem Staatsrecht zu, für das er
bestimmte Begriffe (z. B. → Gesetz im formellen Sinn, Gesetz im
materiellen Sinn) und berechenbare Ordnung der Sätze des geltenden Rechts
(durch Verfassung) zur Eindämmung politischer Willkür (im Rechtsstaat)
verlangt.
Lit.: Köbler,
DRG 195, 199, 208; Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. A.
1911/4, Neudruck 1964; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 145; Gierke, O. v., Labands Staatsrecht und
die deutsche Rechtswissenschaft, 2. A. 1961; Böckenförde, E., Gesetz und
gesetzgebende Gewalt, 1958, 226; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im
19. Jahrhundert, 1958, 2. A. 2003; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 301; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen
Spätkonstitutionalismus, 1993; Labasnd, P., Staatsrechtliche Vorlesungen, 2004
Labeo, Marcus Antistius (L. filius) (1. Jh. v. Chr.-5/22 [10/11?] n. Chr.), Rechtskundigensohn
(des Pacuvius Antistius Labeo), Schüler des Trebatius, wird nach durchlaufener
Ämterlaufbahn als ein führender Rechtskundiger des frühklassischen römischen
Rechts Haupt der prokulianischen Schule. Von seinem möglicherweise 400 Bücher
umfassenden Werk (Fallsammlungen, Kommentar zum Edikt des Prätors, Abhandlung
über das Pontifikalrecht) zeugen mehr als 500 überlieferte Bruchstücke (u. a.
Kommentare zum Edikt des Prätors).
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30; Pernice, A.,
Labeo, Bd. 1 1873, 7; Kohlhaas, C., Die Überlieferung der libri posteriores des
Antistius Labeo, 1986
Labeo, Pacuvius Antistius (L. pater) (1. Jh. v. Chr.-42 v. Chr.) ist der an der Verschwörung des
Brutus gegen Caesar teilnehmende römische Rechrskundige, dessen Sohn Haupt der
prokulianischen Schule wird.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung römischer Juristen, 2. A. 1967, 32
Lachen
Lit.: Le Goff, J., Das Lachen im
Mittelalter, 2004
lacina (lat.-afrk. [F.]) Wehrung
Laden (M.) ist das
Brett, der Verschluss einer Öffnung oder der Geschäftsraum. Im Spätmittelalter
verlagert sich der Verkauf vom allgemeinen Markt zunehmend in den einzelnen L.
Der Angestellte im L. hat eine beschränkte Vollmacht. Die Zeit, in der ein
Laden geschlossen sein muss, wird vereinzelt seit dieser Zeit (Goslar 1281,
Brieg 1318, Lüneburg 1350), allgemein erst im 20. Jh. (Deutschland 1956
Ladenschlussgesetz) genau festgelegt, aus wirtschaftlichen Erwägungen gegen
den Widerstand der Kirchen aber immer stärkter eingeschränkt.
Lit.: Rühling, M., Das Ladenschlussgesetz vom 28. November
1956, 2004
Ladiner ist der
Angehörige der in den Alpen und (vor allem) in den Dolomiten ansässigen, vom
Spätlateinischen abgeleiteten besonderen Sprachgemeinschaft des Ladinischen.
Lit.: Perathoner, Die Dolomitenladiner,
1998
Ladung ist die
Aufforderung vor einer Behörde oder einem Gericht zu einem bestimmten
Zeitpunkt zu erscheinen. Sie findet sich bereits im XII-Tafelgesetz des
altrömischen Rechts (lat. si in ius vocat, ito, wenn er zu Gericht ruft, soll
er gehen). Sie wird auch zu Beginn des frühfränkischen (lat. [M.]) Pactus legis
Salicae (507-511?) sichtbar und hat vermutlich bereits für die germanische
Volksversammlung bestanden. Im Frühmittelalter wird die private L. durch den
Ansprecher (lat. [F.] mannitio) durch die öffentliche L. des Verfahrensleiters
(lat. [F.] bannitio) ersetzt. Ungerechtfertigtes Nichterscheinen
(Ladungsungehorsam, anders → echte Not ) zieht den jeweiligen →
Bann nach sich, wobei insgesamt dreimal zu laden ist (→ Aller guten Dinge
sind drei). In der frühen Neuzeit kann das Erscheinen mit Zwangsmitteln
erzwungen werden. Die L. erfolgt vielfach schriftlich. Die Voraussetzungen und
Förmlichkeiten werden streng festgelegt. → Ediktalzitation
Lit.: Kaser §§ 82 I 1, 87 I 4, 87 II 3; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 70, 86, 117, 155, 202; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess
des gemeinen Rechts, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Beyerle, F., Das
Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Kulessa, M.,
Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor
das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Reinschmidt, T., Die Entstehung
des Rechtsganges und das Versäumnisverfahren im salfränkischen Recht, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1968
Ladungsfrist ist
die zwischen → Ladung und Zeitpunkt des Erscheinens vor Gericht liegende,
dem Schutz bzw. der Vorbereitung des Geladenen dienende Frist.
Ladungsungehorsam ist
die gewollte Nichtbeachtung der → Ladung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Laesio (F.) enormis (lat.)
ist die außergewöhnliche (enorme) Verletzung (der Vertragsgerechtigkeit).
Sie geht vielleicht auf Diokletian (284-313) zurück und ist
philosophisch-christlich geprägt. Nach ihr kann der Verkäufer einer Sache (z.
B. Bauer als Eigentümer eines Grundstücks) den Vertrag anfechten und gegen
Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis
geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den
gerechten Preis (lat. iustum pretium [N.]) fehlenden Betrag nachzahlt. 1234
übernimmt die mittelalterliche Kirche die von Justinian vertretene Lehre vom
gerechten Preis und der l. e. Diese wird vom gemeinen Recht fortgeführt, vom
Liberalismus des 19. Jh.s aber (z. B. im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen
Reiches von 1896/1900 aufgegeben.
Lit.: Kaser § 41 II 3; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 64,
127, 166, 214; Dekkers, R., La lésion énorme, 1937; Schulze, W., Die laesio
enormis, Diss. jur. Münster 1973; Kalb, H., Lex Baiuvariorum, Vita Corbiniani
und laesio enormis, ZRG GA 106 (1989), 325; Becker, C., Die Lehre von der
laesio enormis, 1993
laesowerpire (lat.-afrk.)
in den Schoß werfen
Lagerbuch →
Urbar
laghsaga (an. [F.]) Rechtsvortrag
Lagus (Hase), Conrad
(um 1500-1546) wird 1516 als Conradus Haß de Creutzburgk in Leipzig und 1519 in
Wittenberg immatrikuliert und macht sich um das rechtswissenschaftliche
Studium als juristischer Privatlehrer und Humanist in Wittenberg verdient
(Traditio methodica utriusque juris 1543 [De iure personarum, De modis
acquirendi alienandi et amittendi res, De pactis et obligationibus, De
actionibus et exceptionibus, De iudiciis, De privilegiis et iuris beneficiis],
Compendium juris Saxonici posthum 1597).
Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Zur
Geschichte der Rechtswissenschaft, 1876, 299
Lähmung → Körperverletzung
Laibach in
Slowenien wird 1919 Sitz einer Universität.
Laie (lat. [M.]
laicus) ist der Nichtfachmann, im Kirchenrecht der einfache Gläubige im
Gegensatz zum → Kleriker (Klerus).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hahn, W., Die Entwicklung der
Laiengerichtsbarkeit, 1974; Felten, F., Äbte und Laienäbte im Frankenreich,
1980; Vauchez, A., Les laics au Moyen Age, 1987; Löhr, D., Zur Mitwirkung der
Laienrichter im Strafprozess, 2008
Laieninvestitur
(Investitur von Laien in kirchliche Ämter durch den König) → Investitur, Investiturstreit
Laienrichter ist der nicht rechtswissenschaftlich gebildete Richter im Gegensatz zum rechtswissenschaftlich gebildeten Berufsrichter. Ursprünglich sind alle Richter und Urteiler Laien und alle freien Männer an Entscheidungen über Streitigkeiten beteiligt. Bereits in fränkischer Zeit beschränkt sich die Tätigkeit als Richter (thunginus, Graf) und Urteiler (Rachinburge, Schöffe) auf ausgewählte Männer. Seit dem 12. Jh. verdrängt ausgehend von der kirchlichen Gerichtsbarkeit der wissenschaftlich zur Streitentscheidung Ausgebildete (Jurist) den L. fast völlig. Bereits am Reichskammergericht des Heiligen römischen Reiches (1495) sind je zur Hälfte nur Adelige und Doktoren tätig, während die Constitutio Criminals Carolina (1532) noch durchweg die Mitwirkung von (ungelehrten) Schöffen vorsieht. Rechtstatsächlich setzt sich allmählich der gelehrte Jurist bis in die Untergerichte durch. Die Aufklärung strebt demgegenüber die Mitwirkung von Laienrichtern ein (z. B. Justus Möser 1774). Nach dem Vorbild Englands führt Frankreich 1791 eine Jury von Laienrichtern ein. Im 19. Jh. verlangt der Liberalismus auch im deutschen Sprachraum nach englisch-französischem Vorbild die Rückkehr zum L. Im Schwurgericht, Handelsgericht, Arbeitsgericht, Verwaltungsgericht und Sozialgericht setzt sich dieses Verlangen in gewissem Umfang durch, wobei seit 1922 auch Frauen als L. zugelassen werden. Die sog. Lex Emminger (1924) beseitigt aus Kostengründen das Schwurgericht und erweitert die Zuständigkeit des berufsmäßigen Einzelrichters. 1939 wird im Deutschen Reich die Mitwirkung von Laienrichtern in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (bis 1945) beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 201, 202; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953, 35; Kern, E. Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hahn, W., Die Entwicklung der
Laiengerichtsbarkeit, 1974; Löhr, D., Zur Mitwirkung der Laienrichter im
Strafprozess, 2008
Laienspiegel ist
die von dem Nördlinger Stadtschreiber und Höchstetter Landvogt Ulrich →
Tengler 1509 für Laien vorgelegte Einführung in das gelehrte Recht. Der L.
behandelt in seinen drei Büchern die Stellung weltlicher Herrschaftsträger
(Richter, Partei, Fürsprecher, Vorstand, Bürgermeister, Ratsherr), die
Gerichtsverfassung und das Privatrecht sowie das Strafverfahren. Als Quellen
lassen sich das (lat.) Speculum (N.) iudiciale des → Durantis (1290), Johannes
Andreae, Bartolus, Petrus de Ferrariis, verschiedene verbreitete Traktate, die
Bibel, Aristoteles, die Goldene Bulle und andere Reichsgesetze, der →
Klagspiegel, der → Hexenhammer und die → Constitutio Criminalis
Bambergensis (1507) nachweisen. Der L. ist fast im gesamten 16. Jh. durch
zahlreiche Drucke weit verbreitet.
Lit.: Köbler,
DRG 143; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des
römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 147, 172; Der
Teufelsprozess, hg. v. Schmitz, W., 1980
Laizismus (M.) ist
die in Frankreich im 19. Jh. entwickelte Bezeichnung für seit der Aufklärung
erkennbare Bestrebungen, den Einfluss der Kirche auf den Staat zurückzudrängen.
lance et licio (lat.) mit
Schüssel und Schurzfell, → Haussuchung
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48
Land ist das als
eine Einheit erscheinende Gebiet der Erde, insbesondere auch der Gliedstaat
eines Bundesstaats. Als politisches Gebilde im fränkisch-deutschen Reich
begegnet das L. seit dem Hochmittelalter (vielleicht unter Auswirkung des
Abschlusses des Investiturstreits durch das Konkordat von Worms 1122). Es
entwickelt sich durch territoriale Aufteilung des älteren Personalverbands
(Volk). Augenfällige Beispiele sind die Verselbständigung → Österreichs
gegenüber → Bayern (1156) zwecks Ausgleichs zwischen Babenbergern,
Welfen und Staufern und die Aufteilung → Sachsens (1180) zwecks
Herabsetzung Heinrichs des Löwen durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa.
Innerhalb des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) bilden sich in der
Folge sehr viele Länder. Am Rande spalten sich die → Schweiz und die →
Niederlande (spätestens 1648) ab. Innerhalb Österreichs werden die Länder von
1744 bis 1848 von Gubernien überlagert. In der Schweiz treten die Teile von
1798 bis 1803 zurück. 1806 werden die größeren Länder nach Beseitigung der
kleineren Herrschaften selbständige Staaten. Sie vereinigen sich 1815 zum 1866
am österreichisch-preußischen Gegensatz scheiternden → Deutschen Bund.
Innerhalb Österreichs verliert das Land von 1848 bis 1920 seine
Rechtspersönlichkeit. Die Mehrzahl der deutschen Länder findet 1871 zum
Deutschen Reich zusammen. Den in Österreich zusammengeschlossenen Ländern
(Bundesländern) wird 1918 von den anderen europäischen Mächten der Beitritt
verwehrt. Im Deutschen Reich werden die Länder von 1934 (bis 1945)
bedeutungslos. Der 1938 erfolgte → Anschluss Österreichs an das Deutsche
Reich wird 1945 rückgängig gemacht. Die Abtrennung der 1945 der sowjetischen
Besatzungszone zugeschlagenen, 1958 durch Bezirke ersetzten Länder
(Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) in
der → Deutschen Demokratischen Republik endet am 3. 10. 1990.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 110, 113,
138, 148, 150, 197, 230, 244, 247, 256, 258, 259; Köbler, Historisches Lexikon
(1. A. 1988); Köbler, WAS; Müller, L., Badische Landesgeschichte, Bd. 1 1900;
Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 3. A. 1943, 6. A. 1973; Theuerkauf, G.,
Land und Lehnswesen, 1961; Köbler, G., Land und Landrecht im Mittelalter, ZRG
GA 86 (1969), 1; Das Land Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1977ff.; Ammerich, H.,
Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag,
1985; Möckli, G., Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Ay, K.,
Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Weltin, M., Der Begriff des Landes bei
Otto Brunner und seine Rezeption durch die verfassungsgeschichtliche Forschung,
ZRG GA 107 (1990), 337; Länderparlamentarismus in Deutschland, hg. v. Mielke,
S. u. a., 2004
Landbrauch
Lit.:
Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch, 1913
Landbuch ist ein in
verschiedener Hinsicht ein → Land betreffendes Buch (z. B. L. der Neumark
um 1336, L. der Mark Brandenburg 1375/6).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Das Landbuch der Mark Brandenburg,
hg. v. Schultze, J., 1940; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982, 357
Landesausbau ist im
Mittelalter und der früheren Neuzeit der innere Ausbau eines Landes durch
verstärkte wirtschaftliche Nutzung (z. B. Rodung, Entwässerung).
Lit.: Brenning, A., Innere Kolonisation, 1909; Ranzi, F.,
Königsgut und Königsforst, 1939; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters,
1940, 11. A. 1987; Strukturen der Grundherrschaft, hg. v. Rösener, W., 1989,
411
Landesausschuss ist der in Österreich in der frühen Neuzeit vom
Landtag gewählte Ausschuss zur Verwaltung des Landes mit dem Landeshauptmann an
der Spitze (1918 Landesrat, 1920 Landesregierung). Ab 1744 treten ihm
Zentralstaatsbehörden zu Seite (Gubernien). Die Doppelgleisigkeit endet mit
einer Verfassungsänderung 1925..
Landesfürst ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) der Fürst eines Landes (Landesherr). Es gibt weltliche und geistliche Landesfürsten (z. B. Herzog, Markgraf, Graf., Erzbischof, Bischof, Abt). Der L. hat zusammen mit den Landständen die Landesherrschaft. Im Reich ist der L. zugleich Reichsfürst (im Reichstag).
Lit.: Baltl/Kocher; Spindler, M., Die Anfänge des
bayerischen Landesfürstentums, 1937, Neudruck 1973; Stolz, O., Zur Entstehung
und Bedeutung des Landesfürstentums im Raume Bayern – Österreich – Tirol, ZRG
GA 71 (1954), 339; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987
Landesgericht ist
das in einem oder für ein Land gebildete Gericht. Seit dem Hochmittelalter geht
im deutschen Reich die Gerichtsbarkeit allgemein weitgehend vom König auf den
Landesherrn über. Dieser bildet meist eine mehrstufige landesfürstliche
Gerichtsbarkeit aus. Oberste Gerichtshöfe entstehen als Landesgerichte
beispielsweise in Preußen (1483 Kammergericht), in Österreich (1749 Oberste
Justizstelle) oder Bayern (1625 Revisorium). Am 14. 6. 1849 werden in
Österreich Landesgerichte eingerichtet.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 27; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 38
Landesgeschichte ist die auf das einzelne Land (z. B. Bayern, Baden, Vorarlberg) ausgerichtete
→ Geschichte bzw. Geschichtsschreibung. Sie steht in Deutschland vor
allem im Gegensatz zur Reichsgeschichte.
Lit.: Probleme und Methoden der
Landesgeschichte, hg. v. Fried, P., 1978; Deutsche Landesgeschichtsschreibung
im Zeichen des Humanismus, hg. v. Brendle, F. u. a., 2001; Im Spannungsfeld von
Wissenschaft und Politik, hg. v. Werner, M., 2004
Landesgesetz ist
das für ein Land vom zuständigen Organ geschaffene Gesetz. Es steht im
Gegensatz zum Reichsgesetz oder Bundesgesetz. Es gewinnt seit der frühen
Neuzeit an Bedeutung.
Lit.: Neue Sammlung mecklenburgischer Landesgesetze, Bd.
1ff. 1769ff.; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958,
Neudruck 1988; Maier, K., Die Anfänge der Polizei- und Landesgesetzgebung in
der Markgrafschaft Baden, 1984
Landeshauptmann ist
der Leiter der Verwaltung eines Landes. Er erscheint als (lat. [M.]) capitaneus
in der Steiermark, Kärnten und Krain an der Stelle des königlichen
Reichsstatthalters in der Mitte des 13. Jh.s. Er ist gleichzeitig Haupt der
Stände des Landes. In den habsburgischen Ländern erhält sich das Amt des jetzt
vom Landesfürsten ernannten, dem Landesausschuss und dem Landtag vorsitzenden
Landeshauptmanns. 1918 werden ihm die bisher vom Statthalter wahrgenommenen
Aufgaben der Zetralstaatsverwaltung auf Landesebene übertragen. Dem Landtag
sitzt seit 1920 ein besonderer Landtagspräsident vor. In der Gegenwart ist der
L. Leiter der Regierung eines Landes, der auch die mittelbare Bundesverwaltung
ausführt.
Lit.: Baltl/Kocher; Brandis, J., Geschichte der
Landeshauptleute von Tirol, 1850; Kozina, G., Die Landeshauptleute von Krain,
1864
Landesherr (lat. dominus
[M.] terrae) ist seit der ersten Hälfte des 13. Jh.s der → Herr eines
besonderen → Landes. Er ist Empfänger der wichtigsten Regalien, höchster
Richter im Land, Träger des Heerbannes und Wahrer des Landfriedens, somit
insgesamt Inhaber der sich ausbildenden Landesherrschaft. Zu seinen
Einnahmequellen zählt vor allem auch die → Steuer. Im Ringen mit den
Großen im Land (→ Landständen) setzt er sich in der Neuzeit meist durch.
Am Ende des ersten Weltkrieges muss der L. dem Grundsatz der Volkssouveränität
weichen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 112, 148, 154;
Ludicke, R., Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster, 1901;
Lichtner, A., Landesherr und Stände in Hessen-Cassel, 1913; Brunner, O., Land
und Herrschaft, 5. A. 1965; Renger, R., Landesherr und Landstände im Hochstift
Osnabrück, 1968; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981;
Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft?, 1982; Gmür,
R., Städte als Landesherren, FS H. Thieme, 1986
Landesherrschaft ist
seit dem hohen Mittelalter die → Herrschaft des → Landesherrn über
ein → Land. Ihre Grundlage ist im Einzelnen sehr unterschiedlich
(Grundherrschaft, Banngewalt, Gerichtsgewalt, Vogtei, Schirmvertrag,
königliches Amt). Sie muss im Ringen mit den Ständen gefestigt werden. Sobald
das Land, wie das für die Kurfürstentümer 1356 in der Goldenen Bulle und für
Österreich 1358/1359 in einer Fälschung (lat. privilegium [N.]
maius) festgelegt wird, nicht mehr geteilt werden kann, tritt die Vorstellung
von der privaten, im Erbfall ohne weiteres teilbaren Sachherrschaft des
Landesherrn über das Land zugunsten der öffentlichen Einordnung zurück
(Entstehung des modernen, Hoheitsidee, Gesetzgebung und rationales
Verwaltungsverständnis voraussetzenden Staates). Seit dem 18. Jh. ist
wichtigster Bestandteil der einheitlichen monarchischen, an der Wohlfahrt des
Gemeinwesens ausgerichteten Staatsgewalt die Polizeigewalt (lat. ius [N.]
politiae). Die nun so bezeichnete Landeshoheit, in der sich die früher
vereinzelten Hoheitsrechte zur umfassenden Hoheitsgewalt (Souveränität)
verdichten, wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet
angesehen. Demgegenüber lassen sich die Rechte der Landstände nicht erweitern,
sondern höchstens bewahren.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 149;
Baltl/Kocher; Roßberg, A., Die Entwicklung der Territorialherrlichkeit in der
Grafschaft Ravensberg, Diss. phil. Leipzig 1909; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft,
1941, Neudruck 1964; Schlesinger, W., Die Landesherrschaft der Herren von
Schönburg, 1954; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen,
1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei,
1985; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002
Landeshoheit ist
die in der frühen Neuzeit durch Zusammenfassung von Herrschaftsrechten und
Verdichtung der → Landesherrschaft entstehende Hoheitsgewalt (Souveränität)
des Landesherrn (Fürsten) in einem Land (Staat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 149; Moser, J., Von
der Landeshoheit der deutschen Reichsstände, 1773; Stutz, U., Das habsburgische
Urbar und die Anfänge der Landeshoheit, ZRG 25 (1904), 192; Fehr, H., Die
Entstehung der Landeshoheit im Breisgau, 1904; Aubin, H., Die Entstehung der
Landeshoheit, 1920, Neudruck 1961; Mack, E., Die Entstehung der Landeshoheit
der Grafen von Wirtenberg, 1926; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen
Länder, 1938; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in
der Kurpfalz, 1937; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975;
Landeshoheit, hg. v. Riedenauer, E., 1994
Landeskirche ist im
evangelischen Kirchenrecht die Kirche eines Landes oder Landesteils (z. B.
Baden, Kurhessen-Waldeck, Hannover, Schleswig-Holstein, Schaumburg-Lippe,
Württemberg, Eutin, Lippe).
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Hinschius, P., Die evangelischen Landeskirchen in Preußen, 1867; Erler,
A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den
deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988
Landesobrigkeit ist
die im Übergang zwischen → Landesherrschaft und → Landeshoheit
befindliche landesherrliche Gewalt der frühen Neuzeit.
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landesordnung ist
die seit dem Spätmittelalter sichtbare, umfassendere, ordnende Gesetzgebung des
Landesherrn zur Klarstellung wichtiger Fragen auf den unterschiedlichsten
Rechtsgebieten (z. B. Tirol 1526 Bauernlandesordnung, 1532, 1573, Böhmen 1500,
1530, 1549, 1564, 1627, Mähren 1535, 1545, 1562, 1604, 1628, Oberlausitz
1538/1539, 1582, 1597, Oppeln-Ratibor 1562, Teschen 1573 u. a.). Im 19. Jh.
regeln in Österreich Landesordnungen vom 26. 2. 1861 Fragen des
Landesverfassungsrechts (bis 1918).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kleinschmidt, C., Sammlung
fürstlich hessischer Landesordnungen, Bd. 1ff. 1767ff.; Ebel, W., Geschichte
der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Richter, G., Die
ernestinischen Landesordnungen, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Quellen zur neueren deutschen Privatrechtsgeschichte,
Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1 1973, 517; Wesener, G., Zur Bedeutung der österreichischen
Landesordnungsentwürfe, FS N. Grass, Bd. 1 1974, 613; Berg, T.,
Landesordnungen in Preußen, 1998; Landesordnung und gute Policey, hg. v.
Gehringer, H. u. a., 2008
Landesparlament ist
das → Parlament eines → Landes.
Lit.: Eicher, H., Der Machtverlust der Landesparlamente, 1988
Landesrecht ist das
besondere → Recht eines → Landes im Gegensatz zu einem
übergeordneten Recht wie z. B. dem Bundesrecht. Es entsteht anfangs im
Hochmittelalter als Landrecht im Gegensatz zum Stadtrecht. Bis in das 19. Jh.
überwiegt es das gesetzte einheitliche Recht (in Deutschland). Durch die
einheitliche staatliche Gesetzgebung des ausgehenden 19. Jh.s wird es in
Deutschland in vielen Bereichen auf Randfragen zurückgedrängt (sog.
Verlustliste der deutschen Rechtseinheit), bleibt aber z. B. im Verwaltungsrecht
bedeutsam. Grundsatz wird, dass bei konkurrierender Zuständigkeit das Reichsrecht
oder das Bundesrecht das L. bricht.
Lit.: Köbler, DRG 103, 184, 231; Kahler, O., Das
schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Leiber, G., Das Landgericht der
Baar, 1964; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht,
2002
Landesregierung ist
die → Regierung eines → Landes (z. B. 1849 in Salzburg, Kärnten,
Krein, Schlesien und Bukowina, 1918/1920 allgemein).
Landessteuer ist
die seit dem 13. Jh. in einem → Land erhobene → Steuer. Der Kreis
der Steuerpflichtigen ist nicht überall gleich. Die L. bedarf grundsätzlich der
Bewilligung durch die Landesbehörde.
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965, 273;
Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landesteilung ist
die der Reichsteilung des fränkischen Frühmittelalters entsprechende Teilung
eines → Landes unter mehrere Söhne. Sie birgt die Gefahr der Machtzersplitterung
in sich. Deswegen finden sich Teilungsverbote bereits unter Friedrich I.
Barbarossa und Rudolf von Habsburg (1283). Für die → Kurfürstentümer
schließt die → Goldene Bulle (1356) die Teilung aus. Noch in der späteren
Zeit werden Länder aber tatsächlich geteilt (Hessen 1567, Österreich, Anhalt
1635, Braunschweig 1636, Sachsen-Gotha 1680, Mecklenburg 1701).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schulze, H., Das Recht
der Erstgeburt, 1851; Hartel, R., Über Landesteilungen in deutschen
Territorien, FS F. Hausmann, 1977, 179
Landesverfassung ist
die besondere (formelle) → Verfassung eines → Landes.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kopp, U., Handbuch zur Kenntnis
der Hessen-Casselschen Landesverfassung, Teil 1 1796; Kaltenborn, C.,
Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1f. 1857
Landesverordnung ist
die ein → Land betreffende → Verordnung im Gegensatz vor allem zum →
Landesgesetz.
Lit.: Kreittmayr, W. Frhr. v., Sammlung der churbaierischen Generalien
und Landesverordnungen, 1771
Landesverrat ist
der Verrat des eigenen → Landes durch einen Menschen. Ihm geht bereits
bei den Germanen der Verrat des Volkes voraus, bei dem nach Tacitus der
gefasste Verräter aufgehängt wird. Seit dem Hochmittelalter wird das
römischrechtliche (lat.) → crimen (N.) maiestatis (Majestätsverbrechen)
aufgenommen. Strafe der Verräterei ist das Rädern oder Vierteilen Nach der
österreichischen (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Josephina (1787) ist L. das
Verbrechen gegen den Staat bzw. Vaterland im Gegensatz zu dem gegen den
Herrscher gerichteten → Hochverrat. In der Mitte des 19. Jh.s ist L. die
Bedrohung der äußeren Machtstellung des Staates.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Schröder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht,
1970; Hanten, M., Publizistischer Landesverrat vor dem Reichsgericht, 1999
Landesverwaltung ist
die → Verwaltung (eines → Landes) durch Landesbehörden. Hierzu
bildet der Landesherr seit dem Spätmittelalter eine beamtete Verwaltungsorganisation
aus. Als deren späte Folge ist auch in der Gegenwart der Bundesrepublik
Deutschland die Verwaltung grundsätzlich Angelegenheit des Landes.
Lit.: Köbler, DRG 113, 151, 197, 258; Ammerich, H.,
Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Deutsche Verwaltungsgeschichte hg. v.
Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen
Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.
Landesverweisung ist
die Verweisung (z. B. eines Straftäters) aus dem Land. Ihr geht die ältere
Verbannung voraus. Ihr entspricht im Hochmittelalter die Verweisung aus der
Stadt, die beispielsweise in Augsburg des späten 14. Jh.s jährlich etwa ein 1/2
% der Stadtbewohner betrifft. Seit dem 15. Jh. wird von L. gesprochen. Sie
führt zu Konflikten mit den benachbarten Ländern. Seit dem 18. Jh. wird sie
allgemein aufgegeben und auf Ausländer beschränkt (anders z. B. in Österreich
3. 4. 1919 die L. der Familie Habsburg)..
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 410, 533, Neudruck 1964; Müller, W., Die Stadtverweisung, Diss.
jur. Leipzig 1935; Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, Diss. jur.
Jena 1938
Landfolgepflicht ist
die bereits im Frühmittelalter sichtbare Verpflichtung, bei Gefährdung der
Allgemeinheit wehrhafte Hilfe zu leisten. Mit der Entstehung des ritterlichen
Reiterheeres tritt die L. im Hochmittelalter an Bedeutung zurück, ohne ganz zu
verschwinden. In der Wehrpflicht des 18. Jh.s wird sie in veränderter Form neu
belebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Fehr, H.,
Landfolge und Gerichtsfolge im fränkischen Recht, FG R. Sohm, 1914
Landfriede ist der
von Rechtsbruch nicht gestörte Zustand (in einem Land). Seit dem 10. Jh. ist in
Südfrankreich und Spanien ([Le Puy um 975,] Charroux 989, Narbonne um 990, Le
Puy 994, Limoges 994, Poitiers 1000) das von der Kirche in Wiederholung
merowingischer und karolingischer Kapitularien und Bußbücher ausgehende Gebot
des → Gottesfriedens sichtbar. Seit dem ausgehenden 11. Jh. erscheint
der weltliche L. (z. B. Kaiser Heinrichs IV. von 1103 oder Kaiser Friedrichs I.
Barbarossa von 1152) Er sieht peinliche → Strafen für Unrechtstaten vor.
Seine Grundlage ist meist eine beschworene → Einung, in anderen Fällen
auch ein Gesetz. Wichtige Landfrieden sind der Mainzer Reichslandfriede von
1235 und der ewige L. von 1495, der die Fehde (Selbsthilfe) vollständig
verbietet. → Landfriedensbruch
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 118, 147;
Baltl/Kocher; Weiland, B., Sächsischer Landfriede aus der Zeit Friedrichs II.
und die sog. Treuga Heinrici regis, ZRG GA 8 (1887), 88; Bock, E., Der Kampf um
die Landfriedenshoheit in Westfalen, ZRG GA 48 (1928), 379; Quidde, L.,
Histoire de la Paix publique en Allemagne au moyen âge, 1929; Schnelbögl, W.,
Die innere Entwicklung der bayerischen Landfrieden des 13. Jahrhunderts, 1932;
Wohlhaupter, E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in
Spanien, 1933; Meyer, B., Der Sorge für den Landfrieden im Gebiet der werdenden
Eidgenossenschaft 1250-1350, 1935; Bader, K., Probleme des
Landfriedensschutzes, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 3
(1939), 1; Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung in Deutschland, 1952;
Partsch, G., Ein unbekannter Landfrieden aus dem 12. Jahrhundert, ZRG GA 75
(1958), 93; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss.
jur. Marburg 1958; Stein, G., Die Einungs- und Landfriedenspolitik der Mainzer
Erzbischöfe, Diss. phil. Mainz 1960; Gerlich, A., Studien zur
Landfriedenspolitik König Rudolfs von Habsburg, 1963; Angermeier, H., Königtum
und Landfriede im Spätmittelalter, 1966; Mohrmann, W., Der Landfriede im
Ostseeraum, 1972; Quellen zur Geschichte der fränkisch-bayerischen
Landfriedensorganisation, bearb. v. Pfeiffer, G., 1975; Leist, W., Landesherr
und Landfrieden in Thüringen im Spätmittelalter, 1975; Wadle, E., Der
Nürnberger Friedebrief Kaiser Friedrich Barbarossas, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 548; Stercken, M., Königtum und
Territorialgewalten, 1989; Rotthoff-Kraus, C., Die politische Rolle der
Landfriedenseinungen zwischen Maas und Rhein, 1990; Wadle, E., Gottesfrieden
und Landfriede, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63;
Wadle, E., Landfrieden, Strafe, Recht, 2001; Landfrieden, hg. v. Buschmann, A.
u. a., 2001; Graevenitz, C. v., Die Landfriedenspolitik Rudolfs von Habsburg,
2003
Landfriedensbruch ist
die Verletzung des Landfriedens. Die Folge ist eine peinliche → Strafe.
Daneben ist auch die → Acht von großer Bedeutung. Mit dem 16. Jh. macht
sich der Einfluss des römischen Rechts bemerkbar (Gail), wonach der L. die zu
gewalttätigem Zweck erfolgende Vereinigung einer Menge von 10 bis 15 Menschen
voraussetzt. Mit dem Ende des Heiligen römischen Reichs (1806) wird die
Verbindung mit dem mittelalterlichen Landfrieden schwächer. 1871 bestimmt das
deutsche Reichsstrafgesetzbuch den L. als eine Verbindung von Zusammenrottung
und Gewaltanwendung. 1970 wird die Strafbarkeit auch der bloßen Teilnahme an
einer gewalttätigen öffentlichen Zusammenrottung in der Bundesrepublik
Deutschland aufgegeben. Für Österreich vgl. § 274 StGB.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hagemann, H., Vom
Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Roth, A.,
Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kerth, J., Der landsfried ist zerbrochen,
1997
Landfriedensgericht ist
im Hochmittelalter und Spätmittelalter das für die Wahrung des →
Landfriedens vorgesehene → Gericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberhardt, H., Die
Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG GA 75 (1958),
108
Landgemeinde ist
die nichtstädtische Gemeinde. Sie entsteht im Hochmittelalter und
Spätmittelalter aus den unterschiedlichsten Ansatzpunkten (Nachbarschaft, Hofgenossenschaft,
Markgenossenschaft, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Kirche usw.). Nach der
staatlichen Verdichtung der frühen Neuzeit wird die Idee der → Selbstverwaltung
der ländlichen Gemeinde im 19. Jh. aufgegriffen und in Preußen in der
Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845 und für die sieben östlichen
Provinzen von 1891 verwirklicht (vgl. Baden Gemeindegesetz 1831, Österreich
Gemeindegesetz 1849, Bayern Gemeindeordnung 1869). Als Gebietskörperschaft
dient die L. seitdem als kleinste räumliche Einheit der (staatlichen)
Verwaltung.
Lit.: Hübner 129; Kroeschell, DRG 1; Bognetti, G., Sulle
origini dei comuni rurali del medio evo, Studi nelle scienze giuridiche e
sociali 10f. (1926f.); Quirin, K., Herrschaft und Gemeinde, 1952; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Steinbach, F., Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen,
1960; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Schwineköper, B.,
1964, 2. A. 1986; Nikolay-Panter, M., Entstehung und Entwicklung der
Landgemeinde im Trierer Raum, 1976; Bognetti, G., Studi sulle origini del
comune rurale, 1978; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996;
Landgemeinden im Übergang zum modernen Staat, hg. v. Franz, N. u. a., 1999
Landgericht ist
allgemein ein für ein → Land zuständiges → Gericht. Es erscheint
mit der Territorialisierung des Rechts im Hochmittelalter. Wesentliche
Kennzeichen könnten der Graf als Landrichter, die Zuständigkeit für
gewichtigere Streitfälle (Eigen und Erbe, Freiheit, Ungericht), die Anwendung
des Landrechts und die regelmäßige Abhaltung an (mehreren) festen
Gerichtsplätzen (Dingstätten, Schrannen) sein. Das L. ist meist nicht für den
Adel zuständig und steht unter dem landesfürstlichen → Hofgericht. Von
daher versteht sich seine Entwicklung zu einer mittleren Instanz. 1877/1879
wird das L. (1893 im Deutschen Reich 172 Landgerichte mit 2341 Richtern) zu dem
zwischen Amtsgericht und Oberlandesgericht stehenden Gericht der ordentlichen
Gerichtsbarkeit, das Eingangsgericht nur für gewichtigere Zivilsachen und
Straffälle ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115, 200, 261;
Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation
Baierns, Bd. 2 1906; Voltelini, H. v., Die Entstehung der Landgerichte im
bayerisch-österreichischen Rechtsgebiete, Archiv f. österreichische Geschichte
94 (1905), 1; Müller, H., Das kaiserliche Landgericht der vormaligen Grafschaft
Hirschberg, 1911; Kalisch, H., Die Grafschaft und das Landgericht Hirschberg,
ZRG GA 34 (1913), 141; Feine, H., Die kaiserlichen Landgerichte in Schwaben,
ZRG GA 66 (1948), 148; Hiereth, S., Die bayrische Gerichts- und
Verwaltungsorganisation, 1950; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus
Franconiae, 1956; Landwehr, G., Die althannoverschen Landgerichte, 1964;
Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1964; Peter, A., Das Landgericht
Klettgau, 1966; Düsseldorf und sein Landgericht 1820-1970, 1970; Hülle, W.,
Geschichte des höchsten Landgerichts in Oldenburg (1573-1935), 1975; Iustitia
Coloniensis, 1981; Hiereth, S., Moosburg, 1986; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und
Landgericht Konstanz, 1988; Raubold, D., Das Landgericht Hildesheim, 2003
Landgerichtsordnung ist
die für das → Landgericht verfasste Ordnung (z. B. Oberösterreich 1514,
Franken 1618).
Lit.: Bartmann,
J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der münsterischen Landgerichtsordnung
von 1571, 1908; Merzbacher, F., Ordinatio Iudicii Provincialis Franconica,
Würzburger Diözesangeschichtsbll. 32 (1970), 83
Landgraf ist seit
der ersten Hälfte des 12. Jh.s ein wohl im Zuge der allgemeinen
Territorialisierung entstehender Titel eines reichslehnbaren Amtes zur
Verwaltung und Sicherung königlicher Rechte (in einem Land). Landgrafen finden
sich in Thüringen 1131, Oberelsass 1135, Unterelsass 1138, (Leuchtenberg
1143,) Heiligenberg 1169, Burgund-Buchegg 1226, Thurgau 1227, Aargau 1232/4,
Frickgau 1234, Burgund-Neuenburg 1235, Zürichgau 1245, Hessen 1265, Hegau 1275,
Breisgau 1276, Baar 1287, Stühlingen 1296, Buchsgau 1318, Klettgau 1325, Sisgau
1354 und Leiningen 1444. Ihre Stellung endet spätestens 1806, in Hessen-Homburg
1866.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Franck, W., Die Landgrafschaften
des heiligen römischen Reichs, 1873; Doeberl, M., Die Landgrafschaft der
Leuchtenberger, 1893; Mayer, T., Über die Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen
Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Hess, W., Hessische Städtegründungen
der Landgrafen von Thüringen, 1966; Eyer, F., Die Landgrafschaft im unteren
Elsass, ZGO N. F. 78 (1969), 148
Landgrafschaft → Landgraf
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Mayer, T., Über Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen
Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Eberhardt, H., Die
Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, 75 (1958), 108; Demandt, K.,
Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981
Landgut ist im
deutschen Privatrecht des 19. Jh.s das in eine Landgüterrolle eingetragene
Anerbengut, an welchem dem Anerben bei der Erbteilung nur ein Übernahmerecht
zusteht (Brandenburg, Schlesien, Schleswig-Holstein, Regierungsbezirk Kassel
1884/1887). Es wird 1933 durch das Reichserbhofgesetz beseitigt, in Hessen 1947
(Neufassung 1970) aber wieder hergestellt.
Lit.: Enneccerus, L., Ein Höferecht für Hessen 1882;
Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 2. A. 1970; Starke, A., Die hessische
Landgüterordnung, 1995
Landhofmeister ist
eine im 15. Jh. erscheinende Fortbildung des → Hofmeisters.
Landkasse ist seit
dem Spätmittelalter die besondere, neben der landesherrlichen Finanzverwaltung
stehende landständische Finanzverwaltung. Sie wird auch Landkasten genannt. Sie
wird vom Absolutismus beseitigt.
Lit.: Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen
Territorien des Mittelalters, Diss. jur. München 1923
Landkreis ist der
untere staatliche Verwaltungsbezirk mit überörtlichen Selbstverwaltungsaufgaben.
Der L. geht auf die Bildung von kleineren Kreisen (z. B. Teltow, Barnum,
Zauche) oder größeren Kreisen (z. B. Altmark, Mittelmark, Neumark) in
Brandenburg seit dem 14. Jh. zurück. Im 16. Jh. erkennt der Landesherr
Kreisversammlungen an. Aus den Kreisdirektorien und den Kreiskommissaren
entwickelt sich der → Landrat. Zuständig sind die Kreise vor allem für
Wohlfahrtsmaßnahmen, militärische Angelegenheiten und Verkehrsbelange. Zwischen
1825 und 1828 werden Kreisordnungen für die einzelnen Provinzen Preußens erlassen.
1872 werden echte Kommunalverbände mit Selbstverwaltungsrecht geschaffen, deren
wichtigste Organe Kreistag, Kreisausschuss und Landrat sind. 1919 wird das
allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht eingeführt. Etwa zur gleichen Zeit
wird die Bezeichnung L. (für Kreis) üblich. Die Angleichung der übrigen Länder
an die Verhältnisse Preußens erfolgt vereinzelt seit dem 19. Jh., in Baden mit
der Landkreisordnung vom 24. 6. 1939, in Bayern durch die dritte Verordnung
über den Neuaufbau des Reiches vom 28. 11. 1938. Eine geplante
Reichskreisordnung kommt nicht zustande. Nach der institutionellen Sicherung
der Kreise durch Art. 28 I GG erlassen die Länder der Bundesrepublik
Deutschland eigene, die Verbindung von Staatsverwaltung und Selbstverwaltung
fortführende Landkreisordnungen.
Lit.: Constantin, O./Stein, E., Die deutschen Landkreise,
1926; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950;
Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise in der Geschichte Südwestdeutschlands,
1960; Unruh, G., Der Kreis, 1960; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der
bayerischen Landkreise, 1962; Der Kreis, 1972ff.; Vogteien, Ämter, Landkreise
in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Hundert Jahre
Kreisordnungen Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag, 1988; Der
Landkreistag Nordrhein-Westfalen 1947-1997, hg. v. Möller, F. u. a., 1997
Landlauf von Steyr ist das
frühestens am Ende des 14. Jh.s vielleicht von einem unbekannten
Gerichtsschreiber der steirischen Landschranne unter Einbeziehung einiger Sätze
des Schwabenspiegels in 252 Artikeln verfasste Rechtsbuch, das sich vor allem
mit dem Verfahren, mit den Landesdienstherren, den Bürgern, den Strafen und den
Juden befasst. In Kärnten wird hieraus im 16. Jh. das Kärntner Rechtsbuch.
Lit.: Bischoff,
E., Steiermärkisches Landrecht des Mittelalters, 1875; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965, 207; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963, 19
Landläufige kulmische Rechte sind die aus dem alten → Kulm und anderen Quellen um
die Mitte des 15. Jh.s in Danzig (?) entstandenen Rechtsaufzeichnungen.
Lit.: Litewski,
W., Landrecht des Herzogtums Preußen. Strafrecht, 1982; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 52
Landleihe ist die
zeitweise Überlassung von Land durch den Berechtigten in größerem oder
kleinerem Umfang. Hierfür gilt seit dem Mittelalter teils unterschiedlich
ausgestaltetes Leiherecht, teils Lehnrecht.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66
(1948), 1
Ländliche Rechtsquellen sind die vor allem im Spätmittelalter und in der frühen
Neuzeit sichtbaren, im nichtstädtischen Bereich geltenden örtlichen
Rechtsquellen (der bäuerlichen Belange). Hierher gehören hauptsächlich →
Weistümer, Hofrechte und Dorfrechte. Trotz der Rechtsvereinheitlichung der
frühen Neuzeit gelten sie teilweise bis in das 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Württembergische
ländliche Rechtsquellen, hg. v. Wintterlin, F. u. a., Bd. 1ff. 1910ff.; Deutsche ländliche Rechtsquellen, hg. v.
Blickle, P., 1977 (Wege der Forschung); Die ländlichen Rechtsquellen aus den
pfalz-neuburgischen Ämtern Höchstädt, Neuburg, Monheim und Reichertshofen vom
Jahre 1585, hg. v. Fried, P., 1983; Ländliche Rechtsquellen aus dem kurtrierischen
Amt Cochem, bearb. v. Krämer, C. u. a., 1986; Ländliche Rechtsquellen aus dem
Kurmainzer Rheingau, bearb. v. Jeschke, P., 2003
Landnahme ist die
junge geschichtswissenschaftliche Bezeichnung für das Eindringen germanischer
Stämme in fremde Siedlungsgebiete in der Völkerwanderungszeit (375-568).
Lit.: Meyer, H.,
Die fränkische Landnahme und das Rheinland, 1936; Petri, L., Zum Stand der
Diskussion über die fränkische Landnahme, 1954; Ausgewählte Probleme
europäischer Landnahmen, hg. v. Müller-Wille, M. u. a., 1993f.
Landpacht → Pacht
Landrat ist in den
meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland der Hauptverwaltungsbeamte der
Gebietskörperschaft Kreis bzw. Landkreis und Leiter der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde.
Er entwickelt sich in der Mark Brandenburg im 16. Jh. wohl aus dem vom
Landesherrn auf Vorschlag der Landstände ernannten Kreiskommissar. Jedenfalls
erhalten am 27. 9. 1702 alle märkischen Kreiskommissare den Titel L. Im 18. Jh.
wird das Amt auf Preußen insgesamt ausgedehnt. 1825 werden seine Befugnisse
zugunsten des Kreistags eingeschränkt, 1872 zugunsten des Kreisausschusses,
dessen Vorsitzender der L. ist. Die übrigen deutschen Länder gleichen sich dem
an. Vielfach ist der L. Volljurist.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Gelpke, F., Die geschichtliche
Entwicklung des Landratsamts, 1902; Lammermann, G., Die Entwicklung der
rechtlichen Stellung des preußischen Landrats, Diss. jur. Göttingen 1939;
Unruh, G. v., Der Landrat, 1966; Eifert, C., Paternalismus und Politik, 2003;
Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004
Landrecht ist
vom Hochmittelalter bis in die frühe Neuzeit das für die Bewohner eines →
Landes des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) geltende allgemeine →
Recht im Gegensatz vor allem zum Stadtrecht oder zum Lehnsrecht. Seit der Mitte
des 11. Jh.s lassen die lateinischen Quellen deutliche territoriale Bezüge
erkennen (z. B. [lat.] provinciae mos [M.], ius [N.] terrae, regionis
consuetudo [F.]). Im Jahre 1200 stellt eine Urkunde mhd. lantreht und (lat.)
statuta [N.Pl.] civitatis (Statuten der Stadt) gegenüber. Der das L. vielleicht
nach römisch-kanonischem Vorbild anfänglich lateinisch aufzeichnende →
Sachsenspiegel → Eike von Repgows (1221-1224) unterscheidet das (mnd.)
landreht ausdrücklich vom Lehnsrecht, von des mannes reht, von dem geistlichen
Recht, vom Dorfrecht und wohl selbstverständlich auch vom → Stadtrecht.
Hauptquelle des Landrechts ist das gewohnheitsrechtlich fortgebildete →
Volksrecht, doch werden auch gesetzliche oder vertragliche Regelungen
einbezogen. Die Aufzeichnung erfolgt seit dem 13. Jh. in zunehmender Dichte
(Österreich 1237 usw.). Zur gleichen Zeit ist auch bereits gesetzlicher Erlass
von L. möglich (z. B. Kulmer Handfeste 1233). Weitere bedeutsame Landrechte
sind das etwa 1335 entstandene, 1346 vermehrte oberbayerische Landrecht, das
schlesische Landrecht (1356), das Würzburger Landrecht (1435) oder das
dithmarsche L. (1447). In der frühen Neuzeit wird das L. unter dem Einfluss des
römischen Rechts verschiedentlich reformiert (Bayern 1518, [Brandenburg 1527,]
Kurköln 1538, Württemberg 1555, Solms 1571, [Kursachsen 1572,] Siebenbürgen
1583, Herzogtum Preußen 1620). Hier sind Privatrecht, Gerichtsverfassung,
Zivilprozess und Strafrecht erfasst. Mit dem preußischen Allgemeinen Landrecht
und dem Badischen Landrecht als naturrechtlichen Kodifikationen klingen die
Landrechte 1794 bzw. 1809 (auch) dem Namen nach aus. Daneben ist L. auch das
Landgericht.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 102; Baltl/Kocher; Böhlau, H., Mecklenburgisches
Landrecht, Bd. 1 1871; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen
Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1 (zum Rheingauer Landrecht); Meyer, H., Das
sogenannte Rheingauer Landrecht, ZRG GA 24 (1903), 309; Quellen zur neueren
Privatrechtsgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Halbbd. 2 Landrechte des 16.
Jahrhunderts, eingel. v. Kunkel, W., 1938; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5.
A. 1965; Carlen, L., Das Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Dirks,
M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Das bayerische Landrecht von
1616, hg. v. Günther, H., 1969; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen
von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen
Mittelalter, 1969; Friedrich Esaias Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen
Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Köbler, G., Land und Landrecht im
Mittelalter, ZRG 86 (1969), 1ff.; Floßmann, U., Landrecht als Verfassung, 1976;
Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1982ff.;
Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/59, ZRG GA 110 (1993), 482;
Löw, I., Die Eiderstedter Landrechte von 1426 bis 1591, 2003; Zimmer, K., Das
Burger Landrecht, 2003
Landrechtsbuch → Landrecht
Landrechtsglosse →
Sachsenspiegel, Glosse
Landrechtsreformation → Landrecht, Reformation
Landrichter ist der
für ein → Land zuständige → Richter (1186 lat. iudex [M.] provinciae).
Das ist zunächst ein königlicher Amtsträger, danach der Landesherr, seit dem
13./14. Jh. der landesherrliche Richter im → Landgericht und seit
1877/1879 (umgangssprachlich) der Richter am Landgericht.
Lit.: Döhring,
H., Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, 1953; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 104
Landsasse ist im
Sachsenspiegel (1221/4) der untere Freie (ohne Grundeigentum). In der frühen
Neuzeit ist L. der über dem einfachen Freien stehende, meist den Landständen
angehörende Untertan.
Lit.: Hagemann,
A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111, 147; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landsässiger Adel ist
in der frühen Neuzeit der ein Haus mit mindestens einer Grundherrschaft
besitzende, grundsätzlich im Landtag sitzende und damit über Landstandschaft
verfügende, aber auch der Landesherrschaft unterworfene Adel in einem Land. →
Landsasse
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Lieberich, H.,
Landherren und Landleute, 1964
Landschädliche Leute (lat.
nocivi [M.Pl.] terrae) sind im Spätmittelalter die für den Landfrieden
gefährlichen Menschen. Sie können von Amts wegen auch ohne handhafte Tat
festgenommen werden. Gegen sie kann ohne Weiteres öffentliche Klage erhoben
werden. Gegen sie kann ein summarisches Verfahren stattfinden. Seit dem
Spätmittelalter genügt zu ihrer Überführung der Nachweis ihrer Schädlichkeit
bzw. Gefährlichkeit.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 207; Zallinger, O. v., Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute,
1895; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute in Süddeutschland, 1910;
Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68
(1951), 234; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958
Landschaft ist
allgemein eine als Einheit verstandene Gegend und im besonderen ein in einer
solchen Einheit seit dem Spätmittelalter gebildeter Zusammenschluss
bestimmter (ständischer) Personen und das von ihnen im 19. Jh. geschaffene
genossenschaftlich organisierte Grundstückskreditinstitut.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. Escher, J. u.
a., Bd. 1ff. 1888ff; Berghaus, W., Verfassungsgeschichte der ostfriesischen
Landschaft, 1956; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich
badischen Gebiete, 1970; Blickle, Peter, Landschaften im alten Reich, 1973;
Engelberg, G., Ständerechte und Verfassungsstaat, 1979; Kofler, W., Land,
Landschaft, Landtag, 1985; Sonnabend, H., Mensch und Landschaft, 1998; Deter,
G., Die landschaftsbezogene Rechtsgemeinschaft, ZRG GA 123 (2006), 358
Landschaftsrecht ist
das Recht einer skandinavischen Landschaft (z. B. Västergötland um 1220/1240).
→ nordisches Recht, → Schweden
Lit.: Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988
Landschenkung ist
die unentgeltliche Übereignung mindestens eines Grundstücks, im weiteren Sinn
auch die Überlassung mindestens eines Grundstücks zur Nutzung. In welchem
Umfang in germanischer Zeit eine derartige L. (Landgabe) besteht, lassen die
Quellen nicht sicher erkennen, wenn sie auch (lat.) servi (M.Pl.) in der Art
römischer (lat.) coloni (M.Pl.) bezeugen. Im Frühmittelalter geben die durch
Einziehung der römischen Staatsgüter reich gewordenen Könige Land an Adel und
Kirche in teils lehnsrechtlicher, teils anderer Form. Auch Adel und Freie
begaben (beschenken) die Kirche in erheblichem Umfang zu verschiedenem Recht.
Lit.: Brunner,
H., Die Landschenkungen der Merowinger und Agilolfinger, SB. d. Akad. d. Wiss.
Berlin 1885, Bd. 2 1173; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Gladiß,
D. v., Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen, DA 1 (1937), 80;
Hattenhauer, H., Die Entdeckung der Verfügungsmacht, 1969; Dorn, F., Die
Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991
Landsgemeinde ist
die förmliche Versammlung der schweizerischen Gemeinwesen. Sie wird in ersten
Anfängen 1231 in Uri, 1294 in Schwyz und 1309 in Unterwalden sichtbar. Sie ist
oberste gesetzgebende, vollziehende und gerichtliche Gewalt.
Teilnahmepflichtig ist grundsätzlich der mit 14 oder 16 Jahren erwachsene Mann.
Zeitweise bestehen 80 Landsgemeinden, Ihre Zahl schrumpft bis 1997 auf vier
(Appenzell-Innerrhoden, Appenzell-Außerrhoden, Glarus, Obwalden) und bis 2007
auf zwei (Appenzell- Innerrhoden, Glarus).
Lit.: Ryffel,
H., Die schweizerischen Landsgemeinden, 1903; Kellenberg, M., Die
Landsgemeinden der schweizerischen Kantone, Diss. jur. Zürich 1965; Carlen, L.,
Die Landsgemeinde der Schweiz, 1976; Mockli, G., Die schweizerischen
Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Brändle, F., Demokratie und Charisma – Fünf
Landsgemeindekonflikte, 2005; Helg, F., Die schweizerischen Landsgemeinden,
2007
Landsiedelrecht ist
eine seit dem 13. Jh. vor allem in Hessen gebräuchliche, vielleicht aus dem
römisch-italienischen Recht stammende Form der nicht erblichen bäuerlichen
Leihe, die seit dem 16. Jh. erblich wird.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Thieme, H., Zum hessischen Landsiedelrecht, FS A. Schultze, 1934, 207;
Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Geschichte, N.F. 30
(1967/8), 1f., 28ff; Franz, E., Grangien und Landsiedel, FS G. Franz, 1967
Landshut ist die
1204 von Herzog Ludwig dem Kelheimer am Fuß des Hofbergs in den Auenwäldern der
Isar gegründete Stadt, die zeitweise Sitz eines bayerischen Teilfürstentums ist
und von 1800 bis 1826 die (1459/1472) in Ingolstadt gegründete, 1826 nach
München verlegte Universität beherbergt.
Lit.: Becher, H., Landshut, 1978; Strasser, S., Die
Geschichte der juristischen Fakultät der Universität Landshut (1800-1826),
2001; Tausche, G./Ebermeier, W., Geschichte Landshuts, 2003; Die älteste
Landshuter Universitätsbeschreibung von Franz Dionys Reithofer (1811), hg. v.
Böhm, L, 2003; Von der Donau an die Isar, hg. v. Böhm, L. u. a., 2003
Landsknecht ist
seit dem ausgehenden 15. Jh. der Söldner zu Fuß (aus kaiserlichen Landen?), der
in der Mitte des 17. Jh.s dem staatlich gebundenen Söldner weicht.
Lit.: Franz, G.,
Ursprung und Brauchtum der Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das
Regiment der Landsknechte, (Diss. phil. Frankfurt am Main) 1976; Kurzmann, G.,
Maximilian I. und das Kriegswesen, Diss. phil. Graz 1983; Baumann, R., Die
Landsknechte, 1994; Rogg, M., Landsknechte und Reisläufer, 2002
Landstadt ist die
unter der Herrschaft eines Landesherrn stehende Stadt. Die L. gehört den
Landständen an. In den meisten Landstädten nimmt der Landesherr die
Gesetzgebung ganz oder teilweise, die Verwaltung weitgehend und die Gerichtsbarkeit
in der Form der Einfügung in den Instanzenzug in Anspruch. In der frühen
Neuzeit wird die L. auf diese Weise mehr und mehr eine staatliche Einrichtung.
Im 19. Jh. wird demgegenüber die → Selbstverwaltung wieder belebt
(Preußen 1808).
Lit.: Lorenz,
O., Über den Unterschied zwischen Reichsstädten und Landstädten, SB. d. Akad.
d. Wiss. Wien 89 (1878), 17; Haberer, G., Verwaltungsvorschriften in den
älteren Rechten südhessischer Landstädte, Diss. jur. Frankfurt 1981;
Landesherrliche Städte im Südwesten, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Vetter,
K., Zwischen Dorf und Stadt, 1996
Landstand ist seit
dem Hochmittelalter (z. B. 1231) die Gesamtheit der Angehörigen oder Vertreter
gewisser Bevölkerungsgruppen, die im Sinne eines Dualismus zusammen mit dem
Landesherrn die Herrschaft über ein Land ausüben. Die Landstände entwickeln
sich aus den Besseren und Größeren des Landes (lat. meliores [M.Pl.] et maiores
terrae), die in wichtigen Angelegenheiten (z. B. Kriegserklärung, Gebietsveräußerung,
Steuerbewilligung) mitwirken müssen. Zu ihnen gehören vor allem weltliche
Adlige (Ritter), geistliche Adlige (Prälaten) und meist Städte (unter Vogtei
des Landesherrn) sowie verschiedentlich auch (freie) Bauern (z. B. Tirol 1408,
Vorarlberg, 1473 zeitweise Salzburg, Vorarlberg 1504). Sie beraten auf dem →
Landtag. In der frühen Neuzeit verlieren sie fast überall (anders z. B.
Württemberg) ihre Mitwirkungsrechte an den Landesherrn, der den Adel mit der
Überlassung der patrimonialen Herrschaft über das Land, mit Offiziersstellen
und höheren Beamtenstellen abfindet. Im 19. Jh. setzen sich die L. teilweise in
einer ersten Kammer der konstitutionellen Monarchie fort (landständische
Verfassung). 1918 verlieren sie ihre zunächst noch verbliebenen Rechte
gänzlich, doch verbleiben gewisse Fernwirkungen bis zum Ende des 20.
Jahrhunderts (z. B. im Senat als zweiter Kammer Bayerns)..
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 111, 121, 149,
193; Baltl/Kocher; Mell, R., Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im
Erzbistum Salzburg, 1903; Spangenberg, H., Vom Lehnstaat zum Ständestaat, 1912;
Croon, G., Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer, 1912; Krause,
H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Brunner, A., Die
Vorarlberger Landstände, 1929; Hermann, F., Die Aufhebung der Verfassung der
hessen-darmstädtischen Landstände, 1933; Croon, H., Die kurmärkischen
Landstände, 1938; Jappe Alberts, W., De staten van Gelre en Zutphen, 1950ff.;
Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Kuhna, R., Die
ständische Verfassung in den westfälischen Landesteilen Preußens und im
Fürstbistum Münster 1780-1806, 1964; Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und
Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Reden-Dohna, A. v., Landständische
Verfassung und fürstliches Regiment, 1974; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5.
A. 1965; Schubert, E., Die Landstände des Hochstifts Würzburg, 1967; Brandt,
H., Landständische Repräsentation im Vormärz, 1968; Lücke, J., Die
landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Ständische
Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969;
Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Reichsstände und
Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum
souveränen Staat, 1976; Putschögl, G., Die landständische Behördenorganisation
in Österreich ob der Enns, 1977; Wunder, B., Landstände und Rechtsstaat, ZHF 5
(1978), 139; Quarthal, F., Landstände und landständisches Steuerwesen in
Schwäbisch-Österreich, 1980; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980;
Walz, R., Stände und frühmoderner Staat 1982; Fürbringer, C., Necessitas und
libertas, 1985; Stollberg-Rilinger, B., Vormünder des Volkes?, 1999;
Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg. v. Blickle, P., 2000;
Landstände in Thüringen, hg. v. Thüringer Landtag, 2008
landständisch (Adj.), Landstände betreffend (z. B. Art. 13 DBA findet eine landständische
Verfassung statt, str. ob materielle herkömmliche Verfaassung gemeint oder
formelle [konstitutionelle] Verfassung)
Landstandschaft, F., Zugehörigkeit zu einem Landstand mit Sitz und
Stimme im Landtag
Landsturm ist in der frühen Neuzeit (Preußen 1813) das durch alle nicht beim Heer oder der Landwehr stehenden männlichen Staatsbürger zwischen 15 und 60 Jahren gebildete Aufgebot zur Landesverteidigung.
Lit.: Franke, A., Das Landsturm-Edikt
vom 21. 4. 1813, Diss. phil. Breslau 1923
Landtafel ist seit
dem Spätmittelalter ein Verzeichnis von Urkundeninhalten über (landständische)
Grundstücke. Im 13. Jh. findet sich eine L. in Böhmen, 1348 in Mähren, am Ende
des 14. Jh.s. in Jägerndorf, 1730 in der Steiermark, 1746 in Kärnten, 1754 in
Oberösterreich, 1758 in Niederösterreich und 1769/1783 im Breisgau. Die L. ist
vielleicht vom Grundbuchgedanken beeinflusst. Eine übersichtliche Darlegung der
rechtlichen Verhältnisse an einem Grundstück sichert sie nicht. Für das
Grundbuchwesen des 19. Jh.s ist sie dennoch ein bedeutsamer Anknüpfungspunkt.
Daneben kann L. auch eine Landesordnung (Oberösterreich 1616, 1652) oder eine
Bilddokumentation (Salzburg 1592, 1620, 1706, 1739) sein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 142; Baltl/Kocher;
Demelius, H., Die breisgauische Landtafel 1783, ZRG GA 74 (1957), 261; Strätz,
H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Zaisberger, F., Die Salzburger
Landtafeln, 1990
Landtag ist seit
dem späten Hochmittelalter die im Absolutismus an Bedeutung verlierende
Versammlung (der Stände) eines Landes an einem bestimmten Tag, seit dem 19. Jh.
die (zunehemnd demokratischer) gewählte Volksvertretung eines Landes.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111; Croon, G., Der
rheinische Provinziallandtag, 1918; Hugelmann, K., Die österreichischen
Landtage im Jahre 1848, Archiv f. österreich. G. 111 (1939), 114 (1938), 115
(1943); Franz, E., Bayerische Verfassungskämpfe, 1926; Vries, R. de, Die
Landtage des Stiftes Essen, 1934; Grube, W., Der Stuttgarter Landtag 1457-1957,
1957; Sapper, N., Die
schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Franz, G., Die
Bauern in den Landtagen des 19. Jahrhunderts, FS K. Bosl, 1974, 28; Ehrle, P.,
Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Press, V., Landtag im alten Reich,
Z. f. württemberg. LG. 39 (1986), 100; Schober, R., Geschichte des Tiroler
Landtags, 1984; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Lange, U., Landtag
und Ausschuss, 1986; Köck, P., Der bayerische Landtag 1946 bis 1986, 1988; Der
bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Hildebrandt, T., Die
brandenburgischen Provinziallandtage von 1841, 1843 und 1845, 2002; Gerhardt,
J., Der erste vereinigte Landtag in Preußen, 2007
Landvogt ist seit
dem späten 13. Jh. ein vom König zur Verwaltung gefährdeten Reichsgutes
eingesetzter Vogt (in Oberschwaben, Niederschwaben, Oberelsass, Niederelsass,
der Ortenau, der Wetterau, dem Speyergau, Nürnberg, Rothenburg und der
Schweizer Waldstätte). Im 14. Jh. stellt auch Brandenburg Landvögte ein, im
19. Jh. Württemberg (1810-1817). Danach verschwindet der L.
Lit.: Niese, H., Prokurationen und Landvogteien, 1904;
Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die
schwäbischen Reichslandvogteien, 1980
Landvogtei → Landvogt
Landwehr ist seit
dem Hochmittelalter eine Gesamtheit von Erdwällen mit Gräben zur Verteidigung
eines Landes oder kleineren Gebietes und auch diezeitweise zur Landesverteidigung
verpflichtete Bevölkerung (z. B. Österreich 1808-1852. 1869).
Lit.: Pelissier, E., Die Landwehr, (in) Rund um Frankfurt,
hg. v. Bingemar, H., 1924, 145; 800 Jahre Lemgo, hg. v. Johanek, P. u. a., 1990
Landwirtschaft ist
die Nutzung von Grundstücken zur Erzeugung pflanzlicher und tierischer
Rohstoffe. Seit der Sesshaftwerdung sind die Menschen hauptsächlich in Ackerbau
und Viehzucht tätig (→ Agrarverfassung). Im Altertum zeigt sich mit der
Entwicklung von Stadtstaaten eine beachtliche wirtschaftliche Differenzierung.
Sie findet sich auch in der → Grundherrschaft und in der Stadtwirtschaft.
Am Ende der frühen Neuzeit wird die L. (der → Bauern) trotz stark
wachsender Erzeugung stark von der Industrie zurückgedrängt, während des 20.
Jh.s auch von den Dienstleistungsberufen, so dass schon 1975 in der
Bundesrepublik Deutschland nur noch 1,5 Millionen Menschen in der L. tätig
sind. Seitdem ist ihre Zahl nochmals erheblich gesunken.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 77, 96, 133, 174,
224, 250, 252; Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss.
phil. Berlin 1933; Sering, M., Deutsche Agrarpolitik, 1934; Abel, W.,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1935, 2. A. 1966; Below, G. v.,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1937, 2. A. (Neudruck) 1966; Lütge,
F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937,
2. A. (Neudruck) 1963; Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 1963, 2. A. 1966;
Cherubini, G., Agricoltura, 1972; Steitz, W., Die Realbesteuerung der
Landwirtschaft, 1976; Kroeschell, K., Deutsches Agrarrecht, 1983; Henning, F.,
Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft, Bd. 1 4. A. 1985, Bd. 2 1978;
Astill, G./Grant, A., The Countryside of medieval England, 1988; Hauschildt,
H., Zur Geschichte der Landwirtschaft im alten Land, 1988; Heß, K., Junker und
bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Achilles, W.,
Landwirtschaft in der frühen Neuzeit, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, 1992;
Scheidel, W., Grundpacht und Lohnarbeit, 1994; Agriculture in the Middle Ages,
hg. v. Sweeney, D., 1995; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998;
Noel, G., Le Conseil de l’Europe et l’agriculture, 1999; Howkins, A., The Death
of Rural England, 2003; Agrarstatistik der Provinz Westfalen 1750-1880, hg. v.
Nitsch, M. u. a., 2009
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft ist die zwangsweise eingerichtete Genossenschaft in der
verstaatlichten Landwirtschaft der → Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Landwirtschaftsrecht ist
das seit dem 19. Jh. allmählich als Einheit erkennbare Recht der
Landwirtschaft.
Lit.: Köbler, DRG 205; Kroeschell, K.,
Deutsches Agrarrecht, 1983; Südel, I., Das landwirtschaftliche Erbrecht, 2007
Landzwang ist seit
dem Spätmittelalter die von der Lebensführung landschädlicher Leute ausgehende
Gefährdung, der im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 die §§ 240, 126
entsprechen.
Lit.: John, R., Über Landzwang, 1852;
His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 216
Lanfrancus (Pavia
1005?-Canterbury 24./28. 5. 1089?), Adligensohn, wird nach dem Studium der
(lat.) artes (F.Pl.) liberales Kenner des Rechtes, 1039 Lehrer in Avranches,
1042 Mönch und 1045 Prior in Bec sowie 1070 Erzbischof von Canterbury. Durch
Urkundenfälschungen erreicht der gesuchte Gelehrte und führende Theologe den
Vorrang des Erzbistums Canterbury in England.
Lit.: Montclos, J. de, Lanfranc et
Bérenger, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Lang, Karl Heinrich
Ritter von (Balgheim 7. 7. 1764-Ansbach 26. 3. 1835), Pfarrerssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Altdorf (Malblanc) 1789 Sekretär, 1795 Archivar und 1799
ansbachischer, dann bayerischer Rat, Archivar und Kreisdirektor. Er verfasst
eine Reihe rechtsgeschichtlicher Arbeiten (z. B. Historische Entwicklung der
deutschen Steuerverfassung, 1793, Neudruck 1966).
Lit.: Raumer, K. v., Der Ritter von Lang
und seine Memoiren, 1923
Langdell,
Christopher Columbus (1826-1906), 1870-1895 Professor an der Harvard University,
lehrt das amerikanische Recht nach der sokratischen Lehrmethode (im Recht),
nach der an Hand ausgewählter Entscheidungen induktiv Grundsätze ermittelt
werden, die ihrerseits deduktiv der Lösung neuer Fälle dienen.
Lit.: Gilmore, G., Ages of American Law, 1977
Langobarde ist der
Angehörige des germanischen Volk, das von Norddeutschland nach Italien zieht
(568) und große Teile Oberitaliens und Mittelitaliens beherrscht. 774 unterliegen
die Langobarden, von denen 46 Königsurkunden, knapp 40 Herzogsurkunden
Spoletos und insgesamt knapp 350 langobardische (lat. [F. Pl.] chartae zwischen
dem Ende des 7. Jh.s (um 650, 685, häufiger erst ab 740) und der Eroberung
Pavias durch den fränkischen König Karl (den Großen) im Jahre 774 (rund 270 aus
dem langobardischen Reich [139 aus Lucca], 63 aus dem Herzogtum Spoleto, 11 aus
dem Herzogtum Benevent) als kleiner Rest des ursprünglich wohl vorhandenen
größeren Bestands erhalten sind, Karl dem Großen. Selbständig bleibt der Dukat
Benevent. Mit dem 12. Jh. werden die Langobarden aufgesogen. An sie erinnert
noch die Lombardei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67; Pflugk-Hartung, J.
v., Die Thronfolge im Langobardenreiche, ZRG GA 8 (1887), 66; Bruckner, W., Die
Sprache der Langobarden, 1895; Kjer, C., Overretssagfører, 1898, 1900; Morossi,
C., L’assemblea nazionale del regno Langobardo-Italico, Rivista di storia del
diritto Italiano 9 (1936), 3; Bognetti, G., L’Età longobarda, Bd. 1ff. 1966ff.;
Winterer, H., Die Stellung des unehelichen Kindes in der langobardischen
Gesetzgebung, ZRG GA 87 (1970), 32; Cavanna, A., Fara sala arimannia nella
storia di un vico longobardo, 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Schneider,
R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Jarnut, J., Geschichte der
Langobarden, 1982; Scardigli, P., Goti e Longobardi, 1987; Langobardia, 1990;
Francovich Onesti, N., Vestigia longobarde in Italia (568-774), 1999; Visigoti
e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Il regno dei Longobardi in Italia,
hg. v. Gasparri, S., 2004; Die Langobarden, hg. v. Pohl, W. u. a., 2005;
Priester, K., Geschichte der Langobarden, Sonderausgabe 2008; Die Langobarden,
hg. v. Landschaftsverband Rheinland u. a., 2008
Langobardisches Recht
ist das Recht der Langobarden. Nach älteren Gewohnheiten (gawarfide) wird am
22. 11. 643 das Edikt (lat. edictus [M.])
Rotharis angenommen, das spätere Könige vielfach ergänzen. In Pavia wird dieses
Recht vielleicht ständig gepflegt. Möglicherweise um 1054 entsteht dort die
hierauf beruhende Sammlung (lat.) Liber (M.) Papiensis, die Lehnrecht
einschließt. Hierzu bildet sich wenig später eine (lat.) Expositio (F.) mit
erläuternden Abhandlungen zu einzelnen Bestimmungen und eine (lat.) →
Lombarda (F.) genannte Systematisierung, die im 13. Jh. von Karolus de Tocco in
Süditalien kommentiert wird. Das langobardische Lehnrecht wird in den (lat.)
Libri (M.Pl.) feudorum zusammengefasst und später den Novellen (Justinians)
angefügt.
Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand
und Albertus, 1855; Neumeyer, K., Notizen zur Literaturgeschichte des
longobardischen Rechts, ZRG GA 20 (1899), 249; Lehmann, K., Handschriften des
langobardischen Lehnrechts, ZRG GA 21 (1900), 232; Seckel, E., Quellenfunde zum
lombardischen Lehenrecht, FS Otto Gierke, 1910; Mayer, E., Asto animo, ZRG GA
38 (1917), 300; Codice diplomatico Longodardo, hg. v. Schiaparelli, L. u. a.
1928ff. (2003 abgeschlossen); Schupp, A., Die Stellung der Frau im
langobardischen Recht, Diss. jur. Bonn 1952; Buchner, R., Die Rechtsquellen,
1953; Die Gesetze der Langobarden, hg. v. Beyerle, F., 2. A. 1962; Löfstedt,
B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Vaccari, P.,
Diritto langobardo, (in) Ius Romanum medii aevi, I 4b ee, 1964; Dilcher, G.,
Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl. C., Studien zu den
langobardischen Königsurkunden, 1978; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Löfstedt, B., Ein textkritisches Problem in den langobardischen Gesetzen, ZRG
GA 93 (1976(, 319; Rivers, T., Symbola, manumissio et libertas Langobardorum,
ZRG GA 95 (1978), 57; Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978; Origo
gentis Langobardorum, hg. v. Bracciotti, A., 1998; Giese, W., Untersuchungen
zur Herrschaftsnachfolge in langobardischen Herzog- und Fürstentümern, ZRG 119
(2002), 44; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003),
387; Priester, K., Die Geschichte der Langobarden, 2004
Languedoc (aus
langue d’oc [Sprache des ja]) ist ein westlich der unteren Rhone gelegenes Gebiet, das
um 415 n. Chr. an die Westgoten, danach an die Franken fällt. Es bildet im
Hochmittelalter die Grafschaft Toulouse.
Lanze ist eine
(Stichwaffe und) Wurfwaffe, die auch rechtssymbolisch verwendet werden kann. Zu
den Reichskleinodien des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) zählt die
heilige Lanze (von Burgund).
Lit.: Boeheim, W., Handbuch der Waffenkunde, 1890;
Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und
Kleinodien, 1954; Wegener, W., Die Lanze des heiligen Wenzel, ZRG GA 72 (1955),
56; Rexroth, K., Die Herkunft der heiligen Lanze, (in) Nationes, Bd. 3 1977
Lappe ist der
Angehörige eines nichtindogermanischen, in der Gegenwart über die Nordgebiete
Norwegens, Schwedens, Finnlands und Westrussland verteilten Volkes.
Lit.: Solem, E., Lappiske Rettsstudier, 1933
Larenz, Karl (Wesel
23. 4. 1903-München 24. 1. 1993) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kiel
(1933) und München (1960). Anfangs idealistisch dem Nationalsozialismus
zugetan, entwickelt sich Larenz zu einem führenden Privatrechtslehrer der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 495;
Frassek, R., Von der „völkischen Lebensordnung“ zum Recht, 1996; Frassek, R.,
Karl Larenz, JuS 1998, 296; Hartmann, F., Das methodologische Denken bei Karl
Larenz, 2001
Lasker, Eduard (Jarotschin 14. 10. 1829-New York 5. 1. 1884) ist nach dem Rechtsstudium in Breslau und Berlin
der Jurist und Publizist, der als nationalliberaler Abgeordneter des deutschen
Reichstages dem Reich die Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht
eröffnet.
Lit.: Köbler, DRG 183; Laufs, A., Eduard Lasker, 1984;
Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 249;
Schuder, R., Der Fremdling im Osten, 2008
Laski, Jan
(1455-1531), 1480 Notar, 1503 Großkanzler in Polen, veröffentlicht 1506 eine
Sammlung der Gesetze des Königreichs Polen.
Lit.: Kaczmarczyk, Z., O kancler zu Jan Laski, 1955
Lassalle, Ferdinand
(Breslau 11. 4. 1825-Genf 31. 8. 1864 nach Duell wegen Beleidigung), Sohn eines
jüdischen Seidenhändlers einer Familie aus Loslau, wird nach dem Studium von
Philosophie, Philologie und Geschichte in Breslau und Berlin (1842-46)
Revolutionär und theoretischer Arbeiterführer (1863 Allgemeiner Deutscher
Arbeiterverein, Vorläufer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands).
Lit.: Köbler, DRG 177; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 1953;
Ramm, T., Ferdinand Lassalle (1825-1864), (in) Nova, F., Lassalle als
sozialistischer Theoretiker, 1980; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 117; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 2004
Lassite ist in der
frühen Neuzeit ein freier, abgabenpflichtiger, grundherrlicher Bauer mit
erblichem Nutzungsrecht.
Lit.: Hübner § 45; Schultze, J., Die
Mark Brandenburg, Bd. 5 1969, 156
Lassberg, Friedrich
von (Lindau 13. 5. 1798-Sigmaringen 30. 6. 1838), Freiherrnsohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg und Jena Verwaltungsbeamter. 1840 veröffentlicht er
posthum den sog. ®
Schwabenspiegel nach einer unvollständigen Handschrift aus der Burg der Rucken
von Tanneck zu Weinfelden im Thurgau und zu dem restlichen Drittel nach einer
Züricher Handschrift.
Lit.: Der Schwabenspiegel, hg. v. Lassberg, F. Frhr. v.,
1840, Neudruck 1916; Stutz, U., Freiherr Joseph von Laßberg, Jacob Grimm und
das deutsche Recht, ZRG GA 52 (1932), 338; Bader, K. u. a., Joseph von
Lassberg, 1955
Lastenausgleich ist
ein allgemeiner Ausgleich der Schäden oder Verluste, die sich infolge der
Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegszeit und Nachkriegszeit des zweiten
Weltkrieges ergeben haben oder in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands
oder im sowjetischen Sektor in Berlin entstanden sind (z. B. durch Kriegsschadenrente,
Eingliederungsdarlehen oder Hausratentschädigung, Gesetz vom 14. 8. 1952,
weitgehend durch Abgaben erwirtschaftete Leistungen in Höhe von 126 Mrd. DM
bis 1998, insgesamt - teils quotal, teils sozial ausgerichtet - 143 Mrd. DM bis
2001). Vorläufer des Lastenausgleichs finden sich im Allgemeinen Landrecht
Preußens von 1794, im Kriegsdienstleistungsgesetz von 1873, im
Kriegsschädenschlussgesetz von 1928 und der Kriegssachschädenverordnung von
1940.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Müller, C.,
Praxis und Probleme des Lastenausgleichs, 1997; Gallenkamp, G., Der
Lastenausgleich, NJW 1999, 2486; Oldenhage, K., Lastenausgleich (1948-1900),
2002; Wenzel, R., Die große Verschiebung?, 2008
Lasterstein ist ein
spätmittelalterliches Strafwerkzeug für Ehrenstrafen.
Lit.: Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 315
Late ist in Sachsen
im Hochmittelalter wohl der Freigelassene.
Lit.: Hübner 356; Lütge, F., Deutsche
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1952, 97
Lateinisch ist die Sprache
der aus Sabinern und Latinern zusammengesetzten Römer. Das Lateinische wird vom
westlichen Christentum übernommen. Es ist die Schreibsprache bis ins
Hochmittelalter und die Wissenschaftssprache bis ins 19. Jh. Im 18. Jh.
ersetzen deutsche Vorlesungen, im 19. Jh. deutsche Vorlesungsverzeichnisse
ihre lateinischen Vorgänger. Am Ende des 20. Jh.s wird fast durchwegs auf
Latein als Studienvoraussetzung für Juristen verzichtet.
Lit.: Köbler, DRG 10, 80, 102, 105; Köbler, LAW; Kalb, W.,
Das Juristenlatein, 2. A. 1888; Thesaurus linguae latinae, Bd. 1ff (1998 bis
perm..); Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze,
1961; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem im hohen Mittelalter, ZRG GA 81
(1964), 341; Langosch, K., Die deutsche Literatur des lateinischen
Mittelalters, 4. A. 1983; Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden des
13. Jahrhunderts, 1975; Pick, E., Aufklärung und Erneuerung des juristischen
Studiums, 1983; Vossen, L., Mutter Latein und ihre Töchter, 13. A. 1992; Stotz,
P., Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, Bd. 1ff. 1996ff.;
Einleitung in die lateinische Philologie, hg. v. Graf, F., 1997; Benke, N.,
Juristenlatein, 1997; Latein für Jurastudenten, von einem römischen Bürger
(Adomeit, K.), 1997; Einleitung in die lateinische Philologie, hg. v. Graf, F.,
1997; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Riemer, P. u. a.,
Einführung in das Studium der Latinistik, 1998; Kindermann, U., Einführung in
die lateinische Literatur des mittelalterlichen Europa, 1998; La transizione
dal latino alle lingue romanze, hg. v. Herman, J., 1998; Götz, H.,
Lateinisch-althochdeutsch-neuhochdeutsches Wörterbuch, 1999; Fuhrmann, M.,
Latein und Europa, 2001; Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. 1
hg. v. Suerbaum, W., 2002; Lateinische Lehrer Europas, hg. v. Ax, W., 2005;
Mader, M., Lateinische Wortkunde, 3. A. 2005; Stroh, W., Latein ist tot, es
lebe Latein, 2007; Vitali, D., Mit dem Latein am Ende?, 2007
Lateran ist der
Sitz des Papstes in Rom seit der sog. → konstantinischen Schenkung
(326-1308, 1586ff. Sommerresidenz). Der L. gehört zu der 1929 gebildeten
Vatikanstadt.
Lit.: Erler, A., Lupa, lex und
Reiterstandbild im mittelalterlichen Rom, 1972
Lateransynode ist
ein im → Lateran abgehaltenes Konzil (313, 487, 649, 769, 774, 823, 1049,
1059, 1060, 1079, 1102, 1105, 1110, 1112, 1116). Ökumenische Konzile (Laterankonzile) finden 1122-1123,
1139, 1179, 1215 (1200 Teilnehmer, Besitz, Ehe, Juden, Prozess, Universität,
Wahl) und 1512-1517 statt.
Lit.: Deslandres, P., Les grandes conciles de Latran, 1913;
Foreville, R., Lateran I - IV, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5.
A. 1972
Latifundium (N.) Großgrundeigentum
Lit.: Köbler, DRG 16
Latiner → lateinisch, Römer
Lit.: Kaser §§ 13, 16, 68, 71; Köbler, DRG 16, 57
latro (lat. [M.])
Straßenräuber
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW;
Grünewald, T., Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer, 1999
Latium ist das am
tyrrhenischen Meer gelegene Siedlungsgebiet der Latiner, das in der →
pippinischen Schenkung 754 an den → Kirchenstaat des Papstes gelangt.
Laudemium (lat. [N.])
ist in Spätmittelalter und früher Neuzeit eine unterschiedlich bezeichnete
Abgabe bei Besitzwechsel eines Leihegutes.
Lit.: Henning, F., Dienste und Abgaben
der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969
Lauenburg ist eine
1182 von den Askaniern (→ Anhalt) erbaute Burg. Das in Anlehnung hieran
entstehende Herzogtum kommt 1689 an Celle-Lüneburg bzw. 1705 Hannover und 1815
bzw. 1864ff. an Preußen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Prange, W., Siedlungsgeschichte
des Landes Lauenburg im Mittelalter, 1960; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,2906; Hempel, B., Der Entwurf einer Polizeiordnung für das
Herzogtum Sachsen-Lauenburg aus dem Jahre 1591, 1980; Hillmann, J.,
Territorialrechtliche Auseinandersetzungen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg,
1999; Meding, W. v., Stadt ohne Land am Fluss, 2007; Meding, W. v. Lauenburg,
2008
Launegild ist im →
langobardischen Recht die (symbolische) Lohngabe für eine Gabe (Schenkung).
Lit.: Hübner § 82; Köbler, WAS; Pappenheim, M., Launegild
und Gairethinx, 1882; Val de Lièvre, Revision der Launegildstheorie, ZRG GA 4
(1883), 15; Rhee, F. van der, Die germanischen Wörter in den langobardischen
Gesetzen, 1970, 94
Lausanne am Genfer
See geht auf eine römische Siedlung zurück. Um 600 wird es Sitz eines Bischofs.
1334 erlangt es die Stellung einer Reichsstadt. 1536 fällt es an Bern. 1537
wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Grandjean, M., La ville de Lausanne, 1965ff.; Anex-Cabanis, D., La vie
économique à Lausanne, 1978; Histoire de Lausanne, hg. v. Blaudet, J., 1986;
Gratiae fructus. Festschrift zu Ehren der Universität Lausanne - 100 Jahre
deutscher Rechtsunterricht, hg. v. Schmidt-Cotta, R. (für Altherrenschaft),
1997
Lausitz ist die an der Lausitzer Neiße
gelegene, in der Gegenwart teils deutsche, teils polnische Landschaft.
Lit.: Oberlausitzer
Forschungen, hg. v. Reuther, M., 1961; Die Oberlausitz im frühneuzeitlichen
Mitteleuropa, hg. v. Bahlcke, J., 2007
Läuterung ist in Sachsen seit dem 15. Jh. die Erklärung einer nicht deutlich genug vorgebrachten Willensäußerung (des Klägers oder Beklagten). Seit dem 16 Jh. entwickelt sich die L. zu einem ordentlichen fristgebundenen und schriftbedürftigen Rechtsmittel innerhalb der entscheidenden Instanz (neben der Appellation). Sie wird erst 1877/1879 beseitigt.
Lit.: Buchda, G., Die Rechtsmittel im
sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274
Law French ist die
normannisch geprägte altfranzösische Juristensprache des → englischen
Rechts.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Kerber, K., Sprachwandel
im englischen Recht, 1997; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000
Lebendgeburt (F.)
als Geburt eines lebenden Menschen im Gegensatz zur Totgeburt ist Voraussetzung
der Rechtsfähigkeit.
Lebendig begraben ist eine im späten Mittelalter bezeugte, bis in das 17. Jh. (selten) vollzogene Strafe. Ältere Vorläufer sind zweifelhaft.
Lit.: Liebermann, F., Ein Ordal des lebendig Begrabens, ZRG
GA 19 (1898), 140; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Rehfeldt,
B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 62
Lebensalter → Alter
Lebensfähigkeit ist
die Fähigkeit nach der Geburt (selbständig) zu leben. Sie wird im Mittelalter
vielfach für die Rechtsfähigkeit vorausgesetzt. Im gelehrten Recht ist sie
streitig, wird aber vom Code civil verlangt.
Lit.: Kaser § 72 II; Hübner 54
Lebensmittelrecht ist
das die zum Leben des Menschen erforderlichen oder geeigneten Nahrungsmittel
betreffende Recht. Es wird in der römischen und hochmittelalterlichen Stadt
sichtbar, in der Amtsträger Aufsichtsbefugnisse über den Markt haben.
Zahlreiche Bestimmungen hierzu enthalten die Landesordnungen bzw.
Polizeiordnungen der frühen Neuzeit. Verstöße gegen das L. werden mit Bußen und
Strafen belegt.
Lit.: Heidinger, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Zürich im Mittelalter, 1910; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Basel im Mittelalter, 1909; Siebert, L., Die Lebensmittelpolitik der Städte
Baden und Brugg im Aargau, 1911; Lindlar, J., Die Lebensmittelpolitik der
Stadt Köln im Mittelalter, Diss. phil. Münster 1913; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 43; Lebensmittelrechts-Handbuch (Lbl.),
hg. v. Streinz, R., 1994
Lebenspartnerschaft ist
die am Ende des 20. Jh.s in einzelnen Ländern gesetzlich geregelte
gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft zweier Menschen, die mit eheähnlichen
Wirkungen versehen wird.
Lit.: Winckler, K., Die
unwirksame eingetragene Lebenspartnerschaft, 2007
Lebensversicherung
ist die Versicherung des Lebens bei einem Versicherer gegen die Gefahr des
Todes. Sie ist eine Privatversicherung auf den Todesfall oder auf das Erleben
eines bestimmten Zeitpunkts. Sie entsteht nach Vorläufern des 17. Jh.s im 18.
Jh. in England (London 1706 John Hartley), in Deutschland (gesetzliche Regelung
bereits im Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794) im 19. Jahrhundert (z. B.
in Gotha 1829) vielleicht auch aus dem Grund, dass der Wegfall des mit der
Grundherrschaft verbundenen Schutzes ausgeglichen werden soll.
L.: Heiss, S., Die
Institutionalisierung der deutschen Lebensversicherung, 2006
Lebus
Lit.: Ludat, H., Das
Lebuser Stiftsregister von 1405, 1965
Le Conte (Contius), Antoine (1517-1586), Königsbeamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (Baron) 1557 Professor in Bourges, 1570 in Orléans und 1574 in Bourges. Er veröffentlicht textkritisch römisches und kirchliches Recht.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,1977,775
Ledigmann → (lat.) homo (M.) ligius
Leeds erhält 1626
Stadtrecht. 1890 wird eine Universität eingerichtet
Leeuwen, Simon van
(Leiden 1626-1682) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Anwalt, Sekretär und
Gerichtsschreiber. Er verfasst eine niederländische Darstellung des
römisch-holländischen Rechts (lat. Paratitla [N.Pl.] iuris novissimi, 1652, Het
Rooms-Hollands-Recht, 1664) und eine lateinische Zusammenfassung des geltenden
römischen Rechts ([lat.] Censura [F.] forensis theoretico-practica, 1662), die trotz ihres
geringen wissenschaftlichen Wertes das niederländische Recht bedeutsam
beeinflussen.
Lit.: Simon van Leeuwen, Censura, hg. v. Hewett, M., 1991
Legaldefinition ist
die von einem Gesetz gegebene Inhaltsbestimmung eines Rechtswortes (vielleicht
ab der Lüneburger Reformation des Heinrich Husanus von 1577).
Lit.: Ebel, F., Über Legaldefinitionen,
1974
Legalhypothek (F.) vom Gesetz
vorgesehene Hypothek
Legalitätsprinzip ist der im 19. Jh. entwickelte Grundsatz, dass die Staatsanwaltschaft, soweit nicht gesetzlich ein Anderes bestimmt ist, verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Streitigkeiten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Straftat vorliegen. Das L. wird seit etwa 1860 (Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft, 1860, 57) im Gegensatz zum bislang geltenden → Opportunitätsprinzip verlangt. 1877 wird das L. gesetzlicher Grundsatz, doch werden verschiedene Ausnahmen zugelassen. Als L. wird auch der in der Verwaltung im 19. Jahrhundert durchgesetzte Grundsatz verstanden, dass staatliche Vollziehung nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen darf (vgl. für Österreich Art. 18 I B-VG).
Lit.: Richter, E., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips,
Diss. jur. Göttingen 1925; Hertz, F., Die Geschichte des Legalitätsprinzips,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schürer, K., Die Entwicklung des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitäts- und
Opportunitätsprinzip heute, FS K. Peters, 1974, 411; Legalität, Legitimität und
Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008; Dettmar, J., Legalität und Opportunität,
2008
Legal realism
(Rechtsrealismus) ist im (anglo-)amerikanischen Recht die seit etwa 1930
erkennbare tatsächliche Betrachtungsweise von Grundsätzen und Regeln in der
Wirklichkeit (z. B. Llewellyn 1893-1962).
Lit.: Reich, N., Sociological Jurisprudence and Legal
Realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967; Rechtsrealismus, multikulturelle
Gesellschaft und Handelsrecht, hg. v. Drobnig, U. u. a., 1994
Legalservitut (F.) auf Gesetz beruhende Servitut (z. B. nachbarrechtliche Eigentumsbeschränkung)
Legat (M.) Gesandter
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Legat (N.) Vermächtnis
Legatum (lat. [N.])
ist das bereits im altrömischen Recht in vier Formen mögliche →
Vermächtnis.
Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23, 38;
Köbler, LAW
Legatum (N.) per damnationem
(Damnationslegat) ist das wohl spätere Vermächtnis schon des altrömischen
Rechts, bei dem vielleicht der (lat.) familiae emptor (M.) (treuhänderischer
Vermögenskäufer) dem Bedachten nur für eine bestimmte Geldsumme, später auch
für andere Leistungen haften soll.
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG
23
Legatum (N.) per praeceptionem
(lat.) ist schon im altrömischen Recht das Vorwegnahmevermächtnis zugunsten
eines Miterben.
Lit.: Kaser §§ 76; Köbler, DRG 23
Legatum (N.) per vindicationem
(lat.) ist schon im altrömischen Recht das Vermächtnis, bei dem der Begünstigte
(lat. [M.] legatarius) im Todesfall die Sache unmittelbar erwerben
soll, so dass er sie von jedermann herausverlangen kann (Vindikation).
Lit.: Kaser 28, 29, 76; Köbler, DRG 23
legatum (N.) sinendi modo
(lat.) Zulassungsvermächtnis
Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23
leges (lat. [F.Pl.])
sind die Gesetze, (Sg.) → lex
Lit.: Kaser §§ 2, 3, 9; Kroeschell, DRG
1, 2
leges (F.Pl.) barbarorum
(lat.) Gesetze (Rechte) der germanisch/germanistischen Völker
Lit.:
Leges – Gentes – Regna. Zur Rolle von germanischen Rechtsgewohnheiten und
lateinischer Schrifttradition bei der Ausbildung der frühmittelalterlichen Rechtskultur,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006
Leges (F.Pl.) Edwardi confessoris (lat.) ist ein vermutlich um 1130 lateinisch geschriebenes
Buch vielleicht eines Geistlichen französischer Herkunft, das angeblich die
Darlegung der Gesetze König Eduard des Bekenners (1042-1066) im Jahre 1070
durch zwölf Geschworene enthält. Sein Inhalt dürfte von der Rechtswirklichkeit
abweichen.
Lit.: Liebermann, F., Über die Leges Edwardi Confessoris,
1896; Plucknett, T., Early English Legal Literature, 1958
Leges (F.Pl.) Henrici Primi (lat.)
ist ein lateinisches, systematisches, jedoch nicht besonders überzeugend
gelungenes Rechtsbuch des in England unter König Heinrich I. (1100-1135)
geltenden Rechts (Gerichtsverfassung, Kirche, Strafe, Verfahren, Lehen,
Grundstücke) vielleicht eines französischen Geistlichen in Wessex (Winchester?)
um 1115. Vermutlich verfasst derselbe auch den sog. (lat. [M.])
→ Quadripartitus.
Lit.: Liebermann, F., Ein ungedrucktes Vorwort zu den Leges
Henrici I., ZRG GA 3 (1882), 127; Plucknett, T., Early English Legal
Literature, 1958; Leges Henrici Primi, hg. v. Downer, L., 1972; Korte, G.,
Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze, 1974
leges (F.Pl.) Iuliae iudiciorum
privatorum
(lat.) → lex Iulia iudiciorum
Lit.: Kaser §§ 80 II 4b, 82 III 2b; Söllner § 9
Leges (F.Pl.) Langobardorum (lat.)
sind die Gesetze der Langobarden, durch die seit 643 das → langobardische
Recht als Gesetz festgelegt wird. → Volksrecht
Lit.: Köbler, DRG 82; Leges Langobardorum, hg. v. Bluhme,
F., 1868, Neudruck 1925; Tamassia, N., Römisches und westgotisches Recht in
Grimowalds und Liutprands Gesetzgebung, ZRG GA 18 (1897), 148; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Langobardorum, 1977
Leges (F.Pl.) Romanae (lat.)
sind die Rechtsaufzeichnungen der germanisch/germanistischen Völker für die in
ihrem Gebiet lebenden Römer (Lex Romana Visigothorum, Lex Romana Burgundionum).
Lit.: Buchner, R., Die Rechtsquellen,
1953
Leges (F.Pl.) Upstalsbomicae
(lat.) ist der 1617 von Siccama verwendete Name für die am 18. 9. 1323 von den
Vertretern der friesischen Landschaften auf dem Upstalsbom bei Aurich
beschlossenen, wohl nur kurzfristig wirksamen Rechtssätze (u. a. Bußen,
Wergelder, Friedensgelder, Strafen) auf der Grundlage von vielleicht bis in das
11. Jh. zurückreichenden gemeinfriesischen Beschlüssen.
Lit.: Richthofen, K., Untersuchungen über friesische
Rechtsquellen, Bd. 1 1880, 250; Heck, P., Altfriesische Gerichtsverfassung,
1894, 361; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f.
1981
Leges Visigothorum → Lex Visigothorum
Legisactio (lat. [F.])
ist im altrömischen und klassisch-römischen Recht (bis 17 v. Chr., [lat. F.]
lex Iulia iudiciorum privatorum) die zulässige Verfahrensform. Es werden dabei
(5) verschiedene Legisaktionen unterschieden, zu denen genau vorgeschriebene
Spruchformeln gehören. Nach dem Vorbringen des Verfolgers entscheidet der
Magistrat darüber, ob die Rechtsordnung für das Begehren einen Schutz (lat. [F.]
→ actio) enthält. Noch in republikanischer Zeit werden in Rom die
Legisaktionen durch das Formularverfahren bzw. den Formularprozess abgelöst.
Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81, 82 II 5c, d, 84 I 1, 85 I;
Köbler, DRG 19, 20, 32, 224; Lévy-Bruhl, H., Recherches sur les actions de la
loi, 1960; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten
und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen
1980, Nr. 2
Legisactio (F.) per condictionem (lat.) ist die etwas jüngere Legisaktion durch Ansage des
altrömischen Rechts, die beispielsweise für Stipulation, Darlehen oder
Litteralkontrakt auf eine bestimmte Leistung eröffnet ist und durch Ansagen
eines neuen Termines zur Einsetzung einer Entscheidungsperson innerhalb von 30
Tagen (Frist für eine freiwillige Erfüllung) vor dem Prätor geschieht.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 3; Söllner § 9; Köbler, DRG 19
Legisactio (F.) per iudicis arbitrive postulationem (lat.) ist die Legisaktion durch Anfordern eines Richters
oder Schlichters im altrömischen Recht (z. B. bei [lat.]
sponsio - stipulatio [Versprechen] oder Erbengemeinschaftsteilung).
Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 2;
Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19
Legisactio (F.) per manus iniectionem (lat.) ist die Legisaktion durch Handanlegen im
altrömischen Recht. Sie dient der Vollstreckung in die Person.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 81 III 1;
Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19, 20
Legisactio (F.) per pignoris capionem (lat.) ist die Legisaktion durch Pfandergreifung im
altrömischen Recht. Sie steht für die Vollstreckung in Sachen in einigen Fällen
zur Verfügung. In anderen Fällen ist der eigenmächtige Zugriff auf die Sache
erforderlich.
Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81 III 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 19, 20
Legisactio (F.) sacramento in personam (lat.) bzw. in rem (lat.) ist die Legisaktion durch Eid
entweder auf eine Person oder auf eine Sache im altrömischen Recht. Sie
erfordert das Setzen einer feststehenden, (je nach Streitwert von über oder
unter 1000 As) 500 oder 50 As d. h. 5 Rinder oder 5 Schafe betragenden Summe
durch jeden der Streitteile, die der Unterliegende als Sühne für den
nachträglich durch den Ausgang als falsch erwiesenen Eid, mit dem er
ursprünglich seine Behauptung bekräftigt, an den Staatsschatz verliert.
Streitgegenstand ist die Rechtmäßigkeit des Eides.
Lit.: Kaser §§ 22 II 1b, 32 II 2c, 81 II 1a, b; Söllner §
9; Köbler, DRG 19, 25; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988;
Zlinsky, J., Gedanken zur legisactio sacramento in rem, ZRG RA 106 (1989), 106
Legisaktion (römische
Verfahrensform) → legisactio
Legislation (F.) Gesetzgebung
Lit.: Daube, D., Forms of Roman Legislation, 1966
Legislative ist die
gesetzgebende Gewalt im gewaltengeteilten Staat.
Lit.: Köbler, DRG 190f.
legislator (lat. [M.]) Gesetzgeber
Lit.: Köbler, DRG 69; Köbler, LAW
Legist (M.) Kenner
des römischen Gesetzesrechts (seit dem Hochmittelalter)
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Weigand, R., Die Naturrechtslehre
der Legisten und Dekretisten, 1967; Weimar, P., Die legistische Literatur und
die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969),
43; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Legistik → Legist
Legitimation ist
der Nachweis der Berechtigung eines Verhaltens oder eines Zustandes,
insbesondere die Verschaffung der Stellung eines ehelichen Kindes für ein
nichteheliches Kind. Bereits der spätrömische Kaiser Konstantin (306-337) und
andere stellen durch nachfolgende Eheschließung Konkubinenkinder ehelichen
Kindern gleich. Das gleiche Ergebnis wird durch Eintritt in den Zwangsstand der
Gemeinderäte und in bestimmten Fällen durch öffentlichen Gnadenakt (538)
hergestellt. Dies wird seit dem 12. Jh. (Papst Alexander III. 1159-1181) aus
dem römischen Recht in das Kirchenrecht und danach in das weltliche Recht
(Nürnberg 1522) übernommen, in Deutschland 1998 beseitigt.
Lit.: Kaser § 61 II 2b; Hübner 715; Köbler, DRG 121; Koch,
K., Legitimatio per subsequens matrimonium, 1897; Kogler, F., Beiträge zur
Geschichte der Rezeption und der Symbolik der legitimatio per subsequens matrimonium,
ZRG GA 25 (1904), 94; Kogler, F., Die legitimatio per rescriptum von Justinian
bis zum Tode Karls IV., 1904; Weitnauer, A., Die Legitimation des
außerehelichen Kindes, 1940; Beumann, H., Die sakrale Legitimierung des
Herrschers im Denken der ottonischen Zeit, ZRG GA 66 (1948), 1; Herkunft und
Ursprung, hg. v. Wunderli, P., 1991
Legitimität ist die
seit Beginn des 19. Jh.s erfasste Rechtmäßigkeit einer Herrschaft.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 677;
Gauland, A., Das Legitimitätsprinzip, 1971; Würtenberger, T. jun., Die
Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973; Schliesky, U., Souveränität und
Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004; Legalität, Legitimität und Moral, hg.
v. Bruha, T. u. a., 2008
Lehen, Lehn, ist
ein leihweise von einem (adeligen oder freien) Lehnsherrn (z. B. dem König)
einem adligen oder freien Lehnsmann (z. B. dem Herzog) unter Sicherung zur
(lebenslangen) Nutzung gegen Treue und Dienste (vor allem Waffendienste)
überlassenes (Land, Amt oder sonstiges) Recht oder Gut (z. B. das Herzogtum).
Es entsteht im Frühmittelalter nach herkömmlicher Ansicht aus personenrechtlicher
Vasallität und sachenrechtlichem Benefizium. Bei der Vasallität (von kelt. gwas
Knecht) übernimmt nach einem Ergebungsakt (Kommendation) der Herr Schutz und
Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und (militärische) Dienste. Bei dem
Benefizium gibt ein Mächtiger Land (oder andere Gegenstände) zur Nutzung an
andere gegen Dienste und Unterstützung. Mit der Verschmelzung von Vasallität
und Benefizium wird Land hauptsächlich an Vasallen gegeben und erhalten
Vasallen zunächst in erster Linie Land. Das vertraglich zu begründende
Lehnsverhältnis ist grundsätzlich höchstpersönlich, endet also mit dem Tode
jedes Beteiligten, neigt aber allmählich zur Erblichkeit (Quierzy 877
Leihezwang, 1037 Erblichkeit kleinerer Lehen), wodurch es für den Lehnsherrn an
Wert verliert. Seit dem 9. Jh. wird die Stellung als Graf zu L. gegeben, später
jedes andere Amt. Auf diese Weise wird nach und nach die gesamte Verwaltung vom
Lehnsprinzip durchdrungen. Im 14. Jh. hat beispielsweise der Herzog von
Württemberg etwa 500 Lehensleute in einem deutlich schwankenden Bestand (etwa
ein Drittel Bürger). Beseitigt wird das L. im 19. Jh. durch Allodifikation
(Herstellung von Eigentum) und das Ende des Heiligen römischen Reiches (1806,
in Österreich bäuerliche Lehen 1822, ritterliche Lehen 1868). Vom (adligen) L.
trotz des ähnlichen Leihecharakters grundsätzlich zu trennen ist die
(bäuerliche) → Grundherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 148; Hagemann,
T., Einleitung in das gemeine, in Teutschland übliche Lehnrecht, 1787; Brunner,
H., Der Reiterdienst und die Anfänge des Lehnswesens, ZRG GA 8 (1887), 1;
Wasserschleben, Über die Sukzession in fuldische Lehne, ZRG GA 11 (1890), 151;
Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen,
1895ff.; Schmid, H., Lehn = Hufe, ZRG GA 44 (1924), 289; Pöhlmann, C., Das
ligische Lehensverhältnis, ZRG GA 47 (1927), 678; Prausnitz, O., Feuda extra
curtem, 1929; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957,
1972; Staedtler, E., Zum Sprachgebrauch der libri feudorum, ZRG GA 56 (1936),
361; Boutruche, R., Seigneurie et feodalité, 1959; Studien zum
mittelalterlichen Lehenswesen, 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom
14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Krawinkel, H., Untersuchungen zum
fränkischen Benefizialrecht, 1936; Krawinkel, H., Zur Entstehung des
Lehnwesens, 1936; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das sankt gallische
Freilehen, 1938; Ganshof, F., Qu’est-ce que la féodalité?, 2. A. 1947, 3. A.
1957; Goez, W., Der Leihezwang, 1962; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom
14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A.
1983, Neudruck 1989; Bechstein, F., Die Beziehungen zwischen Lehnsherr und
Lehensträger in Hohenlohe, Diss. jur. Tübingen 1965; Droege, G., Landrecht und
Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Schönberg, R. Frhr. v., Das Recht der
Reichslehen im 18. Jahrhundert, 1977; Minninger, M., Von Clermont zum Wormser
Konkordat, 1978; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978;
Rödel, V., Reichslehnswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel,
1979; Schulze, R., Der nexus feudalis in Vernunftrecht und historischer
Rechtsschule, ZRG GA 106 (1989), 68; Abels, R., Lordship and Military
Obligation, 1988; Bisson, T., Medieval France and her Pyrenean Neighbours,
1989; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Hauser, S., Staufische
Lehnspolitik, 1998; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000; Bachmann, M.,
Lehenhöfe von Grafen und Herren im ausgehenden Mittelalter, 2000; Spieß, K.,
Das Lehnswesen im hohen und späten Mittelalter, 2002; Miller, M., Mit Brief und
Revers, Das Lehenswesen Württembergs, 2004; Esders, S., Friedrich II., die Mark
Brandenburg und das Erzbistum Magdeburg – Zur Kommerzialisierung von
Lehensbeziehungen, ZRG GA 123 (2006), 67
Lehnrecht ist die
quellenmäßige Bezeichnung des Mittelalters für das Lehnsrecht. Der
Sachsenspiegel gliedert sich beispielsweise in Landrecht und Lehnrecht.
Lit.: Köbler, DRG 85, 101, 103, 104,
106, 112, 125, 163; Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung
des Jodokus Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Gierke, O., Belehnung des
Mannesstammes mit Allmendstücken, ZRG GA 2 (1881), 198; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des sog. Magdeburger Lehnrechts, ZRG GA 14 (1894), 53; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933; Lehnrecht und Staatsgewalt im deutschen
Hochmittelalter, eingeleitet v. Goez, W., 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht
der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Kaiserliches Lehnrecht, hg. v. Altmann,
U., 1989; Brancoli Busdraghi, P., La formazione storica del feudo Lombardo, 2.
A. 1999; Iblher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen
Lehensrechts, 1999
Lehnrechtsbuch → Lehnsrechtsbuch
Lehnsbrief ist die
über die Bestellung eines Lehens seit dem (11. oder) 12. Jh. ausgestellte
Urkunde.
Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969, 69, 115
Lehnsbuch ist ein →
Lehen verzeichnendes Buch. Es findet sich anscheinend seit dem 9. Jh. Im
Spätmittelalter wird es durch das Handlungen verzeichnende Lehnsregister
ersetzt.
Lit.: Lippert, W., Die deutschen
Lehnbücher, 1903, Neudruck 1970; Lippert, W./Beschorner, H., Das Lehnbuch
Friedrichs des Strengen 1349/50, 1903; Spieß, K., Das älteste Lehnbuch der
Pfalzgrafen bei Rhein vom Jahr 1401, 1981
Lehnsdienst ist die
Dienstleistung des Lehnsmannes (Heerfahrt, Hoffahrt, Ehrendienst).
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und
Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 591
Lehnseid ist der
vom Lehnsmann dem Lehnsherrn zu schwörende Eid.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diestelkamp,
B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 83
Lehnserneuerung ist
die Neubegründung des Lehnsverhältnisses nach dem Tod eines Beteiligten mit dessen
Nachfolger (bzw. einem neuen Beteiligten).
Lit.: Goez, W., Lehnsrecht und
Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter, 1969
Lehnsfähigkeit ist
die Fähigkeit, ein Lehnsverhältnis einzugehen. Die L. setzt an sich
Ritterlichkeit und Rittermäßigkeit der Lebensführung voraus. In der Rechtswirklichkeit
sind aber vielfach Geistliche und Frauen sowie auch Bürger und Bauern in
eingeschränktem Umfang in das Lehnswesen einbezogen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Paetz, K./Goede, C., Lehrbuch des
Lehnrechts, 1825, 120; Frensdorff, F., Die Lehensfähigkeit des Bürger, 1894;
Grabscheid, D., Die Bürgerlehen, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957
Lehnsgericht ist
das im Mittelalter für Angelegenheiten des Lehnswesens ausgebildete besondere
Gericht, das sich aus Richter (meist der Lehnsherr) und Urteilern zusammensetzt
(u. a. Reichshofrat). Es endet im 19. Jh. (Bayern 1808).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die königliche
Lehngerichtsbarkeit im Zeitalter der Staufer, DA 26 (1970), 400; Früh, M., Die
Lehensgerichtsbarkeit der Reichsabtei Fulda, Hess. Jb. F. LG 49 (1999), 39
Lehnsgesetz ist ein
das Lehen betreffendes Gesetz, wie es sich im Mittelalter etwa 1037, 1136,
1154, 1158 und 1338 sowie in der Neuzeit in der Form von Lehnsedikten oder
Lehnsmandaten findet (Sachsen 1764, Baden 1807, Bayern 1808).
Lit.: Lehmann, K., Consuetudines
feudorum, 1896, Neudruck 1921
Lehnsherr → Lehen, Herr
Lehnsinvestitur →
Lehen, Investitur
Lehnsmann → Lehen
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Lehnspflicht → Lehen, Lehnsrecht
Lehnsprozess ist der
Rechtsstreit um Rechte und Pflichten aus dem → Lehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Lehnspyramide ist
der durch Lehen und teilweise Weitergabe (Unterverlehnung) entstehende
pyramidenförmige Aufbau der Lehnsgesellschaft des Mittelalters und der frühen
Neuzeit, die bereits bei Karl dem Großen auf etwa 2000 Vasallen und 30000
Aftervasallen berechnet wird. In der L. nimmt der König die erste Stelle vor
geistlichen Fürsten, weltlichen Fürsten, freien Herren und Dienstmannen ein. In
England, Frankreich und Sizilien istder Lehnseid des Aftervasallen innerhalb
der L. durch einen Treuevorbehalt zu Gunsten des Königs (ligesse) abgeschwächt.
Lit.: Köbler, DRG 85, 98; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972
Lehnsrecht ist die
Gesamtheit der das Lehen betreffenden Rechtssätze und die Berechtigung an
einem Lehen. Das L. entsteht durch die Vereinbarung zahlloser Lehnsverhältnisse
gewohnheitsrechtlich sowie durch die → Lehnsgesetze. Im Streitfall
entscheidet das → Lehnsgericht. Zeitweise führend ist das langobardische
oder italienische L., das über an italienischen Universitäten ausgebildete
Juristen auch in Gebiete nördlich der Alpen gebracht wird. Neben allgemeinerem
L. besteht jeweils auch ein besonderes L. eines Lehnsherrn (z. B. Grafen von Katzenelnbogen).
Durch Annahme des Titels Kaiser von Österreich (1804) bzw. durch Auflösung des
Reiches 1806 endet das L. des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation), im
19. Jh. auch das L. der einzelnen deutschen Staaten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 101, 112, 125;
Moser, J., Von der Teutschen Lehens-Verfassung, 1774; Weber, G., Handbuch der
in Deutschland üblichen Lehnsrechte, Bd. 1ff. 1807ff.; Homeyer, C., System des
Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844; Eichhorn, K., Einleitung in das
deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896,
Neudruck 1971; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957,
1972; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 6. A. 1983; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen
Mittelalter, 1969; Wyluda, W., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Diestelkamp, B.,
Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Spieß, K., Lehnrecht,
Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein, 1978; Litewski, W.,
Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 3 1984; Kroeschell, K.,
Lehnrecht und Verfassung, 1997; Plate, B., Lehnsrecht in Hartmanns Gregorius,
Mediaevistik 10 (1997); Ibhlher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen
Lehensrechts, 1999
Lehnsrechtsbuch,
Lehnrechtsbuch, ist das Lehen und Lehnsrecht betreffende → Rechtsbuch. Es
tritt zuerst im langobardisch/lombardischen Bereich auf (Obertus de Orto,
Pavia 11./12. Jh.). Sein Inhalt wirkt sich aber erst im späteren Mittelalter
auf Deutschland aus. In einem engeren Sinn ist L. das an das Lehnsrecht des →
Sachsenspiegels angeschlossene Rechtsbuch ([lat.]
→ Auctor [M.] vetus de beneficiis, 1221-1224). Das Lehnsrecht des
Sachsenspiegels selbst wird (1272-1292) lateinisch übersetzt, in
Bilderhandschriften aufgenommen, glossiert (Mitte 14. Jh.s) und mit einem →
Richtsteig versehen. Dem Sachsenspiegel folgen → Deutschenspiegel und →
Schwabenspiegel und ein Teil der darauf aufbauenden Rechtsbücher. Selbständige
Lehnsrechtsbücher finden sich in Estland und Livland (waldemar-erichsches
Lehnrecht, 1315, ältestes livländisches Ritterrecht, 1355-77, mittleres
livländisches Ritterrecht, systematisches livländisches Ritterrecht).
Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879;
Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1971; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990
Lehnsregister → Lehnsbuch
Lehnsretrakt ist
die Ausübung eines Retraktrechtes eines Berechtigten bei entgeltlicher
Veräußerung eines → Lehens. Der L. ist später in verschiedenen Lehnsrechten
möglich (z. B. 1609 im Reich).
Lit.: Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 6. A. 1983
Lehnsträger (lat.
provasallus [M.]) ist ein anstelle des eigentlichen Lehnsinhabers
(Lehnsmannes) die Rechte und Pflichten aus dem Lehen tragender Mensch (z. B.
Vormund). Der L. tritt schon im Frühmittelalter auf (860).
Lit.: Mitteis, H., Zur Geschichte der
Lehnsvormundschaft, (in) Die Rechtsidee in der Geschichte, 1957, 193
Lehnsverhältnis → Lehen
Lehnsvormundschaft →
Lehen, Vormundschaft
Lehnswesen → Lehen
Lit.: Söllner § 4; Kroeschell, DRG 1; Transehe-Roseneck, A.
v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Studien zum mittelalterlichen
Lehnswesen, 1960; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983; Theuerkauf,
G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961
Lehre → herrschende Lehre
Lehrfreiheit ist
die Freiheit, die wissenschaftlich gewonnenen Einsichten und Überzeugungen frei
zu verbreiten. Die L. ist als Grundrecht bereits in der Verfassung der
Frankfurter Nationalversammlung (1848) enthalten.
Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929;
Sterzel, D., Wissenschaftsfreiheit und Hochschulorganisation, Diss. jur.
Gießen 1973
Lehrling ist der
eine praktische Berufsausbildung (Lehre) durchlaufende junge Mensch. Der L.
erscheint im 13. Jh. in Zunftordnungen der Städte. Seit dem 14. 8. 1969 ist der
L. durch den Auszubildenden ersetzt.
Lit.: Wissel, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit,
Bd. 1 1929, 137; Beyer, W., Die Entwicklung des Lehrlingsverhältnisses, 1938;
Quef, P., Histoire de l'apprentissage, 1964; Wesoly, K., Lehrlinge und
Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985
Lehrvertrag ist der
für die Ausbildung eines → Lehrlings geschlossene Vertrag. Er sieht lange
Zeit ein besonderes Lehrgeld vor. Erst in jüngerer Zeit erhält der Lehrling
eine Vergütung. Der L. endet regelmäßig mit Ablegung einer Gesellenprüfung.
Lit.: Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht
im deutschen Mittelalter, 1934
Leibeigener ist der
in → Leibeigenschaft befindliche Mensch. Seine Erfolgsaussichten in
frühneuzeitlichen Freiheitsrechtsstreitigkeiten sind gering.
Lit.:
Ullmann, I., Die rechtliche Behandlung holsteinischer Leibeigener um die Mitte
des 18. Jahrhunderts, 2007
Leibeigenschaft ist
im neuzeitlichen deutschen Recht die meist durch Überlassung von
Grundstücksnutzung und damit geschaffener grundherrschaftlicher Bindung erreichte
persönliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen. Sachlich sind auch
Sklaven und Kolonen im Altertum und Unfreie und Hörige im Frühmittelalter
leibeigen, doch gehen erst seit etwa 1350 die Grundherren dazu über, zur Abwehr
der Landflucht (→Stadtluft macht frei) Höfe nur noch an Leihenehmer zu
vergeben, die sich völlig unterwerfen und schwören, nicht fortzuziehen, und
dehnen diese Stellung vereinheitlichend auf alle abhängigen Leihenehmer aus.
Sprachlich wird eigen im 15. Jh. zu leibeigen fortgebildet. L. beschränkt die
Rechtsfähigkeit und insbesondere die Freizügigkeit. Zwischen (1781 Böhmen,
Mähren und Österreichisch-Schlesien bzw.) 1783 (Baden) und 1820 (Mecklenburg)
wird die L. in Deutschland gesetzlich beseitigt (Ungarn 1785/1791 gescheitert,
1848 Leibeigenschaftspatent).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kindlinger, N., Geschichte der
Hörigkeit, 1819; Sugenheim, S., Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft
und Hörigkeit, 1861; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Ostpreußen, ZRG GA
8 (1887), 1; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern, ZRG GA 9 (1888),
104; Brünneck, W. v., Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch die Gesetzgebung
Friedrichs des Großen und das Allgemeine preußische Landrecht, ZRG GA 10
(1889), 24, 11 (1890), 101; Knapp, T., Über Leibeigenschaft in Deutschland, ZRG
GA 19 (1898), 16; Wipper, R., Vom 15.-18. Jahrhundert. Die Zeit der
Leibeigenschaft, 1930; Tischler, M., Die Leibeigenschaft im Hochstift Würzburg,
1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ulrich, C.,
Leibherrschaft am Oberrhein im Spätmittelalter, 1979; Keitel, C., Herrschaft
über Land und Leute, 2000; Hauser, A., Die Gesetzgebung zur Herstellung
unbeschränkten Grundeigentums, Diss. jur. Tübingen 2002/2003; Leibeigenschaft,
hg. v. Klussmann, J., 2003; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den
Menschenrechten, 2003, 2. A. 2006; Sprandel, R., Die Entstehung der Leigeigenschaft, Saeculum 56
(2005), 33
Leibesfrucht ist
das Kind im Mutterleib von der Zeugung bis zur Vollendung der Geburt. Das
römische Recht kennt für die L. (lat.[M.]
→ nasciturus) einen (lat.) → curator (M.) ventris (vgl. § 1912
BGB). Von Ausnahmen abgesehen, fehlt der L. die → Rechtsfähigkeit.
Lit.: Kaser §§ 13 II 1a, 64 V, 66 III 2a; Hübner § 6; Wolf,
E./Naujoks, H., Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit, 1955
Leibesstrafe ist
die am körperlichen Leib eines Menschen vollzogene Strafe (z. B. Schlagen,
Verstümmeln, Scheren). Sie ist seit dem Altertum bekannt. Im Frühmittelalter
erscheint sie gegenüber dem → Kompositionensystem selten. Vom
Hochmittelalter an gewinnt sie erhebliches Gewicht. Am Ende des 18. Jh.s werden
verstümmelnde Strafen nicht mehr angewandt. Seit dem Anfang des 20. Jh.s wird
auch die Prügelstrafe beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 119, 204;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 981; Schreuder, L.,
Bijdrage tot de kennis van eenige lijfstraffen, 1928; Wrede, R., Die
Körperstrafen, 1908, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 510, Neudruck 1964; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965
Leibfall →
Sterbefall
Leibgedinge →
Leibzucht
Leibniz, Gottfried
Wilhelm (Leipzig 1. 7. 1646-Hannover 14. 11. 1716), Sohn eines Notars und
Professors der Moral, wird nach dem Studium von Recht, Mathematik und
Philosophie in Leipzig und der Promotion in Altdorf Sekretär in Nürnberg, 1667
Rat in Mainz und 1676 Bibliothekar und Hofrat in Hannover. Nach seiner
Monadenlehre besteht die von Gott als der vollkommensten Monade (Einheit) als
bestmöglich geschaffene Welt in einer umfassenden prästabilierten Harmonie
unter allen Monaden. Diese Harmonie ist eine natürliche Ordnung, die mit der
Vernunft erkannt werden kann. Das auf der vernünftigen Natur der Dinge beruhende
Recht (→ Naturrecht) ist vom Willen Gottes unabhängig und kann vom
Gesetzgeber nicht beliebig gestaltet werden. Der Staat ermöglicht die
Gerechtigkeit. L. begründet die mathematische Logik, die Differentialrechnung
und das binäre Zahlensystem. Seit 1671 entwirft er Pläne umfassender
Gesetzgebung ([lat.] Codex [M.] Leopoldinus, Corpus [N.]
iuris reconcinnatum). Ein zusammenfassendes Hauptwerk des Universalgelehrten
fehlt. Sein Schüler ist Christian → Wolff.
Lit.: Köbler, DRG 136, 139, 142; Leibniz, G., Codex iuris
gentium diplomaticus, 1693; Mollat, G., Zur Würdigung Leibnizens, ZRG GA 7
(1886), 71; Taranowsky, F., Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte,
ZRG GA 27 (1906), 190; Heymann, E., Leibniz’ Plan einer juristischen
Studienreform vom Jahre 1667, 1931 (SB preußische Akademie der Wissenschaften);
Herrmann, K., Das Staatsdenken bei Leibniz, 1958; Bontadini, G., Der
Rechtsbegriff und die Rechtsidee bei Leibniz, 1967; Müller, K.,
Leibniz-Biographie, 1967; Schneider, H., Iustitia universalis, 1967; Sturm, F.,
Das römische Recht in der Sicht von Gottfried Wilhelm Leibniz, 1970; Burkhard,
H., Logik und Semiotik in der Philosophie von Leibniz, 1980; Luig, K., Die
Rolle des deutschen Rechts in Leibnizs Kodifikationsplänen, Ius commune 5
(1975), 56; Otte, G., Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Luig,
K., Die Wurzeln des aufgeklärten Naturrechts bei Leibniz, (in) Naturrecht -
Spätaufklärung - Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1994, 61; Riley, P.,
Leibnitz‘ universal jurisprudence, 1997; Hirsch, E., Der berühmte Herr
Leibnitz, 2000; Berkowitz, R., The Gift of Science, 2005; Leibniz und das
Judentum, hg. v. Cook, D. u. a., 2008; Zwischen Fürstenwillkür und
Menschheitswohl, hg. v. Hartbecke, K., 2008; Der universale Leibniz, hg. v. Reydon,
T. u. a., 2009
Leibrente ist eine
auf die Lebensdauer eines oder mehrerer Menschen vereinbarte Rente. Die L.
findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie entsteht hauptsächlich durch Kauf.
Der seit dem 14. Jh. verbreitete Verkauf von Leibrenten durch Verbandspersonen
(Staat, Stadt, Kloster usw.) endet mit dem Aufkommen der verzinslichen Anleihe.
Lit.: Hübner 397; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
Leibzucht oder
Leibgedinge ist ein Rechtsgeschäft (meist Vertrag), in dem eine Person sich zur
Überlassung einer Nutzung auf Lebenszeit gegenüber einem Menschen verpflichtet.
Die L. begründet ein (dingliches) Nutzungsrecht an einem nutzbaren Gegenstand
(z. B. Hof, Haus, Lehen, rechtigung). Im Familienrecht dient die L. der
Versorgung des überlebenden Ehegatten. In der Neuzeit wird die L.
bedeutungslos.
Lit.: Hübner 677; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125;
Brünneck, W. v., Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr im partikulären
deutschen Lehn- und Adelsrecht, ZRG GA 27 (1906), 1; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 269; Brauneder, W., Die Entwicklung
des Ehegüterrechts in Österreich, 1973, 65, 83
Leiche ist eine Sache, für die
besonderes Recht gilt.
Lit.:
Groß, D., Die Entwicklung der inneren und äußeren Leichenschau, 2002
Leichenraub ist die Wegnahme einer Leiche aus einem Gewahrsam eines Berechtigten. Der L. wird bereits im Altertum (→ Todesstrafe) und im Frühmittelalter (→ Buße, Ausweisung) mit Rechtsfolgen bedroht. Das spätrömische Recht sieht den L. als Religionsverbrechen an.
Lit.: Mommsen, T., Zum römischen Grabrecht, ZRG RA 16
(1815), 203; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
211
Leiden am alten
Rhein erscheint im 11. Jh. 1266 erhält es Stadtrecht. 1574/1575 wird es Sitz
einer Universität.
Lit.: Ahsmann, M./Feenstra, R.,
Bibliografie van hoogleraren, 1984; Clotz, H., Hochschule für Holland, 1998;
Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000
Leihe ist ein
unvollkommen zweiseitig verpflichtender schuldrechtlicher Vertrag, in dem sich
der eine Teil (Verleiher) verpflichtet, dem anderen Teil (Entleiher) den
Gebrauch der geliehenen Sache auf Zeit unentgeltlich zu gestatten Im römischen
Recht entspricht dem vermutlich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten
der anerkannte unvollkommen zweiseitige Realvertrag (lat.) → commodatum
(N.) mit(lat. [F.]) actio des Verleihers auf Rückgabe und actio des Entleihers
auf eventuellen Aufwendungsersatz oder Schadensersatz, dem das unverbindliche
(lat.) → precarium (N.) (Bittleihe) zur Seite steht. Im Frühmittelalter
begünstigen die Vergrößerung der Liegenschaften durch Landnahme (Grundherrschaft)
und das antike Vorbild die Ausbildung von beschränkten eigentumsähnlichen
Rechten an fremden Grundstücken (sog. Landleihe, sachenrechtliches geteiltes
Eigentum). Bei der (lat.) → precaria (F.) wird Land auf Zeit, auf
Widerruf, auf Lebenszeit eines oder mehrerer Menschen (Leibgedinge, Leibzucht)
oder überhaupt erblich (Erbleihe) gegeben. Das Land kann vom Geber stammen
(lat. precaria [F.] data), vom Empfänger (lat. precaria [F.]
oblata) oder von beiden zu je einem Teil (lat. precaria [F.]
remuneratoria). Meist ist bei diesen Grundstücksleiheverhältnissen eine
Gegenleistung in Abgaben, Diensten oder Land zu erbringen. Bei der freien L. behält
dabei der Entleiher seine persönliche Freiheit, bei der unfreien L. gerät er in
Abhängigkeit. In der Stadt entsteht aus der dortigen freien L. ein
zinspflichtiges (reallastbelastetes) Eigentum. Eine Sonderform der L. ist das →
Lehen. Als wirtschaftlich bedeutungslose unentgeltliche Gebrauchsgestattung
erscheint die L. in der spätmittelalterlichen Stadt und wird früh den Regeln
des aufgenommenen römischen Rechts unterstellt, wobei die Trennung von (lat.)
commodatum und (lat.) precarium im 19 Jh. schwindet.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 39 II, 42 II; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 45, 91; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, §2; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1 1985 272, 297, 385, 480, 560; Berndt, B., Das commodatum, 2009
Leihezwang ist der
Zwang zur Verleihung bzw. Verlehnung eines bäuerlichen oder ritterlichen Gutes
nach Heimfall an den Grundherrn oder Lehnsherrn. Es ist streitig, in welchem
Umfang ein allgemeiner L. bestand. Für das Lehen gilt in einzelnen Gebieten L.
Im Heiligen römischen Reich ist es fraglich, ob sich im Hochmittelalter
zahlreiche einzelne Ansprüche auf Wiederausgabe eines Lehens zu einem
allgemeinen L. verdichteten. Tatsächlich gibt jedenfalls der König die
heimgefallenen Lehen (im Gegensatz zu England und Frankreich) regelmäßig wieder
aus, wodurch er seine Stellung schwächt. Der bäuerliche L. wird in Preußen
durch Edikt vom 9. 10. 1807 erheblich eingeschränkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Brunner, H., Der
Leihezwang in der deutschen Agrargeschichte, 1897; Mitteis, H., Lehnrecht und
Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Gunia, H., Der Leihezwang, ein
angeblicher Grundsatz des Reichsstaatsrechts im Mittelalter, 1938; Goez, W.,
Der Leihezwang, 1962; Krause, H, Der Sachsenspiegel und das Problem des sog.
Leihezwanges, ZRG GA 93 (1976), 21; Leppin, H., Untersuchungen zum Leihezwang,
ZRG GA 105 (1988), 239
Leihhaus ist eine
im Spätmittelalter in Italien entstandene Einrichtung der Allgemeinheit, die
unter Befreiung vom → kanonischen Zinsverbot kurzfristige Darlehen gegen
ein Faustpfand gewährt (lat. mons [M.]
pietatis bzw. mons [M.] profanus). Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation)
entstehen Leihhäuser in der frühen Neuzeit (Augsburg 1591, Hannover 1598,
Nürnberg 1618 usw.). Im 18. Jh. übernimmt die Sparkasse einen Teilbereich des
Geschäftes. 1869 lässt die Gewerbeordnung das private L. zu, wenn auch 1879
eine Konzession vorgeschrieben wird.
Lit.: Hübner; Seidel, M./Pfitzner, J., Das Sparkassenwesen,
1916; Vespes, J., Historia de los montes de piedad, 1971
Leiningen
Lit.: Wild, G., Das Fürstentum Leiningen, 1954
Leinpfad (Treidelpfad) ist der für das Ziehen von Schiffen an schiffbaren Flüssen bestehende Uferpfad. Das Recht am L. ist Teil des Stromregals an schiffbaren öffentlichen Flüssen, das im Spätmittelalter auf die Landesherren übergeht. Es steht auch nach Aufgabe des Schiffziehens seit dem 19. Jh. meist dem Staat zu.
Lit.: Werkmüller, D., Leinpfad, HRG 2
1978, 1835
Leipzig an der
Pleiße gehört seit der zweiten Hälfte des 12. Jh.s zum hallisch-magdeburgischen
Recht. Sein aus dem Stadtgericht entwickelter Schöppenstuhl wird schon im
Spätmittelalter bedeutsam (1574 landesherrliche, 1835 aufgelöste Spruchbehörde).
1409 wird es Sitz einer Universität. 1813 wird in einer Völkerschlacht bei L.
Napoleon besiegt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Distel, T., Gutachten der
Juristenfakultät, ZRG GA 6 (1885), 189, 10 (1889), 63; Distel, T., Beitrag zur
älteren Verfassungsgeschichte des Schöppenstuhls zu Leipzig, ZRG GA 7 (1887),
89, 10 (1889), 63; Kötzschke, R., Leipzig in der Geschichte der ostdeutschen
Kolonisation, Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 11 (1917);
Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919; Simm, H., Für Zwickau
ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1942 (masch.schr.);
Karl-Marx-Universität Leipzig, Bibliographie zur Universitätsgeschichte
1409-1959, hg. v. d. hist. Komm. bei d. sächs. Ak. d. Wiss., 1961; Leipzigs
Messen, hg. v. Bentele, G. u. a., 1998; Steinführer, H., Die Leipziger
Ratsbücher 1466-1500, 2003; Krause, K., Alma Mater Lipsiensis, 2003; Die
Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680-1780, hg. v. Marti, H. u. a.,
2004; Sachsens Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur, hg. v.
Hehl, U. v., 2005; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung, 2006;
Universitätsgeschichte als Landesgeschichte, hg. v. Döring, D., 2007
Leistung ist der
Gegenstand einer Schuldverpflichtung. Mit der L. wird der Schuldner frei. Bei
Leistungsstörungen (→ Unmöglichkeit, → Verzug, → positive
Forderungsverletzung) treten besondere Rechtsfolgen ein.
Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 42, 44, 126, 165, 214;
Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges beim Kaufvertrag, 1913;
Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörung bei Glossatoren, Kommentatoren
und Kanonisten, 1960; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976;
Emmert, J., Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten,
2001
Leistungsstörung (1936
Heinrich Stoll)→ Leistung, →
positive Forderungsverletzung, → Verzug, → Unmöglichkeit
Lit.: Stoll, H., Die Lehre von den Leistungsstörungen,
1936; Würthwein, S., Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990;
Sessler, A., Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1994; Süß-Hoffmann, E., Das
BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im nationalsozialistischen Sinne,
Diss. jur. Mannheim 2000
Leistungsverwaltung ist
die in der Erbringung von Leistungen bestehende Verwaltung im Gegensatz zur
Eingriffsverwaltung. Die L. tritt im 19. Jh. hervor (Wasser, Gas, Strom,
Müllabfuhr, Verkehr).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Forsthoff,
E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Deutsche Verwaltungsgeschichte,
hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Kommunale Leistungsverwaltung und
Stadtentwicklung, hg. v. Blotevogel, H., 1990; Die Stadt als
Dienstleistungszentrum, hg. v. Reulecke, J., 1992; Fischer, A., Kommunale
Leistungsverwaltung im 19. Jahrhundert, 1995; Heider, M., Die Konzessionsverträge
der Stadt Lüdenscheid, 2005
Leitkauf ist der im
Hochmittelalter sichtbare, unter Gelöbnistrunk erfolgende Kauf, der die
Beteiligten bis zur nachfolgenden Erfüllung bindet.
Lit.: Hübner
Lemberg
Lit.: Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Lentze, Hans
(Lauban 14. 3. 1909-Wien 24. 3. 1970), protestantischer Bürgerssohn, wird nach
dem Studium des Rechts in Göttingen, Bonn und Breslau und der Theologie Prämonstratenser
(1939), 1947 in Innsbruck habilitiert, 1952 außerordentlicher Professor in
Innsbruck und 1954 Professor für Rechtsgeschichte (1958 ordentlicher
Professor) in Wien.
Lit.: Festschrift für Hans Lentze, hg.
v. Grass, N. u. a., 1969
Leoben
Lit.:
Schillinger-Prassl, C., Die Rechtsquellen der Stadt Leoben, 1997
Leobschütz in Mähren an der Grenze zu Polen
ist eine im Mittelalter als Oberhof einer Stadtrechtsfamilie wirkende Stadt, in
der 1420/1421 eine Prachthandschrift eines Leobschützer Rechtsbuchs mit
Privilegien, Bestätigungen, Leobschützer Willkürrecht und einem Meißener
Rechtsbuch in fünf Büchern in ostmitteldeutscher Sprache hergestellt wird.
Lit.: Das Leobschützer
Rechtsbuch, bearb. v. Roth, G., hg. v. Irganng, W., 2006
Leodis (lat.-afrk.), leudis, ist im fränkischen Frühmittelalter der Freie bzw. sein Wergeld.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Mayer, E., Leudes –
curiales, ZRG GA 36 (1915), 438; Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und
frankolateinische Bezeichnungen für soziale Schichten und Gruppen, Nachr. d.
Akad. d. Wiss. Göttingen phil.-hist. Kl. 1972, Nr. 4, 240
León ist ein 912
durch Abspaltung von Asturien entstehendes Königreich, zu dem 914 Galicien und
924 Asturien zurückkehren. 1037 bzw. 1230 wird Kastilien mit L. vereinigt.
Lit.: Reilly, B., The kingdom of León-Castilla under king
Alfonso VII (1126-1157), 1998
Les Tenures ist eine 1481
von Sir Thomas → Littleton veröffentlichte, 1628 von Edward → Coke
kommentierte Darstellung des Lehnrechts und damit auch des Liegenschaftsrechts
des englischen Rechts.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Lettland ist das
seit dem 9. Jh. (?) von baltischen Letten besiedelte Gebiet an der unteren
Düna, das im 13. Jh. unter deutschen Einfluss gerät. 1561 kommt es teils unmittelbar,
teils lehnsrechtlich zu Polen, 1810 an Russland. 1864 entsteht ein von Bunge
nach dem Vorbild des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuches geschaffenes
Gesetzbuch für die Ostseeprovinzen. 1918 bildet sich ein unabhängiges L., das
1934/1937 unter (trotz Abkehr von einem individualistisch ausgerichteten
Privatrecht und Hinwendung zu einem stärker gemeinschaftsbezogenen sozialen
Recht) inhaltlicher Wahrung des vorhergehenden, zu mehr als der Hälfte römisch
geprägten Provinzialrechts des Ostseegouvernements Russlands von 1864 (rund
4600 Bestimmungen) ein Zivilgesetzbuch mit rund 2400 Paragraphen erlässt (und
1938 durch ein Grundbuchgesetz ergänz), wenig später (5. 8. 1940) von der
Sowjetunion einverleibt, aber am 6. 9. 1991 wieder freigegeben wird. Ab 1992
wird das lettländische Zivilgesetzbuch von 1937 mit Änderungen nach und nach
wieder in Kraftgesetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift
für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein Lettlands u. a.
Faksimileausgabe 2003; Schwabe, A., Grundriss
der Agrargeschichte Lettlands, 1928; Lettlands Zivilgesetzbuch vom 28. Januar
1937, hg. v. Herderinstitut zu Riga, 1938; Noltein, E. v., Die
rechtsgeschichtlichen Grundlagen der lettischen Agrarreform vom 16. September
1920, Diss. jur. München 1959; Von den baltischen Provinzen zu den
baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das Baltikum,
2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997; Ludwig, K.,
Lettland, 2000; Wohlfahrt, K., Der Rigaer Letten-Verein, 2006; Donnert, E.,
Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008; Schwartz, P., Das
lettländische Zivilgesetzbuch vom 28. Januar 1937, 2008
Lettre (F.) de cachet ist in
Frankreich in der frühen Neuzeit der von einem Staatssekretär gegengezeichnete
königliche Brief, der vielfach einem politisch unerwünschten Menschen befiehlt,
sich in ein Staatsgefängnis oder in die Verbannung zu begeben. →
Haftbefehl
Lit.: Hertz, E., Voltaire und die französische
Strafrechtspflege im 18. Jahrhundert, 1887
Letzter Wille ist der im →
Testament geäußerte Wille, welche Rechtsfolge am Vermögen des Erblassers
eintreten soll.
Leu, Johann Jakob (Zürich 1689-1768),
Bürgerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg 1759 Bürgermeister in
Zürich. Das eidgenössische Stadt- und Landrecht (Bd. 1ff. 1727) stellt das
Schweizer Privatrecht dar, ein 20-bändiges Allgemeines helvetisches ....
Lexikon (1747ff.) das damalige Gesamtwissen.
Lit.: Soliva, C., Das eidgenössische Stadt- und Landrecht
des Zürcher Bürgermeisters Johann Jakob Leu, 1969; Vogt, M., Johan Jakob Leu,
1976
leudes →
leodis
Leumund ist der Ruf
eines Menschen. Wer einen schlechten L. hat (z. B. landschädliche Leute), ist
im Mittelalter vom Reinigungseid ausgeschlossen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 346
Leutkircher Heide
ist ein Gebiet in Oberschwaben, für das ein kaiserliches Landgericht für Freie
von 1348 bis 1802 bezeugt ist.
Lit.: Gut, M., Das ehemalige kaiserliche Landgericht auf
der Leutkircher Heide, Diss. jur. Tübingen 1909; Diehl, A., Die Freien auf
Leutkircher Heide, Zs. f. württ. LG. 1940, 257; Feine, H., Kaiserliche
Landgerichte in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148; Kegel-Schorer, C. de, Die
Freien auf Leutkircher Heide, 2007
Leviathan (hebr. [Sb.]
gewundenes Tier?) ist eine alttestamentliche Bezeichnung für Drachen, Krokodil
und Ägypten, die Thomas → Hobbes 1651 als Buchtitel einer Staatsdarstellung
verwendet.
Lit.: Schmitt, C., Der Leviathan in der
Staatslehre des Thomas Hobbes, 1938; Kohl, W./Stolleis, M., Im Bauch des
Leviathan, NJW 1988, 2849
Levy, Ernst (Berlin
23. 12. 1881-Davis 14. 9. 1968), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Freiburg im Breisgau und Berlin Amtsrichter und 1919 Professor in Frankfurt am
Main, 1922 in Freiburg im Breisgau und 1928 in Heidelberg. 1936 muss er
emigrieren, kehrt aber von 1945 bis 1966 nach Europa zurück. Er erforscht das
spätrömische Vulgarrecht Westroms.
Lit.: Levy, E., Zum Wesen des weströmischen Vulgarrechts,
1935; Levy, E., West Roman Vulgar Law: The Law of Property, 1951; Levy, E.,
Weströmisches Vulgarrecht: Das Obligationsrecht, 1956; Levy, E., Gesammelte
Schriften, 1963; Kunkel, W., Ernst Levy zum Gedächtnis, ZRG RA 86 (1969), XIII;
Ernst Levy und Wolfgang Kunkel, Briefwechsel 1922-1968, hg. v. Mußgnug, D.,
2005
Lex (lat. [F.],
Pl. leges) ist im römischen Recht das Gesetz (z. B. [lat.]
lex duodecim tabularum [Zwölftafelgesetz] usw.). Für die Zeit von etwa 510 v.
Chr. bis etwa 100 n. Chr. lassen sich rund 800 einzelne römische leges (publicae)
(Gesetze) ermitteln, die grundsätzlich nach dem Antragsteller benannt sind.
Daneben können als (lat. [F.]) lex privata ein Vertrag, eine Satzung oder eine
Hausordnung geschaffen werden. Im spätrömischen Recht wird der Ausdruck (lat. [N.])
ius (Recht) wegen der überragenden Bedeutung der kaiserlichen Gesetzgebung in
erheblichem Umfang durch l. verdrängt, so dass l. bald auch zur Benennung des
Rechtes insgesamt wird. Deswegen bezeichnen l. und (lat. [N.])
ius im Frühmittelalter eine objektive, ständigen Veränderungen unterliegende
Ordnung (Stammesrecht, Volksrecht). Seit dem 12. Jh. kehrt l. zur
ursprünglichen Bedeutung (Gesetz) zurück.
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 14, 15; Köbler, LAW; Balon,
J., Ius medii aevi 2 Lex iurisdictio, 1960; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968;
Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Bleicken, J., Lex publica, 1978;
Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Münsch, O., Der liber legum des Lupus
von Ferrières, 2001
Lex Aebutia ist das
römische Gesetz der ersten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr., das vermutlich die
(lat.) legis actio (F.) per condictionem durch die zum Formularverfahren
gehörige (lat.) condictio ersetzt.
Lit.: Kaser § 80 II 4b; Söllner § 9; Köbler, DRG 33
Lex Aelia Sentia ist das römische Gesetz des
Jahres 4 n. Chr., das die Freilassung an bestimmte Voraussetzungen knüpft.
Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex aeterna (ewiges Recht)
ist das von Augustin (354-430) auf Gott zurückgeführte Recht, das der Mensch
als Naturrecht (lat. lex [F.] naturalis) erkennen kann.
Lit.: Köbler, DRG 145; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Lex Alamannorum ist das
(nach dem Pactus Alamannorum) zwischen 712 und 725 aufgezeichnete, in 50
Handschriften überlieferte Volksrecht der → Alemannen. Die L. A. gliedert
sich in Kirchensachen, Herzogssachen und Volkssachen. Sie ist stark kirchlich
beeinflusst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81: Leges Alamannorum,
hg. v. Lehmann, K., 1888; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F.,
Die süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Beyerle, F., Die beiden
süddeutschen Stammesrechte, ZRG 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Rivers, T., The Legal Status of
Freewomen in the Lex Alamannorum, ZRG GA 91 (1974), 175; Köbler, G., Die Freien
im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v.
Schott, C., 1978; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und
Baiwariorum, 1979; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99
(1982), 298; Siems, H., Zu Problemen der Bewertung frühmittelalterliccher
Rechtstexte, ZTG GA 106 (1989), 291; Lex Alamannorum, hg. v. Schott, C., 1993
Lex Anastasiana ist das Gesetz des
römischen Kaisers Anastasius (491-510), das dem Zessionar verbietet, eine gekaufte Forderung zu einem Preis über dem Kaufpreis geltend zu
machen. Ihr ist nicht in das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1809), das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863) oder das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen
Reiches aufgenommen und in einzelnen Staaten des Deutschen
Bundes durch Gesetz ausgeschlossen (Großherzogtum Hessen 1827, Württemberg 1828, Frankfurt am Main 1829,
Kurfürstentum Hessen 1840, Nassau 1841, Hannover 1864, vgl. auch Art. 299 ADHGB
1861).
Lit.:
Rennpferdt, M., Lex Anastasiana, 1991; Beaucamp, E., Die Lex Anastasiana von Thomasius zum BGB, 1994
Lex Angliorum et Werinorum → Lex Thuringorum
Lit.:
Liebermann, F., Zur Lex Angliorum, ZRG GA 15 (1894), 174
Lex Apuleia ist das
römische Gesetz, das dem mehr leistenden von mehreren Bürgen einen
Ausgleichsanspruch gegen die übrigen gewährt.
Lit.: Kaser § 57 II 2a
Lex Aquilia de damno ist
das (um) 286 v. Chr. als Plebiszit erlassene, drei Kapitel umfassende römische
Gesetz über den Schaden. Danach ist die rechtswidrige (lat. iniuria)
(vorsätzliche oder fahrlässige) Tötung fremder Sklaven und vierfüßiger
Herdentiere seitens des Täters - nicht mehr wie noch im Zwölftafelgesetz durch
einen vorgegebenen Betrag, sondern - durch ihren höchsten Wert des letzten
Jahres, die sonstige Schädigung von Vermögensgütern durch Brennen, Brechen,
Reißen durch ihren höchsten Wert der letzten 30 Tage - bei Bestreiten jeweils
doppelt - auszugleichen. Die l. A. wird seit dem Spätmittelalter in
vereinfachter Form im Heiligen römischen Reich aufgenommen und bildet die
Grundlage des Rechtes der unerlaubten Handlungen (Delikte) bis zur Gegenwart.
Lit.: Kaser §§ 15 I 1, 36 II 2, 51 II, 57 I; Söllner § 8;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 31, 48, 65, 166, 216; König, R., Das allgemeine
Schadensersatzrecht im Mittelalter im Anschluss an die lex Aquilia, 1954;
Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958;
Lübtow, U. v., Untersuchungen zur lex Aquilia, 1971; Hausmaninger, H., Das
Schadenersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1996; Schebitz, B., Berechnung des
Ersatzes nach der lex Aquilia, Diss. jur. Berlin 1988; Bilstein, R., Das deliktische
Schadensersatzrecht der lex Aquilia in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,
1994
Lex Arcadia ist das
römische Gesetz des Jahres 397, das die Ehrverletzung der Amtsträger mit
verstärkter Straffolge bedroht.
Lit.: Köbler, DRG 56
Lex Atilia ist das römische
Gesetz des Jahres 210 v. Chr., das die Bestellung des Vormundes durch
Magistrate ermöglicht.
Lit.: Kaser §§ 62 II 3, 63 3c; Köbler, DRG 36
Lex Atinia ist das
römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das gestohlene Sachen von der Ersitzung
durch jeden weiteren Erwerber ausschließt, bis sie zum Eigentümer zurückkehrt.
Lit.: Kaser § 25 I 2b, IIa; Söllner § 8
Lex Baiwariorum ist das
vielleicht ([nach Hermann Nehlsen] vor 643 oder) um 743 aufgezeichnete, in mehr
als 30 Handschriften überlieferte Volksrecht der → Bayern, das
auffälligerweise enge Verwandschaft zum westgotischen (lat.) Codex (M.)
Euricianus (wörtliche Übernahmen in überzeugender Art und Weise) und zur (lat.)
lex (F.) Alamannorum (sachliche Übereinstimmungen möglicherweise auf Grund
einer gemeinsamen älteren Vorlage) aufweist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Kralik, D., Die
deutschen Bestandteile der lex Baiwariorum, NA 38 (1913), 13, 401, 581; Krusch,
B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Lex Baiwariorum, hg. v. Schwind, E. Frhr. v.,
1926, Neudruck 1999; Lex Baiuvariorum – Lichtdruckwiedergabe der Ingolstädter
Handschrift, hg. v. Beyerle, K., 1926; Beyerle, F., Die süddeutschen Leges, ZRG
GA 49 (1929), 264; Zeller, F., Das Verhältnis der Lex Bajuvariorum zum späteren
bayerischen Recht, Diss. jur. München 1941; Beyerle, F., Die beiden
süddeutschen Stammesrechte, ZRG GA 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Kobler, M., Stammesrecht und
Stammesherrschaft, Habilschr. München 1967 (masch.schr.); Krause, H., Die
liberi der lex Baiwariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Gastroph, H., Herrschaft
und Gesellschaft in der Lex Baiuvariorum, 1969; Köbler, G., Die Begründungen
der lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69: Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und Baiwariorum, 1979;
Fastrich-Sutty, I., Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex
Baiuvariorum, 2002
Lex Burgundionum (lex
Gundobada) ist das im frühen 6. Jh. (von König Sigismund am 29. 3. 517?)
aufgezeichnete (, in 14 Handschriften überlieferte) Volksrecht der →
Burgunder, dessen Grundlage ein von König Gundobad um 500 erlassener (lat.)
liber (M.) constitutionum (Buch der Konstitutionen) bildet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Leges
Burgundionum, hg. v. Salis, R., 1892; Mitteis, L., Eine neue Handschrift der
Lex Burgundionum, ZRG GA 34 (1913), 407; Gesetze der Burgunden, hg. v. Beyerle,
F., 1938; Baesecke, G., Das Verhältnis der Handschriften der Lex Gundobada, ZRG
GA 59 (1939), 233; Rüegger, H., Einflüsse des römischen Rechts in der Lex
Burgundionum, Diss. jur. Bern 1949; Amira, K.v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 33; Beyerle, F., Zur Textgestalt und Textgeschichte
der Lex Burgundionum, ZRG GA 71 (1954), 23; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu
den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und Frisionum, 1979
Lex Cincia de donis et muneribus ist das römische Gesetz (lat. plebiscitum [N.])
des Jahres 204 v. Chr., das es grundsätzlich verbietet, Schenkungen über einen
bestimmten Höchstwert hinaus anzunehmen.
Lit.: Kaser §§ 9 47 II 1
Lex commissoria ist im
römischen Recht die Verfallsabrede beim Pfand (im Fall der Nichtzahlung der
Schuld), die Kaiser Konstantin (306-337) verbietet, und die Nebenabrede des
Rücktritts vom Kaufvertrag und der Rückforderung des Kaufgegenstands beim Kauf
für den Fall, dass der Preis nicht rechtzeitig bezahlt wird.
Lit.: Kaser § 41 VII; Köbler, DRG 62; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932
lex contractus (lat. [F.] Gesetz des Vertrags) durch Vertrag (wie durch ein Gesetz) verbindlich festgelegter
Inhalt
Lex Cornelia de sicariis et veneficis ist das unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene römische Gesetz gegen Gewaltverbrechen.
Lit.: Köbler, DRG 35
Lex Cornelia testamentaria nummaria ist das römische, unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene
Gesetz gegen Fälschung von Testamenten und Münzen.
Lit.: Köbler, DRG 35
Lex duodecim tabularum (lat. [F.]) Zwölftafelgesetz
(451/450 v. Chr.)
Lex Emminger ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich Emminger (1880-1951) benannte Vereinfachung des deutschen Verfahrensrechts (Verordnung vom 4. 1. 1924, Verordnung vom 13. 2. 1924).
Lit.: Köbler, DRG 234; Vormbaum, T., Die
Lex Emminger vom 24. 1. 1924, 1988
Lex Falcidia ist das
römische Gesetz des Jahres 40 v. Chr., das dem Erben wenigstens ein Viertel der
Erbschaft (lat. quarta [F.] Falcidia, falzidisches Viertel) durch Nichtigkeit und
anteilige Kürzung vor der Verfügung durch Vermächtnisse sichert.
Lit.: Kaser §§ 76 V 2, 79 I 2b; Söllner
§ 15; Köbler, DRG 39, 60; Schanbacher, D., Ratio legis Falcidiae, 1995
lex familiae →
Hofrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Lex Francorum Chamavorum
(ewa Chamavorum) ist das wohl 802 aufgezeichnete, in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte
Volksrecht des fränkischen Teilstammes der Chamaven (im Hamaland bei Zutphen).
Lit.: Lex Francorum Chamavorum, hg. v. Sohm, R., 1883;
Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, 42; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den
Leges Francorum, 1979
Lex Frisionum ist das wohl
802 (als Vorarbeit?) aufgezeichnete, nur durch einen Druck Johannes Herolds
(Basel 1557) überlieferte Volksrecht der → Friesen, das in 22 Titel und
eine (lat.) Additio (F.) sapientium (Zusatz der Weisen eines Wlemar und
Saxmund) zerfällt und in mittelfriesisches Recht, ostfriesisches und
westfriesiches Recht gegliedert gewesen zu sein scheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Lex Frisionum, hg.
v. Richthofen, K. Frhr. v., 1863; Bewer, R., Die Totschlagssühne in der Lex
Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Jaekel, H., Die Entstehung der Lex Frisionum,
ZRG GA 46 (1926), 1; Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927
(besprochen von Schwerin, C. Frhr. v., ZRG GA 49 [1929], 481); Amira,
K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 9; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und
Frisionum, 1978; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980; Lex Frisionum, hg.
und übersetzt v. Eckhardt, K. u. a. 1982
Lex Fufia Caninia ist das
römische Gesetz des Jahres 2 v. Chr., das die Freilassung beschränkt.
Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex Furia ist das römische
Gesetz der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das in Italien die Haftung von
Bürgen einengt.
Lit.: Kaser § 57 II 2a
Lex Gundobada → Lex Burgundionum
Lex Hortensia ist das
römische Gesetz des Jahres 287 v. Chr., das den Entscheidungen der
Plebsversammlung Gesetzeskraft gibt.
Lit.: Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 8
Lexikon ist das
meist alphabetisch oder systematisch geordnete Wörterbuch. Es findet sich
bereits im griechischen Altertum. Rechtskenntnisse vermitteln etwa die rund
7000 Begriffe umfassenden 20 Bücher Etymologien des Bischofs Isidor von Sevilla
(† 636), die ungedruckte (lat.) tabula (F.) utriusque iuris des Johannes von
Erfurt, der (lat.) Vocabularius (M.) iuris utriusque des Jodocus (1452), (lat.)
De copia verborum et rerum in iure civili Oldendorps (1542) oder das von Julius
Weiske herausgegebene 15bändige Rechtslexikon (1839ff.).
Lit.: Köbler, G., Lexikon, (in) HRG Bd. 2 1978, 1979;
Murmellius, J., Pappa, 1513ff., Neudruck 2006; Zedler, J., Großes vollständiges
Universallexikon, Bd. 1ff. 1732ff., Neudruck 1961ff.; Heumann, G./Seckel, E.,
Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958; Haberkern, E./Wallach,
J., Hilfswörterbuch für Historiker, 2. A. 1964; Wörterbücher, hg. v. Hausmann,
F. u. a., Bd. 1ff. 1989; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 1978, 13. A.
2004, 14. A. 2007; Weijers, O., Dictionnaires et répertoires au moyen âge,
1991; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Bierbach, M.,
Grundzüge humanistischer Lexikographie, 1997; Lexicon Juridicum
Romano-Teutonicum, hg. v. Oberländer, S. (, 4. Aufl. 1753, Neudruck 2000), hg.
v. Polley, R., 2000; Schlaefer, M., Lexikologie und Lexikographie, 2002;
Lexikologie, hg. v. Cruse, D. u. a., 2002; Wissenschaftliche Lexikographie im
deutschsprachigen Raum, hg. v. Städtler, T., 2003
lex imperfecta (lat. [F.])
unvollkommenes Gesetz
Lex Julia de adulteriis (julisches Gesetz über Ehebrüche)
Lex Iulia de maritandis ordinibus (julisches Gesetz über die zu verheiratenden Stände) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das Ehegebote und Eheverbote schafft.
Lit.: Kaser § 58 IV 8; Söllner § 14; Köbler, DRG §6
Lex Iulia de dote fundali
(julisches Gesetz über die Grundstücksmitgift) ist das römische Gesetz des
Jahres 18 v. Chr., das die Veräußerung eines Mitgiftgrundstücks durch den
Ehemann ohne Zustimmung der Frau verbietet.
Lit.: Kaser § 59 II 5; Köbler, DRG 37
Lex Iulia iudiciorum privatorum (julisches Gesetz über die privaten Gerichte) ist das
römische Gesetz des Jahres 17 v. Chr., das die einzelnen →
Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste zugunsten des →
Formularverfahrens abschafft.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 III
2; Köbler, DRG 32
Lex Iulia iudiciorum publicorum (julisches Gesetz über die öffentlichen Gerichte) ist das
römische Gesetz des Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.), das für die meisten
Verbrechen öffentliche Gerichte schafft und damit das altrömische magistratisch-komitiale
Verfahren weitgehend aufgibt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12 IV
4; Köbler, DRG 34
Lex Laetoria ist das
römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das den noch nicht 25jährigen (minor XXV
annis „Minderjährigen“) (nicht durch Nichtigkeit des betreffenden Geschäfts,
aber doch) durch (Klagansprüche und) Einreden gegen den schützt, der ihn
übervorteilt.
Lit.: Kaser § 14 II 3a
Lex Langobardorum ist das
hauptsächlich durch die Königsgesetze der Langobarden bekannte Volksrecht der →
Langobarden. → Leges Langobardorum
Lex legum ist die
vielleicht im 9. oder 10. Jh. in Süditalien entstandene kleine Zusammenstellung
von Ausschnitten aus dem Edictum Theoderici, dem Codex Justinianus, der Lex
Visigothorum und dem langobardischen Recht.
Lit.: Conrat, M., Die lex legum breviter
facta, ZRG GA 10 (1889), 230
Lex Licinia ist das
römische Gesetz des Jahres 367 v. Chr., das Plebejer als Konsuln zulässt.
Lit.: Kaser §§ 23, 81; Köbler, DRG 18
Lex Licinnia ist das
römische Gesetz, das den Gemeinschaftsteilungsklageanspruch eröffnet.
Lit.: Kaser §§ 23 IV 2, 81 II 2; Köbler, DRG 25
Lex mercatoria
Lit.: Meyer, R., Bona
fides und lex mercatoria, 1994; Scherner, K., Lex mercatoria, ZRG GA 118
(2001), 148; Cordes, A., Auf der Suche nach der Rechtswirklichkeit der
mittelalterlichen lex mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 168
lex minus quam perfecta (lat. [F.]) weniger als vollkommenes Gesetz (z. B. lex Laetoria)
Lex Miquel/Lasker ist das von den Abgeordneten Miquel und Lasker bewirkte Gesetz des Deutschen Reiches, das 1873 dem Reich die Zuständigkeit für die Gesetzgebung im Bereich des bürgerlichen Rechts gewährt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Lex naturalis (Naturrecht)
ist das Naturrecht, durch das der Mensch das auf Gott zurückgeführte ewige
Recht (lat. lex [F.] aeterna) erkennen kann.
Lit.: Köbler, DRG 145, Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Lex Ogulnia ist das
altrömische Gesetz, das den Plebejern die Priesterämter eröffnet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 15 VI
2; Köbler, DRG 18
Lex Papia Poppaea (9. n. Chr.)
ist das römische Gesetz unter Augustus über eherechtliche und erbrechtliche
Fragen.
Lit.: Kaser §§ 58 IV 8, 71 II 1, 76 III 1; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex Poetelia ist das
römische Gesetz des Jahres 326, nach dem der Gläubiger den Schuldner als
Schuldknecht die Schuld abarbeiten lassen kann.
Lit.: Kaser §§ 39 I1, 81 III 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 20
Lex posterior derogat legi priori (lat.). Ein späteres Gesetz hebt ein früheres auf.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Modestin, um 190-um 250, Digesten 1, 4, 4)
lex perfecta (lat. [F.]) vollkommenes,
Nichtigkeit vorsehendes Gesetz (z.
B. lex Voconia)
Lex publica ist im römischen Recht das (öffentliche) Gesetz (im Gegensatz zur privaten Vereinbarung).
Lit.: Bleicken, J., Lex publica, 1978
lex regia (königliches
Gesetz)
Lex Rhodia de iactu
(rhodisches Recht über den Seewurf) ist die im hellenistischen Bereich schon im
Altertum verbreitete Regelung, dass der Schiffer, der in Seenot Waren eines
Befrachters opfert, dem Befrachter zu einem Ausgleich verpflichtet ist. →
Haverei
Lit.: Kaser § 42 IV 4; Wesener, G., Von der lex Rhodia de
iactu zum § 1043 ABGB, FS J. Bärmann, 1975, 36; Letsios, D., Nomos Rhodion
nautikos, 1996; Ullmann, E., Der Verlust von Fracht und Schiff, FS H. Piper,
1996, 1049
Lex Ribvaria ist das in
Vorformen wohl im 7. Jh. (584-629?, 623-639) und in den überlieferten Formen
seit 763/764 aufgezeichnete Volksrecht des um Köln im Gebiet Ribvaria
(Ripuaria, Uferland) sitzenden Teils der Franken bzw. des um Köln siedelnden
fränkischen Teilstammes der Ribvarier (Ripuarier).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Krusch, B., Die
Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F., Die Lex Ribuaria, ZRG GA 48 (1928), 264;
Beyerle, F., Das Gesetzbuch Ribvariens, ZRG GA 55 (1935), 1; Lex Ribvaria, hg.
v. Beyerle, F. u. a., 1954; Buchner, R., Zu Text und Handschriftenbaum der Lex
Ribvaria, ZRG GA 80 (1963), 306; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges
Francorum, 1979; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988
Lex Romana Burgundionum
ist die durch vier Handschriften überlieferte, 47 Titel mit 176 Bestimmungen
umfassende Zusammenstellung von Stücken aus dem → Codex Gregorianus, →
Codex Hermogenianus, → Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen,
Paulussentenzen und einem nicht sicher zu ermittelnden Werk des Gaius. Sie wird
entweder König Gundobad († 516) oder König Sigismund zugeordnet.
Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Lex Romana Burgundionum, hg. v.
Salis, L. v., 1892, 123; Roels, W., Onderzoek naar het gebruik, 1958; Chevrier,
G./Piéri, G., La loi romaine des Bourgondes, Ius Romaum medii aevi I, 2b, aa,
1969; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995
Lex Romana canonice compta
ist die in Norditalien um die Mitte des 9. Jh.s entstandene Sammlung römischen
Rechts (Institutionen, Codex Justinians, Epitome Iuliani) zu kirchlichem
Gebrauch mit 324 Kapiteln.
Lit.: Mor, C., Lex Romana canonice compta, 1927
Lex Romana Curiensis (oder
Lex Romana Raetica Curiensis oder früher auch Lex Romana Utinensis) ist die in
drei Handschriften überlieferte, wohl in Rätien im 8. Jh. (vor 765?)
entstandene private Kurzfassung der → Lex Romana Visigothorum (→
Breviarium Alarici).
Lit.: Köbler, DRG 81; Schupfer, F., La legge Romana
Udinese, 1881; Schupfer, F., Nuovi studi sulla legge Romana Udinese, 1882;
Wagner, R., Zur Frage nach der Entstehung, ZRG GA 4 (1883), 54; Salis, L. v.,
Lex Romana Curiensis, ZRG GA 6 (1885), 141; Zeumer, K., Über Heimat und Alter
der Lex Romana raetica Curiensis, ZRG GA 9 (1888), 1; Die Lex Romana Curiensis,
hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Meyer-Marthaler, E., Römisches Recht in
Rätien, Beiheft ZSG 13 (1968), 43; Meyer-Marthaler, E., Fränkisches Recht in
der Lex Romana Curiensis, Der Geschichtsfreund 1972, 169
Lex Romana Visigothorum
(Breviarium Alarici) ist die um 506 durch den westgotischen König Alarich II.
veranlasste Sammlung römischen Rechts mit Auszügen aus dem Codex Theodosianus,
posttheodosianischen Novellen, den Institutionen des Gaius, den
Paulussentenzen, dem Codex Gregorianus und dem Codex Hermogenianus, wobei den
meisten Texten eine wohl im 5. Jh. entstandene, vereinfachende Erklärung (lat. [F.]
interpretatio) hinzugefügt ist. Die L.R.V. gilt in Südfrankreich trotz ihrer Aufhebung
durch den westgotischen König Rekkesvind (654) bis in das 12. Jh. (für die
römische Bevölkerung) und wird Grundlage des droit écrit.
Lit.: Söllner § 20; Köbler, DRG 53, 80, 82; Lex Romana
Visigothorum, hg. v. Haenel, G., 1849, Neudruck 1962; Müller, K., Eine neue
Handschrift der Lex Romana Visigothorum, ZRG GA 57 (1937), 429; Gaudemet, J.,
Le Bréviaire d'Alaric et le Epitome, (in) Ius Romanum medii aevi I, 2b, aa,
1965; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972, 93
Lex Salica ist das
vielleicht auf Grund antiker formaler Vorbilder 507-511 in 65 Titeln (lat.
Pactus [M.] legis Salicae) erstmals aufgezeichnete Volksrecht des
salischen Teilstammes der → Franken (Salfranken). Diese älteste Fassung
besteht aus Texten im Weistumsstil (Bußweistümern) und Texten im Konstitutionenstil
(Gesetzen). Sie enthält eine Reihe von altfränkischen, aber nur noch teilweise
verständlichen Wörtern (→ malbergische Glossen). Sie wird bis etwa 800
mehrfach überarbeitet und ergänzt, so dass sich insgesamt 8 überlieferte
Fassungen unterscheiden lassen. Die älteste erhaltene Handschrift wird auf
751-68 datiert. Inhaltlich ist das → Kompositionensystem sehr kasuistisch
behandelt. Am Ende werden vielfach jüngere Teilstücke kapitularienartig
angefügt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 80; Zycha, A., Zur
Auslegung des Titels 37, ZRG GA 21 (1901), 155; Fehr, H., Über den Titel 58,
ZRG GA 27 (1906), 151; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica und des
Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Rietschel, S. Die
Entstehungszeit der Lex Salica, ZRG GA 30 (1909), 117; Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910;
Krammer, M., Die ursprüngliche Gestalt und Bedeutung der Titel De filtorto und
De vestigio minando, ZRG GA 36 (1915), 336; Pétrau-Gay, J., La notion de „lex“
dans la coutume salienne, 1920; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge
der merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Beyerle, F., Über Normtypen und
Erweiterungen der Lex Salica, ZRG GA 44 (1924), 216; Claußen, C., Die
Beziehungen der Lex Salica zu den Volksrechten der Alemannen, Bayern und
Ribuarier, ZRG GA 56 (1936), 349; Pétrau-Gay, J., La „Laghsaga“ salienne, Revue
historique de droit français et étranger 14 (1935), 54, 252; Lex Salica,
100-Titel-Text, hg. v. Eckhardt, K., 1953; Schmidt-Wiegand, R., Die kritische
Ausgabe der Lex Salica – noch immer ein Problerm?, ZRG GA 76 (1959), 301;
Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962; Schmidt-Wiegand, R., Das
fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie,
ZRG GA 84 (1967), 275; Gutenbrunner, S., Über salfränkisch atōmiu und
altnordisch tómr, Rechtssprache und Bauterminologie, ZRG GA 85 (1968), 189; Lex
Salica, hg. v. Eckhardt, K., 1969; Roll, H., Zur Geschichte der Lex
Salica-Forschung, 1972; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979; Schmidt-Wiegand, R.,
Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Simone, G., LS v. LF. La tradizione frammentaria in antico alto tedesco della
Lex Salica, 1991
Lex Saxonum ist das in
zwei Handschriften (und zwei Drucken Johannes Herolds 1557 bzw. Tilius’ 1573)
überlieferte, vielleicht 802 aufgezeichnete, durch die sog. (lat.) → Capitulatio
(F.) de partibus Saxoniae (782/785) und das (lat.) → Capitulare (N.) Saxonicum (797?) ergänzte Volksrecht der von den Franken
besiegten → Sachsen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Schwerin, C. Frhr.
v., Zu den Leges Saxonum, ZRG GA 33 (1912), 390; Leges Saxonum und Lex
Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918; Lintzel, M., Die Entstehung
der Lex Saxonum, ZRG GA 47 (1927), 130; Theuerkauf, G., Lex, speculum,
compendium juris, 1968; Landwehr, G., Die Liten, Gedächtnisschrift W. Ebel,
1982, 117
Lex Scribonia ist das
römische Gesetz der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das zur Sicherung der
Freiheit des Eigentümers die Ersitzung einer → Dienstbarkeit (Servitut)
durch (lat. [F.]) usucapio (Ersitzung nach strengen Regeln) ausschließt.
Lit.: Kaser § 28 II 1b
lex temporalis (zeitliches, weltliches Recht)
im Gegensatz zur lex aeterna
Lex Thuringorum (Lex Angliorum et Werinorum) ist das durch eine Corveyer Handschrift (und einen Druck Herolds [1557]) überlieferte, wohl 802 aufgezeichnete Volksrecht der → Thüringer (Angeln und Warnen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Leges Saxonum et
Lex Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918, 51; Landau, P., Die Lex
Thuringorum, ZRG GA 118 (2001), 23
Lex Visigothorum ist das
Volksrecht der → Westgoten. Seine älteste Fassung ist der (lat.) →
Codex (M.) Euricianus (475/476?, Kapitel 276-336 erhalten). Die L. V. wird nach
der Abwanderung der Westgoten von Gallien nach Spanien unter den Königen
Leovigild (568-586, nicht überliefert), Rekkesvind (654, 2 Handschriften, 12
Bücher) und Ervig (681) überarbeitet und erweitert. Die L.V. weist römischen
und christlichen Einfluss auf. Sie wird bis in das 13. Jh. benutzt. →
Fuero, Fuero Juzgo
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Menhardt, H., Ein
Bruchstück der Lex Visigothorum, ZRG GA 46 (1926), 360; Müller, H., Das
Strafrecht der Lex Visigothorum, 1955; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Fastrich-Sutty, I.,
Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum, 2002
lex Voconia ist das römische
Gesetz des Jahres 169 v. Chr., das die Erbeinsetzung von Frauen wohl zum Schutz
großer Vermögen (zeitweise) beschränkt.
Lit.: Kaser §§ 66 II 1, 68 III 3
Leyes de Toro (Gesetze von
Toro) sind die spanische Rechtsquelle des 16. Jh.s (1565), die Zweifelsfragen
bei der Auslegung des (span. [M.]) → Fuero Real und der (span. [ F.Pl.])
→ Siete Partidas klärt und in Kastilien bis zum Codigo civil von
1888/1889 gilt. Die L. d. T. werden von Antonio Gómez (nach 1500-vor 1572)
kommentiert.
Lit.: Peréz Martín, A./Scholz, J.,
Legislacíon y jurisprudencia en la España del antigua régimen, 1978
Leyser, Augustin
(Wittenberg 18. 1. 1683-3. 5. 1752) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg
und Halle (Stryk, Thomasius) 1707 außerordentlicher Professor in Wittenberg,
1712 ordentlicher Professor in Helmstedt und 1729 in Wittenberg. Seine elf
Bände (lat.) Meditationes (F.Pl.) ad Pandectas (1713ff., Überlegungen zu den
Pandekten), die mehr als 700 Studien zu mehreren tausend Urteilen und Sprüchen
wiedergeben, erweisen ihn als Vertreter des → usus modernus. In einem
Kurs von 18 Monaten Dauer trägt er (täglich zweistündig) das gesamte Recht vor.
Lit.: Köbler, DRG 144; Luig, K., Richterkönigtum und
Kadijurisprudenz, (in) Das Profil des Juristen, hg. v. Luig, K. u. a., 1980, 295
Libell (N.)
Büchlein, Schrift (z. B. Klaglibell)
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155
Libellarvertrag (lat.
contractus [M.] libellarius) ist ein in Italien im Frühmittelalter
verbreiteter Grundstücksleihvertrag freier Leute.
Lit.: Pivano, S., Precarie e livelli, Università di Torino, Memorie dell'
instituto giuridico II/CVIII, 1962
Libellus (M.) conventionis
(lat.) ist die Klageschrift des spätantiken Zivilprozesses.
Lit.: Köbler, DRG 55
Libellus (M.) repudii (lat.)
ist im spätantiken römischen Recht die unter östlichem Einfluss entstandene
förmliche Erklärung der Ehescheidung.
Lit.: Kaser § 58 VII 2c; Köbler, DRG 58
Libellverfahren ist
das im spätantiken römischen Recht seit der Mitte des 5. Jh.s mit der
Einreichung eines Klaglibells (lat. libellus [M.]
conventionis) an den Richter beginnende → Kognitionsverfahren.
Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55
liber (lat. [M.])
Buch (in klassischer römischer Zeit hat ein l. einen Umfang durchschnittlich
70000 Zeichen bzw. von etwa 30 bis 40 heutigen Druckseiten)
liber (lat. [M.])
Freier
Lit.: Köbler, LAW; Weber, A., Liber, ingenuus, 1983
liber ad edictum (lat. [M.]) Buch bzw. Kommentar zum Edikt des Prätors (z. B. des Paulus mit 80 libri) oder Ulpians (mit
83 libri)
liber ad Sabinum (lat. [M.]) Buch bzw. Kommentar zu Sabinus (z. B. des Paulus mit 16 libri oder Ulpians mit mehr als 51 libri
liberal (freiheitlich)
Liberalismus ist
die im 18 Jh. ausgebildete Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, die
sich von der freien Entfaltung des Einzelnen die bestmögliche Entwicklung der
Gesellschaft erhofft. Grundlegend wird das Werk (engl.) Inquiry into the Nature and Causes of
the Wealth of Nations (1776) des schottischen Nationalökonomen Adam →
Smith (1723-1790). Politisch strebt der L. Teilhabe
des Einzelnen am Staat an, dem, getrennt von der Gesellschaft, der Schutz des
Einzelnen aufgegeben ist (Jeremy → Bentham 1748-1832, John Stuart Mill,
Herbert Spencer, Karl von → Rotteck 1775-1840, Karl Theodor →
Welcker). Die unbeschränkte Freiheit des L. führt aber zu gesellschaftlichen
Schwierigkeiten (soziale Frage), so dass am Ende des 19. Jh.s der L. vom →
Sozialismus zurückgedrängt wird. Politisch wirken sich anscheinend besonders
Napoleons idées libérales vom 18. Brumaire 1799 aus, die um 1810 in Spanien die
Bezeichnung der Angehörigen einer Gruppe als liberal bzw. Liberale und danach
in England die Umwandlung der Whig Party zur Liberal Party bewirken.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 741;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133f., 173, 179, 197, 202, 205f., 216;
Benöhr, H., Wirtschaftsliberalismus und Gesetzgebung, ZFA 1977, 187; Wadl, W.,
Liberalismus und soziale Frage in Österreich, 1987; Carl Schmitt und die
Liberalismuskritik, hg. v. Hansen, K. u. a., 1988; Wilhelm, U., Der deutsche
Frühliberalismus, 1995; Hodenberg, C. v., Die Parteien der Unparteiischen,
1996; Liberalismus, hg. v. Brix, E. u. a., 1996; Theuringer, T., Liberalismus
im Rheinland, 1998; Rawls, J., Politischer Liberalismus, 1998; Tober, H.,
Deutscher Liberalismus, 2000; Steinsdorfer, H., Die Liberale Reichspartei,
2000; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Leonhard, J.,
Liberalismus, 2001; Kieseritzky, W. v., Liberalismus und Sozialstaat, 2002; Die
Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich
1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Cioli, M., Pragmatismus und
Ideologie, 2003; Leonhard, J., Europäische Liberalismen, ZRG GA 121 (2004),
313; Haunfelder, B., Die liberalen Abgeordneten des deutschen Reichstags
1871-1918, 2004
Liber augustalis →
Konstitutionen von Melfi
Liber cartularii ist eine
wohl langobardische Formelsammlung von 25 Formularen vielleicht des frühen 11. Jh.s.
Lit.: Calasso, F., Medio evo del
diritto, Bd. 1 1954, 315
Liber constitutionum → Lex Burgundionum
Liber (decretalium) extra (decretum vagantium) ist eine
fünfteilige, 185titelige, 2139 Kapitel enthaltende Sammlung von Dekretalen
Papst Gregors IX. (bzw. zwischen etwa 1140 und 1234) durch → Raymundus de
Penyafort (Raimund von Peniaforte) 1230/1234 (Gerichtsverfassung, Prozess,
Ämter, Ehe, Strafe), die Papst Gregor IX. im Sinne einer die bisherigen (lat.) Quinque compilationes (F.Pl.) antiquae (Fünf alten
Sammlungen) ablösenden, klareren (lat.) Compilatio (F.) nova (Neuen Sammlung)
für verbindlich erklärt. Zitiert wird der L. e. z. B. X 4. 19. 8.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
liber (M.) feudorum (lat.) Lehnsbuch → libri feudorum
Liber (M.) iudiciorum (lat.) ist die unter König Rekkesvind geschaffene Fassung der → Lex Visigothorum.
Lit.: Cerda Ruiz, J., Liber iudiciorum, Nueva encicl. jurid. Seix 15 1974
liber (M.) memorialis (lat.) Gedenkbuch, Buch der Denkwürdigkeiten
Lit.: Der Stralsunder Liber memorialis,
hg. v. Schroeder, H., Bd. 1 1964
Liber (M.) Papiensis
(lat.). Buch von Pavia, ist ein wohl im 11. Jh. stufenweise in Pavia
entstandenes, rund 950 Bestimmungen (570 langobardisch, 360 aus Kapitularien)
umfassendes Rechtsbuch des → langobardischen Rechts, das langobardische
Gesetze, Kaisergesetze und im langobardischen Gebiet geltende Kapitularien
zeitlich geordnet zusammenstellt und in einer Expositio (Kommentar, Pavia, 11.
Jh., genannt werden Bagelardus, Bonfilius, Lanfrancus, Sigefredus, Ugo,
Walcausa, Wilihelmus, dTW, do di, Da di, E, Elc, M, Quiul, Vr) und einer Reihe
glossierter Handschriften überliefert ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diurni, G.,
L’Expositio ad Librum Papiensem, 1976; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen,
TRG 71 (2003), 387
Liber (M.) sextus (lat.) ist
das sechste Buch (zu den 5 Büchern des → Liber extra) kirchlicher
Dekretalen (Papst Bonifaz’ VIII.) vom 3. 3. 1298 (Bulle Sacrosanctae
ecclesiae). Der L. s. fasst 359 nach Gregor IX. bzw. 1234 und zu zwei Dritteln
unter Bonifaz VIII. ergangene Dekretalen systematisch in 5 Büchern (in
abstrakten Normen) zusammen. Zu einer (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentlichen
Glosse) entwickelt sich die 1303/1304 entstandene Arbeit des Johannes Andreae.
Zitiert wird der L. s. nach Buch, Titel und Kapitel z. B. VI. (Liber sextus) 1. 6. 26.
→ Corpus iuris canonici
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102
libertas (lat. [F.])
Freiheit
Lit.: Köbler, LAW; Schrage, E., Libertas est facultas naturalis,
1975; Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Schott, C., Freiheit und
libertas, ZRG 104 (1987), 84
Libertas (F.) ecclesiae (lat.)
ist die von der Kirche im 11. Jh. geforderte Freiheit von der weltlichen
Gewalt. → Investiturstreit
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 77; Tellenbach, G.,
Libertas, 1936; Szabo-Bechstein, B., Libertas ecclesiae, 1985
Libertät ist die
verhältnismäßige Freiheit der Reichsstände des Heiligen römischen Reichs
(deutscher Nation) in der frühen Neuzeit (Wahlrecht, Wahlkapitulation,
Glaubensfreiheit).
Lit.: Hoke, R., Die
Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Reichsständische Libertät
und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999
libertus (lat.) freigelassen
Libra (lat. [F.]) Waage, ist im römischen Recht eine wichtiges Instrument zur Durchführung von Libralgeschäften wie z. B. → Manzipation, nexum und als dessen Gegenstück nexi liberatio)
Lit.: Köbler, DRG 25
Libralgeschäft ist
im römischen Recht das mit der Waage (lat. [F.]
libra) durchgeführte Geschäft (z. B. Zuwägen des Entgeltes bei der →
Manzipation).
Lit.: Kaser § 7 I
Libri (M.Pl.) feudorum (lat.) (bzw. Liber feudorum) sind die im 11./12. Jh. entstandenen
und im 12./13. Jh. in mehr als 150 Handschriften aufgezeichneten und zu den wichtigen
Rechtsquellen gerechneten → Lehnsrechtsbücher des langobardischen Lehnsrechts
(obertische Rezension Mailand vor 1158 7 Handschriften, ardizonische Rezension
(benannt nach Jacobus de Ardizone) Mailand Ende 12. Jh.s 21 Handschriften,
Vulgata [Accursius’] Bologna um 1235/40 132 Handschriften). Sie beruhen auf
Lehnsgesetzen Konrads II., Lothars II. Friedrichs I., Heinrichs IV. und
Friedrichs II. Sie werden später in zwei Bücher mit 26 oder 28 und 55 oder 56
Titel gegliedert und seit der Mitte des 13. Jh.s in das sog. → Volumen
der justinianischen Kompilation aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101, 104, 106;
Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus
Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Lehmann, K., Das langobardische Lehnrecht,
1896; Weimar, P., Die Handschriften des Liber feudorum, Rivista Internazionale
di Diritto Comp. 1 (1900), 31; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997
Libri (M.Pl.) Karolini (lat.) (eine kirchenpolitische Schrift von etwa 790/1)
Lit.: Freeman,
A., Theodulf of Orléans and the Libri Carolini, Speculum 32 (1957), 663;
Schwandt, W., Studien zu den Libri Carolini, 1966
Libri (M.Pl.) terribiles
(lat.) sind die das Strafrecht behandelnden (schrecklichen) Bücher 47, 48 der →
Digesten.
Lit.: Köbler, DRG 56
libripens (lat. [M.]) Waagehalter beim Libralgeschäft
Lit.: Kaser § 7, 2
Libro do Leyes ist die von
dem spanischen Juristen Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) verfasste Sammlung
kastilischen Rechtes des späten Mittelalters (ordenamiento von 1484). → Compilación
de Leyes
Lit.: Scheppach, M., Las Siete Partidas,
1991, 53
Licet iuris (lat.) ist das
nur literarisch überlieferte Reichsgesetz des Heiligen römischen Reiches über
die Königswahl vom 6. 8. 1338, nach dem allein die deutsche Königswahl ohne
jede päpstliche Mitwirkung den Anspruch auf das Kaisertum begründet und deshalb
der Gewählte alle Reichsrechte im Reich ausüben darf (, obwohl der Kaisertitel
erst durch die Kaiserkrönung legitimiert wird). Der im l. i. erhobene
politische Anspruch ist in der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. von 1356
aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107, 109; Stengel, E.,
Avignon und Rhens, Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte, 6, 1 1930,
157; Thomas, H., Deutsche Geschichte des Spätmittelalters, 1983, 200
Lidlohn ist seit
dem 14. Jh. der Entgeltanspruch für Dienstleistungen der Dienstboten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schmidt-Wiegand, R., Lidlohn,
Rhein-Westfäl. Z. f. Volkskunde 25 (1978)
Liebe
Lit.: La Croix,
A. de, Liebeskunst und Lebenslust, 2003
Liebermann, Felix
(Berlin 20. 7. 1851-7. 10. 1925 [von Automobil überfahren]),
Textilfabrikantensohn, Bruder Max Liebermanns, wird nach dem Studium der
Geschichte in Göttingen (Waitz) Privatgelehrter (1896 titulierter Professor).
1903ff. veröffentlicht er die nach anderen Editionen maßgebliche Ausgabe der
Gesetze der → Angelsachsen.
Lit.: Heymann, E., (Nachruf auf) Felix Liebermann, ZRG GA
46 (1926), XXIII
Liechtenstein ist das zwischen Schweiz und Österreich gelegene Fürstentum, das sich seit 1699/1712 aus den Herrschaften Vaduz und Schellenberg entwickelt und 1806 souverän wird (bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes, 1984 160 Quadratkilometer mit 26680 Einwohnern). 1808 erstellt Landvogt Joseph Schuppler eine Erbfolgs- und Verlassenschaftsabhandlungsordnung, 1809 den Entwurf zu einem bürgerlichen Gesetzbuch. Durch Patent vom 18. 2. 1812 übernimmt L. das → Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs ohne Erbrecht, 1846 auch dessen Erbrecht. Seit 1918 wendet sich L. von Österreich ab und der Schweiz zu. 1921 erhält es eine Verfassung, die dem Fürsten bedeutende Rechte gegenüber Landtag und der (5 köpfigen, als demokratisch angesehenen) Regierung belässt (z. B. Sanktionierung der Gesetze). Über Verkauf von Briefmarken, Verkauf von Pässen an reiche Flüchtlinge und eine niedrige Gesellschaftsteuer gelangt es zu Wohlstand.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Falke, J., Geschichte
des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 1ff. 1858ff.; Raton. P.,
Liechtenstein, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1827; Das Fürstentum
Liechtenstein, hg. v. Müller, W., 1981; Liechtenstein, hg. v. Press, V.
u. a., 1987; Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel, hg. v. Oberhammer, E., 1990;
Bradke, S., 75 Jahre Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Korfmacher, N.,
Der Landtag des Fürstentums Liechtenstein, 1999; Eine Zivilrechtsordnung für
Liechtenstein, hg. v. Berger, E., 1999; Götzenberger, A., Steueroase
Liechtenstein, 2000; Meili, A., Geschichte des Bankwesens in Liechtenstein
(1945-1980), 2000; Winkler, G., Die Verfassungsreform in Liechtenstein, 2003;
Zimmermann, G., Die Entwicklung der internationalen Rechtshilfe, Diss. jur.
Innsbruck 2003; Merki, C., Wirtschaftswunder Liechtenstein, 2007; Kleinstaaten
in Europa, hg. v. Langewiesche, D., 2007; Winkelbauer, T., Gundaker von
Liechtenstein als Grundherr, 2008
Liegenschaft ist
eine ältere Bezeichnung für → Grundstück. Für das Recht der L. ist von
besonderer Bedeutung das → Grundbuch.
Lit.: Köbler, DRG 89, 125; Hedemann, J., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 1 1930; Conrad, H.,
Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T.,
Das Recht der Liegenschaftsübertragung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die
altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1952; Hofmeister, H., Die Grundsätze des
Liegenschaftserwerbs, 1977; Faußner, H., Zur Liegenschaftsübertragung in der
Baioaria provincia, ZRG GA 111 (1994), 1
Liegnitz an der
Katzbach ist der 1149 bezeugte Ort, der bald Sitz einer Linie der Herzöge von
Schlesien wird und 1252 Stadtrecht erlangt. Am Ende des 14. Jh.s (1399)
verfasst Nikolaus → Wurm das in Frage und Antwort von Schüler und Lehrer
gehaltene, in 30 Artikeln gegliederte, unvollendete Liegnitzer
Stadtrechtsbuch, das keinen Bezug zum Stadtrecht von L. aufweist. 1526-1530 ist
Liegnitz Sitz einer Universität.
Lit.: Elsner, W., Liegnitzer Stadtgeschichte, 1971;
Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58
Liga ist eine
Bezeichnung für ein Bündnis. Die katholische L. ist die am 10. 7. 1609 abgeschlossene
Vereinigung katholischer Reichsstände.
Lit.: Hartung, F., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 9. A. 1969, 15
ligius → homo
ligius
Ligurien ist die um
Genua liegende norditalienische Landschaft, die über Römer, Ostgoten, Oströmer,
Langobarden und Franken zum deutschen Reich gelangt. Seit dem frühen 11. Jh.
wird → Genua führend. 1815 kommt das Herzogtum Genua zum Königreich →
Sardinien.
Lit.: Meyer, H., „Ligurisches“ Erbrecht, ZRG GA 50 (1930), 354; Airaldi,
G., Genova e la Liguria, 1986
Lille
Lit.: Monier, R., Le
Livre Roisin de la fin du 13e siècle, 1932; Monier, R., Les lois, enquêtes et
jugements des pairs du Castel de Lille, 1937
Limburg
Lit.: Rechtsbronnen van
het Hertogdom Limburg, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1977
Limes (lat. [M.]) Grenze (z. B. zwischen Römern und Germanen, zwischen Brohl bei Koblenz und Eining bei Regensburg, ausgebaut seit 84 n. Chr., überrannt seit 260 n. Chr.)
Lit.: Köbler, DRG 28, 67; Baltl/Kocher;
Baatz, A., Der römische Limes, 1974; Schallmayer, E., Der Limes, 2003
Limnaeus (Wirn),
Johannes (Jena 5. 1. 1592-Ansbach 13. 5. 1663), Mathematikprofessorensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Jena (Arumaeus) und Altdorf 1623 Erzieher,
Hofmeister und Rat. Er entwickelt ein System des Staatsrechts (Iuris publici
Imperii Romano-Germanici libri [M.Pl.]
IX, 1629ff.) auf der Grundlage der Reichsgesetze. Das Reich sieht er als (lat. [M.])
status mixtus (gemischten [dualistischen] Staat).
Lit.: Köbler, DRG 148; Hoke, R., Die
Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968
Lindau
Lit.: Stolze, A., Der
Sünfzen zu Lindau, 1956; Niederstätter, A., Kaiser Friedrich II. und Lindau,
1986
Linden, Johannes van der (Zuid-Scharwoude 1756-Amsterdam 1835) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Rechtsanwalt und 1827 Richter. Bedeutsam ist seine Übersicht über das römisch-holländische Recht (Rechtsgeleerd practicaal en koopmans handboek, 1806).
Lit.: Roberts,
A., A South African Legal Bibliography, 1942, 190; Kop, P., Linden, (in) Zestig
juristen, 1987, 196
Lindenbrog,
Friedrich (Hamburg 28. 12. 1573-9. 9. 1648), Historikerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Leiden gelehrter Ratgeber. Er veröffentlicht 1602 die →
Lex Salica mit Glossen und 1613 einen (lat.) Codex (M.) legum antiquarum (mit
11 Volksrechten usw.).
Lit.: (Wilckens, N.,) Leben der berühmten Lindenbrogiorum,
1723; Wieacker, F., Privatrechtgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 212
Linealfolge (Erbfolge
nach Linien)
Linealgradualordnung (erbliche
Ordnung nach Linien und Graden) s. Parentel
Lingen
Lit.: Cramer, W.,
Geschichte der Grafschaft Lingen, 1940; Lingen 975-1975, hg. v. Ehbrecht, W. u.
a., 1975
Linz
Lit.: Rausch, W.,
Handel an der Donau 1, 1969; Linz zwischen Demokratie und Diktatur, hg. v.
Mayrhofer, F. u. a., 2006; Linz zwischen Wiederaufbau und Neuorientierung
1945-1984, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 2007
Lippe ist ein deutsches Fürstentum (1900 1215 qkm, 138000 Einwohner) eines 1123 erstmals nachweislichen adligen Geschlechtes, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird, der am 21. 1. 1947 in Nordrhein-Westfalen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Anschütz, G., Der Fall
Friesenhausen, 1904; Henkel, W., Die Entstehung des Territoriums Lippe, 1937;
Ebert, B., Kurzer Abriss einer lippischen Rechtsgeschichte, (in) Mitt. aus der
Lipp. Gesch. 25 (1956), 12; Kittel, E., Geschichte des Landes Lippe, 1957;
Benecke, G., Society and Politics in Germany 1500-1750, 1974; Salbücher der
Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969;
Bartels-Ishikawa, A., Der Lippische Thronfolgestreit, 1995
Lipski, Andrzej
(1572-1631) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Heidelberg 1601
Sekretär des Königs von Polen, Assessor, 1617 Bischof, 1620 Großkanzler und
1630 Bischof von Krakau. Er veröffentlicht 1602 (lat.) Practicarum
observationum ex iure civili et saxonico centuria (F.) prima (Erstes
Hundert praktischer Beobachtungen aus dem römischen und sächsischen Recht)
(1619 centuria secunda).
Lit.: Borodziuk, Andrzej Lipskis Observationes practicae, (in) Czasopismo
Prawno-Historyczne 41 (1989), 69
lis (lat. [F.])
Streit, Rechtsstreit (Gen. litis)
Lissabon am Tejo geht
auf vorrömische Spuren zurück (römisch Felicitas Julia). 1147 erobert es König
(1139) Alfons I. (von Portugal) von den Mauren (715/6). 1179 erhält es ein
Foralrecht (Stadtrecht). 1260 wird es Residenz. Seine 1288 gegründete
Universität wird 1308 nach Coimbra verlegt.
List, Friedrich
(Reutlingen 6. 8. 1789-Kufstein 30. 11. 1846), Professor der Nationalökonomie
in Tübingen (1817-1820), nach Verurteilung wegen Staatsverbrechens seit 1830 im
Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika, fördert als führender Wegbereiter
der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie den Deutschen →
Zollverein und den Eisenbahnbau (Das nationale System der politischen Ökonomie,
1841).
Lit.: Weippert, G., Der späte List, 1956
Listenwahl (F.)
Wahl auf Grund der für Listen abgegebenen Stimmen (Verhältniswahlrecht)
Liszt, Franz (von) (Wien 2. 3. 1851-Seeheim/Hessen 21. 6. 1919), Generalstaatsanwaltssohn, Vetter des Komponisten Franz von Liszt, wird nach dem Rechtsstudium (1869) in Wien (Ihering), Göttingen und Heidelberg, Promotion (1874) und Habilitation (Graz 1876) Professor für → Strafrecht in Gießen (1879), Marburg (1882), Halle (1889) und Berlin (1899). In seinem von der Aufklärung geprägten, kriminalsoziologischen Marburger Programm (Der Zweckgedanke im Strafrecht, 1882) sieht er den Menschen als durch äußere Umstände (Umwelt) beeinflusst an und will nicht die Tat durch Vergeltung bestrafen, sondern auf den Täter wegen seines sozialschädlichen Verhaltens durch zweckmäßige Behandlung einwirken, wobei er spezialpräventiv nach Tätertypen differenziert (Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt werden). In seinem Lehrbuch des Strafrechts (25. A. 1927) stellt er die liberalrechtsstaatliche, praktische Strafrechtsdogmatik seiner Zeit ausführlich dar. 1889 ist er Mitbegründer der → Internationalen Kriminalistischen Vereinigung.
Lit.: Köbler, DRG 204, 236; Radbruch, G., Franz von Liszt,
(in) Elegantiae juris criminalis, 2. A. 1950, 208; Ehret, S., Franz von Liszt
und das Gesetzlichkeitsprinzip, 1996; Herrmann, F., Franz von Liszt und sein
Standardwerk zum Völkerrecht, NJW 2001, 2854
Litauen ist das von
baltischen Litauern beiedelte Gebiet an der oberen Memel und Düna, das
1316-1340 Ausgangspunkt eines größeren, 1386 mit Polen vereinigten Reiches wird
(Personalunion 1386-1387, 1447-1492, 1501-1506, Nebenlinie 1387-1447,
1492-1501). Bei der Teilung Polens fällt L. 1772/1793/1795 an Russland. Im
Februar 1918 erlangt es Unabhängigkeit. 1923 besetzen Freischärler Litauens das
seit 1919 unter alliierter Verwaltung stehende, überwiegend deutsch besiedelte
Memelgebiet und annektiert L. das Gebiet. 1940 wird L.der Sowjetunion
eingegliedert, die es am 6. 9. 1991 wieder freigibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift
für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein Lettlands u. a.
Faksimileausgabe 2003; Mikalauskas, A., Das Strafrecht der drei litauischen
Statute von 1519 – 1566 – 1588, 1937; Hellmann, M., Geschichte Litauens, 4. A.
1990; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt
der Mächte, 1997; Rowell, S., Lithuania Ascending, 1994; Mast, P, Ost- und
Westpreußen und die Deutschen in Litauen, 2000; Holocaust in Litauen, hg. v.
Bartusevicius, V. u. a., 2003; Pferr, U., Die Verfassungskrise im Memelgebiet
1931/1932, 2005; Niendorf, M., Das Großfürstentum Litauen, 2006; Hoffmann, T.,
Der Landrechtsentwurf David Hilchens von 1599, 2007
Lite (M.) Freigelassener, Höriger
Lit.: Kroeschell, DRG 1
litemonium (mlat.
[N.]) Freigelassenenabgabe
litis aestimatio (lat. [F.]) Schätzung des Streitgegenstands in Geld zwecks Ermöglichung der Verurteilung in Geld
Litis contestatio (lat. [F.]) (Zeugenanrufung) ist die Streitbefestigung im Verfahrensrecht. Sie begegnet im altrömischen Recht nach der Feststellung des Verfahrensprogrammes durch den Magistrat. Die Parteien sagen unter Zeugenanrufung die Spruchformeln auf. Damit endet der Verfahrensabschnitt (lat.) in iure. Mit der l. c. (Vertrag, str.) unterwerfen sich die Parteien gegenüber dem Magistrat dem Spruch des Richters (lat. [M.] iudex), womit ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist. Mit der l. c. tritt an die Stelle des ursprünglichen Rechtsverhältnisses ein Prozessrechtsverhältnis. Im klassischen römischen Recht werden die Klageformeln auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor meist schriftlich niedergelegt. Im Kognitionsverfahren sind die Parteien der Entscheidung ohne weiteres unterworfen, so dass die l. c. an Bedeutung verliert. Im spätantiken römischen Recht ist die l. c., welche die Rechtshängigkeit bewirkt, mit dem Bestreiten vollzogen (Fiktion). Im römisch-kanonischen Verfahren des Spätmittelalters erfolgt nach Abschluss des Vorverfahrens die l. c. (Einlassung) durch feierliche, allgemein gehaltene Gegenbehauptungen des Beklagten zum Zweck der Kundgabe der Streitabsicht (Quasikontrakt). Im frühneuzeitlichen Verfahren vor dem Reichskammergericht wird die l. c. im Antworttermin durch Einlassung des Beklagten und den Kalumnieneid durchgeführt. Mit der Vernachlässigung der (lat. [F.]) actio zu Gunsten des Klageantrags ([lat.] petitio) und des Klagegrunds (causa) geht ein Bedeutungsverlust einher, so dass der Kläger bei Ausbleiben des Beklagten den Prozess einseitig führen und ein Urteil erwirken kann, wenn sein Recht zur Überzeugung des Richters festgestellt wird. wofür die l. c. nur noch bejahend oder verneinend fingiert wird. Mit der Neufassung des Anspruchs durch Bernhard Windscheid (1856) wird die Verbindung von actio und l. c. aufgelöst und das Prozessrecht vom privatrechtlich verstandenen subjektiven Recht getrennt und der l. c. als Akt der Transformation die Grundlage entzogen. Im 19. Jh. übernimmt im Übrigen die amtliche Zustellung (Insinuation) der Klage die meisten Wirkungen der überwiegend aufgegebenen l. c.
Lit.: Kaser §§ 80 II 4a, 82 III, 87 I, II; Söllner § 8;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 19, 33f., 56, 117, 155, 202; Heiner, F., Der
kirchliche Zivilprozess, 1910; Sohm, R., Die litis contestatio, 1914, Neudruck
1970; Jahr, G., Litis contestatio, 1960; Kaser, H., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966; Wolf, J., Die litis contestatio im römischen
Zivilprozess, 1968; Schlinker, S., Litis contestatio, 2008
Litis denuntiatio (lat. [F.])
ist die Streitansage einer Partei im spätantiken römischen Verfahrensrecht.
Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55
Litiskreszenz ist
das Anwachsen des Streitgegenstandes im römischen Verfahrensrecht. Bereits im
altrömischen Recht kann ein gleichbegüterter Dritter für einen Ergriffenen als
„Gewaltsager“ (lat. [M.] vindex) auftreten und die angelegte Hand wegschlagen, wodurch
es zum Streit zwischen Verfolger und Drittem kommt, bei dessen Verlust durch
den Dritten sich die Summe, gegen die der Ergriffene ausgelöst werden kann,
verdoppelt. Die L. findet sich im klassischen römischen Recht bei der (lat.)
actio (F.) iudicati und der (lat.) lex (F.) Aquilia. Als Eigentümlichkeit des
römischen Rechtes wird sie bei der Aufnahme des römischen Rechts seit dem
Spätmittelalter nicht übernommen.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 51 II 1, 81 III 1, 85 II 1; Söllner § 8; Köbler,
DRG 20, 33, 49, 166
Littera (F.) Bononiensis
(lat.) ist die (nicht völlig einheitliche) Bologneser Fassung (Vulgatafassung)
der justianischen Rechtstexte.
littera (F.) Pisana (lat.) → Florentina
Litteralkontrakt (M.) → Litteralvertrag
Litteralvertrag (Litteralkontrakt) ist im klassischen römischen Recht eine nur kurze Zeit
geübte Vertragsart, bei der die Verbindlichkeit (Obligation) durch einen
einvernehmlichen Schriftakt (lat. [F.]
transscriptio, Eintrag in den [lat.] codex [M.] accepti vel expensi des pater
familias) entsteht (z. B. Umwandlung einer Kaufvertragsschuld in eine
Darlehensschuld durch Eintragung einer Auszahlung).
Lit.: Kaser § 7 II 2, 38 II 1c, 40 II;
Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 45, 62
Littleton, Sir
Thomas (1402-23. 8. 1481) ist der englische Anwalt und Richter (1455), der das
erste umfassende, in Rechtsfranzösisch (Law French) geschriebene, systematische
Lehrbuch des englischen Rechts (einschließlich des Lehnrechts) in drei Büchern
verfasst (Of Tenures, 1481).
Lit.: Wambaugh, E., Littleton's Tenures, 1903; Levy-Ullmann, H., The
English Legal Tradition, 1935
Livland ist das von
(ostseefinnischen) Liven bewohnte, zu Anfang des 13. Jh.s vom
Schwertbrüderorden (um 1202-1237) bzw. Deutschen Orden unterworfene Gebiet am
Rigaischen Meerbusen, mit dem sich der dritte Bischof Livlands vom Reich
belehnen lässt. 1207 tritt der Bischof dem Schwertbrüderorden ein Drittel des
eroberten Gebietes ab, bleibt aber Lehnsherr bis 1356. 1526 wird der
livländische Ordensmeister Reichsfürst, 1561 scheidet er aus dem Heiligen
römischen Reich (deutscher Nation) aus. 1629 kommt das auf seinen mittleren
Teil verkleinerte Gebiet an Schweden, 1710/1721 an Russland. 1918/1820 wird L.
zwischen Lettland und Estland geteilt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F., Das liv- und
estländische Privatrecht, Bd. 1f. 2. A. 1847f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte
Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Transehe-Roseneck, A. v., Zur
Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Die altlivländischen Bauerrechte,
hg. v. Arbusow, L., Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 23
(1924-1926), 1; Transehe-Roseneck, A. v., Die Entstehung der
Schollenpflichtigkeit in Livland, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte
23 (1924-1926), 485; Niitema, V., Die undeutsche Frage in der Politik der
livländischen Städte im Mittelalter, 1949; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989; Enrico
di Lettonia, Chronicon Livoniae, hg. v. Bugiani, P., 2005; Herzog Albrecht von
Preußen und Livland (1557-1560). Regesten, bearb. v. Hartmann, S., 2006;
Selart, A., Livland und die Rus’ im 13. Jahrhundert, 2007
Livländischer Spiegel
ist die von einem unbekannten Verfasser vermutlich im 14. Jh. geschaffene,
ursprünglich mittelniederdeutsche Bearbeitung des Sachsenspiegels für Livland.
Der l. S. sondert 95 Artikel des Landrechts des → Sachsenspiegels
(1221-1224) ganz, 72 teilweise aus und belässt nur 34 Artikel unverändert. Der
l. S. folgt dem waldemar-erichschen Lehnrecht für Estland und dem ältesten
livländischen Ritterrecht nach und wird im wieck-öselschen Lehnrecht als Buch
1-3 aufgenommen. Im Übrigen wird er durch das mittlere livländische Ritterrecht
verdrängt. Dieses geht über das livländische, estländische und kurländische
Privatrecht von 1864 in das lettländische Zivilgesetzbuch von 1937 ein, das bis
1940 Geltung hat.
Lit.: Bunge, G., Einleitung in die liv-, est- und
kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, G. v., Altlivlands Rechtsbücher,
1879, 95; Leesmant, L., Über das Alter des livländischen Rechtsspiegels, ZRG GA
50 (1930), 171
Livres de Jostice et de Plet sind eine französische →
coutume aus der Gegend von Orléans um 1260, die bereits römisches Recht aufweist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rapetti, Li
Livres de Justice et de Plet, 1850; Meijers, E., Études d’histoire du droit,
Bd. 3 1959, 1
Lizentiat ist der
wissenschaftlich Gebildete, der die Prüfung der (lat. [F.])
licentia bestanden hat. Der L. steht zwischen (lat. [M.])
→ baccalaureus und (lat. [M.])
→ doctor.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 106; Knapp, T., Die
Lizenz des Lizentiaten, ZRG GA 51 (1931), 524; Willoweit, D., Das juristische Studium
in Heidelberg, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65
Locatio (lat. [F.]) conductio (lat. [F.])
ist im römischen Recht der Mietvertrag bzw. Pachtvertrag (l. c. rei, entgeltliche
Überlassung einer unverbrauchbaren Sache zu Gebrauch bzw. Gebrauch und
Fruchtziehung), der Dienstvertrag (l. c. operarum) und der Werkvertrag (l. c.
operis). Die l. c. ist Konsensualvertrag und mit (lat. [N.])
→ bonae-fidei-iudicium ausgestattet. Im spätantiken römischen Recht wird
sie wegen des Kolonates bedeutungslos.
Lit.: Kaser §§ 38, 42; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 44f., 64, 215;
Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956
Locator (lat. [M.])
ist im Hochmittelalter der Siedlungsunternehmer der Ostsiedlung, der später
vielfach Gutsherr wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Das Unternehmertum,
1894; George, R., Die Großunternehmer in der ostdeutschen Kolonisation, Diss.
phil. Münster 1948
Loccenius, Johannes
(1598-1677) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Rostock 1625 Professor
in Uppsala. In seiner (lat.) Synopsis (F.) iuris ad leges Sueticas accomodata
(Zusammenschau des Rechts unter Bezug auf die schwedischen Gesetze) (1648)
stellt er das römische Recht in Beziehung auf Schweden dar.
Lit.: Malmström, A., Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985
Locke, John (Wrington 29. 8.
1632-Oates 28. 10. 1704) wird nach dem Studium von Philosophie und Medizin in
Oxford Lehrer und Berater auf der Grundlage der Vorstellungen Francis →
Bacons. Nach vierjährigem Aufenthalt in Frankreich und sechsjährigem Exil in
den Niederlanden entwickelt er 1690 die Erkenntnistheorie des Empirismus, die
aus vielen einzelnen Erfahrungen allgemeine Zusammenhänge folgert. In seinen
Two treatises on government (Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1690)
fordert er die Beschränkung der Macht des (nicht von Gott ableitbaren
absoluten) Monarchen und daraus folgend die Teilung der Gewalt im Staat zur
Sicherung der persönlichen Freiheit und des Eigentums des Bürgers in Legislative
(Gesetzgebung) und Exekutive (Ausführung). Allgemein setzt er sich für
Freiheit, Toleranz und Aufklärung ein.
Lit.: Köbler, DRG 148, 190; Euchner, W., Naturrecht und
Politik bei John Jocke, 1969; Zwei Abhandlungen über die Regierung, hg. v.
Euchner, W., 1977; Cranston, M., John Locke, 3. A. 1985; Ayers, M., Locke,
2002; Specht, R., John Locke, 2. A. 2007
Logik ist das möglichst vernünftige
menschliche Erkenntnisverfahren.
Lit.: Hruschka, J., Das
deontologische Sechseck bei Gottfried Achenwall, 1986 (SB Göttingen); Wolff,
M., Abhandlung über die Prinzipien der Logik, 2. A. 2009
Lohn ist das (vereinbarte) Entgelt für eine Tätigkeit (oder einen Erfolg). Der L. findet sich außerhalb von personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnissen. In der Geldwirtschaft besteht er (vorwiegend) in Geld. Er kann von der Zeit oder von der Leistung abhängen. Besonders bedeutsam ist der L. im Arbeitsverhältnis.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Renzsch, W., Handwerker und
Lohnarbeiter, Diss. Göttingen 1981; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung,
1983; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Klippel, D., Der
Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, (in) Geschichtliche
Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 161; Wages and Currency, hg. v.
Lucassen, J., 2007
Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall ist die Fortzahlung des Lohnes eines Bediensteten trotz
Krankheit in der Bundesrepublik Deutschland seit der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s (27. 7. 1969, Entgeltfortzahlungsgesetz 1994).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
273
Lohnkämpfer ist der
gegen Lohn handelnde, in Früh- und Hochmittelalter auftretende Zweikämpfer (z.
B. bei den Langobarden 731).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 296
Lohnsteuer ist die
den → Lohn des Arbeitnehmers erfassende → Steuer, deren erste
Ansätze in Württemberg 1764 und in Preußen 1808 sichtbar werden.
Lit.: Köbler, DRG 198; Baltl/Kocher H 6
Loi de Beaumont ist das
Privileg des Erzbischofs von Reims für das von ihm zur Stadt erhobene
Beaumont-en-Argonne, das allmählich auf mehr als 500 Orte erstreckt wird.
Lit.: Olivier-Martin, F., Histoire du
droit Français, 2. A. 1951, §§ 118f.
Loisel, Antoine (Beauvais 1536-Paris 1617) wird nach dem
Rechtsstudium in Toulouse (Cujas), Cahors, Bourges, Paris, Valence und Bourges
Advokat. Um 1600 erarbeitet er die Institutes
coustumières aus den verschiedenen französischen → coutumes, damit im
Falle einer Lücke eines örtlichen Gewohnheitsrechts auf den Rückgriff auf das
römische Recht verzichtet werden kann.
Lit.: Demasure, A., Antoine Loisel,
1876; Reulos, M., Étude sur l’esprit, les sources et la méthode des Institutes
coutumières d'Antoine Loisel, Diss. jur. Paris 1935
Lokator → locator
Lombarda ist eine
in ihren ältesten Handschriften aus dem ausgehenden 11. Jh. überlieferte, in
Norditalien (Pavia?) entstandene systematisierte, in drei Bücher geteilte
Fassung des Stoffes des → Liber Papiensis. Die L. wird bald kommentiert
und um 1215 von → Karolus de Tocco umfangreich glossiert.
Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand
und Alpertus, 1855; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen
Stadt-Kommune, 1967; Padao Schioppa, A., La cultura giuridica, 1986, 219,
Storia di Pavia 2; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997;
Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387
Lombardei ist das
Gebiet zwischen Alpen und Po mit dem Mittelpunkt → Mailand, das nach
Kelten und Römern am Ende der Völkerwanderung (568) von → Langobarden besiedelt
wird, im Hochmittelalter aber in Herrschaften verschiedener → Kommunen
(Städte z. B. Mailand, Parma, Pavia) zerfällt. 1714 gelangt es am Ende des
spanischen Erbfolgekriegs an Österreich (Lombardo-Venetien, 1815
Lombardo-Venezianisches Königreich), 1859 nach der verlorenen Schlacht
Österreichs gegen Sardinien-Piemont und Frankreich bei Solferino an Sardinien
und damit 1861 an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Lattes, A., Il diritto consuetudinario
delle città lombarde, 1899; Jarnut, J., Bergamo, 1979; Mozzarelli, C., Sovrano,
società e amministrazione locale nella Lombardia Teresiana, 1982; Chiappa
Mauri, L., Paesaggi rurali di Lombardia, 1990; Massetto, G., Saggi di storia
del diritto penale lombardo (secc. 16-17), 1994 (Aufsätze)
Lombarde (im
Hochmittelalter) italienischer Kaufmann und Geldwechsler
Lit.: Piton, C., Les Lombards en France, 1892
Lombroso, Cesare
(Verona 18. 11. 1836-Turin 19. 10. 1909), Professor für Gerichtsmedizin in
Pavia und Turin, sieht auf Grund experimenteller Betrachtungen die Ursache von
Verbrechen in erblichen physio-psychischen Abweichungen des Täters von der
Normalität.
Lit.: Bulferetti, L., Cesare Lombroso, 1975
London an der
Themse erscheint 61 n. Chr. als römisches Lager Londinium. Im 12. Jh. wird es
Vorort Englands. 1829 erhält es eine Universität.
Lit.: Weinbaum, M.,
Verfassungsgeschichte Londons 1066-1268, 1929; Weinbaum, M., London unter
Eduard I. und II., Bd. 1f. 1933; London
possessory assizes, a calendar, hg. v. Chew, H., 1965; Baker, T., Medieval
London, 1970; Rexroth, F., Das Milieu der Nacht, 1999; Shore, H., Artful
Dodgers, 1999; Fahrmeir, A., Ehrbare Spekulanten, 2003; Barron, C., London in
the later Middle Ages, 2004; Tucker, P., Law courts and Lawyers in the City of
London 1300-1550, 2007; Münch, P., Pest und Feuer, HZ 288 (2009), 93
Longi temporis praescriptio
(lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die 199 n. Chr. aus
provinzieller Praxis heraus anerkannte, auch Nichtrömern offene Einrede langer
Zeit, bei der ungestörter Eigenbesitz nach rechtmäßigem Beginn (lat. iustum
initium [N.]) während 10 Jahren (inter praesentes) bzw. 20 Jahren
(inter absentes) eine eigentumsähnliche Stellung an unbeweglichen und
beweglichen Sachen verschafft. Im spätantiken Westen verdrängt die l. t. p. von
40 bzw. 30 Jahren die → Ersitzung. Justinian verbindet die l. t. p. von
10 bzw. 20 Jahren mit Grundstücken (ausgenommen vor allem Kirchengut und
Fiskalgut) im Gegensatz zur (lat. [F.])
→ usucapio bei beweglichen Sachen. Bei Justinian (527-565) erfordert die
(lat.) longissimi temporis paescriptio keine iusta causa und ist auch an
gestohlenen Sachen möglich.
Lit.: Kaser §§ 4 III, 15 III 2, 25 III,
28 II, 31 III 4; Köbler, DRG 40, 61; Nörr, D., Die Entstehung der longi
temporis praescriptio, 1969
López de Tovar, Gregorio
(1496-1560) wird nach dem Studium von Recht und Philosophie in Salamanca
Bürgermeister, Verwalter, Anwalt, Richter und Rat. 1555 veröffentlicht er die →
Siete Partidas in einer klareren Fassung.
Lit.: Martínez Cardos, J., Gregorio López de Tovar, 1960
Lord (engl.) Herr, Baron
Lit.: Powell, J./Walles, K., The House of Lords, 1968
Lorsch
Lit.: Die Reichsabtei
Lorsch, hg. v. Knöpp, F., 1973; Codex Laureshamensis (Faksimileausgabe), 2002;
Aktuelle Forschungen zum ehemaligen Reichs- und Königskloster Lorsch, hg. v.
Ericsson, I. u. a., 2004
Los ist ein Mittel zur Bestimmung eines Umstandes durch Zufall. Es ist bereits dem Altertum (biblische Landteilung) und den Germanen bekannt (Tacitus, Germania 10, 26). Selbst in der Gegenwart entscheidet bei Stimmengleichheit vielfach das L. Im Privatrecht ist L. eine Urkunde über eine auf einen Spielvertrag gegründete Gewinnchance.
Lit.: Homeyer, C., Über das germanische Losen, SB. d. Akad.
d. Wiss. Berlin 1853; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994
Lösegeld ist die
für eine Befreiung eines Menschen aus Gefangenschaft erforderliche Geldsumme.
Das L. findet sich bereits in 3. Moses 25, 49 und ist auch dem römischen Recht
bekannt. In der Neuzeit bilden sich Kataloge für Lösegelder entsprechend dem
militärischen Rang des Gefangenen aus.
Lit.: Felgenträger, W., Antikes
Lösungsrecht, 1933; Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978
Lösungsrecht ist
allgemein das Recht, sich von einer Rechtsfolge (durch Geldleistung) zu lösen.
Das L. der Juden ist das den Juden im Mittelalter gewährte Recht, gestohlene
Sachen, die sie erworben oder zu Pfand erlangt haben, zu behalten, sofern sie
nicht Ersatz des Kaufpreises oder der Schuldsumme bekommen. → Hehler
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Felgenträger, W., Antikes
Lösungsrecht, 1933; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch,
1955, 237; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991
Lothar (III.) von
Süpplingenburg (Anfang Juni 1075-Breitenwang 3./4. 12. 1137) ist der ohne
männlichen Erben verstorbene deutsche König bzw. Kaiser (1133) zwischen →
Saliern (1125) und → Staufern (1137). Er hält sich überwiegend im Norden
auf und fördert die → Ostsiedlung.
Lit.: Köbler, DRG 93, 143; Wadle, E., Reichsgut und
Königsherrschaft unter Lothar III., 1969; Gross, T., Lothar III. und die
mathildischen Güter, 1990; Hermann, O., Lothar III. und sein Wirkungsbereich,
2000
Lotharingien → Lothringen
Lotharische Legende
ist die seit dem 16. Jh. (Melanchthon) belegte Legende, dass Kaiser →
Lothar (III.) von Süpplingenburg das römische Recht 1135 nach der Eroberung
Amalfis durch ein Gesetz in Deutschland eingeführt habe. Sie wird 1643 durch
Hermann → Conring (1606-1681) in der Schrift (lat.) De origine iuris
Germanici (Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt.
Lit.: Köbler, DRG 142
Lotharius ist ein aus Cremona stammender,
1201 in den Rat des Königs Frankreichs berufener, 1208 zum Erbischof Pisas
aufgestiegener Glossator, von dem wenige Glossen stammen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 240
Lothringen ist das an das 843 gebildete Mittelreich Kaiser Lothars I. bzw. das hieraus durch weitere Teilung entstandene Königreich seines Sohnes Lothar II. (855-869) erinnernde Gebiet (Lotharingien) an Mosel und Niederrhein (Herzogtum bis 939, Teilung in Oberlothringen und Niederlothringen 959). Es gelangt 1648 bzw. 1738/1766 (Verzicht Herzog Franz Stephans)/1801 (Verlust von Sitz und Simme im Reichstag) an Frankreich und nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/1871-1919 nochmals vorübergehend (Reichsland Elsass-Lothringen) an das Deutsche Reich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Fitte,
S., Das staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Lothringen zum deutschen
Reich, Diss. jur. Straßburg 1892; Parisot, R., Royaume de Lorraine, 1898; Opel,
H., Die Rechtsstellung der mit dem Anschluss Lothringens (925) zum deutschen
Reich gekommenen Franzosen, Diss. jur. Göttingen 1954; Bonnaud-Delamare, R.,
Les plaids annaux à Lixheim au 18ème siècle, ZRG GA 80 (1963), 118;
Hlawitschka, E., Lothringen, 1986; Thomas, H., Zwischen Regnum und Imperium,
1973; Thomas, H., Die lehenrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen,
Rhein. Vjbll. 38 (1974), 166; Mohr, W., Geschichte des Herzogtums Lothringen,
1979ff.; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Parisse, M.,
Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990; Barth, R., Der Herzog in Lotharingien
im 10. Jahrhundert, 1990; Lotharingia, hg. v. Herrmann u. a., 1995; Barth, R.,
Lotharingien, 1996; Bauer, T., Lotharingien als historischer Raum, 1997;
Schneider, J., Auf der Suche nach dem verlorenen Reich, 2009
Lotmar, Philipp
(Frankfurt am Main 1850-Bern 1922), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Heidelberg, Göttingen (Ihering) und München (Brinz) Professor in Bern und
begründet mit seinem Buch „Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des
deutschen Reichs“ (Bd. 1f. 1902ff.) die Wissenschaft des Arbeitsrechts mit.
Lit.: Lotmar, P., Schriften zu
Arbeitsrecht, Zivilrecht und Rechtsphilosophie, hg. v. Rückert, J., 1992;
Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H., 1993, 331; Gasser,
C., Philipp Lotmar, 1997; Forschungsband Philipp Lotmar (1850-1922, hg. v.
Caroni, P., 2003
Lotterie ist das in
Form von bestimmten Verträgen betriebene Spiel. Die L. ist bereits im römischen
Altertum bekannt. Seit 1444 (Niederlande) finden erneut Lotterien statt.
Zeitweise werden sie bekämpft (19. Jh.).
Lit.: Endemann, F., Beitrage zur
Geschichte der Lotterie, 1889
Löwen (Leuven,
Louvain) an der Dijle erscheint im 12. Jh. als ummauerter Ort. 1425/1426 wird
es Sitz einer am Ende des 18. Jh.s (1793) geschlossenen, 1834 neugegründeten
(katholischen) Universität. 1970 kommt eine zweite Universität hinzu.
Lit.: Uytven, R. van, Leuven, 1980;
Roegers, J./Lamberts, E., De universiteit te Leuven, 1988; Leuven, 500 jaar
universiteit, 1976
Löwenstein
Lit.: Fritz, G., Die Geschichte der
Grafschaft Löwenstein, 1986
Lübeck an der Trave
ist die in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s erstmals erwähnte Siedlung, die
nach Verlegung und bedeutender Förderung durch Heinrich den Löwen 1226
Reichsstadt wird. Lübecks Recht wird um 1225 lateinisch und um 1240 mittelniederdeutsch
aufgezeichnet (→ lübisches Recht). Am 1. 4. 1937 verliert L. durch
Reichsgesetz seine Selbständigkeit innerhalb des Deutschen Reiches zugunsten →
Preußens.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Michelsen, A., (Oberhof), 1839;
Urkundenbuch der Stadt Lübeck, Bd. 1ff. 1843ff.; Freund, R., Aufklärung einiger
bemerkenswerter Irrtümer bezüglich der Interpretation einzelner Artikel des
ältesten lübischen Stadtrechts, ZRG GA 3 (1882), 153; Das Lübecker
Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern,
1905; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Lübische
Forschungen 1922; Fehling, E., Lübeckische Ratslinie, 1925, Neudruck 1978;
Winterfeld, L. v., Versuch über die Entstehung des Marktes und den Ursprung der
Ratsverfassung in Lübeck, Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte 25
(1929), 365; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von 1320-1350, 1935;
Rörig, F., Heinrich der Löwe und die Gründung Lübecks, DA 1 (1937), 408; Ebel,
W., Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts Teil 1, 1950; Ebel, W.,
Lübisches Kaufmannsrecht, (1951); Das mittelniederdeutsche Stadtrecht von
Lübeck nach seinen ältesten Formen, hg. v. Korlén, G., 1951; Ebel, W.,
Bürgerliches Rechtsleben zur Hansezeit in Lübecker Ratsurteilen, 1954; Ebel,
W., Lübecker Ratsurteile, Bd. 1ff. 1955ff.; Asch, J., Rat und Bürgerschaft in
Lübeck 1598-1669, 1961; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente, Bd.
1 1964; Civilitates, Lübecker Neubürgerlisten 1317-1356, hg. v. Ahlers, O.,
1967; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel
1967; Krause, U., Die Geschichte der Lübecker Gerichtsverfassung, Diss. jur.
Kiel 1967; Dahl, H., Lübeck im Bundesrat, 1969; Fuchs, H., Privilegien oder
Gleichheit, Diss. phil. Kiel 1971; Hohnsbein, G., Das Strafverfahren Lübecks im
19. Jahrhundert, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt
in der Zeit von 1285-1315, 1974; Ende, B. am, Studien zur Verfassungsgeschichte
Lübecks im 12. und 13. Jahrhundert, 1975; Lübeck 1226, hg. v. Ahlers, O. u. a.,
1976; Ebel, W., Jurisprudencia Lubecensis, 1980 (1342 Titel); Köbler, G., Das
Recht an Haus und Hof im mittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v.
Friedland, K., 1980; Weniger, A., Die Finanzverwaltung Lübecks im 19.
Jahrhundert, 1982; Blunk, M., Der Handel des Lübecker Kaufmannes Johan Glandorp
an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, 1985; Schneider, G., Gefährdung und
Verlust der Eigenstaatlichkeit der freien und Hansestadt Lübeck, 1986;
Lübeckische Geschichte, hg. v. Graßmann, A., 1988, 2. A. 1989; Lutterbeck, M.,
Der Rat der Stadt Lübeck, 2002; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis
zur Reformation, 2003; Societates. Das Verzeichnis der Handelsgesellschaften im
Lübecker Niederstadtbuch 1211-1361, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Das Lübecker
Niederstadtbuch 1363-1399, bearb. v. Simon, U., 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische
Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815),
2007;
Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H. u. a., 2007
Lübisches Recht
(lat. ius [N.] Lubicense, 1188) ist das von der Stadt → Lübeck
geschaffene und auf etwa 100 andere Städte (z. B. Rostock, Wismar, Kiel,
Stralsund, Elbing, Reval, Memel) übertragene (Stadt-)Recht. Seit der Neuzeit
geht sein Einfluss dadurch zurück, dass die umliegenden Landesherren die →
Appellation nach Lübeck verbieten. Das revidierte lübeckische Stadtrecht von
1586 gilt bis Ende 1899, l. R. überhaupt in Reval bis 1945.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wolff, O., Das lübsche Recht in
der Stadt Kiel, 1898; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53,
27 (1906), 61; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Ebel, W., Lübisches
Recht, Bd. 1 1971; Ebel, W., Erbe, Erbgut und wohlgewonnen Gut im lübischen
Recht, ZRG GA 97 (19080), 1; Ebel, W., Jurisprudentia Lubecensis, 1980; Das
lateinische lübische Recht in der schlesisch-polnischen Fassung des 13.
Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F./Schelling, R., ZRG GA 110 (1993), 93; Der Revaler
Kodex des lübischen Rechts 1282, hg. v. Kala, T., 1998; Ullrich, S.,
Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Lublin
Lit.: Hoff, E., Lublins Gründungshandfesten zu deutschem
Recht 1317/1342, 1942; Gebhard, J., Lublin, 2006
Lucas de Penna ist ein in Penna bei Pescara um
1320 geborener, in Neapel ausgebildeter praktisch tätiger und um 1390
verstorbener Jurist (Kommentar zu den tres libri Codicis, de iuris
interpretatione, de praesumptionibus iuris).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 742
Lucca ist eine auf
etruskischen und römischen Siedlungen aufbauende Stadt in der Toskana, die 1119
frei wird. 1314 gelangt L. an Pisa, wird 1370 aber nochmals frei. 1805 gibt
Napoleon L. an seine Schwester, 1815 fällt L. als Herzogtum an Maria Luise von
Etrurien, deren Sohn es 1847 an → Toskana gibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzmaier, H., Lucca
und das Reich, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,168, 3,1,168; Lucca e l’Europa, hg. v.
Mazzei, R. u. a., 1990; Meyer, A., Ser Ciabattus, 2005 (rund 930 Imbreviaturen)
Lucerna (F.) iuris (lat.)
(Leuchte des Rechts) ist eine Bezeichung für → Irnerius.
Lit.: Köbler, DRG 106
Ludewig, Johann
Peter (Hohenhard 15. 8. 1668-Halle 7. 9. 1743) wird nach dem Studium von
Theologie, Philologie und Recht in Halle (Stryk) Professor für Philosophie
(1695), Historiograph (1704) und Professor der Rechtswissenschaft (1705). Er
bearbeitet in erster Linie die Geschichte der staatlichen und staatsrechlichen
Entwicklung (Reichshistorie) aus preußischer Interessenlage (Entwurf der
Reichshistorie, 1707).
Lit.: Wideburg, F., De vita et scriptis J. P. de Ludewig,
1757; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1
1988, 302
Ludovicus Bologninus ist
der in Bologna 1446 geborene und ausgebildete, ab 1468 in Bologna, Ferrara und
Bologna lehrende, vielfach praktisch tätige, in Florenz 1508 verstorbene Jurist
(interpretationes, repetitiones, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 867
Ludwig XIV. (Saint-Germain-en-Laye 5. 9. 1638-Versailles 1. 9. 1715), König von Frankreich seit 1643 (Sonnenkönig), steigert die sich auf spätmittelalterlich-italienische Ansätze (→ Machiavelli) stützende Lehre von der uneingeschränkten Herrschaft des Herrschers zu einem fast religiösen Dogma (→ Absolutismus). Am Ende seiner auch von Eroberungskriegen (1667-1697) gekennzeichneten Regierungszeit steht Frankreich trotz merkantilistischer Politik vor dem Bankrott.
Lit.: Köbler, DRG 149; Scheswig, B.,
Ludwig XIV., 1986; Malettke, K., Ludwig XIV., 1994; Hasquin, H., Louis XIV face
à l’Europe du Nord, 2005
Ludwig (IV.) der Bayer
(Ende 1281?-Puch bei Fürstenfeldbruck 11. 10. 1347) aus dem Geschlecht der →
Wittelsbacher ist deutscher König (1314) und Kaiser (1328). Mit Hilfe des
Kurvereins von → Rhens und des Reichsgesetzes (lat.) → Licet iuris
versucht er die Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen gegenüber dem
Papst.
Lit.: Köbler, DRG 101; Fischer, J., Das ältere Rechtsbuch Ludwig des
Bayern, 1908; Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern, 1911; Moeller,
R., Ludwig der Bayer und die Kurie, 1914; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der
Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Schwöbel, H., Der diplomatische
Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie, 1968; Regesten Kaiser
Ludwigs des Bayern, Bd. 1ff. 1991ff.; Benker, G., Ludwig der Bayer, 1980;
Thomas, H., Ludwig der Bayer, 1993; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, hg. v.
Acht, P., 1995ff.; Kaiser Ludwig der Bayer, hg. v. Nehlsen, H./Hermann, G.,
2002
Ludwig (II.) der Deutsche
(um 806-Frankfurt am Main 28. 08. 876) war als Enkel Karls des Großen und Sohn
Ludwigs des Frommen von 846 bis 876 König im östlichen Teil des fränkischen
Reiches.
Lit.: Bigott, B.,
Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002;
Hartmann, W., Ludwig der Deutsche, 2002; Ludwig der Deutsche und seine Zeit,
hg. v. Hartmann, W., 2004; Goldberg, E., Struggle for Empire, 2006
Ludwig (I.) der Fromme (Casseneuil 778-Ingelheim 20. 6. 840) ist der Sohn und Nachfolger Karls des Großen als Kaiser des fränkischen Reiches. Von ihm dürften 417 Texte, 98 Originale und rund 200 verlorene Urkunden nachweisbar sein.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schmitz, G., Die
Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Charlemagne’s
Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990; Boshof, E., Ludwig der Fromme, 1996;
Depreux, P., Prosopographie de l’entourage de Louis le Pieux, 1997; Landau, P.,
Ludwig der Fromme als Gesetzgeber, FS G. Kleinheyer, 2001, 371
Luft → Stadtluft
Lit.: Fischer, A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht
(1919-1937), 2003
Luft macht frei. → Stadtluft
Lit.:Deutsche
Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231
(Grimm)
Luftrecht ist das
Recht des Luftverkehrs, das sich im 20. Jh. entwickelt. →
Gefährdungshaftung
Lit.: Schwenk, W., Handbuch des
Luftverkehrsrechts, 1981; Helm, S., Die Deutsche Lufthansa AG, 1999; Fischer,
A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919-1937), 2003; Bethkenhagen, K.,
Die Entwicklung des Luftrechts, 2004
Lüge ist die bewusst unwahre Aussage oder Behauptung (z. B. E
sagt zu F, D habe einen Antrag gestellt, obwohl E selbst den Antrag gestellt
hat). Die L. ist geschichtlich so alt wie die Wahrheit. Die einfache L. ist
rechtlich nicht bedeutsam, doch kann die L. Teil eines Betruges oder eines
anderen rechtlich erheblichen Sachverhaltes bzw. Tatbestandes sein. →
Gegen den Lügner ...
Lit.: Fälschungen im Mittelalter, hg. v.
Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Dietzsch, S., Kleine Kulturgeschichte der Lüge,
1997; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Kulturen der Lüge,
hg. v. Mayer, M., 2003
Lügenstrafe ist in
der frühen Neuzeit eine Strafe für das Lügen oder das Verweigern einer Aussage
im Strafprozess. Die L. tritt im 18. Jh. an die Stelle der → Folter. Sie
besteht meist in einer Prügelstrafe. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird die L.
aufgegeben.
Lit.: Mauß, D., Die ,Lügenstrafe’ nach
Abschaffung der Folter ab 1740, Diss. jur. Marburg 1974
Lund wird 1019 vom
König von Dänemark gegründet. 1048 wird es Sitz eines Bischofs, 1103 (bis 1516)
Sitz eines Erzbischofs. 1658 kommt es an Schweden, erhält 1668 eine Universität
und ist von 1716-18 Residenzstadt.
Lit.: Blomqvist, R., Lund, 1951; Den historika skolan och Lund, hg. v.
Modéer, K., 1982
Lüneburg an der
Ilmenau ist eine landesfürstliche und für das zugehörige Herzogtum namengebende
Stadt, deren Rechtsstellung zeitweise der einer freien Reichsstadt ähnelt. 1577
wird das Stadtrecht reformiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landesordnungen, Bd. 1ff. 1739ff.; Pappenheim,
M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; Haase, C., Das
Lüneburger Stadtrecht, Aus Lüneburgs Vergangenheit 1956, 67; Rabe, D., Die
Lüneburger Stadtrechtsreformation (1577-1583), Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1956; Thurich, E., Die Geschichte des Lüneburger Stadtrechtes, 1960; Arnswaldt,
C., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Mörke, O., Rat und Bürger, 1983;
Mellinger, J., Atlas des Fürstentums Lüneburg um 1600, 2001
Luneville ist der Ort des am 9. 2.
1801 zwischen Franreich und Österreich geschlossenen
Frieensvertrags, in dem Österreich seine Vorherrschaft in Italien verliert und die Batavische Republik (Holland), die Helvetische Republik (Schweiz) und die Cisalpinische Republik (Norditalien) anerkennt. Die geschädigten deutschen Reichsfürsten sollen dafür im
Gebiet rechts des Rheins entschädigt werden.
Lünig, Johann Christian (Schwallenberg 14. 10. 1662-Leipzig 14. 9. 1740) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Jena Hofmeister, Amtmann und Stadtschreiber. Er veröffentlicht zahlreiche Quellen zu Staatsrecht und Staatenkunde (u. a. Teutsches Reichsarchiv).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Stolleis,
M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 235, 265,
309
Lupold von Bebenburg (um
1300-Bamberg 1363), Reichsministerialensohn (von Bemberg bei Gerabronn), wird
nach dem Studium des Kirchenrechts und der Promotion in Bologna (Johannes
Andreae) Offizial (Domherr) in Würzburg (1332) und Mainz und Bischof von
Bamberg (1353). Sein (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1339,
Abhandlung von den Rechten des Königtums und Kaisertums) spricht dem deutschen
Kaisertum Unabhängigkeit vom römischen (päpstlich verliehenen) Kaisertum zu.
Lit.: Köbler, DRG 107; Meyer, H., Lupold
von Bebenburg, 1909; Politische Schriften des Lupold von Bebenburg, hg. v. Miethke,
J. u. a., 2004; Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii, hg. v.
Miethke, J., 2005
Luschin von Ebengreuth, Arnold
(26. 8. 1841-Graz 6. 12. 1932) wird nach dem Rechtsstudium 1873
außerordentlicher Professor und 1881 ordentlicher Professor der
österreichischen und deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte in Graz. 1896
veröffentlicht er eine österreichische Reichsgeschichte.
Lit.: Puntschart, P., Arnold Luschin von
Ebengreuth, ZRG GA 53 (1933), XXIX
Lusitaner (Lusitanier) ist der Angehörige eines
ibero-keltischen, 15 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, in der zweiten
Hälfte des 5. Jh.s der → Westgoten und seit 712 der → Araber
gekommenen Volkes im späteren → Portugal.
Lit.: Tovar, J., Iberische Landeskunde,
Bd. II 2 1976
Luther, Martin (Eisleben
10. 11. 1483-18. 2. 1546), Bergmannssohn, wird nach kurzem Studium des Rechts
in Erfurt Theologe und Professor in Wittenberg (22. 10. 1517). Durch seine 95
Thesen (1517) wird er zum (erfolglosen) Reformator der katholischen Religion
und (erfolgreichen) Stifter des Protestantismus. Er gründet die Erlösung des
Menschen statt auf zuletzt käufliche, gute Werke (Ablasskauf) auf die göttliche
Gnade. Er rechnet zum (lat.) ius (N.) divinum (göttlichen Recht) nur das
Predigtamt, die Taufe, das Abendmahl und die Sündenvergebung. Dem Vollzug dient
das menschliche Kirchenrecht (Amt, Dienst, Abgabe usw.). Sprachgeschichtlich
ist seine das Neuhochdeutsche wesentlich prägende Übersetzung der Bibel in
das Deutsche besonders bedeutsam (neues Testament September 1522,
Fertigstellung der gesamten Übersetzung 1534).
Lit.: Köbler, DRG 129; Luther und die Obrigkeit, hg. v.
Wolf, G., 1972; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Mayer, H., Zur
Naturrechtslehre des Luthertums, FS H. Welzel, 1974, 65; Günter, W., Martin Luthers
Vorstellung von der Reichsverfassung, 1976; Heckel, M., Luther und das Recht,
NJW 1983, 2521; Lohse, B., Martin Luther, 3. A. 1997; Leppin, V. Martin Luther,
2006; Leppin, V., Luther privat, 2006; Korsch, M., Martin Luther, 2. A. 2007;
Lexutt, A., Luther, 2008
Lüttich am
Zusammenfluss von Ourthe und Maas wird 720 Sitz des Bischofs von
Maastricht/Tongeren. 1817 erhält es eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Hélin, E., Les capitations Liégeoises, 1961; Histoire de Liège, hg. v. Stiennon,
J., 1991; Quellen zum Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, bearb. v.
Kranz, H., 2000
Luxemburg ist das
nach einer 963 erwähnten Burg an der Alzette benannte, von Franken besiedelte
Herzogtum (1354) des Heiligen römischen Reichs (1441 Burgund, 1477 Habsburg,
1555 spanische Linie, 1659 Süden an Frankreich, 1713 nach dem spanischen
Erbfolgekrieg wieder an Habsburg, 1795 an Frankreich), das 1795/1797
tatsächlich und 1806 rechtlich aus dem Heiligen römischen Reich ausscheidet
(1815 auf dem Wiener Kongress Großherzogtum in Personalunion mit den
Niederlanden [Nassau], 1830 Anschluss an die Revolution Belgiens, 1839 durch
den Vertrag von London mit seinen deutschsprachigen Teilen als Großherzogtum
wiederhergestellt, 1866 Ausscheiden aus dem Deutschen Bund, 1867 gescheiterter
Verkaufsversuch an Frankreich, gänzliche Unabhängigkeit, 1890 Personalunion
mit den Niederlanden beendet). Seit 1918 verstärkt sich als Folge der
Niederlage(n) des deutschen Reiches im ersten und zweiten Weltkrieg der
Einfluss Frankreichs, so dass das Land faktisch frankophon wird. Es zählt zu
den sechs Gründungsmitgliedern der europäischen Gemeinschaften von 1951 und
1957 (1966 Luxemburger Kompromiss zur Beendigung der Politik des leeren Stuhls
Frankreichs wegen der Agrarfinanzierung).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 172;
Becker, E., Studien zur Gemeindeverfassung in Luxemburg; 1934; Wampach, C.,
Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Territorien,
1935ff.; Stengel, E., Baldewin von Luxemburg, 1937; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,1167, 3,3,3396; Pauly, M., Luxemburg im späten
Mittelalter, Diss. phil. Trier 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte
der Niederlande, Belgiens und Luxemburga im 19. und 20. Jahrhundert, 1993;
Luxembourg, hg. v. Lefebvre, F., 5. A. 1998; Franz, N., Die Stadtgemeinde
Luxemburg, 2001; Verfassungsdokumente
Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008
Luxemburger ist der
Angehörige der von den Herzögen von Lothringen abstammenden Familie, die 1308
das Königtum im deutschen Reich erlangt (Heinrich VII. 1308-1313, Karl IV.
1346-1378, Wenzel 1376-1400, Sigismund 1410-1437), 1441 ihr Stammland Luxemburg
aber an → Burgund verkauft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gerlich, A.,
Habsburg-Luxemburg-Wittelsbach im Kampf um die deutsche Königskrone, 1960;
Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Hoensch,
J., Die Luxemburger, 2000
Luxusverbot ist das
Verbot unangemessenen Aufwandes. Es findet sich bereits im Altertum. Von der
Mitte des 14. Jh.s treten Luxusverbote gehäuft in Städten und Ländern auf. Mit
dem ausgehenden 18. Jh. verlieren sie als Folge von Aufklärung und Liberalismus
an Bedeutung. → Kleiderordnung
Lit.: Baudrillart, Histoire du luxe privé et public, Bd.
1ff. 1878ff.; Baldwin, F., Sumptuary Legislation, 1926; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Kick, E., Über den Wandel des
Luxusbegriffes, 1970; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 338, 348, 353, 370, 400; Grugel-Pannier, D., Luxus,
1996; König, B., Luxusverbote im Fürstbistum Münster, 1998; Bernhardt, R.,
Luxuskritik und Aufwandsbeschränkungen in der griechischen Welt, 2003; Weeber,
K., Luxus im alten Rom, 2006
Luzern am Ausfluss
der Reuß aus dem Vierwaldstättersee wird in der Mitte des 8. Jh.s Sitz eines
St. Leodegar geweihten Klosters. 1178 wird L. Stadt und kommt 1291 vom Abt von
Murbach an König Rudolf von Habsburg. Am 13. 11. 1332 verbündet sich L. mit
Uri, Schwyz und Unterwalden. 1386 gewinnt es die Unabhängigkeit und wird dann
Teil der → Schweiz. 2002 erhält es eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Segesser, P.,
Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, Bd. 1ff. 1850ff.; Sautier, A.,
Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Grüter, R., Die
luzernischen Korporationsgemeinden, 1914; Bättig, R., Das Bürgerrecht der Stadt
Luzern (1252-1798), Geschichtsfreund der V Orte 1922; Hofer, W., Das Verhältnis
zwischen Kirche und Staat im Kanton Luzern, 1924; Durrer, R., Studien zur
ältesten Geschichte Luzerns, Geschichtsfreund der V Orte 84 (1930); (Schnyder,
W. u. a.,) Geschichte des Kantons Luzern, 1932; Schaffer, F., Geschichte der
luzernischen Territorialppolitik bis 1500, Geschichtsfreund 95 (1940/1941),
119; Schmid, A., Kasimir Pfyffer und das Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton
Luzern (1831-1839), 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,433; Lötscher,
P., Das Recht der Stadtgemeinde Luzern, Diss. jur. Zürich 1982; Vom Gänsekiel
zum Computer, hg. v. Hofstetter, U., 1986; Die Rechtsquellen des Kantons
Luzern, Teil 1 Bd. 1 1998
Lynchen ist das
rechtswidrige Bestrafen (Hinrichten) eines Menschen ohne rechtmäßiges
Verfahren, insbesondere durch eine aufgebrachte Volksmenge. Ohne sichere
geschichtliche Herleitung (C. Lynch 1736-1796?) erscheint das L. vor allem in
der Mitte des 19. Jh.s in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Lit.: Cutler, Lynch law, 1905;
Chadbourn, J., Lynching and the law, 1933; Berg, M., Das Ende der Lynchjustiz
im amerikanischen Süden, HZ 283 (2006), 583
Lykurg ist der
sagenhafte Begründer der Verfassung von Sparta (8. Jh. v. Chr.).
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17
Lynker, Nikolaus
Christoph Freiherr von (Marburg 1. 4. 1643-Wien 28. 5. 1726) wird nach dem
Studium von Philosophie und Sprachen in Jena und Gießen und dem Rechtsstudium
1670 außerordentlicher Professor in Gießen, 1677 ordentlicher Professor in
Jena und 1707 Reichshofrat in Wien.
Lit.: Hellbach, J., Nikolaus Christoph Freiherr von Lynker,
2. A. 1795; Gschließer, O. v., Reichshofrat, 1942, 366; Kisch, G., Consilia,
1970, 64
M
Machiavelli, Niccolò
(Florenz 3. 5. 1469-22. 6. 1527), Beamtensohn, wird 1498 Sekretär und danach
Kanzler. 1512 seines Amtes enthoben, verfasst er die Schrift (it.) Il principe
(Der Fürst), in der er als Bedingung erfolgreicher Politik die Fähigkeit,
politische Macht zu erwerben und zu erhalten, erkennt. In der Not ist der Fürst
frei von ethischen Verpflichtungen.
Lit.: Köbler, DRG 149; Brandenburg, E., Machiavelli und
sein Principe, 1938 (SB Leipzig); Freyer, H., Machiavelli, 2. A. 1986;
Kersting, W., Niccolò Machiavelli, 2. A. 1988; Machiavelli, hg. v. Ascoli, A.
u. a., 1993; Niccolò Machiavelli, Das Leben Castruccio Castracanis aus Luca,
hg. v. Hoeges, D., 1998; Viroli, M., Das Lächeln des Niccolò, 2000; Hoeges, D.,
Niccolò Machiavelli, 2000; Berger Waldenegg, G., Krieg und Expansion bei
Machiavelli, HZ 271 (2000), 1; Landon, W., Politics, Patriotism and Language,
2005; Hoeges, D., Niccolò Machiavelli - DIchter - Poeta, 2006
Macht → Gewalt
Lit.: Köbler, DRG 189, 190; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 3 1982, 817; Klueting, H., Die Lehre von der Macht der Staaten, 1986; Mann,
M., Geschichte der Macht, hg. v. Haferkamp, H. u. a., 2000; Spektakel der
Macht, hg. v. Althoff, G. u. a., 2008
Machtergreifung ist
die Übernahme der Herrschaftsgewalt (z. B. der Nationalsozialisten im
Deutschen Reich 1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bracher, K./Schulz-Sauer, Die
nationalsozialistische Machtergreifung, 1962; Schwarzwälder, H., Die
Machtergreifung der NSDAP in Bremen, 1966; Die Machtergreifung in
Südwestdeutschland, hg. v. Schnabel, T., 1982; Vezina, B., Die
„Gleichschaltung“ der Universität Heidelberg, 1982; Streng, I., Machtübernahme
1933, 2002; Machtergreifung in Augsburg, hg. v. Cramer-Fürtig, M., 2008
Machtspruch ist der
auf die behauptete Machtvollkommenheit gegründete eigenmächtige Eingriff
eines (absoluten) Fürsten in die Rechtspflege seit dem späteren 17. Jh. (im
Gegensatz zum Rechtsspruch) Er ist grundsätzlich der Idee der Gerechtigkeit
verpflichtet. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird der M. allmählich als
unzulässig angesehen (Preußen [nach dem Wassermüller-Arnold-Fall von 1779]
1784, 1791, Österreich 1797). Das 19. Jh. schließt ihn auf Grund der
Rechtsstaatsidee und der Gewaltenteilungslehre (Unabhängigkeit der Rechtspflege)
aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Rechtssprüche und
Machtsprüche, 1943; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H.
Krause, 1975, 171; Erwin, H., Machtsprüche. Das herrscherliche Gestaltungsrecht
„ex plenitudine potestatis“ in der frühen Neuzeit, 2009
Machtübernahme → Machtergreifung
Maciejowski, Waclaw
Alexander (1792-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny)
und Göttingen (Eichhorn, Hugo) Professor des römischen Rechts in Warschau
(1819-1831). Seit 1832 veröffentlicht er eine slawische Rechtsgeschichte (1835
deutsch).
Lit.: Bardach, J., Einleitung zu: Maciejowski, W.,
Slavische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1835, Neudruck 1978; Kodrebski, J., Prawo
rzymskie w Polsce XIX w., 1990, 66f., 82
Madrid wird als
maurische Festung Majerita 939 erstmals erwähnt. 1083 wird es unter Alfons VI.
von den Christen erobert. 1309 treten hier die Cortes erstmals zusammen. 1561
wird es Hauptstadt → Spaniens. 1836 erhält es die 1508 in → Alcala
de Henares gegründete Universität.
Lit.: Gibert, R., El concejo de
Madrid, 1949; Montero Vallejo, M., Historia del Madrid, 1991
Magdeburg an der
Elbe, 805 erstmals bezeugt, löst sich im Mittelalter nicht vollständig von
seinem erzbischöflichen Stadtherrn, der 1188 das Magdeburger Recht in einigen
Bestimmungen ganz knapp aufzeichnen lässt. Das darauf aufbauende Magdeburger
Recht wird zwischen Niedersachsen und der Ukraine sehr bedeutsam.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Magdeburger Schöffensprüche, hg. v. Friese, V./Liesegang, E., 1901; Brünneck,
W. v., Zur Geschichte des Magdeburger Rechts und der Statuten der Armenier in
Lemberg, ZRG GA 35 (1914), 1; Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger
Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Teige, J., Über die Anfänge des Magdeburger
Stadtrechtes in Mähren, ZRG GA 41 (1920), 383; Becker, W., Magdeburger Recht in
der Lausitz, 1931; Brackmann, A., Magdeburg, 1937; Markmann, W., Zur Geschichte
des Magdeburger Rechts, 1938; Gülland, P., Magdeburger Recht, ZRG GA 60 (1940),
279; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, bearb. v. Goerlitz,
T., 1944; Goerlitz, T., Die Anfänge der Schöffen, Bürgermeister und Ratmannen
in Magdeburg, ZRG GA 65 (1947), 70; Goerlitz, T., Die Rechtsweisung der
Magdeburger Schöffen vom 13. Juni 1367 an den Rat von Jüterbog, ZRG GA 65
(1947), 344, Klein-Bruckschwaiger, F., Das Buch der magdeburgischen Urteile im
Breslauer Stadtarchiv, ZRG GA 66 (1948), 260; Klein-Bruckschwaiger, F., Die
Magdeburger Schöffensprüche für Breslau in Kaspar Popplaus „Rechtem Weg“, ZRG
GA 66 (1948), 440; Najstarsze staropolskie tłumaczenie ortyli
Magdeburskich, według rękopisu Nr. 50 biblioteki
zakłnarodowegoIm. Ossolińskich (Älteste altpolnische Übersetzung der
Magdeburger Urteile nach der Handschrift Nr. 50 der Bibliothek des staatlichen
Forschungsinstituts der Ossolinski-Stiftung), Teile 1, 2, 1970, 1972; Claude, D., Geschichte
des Erzbistums Magdeburg, 1975; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980; Ebel, F.,
Die Spruchtätigkeit des Magdeburger Schöppenstuhls für Niedersachsen, ZRG GA
98 (1981), 30; Ebel, F., Magdeburger Recht, Bd. 1f. 1983ff.; Schrader, I.,
Stadt, Kloster und Seelsorge, 1988; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri
Cracoriensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius
supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Rogatschewski, A.,
Übersicht über das sowjetische Schrifttum der 1970er und 1980er Jahre zur
Geschichte des Magdeburger Stadtrechts, ZRG GA 109 (1992), 390; Beumann, H.,
Theutonum nova metropolis, 2000; Asmus, H./Wille, M., 1200 Jahre Magdeburg,
2000; Ebel, F., Des spreke wy vor eyn recht, (in) Ebel, F., Unseren fruntlichen
grus zuvor, 2004, 423; Leben in der Stadt, hg. v. Labouvie, E., 2004; Obladen,
M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Magdeburger
Namenlandschaft, hg. v. Burkhardt, A. u. a., 2005; Magdeburg, hg. v. Puhle, M.
u. a. 2005; Concordia magna. Der Magdeburger Stadtfrieden vom 21. Januar 1497,
hg. v. Wittek, G., 2006; Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H. u.
a., 2007
Magdeburger Fragen
sind das durch Fragen gekennzeichnete, zwischen 1386 und 1402 entstandene
spätmittelalterliche Rechtsbuch (, unsystematische Fassung in 2 Handschriften,
systematische Fassung in 9 Handschriften, alphabetisierte Fassung in einer
Handschrift überliefert). Die M. F. beruhen auf einem Krakauer Urteilsbuch mit
Magdeburger Rechtsbelehrungen (bis um 1380), das kurz vor 1400 ein wohl in
Thorn wirkender Bearbeiter um Stücke einer Thorner Sammlung und des alten Kulm
ergänzt und dabei verallgemeinert. Die erste unsystematische Reihung in zwei
Büchern verändert vermutlich derselbe Bearbeiter in eine systematisierte
Fassung in drei Büchern (Ämter-Schenkungen-Erbe, Schulden-Sachen, Verbrechen).
Vor 1518 wird die unsystematische Fassung vielleicht in Stettin
alphabetisiert. Seit 1517 sind die M. F. vielfach Anhang in Drucken des Sachsenspiegels.
→ Neun Bücher des Magdeburger Rechts
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die Magdeburger Fragen, hg. v.
Behrend, J., 1865; Martitz, F. v., Die Magdeburger Fragen, ZRG GA 11 (1873),
401; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 170;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50
Magdeburger Recht → Magdeburg
Magdeburger Schöffenrecht ist ein um 1270 entstandenes, in 23 recht
unterschiedlichen Handschriften überliefertes Rechtsbuch.
Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869
Mage (M. bzw. F.)
Verwandte(r)
Lit.: Köbler, DRG 72; Köbler, WAS
magister (lat. [M.])
Meister, Lehrer
Magister (M.) bonorum (lat.)
ist im römischen Verfahrensrecht ein von den Gläubigern gewählter
Verwertungsleiter, der das Schuldnervermögen durch eine → Versteigerung
veräußert.
Lit.: Kaser § 85 II 2b
Magister (M.) civium (lat.) ist
der im deutschen Reich seit der Mitte des 12. Jh.s erscheinende Bürgermeister
oder auch Bauermeister. Seit 1214 (Straßburg) wird der m. c. Teil der
Ratsverfassung. Vielfach ist er Vorsitzer eines kollegialen Verwaltungsorganes
und Repräsentant einer Gemeinde.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964;
Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., 1964; Rabe, H.,
Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966, 220
magister (M.) curiae (lat.) →
Hofmeister
magister (M.) militum (lat.)
(spätantiker) Heerführer
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Grosse, R.,
Römische Militärgeschichte, 1920, 180
magister (M.) navis (lat.) Schiffskapitän
Lit.: Kaser § 49 II 3
magister (M.) officiorum (lat.)
Kanzleivorsteher
Lit.: Köbler, DRG 55; Schreiner, P.,
Byzanz, 1986
Magistrat ist das
Amt oder der (eventuell kollegiale) Amtsinhaber. Im römischen Recht sind
Konsuln, Prätoren, Ädile, Zensoren die höchsten Magistrate, die seit dem
Prinzipat des Augustus ihre Bedeutung einbüßen. Im 19. Jh. ist unter dem
Einfluss einer in Frankreich gegen Ende des 18. Jh.s ablaufenden Entwicklung
der M. das von der Stadtverordnetenversammlung als rein ausführendes Organ gewählte
Kollegialorgan einer → Stadt.
Lit.: Söllner §§ 6, 14; Köbler, DRG 19, 197; Broughton, T.,
The Magistrates of the Roman Republic, 1951ff.; Kunkel, W./Wittmann, R., Die
Magistratur, 1995; Handbuch der Altertumswissenschaften, 10, 3, 2, 2
Magistratsverfassung ist
seit dem 19. Jh. eine dualistische Form der Gemeindeverfassung, in der eine
Stadtverordnetenversammlung als gesetzgebendes und allgemein ausführendes
Organ einen → Magistrat als rein ausführendes Organ wählt (Preußen 19.
11. 1808/30. 5. 1853). 1933 in Preußen und 1935 im Reich wird die M. beseitigt,
1954 wird sie aber in Schleswig-Holstein, Bremerhaven und Hessen erneuert. →
Selbstverwaltung
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19.
Jahrhundert, 2. A. 1969; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970, 105
Magna Charta (F.)
(libertatum) (lat. große Urkunde [der Freiheiten]) ist die seit 1531 nachweisbare Bezeichnung einer älteren
Vorläufern folgenden, lateinischen, noch in vier Ausfertigungen überlieferten
und aquch noch geltenden Urkunde des englischen, durch die Niederlage von
Bouvines geschwächten Königs Johann I. Ohneland (Lackland, 1199-1216) vom
15.–19. 6. 1215 für 25 Barone (und den Erzbischof von Canterbury) (mit einer
Präambel und 63 Titeln). Danach ist die Erhebung von Steuern an die Bewilligung
der Großen gebunden (Grundlage des Parlamentarismus). Barone wollen nicht mehr
vor dem auch mit Ministerialen besetzten königlichen Gericht Recht nehmen (lat.
iudicium [N.] parium). Die wohl vor allem der Befriedung der Barone
dienende M. C. setzt sich in England in der Petition of Rights (1628), der →
Habeas-corpus-Akte (1679) und der → Bill of Rights (1689) fort und wirkt
sich mittelbar auch auf Deutschland in Forderungen nach Grundrechten für alle seit
dem frühen 19. Jh. aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 191; Gneist, R.
v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holt, J., Magna Charta, 1965; Magna
Carta, v. Howard, A., 1965; Kyriazis-Gouvelis, D., Magna Charta, 1984; Holt,
M., Magna Charta and Medieval Government, 1985; Fryde, N., Why Magna Carta?,
2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/MagnaChartalibertatum1215.htm
Magnus Eriksson (1306-1374)
ist der schwedische (1319-1364) bzw. norwegische König (1319-1355, 1371-1374),
der um 1350 ein schwedisches Reichsrecht (Landslag) und 1353 bis 1360 ein (in
mehr als 100 Handschriften überliefertes) Stadtrecht für die schwedischen
Städte (Stadslag, älteste überlieferte Handschrift 1387) erlässt, das bis 1734
gilt.
Lit.: Magnus Erikssons Landslag, übers. v. Holmbäck,
Å./Wessén, E., 1962; Holmbäck, Å./Wessén, E., Magnus Erikssons Stadslag, 1966
Magnus Hakonarson Lagaboetir (Tönsberg
1. 5. 1238–Bergen 9. 5. 1280) ist ein norwegischer König (1263-1280), der die
Landschaftsrechte und das Gefolgschaftsrecht (1273-1277, → Hirdskra)
erneuert sowie 1274/1275 das erste für ganz Norwegen gültige Reichsrecht
(Landslög) und 1276 das erste für Norwegen aufgezeichnete Stadtrecht erlässt.
Lit.: Böttcher, H., Das Glaubensbekenntnis im Landrecht
Magnus Lagaboeters, 1971; Holmsen, A., Norges historie, 1977; Merzbacher, F.,
Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA 99 (1982), 252
Mahalareda (F.) ist
im burgundischen Volksrecht des frühen 6. Jh.s die Aussteuer der Tochter.
Lit.: Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen
Gesetze, PBB 59 (1935), 57
Mahlgemeinschaft
Lit.: Dörrer, A., Alte
Mahlgemeinschaften im Lichte ihrer Zeit (313-1803), ZRG GA 70 (1953), 266
Mahlschatz (M.) Mitgift, Heiratsgut
Mahlzwang ist der
mittelalterlich-frühneuzeitliche Zwang, in einer bestimmten Mühle mahlen zu
lassen.
Lit.: Koehne, K., Das Recht der Mühlen,
1904
Mahnung ist die
einseitige, empfangsbedürftige Erklärung des Gläubigers, mit der er den
Schuldner dringlich zur sofortigen, ausnahmsweise zur fristgebundenen Leistung
auffordert. Bereits im römischen Recht kann der Schuldner, der gemahnt ist,
sich nicht mit Unkenntnis aus dem Verzug entschuldigen. Im Frühmittelalter
führt das Unterbleiben der Leistung trotz Leistungsaufforderung zu einer Buße.
Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) begründet erst die M.
Verzugszinsen, wenn nicht die Zeit der Erfüllung ohnehin feststeht.
Lit.: Kaser § 37 II 1; Hübner § 76; Löning, R., Der
Vertragsbruch im deutschen Recht, 1876, 26, 165
Mahnverfahren ist eine
besondere Prozessart, in der für eine bestimmte Art von voraussichtlich
unstreitigen Ansprüchen (auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme) ohne
Verhandlung dem Gläubiger eines Anspruchs ein rechtskräftiger vollstreckbarer
Titel verschafft werden kann. Ein derartiges Verfahren gegen Abwesende kennt
bereits der → Sachsenspiegel (1221-1224) (Landrecht I 70 § 2). Seit dem
12. Jh. bezeugt außerdem die Vertragswirklichkeit in Italien die durch
Vertragsstrafe gesicherte Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe eines
gerichtlichen Geständnisses in der Vertragsurkunde. Später nimmt der Notar
einen Zahlungsbefehl in eine Urkunde auf, bei deren Vorlage das Gericht die
Vollstreckung verfügt. Auch in einem Gerichtsbuch oder einem Stadtbuch
eingetragene Forderungen lassen sich vereinfacht durchsetzen. Im Heiligen
römischen Reich (deutscher Nation) unterwirft sich der Schuldner seit der
frühen Neuzeit durch Vollstreckungsklauseln dem unbedingten
reichskammergerichtlichen → Mandatsprozess. 1877/1879 wird das M. durch
Übernahme der Grundsätze des bedingten Mandatsprozesses zu einer allgemein
anwendbaren Verfahrensform für Ansprüche auf Zahlung und auf Leistung
vertretbarer Sachen oder Wertpapiere. In Deutschland sind mit dem 1. 7. 1977
die Ausdrücke Zahlungsbefehl und Vollstreckungsbefehl durch die Bezeichnungen
Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid ersetzt. → summarischer Prozess
Lit.: Köbler, DRG 116; Bayer, H. v., Theorie der
summarischen Processe, 7. A. 1859, 19, 89; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891
Mähren ist das
zwischen der böhmisch-mährischen Höhe, den Ostsudeten, Westbeskiden, kleinen
Karpaten und dem Jarvornikgebirge gelegene, seit dem 6. Jh. von Slawen
besiedelte Gebiet, das 1029 an → Böhmen und nach bedeutender deutscher
Einwanderung 1526 mit diesem an → Österreich fällt (Landesordnung 1628,
mährischer Ausgleich durch Trennung der Wahlkörper zwischen Tschechen und Deutschen
1905 versucht) und am 28. 10. 1918 Teil der → Tschechoslowakei sowie bei
deren Auflösung Teil Tschechiens wird.
Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868;
Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1912ff.; Wegener, W.,
Böhmen, Mähren und das Reich, 1959; GlaH., ssl, Der mährische Ausgleich, 1967;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Seibert,
F., Deutschland und die Tschechen, 1970; Bernt, A., Die Germanen und Slawen in
Böhmen und Mähren, 1989; Hrabovec, E., Vertreibung und Abschub, 2. A. 1996;
Kadlecova, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150
Maiestas (lat. [F.]
Größe) ist (erst) seit Jean → Bodin (1576) der Grundbegriff der
Staatsgewalt (lat. summa potestas [F.]).
Die m. wird seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s von manchen (z. B. → Leibniz)
dem Landesherrn zugesprochen. Im Ergebnis erleichtert diese Vorstellung die
Auflösung der hergebrachten Reichsverfassung.
Lit.: Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 138
Maiestas (F.) Carolina (lat.)
ist der auf älteren Entwürfen Premysl Ottokars II. (1272) und Wenzels II.
(1292) sowie einer Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s (lat. Ordo [M.] iudicii terre Boemie, Landgerichtsordnung Böhmens)
beruhende, lateinisch verfasste und in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte
Entwurf Karls IV. für ein Landrecht → Böhmens von 1346 bis 1355
(1351-1354), der seit 1617 M. C. genannt wird. Er gliedert sich in 127 Artikel
(Häresie, Krongut, Beamte, Gericht, Strafe, Privatrecht). Wegen des Widerstandes
der Stände gegen die damit angestrebte Stärkung der Macht des Landesherrn wird
die M. C. 1355 als gegenstandslos geworden erklärt, tritt aber um 15. Jh.
gewohnheitsrechtlich in Kraft.
Lit.: Werunsky, E., Maiestas Karolini, ZRG GA 9 (1888), 64;
Hobzek, Majestas Carolina a Rímské právo, 1931; Handbuch der Geschichte der
böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1966ff.; Kejr, J., Die sog.
Maiestas Carolina, (in) Studia Luxemburgensia, 1989, 79
Maigesetze sind die
vier im Deutschen Reich im Mai 1873 im → Kulturkampf erlassenen Gesetze
bzw. die in Österreich 1868 und 1874 zur Eindämmung des Einflusses der katholischen
Kirche erlassenen Gesetze (Ehegesetz, Schule-Kirche-Gesetz, Interkonfessionellengesetz
1868, Katholikengesetz, Religionsfondsgesetz, Anerkennungsgesetz 1874).
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mailand in
Oberitalien wird im 5. Jh. v. Chr. von den gallischen Insubrern gegründet und
ist in der Spätantike kaiserliche Residenz und erzbischöflicher Sitz. Seit dem
Anfang des 11. Jh.s überflügelt es die langobardische Hauptstadt Pavia, seit
dem frühen 12. Jh. gewinnt es eine kommunale Verfassung (1225 Liber
Statutorum). Im 14. Jh. gerät es unter die Herrschaft der Visconti und Sforza
(1395/1397 Herzogtum), 1714 gelangt es an Österreich, 1859 an Sardinien und
damit 1861 an Italien.
Lit.: Köbler, DRG 104, 129; Köbler, Historisches Lexikon;
Gli atti del Comune di Milano, 1919; Manaresi, C./Santoro, C., Gli atti privati
milanesi e comaschi, Bd. 1 ff. 1933ff.; Visconti, A., Ricerche sul diritto
pubblico milanese, Annali della r. università di Macerata 3 (1928); Dilcher,
G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2 ,2,122; Ambrosioni, A., Le
pergamene della canonica di San Ambrogio, 1974; Milano, 1990; Keller, H.,
Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg.
v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale
Entwicklung, 2001; Grillo, P., Milano, 2001
Mailänder Toleranzedikt ist das 313 von Konstantin dem Großen und Licinius den
Christen Freiheit des Gottesdienstes und Rückgabe der verstaatlichten Güter gewährende
Edikt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Maimonides (Ben Maimon), Moses (Córdoba 30. 3. 1138? [1135]-Kairo 13. 12. 1204, 1230 als Rabbi Moyses
erwähnt) fasst als bedeutendster jüdischer Religionsphilosoph im ausgehenden
12. Jh. das gesamte, ihm bekannte jüdische Recht in klarer hebräischer Sprache
in der 14bändigen → Mischne Tora (1180) zusammen (Führer der
Unschlüssigen, um 1242/1244 lateinisch übersetzt).
Lit.: Ben-Chorin, S., Jüdischer Glaube, 2. A. 1979; Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 877; Del Valle Rodriguez, C., Cartas y
testamento de Maimonides, 1989; Hyoun, M., Maimonides, 1999; Hasselhoff, G.,
Dicit Rabbi Moyses, 2004
Maine, Sir Henry
James Sumner (1822-1888) wird nach dem Studium 1847 Professor für Civil law in
Cambridge und 1850 Anwalt. Er hält in den Inns of Court Londons Vorlesungen zum
römischen Recht und zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Rechts.
Hierauf gründet sich sein 1861 veröffentlichtes darwinistisch-evolutionstheoretisches
Buch (engl.) Ancient Law (Altes Recht). Nach längerer Tätigkeit in Indien wird
er 1869 Professor in Oxford und 1877 in Cambridge.
Lit.: Grant Duff, M., Sir Henry Maine, 1892; Cocks, R., Sir
Henry Maine, 1988; Maine, H. Das alte Recht, hg. v. Dahle, H., 1997
Mainz am Einfluss
des Main in den Rhein ist seit etwa 10 n. Chr. Sitz des römischen
Oberbefehlshabers für das obere Germanien und in der Nachfolge des Bonifatius
(746/747-754) Sitz eines Erzbischofs, für den bis 1223 550 Urkunden
nachgewiesen sind. Von 1331/1424 bis 1462 ist die Stadt tatsächlich weitgehend
unabhängig von ihrem kurfürstlichen Stadtherrn. Zwischen 1440 und 1454
entwickelt sich in M. der Buchdruck. 1476 erhält M. eine Universität, die nach
Schließung in napoleonischer Zeit (1792/1797/1814/1816) 1946 wieder errichtet
wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Roth, W., Zur
Geschichte der Juristenfakultät zu Mainz im 15./16. Jahrhundert, ZRG GA 22
(1902), 359; Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum Mainz,
1908; Stimming, M., Die Wahlkapitulationen der Erzbischöfe und Kurfürsten von
Mainz (1233-1788), 1909; Hensler, E., Verfassung und Verwaltung von Kurmainz um
das Jahr 1600, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die deutsche
Königswahl, 1910; Stimming, M., Die Entstehung des weltlichen Territoriums des
Erzbistums Mainz, 1915; Schmitt, K., Erzbischof Adalbert von Mainz als
Territorialfürst, 1920; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der
kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer
Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Mainzer
Urkundenbuch,. v. Stimming, M. u. a., Bd. 1ff. 1932ff.; Schrohe, H., Das
Mainzer Geschlecht zum Jungen, 1933, Hasselwander, N., Aus der Gutachter- und
Urteilstätigkeit an der alten Mainzer Juristenfakultät, 1956; Wysocki, J.,
Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961; Otte, A., Die Mainzer
Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Just, L./Mathy, H., Die Universität
Mainz, 1965; Duchhardt, H., Philipp Karl von Eltz, 1969; Die Geschichte des
Mainzer Erzkanzlerarchivs 1782-1815, hg. v. Mathy, H., 1969; Weber, E., Die
Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 1970; Martin, W., Der Lehnhof der
Mainzer Erzbischöfe, 1971, Geschichte der Stadt Mainz, hg. v. Brück, P. u. a.,
Bd. 1ff. 1972ff.; Lautzas, P., Die Festung Mainz, 1973; Diener, H., Die
Gründung der Universität Main, 1467-1477, 1974; Pick, E., Mainzer
Reichsstaatsrecht, 1977; Demandt, D., Stadtherrschaft und Stadtfreiheit, 1977;
Pick, E., Die Professoren des Rechts an der Mainzer Universität, FS O. Mühl,
1981, 509; Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums, hg. v. Pick,
E., 1983; Schlössser, S., Der Mainzer Erzkanzler im Streit der Häuser Habsburg
und Wittelsbach um das Kaisertum, 1986; Dumont, F. u. a., Mainz, 1998; Kurmainz,
das Reichserzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Die Mainzer
Kurfürsten des Hauses Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherren, hg. v.
Hartmann, P., 2002; Bausteine zur Mainzer Stadtgeschichte, hg. v. Matheus, M.,
2002; May, G., Die Organisation von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in der
Erzdiözese Mainz, 2004; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005;
Grathoff, S., Mainzer Erzbischofsburgen, 2005; Heuser, R., Namen der Mainzer
Straßen und Örtlichkeiten, 2008;Empell, H., Gutenberg vor Gericht, 2008;
Mainzer (Erz.)Bischöfe in ihrer Zeit, hg. v. Felten, F., 2008
Mainzer Landrecht ist das
Landrecht des Erzstifts Mainz vom 24. 7. 1755/1. 1. 1756, das auf dem
Rheingauer Landbrauch beruht (1442 Recht und Ordnung eyns Waltpoden zu Menz,
17. Jh. Aufzeichnung des rheingauischen Landbrauches durch Nikolaus Itzstein).
Es gliedert sich in 32 Titel und enthält hauptsächlich Familienrecht und
Erbrecht. Seine Geltung endet linksrheinisch 1804, rechtsrheinisch 1900 (bzw.
in Nachwirkungen im Laufe des 20. Jh.s).
Lit.: Churfürstliche Mayntzische Land-Recht, 1755; Hallein,
L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Backhaus, F., Das
eheliche Güterrecht des Mainzer Landrechts von 1755, Diss. jur. Heidelberg 1953
Mainzer Reichslandfriede ist
der 29 Artikel umfassende, deutsch gehaltene Landfriede Friedrichs II. vom 12.
8. 1235. Er drängt die Selbsthilfe zurück und stärkt die Stellung des Gerichts.
Er sieht u. a. einen Hofrichter bzw. ein Hofgericht vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mitteis, H., Zum Mainzer
Reichslandfrieden von 1235; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955;
Buschmann, A., Mainzer Reichslandfriede und Konstitutionen von Melfi, FS R.
Gmür, 1983, 369
Mainzer Republik ist der durch
Erklärung eines rheinisch-deutschen Nationalkonvents am 17. 3. 1793 im Gebiet
zwischen Bingen und Landau entstehende unabhängige Staat mit dem Volk als
einzigem Souverän. Die M. R. endet am 23. 7. 1793 durch Übergabe an →
Preußen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon 724;
Die Mainzer Republik, hg. v. Landtag des Landes Rheinland-Pfalz, 1993
maior (lat. [M.]) Größere
maior vigintiquinque
annis (lat.) älter als 25 Jahre, volljährig
Maior dividat, minor eligat (lat.). Der Ältere soll teilen, der Jüngere darf wählen. Nur ein
ehrloser Betrüger E. teilt als Jüngerer bewusst ungerecht und wählt dann auch
noch selbst.→ Erbauseinandersetzung
Lit.: Wacke, A., Der Jüngste stimmt zuerst, JA 1981, 176;
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Plutarch für das 8. Jh. v.
Chr.)
maior (M.) domus (lat.) →
Hausmeier
Lit.: Köbler, DRG 76
maiores (M.Pl.) et meliores (M.Pl.) terrae (lat.) Größere und Bessere des Landes, → Landstände
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Maitland, Frederic William (London 28. 5. 1850-Las Palmas/Kanarische Inseln 20. 12. 1906),
Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge und Lincoln’s Inn 1876
Anwalt, 1884 Dozent für englisches Recht in Cambridge und 1888 Professor. Er verfasst (mit
Frederick Pollock) die (engl.) History of English Law before the Time of Edward
I (Bd. 1f. 1895, Geschichte des englischen
Rechts vor Eduard I.), die nach einer Übersicht über die äußere Rechtsgeschichte
die inhaltlichen Einrichtungen und Lehren darstellt. Dabei verbindet er
Politik und Wirtschaft mit dem Recht und die Vergangenheit mit der Gegenwart. 1886/1887 gründet M. die
Selden Society.
Lit.: Bracton’s
Note Book, hg. v. Maitland, F., Bd. 1ff. 1887; Pollock, F./Maitland, F., The
History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1895; Maitland, F., Domesday Book and
Beyond, 2. A. 1907; Fisher, H., Frederic William Maitland, 1910; Maitland, F. ZRG GA 33 (1912), 521;
Maitland, F., Selected historical essays, hg.
v. Cam, H., 1957; Cameron, J., Frederick (!) William Maitland and the history
of English law, 1961; Bell, H., Maitland, 1965; The letters of Frederic William
Maitland, hg. v. Fifoot, C., 1965; Elton, G., Frederic William Maitland, 1985
Maiverfassung ist
die im Mai 1934 für Österreich erlassene Verfassung für einen christlichen deutschen
Bundesstaat (autoritären Ständestaat des Austrofaschismus).
Majestätsbeleidigung ist der Angriff auf den (vom Staat verschiedenen) Herrscher. Die M. findet sich 393 in einer Konstitution Theodosius‘ I., in der die Beleidigung des Kaisers aus der allgemeinen Strafverfolgung ausgesondert wird. 397 werden aber alle führenden Personen geschützt. Die Beleidigung des Kaisers (oder Königs) tritt danach wieder in der Bamberger Halsgerichtsordnung (→ Constitutio Criminalis Bambergensis) von 1507 auf. In der Folge wird die M. dem → Hochverrat nachgeordnet. 1922 werden im Deutschen Reich Reichspräsident und Regierungsmitglieder besonders geschützt, 1951 in der Bundesrepublik Deutschland die höchsten Staatsorgane.
Lit.: Bosse, H., Über Hochverrat, beleidigte Majestät und
verletzte Ehrerbietung, 1802; Schroeder, F., Der Schutz von Staat und
Verfassung im Strafrecht, 1970
Majestätsbrief ist
in der Neuzeit eine Freiheitsurkunde für Untertanen (z. B. Rudolfs II. 9. 7.
1609 für Böhmen, nach dem 8. 11. 1620 aufgehoben).
Lit.: Gindely, A., Geschichte der Erteilung des
Majestätsbriefes von 1609, 1858
Majestätsverbrechen →
crimen laesae maiestatis
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schaffstein, F., Verräterei und Majestätsverbrechen,
FS W. Weber, 1974; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970
Majorat ist die
Einzelnachfolge des Ältesten beim → Familienfideikommiss.
Majorität (F.) → Mehrheit
Lit.: Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips,
ZRG KA 73 (1956), 73
Makedonien ist ein
südosteuropäisches Gebiet, dessen (in der Antike stets nicht als richtige
Griechen angesehenen) Bewohner unter den Königen Philipp II. und Alexander dem
Großen (336-323 v. Chr.) → Griechenland erobern, das ab 148 v. Chr. aber
römische Provinz wird. Über Ostrom gelangt M. 1317 an die → Osmanen. 1913
fällt M. durch Eroberung an Serbien (1918 → Jugoslawien) (und Griechenland).
Nach gescheiterter Zwangsintegration wird es 1992 selbständig.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
4,5,332; Adanir, F., Die makedonische Frage, 1979; Errington, M., Geschichte
Makedoniens, 1986; Makedonien, hg. v. Lukan, W. u. a., 1999; Mari, M., Al di là
dell’Olimpo, 2002; Rois, cités, nécropoles, hg. v. Guimier-Sorbets, A. u. a.,
2006; Boskovska, N., Das jugoslawische Makedonien 1918-1941, 32009
Makler ist, wer
gegen Entgelt eine Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachweist oder
einen Vertrag vermittelt. Der M. ist bereits dem griechischen und römischen
Altertum bekannt. Im Mittelalter entwickelt sich der M. vielleicht zuerst in
Italien (Genua 1154), wo Maklerzwang besteht und der Makler als objektiver
Dritter von beiden Geschäftspartnern entlohnt wird. Im mittleren Europa ist die
Stellung des Maklers freier. In der Neuzeit finden sich zahlreiche gesetzliche
Regelungen. Der absolute Staat fördert monopolisierende Tendenzen, die im 19.
Jh. beseitigt werden.
Lit.: Goldschmidt, L., Ursprung des Mäklerrechts, ZHR 28
(1882), 115; Beukemann, U., Die Geschichte des Hamburger Mäklerrechts, 1912;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 28, 99, 152; Fröber, H., Die
Entstehung der Bestimmungen des BGB, 1997; Axmann, M., Maklerrecht und Maklerwesen
bis 1900, 2004
mala fides (F.) (lat.)
böser Glaube (schadet nachträglich nicht bei Ersitzung des römischen Rechts,
wenn der Erwerber im Erwerbszeitpunkt gutgläubig ist)
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Malberg ist im
fränkischen Frühmittelalter der Ort der (Gericht haltenden) Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80, 85
Malbergische Glosse
ist der nichtlateinische Einschub in den ältesten Fassungen des salfränkischen
Rechtes (lat. Pactus [M.] legis Salicae, 507-511, Textklassen A, C, D, z. B. mallobergo
reapten[a] hoc est zu Titel 1, 1). Die malbergischen Glossen haben ihren Namen
davon, dass sie meist durch (lat.) (in) mallobergo (→ Malberg)
eingeleitet werden. Vielleicht sind sie als ursprüngliche Randnotizen später in
den Text geraten. Trotz starker Verderbnis sind sie wertvolle Zeugnisse des
ältesten bekannten fränkischen Sprachstandes.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Kern, H., Notes on
the Frankish Words in the Lex Salica, (in) Lex Salica, hg. v. Hessels, J.,
1880, 431; Helten, W. v., Zu den malbergischen Glossen, PBB 25 (1900), 225;
Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 1;
Schmidt-Wiegand, R., Zur Geschichte der malbergischen Glosse, ZRG GA 74 (1957),
220; Gutenbrunner, S., Studia mallobergica, ZRG GA 81 (1964), 298; Pactus legis
Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 276; Balon, J., Theo, Archivum latinitatis
medii aevi 33 (1963), 103; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex
Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275;
Schmidt-Wiegand, R., Die malbergischen Glossen als Denkmal des Westfränkischen,
Rhein.Vjbll. 33 (1969), 396; Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica,
ZRG GA 89 (1972), 1
maleficium (lat. [N.])
Übeltat, Hexerei
Lit.: Köbler, DRG 158; Köbler, LAW; Hampl, T., Die
Nürnberger Malefizbücher, 1927; Christel, C., Die Malefizprozessordnung des
Codex Maximilianeus von 1616, Diss. jur. Regensburg 1975
Malefizordnung ist
die an der Wende des Mittelalters zur Neuzeit auftretende Ordnung bzw.
Landesordnung für Straftaten (z. B. Tirol 1499). Sie wird 1532 durch die
subsidiär gelten wollende (lat.) Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche
Gerichtsordnung Karls V.) ergänzt. Seit dem 18. Jh. wird sie durch
Strafrechtskodifikationen abgelöst (Bayern 1751, Österreich 1768, 1803, Bayern
1813, Preußen 1851, Österreich 1852 usw.).
Maleville, Jacques de (1741-1824), Advokat in Bordeaux, Anhänger der französischen Revolution, Präsident der zivilgerichtlichen Abteilung des Kassationsgerichtshofes, wird von Napoleon zum Sekretär-Redakteur der Kommission zur Ausarbeitung eines → Code civil berufen. In der Gesetzgebungsarbeit unterstützt er das römische Recht und kommentiert 1805 das Ergebnis unparteiisch (Analyse raisonée). Später tritt er auf die Seite der Reaktion über.
Lit.: Latour, J., Jacques de Maleville,
1929
Malik ibn Anas (708/16-796) →
Muwatta
Mallersdorf
Lit.: Pölsterl, G., Mallersdorf, 1979
Malleus maleficarum → Hexenhammer
mallobergus (lat. [M.]) Malberg, Verhandlungsberg
mallus (lat. [M.]), mallum (lat. [N.])
Versammlung, Gerichtsversammlung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Platon, G., Le
mallus, 1889; Estey, F., The Meaning of ,Placitum‘ and ,Mallum‘, Speculum 1947,
435; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 71;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Malmann
Lit.: Lamberg, P., Die
Malmannen im sächsischen Freienrecht des Mittelalters, Osnabrücker Mitteilungen
75 (1968), 126
Malscult (as. [F.]) Dingschuld, eine Abgabe
Lit.: Molitor, E., Die Stände der
Freien, 1910, 10
Malta ist die
zwischen Italien und Tunesien gelegene, 316 Quadratkilometer große Insel im
Mittelmeer. Sie weist große Tempelbauten des 4. Jt. v. Chr. auf und gelangt
nacheinander an Phönizier/Punier/Karthager (7. Jh. v. Chr.), Römer (218 v.
Chr.), Ostrom (395 n. Chr.), Vandalen, Ostgoten, Muslime (870), Normannen
(1091), den Johanniterorden (1530), Frankreich (1798) und Großbritannien
(1800/1802). 1964 wird Malta unabhängig, 1974 parlamentarische Republik und zum
1. 5. 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union.
Lit.: Betz, W., Malta, 1994; Staehle, E., Geschichte der Johanniter und Malteser, Bd.
1ff. 2002
Malumbra, Ricardus
ist ein vielleicht in Cremona 1264 geborener, 1289 als doctor legum bezeugter,
seit 1295 in Padua lehrender Jurist.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 593
mamluk (arab.)
weißer Sklave
Lit.: Brandes, J., Die Mameluken, 1996
Manchester beruht
auf dem römischen Kastell Mancunium. 1229 erhält M. Marktrecht, 1838
Stadtrecht. 1851 wird es Sitz einer Universität.
Mancipatio (lat. [F.])
ist bereits im altrömischen Recht ein allgemeines Geschäft für die Überführung
aus der Gewalt eines Hausvaters in die eines anderen. Dabei ergreift jemand
eine handgreifbare Sache (lat. res [F.]
mancipi) eines anderen vor fünf mündigen Bürgern als Zeugen und einem
Waagehalter (lat. [M.] libripens), spricht eine sein Eigentum an der
handgreifbaren Sache behauptende Formel und lässt den tatsächlichen Betrag des
Wertes der Sache dem anderen in Erz (lat. aes [N.]
Kupfer) in einer Waage (lat. [F.] libra) zuwägen (Libralgeschäft), wobei dieser das Metall
unter schweigender Duldung der Handgreifung annimmt, so dass ein eigentliches
positives einverständliches Zusammenwirken nicht ausgedrückt wird. Der
bisherige Gewalthaber ist danach Vormann (lat. [M.]
→ auctor) des neuen Gewalthabers. Später wird die m. dadurch
fortgebildet, dass das Erz nicht mehr tatsächlich, sondern nur noch
sinnbildlich in der Form einer einzigen kleinen Münze (lat. nummo uno)
zugewogen wird. Diese m. nummo uno dient dann der Erlangung der Gewalt über
handgreifbare Sachen und Personen auch außerhalb des Barkaufes in einer
Vielzahl von Fällen (z. B. Kreditkauf, Treuhand, Mitgift, Adoption,
Eheschließung [lat.
coemptio], Emanzipation usw.). Die m.
ist ein abstraktes Verfügungsgeschäft. Im spätantiken römischen Recht ist die
m. verschwunden, in den Juristenschriften der Digesten m. durch (lat. [F.]) → traditio (fomlose
Übergabe) ersetzt.
Lit.: Kaser § 7 I, 24 II, 27 I 2, 38 II
1a, 41 I 1; Söllner §§ 8, 12, 18, 24; Köbler, DRG 22ff., 40, 61f.; Randazzo,
S., Leges mancipii, 1998
Mancipium (lat. [N.])
ist im römischen Recht die Handgreifung, die dadurch erlangte, der
Herrenstellung über Sklaven ähnliche Gewalt über ein fremdes Hauskind und
übertragen der Sklave. Im Mittelalter ist m. der Unfreie, doch nimmt die
Verwendung des Wortes vom Beginn des 11. Jh.s an stark ab.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1d, 16 III 1, 60 I 3b; Söllner §§ 8, 20;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Köbler, LAW; Dubled, H., Mancipium au Moyen
Age, Revue du Moyen Age Latin 5 (1949), 51; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984.; Randazzo, S., Leges mancipii, 1998
Mandat als Lehnwort
zu lat. mandatum (N.) erscheint im 14. Jh. Im Prozessrecht bezeichnet es das
Verhaltensgebot des Gerichtes an eine Partei oder einen Dritten, aber auch den
Auftrag einer Partei für einen Vertreter. Daneben wird später auch vom M. eines
Abgeordneten einer Volksvertretung und vom M. als internationalem Auftrag des
Völkerrechts gesprochen.
Lit.: Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen
Recht, 1942; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 52
Mandatsprozess ist
in der frühen Neuzeit eine Form des → summarischen Prozesses, bei dem auf
Antrag des Klägers dem Beklagten durch gerichtliches Gebot (→ Mandat) ein
bestimmtes Verhalten auferlegt wird. Vorkommen gerichtlicher Anordnungen
finden sich bereits im frühen und hohen Mittelalter, allgemeine Bedeutung
erlangen sie aber erst mit dem Übergang der höchsten Gerichtsgewalt vom König
auf das Reichskammergericht am Ende des Spätmittelalters (1495). Seit der
Mitte des 16. Jh.s (1555) wird dabei zwischen bedingtem Mandat, bei dem sich
der Empfänger auf alle rechtlichen Gegengründe stützen darf, und dem
unbedingten Mandat, bei dem der Empfänger nur die Unrichtigkeit der
tatsächlichen Mandatsgrundlagen vortragen darf, unterschieden. Vom →
Reichskammergericht geht der hierdurch geprägte M. in das partikulare
Verfahrensrecht über. Hieraus entwickelt sich das 1833 bzw. 1846 in Preußen
eingeführte → Mahnverfahren und die mandatsähnliche → einstweilige
Verfügung (Hannover 1850, Baden 1851).
Lit.: Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7.
A. 1859, 19; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891; Poetsch, J., Die
Reichsjustizreform von 1495, 1912; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts,
(in) Commémoration du 500e anniversaire de la création du Parlament, 1977, 343;
Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung, Diss.
jur. Hamburg 1967, 148; Uhlhorn, M., Der Mandatsprozess, 1991
Mandatsverfahren → Mandatsprozess
Mandatum (lat. [N.])
ist im römischen Recht einerseits der unentgeltliche Auftrag
(Konsensualkontrakt), der eine Tätigkeit jeder Art betreffen kann, andererseits
seit etwa der Zeitenwende die Dienstanweisung des Staatsoberhauptes (lat. [M.]
princeps) beispielsweise an einen Provinzstatthalter, die bald als
gesetzesgleich gilt. Dieser Sprachgebrauch setzt sich im lateinischen
Frühmittelalter entsprechend fort.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 44 I; Söllner §§ 9, 17, 18;
Köbler, DRG 31, 47, 64; Watson, A., Contract of Mandate in Roman Law, 1961;
Klami, H., Mandatum and labour, ZRG RA 106 (1989), 575; Marotta, W., Mandata
principum, 1991
Manegold von Lautenbach (Lautenbach
nach 1030-nach 1103) wird nach Studien in Lautenbach und Paris Wanderlehrer in
Frankreich. Nach 1080 wird er Mönch in Lautenbach und flüchtet von dort nach
Rottenbuch. 1089 wechselt er als Propst nach Marbach. Seinen Streitschriften
gegen Wenrich von Trier und Wolfhelm von Brauweiler wird der Gedanke der →
Volkssouveränität entnommen.
Lit.: Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von
der Volkssouveränität, 1902; Laakmann, R., Die Königsgewalt bei Manegold von
Lautenbach, Diss. jur. Hamburg 1969; Fuhrmann, H., Volkssouveränität und
Herrschaftsvertrag bei Manegold von Lautenbach, FS H. Krause, 1975, 21
Mangel ist das Fehlen einer
vorausgesetzten Beschaffenheit einer Sache oder einer sonstigen Gegebenheit.
Lit.: Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994
Mangelschaden ist
der im Mangel einer gelieferten Sache bestehende Schaden (z. B. ein gekauftes
Buch ist wegen fehlender 100 Seiten 10 Euro weniger wert als ein vollständiges
Buch.
Mangelfolgeschaden ist der infolge des Mangels einer Sache am sonstigen
Vermögen des Erwerbers zusätzlich entstehende Schaden (z. B. durch vergiftetes
Futter sterben an sich gesunde Tiere) des Erwerbers.
Manifest (N.) Programm, Ankündigung, → Kommunistisches Manifest
Mann ist der männliche Mensch. Im
Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschen setzt er auf Grund
seiner durchschnittlichen körperlichen Überlegenheit und den durch die
Schwangerschaften verursachten Nachteilen der Frau einen verhältnismäßigen
Vorrang gegenüber der Frau durch. Seit der Aufklärung wird der dadurch
geschaffene Patriachat zurückgedrängt.
Lit.: Rabe, C.,
Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006
Mannesvorzug ist die Bevorzugung von Männern insbesondere im Erbrecht. Der M. ist in älteren Zeiten weit verbreitet. Wegen seines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz wird er im 20. Jh. beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Mannfall (M.)
Tod des Lehnsmanns
Mannheim (766
Mannenheim) wird 1605/1607 Stadt.
Lit.: Kreutz, W./Wiegand, H.,
Mannheim, 2008
mannire, manire (lat.) mahnen (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)
mannitio (lat. [F.])
Ladung (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)
Lit.: Köbler, DRG 86; Köbler, LAW
Mannlehen ist
ursprünglich jedes Lehen (im Gegensatz zu anderen Leihen), in der frühen Neuzeit
das allein männliche Nachkommen als Nachfolger zulassende Lehen im Gegensatz
zum Weiberlehen u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Homeyer, G., System des Lehnrechts
der sächsischen Rechtsbücher, 1844, 279
Mannus (zu nhd.
Mann) ist bei den Germanen der Sohn des Gottes Tuisto und der Vater dreier
Söhne, von denen sich die germanischen Hauptstämme der Ingväonen (Friesen,
Angeln, Sachsen), Istväonen (Weser-Rhein-Germanen) und Herminonen (Elbgermanen)
herleiten.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3.
A. 1967, 52
manor (engl.)
Herrenhof
mansio (lat. [F.])
Bleiben, Herberge
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968
mansus (lat. [M.]) Hof, Hufe, Ackermaß
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW
Mantel als ein den
Körper einhüllendes Kleidungsstück wird auch als Rechtssymbol verwendet (z. B.
Mantelgriff bei Auflassung, Umhüllung mit dem Mantel bei Eheschließung zwecks
Ehelicherklärung eines nichtehelichen Kindes, Niederlegung des Mantels zwecks
Haftungsbefreiung).
Lit.: Hübner 681; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mantik
(F.) Weissagung, Wahrsagerei
Lit.: Hille, J., Die
Strafbarkeit der Mantik von der Antike bis zum frühen Mittelalter, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1977
Manufaktur ist die
bereits dem römischen Altertum bekannte zentrale Produktionsstätte zur
Herstellung von Waren (Textilien, Metallwaren, Keramik). Sie wird im 17. und
18. Jh. zu der vom Staat begünstigten modernen Betriebsform (→
Merkantilismus). Besonders bekannt ist die erste europäische staatliche
Porzellanmanufaktur (Meißen 1710). Im 19. Jh. unterliegt die M. der Fabrik.
Lit.: Köbler, DRG 28, 134, 175; Pfeiffer, H. v., Die
Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Forberger, R., Die
Manufaktur in Sachsen, 1958; Kermann, J., Die Manufaktur im Rheinland, 1972;
Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen des
18. Jahrhunderts, 1990; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld,
1990
Manumissio (lat. [F.])
ist die Freilassung eines Sklaven oder Unfreien zum (freigelassenen) Freien.
Für sie entwickeln sich im römischen Recht verschiedene Formen (m. in der
Kirche, vor Freunden, durch Brief, durch Aufnahme an den Tisch, mit Stab), die
im Frühmittelalter teilweise fortgeführt und teilweise ergänzt werden.
Lit.: Kaser §§ 16 I 1, III 1, 60 I 3b;
Köbler, DRG 57
manus (lat. [F.])
Hand, Schar, Hausgewalt (über die Ehefrau)
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I 2b, 58 II;
Söllner §§ 8, 20; Köbler, DRG 21f., 71
Manusehe ist
im römischen Recht die Ehe, in der die Frau unter die (lat.) manus (Hausgewalt)
des Mannes oder dessen (lat.) pater (M.) familias steht. Die manus wird durch
von der Eheschließung zu trennende Geschäfte (confarreatio, coemptio oder usus)
begründet. In der M. ist die Frau vermögensunfähig, so dass alles, was sie
erwirbt, ihrem Gewalthaber gehört. Bis zum Prinzipat (Augustus) wird die M. zur
Ausnahme, so dass die Ehefrau regelmäßig entweder ihrem bisherigen (lat.) pater
(M.) familias untersteht oder gewaltfrei und damit vermögensfähig ist.
Manus iniectio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Handanlegung, mit deren Hilfe beispielsweise im altrömischen Recht in einen Menschen vollstreckt wird (→ legis actio per manus iniectionem).
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 32 II 4, 39 I
1, 60 I 4, 81 III 1; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 20
Manzipation → mancipatio
Marburg an der Lahn
gründet sich auf eine Burg wohl schon des 10. Jh.s und erhält 1527 die erste
protestantische, am Beginn des 17. Jh.s calvinistische Universität.
Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg, hg.
v. Küch, F., Bd. 1f. 1918ff.; Merk, W., Die Spruchtätigkeit der Marburger
Juristenfakultät, (in) Festzeitung der Universität Marburg 1527-1927, 1927;
Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1966;
Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die
Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus, hg. v. Nagel, A., 2000
Marburger Programm
ist das von Franz von → Liszt (1851-1919) 1882 formulierte Programm (Der
Zweckgedanke im Strafrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 204
Marbury v. Madison ist
die Leitentscheidung des Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika
vom 24. Februar 1803, nach der das Gericht für die Überprüfung von Bundesgesetzen
(z. B. Section 13 des Judiciary Act von 1789) auf ihre Übereinstimmung mit der
Verfassung zuständig ist.
marca (lat.-ahd. [F.]) Grenze, Grenzgebiet, Mark
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marcellus (2. Jh.
n. Chr.) ist der dem Rat der Kaiser Antonius Pius (138-161) und Marc Aurel
(161-180) angehörige römische Rechtskundige, von dem 31 zwischen 161 und 167
entstandene (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) zu
unterschiedlichsten Rechtsfragen sowie (lat.) notae (F.Pl. Anmerkungen) zu den Digesten
→ Julians bekannt sind, deren Benützung durch → Scaevola und →
Ulpian feststeht.
Lit.: Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des
römischen Rechts, 2. A. 1912, 213; Rastätter, J., Marcelli
Notae ad Iuliani Digesta, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1981; Zülch, C.,
Der liber singularis responsorum des Ulpius Marcellus, 2001
Märchen ist die
nicht sicher bezeugte und nicht sicher bezeugbare Erzählung oder Kunde. Das M.
kann Rechtsfragen behandeln. Die M., die für den deutschen Sprachraum am erfolgreichsten
von den Brüdern Grimm gesammelt sind (1812), lassen sich zeitlich nicht
zuverlässig einordnen.
Lit.: Grimm, J./Grimm, W., Kinder- und Hausmärchen, 1812;
Ludwig, O., Richter und Gericht im deutschen Märchen, 1935; Anger, S., Das
Recht in den Sagen, Legenden und Märchen Schleswig-Holsteins, Diss. jur. Kiel
1947; Röhrich, L., Die Grausamkeit im deutschen Märchen, Rheinisches Jahrbuch
für Volkskunde 6 (1955), 176; Röhrich, Lutz, Märchen und Wirklichkeit, 1956;
Scherf, W., Das Märchenlexikon, Bd. 1f. 1995; Laeverenz, J., Märchen und Recht,
2001
Marchfutter ist
eine mittelalterliche Abgabe.
Marculf ist der
Verfasser einer frühmittelalterlichen, durch 5 Handschriften des 9. Jh.s überlieferten
Sammlung von 40 Königsurkundenformularen und 52 Privaturkundenformularen, die
vermutlich am Ende des 7. Jh.s im westlichen Frankenreich im Auftrag eines
nicht sicher feststellbaren Bischofs Landerich verfertigt ist. Die Sammlung ist
nachweislich spätestens 743/747 in einer Königsurkunde und 731/732 in einer
Privaturkunde benutzt. Verschiedene jüngere Urkundensammlungen berücksichtigen
sie.
Lit.: Formulae, hg. v. Zeumer, K., 1886; Marculfi
Formularum libri duo, rec. Uddholm, A., 1962; Nonn, U., Merowingische
Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 110
Marescalcus (lat.-ahd.
[M.] Marschall) ist ein Hofamt der fränkisch-deutschen Könige.
Lit.: Köbler, DRG 83
marginal (am Rande
befindlich) wie z. B. die Marginalglosse, d. h. Randglosse
Maria Theresia (Wien 13. 5.
1717-29. 11. 1780) ist die Erbtochter des Habsburgers Karl VI., der am Ende des
spanischen Erbfolgekriegs die Erbfolge in den habsburgischen Erblanden 1713
durch die → Pragmatische Sanktion zu sichern versucht. 1736 heiratet sie
Franz Stephan von Lothringen. 1740 tritt sie das Erbe an (Pfalzerzherzogin von →
Österreich), von dem sie im österreichischen Erbfolgekrieg Schlesien (an
Preußen) und Parma-Piacenza (an Karls III. von Spanien Bruder Philipp)
verliert. Sie herrscht über ein Bündel von Staaten in Form einer monarchischen
Union. Nach der Wahl ihres Mannes zum deutschen Kaiser (1745) nimmt sie den
Titel Kaiserin (Titularkaiserin) in Anspruch. Gegen den ständischen Widerstand
setzt sie von 1749 bis 1761 den absolutistischen Staat mit landesfürstlicher
Bürokratie und Zentralverwaltung durch (Dezennalrezesse, Directorium in
publicis et cameralibus, oberste Justizstelle, Heeresreform, Schulreform).
Auf Betreiben ihrer Ratgeber (Kaunitz, Joseph II.) erwirbt sie 1772 Galizien
und Lodomerien, 1775 die Bukowina und 1779 das Innviertel. Gesetzgeberisch
stellt die von ihr veranlasste (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Theresiana
(1768, Theresianisches Kriminalgesetz) keinen Fortschritt dar, während ein
(lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, Theresianisches Gesetzbuch) überhaupt bloßer
Entwurf bleibt, aber dennoch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
Österreichs (1811/1812) vorbereitet.
Lit.: Köbler, DRG 131f., 142; Arneth, A. v., Geschichte
Maria Theresias, Bd. 1ff. 1863ff.; Walter, F., Die theresianische Staatsform
von 1749, 1958; Jessen, F., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965;
Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anz. d. österreich. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 110 1973, 232; Mraz, G./Mraz, G., Maria
Theresia, 1979; Ogris, W., Recht und Macht bei Maria Theresia, 1980; Dillmann,
E., Maria Theresia, 2000
Marinus de Caramancio
ist ein in der Provinz Pescara Jahrzehnte vor 1269 geborener, als assessor und
Richter tätiger neapolitanischer Jurist (glossa ordinaria zu den constitutiones
Siculae).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 498
Maritagium (lat. [N.])
ist eine mittelalterliche Heiratsabgabe von Hörigen.
Mark ist
ursprünglich das zur Kennzeichnung eines Gegenstandes verwendete Zeichen.
Deswegen wird M. zur Grenze, zum Grenzland und zur Münze. Dementsprechend
finden sich unter Karl dem Großen (795), den Ottonen und Heinrich III. (1039)
Grenzmarken etwa in Spanien, an der Donau (Awarenmark, Ostmark), an der Oder
(965), in Karantanien (970, spätere Steiermark), an der Eider, in Böhmen oder
in Brandenburg, die meist Markgrafen unterstellt sind. Seit dem Hochmittelalter
erscheint das um die Siedlung gelegene (Grenz-)Land als Dorfmark, das von
einer → Markgenossenschaft gemeinschaftlich genutzt wird. Der mit einer
Marke versehene Metallbarren tritt seit dem 9. Jh. als Münzgrundgewicht M. auf
und verdrängt allmählich das ältere → Pfund. 1524 wird die Kölnische M.
(amtliche) Grundlage des Münzwesens im Heiligen römischen Reich. Die von 1871/3
bis 1924 als Währungseinheit des Deutschen Reiches bestehende M. wird 1924
durch die Reichsmark ersetzt, der am 20. 6. 1948 die Deutsche M. folgt
(Währungsreform), die 2002 von der europäischen Gemeinschaftswährung Euro (mit
Cent) abgelöst wird.
Lit.: Hübner; Maurer, G. v., Geschichte der
Markenverfassung in Deutschland, 1856; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Lipp, M., Das fränkische Grenzsystem,
1892; Haff, K., Geschichte einer ostalamannischen Gemeinlandsverfassung, 1902;
Dopsch, A. v., Die freien Marken in Deutschland, 1933; Ganahl, K., Die Mark in
den älteren St. Galler Urkunden, ZRG GA 60 (1940), 97, 41 (161), 21; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Enzyklopädisches
Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 3. A. 1967; Schmidt, E., Die Mark
Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte
1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Fünfzig
Jahre Deutsche Mark, hg. v. d. Deutschen Bundesbank, 1998; Meyer, W., Abschied
von der Deutschen Mark, 1998
Mark ist die seit 1202 für eine Linie der Grafen von Berg
namengebende Burg in Westfalen. 1614 kommt die Grafschaft an Brandenburg, 1946
das Gebiet zu Nordrhein-Westfalen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Frisch, M., Die Grafschaft Mark, 1937; Goebel, J., Die Gerichtsverfassung des
märkischen Süderlandes, Diss. jur. Bonn 1962; Die ältesten Lehnbücher der Grafen
von der Mark (1392 und 1393), hg. v. Westerburg-Frisch, M., 1967
Markdorf
Lit.: Prahl, H., Die
Verfassung und Verwaltung der Stadt Markdorf im Linzgau, 1965
Marke ist das Zeichen und der damit gekennzeichnete Gegenstand. In Rom schützt das Namensrecht gegen Nachahmungen. Die M. findet sich bereits im Frühmittelalter an Vieh, Holz oder Haus. Mit der Zunahme der Schriftlichkeit kann sie zum Handzeichen werden. In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt sich die Handelsmarke des Kaufmannes zur Kennzeichnung seiner Ware. Die Zunft setzt sich für die M. ein und verbürgt die ordnungsgemäße Herstellung der markierten Ware. Diese M. wird vielfach registriert, ihr Missbrauch wird bestraft. Im 19. Jh. endet mit der Zunft die durch sie gewährleistete Sicherheit. Seit dem 18. Jh. (Frankreich 1787) wird die M. privatrechtlich geschützt (Bayern 9. 3. 1840/21. 12. 1862, Deutsches Reich Gesetz über Markenschutz vom 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936). Am Ende des 20. Jh.s wird dieser Schutz innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht (Bundesrepublik Deutschland Markenrechtsreformgesetz BGBl. 1994, 3085). Danach erfolgt die gebührenpflichtige Eintragung einer schutzfähigen Marke durch das Patentamt auf jeweils 10 Jahre.
Lit.: Hübner 13, 442; Meyer, C., Die historische
Entwickelung der Handelsmarke in der Schweiz, 1905; Rehme, P., Geschichte des
Handelrechts, 1913, 38ff., 161, 216; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und
Holzurkunden, 1917; Meldau, R., Vor 1500 eingetragene Warenzeichen, GRUR 43
(1938), 302; Ruppel, K., Die Hausmarke, 1939; Ilgenfritz, H., Das
Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1954;
Leitherer, E., Die Entwicklung des Markenwesens, Diss. Erlangen-Nürnberg 1954;
Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Schmieder,
H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241; Zentek, S., Produkt Prozesse,
1999; Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1847,
2002
Markebrief ist seit
dem Hochmittelalter eine Ermächtigung zu einem Arrest.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960
Markenrecht → Marke, Recht
Lit.: Köbler, DRG 272; Wadle, F., Fabrikzeichenschutz und
Markenrecht, 1983; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241;
Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1874, 2002;
Hacker, F., Die ältere Geschichte des Markenrechts, (in) NJW-Sonderheft 100
Jahre Markenverband, 2003
Markenschutz → Marke
Märker →
Mark, Markgenossenschaft
Märkerding ist die
Versammlung der Markgenossen oder Märker.
Markfrevel ist die
rechtswidrige Nutzung einer → Mark seit dem Hochmittelalter.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Markgenossenschaft ist
die Genossenschaft der an einer → Mark (Gemeinland) Nutzungsberechtigten
seit dem Hochmittelalter (str.). Die M. entsteht auf Grund der mit dem
Landesausbau eintretenden Güterverknappung. Die Nutzungsberechtigung an der
Mark ist Zubehör zu einem Sondereigentum (z. B. Hof). Der einzelne Markgenosse
(Märker) kann frei oder unfrei sein. Wichtigstes Organ der M. ist die
Versammlung der Markgenossen (Märkerding). Ihr sitzt der Märkermeister (oft
ein Grundherr), Markmeister, Obermärker, Holzgraf oder Waldgraf vor. Urteile
fällen Markschöffen oder Markgeschworene. Im 19. Jh. werden die meisten
Markgenossenschaften durch den Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Thudichum,
F. v., Die Gau- und Markenverfassung, 1860; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Varrentrapp, F., Rechtsgeschichte und
Recht der gemeinen Marken in Hessen, 1909; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte
der älteren Markgenossenschaft, MIÖG 33, 553, 34, 1; Grosch, G.,
Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911;
Ehlert, H., Die Markgenossenschaft (Holtung) der 17 Dörfer um Amelinghausen,
1936; Wellmer, M., Zur Entstehungsgeschichte der Markgenossenschaften, 1938;
Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941; Grass, N., Comaun
Kastelrut, ZRG GA 71 (1954), 353; Wernli, F., Zur Frage der
Markgenossenschaften, 1961; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962; Olowson, A., Markgenossenschaftslehre und
Marxismus, Diss. jur. Zürich 1967; Schneider, W., Die Markgenossenschaften im
frühmittelalterlichen Alamannien, 1997
Markgraf (lat. [M.] marchio)
ist der Graf einer Grenzgrafschaft (Markgrafschaft). Über die Stellung und die
Befugnisse eines Markgrafen vor dem 12. Jh. ist wenig bekannt, vermutlich waren
sie von denen eines anderen Grafen nicht wesentlich verschieden. Die Lage und
die Größe der zunächst regelmäßig in ein Herzogtum eingebundenen Mark (z. B. Österreich,
Steiermark) begründeten aber wohl eine größere Selbständigkeit und
Verteidigungsbereitschaft. Deswegen wird der M. verschiedentlich
Stammesherzog, der M. von Brandenburg sogar Kurfürst. Seit dem späten 11. Jh.
wird M. auch ein Titel (z. B. Baden, Hachberg, Ansbach-Bayreuth).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84, 109; Baltl/Kocher;
Hofmeister, A., Markgrafen und Markgrafschaften im italischen Königreiche,
MIÖG Ergänzungsband 7, 2, 215; Gothein, E., Die badische Markgrafenschaft im
16. Jahrhundert, 1910; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität
der Markgrafen von Meißen, 1956; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im
Südosten, 1963; Schmidt, M., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973;
Müller, U., Die ständische Vertretung in den fränkischen Markgrafentümern, 1984
Markgrafentum ist
die Stellung und das Gebiet eines → Markgrafen.
Markgrafschaft ist
(die Stellung und) das Gebiet eines → Markgrafen.
Marklosung ist das
Recht eines Markgenossen oder einer Markgenossenschaft, ein in der →
Mark gelegenes, an einen Fremden veräußertes Grundstück gegen Zahlung des
Kaufpreises zu erwerben (und dadurch die bestehende Anwartschaft zum Vollrecht
umzuwandeln).
Lit.: Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1
1868, 65f.; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 2 1962
Markmeister → Markgenossenschaft
Markt ist die zu
bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort abgehaltene Veranstaltung zum Zweck des
Verkaufes und Kaufes von Waren. Der M. ist bereits dem römischen Recht bekannt
(lat. [N.] forum, Marktplatz, nundinae [F.Pl.]).
In karolingischer Zeit gewinnt der M. auch bei den Franken Bedeutung. Der König
erringt in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s für kurze Zeit ein Marktregal.
Zwischen 900 und 1050 gründet er mehr als 100 Märkte durch Privileg und erhält
dafür von den Begünstigten Abgaben. Später treten die Landesherren an seine
Stelle (z. B. Freiburg 1120, Innsbruck 1180/1204, Jüterbog 1174). Es entwickeln
sich Grundsätze für ein besonderes Recht des Marktes. Viele Marktorte werden
bald zur → Stadt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 113; Rietschel,
S., Markt und Stadt, 1897, Neudruck 1965; Huvelin, P., Essai historique sur le
droit des marchés et des foires, 1897; Groß, L., Stadt und Markt im späteren
Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Spieß, W., Das Marktprivileg, 1916; La
foire, 1953; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen
Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1961, 275; Endemann, T., Markturkunde
und Markt in Frankreich und Burgund, 1964; Vor- und Frühformen der europäischen
Stadt, 1973; Mitterauer, M., Markt und Stadt im Mittelalter, 1980; Ehmann, E.,
Markt und Sondermarkt, 1987; Fenske, M., Marktkultur in der frühen Neuzeit,
2005; Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F.
u. a., 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Marktbeherrschendes Unternehmen ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ein Unternehmen, das den Handel
mit einer bestimmten Warengattung maßgeblich gestalten kann. Aus
Wettbewerbsgründen bedarf es besonderer Kontrolle.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Marktfriede ist der
von einem Herrn (z. B. König) während der Marktzeit für Verkäufer und Käufer
zugesicherte → Friede.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktkauf ist der
auf dem jedermann zugänglichen → Markt getätigte → Kauf. Wegen der
besonderen Gegebenheiten des Marktes darf sich seit dem Mittelalter der
Erwerber einer gestohlenen oder geraubten Sache gegenüber dem Unrechtsvorwurf
des Eigentümers dadurch reinigen, dass er schwört, die Sache auf dem Markt
gekauft zu haben. Vielfach muss er die Sache auch nur gegen die Erstattung des
ganzen oder halben Kaufpreises an den Berechtigten herausgeben. Dieses
Lösungsrecht verliert mit der Aufnahme des römischrechtlichen Herausgabeanspruches
(lat. → rei vindicatio [F.]) an Bedeutung.
Lit.: Hübner 440, 446; Kroeschell, DRG 2, 88; Köbler, DRG
125; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1952; Reinhard, H., Der Marktkauf in
den schweizerischen Stadtrechten, Diss. jur. Zürich 1959; Jakab, E., Praedicere
und cavere beim Marktkauf, 1997
Marktkreuz ist das
seit dem Hochmittelalter zum Zeichen des Marktes aufgestellte Kreuz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktprivileg →
Markt
Marktrecht →
Markt
Marktregal →
Markt, Regal
Marktwirtschaft ist
die Wirtschaftsform, in der die wirtschaftlich relevanten Entscheidungen über
Produktion, Investition, Distribution und Konsum dezentralistisch sind und den
individuellen Wirtschaftssubjekten überlassen werden. In der älteren Zeit geht
der M. die Hauswirtschaft voraus. In den größeren Orten des Altertums ist die
M. bereits bedeutsam. In der Neuzeit wird ihr Gewicht immer größer. Der
Sozialismus des 20. Jh.s stellt der M. die Planwirtschaft entgegen. Seit 1990
dringt die M. in sozialer Form wieder vor.
Lit.: Köbler, DRG 96, 127, 249; Bundesrepublik Deutschland
- Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Nörr, K., Als die
Würfel für die Marktwirtschaft fielen, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Löffler, B., Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis, 2002
Markwald → Mark
Marschall ist der
Träger des im Frühmittelalter für das Verkehrswesen zuständigen Hofamtes
(lat. comes [M.] stabuli). Seit dem 15. Jh. wird der besondere
Feldmarschall Oberbefehlshaber der landesherrlichen Streitkraft. Sein
Amtszeichen ist ein Stab. → marescalcus
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Köbler,
WAS; Strobl, E., Das Obersthofmarschallamt, 1908; Holtzmann, R., Der Kaiser als
Marschall des Papstes, 1928; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
Marshall-Plan ist
der am 5. 6. 1947 von George C. Marshall als Außenminister der Vereinigten
Staaten von Amerika verkündete Plan für den Wiederaufabu Europas, nach dem 16
europäische Staaten am 16. 4. 1948 die Organization for Euroopean Cooperation
(OEEC) gründen, die 1960 in die Organization for Economic Cooperation and
Development (OECD) umgewandelt wird.
Lit.: Bischof, G., Der Marshall-Plan, 1997
Marsilius von Padua (Padua um 1290?-München 1342/1343), Sohn des Universitätsnotars Bonmatteo dei Mainardini, wird nach dem Studium der freien Künste 1313 kurzzeitig Rektor der Universität Paris und danach höfischer Ratgeber. 1324 verfasst er den (lat.) → Defensor (M.) pacis. Darin spricht er sich in der Nachfolge des Aristoteles für einen mit weitreichender Gewalt ausgestatteten Staat aus, der mit Hilfe einer rationalen Gesetzgebung das Wohl seiner Angehörigen erreichen soll. Der Kaiser wird auch der Kirche übergeordnet, als deren höchstes Organ M. v. P. im Übrigen nicht den Papst, sondern das → Konzil (Konziliarismus) ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 107, 109; Stieglitz, L., Die
Staatstheorie des Marsilius von Padua, 1914; Battaglia, F., Marsilio da Padova,
1928; Marsilio da Padova, hg. v. Checchini, A. u. a., 1942; Segall, H., Der
„Defensor Pacis“ des Marsilius von Padua, 1959; Gagnér, S., Studien zur
Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960, 121; Löffelberger, M., Marsilius von
Padua, 1992; Lee, H., Political Representation in the Later Middle Ages, 2008
Mars Thingsus (M.)
germanischer Kriegsgott und vielleicht auch Dinggott
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Höfler,
O., „Sakraltheorie“ und „Profantheorie“, FS S. Gutenbrunner, 1972, 71
Martens, Georg
Friedrich von (Hamburg 22. 2. 1756-Frankfurt am Main 21. 2. 1821) wird nach dem
Rechtsstudium in Göttingen (Pütter) 1783 Professor für Staatsrecht, →
Völkerrecht und → Handelsrecht. 1808 wird er Verwaltungsjurist im
Königreich Westphalen, 1815 in Hannover. 1785 verfasst er (lat.) Primae lineae
(F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien eines praktischen
europäischen Völkerrechts), deren Gliederung sich von herkömmlichen Vorgaben
zu befreien versucht. Seit 1797 sammelt er die wichtigsten völkerrechtlichen
Verträge. Gleichzeitig legt er einen Grundriss des → Handelsrechts vor,
das sich damit von Handlungswissenschaft einerseits und deutschem Privatrecht
andererseits löst.
Lit.: Figge, R., Georg Friedrich von Martens, Diss. jur.
Breslau 1914; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen
Handelsrechts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd.
1 1974, 277; Scherner, K., Anfänge einer deutschen Handelsrechtswissenschaft
im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 464
Martin von Tours (Sabaria
336?-Candes 8. 11. 397), nach dem Mars benannter Sohn eines römischen
Militärtribuns, gründet nach der frühen Taufe 361 das erste gallische Kloster
Ligugé und wird 371 Bischof von Tours. Er ist der erste Heilige der römischen
Kirche mit öffentlicher Verehrung, vor allem im fränkischen Reich (Gedenktag am
11. 11.).
Lit.: Nigg,
W./Loose, H., Martin von Tours, 1977; Thull, M., Martin von Tours, 1985
Martini (zu
Wasserburg), Karl Anton (1779) Freiherr (Revo/Südtrol 15. 8. 1726-Wien 7. 8.
1800), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck (Riegger) und Wien
1753 Professor in Wien für → Naturrecht (erster Lehrstuhl Österreichs
für Naturrecht), Institutionen und römische Rechtsgeschichte. 1767 verfasst er
(lat.) De lege naturali positiones (Lehrsätze über Naturrecht). Seit 1771 wird
er mit Vorarbeiten an einem Privatrechtsgesetzbuch betraut. 1782 gibt er die
akademische Lehre auf und wird Staatsrat, 1792 zweiter Präsident der obersten
Justizstelle. Sein 1793-1795 erarbeiteter Entwurf des Privatgesetzbuches in
drei Teilen (Entwurf M.) tritt 1797 nach dem Gewinn Galiziens aus der dritten
polnischen Teilung als → Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft.
Lit.: Köbler, DRG 142; Juristen in Österreich, hg. v.
Brauneder, W., 1987, 77; Hebeis, M., Karl Anton von Martini, 1996; Karl Anton
von Martini, hg. v. Barta, H. u. a., 2007
Martinus Gosia (Bologna um
1100-1158/1166) ist einer der vier Doktoren, die 1158 auf dem Reichstag von →
Roncaglia auftreten. Er vertritt Gedanken der Billigkeit (lat. [F.]
aequitas). Anscheinend stammen von ihm Glossenapparate zu Digesten, Codex und
Institutionen und Schriften wie Materia institutionum, Interesse quandoque, De
computatione graduum, De iure dotium und De adquirenda et retinenda
possessione.
Lit.: Köbler, DRG 105; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum
veterum Codicis Iustiniani,1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd.
1 1997, 170
Marx, Karl (Trier
5. 5. 1818-London 14. 3. 1883), Sohn eines zwischen 1819 und 1821 vom Judentum
zum Protestantismus übergetretenen Rechtsanwalts, 1824 vom Judentum zum
Protestantismus übergetreten, wird nach dem Studium von Recht und Philosophie
in Bonn (1835) und Berlin (Savigny, Gans) Redakteur. Am 12. 6. 1843 geht er
nach Paris, 1845 nach Brüssel und 1849 nach London. Im Auftrag des Londoner
Bundes der Kommunisten veröffentlicht er mit Friedrich Engels 1848 das →
Kommunistische Manifest. Dem folgen 1859 „Zur Kritik der politischen Ökonomie“
und 1867 „ Das Kapital“, mit denen er den → Marxismus begründet.
Lit.: Köbler, DRG 178f., 189, 253; Vysinskij, A., Fragen
des Rechts und des Staates bei Marx, 1938; Bloch, E., Karl Marx und die
Menschlichkeit, 1969; Euchner, W., Karl Marx, 1983; Schefold, C., Die
Rechtsphilosophie des jungen Marx von 1842, 1970; Landau, P., Karl Marx und die
Rechtsgeschichte, TRG 41 (1973), 361; Cerroni, U., Marx und das moderne Recht,
1974; Magnis, F. v., Normative Voraussetzungen im Denken des jungen Marx,
1975; Szabó, I., Karl Marx und das Recht, 1981; Herferth, W., Sachregister zu
den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, hg. v. Sandmühler, J., 1983;
Marx-Engels-Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984; Schöncke, M., Karl und
Heinrich Marx, 1993; Ternes, B., Karl Marx, 2008
Marxismus ist die
von Karl → Marx (1818-1883) begründete Gesellschaftslehre. Der M. ist
historischer Materialismus, dem es darum geht, die Sachverhalte daraufhin zu
beurteilen, wie, zu welchen und zu wessen Zwecken sie herbeigeführt werden,
und in der Geschichte die Entwicklung von sozialen Verhältnissen zu erkennen.
Grundlegend für eine geschichtliche Entwicklungsstufe ist die Art und Weise wie
(u. a. mit welchen Produktionsmitteln) die Menschen ihren Lebensunterhalt
bewirken. Die Produktionsverhältnisse sind die tatsächliche (reale) Basis für
einen geistigen (ideologischen) Überbau. Arbeitsteilung und Eigentumsbildung
entfremden den Menschen von sich selbst. Die besitzende Klasse hält am
jeweiligen Zustand der Produktionsverhältnisse und der zu ihrer Sicherung
geschaffenen Rechtssätze fest, während die ausgebeutete Klasse nach seiner
Veränderung strebt. Durch Revolution wird die jeweilige Basis und damit auch
der Überbau verändert und eine jeweils höherwertige Stufe des sich nach exakten
Gesetzen vollziehenden Geschichtsablaufs erreicht. Das Recht als Teil des
Überbaus ist im Kapitalismus proletarierfeindlich, aber in der vom Sozialismus
unter Führung der Kommunistischen Partei angestrebten klassenlosen
Gesellschaft, in der es weder Not noch Unterdrückung gibt, ebenso überflüssig
wie der Staat. Die Versuche des 20. Jh.s, die Vorstellungen des M. zu
verwirklichen (1917 Sowjetunion, Deutsche Demokratische Republik 1949,
Albanien, Kuba, Nordkorea u. a.), erweisen sich bis zum Ende des 20. Jh.s
(1990) nicht als erfolgreich.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG
178f., 189, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 937; Paschukanis,
E., Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924, Neudruck 1966; Adler, M., Die
Staatsauffassung des Marxismus, 1922, Neudruck 1973; Reich, N., Sozialismus und
Zivilrecht, 1972; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W.,
Marxistische Rechtstheorie als Kritik des Rechts, 1974; Probleme der
marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Nolte, E., Marxismus
und industrielle Revolution, 1983; Fetscher, I., Karl Marx und der Marxismus,
1985; Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, hg. v. Haug, W., 1994ff.;
Schröder, R., Marxismus und Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Ploenus, M., so wichtig wie das tägliche Brot. Das Jenaer Institut, 2007
Märzverfassung ist
in → Österreich die vom Kaiser nach dem Sieg über die revolutionäre
Bewegung des Jahres 1848 dem Reichstag in Kremsier am 4. 3. 1849 aufoktroyierte
Verfassung, die erstmals die nichtdeutschen Gebiete Ungarn und
Lombardo-Venetien einschließt. Sie stellt in einem Scheinkonstitutionalismus
dem Kaiser den aus Oberhaus und Unterhaus bestehenden → Reichstag
gegenüber. Hinzu kommt in einem eigenen Patent ein Grundrechtskatalog. Die
gesamte Verfassung tritt allerdings trotz Verkündung nicht in Kraft und wird
nach den sie bereits verletzenden Erlässen des Kaisers vom 20. 8. 1951
(Augusterlässe) unter dem Druck von Adel und Verwaltung am 31. 12. 1851 (→
Silvesterpatent) (mit dem Grundrechtspatent) als unangemessen und
unausführbar aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Brauneder, W.,
Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 10. A. 2005
Mascov, Johann
Jacob (Danzig 26. 11. 1689-Leipzig 21. 5. 1761), früh verwaister Kaufmannssohn,
wird nach dem Studium der freien Künste und des Rechts in Leipzig und Halle
1719 außerordentlicher Professor in Leipzig. Daneben übt er zahlreiche
praktische Aufgaben aus. 1729 veröffentlicht er die häufig aufgelegten, in sieben
Bücher gegliederten (lat.) Principia (N.Pl.) iuris publici imperii
Romano-Germanici (Grundsätze des öffentlichen Rechts des römisch-deutschen
Reiches).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972, 284;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988,
307
Maß ist die
Meßeinheit. Das M. findet sich bereits vielfach im Altertum. Ausgangspunkt ist
das natürliche, vom menschlichen Körper abgeleitete M. (z. B. Fuß, Elle,
Klafter, Schritt). In der Neuzeit wird dieses mehr und mehr vom
künstlich-wissenschaftlichen, international vereinbarten M. (z. B. Liter,
Meter, Gramm) verdrängt, das M. durch rechtliche Bestimmungen klar festgelegt
und gegen Missbrauch geschützt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 176; Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994;
Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Alberti, H. v., Maß und
Gewicht, 1957; Pfeiffer, E., Die alten Längen- und Flächenmaße, 1986
Maßnahme der Sicherung und Besserung ist die auf die strafrechtlichen Reformvorschläge Franz
von → Liszts (1882 Marburger Programm) zurückgehende Maßnahme, statt zu
strafen zu sichern und zu bessern. Sie wird (im Dritten Reich) durch das
Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11. 1933 verwirklicht. Danach kann der
Richter die Unterbringung eines Täters in einer Heil- und Pflegeanstalt, in
einer Trinkerheilanstalt, in einem Arbeitshaus, in der Sicherungsverwahrung
oder die Entmannung, die Untersagung der Berufsausübung oder die
Reichsverweisung anordnen. Später wird die Besserung der Sicherung
vorangestellt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jelowik, L.,
Zur Geschichte der Strafrechtsreform in der Weimarer Republik, 1983; Werle, G.,
Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Elling-Ruhwinkel,
E., Sichern und Strafen, 20 05
Maßnahmegesetz ist
das offen oder verdeckt nur für einen oder wenige Einzelfälle bestimmte Gesetz.
Es wird im 20. Jh. problematisch.
Lit.: Huber, K., Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963
Materialismus ist
die geistesgeschichtliche Strömung, die das gesamte Weltgeschehen vom
Stofflichen (Materiellen), nicht vom Geistigen (Ideellen), her zu erklären
versucht. Eine bedeutsame Form des M. ist der historische M. (→
Marxismus).
Lit.: Köbler, DRG 178; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1982, 977; Kautsky, K., Die materialistische Geschichtsauffassung, Bd. 1f.
1927; Kägi, P., Genesis des historischen Materialismus, 1965; Bloch, E., Das
Materialismusproblem, 1985; Schermaier, M., Materia, 1993; Bund, E., Stoischer
Materialismus und Dynamismus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Wittkau-Horgby, A., Materialismus, 1998
materiell (Adj.) gegenständlich,
sachlich, inhaltlich, tatsächlich (im Gegensatz zu formell)
Materielles Recht ist das den Gegenstand betreffende Recht (z. B. Privatrecht, Strafrecht) im Gegensatz zum formellen Recht (Verfahrensrecht).
Lit.: Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von
materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Kollmann, A., Begriffs-
und Problemgeschichte, 1996
Mater semper certa est, pater quem
nuptiae demonstrant (lat.). Die Mutter ist immer gewiss,
Vater ist, wen die Ehe ausweist.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 2, 4, 5)
Mathildische Güter
sind die Güter der Markgräfin Mathilde von Tuszien-Canossa (1046-24. 7. 1117,
bezüglich der 139 echte Urkunden, 15 gefälschte Urkunden und 115 verlorene
Urkunden nachweisbar sind) in Reggio, Modena, Mantua, Bologna, Parma, Ferrara,
Brescia, Verona usw., die bedeutender sind als alle anderen Güter einer
hochadligen Familie in Reichsitalien im Hochmittelalter. Wohl 1080 gibt die
Markgräfin ihre Güter an den Papst (1102 bestätigt). Im Frühjahr 1111 sichert sie
Heinrich V. die Erbfolge in ihre Güter zu. Zwischen König und Kirche in der
Folge umstritten, gelangen die mathildischen Güter im 12./13. Jh. unter die
Herrschaft vieler Stadtkommunen.
Lit.: Overmann, A., Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895;
Grimaldi, N., La contessa Matilde, 1928; Studi matildici, 1964; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Groß, T., Lothar
III. und die Mathildischen Güter, 1990; Golinelli, P., Mathilde und der Gang
nach Canossa, 1998; Die Urkunden und Briefe der Markgräfin Mathilde von
Tuszien, hg. v. Goez, E. u. a., 1998
Matriarchat ist das
vom Vorrecht der Frau bzw. der Mutter geprägte Recht im Gegensatz zum
Patriarchat. Eine Zeit des Matriarchates ist geschichtlich nicht bezeugt. Sie
wird aber von Johann Jakob → Bachofen (1815-87) angenommen (Über das
Weiberrecht, 1856). → Mutterrecht
Lit.: Wesel, U., Der Mythos vom Matriarchat, 1980;
Göttner-Abendroth, H., Das Matriarchat, Bd. 1f. 1988ff.
Matrikel ist das
bereits dem römischen Altertum bekannte Verzeichnis von Umständen, das die
Kirche fortführt (→ Kirchenbuch). Im Hochmittelalter wird an den
Universitäten die Eintragung in eine M. Voraussetzung für die Teilhabe an den
Vorrechten der Universitätsangehörigen (z. B. Exemtion vom Stadtgericht). Seit dem
Hochmittelalter finden sich auch Listen über die von Fürsten und Städten für
die Heereszüge des Königs zu erbringenden Leistungen, aus denen sich 1422 die →
Reichsmatrikel entwickelt.
Lit.: Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens,
1910; Falckenheiner, W., Univeritätsmatrikel, 1928; Weißenborn, E., Quellen und
Hilfsmittel der Familiengeschichte, 3. A. 1930, 77; Börsting, H., Geschichte
der Matrikel, 1959
Matrikularbeitrag ist
in der frühen Neuzeit der in der Reichsmatrikel des Heiligen römischen Reichs
(deutscher Nation) festgelegte Beitrag des einzelnen Reichsstandes zum
Finanzwesen des Reiches. Auch im zweiten Deutschen Reich bilden die
Matrikularbeiträge der Länder eine wichtige Grundlage für die
Reichsfinanzverfassung. Dabei ist das Reich Kostgänger der Länder.
Lit.: Köbler, DRG 150, 196
Matrimonial Causes Act
(1965) ist die das Eherecht betreffende Zusammenfassung verstreuter
gesetzlicher Vorschriften im englischen Recht.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Matrimonium (lat. [N.]) ist bei den Römern die als soziale Tatsache mit
rechtlichen Wirkungen angesehene → Ehe (unter Römern).
Lit.: Kaser § 58; Köbler, LAW
matrimonium (lat. [N.] clandestinum (heimliche Eheschließung durch
bloßen Konsens der Beteiligten, seit dem Decretum tametsi 1563 das
matrimonium an das zwingende Formerfordernis der Anwesenheit eines Pfarrers
und zweier Zeugen geknüpft)
Matthaeus (II.), Antonius (Herborn 1601-Utrecht 1654), Rechtsprofessorssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Marburg und Groningen Professor in Harderwijk (1629) und Utrecht (1634). In (lat.) De criminibus (1644, Von Verbrechen) behandelt er die Straftatbestände an Hand der Bücher 47, 48 der Digesten mit Hinweisen auf das zeitgenössische Recht. In einer systematischen Einleitung legt er allgemeine Sätze über übergreifende (allgemeine) Fragen (z. B. Schuld, Vorsatz usw.) dar.
Lit.: Schlüter, F., Antonius Mattheus II. aus Herborn,
1929; Zestig Juristen, 1987, 166
Maunz, Theodor (Dachau
1. 9. 1901-Gräfelfing 10. 9. 1993) wird nach dem Rechtsstudium in München 1937
ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1952 in München (1943-1945
Wehrdienst, 1948 Mitglied des Herrenchiemseer Verfassungskonvents, 1957-1964
Kultusminister in Bayern). Wechselnden politischen Bedingungen geschmeidig
angepasst verfasst er nach 1949 ein erfolgreiches Lehrbuch des Staatsrechts und
begründet einen wichtigen Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 553; Stolleis, M.,
Theodor Maunz, Kritische Justiz 1993, 393
Maure (Mohr) ist in
der Antike (lat. Maurus) der Bewohner Nordwestafrikas (Mauretaniens), im
Mittelalter der von dort hauptsächlich nach Spanien ausgreifende Afrikaner
(Araber).
Lit.: Hottinger, A., Die Mauren, 2. A. 2005
Maurer, Georg
Ludwig Ritter von (Erpolzheim 2. 11. 1790-München 9. 5. 1872) wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg Richter in der Rheinpfalz, von 1826 bis 1832
Professor in München, von 1832 bis 1834 Mitglied des Regentschaftsrates Königs
Otto von Griechenland (aus dem Hause Wittelsbach) und 1847 Verweser des
bayerischen Justizministeriums und Außenministeriums. Er veröffentlicht
umfangreiche Darstellungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte.
Lit.: Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in
Deutschland, 1856; Dickopf, K., Georg Ludwig von Maurer 1790-1872, 1960
Maurer, Konrad von
(Frankenthal 29. 4. 1823-München 16. 9. 1902), Sohn des Rechtshistorikers Georg
Ludwig von Maurer, wird nach dem Studium des Rechts und der Geschichte in
München, Leipzig und Berlin (Homeyer, Richthofen) 1847 außerordentlicher
Professor, 1855 ordentlicher Professor in München. Er veröffentlicht
zahlreiche Abhandlungen zur nordischen Rechtsgeschichte.
Lit.: Mayer, E., Konrad Maurer, ZRG GA 24 (1903), V;
Maurer, K. v., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1907ff., Neudruck 1965; Amira, K. v., Konrad von Maurer, SB. d. Akad. d. Wiss.
München, 1903
Maut ist im
südostdeutschen Sprachgebiet der → Zoll.
Mautern
Lit.: Demelius, H., Aus
dem Stadtbuch von Mautern an der Donau (1432 bis 1550), 1972 (SB Wien)
Maximilian I. (Wiener Neustadt 22. 3. 1459-Wels 12. 1. 1519) ist der letzte mittelalterliche König („letzter Ritter“) des Heiligen römischen Reiches (1486 König, 1490 Graf von Tirol. 1493 Landesherr in allen österreichischen Erbländern, 1508 erwählter römischer Kaiser). Er fasst, ohne Fürsorge für die Interessen des Reiches, seine habsburgischen Erbländer zusammen, vermehrt sie durch Heirat um → Burgund (1477) und bereitet (1515) den Erwerb → Ungarn-Böhmens (1526) und → Spaniens vor. Auf wohl burgundischem Vorbild beruht seine Verwaltungsreform in Tirol und Österreich. Im Reich entstehen unter seiner Herrschaft (1495) → Reichskammergericht, → Reichskreise, → gemeiner Pfennig und ewiger Landfriede.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 150f., 157; Schmidt, E., Die
Maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Kaiser Maximilians I. Weißkunig,
hg. v. Musper, H. u. a., 1956; Buchner, R., Maximilian I., 2. A. 1970; Ausstellung
Maximilian I., hg. v. Kulturreferat des Landes Tirol, 1969; Wiesflecker, H.,
Kaiser Maximilian I., Bd. 1ff. 1971ff.; Wiesflecker, H., Maximilian I., 1991;
Hollegger, M., Maximilian I., 2005
Maximilianische Verwaltungsreform ist die von König Maximilian I. wohl nach burgundischem
Vorbild durchgeführte Verwaltungsreform. In ihrem Verlauf bestellt Maximilian
in → Tirol 1490 ein Kollegium von 12 Statthaltern für Justiz und
Verwaltung für die Zeit seiner Abwesenheit. 1491 schafft er für die Verwaltung
der Einkünfte eine besondere → Raitkammer (in Innsbruck). Beides findet
wenig später auch in Niederösterreich Eingang.
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Walther, A., Die
Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Mayer, T., Die
Verwaltungsorganisationen Maximilians I., 1920, Neudruck 1973; Hollegger, M.,
Maximilian I. und die Entwicklung der Zentralverwaltung, 1983
Mayer, Otto (Fürth
29. 3. 1846-Hilpertsau 8. 8. 1924), Abgeordnetensohn, wird nach dem
Rechtsstudium u. a. in Berlin (1866/1867) 1872 Rechtsanwalt in Mülhausen, 1882
außerordentlicher Professor und 1887 ordentlicher Professor für französisches
Zivilrecht, internationales Privatrecht, allgemeine Staatslehre und
Verwaltungsrecht in Straßburg und 1903 Professor in Leipzig. In seinem unter
Übertragung der juristischen Methode (→ Gerber, → Laband) aus dem
Staatsrecht gewonnenen Lehrbuch Deutsches Verwaltungsrecht (1895/1896) bildet
er ein nach rechtlichen Gesichtspunkten systematisch gegliedertes →
Verwaltungsrecht (vor allem der Eingriffsverwaltung) aus (Vorrang des Gesetzes,
Vorbehalt des Gesetzes). Im Mittelpunkt des durch Rechtsvergleichung
geschaffenen allgemeinen Teiles des Verwaltungsrechts steht der (dem französischen
Verwaltungsrecht nachgeformte) → Verwaltungsakt.
Lit.: Köbler, DRG 199; Die Rechtswissenschaft in
Selbstdarstellungen, hg. v. Planitz, H., 1924, 153, 175; Dennewitz, B., Die
Systeme des Verwaltungsrechts, 1948, 122; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des
liberalen Rechtsstaates, 1967; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto
Mayer, 1982; Schmid-De Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers,
1999; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004
Mazedonien → Makedonien
Mecheln, Mechelen
erscheint im 9. Jh. (Malinas 870) und gelangt über das Hochstift Lüttich,
Flandern (1357), Burgund (1369) an Habsburg (1477) und von dort über die
Niederlande an Belgien (1830). 1490 wird die erste moderne Postverbindung von
Innsbruck nach M. eingerichtet.
Lit.: Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht, 1947; De
Geschiedenis van Mechelen, hg. v. Uytven, R. van, 1991
Mecklenburg ist ein
nach der 995 erstmals erwähnten Burg Michelenburg bei Wismar benanntes, dünn
besiedeltes, 1701 in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz geteiltes,
zum 1. 1. 1934 wieder zusammengefasstes Land, das 1945 mit Vorpommern
verbunden wird und herkömmliche Zustände verhältnismäßig lang bewahrt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 176; Neue Sammlung mecklenburgischer Landesgesetze, Bd. 1ff. 1769;
Mecklenburger Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1863ff.; Böhlau, H., Mecklenburgisches
Landrecht, Bd. 1ff. 1871ff.; Buchka, G. v., Landesprivatrecht der
Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, 1905; Ihde, R.,
Amt Schwerin, 1912; Krause, H., System der landständischen Verfassung
Mecklenburgs, 1927; Hoffmann, K., Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins,
1930; Mecklenburgische Bauernlisten des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. d.
Urkundenbuchkommission, Heft 1f. 1937f.; Hamann, M., Das staatliche Werden
Mecklenburgs, 1962; Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen
Landrechts, ZRG GA 61 (1941), 208; Ballschmieter, H., Andreas Gottlieb von
Bernstorff und der mecklenburgische Ständekampf 1680-1720, 1962; Die
mecklenburgischen Kaiserbederegister, hg. v. Engel, F., 1968; Hamann, M.,
Mecklenburgische Geschichte, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,2908; Wieden, H. bei der, Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte
1815-1945, B XII (Mecklenburg), 1976; Petersohn, J., Der südliche Ostseeraum,
1979; Stammer, M., Die Anfänge des mecklenburgischen Liberalismus, 1980;
Moldenhauer, R., Grenzen und Grenzbeschreibungen in Mecklenburg, ZRG GA 98
(1981), 236; Moldenhauer, R., Terra deserta, ZRG GA 104 (1987), 190; 1000 Jahre
Mecklenburg, 1995; Brunner, D., Der Schein der Souveränität, 2006; Die früh-
und hochmittelalterliche Siedlungsentwicklung im nördlichen Mecklenburg im
Lichte der Ortsnamen, hg. v. Foster, E. u. a., 2007 Kurzer Abriss der mecklenburgischen und vorpommerschen
Verfassungsgeschichte, verantw. v. Kuhn, H., 2007
Mecklenburg-Vorpommern
ist seit 3. 10. 1990 ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland, das in der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik aus Mecklenburg und dem westlich der Oder
gelegenen Teil Pommerns gebildet wurde.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Kurzer Abriss der
mecklenburgischen und vorpommerschen Verfassungsgeschichte, verantw. v. Kuhn,
H., 2007
mediani (lat. [M.Pl.]) mittlere ([als Stand] im alemannischen Volksrecht des Frühmittelalters)
Mediatisierung ist
die Mittelbarmachung reichsunmittelbarer Reichsglieder (z. B. Reichsstädte,
Reichsritter) insbesondere durch den → Reichsdeputationshauptschluss vom
25. 2. 1803 und Art. 24 der Rheinbundakte vom 12. 7. 1806 (nahezu 70 bisher
souveräne Landesherrschaften). Die dabei mittelbar gemachten (d. h. der
Herrschaft eines anderen Landesherrn wie etwa Badens, Bayerns oder Württembergs
eingegliederten) ehemaligen Reichsunmittelbaren behalten noch während des 19.
Jh.s gewisse Vorrechte (z. B. → Patrimonialgerichtsbarkeit, →
Familienfideikommiss).
Lit.: Köbler, DRG 132, 149; Gollwitzer, H., Die
Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Facius, C., Zwischen Souveränität und Mediatisierung,
FS H. Tümmler, 1977, 163; Schier, R., Die Standesherren, 1978;
Achtzehnhundertunddrei, hg. v. Schmid, P. u. a., 2003; Gläser, S., Die
Mediatisierung der Grafschaft Wertheim, 2006
Mediävistik (F.) Mittelalterkunde
Lit.: Ius Romanum medii aevi, 1961ff.; Dilcher, H., Zur
Einführung - Romanistische Mediävistik, JuS 6 (1966), 387; Lexikon des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1980ff.; Sachwörterbuch der Mediävistik, hg. v.
Dinzelbacher, P., 1992; Goetz, H., Moderne Mediävistik, 1999; Mediävistik im
21. Jahrhundert, hg. v. Goetz, H., 2003; Weichselbaumer, R., Mittelalter
virtuell – Medävistik im Internet, 2005; Die deutschsprachige Mediävistik im
20. Jahrhundert, hg. v. Moraw, P. u. a., 2005; Mittelalter im Labor, hg. v.
Borgolte, M. u. a., 2008
Medici ist die seit
dem frühen 13. Jh. bezeugte, innerhalb dreier Generationen aufgestiegene, im
16. Jh. zu Herzögen von Florenz (1531) und Großherzögen von Toskana (1569) erhobene
Geldwechslerfamilie in Florenz, die 1737 erlischt.
Lit.:
Rubinstein, N., The Government of Florence under the Medici, 1966; Clarke, P.,
The Soderini and the Medici, 1991; Brown, A., The Medici in Florence, 1992;
Lorenzo de Medici, hg. v. Toscani, B., 1993; Reinhardt, V., Die Medici, 1998;
Walter, I., Der prächtige Lorenzo de Medici, 2003; I Medici in rete, hg. v.
Cotta, I. u. a., 2003; Martines, L., Die Verschwörung, 2004; Reinhardt, V.,
Geld und Freunde, 2009
Medingen
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v. Homeyer,
J., 2006
Medium (N.) Mittel,
insbesondere das Wissensverbreitungsmittel wie Buch, Zeitung, Rundfunk,
Fernsehen
Lit.: Faulstich, W., Die Geschichte der Medien, Bd. 1 1997;
Geschichte der Medien, hg. v. Fassler u. a., 1998; Von Almanach bis Zeitung,
hg. v. Fischer, E. u. a., 1999; Wilke, J., Grundzüge der Mediengeschichte,
2000; The Mediation of Symbols in Late Medieval and Early Modern Times, hg. v.
Suntrup, R., 2005; Wenzel, H., Mediengeschichte vor und nach Gutenberg, 2007;
Zimmermann, C., Medien im Nationalsozialismus, 2007; Würgler, A., Medien in der
frühen Neuzeit, 2009
Medizin (Heilkunst)
→ gerichtliche Medizin
Lit.: Schmidt, A.,
Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen, FS Benno Schmidt, 1896;
Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges,
1983; Die Geschichte des medizinischen Denkens, hg. v. Grmek, M., 1996;
Porter, R., Die Kunst des Heilens, 2000; Pfeifer, K., Medizin der Goethezeit,
2000; Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Künzl, E., Medizin in
der Antike, 2002; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003;
Steger, F., Asklepiosmedizin, 2004; Bergdolt, K., Das Gewissen der Medizin,
2004; Nutton, V., Ancient Medicine, 2004; Antike Medizin, hg. v. Leven, K.,
2005; Rzihacek-Bedö, A., Medizinische Wissenschaftspflege im
Benediktinerlkoster Admont bis 1500, 2005; Medicina e società nel mondo antico,
hg. v. Marcone, A., 2006; Eckart, W. u. a., Medizingeschichte, 2007
medum (Ackerland,
Ackerabgabe [in der Erzdiözese Trier zwischen
900 und 1300])
Lit.: Kienast, R., medum-land, (in) Antiquitates
Germanicae, 1974, 57
Meer ist allgemein
der von Salzwasser bedeckte, größere Teil der Erdoberfläche. Das M. ist
grundsätzlich frei (lat. mare [N.]
liberum). Im römischen Recht steht auch die Meeresküste als (lat.) res (F.)
communis (allgemeine Sache) dem Gebrauch aller Menschen offen. Im Mittelalter
bewirkt die Zusammenfassung einzelner Herrschaftsrechte (Regalien) in der
Hand der Landesherren die Beanspruchung der Meeresküste als Recht des
Landesherrn. In der Neuzeit wird von hier aus weiter auf das Meer ausgegriffen
(3 Seemeilen, 12 Seemeilen, 200 Seemeilen). Im Übrigen gilt für das M. das →
Völkerrecht.
Lit.: [Grotius, H.,] Mare liberum,
1609; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere in der Staatenpraxis von
1493-1648, 1969; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Meersburg
Lit.: Widemann, B., Die
Verfassung und Verwaltung der Stadt Meersburg, 1958
Megelle (Buch der Weisheit) ist das von 1869 bis 1876 in 16 Bänden herausgegebene und 1877 in Kraft gesetzte Zivilgesetzbuch des osmanischen Reichs auf der Grundlage des islamischen Rechts (Saria). Die M. gilt in der Türkei bis 1926, in Albanien bis 1928, im Libanon bis 1932, in Syrien bis 1949, im Irak bis 1953 und auf Zypern bis in die 60er Jahre des 20. Jh.s. Ihr wichtigster Redaktor ist der Richter und Justizminister Ahmad Gawdat Pasa (1822-1895).
Lit.: Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, (in)
Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170
Megenberg, Konrad
von (1309-Regensburg 14.? 4. 1374), Ministerialensohn (Mäbenberg?/Mittelfranken),
wird nach der Schule in Erfurt und dem Studium der freien Künste in Paris
Domherr in Regensburg. 1354 veröffentlicht er die Karl IV. gewidmete Schrift
(lat.) De translatione imperii Romani (Von der Übertragung des römischen
Reichs), in der er die Auffassung vertritt, dass der Papst die Wahl des
deutschen Königs billigen müsse.
Lit.: Ibach, H., Leben und Schriften des Konrad von
Megenberg, 1938; Konrad von Megenberg und sein Werk, hg. v. Märtl, C., 2006
Mehrer des Reiches
(Lüs. von lat. [M.] Augustus) ist seit dem 14. Jh. ein Titel des Kaisers des
Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Bucklisch, M., „Augustus“, Diss. phil. Münster 1957;
Wolfram, H., Intitulatio II, 1973, 174
Mehrheit (Majorität)
ist der größere von zwei (oder mehr) Teilen einer Personengesamtheit. Der
Grundsatz, dass eine M. von Stimmen einer von mehreren unterschiedlichen
Meinungen zum Sieg verhilft, ist bereits in den Versammlungen in den Stadtstaaten
Griechenlands und in Rom anerkannt. Die christliche Kirche übernimmt die auch
in den → Digesten Justinians vertretene Vorstellung (D. 50. 1. 19, 50.
17. 160. 1) zunächst nicht, sondern strebt die Einstimmigkeit an. Seit dem 4.
Jh. zieht sie die M. in der Form der größeren Qualität vor (lat. sanior pars [F.]).
Im 12. Jh. anerkennt sie den Grundsatz der M. Im deutschen, zunächst der
Einstimmigkeit zuneigenden Recht ist der Grundsatz der M. bei der Königswahl seit
der Mitte des 13. Jh.s bedeutsam und setzt sich 1338 durch. Im Reichstag gilt
dies nur von Fall zu Fall.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 109; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1021; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, Neudruck 1954; Starosolskyj, W., Das
Majoritätsprinzip, 1916; Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips,
ZRG KA 73 (1956), 73, 560; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip in der
Demokratie, 1973; Schlaich, K., Maioritas, ZRG KA 94 (1977), 264; Battenberg,
J., Das römisch-deutsche Königtum und die Legitimation mehrheitlicher
Entscheidungen im Spätmittelalter, ZRG GA 103 (1986), 1; Mehrheitsprinzip,
Konsens und Verfassung, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1986
Mehrheitswahlrecht ist
das Wahlrecht, bei dem die Mehrheit der Stimmen (eines Wahlkreises) entscheidet
und die für andere Bewerber abgegebenen Stimmen personell nicht berücksichtigt
werden (z. B. England plurality voting system).
Lit.: Köbler, DRG 257; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip,
1973
Mehrverkehr (M.) Geschlechtsverkehr
einer Frau mit mindestens zwei Männern (Beweis des Mehrverkehrs dinet der Widerlegung der
Vaterschaftsvermutung)
Meier (zu lat. maior [M.] der Größere) ist in der frühmittelalterlichen → Grundherrschaft der Verwalter des Grundherrn (lat. villicus [M.]). Seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.) strebt er nach Selbständigkeit. Daraufhin vergibt der Grundherr (vor allem in Nordwestdeutschland) die Grundherrschaft(sverwaltung) nur noch auf Zeit gegen festen Zins (Meierrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2: Wittich, W., Die
Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer,
2 A. 1964; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Simon,
T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995
Meiergericht ist
das Gericht einer Grundherrschaft unter dem Vorsitz des → Meiers. Das M.
begegnet seit dem Hochmittelalter. In der Neuzeit wird es vom Landesherrn
zurückgedrängt und endet im 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Höngger Meiergerichtsurteile, hg.
v. Stutz, U., 1912; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 343; Heikaus, H., Hofgerichte und
Hofrecht, 1970
Meierhof → Meier, Hof
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Meierordnung ist
das partikulare Gesetz des 18. Jh.s über das → Meierrecht (z. B.
Paderborn 1765, Calenberg 1772, Entwurf Lüneburg 1799ff., Osnabrückische
Eigentumsordnung 1722).
Meierrecht ist ein
gewohnheitsrechtlich entstandenes bäuerliches Besitzrecht in
Nordwestdeutschland (Niedersachen, Westfalen). Es ist ein (tatsächlich
erbliches,) dingliches Recht zur Bewirtschaftung eines fremden Gutes gegen
Abgaben (Meierzins) und zwar eine Form der Pacht. → Abmeiern
Lit.: Gesenius, C., Das Meyerrecht, Bd. 1f. 1801ff.;
Pfeiffer, W., Das deutsche Meierrecht, 1848; Niemeyer, F., Das Meierrecht in
der Grafschaft Hoya, 1862; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960;
Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969
Meiji-Verfassung (1889) → Japan
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Meineid ist das
vorsätzliche falsche Schwören des Täters vor Gericht oder einer anderen zur
Abnahme von Eiden zuständigen Stelle. Im römischen Recht wird, von bestimmten
Sonderfällen (z. B. lat. → falsum [N.],
stellionatus [M.] oder → crimen [N.]
laesae maiestatis) abgesehen, der M. nicht rechtlich verfolgt. Ob die Germanen
eine Strafe für M. kennen, ist zweifelhaft. Im Frühmittelalter folgt dem
falschen Schwören überwiegend eine → Buße oder das → Wergeld. Die
(lat.) Lex (F.) Saxonum sieht für den M. in der Kirche den Tod vor. In
Kapitularien wird Handverlust angedroht. Dem folgt der Sachsenspiegel
(1221-1224). Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) schreibt für den M. vor
Gericht den Verlust der beiden Schwurfinger vor. In der zweiten Hälfte des 18.
Jh.s werden christliche Aspekte zurückgedrängt und danach durch den Schutz der
Allgemeinheit ersetzt. Das 19. Jh. schränkt den M. auf den gerichtlichen Falscheid
ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hirzel, R., Der Eid, 1902,
Neudruck 1966; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
9; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Vormbaum, T., Eid,
Meineid und Falschaussage, 1990; Ries, G., Zur Strafbarkeit des Meineids, FS D.
Medicus, 1999, 457
Meinhardiner ist
der Angehörige der nach ihrem Leitnamen Meinhard bezeichneten Familie der
Grafen von Görz (1077-1500), die zeitweilig auch in Tirol (bis 1363), Kärnten
(1286-1335), Krain und Böhmen (1307-1310), herrscht und bei ihrem Aussterben
(1363/1374/1500) ihre Güter an die Familie der Habsburger vererbt.
Meinung (Ansicht) → herrschende Meinung
Meinungsfreiheit ist
die Freiheit jedes Menschen, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern
und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten. Sie wird von der Aufklärung des 18. Jh.s (→ Kant) gefordert
und im 19. Jh. als → Grundrecht durchgesetzt.
Lit.: Wilke, J., Die Entdeckung von Meinungs- und
Pressefreiheit als Menschenrechte im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts
(in) Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995,
121; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Meinungsfreiheit,
hg. v. Schwartländer, J. u. a., 1986
Meißen
Lit.: ; Urkunden der
Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen 1196-1234, 1898ff.Schieckel,
H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956;
Pannach, H., Das Amt Meißen, 1960; Ludwig, T., Die Urkunden der Bischöfe von
Meißen, 2005
Meißener Rechtsbuch ist das zwischen 1357 und 1387 von einem unbekannten Verfasser (in Zwickau?) für Städte sächsischen und Magdeburger Rechts in der Markgrafschaft Meißen (mit Osterland, Pleißnerland und Vogtland), Sachsen, Thüringen, Westfalen, Brandenburg, Polen und Böhmen geschaffene, in 76 vollständigen und 21 teilweise erhaltenen Handschriften überlieferte Rechtsbuch (eyn buch dez rechten in wichbilde in sechsisszer art), das in der Literatur auch als Rechtsbuch nach Distinktionen, schlesisches Landrecht oder vermehrter Sachsenspiegel benannt wird. Es gliedert sich in 5 bis 8 Bücher, Kapitel und Distinktionen. Erfasst sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Strafrecht, Stadtverfassung, Stadtrecht und Reichsrecht. Quellen sind → Sachsenspiegel Landrecht, Magdeburger Weichbildrecht, Goslarer Stadtrecht und Zwickauer Rechtsbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Ortloff, F., Das
Rechtsbuch nach Distinktionen, 1836; Voltelini, H. v., Ein Bruchstück des
Rechtsbuches nach Distinktionen im Landesarchiv in Klagenfurt, ZRG GA 44
(1924), 316; Weizsäcker, W., Zur Geschichte des Meißner Rechtsbuchs in Böhmen
und Mähren, ZRG GA 58 (1938), 584; Ullrich, G., Zu den Quellen des Meißener
Rechtsbuches, Deutschrechtl. Archiv 1 (1940), 87; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 55
Meister (zu lat. [M.]
magister) ist allgemein der Könner und Lehrer, im besonderen der die
Meisterprüfung in einem → Handwerk bestehende Geselle.
Lit.: Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985
Mejora (F.) ist der im Frühmittelalter ausgebildete,
zugunsten der ehelichen Abkömmlinge frei verfügbare Vermögensteil des
spanischen Rechts.
Lit.: Elfgen, A., Die Mejora, 1962
Melanchthon (Schwarzerd), Philipp (Bretten 16. 2. 1497-Wittenberg 19. 4. 1560) wird 1518 Professor für Griechisch in Wittenberg und entwickelt sich zu einem führenden lutherischen Humanisten. Er steht zwischen naturrechtlichen Vorstellungen des Mittelalters und dem Vernunftrecht der frühen Neuzeit und betont die relativ gute Verwirklichung natürlicher Rechtssätze im römischen Recht. Bei M. ist die → lotharische Legende belegt.
Lit.: Mayer, H., Die Strafrechtstheorie bei Luther und
Melanchthon, FG J. Binder, 1930, 77; Bauer, C., Melanchthons Naturrechtslehre,
1951; Kisch, G., Melanchthons Rechts- und Soziallehre, 1967; Deflers, I., Lex
und ordo, 2005
Melderecht ist die
Gesamtheit der die Meldung bzw. Anmeldung und Abmeldung eines Menschen an einem
Ort bei der staatlichen Verwaltung betreffenden Rechtssätze (z. B. Preußen
1842).
Melfi in Süditalien
ist ein bevorzugter Ort der Staufer, in dem 1231 Kaiser Friedrich II. die →
Konstitutionen von M. verkündet.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie,
1975
melior (lat. [M.])
der Bessere
Meliorat (N.) aus
den (lat.) meliores (M.Pl., Besseren) gebildete Bevölkerungsgruppe
Lit.: Planitz, H., Zur Geschichte des städtischen
Meliorats, ZRG GA 67 (1950), 141
Melo Freire dos Reis, Pasco
al José de (1738-1798) wird nach dem Rechtsstudium in Coimbra (1757) Lehrer des
Rechts (seit 1772 des vaterländischen Rechts [portug.]
direito pátrio). Er verfasst das erste System des portugiesischen Rechts (lat.
Historia [F.] iuris civilis lusitani, Geschichte des portugiesischen
bürgerlichen Rechts, 1788, Institutiones [F.Pl.]
iuris civilis lusitani tam publici quam privati, Einrichtungen des
portugiesischen öffentlichen und privaten Rechts, 1789, Institutiones iuris
criminalis lusitani, Einrichtungen des portugiesischen Strafrechts, 1789).
1805 werden seine wichtigsten Schriften Pflichtgegenstand der selbständigen
portugiesischen Rechtsausbildung.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,713, 3,2,2466
Memmingen
Lit.: Blickle, P., Memmingen, 1967
Memoria (lat. [F.]) Erinnerung,
Gedächtnis
Lit.: Iwanami, A.,
Memoria et oblivio, 2004; Memoria, hg. v. Borgolte, M. u. a., 2005
Menger (von Wolfensgrün), Anton (Maniow 12. 9. 1841-Rom 6. 2. 1906) wird nach dem Rechtsstudium in Krakau (1858) und in Wien (1860) Advokat und 1875 außerordentlicher Professor, 1877 ordentlicher Professor für Zivilprozessrecht in Wien. Bekannt wird er durch seine Kritik am ersten Entwurf des deutschen → Bürgerlichen Gesetzbuches (Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1889/90). Eine gewisse tatsächliche Wirkung des bedeutenden Kathedersozialisten (Juristensozialisten) erfolgt über Franz → Klein (24. 4. 1854-6. 4. 1926) auf das österreichische Zivilprozessrecht.
Lit.: Köbler, DRG 183; Kästner, K., Anton Menger, 1974;
Müller, E., Anton Mengers Rechts- und Gesellschaftssystem, 1975; Hörner, H.,
Anton Menger, 1977; Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895,
1990, 11
Menhir (M.) Dolmen,
vorgeschichtliche Steinsäule
Menocchio, Jacopo
(1532-1607), Steuerpächterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Pavia (Alciat)
Professor in Pavia (1556), Mondovi (1561), Padua (1566) und Pavia (1589). Er
verfasst zahlreiche privatrechtliche Traktate.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1
1977, 326
Mensch ist das durch Verstand
ausgezeichnete Lebewesen. Der moderne M. entsteht wohl in Ostafrika
möglicherweise vor 100000 Jahren und wandert vielleicht vor 40000 Jahren nach
Südafrika und Asien sowie Europa, wo er anscheinend vor 12000 Jahren im
fruchtbaren Halbmond (Zweistromland, Anatolien)
erste Hochkulturen entwickelt. Durch zahlreiche Entdeckungen und Erfindungen
schwingt er sich zum Herrscher über die Erde auf und setzt für das zwischenmenschliche
Verhalten das Recht durch.
Menschenraub ist die Straftat, bei der sich der Täter eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt. Bereits die römische (lat.) lex (F.) Fabia de plagiariis (fabisches Gesetz über Straßenräuber, nach 88 v. Chr.) stellt den M. (lat. [N.] plagium) unter Strafe (Geldstrafe, später Todesstrafe). Die frühmittelalterlichen → Volksrechte sehen (mehrfaches) Wergeld für M. an einem Freien vor. Der → Sachsenspiegel (1221-1224) setzt den M. dem Totschlag gleich. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (1871) droht (für bestimmte Fälle) Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 780; Nehlsen, M., Sklavenrecht, 1972, 263; Menschenraub, Menschenhandel
und Sklaverei in antiker und moderner Perspektive, hg. v. Heinen, H., 2008
Menschenrecht ist das dem Menschen als solches (gegenüber dem Staat) zustehende angeborene, unveräußerliche, unantastbare Recht. Als Vorläufer allgemeiner, dem Zugriff des Staates entzogener → Grundrechte sehen nach dem Altertum (Stoiker, Cicero) schon im Mittelalter einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum. 1776 werden fundamentale Rechte in die amerikanische, von George Mason (1725-1792) entworfene → Virginia Bill of Rights aufgenommen. Davon beeinflusst werden in Frankreich (26. 8. 1789) allgemeine Menschenrechte (Freiheit, Gleichheit, Weltbürgertum) proklamiert. Von den Vereinten Nationen wird (10. 12. 1948) eine (noch) nicht verbindliche (Deklaration) allgemeine Erklärung der Menschenrechte, von den Mitgliedstaaten des Europarates am 4. 11. 1950 eine nach Ratifizierung durch 10 Staaten am 3. 9. 1953 in Kraft getretene Europäische Konvention der Menschenrechte beschlossen. Menschenrechte als verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte jedes Menschen setzen den Bestand einer Verfassung in formellem Sinn voraus.
Lit.: Köbler, DRG 191, 246, 255; Jellinek, G., Die
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Hartung, F./Commichau,
G./Murphy, R., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 6. A. 1998; Zur
Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 2. A. 1974; Die
Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 3. A. 1982; Thomann, M.,
Rechtsphilosophie und rechtsgeschichtliche Etappen der Idee der
Menschenrechte, FS H. Thieme, 1983; Oestreich, G., Geschichte der
Menschenrechte, 2. A. 1978; Begründung der Menschenrechte, hg. v.
Müller-Schmid, P., 1986; Frowein, J., Der europäische Menschenrechtsschutz, JuS
1986, 845; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U. u. a., 1988; Hofmann,
H., Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS 1988, 841; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten,
Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; International Human Rights, hg. v.
Ermacora, F. u. a., 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der
Naturrechtslehre, 1993; Brieskorn, N., Menschenrechte, 1996; Schmale, W.,
Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Die Menschenrechte in
Deutschland, hg. v. Hutter, F. u. a., 1997; Die Menschenrechte, hg. v.
Heidelmeyer, W., 4. A. 1997; Berka, W., Die Grundrechte, 1999; Müller, S., Gibt
es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Human rights and legal history,
hg. v. O’Donovan, K. u. a. 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie,
Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18.
Jahrhunderts, 2001; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts
bei Kant, 2002; Brade, L., Die Aberkennung der Menschenrechte In Deutschland
zwischen 1933–1945, 2001; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den
Menschenrechten, 2003; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der
Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318; Ludescher, M.,
Menschenrechte und indigene Völker, 2004; Girardet, K./Nortmann, U.,
Menschenrechte und europäische Identität, 2005; Meyer-Ladewig, J., Europäische
Menschenrechtskonvention, 2. A. 2006; Bloch, T., Die Stellungnahmen der
römisch-katholischen Amtskirche zur Frage der Menschenrechte seit 1215, 2008
Menschenrechtler ist,
wer sich für die Menschenrechte anderer uneigennützig einsetzt, Menschenrechtstümler,
wer die Menschenrechte nur als Mittel oder Vorwand für die Verfolgung
eigennütziger Ziele (z. B. Bekämpfung der geschiedenen Ehefrau auf dem Weg über
das Kind) verwendet. Beides ist seit Anerkennung der Menschenrechte möglich.
Menschenwürde ist
der innere und zugleich soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen um
seinetwillen zukommt. Die M. schließt unmenschliche Behandlung eines Menschen
aus. Sie wird vielleicht im Humanismus der italienischen Renaissance entdeckt
und erfunden und seit dem 18. Jh. als Wert gefordert. → Menschenrecht
Lit.: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988;
Geddert-Steinacker, T., Menschenwürde, 1990; Dietz, G., Menschenwürde bei
Homer, 2000; Des Menschen Würde - entdeckt und erfunden im Humanismus der italienischen
Renaissance, hg. v. Gröschner, R. u. a., 2008
Mentalität (F.) Geisteshaltung
Lit.: Mentalitäten im Mittelalter,
hg. v. Graus, F., 1988; Europäische Mentalitätsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher,
P., 1993; Lepenies, W., Von der Geschichte zur Politik der Mentalität, HZ 261
(1995), 672; Wetz, F., Die Würde des Menschen, 1998
Mentalreservation (lat.
reservatio [F.] mentalis) ist der geheime Vorbehalt. Die M. ist dem
Altertum unbekannt. Sie wird im kirchlichen Eherecht des Mittelalters
entwickelt (X 4, 1, 26) und geht von dort in das weltliche Recht über.
Lit.: Kaser § 8, III; Holzhauer, H., Dogmatik und
Rechtsgeschichte der Mentalreservation, FS R. Gmür, 1983, 119
mercatum (lat. [ N.]) Markt
Lit.: Köbler, DRG 77; Köbler, LAW
merces (lat. [F.]) Entgelt
Lit.: Kaser § 42 II 1; Köbler, DRG 46
mercennarius (lat. [M.]) Lohnarbeiter
Lit.: Köbler, DRG 57
Merkantilismus ist das wirtschaftspolitische System des 17.-18. Jh.s, in
dem der Staat zur Füllung der Staatskasse erstmals aktive Wirtschaftspolitik
treibt und dadurch die gewerbliche Tätigkeit fördert (England 1621ff.). Um
seinen Reichtum und seine Macht zu stärken, strebt der Staat einen
Handelsbilanzüberschuss an. Zu diesem Zweck werden ausländische Fertigwaren mit
hohen Einfuhrzöllen abgewehrt und die eigene Ausfuhr von Waren, für deren
Herstellung der Staat teilweise Geld, Gebäude oder Baumaterial zur Verfügung
stellt, möglichst durch Subventionen unterstützt. Führend ist Frankreich unter
dem Finanzminister (1661-1672) Colbert (1619-1683). Der M. wird am Ende des
18. Jh.s vom → Liberalismus abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133, 134; Mannert,
L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Bog,
I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Treue, W., Wirtschaft, Gesellschaft und
Technik in Deutschland, 2. A. 1976; Städtewesen und Merkantilismus, hg. v.
Press, V., 1982; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994;
Gömmel, R., Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus,
1998; Wallerstein, I., Das moderne Weltsystem II, 1998; Merkantilismus und
Globalisierung, hg. v. Reinermann, H. u. a., 2000
Merkel, Paul
Johannes (Nürnberg 01. 8. 1819-Halle 1861), Bürgermeisterssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in München und Erlangen 1851 außerordentlicher Professor in
Königsberg und 1852 ordentlicher Professor in Halle. Er gibt einige Volksrechte
heraus.
Lit.: Anschütz, A., Zur Erinnerung an Johannes Merkel, ZRG
3 (1864), 193
Merowinger ist der
Angehörige eines von einem sagenhaften Vorfahren Mera bzw. von einem Stammvater
Merowech hergeleiteten, fränkischen Königsgeschlechts. Merowechs Enkel Chlodwig
eint seit 482 die → Franken. Die Nachfahren teilen vielfach auf. 751 wird
der merowingische König Childerich III.
vom arnulfingischen → Hausmeier Pippin mit Einverständnis des
Papstes entmachtet (→ Karolinger).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 76; Diplomata regum
Francorum e stirpe Merowingica, hg. v. Pertz, K., 1872, Neudruck 1981;
Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Kaufmann, E., Über das Scheren abgesetzter
Merowingerkönige, ZRG GA 72 (1955), 177; Bergengrün, A., Adel und Grundherrschaft
im Merowingerreich, 1958; Beyerle, F., Das legislative Werk Chilperichs I., ZRG
GA 78 (1961), 1; Krüger, H., Das Merowingerreich als Herrschaftsordnung, Diss.
jur. Köln 1964; Eckhardt, K., Merowingerblut, 1965; Fournier, G., Les Merovingiens,
1966; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Eckhardt, K.,
Studia Merovigica, 1975; Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, hg.
v. Wolfram, H. u. a., 1982; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Diplomata
regum Francorum e stirpe Merowingica, 1983; Hartung, W., Süddeutschland in der
Merowingerzeit, 1983; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 4.
A. 2001, 5. A. 2006; Kaiser, R., Das römische Erbe und das Merowingerreich,
1993, 2. A. 1997, 3. A. 2004; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der
Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Wood, I., Merovingian Kingdoms, 1994;
Karl Martell, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Esders, S., Römische Rechtstradition
und merowingisches Königtum, 1997; Brühl, C., Merowingische Königsurkunden,
1998; Kölzer, T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Scheibelreiter, G., Die
barbarische Gesellschaft, 1999; Fouracre, P., The Age of Charles Martel, 2000;
Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001; Geary, P., Die
Merowinger, 2003; Hartmann, M., Aufbruch ins Mittelalter, 2003; Becher, M.,
Merowinger und Karolinger, 2008
Mesopotamien (Zwischenflussland, Zweistromland) ist
das zum fruchtbaren Halbmond gezählte Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, in
dem im 3. Jt. v. Chr. die Keilschrift erfunden wird. Seine wichtigsten
Herrschaften bestehen um Sumer (Sumerer), Akkad (Akkader), Ur, Elam (Elamiter),
Assur (Assyrer), Urartu und Babylon (Babylonier). Über die Perser und Alexander
den Großen gelangt das Gebiet an die Römer, verödet danach aber und wird erst
im 20. Jahrhundert wegen seines Ölreichtums wieder bedeutsam.
Lit.:
Hrouda, B., Die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigirs, 1997; Edzard, D.,
Geschichte Mesopotamiens, 2004; Korn, W., Mesopotamien, 2004
Messe ist der katholische Gottesdienst und davon ausgehend seit dem Mittelalter (Paris, St. Denis 10. Jh.), vor allem seit dem 11./12. Jh., der daran anschließende Markt. Im Spätmittelalter entwickelt sich hieraus ein System von Messen (z. B. Champagne, Brügge, Genf, Frankfurt am Main, Leipzig).
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 98; Huvelin, P., Essai historique sur le droit des marchés
et des foires, 1897; Bassermann, E., Die Champagnermessen, 1911; Die Leipziger
Messen und ihre Organisation, hg. v. Leipziger Messamt, 1929; Ammann, H., Neue
Beiträge zur Geschichte der Zurzacher Messen, 1930; Döring, R., Handbuch der
Messen und Ausstellungen, 1956; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
5. A. 1980; Europäische Messen, hg. v. Johanek, P. u. a., 1996; Rothmann, M.,
Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Messen, Jahrmärkte und
Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007
Messina in
Nordostsizilien ist die auf eine vorgriechische Siedlung zurückgehende, nach
490 von Zankle nach den neusiedelnden Messiniern umbenannte Stadt. Über Römer,
Ostgoten, Oströmer und Sarazenen (843-1061) gelangt M. an die Normannen. 1548
erhält es eine Universität. 1908 wird es durch Erdbeben zu 90% zerstört.
Lit.: Capitoli e privilegi di Messina,
hg. v. Giardina, C., 1937; Pispisa, E., Messina, 1980
meta
Lit.: Stutz, U., Jacob Grimm über die meta des
langobardischen Edikts, ZRG GA 44 (1924), 262
Methode ist das planmäßige
Verfahren zur Erreichung eines bestimmten Zieles. Die M. der →
Rechtswissenschaft besteht im Auslegen von Texten (z. B. Bestimmungen) und
Erklärungen (z. B. Anträgen) und im Zuordnen (Gleichsetzen) von Sachverhalten
zu Tatbeständen (von Rechtssätzen). Dabei entwickelt sich auf Grund zuordnender
Maßstäbe der mittelalterlichen Rechtswissenschaft zunächst eine Einteilung in
authentische Interpretation der Gesetzgebung, usuale Interpretation der
Rechtsprechung und doktrinale Interpretation der Rechtslehre, wobei der
Wertbezug des geltenden Rechts noch nicht fraglich ist. In der Neuzeit wird das
Gesetz zur beherrschenden Rechtsquelle und bedient sich die Rechtsprechung
zunehmend wissenschaftlicher Vorgangsweisen, wobei im späteren 17. und im 18.
Jh. Naturrecht als auf die Funktion rechtspolitischer Postulate beschränktes
Recht und positives Recht als Ergebnis eines normsetzenden Willens
voneiunander geschieden werden. Die doktrinale Auslegung wird in
deklaratorische, extensive und restriktive Interpretation unterteilt. →
Thomasius und → Buchner unterscheiden zwischen grammatischer
Interpretation und logischer Interpretation, → Savigny und →
Thibaut zwischen philologischer, historischer, systematischer und
teleologischer Auslegung, mit deren Hilfe das Recht als autonome sittliche
Ordnung begriffen werden soll. Die → Rechtsgeschichte will als
geschichtliche Wissenschaft vergangene rechtliche Umstände ermitteln,
verstehen und erklären.
Lit.: Köbler, DRG 2, 3; Meister, A., Grundzüge der
historischen Methode, 3. A. 1923; Mitteis, H., Vom Lebenswert der
Rechtsgeschichte, 1948; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19.
Jahrhundert, 1958; Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methode der
Geisteswissenschaften, 1962; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode, 1974;
Wesel, U., Zur Methode der Rechtsgeschichte, Kritische Justiz 1974, 337; Coing,
H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Fikentscher, W., Methoden des Rechts,
Bd. 1ff. 1975ff.; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, 1977; Wieacker,
F., Zur Methodik der Rechtsgeschichte, FS F. Schwind, 1978, 356; Öhler, H.,
Quantitative Methoden für Historiker, 1980; Landau, P., Bemerkungen zur Methode
der Rechtsgeschichte, ZNR 1980, 117; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Otte, G.,
Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Sternberg, T., Zur
Methodenfrage der Rechtswissenschaft, hg. v. Rehbinder, M., 1988; Rückert,
Methoden und Forschungspraxis in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 272;
Raisch, P., Juristische Methoden, 1995; Fälle und Fallen in der neueren
Methodik, hg. v. Rückert, J., 1997; Entwicklung der Methodenlehre, hg. v.
Schröder, R., 1998; Schott, C., Juristische Methodenlehre zwischen Humanismus
und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 3; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001;
Kurt, R., Hermeneutik, 2004; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004;
Heine, S., Die Methodendiskussion nach Inkrafttreten des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, 2004
Methodenlehre → Methode
Metternich, Klemens
Wenzel (Koblenz 15. 5. 1773-Wien 11. 6. 1859) wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und Geschichte Gesandter 1797 der
westfälischen Grafenbank und 1801 des Kaisers sowie 1806 Botschafter
Österreichs in Frankreich und 1809 Außenminister Österreichs. 1814 fördert er
die Schonung Frankreichs im Interesse des europäischen Gleichgewichts. 1823
wird er Staatskanzler Österreichs. Im → Deutschen Bund unterdrückt er
die freiheitlichen und nationalen Strömungen durch strenge Polizeimaßnahmen
(Karlsbader Beschlüsse 1819). Am 13. 3. 1848 muss er zurücktreten und
flüchtet, kehrt aber 18551 als Privatmann zurück.
Lit.: Köbler,
DRG 170; Srbik, H. v., Metternich, Bd. 1ff. 1925ff.; Palmer, A., Der Staatsmann
Europas, 1980; Seward, D., Metternich, 1993; Sternburg, W. v., Als Metternich
die Zeit anhalten wollte, 2003
Mettlach
Lit.: Raach, T.,
Kloster Mettlach/Saar und sein Grundbesitz, 1974
Metus (lat. [M.]) ist im römischen Recht die Furcht bzw. Drohung. Ein unter Furcht zustande gekommenes Geschäft ist nach römischem Bürgerrecht gültig, doch gewährt das prätorische Recht eine (lat.) → in integrum restitutio (F.), mit der die eingetretenen Wirkungen wieder beseitigt werden sollen, eine Strafklage (lat. actio [F.] quod metus causa) auf den vierfachen bzw. einfachen Schadensbetrag und eine Einrede (lat. exceptio [F.] metus). Das nachklassische Recht formt die (lat.) in integrum restitutio in eine Art Anfechtung durch eine Klage auf Schadloshaltung. Justinian lässt die (lat.) in integrum restitutio in der (lat.) actio quod metus causa aufgehen.
Lit.: Kaser § 8 IV; Köbler, DRG
42, 49
Metz an der Mosel
ist der auf keltisch-römischer Grundlage im 6. Jh. Hauptort eines fränkischen
Reichsteils (Arnulf von Metz) werdende Ort. 870 kommt M. über Lotharingien
(Lothringen) zu Ostfranken, 1552/1648 zu Frankreich. Im 13. Jh. entwickelt die
zwischen 1180 und 1210 zur Reichsstadt aufgestiegene Stadt mit Bannrollen eine
Art → Grundbuch.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Die Metzer Bannrollen, hg. v. Wichmann,
K., 1908; Le droit coutumier de la ville de Metz, hg. v. Schneider, J. u. a.,
1951; Hocquard, G. u. a., Metz 1961; Histoire de Metz, 1986; Pundt, M., Metz
und Trier, 1998; Reverchon, A., Metzer Denare, 2006; Petry, C., Faire des
sujets du roi, 2006
Meum esse (lat.) ist im
altrömischen Recht die Gewalt eines Menschen über Sachen. Das m. e. gestattet
die Verfügung über die Sache. Es kann seinerseits vor allem auf Erbfolge,
Aneignung, Manzipation oder (lat.) → in iure cessio (F.) und →
Ersitzung (oder auch formloser Übergabe) beruhen. Im klassischen römischen
Recht entsteht aus dem m. e. das → Eigentum.
Lit.: Köbler,
DRG 24, 25, 40; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2.
A. 1956
Meurer, Noe
(Memmingen 1525/1528-Heidelberg 1583), Stadtschreiberssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Tübingen und Siena Advokat, Rat und (1557-63)
Reichskammergerichtsassessor. 1566 behandelt er in seinen „Practica von der
kaiserlichen Kammergerichtsordnung und Prozess“ als erster den Prozess vor dem →
Reichskammergericht systematisch.
Lit.: Hausrath,
H., Zur Lebensgeschichte Dr. Noe Meurers, ZGO N. F. 21 (1906), 690
Meuterei ist die
Vereinigung mehrerer Menschen (auf einem Schiff oder in einem Heer) zu
Ungehorsam oder Empörung gegenüber Vorgesetzten. Sie wird in Rom mit der
Todesstrafe bestraft. Danach tritt sie in der frühen Neuzeit wieder auf. Im 19
Jh. wird sie tatbestandlich schärfer erfasst.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A.
2007
Mevius, David
(Greifswald 6. 12. 1609-14. 8. 1670), Professorensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Greifswald 1634 Professor in Greifswald, 1637 Syndikus in
Stralsund und 1653 Vizepräsident des schwedischen Obertribunals in Wismar.
Einen Plan einer Zusammenfassung aller naturrechtlichen Regeln führt er nicht
aus. Sein Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts wird nicht Gesetz. 1642
kommentiert er das lübische Recht (lat. Commentarius [M.]
in ius Lubicense). 1664ff. veröffentlicht er die Urteile seines Gerichts seit
1653. In beiden Fällen verbindet er rechtspraktische Erfahrung und
wissenschaftliche Systematik in ansprechender Weise.
Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 215; Molitor, E., Der Entwurf
eines mecklenburgischen Landrechts von David Mevius, ZRG GA 61 (1941), 208;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 423; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 218; Holthöfer, E., David
Mevius, (in) Biographisches Lexikon für Mecklenburg, 1999, 173; Holthöfer, E.,
David Mevius, (in) Integration durch Recht, hg. v. Jörn, N. u. a., 2004, 277;
David Mevius (1609-1670), hg. v. Jörn, N., 2007
Miete ist der
gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Vermieter) verpflichtet, dem
anderen Teil (Mieter) den Gebrauch der vermieteten → Sache (Sachteil,
Sachgesamtheit) während der Mietzeit zu gewähren, und der Mieter sich
verpflichtet, den vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Die M. ist im klassischen
römischen Recht ein Konsensualkontrakt (lat. locatio [F.]
conductio rei, Vermieter locator, Mieter conductor, Pfandrecht des Vermieters
[oder Verpächters], Beendigung durch Kündigung). Sie findet sich danach unter
Ablösung älterer Leiheverhältnisse wieder in der mittelalterlichen Stadt, in
der als Folge der Zuwanderung aus dem Umland bald bis zu 40% der Wohnungen zur
M. gegeben werden. Dem Mieter wird im Gefolge der älteren Leiheverhältnisse
eine → Gewere an der Mietsache zuerkannt. Der Verkauf der Mietsache
beendet die Miete nicht. Nach kirchlichem Recht kann auch ein höheres
Mietangebot den Mieter nicht aus der Wohnung verdrängen. Seit dem 16. Jh.
dringt das römische Recht vor. Nach dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794)
hat der Mieter ein dingliches Recht an der Mietsache (I 21), während nach dem
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) Veräußerung den Mieter
vertreibt (§§ 1090ff.). Im 19. Jh. führt die starke Bevölkerungszunahme
zusammen mit der Landflucht zu Mietskasernen und Notlagen der Mieter, die sich
seit 1914 verstärken. Aus sozialen Gründen schützt der Staat den Mieter
(Kündigungsschutz, Mietpreisbindung, z. B. Mieterschutzverordnung vom 26. 7.
1917). Dieser Schutz wird während des gesamten 20. Jh.s verdichtet, wenn auch
Wohnraumbewirtschaftungsmaßnahmen nach Kriegszeiten wieder aufgegeben werden.
In Österreich gilt ein besonderes Mietrechtsgesetz vom 12. 11. 1981.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, IV 3, 42 I, II; Söllner § 9;
Hübner 582; Köbler, DRG 45, 127, 166, 227, 240, 270; Köbler, WAS; Brünneck, Zur
Geschichte der Miete und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Heyne, M., Das deutsche
Wohnungswesen, 1899; Schulin, P., Zur Geschichte der mittelalterlichen Miete,
ZRG GA 41 (1920), 127; Ebel, M./Lilienthal, A., Mieterschutz und
Mieteinigungsämter, 4. A. 1930; Biller, W., Das Mietrecht der Reichsstadt
Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1952; Jüttner, B., Zur Geschichte des
Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960; Kaufmann, H.,
Die altrömische Miete, 1964; Genius, K., Der Bestandsschutz, 1972; Trenk-Hinterberger,
P., Internationales Wohnungsmietrecht, 1977, 35; Wolter, U., Mietrechtlicher
Bestandsschutz, 1984; Freiheit und Zwang bei der Wohnraummiete, 1996;
Teigelack, L., Die Garantiehaltung des Vermieters, Diss. jur. Gießen, 1996;
Hügemann, E., Die Geschichte des öffentlichen und privaten Mietpreisrechts,
1997; Calonge, A./Wacke, A., Die Kündigungsgründe für die Wohnungsmiete, ZEuP
1997, 1010; Hinkelmann, B., Die ortsübliche Miete, 1999; Schubert, W., Vom
preußischen Mietrecht zum Mietrecht des BGB, Gedächtnisschrift für Jürgen
Sonnenschein, 2002; Quaisser, F., Mietrecht im 19. Jahrhundert, 2005
Mieterschutz → Miete
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240; Petersen, J.,
Die Vorgeschichte und die Entstehung des Mieterschutzgesetzes von 1923, 1991;
Stampfer, M., Die Anfänge des Mieterschutzes in Österreich, 1995; Lutz, H., Der
Mieterschutz der Nachkriegszeit, 1998
Mietkauf ist der aus Bestimmungen des Mietrechts und des
Kaufrechts zusammengesetzte gemischte Vertrag, bei dem der Mieter nach einiger
Zeit die Mietsache zu einem geringeren Preis kaufen kann. S. Leasing.
Lit.: Fendel, R., Der
Berliner Möbelleihvertrag. Geschichte und Entwicklung des Mietkaufs vom Beginn
des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, 1991
Mietrecht → Miete
Lit.: Ruth, R., Das
Mietrecht der Wohn- und Geschäftsräume, 1926; Wolter, U., Mietrechtlicher
Bestandsschutz, 1984; Schubert, W., Die Diskussion über die Schaffung eines
sozialen Dauermietrechts am Ende der Weimarer Republik, ZRG 106 (1989), 143;
Quaisser, F., Mietrecht im 19. Jahrhundert, 2005
Mietverhältnis ist
die → Miete zwischen Vermieter und Mieter.
Lit.: Genius,
K., Der Bestandsschutz des Mietverhältnisses, 1972
Mietvertrag → Miete
Migration (F.) Wanderung, Bewegung über Grenzen hinweg
Lit.: Über die trockene Grenze und über das offene Meer, hg. v. Beer, M.
u. a., 2004; Oltmer, J., Migration und Politik in der Weimarer Republik, 2005;
Enzyklopädie Migration in Europa, hg. v. Bade, K. u. a., 2007; Entwicklung und
Migration, hg. v. Thränhardt, D., 2008; Oltmer, J., Migration im 19. und 20.
Jahrhundert, 2009
Milano → Mailand
miles (lat. [M.])
Krieger, Ritter
Lit.: Köbler, LAW; Bumke,
J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1976
Militär (N.) Heerwesen, → Heer, Krieg
Lit.: Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 1; The Oxford Companion to Military History, hg. v.
Holmes, R., 2001; Frevert, U., Die kasernierte Nation, 2001; Broucek,
P./Peball, K., Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 2000;
Nowosadtko, J., Krieg, Gewalt und Ordnung, 2002; Das Militär und der Aufbruch
in die Moderne 1860-1890, hg. v. Epkenhans, M. u. a., 2003; Fuchs, T.,
Bibliothek und Militär, 2008; Grundkurs deutsche Militärgeschichte, 2009;
Müller, R., Militärgeschichte, 2009
Militärgrenze (confin)
ist im österreichischen Recht die mit Siedlungsunternehmen seit 1522 begründete
(Sicherung der) Grenzzone zwischen Österreich-Ungarn und den Türken von der
Adria bis Siebenbürgen. In dem umfänglich wechselnden Gebiet gilt teilweise
besonderes Recht. 1881 wird als letztes selbständiges Grenzgebiet die
kroatisch-slawonische M. aufgehoben.
Lit.: Baltl/Kocher;
Amstatt, J., Die k.k. Militärgrenze 1522-1881, Diss. phil. Würzburg 1969; Die
k. k. Militärgrenze, 1973;
Militärkonvention ist
der zwischen 1867 und 1886 zwischen Preußen und anderen Staaten bzw. Ländern
des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches geschlossene Vertrag über
Militärangelegenheiten, durch den die Herrschaftsgewalt über Heereskontingente
auf Preußen bzw. den Kaiser und damit das Reich übergeht.
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1
1963, 992
Militärregierung ist
die → Regierung durch Streitkräfte.
Militärseelsorge ist
die seit dem Spätmittelalter verstärkt organisierte kirchliche Betreuung der
Angehörigen der Streitkräfte.
Lit.: Bleese, J., Die Militärseelsorge, Diss. jur. Hamburg
1969; Rudolf, H., Das evangelische Militärkirchwesen in Preußen, 1973
Militärstrafrecht ist
das im Spätmittelalter durch Vertrag zwischen Kriegsherrn und Söldnerführern
geschaffene, in der frühen Neuzeit durch Kriegsartikel des Landesherrn
festgelegte Strafrecht für Angehörige der Streitkräfte. Im 19. Jh. wird es
liberalisiert, humanisiert und in besonderen Militärstrafgesetzen
konkretisiert (Bayern 1813, Württemberg 1818, Sachsen 1838, Oldenburg 1841,
Preußen 1845, Österreich 1855, Oldenburg 1861, Sachsen 1867, Bayern 1869,
Deutsches Reich 1872). Dem entspricht in der Bundesrepublik Deutschland das
Wehrstrafgesetz (1957).
Lit.: His, R., Strafrecht des Mittelalters, Bd. 2 1935;
Schmidt, E., Militärstrafrecht, 1936; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, 1939; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZGR GA 102
(1985), 206; Schölz, J./Lingens, E., Wehrstrafgesetz, 3. A. 1988; Walmrath, L.,
Iustitia et disciplina, 1998; Stecke, J., Die DDR-Militärjustiz, NJW 1998, 2570;
Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Prinz, O., Der Einfluss von
Heeresverfassungen und Soldatenbild auf die Entwicklung des Militärstrafrechts,
2005
Militärstrafverfahren ist das in Militärstrafangelegenheiten angewandte, seit dem 17. Jh. allgemeiner
geregelte Strafverfahren (Württemberg 1692, Preußen 1712, Österreich 1697,
1723, Bayern 1748, Sachsen 1758, 1789). Im 19. Jh. wird teilweise das →
Inquisitionsverfahren fortgeführt (Preußen 1845), teils das mündliche
öffentliche Anklageverfahren (Bayern 1869). Die Militärstrafgerichtsordnung des
Reiches von 1898 verbindet beides. Im Dritten Reich erlassen etwa 2000
Militärrichter der Wehrmacht mindestens 25000-30000 Todesurteile, von denen
vielleicht 18000-20000 vollstreckt werden.
Lit.: Fleck, E.,
Das Strafverfahren der preußischen Mitiltärgerichte, 1854, 1864, 1870; Mark, H.
v., Der Militärprozess in Deutschland, Bd. 1f. 1893; Schweling, O., Die
deutsche Militärjustiz, hg. v. Schwinge, E., 2. A. 1978; Messerschmidt,
M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozilismus, 1987;
Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 1991, 2. A. 1997; Anker, J., Die
Militärstrafgerichtsordnung, 1995; Schubert, W., Zur Entstehung der
Militärstrafgerichtsordnung von 1898, ZRG GA 113 (1996), 1; Messerschmidt, M.,
Die Wehrmachtjustiz 1939-1945, 2005
Militärverwaltung ist
die von Streitkräften (als Leitungsorganen) durchgeführte → Verwaltung.
millenarius (lat. [M.])
Tausendschaftsführer bei Vandalen, Ostgoten und Westgoten, in der Herkunft und
Bedeutung streitig
Lit.: Rietschel,
S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D.,
Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181
Miltenberg
Lit.: Störmer, W., Miltenberg, 1979
Minden
Lit.: Das Mindener Stadtbuch von 1318, bearb. v. Krieg, M.,
1931; Mindener Stadtrecht, bearb. v. Schroeder, J. v., 1997
Minderheit ist eine
im Verhältnis zu einer → Mehrheit geringere Zahl (von Menschen). Seit dem
Mittelalter wird ansatzweise vereinzelt die Frage des Schutzes der M. gesehen.
Verrechtlicht wird dies nur ganz allmählich. Seit dem 20. Jh. (vor allem nach
dem Zusammenbruch der Vielvölkerreiche der Habsburger, der Osmanen und der
Russen) werden die Bemühungen um völkerrechtlichen Schutz von Minderheiten
verstärkt, ohne dass befriedigende Lösungen gelingen. Das Recht der M. darf von
der Mehrheit nicht in seinem Wesenskern bedroht werden. 1998 treten die im
Rahmen des Europarats ausgearbeiteten Rahmenübereinkommen zum Schutz
nationaler Minderheiten und der europäischen Charta der Regional- und
Minderheitensprachen in Kraft.
Lit.: Jellinek,
G., Das Recht der Minoritäten, 1898; Wintgens, H., Der völkerrechtliche Schutz
der nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten, 1930; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Nationale, ethnische Minderheiten und
regionale Identitäten, 1994; Handbuch der mitteleuropäischen
Sprachminderheiten, hg. v. Hinderling, R./Eichinger, L., 1996; Nationale
Minderheiten, hg. v. Hahn, H. u. a., 1999; Fink, C., Defending the Rights of
Others, 2004; Minderheitenrechte in Europa, hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2. A.
2006; Nachbarn, Gemeindegenossen und die anderen, hg. v. Holenstein, A. u. a.,
2004; Zur Entstehung des modernen Minderheitenschutzes in Europa, hg. v. Pan,
C./Pfeil, B., 2006
Minderjährigkeit ist
der Zeitraum von der Geburt eines Menschen bis zur Vollendung des für die →
Volljährigkeit erforderlichen (18. [Österreich 2001], 19. [Österreich 1973],
21. [Österreich 1919], 24. [Österreich 12. 4. 1753] oder 25.) Lebensjahres. Dem
Minderjährigen (lat. minor XXV annis [seit der lex Laetoria von etwa 200 v.
Chr.]) fehlt in der Gegenwart die unbeschränkte → Geschäftsfähigkeit (,
wobei der infans [unter sieben Jahren]. vollständig geschäftsunfähig ist).
Soweit der Minderjährige bei Geschäften, die ihm nicht lediglich einen
rechtlichen Vorteil bringen, nicht selbst wirksam (allein) handeln darf, handelt
für ihn der gesetzliche Vertreter. Die M. ersetzt im Laufe der Aufnahme des
römischen Rechts die ältere → Mündigkeit weitgehend, wenn auch nicht
vollständig. Im römischen Recht ist der mündige Minderjährige grundsätzlich geschäftsfähig,
doch hat er bei gewollter Übervorteilung eine Einrede (lat. exceptio aus der
Lex Laetoria) und bei objektiver Benachteiligung die Möglichkeit der Wiederherstellung
des vor dem Geschäft bestehenden Zustands (lat. restitutio in integrum). Außerdem
kann zu seiner Unterstützung ein (lat.) curator (Pfleger oder Beistand)
bestellt werden, dessen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft aber die Berufung
auf eine Benachteiligung grundsätzlich ausschließt.
Lit.: Kaser § 14
II 3, 64 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1
Minderung ist die
Herabsetzung eines an sich vereinbarten Kaufpreises auf einen wirklich
geschuldeten Kaufpreis einer mangelhaften Sache. Sie stammt aus dem klassischen
römischen Recht. Hier verheißen die kurulischen Ädile als Marktaufseher beim
Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren dem Käufer bei gewissen Mängeln
innerhalb kurzer Fristen neben der (lat.) → actio (F.) redhibitoria
(Wandelungsklaganspruch) die Rückgewährung des Kaufpreises in Höhe der durch
den Mangel begründeten Wertverringerung der Sache bei deren Behalten im
Übrigen (lat. → actio [F.] quanti minoris, Minderungsklaganspruch). Dies wird in der
frühen Neuzeit aufgenommen. In Deutschland wird 2002 die besondere Wandlung
durch den allgemeinen Rücktritt ersetzt.
Lit.: Kaser § 41 VI 2, 4; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG
46, 165, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Minima non curat praetor (lat.).
Das Gericht kümmert sich nicht um Kleinigkeiten.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero 106-43 v. Chr., vgl. Digesten 4, 1, 4)
Minister ist der
Leiter einer obersten Behörde einer Verwaltung. Er entwickelt sich in der
frühen Neuzeit aus dem älteren Diener eines Herrn. Zuerst in England und
Frankreich sind im 17. Jh. M. des Königs als Amtsträger des Herrschers an
herausgehobener Stelle verwaltend-ausführend tätig. Im Heiligen römischen Reich
(deutscher Nation) wird M. im 18. Jh. für den das oberste Regierungsgeschäft
erledigenden Staatsbeamten gebräuchlich. Sein Tätigkeitsbereich ist das →
Ministerium. Der M. ist weisungsgebunden. Im 19. Jh. erlangt er demgegenüber
Selbständigkeit und Verantwortlichkeit (Gegenzeichnung Preußen 1808, Belgien
1831, Preußen 1850). Österreich geht am 17. 3. 1848 wegen der angestrebten
Ministerverantwortlichkeit von den kollegial organisierten Hofstellen zu
den monkratisch organisierten Ministerien über (anders 1852-1859/1861,
1918-1920). 1930 begründet das Reichsministergesetz für den M. im Deutschen
Reich ein besonderes öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis außerhalb der
Beamtenschaft, das nach Beseitigung im Jahre 1937 im Jahre 1953
wiederhergestellt wird.
Lit.: Köbler, DRG 151, 193, 197, 230, 232, 248, 257;
Neudecker, M., Geschichte des geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921;
Frank, M., Das Justizministerium der DDR, Diss. jur. Regensburg 1988; Schröder,
J., 40 Jahre Rechtspolitik, 1989; Das Bundesministerium des Inneren, hg. v. Pracht,
H., 1993; Truhart, P., Internationales Verzeichnis der Außenminister
(1589-1989), Bd. 1f. 1989ff. (Ergänzungsband 1945-1995); Hoffmann, H., Die
Bundesministerien 1949-1999, 2003
Ministeranklage ist
die gegen einen → Minister gerichtete Anklage auf Amtsenthebung wegen
fehlerhafter Tätigkeit. Sie entwickelt sich anscheinend in England (seit dem
12. Jh.) aus einer ursprünglich strafrechtlichen Klage wegen eines
Verbrechens. 1791 wird die M. in Polen und Frankreich übernommen, 1814 in
Nassau. Das deutsche Grundgesetz kennt die M. im Gegensatz zu
Landesverfassungen nicht.
Lit.: Constant de Rebecque, B., De la responsabilité des
ministres, 1815; Kröger, K., Die Ministeranklage, 1972; Popp, P.,
Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996
Ministerialbürokratie (F.) in Ministerien beschäftigte Verwaltungsbedienstete
Lit.: Teppe, K., Die NSDAP und die Ministerialbürokratie,
Der Staat 15 (1976), 367
Ministeriale (lat.
ministerialis [M.]) ist im Mittelalter der Diener eines Herrn. Er gehört zu
den Unfreien, steigt aber im Herrendienst in den niederen Adel (Ritter) auf
(Dienstmann). Ein besonderer Stand bildet sich seit der Wende vom 10. zum 11.
Jh., zuerst erkennbar im Zusammenhang mit der Reichskirche. Seit dem 11. Jh.
entwickelt sich für den Ministerialen das besondere Dienstrecht (Limburg 1035,
Bamberg 1057). Später treten Freie in die Ministerialität ein. Im Zusammenhang
mit seiner Italienpolitik stützt sich Kaiser Friedrich Barabarossa ab 1174/1178
verstärkt auf die Reichsministerialen (Reichsministeriale z. B. von Bolanden,
von Münzenberg, von Pappenheim und Kalden, von Lautern. von Schüpf, Siebeneich
und Rothenburg, von Annweiler). Seit dem 13. Jh. übernehmen die Ministerialen
die wichtigsten Ämter des Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 79, 113, 120;
Fressel, R., Das Ministerialenrecht der Grafen von Tecklenburg, 1907;
Fajkmajer, K., Die Ministerialen des Hochstiftes Brixen, Zs. des Ferdinandeums,
3. Folge 52 (1908); Molitor, E., Der Stand der Ministerialen vornehmlich auf
Grund sächsischer, thüringischer und niederrheinischer Quellen, 1913; Ganshof,
F., Étude sur les ministeriales en Flandre et en Lotharingie, 1926; Schowingen,
K. Frhr. v., Zum Ministerialenproblem, ZRG GA 61 (1941), 274; Bosl, K., Die
Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Pötter, W., Die
Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Herrschaft und Stand, hg.
v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Zotz, T., Die Formierung der Ministerialen,
(in) Die Salier und das Reich, Bd. 3 1991, 3; Witzel, W., Die fuldischen
Ministerialen, 1998; Derschka, H., Die Ministerialen des Hochstifts Konstanz,
1999; Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002; Hechberger, W., Adel,
Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004
Ministerialität ist
der Stand und die Gesamtheit der Ministerialen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kluckhohn, O., Die
Ministerialität in Südostdeutschland, 1910, Neudruck 1970; Kluckhohn, P., Die
Ministerialität in Südostdeutschland, 1910; Müller, E., Die Ministerialität im
Stift Sankt Gallen und in Landschaft und Stadt Zürich, 1911; Winter, G., Die
Ministerialität in Brandenburg, 1922; Weimann, K., Die Ministerialität im
späteren Mittelalter, 1924; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen,
1930; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von
Meißen, 1956; Ministerialitäten im Mittelrheinraum, hg. v. Gerlich, A., 1978;
Jacobi, F., Ministerialität und „ius ministerialium“, FS Schmidt-Wiegand, R.,
1986, 263; Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität
in Sachsen, 1995; Trüper, H., Ritter und Knappen zwischen Weser und Elbe, 2000;
Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002
Ministerium ist die
oberste Behörde der Verwaltung. Im 18. Jh. ist das M. vielfach regional
begrenzt. Im 19. Jh. ist darunter die für ein bestimmtes Sachgebiet (z. B.
Auswärtige Angelegenheiten, Justiz (z. B. Preußen 1738), Finanz, Verteidigung,
innere Angelegenheiten) zuständige, von einem Minister geleitete, bürokratisch
organisierte Behörde oder die Gesamtheit der Minister bzw. Ministerien (z. B.
Preußen 1808) oder das Amt des → Ministers zu verstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Knischewsky, P.,
Das preußische Gesamtministerium, 1902; Neudegger, M., Geschichte des Geheimen
Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v.
Gürtner, F., 1938; Frauendienst, W., Das preußische Staatsministerium, Z. f. d.
ges. Staatswiss. 116 (1960), 114
Ministerpräsident ist der Vorsitzende des Ministerrats bzw. der
Regierung.
Ministerrat ist der aus Ministern gebildete Rat als Regierungskollegium.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Protokolle des
österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Protokolle des Ministerrates
der ersten Republik, hg. v. Neck, R. u. a., 1980ff.; Das geltende Recht (der
DDR), hg. v. Sekretariat des Ministerrates, 1989
Ministerverantwortlichkeit ist die Verantwortung eines → Ministers für seinen
Aufgabenbereich. Sie entwickelt sich (anscheinend seit dem 12. Jh.) in England
und wird 1791 in Polen und Frankreich übernommen (→ Ministeranklage),
seit 1814 in den deutschen Staaten (Sachsen-Weimar 1816, Hessen 1831,
Österreich 1849/1867). Danach gilt die M. als notwendiger Ausgleich der
Unverantwortlichkeit des Monarchen, wenn auch tatsächliche Folgerungen selten
bleiben. Seit der Mitte des 19. Jh.s setzt sich statt der rechtlichen M. für
Unrechtshandlungen die politische M. durch, die den Rücktritt des
betreffendnen Ministers im Falle eines Misstrauensvotums im Parlament vorsieht.
Lit.: Mohl, R. v., Die Verantwortlichkeit der Minister,
1837; Rassow, R., Das Wesen der Ministerverantwortlichkeit, Z. f. d. ges.
Staatswiss. 59 (1903), 159; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und
Ministerverantwortlichkeit, 1911; Schnabel, F., Geschichte der
Ministerverantwortlichkeit in Baden, 1922; Weckerle, F., Geschichte der
Ministerverantwortlichkeit in Bayern, 1930; Greve, F., Die
Ministerverantwortlichkeit, 1977; Popp, P., Ministerverantwortlichkeit und
Ministeranklage, 1996
Minne und recht ist eine
mittelalterliche, häufig im Schiedsverfahren begegnende Paarformel unbekannter
Herkunft für die gütliche oder entscheidungsweise Erledigung einer
Streitigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Müller, M., Minne und Dienst in
der altfranzösischen Lyrik, 1907; Gaisser, E., Minne und Recht, Diss. jur.
Tübingen 1955 (masch.schr.); Hattenhauer, H., Minne und recht, ZRG GA 80
(1963), 325; Krause, H., Consilio et iudicio, FS J. Spörl, 1965, 416
Minoer ist der
Angehörige des in Kreta von etwa 3200 v. Chr. bis zum Ende des 2. Jt.s v. Chr.
herrschenden Volkes.
Lit.: Lesley, F., Die Minoer, 2004
minor (lat. [Adj.]) keleiner,
geringer
Minorat (N.) Jüngstenrecht
Minorit ist der
Angehörige eines 1517 von den Franziskanern (Franz von Assissi † 1226)
abgetrennten Ordens. Die minoritischen Franziskaner erteilen bereits im Hochmittelalter
Rechtsunterricht an den Ordensschulen, von dem → Deutschenspiegel und →
Schwabenspiegel beeinflusst sein dürften.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in
Deutschland, 1962, 116
Minuccius de Prato veteri, Antonius
ist ein in Prato Vecchio bei Florenz 1380 geborener, in Bologna ausgebildeter
und zeitweise auch lehrender, 1486 verstorbener Jurist, der die libri feudorum
in sechs Büchern neu ordnete
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 826
Miquel, Johannes (Neuenhaus 19. 2. 1828-Frankfurt am Main 8. 9. 1901), Familie aus Spanien über Cahors um 1734 nach Deutschland eingewandert, Urgroßvater Fechtmeister in Düsseldorf, Großvater Major, Vater Arzt und Bürgermeister, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Göttingen und der Hinwendung zu demokratisch-sozialistischen Strömungen 1854 Rechtsanwalt und 1857 Kommunalbeamter, 1865 Bürgermeister in Osnabrück. Im Reichstag des Deutschen Reichs setzt er sich für die nationalliberale Rechtsvereinheitlichung ein (Lex Miquel/Lasker 1873, Reichsjustizgesetze 1877/1879). 1880 wird er Oberbürgermeister in Frankfurt am Main, 1890 Finanzminister Preußens (u. a. Einführung der Einkommensteuererklärung).
Lit.: Köbler, DRG 183; Mommsen, W., Johannes Miquel, 1928;
Herzfeld, H., Johannes von Miquel, Bd. 1f. 1938; Pausch, A., Johannes von
Miquel, 1964; Kassner, T., Der Steuerreformer Johannes von Miquel, 2001
Mischling ist das von verschiedenartigen
Erzeugern abstammende Lebewesen. Im Dritten Reich werden als M. die Abkömmlinge
aus jüdisch-arischen Verbindungen bezeichnet, wobei Mischlinge ersten Grades
die etwa 72000 Menschen mit einem jüdischen Elternteil, Mischlinge zweiten
Grades die etwa 40000 Menschen mit jüdischen Großeltern sind und etwa 8000
Menschen, die sich zum Judentum bekennen, als Geltungsjuden eingestuft werden.
Die Mischlinge werden in Schulen benachteiligt, ab 1941 zunehmend aus der
Wehrmacht ausgeschlossen und zu Zwangsarbeit verpflichtet.
Lit.: Tent, J., Im Schatten des Holocaust, 2007
Mischna (hebr.), Lehre, Wiederholung, ist die aus 63 Traktaten in 6 Ordnungen gebildete Sammlung (gewohnheitsrechtlich erweiterte Wiederholung der alten Gesetze) des jüdischen Lehrstoffes der ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderte, die um 200 n. Chr. abgeschlossen wird. Sie wird bis 500 n. Chr. durch Glossen erklärt (Gemara).
Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Mischne Tora ist eine klare
hebräische Zusammenfassung des jüdischen Rechts durch → Moses →
Maimonides in Ägypten am Ende des 12. Jh.s.
Lit.: The Code
of Maimonides, 1949ff.; Mischne Tora hu ha-Yad ha-chazaqa, hg. v. Rabbinowitz,
M. u. a., 6. A. 1985
miserabilis (lat.)
beklagenswert (wie z. B. Waise, Witwe, Kranker, Pilger, Armer)
misericordia (lat. [F.])
Barmherzigkeit
Lit.: Rennefahrt, H., Grausamkeit und Mitleid im
Rechtsleben des Mittelalters, 1949; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991
Missetat (F.) Delikt, Unrechtstat, Straftat
Lit.: Munske, E., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
Missheirat ist die
Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Stände, wie sie sich bis in das 19. Jh.
(Preußen 1869) bzw. 20. Jh. (1919, Preußen 1920) findet. Sie zieht teils rechtliche,
teils nur gesellschaftliche Folgen nach sich.
Lit.: Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten,
1796; Abt, E., Missheiraten, 1911; Minnigerode, H. Frhr. v., Ebenburt und
Echtheit, 1912; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926
Missio (F.) canonica (lat.)
ist im kirchlichen Recht die vom Papst oder Bischof übertragene Erlaubnis zur
Verkündung des Wortes Gottes bzw. im älteren Recht die Übertragung von
Rechtsprechungsbefugnissen an Geistliche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Missio (F.) in bona (lat.) ist
die im klassischen römischen Recht entwickelte Einweisung der siegreichen
Partei eines Rechtsstreits in die Güter des Gegners, nach der es meist zum
öffentlichen Aufgebot und zum Verkauf aller Güter zugunsten aller Gläubiger an
einen einzigen Erwerber (Generalexekution) kommt. Ihr entspricht vielleicht im
Frühmittelalter eine gleichartige → Fronung. Seit dem Spätmittelalter
wird die m. i. b. im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 82 II 4e, 85 II 2b, 86
III, 87 I 10; Söllner § 8; Köbler, DRG 33
Missive (N.) Sendschreiben
Misstrauensvotum ist
seit der Ablösung Sir Robert Walpoles 1742 bzw. spätestens seit dem Sturz
Melbournes in England 1841 das Aussprechen des Misstrauens durch die
Parlamentsmehrheit gegenüber dem Regierungsführer in Form einer Abstimmungsniederlage.
Das Grundgesetz Deutschlands (1949) kennt nur das konstruktive M., das nur bei
gleichzeitiger Wahl eines neuen Regierungsführers Erfolg haben kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh
missus (M.) dominicus (lat.) → Königsbote
Lit.: Krause, V., Geschichte der Institution der missi
dominici, MÖIG 11 (1890); Werner, K., Missus, marchio, comes, (in) Histoire
comparée de l’administration, 1980, 191; Hannig, J., Zur Funktion der
karolingischen missi dominici in Bayern, ZRG GA 101 (1984), 256,
Mitbestimmung ist
im 20. Jh. die Teilhabe der Arbeitnehmer an Willensbildungsvorgängen (der
Arbeitgeber) in der Wirtschaft. Im Bereich der Montanindustrie bringt das
deutsche Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten
und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues und der Eisen und Stahl
erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 eine paritätische Mitbestimmung im
Aufsichtsrat (5 Arbeitgebervertreter, 5 Arbeitnehmervertreter, ein gemeinsam
bestimmtes weiteres Mitglied). Das Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5. 1976 führt
in der Bundesrepublik Deutschland für Unternehmen in der Rechtsform einer
juristischen Person mit mehr als 2000 Arbeitnehmern die paritätische Besetzung
des Aufsichtsrates durch Anteilseigner einerseits und Arbeiter, Angestellte und
besondere leitende Angestellte andererseits ein.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273; Teuteberg, H.,
Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Mayer, B., Die
Vertrauensmännerausschüsse, 1996; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v.
Pohl, H., 1996; Rob, W., Mitbestimmung im Staatsdienst, 1999; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Miteigentum ist das
Eigentum mehrerer Personen an einer (selbst nicht geteilten) Sache. Es ist im
altrömischen Recht zunächst wohl bei der Erbengemeinschaft in der Form
vorhanden, dass keine selbständigen Anteile an der Sache bestehen
(Gesamthandeigentum der altrömischen [lat.] societas ercto non cito). Erst
danach entsteht das M. nach Bruchteilen. Es setzt sich durch. Im deutschen
Recht ist M. anfangs vermutlich in einer → Gesamthand gebunden. Seit dem
Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung aufgenommen. Das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) sieht nur Quoteneigentum
vor. Die Gesamthand wird erst im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und auch dort
nur in Sonderbereichen wieder belebt.
Lit.: Kaser § 23 IV; Hübner; Köbler, DRG 40, 61; Oppikofer,
H., Eigentumsgemeinschaften im mittelalterlichen Recht, Beiheft 2 zu VSWG,
1924, 33; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Drosdowski, T.,
Das Verhältnis von actio pro socio und actio communi dividundo im klassischen
römischen Recht, 1998
Miterbe ist das
Mitglied einer Erbengemeinschaft.
Lit.: Kaser § 73 I 1, 75 I 8; Hübner; Köbler, DRG 122
Mitgift (lat. dos [F.])
ist ein Vermögen, das einem Ehegatten von einem Dritten in die Ehe mitgegeben
wird. Die M. wird meist einer vorweggenommenen Erbschaft gleichgestellt.
Vielfach erfolgt die Leistung als
Beitrag zur Begründung und Erhaltung des ehelichen Haushalts an einen Ehegatten
(oder an eine aufnehmende Einrichtung wie z. B. an ein Kloster). Im römischen
Recht erhält der Ehemann eine Mitgift, die in sein Vermögen übergeht, aber bei
seinem Tod oder beie Ehescheidung herauszugeben ist. Im Mittelalter erhält der
Ehemann bewegliche Sachen zu Eigentum, unbewegliche Sachen nur zur Nutzung, so
dass er über sie grundsätzlich nur mit Zustimmung der Frau oder des Gerichts
verfügen kann- Im 20. Jh. wird die M. meist durch eine Ausbildung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 38 III 4, 59 II, 73 IV 1b; Söllner §§ 5, 8,
9, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Neubecker, F.,
Die Mitgift, 1909; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in
Österreich, 1973
mithio (lat.-afrk.)
Erwiderung, Antwort, Verantwortung
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1
1931, 209
Mitsukuri, Rinsho
(1846-1897) wird nach dem Studium des Chinesischen, Holländischen und
Englischen mit der Übersetzung der französischen Gesetzbücher beauftragt.
Hierbei bewältigt er die Aufgabe der Bildung japanischer Rechtswörter für
westliche Rechtseinrichtungen.
Lit.: Yamanaka, E., Mitsukuri Rinsho,
(in) Nihon no hôgakusha, hg. v. Ushiomi, T. u. a., 1975, 1
Mittäterschaft ist
die gemeinsame Täterschaft mehrerer Menschen. Eine gesetzliche Grundlage für
die M. schafft 1870 der Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen
Bund.
Lit.: Kaser § 50 II 2; Winter, B., Die Entwicklung der Mittäterschaft,
1981; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen
Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Mitteis, Heinrich
(Prag 26. 11. 1889-München 23. 7. 1952), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Leipzig, Berlin (Brunner, Gierke) und Leipzig (Binding, Otto
Mayer, Sohm) 1920 Professor in Köln, 1924 in Heidelberg, 1934 in München, 1935
in Wien, 1938 in Rostock, 1946 in Berlin, 1948 in München und 1952 in Zürich.
In der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte verbindet er Politisches
eindrucksvoll mit Juristischem. Seine beiden rechtsgeschichtlichen Grundrisse
sind in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s länger führend.
Lit.: Bader, K., Heinrich Mitteis, ZRG GA 70 (1953), IX;
Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Mitteis, H., Die
Rechtsidee in der Geschichte, 1957 (Gesammelte Abhandlungen, mit
Schriftenverzeichnis); Brun, G., Leben und Werk des Rechtshistorikers Heinrich
Mitteis, 1991; Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, hg. v. Landau, P. u. a.,
1991
Mittelalter ist der
zwischen Altertum und Neuzeit befindliche zeitliche Abschnitt der
(europäischen) Geschichte (476-1492 bzw. 500-1500).
Lit.: Haskins, C., Studies in Mediæval Culture, 1929; Nord
und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Paravicini, W.,
1990; Schuler, P., Grundbibliographie Mittelalterliche Geschichte, 1990; Das
Mittelalter als Epoche, hg. v. Lückerath, C. u. a., 1995; The New Cambridge
Medieval History, hg. v. McKitterick, R., Bd. 1ff. 1995ff.; Boockmann, H.,
Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 6. A. 1996; Fuhrmann, H.,
Überall ist Mittelalter, 1996, 2. A. 1997, 3. A. 1998; Goetz, H., Leben im
Mittelalter, 7. A. 2002; Mittelalter und Moderne, hg. v. Segl, P., 1997;
Heimann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 1997; Fuhrmann, H.,
Einladung ins Mittelalter, 5. A. 1997; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 1999;
Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, hg. v. Borgolte,
M., 2001; Endemann, T., Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises für
mittelalterliche Geschichte, 2001; Leben im Mittelalter, hg. v. Leier, M. u.
a., 2001; Schubert, E., Alltag im Mittelalter, 2002; Knefelkamp, U., Das
Mittelalter, 2002; Dinzelbacher, P., Europa im Hochmittelalter, 2003; Jankrift,
K., Das Mittelalter, 2004; Hartmann, M., Mittelalterliche Geschichte studieren,
2004; Schlotheuber, E., Das Mittelalter, 2004; Le Goff, J., Auf der Suche nach
dem Mittelalter, 2004; Kaufhold, M., Wendepunkte des Mittelalters, 2004;
Schieffer, R., Das ganze Mittelalter von A-Z, DA 60 (2004), 571; Nagel, A., Im
Schatten des Dritten Reichs. Mittelalterforschung, 2005; Tradition, Innovation,
Invention, hg. v. Schmidt, H., 2005; Neiske, F., Europa im frühen Mittelalter,
2006; Goetz, H., Proseminar Geschichte Mittelalter, 3. A. 2006; Borgolte, M.,
Christen, Juden, Muselmanen, 2006; Heimann, H., Einführung in die Geschichte
des Mittelalters, 2. A. 2006; Schubert, E., Essen und Trinken im Mittelalter,
2006; Pauler, R., Leben im Mittelalter, 2007; Enzyklopädie des Mittelalters,
hg. v. Melville, G., Bd. 1f. 2008; Atlas des Mittelalters, hg. v. Biffi, I.,
2007; Fried, J., Zu Gast im Mittelalter, 2007; Mittelalter im Labor, hg. v.
Borgolte, M. u. a., 2008; Müller, H., Mittelalter, 2008; Fried, J., Das
Mittelalter, 2008, 3. A: 2009; Fossier, R., Das Leben im Mittelalter, 2008;
Kintzinger, M., Internationale Beziehungen im Mittelalter 2009; Gebrauch und Missbrauch des Mittelalters, hg.
b. Bak, J. u. a., 2009
mittelbarer Besitz →
Besitz
Mittelhochdeutsch ist
die zwischen 1050 und 1350 bzw. 1500 als der (zwischen Althochdeutsch und
Neuhochdeutsch) mittleren deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen)
Deutschland gesprochene Sprache (z. B. → Schwabenspiegel).
Lit.: Köbler, DRG 10; Köbler, WAS; Lexer, M.,
Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 35. A. 1979; Jelinek, F.,
Mittelhochdeutsches Wörterbuch zu den deutschen Sprachdenkmälern Böhmens, 1911;
Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, erarb. v. Ohly, S. u. a.,
Bd. 1ff. 1986ff. (4190 Urkunden, 1 Million Belege, rund 10000 Stichwörter);
Lexer, M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 3. A. 1885, 2. Neudruck,
1992; Hennig, B., Kleines mittelhochdeutsches Wörterbuch, 3. A. 1998; Weddige,
H., Mittelochdeutsch, 5. A. 2003; Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund,
hg. v. Burch, T. u. a., 2001 (CD-ROM); Mittelhochdeutsches Wörterbuch, hg. v.
Gärtner, K. u. a., Bd. 1ff. 2005ff.; Köbler, G., Mittelhochdeutsch, 2007
(Internet);
Bertelsmeier-Kierst, C., Kommunikation und Herrschaft, 2008
Mittellateinisch ist
die zwischen dem 6. und 15. Jh. verwendete Form des Lateinischen.
Lit.: Köbler, LAW; Löfstedt, B., Studien über die Sprache
der langobardischen Gesetze, 1961; Glossarium till medeltidslatinet i Sverige,
Bd. 1ff. 1973ff.; Langosch, K., Lateinisches Mittelalter, 5. A. 1988;
Niermeyer, J., Mediae Latinitatis Lexicon Minus, 2. A. 2002; Köbler, G., Liber
exquisiti xenii, 1999; Compendium auctorum Latinorum medii aevi (500-1500) hg.
v. Lapidge, M. u. a., Bd. 1 (bis Bartholomaeus de Forolivio) 2002ff.
Mittelniederdeutsch ist
die zwischen dem 12. und 16. Jh. als der mittleren deutschen Sprachperiode
(zwischen Altsächsisch und Altniederfränkisch einerseits und Neuniederdeutsch
bzw. Plattdeutsch andererseits) im nördlichen (niedergelegenen) Deutschland gesprochene
Sprache (z. B. → Sachsenspiegel), die im Schriftdeutschen in der frühen
Neuzeit (z. B. in Goslar zwischen 1519 und 1619) allmählich von der hochdeutschen
Sprache (z. B. Juristensprache) verdrängt wird.
Lit.: Köbler, DRG 10; Schiller, K./Lübben, A.,
Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1875ff.; Cordes, G., Schriftwesen
und Schriftsprache in Goslar, 1934
Mittermaier, Carl
Joseph Anton (München 5. 8. 1787-Heidelberg 28. 8. 1867) wird nach dem
erfolgreichen Abschluss des Rechtsstudiums in Landshut 1807 in München
Sekretär → Feuerbachs und nach dem vertiefenden Studium in Heidelberg
(Thibaut, Heise) zwecks freilich gescheiterter Berufung nach Innsbruck 1811
ordentlicher Professor in Landshut, 1819 in Bonn und 1821 in Heidelberg. Er
setzt sich unter Verwendung der Rechtsvergleichung erfolgreich für ein
modernes liberales Strafverfahrensrecht ein (Anklagegrundsatz, Staatsanwaltschaft,
freie Beweiswürdigung). Er führt das Strafrechtslehrbuch Feuerbachs fort,
schult Binding und veröffentlicht zwischen 1809 und 1867 867 größere und
kleinere Werke (bis 1988 zehn zusätzliche postume Veröffentlichungen) Seine
Bibliothek umfasst 8019 Bände und rund 6000 Dissertationen und Broschüren (270
Laufmeter).
Lit.: Köbler,
DRG 205; Stegemeier, L., Die Bedeutung Karl Joseph Anton Mittermaiers, Diss.
jur. Göttingen 1945/8; Jammers, A., Die Bibliothek des Heidelberger Juristen
Karl Joseph Anton Mittermaier, Bibliothek und Wissenschaft 3 (1966), 156; Neh,
S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Carl Joseph Anton
Mittermaier, hg. v. Küper, W., 1988; Hettinger, M., Carl Josph Anton
Mittermaier (1787-1867), ZRG GA 107 (1990), 433; Neh, S., Die posthumen
Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Malsack, B., Die Stellung der
Verteidigung, 1992; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier – Rudolf von
Gneist, hg. v. Hahn, E., 2000; Briefe von Mitgliedern der badischen
Gesetzgebungskommission an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Mussgnug, D.,
2002; Bibliographie der Werke Karl Josef Anton Mittermaiers, bearb. v. Nuzzo,
L., 2004; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v.
Mußgnug, D., 2004; Briefe deutscher Strafrechtler an Karl Kosef Anton
Mittermaier, hg. v. Jelowik, L., 2005; Riemer, L., Das Netzwerk der
„Gefängnisfreunde“, 2005; Briefe Hermann Theodor Goltdammers an Karl Josef
Anton Mittermaier, hg. v. Mußgnug, D., 2007; Carl Joseph Anton Mittermaier, hg.
v. Moritz, W. u. a., 2009 (Ausstellungskatalog)
Mitverschulden ist
die Außerachtlassung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten durch den
Beschädigten, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung
eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Bei konkurrierendem Verschulden entfällt
im gemeinen Recht seit dem Spätmittelalter die Ersatzpflicht völlig (→
Kulpakompensation), während es nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) auf das Maß der jeweiligen Verursachung ankommt.
Lit.: Köbler, DRG 214; Aumann, Das mitwirkende Verschulden,
1964; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187
Mobiliarsachenrecht (Recht
der beweglichen Sachen)
Lit.:
Schubert, W., Die Diskussion über eine Reform des Rechts der
Mobiliarsicherheiten in der späten Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit, ZRG GA
107 (1990), 132
Modena wird auf
römischer Grundlage Grafensitz und seit dem 12. Jh. Stadtkommune, 1452 unter
der Herrschaft der Este Herzogtum. Um 1180 lehrt in M. → Pillius, im 13.
Jh. sind dort andere bekannte Juristen tätig. 1682 erhält M.eine Universität.
1859 fällt es von Österreich-Este an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes, 1974; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,178, 3,1,291, 3,2,2362, 3,3,3230; Mor, C./Di Pietro, P., Storia
dell’università di Modena, 1975; Santini, G., Lo stato estense tra riforme e
rivoluzione, 1983; Storia illustrata, hg. v. Golinelli, P. u. a., 1990; Rölker,
R., Adel und Kommune in Modena, 1994; Faber, H., Modena – Austria, 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Modestin (Modestinus),
Herennius (1. H. 3. Jh.), Schüler des Ulpianus, ist der letzte spätklassische
römische Rechtskundige. Ihm misst das Zitiergesetz von 426 besondere Bedeutung
zu. Zu seinen Werken zählen 10 Bücher (lat. [F.Pl.])
Regulae, Regeln, 12 Bücher (lat. [F.Pl.])
Pandectae, Pandekten, 9 Bücher (lat. [F.Pl.])
Differentiae, Unterschiede, 19 Bücher Gutachten (lat. [N.Pl.] responsa) sowie
verschiedene kleinere Abhandlungen.
Lit.: Söllner §§ 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und
soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 259
modius (lat. [M.]) Scheffel
modus (lat. [M.])
Maß, Weise (z. B. modus acquirendi, Erwerbsart wie [lat.]
→ traditio).
Lit.: Kaser § 20; Köbler, DRG 163; Hofmann, F., Die Lehre
vom titulus und modus acquirendi, 1873
Mohammed (Abul Kasim
Muhammad Ibn Abd Allah, Mekka um 569-Medina 8. 6. 632) ist der aus führender
Familie (Haschimiden) stammende Stifter des → Islam (20. 9. 622 Hedschra
von Mekka nach Medina), der seine Offenbarungserlebnisse im ® Koran niederschreibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Watt, W., Muhammad at Medina, 1956;
Paret, R., Mohammed und der Koran, 1957, 9. A. 2005, 10. A. 2008; Lüling, G.,
Die Wiederentdeckung des Propheten Mohammed, 1981; Mohammed in Europa, hg. v.
Gabrieli, F., 1997; Bobzin, H., Mohammed, 2000; Lings, M., Muhammad, 2000;
Hotz, S., Mohammed und seine Lehre in der Darstellung abendländischer Autoren
vom späten 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, 2002; Jansen, H., Mohammed,
2008; Nagel, T., Mohammed, 2008
Mohl, Robert von
(Stuttgart 17. 8. 1799-Berlin 5. 11. 1875), Konsistorialpräsidentensohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut, Zachariae) 1824
außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Tübingen, 1827 ordentlicher
Professor in der staatswirtschaftlichen Fakultät, 1847 Professor in
Heidelberg. Seine von klarer Systematisierung, Einbeziehung der Rechtswirklichkeit
und rechtsstaatlichem Grundverständnis geprägten Hauptwerke sind das
Staatsrecht des Königreichs Württemberg (1829ff.) und die Polizeiwissenschaft
nach den Grundsätzen des Rechtsstaates (1832ff.), in denen Verfassungsrecht und
Verwaltungsrecht trotz Trennung aufeinander bezogen werden. 1846 verlangt er
die Regierungsbildung durch die Mehrheit der Volksvertretung.
Lit.: Köbler, DRG 193; Angermann, E., Richard von Mohl
1799-1875, 1962; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 2 1992, 172; Schroeder, K., Robert von Mohl, NJW 1998, 1518;
Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D.,
2004
Moldawien (Moldau)
ist ein schon mittelalterliches osteuropäisches Fürstentum längs des Flusses
Pruth, das 1359 von Ungarn unabhängig wird, 1504 die Osmanen (Türkei) als
Schutzherren anerkennen muss (1817 Zivilgesetzbuch unter dem Einfluss Franz von
Zeillers) und 1862 zusammen mit der Walachei → Rumänien bildet bzw. 1918
von Russland, das seit 1814 Deutsche ansiedelt (1940/1942 umgesiedelt, 1945
geflüchtet), an Rumänien kommt. Die aus der von der Sowjetunion im ukrainischen
Transnistrien gebildeten Autonomen Moldauischen Sowjetrepublik und dem größten
Teil Bessarabiens 1945 gefomte Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik
verselbständigt sich mit der Auflösung der Sowjetunion 1991.
Lit.: Mantzuphas (Mantzoufas), G., He hermeneia Zeiller,
1955; Mantzuphas (Mantzoufas), G., Die Gründe für die absichtliche
Verschweigung der österreichischen Vorlagen des moldauischen Codex Civilis vom
Jahre 1817, ZRG GA 82 (1965), 326; Völkl, E., Das rumänische Fürstentum
Moldawien, 1975; Spinel, V., Moldavia, 1986; Galizien, Bukowina, Moldau, hg. v.
Glassl, H., 1994; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; King, C.,
The Moldovans, 2000
Molina, Luis de
(1535-1600) wird nach kurzem Studium des Rechts in Salamanca und dem Studium
der Logik, Philosophie und Theologie Theologe und Naturrechtler in Evora,
Coimbra, Lissabon, Madrid, Cuenca und Madrid. Sein juristisches Hauptwerk (De
iustitia et de iure, 1593ff., Von Gerechtigkeit und Recht) stellt das
(ortsverschiedene und zeitverschiedene) Naturrecht (göttliche Recht) und das
(das [lat.] ius gentium, Völkerrecht, einschließende) positive Recht
(römisches, kirchliches, katholisches Recht) dar.
Lit.: Weber, W., Wirtschaftsethik am Vorabend des
Liberalismus, 1959, 69; Krause, O., Naturrechtler des 16. Jahrhunderts, 1982,
48
Molinaeus → Du Moulin
Molsheim im Elsass ist von 1618 bis 1701
Sitz einer Universität.
Mommsen, Theodor (Garding 30. 11. 1817-Charlottenburg 1. 11. 1903, Vater Pfarrer) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Falck, Kierulff) 1843 Lehrer, (Auslandsaufenthalt in Frankreich und Italien,) 1848 Journalist, im gleichen Jahr außerordentlicher Professor des römischen Rechts in Leipzig (1850 wegen seiner Beteiligung an der Maierhebung 1849 entlassen), 1852 Professor in Zürich, 1854 in Breslau und 1861 Professor für alte Geschichte in Berlin. Sein berühmtestes Werk ist seine römische Geschichte (Bd. 1ff. 1854ff., 1902 Literaturnobelpreis). In der Rechtswissenschaft hat er sich durch sein römisches Staatsrecht (Bd. 1ff. 1871, Neudruck 1955, 1963), sein römisches Strafrecht (1899, Neudruck 1955, 1961) und seine grundlegende Neuausgabe der Digesten und anderer Quellen (Codex Theodosianus usw.) herausragende Verdienste erworben.
Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 193; Hartmann, L.,
Theodor Mommsen, 1908; Heuß, T., Theodor Mommsen und das 19. Jahrhundert, 1956,
Neudruck 1996; Wucher, A., Theodor Mommsen, 2. A. 1968; Theodor Mommsen,
Römische Kaisergeschichte, hg. v. Demandt, B. u. a., 1992; Behne, F., Heinrich
Siber und das römische Staatsrecht von Theodor Mommsen, Diss. jur. Göttingen
1998; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2002; Mommsen, T., Römische Geschichte und
römisches Recht, hg. v. Damken, M., 2002 (CD-ROM); Theodor Mommsen – Gelehrter,
Politiker und Literat, hg. v. Wiesehöfer, J., 2005; Theodor Mommsens langer
Schatten, hg. v. Nippel, W. u. a., 2005; Wickert, L., Theodor Mommsen, 2006;
Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2007
mompar (mhd.)
Vormund
Mömpelgard (Montbéliard)
ist die westlich von Basel gelegene reichsunmittelbare Grafschaft des Heiligen
römischen Reiches (deutscher Nation), die im 18. Jh. von Frankreich annektiert
wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kläui, P.,
Hochmittelalterliche Adelsherrschaft im Zürichgau, 1960; Johann Mosers
mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983
Monarchie (griech. Einherrschaft) ist die
Staatsform, bei der grundsätzlich ein einzelner Mensch (oft von Gottes Gnaden)
(bis zu seinem Tode) als Träger der Staatsgewalt an der Spitze des Staates
steht. Sie ist bereits bei Aristoteles (384 v. Chr.-322 v. Chr.) neben
Aristokratie und Demokratie als eine (gute) Staatsform bezeugt (Gegensatz
Tyrannei). Seit dem Hochmittelalter kann die M. ständisch beschränkt werden.
Seit 1688 entwickelt sich in England die konstitutionelle Monarchie. Ihr folgt
am Ende des 19. Jh.s die parlamentarische M. (England 1834/1835, Deutscher Bund
theoretisch ab 1840, Dänemark 1907, Deutsches Reich 28. 10. 1918). Am Ende des
ersten Weltkrieges werden verschiedene europäische Monarchien in Republiken
umgewandelt.
Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 133; Martitz, F. v., Die Monarchie als Staatsform, 1903; Löwenstein, K.,
Die Monarchie im modernen Staat, 1952; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses
Österreich, 1968; Kammler, H., Die Feudalmonarchien, ZRG GA 93 (1976), 367;
Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Giesey, R., Le roi
ne meurt jamais, 1987; Dreitzel, H., Monarchiebegriffe in der
Fürstengesellschaft, 1991; European Monarchy, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1992;
Wienfort, M., Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Kirsch, K.,
Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Panitschek, P., Lugal - sarru -
basileus - Formen der Monarchie im alten Vorderasien, 2008
Monarchisches Prinzip
ist das den Monarchen (trotz Gewährung einer Verfassung) als alleinigen Träger
der Staatsgewalt betrachtende Prinzip, das von der Wiener Schlussakte des
Deutschen Bundes 1820 zum Verfassungsgrundsatz erhoben wird. Es entsteht um
1800 (1804/1806) als Schlagwort. In einer Rezension in den Göttinger gelehrten
Anzeigen vom 21. 9. 1837 entzieht Wilhelm Albrecht, indem er den Monarchen als
Organ der juristischen Person Staat einordnet, dem monarchischen Prinzip
erstmals die Legitimationsgrundlage. Seit 1848 wird das monarchische Prinzip
zurückgedrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Kaufmann, E.,
Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips, 1906; Hoffmann, P.,
Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Meisner, H., Die
Lehre vom monarchischen Prinzip, 1913; Göcken, G., Friedrich von Gentz, Diss.
jur. Bonn 1962; Die Entstehung des modernen Staates, hg. v. Hofmann, H., 1967,
115; Frotscher, W., Monarchisches Prinzip kontra liberale
Verfassungspositionen, JuS 2000, 943
Monarchomache (M.)
Königsbekämpfer (2. H. 16. Jh.)
Lit.: Stricker, G., Das politische Denken der
Monarchomachen, Diss. phil. Heidelberg 1967
Mönch ist der
Angehörige einer religiösen Gemeinschaft. Das Mönchtum innerhalb des
Christentums erscheint schon im Altertum. Es verbreitet sich rasch in Ägypten,
Palästina und Syrien und dringt seit etwa 370 n. Chr. auch im Westen ein. Der
erste bedeutsame Orden sind die Benediktiner Benedikts von Nursia.
Lit.: Herwegen, I., Das pactum des hl. Fruktuosus von
Braga, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Laske, W., Das
Problem der Mönchung in der Völkerwanderungszeit, 1973; Prinz, F., Frühes
Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Semmler, J., Mönche und Kanoniker im
Frankenreich, 1980; Penco, G., Medioevo monastico, 1988; Monks, Nuns, and
Friars, hg. v. King, E. u. a., 1990; Frank, K., Geschichte des christlichen
Mönchtums, 5. A. 1993; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 3. A.
1998; Mönchtum, Kirche, Herrschaft 750-1000, 1998; Füser, T., Mönche im
Konflikt, 2000
Mönchengladbach
Lit.: Brasse, E.,
Geschichte der Stadt und Abtei Gladbach, Bd. 1ff. 1914ff.
Mongole ist der Angehörige eines zunächst am oberen Amur nomadisierenden, unter Dschingis Khan (1155-1227) weit nach Westen (Russland 1223, Schlacht bei Liegnitz 1241) und Süden (China 1211ff.) ausgreifenden Volkes, dessen Großreich 1260 (u. a. Niederlage in Palästina) zerfällt.
Lit.: Hethum von Korykos, Geschichte der Mongolen (1307),
übers. v. Senoner, R., hg. v. Baum, W., 2006; Die Mongolen in Asien und Europa,
hg. v. Conermann, S./Kusber, J., 1997; Weiers, M., Geschichte der Mongolen,
2004
Monopol ist die
Marktform, bei der Angebot (Angebotsmonopol) oder Nachfrage (Nachfragemonopol)
in einer Person vereinigt sind. Das M. wird in der frühen Neuzeit zum Rechtsproblem,
mit dem sich die Gesetzgebung des Heiligen römischen Reiches (deutscher
Nation) befasst. Der Liberalismus wendet sich gegen das M.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 150; Höffner, J.,
Wirtschaftsethik und Monopole, 2. A. 1969; Mertens, B., Im Kampf gegen die
Monopole, 1996
Montanunion ist die
zwecks Kontrolle der Rüstungsindustrie Deutschlands 1951/1952 von Deutschland,
Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg begründete
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EKGS), in der eine besondere Form
der → Mitbestimmung gilt. Der am 18. 4. 1951 abgeschlossene, am 23. 7.
1952 in Kraft getretene Vertrag ist nach fünzigjähriger Laufzeit 2002
ausgeläufen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gillingham, J., Coal, Steel and
the Rebirth of Europe, 1991; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Montenegro (Name
seit dem 16. Jh. gebräuchlich) ist das unzugängliche Gebirgsland östlich der
mittleren Adria, das seit dem 13./14. Jh. als Einheit erscheint, bis es 1528 an
die Osmanen (Türkei) fällt. Hier wird es unter einem Metropoliten
verhältnismäßig selbständig. 1798 erhält es ein Staatsgesetz. 1852 wird es
weltliches Fürstentum. 1878 wird M. auf dem Berliner Kongress unabhängig
(Allgemeines Vermögensgesetzbuch von Montenegro 1888), 1910 Königreich. 1918
schließt es sich Jugoslawien an, bei dem es nach 1990 unter stärkererer
Autonomie zunächst verbleibt, bis es sich nach einer Volsabstimmung zum 3. 6.
2006 (mit 620000 Einwohnern auf 14000 Quadratkilometern) wieder verselbständigt.
Lit.: Istorija Crne Gore, Bd. 1f. 1967ff.; Petit, C., The
Code and the goats, ZNR 1998, 212
Montesquieu, Charles Louis de Secondat Baron de la Brède et de (La
Brède 18. 1. 1689-Paris 10. 2. 1755) wird nach
dem Rechtsstudium in Bordeaux 1714 Rat und 1726 Parlamentspräsident. Seit 1721
kritisiert er in den anonymen persischen Briefen (Lettres persanes) die
politischen und gesellschaftlichen Zustände Frankreichs. 1748 entwickelt er in
seinem anonym veröffentlichten Hauptwerk De l’esprit des lois (Vom Geist der
Gesetze) zum Schutz der persönlichen Freiheit des Einzelnen gegen ein
Gewaltmonopol auf Grund des englischen Vorbildes die Lehre von der Dreiteilung
der Staatsgewalt (→ Gewaltenteilung) in Ausführung (Exekutive),
Gesetzgebung (Legislative) und Rechtsprechung (Judikative). Das an die
Zustimmung des Volkes gebundene und damit Willkür ausschließende Gesetz soll
der Gerechtigkeit entsprechen, vom gesamten jeweiligen Volk verstanden werden,
für alle einheitlich sein und den gesamten Stoff umfassen (Kodifikation). Weil
Religion, Sitten und Geschichte des jeweiligen Volkes sowie Lage und Klima des
besonderen Landes zu beachten seien, lehnt M. ein absolutes, überall in
gleicher Weise geltendes → Naturrecht ab. M. bejaht die Gesetzmäßigkeit
der geschichtlichen Entwicklung.
Lit.: Köbler, DRG 139, 146, 190, 199; Shackleton, R.,
Montesquieu, 1961; Montesquieu, C., Vom Geist der Gesetze, hg. v. Forsthoff,
E., 2. A. 1992; Desgraves, L., Montesquieu, 1986; Gewaltentrennung im
Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Schlosser, H., Montesquieu, 1990;
Herdmann, F., Montesquieurezeption in Deutschland, 1990; Goyard-Fabre, S.,
Montesquieu, 1993; Kondylis, P., Montesquieu und der Geist der Gesetze, 1996;
Desgraves, L., Montesquieu, 1996; Mass, E., Der Einfluss Montesquieus, (in)
Wandel von Recht und Rechtsbewusstsein, 1999, 107; Cattaneo, M., Montesquieus
Strafrechtsliberalismus, 2002; Montesquieu-Traditionen in Deutschland, hg. v.
Mass, E. u. a., 2005
Montgelas,
Maximilian Joseph Freiherr von (München 12. 5. 1759-14. 6. 1838), Generalssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg Hofrat in München, 1799 Außenminister
in Bayern. Er gestaltet eine moderne, einheitliche und zentralisierte
Verwaltung nach dem Vorbild Frankreichs in Bayern. In der Konstitution von 1808
beseitigt er die ständischen Vorrechte.
Lit.: Weis, E., Montgelas, 1971ff.; Weis, E., Maximilian
Graf von Montgelas, JuS 2009, 772
Montpellier in
Südfrankreich ist seit etwa 1170 Ort rechtlicher Lehrveranstaltungen (→ Placentinus),
seit dem 13. Jh. Sitz einer Universität, später dreier Universitäten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Gouron, A., La
science du droit dans le midi, 1984; Histoire de Montpellier, hg. v. Cholvy,
G., 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 123
Monumenta (N.Pl.)
Germaniae Historica (lat.) (1819 von Freiherr Karl vom Stein
ins Leben gerufene Veröffentlichungsreihe der bedeutendsten älteren)
deutsche(n) Geschichtsquellen
Lit.: Köbler, DRG 6; Breßlau, H., Geschichte der Monumenta
Germaniae historica, 1921; Grundmann, H., Monumenta Germaniae Historica, 1969
Monzambano, Severinus de (Pseudonym Samuel → Pufendorfs 1667)
Moorleiche ist die
im Moor aufgefundene Leiche. Sie kommt als rechtsgeschichtliche
Erkenntnisquelle in Betracht (→ Sittlichkeitsverbrechen). Seit der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden infolge des Übergangs von der händischen
Torfgewinnung zum Einsatz von Maschinen Moorleichen kaum mehr gefunden.
Lit.: Pappenheim, M., Moorleichen, ZRG GA 22 (1901), 354;
Eckhardt, K., Ein neuer Moorleichenfund, ZRG GA 60 (1940), 252; Dieck, A., Die
europäische Moorleichenfunde, 1965; Brock, T., Moorleichen, 2009
Moosburg
Lit.: Hiereth, S.,
Mossburg 1950; Hiereth, S., Moosburg, 1986
mora (lat. [F.]) Verzug
Lit.: Kaser §§ 37 III 1, 51 I 4; Köbler, DRG 44
Moral (F.)
Gesamtheit der Sitten
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863; Rohls,
J., Geschichte der Ethik, 1991; Baurmann, M., Der Markt der Tugend, 1996;
Legalität, Legitimität und Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008
moralisch
(Adj.) sittlich, den Sitten (lat. mores) entsprechend (z. B. moralische Person)
Morastein ist der südöstlich von Uppsala gelegene Ort (Steinring) der Erhebung der mittelalterlichen Könige in Schweden.
Lit.: Holmgren, G., Gamla Uppsala och Mora äng, 1937;
Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung, 1976
Moratorium (N.) Zahlungsaufschub
Lit.: Kaser § 53; Oberndorff, L. Graf v., Das vom
Landesherrn oder von Staatswegen erteilte Moratorium, Diss. jur. Greifswald
1905; Eberle, H., Die Begründung des Moratoriums, Diss. jur. Jena 1937
Mord ist die Tat
des Mörders. Der M. ist ein Fall qualifizierter Tötung eines anderen Menschen.
Im Frühmittelalter und vermutlich auch in germanischer Zeit ist M. die
beispielsweise durch Zudecken verheimlichte Tötung. Seit dem Spätmittelalter
ist M. die vorbedachte, in bestimmter Weise besonders qualifizierte Tötung
(anders Österreich).
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
119, 158; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 76,
Neudruck 1964, Bd. 2 1935, 90; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz,
1973; Der Mord der Juden, hg. v. Jäckel, E., 1985; Thomas, S., Geschichte des
Mordparagraphen, 1985; Gschwend, L., Der Studentenmord von Zürich, 2002;
Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Wittke, M., Mord und
Totschlag? 2002; Nolde, D., Gattenmord, 2003; Linka, K., Mord und Totschlag,
2008
Mordbrand ist die
heimlich verübte → Brandstiftung, als deren Strafe im Sachsenspiegel
(1221-1224) das Rädern erscheint.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
More geometrico (lat.) auf
geometrische Art (z. B. durch Pufendorf [1672]
erfolgende Rechtswissenschaft) → mos geometricus
Lit.: Köbler, DRG 146
Mores (lat. [M.Pl.], Sg. mos) sind im römischen Recht die (hergebrachten)
Sitten (der Väter [lat.
maiorum]). Sie beeinflussen vor allem
das altrömische Recht.
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 17, 51; Kaser, M., Mores
maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52
Morganatisch ist
eine von der → Morgengabe abgeleitete Bezeichnung. Die morganatische Ehe (Ehe
zur linken Hand) ist eine zuerst im spätmittelalterlich-oberitalienischen
Recht (Mailand) bezeugte, bis 1875/1918 (für den Adel) zulässige Form der →
Ehe. Zwischen Mann und Frau tritt (vor allem wegen Standesungleichheit gewollt)
keine Rechtsgemeinschaft ein. Die Kinder werden, obwohl der Vater die
väterliche Gewalt über sie hat, nur der Mutter zugerechnet.
Lit.: Geschichte morganatischer und legitimierter Fürsten-
und Grafenehen in Deutschland, 1874; Weyhe-Eimke, A. v., Die rechtmäßigen Ehen
des hohen Adels, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Morgengabe ist
spätestens seit dem Frühmittelalter eine Gabe (meist) des Mannes an die Frau
nach der Hochzeitsnacht (z. B. Schmuck, Vieh, Leute, Grundstücke, Geld). Sie
wird vielfach vom Mann verwaltet. Das an der M. entwickelte besondere Erbrecht
schwindet zuerst in den Städten des hohen Mittelalters (vgl. aber § 1232 ABGB).
Lit.: Hübner 665; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 88,
123; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechtes in Deutschland, Bd.
1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich,
1973, 45, 124
Morgensprache (F.) Zunftversammlung
mors (F.) civilis (lat.) →
bürgerlicher Tod
Lit.: Borgmann, B., Mors civilis 1969;
Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81
Mortgage ist im
mittelalterlichen französischen Recht das zur Fruchtziehung am Pfandgrundstück
berechtigende Pfandrecht.
Lit.: Hübner 405; Viollet, P., Droit
privé, 1905, 784
mortuarium (lat. [N.])
Sterbefallabgabe
Mortuus redhibetur (lat.). Der
Tote wird zurückgewährt (gemeint ist der zufällig untergegangene Sachgegenstand
eines Austauschgeschäftes).
Lit.: Caemmerer, E. v., Mortuus redhibetur, FS K. Larenz,
1973, 621; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223,
Digesten 21, 1, 31 § 11)
Morus (More),
Thomas Sir (London 7. 2. 1478-6. 7. 1535), Juristensohn, wird nach dem Studium
der alten Sprachen und des Rechts in London 1501 Rechtsanwalt, 1504
Parlamentarier im Unterhaus, 1510 undersheriff und 1529 als erster Laie
Lordkanzler. Befreundet mit Erasmus von Rotterdam verfasst er, beeinflusst von
der Entdeckung Amerikas, 1516 eine zeitkritische Beschreibung eines idealen
Staates (Utopia, Nirgendland). Weil er nach der Scheidung Heinrichs VIII. von
Katharina von Aragon und der daraufhin erfolgenden Trennung Englands von der
katholischen Kirche einen Eid auf den anglikanischen König Heinrich VIII.
verweigert, wird er 1535 wegen Hochverrats hingerichtet.
Lit.: Chambers,
R., Thomas More, 1935; Guy, J., Sir Thomas Morus, 1979; Trapp, J., Erasmus,
Colet and More, 1991; Ackroyd, P., The Life of Thomas More, 1999
mos (lat. [M.]) Sitte → mores (M. Pl.)
Sitten
Lit.: Gehrke, H., Römischer mos und griechische Ethik, HZ
258 (1994), 593; Mos maiorum hg. v. Linke, B. u. a., 2000
mosaisches Recht →
biblisches Recht, jüdisches Recht
Lit.: Smend, R., Mose als geschichtliche Gestalt, HZ 260
(1995), 1
Mosbach (976 Reichsabtei, um 1241
Siedlung im Reichssteuerverzeichnis)
Lit.: Mosbacher
Urkundenbuch, bearb. v. Krimm, K., 1986
Moser (von Filseck und Weilerberg), Johann Jakob (Stuttgart 18. 1. 1701-30. 9. 1785), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen außerordentlicher Professor in Tübingen (1720-1721), dann freier Berater, 1726 Regierungsrat, 1727 Titularprofessor in Tübingen, 1734 Regierungsmitglied, 1736 Universitätsdirektor in Frankfurt an der Oder, 1739 Privatgelehrter, 1745 Berater, 1745 geheimer Rat, 1749 Akademiegründer, 1751 Landschaftskonsulent, 1759 verhaftet und nach 1764 wieder Privatgelehrter. In 500 bis 600 Bänden sammelt er hauptsächlich staatsrechtliches Material (Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neues teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1766ff.), wobei er die Geschichte als objektive Hilfswissenschaft für das Staatsrecht versteht. Das Völkerrecht gewinnt er vor allem aus Vertrag und Herkommen.
Lit.: Moser, J., Grundriss der heutigen Staatsverfassung
des teutschen Reiches, 7. A. 1754, Neudruck 2001; Moser, J., Lebensgeschichte
Johann Jacob Mosers, 1768; Schmid, A., Das Leben Johann Jacob Mosers, 1868;
Wächter, O., Johann Jacob Moser, 1885; Schulze, H., Johann Jacob Moser, 1869;
Leschhorn, A., Johann Jakob Moser und die Eidgenossenschaft, 1965; Rürup, R.,
Johann Jacob Moser, 1965; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jacob Mosers,
1968; Johann Mosers mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988,
258
Möser, Justus
(Osnabrück 14. 12. 1720-8. 1. 1794), Kanzleidirektorssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Jena und Göttingen Sekretär (1741), Rechtsanwalt (1744),
Syndikus (1756), Justitiar (1762) und 1764 Konsulent im Osnabrückischen. Er
wirkt in vielfältiger Weise als aufgeklärter konservativer Schriftsteller.
Sein Hauptwerk sind seine patriotischen Phantasien (Bd. 1ff. 1774ff.).
Lit.: Hatzig, O., Justus Möser, 1909; Brünauer, U., Justus
Möser, 1933; Klassen, P., Justus Möser, 1936; Maußer, E., Das Rechtsdenken
Justus Mösers, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1942; Möser, J., Sämtliche
Werke, Bd. 1ff. 1943ff.; Fiebig, B., Justus Mösers Staatslehre, Diss. jur. Köln
1953; Sheldon, W., The intellectual development of Justus Möser, 1970; Schmidt,
P., Studien über Justus Möser als Historiker, 1975; Schmelzeisen, G., Justus
Mösers Aktientheorie, ZRG GA 97 (1980), 254; Schröder, J., Justus Möser als
Jurist, 1986; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Welker, K.,
Rechtsgeschichte als Rechtspolitik, 1996; Möser-Bibliographie 1730-1990, hg. v.
Woesler, W., 1997; Möser, J., Politische und juristische Schriften, hg. v.
Welker, K., 2001; Oestmann, P., Wahre deutsche Denkungsart, ZRG GA 121 (2004),
283; Domack, O., Vorarbeit für eine historisch-kritische Ausgabe der
Patriotischen Phantasien von Justus Möser, 2004
Mos (M.) Gallicus (lat.)
(Tanner 1556 Gallica ratio) ist die zu Beginn des 16. Jh.s entstehende, den
älteren mos Italicus (italieniesche Art) ablehne3nde gallische (französische)
Art der Rechtswissenschaft, welche die römischen Quellen stärker humanistisch
(sprachwissenschaftlich-geschichtlich) betrachtet und die einzelnen Stellen
textkritisch untersucht (bessere Interpretation besserer Texte). Die
bekanntesten Vertreter des m. G. sind → Alciatus (1492-1550), →
Budaeus (1467-1540), → Cuiacius (1522-1590), → Donellus
(1527-1591), Dionysius → Gothofredus (1549-1622) und Jacobus Gothofredus
(1587-1652) sowie nach Vertreibung der führenden französischen,
calvinistisch-hugenottischen Juristen (1562-1598) spätere niederländische
Juristen (elegante Jurisprudenz). Bedeutung gewinnt dabei allmählich auch die
Ermittlung allgemeiner Grundsätze und deren Verbindung zu einem systematischen
Ganzen.
Lit.: Köbler, DRG 143; Astuti, G., Mos italicus e mos
gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Mos (M.) geometricus
(lat.) ist die geometrische oder mathematische Art der Darstellung und
Beweisführung in Wissenschaftsfächern der frühen Neuzeit (Simon Grynaeus
1533). In der Rechtswissenschaft sprechen zuerst Budaeus 1557 und Valentin
Forster (1613) diese Frage ansatzweise an. Eine umfassende Darstellung des
Naturrechts → more geometrico erfolgt aber erst durch → Pufendorf
(1672). Dem folgen → Leibniz und vor allem Christian → Wolff in
leicht eingängiger Darstellungsform. Mit Wolff endet der m. g. ziemlich unvermittelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Röd, W., Geometrischer Geist und
Naturrecht, 1970; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Der sog. mos geometricus, Quaderni Fiorentini 9
(1979), 179
Mos (M.) Italicus (lat.) (Mopha
1541) ist die aus dem Mittelalter überkommene italienische Art der
Rechtswissenschaft. Darunter ist die juristische Ausprägung des scholastischen
Unterrichtssystems und des damit verbundenen wissenschaftlichen Begründungssystems
und Erkenntnissystems zu verstehen. In ihrem Mittelpunkt stehen
Worterklärungen, Herstellung logischer und systematischer Zusammenhänge in
kleineren Bereichen, Zusammenstellungen von Parallelstellen aus allen Teilen
des römischen (lat.) corpus (N.) iuris civilis, Bildung von Parallelfällen, Auflösung
von Widersprüchen und Sammlung von Argumenten für die dem Text entnommene Lösung.
Der m. I. wird seit Beginn des 16. Jh.s vom → mos Gallicus abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Astuti, G., Mos italicus e mos
gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und
Jurisprudenz, 1971; Carpintero, F., Mos italicus, Ius commune 6 (1977), 108
Moskau an der
Moskwa erscheint 1147 als Landsitz und 1156 als eine mit einem Zaun befestigte
Stadt. Nach ihrer Zerstörung durch die Mongolen (1237) wird sie 1263 Sitz eines
Teilfürstentums, 1326 Sitz des Metropoliten von Russland und wenig später
Vorort des Großfürstentums Moskau. 1755 erhält sie eine Universität.
Lit.: Luppi, A./Biagi, E., Moskau, 1981; Crummey, R., The
Formation of Muscovy, 1987; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg,
hg. v. Pokrovac, Z., 2007
mos maiorum (lat. [M.]) Sitte der Vorfahren (als Herkunftsangabe eines Rechtssatzes)
Motivirrtum ist der unbeachtliche → Irrtum über den Beweggrund für eine Willenserklärung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mozaraber ist der
unter der Herrschaft der → Araber auf der iberischen Halbinsel lebende
Christ.
Mpalés, Geórgios
(1879-1957) wird nach dem Rechtsstudium in Athen und Berlin 1925 Professor für
Zivilrecht in Athen. Er beeinflusst das griechische Zivilgesetzbuch von 1940
maßgeblich und verfasst die führende Kommentierung.
Lit.: Kallias, K., Geórgios Mpalés, 1960
Msida auf Malta erhält
1572 bzw. 1769 eine Universität.
Mucius Scaevola, Quintus (um
140-82 v. Chr.), Rechtskundigensohn, Konsul 95 v. Chr., ist ein bedeutsamer
Vertreter der vorklassischen römischen Rechtswissenschaft. Sein Hauptwerk
sind 18 Bücher (lat.) De iure civili (Vom römischen Recht), in denen er das
Recht der römischen Bürger systematisch zusammenfasst. Auf ihn zurückgeführt
werden die (lat.) → cautio (F.) Muciana, die eine unter der Bedingung,
etwas Bestimmtes nicht zu tun, ausgesetzte Zuwendung absichern soll, und die
(lat.) → praesumptio (F.) Muciana, nach der bis zum Beweis des Gegenteils
alles Vermögen einer Ehefrau als vom Mann herrührend gilt. Auf M. S. greift vor
allem → Sabinus wieder zurück.
Lit.: Köbler, DRG 29; Behrends, O., Die Wissenschaftslehre
im System des Quintus Mucius Scaevola pontifex, 1976; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 597
Mühldorf
Lit.: Stahleder, H., Mühldorf, 1976
Mühle ist die Vorrichtung zum mechanischen Zerkleinern von Gegenständen, vor allem von Pflanzenteilen (Getreidekörnern). Die technisch der einfachen Handmühle überlegene Wassermühle ist bereits dem römischen Altertum bekannt und gelangt von dort nach Germanien. Seit dem 12. Jh. wird die ursprüngliche Freiheit der Errichtung einer M. von einem landesherrlichen Mühlenregal überlagert. Dementsprechend entstehen in der frühen Neuzeit besondere Mühlenordnungen (z. B. Hessen 1615). Die M. genießt eigenen Friedensschutz. Das Gewerbe des Müllers gilt seit dem Spätmittelalter vielfach als unehrlich.
Lit.: Koehne, C., Das Recht der Mühlen, 1904; Koehne, C.,
Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Schulte, E., Das Gewerberecht,
1909; Kisch, G., Das Mühlenregal im Deutschordensgebiete, ZRG GA 48 (1928),
176; Wiemann, H., Beiträge zur Geschichte des Mühlenrechts, ZRG GA 66 (1948),
477; Moldenhauer, R., Mühlen und Mühlenrecht in Mecklenburg, ZRG GA 79 (1962),
195; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969;
Kropač, I., Mühlen und Mühlenrecht in der Steiermark, 1981; Holt, R., The
Mills of Medieval England, 1988; Stürmer, S., Mühlenrecht im Herzogtum
Zweibrücken, 1998; I mulini nell’Europa medievale, hg. v. Galetti, P. u. a.,
2003; Droste, P., Wasserbau und Wassermühlen an der mittleren Rur, 2003;
Langdon, J., Mills in the Medieval Economy, 2004
Mühlhausen (Reichsstadt
in Thüringen) s. Mühlhäuser Reichsrechtsbuch
Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ist das um 1225 (1224-1230 oder nach 1231?) in Mühlhausen im Eichsfeld von einem unbekannten Verfasser in mittelmitteldeutscher Sprache hergestellte, in 3 Handschriften überlieferte Stadtrechtsbuch mit zahlreichen fränkischen Rechtssätzen, das auch Landrecht einbezieht und unterschiedliche Sachgebiete (Delikte, Verfahren, Gewere, Gericht, Schaden) erfasst. Es wird in Nordhausen und teilweise in Eschwege (nach 1344) aufgenommen. Daneben sind seit 1311 Statuten aufgezeichnet und ist 1351 ein Satzungsbuch angelegt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Das Mühlhäuser
Reichsrechtsbuch, hg. v. Meyer, H., 1923, 2. A. 1934, 3. A. 1936, Neudruck
1969; Adenauer, G., Das Ehe- und Familienrecht im Mühlhauser Reichsrechtsbuch,
Diss. jur. Bonn 1963; Günther, G./Korf, W., Mühlhausen, 1986; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lau, T., Bürgerunruhen und
Bürgerprozesse, 1999; Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen,
bearb. v. Weber, W., 2003; Thiele, M., Vae victis. Mühlhausen unter
sowjetischer Besatzungsdiktatur 1945-1953, 2004; Bühner, P., Mühlhausen, Zs. d.
Ver. f. thür. Gesch. 61 (2007), 59ff.
Mülhausen im →
Elsass ist ein 803 erstmals erwähnter Ort, der nach 1221 → Reichsstadt
wird. Seit 1515 ist es zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der →
Schweiz. 1798 schließt es sich Frankreich an.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,454; Oberlé, R./Livet, G., Histoire de Mulhouse, 1977
Mulefe
Lit.: Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291
Mulier taceat in ecclesia (lat.). Die Frau schweige in der Kirche.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Apostel Paulus, †
64 n. Chr., 1. Korinther 14,34)
Müll ist der
trockene Abfall, dessen Beseitigung seit dem 19. Jh. ein allgemeines
Verwaltungsproblem wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Müller-Arnold-Prozess ist
der Prozess des Wassermüllers Christian Arnold im Kreis Züllichau, der 1774
gegen seinen Erbverpächter auf Erlass der Mühlenpacht wegen Schwächung des
Zuflusses durch einen Oberlieger klagt und 1778 die Mühle durch Versteigerung
verliert. Am 11. 12. 1779 bzw. 1. 1. 1780 greift König Friedrich der Große von
Preußen selbst in die Angelegenheit ein, lässt Räte des 1779 tätigen
Justizkollegiums verhaften, verurteilt sechs zu Festung und weist den Müller und
seine Frau wieder in die Mühle ein. Sein Nachfolger entschädigt die Räte,
belässt aber die Mühle dem Müller. Der königliche Machtspruch wird nunmehr als
Missbrauch der Herrschaftsgewalt verstanden. Im 19. Jh. setzt sich die dadurch
beeinträchtigte Unabhängigkeit der Gerichte durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Schmidt, E.,
Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers
Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984
München an der
Isar, dessen Name auf eine Beziehung zu einem bisher nicht sicher bekannten
Kloster (Schäftlarn?) deutet und für das sich keine vorstädtische Besiedlung
sicher nachweisen lässt, erhält 1157/1158 von Herzog Heinrich dem Löwen einen
Markt, wird seit 1255 allmählich Sitz des Herzogtums Oberbayern bzw. Bayern und
erlangt 1840 von Landshut die ursprünglich in Ingolstadt eingerichtete
Universität. Sein Recht wird 1340 von Ludwig dem Bayern bestätigt. Am 29./30.
9. 1938 wird in München zwischen dem Deutschen Reich, Großbritannien, Italien
und Frankreich das Münchener Abkommen geschlossen, das die deutschsprachigen
Sudetengebiete der Tschechoslowakei (28643 qkm, 3,63 Mill. Menschen) dem
Deutschen Reich zuteilt und dadurch die Kriegsgefahr in Mitteleuropa für kurze
Zeit bannt. Im Sommer 1947 gelangt eine gesamtdeutsche Ministerpräsidentenkonferenz
in M. zu keiner Einigung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, 20. Jh.;
Rehme, P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903;
Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs von Bayern, 1911; Denkmäler des Münchner
Stadtrechts, hg. v. Dirr, P., Bd. 1f. 1934ff; Reinecke, G., Münchener
Privatrecht im Mittelalter, 1936; Bärmann, J., Die Verfassungsgeschichte
Münchens im Mittelalter, 1938; Müller-Faßbender, Rolf-Peter, Die Rechtsstellung
der städtischen Amtsträger in München, Diss. jur. München 1960; Das Abkommen
von München, hg. v. Král, V., 1968; Dölker, W., Das Herbergsrecht in der
Münchner Au, 1969; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen,
1969; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München, 1972; Kempter, F., Die
Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt - Landshut -
München, Diss. jur. Mannheim 1976; Rauschhofer, H., Völkerbund und Münchener
Abkommen, 1976; München, hg. v. Prinz, F. u. a., 1988; Maier, L., Stadt und
Herrschaft, 1989; Zerback, R., Stadt und Bürgertum in München, 1997; Bauer, R.,
Geschichte Münchens, 2003; Die Universität München im Dritten Reich, hg. v.
Kraus, E., 2006; Hartmann, P., Münchens Weg in die Gegenwart, 2008; Lidman, S.,
Zum Spektakel und Abscheu, 2008; München, Bayern und das Reich im 12. und 13.
Jahrhundert, hg. v. Seibert, H. u. a., 2008
Mund ist der zum
Essen, Trinken und Sprechen nötige menschliche Körperteil, der in der
Paarformel Mund und Hand für zusprechende Wörter steht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mündel ist der
unter Vormundschaft stehende Mensch.
Lit.: Hübner
Mündelgut ist das
Vermögen des → Mündels. Es wird vom Vormund verwaltet und meist auch
genutzt. Nach einem mittelalterlichen Rechtssprichwort soll M. (während der
Verwaltung) weder wachsen noch schwinden. Über bewegliche Sachen (Fahrnis) darf
der Vormund frei verfügen, über unbewegliche Sachen (Liegenschaften) nur mit
Zustimmung des Mündels oder gar nicht. Bei Erreichung der Mündigkeit kann der
Mündel ein von ihm oder vom Vormund vorgenommenes Geschäft widerrufen. Seit dem
Spätmittelalter wird der Vormund zu einem der Vormundschaftsbehörde verantwortlichen
Vertreter des Mündels, der für und gegen den Mündel rechtsgeschäftlich handeln
kann. Zum Ausgleich dafür wird die behördliche Aufsicht verstärkt.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 62 III 3; Hübner, 729; Kraut, T.,
Die Vormundschaft, Bd. 2 1847; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
mundiburdium →
mundoburdium
Mündigkeit ist der
Zustand der Eigenverantwortlichkeit. Im altrömischen Recht verschafft der
Eintritt der (lat.) pubertas (F.)
(Geschlechtsreife) die volle Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit, bis um
200 v. Chr. eine (lat.) lex (F.) Laetoria die mündigen, noch nicht 25jährigen
gegen Übervorteilung zu schützen beginnt. Die M. wird dabei zunächst bei
Männern von Fall zu Fall beurteilt, von der Schule der Prokulianer aber mit
Vollendung des 14. Lebensjahres anerkannt, bei Frauen schon von Anfang an mit
Vollendung des 12. Lebensjahres angenommen. Dem entspricht wohl im Kern auch
das germanische Recht. Im Frühmittelalter werden als fester Zeitpunkt der M.
die Vollendung des 12. oder 10. oder auch 14. Lebensjahres genannt. Im Laufe
des Mittelalters rückt die Zahl (auf 18, 20, 21, 24 oder) bei Aufnahme des
späteren römischen Rechts (der Minderjährigkeit) auf 25 Lebensjahre hinauf.
Volle Eigenverantwortlichkeit erlangen dabei nur die vaterlosen Waisen. Bei
den übrigen tritt die M. mit Abschichtung (bzw. Eheschließung) ein. Seit dem
Spätmittelalter setzen sich die Altersstufen des römischen Rechts durch.
Zwischen sieben und 25 wird der Mensch im Wesentlichen gleich behandelt.
Deswegen wird die M. vielfach mit der Volljährigkeit gleichgesetzt und danach
von dieser weitgehend verdrängt (anders Ehemündigkeit, Eidesmündigkeit). Das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) unterteilt in unmündige
Minderjährige (7-14) und mündige Minderjährige (14-24), wobei die mündigen
Minderjährigen über durch Fleiß erworbenes Einkommen und nach erreichter
Mündigkeit zum Gebrauch erhaltene Sachen frei verfügen dürfen (§ 151 ABGB).
Lit.: Kaser § 14 II 2, 58 IV 1; Köbler,
DRG 88, 120, 160; Distel, T., Zur Mündigkeit in Sachsen a. L. (1537, 1541), ZRG
GA 16 (1895), 216; Ebersold, G., Mündigkeit, 1980
mundium (lat.-afrk.) → munt
Mündlichkeit ist die durch Sprechen und Hören im Gegensatz zu Schreiben
und Lesen geprägte Kennzeichnung. Deshalb unterliegt das gesamte Recht anfangs
der M. Mit der Erfindung und Verallgemeinerung der Schrift wird die M. aber
zurückgedrängt. Dabei können nach dem Schwinden der Schriftkultur des Altertums
im Frühmittelalter nur wenige Geistliche schreiben. Im 13. Jh. steigt die
Schriftlichkeit sprunghaft an. Erst im 19. Jh. wird demgegenüber der Versuch
unternommen, der M. im Verfahrensrecht bewusst wieder einen festen Platz zu
sichern (z. B. Code de procédure civile 1806, österreichisches Verfahren in
Ehesachen 1819, österreichisches Verfahren in summarischen Sachen 1845,
Hannover 1850, Baden 1864, Württemberg 1868, österreichisches Verfahren in
Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert 1873, Reichszivilprozessordnung
des Deutschen Reichs 1877/1879).
Lit.: Kaser § 80 I 2, 87 I 6; Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 155, 201f.; Scholz, M., Hören und Lesen, 1980
mundoburdium (lat.-afrk. [N.]) Schutzgewalt, Vormundschaft
municipium (lat. [N.]) Stadt
Lit.: Kaser § 17 II 2; Köbler, DRG 32, 36;
Simshäuser, W., Iuridici und Munizipalgerichtsbarkeit in Italien, 1973; Galsterer,
H., Herrschaft und Verwaltung im republikanischen Italien, 1976
Münnerstadt
Lit.: Dinklage, K.,
Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1983
Münster an der Aa wird 793 Ausgangsstelle der Friesenmission des Bischofs Liudger
und entwickelt sich von hier aus seit dem Hochmittelalter zum größten
geistlichen Fürstentum in Deutschland, für das am 3. 10. 1571 eine
Landgerichtsordnung und eine Hofgerichtsordnung verkündet werden. Das vor den
Landgerichten um Münster angewendete Recht ist nur vereinzelt aufgezeichnet. Es
ist überwiegend deutsches, vom sächsischen Recht nur wenig beeinflusstes Recht.
1648 wird in M. ein Friedensvertrag geschlossen, mit dem Spanien und die sieben
vereinigten Niederlande den achtzigjährigen Krieg beenden und Holland, Seeland,
Groningen, Utrecht, Friesland, Gelderland und Overijssel aus dem Heiligen
römischen Reich ausscheiden. 1780 wird in M. eine Universität (bis zur
weitgehenden Schließung zu Gunsten Bonns 1818) eingerichtet. Von 1815 bis 1946
ist M. Hauptstadt der Provinz Westfalen Preußens. 1902 wird wieder eine
juristische Fakultät eröffnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bartmann, J., Das
Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung, 1908;
Meisterernst, B., Die Grundbesitzverhältnisse in der Stadt Münster im
Mittelalter, 1910; Hövel, E., Das Bürgerbuch der Stadt Münster 1538-1660, 1936;
Friemann, H., Die Territorialpolitik des münsterischen Bischofs Ludwig von
Hessen, 1937; Hermann, J., Die Universität Münster, 2. A. 1950; Krogmann, W.,
Zur Überlieferung der Bischofssühne, ZRG GA 76 (1959), 338; Prinz, J.,
Mimigernaford – Münster, 1960; Münsterisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Prinz,
J., 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert,
1961; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum Münster, 1964; Schmitz, H., Die
hochstift-münsterische Regierung von 1574-1803, Westfäl. Zs. 116 (1966), 27;
Koehler, B., Münster, HRG, Bd. 3 1980, 746; Nabrings, A., Strafrecht und
Strafverfolgung, Westfäl. Z. 135 (1985), 9; Walter, A., Die Beamtenschaft in
Münster, 1987; Kirchhoff, K., Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift
Münster, 1988; Klötzer, R., Die Täuferherrschaft von Münster, 1992; Michaelis,
K., Die Universität Münster 1945-1955, 1998; Oer, R. Freiin v., Der
münsterische Erbmännerstreit, 1998; Steveling, L., Juristen in Münster, 1999;
Das Bistum Münster, bearb. v. Kohl, W., 1999f.; Westfälische Jurisprudenz, hg.
v. Großfeld, B. u. a., 2000; Schumacher. S., Das Rechtssystem im Stift Münster
in der frühen Neuzeit, 2004
municipium (lat. [N.]) Stadt (ohne römisches Bürgerrecht bzw. ohne Stellung als
colonia)
Munt (ahd. [F.], zu lat. manus [F.], Hand) ist im Mittelalter die Gewalt eines Menschen über einen anderen Menschen (z. B. Vater über Kind, Vormund über Mündel, Mann über Frau, Herr über Gesinde). Die m. über ein Kind entsteht mit der Aufnahme nach der Geburt und endet mit der Verselbständigung (Abschichtung, Verheiratung). In der Neuzeit wird die m. von der (väterlichen) Gewalt (lat. [F.] potestas) verdrängt.
Lit.: Hübner 615; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88,
160; Köbler, WAS; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1ff. 1835ff.; Köstler, R., Muntwalt
und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Eckhardt, K., Beilager und
Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Molitor, E., Zur
Entwicklung der Munt, ZRG GA 64 (1944), 112; Cortese, E., Per la storia del
mundio in Italia, Rivista Italiana per le scienze giuridiche 91 (1955/1956),
323; Klug, D., Die Munt im Münchner Stadtrecht, Diss. jur. München 1958;
Hlawitschka, E., Eine oberitalienische Muntverkaufsurkunde aus dem Jahre 975 in
der Stiftsbibliothek Sankt Gallen, ZRG GA 76 (1959), 328; Kroeschell, K., Haus
und Herrschaft, 1968
Muntat (F.) ist im
Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) vor allem das Immunitätsgebiet (im
engeren Sinn).
Lit.: Hofmann, K., Die engere Immunität, 1914; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Muntbrief (M.) Schutzurkunde
Muntehe ist im
Mittelalter die → Ehe, bei der die Frau in die → munt des Mannes
fällt. Den Gegensatz bildet die muntfreie Ehe.
Muntschatz (M.) Heiratsgut
Münze ist ein nach
Zusammensetzung und Gewicht genau bestimmtes, in Metall geprägtes Geldstück,
wie es im 1. Jt. v. Chr. (Vorläufer mit einem Punzenbild versehene
Elektronklümpchen 15. Jh. v. Chr. Knossos und Zypern, Münzen 7. Jh. v. Chr.
Westkleinasien, 289 v. Chr. Rom aes grave, As) erscheint. Der Name leitet sich
davon her, dass die Münzprägewerkstatt der Römer sich im Tempel einer
Sondergöttin der etruskischen (lat.) gens (F.) Moneta befindet. In Rom wird das
zuerst gewichtsmäßig gehandelte Rohkupfer im 4. Jh. v. Chr. in feste Größen mit
zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden dabei Münzen von
300 g (1 Pfund, lat. [F.] libra) verwendet. Seit 187 v. Chr. erscheint der
Silberdenar (lat. denarius [M.] argenteus) mit 10 As von 4,55 Gramm Gewicht, seit Caesar
die Goldmünze (lat. [M.] aureus, Konstantin lat. [M.]
solidus). Die Germanen kennen zunächst nur römische Münzen als Kostbarkeiten.
Um die Mitte oder nach der Mitte des 5. Jh.s entstehen auf römische Prägungen
des 4. Jh.s zurückgehende Brakteaten der Völkerwanderungszeit. Das
Frühmittelalter verwendet zwar Pfennig (denarius), Schilling (solidus) und
Pfund als Rechnungseinheit, prägt aber trotz etwa 800 bekannter merowingischer
Münzstätten bald nur noch den königlichen Silberdenar auch wirklich aus (62
Fundstätten frühkarolingischer Prägungen aus mehr als 50 Prägeorten mit
jeweils weniger als 100 Denaren, um 900 ist das rechtsrheinische Gebiet des
ostfränkischen Reiches noch ohne Münzprägung, fast alle ostfränkischen Münzen
von 900 bis 1100 gelangen durch den Fernhandel nach Skandinavien, Polen und
Russland). Das Recht zur Münzprägung wird vom König als → Regal in
Anspruch genommen, das er durch Privileg verleihen kann. Zwischen 1138 und 1254
lassen sich dabei königliche (staufische) Münzstätten in 52 deutschen Orten
nachweisen (Aachen, Altenburg, Andernach?, Annweiler, Bern, Biberach, Boppard,
Breisach, Buchhorn, Colmar, Donauwörth, Dortmund, Duisburg, Eger, Eschwege,
Essen, Frankfurt am Main, Friedberg, Gelnhausen, Goslar, Hagenau, Hammerstein,
Kaiserslautern, Kaiserswerth, Leutkirch, Lindau, Lübeck, Maastricht, Memmingen,
Mühlhausen, Murrhardt, Nimwegen, Nordhausen, Nürnberg, Offenburg, Oppenheim,
Ravensburg, Rottweil, Saalfeld, Schlettstadt, Schongau, Schwäbisch Hall,
Schweinfurt, Sinsheim, Überlingen, Ulm, Wangen, Würzburg, Weißenburg, Wetzlar
bzw. Kalsmunt, Wien und Worms). Im Hochmittelalter geht das Münzprägerecht
tatsächlich auf die Landesherren über. Im 19. Jh. wird das dadurch weitgehend
partikularisierte und auch durch Münzverträge nur ansatzweise vereinheitlichte
Münzwesen auf übereinstimmende Größen umgestellt (Preußen 1821 Taler,
Süddeutschland 1837 Gulden, Deutsches Reich 1871/3 → Mark). Wegen der
andauernden Geldentwertung im 20. Jh. tritt die Münze als Währungseinheit
gegenüber dem Papiergeld zurück. Beide verlieren gegenüber der Forderung gegen
Geldinstitute (elektronisches Geld) an Bedeutung. Als europäische Währung
erscheint zunächst der bzw. die ECU (European Currency Unit) und 1995
rechnerisch bzw. seit 1. 1. 2002 tatsächlich der Euro.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
3, 16, 97, 113, 176; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, Maße,
Gewichte, 1896, Neudruck 1972; Luschin von Ebengreuth, A., Allgemeine Münzkunde
und Geldgeschichte, 2. A. 1926; Friedensburg, F., Münzkunde und Geldgeschichte
der Einzelstaaten, 1926; Jesse, W., Der wendische Münzverein, 1928; Jesse, W.,
Die deutschen Münzer-Hausgenossen, Wiener numismatische Zeitschrift 63 (1930),
47; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Wörterbuch der
Münzkunde, hg. v. Schroetter, F. v. 1932; Troe, H., Münze, Zoll und Markt,
1937; Löning, G., Das Münzrecht im Erzbistum Bremen, 1937; Kamp, N., Moneta
regis, 1957; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Völckers,
H., Karolingische Münzfunde der Frühzeit, 1965 (SB Göttingen); Der Schatzfund
von Corcelles-près-Payerne, vergraben um 1034, 1969 (rund 1000 Münzen); Suhle,
A., Deutsche Münz- und Geldgeschichte, 1970; Kahl, H., Hauptlinien der
deutschen Münzgeschichte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1878, 1972;
Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Grierson, P., Münzen des
Mittelalters, 1976; Göbl, R., Antike Numismatik, 1978; Wadle, E., Münzwesen,
HRG, Bd. 3 1981, 770; Rey, M. van, Einführung in die rheinische Münzgeschichte,
1983; Christmann, T., Das Bemühen von Kaiser und Reich um die Vereinheitlichung
des Münzwesens, 1988; Kluge, B., Deutsche Münzgeschichte, 1991; Grierson, P.,
Coins of Medieval Europe, 1991; Morrison, C., La numismatique, 1992; Howgego,
C., Ancient History from Coins, 1995; Haertle, C., Karolingische Münzfunde,
1997; Wolters, R., Nummi signati, 1999; Derschka, H., Die münzrechtlichen
Bestimmungen des Schwabenspiegels, ZRG GA 120 (2003), 91; Felder, E., Die
Personennamen auf den merowingischen Münzen der Bibliothèque nationale de
France, 2003; Axboe, M., Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit, 2004:
Coinage and Identiy in the Roman Provinces, hg. v. Howgego, C. u. a. 2005;
Repertorio dei ritrovamenti di moneta altomedievale in Italia (489-1002), hg.
v. Arslan, E., 2005 (rund 1000 Funde); Kamp, N., Moneta regis. Königliche
Münzstätten und königliche Münzpolitik in der Stauferzeit, 2006; Berghaus,
P./Mäkeler, H., Münzkabinett der Universität Uppsala, hg. v. Nilsson, H., 2006;
Großer deutscher Münzenkatalog von 1800 bis heute, 25. A. 2009; Weltmünzkatalog
20. & 21. Jahrhundert 1900-2009, 38. A. 2009; DIe deutschen Münzen seit
1871, 21. A. 2009
Münzfälschung ist
die unerlaubte Verwendung fremder Münzbilder und die Prägung unterwertiger
oder untergewichtiger Münzen. Die M. wird im ausgehenden Altertum bestraft, bei
Goldmünzen sogar mit der Todesstrafe. Im Frühmittelalter begegnen als Folgen
Handverlust, Prügel und Brandmarkung, seit dem 13. Jh. Sieden oder Verbrennen.
Bis in das 19. Jh. ist dennoch die M. ein Fall der allgemeinen Fälschung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 274
Münzregal → Münze
Lit.: Volz, P., Königliche Münzhoheit und Münzprivilegien,
1967
Muratori, Lodovico Antonio (Vignola 21. 10. 1672-Modena 23. 1. 1759) wird nach dem Theologiestudium Bibliothekar in
Mailand und 1700 in Modena. Mit zahlreichen kritischen Ausgaben italienischer
Geschichtsquellen begründet er die neuere italienische Geschichtswissenschaft.
Lit.: Carli, F. de, Lodovico Antonio
Muratori, 1955
Murner, Thomas
(Oberehnheim 24. 12. 1475-Heidelberg um 1537) durchzieht als Wandergeistlicher
Mitteleuropa. 1515 hält er in Trier deutsche Rechtsvorlesungen. 1518
veröffentlicht er lateinisch-deutsche (lat.) Utriusque iuris tituli (M.Pl.) et
regulae (F.Pl.) (Beider Rechte Titel und Regeln). 1519 übersetzt er die
Institutionen Justinians ins Frühneuhochdeutsche und erwirbt in Basel das
juristische Lizentiat.
Lit.: Erler, A., Thomas Murner als
Jurist, 1956
Muromcev, Sergej
Andreevic (1850-1910) wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Göttingen (Ihering)
1875 Professor für römisches Recht in Moskau. Im Einsatz für die
Verfassungsbewegung erarbeitet er einen liberalen Entwurf. Er sieht Recht als
Verwirklichung gesellschaftlicher Interessen und erklärt die Rechtswissenschaft
in Russland zu einer das alltägliche Leben bestimmenden Wissenschaft.
Lit.: Leontovich, V., Geschichte des Liberalismus in
Russland, 1957; Zor’kin, V., Muromcev, 1980
Murray, Sir William
(1705-1793), Peerssohn aus Schottland, wird nach dem Studium in Oxford und der
Ausbildung in Lincoln’s Inn 1730 Anwalt, 1742 Kronanwalt, 1754 Justizminister,
1756 Oberrichter (Lord Chief Justice) (1776 Earl of Mansfield). In seiner
richterlichen Tätigkeit stärkt er die Stellung des Richters zu Lasten der Jury,
fördert die Einbeziehung des Handelsrechts in das → common law und
unterstützt die Rechtsfortbildung durch Urteile.
Lit.: Fifoot,
C., Lord Mansfield, 1936; Heward, E., Lord Mansfield, 1979; Oldham, J., The
Murray Manuscript, 1993
Murten
Lit.: Welti, E., Das Stadtrecht von Murten, 1925
Museum
Lit.:
Waidacher, F., Museologie knapp gefasst, 2004; Vieregg, H., Geschichte des
Museums, 2008
Muspilli ist ein althochdeutsches Stabreimgedicht der 2. Hälfte des 9. Jh.s über das Weltende durch Feuer (jüngstes Gericht).
Lit.: Mohr, W./Haug, W., Zweimal Muspilli, 1977; Köbler,
G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986
Musteil (Speisevorrat)
ist im mittelalterlichen Recht ein Vermögensteil, den die Witwe beim Tod des
Mannes teilweise behalten darf.
Lit.: Hübner § 95c
Muster
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986
Musterung ist die
Untersuchung (auf Kriegstauglichkeit) seit dem Spätmittelalter. Eine besondere
Bedeutung erwirbt die M. im Seerecht (Anmusterung, Abmusterung).
Lit.: Helfritz, H., Geschichte der preußischen
Heeresverwaltung, 1938
Mutschierung ist im
Mittelalter (13. Jh.) die Teilung eines Gesamteigentums durch Vertrag (auf
Zeit) im Erbrecht und im Lehnsrecht.
Lit.: Hübner; Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1885, 247; Müller, E., Die Mutschierung von 1513, Jb. f.
RegionalG. 14 (1987), 173
Mutter ist
der weibliche Elter eines Kindes.
Mutterrecht ist die Bezeichnung für eine Familienstruktur, in der das Gut sich in mütterlicher Linie vererbt. Das M. wird als eine Kulturstufe von Johann Jakob → Bachofen behauptet, lässt sich aber nirgends tatsächlich überzeugend nachweisen.
Lit.: Köbler, DRG 15; Bachofen, J., Das Mutterrecht, 1861;
Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Dargun, L., Studien zum ältesten
Familienrecht, 1892; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927),
198; Schmidt, W., Das Mutterrecht, 1955; Bachofen, J., Das Mutterrecht. Eine
Auswahl, hg. v. Heinrichs, H., 3. A. 1980
Mutterschutz ist
der Schutz der arbeitstätigen Mutter in der Zeit vor und nach der Geburt. Der
M. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (in der Schweiz in Anlehnung an eine
Regelung im Fabrikgesetz von Glarus von 1864 im Jahre 1877 Beschäftigungsverbot
je acht Wochen vor und nach der Geburt eines Kindes, 1920 sechswöchiges
Krankengeld, im Deutschen Reich in Gewerbeordnungsnovelle 1878 dreiwöchiges
Beschäftigungsverbot nach Geburt, 1882/1885 für Fabrikarbeiterinnen
dreiwöchige Wöchnerinnenunterstützung, 1927). In der Schweiz wird zum 1. 7.
2005 eine obligatorische Mutterschaftsversicherung eingeführt.
Lit.: Frank, L., L’assurance maternelle, 1897; Schmitz, E.,
Mutterschutz und Mutterpflichten, Diss. jur. Köln 1992; Hauser, K., Die Anfänge
der Mutterschaftsversicherung, 2004
Mutterstadt ist im
Mittelalter eine Stadt, deren Recht auf eine andere Stadt übertragen wird und
die deshalb für Auskünfte in Rechtsstreitigkeiten der Tochterstadt wieder
befragt wird (z. B. Freiburg im Breisgau, Nürnberg, Frankfurt am Main, Soest,
Lübeck, Magdeburg).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Dusil, S., Die Soester
Stadtrechtsfamilie, 2007
Mutung ist
allgemein das Begehren, insbesondere im Mittelalter das Begehren auf Erneuerung
des Lehens, das Gesuch um Zulassung als Meister und im Bergrecht der Antrag auf
Verleihung des Bergwerkeigentums in einem bestimmten Fall (bis 1980).
Lit.: Heusler, A., Institutionen des Deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1885, 243, Bd. 2 1886, 169; Wissel, R./Hahm, K., Des alten
Handwerks Recht und Gewohnheit, 2. A. 1981
Mutuum (lat. [N.]) ist bereits im altrömischen Recht das formfreie Haftungsgeschäft
des (auf Tausch gegebenen) → Darlehens. Es ist Realvertrag und entsteht
mit der Hingabe einer vertretbaren Sache in das Eigentum mit der Verpflichtung
zur Rückgabe einer gleichen Menge. Zinsen müssen meist besonders vereinbart
werden.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner §§ 9, 16, 18; Köbler, DRG 27,
45, 63; Köbler, LAW
Muwatta ([M.] arab.
geebneter Pfad) ist das älteste erhaltene, von Malik ibn Anas (8. Jh.) auf der
Grundlage des → Korans und des Gewohnheitsrechtes in Medina geschaffene
Rechtsbuch des → Islam.
Lit.: Schacht, J., Malik b. Anas, (in) Enzyklopädie des
Islam, 2. A. Bd. 1f. 1960ff., 6, 262
Mynsinger von Frundeck, Joachim (Stuttgart 13. 8. 1514-Großalsleben 3. 5. 1588),
Adliger, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Padua und Freiburg (Zasius)
1536 bzw. 1543 Professor in Freiburg im Breisgau, 1548 Assessor am Reichskammergericht
und 1556 Kanzler in Braunschweig-Wolfenbüttel (1576 Gründung der Universität
Helmstedt). 1563 veröffentlicht er als erster unsystematisch bei Gericht
angelegte kurze Notizen zu Entscheidungen des Reichskammergerichts ([lat.]
Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.]
quattuor, Vierhundert einzelne Beobachtungen des Reichskammergerichts).
Lit.: Köbler, DRG 144; Schreiber, H., Joachim Mynsinger,
1834; Schumann, S., Joachim Mynsinger, 1983; Zippelius, K., Ein Juristenleben
im 16. Jahrhundert, (in) Mélanges Sturm, F., 1999, 959
N
Nabatäer ist der Angehörige eines vom 4.
Jh. v. Chr. bis 106 n. Chr. das Gebiet zwischen Damaskus und Arabien beherrschenden
Volkes.
Lit.: Hackl, U. u. a.,
Quellen zur Geschichte der Nabatäer, 2003
Nabburg
Lit.: Müller-Luckner, E., Nabburg, 1981
Nachbar ist der unmittelbar neben einem Menschen wohnende oder begüterte Mensch. Schon im römischen Recht entwickelt sich aus der Nachbarschaft ein → Nachbarrecht. Im Mittelalter haben Nachbarn verschiedentlich ein → Näherrecht (Nachbarlosung). Im Übrigen kommen Nachbarn häufig als Zeugen in Betracht.
Lit.:Kroeschell, DRG 1; Kramer, K., Die
Nachbarschaft, 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Bauer, hg. v. Wenskus, R. u. a.,
1975, 230; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Hildebrandt,
F., Die Nachbarschaften in Angeln vom 17. bis 19. Jahrhundert, 1985; In Europas
Mitte, hg. v. Duchhardt, H., 1988; Sutter, P., Von guten und bösen Nachbarn,
2002
Nachbarrecht ist
die Gesamtheit der für die Eigentümer von benachbarten Grundstücken im
Verhältnis zueinander geltenden, aus Gewohnheitsrecht oder Gesetz stammenden
Rechtssätze. Sie betreffen bereits im römischen Recht den Überhang von
Zweigen, den Überfall von Früchten, den Notweg, das Eindringen von Rauch,
Wasser usw., die Ausbuchtung einer Mauer, die Einsturzgefahr von Gebäuden, die
Untersagung von Bauführung und die Feststellung der Grenze. Im nachklassischen
römischen Recht wird des öfteren wegen der vertraglichen Vereinbarkeit der
meisten Verpflichtungen fälschlich von Legalservituten gesprochen. Teils auf
einheimischer, teils auf aus dem römischen Recht übernommener Grundlage
findet das N. teils Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches
(1900), bleibt aber zum anderen Teil Landesrecht.
Lit.: Kaser § 23 III; Hübner 280; Köbler, DRG 40; Hitz, J.,
Das Nachbarrecht des Kantons Graubünden, Diss. jur. Bern 1912; Ogorek, R.,
Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Carlen,
L., Bäuerliches Nachbarrecht in Schweizer Städten, FS G. Schmelzeisen, 1980;
Dehner, W., Nachbarrecht im Bundesgebiet, 7. A. 1991; Schmidt, B., Pflugwende
und Anwenderecht im Westfälischen, 1989; Uwer, D., Zur Entwicklungsgeschichte,
Jb. d. Umwelt- und Technikrechts, 1997, 303
Nacherbe ist der in
der Weise eingesetzte Erbe, dass dieser erst zu einem bestimmten späteren
Zeitpunkt (Nacherbfall) Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe)
geworden ist. Im römischen Recht schließt der Rechtssatz (lat.) semel heres
semper heres (einmal Erbe, immer Erbe) ein Hintereinander mehrerer
Testamentserben und damit Nacherben aus. Einen Ausweg eröffnet das
Erbschaftsfideikommiss, bei dem Erbe zwar der erste Nachfolger des Erblassers
wird, diesem aber auferlegt werden kann, die Erbschaft ganz oder teilweise als
Fideikommiss einem weiteren Nachfolger herauszugeben. Im Mittelalter ist seit
dem ausgehenden 13. Jh. die Einsetzung eines Nacherben zulässig. Die Gestaltung
behauptet sich gegen das aufgenommene römische Recht.
Lit.:Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Söllner §
11; Köbler, DRG 9; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg,
Diss. jur. Gießen 1987; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 613,
629; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur
Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG 120
(2003), 235
Nachklassik des römischen Rechts (3.-4. Jh. n. Chr.)
Nachlass ist das Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls. Im römischen Recht ist der N. (lat. [F.] hereditas, einschließlich der Verbindlichkeiten, aber ohne ususfructus, fructus, patria potestas, manus, Vormundschaft oder Patronat) eine Einheit (unkörperliche res, universitas), im mittelalterlichen Recht eine Mehrheit von Sondervermögen (z. B. Gerade, Heergewäte). Verschiedentlich wird der N. zwischen Erbfall und davon getrenntem Erbschaftserwerb als juristische Person angesehen (lat. hereditas [F.] iacens, ruhende Erbschaft).
Lit.: Kaser §§ 65 I 2, 66 VI, 72 I; Hübner; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 21; Repertorium der
handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz, hg.
v. Schmutz-Pfister, A., 1967; Mannheims, H./Roth, K., Nachlassverzeichnisse,
internationale Bibliographie, 1984; Krenz, U., Modell der Nachlassteilung, 1994
Nachlassverkauf ist im römischen Recht die Versteigerung des
erbenlosen (überschuldeten) Nachlasses zu Gunsten der Gläubiger, die
entsprechend der Höhe ihrer Forderung anteilmäßig am Erlös beteilgt werden
(lat. [F.] bonorum venditio).
Lit.:
Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, 2001
Nachrezeption ist die im 19. Jh. erfolgende Aufnahme des römischen Rechts durch vertiefte Befassung mit den römischen Rechtsquellen (Pandektistik).
Lit.: Köbler, DRG 205
Nachrichter ist
eine Bezeichnung für den → Henker.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Nachtwächter
Lit.: Sommer, P., Hört
ihr Herrn und lasst euch sagen, 1968
Nachzensur ist die nachträgliche
Zensur.
Nachzettel ist in der frühen Neuzeit die ein Testament ergänzende formlose Schrift. Die Möglichkeit des Nachzettels wird im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und in der Rechtsprechung des 19. Jh.s eingeschränkt.
Nacktheit
Lit.: Duerr, H.,
Nacktheit und Scham, 1988; Cordier, P., Nuditès romaines, 2005
Näherrecht oder Retraktrecht ist das Anrecht bestimmter nahestehender Personen auf ein Gut für den Fall der Vererbung oder Veräußerung. Berechtigt können Verwandte, Nachbarn, Herren und andere sein. Das N. kann an die Zahlung eines Geldausgleichs gebunden sein. Schon seit dem Hochmittelalter wird das N. zugunsten der Freiheit des Eigentümers zurückgedrängt. Seit dem 18. Jh. wird es verstärkt bekämpft und im 19. Jh. im Wesentlichen beseitigt. Vereinbart werden kann aber ein Vorkaufsrecht.
Lit.: Hübner 422; Köbler, DRG 124, 163, 211; Gierke, O.,
Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1905, 766; Wesener, G., Vorkaufs- und
Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, (in) Gedächtnisschrift R. Schmidt,
1966, 535; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, in : Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52
Name ist die
Bezeichnung einer einzelnen Person oder eines einzelnen Gegenstandes (für Orte →
Ortsname) zum Zweck der Heraushebung aus einer Gattung bzw. der Unterscheidung
von anderen Personen und Gegenständen. Die Vergabe von Namen steht vermutlich
am Beginn der menschlichen Sprachentwicklung. Während anfangs meist ein
einziges Wort als Name genügt, wird bereits im römischen Altertum der Mensch
häufig durch mehrere Namensbestandteile individuell gekennzeichnet (lat.
praenomen [N.], nomen gentile, cognomen z. B. Gaius Iulius Caesar, in
Spätantike aber wieder Tendenz zur Einnamigkeit). Bei den römischen Senatoren
des spätantiken Gallien tragen von 411 Personen 5 bzw. 8 germanische Namen. Im
deutschen Mittelalter wird zwecks erforderlich werdender Unterscheidung nach
ersten Anfängen in Venedig (9. Jh.), Norditalien und Südfrankreich (10. Jh.)
für den Adel im 10. Jh. bzw. seit dem 12. Jh. (z. B. Zürich 1150/1170,
Frankfurt am Main Anfang 13. Jh., Esslingen 13. Jh., - in Wien seit 1288 kein
Rufname mehr ohne Beiname -, Friesland 19. Jh.) in etwa vom Süden und Westen
nach Norden und Osten fortschreitend dem Namen (Vornamen) allmählich allgemein
ein Zuname (Familienname) beigefügt, was andernorts erst viel später geschieht
(Japan 1875, Bulgarien 1878, Türkei 1934). Frauen erlangen mit der Heirat den
Familiennamen des Mannes, Kinder mit der Geburt den Familiennamen des Vaters
bzw. bei unehelicher Geburt der Mutter. Durch Verordnungen seit dem 17. Jh.
wird bis zum Ende der frühen Neuzeit die ursprüngliche Freiheit der
Namensänderung beseitigt (Österreich 1776). Seit 14. 6. 1976 kann in der
Bundesrepublik Deutschland auch der Name der Frau Familienname sein, seit 1995
ist kein gemeinsamer Familienname mehr nötig (1995 auch in Österreich). Im Einzelnen
ist ein detailliertes Namensrecht entwickelt. Danach bestimmen grundsätzlich
die Eltern den oder die Vornamen (und den Familiennamen) eines Kindes.
Häufigster der mehr als 150000 verschiedenen deutschen Familiennamen der
Gegenwart ist Müller (ca. 10%), häufigster Familienname der Welt der
chinesische Name Chang (Zhang) oder Wang.
Lit: Köbler, DRG 120, 160, 267; Levi, S. Vorname und
Familienname, Diss. jur. Gießen 1888; Schulze, W., Zur Geschichte lateinischer
Eigennamen, 1904; Volckmann, E., Rechtsaltertümer in Straßennamen, 1920;
Brechenmacher, J., Etymologisches Wörterbuch der deutschen Familiennamen,
1957ff.; Schönfeld, W., Wörterbuch der altgermanischen Personen- und
Völkernamen, 1911, 2. A. 1965; Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im
frühmittelalterlichen Deutschland, 1961; Berger, F./Etter, O., Die
Familiennamen der Reichsstadt Esslingen, 1961; Klippel, D., Der zivilrechtliche
Schutz des Namens, 1985; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscherfamilien des
mittelalterlichen Europa, 1985; Internationales Handbuch der Vornamen, 1986;
Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen, 1987; Hanks, P./Hodges, F., A
Dictionary of Surnames, 1988; Seibicke, W., Historisches deutsches
Vornamenbuch, 1996ff.; Namenforschung, hg. v. Eichler, E. u. a., 1996; Nomen et
gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im
deutschen und ausländischen Recht, 1997; Berger, E., Name und Recht, ZRG GA 117
(2000), 564; Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde, 4. A. 2003; Personennamen des Mittelalters,
hg. v. Fabian, C., 2. A. 2000 (13000 Namensformen); Berger, E., Erwerb und
Änderung des Familiennamens, 2001; Wagner-Kern, M., Staat und Namensänderung,
2002; Person und Name, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2002; Glasner, P., Die
Lesbarkeit der Stadt, 2002; Dictionnaire historique de l’anthroponymie romane,
hg. v. Cano González, A., u. a., Bd. 1ff. 2003ff.; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe,
Namengebung und Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004),
100; Deutsches Namenslexikon, 2004; Lochner von Hüttenbach, F.,
Frühmittelalterliche Namen in der Steiermark, 2004; Name und Gesellschaft im
Frühmittelalter, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2006; Namen, hg. v. Krampl, u. u.
a., 2009; Onimastica Slavogermanica 25, hg. v. Eichler, E., 2008
Namensehe ist die nur zwecks Erlangung eines Namens
geschlossene Ehe (Scheinehe).
Namur
Lit.: Roland, J., Le
comté et la province de Namur, 1959
Nancy in Frankreich ist seit 947 bezeugt. Es erhält 1265 Stadtrecht. 1766 gelangt es mit Lothringen zu Frankreich. 1768 wird es Sitz einer Universität, 1777 Sitz eines Bischofs.
Lit.: Fray, J., Nancy-le-Duc, 1986
Napoleon Bonaparte (Ajaccio 15. 8. 1769-Longwood/Sankt Helena
5. 5. 1821), niederadliger Juristensohn,
wird nach Offiziersausbildung und militärischen Erfolgen 1796 mit 27 Jahren
Oberbefehlshaber der Armee Frankreichs in Italien. 1799 wird er unter Sturz
der Direktorialregierung erster Konsul, am 18. 5. 1804 erblicher Kaiser der
Franzosen. Binnen weniger Jahre (1804-1810) lässt er das Recht Frankreichs in
fünf modernen Codes (Gesetzbüchern) erfassen und gestaltet die europäische
Staatenwelt nach seinen Vorstellungen um, wobei er sich insgesamt 880 Tage im
deutschen Sprachraum und 753 Tage im italienischen Gebiet aufhält. 1813 bei
Leipzig und 1815 bei Waterloo wird er von Russland, Österreich und Preußen
bzw. England und Preußen geschlagen. Er stirbt nach Abdankung in der Verbannung
auf Sankt Helena.
Lit.: Köbler, DRG 132, 141, 169; Dunan, M., Napoléon et
l’Allemagne, 1942; Andreas, W., Das Zeitalter Napoleons, 1956; Andreas, W.,
Napoleon, 1962; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoleon
in den Rheinbundstaaten, 1973; Ludwig, E., Napoleon, 1977; Die Erhebung gegen
Napoleon 1806-1814/15, hg. v. Spies, H., 1981; Theewen, E., Napoléons Anteil am
Code civil, 1991; Dufraisse, R., Napoleon, 1994; Napoleonische Herrschaft in
Deutschland und Italien, hg. v. Dipper, C. u. a., 1995; Kern, B., Die
französische Gesetzgebung unter Napoleon, JuS 1997, 11; Kleßmann, E., Napoleon,
2000; Willms, J., Napoleon, 2000; Lefebvre, G., Napoleon, 2003; Pelzer, E.,
Napoleon Bonaparte, 2003; Bonaparte, la Suisse et l’Europe, hg. v. Dufour, A.,
2003; Ullrich, V., Napoleon, 2004; Willms, J., Napoleon, 2005; Hecker, M.,
Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Beßlich, B., Der
deutsche Napoleon-Mythos, 2006; Napoleon. Trikolore und Kaiseradler über Rhein
und Weser, hg. v. Veltzke, V., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen,
hg. v. Hedwig, A. u. a. 2008
Nasciturus (lat.
[M.] Geborenwerdender) ist die menschliche → Leibesfrucht im Mutterleib.
Der n. ist in gewisser Weise vom Recht geschützt, wenn er später tatsächlich
lebend geboren wird. Er hat ein Erbrecht und gegebenenfalls
Schadensersatzansprüche (z. B. gegen Arzneihersteller).
Lit.: Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA 31 (1910), 131;
Koch, E., Der nasciturus als Rechtsgut, (in) Cupido legum, hg. v. Burgmann, L.
u. a., 1985, 87
Nasciturus pro iam nato
habetur
(lat.). Das erst noch geboren werdende
(gezeugte) Kind wird als schon geboren behandelt (Fiktion).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 50, 16, 231)
Nassau ist eine im
12. Jh. an der unteren Lahn erscheinende Familie, die von 1292 bis 1298 den
deutschen König stellt und 1815 das Königtum in den Niederlanden erlangt. Ihr
seit dem 12. Jh. an der Lahn enstehendes Herrschaftsgebiet wird als 1814 mit
einer Verfassung versehenes Herzogtum (1806) 1866 von Preußen annektiert und
geht 1945 in Hessen auf.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Meister, R.,
Nassau und die Reichsritterschaft vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum
Wiener Kongress, 1923; Marner, W., Die Verfassung des Herzogtums Nassau von
1814, 1953; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 3,3,2878; Münzing, H., Die Mediatisierung
der ehemaligen reichsunmittelbaren Standesherren und Reichsritter im Herzogtum
Nassau, Diss. jur. Mainz 1980; Herzogtum Nassau 1806-1866, Ausstellungskatalog
(Neudruck) 1981; Renkhoff, O., Nassauische Biographie 1985, 2. A. 1992 (4946
Menschen); Nassau und Oranien, hg. v. Tamse, C., 1985; Gensicke, E.,
Landesgeschichte des Westerwaldes, 2. A. 1987; Zimmermann, R., Die Bemühungen
um eine Privatrechtskodifikation im Herzogtum Nassau 1806-1866, 1988; Vater,
A., Hexenverfolgungen in nassauischen Grafschaften, Diss. jur. Marburg 1988;
175 Jahre nassauische Verfassung, red. Friedrich, B., 1989; Faber, R., Die
Bemühungen im Herzogtum Nassau um die Einführung von Mündlichkeit und
Öffentlichkeit im Zivilprozessverfahren 1806-1866, 1990; Jäger, W.,
Staatsbildung und Reformpolitik, 1993; Schüler, W., Die nassauische Verfassung
vom 1./2. September 1814, (in) Hessen, 1997, 59; Nassauische Parlamentarier,
hg. v. Rösner, C., 1997; Regierungsakten der Herzogtums Nassau 1803-1814,
bearb. v. Ziegler, 2001; Schüler, W., Das Herzogtum Nassau 1806-1866, 2006;
Menk, G., Das Haus Nassau-Oranien in der Neuzeit, 2009
nasteid (ahd. [M.])
Eid der frühmittelalterlichen Alemannen auf den Zopf
natio (lat. [F.])
Geburt, Geschlecht, Landsmannschaft, Volk
Lit.: Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat,
1955; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, 1978; Eichenberger, T.,
Patria, 1991
Nation ist die
durch die Einheit von Sprache und Kultur bzw. durch die Gleichheit der
politischen Entwicklung zusammengeschlossene Gesamtheit von Menschen.
Bedeutsam wird die Nation vor allem im 19. Jh.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Das
Staatsrecht des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W.,
1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Hugelmann,
G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Plessner, H., Die verspätete
Nation, 4. A. 1966; Schröcker, A., Die deutsche Nation, 1974; Aspekte der
Nationenbildung im Mittelalter, hg. v. Beumann, H. u. a., 1978; Landwehr, G.,
„Nation“ und „Deutsche Nation“, FS W. Reimers, 1979, 1; Brinkmüller, E., Nation
Österreich, 1984; Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im
Mittelalter, hg. v. Ehlers, J., 1989; Region, Nation, Europa, hg. v. Lottes,
G., 1992; Nation, Nationalismus, Postnation, hg. v. Klueting, H., 1992; Dann,
O., Nation und Nationalismus, 1993, 3. A. 1996; Die deutsche Nation, hg. v.
Dann, O., 1995; Nationenbildung, hg. v. Münkler, H., 1997; Pollmann, K., Nation
und Nationalstaat, 1998; Blitz, H., Aus Liebe zum Vaterland, 2000;
Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000; Behrndt, K., Die
Nationskonzeptionen, 2003; Müller, S., Die Nation als Waffe und Vorstellung, 2003; Schulze, H., Staat und Nation in der
europäischen Geschichte, 2004; Wrede, M., Der Kaiser, das Reich, die deutsche
Nation HZ 280 (2005), 83; Kinze, R., Nation und Nationalismus, 2005; Helmchen,
A., Die Entstehung der Nationen im Europa der frühen Neuzeit, 2005; Hroch, M.,
Das Europa der Nationen, 2005
Nationalgesetzbuch ist
das die Rechtsordnung einer → Nation vereinheitlichende →
Gesetzbuch. Am Beginn des 19. Jh.s findet im deutschen Sprachraum ein Streit um
ein N. statt (→ Kodifikationsstreit). Das N. löst sowohl das partikulare
Recht wie auch das subsidiäre gemeine Recht ab.
Lit.: Wieacker, F., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die
Nationalgesetzbücher, (in) Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974,
55; Dölemeyer, B., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher,
(in) Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 79
Nationalismus ist
das in der Mitte des 18. Jh.s vom Gedankengut der studentischen
Landsmannschaften und der Romantik ausgehende Denken in → Nationen. Es führt
in Europa im 19. Jh. zu nationalen, im Kulturellen beginnenden und danach
politisierten Gegensätzen. Diese entladen sich im ersten Weltkrieg und im
zweiten Weltkrieg.
Lit.: Il nazionalismo in Italia e in Germania fino alla
prima guerra mondiale, hg. v. Lill, R. u. a. 1983; Dann, O., Nation und
Nationalismus, 1993, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Echternkamp, J., Der Aufstieg des
deutschen Nationalismus (1770-1840), 1998; Weißmann, K., Der nationale
Sozialismus, 1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna.
Territoriale Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v.
Bellaberba, M. u. a., 2000; Nationalismus und Nationalbewegung in Europa
1914-1945, hg. v. Timmermann, H., 1999; Langewiesche, D., Nation,
Nationalismus, Nationalstaat, 2000; Gramley, H., Propheten des deutschen
Nationalismus, 2001; Hirschhausen, U. v./Leonhard, J., Nationalismen in Europa,
2001; Wehler, H., Nationalismus, 2001; Kohfink, M., Für Freiheit und Vaterland,
2002; Müller, S., Die Nation als Waffe und Vorstellung, 2003; Kunze, R., Nation
und Nationalismus, 2005; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus, 2005;
Weichlein, S., Nationalbewegung und Nationalismus in Europa, 2006
Nationalität ist
die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Volk bzw. einer Nation.
Nationalitätenstaat, N., Vielvölkerstaat (z. B. Österreich-Ungarn mit elf verschiedenen Nationalitäten und entsprechendem Nationalitätenproblem ohne wirklich gelungene überzeugende ganzheitliche Lösung, vgl. Ausgleich, kroatischer Ausgleich, mährischer Ausgleich, Wahlrechtsreformen)
Lit.: Das Nationalitätenrecht des alten Österreich, hg. v.
Hugelmann, K., 1934; Kann, R., Das Nationalitätenproblem der
Habsburgermonarchie, 2. A. 1964; Stourzh, G., Die Gleichberechtigung der
Nationalitäten in Verfassung und Verwaltung, 1985
Nationalkirche ist
die das Nationale betonende christliche Kirche. In der frühen Neuzeit versteht
sich die Kirche in Frankreich und in England in unterschiedlich starkem Ausmaß
als Nationalkirche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, hg. v. Fuchs, W., 1966
nationalliberal (national
und liberal)
Nationalökonomie (F.) Volkswirtschaft
Lit.:
Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Hansel, R.,
Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006
Nationalrat ist
eine Bezeichnung für eine Volksvertretung (z. B. Österreich 1920, Vorläufer der
mit Patent vom 5. 3. 1860 geschaffene, vom 31. 5. 1861-27. 9. 1861
zusammentretende verstärkte Reichsrat, vgl. Art. 24 B-VG, Gesetzgebung zusammen
mit dem Bundesrat, der ein Einspruchsrecht hat).
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher
nationalsozial (national
und sozial), 1896 als Bezeichnung einer von Friedrich Naumann begründeten
Arbeiterpartei auf christlicher Grundlage und monarchischem, nationalem Boden
verwendet, wobei sich die Entstehung der nationalistischen deutschen
Arbeiterbewegung aus der Verwendung billiger tschechischer Arbeitskräfte im
ursprünglich rein deutsch besiedelten Industriegebiet Nordböhmens erklären
lässt
Nationalsozialismus ist
eine vielleicht schon in der fortschrittlichen Ordnung der französischen
Revolution von 1789 angelegte, im frühen 20. Jh. (in Böhmen 1903 und) in
Deutschland auf der Grundlage von Nationalismus und Sozialismus entstandene,
unter Adolf → Hitler von 1933 bis 1945 in → Deutschland die Macht
ausübende politische Bewegung (1929 absolute Mehrheit in Coburg). Der N. weist
keine eigentliche rechtstheoretische Grundhaltung auf. Er geht lediglich von
der Vorstellung aus, dass er die richtige Weltanschauung sei, die mit allen
Mitteln, und deshalb auch mit dem Mittel des Rechts, verwirklicht werden müsse.
Das an vorgegebenen konkreten Lebensordnungen des völkischen
Gemeinschaftswillens auszurichtende Recht ist ihm nur ein bedeutsames und
wirksames, durchaus an manchen Stellen auch ältere Reformvorstellungen
fortführendes und insofern modernisierendes Kampfinstrument zur Durchsetzung
der vom Führer ohne Kontrolle aus seinem Charisma heraus geschaffenen
Weltanschauung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Da der Positivismus des
ausgehenden 19. Jh.s alle außerjuristischen Gehalte ausgesondert hat, sind die
während seiner Vorherrschaft entstandenen Gesetze dem N. nicht abträglich. Er
braucht lediglich die bestimmten, ursprünglich als selbstverständlich
mitgedachten Voraussetzungen, dass der Staat sittlichen Prinzipien folgt und
die Macht nicht rechtswidrig anwendet, aufzugeben und die ausgeschiedenen
außerjuristischen Inhalte durch sein Gedankengut zu ersetzen. Das Gesetz kann
bei dieser Auslegung formal völlig unverändert bleiben. Im äußersten Fall gerät
es, weil es „dem gesunden Volksempfinden ins Gesicht schlägt“, außer Anwendung.
Bemerkenswert ist dabei, dass insbesondere Fachvertreter des öffentlichen
Rechts und der deutschen Rechtsgeschichte an den Universitäten
Schlüsselbegriffe der nationalsozialistischen Weltanschauung übernehmen und
geschichtlich zu belegen versuchen. Soweit auf Grund des N. strafgerichtliche
Verurteilungen aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen
Gründen unter Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit (Unrechtsurteile)
ergangen sind, sind diese durch das Gesetz zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. 8.
1998 aufgehoben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221, 226, 228, 248;
Jung, R., Der nationale Sozialismus, 1919; Neurohr, R., Der Mythos vom Dritten
Reich, 1957; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Brodersen,
C., Gesetze des NS-Staates, 1968; Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 1ff. 1968ff.;
Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970;
Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Schulz, Der Aufstieg des
Nationalsozialismus, 1975; Bayern in der NS-Zeit, hg. v. Institut für
Zeitgeschichte, Bd. 1ff. 1977ff.; NS-Verbrechen vor Gericht, hg. v. Moritz, K.,
1978; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Mosse, G., Ein Volk, ein
Reich, ein Führer, 1979; Hüttenberger P., Bibliographie zum Nationalsozialismus,
1980; Wassermann, R., Justiz und Nationalsozialismus, 1983; Recht,
Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner, H., 1983;
Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus, hg. v. Hirsch, M. u. a.,
2. unv. A. 1997; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P.,
1985; Jasper, G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Rüping, H.,
Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985; Schmuhl, H., Rassenhygiene,
Nationalsozialismus und Euthanasie, 1987; Gribbohm, G., Nationalsozialismus und
Strafrechtspraxis, NJW 1988, 2842; Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus,
hg. v. Stolleis, M./Simon, D., 1989; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung,
1968, 6. A. 2005; M. d. R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in
der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Schumacher, M., 1991; Für Führer,
Volk und Vaterland. Hamburger Justiz im Nationalsozialismus, hg. v. d.
Justizbehörde Hamburg, 1992; Stübig, R., Höxters Weg in den
Nationalsozialismus, 1992; Rechtsgeschichte im Nationalsozialiamus, hg. v. Säcker,
F., 1992; Nationalsozialismus und Modernisierung, hg. v. Prinz, M. u. a., 2.
A. 1994; Frassek, R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das
juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564;
Fischer, C., The Rise of the Nazis, 1995; Die deutsche Rechtsgeschichte in der
Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Rückert, J./Willoweit, D., 1995; Die
braune Elite, hg. v. Smelser, R. u. a., Bd. 1 4. A. 1999, Bd. 2 2. A. 1999;
Münchner rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H.
u. a., 1996; Hehl, U. v., Nationalsozialistische Herrschaft, 1996;
Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der NS-Diktatur bis zum Ausbruch des 2.
Weltkrieges, 1996; Wilhelm, F., Die Polizei im NS-Staat, 1997; Friedländer, H.,
Der Weg zum NS-Genozid, 1997; Ämter, Abkürzungen, Aktionen des NS-Staates,
bearb. v. Boberach, H. u. a., 1997; Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 2. A.
1997; Rees, L., Die Nazis, 1997; Nation und Nationalsozialismus in
wissenschaftlichen Standardwerken Österreich-Ungarns, hg. v. Kiss, E., 1997;
Die westdeutschen Strafverfahren wegen nationalsozialistischer
Tötungsverbrechen 1945-1997, hg. v. Rüter, C./Mildt, D. de, 1998;
Nationalsozialistische Vernichtungspolitik, hg. v. Herbert, U., 1998;
Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Bd. 1ff 1998ff.; Eck, C., Die
Wiedergutmachung zwischen 1945 und 1989, 1997; Wessel, M., NS-Justizverbrechen
und Nachkriegsrechtsprechung, 1998; Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände
im NS-Staat, 1998; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998; Reiter, R.,
30 Jahre Justiz und NS-Verbrechen, 1998; Recht und Nationalsozialismus, hg. v.
Düwell, F. u. a., 1998; Meyer-Seitz, C., Die Verfolgung von NS-Straftaten in
der sowjetischen Besatzungszone, 1998; Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, hg.
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nationalsozialistische Willensstrafrecht, 2000; Wiggershaus-Müller, U.,
Nationalsozialismus und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2000; Süß-Hoffmann, E.,
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Ehrenschutz in der NS-Zeit, 2000;; Schröder, F., Die anwaltliche Tätigkeit
während der nationalsozialistischen Herrschaft, 2001; Mink, A.,
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Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft – Berliner Anwälte
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rechtspolitische Umgang mit den NS-Gewaltverbrechen in den sechziger Jahren,
2001; Rüthers, B., Geschönte Geschichten, 2001; Meusch, M., Von der Diktatur
zur Demokratie, 2001; Appel, S., Reisen im Nationalsozialismus, 2001;
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der Nationalsozialisten 1933-1939, 2002; Shuk, A., Das nationalsozialistische
Weltbild in der Bildungsarbeit von Hitlerjugend und Bund deutscher Mädel, 2002;
Essner, C., Die Nürnberger Gesetze, 2002; Weinke, A., Die Verfolgung von
NS-Tätern, 2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Wagner,
P., Hitlers Kriminalisten, 2002; Vieregge, B., Die Gerichtsbarkeit einer Elite,
2002; Sachsen in der NS-Zeit, hg. v. Vollnhals, C., 2002; Moritz, D., Grüß Gott
und Heil Hitler!, 2002; Wildt, M., Generation des Unbedingten, 2002; Overy, R.,
Verhöre, 2002; Schröder, I., Zur Legitimationsfunktion der Rechtsphilosophie
im Nationalsozialismus, 2002; Majer, D., Nationalsozialismus im Lichte der
juristischen Zeitgeschichte, 2002; Gelhaus, D./Hülter, J., Die Ausleseschulen
als Grundpfeiler des NS-Regimes, 2003; Süß, W., Der Volkskörper im Krieg, 2003;
Volkmann, H., Ökonomie und Expansion, 2003; Prollius, M., Das Wirtschaftssystem
der Nationalsozialisten 1933-1939, 2003; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung
des Nationalsozialismus, 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie,
2003; Justiz und Nationalsozialismus, hg. v. Pauli, G., 2003; Die
NS-Strafjustiz und ihre Nachwirkungen, hg. v. Ostendorf, H., 2003; Schröder,
A., Vom Nationalismus zum Nationalsozialismus, 2003; Englert, T., Deutsche und
italienische Zivilrechtsgesetzgebung 1933-1945, 2003; Schauer, R., Die
Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Tarnung – Leistung – Werbung,
hg. v. Greule, A. u. a., 2004; Grüttner, M., Biographisches Lexikon zur
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der Nationalsozialismus, 2004; Löffler, U., Instrumentalisierte
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Dreyer, M., Die zivilgerichtliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts
Düsseldorf, 2004; Gruber, H., Nationalsozialisitsches Regime und katholische
Kirche, 2004; Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften, hg. v.
Lehmann, H. u. a., 2004; Medizin und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, hg.
v. Frewer, A. u. a., 2004; Keim, W., Erziehung unter der Nazi-Diktatur, 2005;
Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, hg. v.
Gosewinkel, D., 2004; Wagner, A., Machtergreifung in Sachsen, 2004; Bleckmann,
M., Barrieren gegen den Unrechtsstaat?, 2004; Miquel, M. v., Ahnden oder
amnestieren?, 2004; Wladika, M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Goschler, C.,
Schuld und Schulden, 2005; Schlegel-Voß, L., Alter in der Volksgemeinschaft,
2005; Schwegel, A., Der Polzeibegriff im NS-Staat, 2005; Scheuren-Brandes, C.,
Der Weg von nationalsozialistischen Rechtslehren zur radbruchschen Formel,
2005; Diehl, M., Von der Marktwirtschaft zur nationalsozialistischen
Kriegswirtschaft, 2005; Albrecht, J., Die Avantgarde des Dritten Reiches,
2005; Stadtverwaltung im Nationalsozialismus, hg. v. Mecking, S. u. a., 2005;
Wladika, M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Hochstetter, D., Motorisierung und
Volksgemeinschaft, 2005; Wirtschaftssteuerung durch Recht im
Nationalsozialismus, hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Gotto, B., Nationalsozialistische
Kommunalpolitik, 2006; Bollmus, R., Das Amt Rosenberg und seine Gegner, 2006;
Kahn, D., Die Steuerung der Wirtschaft durch Recht im Nationalsozialismus,
2006; Buchheim, C., Unternehmen in Deutschland und NS-Regime 1933-1945, HZ 282
(2006), 351; Gruber, H., Katholische Kirche und Nationalsozialismus, 2006;
Gotto, B., Nationalsozialistische Kommunalpolitik, 2006; Wachsmann, N.,
Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat, 2006; Koop,
V., Dem Führer ein Kind schenken, 2007; Weeber, E., Das Hakenkreuz, 2007; Adel
und Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u.
a., 2007; Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk Celle, 2007; Verfolgte Kindheit,
hg. v. Berger, E., 2007; Eitz, T. u. a., Wörterbuch der
Vergangenheitsbewältigung, 2007; Martin Broszat, der Staat Hitlers und die
Historisierung des Nationalsozialismus, hg. v. Frei, N., 2007; Urban, M., Die
Konsensfabrik, 2007; Loose, I., Kredite für NS-Verbrechen, 2007; Bauer, K.,
Nationalsozialismus, 2008; Schaedler, S., „Justizkrise“ und „Justizreform“ im
Nationalsozialismus, 2008; Steinacher, G., Nazis auf der Flucht, 2008;
Düwell, N., Die Standesgerichtsbarkeit der Presse im Nationalsozialismus,
2008; Wittreck, F., Nationalsozialistische Rechtslehre und Naturrecht, 2008;
NS-Raubgut in Bibliotheken, hg. v. Dehnel, R., 2008; Schmitzberger, J., Das
nationalsozialistische Nebenstrafrecht 1933 bis 1945, 2008; Herlemann, H., Das Gesetz zur
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (BBG), ZRG GA 126
(2009), 296; Vom Recht zur Geschichte, hg. v. Finger, J. u. a., 2009; Glienke,
S., Die Ausstellung ungesühnte Nazijustiz, 2008; Merten s, B., Rechtsetzung im
Nationalsozialismus, 2009; Roth, M., Herrenmenschen, 2009
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ist die am 5. 1. 1919 als Deutsche Arbeiterpartei
gegründete Partei, die nach dem Eintritt des berufslosen Gefreiten Adolf →
Hitler im September 1919 am 24. 2. 1920 in 25 Punkten ihr politisches Programm
veröffentlicht. Im Juli 1921 wird Adolf Hitler Vorsitzender. 1922 wird die
Partei in einzelnen deutschen Ländern, am 23. 11. 1923 im ganzen deutschen
Reich verboten, am 27. 2. 1925 aber wieder zugelassen. Sie bestimmt, gegliedert
in Ortsgruppen (mit ehrenamtlichen Leitern) und Gaue, das politische Geschehen
im Deutschen Reich von 1933 bis 1945. Am 10. 10. 1945 wird sie durch das Gesetz
Nr. 2 des → Alliierten Kontrollrats aufgelöst. → Nationalsozialismus
Lit.: Der Aufstieg der NSDAP, hg. v. Deuerlein, E., 1980;
Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit
der NSDAP, 2002; Rösch, Mathias, Die Münchener NSDAP, 2002; Reibel, C., Das
Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 1932-1945, 2002; Madden,
P./Mühlberger, D., The Nazi Party, 2007
Nationalsozialistisches Recht
ist das vom → Nationalsozialismus geprägte bzw. geschaffene bzw. angewandte
Recht. Neu geschaffen wird dabei in erster Linie das Verfassungsrecht, welches
das parlamentarische System in eine → Diktatur verwandelt. Durch Verordnungen
des Reichspräsidenten vom 4. 2. 1933 und 28. 2. 1933 werden die wichtigsten
Grundrechte außer Kraft gesetzt. Durch das → Ermächtigungsgesetz vom 24.
3. 1933 überträgt der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung.
Das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länderparlamente mit dem Reich
(31. 3. 1933) überlässt den Landesregierungen Gesetzgebungszuständigkeit und
setzt die Länderparlamente entsprechend der Sitzverteilung des Reichstages
zusammen. Das unmittelbar anschließende Gesetz zur Gleichschaltung der Länder
mit dem Reich (7. 4. 1933) stellt an die Spitze der nichtpreußischen Länder
einen Reichsstatthalter, der die Landesregierung ernennt. Seit Mai 1933 werden
verschiedene Parteien verboten oder aufgelöst. Mit Gesetz vom 30. 1. 1934 werden
die Landesparlamente aufgehoben und die Landesregierungen der Reichsregierung
unterstellt. Am 14. 2. 1934 wird der → Reichsrat aufgelöst. Nach dem Tod
des Reichspräsidenten (12. 8. 1934) übernimmt Adolf → Hitler dessen
Amt. Daneben werden Minderheiten, vor allem die → Juden, entrechtet
(Nürnberger Gesetze). Rechtsstaatliche Verfahrensregeln werden eingeschränkt.
Rechtsquellen sind Reichstagsgesetze, Reichsregierungsgesetze,
Führerverordnungen, Ministerialverordnungen, Führererlässe,
Verwaltungsverordnungen und Gewohnheitsrecht. Bedeutendere Einzelgesetze sind
im Übrigen selten und führen teilweise auch ältere Ansätze weiter (Ehegesetz,
Testamentsgesetz, Reichserbhofgesetz, Deutsche Gemeindeordnung). Der
Versuch einer völligen Neugestaltung des bürgerlichen Rechts in einem →
Volksgesetzbuch misslingt. Soweit die älteren Gesetze erhalten bleiben, werden
sie durch „unbegrenzte Auslegung“ verändert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 226ff.; Schmitt, C.,
Nationalsozialistisches Rechtsdenken, Deutsches Recht 1934, 225; Kogon, E., Der
SS-Staat, 1946; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Schorn, H., Die Gesetzgebung
des Nationalsozialismus, 1963; Echthölter, K., Das öffentliche Recht im
nationalsozialistischen Staat, 1970; Jäger, H., Verbrechen unter totalitärer
Herrschaft, 1967; Justiz und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff.
1986; Bucheit, G., Richter in roter Robe, 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln
im nationalsozialistischen Recht, 1974; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken,
1978; Meinck, J., Weimarer Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus, 1978;
Nationalsozialistisches Recht in historischer Perspektive, hg. v. Hattenhauer,
H., 1981; Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981;
Stolleis, M., Nationalsozialistisches Recht, HRG, Bd. 3 1981, 873; Fieberg, G.,
Justiz im nationalsozialistischen Deutschland 1984; Ramm, T., Das
nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Biesemann, J., Das
Ermächtigungsgesetz, 1985; Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht, 1986;
Majer, D., Die Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987;
Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987;
Werle, G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Rüthers,
B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Stolleis, M., Recht im
Unrecht, 1994; Reiter, R., Nationalsozialismus und Moral, 1996; Vogl, R.,
Stückwerk und Verdrängung, 1997; Faupel, R./Eschen, K., Gesetzliches Unrecht,
1998; Dörner, B., „Heimtücke“, 1998; Friedrich, J., Freispruch für die
Nazi-Justiz, 1998; Dokumentation des NS-Strafrechts, hg. v. Ostendorf, H. 2000;
Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Enzyklopädie des
Nationalsozialismus (1997) CD-ROM, hg. v. Benz, W. u. a. 2000; Feldman, G., Die
Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001
Nationalstaat ist
der die Einheit der → Nation und die Abgrenzung gegenüber anderen
Nationen besonders betonende Staat seit dem 19. Jh. (z. B. Frankreich),
verstärkt seit 1918.
Lit.: Köbler, DRG 205; Hugelmann, K., Stämme, Nation und
Nationalstaat im deutschen Mittelalter, 1955; Meinecke, F., Weltbürgertum und
Nationalstaat, 7. A. 1963; Huber, E., Nationalstaat und Verfassungsstaat,
1965; Schöllgen, G., Determinanten deutscher Identität, Hist. Jb. 105 (1985),
455; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat,
ZRG GA 107 (1990), 19; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat,
2000
Nationalversammlung ist
eine die → Nation vertretende Versammlung von Abgeordneten. In Frankreich
ist N. das Parlament. Im Deutschen Bund bereitet die deutsche N. die Verfassung
vor. Auf Grund von Wahlen in den Einzelstaaten wird sie am 18. 5. 1848 in der
Frankfurter Paulskirche eröffnet und nach dem 28. 4. 1849 infolge Scheiterns
der politischen Bewegung aufgelöst. Daneben tagt auch eine preußische N. Am 6.
2. 1919 wird in Weimar eine verfassunggebende N. eröffnet, die den Entwurf
einer Reichsverfassung am 31. 7. 1919 verabschiedet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 171, 221, 256;
Aktenstücke und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frankfurter
Nationalversammlung aus dem Nachlass von Johann Gustav Droysen, hg. v. Hübner,
R., 1924; Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen
constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, hg. v. Wigard, F.,
Bd. 1ff. 1948/9; Schrader, R., Die Fraktionen der preußischen
Nationalversammlung von 1848, Diss. phil. Leipzig 1923; Ziegler, W., Die
deutsche Nationalversammlung 1919/29, 1932; Mann, B., Das Ende der Nationalversammlung
im Jahre 1849, HZ 214 (1972), 265; Siemann, W., Die Frankfurter
Nationalversammlung, 1976; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der
Paulskirche, 1978; Fiedler, W., Die erste deutsche Nationalversammlung, 1980;
Diestelkamp, B., Nationalversammlung, HRG, Bd. 3 1980; Nörr, K., Die Weimar
Nationalversammlung und das Privatrecht, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984,
317; Meinerzhagen, U., Möglichkeiten und Grenzen sozialpolitischen Handelns
in der Frankfurter Nationalversammlung, Diss. jur. Heidelberg 1987; Die Frankfurter
Nationalversammlung 1948/49, hg. v. Koch, R., 1989
Naturalersatz (Naturalrestitution)
ist der Ersatz eines Schadens in Natur.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217
Naturalisation (Einbürgerung)
ist die seit dem 19. Jh. gesetzlich genau festgelegte Verleihung der
Staatsbürgerschaft.
Lit.: Rehm, H., Der Erwerb der Staats- und Gemeindeangehörigkeit,
Ann. d. Dt. Reichs-Gesetzgebung 25 (1892), 137; Zenthöfer, E., Zur Geschichte
des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Grawert, R.,
Staat und Staatsangehörigkeit, 1973
Naturalis obligatio
(lat. [F.]) ist im römischen Recht die natürliche, unvollkommene →
Verbindlichkeit (z. B. Geschäftsschuld eines Sklaven oder Hauskinds). Sie kann
freiwillig erfüllt, ihre Erfüllung kann aber nicht erzwungen werden. In der
Neuzeit gelten Spielschulden und Ehemäklerlohn als nicht erzwingbare
Verbindlichkeiten.
Lit.: Kaser §§ 15 I 4c, 33 II, 49 II 1a, 60 II 3c; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Landolt,
P., Naturalis obligatio and bare social duty, 2000; Schulze, G., Die Naturalobligation, 2008
Naturalleistung ist
die Leistung in Natur. Im spätantiken römischen Recht ist der Inhalt des
Leistungsurteils wegen der wirtschaftlichen Verschlechterung grundsätzlich auf
N. gerichtet. Geldersatz ist nur zu erbringen, wenn die an sich geschuldete
Leistung unmöglich oder ungenügend ist. Im Mittelalter sind Leistungen
weitgehend als N. zu bewirken. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht
aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 63, 166, 217; Lamprecht, K., Deutsches
Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I 2 1886, 944; Haussherr, H.,
Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 4. A. 1970, 4, 378
Naturalobligation
ist die nicht erzwingbare Obligation, die als (lat. [F.]) → naturalis obligatio bereits dem
römischen Recht bekannt ist. Der dennoch leistende Schuldner hat keinen
Rückforderungsklaganspruch (lat. [F.] condictio).
Lit.: Schulze, G., Die Naturalobligation, 2008
Naturalrestitution → Naturalersatz, Naturalleistung
Naturalwirtschaft ist
die geldlose Wirtschaft. Sie findet sich dort, wo Geld völlig fehlt oder keinen
wirtschaftlichen Wert hat (z. B. Germanen, Spätantike). Sie ist der
Geldwirtschaft an Beweglichkeit unterlegen.
Lit.: Köbler, DRG 57, 77; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und
Geldwirtschaft, 1930
Natur der Sache ist das
Wesen eines Gegenstandes. Unter (lat.) natura (F.) rei verstehen die
klassischen römischen Rechtskundigen eine Schranke rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeit. Demgegenüber wird die N. d. S. in der 2. Hälfte des 18.
Jh.s bei →Pütter (1725-1807) und → Runde (1741-1807) als
Rechtsquelle (des gesamten → deutschen Privatrechts) verwendet. Mit dem
Naturrecht wird dies als nicht überzeugend wieder aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dreier, R., Zum Begriff der Natur
der Sache, 1965; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der
Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Dießelhorst, M., Die Natur der
Sache, 1968; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970; Sprenger,
G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Holzhauer, H., Natur als Argument in
der Rechtswissenschaft, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Natürliche Grenze
ist die von der Natur durch Wasser, Sümpfe, Wälder, Gebirge oder Wüsten
gebildete → Grenze eines Gebietes. Sie verliert im Laufe der menschlichen
Geschichte an Bedeutung gegenüber der künstlichen Grenze.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Naturrecht ist die
Gesamtheit der der Natur innewohnenden, zeitlos gültigen, vernunftnotwendigen
und vom Menschen nicht geschaffenen Rechtssätze. Das N. ist bereits der
griechischen Philosophie (griech. physei dikaion [N.]) als Gegensatz zum vom
Menschen gesetzten Recht (griech. thesei dikaion [N.]) bekannt. Danach ist von
Natur aus rechtens, was überall und schon unabhängig von menschlicher
Zustimmung gilt. Dieses N. wird von den Römern als von der (lat.) naturalis
ratio (F.) beherrschtes ius (N.) naturale übernommen (z. B. Verbindung von Mann
und Frau und Aufzucht von Kindern) und dem (lat.) ius (N.) gentium zur Seite
gestellt. Nach christlicher Ansicht stammt es (als [lat.] lex [F.] aeterna, vom
Menschen erkennbar in der [lat.] lex [F.] naturalis) von Gott. Demgegenüber
sehen die Glossatoren das römische Recht als gegeben an und stellen die Frage
nach einem übergeordneten Naturrecht nicht. In der frühen Neuzeit betonen
spanische Spätscholastiker (z. B. Francisco de Vitoria 1493-1546, Fernando
Vasquez 1512-1569) und deutsche Reformierte (z. B. Johann Oldendorp 1486-1567,
Johannes Althusius 1557-1638) erneut die besondere Bedeutung des Naturrechts.
Der in Leiden und Orléans am gemeinen Recht geschulte Niederländer Hugo →
Grotius (1583-1645) überführt in (lat.) De iure praedae (1606-8) und in (lat.)
De iure belli ac pacis tres (Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht, 1624) die
Naturrechtslehren aus der Moraltheologie in die Rechtswissenschaft. Ihm folgt
in Deutschland zunächst Samuel Pufendorf (1632-1694, [lat.] De iure naturae et
gentium libri octo, Acht Bücher Natur- und Völkerrecht, 1672), der in
Heidelberg im Jahre 1661 (außerhalb der juristischen Fakultät) den ersten
Lehrstuhl für N. erhält. Weil das N. jetzt besonders auf die Vernunft abstellt,
bezeichnet man es auch als → Vernunftrecht. Klassischer Vertreter des
deutschen Vernunftrechts ist der im Wesentlichen mit der Reformuniversität →
Halle verbundene Christian → Thomasius (1655-1720, [lat.] Fundamenta
[N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1705, Grundlagen des Natur- und
Völkerrechts), der das Recht endgültig von Theologie und Moral befreit. Sein
Schüler Christian → Wolff (1679-1754) schließlich stellt unter starkem
Rückgriff auf das im usus modernus pandectarum verwendete gemeine Recht seiner
Zeit ([lat.] more geometrico) ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze
insgesamt auf ([lat.] Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum,
1740-1749, Naturrecht wissenschaftlich durchgeführt), mit dem er jedoch, weil
er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen einzelnen Folgesatz
bis zu 300 Obersätze voraussetzt, zugleich die Ablösung des (in Frankreich und
England sowie im positivistisch-historisch bestimmten Kirchenrecht der frühen
Neuzeit fremd bleibenden) Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht
brauchbar einleitet. Unmittelbare Übernahme von behaupteten Naturrechtssätzen
in die Rechtspraxis finden sich kaum. Bei Darjes und Nettelbladt geht das N.
bereits in der Dogmatik des geltenden Rechts auf. Immanuel Kant steht dem N.
kritisch gegenüber. Auch Savigny und die von ihm begründete historische
Rechtsschule lehnen das N. als ungeschichtlich ab. Nach 1945 werden kurzfristig
naturrechtliche Gedanken wieder aufgegriffen. Problematisch ist das N.
deswegen, weil es mit bereits vorausgesetzten ethischen Kriterien an die
Wirklichkeit herantritt und aus ihr auswählt, was es für maßgeblich hält.
Lit.: Kroeschell, DRG 2,3; Köbler, DRG 31, 144, 145;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 245; Schubert, A., Augustins
Lex-aeterna-Lehre, 1924; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973; Arnold, F., Zur Frage des Naturrechts bei Martin Luther,
1937; Thieme, H., Die Zeit des späten Naturrechts, ZRG GA 56 (1936), 202;
Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 1947, 2.
A. 1954; Krause, O., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, Diss. jur.
Göttingen 1949 (gedruckt 1982); Stratenwerth, G., Die Naturrechtslehre des
Johannes Duns Scotus, 1951; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und
Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Flückiger, F., Geschichte des
Naturrechts, 1954; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische
Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A. 1954; Welzel, H., Naturrecht und materiale
Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Wieacker, F., Vom heutigen Stand der
Naturrechtsdiskussion, 1965; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und
Dekretisten, 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius,
1968; Wunner, S., Christian Wolff und die Epoche des Naturrechts, 1968;
Weinkauff, H., Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung, NJW 13 (1969),
1689; Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970;
Röd, W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Rüping, H., Gottlieb Gerhard
Titius und die Naturrechtslehre, ZRG GA 87 (1970), 314; Luig, K., Zur
Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; Naturrecht in der
Kritik, hg. v. Böckle, F. u. a., 1973; Teubner, W., Kodifikation und
Rechtsreform in England, 1974; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976;
Sprenger, G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Carpintero-Benitez, F., Del
derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Wesener, G.,
Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und
bürgerliche Freiheit, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts auf das
positive Privatrecht im 18. Jahrhundert, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die
Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980;
Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Klippel, D., Naturrecht
als politische Theorie, (in) Aufklärung als Politisierung, hg. v. Bödeker, H.
u. a. 1987, 267; Christian Thomasius 1655-1728, hg. v. Schneiders, W., 1989;
Bühler, C., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius 1655-1728, 1989; Doe,
N., Fundamental Authority in Late Medieval English Law, 1990; Böhme, H.,
Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Naturrecht -
Spätaufklärung - Revolution, hg. v. Dann, O., 1995; Voppel, D., Der Einfluss
des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Naturrecht im 19. Jahrhundert, hg.
v. Klippel, D., 1997; Recht zwischen Natur und Geschichte, hg. v. Kerregan, F.
u. a., 1997; Bruch, R., Ethik und Naturrecht, 1997; Seelmann, K., Theologie und
Jurisprudenz, 1997; Wie erkennt man Naturrecht, hg. v. Seifert, J., 1998;
Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit zwischen
Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 7; Hammerstein, N., Die
Naturrechtslehre an den deutschen, insbesondere den preußischen Universitäten,
(in) Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, 1998, 3; Scattola, M., Das
Naturrecht vor dem Naturrecht, 1999; Drescher, A., Naturrecht als
utilitaristische Pflichtenethik?, 1999; Die hallesche Schule des Naturrechts,
hg. v. Rüping, H., 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Ulmschneider, C.,
Eigentum und Naturrecht, 2003; Otte, G., Die Naturrechtsrechtsprechung der
Nachkriegszeit, 2004; Naturrecht und Staat, hg. v. Klippel, D., 2006; Das
Naturrecht und Europa, hg. v. Guz, T., 2007; Wittreck, F., Nationalsozialistische
Rechtslehre und Naturrecht, 2008
Naturrechtler ist
der Vertreter des → Naturrechts.
Lit.: Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten
Jahrhunderts, 1982
Naturrechtskodifikation ist die auf → Naturrecht gegründete →
Kodifikation an der Wende vom 18. zum 19. Jh. (preußisches Allgemeines
Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch 1811/1812)
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967
Naturschutz ist der
Schutz der Natur (natürlichen Landschaft) durch den Staat. Der N. entsteht im
20. Jh. und wird in dessen zweiter Hälfte vom allgemeineren Umweltschutz
eingeschlossen.
Lit.: Lorz, A., Naturschutzrecht, 1985; Wettengel, M.,
Staat und Naturschutz, HZ 1993, 2, 335; Naturnutzung und Naturschutz in der
europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Heyen, V., 1999;
Naturschutz und Nationalsozialismus, hg. v. Radkau, J. u. a., 2003; Schmoll,
F., Erinnerung an die Natur, 2004; Natur- und Umweltschutz nach 1945, hg. v.
Brüggemeier, G. u. a., 2005; Nellessen, K., Umweltschutz als kommunale Aufgabe,
2007
Naturwissenschaft ist die auf die Natur im Gegensatz zum menschlichen Geist und die
menschliche Gesellschaft oder insgesamt den Menschen bezogene Wissenschaft. Sie
beginnt bereits bei den Griechen und gewinnt seit dem 19. Jh. überragende
Bedeutung.
Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001
Navarra ist das
Gebiet zwischen Pyrenäen und Ebro, das hauptsächlich von Basken besiedelt wird.
905 wird es Königreich, fällt aber 1026 kurzfristig an Kastilien und gerät seit
1234 unter den Einfluss Frankreichs (1234-1274 Grafen der Champagne,
1284/1291-1328 Frankreich, 1329-1425 Grafen von Evreux). Der südliche Teil wird
1512 von Aragonien erobert und zu Kastilien gezogen. Der nördliche Teil kommt
1589 zu Frankreich.
Lit.: Schramm, P., Der König von Navarra (1035-1512), ZRG
GA 68 (1951), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,251; Segura
Urra, F., Fazer justicia, 2005
Naziregime → Nationalsozialismus
Neandertaler ist der nach Funden von 1856 in
dem durch industriellen Kalkabbau zerstörten Neandertal bei Mettmann, aus der
europäischen Variante (homo Heidelbergensis) des Frühmenschen (homo erectus)
hervorgegangene, Kleidung und Schmuck kennende, aber vielleicht vor etwa 30000
Jahren von dem in Afrika entstandenen modernen Menschen verdrängte Hominide.
Lit.: Schrenk,
F./Müller, S., Die Neandertaler, 2005
Neapel beruht auf einer im 8./7. Jh. v. Chr. von Cumae aus eingerichteten Kolonie, neben der im 5. Jh. eine Neustadt (griech. Neapolis) gebaut wird. Über Römer und Oströmer gelangt es 1057 bzw. 1139 an die Normannen (→ Sizilien). 1224 wird es durch Kaiser Friedrich II. Sitz einer Universität. Über Anjou (1266/8), Aragonien (1435), Piemont (1713), Österreich (1720), die Bourbonen (1735) kommt N. 1860 an Sardinien-Piemont und danach 1861 zu Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gunn, P., Neapel, 1964;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren, europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233,
3,2,2359, 3,3,3218; Rovito, P., Respublica dei togati, 1982; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Kiesewetter, A., Die Anfänge der
Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999
Nebenabrede ist die auf Grund der allgemeinen Vertragsfreiheit neben dem notwendigen Inhalt eines Vertrags stehende zusätzliche, den
gewöhnlichen Inhalt ergänzende oder sonst abändernde Abrede (lat. [N.] pactum adiectum, z. B. im römischen
Recht [lat.] lex commissoria, Wiederkaufsabrede, Bessergebotsabrede).
Ne bis in idem (lat.) Nicht zweimal in derselben (Sache)
Lit.: Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des
Grundsatzes "ne bis in idem", Diss. jur. Zürich 1970
Necessitas non habet legem (lat.). Not kennt kein Gebot.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Glosse Expedire zu Digesten 1, 10, 1, § 1)
Ne eat iudex ultra petita partium (lat.). Der Richter soll nicht über die Anträge der Parteien
hinausgehen.
Lit.: Liebs, D. Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Neglegentia (lat.
[F.]) ist die Nachlässigkeit im spätantiken römischen Schuldrecht
(Außerachtlassung der pflichtgemäßen Sorgfalt, Gegenteil der lat. [F.]
dilidgentia).
Lit.: Köbler, DRG 63; Negligence, hg.
v. Schrage, E., 2001
Negotiorum gestio (lat. [F.]) oder negotium gestum ist die bereits dem klassischen
römischen Schuldrecht bekannte, vielleicht aus der Verfahrensführung eines
(lat. [M.]) procurator und der Geschäftsführung eines (lat. [M.]) curator
entstandene → Geschäftsführung ohne Auftrag, die als kontraktähnliches
Verhältnis für den Geschäftsherrn einen Herausgabeanspruch und möglicherweise
einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer und umgekehrt
möglicherweise einen Aufwendungserstattungsanspruch des Geschäftsführers
gegen den Geschäftsherrn begründet.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2e, 44 II; Söllner §§ 9, 18; Köbler, DRG
47; Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestiorum gestio, 1968;
Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
negotium (N.) claudicans (lat.) hinkendes Geschäft (z. B. des beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen)
negotium (N.) per aes et libram (lat.) Libralgeschäft mit Erz und Waage
Nehrman-Ehrenstrale, David (1695-1769), Malmöer Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Lund, Rostock, Halle (Thomasius, Gundling) und Leiden 1720 Professor, 1721 ordentlicher Professor für schwedisches und römisches Recht in Lund und hält als erster schwedische Vorlesungen. 1729 veröffentlicht er die erste, vom römischen Recht gelöste wissenschaftliche Darstellung des Privatrechts Schwedens (Inledning til then swenska iurisprudentiam civilem, Einleitung in die schwedische Ziviljurisprudenz). Seit 1734 folgt er dem neuen schwedischen Gesetzbuch.
Lit.: Modéer, K., Einleitung zu: David Nehrman-Ehrenstrale,
Inledning ., 1979, 26
Neidingswerk ist im
mittelalterlichen nordgermanischen Recht die Missetat oder verächtliche
Handlung. Voraussetzung und Folgen sind unterschiedlich.
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922;
See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Hemmer, R., Die Missetat im
altschwedischen Recht, 1965
Nekrolog
(M. bzw. N.) Totenbuch
Lit.:
Das Necrolog des Klosters Michelsberg in Bamberg, hg. v. Nospickel, J., 2004;
Leng, R., Ein Würzburger Necrolog aus dem 9. Jahrhundert, DA 63 (2007), 1
Nemo iudex in causa sua (lat.). Niemand sei Richter in eigener Sache.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Codex Justinianus
3,5 Rubrik, 534)
Nemo iudex sine actore (lat.). Kein Richter ohne Kläger.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (D. 50. 17. 54)
Nemo plus
iuris ad alium transferre potest, quam ipse habet
(lat.). Niemand kann mehr Rechte
auf einen anderen übertragen, als er selbst hat.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 17, 54)
Nemo simul actor et iudex (lat.). Niemand kann zugleich Kläger und Richter sein.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Burchard von Worms, 965-1025, Decretum 16,
15)
Neoabsolutismus ist
der der Verfassungsbewegung des frühen 19. Jh.s. und besonders des Jahres 1848
folgende, in Österreich durch die gewaltsame Auflösung des Reichstags am 7. 3.
1849 und durch mehrere Erlasse Kaiser Franz Josephs vom 20. 8. 1851 (Augusterlässe)
eingeleitete Abschnitt des → Absolutismus (in Österreich besonders 1851
[Silvesterpatent] – 1860 [Oktoberdiplom] bzw. 1861 [Februarpatent] bzw. 1867
[Dezemberverfassung]). Im N. werden die Geschworenengerichte, der liberale
Strafprozess, das liberale Prozessrecht, Vereinsrecht und Gemeinderecht
wieder aufgegeben. Es werden aber auch zukunftweisende Entwicklungen
eingeleitet.
Lit.: Köbler, DRG 171, 193; Baltl/Kocher; Brandt, H., Der
österreichische Neoabsolutismus, Bd. 1f. 1978; Rumpler, H., Eine Chance für
Mitteleuropa, 1997
Nepotismus ist die
Begünstigung von nahestehenden Menschen durch Machthaber, besonders in der
katholischen Kirche des 15. bis 17. Jh.s.
Lit.: Reinhard, W., Nepotismus, ZKG 86 (1975), 145; Die
Kreise der Nepoten, hg. v. Büchel, D./Reinhardt, V., 2001
Neratius (Saepinum
55/60-nach 133) wird nach langjähriger Ämterlaufbahn von dem römischen Kaiser
Trajan (98-117) in den kaiserlichen Rat aufgenommen. Er ist ein führender Vertreter
der → Prokulianer. Sein Hauptwerk sind 7 Bücher (lat. [F.Pl.]) membranae,
in denen Streitfragen oder allgemeine Rechtssätze und Begriffserklärungen
erörtert werden.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 144, 410;
Maifeld, J., Die aequitas bei Lucius Neratius Priscus, 1991
Nerva filius (1. Jh. n. Chr.) ist der römische Jurist, dessen Sohn Kaiser
(96-98) wird. Er ist → Prokulianer. Von ihm ist der Buchtitel (lat.)
libri (M.Pl.) de usucapionibus (Bücher über Ersitzungen) überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
Nerva pater (-33 n. Chr.)
ist der römische Jurist, dessen Enkel Kaiser (96-98) wird. Er ist Haupt der →
Prokulianer. Die Titel seiner durch die Digesten überlieferten Schriften sind
nicht bekannt.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 120
Nettelbladt, Daniel
(Rostock 14. 1. 1719-Halle 4. 9. 1791), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium
(der Theologie und) des Rechts in Rostock, Marburg (Wolff) und Halle 1746
Professor in Halle. 1749 veröffentlicht er eine Übersicht über das Naturrecht
([lat.] Systema [N.] elementare universae iurisprudentiae naturalis,
Grundsystem der gesamten Naturrechtswissenschaft) und das geltende Recht
([lat.] Systema elementare universae iurisprudentiae positivae, Grundsystem der
gesamten positiven Rechtswissenschaft), in denen er die Rechte und Pflichten
betreffenden Wahrheiten (objektive Rechtswissenschaft) unter Bildung allgemeiner
Teile vermitteln will. In seinen Werken geht das → Naturrecht in gewisser
Weise in der Dogmatik des positiven Rechts auf. Als Einzelheit erwähnenswert
ist die Entwicklung des allgemeinen prozessrechtswissenschaftlichen Begriffs
der Prozesshandlung. Zu Nettelbladts Schülern gehören von Carmer, Svarez und
Klein, die das preußische Allgemeine Landrecht (1794) maßgeblich prägen.
Lit.: Köbler, DRG 156, 159; Schwarz, B., Zur Entstehung des
modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 321; Neusüß, W., Gesunde
Vernunft und Natur der Sache, 1970, 52
Neubruch (lat. [N.]
novale) ist das neugerodete Land. Von ihm wird seit dem 8. Jh. ein →Zehnt
gefordert.
Lit.: Pöschl, A., Der Neubruchzehnt, AKKR 98 (1918), 3
Neuenburg (Neuchâtel)
erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 1101 als neue Burg, die
1032/1033 zum deutschen Reich gelangt. Am 12. 9. 1814 schließt sich N. als 21.
Kanton der → Schweiz an. 1838 erhält es eine Universität.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Elert, K., Die Behördenorganisation von
Neuchâtel, 1914; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,455, 3,2,1879;
Bachmann, A., Die preußische Sukzession in Neuchâtel, 1993; Stribrny, W., Die
Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998
Neuhegelianismus ist
die Fortführung der Gedanken → Hegels im späten 19. und frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Neukantianismus ist
die Fortführung der Gedanken Kants im späten 19. und frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ziemann, S., Neukantianisches
Strafrechtsdenken, 2009
Neumarkt in der
Oberpfalz
Lit.: Heinloth, B., Neumarkt, 1967
Neumarkter Rechtsbuch ist das für Neumarkt in Schlesien aus der vierten deutschen Fassung des Sachsenspiegels und dem 1235 verfassten Schöffenbrief Halles an Neumarkt wohl in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (1327/35) hergestellte, in einer unvollständigen Handschrift (des ersten Drittels?) des 14. Jh.s überlieferte Rechtsbuch. Das davon verschiedene Neumarkter Recht ist in zahlreichen Orten Schlesiens und Polens nachzuweisen. 1352 schließt sich Neumarkt dem Magdeburg-Breslauer Recht an.
Lit.: Meinardus, O., Das Neumarkter Rechtsbuch, 1906;
Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das
älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Sandow, E., Das
Halle-Neumarkter Recht, 1932; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 60; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische
Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003)
61
Neumünstersche Kirchspielbräuche sind gewohnheitsrechtliche, spät aufgezeichnete Rechtssätze
des Kirchspiels Neumünster in Holstein.
Lit.: Seestern-Pauly, F., Die neumünsterschen
Kirchspielgebräuche und die bordesholmischen Amtsgebräuche, 1824; Sievers, H.,
Die neumünsterschen Kirchspielbräuche und die bordesholmischen Amtsgebräuche,
Diss. jur. Kiel 1956
Neun Bücher des Magdeburger
Rechts sind das zwischen 1400 und
1402 von dem seit 1385 in Thorn als Stadtschreiber nachweisbaren Walter Ekhardi
aus der systematischen Fassung der → Magdeburger Fragen, dem alten →
Kulm, dem glossierten → Sachsenspiegel, dem Magdeburger Weichbild, dem
Lehnrecht in Distinktionen und dem → Meißner Rechtsbuch zusammengestellte
Rechtsbuch. Um 1408 werden die Neun Bücher des Magdeburger Rechts unter
Verwendung des Richtsteig Landrechts und des Schwabenspiegels auf die Hälfte
gekürzt. Diese Fassung wird 1574 von dem Notar Albert → Poelmann
(Königsberg) in Magdeburg herausgegeben.
Lit.: Amira, K. v. /Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960, 171; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 51
Neuostpreußen ist
ein von Preußen bei den Teilungen → Polens 1793/1795 erlangtes Gebiet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Preußen); Bussenius,
C., Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen 1793-1806, 1960
Neuß
Lit.: Entner, G., Neuß, 1926
Neustadt an der
Waldnaab
Lit.: Sturm, H., Neustadt an der Waldnaab, 1978
Neustadt an der
Weinstraße
Lit.: Spieß, P., Die
Stadtordnung Philipps des Aufrichtigen für Neustadt aus dem Jahre 1493, Mitt.
d. hist. Ver. d. Pfalz 66 (1968), 197; Der Oberhof zu Neustadt an der
Weinstraße 1, hg. v. Erler, A., 1968; Spieß, P., Verfassungsentwicklung der
Stadt Neustadt, 1970 (Diss.)
Neuständisch beschränkte Monarchie ist mit dem Oktoberdiplom (1860) verwirklichte, im
Ergebnis aber dem Konstitutionalismus unterlegene Bindung des Kaisers
Österreichs an die Mitwirkung von Ständevertretungen (neuer Art).
Lit.:Wagner, S., Der politische Kodex, 2004
Neustrien (Westgebiet ?) ist ein Teil des fränkischen Reiches vom späten 6. Jh. (um 600 ?) bis zum 8. Jh.
Lit.: Kretschmer, P., Das Rätsel des Namens Neustria,
Forschungen und Fortschritte 14 (1938), 114; Lugge, M., Gallia und Francia im
Mittelalter, 1960; La Neustrie, hg. v. Atsma, H., 1989
Neutralität ist die
Nichtbeteiligung eines Staates an einer kriegerischen Auseinandersetzung. Sie
findet sich seit dem ausgehenden Mittelalter, als bewaffnete N. seit dem späten
18. Jh. 1856 begründet die Pariser Seerechtsdeklaration das moderne
Neutralitätsrecht. Die Schweiz behauptet seit 1815, Österreich seit 1955 N.
(26. 10. 1955 Neutralitätsgesetz, 2001 Allianzfreiheit).
Lit.: Köbler, DRG 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 315; Bergbohm, C., Die bewaffnete Neutralität 1780-1783, 1884; Verosta,
S., Die dauernde Neutralität, 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994,
2. A. 2007; Chevallez, G., Die Herausforderung der Neutralität, 1997; Setzen,
F., Neutralität im zweiten Weltkrieg, 1997; Neff, S., The rights and duties of
neutrals, 2000; Fischer, T., Die Grenzen der Neutralität, 2004
Neuwied
Lit.: Stupp, H., Die
rechtsgeschichtliche Entwicklung der Stadt Neuwied, Diss. jur. Bonn 1959
Neuzeit ist der dem Mittelalter folgende, durch zahlreiche Neuerungen (z. B. Entdeckung Amerikas 1492, neues heliozentrisches Weltbild, neues Verhältnis zu Gott, neue Beziehung zum Altertum usw.) gekennzeichnete Abschnitt der menschlichen Geschichte (Christoph Cellarius [Keller] [1634-1707], Historia tripartita).
Lit.: Köbler, DRG 129; Quellenkunde zur deutschen
Geschichte der Neuzeit, Bd. 1ff. 1982ff.; Friedell, E., Kulturgeschichte der
Neuzeit, Neudruck 1996; Skalweit, S., Der Beginn der Neuzeit, 1982;
Spezialforschung und „Gesamtgeschichte“, hg. v. Klingenstein, G. u. a., 1982;
Handbook of European History 1400-1600, hg. v. Brady, T. u. a., Bd. 1f. 1994;
Leimgruber, N., Die frühe Neuzeit, 1997; Vogler, G., Europas Aufbruch in die
Neuzeit, 2003; Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F., Bd. 1ff. 2004ff.;
Emich, B., Frühe Neuzeit, 2006; Frühe Neuzeit, hg. v. Völker-Rasor, A., 2. A.
2006; Erbe, M., Frühe Neuzeit, 2007; Die innovative Kraft der Tradition in der
frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a., 2007; Lundt, B., Europas
Aufbruch in die Neuzeit 1500-1800, 2009; Vocelka, K., Geschichte der Neuzeit,
2009; Die frühe Neuzeit als Epoche, hg. v. Neuhaus, H., 2009
Nevolin, Konstantin
Alekseevic (1806-1855) wird nach dem Rechtsstudium in Sankt Petersburg und
Berlin (Savigny) Professor in Kiew und seit 1843 in Sankt Petersburg. Er wirkt
an der Abfassung des → Svod Zakonov mit. In seiner Geschichte der
juristischen Zivilgesetze setzt er sich für die Übernahme der Gedanken der →
historischen Rechtsschule in → Russland ein.
Lit.: Grothusen,
K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; Wortman, R., The Development
of a Russian legal Consciousness, 1976
Nexti canthichio ist eine
salfränkische Wendung des (lat.-afrk.) → thunginus des frühen 6. Jh.s
(ich verstricke den Streitgegner [im Rahmen der Vollstreckung]?).
Lit.: Pactus
legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 285
Nexum (lat. [N.]
Verknüpfung) ist ein umstrittenes, vermutlich schon im 4. Jh. v. Chr.
verbotenes Haftungsgeschäft des altrömischen Rechts, bei dem durch Erz und
Waage, also wohl zunächst gegen tatsächliches Entgelt (Darlehen), jemand einem
anderen eine Zugriffsmacht mit der Möglichkeit der Enthaftung durch Rückzahlung
einräumt.
Lit.: Kaser §§ 6 II, 7 I 3, 32 II 3b,
4c, 39 I 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 27
Nicaea (bei Komstantiopel) ist
325 n. Chr. Ort eines von Kaiser Konstantin einberufenen Konzils mit rund 2000
Teilnehmern (davon 318 Bischöfe, Formulierung des nicänischen
Glaubensbekenntnisses, Bejahung der Wesensgleichheit Jesu mit Gott).
Nichtanzeige geplanter Straftaten (§§ 138, 139 StGB) ist in Deutschland seit dem 20. Jh. hinsichtlich bestimmter schwerer Straftaten eine eigenständige Straftat.
Lit.: Grunert, H., Die Strafbarkeit der Nichtanzeige
geplanter Straftaten, 1943; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten,
2002
Nichtberechtigter ist
die Person, der ein Recht (bzw. die Verfügungsmacht) zu dem von ihr geübten
Verhalten fehlt. Nach dem römischen Recht kann von einem Nichtberechtigten
grundsätzlich nicht erworben werden (lat. → nemo plus iuris transferre
potest quam ipse habet). Dagegen eröffnet das mittelalterliche Recht den →
gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten.
Lit.: Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in
romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 363
Nichtehe ist die absolut nichtige,
einer Vernichtung nicht bedürftge oder zugängliche Ehe (z. B. bei Nichtmitwirkung des Standesbeamten oder [bislang] der Geschlechtsgleichheit der Eheschließenden).
Nichteheliche Lebensgemeinschaft ist die ohne Eheschließung ausgeübte Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau. Ursprünglich vor allem von der Kirche als → Konkubinat oder Verhältnis bekämpft, setzt sich die n. L. seit etwa 1980 allmählich durch. Für sie gelten im Wesentlichen die allgemeinen Regeln, nicht dagegen die besonderen Bestimmungen über die eheliche Lebensgemeinschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schwab, D., Eheschließungsrecht
und nichteheliche Lebensgemeinschaft, FamRZ 1981, 1151; Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, hg. v. Eser, A., 1985; Schreiber, C., Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, 1995
Nichteheliches Kind ist
in der Bundesrepublik Deutschland seit 19. 8. 1969 das uneheliche Kind. Dieses
ist auch mit seinem Erzeuger verwandt. Gegenüber dem früheren Recht ist sein
Unterhaltsanspruch erweitert und durch die Regelunterhaltsverordnung (27. 6.
1970) präzisiert. Dennoch bestehen nach 1969 weiter Unterschiede zum ehelichen
Kind (Feststellung der Vaterschaft, Name, elterliche Sorge, Unterhalt,
Erbrecht). Am 12. 6. 1991 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass den
Eltern eines nichtehelichen Kindes gemeinsam das Sorgerecht zustehen kann. 1998
wird in Deutschland die Unterscheidung zwischen nichtehelichen Kindern und
ehelichen Kindern beseitigt und damit auch die gesetzliche Amtspflegschaft für
das nichteheliche Kind aufgegeben (Spanien 1979/1981).
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung
des nichtehelichen Kindes, 1978; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer
Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und Ehescheidungsrechts,
1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 214; Heinrich,
T., Das preußische Nichtehelichenrecht, 1993; Winkler, W., Nichteheliche Kinder
und landwirtschaftliches Erbrecht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Arends Olsen, L., La femme et
l’enfant, 1999; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes
gegen seinen Erzeuger, 2000; Die Reform des Nichtehelichenrechts (1961-1969),
hg. v. Schubert, W., 2003; Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004
Nichterfüllung ist
das Ausbleiben der Leistung eines Schuldners. Hier kennt bereits das römische
Recht in vielen Fällen die Verurteilung zum Sachwert bzw. später den
Schadenersatz. Dieses römische Recht wird seit dem Spätmittelalter weitgehend
übernommen. Hieraus entwickelt sich das Leistungsstörungsrecht für →
Verzug, → Unmöglichkeit und sonstige Pflichtverletzung (→ positive
Forderungsverletzung). Die Einrede des nichterfüllten Vertrags entsteht dabei
aus römischem Recht und kirchlichem Recht im 15./16. Jh.
Lit.: Kaser § 37; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen
Nichterfüllung, 1965; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969;
Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000; Roos, C., Die
Grundlagen und die dogmatische Entwicklung der Vorschriften zur Einrede des
nichterfüllten Vertrages, 2004; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen
Erfüllung, 2004
Nichtigerklärung ist die ausdrückliche Erklärung der Nichtigkeit
einer Handlung durch die zuständige Stelle (z. B. der Ehe durch Gericht nach
AGBG bei bestehendem Eheband, Irrtum oder Zwang bei der Eheschließung bzw. nach
den §§ 21ff. EheF).
Nichtigkeit ist die völlige Unwirksamkeit einer an erheblichen, nicht billigenswerten Mängeln leidenden Handlung. Sie ist schon dem römischen Recht bekannt, ohne dass dieses eine durchgehende Begrifflichkeit ausbildet. Im Prozess betrifft sie das Urteil. Auch im seit dem Spätmittelalter aufgenommenen römischen Recht fehlt noch eine allgemein anerkannte Lehre der Unwirksamkeit von Verträgen, doch wird die Unwirksamkeit bereits als (lat. [F.]) nullitas bezeichnet.
Lit.: Kaser §§ 9 I, 84 II 31; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 413; Kriechbaum, M., Teilnichtigkeit und
Gesamtnichtigkeit, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 39;
Düwel, L., Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006
Nichtigkeitsbeschwerde ist die Nichtigkeit behauptende Beschwerde gegen eine
gerichtliche Entscheidung. Sie wird auf umstrittener Grundlage in Italien seit
dem 12. Jh. für grobe Verfahrensfehler (bei einer [lat.] sententia [F.] nulla)
allmählich entwickelt (lat. querela [F.] nullitatis). Seit dem 16. Jh. wird sie
im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in unklarer Abgrenzung zur →
Appellation aufgenommen. Seit 1877/1879 kann eine Nichtigkeit nur in den
gesetzlich fest umrissenen Fällen der → Wiederaufnahme des Verfahrens
geltend gemacht werden (Nichtigkeitsklage). Im Strafverfahren des
Nationalsozialismus kann ein rechtskräftiges Urteil vom Oberreichsanwalt mit
der N. angegriffen werden. In Österreich können rechtliche Fehler eines
Schöffengerichts oder Geschworenengerichts zur Wahrung des Gesetzes vor dem
obersten Gerichtshof angefochten werden. → Nichtigkeitsklage
Lit.: Köbler, DRG 156, 235; Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, A.,
Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus
Curiae am Reichshofrat, 1973, 395; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation,
1976, 46
Nichtigkeitsklage ist
die Klage, mit der die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen
Verfahrens angestrebt werden soll. Sie wird im römisch-kanonischen Verfahren
seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen zulässig (lat. actio [F.]
nullitatis). Die Abgrenzung zu Appellation und Nichtigkeitsbeschwerde ist
unscharf. Seit 1877/1879 kann eine N. nur in den gesetzlich fest umrissenen
Fällen der → Wiederaufnahme des Verfahrens erhoben werden. Eine
besondere Ehenichtigkeitsklage ist in Deutschland seit 1. 7. 1998 nicht mehr
vorgesehen. → Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Köbler, DRG 117; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 393; Endemann, W., Das deutsche Zivilprozessrecht,
1868, Neudruck 1969, 937
Nichtschuld ist das
Fehlen einer Verbindlichkeit. Bereits das klassische römische Recht gewährt
bei Leistung auf eine N. einen Ausgleichsanspruch (lat. condictio [F.]
indebiti). Dieser wird seit dem Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation) aufgenommen (Worms 1499). → Bereicherung
Lit.: Köbler, DRG 47, 166
Nicolai, Pierre-Thomas (Aubel 1763-1836),
Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Reims Advokat in Limburg, danach
Richter im französisch gewordenen Gebiet, 1800 in Lüttich und seit 1820
Politiker. Er bewirkt, dass 1821 der bereits von → Napoleon (1811)
eingeführte französische → Code civil die Grundlage der Beratung für das
erst 1838 in Kraft getretene Burgerlijk Wetboek der → Niederlande wird
und damit die Niederlande im französischen Rechtskreis verbleiben und das 1830
verselbständigte → Belgien vom neuen niederländischen Privatrechtsgesetzbuch
erst gar nicht erfasst wird.
Lit.: Dievoet, E. van, Het burgerlijke recht, 1943, 23
Niebuhr, Barthold Georg (Kopenhagen 27. 8. 1776-Bonn 2. 1. 1831), Geographensohn,
wird nach dem Studium in Kiel, London und Edinburgh Staatsbediensteter in
Dänemark (1800) und Preußen. Sein Hauptwerk ist die „Römische Geschichte“ (Bd.
1ff. 1811ff.). 1816 entdeckt er auf einen Hinweis Savignys in der Bibliothek
des Domkapitels von Verona eine Handschrift der Institutionen des → Gaius
(Palimpsest des 8. Jh.s einer Handschrift des 5./6. Jh.s.).
Lit.: Söllner § 16; Gaius, Institutionum commentarii
quattuor, hg. v. Studemund, G., 1874; Rytkönen, S., Barthold Georg Niebuhr,
1968; Wilte, B., Der preußische Tacitus, 1979
Niederdeutsch ist das
nicht von der (althochdeutschen) Lautverschiebung erfasste, räumlich den
niedrig liegenden Norden betreffende Deutsche (altniederfränkisch,
altsächsisch, mittelniederdeutsch [z. B. → Sachsenspiegel]), das in der
Neuzeit schriftsprachlich dem Hochdeutschen unterliegt und nur noch
umgangssprachlich fortbesteht (Plattdeutsch).
Lit.: Köbler, G., Altniederdeutsch-neuhochdeutsches und
neuhochdeutsch-altniederdeutsches Wörterbuch. 2. A. 1982; Niederdeutsche
Sprache und Literatur der Gegenwart, hg. v. Stellmacher, D., 2004
Niederer Adel ist in
neuzeitlich-abwertender Bezeichnung der nur ritterbürtige, teils aus der
Unfreiheit aufgestiegene → Adel im Gegensatz vor allem zum
Landesherrschaft habenden Adel.
Lit.: Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels,
1937; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Rödel, V.,
Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979
Niedere Vogtei ist im
deutschen Südwesten der frühen Neuzeit ein aus dem Niedergericht
hervorgegangenes Bündel grundherrschaftlicher und gerichtsherrlicher Rechte
(des Reichssteuern einsammelnden Grundherrn?).
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975, 78, 198
Niedergericht ist
das für Klagen um → Schuld und bewegliche → Sachen sowie für
leichtere Straffälle zuständige → Gericht im Gegensatz zum →
Hochgericht und Blutgericht. N. ist etwa das Zentgericht, Gogericht,
Schulzengericht, Vogteigericht, Erbgericht, Dorfgericht, Hofmarkgericht oder
teilweise auch das Landgericht. Den Ausgangspunkt bildet wohl die Aussonderung
einfacher Sachen aus dem Grafengericht bereits im Frühmittelalter. Im 13. Jh.
steht das N. allgemein dem Landesherrn zu. Danach geht es weitgehend auf die
Grundherren über (Patrimonialgericht). Die genaue Zuständigkeitsabgrenzung
erfolgt zeitlich-räumlich nicht gleichmäßig. Vom N. kann zunehmend an ein
Obergericht appelliert werden.
Lit.: Grosch, G., Das spätmittelalterliche Niedergericht
auf dem platten Lande am Mittelrhein, 1906; Weimann, K., Das tägliche Gericht,
1913; Goetz, G., Niedere Gerichtsherrschaft und Grafengewalt im badischen
Linzgau, 1913; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, Neudruck 1958, 50;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergerichte, 1929; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 6; Linderkamp, H., Niedergerichtliche
Strafformen und ihre Anwendung nach Quellen der Rechtspraxis, 1985; Sagstetter,
M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern,
2000
Niederlagsrecht ist
das Recht eines Ortes, von durchreisenden Händlern die Niederlage ihrer Waren
zum Verkauf am Ort zu verlangen. Es ist beispielsweise im 13. Jh. für Breslau
bezeugt. Es wird meist durch stadtherrliches Privileg erlangt. Es endet im
Liberalismus des 18./19. Jh.s (Hannoversch-Münden 1823, Köln 1831).
Lit.: Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht,
1939; Henning, F., Handelsordnungen des Mittelalters, (in) Scripta mercaturae,
Bd. 2 1970, 41
Niederlande sind
der am Einfluss des Rheins in das Meer gelegene nordwestmitteleuropäische
Staat. Das betreffende, ursprünglich von Franken, Friesen und wohl auch Sachsen
besiedelte Gebiet (anfangs zwischen Somme und Ems) gelangt im Spätmittelalter
allmählich an den Herzog von Burgund und nach dem Aussterben der für die N.
1473 in Mecheln einen obersten Gerichtshof errichtenden Herzöge von Burgund
(1477) an die → Habsburger, die es 1521 an ihre spanische Linie geben
bzw. 1548 im Augsburger Vertrag vom Reich verselbständigen und 1555, nun als N.
(frz. Pays d’en Bas) bezeichnet, in der spanischen Linie an Philipp II. geben.
Seit 1565 wehren sich Adlige in dem seit etwa 1540 zunehmend zum Calvinismus
bekehrten Gebiet (von insgesamt 17 Landen) gegen die Verdichtung der
habsburgisch-spanischen Herrschaft, unter der 1570 Criminele Ordonnantië das
Strafrecht festlegen. Mit dem 1. 4. 1571 beginnt ein Aufstand, in dessen
Verlauf am 18. 7. 1572 zwölf Städte in Seeland und Holland Wilhelm von Oranien
zum königlichen Statthalter wählen (1650-1672, 1702-1747, ab 1795
statthalterlos). 1581 entsteht daraus ein loser Staatenbund der sog.
Generalstaaten (Republik der Vereinigten Niederlande). 1648 werden die seit
1635 mit Frankreich verbündeten Generalstaaten als eigener, vom Reich gelöster
Staat (Republik) (von Spanien) anerkannt. In ihm wählen die Stände den
Statthalter, dessen Amt im Hause Oranien eine gewisse Erblichkeit erlangt.
Zugleich erwerben die N. umfangreiche Kolonien. Seit 1798 beginnt unter der
Herrschaft Frankreichs (1795) in der daraufhin gebildeten Batavischen Republik
die Vereinheitlichung des bis dahin sehr zersplitterten (z. B. friesischen,
holländischen, seeländischen, geldrischen), subsidiär gemeinrechtlich
orientierten Rechts (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk
[Verfassung], 1799 Entwurf einer Zivilprozessordnung und Kriminalprozessordnung,
1801/1804 Entwurf eines peinlichen Gesetzbuchs, ab 1806/1807 Arbeiten an einem
Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs). 1806 wandelt Napoleon die Republik in
ein Königreich um (König Louis Bonaparte 1806-1810). Zum 1. 2. 1809 wird nach
dem Vorbild Frankreichs ein Kriminalgesetzbuch für das Königreich Holland und
am 1. 5. 1809 das Gesetzbuch Napoleons (Code Napoleon, Bürgerliches Gesetzbuch)
für das Königreich Holland in Kraft gesetzt. Am 9. 7. 1810 wird Holland mit
Frankreich vereinigt. 1811 wird das Recht Frankreichs im ehemaligen Holland
eingeführt. Mit Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig lösen
sich die N. 1813 als Fürstentum wieder von Frankreich. Im März 1814 wird eine
Verfassung (Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande) verkündet. Zur
gleichen Zeit werden südliche Gebiete, die 1713/1714 nach dem spanischen
Erbfolgekrieg von Spanien an Österreich gelangen, und das Hochstift Lüttich dem
aus dem Fürstentum sich bildenden Königreich der Vereinigten N. angefügt. 1830
lösen sich diese teilweise frankophonen Gebiete im selbständig werdenden →
Belgien von den Niederlanden. Am 1. 10. 1838 erhalten die N. nach dem Vorbild
des → Code civil ein Bürgerliches Gesetzbuch (1970ff. erneuert), ein Handelsgesetzbuch,
eine Zivilprozessordnung und eine Strafprozessordnung (1926 erneuert), 1881/1886
ein Strafgesetzbuch. Ab 1951 wirkrn die N. an der Bildung der europäischen
Gemeinschaften mit.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG; Köbler,
DRG 129, 130, 170, 256; Fockema-Andreae, S., Overzicht van oud-nederlandsche
Rechtsbronnen, 1881; Gratama, M., Het onuitgegeven Landrecht van Drenthe, 1883;
Westerkamp, J., Das Bundesrecht der Republik der vereinigten Niederlande, 1890;
Turba, G., Über das rechtliche Verhältnis der Niederlande zum deutschen Reich,
1903; Andreae, F., Über den Ursprung der niederländischen Rechte, ZRG GA 30
(1909), 1; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913; Gossen, J.,
De rechterlijke Organisatie van Zeeland, 1917; Müller, E., Eine niederländische
Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 38 (1917), 305; Van Apeldoorn, Geschiedenis
van het nederlandische huwelijksrecht voor de invoering van de fransche
wetgeving, 1925; Blécourt, A., Kort begrip van het oud-vaderlandsch burgerlijk
Recht, 1922, 2. Druk 1924 (mit Bewijsstukken, 1924, 1926), 6. A. 1950;
Bijnkershoek, C. van, Observationes tumultuariae, hg. v. Meijers, E. u. a.,
Bd. 1f. 1926ff.; Gosses, J., Welgeboren en Huislieden, 1926; Schaap, H.,
Philips Wielant en diens Corte Instructie, 1927; Monté ver Loren, J. de, De
historische ontwikkeling van de begripen bezit en eigendom, 1929 (Diss. jur.
Utrecht); Fischer, H., De geschiedenis van de reëlle executie bij koop, 1934;
Pitlo, R., De ontwikkeling der esecuteele, 1941; Dievoet, E. van, Het
burgerlijk recht, 1943; Huizinga, J., Herbst des Mittelalters, 1945; Overdiep,
G./Tjessinga, J. C., De Rechtsomgang van Franekeradeel 1406-1438, 1950; Aubin,
H./Menzel, E., Die niederländischen Ansprüche auf die Emsmündung, 1951;
Feenstra, R., A quelle époque les Provinces-Unies sont-elles devenues
indépentes, TRG 20 (1952), 30, 182; Vries, K. de, Bijdrage tot de kennis van
het strafprocesrecht in de Nederlandse steden, (1956); Lademacher, H., Die
Stellung des Prinzen von Oranien als Statthalter in den Niederlanden von 1572
bis 1584, 1958; Schneppen, H., Niederländische Universitäten und deutsches
Geistesleben, 1960; Westerink, G., Doornspijk en Elburg, 1961; Andreae, F., De
Nederlandse staat, 1961; Costumen van’s-Gravenhage 1451-1609, hg. v. Hart, G.
t’ u. a., 1963; Petri, F., Die Kultur der Niederlande, Handbuch der Kulturgeschichte,
Lieferungen 68-72, 80-84, 1964; Wedelind, W.-, Bijdrage tot de kennis van de
ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken, 1971; Bibliografie Nederlandse
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Bd. 1ff. 1971ff; Hardenberg, L., Der dreizehnte Pfennig, ZRG GA 90 (1973), 185;
Simons, C., Marine justitie, 1974; Gerbenzon, P./Algra, N., Voortgangh des
rechtes, 5. A. 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,58,522,973, 2,2,744,1399, 3,1,1191, 3,2,2603, 3,3,3402,3732,3801,3901,3979,4099;
Spruit, J., Niederländische rechtsgeschichtliche Literatur aus den Jahren
1945-1975, ZRG GA 92 (1975), 371; Huusen, A., De codificatie van het
Nederlandse huwelijksrecht 1795-1838, 1975 (Eherecht); Consilium Magnum
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door de Kerk?, 1979; Jappe Alberts, W., Het middeleeuws keurboek van de stad
Doetinchem, 1979; Gall, H., Bronnen van de Nederlandse Codificatie, Persoenen-
en Familienrecht 1798-1820, 1981; De Ontwerpen lijfstraffelijk wetboek 1801 en
1804, hg. v. Moorman van Kappen, O. u. a., 1982; Brokken, H., Het ontstaan van
de hoekse en kabeljauwse twisten, 1982; Faber, S., Strafrechtspleging en
criminaliteit te Amsterdam 1680-1811, 1983; Lademacher, H., Geschichte der
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1986; Schepper, H., de, Belgium Nostrum, 1987; Godding, P., Le droit privé dans
les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987;
Schilling, J./Täubrich, R., Niederlande, 1988; Moormann van Kappen, O., Ein
Rückblick anlässlich der Hundertjahrfeier des niederländischen Strafgesetzbuches,
ZRG GA 105 (1988), 256; Godding, P., Le droit privé, 1993; Lademacher, H., Die
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Niederlande, Belgiens und Luxemburga im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Israel,
J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O., Zur politischen und
verfassungsrechtlichen Bedeutung der batavischen Umwälzung, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; North, M., Geschichte der Niederlande, 1997;
Mörke, O., Stadtholder oder Staetholder?, 1997; Arndt, J., Das Heilige Römische
Reich und die Niederlande, 1998; Moorman van Kappen, O., Zwei Jahrhunderte
niederländische Kodifikationsgeschichte (1797-1997), (in) Kodifikation und
Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1997, 137; Honoris causa, hg. v.
Coppens, E., 1999; Gallin, I., Rechtsetzung ist Machtsetzung, 1999; De Monté
ver Loren, J., Hoofdlijnen uit de ontwikkeling der rechterlijke organisatie in
de Noordelijke Nederlanden, 7. Druck 2000; Sap, J., The Netherlands
Constitution, 2000; Milton, G., Muskatnuss und Musketen, 2001; Koenigsberger,
H., Monarchies, States generals and Parliaments, 2001; Weis, M., Les pays-bas
espagnols, 2003; Hogenstijn, C., Het algemeen welzijn van het volk, 2004;
North, M., Geschichte der Niederlande, 2. A. 2005; Cumulatieve editie van het
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Oranien (1533-1584). Fürst und Vater der Republik, 2005; Kok, G., In dienst van het recht – uit de geschiedenis
van het Gerichtshof ‘s-Gravenhage en de daaraan vooraf gegane hoven
(1428-heden),2005; Wassink, J., Van stad en bitenie, 2005; Becker, H., De
Etstoel van Drenthe, 2005; Eggens, A., Van daad tot vonnis, 2005; Bosch, A., De
ontwikkeling van het strafrecht in Nederland van 1795 tot heden, 4. A. 2005, 5.
A. 2008; Maczkiewitz, D., Der niederländische Aufstand gegen Spanien
(1568-1609), 2005; Roes, H., Het naaste bloed erfde het goed, 2006; Nederland
in Franse schaduw, red. v. Sirks, A. u. a., 2006; Leenknegt, G. u. a., Opstand
en Eenwording, 2006; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Braake, S. ter, Met recht
en rekenschap - de amtenaren bij het Hof van Holland, 2007; Trillo, A.,
Geschichte des Aufstandes und der Kriege in den Niederlanden, hg. v.
Bacigalupe, M. u. a., 2008; Onder de huidige omstandigheden. De Hoge Raad en
het Toetsingsarrest 1943, hg. v. Venema, D. u. a., 2008; The Old Library of the
Supreme Court of the Netherlands, hg. v. Pikkemat, J., 2008; Verfassungsdokumente
Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008;
Van Hofstraeten, B., Juridisch Humanisme en costumiere acculturatie, 2008Seggern,
H. v., Geschichte der burgundischen Niederlande, 2009; Van der Velden, B., Van
Praktizijnsobleiding tot juridische Faculteit, 2009
Niederösterreich ist das unter (östlich) der Enns gelegene Land → Österreichs (bis 1918 amtlich Österreich unter der Enns). Es steht am Beginn der Geschichte von (ahd.) ostarrihhi (996). Zeitweise besteht eine erweiterte Ländergruppe N. (mit Oberösterreich). 1542 und 1552 werden Polizeiordnungen der niederösterreichischen Ländergruppe erlassen. Ausgearbeitete Landrechte bleiben Entwürfe (Institutum Ferdinandi 1526, Entwurf Wolfang Püdlers 1573, Entwurf Strein-Linsmayr 1595, Entwurf der vier Doktoren 1654 [teilweise als Einzelgesetz in Kraft gesetzt Vormundschaftsordnung 1669, Tractatus de iuribus incorporalibus 13. 3. 1679 und neue Satz- und Ordnung vom Erbrecht außer Testament 28. 5. 1720]). 1650 wird eine Landesordnung für Österreich unter der Enns geplant, 1656 nach dem Vorbild der Constitutio Criminalis Carolina (1532) eine Strafzumessung und Konkurrenzen ausführlicher behandelnde peinliche Landgerichtsordnung erlassen (Ferdinandea, verwertet in der peinlichen Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707 und der Constitutio Crimininalis Theresiana von 1768).. Bis 1806 ist N. mit Oberösterreich ein einziges Reichslehen. Von 1804 bis 1918 ist es ein Kronland, ab 1918 ein Land Deutschösterreichs bzw. Österreichs (1939-1945 mit nördlichem Burgenland Reichsgau Niederdonau). Nach der Herausnahme Wiens aus N. als eigenes Bundesland (1921/1. 1. 1922) gibt sich N. 1997 eine eigene Hauptstadt in Sankt Pölten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Motloch, T., Bericht
des Dr. Wolfgang Püdler über den Entwurf einer Landtafel, ZRG GA 21 (1900),
235; Von der Ennswaldsiedlung zur niederösterreichischen Stadt Haag, bearb. v.
Frieß, E. u. a., 1957; Gutkas, K., Geschichte des Landes Niederösterreich,
1958, 6. A. 1983; ¸Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964;
Mitterauer, M., Zollfreiheit und Marktbereich, 1969; Feigl, H., Der
niederösterreichische Bauernaufstand 1596/97, 1972; Brauneder, W., Zur
Gesetzgebungsgeschichte der niederösterreichischen Länder, FS H. Demelius,
1973, 1; Die Rechtsquellen der Stadt Weitra, hg. v. Knittler, H., 1975;
Wesener, G., Das Verfahren vor der niederösterreichischen und
innerösterreichischen Regierung, Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde
der Steiermark 27 (1979), 181; Die Auswirkungen der
theresianisch-josephinischen Reformen auf die Landwirtschaft, hg. v. Feigl,
H., 1982; Schmitz, C., Die Anfänge des Parlamentarismus in Niederösterreich,
1985; Feigl, H., Recht und Gerichtsbarkeit in Niederösterreich, 1989; Wesener,
G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen
Ländern, 1989; Kohl, G., Die Anfänge der modernen Gerichtsorganisation in
Niederösterreich, 2000
Niederrhein (Rhein in seinem der Mündung in
die See nahen Verlauf samt dem umliegenden Gebiet, Gegensatz Oberrhein zwischen
Baden und Elsass)
Lit.: Becker, N., Das
Land am unteren Niederrhein, 1992
Niedersachsen ist ein am 1. 11. 1946 vor allem aus dem Land Hannover Preußens, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe gebildetes deutsches Bundesland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roshop, U., Die
Entwicklung des ländlichen Siedlungs- und Flurbildes in der Grafschaft
Diepholz, 1932; Niedersächsischer Städteatlas, Abt. 2 Einzelne Städte, hg. v.
Meiler, P, 1933ff.; Mauersberg, H., Beiträge zur Bevölkerungs- und
Sozialgeschichte Niedersachsens, 1938; Angres, D., Die Geschichte der Vogtei in
der Stadt Hameln, 1951; Niedersächsisches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., 1952;
Schnath, G., Das Sachsenross, 1958; Hagemann, A., Um die Fohlentheorie, ZRG GA
81 (1965), 365; Schnath, G. u. a., Geschichte des Landes Niedersachsen, 2. A.
1973, Neudruck 1988; Geschichte Niedersachsens, hg. v. Patze, H., Bd. 3, 1 1988;
Hucker, B. u. a., Geschichte Niedersachsens, 1997; Übergang und Neubeginn, hg.
v. Merker, O., 1997; Niedersächsische Juristen, hg. v. Rückert, J. u. a., 2003;
Handbuch der niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte, hg. v. Wieden,
B. bei der, Bd. 1 2004; Kroeschell, K., Recht unde Unrecht der Sassen, 2005
Niederschlesien →
Schlesien
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Niemand kann zwei Herren
dienen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. von
R. Schmidt-Wiegand, 1996, 177 (Matthäus 6,24)
Nießbrauch (lat.
[F.] ususfructus) ist die Belastung einer fremden (unverbrauchbaren) Sache in
der Weise, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist,
die Nutzung (z. B. Mietzinsen) der Sache zu ziehen (höchstpersönliche
Personalsrevitut, beschränktes dingliches Recht). Der N. entwickelt sich in Rom
wohl seit dem 3. Jh. v. Chr. zur Versorgung von Witwen und Töchtern. Dem
entspricht auch das deutsche Recht (→ Leibgeding u. a.). Seit dem
Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen und ususfructus als N.
übersetzt. Vgl. §§ 509ff. ABGB.
Lit.: Kaser § 29 I; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 41, 61; Hübner, R., Donationes post obitum, 1888; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Deichmann, P., Das Rechtsverhältnis
zwischen Eigentümer und Nießbraucher, Diss. jur. Bonn 1998; Heger, M., Der
Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004
Niftelgerade → Gerade
Nihil obstat (lat.). Es steht nichts entgegen
Nikolaus de Tudeschis (Catania
1386-Palermo 1445 [Panormitanus]) wird nach dem Studium des Kirchenrechts in
Bologna 1412 Professor in Bologna, danach in Parma und Siena, 1434 Erzbischof
von Palermo. Vielfach wird er im Rahmen des Konzils von Basel tätig (1432-1433,
1436-1439). Zwischen 1420 und 1430 verfasst er die (lat.) Commentaria (N.Pl.)
in quinque decretalium libros (Kommentare in die fünf Bücher Dekretalen). In
dieser bedeutendsten Leistung der Kirchenrechtswissenschaft des 15. Jh.s
übernimmt er bereits in Bezug auf allgemeine Rechtsbegriffe Vorstellungen aus
dem weltlichen Recht der Kommentatoren (→ Bartolus).
Lit.: Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nicolaus de
Tudeschis, 1964
Nikolaus von Kues (Kues
1401-Todi 11. 8. 1464), Sohn des Schiffers Johann Cryftz (Henne Krebs), wird nach
dem Studium der freien Künste in Heidelberg und des Kirchenrechts in Padua
Berater des Erzbischofs von Trier, 1448 Kardinal und 1450 Bischof von Brixen.
Er ist in Abkehr von der → Scholastik einer der ersten Humanisten
Deutschlands. Für die Verfassungsgeschichte ist seine (lat.) Concordantia (F.)
catholica (1433, Katholische Konkordanz) von großer Bedeutung, in der er aus
dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von Gegensätzlichkeiten ein Reformprogramm für
das Reich vorschlägt.
Lit.: Köbler, DRG 99, 110; Molitor, E., Nikolaus von Cues
und die deutsche Rechtsgeschichte, ZRG 40 (1919), 273; Nicolai de Cusa opera,
hg. Meiner, F., Bd. 1ff. 1932ff.; Cusanus-Gedächtnisschrift, hg. v. Grass, N.,
1970; Grass, N., Cusanus und das Volkstum der Berge, 1972; Meuthen, E.,
Nikolaus von Kues, 6. A. 1985; Flasch, K., Nikolaus von Kues, 1988; Flasch, K.,
Nicolaus Cusanus, 2001; Nikolaus von Kues, hg. v. Winkler, N., 2001
Nimwegen (Nijmegen)
am südlichen Waalufer erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 69/70 n.
Chr. als römisches Batavodurum, das um 104 n. Chr. in Ulpia Noviomagus
(Neumarkt) umbenannt wird. 1230 wird es Reichsstadt. 1577 gelangt es an die
Niederlande. 1923 erhält es (nach einem frühneuzeitlichen Vorläufer) eine
(katholische) Universität (2004 Radboud-Universität).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Leupen, R./Thissen, B.,
Bronnenboek van Nijmegen, 1981; Clevis, H., Nijmegen, 1990
nobilis (lat.)
adelig → Adel
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie, ZRG
GA 19 (1898), 76; Stadtadel und Bürgertum, hg. v. Elze, R. u. a., 1991;
Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997
Noblesse de robe ist eine
Bezeichnung für die in der frühen Neuzeit einsetzende Gleichstellung der
Inhaber hoher Ämter in Recht und Verwaltung mit dem Adel (z. B. Edikt Ludwigs
XIV. von 1644). Den (lat.) doctor (M.) iuris stellt bereits → Bartolus im
14. Jh. dem Adligen gleich.
Lit.: Bluche, F./ Durye, P.,
L’anoblissement par charges avant 1789, Bd. 1f. 1962
nocivi (M.Pl.) terrae (lat.) →
landschädliche Leute
Lit.: Köbler, DRG 117
nominatio (lat.
[F.]) Benennung (eines Bewerbers für ein Amt)
nomos (griech.
[M.]) Gesetz
Lit.: Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995
Nona (lat. [F.]
Neunte) ist eine im Frühmittelalter kurzzeitig bestehende Abgabe des Zehntels
der Erträge neben dem → Zehent.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kotte, R., Studien zum Einfluss
des Alten Testamentes, 2. A. 1970, 57
Nonne (F.) Ordensangehörige
Lit.: Weinhandl, M., Deutsches Nonnenleben, 1921; Parisse,
M., Les nonnes, 1983; Medieval religions Women, 1984ff.
Noodt, Gerard
(Nijmegen 1647-Leiden 1725) wird nach dem Rechtsstudium im Nijmegen, Leiden und
Franeker Advokat und 1671 Professor in Nijmegen, 1679 in Franeker, 1684 in
Utrecht und 1686 in Leiden. Seine meist kleineren Schriften weisen ihn als
antiquarischen Humanisten aus, der durch seine kritisch-vernünftige
Grundhaltung die Aufklärung vorzubereiten hilft.
Lit.: Bergh, G.
van den, The Life and Work of Gerard Noodt, 1988
Nordatlantische Verteidigungsorganisation (North
Atlantic Treaty Organization, NATO, 4. 4. 1949 Vereinigte Staaten von Amerika,
Kanada, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Luxemburg,
Dänemark, Island, Italien, Norwegen, Portugal, bis 2009 28 Mitglieder)
Lit.: Masala, C., Den
Blick nach Süden?, 2003; Hauser, G., Die NATO, 2008; Varwick, J., Die Nato,
2008; Gersdorff, G. v., Die Gründung der Nordatlantischen Allianz, 2009
Norddeutscher Bund ist der auf Vorschlag → Preußens am 18. 8. 1866 an Stelle des aufgelösten → Deutschen Bundes tretenderBundesstaat (22) norddeutscher Staaten (Preußen mit Lauenburg, die nördlich des Mains gelegenen Teile des Großherzogtums Hessen, 17 Monarchien, 3 Stadtrepubliken). Seine Verfassung vom 16. 4. 1867 tritt am 1. 7. 1867 in Kraft (Präsidium [König von Preußen] mit gegenzeichnungsberechtigtem Bundeskanzler, Reichstag, Bundestag, 1869 Bundesoberhandelsgericht in Leipzig). Nach dem mit süddeutscher Waffenhilfe errungenen Sieg über Frankreich treten Baden, Hessen-Darmstadt (15. 11. 1870), Bayern (23. 11. 1870) und Württemberg (25. 11. 1870) durch Verträge dem zum 1. 1. 1871 zum → Deutschen Reich umgeformten Norddeutschen Bund bei. Der Norddeutsche Bund erlässt u. a. ein Gesetz über die Freizügigkeit (1. 11. 1867), über die Gleichberechtigung der Konfessionen (3. 6. 1869), eine Gewerbeordnung (21. 6. 1869), ein Strafgesetzbuch (31. 5. 1870) und ein Bundes- und Staatsangehörigkeitsgesetz (1. 7. 1870).
Lit.: Köbler, DRG 172, 194; Kroeschell, DRG 3; Kroeschell,
20. Jh.; Hiersemenzel, E., Die Verfassung des Norddeutschen Bundes, 1867;
Binding, K., Die Gründung des Norddeutschen Bundes, 1889; Wilhelm R., Das
Verhältnis der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund, 1978; Schubert, W.,
Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983,
149; Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985
Norddeutscher Reichsbund
ist ein im August 1806 von Preußen geplanter, spätestens am 9. 7. 1807
verhinderter Bund norddeutscher Staaten unter einem Direktorium des Kaisertums
Preußen und der Königtümer Sachsen und Hessen.
Lit.: Conrad, H., Rheinbund und Norddeutscher Reichsbund,
(in) Gedächtnisschrift H. Peters, 1967, 50
Nordeuropa → Skandinavien
Lit.: Dethlefsen, O.,
Die nordische Einheitsbewegung, 1941
Nordhausen
Lit.: Meißner, G., Das Kriegswesen
der Reichsstadt Nordhausen, 1939
Nordhorn
Lit.: Specht, H.,
Stadt- und Wirtschaftsgeschichte von Nordhorn, 1941
Nordisches Recht ist die Gesamtheit des älteren skandinavischen (altnorwegisch-isländischen, altschwedischen und altdänischen) Rechts. Es ist seit dem 12. Jh. in zahlreichen volkssprachigen Rechtsbüchern Norwegens ([ostnorwegisch] Borgarthingsbok, Eidsivathingsbok, [westnorwegisch] Frostathingsbok, Gulathingsbok, Hirdskra), Islands (Ulfljots log, Haflidaskra 1117/1118, Gragas 1258/1271), Schwedens (Westgötalagh 1220-2. H. 13. Jh., Ostgötalagh um 1300, Gutalagh 1285, Södermannalagh Ende 13. Jh.s?, Westmannalagh um 1330, Helsingelagh 1329/1350, Uplandslagh 1296) und Dänemarks (Skanske Lov 1200/1210, Liber legis Scaniae, Sialanzfarae logh vor 1241, Jyske Lov bzw. Jydske Lov 1241) überliefert, die öfter einen eigenen Abschnitt Christenrecht enthalten. Dazu kommen als Gesetzbücher das Landrecht (Landslög) König → Magnus Hakonarsons von 1274, das Stadtrecht von Bergen (1276), die Jarnsida (1271/1273), die Jonsbok (1281) und das schwedische Landrecht König Magnus Erikssons (1347). Die älteren Verhältnisse um die Jahrtausendwende bezeugen die Isländersagas. Die Gegebenheiten am Königshof lässt der altnordische Königsspiegel (1260/1265) erkennen. → Dänemark, → Finnland, → Island, →Norwegen, → Schweden
Lit.: Grenander, B., Ur
förhandlingsprincipens historia, 1879; Amira, K. v., Nordgermanisches
Obligationenrecht, Bd. 1f. 1882ff.; Brandt, F., Forelæsninger over den norske Retshistorie,
1883; Lehmann, K., Verzeichnis der Literatur der nordgermanischen
Rechtsgeschichte, ZRG GA 7 (1886), 205; Lehmann, K., Zur Abwehr, ZRG GA 8
(1887), 165; Lehmann, K., Zweiter Nachtrag, ZRG GA 8 (1887), 170; Lehmann, K.,
Verzeichnis der von 1887 bis 1888 erschienenen Literatur, ZRG GA 10 (1889),
246; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte,
1902; Maurer, K., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1f.
1907ff.; Motzfeldt, U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Heusler, A.,
Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Lehmann, K., Zum altnordischen Kriegs-
und Beuterecht, 1913; Østberg, K., Norsk Bonderet 1f., 1914ff.; Pappenheim, M.,
Rasengang und Fußspurzauber, ZRG GA 40 (1919), 70; Bull, E., Leding, (um 1922);
Taranger, A., Norsk familierett, 2. A. 1926; Schultze, A., Die Rechtslage des
alternden Bauers nach den altnordischen Rechten, ZRG GA 51 (1931), 258; Vogt,
W., Fluch, Eid, Götter – altnordisches Recht, ZRG GA 57 (1937), 1; Schwerin, C.
Frhr. v., Dänische Rechte, 1938; Schultze, A., Zum altnordischen Eherecht, 1939
(SB Leipzig); Eckhardt, K., Nordische Chronologie, 1940; Eckhardt, K., Der
Wanenkrieg, 1940; Eckhardt, K., Bragi, der Alte, ZRG GA 62 (1942), 1; Erler,
A., Das Ritual der nordischen Geschlechtsleite, ZRG GA 64 (1944), 86; Rehfeldt,
B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1f. 4. A. 1960; See, K.
v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Nordisk rättshistorisk litteratur
1956-1965, zusammengestellt v. Carlsson, S., 1972; Forssell, H.,
Tredjemansskydetts gränser, 1976; Ehrhardt, H., Der Stabreim in altnordischen
Rechtstexten, 1977; Modéer, K., Nordische rechtshistorische Literatur, ZNR 1
(1979); Nordisk rättshistorisk litteratur 1966-1975, zusammengestellt v.
Carlsson, S., 1980; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dübeck, I., De
nordiske lovböger, (in) Rättshistoriska studier II 4, 1988; Rechtsgeschichte
und theoretische Dimension, red. v. Peterson, C., 1990; Björne, L., Nordisk
Rättskällelära, 1991; Grönberg, L., Nordisk rättshistorisk litteratur
1976-1980, 1991; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993;
Björne, L., Patrioter och institutionalister, Den nordiska rättsvetenskapens
historia del I 1995 (bis 1815); Björne, L., Brytningstiden, Den nordiska
rättsvetenskapens historia del II 1998 (1815-1870), Björne, L., Den konstruktiva riktningen. Den nordiska rättsvetenskapens
historia del III (1871-1910), 2002; Tamm, D., Justizforschung, germanisches
Recht und nordische Rechtsgeschichte, ZRG 120 (2003), 347; Ruthström, B., Land
och fæ, 2003; Sandström, M., Rättsvetenskapens Princip, 2004
Nördlingen
Lit.: Nördlinger
Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Müller, K., 1933; Kudorfer, D.,
Nördlingen, 1974
Nordrhein-Westfalen ist ein vor allem aus Teilen Preußens am 23. 8. 1946 gebildetes deutsches Land.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hundert Jahre
Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, 1988; Romeyk, H., Kleine
Verwaltungsgeschichte Nordrhein-Westfalens, 1988; Freis, G., Die Reform der
Gemeindeverfassung, 1998; Haunfelder, B., Nordrhein-Westfalen, 2006; Düding,
D., Parlamentarismus in Nordrhein-Westfaeln 1946-1980, 2008
Nordsee
Lit.: Aubin, H.,
Rechtsgeschichtliche Betrachtungen zum Norseeraum, ZRG GA 72 (1955), 1
Noricum ist eine nach ihren zwischen 12 und 9 v. Chr. von den Römern unterworfenen, vorrömischen Bewohnern (Norer, Noriker) und deren Reich (um 200 v. Chr.) benannte römische Provinz (50 n. Chr.-5. Jh.) in den Alpen. In der Folge wird bis in das 15. Jh. Bayern auch als N. bezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG, 28, 50; Baltl/Kocher; Zibermayr, I.,
Noricum, Baiern und Österreich, 1944, 2. A. 1956; Alföldy, G., Noricum, 1974
Norm ist eine seit
dem 13. Jh. aus dem Lateinischen aufgenommene Bezeichnung für Regel, Vorschrift
oder Rechtssatz.
Lit.: Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex
Salica, ZRG 89 GA (1972), 1; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957;
Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und Schrift
im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281; Wesener, G., Die
privatrechtlichen Normen des usus modernus, (in) Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, 1987, 279; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997;
Norm und Tradition, 1998; Brinkmann, B., Varietas und veritas. Normen und
Normativität in der Zeit der Renaissance, 2001; Dilcher, G., Normen zwischen
Oralität und Schriftkultur, 2008
Normaljahr ist ein
für eine rechtliche Folge als normal zugrunde gelegtes Jahr (z. B. 1624 für den
Bekenntnisstand im Westfälischen Frieden von 1648).
Lit.: Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1973
Normandie ist die
östlich an den Kanal zwischen dem europäischen Festland und England
angrenzende, im 9. Jh. von den → Normannen eroberte Landschaft. Von hier
aus wird 1066 der Herzog der N. König von → England. Über Heinrichs I.
von England Tochter Mathilde kommt die N. an die Anjou bzw. Plantagenets
(1144/1150), die auch Anjou (1151), Aquitanien (1152) und England (1154)
beherrschen. 1204 erobert der König von Frankreich die N. zurück. Nach ihrer
Wiedergewinnung durch England (1417-1420) gelangt sie 1450 endgültig an
Frankreich zurück. 1199/1200 bzw. 1220 entsteht der Très ancien →
coutumier de Normandie, zwischen 1254 und 1258 der Grand coutumier de Normandie
([lat.] Summa
[F.] de legibus Normannie).
Lit.: Le très ancien coutumier de
Normandie, hg. v. Tardif, E., 1881; La Summa de legibus Normannie in curia
laicali, hg. v. Tardif, E., 1896; Arresta communia Scacarii, hg. v. Perrot, E.,
1910; Pissard, H., La clameur de haro dans le droit normand, 1911; Instrucions
et ensaignements, hg. v. Besnier, G. u. a., 1912; Atiremens et jugiés
d’échiquiers, hg. v. Génestal, R. u. a., 1921; Plaids de la sergenterie de
Mortemer 1320-1321, hg. v. Génestal, R., 1924; Yver, J., Les contrats dans le
très ancien droit normand, 1926; Yver, J., L’interdiction de la guerre privée,
in : Travaux de la semainde d’histoire du droit Normand 1927, 1928;
Besnier, R., La représentation successorale, 1929; Index des termes juridiques
et économiques contenus dans le recueil des jugements de l’echiquier de
Normandie au 13e siècle v. Delisle, L./Génestal, R., 1929; Génestal,
R., Études de droit privé normand, 1 La tutelle, 1930; Le Foyer, J., L’office
héréditaire du Focarius regis Angliae, 1931; La Besnier, R., Coutume de
Normandie, 1935; Besnier, R., Les donations entre époux, RHDFE 1936, 701;
Histoire de la Normandie, 1970; Le Patourel, J., The Norman Empire, 1976;
England and Normandy, hg. v. Bates, D. u. a., 1994; Musset, J., Le régime des
biens entreépoux, 1997; Neveux, F., La Normandie, 1998
Normanne (Nordmann)
ist der in Nordfrankreich (Normandie) im 9./10. Jh. sesshaft werdende →
Wikinger. Von dem 911 an der unteren Seine auf überlassenen Land gegründeten
Fürstentum (nach 987 Herzogtum) aus greifen die bald christianisierten und
romanisierten Normannen 1066 nach England aus. Die seit 1016 in Unteritalien
als Söldner verwendeten Normannen erhalten von Kaiser Konrad II. 1038 die
Grafschaft Aversa und erobern zwischen 1057 und 1085 die Güter Byzanz‘ und
langobardischer Fürsten sowie 1061-1091 von den Arabern (Sarazenen) →
Sizilien. 1130 wird Roger II. König von Sizilien und verbindet normannisch-romanische
Gegebenheiten mit griechischen und arabischen. Bis zum 13. Jh. gehen die
Normannen in der unterworfenen Bevölkerung auf.
Lit.: Köbler, DRG 94; Haskins, C., The Normans, 1915; Kehr,
P., Die Belehnungen der süditalienischen Normannenfürsten durch die Päpste
(1059-1192), 1934 (SB Berlin); Guillaume de Poitiers, Histoire de Guillaume le Conquérant,
hg. v. Foreville, R., 1952; Norwich, J., Die Normannen in Sizilien, 2. A. 1973;
Jäschke, K., Wilhelm der Eroberer, 1977; Jäschke, K., Die Anglo-Normannen,
1981; Jahn, W., Untersuchungen zur normannischen Herrschaft in Sizilien, 1989;
Takayama, H., The Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Heller,
K., Die Normannen in Osteuropa, 1993; Chibnall, M., The Debate on the Norman
Conquest, 1999; Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten
Konflikt, 2002; Plassmann, A., Die Normannen, 2008
Normativbestimmung ist
eine durch eine → Norm aufgestellte oder wie eine Norm wirkende
Bestimmung. Im 19. Jh. wird für juristische Personen das Oktroisystem durch das
System der Normativbestimmungen ersetzt, nach dem eine juristische Person
entstehen darf, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Lit.: Köbler, DRG 207
Normenkontrolle ist
die Überprüfung einer → Norm durch ein Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit.
Ihre ersten Ansätze finden sich vielleicht noch im Heiligen römischen Reich
(bzw. 1803 in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Entscheidung Marbury
vs. Madison), jedenfalls im 19. Jh., während die N. in Frankreich weitgehend
fehlt. Im Deutschen Reich erfolgt sie zuerst durch das Obergericht Danzig ab
1923. Für die N. des bundesdeutschen Rechts ist hauptsächlich das →
Bundesverfassungsgericht zuständig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Die amerikanische Verfassung und
deutsch-amerikanisches Verfassungsdenken, hg. v. Wellenreuther, H. u. a., 1987;
Herrmann, N., Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten
Normenkontrolle im modernen Verfassungsstaat, 2001; Hoffmann-Riem, W., Das
Ringen um die verfassungsgerichtliche Normenkontrolle, JZ 2003, 269; Wittreck,
F., Die Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland,
ZRG GA 121 (2004), 415
Normtrias ist eine Lehre von der
Dreistufigkeit des Rechts (z. B. [lat. F.] lex aeterna [Weltgesetz], lex
naturalis [Naturgesetz] und lex humana [Menschengesetz]).
Northeim
Lit.: Lange, K., Der Herrschaftsbereich
der Grafen von Northeim 950-1144, 1969; Borchert, S., Herzog Otto von Northeim
(um 1025-1083), 2005
Norwegen ist der im Westen der skandinavischen Halbinsel gelegene Staat. Um 900 (872) überwindet hier König Harald I. das Kleinkönigtum. Um 1000 erfolgt die Christianisierung. 1274 schafft König Magnus Lagabœtir ein Landrecht (landslög) in neun Teilen sowie ein allgemeines Stadtrecht (bjarkeyjar réttr). Von 1319 (Aussterben des Königshauses im Mannesstamm) bis 1355 (Magnus VII. Eriksson, 1343 Hakon VI.) und von 1380 (Olaf IV. Hakonsson, 1397 Kalmarer Union von Norwegen, Dänemark und Schweden) bis 1435 bzw. 1521 ist N. (auch) mit Schweden verbunden. Von 1387 bis 1814 ist der König von Dänemark König von N. Seit 1536 ist N. überhaupt Teil Dänemarks. Von 1814 bis 1905 ist der König von Schweden nach der Loslösung Norwegens von Dänemark König von Norwegen. 1905 wird ein dänischer Prinz zum König des durch Volksabstimmung von Schweden verselbständigten N. gewählt.
Lit.: Norges gamle Love, 1. Abteilung (bis 1387) 1846ff.,
2. Abteilung (1388-1604) 1904ff.; Boden, F., Das Urteil im altnorwegischen
Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Aubert, L., Grund bøgernes Historie i Norge Danmark
og tildels Tyskland, 1892; Bugge, A., Studier over de norske byers selvstyre,
1899; Boden, Das altnorwegische Stammgüterrecht, ZRG GA 22 (1901), 109; Haff,
K., Volksgericht und Repräsentationsgericht in Norwegen, ZRG GA 42 (1921), 464;
Rynning, L., Allemandsret, 1928; Taranger, A., Trondheimens
Forfatningshistorie, 1929; Vogt, W., Zum altnorwegischen Königsfrieden, ZRG GA
52 (1932), 1; Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, übersetzt v.
Meißner, R., 1935; Vogt, W., Altnorwegens Urfehdebann und der Geleitschwur,
1936; Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Hirðskrá, hg. v.
Meißner, R., 1938; Frost, J., Das norwegische Bauernerbrecht, 1938; Johnsen,
O., Norwegische Wirtschaftsgeschichte, 1939; Frost, J., Über das Alter des
norwegischen Aasätesrechts, ZRG GA 61 (1941), 250; Bruchstücke der Rechtsbücher
des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, B., 1942; Authén-Blom,
G., Kongemakt og privilegier i Norge inntil 1387, 1967; Gurevič, A., (Die
freie Bauernschaft des feudalen Norwegens), 1967 (russisch mit englischer
Zusammenfassung); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,517,
4,4,375; Ekbom, C., Viennetionden i Norge, 1976; Holmsen, A., Norges historie,
1977; Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir,
ZRG GA 99 (1982), 252; Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1987;
Lindemann, R., Norwegen 1986; Austrup, G./Quack, U., Norwegen, 1989; Berge, F.,
Norsk historie 1905-1990, 1992; Aschehougs Norgeshistorie, Bd. 1ff. 1994ff.;
Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn,
R., Reichskommissariat Norwegen, 2000; Dänemark, Norwegen und Schweden im
Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a.,
2003; Historia Norwegie, hg. v. Ekrem, I. u. a., 2003; Barton, H., Sweden and
Visions of Norway, 2003; Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen
Norwegen, 2004
Not (Zwangslage) → echte Not;
Notar ist das (vom Staat) zur Wahrnehmung bestimmter Rechtspflegeaufgaben (z. B. Verfertigen vollbeweiskräftiger und vollstreckbarer Urkunden) bestellte unabhängige Organ der Rechtspflege. Der N. entwickelt sich aus dem spätantiken Schreiber (Schnellschreiber) bzw. Tabellionar. Er erscheint am Beginn des Hochmittalters (10./11. Jh.) in Oberitalien (in Bologna ab etwa 1030 tabellio statt notarius, in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s Rückbindung an die Autorität des Kaisers oder der Kommune, 1283 umfasst die Bologneser Notarsmatrikel 1059 Namen, im 13. Jh. werden in Lucca [bei einem Notar auf rund 100 Bewohner] vielleicht 1000000 Urkunden ausgefertigt, von denen noch 10000 erhalten sind), im frühen 13. Jh. in Frankreich und ab 1275 auch im deutschen Reich. N. ist zunächst kein ausschließlicher Beruf. Der N. wird vor allem vom Kaiser (1186, 1191), Papst oder Hofpfalzgrafen ernannt. 1512 erlässt das Reich eine Reichsnotariatsordnung. In Österreich kann sich das kaiserliche Notariat nicht behaupten. Seit 1701 versucht Preußen, kaiserliche Notare aus seinem Hoheitsgebiet fern zu halten und verlangt eine besondere Immatrikulation an einem Justizkollegium in Preußen. 1771 verzichtet es auf ein kaiserliches Notariatsdiplom als Voraussetzung für die Immatrikulation als Notar in Preußen. 1780 erhalten Advokaten, für die keine Assistenzratstelle vorhanden ist, ein Notariat. Später entwickeln sich Gebiete des Nurnotariates (z. B. Bayern, Österreich) neben Gebieten des Anwaltsnotariates (z. B. Hessen) oder des beamteten Bezirksnotariates (Württemberg). 1849 benennt Preußen den Aufgaben der Notare und Advokaten wahrnehmenden Justizkommissar in Anwalt um und schafft damit nominell das Anwaltsnotariat. In Österreich wird nach 1848 das in Frankreich modernisierte Notariat Grundlage der Notariatsordnungen von 1850 und 1871. 1934 erhalten die Notare in Preußen die Möglichkeit der Aufnahme der Auflassung. Seit 28. 8. 1969 ist in der Bundesrepublik Deutschland die Beurkundung allgemein den Notaren vorbehalten. In Baden-Württemberg soll nach einem Beschluss der Regierungsfraktionen von 2007 das beamtete Notariat bis 2018 in ein freiberufliches Nurnotariat übergeführt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 117, 270; Weißler,
A., Zur Geschichte des preußischen Notariats, 1914; Petrucci, A., Notarii,
1958; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Gerig, H., Los signos
notariales mas antiguos de Colonia, Centenario de la ley del notariado 4, 2, 2
(1963), 145; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano,
1975; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Krause, H.,
Zur apostolisch-kaiserlichen Doppelautorisation öffentlicher Notare in der
Oberpfalz, ZRG GA 95 (1978), 244; Marti, H., Die ersten Notare im Berngebiet,
Der bernische Notar 46 (1985); Schuler, P., Die Notare Südwestdeutschlands,
1987 (mehr als 1500 Personen); Bautier, R., Chartes, sceaux et chancelleries,
1990; Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra, 1991; Frischen, H., Die 44.
Novelle, Dt. Notarzs. 1992, 403; Nève, P., Schets van een geschiedenis van het
notarisambt, 1995; Neschwara, C., Geschichte des österreichischen Notariats,
1996; Notar- und Rechtsgestaltung, hg. v. d. rheinischen Notarkammer, 1998;
Schüler, H., Die Entstehungsgeschichte der Bundesnotarordnung vom 24. Februar
1961; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Hoffmann, H., Notare,
Kanzler und Bischöfe am ottonischen Hof, DA 61 (2005), 435; Meyer, A., Ser
Ciabattus, 2005¸ Bartoli Langelli, A., Notai,
2006
Notariat ist das
Amt und der Amtsraum eines → Notars sowie eine Gesamtheit von Notaren.
Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Oesterley, F., Das deutsche
Notariat, Teil 1f. 1842ff., Neudruck 1975; Weißler, A., Zur Geschichte des
preußischen Notariats, 1914; Koechling, L., Untersuchungen über die Anfänge des
Notariats in Deutschland, 1925; Luschek, F., Notariatsurkunde und Notariat in
Schlesien, 1940; Petrucci, A., Notarii, 1958; Conrad, H., Die geschichtlichen
Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, Deutsche Notarzs. 55 (1960),
3; Schultze-von Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961, 2.
A. 1980; Schiltkamp, J., De geschiedenis van het notariaat in het octrooigebied
van de west-indische compagnie, 1964; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum
Münster, Diss. jur. Münster 1964 = Westfäl. Zs. 114 (1964), 1; Meyer, A., Die
Notariatsordnungen von 1512 und 1871, 1971; Laske, W., Das österreichische
Notariat im Zeitalter des Absolutismus bis 1806, ZRG GA 92 (1975), 132;
Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano, 1975;
Schuler, P., Geschichte des südwestdeutschen Notariats, 1976; Carlen, L.,
Notariatsrecht in der Schweiz, 1976; Trusen, W., Zur Geschichte des
mittelalterlichen Notariats, ZRG RA 98 (1981), 369; Sibler, G., Entwicklung des
Zürcher Notariats, 1983; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der
Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Lönnecker, H., Das Notariat in Hessen,
Diss. phil. Marburg 1989; Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v.
Grziwotz, H., 1995; Neschwara, C., Geschichte des österreichischen Notariats,
1996; Notar und Rechtsgestaltung, 1998; Meyer, A., Felix et inclitus notarius,
2001; Neschwara, C., Österreichs Notariatsrecht in Mittel- und Osteuropa, 2000;
Het notariaat in de Lage Landen (± 1250-1842), hg. v. Gehlen, A. u. a., 2005;
Osterburg, D., Das Notariat in der DDR, 2004; Bartoli Langelli, A., Notai, 2006; Bibliographie
zur Geschichte des deutschen Notariats, hg. v. d. Bundesnotarkammer, 2007;
www.notariatsgeschichte.de
Notariatsimbreviatur →
Notariat, Imbreviatur
Notariatsinstrument ist
im Mittelalter die vom → Notar ausgestellte → Urkunde. In Bologna
erscheint die erste als → instrumentum bezeichnete Urkunde 1041. Um die
Mitte des 11. Jh.s verschwinden nach Ausweis rund 1300 bis 1150 überlieferter
Zeugnisse die Unterschriften von Ausstellern und Zeugen, als es dem Notar
gelingt, die Beglaubigungskraft auf sich zu beziehen. Ab etwa 1114/1115
erscheint römische Rechtsterminologie in den Texten (u. a. Renuntiationen). In
Oberitalien setzt sich das instrumentum in der ersten Hälfte des 12. Jh.s durch.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Meyer, A., Felix et inclitus notarius, 2001; Schulte, P.,
Scripturae publicae creditur, 2003
Notariatsordnung (z.
B. 1512, 1871) → Notar, Notariat, Ordnung
Lit.: Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v.
Grziwotz, H., 1995
notarius (M.) sacri palatii (lat.) (8.-11. Jh.) Pfalznotar
Notarsignet ist das
persönliche, anfangs frei gewählte, später verliehene Zeichen eines Notars, das
der öffentliche (kaiserliche bzw. päpstliche) Notar neben seine Unterschrift
setzt. Das erste bisher bekannte deutsche N. stammt vom 13. 1. 1274 (Roger von
Lüttich). Nicht sicher geklärt ist, weswegen der Notar nicht ein Siegel,
sondern das N. verwendet. Seit 1806 verschwindet das N. (in Bayern seit 1861).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leist, F., Die Notariats-Signete,
1897; Schmidt-Thomé, W., Vom Notarsignet zum Notarsiegel, Dt. Notarzs. 15
(1964), 455; Gerig, H., Frühe Notariats-Signete in Köln, 1971; Schuler, P.,
Südwestdeutsche Notarszeichen, 1976; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und
Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Karg, H., Notariatszeichen
in reußischen Archiven (1518-1757), 2004
Notbede → Not, Bede
Notenbank ist die
Papiergeldstücke (Banknoten, engl. banknote 17. Jh.) ausstellende Bank.
Lit.: Fengler, H., Geschichte der deutschen Notenbanken,
1992
Noterbe ist der
Erbe, der wegen Enterbung nur den Pflichtteilsanspruch erhält. Der N.
entwickelt sich im römischen Recht, in dem die formelle Nichterwähnung der
(lat.) sui heredes (M.Pl.) das Testament ungültig werden (formelles
Noterbrecht) oder den Übergangenen am Erbe teilhaben lässt, bzw. etwa seit
der Zeitenwende die materielle Nichtberücksichtigung die (lat.) querela (F.)
inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testamentes) gewährt
(materielles Noterbrecht). Die nachklassische Praxis lässt bei teilweiser
Zuwendung (nur) die Klage auf Pflichtteilsergänzug zu. Justinian verbindet
formelles Noterbrecht und materielles Noterbrecht 542 miteinander. Seit dem
Spätmittelalter wird das römische Recht im Heiligen Römischen Reich (deutscher
Nation) aufgenommen. Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten (Noterben) und der
Umfang des Pflichtteils (Noterbrechts) schwankt.
Lit.: Kaser § 69 I; Hübner 776, 795; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 170; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Notgeld ist das bei Mangel an Zahlungsmitteln in Krisenzeiten behelfsmäßig ausgegebene → Geld. Es findet sich bereits im 15. Jh. Bedeutung erlangt es vor allem nach dem ersten Weltkrieg.
Nötigung ist das
Zwingen eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen
Übel zu einer nicht gewollten Handlung, Duldung oder Unterlassung. Gegenüber
verschiedenen Einzelfällen wird die N. als allgemeiner Straftatbestand erst
spät erfasst.
Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur
Karolina 1928, Neudruck 1967, 138; Balthasar, S., Die Tatbestände der
Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Offenloch, W., Erinnerung an das
Recht – Der Streit um die Nachrüstung, 2005
Notitia (lat. [F.]
Nachricht) ist im Frühmittelalter die objektiv gefasste, nach Heinrich Brunner
angeblich im Gegensatz zur dispositiven, subjektiv gefassten (lat.) carta (F.)
nur beweisbedeutsame Urkunde.
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte,
hg. v. Rauch, K., Bd. 1 1931, 458; Johanek, P., Zur rechtlichen Funktion von
Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkunde, (in) Recht und
Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 131
Notker (der
Deutsche) von St. Gallen (um 950-Sankt Gallen 29. 6. 1022) ist der bedeutendste
Schriftsteller des Althochdeutschen. In deutschlateinischer Mischprosa
übersetzt er verschiedene geistliche und weltliche Schriften aus dem
Lateinischen. Dabei erfasst er auch rhetorische Grundfiguren (z. B. in der
Gerichtsrede) und zeigt damit eine Vorstufe der Rechtswissenschaft in
Deutschland auf.
Lit.: Köbler, DRG 79, 82; Die Schriften Notkers und seiner
Schule, hg. v. Piper, P., Bd. 1ff. 1982ff.; Köbler, G., Stadtrecht und
Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Köbler, G., Vorstufen der
Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Ochsenbein, P./Schmuki, K., Die
Notkere im Kloster St. Gallen, 1992; Scherabon Firchow, E., Notker der
Deutsche, 2000
Notorietät (F.) Offenkundigkeit
Notstand ist der
Zustand gegenwärtiger Gefahr für rechtlich geschützte Interessen, dessen
Abwendung nur auf Kosten fremder Interessen möglich ist. Schon im römischen
Recht befreit der N. in Einzelfällen von Strafe. Ähnliches gilt im Mittelalter.
Danach befasst sich Art. 166 der Constitutio Criminalis Carolina (1532) mit dem
Stehlen in Hungersnot. Erst im 20. Jh. wird der N. strafrechtlich schärfer
erfasst. Privatrechtlich schließt schon das römische Recht einzelne Handlungen
von einer Ersatzpflicht aus. Erst im 19. Jh. wird dies wissenschaftlich
verallgemeinert und danach in den §§ 228, 904 in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Der übergesetzliche N. wird 1927 vom Reichsgericht
Deutschlands für den medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch
anerkannt. Staatsrechtlich wird in Deutschland der N. in der Verfassung 1968
gesetzlich geregelt. Seit 1975 enthält das Strafgesetzbuch Deutschlands (aus
utilitaristischen Erwägungen) eine Vorschrift über den rechtfertigenden
Notstand.
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Titze, H., Die
Notstandsrechte, 1897; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961,
653, 830; Curschmann, F., Hungersnöte im Mittelalter, 1900, Neudruck 1970;
Würzburger, J., Das Recht des strafrechtlichen Notstandes, 1903; Janka, K., Der
strafrechtliche Notstand, 1878; Rabe, K., Die Entwicklung des Notstands, Diss.
jur. Göttingen 1930; Henkel, H., Der Notstand, 1932; Walter, H., Das
Staatsnotrecht, Diss. jur. Göttingen 1937; Benda, E., Die Notstandsverfassung,
10. A. 1968; Ungern-Sternberg von Pürkel, J., Untersuchungen zum
spätrepublikanischen Notstandsrecht, 1970; Wacke, A., Notwehr und Notstand,
ZRG RA 106 (1989), 469; Blomeyer, P., Der Notstand in den letzten Jahren von
Weimar, 1999; Esklony, D., Das Recht des inneren Notstands, 2000; Pawlik, M.,
Der rechtfertigende Notstand, 2002
Notstandsgesetze ist
die Sammelbezeichnung für die Gesamtheit der 1968 in Zusammenhang mit einer
Verfassung für den Fall eines Staatsnotstandes geschaffenen einfachen Bundesgesetze
der Bundesrepublik Deutschland (z. B. Ernährungssicherstellungsgesetz,
Schutzbaugesetz, Abhörgesetz).
Lit.: Bender, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968
Nottestament ist
ein in besonderer Gefahrensituation (z. B. Krieg, Krankheit) in vereinfachter
Form zu errichtendes → Testament, das seit 1888 als N. bezeichnet wird. n
Österreich wird 2004 das N. vereinheitlicht.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nottingham am Trent
erscheint im 6. Jh. (Snotingaham). 1155 wird sein Stadtrecht bestätigt.
1881/1948 erhält es eine Universität.
Lit.: Barley, M./Straw, I., Nottingham,
1969
Notverordnung ist
die (für Notfälle gedachte, die Gewaltenteilung durchbrechende) →
Verordnung mit Gesetzeskraft. Sie findet sich bereits im ausgehenden 18. Jh.
(England 1766, Baden 1818, Württemberg 1819, Österreich Kremsierer Entwurf
1849. Märzverfassung 1849, Februarverfassung 1861, Dezemberverfassung 1867
Notverordnungsrecht des Kaisers, 1914/1917 auch der Regierung, 1929 des
Bundespräsidenten), danach sehr häufig beispielsweise auf Grund des deutschen
Ermächtigungsgesetzes vom 4. 8. 1914 in der Zeit des ersten Weltkrieges und
auf Grund des Art. 48 II der Weimarer Reichsverfassung in der Weimarer Republik
(1931 41, 1932 60 Notverordnungen).
Lit.: Köbler, DRG 174, 231, 243; Kroeschell, 20. Jh.;
Spiegel, L., Die kaiserlichen Verordnungen, 1893; Friedmann, A., Geschichte und
Struktur der Notstandsverordnungen, 1903; Gather, Das Notstandsrecht, Diss.
jur. Köln 1963; Hasiba, G., Das Notverordnungsrecht in Österreich, 1985;
Maltschew, R., Der Rückerwerb eigener Aktien, 2004
Notweg ist die
Verpflichtung eines Eigentümers eines Grundstücks, die Benutzung seines
Grundstücks zum Durchgehen, Durchfahren oder Durchreiten durch den Eigentümer
eines anderen Grundstücks, dem ohne Verschulden seines Eigentümers die zur
ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg
fehlt, gegen Entschädigung zu dulden. Der N. ist als nachbarrechtliche
Eigentumsbeschränkung bereits dem römischen Recht bekannt. Er findet sich auch
im Mittelalter und in der Neuzeit.
Lit.: Kaser § 23 III 3; Hübner § 37; Buch, G., Der Notweg,
1919; Caroni-Rudolf, K., Der Notweg, Diss. jur. Bern 1969; Bader, K., Studien
zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 3 1973, 192;
Eggensperger, A., Notwegrecht, Diss. jur. Würzburg 2000
Notwehr ist die
Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen
Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren. Bereits im römischen Recht ist
es erlaubt, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen. Im Frühmittelalter erscheint die
N. ansatzweise, im Hochmittelalter und Spätmittelalter häufiger (→
Schwabenspiegel um 1275). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die N. von der
Verteidigung von Leib und Leben auf jedes Rechtsgut ausgedehnt (Preußen 1794).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87,
119, 158, 208; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R.,
Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 34;
Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Koch,
B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Wacke, A., Notwehr und Notstand,
ZRG RA 106 (1989), 469
Notzivilehe ist die
bei Verweigerung der Eheschließung wegen eines kirchenrechtlichen
Ehehindernisses mögliche weltliche Eheschließung (z. B. in Österreich 25. 5.
1868 Eherechtsgesetz, 1870 relative N. für keiner anerkannten Kirche
angehörende Menschen).
Lit.: Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte,
5. A., 2005; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A.
1996
Notzucht ist eine
ältere, in Deutschland 1973, in Österreich 1989 und in der Schweiz 1992
aufgegebene Bezeichnung für die Vergewaltigung einer Frau (lat. oppressio
[F.], violentia [F.]), die ihrerseits seit dem 16. Jh. das noch ältere (ahd.)
notnumft verdrängt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 664; Wahl, G., Zur Geschichte des Wortes Notzucht, Z. f. d. P. 9 (1907),
7; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 150;
Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Künzel, C., Unzucht –
Notzucht – Vergewaltigung, 2003
novale (lat. [N.])
Neubruch
Novatio (lat. [F.])
ist im klassischen römischen Recht die → Novation, Schuldneuschaffung
oder Schulderneuerung.
Lit.: Kaser § 54 I; Tolkmitt, W., Die Theorie der Novation
im gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1968
Novation (lat. [F.]
→ novatio) ist bereits im klassischen römischen Recht die
Schulderneuerung, bei der infolge einer → Stipulation die alte Schuld
(Obligation) mit allen Nebenrechten erlischt und durch eine neue Schuld
(Obligation) ersetzt wird (z. B. Auswechslung des Gläubigers oder Schuldners,
eine Sonderform ist die [lat.] stipulatio [F.] Aquiliana). Die N. wird seit dem
Hochmittelalter wieder belebt. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird
sie nicht mehr erwähnt.
Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 43, 215;
Apathy, P., Animus novandi, 1975;Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1
1985, 432, 449, 530
Novel disseisin ist im
englischen Recht die von König Heinrich II. (1133-1189) eingeführte Klage des
widerrechtlich aus seinem Besitz Vertriebenen (disseised).
Lit.: Sutherland, D., The Assize of Novel Disseisin, 1973; Baker,
J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Novelle (lat. [F.]
novella [lex]) ist das ein Gesetz in Einzelfragen ergänzende oder abändernde
neue Gesetz. Insbesondere werden die nach dem → Codex des Jahres 534 von →
Justinian erlassenen (neuen), durch drei verschiedene Sammlungen überlieferten
Gesetze als Novellen (zitiert z. B. als Nov. 99,2) bezeichnet.
Lit.: Söllner §§ 22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG
54; Noailles, P., Les collections de novelles, Bd. 1f. 1912ff.; Wal, N. v. d.,
Manuale novellarum, 1964; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung, 1975;
Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen, Ius commune 6
(1977), 274; Novella Constitutio, hg. v. Loken, J. u. a., 1990; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Novemberrevolution ist
die Revolution im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn im November 1918,
durch welche die Monarchien in Republiken umgewandelt werden.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Elben, W., Das Problem der Kontinuität
in der deutschen Revolution, 1965; Kittel, E., Novembersturz 1918, Bll. f. dt.
LG. 104 (1968), 42; Görlitz, W., November 1918, 1968; Halmen, R., Staatstreue
und Interessenvertretung, 1988
Nowgorod
Lit.: Novgorod – Markt und Kontor der Hanse, hg. v.
Angermann, N./Friedland, K., 2002
Noxae datio (lat. [F.], auch
noxae deditio) ist bereits im altrömischen Recht die Hingabe des Schädigers (z.
B. Hauskind, Sklave, Tier), durch die sich der Hausvater (außer durch Leistung)
von seiner grundsätzlich bestehenden Haftung für einen auf deren Verhalten
beruhenden Erfolg befreien kann (Noxalhaftung). Sie wird in der Spätantike
bei Hauskindern und Sklaven eingeschränkt, im Hochmittelalter nicht
aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 15 I 4d, 36 V,
50 II 4a, Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 49, 65; Nehlsen, H.,
Sklavenrecht, 1972
NS (Nationalsozialismus)
NSDAP (Nationalsozialistische
Deutsche Arbeiterpartei)
Lit.: Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N.,
Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002
nuda proprietas (lat. [F.]) bloßes Eigentum
Lit.: Köbler, DRG 124
nudum pactum (lat. [N.]) bloßer Vertrag (ohne besondere Formen)
Nulla poena sine culpa (lat.). Keine Strafe ohne Schuld.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Nulla poena (F.) sine lege,
nullum crimen sine lege (lat.) ist der strafrechtliche Grundsatz, dass niemand
bestraft werden darf, wenn nicht zuvor ein Gesetz Verhalten der entsprechenden
Art mit einer Strafe bedroht hat. Das Verbot der Rückwirkung von neuen oder veränderten
Strafgesetzen zum Nachteil des Täters ist dabei bereits ansatzweise dem
klassischen römischen Recht bekannt und wird in der Spätantike durch
kaiserliche Gesetze mit gewissen Einschränkungen sogar ausgesprochen. Dem
folgen an sich auch das Mittelalter und die → Constitutio Criminalis
Carolina (1532), während das gemeine Recht den Grundsatz bis zum ausgehenden
18. Jh. nur wenig beachtet. Erst mit der Aufklärung entsteht der Grundsatz in
voller Gestalt des Rückwirkungsverbots, des Analogieverbots und des
Bestimmtheitsgebots (Vereinigte Staaten von Amerika bis 1787, Frankreich,
Josephinisches Gesetzbuch 1787, preußisches Allgemeines Landrecht 1794,
Feuerbach, Weimarer Reichsverfassung 1919, → Grundgesetz 1949), wobei die
Vorstellung besonderes Gewicht erhält, dass ein Eingriff des Staates in die
Freiheit des Bürgers die Gestattung durch Gesetze voraussetzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 204; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007, (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 16,
131, § 1 S. 1 Halbsatz 2); Bopp, G., Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Schöckel, G., Die Entwicklung des
strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes, 1968; Schreiber, H., Gesetz und
Richter, 1976; Schünemann, B., Nulla poena sine lege?, 1978; Bohnert, J., P. J.
A. Feuerbach, 1982; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983
Nulli res sua servit (lat.). Niemand dient die eigene Sache.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln,
7. A. 2007 (Paulus, um 170-um 230, Digesten, 8, 2, 26
nullum crimen sine lege → nulla poena sine lege
Lit.: Krey, V., Keine
Strafe ohne Gesetz, 1983
Nullum crimen sine poena (lat.). Kein Verbrechen ohne Strafe.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Numerius Negidius (N.N.) ist
der abstrakte Beklagte des römischen Verfahrensrechts.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 33
numerus (M.) clausus (lat.)
geschlossene Zahl (z. B. der Ausbildungsplätze oder der zulässigen Sachenrechte
[im römischen Recht Eigentum, Servituten, Pfandrecht, Erbpacht und Erbbaurecht],
im römischen Schuldrecht sind nur contractus mit Klagbarkeit versehen,
Typengebundenheit, aber Möglichkeit der Stipulation])
Lit.: Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Numismatik (Münzkunde) → Münze
Lit.: Göbl, R., Numismatik, 1987; Morrisson, C., La
numismatique, 1992; Wissenschaftsgeschichte der Numismatik, hg. v. Albert, R.
u. a., 1995; Bompaire, M./Dumas, F., Numismatique médiévale, 2000;
Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Kluge, B.,
Numismatik des Mittelalters, 2007
nummo uno (lat.) mit einer →
Münze
Lit.: Köbler, DRG 25
nuncupatio (lat. [F.]) Verkündung
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 67 I 2b; Söllner
§ 8; Köbler, DRG 38
Nuntius (zu lat.
[M.] nuntius, Bote) ist seit dem ausgehenden Spätmittelalter der ständige
Gesandte des Heiligen Stuhles bei einem anderen Staat.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 58 III 2; Pieper, A., Zur
Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen, 1894; Biauchet, H., Les nonciatures
apostoliques, 1910; Walf, K., Die Entwicklung des päpstlichen Gesandtschaftswesens,
1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 553; Köck, H., Die
völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles, 1975
Nürnberg ist die um
eine 1050 erstmals erwähnte, anscheinend vorsalische Grundlagen aufweisende
Reichsburg auf ursprünglich bayerischem Siedlungsboden an der Pegnitz
erwachsende Reichsstadt. In der → Goldenen Bulle von 1356 belohnt Kaiser
Karl IV. die Treue der Stadt mit der Verpflichtung jedes neugewählten Königs,
seinen ersten Reichstag in N. abzuhalten. Von 1424 (Privileg vom 19. 9. 1423)
bis 1796 und von August 1938 bis 1945 (Anfang 1946) ist N. Aufbewahrungsort der
Reichskleinodien (Reichserzschatzkästlein). 1479/1484 erneuert N. durch die
römisches Recht gemäßigt aufnehmende (Neue) → Reformation sein
Stadtrecht. Im Dritten Reich hält Adolf Hitler in N. die Reichsparteitage ab.
1935 werden in N. auf dem Reichsparteitag vom nach Nürnberg einberufenen
Reichstag die gegen die Juden gerichteten sog. Nürnberger Gesetze verabschiedet
(Reichsbürgergesetz vom 15. 9. 1935, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes
und der deutschen Ehre vom 15. 9. 1935) (und am folgenden Tag im
Reichsgesetzblatt verkündet). Vom 18. 10./14. 11. 1945-1. 10. 1946 finden in N.
die Prozesse gegen (24 bzw.) 22 nationalsozialistische Hauptkriegsverbrecher
wegen Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, und Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation
statt ([12] Todesurteile durch Hängen für Hermann Göring, Joachim von
Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank,
Wilhelm Frick, Julius Streicher, Fritz Sauckel, Alfred Jodl, Arthur
Seyß-Inquart, Martin Bormann]), denen bis 11. 4. 1949 12 weitere Verfahren in
N. gegen 182 Angeklagte folgen (24 Todesurteile).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 139; Bremer, F., Dr. Claudius Cantiunculas Gutachten über das
Nürnberger Stadtrecht, ZRG GA 15 (1894), 123; Knapp, H., Das alte Nürnberger
Kriminalrecht, 1896; Werminghoff, A., Conrad Celtis und sein Buch über
Nürnberg, 1921; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der
Reichsstadt Nürnberg, 1928; Franz, E., Nürnberg, Kaiser und Reich, 1930;
Nordmann, C., Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck, 1933; Der
Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. 1ff. 1947ff., Neudruck 1984;
Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, (in) Genealogica,
Heraldica, Juridica, 1954; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955, Pitz, E., Die
Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Schultheiß, W., Geschichte des
Nürnberger Ortsrechtes, 1957; Gedeon, A., Zur Rezeption des römischen
Privatrechts in Nürnberg, 1957; Nürnberger Urkundenbuch, Bd 1ff. 1959ff.;
Schultheiß, W., Die Acht-, Verbots- und Fehdebücher von 1285-1400, 1960; Das
Urteil von Nürnberg 1946, 1961; Satzungsbücher und Satzungen, hg. v.
Schultheiß, W., 1963; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozess in der
Reichsstadt Nürnberg, 1970; Geschichte Nürnbergs in Bilddokumenten, hg. v.
Pfeiffer, G., 1970; Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971; Nürnberg –
historische Entwicklung einer deutschen Stadt in Bildern, 4. Aufl. 1971;
Nürnberg, hg. v. Pfeiffer, G., 1971; Wachauf, Helmut, Nürnbergs Bürger als
Juristen, 1972 (141 urkundlich nachgewiesene Juristen); Schmid, Hans-Dieter,
Täufertum und Obrigkeit in Nürnberg, 1972; Hirschmann, Gerhard, Das Nürnberger
Patriziat im Königreich Bayern, 1971; Die Nürnberger Bürgerbücher 1
(1302-1448), hg. v. Stadtarchiv Nürnberg, 1974; Pütz, K., Heischurteile, 1977;
Leiser, W., (Die Stadtrechtsreformation der Stadt Nürnberg), Mitteilungen des
Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 67 (1980); Reformation der Stadt
Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Nürnberg - Kaiser und reich (Ausstellung),
1986; Schüßler, M., Statistische Untersuchung des Verbrechens in Nürnberg im
Zeitraum von 1285 bis 1400, ZRG GA 108 (1991), 117; Jung, S., Die
Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, 1992; Endres, R., Grundzüge der
Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, ZRG GA 111 (1994), 405; Rethmeier, A.,
„Nürnberger Rassegesetze“, 1995; Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch,
hg. v. Schachtschneider, K., 1995; Taylor, T., Die Nürnberger Prozesse, 3. A.
1997; Schieber, M., Nürnberg, 2000; Kastner, K., Von den Siegern zur
Rechenschaft gezogen, 2001; Essner, C., Die Nürnberger Gesetze, 2002;
Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Schubert, A., Der
Stadt Nutz oder Notdurft?, 2003; Nürnberg und das Griechentum, hg. v. Konstantinou,
E., 2003; Hamm, B., Lazarus Spengler (1479-1534), 2004; Finger, T., Die
Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hansmann, U., Die Nürnberger
Rassegesetze vom 15. September 1935, NJW 2005, 2648; Kastner, K., Die Völker
klagen an, 2005; Meyer, C., Die Stadt als Thema, 2009
Nutzpfand oder
Nutzungspfand (sog. ältere Satzung) ist im Hochmittelalter das Pfand, bei dem
der Gläubiger unmittelbaren Besitz an der verpfändeten Sache (Grundstück) hat
und die Nutzungen aus ihr ziehen darf.
Lit.: Kaser § 31 III 5a; Hübner 402; Viollet, P., Histoire
du droit civil français, 1905, Neudruck 1966, 784; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1936
Nutzung ist die
Frucht einer Sache oder eines Rechtes sowie der Vorteil, den der Gebrauch der
Sache oder des Rechtes gewährt.
Lit.: Hübner; Baltl/Kocher; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nutzungspfand → Nutzpfand
Nutzungsrecht ist
das Recht, eine Sache zu nutzen. Es findet sich bereits im altrömischen Recht
und begegnet bis zur Gegenwart in unterschiedlichen Gestalten. Insbesondere
bestehen in der Grundherrschaft unzählige Nutzungsrechte an Grundstücken. →
Nießbrauch
Lit.: Hübner 549, 786; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26,
125, 163; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961
O
Oberappellationsgericht ist in der frühen Neuzeit der drittinstanzliche Gerichtshof
eines Landes. Das O. ersetzt das auf Grund von Nichtappellationsprivilegien
nicht mehr zuständige Reichsgericht (→ Reichskammergericht). Es
entscheidet als dritte Instanz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
nichtprivilegierter Parteien und als zweite Instanz bei schweren Strafsachen.
1877/1879 wird das O. allgemein (durch das → Oberlandesgericht)
beseitigt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 26; Greb,
H., Die Verfassung des Oberappellationsgerichts der vier freien Städte
Deutschlands zu Lübeck, Diss. jur. Göttingen 1967; Weitzel, J., Der Kampf um
die Appellation, 1976, 291; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non
appellando, 1980; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des
Reichskammergerichts, 1986; Gesamtinventar der Akten des Oberappellationsgerichtes
der vier Freien Städte Deutschlands, hg. v. Lorenzen-Schmidt, K. u. a., Bd.
1ff. 1996ff.; Polgar, K., Das Oberappellationsgericht der vier freien Städte
Deutschlands (1820-1879), 2006
Oberbayerisches Landrecht
ist das in mehr als 100 Handschriften des 14. und 15. Jh.s überlieferte
Landrecht für Oberbayern von 1346. Ihm geht eine verschollene Fassung von etwa
1335 voraus. Veranlasst ist es vermutlich von Kaiser Ludwig dem Bayern. Es ist
in 28 Titel mit 350 Artikeln gegliedert. Im Mittelpunkt stehen Privatrecht,
Strafrecht und Verfahrensrecht. Unmittelbare Vorlagen sind nicht erkennbar.
Römischrechtliche oder kirchenrechtliche Einflüsse sind nicht bestimmend,
vielmehr wird im Wesentlichen das einheimische Gewohnheitsrecht wiedergegeben.
1518 wird das Landrecht reformiert. 1616 wird für Oberbayern und Niederbayern
ein gemeinsames Landrecht geschaffen.
Lit.: Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern,
1911; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959),
173; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schlosser, H./Schwab,
I., Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern von 1346, 2000; Das
Landrecht von 1346 für Oberbayern, hg. v. Schwab, I., 2002; Schwab, I., Die
Georgenberger Handschrift, ZRG GA 119 (2002), 326
Obereigentum (lat.
dominium [N.] directum) ist im gelehrten Recht vom Hochmittelalter bis zum 19.
Jh. die Rechtsstellung des Obereigentümers (z. B. Lehnsherrn) eines im
geteilten → Eigentum stehenden Gegenstandes (z. B. Lehen). Es wird in
verkennender Ausdehnung einer römischen Quellenstelle über einen
Herausgabeanspruch des Erbpächters entwickelt. Es entspricht Bedürfnissen der
Rechtswirklichkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Haff, K., Zur Theorie eines
allgemeinen Obereigentums des fränkischen Königs, ZRG GA 32 (1911), 325; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 f. 1985ff.
Oberhaus → House of Lords
Oberhof ist seit
dem Spätmittelalter (ein Gericht als) eine Auskunftsstelle für Gerichte und
Einzelmenschen. Oberhöfe finden sich sowohl in Städten wie auch auf dem Land.
Ihre Ausbildung beruht anfangs auf Freiwilligkeit. Mit der längerdauernden
Übung der Erteilung von Auskünften entwickelt sich ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis.
Allmählich dringt Schriftlichkeit in das Verfahren ein. Bekannte Oberhöfe sind
etwa Magdeburg, Lübeck, Krakau, Iglau, Kulm, Aachen, Dortmund, Frankfurt am
Main, Ingelheim, Neustadt an der Weinstraße, Speyer, Freiburg im Breisgau oder
Nürnberg. Mit dem Vordringen des römischen Rechts und der Ausbildung des
Instanzenzuges in der erstarkenden landesherrlichen Verwaltung verschwindet
der O. vom 16. bis in das 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Der Oberhof
Iglau in Mähren, hg. v. Tomaschek, J., 1868; Brünneck, W. v., Zur Geschichte
des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; Stutz, U., Der Oberhof zu Eltville,
ZRG GA 43 (1922), 303; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Bastian, J.,
Der Freiburger Oberhof, 1934; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938;
Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff.
1952ff.; Mertz, W., Der Frankfurter Oberhof, Diss. jur. Frankfurt am Main 1954;
Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Müller, H., Oberhof
und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und
Rechtszug, 1981; Schott, C., Die Wolfacher Fragen und die Freiburger
Oberhofurteile, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 390; Zwerenz, G., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer
Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Eckhardt, W., Das Stadtgericht als Oberhof,
Zs. d. V. f. hess. Geschichte 110 (2005), 21
Oberlandesgericht ist
seit 1808 das bisherige preußische Landesjustizkollegium und danach das
1877/1879 geschaffene, zwischen Reichsgericht bzw. Bundesgerichtshof und
Landgericht (bzw. oberstem Gerichtshof und Landesgericht in Österreich seit
1852) stehende Gericht (1893 im Deutschen Reich 28 Oberlandesgerichte mit 548
Richtern). → Oberappellationsgericht
Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Baltl/Kocher; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; 250 Jahre Oberlandesgericht
Celle, 1961; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Zweibrücken, 1969; Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Hamm, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichtes von Oldenburg,
1974; Zimmer, E., Die Geschichte des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main,
1976; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle,
1986; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; 50 Jahre Oberlandesgericht
und Generalstaatsanwaltschaft Koblenz 1996; Schiller, C., Das
Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Haehling von Lanzenauer,
R., Das badische Oberlandesgericht in Freiburg, ZRG GA 119 (2002), 343; Passek,
I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Staatsschutzstrafsachen,
2003
Obermärker ist der
Leiter der → Markgenossenschaft.
Oberösterreich ist
in allmählicher Entwicklung seit der Erstnennung von ahd. ostarrihhi (996) das
ob (westlich) der Enns gelegene, aus dem früher steirischen Traungau mit der
Riedmark unter Trennung von Niederösterreich gebildete, bis 1918 amtlich als
Österrreich ob der Enns (und von 1939 bis 1945 im Deutschen Reich als Reichsgau
Oberdonau) bezeichnete Land (Bundesland) → Österreich(s). Zwischen 1616
und 1629 erstellt Abraham Schwarz einen Entwurf eines Landrechts. Als
oberösterreichische Länder werden auch Tirol, Vorarlberg und Vorderösterreich
(eigene Linien 1457-1493, 1564-1665) bezeichnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Schmidt,
F., Die freien bäuerlichen Eigengüter in Oberösterreich, 1941; Hoffmann, A.,
Das Wappen des Landes Oberösterreich, 1947; Hoffmann, A., Wirtschaftsgeschichte
des Landes Oberösterreich, 1952; Pfeffer, F., Das Land ob der Enns, 1958;
Grüll, G., Das Linzer Bürgermeisterbuch, 2. A. 1959; Probleme der Entstehung
des Landes ob der Enns, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 7
(1960), 125; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Sturmberger, H.,
Der Weg zum Verfassungsstaat, 1972; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen
Oberösterreichs, 1974; Sturmberger, H., Adam Graf Herberstorff, 1976; Feigl,
H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs im Spiegel der
Weistümer, 1974; Putschögl, G., Die landständische Behördenorganisation in
Österreich ob der Enns, 1977; Slapnicka, H., Oberösterreich unter Kaiser Franz
Joseph, 1982; Strätz, H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, (in)
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Haider, S.,
Geschichte Oberösterreichs, 1987; Lohner, J. Das landeshauptmannschaftliche
Gericht in Oberösterreich, 1988; Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der
Enns, Bd. 1 hg. v. Strätz, W., 1990
Oberpfalz ist der
um Neumarkt gelegene (obere) Teil der Pfalz(grafschaft bei Rhein), die durch
Erbteilung im Hause Wittelsbach zeitweise vom übrigen → Bayern abgeteilt
wird. Für die O. wird 1657/1659 ein → Landrecht geschaffen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bosl, K., Das
kurpfälzische Territorium „Obere Pfalz“, Z. f. bay. LG. 26 (1963), 3; Handbuch
der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Dittrich, H., Die
Entstehung des oberpfälzischen Landrechts, Diss. jur. Regensburg 1991;
Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/1659, ZRG GA 110 (1993), 482
Oberpräsident ist
der leitende Beamte der zivilen Provinzialverwaltung (zwischen 4 und 12
Provinzen) in Preußen von 1806 bis (1933 bzw.) 1945 mit drei unterschiedlichen
Funktionen.
Lit.: Kube, H., Die geschichtliche Entwicklung der Stellung
des preußischen Oberpräsidenten, Diss. jur. Berlin 1939; Die preußischen
Oberpräsidenten 1815-1945, hg. v. Schwabe, K., 1985
Oberrechnungskammer (1802)
ist die sich seit 1713 entwickelnde Zentralbehörde des Rechnungswesens in
Preußen. Die O. ist selbständig und unabhängig. Sie wird 1869 zum →
Rechnungshof des Norddeutschen Bundes.
Lit.: 250 Jahre Rechnungsprüfung, hg. v.
Bundesrechnungshof, 1964; Bachmann, M., Der Bundesrechnungshof, 1967, 90
Oberschlesien → Schlesien
Oberste Justizstelle ist das auf
erste Ansätze des Jahres 1501 zurückgehende, am 1. 5. 1749 von Maria Theresia
eingerichtete Höchstgericht (mit Präsidenten, Vizepräsidenten, Senaten und
Räten) Österreichs (oberste Revisionsinstanz in Justizsachen und oberste
Justizverwaltungsbehörde), das 1848 zum Justizministerium einerseits und zum
Obersten Gerichtshof andererseits wird. Die o. J. wendet subsidiär gemeines
Recht an. Mit ihr wird die Rechtsprechung aus der Verwaltung in der obersten
Instanz ausgesondert
Lit.: Kocher, G., Die Zivilgesetzgebung und die Oberste
Justizstelle bis zum ABGB, FS H. Baltl, 1978, 309; Kocher, G.,
Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation, 1979; Maasburg, F. v.,
Geschichte der obersten Justizstelle in Wien, 2. A. 1981; Ratsprotokolle
Oberste Justizstelle Tyrol-Vorarlberg. Senat 1814-1844, Bd. 1 hg. v.
Faistenberger, C., red. v. Niedermayr, M., 2003
Oberster Gerichtshof für die
britische Zone ist der von 1948 bis 1950 für die britische Besatzungszone des
Deutschen Reiches eingerichtete oberste Gerichtshof.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Zimmermann, R., Der oberste
Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158
Oberster Gerichtshof ist seit 21. 8. 1848 das der obersten Justizstelle
folgende oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit Österreichs (1850
oberster Gerichts- und Kassationshof, 1918 oberster Gerichtshof, 1938
aufgelöst, 1945 wiedererrichtet)..
Lit.:Festschrift
zur Hundertjahrfeier des österreichischen Obersten Gerichtshofs 1850-1950, 1950
Oberstes bayerisches Landesgericht in München ist ein 1877/1879 aus dem 1808 in Bayern eingerichteten Oberappellationsgericht abgeleitetes Gericht, dem die Verhandlung und Entscheidung der sonst im Deutschen Reich dem Reichsgericht zustehenden Revisionen und Beschwerden in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und die weitere Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Seine Aufgaben werden zum 31. 12. 2004 den drei Oberlandesgerichten Bayerns (München, Nürnberg, Bamberg) übertragen.
Lit.: 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, hg. v.
Bayerischen Staatsministerium der Justiz, 1975, 15
Oberstes Gericht ist das
Höchstgericht der → Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Oberste Gericht der DDR,
1989
Obertribunal (1772)
ist das 1703 als Oberappellationsgericht preußischer Landesteile geschaffene,
im 19. Jh. zum höchsten Gericht Preußens aufsteigende Gericht, das 1877/1879
weitgehend im Reichsgericht aufgeht.
Lit.: Sonnenschmidt, F., Geschichte des königlichen
Obertribunals zu Berlin, 1879; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner
Obertribunals im Juni 1879, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 419
Oberverwaltungsgericht (OVG) ist das Obergericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit
seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, das später teilweise auch
Verwaltungsgerichtshof genannt wird.
Lit.: Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der
Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933,
1987; Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des sächsischen Oberverwaltungsgerichts,
hg. v. Reich, S., 2002
Obervormundschaft ist
die aufsichtliche Stellung der Obrigkeit bzw. Kirche über den → Vormund,
wie sie sich seit der karolingischen Zeit entwickelt und im
Vormundschaftsgericht endet.
Lit.: Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1 1835; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
oblatio (lat. [F.]) Gabe, Opfer,
Spende (z. B. auch von Kindern in ein Kloster)
Lit.: Kaser § 37 II 1; Seidl, J., Die Götterverlobung von
Kindern, 1872; Laske, W., Das Problem der Mönchung, 1973
Obligatio (lat.
[F.]) ist seit dem altrömischen Recht die schuldrechtliche Verpflichtung
zwischen zwei Beteiligten (bzw. das Schuldverhältnis) mit den Inhalten (lat.)
dare (geben), facere (tun einschließlich unterlassen) oder praestare
(einstehen). Die o. geht vermutlich auf den Ausgleich von Unrechtserfolgen
(später sog. [lat.] delicta [N.Pl.]) zurück. Das bei ihnen zunächst regelmäßig
bestehende Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft wird im
Interesse der Allgemeinheit allmählich eingeschränkt und durch die Hingabe von
Vermögensgegenständen (Sühneleistung) einverständlich abgelöst. Sobald eine
Leistung durch den Verursacher, seine Verwandten oder Gentilen üblich und im
Rahmen eines vielleicht nach griechischem Vorbild erstellten festen Katalogs
von Vergleichssätzen (fester Metallwert oder vielfacher Sachwert) verbindlich
wird, dient der Zugriff auf die Person des Verursachers nicht mehr der unmittelbaren
Vergeltung, sondern wohl der mittelbaren Erzwingung der Leistung. Seine
Zulässigkeit entfällt mit der Leistung, zu welcher der Verursacher aber anfangs
nicht verpflichtet ist. Später tritt die Befreiung von der Haftung durch
Leistung immer stärker in den Vordergrund, so dass allmählich eine
Verpflichtung zur Leistung entsteht, welche die ursprüngliche Haftung mehr und
mehr in den Hintergrund drängt. Vermutlich früh ist außerdem ein Geschäft
möglich, durch das jemand sich zur Haftung verpflichtet, wobei die Leistung
bald wichtiger wird als die Haftung. Im weiteren Verlauf werden zahlreiche verschiedene
Obligationen entwickelt (Kontrakt, Quasikontrakt, Delikt, Quasidelikt).
Lit.: Kaser §§ 4
I 2, 32 I, 33 I, 38 IV, 56 I, 61, 84; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 42,
62; Kuntze, J., Die Obligation, 1856; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956;
Watson, A., The Law of Obligations, 1965; Hochstein, R., Obligationes quasi ex
delicto, 1971; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992; Hartung, G., Die
Naturrechtsdebatte, 2. A. 1999
obligatio alternativa (lat. [F.]) Wahlöschuld
Obligatio (F.) civilis (lat.) ist im römischen Recht die auf (lat.) ius (N.) civile gegründete, mit (lat.) actio (F.) civilis (Zivilklaganspruch) ausgestattete → obligatio.
Lit.:
Kaser § 33 II; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992
obligatio (F.) ex
contractu
(lat.) Verbindlichkeit aus Vertrag
Lit.: Kaser § 38 I
obligatio (F.) ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus Delikt
Lit.: Kaser §§ 38 I, 50 I
obligatio (F.) ex
variis causarum figuris (lat.) Verbindlichkeit
aus verschiedenen Gründen
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler, DRG
62
Obligatio (F.) honoraria (lat.) ist im römischen Recht die erst vom Prätor oder
Ädil klagbar gemachte Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 33 I
Obligation ist die
aus der in Rom als unkörperliche (lat.) res (Gegenstand, Sache) verstandenen,
römischen (lat.) → obligatio (F.) entwickelte Verbindlichkeit (Schuld,
Schuldverhältnis). Sie wird im Spätmittelalter mit dem römischen Recht
aufgenommen und mit den einheimischen Schuldverhältnissen verbunden. Seit dem
19. Jh. wird das Lehnwort O. .verdrängt
Lit.: Kaser §§ 33, 38, 56; Kuntze, J.,
Die Obligation, 1856; Roussier, J., Le fondement de l’obligation, Thèse Paris
1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 393; Hartung, G., Die
Naturrechtsdebatte, 1998, 2. A. 1999
Obligationenrecht ist
das im 19. Jh. innerhalb der (lat.) res ([F. Pl.) Gegenstände bzw. Sachen)
zunehmend als besonderes Rechtsgebiet erkannte Schuldrecht (z. B. Savigny
1851ff.). 1866 scheitert innerhalb des Deutschen Bundes der Versuch seiner
einheitlichen gesetzlichen Gestaltung am Zerbrechen des Bundes auf Grund
politischer Gegensätze zwischen Österreich und Preußen. In der → Schweiz
ist das O. mit Einschluss der Gesellschaften und der Wertpapiere in einem
besonderen Gesetz vom 14. 6. 1881 (Inkrafttreten am 1. 1. 1883) bzw. nach
Neufassung vom 30. 3. 1911 (Inkrafttreten am 1. 1. 1912), das den fünften Teil
des Zivilgesetzbuches bildet, geregelt. In Sachsen (1863) und im Deutschen
Reich (1896/1900) ist das Schuldrecht eines der fünf Bücher des Bürgerlichen
Gessetzbuchs.
Lit.: Kaser §§ 32ff.;
Köbler, DRG 182, 184, 229, 255; Savigny, F., Das Obligationenrecht, Bd. 1f.
1851ff.; Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H. u.
a., 1982; Das Obligationenrecht 1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984; Anhäuser,
V., Das internationale Obligationenrecht in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts, 1986; Handels- und obligationenrechtliche
Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000; Ranieri, F., Europäisches
Obligationenrecht, 2. A. 2004
obligatio (F.) quasi ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus vertragsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler
DRG, 62
obligatio (F.) quasi ex
delicto
(lat.) Verbindlichkeit aus deliktsähnlichem
Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG 62
Obligatio (F.) re, verbis, litteris, consensu contracta (lat.) ist die römische Bezeichnung für eine
Verbindlichkeit aus Realvertrag, Verbalvertrag, Litteralvertrag oder Konsensualvertrag,
wobei das beurkundete Darlehen im nachklassischen römischen Recht als (lat.)
obligatio (F.) re et verbis aufgefasst wird.
Lit.: Kaser §§ 38 I, 39 I 2
obligatorisch (Adj.) verpflichtend
Obrigkeit ist die vom 15. bis zum 17. Jh. bestimmende Bezeichnung für den Träger von Herrschaftsrechten. Ihr entspricht die Untertänigkeit. Der O. steht das Recht zu, durch Gebote die gute → Polizei bzw. → Ordnung zu sichern.
Lit.: Naujoks,
E., Ordnungsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Willoweit, D.,
Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Willoweit,
D., Gesetzgebung und Recht, (in) Zum römischen und neuzeitlichen
Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987, 123; Friedeburg, R. v.,
Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997
obsequium (lat.
[N.]) Nachgiebigkeit, Gehorsam
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Observanz ist das
örtlich oder persönlich (z. B. Orden) begrenzte Gewohnheitsrecht.
Lit.: Petersen,
R., Die Observanz, Diss. jur. Leipzig 1848; Köbler, G., Zur Frührezeption der
consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337
obstagium (lat.
[N.]) → Einlager
Occupatio (lat. [F.])
ist die schon dem altrömischen Recht bekannte → Aneignung einer von
Anfang an oder durch Eigentumsaufgabe herrenlosen Sache (z. B. eines Tieres
durch den Jäger).
Lit.: Kaser § 26 I; Köbler, DRG 24, 40
Ochlokratie (F.) Herrschaft des Pöbels als Entartung der Demokratie
Ochsenfurt
Lit.: Wenisch, S., Ochsenfurt, 1972
Ockham, Wilhelm (von) (Occam/Surrey 1280/1285-München 9./10. April 1347 [Sterbedatum ungewiss]) wird nach dem Studium der Theologie in Oxford der Ketzerei verdächtig und flieht zu Ludwig dem Bayern. Neben vielen Gutachten verfasst er hier wohl um 1340 seinen (lat.) Dialogus (M.) de potestate imperiali et papali (Zwiegespräch über kaiserliche und päpstliche Gewalt) zugunsten des Kaisers.
Lit.: Köbler,
DRG 107; Heinen, E., Reich und Kirche bei Wilhelm von Ockham, Diss. jur. Bonn
1955; Kölmel, W., Wilhelm Ockham, 1962; Miethke, J., Ockhams Weg zur
Sozialphilosophie, 1969; Wilhelm von Ockham, Texte zur politischen Theorie, hg.
v. Miethke, J., 1995; Leppin, V., Wilhelm von Ockham, 2003
odal (an.) Erbgut,
Gut, Heimat
Lit.: Behaghel,
O., Odal, SB. d. Akad. d. Wiss. München phil.-hist. Abt. 1935, 3; Störmer, W.,
Früher Adel, 1973, 116, 155; Danielsen, R. u. a., Grunntrekki i norsk historie,
1991, 49
Ödenburg (ungar. Sopron)
Lit.: Gerichtsbuch 1423-1531,
hg. v. Házi, J. u. a., 2005; Gedenkbuch 1492-1543, hg. v. Mollay, K. u. a.,
2005
Odofredus de Denariis (Bologna um 1200-3. 12. 1265 oder 1264) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo, Jacobus Balduini) wohl 1231 Rechtslehrer in Bologna. Er verfasst Glossen, Summen (z. B. summa feudorum), Quaestiones, Consilia bzw. Gutachten und Monographien.
Lit.: Köbler, DRG 107; Tamassia, N., Odofredo, (in) Atti e memorie,
1894; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; La Pace di Costanza 1183, 1984; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 322
Odowakar (um
433-493) ist ein germanischer (skirischer) Söldnerführer, der 476 n. Chr. mit
der Absetzung des Romulus Augustulus das weströmische Reich beendet.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 50,
67; Chastagnol, A., Le senat romain sous le règne d’Odoacre, 1966; Wes, M., Das
Ende des Kaisertums, 1967, 149
Oesfeld → Hermann von Oesfeld
Oettingen (Grafschaft)
Lit.: Die ländlichen Rechtsquellen der Grafschaft Oettingen, hg. v.
Kiessling, R. u. a., 2005
Ofen (Buda) an der Donau ist heute Teil von Budapest. Sein in deutscher Sprache verfasstes, in 3 Handschriften überliefertes Stadtrechtsbuch wird vermutlich zwischen 1403 und 1439 (1405-21) von dem Stadtrichter Johannes Siebenlinder verfasst. Es gliedert sich in fünf Teile mit 445 Artikeln (Stadtverfassung, Kaufleuterecht). Es zeigt Beziehungen zum Sachsenspiegel, zum Magdeburger, Iglauer und Wiener Recht. Das Recht von O. wird an zahlreiche Städte in Ungarn verliehen.
Lit.: Das Ofener Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959;
Kubinyi, A., Die Anfänge Ofens, 1972; Rady, M., Medieval Buda, 1985; Gönczi,
K., Ungarisches Stadtrecht, 1996; Buda város jogkönyve (Das Rechtsbuch der
Stadt Ofen), hg. v. Blazovich, L-. u. a., 2001
Offene Handelsgesellschaft
ist die Handelsgesellschaft mit unbeschränkter Haftung aller Gesellschafter
gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Sie erscheint in der
hochmittelalterlichen Stadt und bildet sich in der frühen Neuzeit stärker durch
(1861 ADHGB). In Österreich wird die 1990 zusätzlich für nichtvollkaufmännische
Zwecke gebildete offene Erwerbsgesellschaft mit der offenen Handelsgesellschaft
2007 zur offenen Gesellschaft (OG) verschmolzen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 167, 217; Rehme,
P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur
süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler
Handelsgesellschaften, FS F. Vischer, 1983, 557; Servos, R., Die
Personalhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln
1984; Zur Geschichte des Gesellschaftsrechts in Europa, hg. v. Kalss, S. u. a.,
2003
Offenes Haus ist das einem
anderen zur (kriegerischen) Benutzung offenstehende Haus. → Öffnungsrecht
Lit.: Pfeiffer,
G., Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg, Jb. f. fränk. LG. 14 (1954), 153
öffentlich (Adj.) offen, offen zugänglich, allgemein, staatlich
Öffentlicher Dienst ist seit dem 19. Jh. der Staatsdienst.
Lit.: Hattenhauer,
H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Schneider, O., Rechtsgedanken und
Rechtstechniken totalitärer Herrschaft, 1988
Öffentlicher Glaube
ist das Vertrauen der Allgemeinheit in ein öffentliches Register (z. B.
Grundbuch, Handelsregister). Anfangs gewähren diese Register nur einen Beweisvorteil
im Streit um Grundstücksrechte. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1783) ermöglichen sie
allmählich den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (um 1870).
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Bd.
II 2, 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz
und Eigentumsübertragung, 1966; Hofmeister, H., Die Grundsätze des
Liegenschaftserwerbes, 1977; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobilienrecht, 1978
Öffentliches Recht
sind alle Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter
ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt (z. B. Staat, Gemeinde) in seiner
Eigenschaft als solcher ist. Zum öffentlichen Recht zählen etwa
Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht und Strafrecht. Seinen
Ausgang nimmt die Aufteilung des Rechtes in privates Recht und öffentliches
Recht im römischen Altertum, in dem nach einer → Ulpian zugeschriebenen
Wendung ö. R. ist, was die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft
(lat. ad statum rei Romanae spectat). Diese Einteilung ist zwar dem Mittelalter
bekannt, hat dort aber keine grundsätzliche Bedeutung. Erst um das Jahr 1600
findet sich das öffentliche Recht (lat. ius [N.] publicum) als besonderes
Sachfach an der Universität (Staatsrecht). Die ersten bekannten Vertreter des
selbständigen Staatsrechts (Reichsstaatsrechts) sind (→ Bodin
[1530-1596],) → Limnaeus (1592-1663) und → Pufendorf (1632-1694).
Seit Beginn des 19. Jh.s wird dann eine grundsätzliche dogmatische Trennung von
öffentlichem Recht (Machtbereich des souveränen Fürstentums) und privatem Recht
(Freiheitsraum des Einzelnen) deutlich. Innerhalb des öffentlichen Rechts
(Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Strafrecht) entwickelt
sich im 19. Jh. das → Verwaltungsrecht (Otto → Mayer).
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 54, 143, 147, 189; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852;
Schöne, L., Privatrecht und öffentliches Recht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958;
Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro Romao impero, Bd. 1f. 1957ff., 2. A.
1970; Müllejans, H., Publicus und privatus im römischen Recht, 1961; Bullinger,
M., Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968; Echterhölter, R., Das öffentliche
Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Hoke, R., Die Reichsstaatslehre
des Johannes Limnaeus, 1968; Grimm, D., Zur politischen Funktion der Trennung,
(in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 224; Wyduckel, D., Jus
publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen
Spätkonstitutionalismus, 1993; Stolleis, M., Konstitution und Intervention,
2001; Wahl, R., Herausforderungen und Antworten. Das öffentliche Recht der
letzten fünf Jahrzehnte, 2006; Leisner, W., Privatisierung des öffentlichen
Rechts, 2007; Die Anfänge des öffentlichen Rechts. Gli inizi del diritto
pubblico. Gesetzgebung im Zeitaalter Friedrich Barbarossas, hg. v. Dilcher, G.
u. a., 2008; Science politique et droit public dans les facultés de droit
européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008; Zeilner, F., Verfassung,
Verfassungsrecht und Lehre des öffentlichen Rechts in Österreich bis 1848, 2008
Öffentlichkeit ist
die Zugänglichkeit eines Vorgangs für einen nach Zahl und Individualität
unbestimmten Personenkreis. Die Ö. ist insbesondere im Verfahrensrecht
bedeutsam. Hier drängen das Inquisitionsverfahren seit dem Hochmittelalter und
der gelehrte Prozess seit dem Spätmittelalter die Ö. zurück. Der Liberalismus
erreicht im 19. Jh. die Rückkehr zur grundsätzlichen Ö. des Prozesses
(Frankreich 1806/1808, deutsche Bundesstaaten ab 1848). Umgekehrt versucht der
Staat eine Überwachung der Ö. im Sinne der Allgemeinheit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 201, 202;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 413; Alber, P., Die Geschichte der
Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1971; Fögen, M., Der Kampf um
Gerichtsöffentlichkeit, 1974; Becher, U., Politische Gesellschaft, 1978; Haber,
G., Strafgerichtliche Öffentlichkeit und öffentlicher Ankläger in der
französischen Aufklärung, 1979; Siemann, W., Der „Polizeiverein“ deutscher
Staaten, 1983; Körber, E., Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit, 1998; Weitzel,
J., Gerichtsöffentlichkeit, (in) Information u. a., hg. v. Haverkamp, A., 1998,
71; Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G. u. a.,
1998; Zwischen Gotteshaus und Taverne, hg. v. Rau, S. u. a., 2004; Moos, P. v.,
Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004; Liesegang, T., Öffentlichkeit und
öffentliche Meinung, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in
Preußen, 2007; Science politique et droit public dans les facultés de droit
européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008
Öffentlichkeitsgrundsatz → Öffentlichkeit
Öffentlichrechtlicher Vertrag
ist der Vertrag mindestens eines Hoheitsträgers mit einem Vertragspartner über
einen Gegenstand des öffentlichen Rechts. Er wird im 20. Jh. anerkannt.
Lit.: Köbler,
DRG 259; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004
officier (M.) civil (franz.)
(1787/92) → Standesbeamter
officium (lat.
[N.]) Amt, Pflicht
officium (N.) pietatis
(lat.) sittliche Pflicht
Lit.: Köbler, DRG 38
Offizial ist
im katholischen Kirchenrecht der vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims,
Mainz), allgemein seit 1246 erscheinende, gelehrte Vorsitzende der
bischöflichen Gerichtsbehörde, der als ständiger ordentlicher berufsmäßiger
Einzelrichter selbst entscheidet (Meißen 1316, Merseburg 1330, Naumburg-Zeitz
1340). Später ist O. ein einfacher Beamtentitel.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
115; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess vor dem bischöflichen Offizial,
Diss. jur. Bonn 1972
Offizialat ist
im katholischen Kirchenrecht die bischöfliche Gerichtsbarkeit. → Offizial
Lit.: Eisenhardt, U., Die weltliche
Gerichtsbarkeit der Offizialate in Köln, Bonn und Werl, 1966; Trusen, W., Die
gelehrte Gerichtsbarkeit der Kirche, (in) Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973,
476; Paarhammer, H., Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates,
1977; Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, Diss. phil.
Würzburg 1981; Buchholz-Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches
Gericht, 1988; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001
Offizialmaxime ist
im Prozessrecht der das Amtsprinzip, nach dem die Allgemeinheit bzw. der Staat
durch Organe von sich aus tätig wird. Die O. erscheint in den
hochmittelalterlichen Städten, in denen der Richter zur Unrechtsverfolgung
verpflichtet wird. Sie gilt im → Inquisitionsprozess.
Lit.: Köbler, DRG 117, 156
Offizier ist
der Führer einer Anzahl von Soldaten. Er ist im klassischen und spätantiken Rom
bekannt. Danach erscheint er wieder seit dem Ende des 16. Jh.s. Im 19. Jh. wird
er vom Diener des Fürsten zum Diener des Staates. Danach wird der Adel ganz
allmählich durch Bürger zurückgedrängt. Voraussetzungen werden ein höherer
Bildungsstand (Abitur), eine gewisse Dienstzeit und die Ablegung einer
Prüfung.
Lit.: Sossidi, E., Die
staatsrechtliche Stellung der Offiziere, 1939; Beyer, P., Das Leitbild des
deutschen Offiziers, 1964; Demeter, K., Das deutsche Offizierskorps, 4. A.
1965; Untersuchungen des Offizierskorps, 1962
Öffnung ist
eine frühneuzeitliche Bezeichnung für ein → Weistum.
Öffnungsrecht ist
seit dem Hochmittelalter das Recht, von einem Inhaber eines befestigten Ortes die
Öffnung und die Einräumung der Nutzung zu verlangen. Träger des Öffnungsrechts
ist vor allem der Lehnsherr, später der Landesherr. → offenes Haus
Lit.: Conrad, H., Geschichte der
deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Hillebrand, F., Das Öffnungsrecht, Diss.
phil. Tübingen 1967
Ofner,
Julius (Horschenz 1845-Wien 1924) wird nach dem Rechtsstudium in Prag und Wien
Anwalt, Richter und Politiker. Er setzt sich für eine soziale Fortentwicklung
des Rechts ein.
Lit.: Brauneder, W., Leseverein und
Rechtskultur, 1992
OGH →
Oberster Gerichtshof
Okkupation (F.) Besetzung
Lit.: Latour-Vogelsang,
Okkupation und Wiederaufbau, 1973
Ökonomie (F.) Wirtschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Marx,
K., Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859; Söllner, F., Die Geschichte des
ökonomischen Denkens, 1999; Sandi, M., Ökonomie des Raumes, 1999; Schefold, B.,
Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004
Ökonomische Analyse
des Rechts ist eine von den Vereinigten Staaten von Amerika im späten 20. Jh.
(1975ff.) übernommene Betrachtungsweise des Rechts, die über die Einbeziehung
der Wirklichkeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Grundlage der
Rechtsordnung zu verändern versucht.
Lit.: Horn, N., Zur ökonomischen
Rationalität des Privatrechts, AcP 176 (1976), 307; Posner, R., Economic
Analysis of Law, 1977; Assmann, u. a., Ökonomische Analyse des Rechts, 1993;
Schäfer, H./Ott, C., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2. A.
1995; Eidenmüller, H., Effizienz als Rechtsprinzip, 2. A. 1998
Oktoberdiplom ist
das nach der Niederlage Österreichs gegen die italienische Einigungsbewegung
und Frankreich (in der Schlacht bei Solferino) am 20. 10. 1860 gewährte
(oktroyierte, auferlegte) neue Staatsgrundgesetz in → Österreich,
demzufolge die Gesetzgebung unter Mitwirkung der Landtage oder des Reichsrates
ausgeübt werden soll. Es will die Vollgewalt des Kaisers wahren, die Bildung
eines allgemeinen Parlaments umgehen und die Stellung des Adels stärken. Es
findet aber weder in Ungarn noch in Böhmen Billigung. Seinem Scheitern folgt am
26. 2. 1861 das → Februarpatent.
Lit.:
Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher
Oktroi (franz. [M.] octroi Bewilligung, Zugeständnis) ist die
Verleihung, Bewilligung oder Bevorrechtung. Im 19. Jh. wird O. eine Möglichkeit
der Verfassungsgewährung (Verfassungsoktroi z. B. Bayern 1808/1818, Nassau
1814, Waldeck 1814, Württemberg 1815-1818, Kurhessen 1815/1816, Baden 1818,
Lippe-Detmold 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Meiningen 1829, Preußen
1848, Österreich 4. 3. 1849).
Lit.: Willoweit,
D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005
Oktroisystem ist
das im frühneuzeitlichen Recht herrschende System der Verleihung von Rechten
durch staatliche Urkunde. Es wirkt sich insbesondere auch auf die Entstehung
juristischer Personen aus. Hier wird es im 19. Jh. durch das System der
Konzession und danach der Normativbestimmungen (1870) ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 161, 167, 217
oktroyierte Verfassung
→ Oktroi, Verfassung
Olaus (Olavus) Petri (Örebro
6. 1. 1493?-Stockholm 19. 4. 1552) wird nach dem Theologiestudium in Wittenberg
(Melanchthon, Luther) Diakon in Strängnäs, 1524 Sekretär in Stockholm und
Pfarrer der Stadtkirche sowie 1531 (bis 1533) Kanzler. Er verfasst (43)
bedeutende Richterregeln (domarereglerna) (mit 21 Rechtssprichwörtern).
Lit.: Schmidt,
G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966
Oligarchie (F.) Herrschaft einiger
Oldenburg ist seit der Mitte des 12. Jh.s eine nach der Burg O. an der Hunte benannte Grafschaft, die 1774 Herzogtum und 1918 Freistaat wird und 1946 in → Niedersachsen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kohl, D., Das
Oldenburger Stadtrecht, Oldenburger Jahrbuch 34 (1930), 415; Krahnstöver, H.,
Die Entwicklung der oldenburgischen Justizorganisation von 1699 bis 1879, 1955
(masch.schr.); Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Hartong, K., Beiträge zur
Geschichte des oldenburgischen Staatsrechts, 1958; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3698; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichts
von Oldenburg (1573 bis 1935), 1975; Hülle, W., Geschichte der oldenburgischen
Anwaltschaft, 1977; Parteien und Wahlen in Oldenburg, hg. v. Günther, W., 1984;
Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, 1985; Geschichte
des Landes Oldenburg, hg. v. Eckhardt, A. u. a., 3. A. 1988; 175 Jahre
Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; Friedl, H. u. a., Biographisches Handbuch
zur Geschichte des Landes Oldenburg, 1992; Harms, H., Oldenburgische
Kartographie, 2004; Die Gerichtsbarkeit wird ausgeübt durch Amtsgerichte - 150
Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp, J., 2008
Oldenburger Bilderhandschrift → Bilderhandschrift
Oldendorp, Johannes
(Hamburg um 1488-Marburg 3. 6. 1567), Kleinkaufmannssohn, wird nach dem von
seinem Onkel Albert Krantz geförderten Rechtsstudium in Rostock und Bologna
1516 Rechtslehrer in Greifswald, 1520 in Frankfurt an der Oder, 1521 Professor
in Greifswald, 1526 in Rostock, 1536 in Köln und 1543 in Marburg. Bekannt wird
er durch verschiedene Schriften zur Ausbildung, in denen er früh
naturrechtliche Gedankengänge aufgreift. Bedeutsam ist auch sein Einsatz
zugunsten der freien Beweiswürdigung des Richters.
Lit.: Dietze, H., Johannes Oldendorp, 1933; Wolf, E., Große
Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 138; Mack, P., Das Rechts- und Staatsdenken des
Johannes Oldendorp, Diss. jur. Köln 1966
Oldradus de Ponte ist
ein in Lodi geborener, in Bologna ausgebildeter, 1297 in der Nähe zweier
Kardinäle bezeugter, seit 1310 am päpstlichen Hof in Avignon tätiger,
vielleicht nach 1335 verstorbener Jurist (consilia, kleine exegetische
Schriften, Glossen).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 602
Oléron ist die vor
der französischen Westküste gelegene Insel, nach der das in den privat
aufgezeichneten, durch 30 Handschriften des 14. und 15. Jh.s bezeugten Rôles
d’Oléron niedergelegte Seerecht benannt ist. Dieses weistumsartige Seerecht
stammt sowohl aus mittelmeerischen wie auch aus nordwesteuropäischen
Gewohnheiten. Nach Oléron hat es wohl den Namen, weil dort das vielleicht kurz
vor 1286 geschaffene Original der Aufzeichnung aufbewahrt wurde. Das Seerecht
gliedert sich in 24 Artikel und behandelt Reeder, Schiffer, Schiffsmannschaft,
Lotsen und Befrachter. Seit dem 14. Jh. wirken sich die Rôles d’Oléron an
vielen Orten aus ( → Siete Partidas, Vonnisse von Damme, hansische
Ordinancie, Liber Horn in London, Amsterdamer Ordonnantie, Seerecht von Visby,
Gotlands Waterrecht, Frankreich 1681).
Lit.: Das
Seerecht von Oléron nach der Handschrift Troyes (1386), hg. v. Zeller, H.,
1906; Perels, L., Das Seerecht von Oléron, ZRG GA 32 (1911), 246; Krieger, K.,
Ursprung und Wurzeln der Rôles d’Oléron, 1970; Shephard, J., Les Rôles d’Oléron,
1985
Oligarchie (F.) Herrschaft weniger
Lit.: Ostwald, M., Oligarchia, 2000
Olmütz an der March
westlich des sog. niederen Gesenkes in Mähren erhält 1351 auf Befehl Kaiser
Karls IV. von den Schöffen von Breslau das Recht Magdeburgs mitgeteilt und wird
1352 als → Oberhof für alle mährischen Orte sächsisch-magdeburgischen
Rechts bestätigt (ab 1343 Stadtbuch des Schreibers Johann, ab 1430 Stadtbuch
des Schreibers Wenzel von Iglau). Für mehr als 30 Städte und 80 kleinere Orte
wirkt sich dies in allmählicher Abnahme bis 1705 aus. In der Mitte des 16. Jh.s
wird nach dem Vorbild Breslaus von dem Stadtschreiber Heinrich Polanus (aus
Polansdorf) die Olmützer Gerichtsordnung schriftlich niedergelegt, die Vogt
und Schöffen kennt und vom gelehrten Prozess nur geringfügig beeinflusst ist.
1569/1576 erhält O. eine Universität (bis 1782). Am 29. 11. 1859 verzichtet →
Preußen im Streit um Kurhessen angesichts der Überlegenheit Russlands in der
mit Österreich geschlossenen sog. Olmützer Punktation auf die Verwirklichung
der deutschen Einheit unter seiner Führung.
Lit.: Bischoff, F., Deutsches Recht in Olmütz, 1855;
Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Weizsäcker, W., Breslau als
Oberhof mährischer Städte, Z. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens 72 (1938), 25; Schüßler,
M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148;
Spáčilová, L./Spáčil, V., Památná kniha olomoucká (kodex Václava z
Jihlavy) z let 1430-1492, 1528, 2004
Olympia
Lit.:
Günther, R., Olympia. Kult und Spiele in der Antike, 2004; Sinn, U., Das antike
Olympia, 2004; Swaddling, J., Die olympischen Spiele in Athen, 2004
Ombudsmann ist der Mensch, der als Verfassungsorgan den Einzelnen gegen staatlich-behördliche Rechtsverletzung schützen soll. Der O. erscheint zuerst im Stadtrecht des Königs → Magnus Hakonarson (1263-1280) für Bergen als Bevollmächtigter des Königs. Am 6. 6. 1809 wird er in Schweden in die Verfassung aufgenommen. Seit dem 20. Jh. wird er im Interesse des Einzelnen tätig. Seitdem breitet sich die Einrichtung des Ombudsmanns unter verschiedenen Bezeichnungen (z. B. Volksanwalt, Wehrbeauftragter) weiter aus (Finnland 1919, Israel 1950, Deutschland 1957, Dänemark 1962, Großbritannien 1967, Österreich 1977, Rumänien 1978).
Lit.: Hansen, J., Die Institution des Ombudsmannes, 1972;
Wild, E., Der Ombudsmann in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1972; Rowat, D.,
The Ombudsmann plan, 1973
Opera (N.Pl.) publica (lat.)
sind seit der frühen Neuzeit als Strafen verhängte öffentliche Arbeiten (z. B.
Festungsbau, Karrenziehen, Schiffsziehen, Galeerenrudern, Straßenkehren).
Lit.: Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 2 1925, 275;
Franke, H., Die Gefängnisarbeit, Diss. jur. Würzburg 1926; Rüping,
H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Operis novi nuntiatio (lat.
[F.]) ist im römischen, teilweise später aufgenommenen Recht die Untersagung
fremder Bauführung durch einen Beeinträchtigten.
Lit.: Kaser § 23 III 8; Kroeschell, DRG 2
Opfer ist zunächst
die Darbietung einer Sache, dann die Erduldung eines Übels und schließlich der
dadurch Beeinträchtigte. Während sich das herkömmliche Strafrecht hauptsächlich
mit dem Täter und seiner Bestrafung beschäftigt, gewinnt in der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s auch das O. an Bedeutung (Viktimologie). Seit 1976 verpflichtet
ein Gesetz in Deutschland den Staat zur Entschädigung der O. eines
Gewaltverbrechens. Zunehmend wird auch ein Täter-Opfer-Ausgleich im
Strafverfahren angestrebt.
Lit.: Köbler, DRG 263; Schulte, R., Die Messe als Opfer der
Kirche, 1959; Kunz, E./Zeller, G., Opferentschädigungsgesetz, 3. A. 1995
Oppidum (lat. [N.]) Siedlung,
Stadt, im Mittelalter auch Dorf. Geschichtlich bemerkenswert sind die (etwa 170
bekannten) oppida (N.Pl.) der Kelten (der Zeitenwende) (z. B. Manching bei
Ingolstadt).
Lit.: Köbler, DRG 32; Köbler, LAW; Dehn, W., Die gallischen
oppida bei Cäsar, Saalburg-Jahrbuch 10 (1951), 36; Krämer, W./Schubert, F., Die
Ausgrabungen in Manching, 1970
Opportunitätsprinzip ist
der Zweckmäßigkeitsgrundsatz des staatlichen Handelns. Dem O. steht das
Legalitätsprinzip gegenüber. Die Staatsanwaltschaft darf nach Beseitigung der
unterschiedlichen Regelungen des früheren 19. Jh.s (Preußen 3. 1. 1849, Baden
6. 3. 1854, Frankfurt am Main 13. 5. 1856 u. a.) seit 1877/1879 (§ 152 StPO)
nur in bestimmten Grenzen das O. anwenden (anders z. B.
Vereinfachungsverordnung vom 13. 12. 1944).
Lit.: Hertz, J., Die Geschichte des Legalitätsprinzips,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schurer, K., Die Entwicklung des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitätsprinzip
und Opportunitätsprinzip heute, (in) FS K. Peters 1974, 411; Dettmar, J.,
Legalität und Opportunität, 2008
Opposition ist die
Gesamtheit der einer Regierung gegenüberstehenden politischen Kräfte. Die in
der ersten Hälfte des 18. Jh.s in England entwickelte O. ist wesentlicher
Bestandteil der freiheitlichen Demokratie seit der Mitte des 19. Jh.s.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 469;
Rothfels, H., Die Opposition gegen Hitler, 3. A. 1969; Hoffmann, P.,
Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Barth, R., Argumentation und
Selbstverständnis, 1976; Brunner, K., Oppositionelle Gruppen im
Karolingerreich, 1979
Oratio (F.) Severi (lat.) ist
der übliche Name für ein an Vormünder gerichtetes Verbot des römischen Kaisers
Septimius Severus des Jahres 195 n. Chr., ländliche oder stadtnahe Grundstücke
eines → Mündels zu veräußern oder zu verpfänden.
Lit.: Kaser § 62 III 3; Söllner § 15
Ordal ist die dem
vom Altfränkischen beeinflussten Altenglischen entnommene wissenschaftliche
Bezeichnung für das frühmittelalterliche → Gottesurteil seit dem 19. Jh.
Lit.: Liebermann, F., Ordalien heißen und kalten Wassers
vermengt, ZRG GA 41 (1920), 382; La preuve, Bd. 2 1965; Žontar, J., Ein
Kerzenordal aus Kamnik (Stein) in Oberkrain vom Jahre 1398, ZRG GA 92 (1975),
194
Orden ist die dem
römischen Gesellschaftswesen nachgebildete christliche Menschengemeinschaft und
seit dem 17. Jh. das auszeichnende Ehrenzeichen. Von Mönchsorden lässt sich
dabei entweder seit dem frühen 9. Jh. (Synode von Aachen 816) oder seit dem 12.
Jh. (→ Zisterzienser) sprechen. Im 12. Jh. entstehen geistliche
Ritterorden (1190 → Deutscher Orden) und weltliche Ritterorden (Kastilien
1158). Nach Gnadenpfennigen des 16. Jh.s erscheinen militärische Verdienstorden
in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s. Das Recht, O. zu verleihen und zu stiften
ist Hoheitsrecht, das seit dem 19. Jh. zunehmende gesetzliche Regelung erfährt.
Der Orden pour le mérite für Wissenschaften und Künste stammt von 1842.
Lit.: Gritzner, M., Handbuch der Ritter- und
Verdienstorden, 1893, Neudruck 1962; Heimbucher, M., Die Orden und
Kongregationen der katholischen Kirche, Bd. 1f. 1933f., Neudruck 1965; Gordon,
L., British orders and awards, 1959; Heydenreich, B., Ritterorden und
Rittergesellschaften, Diss. phil. Würzburg 1961; Höhne, H., Der Orden unter dem
Totenkopf, Bd 1f. 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 80;
Werlech, R., Orders and decorations, 2. A. 1974; Boockmann, H., Der Deutsche
Orden, 1981; Orden pour le mérite, 1984; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v.
Schwaiger, G., 2. A. 1994; Kulturgeschichte der christlichen Orden, hg. v.
Dinzelbacher, P., 1997; Kirchner, H., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A.
1997; Nimmergut, J., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 2000; Die
Bettelorden im Aufbau, hg. v. Melville, G. u. a., 1999; Ballweg, J., Konziliare
oder päpstliche Ordensreform, 2001; Lehmann, F., Der rote Adlerorden
(1705-1918), 2002; Schwaiger, G./Heim, M., Orden und Klöster, 2002; Orden und
Klöster, hg. v. Jürgensmeier, F. u. a., 2005; Gleba, G., Klöster und Orden im
Mittelalter, 2. A. 2006
Ordenaçoes Afonsinas ist
die nach König Alfons V. von Portugal benannte, 1448 bzw. 1454 fertiggestellte
Sammlung von Rechtsquellen (königliche Regierung und Verwaltung 62 Titel,
Kleriker, Lehen, Mauren und Juden 123 Titel, Zivilverfahren 128 Titel,
Privatrecht 112 Titel, Strafe 121 Titel).
Lit.: Albuquerque, M. de/Albuquerque,
R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa,
2. A.
1996, 195
Ordenaçoes Filipinas
ist die Sammlung des portugiesischen Rechts von 1603.
Ordenaçoes Manuelinas
ist die Überarbeitung der → Ordenaçoes Afonsinas unter König Manuel I.
von 1521.
Lit.: Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 196
Ordensregel ist die
die Verhältnisse in einem → Orden bestimmende, meist vom Ordensstifter
stammende Regel. Sie beruht auf der Gesamtheit der Erfahrungen des seit dem
4./5. Jh. entstehenden Mönchtums, die Augustinus und Benedikt von Nursia
bereits in Regeln fassen. Von ihnen weichen die Ordensregeln des 12. Jh.s ab,
weswegen das Laterankonzil des Jahres 1212 die Zahl der zulässigen Ordensregeln
auf die Regeln der heiligen Basilius, Augustinus, Benedikt und Franziskus
begrenzt.
Lit.: Holste, L., Codex regularum
monasticarum et canonicarum, Bd. 1ff. 1661; Balthasar, H. v., Die großen
Ordensregeln, 2. A. 1961; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hg. v. Listl, J., 1983, 476
Ordensschule ist
vor allem seit dem Hochmittelalter die für einen bzw. von einem → Orden
geführte → Schule (z. B. der Franziskaner, Dominikaner usw.).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Orderpapier ist das
Wertpapier, das zwar eine bestimmte, namentlich bezeichnete Person als
berechtigt benennt, aber den Aussteller auch verpflichtet, an eine vom
Benannten durch → Indossament bestimmte Person zu leisten. Orderpapiere
finden sich schon seit dem Altertum, werden als besondere Art der Wertpapiere
aber erst im 19. Jh. zusammengefasst. Dazu zählen Wechsel, Scheck, die Papiere
der §§ 300ff. ADHGB (1861) bzw. 363 HGB (1897/1900), Namensaktie und
Reichsbankanteilsschein. Die namengebende Orderklausel erscheint im 12. Jh. und
gelangt über Italien und Frankreich im 17. Jh. nach Deutschland.
Lit.: Hübner 597; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG
GA 7 (1886), 116; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd.
1 3. A.) 1891, 385ff., Neudruck 1957; Behrend, F., Die unvollkommenen
Orderpapiere, Diss. jur. Berlin 1892; Schultze-v. Lasaulx, H., Beiträge zur
Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen
Funktion mittelalterlicher Urkunden, FS H. Eichler, 1977, 645
Ordinancie (unde
insettinge) ist die Aufzeichnung der von den niederländischen Hafenstädten im
Seehandel angewandten Rechtssätze aus dem Ende des 14. Jh.s. Ihr liegt die →
Vonnisse von Damme und damit mittelbar die → Rôles d’Oléron zugrunde.
Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Ordinarius (lat.
[M.]) ist der ordentliche Universitätsprofessor. Ursprünglich ist der o.
anscheinend der Vorsitzende des Spruchkollegiums einer Fakultät. Auch nach
Abschaffung dieser Einrichtung (1877/1879) bleibt der Name für den berufenen
und zum ordentlichen Professor ernannten Gelehrten erhalten, tritt aber in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s im Kampf vieler gegen die Ordinarienuniveristät
(1968, „Hinter den Talaren steckt der Muff von 1000 Jahren“) zurück und wird im
Zuge der Demokratisierung der Universität als amtliche Bezeichnung
einschließlich der damit verbundenen Emeritierung (Entpflichtung ohne
Entrechtung) mehr und mehr aufgegeben.
Lit.: Trier, J., De officio ordinarii, 1743; Savigny, F.
v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834, Neudruck
1961, 262; Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universität, Bd. 2 1896,
Neudruck 1958, 210
Ordinatio (F.) de inquisitione consuetudinem facienda ist das französische Gesetz von 1270, das königliches
Verfahrensrecht auch im örtlichen Gericht anwendbar macht und das mündliche
Verfahren teilweise in ein schriftliches Verfahren umwandelt.
Ordnung ist der
geregelte Zustand oder Ablauf. Von Vorstellungen des Altertums und der
Christenheit über regelmäßige Abläufe ausgehend besteht bereits im
Frühmittelalter eine O. etwa des Gottesdienstes oder auch der Krönung.
Anscheinend seit dem 9. Jh. erörtert, greift im 12. Jh. der Gedanke der O. auf
das Verfahren über. Seit dem Spätmittelalter wird die Herstellung der O. ganz
allgemein zur Aufgabe des Herrschaftsträgers, der durch ordnende Vorschriften
für den guten Zustand (→ Polizei) des Gemeinwesens sorgen soll
(Polizeiordnung, Landesordnung). Von daher wird die Polizei zur Wahrung von
Sicherheit und O. bestimmt. Die im Text streng gefasste Ordnungsvorschrift wird
in der Wirklichkeit unterschiedlich angewendet. Dabei besteht ein Bewusstsein,
dass das Erlassen von Vorschriften allein noch keine Veränderung bewirkt,
sondern auch die Durchsetzung erforderlich ist. In der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s wird die Verwaltung entpolizeilicht, so dass besondere Ordnungsbehörden
entstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 198, 259; Schmidt, E., Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Schmelzeisen, G., Polizeiordnung
und Privatrecht, 1955; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche
Ordnung, Diss. jur. Bonn 1956; Landes- und Polizeiordnungen, hg. v.
Schmelzeisen, G., 1968; Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971,
13. A. 2001; Bauer, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Siemann, W.,
Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Die Ordnungen des
Reichshofrates 1550-1766, hg. v. Sellert, W., Bd. 1 1981; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Ordnung und Aufruhr im Mittelalter, hg.
v. Fögen, T., 1995; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in) Funktion und Form,
hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Schröder, J., Wissenschaftliche
Ordnungsvorstellungen, Ius commune 24 (1997), 25; Köbler, G., Wie der Streit
die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, (in) Gedächtnisschrift W.
Litewski, 2003; Meyer, C., Ordnung durch Ordnen, (in) Ordnungskonfigurationen
im hohen Mittelalter, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2006, 304
Ordnungsrecht ist
in Deutschland seit der Entpolizeilichung der Verwaltung in der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s die Gesamtheit der die öffentliche → Ordnung betreffenden
Rechtssätze.
Lit.: Götz, V.,
Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971, 13. A. 2001
ordo (lat. [M.])
Reihe, Stand, Reihenfolge, Aufeinanderfolge, Ordnung
Lit.: Manz, L., Der Ordogedanke, 1937; Die ordines für die
Weihe, hg. v. Elze, R., 1960; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in) Funktion
und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.a, 1996, 93; Schneider, H., ein unbekannter
Ordo ad principem consecrandum aus dem süditalienischen Normannenreich, DA 60
(2004), 54
Ordo (M.) decurionum ist in
der Spätantike der Gemeinderat.
Lit.: Köbler, DRG 32, 55, 58
ordo (M.) equester (lat.) Ritterstand (der
Römer)
Lit.: Köbler, DRG 32
ordo (M.) iudiciarius (lat.) → ordo (M.)
iudicii (lat.)
Ordo (M.) iudicii (lat.)
ist die seit dem 9. Jh. erörterte und nach ersten Vorläufern des 11. Jh.s
(Notum fieri volumus [Pavia?, 1. H. des 11. Jh.s], Imperator Iustinianus
omnibus [Pavia?, um 1050], Libellus conventionis [Norditalien?, drittes Viertel
des 11. Jh.s], De actionum varietate) seit dem 12. Jh. unter verschiedenen
Bezeichnungen erscheinende Gerichtsordnung bzw. Prozessordnung (vgl. noch →
Zivilprozessordnung, → Strafprozessordnung).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Haubrichs, W., Ordo als Form,
1969; Fowler-Magerl, L., Ordo iudiciorum vel ordo iudiciarius, 1984; Litewski.
W., Mündliche Klage und Klageschrift in den ältesten ordines iudiciarii, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische
Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Köbler, G., Wie der
Streit die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, (in)
Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003
Ordo (M.) iudicii terre Boemie ist die Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s, die in der →
Maiestas Carolina (vor 1355) Böhmens Verwendung findet.
Lit.: Werunsky,
E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98
Ordonnance (lat.
[F.] ordinatio) ist das in Frankreich im 12. Jh. erscheinende königliche oder
fürstliche Gesetz. Als älteste o. wird das von König Ludwig VII. von Frankreich
allein aus königlicher Gewalt erlassene (lat. [N.]) edictum angesehen, in dem
1144 die Verbannung getaufter, aber ins Judentum zurückgefallener Juden angeordnet
wird. Im 13. Jh. nimmt die Zahl der ordonnances, die der König allein erlassen
kann, mit der starken Vermehrung des Königsgutes (Krondomäne) zu. In der Folge
ergehen zahlreiche wichtige ordonnances. Nach 1629 sind dabei die Stände im
Absolutismus von der Mitwirkung an allen ordonnances ausgeschlossen. Fürstliche
ordonnances haben besondere Bedeutung etwa für Normandie, Anjou, Bretagne,
Burgund, Brabant, Savoyen oder Flandern. In der Gegenwart ist o. die
gesetzesvertretende Verordnung oder der Beschluss
Lit.: Recueil général des anciennes
lois françaises, hg. v. Isambert, F., 1822ff.; Petiet, R., Du pouvoir
législatif en France, 1891; Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.;
Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988, 348;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., 1ff. 1973ff., Bd. 1 639ff., II 3, 187; Köbler, G., Recht,
Gesetz, Ordnung, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93
Ordonnance civile touchant la réformation de la justice ist das französische Gesetz von 1667 über die
Gerichtsverfassung.
Ordonnance criminelle
ist das französische Gesetz von 1670, das die ordonnance de Villers-Cotterets
zu Lasten des Angeklagten abändert.
Ordonnance de la marine ist das französische Gesetz des Jahres 1681, das in fünf
Büchern das Seehandelsrecht gesetzlich festlegt.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances
civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine,
1996
Ordonnance de Montils-les-Tours ist das französische Gesetz von 1454, das die Sammlung,
Aufzeichnung und Überprüfung der → coutumes anordnet.
Ordonnance de Orléans
ist das französische Gesetz von 1439, das dem König ein stehendes Heer zugesteht
und den kleinen Baronen das Recht der Fehde entzieht.
Ordonnance de Villers-Cotterets sur le fait de la
justice ist das französische Gesetz von
1539, welches das Verfahren beschleunigt, weltliche Gerichtsbarkeit und
kirchliche Gerichtsbarkeit trennt, Zivilstandsregister vorsieht, den
Staatsanwalt zur Partei des Strafverfahrens macht und Schriftlichkeit und
Vertraulichkeit regelt.
Ordonnance du commerce ist das französische Gesetz von 1673 über Kaufleute, Handelsgeschäfte
und Handelsgerichte.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances
civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les donations ist das französische Gesetz von 1731 über Schenkungen.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances
civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les testaments ist das französische Gesetz von 1735 über das
Testamentsrecht.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances
civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les substitutions ist das französische Gesetz von 1747/1748 über die
Einsetzung eines Ersatzerben.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance von Paris
(Réformation de moeurs dans le Languedoc et le Languedoil) ist das französische
Gesetz von 1254, das die baillis an die örtlichen Rechte bindet und dem König
die Möglichkeit der Änderung vorbehält.
Ordre public (frz.) ist die
Gesamtheit der die öffentliche Ordnung eines Gemeinwesens bestimmenden
Grundsätze. Der o. p. wird im 19. Jh. aus dem französischen Recht als
Bezeichnung der älteren guten Ordnung übernommen. Im internationalen
Privatrecht ist ein den o. p. verletzender ausländischer Rechtssatz nicht
anwendbar.
Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und
Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Simitis, K., Gute Sitten und ordre public, 1960
Organ ist (in
menschliche Gegebenheit auf juristische Kunstfiguren übertragender
Betrachtungsweise) der für eine als solche nicht handlungsfähige juristische
Person (wie ein menschliches Körperorgan) handelnde Mensch (z. B. handelt der
Verein nicht durch einen Vertreter, sondern durch ein Organ).
Lit.: Köbler, DRG 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 519
Organisation für europäische wirtschaftliche
Zusammenarbeit (OEEC) Organization for European
Economic Cooperation
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD) Organization
for Economic Cooperation and Development
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
Lit.:
Leue, N., Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa,
1999
Organklage ist die →
Klage eines → Organs zur Durchsetzung der von ihm beanspruchten Rechte
gegenüber der umfassenderen Gesamteinheit. Sie entsteht erst in der jüngeren
Vergangenheit.
Organschaft ist die
Stellung und Tätigkeit als → Organ.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 17 I
Oriflamme (F.) ist
die Kirchenfahne der Abtei St. Denis bzw. Heeresfahne Frankreichs vom 11. bis
15. Jh.
Lit.: Lombard-Jourdan, A., Fleur de
lis et oriflamme, 1991
originär (ursprünglich)
Orléans →
Kapetinger
Orléans an der
Loire geht auf das Cenabum der keltischen Karnuten zurück. Als Aurelianorum civitas
wird es im 4. Jh. Sitz eines Bischofs. 1107 wird es Stadt. Um 1230 erscheint
die Möglichkeit eines Rechtsunterrichts in O. (Jacques de Revigny, Pierre de
Belleperche). 1306/1312 erhält es eine bis 1792 bestehende Universität.
Lit.: Premier Livre des Procurateurs de la Nation
Germanique 2, 1 bearb. v. Ridder-Symoens, H. u. a., 1978; Histoire d’Orléans,
hg. v. Debal, J., Bd. 1 1983; Feenstra, R., L’École de droit d’Orléans, Revue
d’histoire des facultés de droit 13 (1992), 15; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 130
Ornat (M.)
Festkleidung eines Amtsträgers z. B. Pallium, Soutane, Talar
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Schramm,
P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 1954ff.; Hargreaves-Mawdsley, W., A
History of Academical Dress, 1963
orphanus (lat.
[M.]) Waise
Örsted, Anders
Sandoe (Langeland 1778-Kopenhagen 1860), Apothekerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Kopenhagen Richter, Beamter und Politiker, der in Kenntnis
deutscher Entwicklungen (Feuerbach, Savigny, Gönner) die Rechtswissenschaft
in Dänemark in vielen Bereichen beeinflusst (Haandbog over den danske og norske
Lovkyndighed, 1818ff.).
Lit.: Dahl, F., L’œuvre juridique d’ A. S. Örsted, 1934;
Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 34; Anders Sandoe
Örsted 1778-1978, hg. v. Tamm, D., 1978
Ort (M.) Spitze,
Platz, Ortschaft
Lit.: Kläui, P., Ortsgeschichte, 1942, 2. A. 1957
orthodox, Adj., rechtgläubig (z. B. orthodoxe christliche Kirche in Osteuropa
Ortsname ist der → Name einer Siedlung oder geographischen Gegebenheit. Die Ortsnamen reichen vielfach in die älteste Überlieferung zurück (, rund 4600 Namen für 295 Straßen in Köln sind seit dem 10. Jh. belegt). Sie können auch Rechtsverhältnisse widerspiegeln.
Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 2 3. A.
1913, Neudruck 1983; Frölich, K., Die Goslarer Straßennamen, 1949; Rasch, G.,
Die bei den antiken Autoren überlieferten geographischen Namen, Diss. phil.
Heidelberg 1950; Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Bd. 1ff.; Christmann,
E., Von Gaudingstatt und Hundo (Hunno), ZRG GA 70 (1953), 312; Christmann, E.,
Flurnamen zwischen Rhein und Saar, 1965; Bibliographie der Ortsnamenbücher, hg.
v. Schützeichel, R., 1988; Berger, D., Geographische Namen in Deutschland,
1993; Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001;
Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Casemir, K., Die Ortsnamen des
Landkreises Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter, 2003; Casemir, K./Ohainski,
U./Udolph, J., Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen, 2003; Siedlungsnamen im
oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bamberg, 2001; Siedlungsnamen im
oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2005; Brandenburgisches
Namenbuch, Bd. 1-12; Index zur Reihe Hydronymia Germaniae, bearb. v. Eggers,
E., 2005 (mit CD-ROM); Casemir, K./Menzel, F./Ohainski, U., Die Ortsnamen des
Landkreises Northeim, 2005; Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis
Bayreuth, 2006; Große Flüsse auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland,
bearb. v. Borchers, U., 2006; Casemir, K./Ohainski, U., Die Ortsnamen des
Landkreises Holzminden, 2007; Husmeier, G., Geschichtliches Ortsverzeichnis für
Schaumburg, 2008; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 2008
Osenbrüggen, Eduard
(Uetersen 24. 12. 1809-Zürich 9. 6. 1879) wird nach dem Studium der Philologie
in Leipzig und Kiel Mitarbeiter an der Ausgabe der justinianischen Novellen
durch Albert Kriegel und 1843 Professor für Strafrecht, Rechtsgeschichte und
juristische Literatur in Dorpat, 1851 in Zürich. 1860 veröffentlicht er im
Anschluss an Wilda das alemannische Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1863
das Strafrecht der Langobarden.
Lit.: Pözl, J., Zur Erinnerung an Eduard Osenbrüggen, KRV
22 (1880), 321
Oslo am Oslofjord
wird auf älterer Grundlage 1048 vom König von Norwegen angelegt. 1066/1093 wird
O. Sitz eines Bischofs. 1624 wird O. von König Christian IV. von Dänemark und
Norwegen als Christiania (bis 1924) neu aufgebaut. 1811 erhält es eine
Universität. 1905 wird O. Hauptstadt des zu dieser Zeit wieder
verselbständigten Norwegen.
Lit.: Nedkvitne, A./Norseng, P., Oslos bys historie, Bd. 1
1991
Osmane ist der
Angehörige der von Osman I. Ghasi (1258-1326) begründeten ogusischen Dynastie,
deren Sultane vom Beginn des 14. Jh.s bis 1922 ein von der Türkei (Bithynien)
ausgehendes Reich beherrschen (1453 Eroberung Konstantinopels, 17. Jh.
Vormacht von Ägypten bis Persien), das seit 1683 an Bedeutung verliert.
Lit.: Matuz, J.,
Das osmanische Reich, 3. A. 1994;, 4. A. 2004; Palmer, A., Verfall und
Untergang des osmanischen Reiches, 1994; Buchmann, B., Österreich und das
osmanische Reich, 1999; Faroqhi, S., Geschichte des osmanischen Reichs, 2000;
Kreiser, K., Der osmanische Staat, 2000; Auf den Spuren der Osmanen in der
österreichischen Geschichte, hg. v. Feigl, I. u. a., 2002; Heinzelmann, T.,
Heiliger Kampf oder Landesverteidigung?, 2004; Müller, R., Franken im Osten,
2005; Reinkowski, M., Die Dinge der Ordnung, 2005; Das osmanische Reich und die
Habsburgermonarchie, hg. v. Kurz, M. u. a., 2005; Berchtold, J., Recht und
Gerechtigkeit in der Konsulargerichtsbarkeit, 2009
Osnabrück an der
Hase entwickelt sich aus einer vor 787 gegründeten Kirche zum Mittelpunkt eines
eigenen Bistums. 1630 bis 1633 und) 1974 erhält es eine Universität. 1648 wird
in O. der Friedensvertrag zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges zwischen
Kaiser, Heiligem römischem Reich und Schweden geschlossen.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Prinz, J., Das Territorium des Bistums
Osnabrück, 1934; Haase, K., Recht und Verfassung der Stadt Osnabrück,
Onsnabrücker Mitteilungen 65 (1952), 96; Renger, R., Landesherr und Landstände,
1968; Hirschfelder, H., Herrschaftsordnung und Bauerntum, 1971; Stebel, Die
Osnabrücker Hexenprozesse, Diss. jur. Bonn 1968; Heuvel, C. van den,
Beamtenschaft und Territorialstaat, 1984; Haack, G., Das Landgericht Osnabrück,
1989; Mercatum et monetam, hg. v. Schlüter, W., 2002
Osse, Melchior von
(Ossa 1506/7-Frauenfels 1557), aus niederem Adel, wird nach dem Rechtsstudium
in Leipzig (seit 1518) 1534 Professor und Rat, 1542 bis 1543 ernestinischer
Kanzler, 1547 in Leipzig Hofrichter und 1549 bis 1554 Statthalter von
Meiningen. Er zählt zu den frühen Kameralisten. In seinem „politischen
Testament“ beschreibt er eindrucksvoll den Zustand der Verwaltung zu seiner
Zeit und setzt sich für die Bewahrung der überkommenen Verhältnisse (u. a.
[lat.] → mos [M.] Italicus) ein.
Lit.: Langenn,
F. v., Dr. Melchior von Ossa, 1858; Schriften Dr. Melchiors von Osse, hg. v.
Hecker, O., 1922, Weber, P., Die Bedeutung der alten deutschen Kameralisten,
Diss. jur. Bonn 1942; Behr, H., Politisches Ständetum und landschaftliche
Selbstverwaltung, 1970; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und
Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 113
Ostarstoufa (ahd.
[F.]) ist eine frühmittelalterliche (830-850), zu Ostern fällige Abgabe.
Lit.: Köbler, WAS; Gallmeister,
E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946; Köbler,
G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994
Ostblock ist die
Gesamtheit der seit 1939 bzw. 1945 (bis 1990) politisch an die Sowjetunion
angeschlossenen osteuropäisch-eurasiatischen Staaten (Warschauer
Vertragsorganisation 14. Mai 1955-1. Juli 1991 als Gegenbündnis zur
Nordatlantischen Verteidigungsorganisation, Albanien bis 13. 9. 1968, Bulgarien,
Deutsche Demokratische Republik bis 3. 10. 1990, Polen, Rumänien, Sowjetunion,
Tschechoslowakei, Ungarn).
Lit.: Hacker,
J., Der Ostblock, 1983; Umbach, F., Das rote Bündnis. Entwicklung und Zerfall
des Warschauer Paktes 1955 bis 1991, 2005
Österreich ist der
aus dem südöstlichen Teil des Herzogtums der → Bayern erwachsene, seit 1806
verselbständigte, von 1815 bis 1866 mit den anderen deutschen Staaten im →
Deutschen Bund vereinte, 1919 von nichtdeutschen Staaten Europas gegen seinen
Willen vom → Anschluss an → Deutschland ferngehaltene, von 1938 bis
1945 an das Deutsche Reich (Adolf Hitlers) angeschlossene Staat. Das Gebiet
zwischen mittlerer Donau und Alpen wird zunächst von Kelten, seit 29/15 v. Chr.
von Römern (Noricum, Raetia), seit etwa 500 von Germanen, dann (teilweise) von
Slawen und seit dem 8. Jh. von den 788 durch König Karl den Großen ihren
eigenen Herzog verlierenden Bayern beherrscht. Im fränkischen Reich entsteht an
der Donau eine eigene Mark. 976 wird die Mark an die Familie der →
Babenberger zu Lehen gegeben. In einer Urkunde Kaiser Ottos III. vom 1. 11. 996
für das Hochstift Freising wird die seit dem 9. Jh. belegte Bezeichnung
ostarrihhi (Ostgebiet) (auch) für das Gebiet um Neuhofen an der Ybbs verwendet.
1139 gibt König Konrad III. zwecks Schwächung der mächtigen, mit Sachsen und
Bayern belehnten Familie der Welfen das Herzogtum Bayern mit Ö. an die
Babenberger, doch entzieht es 1156 der um Ausgleich bemühte Friedrich I.
Barbarossa wieder und löst dabei im → privilegium minus Ö. aus Bayern
heraus und erhebet es zum territorialen Herzogtum der Babenberger, denen 1192
auch die → Steiermark anfällt. 1246 sterben die Babenberger aus. Das etwa
zu dieser Zeit sich in Österreich ob (westlich) der Enns (Oberösterreich) und
Österreich (nid bzw.) unter (östlich) der Enns (Niederösterreich) gliedernde Ö.
gelangt über die Erbtochter an Ottokar von Böhmen. Nach dem Sieg über Ottokar
von Böhmen (1278) belehnt König Rudolf von → Habsburg 1282 seine Söhne
mit Ö., das im 13. Jh. zwei eigene Landrechte erhält, sowie Steiermark und
Krain (Haus Österreich). 1335 fällt Kärnten, 1363 Tirol, 1368 der Breisgau an
das sich im (von Herzog Rudolf IV.) gefälschten → privilegium maius
(1358/1359) selbst zum Pfalzerzherzogtum erhebende Land des Heiligen römischen
Reiches. Ab 1512 werden die österreichischen, von Habsburgern beherrschten
Länder bis 1806 im österreichischen Reichskreis zusammengefasst (niederösterreichische
Länder, oberösterreichische Länder, innerösterreichische Länder). 1526
kommen Böhmen und Ungarn zur Herrschaft der Habsburger hinzu. 1620 wird aus der
Reichshofkanzlei eine österreichische, für Justizangelegenheiten,
Verwaltungsangelegenheiten und auswärtige Angelegenheiten zuständige
Hofkanzlei abgetrennt, die 1749 in das (lat.) Directorium in publicis et
cameralibus übergeführt wird. 1713 erlangen die Habsburger im spanischen
Erbfolgekrieg italienische Gebiete (Mailand, Mantua, Mirandola, kurzzeitig
Neapel, Sardinien, Sizilien, Parma, Piacenza, Toskana), verlieren aber im
österreichischen Erbfolgekrieg nach dem Tode Karls VI. 1745 den größten Teil
Schlesiens an Preußen und 1748 Fürstentümer in Oberitalien. Danach gewinnt Ö.
vor allem polnische und ehemals osmanische Güter (Ostgalizien, Bukowina,
Westgalizien) sowie am Beginn des 19. Jh.s bei Verlust (Venedigs an Frankreich
und Tirols und Vorarlbergs an Bayern sowie) Vorderösterreichs durch Säkularisierung
das Erzstift Salzburg (1805 Friede von Pressburg). 1804 erhebt (Erzherzog bzw.
Kaiser) Franz II. Ö. nach dem Vorbild Napoleons in Frankreich innerhalb des
Heiligen Römischen Reiches zum Kaiserreich (Kaisertum Ö.) und verzichtet 1805
in einem geheimen Zusatzartikel zum Frieden von Pressburg auf den Titel
römisch-deutscher Laiser. 1806 wird Ö. mit dem Ende des Heiligen römischen
Reiches selbständig. Im Frieden von Schönbrunn verliert es am 14. 10. 1809 an
Bayern Salzburg, Berchtesgaden und Gebiete am Inn, an den Herzog von Warschau
Krakau an Russland Tarnopol und an Frankreich das Küstenland, Krain, Teile
Kroatiens und Kärnten (Illyrien). 1811 gibt es sich zum 1. 1. 1812 das →
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. Ein daneben seit 1780 geplanter politischer
Kodex für das öffentliche Recht (nach Joseph von Sonnenfels’ Grundsätzen der
Polizey, Handlung und Finanz) scheitert 1818 endgültig. 1815 wird Österreich
weitgehend nach dem Gebietsstand von 1797 restituiert. Im Deutschen Bund
(1815-1866) ist es Präsidialmacht. Am. 13. 3. 1848 werden bei dem Versuch
einiger Studenten, den versammelten Ständen im niederösterreichischen Landtag
in der Herrengasse in Wien eine Petition zur schlechten Lage der Bauern und
Arbeitenden zu überreichen, durch Soldaten fünf Menschen getötet. Daraufhin
wird Kanzler Graf Metternich entlassen. Der epilepsiekranke Kaiser Ferdinand
I. gibt am 15. 3. 1848 eine Verfassungszusage. Es erfolgt ein Übergang zum
Ministersystem. Vom 10. bis 17. 4. 1848 beraten Vertreter vorwiegend
deutschsprachiger Länder Österreichs in Wien in einem ständischen
Zentralausschuss über eine Verfassung, ein allgemeines Landesverfassungsstatut,
eine Gemeindeordnung und die Grundentlastung. Nach Kritik an der vom
Innenminister Pillersdorf ausgearbeiteten oktroyierten Verfassung
(Sturmpetition) wird von Erzherzog Johann als Regenten am 22. 7. 1848 ein
Reichstag eröffnet, der jedoch im Oktober 1848 nach Unruhen nach Kremsier
verlegt werden muss. Von 1848 bis 1867 setzt sich aber trotz der gewaltsamen
Beendigung der Unruhen durch Artilleriebeschuss am 31. 10. 1848 (mit rund
4000 Toten, danach 25 Todesurteile, 2. 12. 1848 Abdankung Kaiser Ferdinands zu
Gunsten Kaiser Franz Josephs [1848-1916, 1867 König Ungarns]), der ebenfalls
abgelehnten oktrovierten Märzverfassung vom 4. 3. 1849 und des anschließenden→
Neoabsolutismus (1851-1860/1861/1867) allmählich der Verfassungsgedanke
durch (Oktoberdiplom 20. 10. 1860, Februarverfassung). Zu dieser Zeit (1851)
beträgt die Zahl der Deutschen innerhalb der Habsburgermonarchie 7870719
Menschen (21,6 Prozent [davon 3,41 % israelitischer Konfession] der Gesamtbevölkerung,
1880 25,6 %, 1910 23,4 %). 1855 wird unter Leo Graf Thun-Hohenstein das
geschichtsfeindliche Studiensystem der Zeit vor 1848 nach dem Vorbild der
historischen Schule in anderen deutschen Staaten auf eine geschichtliche
Grundlage gestellt (Thunsche Studienreform mit Studien- und Staatsprüfungsordnung
für Juristen). Durch die Neutralität im Krimkrieg zwischen Russland und dem
Osmanischen Reich, England, Frankreich sowie Piemont-Sardinien isoliert sich
Ö. außenpolitisch. 1859(/1866) gehen nach der Niederlage von Solferino gegen
Piemont/Sardinien und Frankreich Gebiete in Italien (Lombardei) verloren.
Durch Patent vom 20. 9. 1865 (Sisatierungspatent) wird die Wirksamkeit des mit
der Februarverfassung kundgemachten Staatsgrundgesetzes über die
Reichsvertretung sistiert, um es zusammen mit dem Oktoberdiplom den Landtagen
der Länder der ungarischen Krone zur Annahme vorzulegen und damit die als
unwiderruflich erklärte oktroyierte Verfassung von 1860/1861 zum Entwurf
zurückgestuft, um einen Verfassungsvertrag zu erreichen. 1866 löst sich der
Deutsche Bund nach seiner Niederlage gegen Preußen auf. 1867 erreicht Ungarn im
sog. Ausgleich eine gewisse Eigenständigkeit. Mit Handschreiben vom 14. 11.
1868 wird der Staatsname in Österreichisch-ungarische Monarchie geändert. Dem
1871 unter Führung Preußens geschaffenen (zweiten) Deutschen Reich (Bismarcks)
gehört Ö. nicht an (kleindeutsche Lösung). 1873 wird die Beschickung des
Abgeordnetenhaues durch die Landtage durch die Direktwahl nach
Kurienzensuswahlrecht abgelöst. 1878 okkupiert Ö. Bosnien und die Herzegowina.
1882 wird unter Ministerpräsident und Innenminister Eduard Graf Taaffe durch
Senkung des Steuerzensus das Wahlrecht um eine Drittel bzw. Viertel ausgedehnt.
1889 werden die Abkürzungen k. u. k. (kaiserlich und königlich) für gemeinsame
Ämter der cisleithanischen und der transleithanischen Gebiete, k. .k. für cisleithanische
Ämter und k. für transleithanische Ämter eingeführt. 1895 verabschiedet Ö. eine
seit 1898 geltende Zivilprozessordnung mit Jurisdiktionsnorm. 1896 erfolgt
unter Innenminister Kasimir Graf Badeni eine Reform des Wahlrechts (allgemeines
Wahlrecht aller mindestens 24jährigen Männer in einer fünften allgemeinen
Wählerklasse innerhalb des bestehenden Zensuswahlrechts), 1907 unter Ministerpräsident
und Innenminister Max Wladimir Freiherr von Beck die Beseitigung des
Kurienwahlrechts und des Zensuswahlrechts (ohne Frauen und unter Bevorzugung
der deutschsprachigen Gebiete durch kleinere Wahlkreise pro Abgeordneten). 1908
annektiert Ö. Bosnien und die Herzegowina. Nach der der Ermordung des
österreichischen Thronfolgers (durch Gavrilo Princip) in Sarajewo am 28. 6.
1914 folgenden Kriegserklärung an Serbien verliert das auf diesen lokalen
Krieg unter Inkaufnahme eines Kontinentalkriegs hinarbeitende, die allmähliche
Einschränkung des Namens Ö. auf Cisleithanien 1915 anerkennde Ö. am Ende des
ersten Weltkrieges die Gebiete der → Tschechoslowakei, → Ungarns, →
Jugoslawiens und → Südtirols“). Dabei treten am 17. 10. 1918 die 208
Abgeordneten der deutschen Parteien des Reichsrats zu einer provisorischen
Nationalversammlung zusammen und fassen am 30. 10. 1918 einen Staatsbegründungsbeschluss
(Staatsgründungsbeschluss, revolutionär). Am 12. 11. 1918 beschließen sie
das Gesetz über die Staats- und Regierungsform (zunächst drei Präsidenten,
Gesetzesinitiative bei Abgeordneten und Staatsrat, absolute Stimmenmehrheit
der mindestens 50 Anwesenden, Wahl der konstituierenden Nationalversammlung am
16. 2. 1919, Zusammentritt 4. 3. 1919, Ende am 17. 10. 1920). Dementsprechend
wandelt sich Ö. am 30. Oktober 1918 oder nach eingebürgerter Ansicht am 12.
November 1918 von der Monarchie zur Republik („Deutschösterreich). Ihr verwehren
die alliierten Siegermächte den angestrebten Anschluss an das Deutsche Reich.
Auf Grun des Friedensvertrags von Saint Germain wird der Name Deutschösterreich
1919 in Republik Österreich umgewandelt. Durch Bundesverfassungsgesetz (B-VG)
vom 1. 10. 1920 (Entwurf beeinflusst durch Hans Kelsen) wird die Republik
Österreich als Bundesstaat eingerichtet (Staatsgesetzblatt 450, BGBl. 1920, 1,
wiederverlautbart als Bundes-Verfassungsgesetz in der Fasssung von 1929 im
Bundesgesetzblatt 1930). Durch das Bundesverfassungsgesetz vom 30. 7. 1925
wird die Doppelgleisigkeit der Verwaltung in den Bundesländern durch Schaffung
eines einheitlichen Amtes der Landesregierung beseitigt (mittelbare
Bundesverwaltung) werden Verfassungsgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit
und Befugnisse des Rechnungshofs erweitert sowie in einem weiteren Gesetz die
Zuständigkeiten zu Gunsten des Bundes vermehrt. Am 15. 7. 1927 wird aus Empörung
über ein Urteil der Justizpalast in Wien in Brand gesteckt. Durch das Bundesverfassungsgesetz
vom 7. 12. 1929 wird das parlamentarische System durch ein abgeschwächtes
präsidiales System ersetzt (direkte Volkswahl auf sechs Jahre, Notverordnungsrecht,
Oberbefehl, Einberufung und Auflösung des Nationalrats und der Landtage,
Ernennung und Entlassung der Bundesregierung). Am 19. 3. 1931 vereinbaren Ö.
und Deutschland ein Handelsabkommen über die Schaffung einer Zollunion, die
aber wegen des Widerstands Frankreichs und andererer europäischer Staten nicht
verwirklicht werden kann. Am 4. 3. 1933 wird unter Bundeskanzler und
Außenminister Engelbert Dollfuß (Texing/Niederösterreich 4. 10. 1892-Wien 25.
7. 1934, Christlichsoziale Partei, 21. 5. 1933 vaterländische Front (mit
Kruckenkreuz) als Sammelbecken gegen Parlamentarismus, Marxismus und
Nationalsozialismus, 1933 Verbot des sozialdemokratischen Republikanischen
Schutzbunds, 11. 9. 1933 Wien Trabrennplatzrede gegen Parlamentarismus,
Kapitalismus, Liberalismus, Marxismus und Nationalsozialismus) während einer
Abstimmung wegen eines Eisenbahnerstreiks (durch Rücklegung der
Präsidentenämter der drei Nationalratspräsidenten Karl Renner, Rudolf Ramek
und Sepp Straffner) der Nationalrat ausgeschaltet (nach Ansicht der Bundesregierung
Selbstausschaltung des Nationalrats mit daraus folgendem Verbot der
Neueinberufung), werden die Kommunistische Partei und die
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verboten (Vaterländische Front als
Trägerin des österreichischen Staatsgedankens) und wird das danach
praktizierte autoritäre Prinzip (Austrofaschismus, autoritärer Ständestaat)
mit Machtkonzentration in der Hand der Regierung in der sowohl mit einer Verordnung
der Regierung wie auch auf Grund eines Ermächtigungsbeschlusses des Parlaments
erlassenen, scheinparlamentarischen, nur schrittweise und teilweise in Kraft
tretenden, die Kanzlerdiktatur verhüllenden Maiverfassung abgesichert. Vom 12.
bis 15. 2. 1934 finden von Linz ausgehend Kämpfe (Februarkämpfe) zwischen (bürgerlicher)
Heimwehr (Heimatschutz, Heimatwehr, 1936 aufgelöst, vaterländische Union) und
(sozialdemokratischen) Schutzbündlern statt, nach denen alle
sozialdemokratischen Organisationen (verboten und) zerschlagen werden (dem am
25. Juli 1934 bei einem missglückten nationalsozialistischen Putsch [mit
vielen Toten und Verletzten sowie 13 Hinrichtungen und rund 4000 Einweisungen
in Anhaltelager] erschossenen Dollfuß folgt Kurt Schuschnigg als Bundeskanzler).
Am 11. 7. 1936 verspricht in einem Abkommen der aus Ö. (Braunau) kommende
deutsche Reichskanzler Adolf Hitler, die Souveränität Österreichs zu achten,
während Österreich sich an der Tatsache ausrichtn will, dass es sich als
deutscher Staat bekennt (geheime Amnestierung von Nationalsozialisten, Heranziehung
von Vertretern der nationalen Opposition zur Mitwirkung an der politischen Willlensbildung).
Am 11. 3. 1938 schließt sich Ö. auf Druck Adolf → Hitlers dessenungeachtet
dem Deutschen Reich an (Anschluss) und wird durch Gesetz vom 14. 4. 1939 in
sieben Reichsgaue mit Reichsstatthaltern eingeteilt (z. B. Oberdonau,
Niederdona). Auf Anregung Großbritanniens beschließen die Außenminister
Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika in
Moskau am 30. 10. 1943, dass Österreich von der deutschen Herrschaft befreit
werden soll und der Anschluss an das Deutsche Reich null und nichtig sein soll.
Am 27. 4. 1945 erklären die Vorstände der Sozialistischen Partei Österreichs,
der Volkspartei Österreichs und der Kommunistischen Partei Österreichs die
Wiederherstellung der demokratischen Republik Österreich und zugleich den
Anschluss des Jahres 1938 an das Deutsche Reich für nichtig und betrauen eine
provisorische Staatsregierung (unter Karl Renner) mit der Gesetzgebungsgewalt
und der Vollzugsgewalt. Am 1. 5. 1945 kehrt es, besetzt von den Alliierten
(Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich), zur
Selbständigkeit zurück (str. ob Okkupation mit bloßem Verlust der
Handlungsfähigkeit und Wiederaufleben oder Annexion mit Notwendigkeit der Neugründung).
Am 15. 5. 1945 erlässt die provisorische Staatsregierung ein auf den 1. 5.
1945 rückdatiertes Verfassungsüberleitungsgesetz (Wiederinkraftsetzung des
Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 in der Fassung von 1929, Aufhebung der
Maiverfassung 1934 und des nationalsozialistischen Verfassungsrechts,
vorläufige Verfassung 1945, Verfassungsgesetz über die vorläufige Einrichtung
der Republik Österreich) und ein Rechtsüberleitungsgesetz. Das Behördenüberleitungsgesetz
vom 20. 7. 1945 stellt im Wesentlichen die Behördenorganisation vom 13. 3.
1938 wieder her. Nach Durchführung von Wahlen für den Nationalrat und Landtage
tritt nach dem zweiten Verfassungsüberleitungsgesetz vom 13. 12. 1945 mit
Zusammentritt des Nationalrats am 19. 12. 1945 das Bundes-Verfassungsgesetz
1920 in der Fassung des Jahres 1929 wieder in volle Wirksamkeit. Die Besatzung
endet mit dem Abschluss eines zur → Neutralität verpflichtenden Staatsvertrags
(15. 5. 1955). 1974 reformiert Ö. das Strafgesetzbuch (mit einheitlicher
Freiheitsstrafe), 1975 die Strafprozessordnung. Zum 1. 1. 1994 wird Ö.
Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes, zum 1. 1. 1995 Mitglied der →
Europäischen Union. 1999 erregt es durch die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen
Partei Jörg Haiders das Missfallen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union.
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Österreich und das alte Reich, 2005; Mueller, W., Die sowjetische Besatzung in
Österreich, 2005; Scheich, M., Tabubruch. Österreichs Entscheidung für die
Europäische Union, 2005; Stourzh, G., Um Einheit und Freiheit, 5. A. 2005;
Strohmeyer, A., Konfessionskonflikt und Herschaftsordnung, 2006; Neschwara,
C., Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Monarch und Parlament –
Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006), 310; Wesener,
G., Zum juridisch-politischen Studium an österreichischen Lyzeen und
Universitäten, FS Herbert Hausmaninger 2006, 305; Johnston, W., Österreichische
Kultur- und Geistesgeschichte, 4. A. 2006; Telesko, W., Geschichtsraum
Österreich, 2006; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v. Ammerer, G., 2006;
Fischer, R., Österreich im nahen Osten, 2006; Hartmann, G., Für Gott und
Vaterland, 2006; NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich 1938-1945,
hg. v. Form, W. u. a., 2006; Krawarik, H., Siedlungsgeschichte Österreichs,
2006; Niederstätter, A., Geschichte Österreichs, 2007; Beller, S., Geschichte
Österreichs, 2007; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 976; Reingrabner, G., Um Glaube
und Freiheit. Eine kleine Rechtsgeschichte der Evangelischen in Österreich und
ihrer Kirche, 2007; http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DOKU/LANGER_GESAMT_ÜBERARBEITET.PDF
(elektronisch gespeicherte Gesetzgebungsmaterialien); http://ris1.bka.gv.at/bkaris/hilfe/bgblpdf/Fundstellennachweis.pdf;
Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Die Geburt
Österreichs, hg. v. Schmid, P. u. a., 2007; Stoy, M., Das österreichische Institut für Geschichtsforschung
1929-1945, 2007; Lebenszeugnisse
österreichischer Vizekanzler, hg. v. Mantl, W., 2008; Habsburg und die Slavia,
hg. v. Kohler, G., 2008; Österreich im Europarat 1956-2006, hg. v. Hummer, W.,
2008; Österreichische Historiker 1900-1945, hg. v. Hruza, K., 2008; Landesordnung
und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Zeilner, F., Verfassung,
Verfassungsrecht und Lehre des öffentlichen Rechts in Österreich bis 1848,
2008; Paar, M., Die Gesetzgebung der österreichischen Monarchie, 2009; Höbelt,
L., Franz Joseph I., 2009
Österreichisches Landrecht
ist das in einigen Handschriften des 15. Jh.s überlieferte, in zwei Fassungen
mit 70 bzw. 92 Artikel gegliederte Landrecht des Herzogtums → Österreich
aus dem 13. Jh. (1237/1298?, um 1230/um 1298?, 1278/1298?). Erfasst werden
Landrecht und Lehnrecht bzw. Ständerecht, Eherecht, Vormundschaftsrecht,
Gewererecht, Erbrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht.
Lit.: Hasenöhrl, V., Österreichisches Landrecht im 13. und
14. Jahrhundert, 1867; Steinacker, H., Zur Frage des österreichischen
Landrechts, MIÖG 39 (1922); Werunsky, E., Kritische Bemerkungen zur österreichischen
Landrechtsfrage, Archiv für österreichische Geschichte 110 (1924); Ganahl, K.,
Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts, 1935; Weltin, M., Das
österreichische Landrecht, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v.
Classen, P., 1977, 381
Österreich-Ungarn
(1868-1918 Bezeichnung des seit 1867 in die beiden abgesehen von dem
gemeinsamen Monarchen, den pragmatischen Angelegenheiten und den dualistischen
Angelegenheiten selbständigen Reichsteile der im Reichsrat vertretenen
Königreiche und Länder [Cisleithanien diesseits der Leitha] und die Länder der
Stephanskrone [Transleithanien östlich der Leitha] gegliederten, nach
längerem Streit als Realunion eingeordneten Gesamtreichs der Habsburger) →
Österreich, Ungarn
Osteuropa ist die
Gesamtheit der im Osten gelegenen Staaten Europas (z. B. Polen, Russland,
Weißrussland, Ukraine, Bulgarien, Rumänien).
Lit.: Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der
deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Simek, E., Velka Germanie Klaudia
Ptolemaia, 1953 (deutsche Zusammenfassung); Ludat, H., Vorstufen und Entstehung
des Städtwesens in Osteuropa, 1955; Klocke, F. v., Westfalen und Nordosteuropa,
1964; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Boockmann,
H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992; Conze, W., Ostmitteleuropa, 2.
A. 1993; Geyer, D., Osteuropäische
Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit, 1996; Der Riese erwacht, hg.
v. Olt, R., 1996; Neue Regierungssysteme in Osteuropa und der GUS, hg. v.
Luchterhandt, O., 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften,
hg. v. Mohnhaupt, H. u. a., 1997; Der Osten Europas im Prozess der
Differenzierung, hg. v. Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und
internationale Studien, 1997; Suppan, A., Deutsche Geschichte im Osten Europas,
1998; Entwicklung des Zivilrechts in Osteuropa, hg. v. d. juristischen Fakultät
der Universität Dresden, 1998; Studienhandbuch östliches Europa, hg. v. Roth,
H., 1999; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg, H., 2000; Minderheiten,
Regionalbewusstsein und Zentralismus in Ostmitteleuropa, hg. v. Löwe, H., 2000;
Transformation und historisches Erbe in den Staaten des europäischen Ostens,
hg. v. Goehrke, C. u. a., 2000; Giaro, T., Westen im Osten. Modernisierung
osteuropäischer Rechte bis zum zweiten Weltkrieg, Rechtsgeschichte 2 (2003);
Lübke, C., Das östliche Europa, 2004; Schorkowitz, D., Clio und Natio im
östlichen Europa, HZ 279 (2004), 1; Der EU-Beitritt der Länder
Ostmitteleuropas, hg. v. Hess, A. u. a., 2004; Küpper, H., Einführung in die
Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Mühle, E., Für Volk und deutschen Osten –
Der Historiker Hermann Aubin, 2005; Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien –
Rechtsbewusstsein, hg. v. Krawietz, W. u. a., 2005; Modernisierung durch
Transfer im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hg. v. Giaro, T., 2006; Osteuropa
in den Revolutionen von 1848, hg. v. Lambrecht, L., 2006; Städte im östlichen
Europa, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2006; Modernisierung durch Transfer zwischen
den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007; Wippermann, W., Die Deutschen und der
Osten, 2007; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v.
Pokrovac, Z., 2007; Zwangsumsiedlung und neue Gesellschaft in Ostmitteleuropa
nach 1945, hg. v. Arburg, A. v. u. a., 2008; Puttkammer, J. v., Ostmitteleuropa
im 19. und 20. Jahrhundert, 2009
Ostfalen ist im
Mittelalter (im Gegensatz zu Westfalen und Engern) der östliche Teil des
Siedlungsgebietes der Sachsen (im 11. Jh. die Gegend um Hildesheim bis
Magdeburg). Ihm entstammt der → Sachsenspiegel.
Lit.: Rosenstock, E., Ostfalens Rechtsliteratur, 1912;
Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Ostfalen, hg.
v. Stellmacher, D., 2005
Ostfriesland
Lit.: His, R.,
Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937),
58; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938;
Engelberg, G., Ständerechte im Verfassungsstaat, 1979; Wiemann, H., Materialien
zur Geschichte der ostfriesischen Landschaft, 1982; Kappelhoff, A., Die Münzen
Ostfrieslands, 1982; Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder
Ständeherrschaft ?, 1982
Ostgalizien → Galizien
Ostgötalagh ist das
Rechtsbuch des spätmittelalterlichen Rechts der schwedischen Landschaft
Östergötaland und angrenzender Gebiete (u. a. Öland). Es ist in zwei
vollständigen Handschriften (1350, um 1600), einem Druck und verschiedenen
Bruchstücken überliefert. Vielleicht wird es zwischen 1286 und 1303
aufgezeichnet. Es beginnt mit dem Christenrecht, dem Landfriedensrecht, Eherecht,
Erbrecht, Verkehrsrecht, Verfahrensrecht und Dorfrecht folgen. Die
Gesetzgebungstätigkeit des Königs ist jeweils unter Namensnennung verzeichnet.
In der Mitte des 14. Jh.s wird das O. in → Magnus Erikssons Landrecht
(1347) verwertet.
Lit.: Westman, K., De svenska rättskällornas historia, 1912; Strauch,
D., Das Ostgötenrecht, 1971
Ostgote ist der
Angehörige eines Teiles des an der Völkerwanderung beteiligten germanischen
Volkes der → Goten. Vermutlich überliefert das (lat.) vielleicht nach
König Theoderich dem Großen (493-526) benannte → Edictum (N.) Theoderici
(um 500) Recht der Ostgoten und Römer. Im Kampf um Rom (551) werden die O. bis
555 vom oströmischen Kaiser Justinian (527-565) weitgehend aufgerieben.
Lit.: Köbler, DRG 80, 87; Pflugk-Harttung, J., Die
Thronfolge im Reiche der Ostgoten, ZRG GA 10 (1889), 203; Amira, K./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Vismara, G., Edictum Theoderici,
1967, (in) Ius Romanum medici aevi I 2 b aa; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Stüven, A., Rechtliche Ausprägungen der
civilitas im Ostgotenreich, 1995; Vitiello, M., Momenti di Roma ostrogota, 2005
Ostgötenrecht → Ostgötalagh
Ostkolonisation →
Ostsiedlung
Ostmark ist zu
verschiedenen Zeiten eine Bezeichnung für ein Grenzgebiet der Deutschen im
Osten.
Lit.: Baltl/Kocher; Pfeifer, H., Die Ostmark, 1941
Ostpreußen ist das
nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen
Weichselmündung und Memelmündung und Ostsee. Über den die Ostsiedlung
betreibenden → Deutschen Orden gelangt es 1618 in Personalunion an
Brandenburg. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten von →
Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs → Preußen, indem der Kurfürst
sich selbst zum König in Preußen krönt. Seit dem späten 18. Jh. wird das Gebiet
zur Abgrenzung von von Polen erlangten Westpreußen als O. benannt. 1945 bzw.
1990 kommt O. im Norden an die Sowjetunion, im Süden an Polen.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Merinlit, W., Die fridericianische Verwaltung in Ostpreußen,
1956; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ost- und
Westpreußen, bearb. v. Stüttgen, D., 1975; Ambrassat, A., Die Provinz
Ostpreußen, 1988; Groeben, K. v. d., Das Land Ostpreußen, 1993; Kibelka, R.,
Ostpreußens Schicksalsjahre 1944-1948, 2000; Kossert, A., Ostpreußen, 2005
Ostrakismus (M.)
oder Scherbengericht ist die (vor allem) in Athen seit dem 5. vorchristlichen
Jh. (ca. 486 v. Chr.) nachweisbare Abstimmung der Bürger auf Tonscherben über
die zehnjährige Verbannung eines die politische Ordnung gefährdenden Bürgers
(durch einfache Mehrheit bei mindestens 6000 Beteiligten).
Lit.:
Ostrakismos-Testimonien I, hg. v. Siewert, P. u. a., 2002
Ostrom ist die
Bezeichung für die östliche Hälfte des römischen Reiches (293/395) mit der
Hauptstadt Konstantinopel (330) bzw. → Byzanz. 1453 wird das stetig
verkleinerte oströmische Reich von den Türken (→ Osmanen) erobert und als
im osmanischen Reich aufgegangen betrachtet, wobei der Sultan erst 1606 zur
Anerkennung des westlichen Kaisertums und nur unter dem Vorbehalt des Vorrangs
Byzanzs bereit ist.
Lit.: Köbler,
DRG 50, 76, 95; Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von
565-1453, bearb. v. Dölger, F., Teil 1f. 1924 f.; Thorau, P., Von Karl dem
Großen zum Frieden von Zsitva Torok, HZ 279 (2004), 289
Ostrowski, Teodor
(1750-1802) wird nach dem Studium der Theologie in Warschau Geschichts- und
Naturrechtsdozent am dortigen Adelskolleg. Er veröffentlicht 1784 ein eigenes Zivilrecht
oder Sonderrecht der polnischen Nation, legt 1786 eine Übersetzung der
strafrechtlichen Teile von → Blackstones Commentaries on the Law of
England vor und beteiligt sich an den Vorbereitungen zu einem Gesetzbuch →
Polens.
Lit.: Zdrójkowski, Z., Teodor
Ostrowski, 1956
Ostsee ist das zwischen Deutschland, Polen, Russland, den baltischen Staaten und
den skandinavischen Staaten liegende, im Mittelalter vor allem von der Hanse
beherrschte Meer.
Lit.: Mare
Balticum, hg. v. Paravicini, W., 1992; Geschichte und Perspektiven des Rechts
im Ostseeraum, hg. v. Eckert, J. u. a., 2002; Witt, J., Die Ostsee, 2009
Ostsiedlung oder
Ostkolonisation ist die hochmittelalterliche Siedlungsbewegung der Deutschen
zwischen Elbe und Weichsel. Sie beginnt im 12. Jh. und führt etwa 400000
Menschen in die nach der Völkerwanderung von Slawen besetzten Gebiete. Mit nach
Osten genommen wird das deutsche (sächsische, lübische, magdeburgische) Recht.
Eine wirtschaftliche Folge der O. ist die Entstehung der →
Gutsherrschaft.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 93; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im
Osten, ZRG GA 40 (1919), 275; Kötzschke, R./Ebert, W., Geschichte der
ostdeutschen Kolonisation, 1937; Aubin, H., Zur Erforschung der deutschen
Ostbewegung, 1939; Ost, H., Die zweite deutsche Ostsiedlung im Drage- und
Klüddowgebiet, 1939; Krannhals, D., Die Weichsel, 1942; Conrad, H., Die
mittelalterliche Besiedlung des deutschen Ostens und das deutsche Recht,
(1955); Urkunden und Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, hg. v.
Helbig, H. u. a., Bd. 1f. 1968ff.; Die Ostsiedlung des Mittelalters als Problem
der europäischen Geschichte, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Higounet, C., Die
deutsche Ostsiedlung, 1986; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und
Osteuropa, 1991; Schulze, H., Siedlung, Wirtschaft und Verfassung im
Mittelalter, 2003; Ludwig, C., Die nationalpolitische Bedeutung der Ostsiedlung
in der Weimarer Republik, 2004; Die bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters in
Nordostdeutschland, hg. v. Biermann, F. u. a., 2005
Ostverträge sind
die seit 1970 von der sozialliberalen Regierung der Bundesrepublik Deutschland
mit osteuropäischen Staaten abgeschlossenen, dem Ausgleich dienenden Verträge
(12. 8. 1970/23. 5. 1972 Moskauer Vertrag mit der → Sowjetunion, 7. 12.
1970 Warschauer Vertrag mit → Polen, 21. 12. 1972/6. 6. 1973
Grundlagenvertrag mit der → Deutschen Demokratischen Republik, 1974
Vertrag mit der → Tschechoslowakei, 9. 10. 1975/12. 3. 1976
Rentenvereinbarung mit → Polen).
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Köbler, DRG 246
Öttingen
Lit.: Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, Einleitung v.
Grünenwald, E., 1975; Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, bearb . v.
Grünenwald, E., 1976 (76 Vasallenfamilien)
Otto I. → Ottone
Otto Papiensis ist ein in der zweiten Hälfte
des 13. Jh.s in Bologna als Schüler des Placentinus und Lehrer des Karolus de
Tocco wirkender Glossator (Glossen, Distinktionen, vielleicht Brocardica, Olim
quidam edebatur).
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 238
Ottobeuren
Lit.: Die Urkunden des
Reichsstiftes Ottobeuren 764-1460, bearb. v. Hoffmann, H., 1991
Ottone (Liudolfinger) ist der Angehörige des frühmittelalterlichen, aus Sachsen kommenden deutschen Herrschergeschlechts (919-1024, Heinrich I. 919-936, Otto I. 936-973, Otto II. 961-983, Otto III. 983-1002, Heinrich II. 1002-1024)). Sein bedeutendster Vertreter ist Otto I. (der Große, 23. 11. 912-7. 5. 973, König 936). Mit ihm verbindet sich das ottonische (ottonisch-salische) → Reichskirchensystem, nach dem der König die ihm wegen des Fehlens der Erblichkeit kirchlicher Ämter für die Ausübung von Herrschaft vorteilhaft erscheinende Reichskirche zur Ausführung weltlicher Herrschaftsaufgaben verwendet (Belehnung von Bischöfen mit Grafschaften) und mit der dafür nötigen Personenauswahl in die inneren Angelegenheiten der Kirche eingreift.
Lit.: Köbler,
DRG 76, 85; Wenskus, R., Studien zur historisch-politischen Gedankenwelt Bruns
von Querfurt, 1956; Wolf, G., Über die Hintergründe der Erhebung Liudolfs von
Schwaben, ZRG GA 80 (1963), 315; Santifaller, L., Zur Geschichte des
ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Schmid, K., Die
Thronfolge Ottos des Großen, ZRG GA 81 (1964), 80; Bornscheuer, L., Miseriae
regum, 1968; Otto der Große, hg. v. Zimmermann, H., 1976; Beumann, H., Die
Ottonen, 5. A. 2000; Fried, J., Otto III. und Boleslav Chrobry, 1989;
Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA
110 (1993), 149; Görich, K., Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus, 1993;
Althoff, G., Otto III., 1996; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen
Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Eickhoff, E., Kaiser Otto III., 1999;
Althoff, G., Die Ottonen, 2000, 2. A. 2005; Bührer-Thierry, G., Évêques et
pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Ottonische Neuanfänge, hg. v.
Schneidmüller, B. u. a., 2000; Keller, H., Die Ottonen, 2001; Laudage, J., Otto
der Große, 2001, 2. A. 2009; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u.
a., 2001; Keller, H., Ottonische Königsherrschaft, 2002; Körntgen, L., Ottonen
und Salier, 2002, 2. A. 2008; Giese, W., Heinrich I., 2008; Keller, H./Althoff,
G., Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen 888-1024, 2008
OVG → Oberverwaltungsgericht
Oxford an der
Themse, vielleicht im 8. Jh. begründet, 912 erstmals erwähnt, ist seit dem 12.
Jh. Sitz der ältesten englischen Universität (nach 1139). Von seinen in der
Gegenwart etwa 45 Colleges ist das Merton College (1264) am ältesten, das
Christ Church College am größten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Leef, G., Paris und
Oxford, 1963; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; The History
of the University of Oxford, Bd. 1ff. 1984ff.; Sager, P., Oxford and
Cambridge, 2003; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd.
2 2007, 156
P
Paarformel ist die
zweigliedrige, zu einer Einheit verknüpfte Sprachformel, die durch Stabreim,
Endreim, Rhythmus und andere sprachliche Mittel verstärkt sein kann (z. B. Haus
und Hof, Gut und Blut, Mund und Halm). Nach Jakob → Grimm gehört die P.
zu den ältesten Schichten der von Anfang an poetisch gehaltenen Rechtssprache.
Dies lässt sich bei genauerer Untersuchung nicht erweisen. Vielmehr lassen sich
viele Paarformeln erst spät, nicht häufig und als nicht besonders bedeutsam
nachweisen. Der Gesamtbestand beruht vermutlich auf sehr unterschiedlicher
Herkunft. In der wissenschaftlichen Rechtssprache ist die P. selten.
Lit.: Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft 2 (1816), 25; Dilcher, G., Paarformeln, 1961;
Matzinger-Pfister, P., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972;
Baum, B., Der Stabreim im Recht, 1986
Pacht (zu lat. pactum [N.]
Vereinbarung) ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil
(Verpächter) verpflichtet, dem anderen Teil (Pächter) den Gebrauch des
gepachteten Gegenstandes und den Genuss der Früchte, soweit sie nach den Regeln
einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der
Pachtzeit zu gestatten, und der andere Teil sich verpflichtet, den vereinbarten
Pachtzins zu zahlen. Die P. ist den Römern als Fall der (lat.) locatio (F.)
conductio rei bekannt. Ihr entsprechen im Frühmittelalter im Ergebnis die
verschiedenen Formen der (bäuerlichen) → Leihe von Grundstücken. Seit dem
13./14. Jh. finden sich immer mehr freie Landpachtverhältnisse unter
unterschiedlichen Bezeichnungen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit
dem Spätmittelalter wird auch die P. aufgenommen. Seit dem 16. Jh. setzt sich
dabei die Bezeichnung P. durch. Zeitweise wird dann die P. als dingliches Recht
angesehen. Sonderfälle sind Landpacht und Jagdpacht.
Lit.: Kaser § 42 I II; Söllner § 9; Hübner 582; Kroeschell,
DRG 2, 139; Köbler, DRG 127; Brünneck v., Zur Geschichte der Miete und Pacht,
ZRG GA 1 (1880), 138; Scherner, K., Zur Pacht im Frankenspiegel, FS J. Bärmann,
Bd. 2 1967, 208; Schubert, W., Zur Entwicklung und Reform des Landpachtrechts,
ZRG GA 108 (1991), 237; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern,
2002
Pacta (N.Pl.) sunt servanda
(lat.) ist der im mittelalterlichen Kirchenrecht formulierte Rechtssatz, nach
dem Verträge grundsätzlich zu halten sind. Demgegenüber geht das römische Recht
anfangs davon aus, dass aus einem einfachen Vertrag grundsätzlich nicht geklagt
werden kann (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einer bloßen Vereinbarung
entsteht kein Klaganspruch). Allerdings mehren sich bereits im Altertum die
hiergegen zugelassenen Ausnahmen. Die Kirche zieht dagegen schon früh den
Standpunkt vor, dass ein gegebenes Wort nur unter besonderen Voraussetzungen
nicht eingehalten zu werden brauche, so dass man auch aus einem einfachen
Versprechen klagen können müsse. Seit der frühen Neuzeit setzt sich der
kirchliche Standpunkt gegenüber dem römischen Grundsatz durch. Dem pflichten
auch die Vertreter naturrechtlicher Überlegungen bei.
Lit.: Söllner §
9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 126; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7.
A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 2, 14, 7 § 7, vgl. Gregor IX., um
1170-1241, Dekretalen, 1, 35, 1 Summarium); Dilcher, H., Der Typenzwang im
mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wolter, U., Ius
canonicum in iure civili, 1975, 100; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980
pactio (lat. [F.])
Abrede, Vereinbarung
Lit.: Söllner §§ 9, 18; Leisching, P., Die Ehe als pactio
und societas, FS W. Plöchl, 1977, 117
Pactum (lat. [N.])
ist seit dem römischen Recht eine Bezeichnung für die formlose, keinem
anerkannten Typ entsprechende und deswegen als solche nicht einklagbare, aber
gegebenenfalls einredeweise geltend machbare Vereinbarung (pactum nudum, bloße
Vereinbarung), für die allgemeine Regeln erst später entwickelt werden. Pactum
adiectum ist die (formlose) Nebenvereinbarung. → pacta sunt servanda
Lit.: Kaser §§ 5 II, 38 III, 52 II 1, 53 I 3a; Söllner §§
8, 9, 18; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 62, 126, 163; Köbler, G., Das
Recht im frühen Mittelalter, 1971; Hohlweck, M., Nebenabreden: pacta, 1996;
Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998
pactum (N.) adiectum (lat.) Nebenabrede
Lit.: Kaser §§ 33 IV 3, 38
pactum (N.) de
non petendo (lat.) (formloser) Erlass
Lit.: Kaser §§ 53 II 3b, 56; Söllner §§
9, 18
pactum (N.) fiduciae (lat.) Treuabrede, welche die Wirkungen
eines an sich weiterreichenden Geschäftes einschränkt
Lit.: Kaser § 24 II 2, 31
Pactum (N.) legitimum ist die jüngere Bezeichnung
für das von Justinian (527-565) klagbar gemachte unentgeltliche Leistungsversprechen
(Mitgift, Schenkung).
Lit.: Kaser §§ 38 II 1, 47, 59
pactus (lat. [M.] Nebenform zu
pactum) Vereinbarung
Pactus (M.) Alamannorum (lat.) ist die
bruchstückhaft überlieferte Fassung des alemannischen Volksrechts (Vereinbarung
der Alemannen) von etwa 600 n. Chr., dem zu Beginn des 8. Jh.s die (lat.) Lex
(F.) Alamannorum nachfolgt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler DRG 81; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4.
A. 1960
Pactus (M.) legis Salicae (Vereinbarung des salfränkischen Rechts) ist die älteste,
65 Titel enthaltende Fassung der Lex Salica (507/511?).
Lit.: Köbler,
DRG 80, 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960;
Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979
Pactus (M.) pro tenore pacis (Vereinbarung über den
Lauf des Friedens) ist das der (lat.) Lex (F.) Salica angefügte merowingische
Kapitular vermutlich der merowingischen Könige Childebert I. und Chlothar I.
betreffend die Verfolgung von Unrechtserfolgen.
Lit.: Capitularia
regum Francorum, hg. v. Boretius, A., 1883, 3; Rietschel, S., Der Pactus pro
tenore pacis, ZRG GA 27 (1906), 253; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica
und des Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Amira, K. v./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Paderborn an den
Quellen der Pader ist wahrscheinlich seit 800 Sitz eines Bischofs. Von 1614 bis
1819 ist es Sitz einer Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Aubin, H., Die
Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn, 1911; Honselmann, K., Von
der carta zur Siegelurkunde, 1939; Henning, F., Herrschaft und
Bauernuntertänigkeit, 1964; Die Urkunden des Bistums Paderborn 1301-1325
(Westfälisches Urkundenbuch 9); Bannasch, H., Das Bistum Paderborn unter den
Bischöfen Rethar und Meinwerk (983-1036), 1972; Balzer, M., Untersuchungen zur
Geschichte des Grundbesitzes in der Paderborner Feldmark, 1977; Brandt, H. u.
a., Das Erzbistum Paderborn, 1989; Das Hochstift Paderborn, hg. v. Drewes, J.,
1997; Paderborn, hg. v. Göttmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1999; Brandt, H. u. a.,
Das Bistum Paderborn im Mittelalter, 2001
Padua westlich von
Venedig, seit 1164 Stadtkommune, ist seit 1222 Sitz einer von Bologna
abgespalteten Universität. 1405 fällt es an Venedig, 1797 mit diesem an →
Österreich und 1866 an → Italien.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi
a Padova nel secolo XV, 1986; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997;
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33
Paenitentia
(F.) Reue
Lit.: Riechelmann, A., Paenitentia,
2005
Paenitentiale (N.) Cummeani
ist die in Irland vielleicht in der ersten Hälfte des 7. Jh.s von Cummean
verfasste Sammlung von Bußsätzen.
Lit.: Kottje, R., Das
älteste Zeugnis für das Paenitentiale Cummeani, DA 61 (2005), 585
Paenitentiale (N.) Theodori (lat.) ist die in verschiedenen Fassungen verbreitete Sammlung von Bußsätzen, die dem in Kilikien geborenen Erzbischof Theodor von Canterbury (669-690) zugeschrieben wird.
Lit.: Finsterwalder, P., Die Canones Theodori
Cantuariensis, 1929; Kottje, R., Überlieferung und Rezeption der irischen
Bußbücher, (in) Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982, 519; Payer, P., Sex
and the Penitentials, 1984
pagus (lat. [M.])
Gau
Pairsgericht (lat.
iudicum [N.] parium) ist seit dem Mittelalter (Frankreich 12. Jh.) das →
Ebenbürtigkeit voraussetzende Gericht der Standesgenossen. → Magna Charta
libertatum
Lit.: Köbler, DRG 110, 120; Buchner, M., Die Entstehung der
Erzämter, 1911; Mayer, E., Pairs, ZRG GA 41 (1920), 376
Paläographie (F.)
Wissenschaft der älteren Handschriften
Lit.: Prou, M.,
Manuel de paléographie latine et française, 1890; Mazal, O., Lehrbuch der
Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Hoffmann, H., Bernhard Bischoff und die
Paläographie des 9. Jahrhunderts, DA 55 (1999), 549; Schneider, K., Paläographie
und Handschriftenkunde für Germanisten, 1999; Foerster, H., Abriss der
lateinischen Paläographie, 3. A. 2004; Eckhardt, H. u. a., Paläographie -
Aktenkunde -Archivalische Textsorten, 2005
Palatinus ist der
Hügel in Rom, auf dem der römische Prinzeps Augustus (44 v.-14 n. Chr.) und
viele seiner Nachfolger ihren Sitz nehmen. → Pfalz
Lit.: Haugwitz, E. Graf v., Der Palatin, 1901; Brühl, C.,
Palatium, Bd. 1ff. 1975ff.
palatium (lat. [N.]) Palast, Pfalz
Lit.: Brühl, C., Palatium und civitas, 1975
Palermo in Nordsizilien wird als Panormus von den Puniern gegründet. 254 v. Chr. fällt es an die Römer, 831 n. Chr. an die Sarazenen, 1072 an die Normannen. Unter den Bourbonen erhält es 1781 eine Universität. 1861 kommt P. zu Italien. → Panormitanus
Palimpsest (N.) Wiederabgeschabtes (und
erneut beschriebenes Pergament)
Lit.: Hoeflich, M., Law
beyond Byzantium, ZRG GA 104 (1987), 261
Pandekten ([F.Pl.] Allesumfassendes) ist der griechische Name der → Digesten.
Lit.: Kaser; Söllner § 22; Köbler, DRG 50, 53, 80; Glück,
C., Ausführliche Erläuterung der Pandekten, Bd. 1ff. 1797ff.; Bluhme, F., Die
Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft 4 (1818), 257; Bekker, E., System des heutigen
Pandektenrechts, Bd. 1f. 1886ff., Neudruck 1978; Windscheid, B., Lehrbuch des
Pandektenrechts, Bd. 1ff. 1862ff., 7. A. 1891; Bauer, A., Libri Pandectarum,
Bd. 1 2005
Pandektensystem ist
die systematische Gliederung des Privatrechts (der römischen, [aber]
naturrechtlich geordneten Pandekten) in grundsätzlich fünf Teile. Das P. geht
vom Institutionensystem (Personen, Sachen, Klagansprüche) aus, fasst bestimmte
allgemeine Begriffe mit dem Personenrecht zu einem allgemeinen Teil zusammen
und verselbständigt die schlecht einzugliedernden Materien des Familienrechts
und des Erbrechts. Es wird auf Grund des naturrechtlichen Systemdenkens (→
Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) von Gustav → Hugo (Institutionen des
heutigen römischen Rechts, 1789) angeregt, von Georg Arnold Heise in seinem
Grundriss des Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von
Pandektenvorlesungen (1807) ausgeführt, durch → Savigny, der ihm in
seiner Pandektenvorlesung folgt, allgemein verbreitet und als erstem Gesetz im
privatrechtlichen Gesetzbuch für den Kanton Zürich von 1853ff. und danach im
Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42
(1921), 578
Pandektenwissenschaft
→ Pandektistik
Pandektistik (Pandektenwissenschaft)
ist die Wissenschaft vom den Pandekten entnommenen römischen Privatrecht im
19. Jh. Ihre Grundgedanken finden sich bei → Savigny (Privatautonomie
[Kant], Grundsätze, widerspruchsfreies System, Vorrang der Wissenschaft). Das
Hauptwerk stammt von Georg Friedrich → Puchta (1798-1846), der darin eine
zusammenfassende Darstellung der gesamten Regeln des Privatrechts auf der
Grundlage auch der nichtrömischen Quellenbereiche als dem Gegenstand nicht
angemessen ablehnt. Ungeklärt ist die Frage, ob die P. eher der Beibehaltung
des Überkommenen gedient hat oder der freiheitlichen Veränderung. Die P. wirkt
sich auch auf die Schweiz, Österreich und England aus. Mit dem Inkrafttreten
des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Deutschen Reichs (1900) verliert sie an
Bedeutung gegenüber Gesetzespositivismus und Zweckjurisprudenz.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 3, 25; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 186, 188, 205; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19.
Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974;
Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jh., hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff.
1974ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen
Jurisprudenz“, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Polay, E., Ursprung,
Entwicklung und Untergang der Pandektistik, 1981; Brauneder, W.,
Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Wagner, H., Die
politische Pandektistik, 1985
Paneuropa
(Ganzeuropa) ist der Name einer in Wien 1923 von Richard Coudenhove-Kalergi
begründeten Bewegung zur friedlichen Vereinigung aller europäischen
Demokratien. Sie nimmt gedanklich die europäischen Gemeinschaften in gewisser
Weise voraus.
Lit.: Coudenhove-Kalergi,
Paneuropa, 1923; Ziegerhofer-Pretterthaler, A., Botschafter Europas, 2004
Panisbrief ist das seit dem 14. Jh. (21. 1. 1360) nachweisbare Schreiben, in dem der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) einem Laien das Recht verleiht, lebenslänglich von einer kirchlichen Anstalt mit Unterhaltsleistungen versorgt zu werden.
Lit.: Hirschmann, H., Vom kaiserlichen Recht der
Panisbriefe, Diss. jur. Marburg 1973
Pankarte (lat. [F.]
pancarta) ist nach spätantiken Ansätzen seit der Mitte des 9. Jh.s die
frühmittelalterliche Urkunde, mit der nach Verlust von Urkunden allgemein der
bisherige Besitzstand bestätigt wird.
Lit.: Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im
fränkischen Reiche, ZRG GA 1 (1880), 89
Pannonien ist das
zwischen Alpen, Donau und Save gelegene, 14-9 v. Chr. von den Römern
unterworfene Gebiet, das in der Völkerwanderung zunächst von germanischen
Stämmen, danach von Awaren bzw. → Ungarn erobert wird.
Panormitanus (lat.
[Adj.]) von Palermo, → Nikolaus de Tudeschis
Papianus ist die
ältere, auf einem Missverständnis der Zusammengehörigkeit von Stücken von
Handschriften beruhende Bezeichnung der → Lex Romana Burgundionum.
Papinianus,
Aemilius (Afrika ? um 150-Rom 212), vielleicht Schüler und Nachfolger (als lat.
advocatus [M.] fisci) des Cervidius Scaevola, wird unter dem mit ihm eng
befreundeten Kaiser Septimius Severus (193-211) (lat.) assessor (M.) der
Gardepräfekten, Leiter einer kaiserlichen Kanzlei (lat. magister [M.]
libellorum) und (203-212) Gardepräfekt (mit Paulus und Ulpian als Assessoren).
Seine bedeutendsten Werke sind 37 Bücher (lat.) quaestionum (Fragen, vor 208)
und 19 Bücher (lat.) responsorum (Antworten, 204-212), die durch Kürze, Scharfsinnigkeit
und Eigenständigkeit ausgezeichnet sind. 212 wird P. von Kaiser Caracalla
wegen des Hinweises, ein Brudermord lasse sich leichter begehen als
rechtfertigen, hingerichtet. Nach dem Zitiergesetz von 426 soll bei
Stimmengleichheit der sog. Zitierjuristen P. den Ausschlag geben. In den
Digesten stehen (mehr als 600) Auszüge aus Schriften des P. so, dass sie den
Studierenden des dritten Jahrganges treffen.
Lit.: Söllner §§
5, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 224
Papirius ist ein im
Übrigen unbekannter römischer Oberpriester (lat. [M.] pontifex), der am Ende
des 6. Jh.s zweifelhafte Königsgesetze als (lat.) ius (N.) Papirianum (Recht
des Papirius) veröffentlicht haben soll.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Papirius, Iustus,
ist der römische Jurist der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr., der
Entscheidungen, Antworten, Dienstanweisungen und Festsetzungen
(Konstitutionen) der Kaiser in 20 Büchern gesammelt haben soll, von denen 18
Bruchstücke in den Digesten aufgenommen werden.
Lit.: Köbler, DRG 31; Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K.
u. a., Bd. 4 1975, 493
Papst ist im
katholischen Kirchenrecht der Träger der obersten Gewalt der Kirche mit Sitz im
Vatikan in Rom (Heiliger Stuhl). Der Titel P. (lat. papa) ist seit der zweiten
Hälfte des 4. Jh.s für den Bischof von Rom als den Nachfolger des Apostels
Petrus bezeugt. Seit dem 5. Jh. wird er ihm allmählich vorbehalten. 1075 bestimmt
P. Gregor VII. im (lat.) → Dictatus (M.) papae, dass der Titel P. nur dem
Bischof von Rom zustehe. Als oberster Hirte der Kirche ist der P. Bischof von
Rom. Seit dem Ende des 5. Jh.s sieht der P. sich als eine der beiden
nebeneinander stehenden Gewalten. 751 verbindet sich der karolingische König
mit ihm. Infolge der ottonischen Reichskirchenpolitik und kirchlicher
Reformüberlegungen kommt es seit 1073/1075 zum → Investiturstreit und wieteren
Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und P. Der in deren Gefolge vom P. zu
Hilfe gerufene König von Frankreich verbringt den P. von 1309 bis 1376 nach
Avignon. 1517 löst Luther die Spaltung der Kirche in Katholiken und
Protestanten aus, auf die der P. u. a. mit der → Gegenreformation
reagiert. Der Abwendung von der Kirche infolge von Aufklärung und Liberalismus
stellt der P. 1869/1870 das Unfehlbarkeitsdogma entgegen. Die Aufhebung des
Kirchenstaates (am 20. 9. 1870) durch das Königreich →Italien beschneidet
seine weltlichen Möglichkeiten. Die Leitungsgewalt des Papstes ist eine
Höchstgewalt und eine unmittelbare universale Vollgewalt. Gewählt wird der P.
im sog. Konklave von den dazu berechtigten Kardinälen, die das 80. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben dürfen. Wählbar ist jeder katholische Christ.
Erforderlich ist grundsätzlich eine Zweidrittelmehrheit (bis zum 28. Wahlgang).
Seit 1389 werden nur Kardinäle gewählt. Der 269. P. (Johannes Paul II.) und der
270. Papst (Benedikt XVI.) sind seit langem die ersten Nichtitaliener.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 109, 129; Weyl,
R., Die Beziehungen des Papsttums zum fränkischen Staats- und Kirchenrecht
unter den Karolingern, 1892; Domeier, V., Die Päpste als Richter über die
deutschen Könige, 1897, Neudruck 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
5. A. 1972; Päpste und Papsttum, hg. v. Denzler, G., Bd. 1ff. 1971ff.; Fritze,
W., Papst und Frankenkönig, 1973; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des
Heiligen Stuhles, 1975; Drabek, A., Die Verträge der fränkischen und deutschen
Herrscher mit dem Papsttum, 1976; Fuhrmann, H., Von Petrus zu Johannes Paul
II., 2. A. 1984; Zimmermann, H., Das Papsttum im Mittelalter, 1981; Fichtinger,
C., Lexikon der Heiligen und Päpste, 1983; Schatz, K., Der päpstliche Primat,
2000; Frenz, T., Papsturkunden, 2. A.
2000; Schimmelpfennig, B., Das Papsttum, 4. A. 1996; Fischer-Wollpert, R., Lexikon der Päpste, 2. A. 1988; Wucher,
A., Von Petrus zu Paul, 1997; Zapperi, R., Die vier Frauen des Papstes, 1997;
Fuhrmann, H., Die Päpste, 1998; Duffy, E., Die Päpste, 1999; Papsturkunde und
europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Weber, C.,
Genealogien zur Papstgeschichte, 1999; Miethke, J., De potestate papae, 2000;
Hirschmann, S., Die päpstliche Kanzlei und ihre Urkundenproduktion (1141-1159),
2001; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the Early Middle Ages, 2001;
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hehl, E. u. a., 2002;
Hundert Jahre Papsturkundenforschung, hg. v. Hiestand, R., 2003; Fuhrmann, H.,
Die Päpste, 2004; Johrendt, J., Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der
päpstlichen Urkunden (896-1046), 2004; Schwaiger, G./Heim, M., Kleines Lexikon
der Päpste, 2005; Reinhardt, V., Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia
(1431-1503), 2005; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005; Böhmer,
J., Regesta imperii. Papstregesten, 2006; Erdmann,
J., Quod non est in actis, 2007; Scholz, S., Politik – Selbstverständnis –
Selbstdarstellung. Die Päpste in karolingischer und ottonischer Zeit, 2006;
Hack, A., Codex Carolinus, 2006f.; Gresser, G., Clemens II., 2007; Eigenbild im
Konflikt, hg. v. Matheus, M. u. a., 2008
Papstwahldekret ist das Dekret Papst Nikolaus’ II. von 1059, nach dem
Päpste nur durch Kardinalbischöfe zu wählen sind.
Papyrus ist der aus
dem Mark eines Riedgrases (Papyrusstaude) in Ägypten hergestellte beschreibbare
Stoff. Die älteste erhaltene Papyrusrolle stammt von etwa 3000 v. Chr. Vom 4.
Jh. (332) v. Chr. bis zum 7. Jh. (641) n. Chr. werden in Ägypten zahlreiche,
seit dem späten 18. Jh. allmählich in Europa bekannt werdende Papyrusurkunden
hergestellt. Seit dem Frühmittelalter wird P. als Beschreibstoff von dem auch
bei höherer Luftfeuchtigkeit dauerhaften Pergament und seit dem 11. Jh. n. Chr.
von dem billigeren und leichteren Papier verdrängt. Aus dem Mittelalter sind nur
wenig mehr als 100 Papyrusurkunden erhalten.
Lit.: Tjäder, O., Die nichtliterarischen lateinischen
Papyri Italiens, Bd. 1ff. 1955ff.; Seidl, E., Ptolomäische Rechtsgeschichte, 2.
A. 1962; Rupprecht, A., Kleine Einführung in die Papyruskunde, 1994; Wesel, U.,
Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Wolff, H., Vorlesungen über juristische
Papyrusurkunde, hg. v. Wolf, J., 1998
Paradies ist nach biblischer Ansicht der
Lebensraum des Menschen zwischen Schöpfung und Sündenfall, in dem das Recht
noch keine tatsächliche Bedeutung hat, weil der Mensch es (zunächst) nicht
bricht.
Lit.: Krauss, H., Das Paradies, 2004
Paragraph (§) ist (das Zeichen für) ein(en) Abschnitt hauptsächlich eines Gesetzes. Die Herkunft des Zeichens ist streitig (aus c bzw. cc für [lat.] capitulum [N.] bzw. capitulum capituli?).
Lit.: Köbler, DRG 107, 140; Weidmüller, W.,
Paragraphzeichen, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel, Frankfurter Ausgabe 22
(1966), 2041; Harder, M., Der Paragraph, (in) Tradition und Fortentwicklung im
Recht, hg. v. Slapnicar, K., 1991
Parangaria (lat.[F.])
ist eine mittelalterliche Abgabe.
Parapherna (lat.)
sind im spätrömischen Recht Ausstattungsgegenstände.
Lit.: Kaser § 59 IV; Köbler, DRG 58
Paraveredus (lat.[M.])
(Postnebenpferd) ist eine frühmittelalterliche Leistungsverpflichtung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dannenbauer, H., Paraveredus -
Pferd, ZRG GA 71 (1954), 55
Parentel ist die
von einem Stammelternpaar und deren Abkömmlingen gebildete Familienschaft. Dabei
stammt die erste P. (Linie) vom Erblasser, die zweite von seinen Eltern, die
dritte von seinen Großeltern usw. Jede vorgehende P. schließt die nachfolgende
aus. Innerhalb einer P. entscheidet die Nähe des Verwandtschaftsgrads, doch ist
das Eintrittsrecht anerkannt.Nach einer Ansicht ist das Denken in Parentelen
germanistischer Herkunft. Dem steht allerdings die Uneinheitlichkeit der
Gesamtheit der späteren Quellen gegenüber. Systematisch entwickelt sind die
Parentelen 1740 von → Darjes (1717-1791). In Ablehnung anderer
erbrechtlicher Vorstellungen (Vierklassensystem Justinians, Dreiliniensystem
u. a.) nimmt Joseph II. das Parentelensystem (Linealgradualordnung) mit 6
Parentelen bezüglich des freivererblichen Vermögens in sein Erbfolgepatent von
1786 auf und bewirken Martini und Horten die Aufnahme der P. in das
österreichische → Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812 (1914
Grenze bei Urgroßeltern). Auch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (18961900)
und das Schweizer Zivilgesetzbuch (1907/1911) entscheiden sich für die P. Dem
entspricht im Ergebnis auch der amerikanische Uniform Probate Code von
1969/1975.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 210; Darjes, J., Institutiones
jurisprudentiae universales, 1740; Majer, J., Germaniens Urverfassung, 1798; Wesener,
G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Mertens, H., Die Entstehung
der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge, 1970, 41; Mertens, H.,
Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Parentelensystem → Parentel
Paris an der Seine,
54 v. Chr. als Lutetia erstmals erwähnt, ist der Hauptort der keltischen
Parisier, den die merowingischen Herrscher der → Franken übernehmen (u.
a. 614 Edikt von P. Chlothars II.). Mit der Durchsetzung der Grafen von P. 987
als Könige des westfränkischen Reichs wird der Grund für P. als Hauptstadt
Frankreichs gelegt. 1219 wird das wohl kurz zuvor aufgenommene Studium des
Rechts in P. vom Papst erfolglos untersagt. 1250 wird das Parlament de Paris
als Obergericht des Königs sichtbar. Die coutumes von P. erlangen besondere
Bedeutung. Mit dem Sturm auf die Bastille in P. beginnt 1789 die französische
Revolution. 1814 und 1815 werden nach den Niederlagen Napoleons Friedensverträge
von P. geschlossen. 1871 versucht die Pariser Kommune erfolglos die Beseitigung
des zentralistischen bürgerlichen Staates. Nach dem ersten Weltkrieg werden in
den Vororten von P. 1919 und 1920 Friedensverträge abgeschlossen (Versailles
28. 6. 1919 mit Deutschland, Saint Germain 10. 9. 1919 mit Österreich u. a.).
Lit.: Köbler, DRG 100; Bourjon, F., Le droit commun de la
France et la coutume de Paris, 1747; Glasson, E., Le parlement de Paris, 1901;
Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Martin, O., Histoire de la
coutume de la Prévôté et Vicomté de Paris, Bd. 1f. 1922ff.; Martin, O., La
coutume de Paris, 1925; Lemercier, P., Les justices seigneuriales de la région
Parisienne, 1933; Leff, G., Paris and Oxford, 1968; Hartig, I., Die Pariser
Kommune, 1871; Nève, P., Recent work on the superior courts, The Irish Jurist,
23 1988, 129; Paris, Genèse d’un paysage, 1989; Geschichte der Universitäten in
Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in Paris,
2004; Carbonniéres, L. de, La procédure devant laq chambre criminelle du
Parlement de Paris au XIVe siècle, 2004; Kouamé, T., Le collège de
Dormans-Beauvais, 2005
Pariser Edikt ist das unter
dem fränkischen König Chlothar II. in Paris am 18. 10. 614 entstandene
Kapitular mit 24 Kapiteln verschiedensten Inhaltes.
Lit.: Kocher, G., Das Pariser Edikt von
614, 1976
Pariser Übereinkunft ist die
völkerrechtliche Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883.
Parität (F.)
Gleichheit (der Konfessionen)
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Heckel, M., Parität, ZRG KA 80 (1963),
261; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1973
Parlament ist das
dem Besprechen von Angelegenheiten dienende Beratungsgremium, insbesondere die
zur Gesetzgebung berufene Volksvertretung. Das P. findet sich in England in
Anfängen seit 1100, in entwickelter Form seit 1295, in Italien und Spanien seit
der Mitte des 12. Jh.s und in Frankreich seit dem 14. Jh. Ihm gehören gewisse →
Stände an. Es befasst sich mit Beilegung von Streitigkeiten, Erbringung von
Leistungen und Erörterung sonstiger bedeutsamer Fragen. Aus dem ständischen P.
wird durch Aufklärung und Revolution oder Evolution seit dem späten 18. Jh. die
durch Indemnität, Immunität und Redefreiheit geschützte Vertretung des gesamten
Volkes (→ Volkssouveränität) zum Zweck der → Gesetzgebung bzw.
umfassenden politischen Gestaltung. Besonders bedeutsam ist dabei die
Wahlrechtsreform in England von 1832. Die Veranwortlichkeit der Staatsführung
gegenüber dem P. wird im frühen 20. Jh. durchgesetzt. Seit dieser Zeit wird
auch die Frau über das Wahlrecht in das P. einbezogen. Durch → Ermächtigungsgesetz
kann das P. ausgeschaltet werden.
Lit.: Köbler, DRG 191, 230; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1978, 649; Registre des Parlements de Beaune et de
Saint-Laurent-lès-Chalon (1357-1380), hg. v. Petot, P., 1927; Marongiu, A.,
Medieval Parliaments, 1968; Achterberg, N., Grundzüge des Parlamentsrechts,
1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974;
Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H.,
Bd. 1 1980, Bd. 2 1974; Jekewitz, J., Der Grundsatz der Diskontinuität der
Parlamentsarbeit, 1977; Der Reichstag, 1981; Von der Ständeversammlung zum
Parlament, 1982; Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989; Wirsching, A.,
Parlament und Volkes Stimme, 1990; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte
der parlamentarischen Redefreiheit, 1991; Loach, J., Parliament under the
Tudors, 1991; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Kirsch,
M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; L’istituzione parlamentare
nel XIX secolo, hg. v. Manca, A., 2000; Boetticher, C., Parlamentsverwaltung
und parlamentarische Kontrolle, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in
der Weimarer Republik, 2002; Parlamento e Costituzione nei sistemi
costituzionali europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in den
konstitutionellen Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004;
Manca, A., Öffentlichkeit und Organisation der Parlamentsarbeit im
konstitutionellen Deutschland, ZNR 2007, 215
parlamentarisch, Adj., das Parlament betreffend, z. B.
parlamentarische Demokratie (Demokratie mit dem Parlament als politischem
Mittelpunkt z. B. Schweiz), parlamentarische Monarchie (Monarchie mit dem
Parlament als politischem Mittelpunkt z. B. Großbritannien)
Parlamentarischer Rat in Bonn ist ein von den Landtagen der westlichen Besatzungszonen des → Deutschen Reiches gewähltes Beratungsgremium von 65 Abgeordneten (Konrad Adenauer, Hannsheinz Bauer, Ludwig Bergsträßer, Paul Binder, Adolf Blomeyer, Heinrich von Brentano, Johannes Brockmann, Paul de Chapeaurouge, Thomas Dehler, Georg Diederichs, Fritz Eberhard, Adolf Ehlers, Hermann Fecht, Albert Finck, Andreas Gayk, Otto Heinrich Greve, Rudolf Heiland, Wilhelm Heile, Hubert Hermans, Theodor Heuss, Anton Hilbert, Fritz Hoch, Hermann Höpker Aschoff, Werner Hofmeister, Rudolf Katz, Theophil Kaufmann, Gerhard Kroll, Adolf Kühn, Karl Kuhn, Wilhelm Laforet, Robert Lehr, Lambert Lensing, Fritz Löwenthal, Friedrich Maier, Hermann von Mangoldt, Karl Sigmund Mayr, Walter Menzel, Willibald Mücke, Friederike Nadig, Erich Ollenhauer, Hugo Paul, Anton Pfeiffer, Max Reimann, Heinz Renner, Heinrich Rönneburg, Albert Roßhaupter, Hermann Runge, Hermann Schäfer, Kaspar Gottfried Schlör, Carlo Schmid, Adolph Schönfelder, Josef Schrage, Carl Schröter, Josef Schwalber, Hans-Christoph Seebohm, Kaspar Seibold, Josef Seifried, Elisabeth Selbert, Jean Stock, Walter Strauß, Adolf Süsterhenn, Friedrich Wilhelm Wagner, Felix Walter, Helene Weber, Helene Wessel, Ernst Wirmer, Friedrich Wolff, Hans Wunderlich, Gustav Zimmermann, Georg August Zinn, beratend Jakob Kaiser, Paul Löbe, Hans Reif, Ernst Reuter, Otto Suhr), das den vom Herrenchiemseer Konvent erarbeiteten Entwurf einer Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (→ Grundgesetz) seit 1. 9. 1948 unter dem Präsidium von Konrad Adenauer überarbeitet und am 8. 5. 1949 mit 53 zu 12 Stimmen annimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 256; Der
Parlamentarische Rat 1948-1949, Bd. 1ff. 1975ff.; Buchner, P., Der
Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, Bd. 2 1981; Diestelkamp, B., Die
Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Lange, E., Die Würde
des Menschen ist unantastbar, 1993 (mit Überblick über die Mitglieder des
parlamentarischen Rates); Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat, 1998; Lange,
E., Gestalter des Grundgesetzes, 1999; Der Parlamentarische Rat 1948-1949.
Akten und Protokolle hg. v. deutschen Bundestag, Bd. 1ff.
Parlamentarisches System
ist die politische Gestaltung, bei der die Regierung vom Vertrauen des →
Parlaments abhängt. Das parlamentarische System zeigt sich in England
1834/1835, in Deutschland theoretisch seit 1840 und praktisch am 28. 10. 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bagehot, W., The English
Constitution, 1867, Neudruck 1963; Beyme, K. v., Die parlamentarischen
Regierungssysteme in Europa, 1970; Parlamentarismus, hg. v. Kluxen, K., 3. A.
1971; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie,
HZ 216 (1973), 553; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G.,
Bd. 1 1974; Thaysen, J., Parlamentarisches Regierungssystem, 2. A. 1976;
Botzenhardt, M., Deutscher Parlamentarismus 1848-1850, 1977; Der moderne
Parlamentarismus, hg. v. Bosl, K. u. a., 1977; Parlamentarismus im
Norddeutschen Bund, 1985; Parlamentarismus in Tirol, hg. v. Kathrein, I. u. a.,
1988; Schumacher, M., Kommission für Geschichte des Parlamentarismus, 1988;
Goldt, C., Parlamentarismus im Königreich Sachsen, 1996; Pahlmann, M., Anfänge
des städtischen Parlamentarismus, 1997; Zeh, W., Parlamentarismus, 6. A. 1997
Parlamentarismus →
parlamentarisches System
Lit.: Christern, H., Deutscher
Ständestaat und englischer Parlamentarismus, 1939; Der moderne Parlamentarismus
und seine Grundlagen in der ständischen Repräsentation, hg. v. Bosl, K., 1977;
Obenaus, H., Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, 1984; Pollmann,
K., Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Möller, H., Parlamentarismus
in Preußen 1919-1932, 1985; Brandt, H., Parlamentarismus in Württemberg
1819-1870, 1987; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001;
Parlamentarismus in Europa, hg. v. Recker, M . u. a., 2004; Braun, M., Der
badische Parlamentarismus, 2009
Parlament de Paris → Parlament, Paris
Lit.: Rogister,
J., Louis XV and the Parlament of Paris, 1995
Parma am Nordfuß
des Apennins kommt über Etrusker, Römer und Langobarden an die Franken. Im 12.
Jh. erlangt es gewisse Selbständigkeit, fällt aber 1322 an den päpstlichen
Kirchenstaat. 1545 wird es Teil des von Papst Paul III. geschaffenen Herzogtums
Parma und Piacenza, das 1860 Sardinien-Piemont und 1861 damit → Italien
eingegliedert wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pighini, G., Storia di
Parma, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2, 2, 183, 3, 1, 254, 3, 2, 2361
Parömie (F.) Sprichwort,
Regel
parricidium (lat.
[N.]) arge Tötung
Lit.: Kaser § 36 II 2; Söllner § 8; Köbler, DRG 28, 34, 35
pars (F.) sanior (lat.)
klügerer Teil (bei einer Abstimmung), → Mehrheit
Parsberg
Lit.: Jehle, M., Parsberg, 1981
Partei ist im Verfassungsrecht die Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Parlament teilnehmen wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bietet. Im Verfahrensrecht ist P., von wem und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird. Im Privatrecht ist P. des Schuldverhältnisses der Gläubiger und der Schuldner. Der Begriff der P. ist ansatzweise bereits im Altertum vorhanden (lat. [F.] factio), im Verfahrensrecht und im Schuldrecht stehen sich Parteien von Anfang an gegenüber. Als Fremdwort erscheint P. als Übernahme aus dem Altfranzösischen im Mittelhochdeutschen. In England sind um 1680 Tories und Whigs ne. parties, in Deutschland 1784. Die politische P., der seit dem 17. Jh. parteiähnliche Vorläufer (Vereine, z. B. Sprachgesellschaften, verstärkt seit der Mitte des 18. Jh.s z. B. patriotische Gesellschaften, Lesegesellschaften, Geheimbünde wie die Illuminaten, Freimaurer, Goldkreuzer, Rosenkreuzer, politische Diskussionskreise wie die Berliner Mittwochsgesellschaft von 1783 oder studentische Reformbewegungen) vorausgehen, bestimmt seit dem 19. Jh. maßgeblich das öffentliche Leben (England Carlton Club 1832, Deutschland um 1848, Österreich Ende 19. Jh.s [nach dem Vereinsgesetz vom 15. 11. 1867]). Ab etwa 1860 werden die von 1832 bis 1848 verbotenen, 1848/1849 eine Zahl von 2000 mit vielleicht 800000 Mitgliedern erreichenden, danach aber für einige Zeit wieder zurücktretenden politischen Vereine als P. bezeichnet. Die wichtigsten politischen Parteien vertreten liberale, konservative, sozialdemokratische, kommunistische oder am Ende des 20. Jh.s ökologische Zielsetzungen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 18 IV, 27 IV;
Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 735; Bachem, K.,
Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff.
1927ff., Neudruck 1968; Mommsen, W., Deutsche Parteiprogramme, 1952; Deutsche
Parteiprogramme 1861-1956, hg. v. Treue, W., 1954, 4. A. 1968; Bergsträßer,
L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A.
1965; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971;
Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Brandt, D., Die
politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im
Reichstag, 1974; Ritter, G., Die deutschen Parteien 1830-1914, 1985; Sellert,
W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, (in) Recht, Gericht,
Genossenschaft und Policey, 1986, 97; Lang, J. v., Die Partei, 1989; Lösche,
P., Kleine Geschichte der deutschen Parteien, 2. A. 1994; Dittmer, L.,
Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Fenske, H., Deutsche
Parteiengeschichte, 1994; Soug, S., Politische Parteien und Verbände, 1996;
Stein, K., Parteiverbote, 1999; Parteien im Wandel vom Kaiserreich zur Weimarer
Republik, hg. v. Dowe, D. u. a., 1999; Olzog, G., Die politischen Parteien, 25.
A. 1999; Grießmer, A., Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen
Reich, 2000; Stalmann, V., Die Partei Bismarcks, 2000; Alexander, M., Die
freikonservative Partei 1890-1918; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v.
Gall, L., 2001; Richter, L., Die Deutsche Volkspartei 1918-1933, 2002;
Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49,
hg. v. Reinalter, H., 2005
Parteibetrieb ist
das Betreiben eines Verfahrens durch eine → Partei. Der
Verfahrensgrundsatz des Parteibetriebs beherrscht das Verfahren von Anfang an.
Vor allem im Strafverfahren ist der P. aber vom Amtsbetrieb weitgehend
verdrängt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 201; Damrau, J., Die
Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Parteieid ist der
von der → Partei zu leistende Eid. Er ist ein problematisches
Aussagebekräftigungsmittel. Dennoch findet er sich sowohl im römischen Recht
wie auch im deutschen Recht. → Reinigungseid
Lit.: Kaser; Kroeschell, DRG 2; Cappelletti, M., La
testimonianza della parte, 1962; Münks, A., Vom Parteieid zur Parteivernehmung,
1991
Parteivernehmung ist
das seit 27. 10. 1933 zulässige Beweismittel der Vernehmung einer Partei im
deutschen Zivilprozess.
Partenreederei ist
die → Reederei, bei der das einzelne Schiff im anteiligen Eigentum
mehrerer Reeder steht. Die P. wird im römischen Recht als (lat. [F.]) societas
angesehen. Sie ist im Mittelalter allgemein verbreitet. Das → Consolat
(N.) del Mar (Barcelona 1348) regelt sie sehr ausführlich. Besonders zum Ende
des 19. Jh.s wird die P. überwiegend als Innengesellschaft betrieben, bei der
nach außen nur einer der Reeder auftritt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist
die P. eine Gesellschaft, deren Gesellschaftsvermögen ein Schiff voraussetzt
und deren Anteile (Parten) nach festen Quoten bemessen und grundsätzlich
veräußerlich und vererblich sind. Diese Gesellschaft ist regelmäßig
Außengesellschaft.
Lit.: Ruhwedel, E., Die Partenreederei,
1973
partilular, Adj., einen Teil (lat. [F.] pars) betreffend
Partikularismus
ist der Zustand, in dem innerhalb eines Ganzen stets der kleineren Einheit der
Vorzug gegeben wird.
Lit.: Rörig, F.,
Ursachen und Auswirkungen des deutschen Partikularismus, 1937
Partikularrecht (Wort 18. Jh.) ist das in einem beschränkten Bereich geltende Recht im Gegensatz zu einem allgemeinen Recht. Schon im Frühmittelalter stehen im fränkischen Reich die verschiedenen Volksrechte (Franken, Sachsen, Alemannen, Bayern, Thüringer, Friesen, Langobarden us.) nebeneinander. Seit dem Hochmittelalter werden sie allgemein durch zahlreiche Landrechte, Stadtrechte und auch Dorfrechte abgelöst. 1495 stellt die Reichskammergerichtsordnung den (einheitlichen) gemeinen Rechten des Reiches die (grundsätzlich vorrangigen, aber beweisbedürftigen, unterschiedlichen) redlichen, ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der (zahlreichen) Fürstentümer, Herrschaften und Gerichte gegenüber. Seit dem 17. Jh. versucht die Wissenschaft, das einheimische P. zu einem gemeinen deutschen (Privat-)Recht zusammenzufassen, das sich aber weder gegenüber dem P. noch gegenüber dem gemeinen (römischen) Recht durchzusetzen vermag. Am Ende des 19. Jh.s gilt für etwa 20 Millionen Deutsche das Allgemeine Landrecht Preußens, für etwa 17 Millionen das gemeine Recht, für etwa 8 Millionen das französische Recht (Code civil), für etwa 3,5 Millionen das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens und für weniger als 0,5 Millionen sonstiges Recht. Seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das P. im Bereich des bürgerlichen Rechts bis auf geringe Reste zugunsten einer neuen Rechtseinheit beseitigt (ähnlich im Strafrecht, Strafprozessrecht und Zivilprozessrecht), doch besteht das Grundproblem auf europäischer Ebene fort.
Lit.: Köbler,
DRG 137; Nahmer, W. v. d., Handbuch des rheinischen Partikularrechts, Bd. 1ff.
1831ff.; Bluhme, F., Übersicht der in Deutschland geltenden Rechtsquellen, 3.
A. 1863, 162; Deutsche Rechts- und Gerichtskarte 1896, Neudruck 1996; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 189; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1 1973, 586; Kroeschell, K., Universales und partikulares Recht,
(in) Vom nationalen zum transnationalen Recht, hg. v. Kroeschell, K. u. a.,
1995, 265; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002
Partnerschaft ist
eine seit 1994 zulässige registerfähige Gesellschaft für die gemeinsame
Berufsausübung mehrerer freiberuflich tätiger Menschen (z. B. Rechtsanwälte).
Lit.: Seibert, Die Partnerschaft, 1994
Partnership Act
(1980) ist das das Gesellschaftsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechts.
Partsch, Joseph
(Breslau 2. 9. 1882-Berlin 30. 3. 1925), Sohn eines Geographen, wird nach dem
Rechtsstudium in Breslau, Genf, Breslau und Leipzig (Mitteis, Strohal) 1906
außerordentlicher Professor in Genf, 1910 Professor in Göttingen, 1911 in
Freiburg im Breisgau, 1920 in Bonn und 1921 ordentlicher Professor in Berlin.
Wissenschaftlich widmet er sich unterschiedlichen Gegenständen der
Rechtsgeschichte des Altertums.
Lit.: Lenel, O., Josef Partsch, ZRG RA
45 (1925), V
pascuarium (lat. [N.]) Weideabgabe
Pass ist die zum
Ausweis eines Menschen bei Einreise, Ausreise und Aufenthalt im Ausland
grundsätzlich erforderliche öffentliche Urkunde. Der P. ist dem Altertum und
dem Mittelalter im Ansatz bekannt (746 König Ratchis der Langobarden mit
persönlichem Brief für fremde Reisende). Seit dem Hochmittelalter gewinnt er
mit der Territorialisierung des Rechtes an Bedeutung. Besonders gefördert wird
der P. in Frankreich (1464 passeport für Briefboten, später auch Soldaten), wo
er seit 1791 ausgebaut und mit Passzwang versehen wird. Seit 1815 ist auch im
Deutschen Bund im Gegensatz etwa zu England der P. rechtstatsächlich nahezu
unabdingbar. Seit dem ersten Weltkrieg herrscht allgemein Passzwang, doch wirkt
die europäische Einigungsbewegung erneut auf Beseitigung der damit
verursachten Einschränkungen hin (u. a. Abkommen von Schengen). Der Inhaber
eines Passes steht im Ausland unter diplomatischem und konsularischem Schutz.
Daneben ist Pass auch der Übergang über ein Gebirge.
Lit.: Hübner § 11; Laur-Belart, R., Studien zur
Eröffnungsgeschichte des Gotthardpasses, 1924; Krause, J., Das deutsche
Passrecht, 1925; Medert, K./Süßmuth, W., Pass- und Personalausweisrecht, 2. A.
1992; Fahrmeir, A., Citizens and Aliens, 2000; Fahrmeir, A., Passwesen und
Staatsbildung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, HZ 271 (2000), 57; Groebner,
V., Der Schein der Person, 2004
Passau
Lit.: Maidhof, A., Das
Passauer Stadtrecht, 1927; Maidhof, A., Das Passauer Gültenwesen, Die
ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358; Veit, L., Passau. Das Hochstift,
1978; Breinbauer, J., Otto von Lonsdorf, 1992; Passau in der Zeit des
Nationalsozialismus, hg. v. Becker, W., 1999; Passau – Quellen zur
Stadtgeschichte, hg. v. Boshof, W. u. a., 2004; Knorring, M. v., Die
Hochstiftspolitik des Passauer Bischofs Wolfgang von Salm, 2006
Pasukanis, Evgenij Bronislavovic (1881-1937) ist einer der Begründer der sowjetischen Rechtstheorie (Allgemeine Rechtstheorie und Marxismus, 1924). Er vertieft die Ansicht, dass das bürgerliche Recht mit der bürgerlichen Gesellschaft absterbe. Bereits 1931 muss er sich wegen der Notwendigkeit von Gesetzen auch im Sowjetstaat hiervon lossagen. 1937 wird er als Volksschädling beseitigt.
Lit.: Law and Marxism, hg. v. Arthur, C., 1978; Reich, N.,
Sozialismus und Zivilrecht, 1972, 194
Pataria ist eine in
Mailand, Cremona, Piacenza und Brescia im dritten Viertel des 11. Jh.s
bedeutsame religiös-soziale, die Entwicklung zur Stadtgemeinde beschleunigende
Reformbewegung.
Lit.: Violante, C., La pataria milanese, 1955;
Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973, 321; Keller,
H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der europäischen Stadt,
hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale
Entwicklung, 2001
Pate ist der den
kindlichen Täufling der christlichen Kirche vertretende, neben den Eltern
stehende erwachsene Christ. Nach älteren Anfängen wird er seit dem 3. Jh.
bedeutsam.
Lit.: Dick, E., Das Pateninstitut, Z. f. kath. Theologie 63
(1939), 1; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Jussen, B., Patenschaft und
Adoption, 1991
Patent ist
allgemein der offene Brief und seit dem 19. Jh. das einem Erfinder bzw. dem für
ihn wirtschaftlich tätigen Verwerter (z. B. Verleger) (durch eine solche
Urkunde) vom Staat ausschließlich erteilte, zeitlich (auf 20 Jahre) begrenzte
Recht, eine Erfindung gewerbsmäßig zu nutzen. Die ersten Ansätze hierzu
erscheinen im Spätmittelalter (König Edward III. von England [1327-1377]
zugunsten des flämischen Webers Johann Kempe, Venedig 1469). Seitdem erteilen
Landesherren Schutzprivilegien für Erfindungen. In Venedig begegnet bereits
1474 in Verfestigung des gewohnheitsrechtlichen Zustandes das erste
Patentgesetz, das Neuheit, Ausführbarkeit und Nützlichkeit der Erfindung
voraussetzt und zeitlich befristeten Schutz gegen unerlaubte Nachahmung
gewährt. 1623/4 lässt das englische Statute of Monopolies zeitlich befristete
Ausnahmen vom Monopolverbot für Privilegien bzw. Patente zu. In Frankreich wird
nach Aufhebung des Privilegienwesens (1789) 1791 ein vom → geistigen
Eigentum des Erfinders ausgehendes Patentgesetz erlassen, in den deutschen
Staaten seit 1820 (Österreich, Bayern 1825, Württemberg 1828). Im Deutschen
Reich wird 1877 ein erstes Patengesetz und 1891 ein verbessertes Patentgesetz
geschaffen. Damit wird das Privilegienwesen endgültig abgelöst. 1903 tritt das
Deutsche Reich der Pariser Verbandsübereinkunft bei. 1973 wird eine europäische
Übereinkunft über die Erteilung europäischer Patente erreicht, auf deren
Grundlage in München 1977 ein europäisches Patentamt errichtet wird.
Lit.: Wehr, J., Die Anfänge des Patentwesens in
Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1936; Zycha, A., Beiträge zur Frühgeschichte
des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 62 (1942), 295; Berkenfeld, E., Das
älteste Patentgesetz der Welt, GRUR 1949, 139; Silberstein, M.,
Erfindungsschutz und merkantilistische Gewerbeprivilegien, 1961; Heß, G., Die
Vorarbeiten zum deutschen Patentgesetz, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966;
Beier, F., Gewerbefreiheit und Patentschutz, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 183; Öhlschlegel, H., Das
Bergrecht als Ursprung des Patentrechts, 1978; Hundert Jahre Patentamt, 1977;
Wadle, E., Gewerbliche Schutzrechte und Unternehmensorganisation, (in) Recht
und Entwicklung der Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979, 343; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4067; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Kinkeldey, M., Der Ausschluss der Juden aus der
Patentanwaltschaft, 1998; Feldmann, K., Die Geschichte des französischen
Patentrechts und sein Einfluss auf Deutschland, 1998; Patentschutz und
Innovation, hg. v. Boch, R., 1999; Gehm, M., Das Patentwesen in der bayerischen
Pfalz, ZRG GA 120 (2003), 216; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen
den Büchernachdruck, 2004; Seckelmann, M., Industrialisierung,
Internationalisierung und Patentrecht im deutschen Reich 1871-1914, 2006;
Heppe, R. v., Patentverletzungen, 2007; Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum
Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008; Mächtel, F., Das Patentrecht
im Krieg, 2009
pater (lat. [M.]) Vater (im römischen Recht grundsätzlich der, den die Ehe mit der Mutter als solchen
ausweist)
Pater (M.) familias ist im römischen Recht der Hausvater, der über das eheliche Kind, das eheliche Kind des Sohnes usw., die Frau und den aufgenommenen gewaltfreien Hausfremden die im privaten Bereich bedeutsame Hausgewalt (lat. potestas [F.]) hat.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I, 60;
Söllner §§ 4, 5, 8, 12; Köbler, DRG 21
Paternalismus (M.) auf das Wohl eines anderen auch
gegen dessen Willen gerichtetes Verhalten
Lit.: Gutmann, T.,
Paternalismus – eine Tradition deutschen Rechtsdenkens?, ZRG GA 122 (2005),
150; Grenzen des Paternalismus, hg. v. Fateh-Moghadeam, B., 2008
Pater semper incertus (lat.). Der Vater ist immer ungewiss. → mater semper certa est
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Patria potestas (lat. [F.])
ist die im altrömischen Recht nahezu unbeschränkte Hausgewalt des (lat.) →
pater (M.) familias über Kinder und Frau ([lat.] in manu), die einer Frau nicht
zugänglich ist Die der p. p. unterstehenden Menschen sind vermögensunfähig und
erwerben Besitz und Eigentum für den pater familias, der seinerseits für rechtsgeschäftliche
und deliktische Verpflichtungen haftet (z. B. Noxalhaftung).. Die p. p.
istrechtlich weitgehend uneingeschränkt, unterliegt aber der Aufsicht der
Zensoren. Die p. p. schwächt sich allmählich ab. Seit dem Spätmittelalter wird
sie in dieser veränderten Form im Heiligen Römischen Reich allmählich
aufgenommen und mit dem heimischen Recht verschmolzen. Das Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) teilt in unterschiedlicher Ausgestaltung beiden Eltern die
elterliche Gewalt zu.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1, 58 IV 2, 60; Hübner; Thomas, A., Die
Anschauungen der Naturrechtslehrer über die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern
und Kindern, Diss. jur. Rostock 1915; Wacke, A., „Elterliche Sorge“, FamRZ 27
(1980), 205
Patriarchat ist die
von den Anfängen bis in das 20. Jh. erkennbare Vorrangstellung von Vätern bzw.
Männern im Familienrecht im Gegensatz zum → Matriarchat und der
partnerschaftlichen Gleichberechtigung. Im Kirchenrecht ist P. ein
kirchenrechtliches Zuständigkeitsgebiet (z. B. des Patriarchen von Antiochia,
Alexandria, Jerusalem, Konstantinopel, Rom).
Lit.: Mitterauer, M./Sieder, R., Vom Patriarchat zur
Partnerschaft, 2. A. 1980; Lerner, G., Die Entstehung des Patriarchats, 1991;
Schweizer, C., Hierarchie und Organisation, 1991
Patricius (lat.
[M.] Väterlicher) ist seit dem frühen 4. Jh. (Kaiser Konstantin) ein römischer
Ehrentitel, der bis zum 12. Jh. begegnet.
Lit.: Weyl, R., Bemerkungen über das fränkische
Patrizieramt, ZRG GA 17 (1896), 85; Heil,
W., Der konstantinische Patriziat, 1966; Winkelmann, F., Byzantinische Rang-
und Ämterstruktur, 1985
Patrimonialgerichtsbarkeit (Bezeichnung 18. Jh.) ist die sich schon im Mittelalter allmählich entwickelnde,
dem Gerichtsherrn unverzügliche Vollstreckung eigener Forderungen gegenüber
Eingesessenen ermöglichende Gerichtsbarkeit des → Grundherrn (in
bürgerlichen Angelegenheiten, einfacheren Straffällen, Polizeiangelegenheiten
und Steuerangelegenheiten , die durch Verleihung von Gerichtsrechten seitens
der Landesherrn zustande kommt. Gegen sie (1837 in Preußen 6597
Patrimonialgerichte mit 3,28 Millionen Gerichtszugehörigen = 23,9 Prozent der
Bevölkerung, 970 an preußischen Patrimonialgerichten tätige Juristen, 1849
Patrimonialrichter) richtet sich trotz ihrer (geringfügigen) Kostengünstigkeit
der politische Liberalismus des 19. Jh.s. Nach zahlreichen kleineren
Veränderungen (Einführung obergerichtlicher Approbation für Justiziare,
Durchsetzung ihrer Unkündbarkeit, Besoldung mit festem Gehalt, Abschaffung
der Kammerjustiz, Eingliederung in den Instanzenzug, Zunahme der
Visitationen) verschwindet sie seit 1848 ganz (Österreich 1848, Preußen 2. 1.
1849 bzw. 1851, zuletzt 1879 in Mecklenburg, Lippe und in der Grafschaft
Schönburg in Sachsen).
Lit.: Wachsmuth,
C., Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonialgerichtsverfassung,
1808; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hofmann, H., Adelige
Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und
Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Werthmann, S., Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit,
1995; Thauer, J., Gerichtspraxis in der ländlichen Gesellschaft, 2001;
Wienfort, M., Patrimonialgerichte in Preußen, 2001
patrimonium (lat. [N.]) Erbgut, Gut
Lit.: Kaser §§ 18 I 1, 30 I 2; Köbler, DRG 36; Köbler, LAW
Patriziat ist die
Gesamtheit der Angehörigen der römischen und der mittelalterlich-städtischen
Oberschicht.
Lit.: Roth v.
Schreckenstein, K. Frhr. v., Das Patriziat in den deutschen Städten, 1856,
Neudruck 1970; Keller, S., Patriziat und Geschlechterherrschaft in der
Reichsstadt Lindau, 1908; Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Klocke,
F. v., Das Patriziatsproblem und die Werler Erbsälzer, 1965; Deutsches
Patriziat 1433-1740, hg. v. Rössler, H., 1968; Heers, J., La ville au Moyen
Age, 1990
Patrizier ist im
altrömischen Recht der Angehörige einer durch Vermögen und Ansehen
gekennzeichneten Familie im Gegensatz zum Plebejer. Seit dem 16. Jh. versteht
man unter P. auch den Angehörigen der eine Oberschicht der (mittelalterlichen)
Stadt bildenden regierenden Familien. Diese Oberschicht entsteht aus
Ministerialen des Stadtherrn, aus Kaufleuten und teilweise auch aus
aufsteigenden Handwerkern. Mit dem Ausgang des Mittelalters ist das →
Patriziat weitgehend abgeschlossen. In verschiedenen Städten wie z. B. Frankfurt
am Main sondert es sich vom Handel ab und nähert sich dem Adel auf dem Land an.
Es vermag sich seine Vorrechte bis in das 19. Jh. zu erhalten.
Lit.: Söllner §§
4, 5, 6, 7; Kroeschell, DRG 2; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg,
1956; Dreher, A., Das Patriziat der Reichsstadt Ravensburg, 1966; Rabe, H., Der
Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Deutsches Patriziat, hg. v.
Rössler, H., 1968; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980;
Bechtold, D., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981; Körner, H., Frankfurter
Patrizier, 2003
patrocinium (lat.
[N.]) Schutzpflicht z. B. des früheren Herrn gegenüber einem früheren Sklaven
oder eines Heiligen gegenüber einer Kirche
Lit.:
Beck, M., Die Patrozinien der ältesten Landkirchen im Archidiakonat Zürichgau,
1933
Patron (lat. [M.]
patronus) ist im römischen Recht der Schutzherr eines Freigelassenen, dem
gewisse Rechte auch nach der Freilassung zustehen, im Kirchenrecht der die
Kirche schützende Heilige.
Lit.: Kaser § 4
1b; Söllner §§ 4, 5, 12; Brown, P., Die Heiligenverehrung, 1991
Patronat ist die
Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Schutzherrn einer meist auf dessen
Grund und Boden gebauten mittelalterlich-frühneuzeitlichen Kirche in Bezug auf
diese. Das P. entsteht im 12./13. Jh. aus der Ablehnung des Laieneigentums an
Kirchen in der kirchlichen Reformbewegung des 11. Jh.s. Seitdem ist die
Fürsorge für die Kirche entscheidend. Der Patron hat ein Vorschlagsrecht für
das vom Bischof verliehene geistliche Amt. Das P. wirkt sich in Form der
Kirchenbaulast bis in die Gegenwart aus. Seit dem (lat.) Codex (M.) iuris
canonici (1917) können neue Patronate nicht mehr entstehen.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Wahrmund, L., Das Kirchenpatronatsrecht, Bd. 1f. 1894ff.; Gilgen, H.
zur, Das Patronatsrecht im Kanton Luzern, 1923; Stutz, U., Geschichte des
kirchlichen Benefizialwesens, 3. A. 1972; Landau, P., Jus patronatus, 1975;
Church and Society in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Landau, P., Patronat, Theologische Realenzyklopädie,
Bd. 26 1996, 106
Patrozinium ist im
Kirchenrecht seit dem 4. Jh. das Schutzverhältnis eines Heiligen (z. B. →
Martin) zu einer einzelnen, später meist nach ihm benannten Kirche. Das P.
lässt für quellenarme Zeiten Rückschlüsse auf die Zeit oder auf andere Umstände
der Entstehung einer Kirche zu.
Lit.: Deinhardt,
W., Patrozinienkunde, Hist. Jb. 56 (1936), 174; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Prinz, F., Askese und Kultur, 1980, 75
Paulskirche in
Frankfurt am Main ist der Ort der deutschen, aus Wahlen hervorgegangenen Nationalversammlung von 1848/9 (18. 5.
1848-28. 4. bzw. 31. 5. 1849). Hier wird eine formelle → Verfassung beschlossen,
die aber nicht in die Rechtswirklichkeit umgesetzt zu werden vermag.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 171; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die
Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955), 359; Die Grundrechtsdiskussion in der
Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Wollstein, G., Das „Großdeutschland“
der Paulskirche, 1977; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche,
1978; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998; Bert,
H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten, 1996; Jansen, C.,
Einheit, Macht und Freiheit, 1999
Paulskirchenverfasssung ist die von der in der Frankfurter Paulskirche tagenden
verfassunggebenden Nationalversammlung beschlossene Verfassung. Sie enthält
einen am 27. 12. 1848 verabschiedeten Katalog der Grundrechte
(Reichsbürgerrecht, Unverletzlichkeit, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit,
Gewissensfreiheit, Gewerbefreiheit, Berufsfreiheit, Lehrfreiheit,
Wissenschaftsfreiheit, Vereinsfreiheit, Petitionsrecht, Eigentumsschutz,
Wohnungsschutz, Schwurgericht). Der organisatorische Teil vom 27. 3. 1849 sieht
einen Bundesstaat mit einem erblichen Kaiser (am 3. 4. 1849 Annahme vom König
von Preußen abgelehnt) und einen Reichtstag mit Staatenhaus und Volkshaus vor.
Lit.: Köbler,
DRG 194; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998
Paulus, Iulius (3.
Jh. [† 222-235]), ein Schüler des Cervidius Scaevola, erscheint zuerst als
Advokat, dann (neben → Ulpian) als Assessor des Gardepräfekten →
Papinianus und als Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und Mitglied des
kaiserlichen Rates. Seiner sammelnden, sichtenden und einheitlich
darstellenden, oft eigene Ansichten äußernden Tätigkeit werden 86 Titel mit 305
bzw. 320 Büchern zugeschrieben, von denen Kommentare zum prätorischen Edikt (80
Bücher), zu den drei Büchern Zivilrecht des Sabinus (16 Bücher), Responsen (23
Bücher) und Quaestionen (26 Bücher) die wichtigsten sind. Nicht von ihm stammen
die sog. → Paulussentenzen. P. ist einer der fünf Zitierjuristen des
Zitiergesetzes (426). Die → Digesten bestehen zu einem Sechstel aus (mehr
als 2000) Auszügen aus seinen Werken.
Lit.: Söllner §§
15, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft,
1961; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Schmidt-Ott,
J., Pauli Quaestiones, 1993; Spengler, H., Dogmatik, Systematik, Polemik, 2000
Paulus de Castro (Castro
westlich des Lago de Bolsena 1360/1362-20. 7. 1441) wird nach dem Rechtsstudium
in Perugia (Baldus) und Pavia Professor in Avignon, Siena, Florenz, Bologna und
Padua. Von ihm stammen Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie viele
Gutachten.
Lit.: Lange, H., Die Rechtsquellenlehre in den Consilien Paul de
Castros, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 421; Romano, A., La giurisprudenza
consulente e Paolo di Castro, (in) Rivista di storia del diritto italiano 61
(1988), 141; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 813
Paulussentenzen (lat.
Pauli sententiae [F.Pl.]) sind eine im späten 3. Jh. oder im 4. Jh.
entstandene, dem Juristen → Paulus fälschlich zugeschriebene, aber aus
seinen Werken hervorgehende einflussreiche frühnachklassische Juristenschrift
in fünf Büchern, von der Bruchstücke vor allem in den → Digesten
Justinians und in der (lat.) → Lex (F.) Romana Visigothorum erhalten sind.
Lit.: Kaser § 2
II 5a; Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2 a; Kaser,
M./Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956
pauperies (lat. [F.]) Armut, der
von einem vierfüßigen
Tier verursachte Schaden
Pauperismus ist die Bezeichnung für die im späteren 18. Jh. aus dem Bevölkerungswachstum bei stagnierender Wirtschaft infolge kräftiger Preissteigerungen bei geringer Reallohnzunahme entstehende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.
Lit.: Köbler,
DRG 135; Matz, K., Pauperismus und Bevölkerung, 1980; Labande, E., Pauper et
peregrinus, 2004
Pavia am Tessin
wird nach Umbenennung aus Ticinum 572 von den Langobarden erobert und
allmählich zur Hauptstadt des langobardischen Reiches gemacht. Vielleicht aus
einer Schule der freien Künste (825) entwickelt sich eine spärlich bezeugte
Rechtsschule, in der (lat.) → Liber (M.) Papiensis (11. Jh.), (lat. [F.]) → Lombarda (Ende 11. Jh.) und (lat.) Expositio
(F.) ad librum papiensem (Erläuterung zum Pavianer Buch) um 1100) entstehen,
die aber die rechtswissenschaftliche Tätigkeit in → Bologna kaum
beeinflusst. 1356 gelangt P. an Mailand. 1361 wird eine Universität errichtet.
1393 werden 1470 überarbeitete (lat.) Statuta (N.Pl.) regiminis potestatis Papiensis (Statuten
der Herrschaft in Pavia) aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Storia della Università di
Pavia, 1925; Vaccari, P., Pavia, 1956; Vaccari, P., Storia della università di
Pavia, 2. A. 1957; Zorzoli, M., Le tesi legali all’ università di Pavia, 1980;
Storia di Pavia, 1987ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 34
pax (lat. [F.])
Friede, → Gottesfriede, Landfriede
pax (F.) Dei (lat.) Friede Gottes
pecia (lat. [F.]) Handschriftenteil
als Schreibvorlage im 12.-14. Jh.
Lit.: Destrez,
J., La pecia, 1935; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1 1973, 67,153
Peculium (lat. [N.],
Kleintierherde) ist schon im altrömischen Recht das vom Herrn eines Sklaven
diesem zur tatsächlichen Bewirtschaftung überlassene oder vom Gewaltunterworfenen
selbst gewonnene Sondergut. Der Gewalthaber kann Besitz ohne eigenen
Besitzwillen begründen und haftet für Geschäftsschulden bis zum Wert des p.
Lit.: Kaser §§
11 II 1a, 12 III, 15 I 3, 49 II, 60; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 21; Wesener, G., Peculia – bona adventicia – freies und unfreies Kindesgut,
(in) Iuris vincula Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393
pecunia (lat. [F.]) Geld
Lit.: Kaser § 32
II 2b; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983
peer (engl., zu
lat. par, gleich) Adliger, Lord (14. Jh.)
peinlich (zu lat.
[F.] poena, Strafe) die Strafe vor allem an Leben und Leib betreffend, z. B.
peinliche Frage im Inquisitionsverfahren
Lit.: Köbler,
DRG 115, 119; Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden
peinlichen Rechts, 1800; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von
Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971; Gudian, G., Geldstrafrecht und
peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273
Peinliche Gerichtsordnung Karls V. → Constitutio Criminalis Carolina
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 138, 156, 158; Meier, A., Die Geltung der peinlichen
Gerichtsordnung Kaiser Karls V., 1929; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288
Peira, Pira
(griech. [F.], Erprobung, Unternehmen, Kenntnis) ist ein zu Beginn des 11. Jh.s
entstandenes, aus 75 unsystematischen Titeln gebildetes praktisches Lehrbuch
des byzantinischen Rechtes. Die P. beruht teilweise auf Gutachten, Urteilen und
Abhandlungen des Richters am byzantinischen Hofgericht Eustathios Rhomaios,
die sein Sekretär verarbeitet (lat. Practica [F.] ex actis Eustathii Romani,
Praktisches aus den Akten des Eustathius Rhomaius). Sie ist noch im 14. Jh. (→
Harmenopulos) bekannt.
Lit.: Oikonomides,
N., The Peira of Eustathios Rhomaios, (in) Fontes minores, hg. v. Simon, D., 7
1986, 169; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Peloponnes ist die
griechische Halbinsel südlich der Landenge von Korinth. In griechischer Zeit
sind Argos, Korinth und Sparta die wichtigsten Orte. 395 n. Chr. wird der P.
Teil Ostroms, in der ersten Hälfte des 15. Jh.s fällt er weitgehend an die
Osmanen, gegen die 1821 ein Unabhängigkeitskrieg beginnt. → Griechenland
Pene → lat. (F.) poena
Pension (F.) Ruhegehalt des
Beamten, Unterkunft
Pepo (2. Hälfte des
11. Jh.s) ist ein nicht näher bekannter Vorläufer des Irnerius in Bologna.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997, 151
per aes et libram (lat.)
mit Kupfer und Waage, → Manzipation, mancipatio
Lit.: Kaser § 7 I 3; Söllner § 8
Perduellio (lat. [M.]), arger
Krieg, ist im altrömischen Recht der mit einer öffentlichen Strafe belegte Landesverrat
bzw. Volksverrat.
Lit.: Köbler, DRG 20, 31; Söllner § 8
peregrinus (lat. [M.]) Fremder, Peregrine, Nichtrömer, nicht
römischer Bürger, bedeutngslos ab 212 n. Chr.
Perestroika (russ.) Umbau (1985-1990 in der Sowjetunion)
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Modrow, H., Die Perestroika, 1998
Pergament ist die
abgeschabte Tierhaut als Beschreibstoff vor allem im frühen und hohen
Mittelalter (ältestes erhaltenes Exemplar 3./2. Jh. v. Chr.). Das P. verdrängt
seit dem Frühmittelalter den Papyrus und unterliegt seinerseits seit dem 11.
Jh. dem Papier.
Lit.: Pergament, hg. v. Rück, P., 1991
Periculum (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die Gefahr der Tragung eines Verlustes.
Insbesondere trägt der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs der
Kaufsache nach Vertragsabschluss (bzw. Perfektion), so dass er zahlen muss,
auch wenn er nichts erhält.
Lit.: Kaser §§
34 III 2, 41 IV, 42 II 2, 62 IV 4; Köbler, DRG 46; Bauer, M., Periculum
emptoris, 1998
Periculum est emptoris (lat.). Die Preisgefahr trägt der Käufer.
Lit.: Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 170-um 230, Digesten 18, 6, 8,
pr.)
Perneder, Andreas
(Ried um 1499-München 1543) wird nach dem Rechtsstudium in Ingolstadt Richter
und Rat in München. Sein Versuch eines großen praktischen Handbuches des
geltenden Rechts ist nicht ganz vollendet. Dazu gehören deutsche (F.Pl.)
Institutiones (unter Berücksichtigung des deutschen allgemeinen Rechts, des bayerischen
Landrechts und der Stadtrechtsreformationen von Nürnberg, Worms und Freiburg im
Breisgau), Gerichtlicher Prozess, Lehenrecht, Von straff und Peen und
schließlich (lat.) Summa (F.) Rolandina (Bearbeitung der Summa artis notariae
des Rolandus Passagerii). Sie werden anscheinend 16mal aufgelegt. Dennoch
unterliegen sie letztlich der lateinisch bleibenden Rechtsliteratur.
Lit.: Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 172; Söllner, A., Die
Literatur zum gemeinen und partikularen Recht, (in) Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 2, 1 1977, 556; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977, 167
Perpetuatio (F.) obligationis ist im römischen Recht die noch von den Juristen des 1.
Jh.s entwickelte Fiktion der Fortdauer einer Verbindlichkeit trotz Unterganges
der geschuldeten bestimmten Sache für den Zeitpunkt der (lat.) litis
contestatio (F.).
Lit.: Kaser § 37
I, II
Perser ist der Angehörige des persisch sprechenden, aus den Indogermanen
hervorgegangenen, westlich Indiens ansässigen Volkes.
Lit.: Winter, E./Dignas, B., Rom
und das Perserreich. 2001; Klinkott, H., Der Satrap, 2005; Baykal, H., Vom
Perserreich zum Iran, 2007
Person ist, wer
Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Seit neben dem Menschen auch
weitere Träger von Rechten und Pflichten anerkannt werden, entwickelt sich P.
zu einem Oberbegriff sowohl des Menschen als der natürlichen P. wie auch der
juristischen P. In diesem Sinn spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von
einer (lat. [F.]) persona ficta (erdachten P.) der (lat. [F.]) →
universitas, die aber noch keine vollständige P. ist. Im 16. Jh. entsteht aus
lateinisch persona der allgemeine Begriff der P.
Lit.: Kaser § 13
I; Hübner; Köbler, DRG 121; Coing, H., Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962;
Watson, A., The Law of Persons, 1967; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen
Person im 19. Jahrhundert, 1973; Der beurkundete Mensch, hg. v. Füchtner, H.,
1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Person und
Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Köbler, G.,
Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Ueberschär, E., Die Entwicklung
der bürgerlichen Rechtsperson, Diss. jur. Jena 1993; Kobusch, T., Die
Entdeckung der Person, 1993
persona (lat. [F.]) Person
Personalarrest ist die vorläufige Festnahme eines Menschen zur vorläufigen Sicherung einer gefährdeten Vollstreckung in das Vermögen. Der P. als ein Fall des → Arrestes entwickelt sich aus dem Handhaftverfahren. Er wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. In der Gegenwart ist der P. statthaft, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass die Zwangsvollstreckung in vorhandenes Vermögen gefährdet wird.
Lit.: Planitz,
H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922, 25
Personalfolium ist
das über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von
demselben Grundbuchamt geführt werden, geführte gemeinschaftliche
Grundbuchblatt. Es ist gegenüber anderen Grundsätzen der Grundbuchführung
(-.> Realfolium) die Ausnahme.
Lit.: Hübner 235
Personalitätsprinzip ist
der auf personale Merkmale im Gegensatz beispielsweise zu territorialen
Gegebenheiten abstellende Grundsatz. Das P. gilt im römischen Recht, doch
unterstehen die Rechtsbeziehungen zwischen Römern und Fremden, zwischen Fremden
verschiedener Völker und zwischen den Abkömmlingen unterworfener Völker (lat.
[M.Pl.] dediticii) dem römischen (lat.) ius (N.) gentium (Fremdenrecht).
Vielleicht bei den Germanen, jedenfalls im Frühmittelalter gilt ebenfalls meist
das P. (der → Volksrechte). Seit dem 12. Jh. wird dieses aber zunehmend
vom Grundsatz der Territorialität (der → Landrechte) abgelöst. Es wirkt
jedoch im Personalstatut des internationalen Privatrechts fort.
Lit.: Kaser § 3
III 2a; Söllner §§ 18, 25; Kroeschell, DRG 1; Stouff, L., Ètude sur le principe
de la personnalité des lois, 1894; Schönbauer, E., Studien zum
Personalitätsprinzip im antiken Recht, ZRG RA 49 (1929), 345; Gualazzini, U.,
La fine della personalità della legge nel cremonese, Bollettino storico
cremonese 2, 1, (1931), 94; Gutermann, S., The Principle of the Personality of
Law, University of Miami Law Review 21 (1966), 259; Köbler, G., Land und
Landrecht im Frühmittelalter, ZRG GA 86 (1969), 2, 30; Guterman, S., The
Principle of the Personality of Law, 1990
Personalkredit ist
das personal gesicherte Darlehen. Die Sicherung durch einen → Bürgen oder
durch → Einlager reicht dabei weit zurück. Eine starke Belebung erfährt der P.
seit dem 19. Jh.
Lit.: Les suretés personelles, Recueils de la société Jean Bodin 29ff. 1971ff.
personal property (N.) Fahrnis,
bewegliche Sache
Personalservitut ist
die nur einer bestimmten Person zustehende persönliche, mit dem Tod des
Berechtigten endende →
Dienstbarkeit (beschränktes dingliches Recht z. B. Gebrauch [usus], Wohnung
[habitatio] oder Gebrauch und Fruchtziehung [ususfructus] im Gegensatz zum
Realservitut (Grunddienstbarkeit). Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch
Österreichs (1811) wird auch die unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit
anerkannt (§ 479 ABGB), im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900)
die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090ff. BGB).
Lit.: Kaser §§
28 I 1, 29 I
Personalunion ist
die (rechtlich zufällige, seit dem 18. Jh. als solche erkannte) politische
Verbindung zweier oder mehrerer monarchischer, rechtlich von einander
unabhängiger selbständiger → Staaten unter einem Herrscher (z. B
Spanien/Heiliges römisches Reich 1519-1556, Sachsen/Polen 1697-1763, Großbritannien/Hannover
1714-1837, Niederlande/Luxemburg 1815-1890, Preußen/Neuenburg 1707-1857). →
Staatslehre
Lit.: Jellinek,
G., Allgemeine Staatslehre, 3. A. 1914, Neudruck 1959, 759; Lewy, H.,
Personalunion und Realunion, Diss. jur. Greifswald 1918; Favre, H., Neuenburgs
Union mit Preußen, 1932
Personalvollstreckung ist die Vollstreckung in die Person des Schuldners. Sie ist im
altrömischen Recht mit Hilfe der (lat.) → legisactio (F.) per manus
iniectionem möglich (Verkauf über den Tiber). Tatsächlich findet auch
Schuldknechtschaft zwecks Abarbeitung einer Schuld statt. Gegen die Zeitenwende
wird die P. durch die Vermögensvollstreckung zurückgedrängt. Die P. findet
sich auch im Mittelalter. Erst 1868 wird die Schuldknechtschaft gesetzlich im
Norddeutschen Bund und in Österreich beseitigt.
Lit.: Kaser §§
81 III 1, 85 II 2, 87 I 10; Köbler, DRG 20, 86; Spann, M., Der Haftungszugriff
auf den Schuldner, 2004
Personenname ist
der → Name einer → Person im Gegensatz z. B. zum Ortsnamen.
Personennamen erscheinen (einnamig - mehrgliedrig) in den frühesten Quellen.
Sie werden meistens durch die Eltern gegeben. Seit dem 3. Jh. v. Chr. werden in
Rom drei Namen üblich (Vorname, Name, Geschlechtsname). Im deutschen Bereich
tritt seit dem Hochmittelalter zum Namen ein Beiname (oder Familienname) hinzu.
In Österreich wird 1776 die freie Namensänderung ausge_schlossen. Am Ende des
19. Jh.s wird in Deutschland das Namensrecht als Persönlichkeitsrecht erkannt.
Der P. kann rechtlich bedeutsame Aufschlüsse bieten.
Lit.: Förstemann,
E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1 2. A. 1901, Neudruck 1966; Socin, A.,
Mittelhochdeutsches Namenbuch, 1903, Neudruck 1966; Schönfeld, W., Wörterbuch
der altgermanischen Personen- und Völkernamen 1911, 2. A. 1965; Lutz, O., Recht
in Familiennamen, 1925; Leiß, L., Bayerische Familiennamen und
Rechtsgeschichte, 1934; Bach, A., Deutsche Namenkunde, Teil 1 Bd 1f. 2. A.
1952f.; Scheffer-Erhardt, C., Alt-Nürnberger Namenbuch, 1959; Kaufmann, H.,
Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen, 1965; Geuenich, D., Die Personennamen
der Klostergemeinschaft von Fulda, 1976; Meyerholz, H., Bodenständige Familien
in den Grafschaften Hoya und Diepholz, 1976; Reichert, H., Lexikon der
altgermanischen Namen, 1987; Sonderegger, S., Prinzipien germanischer
Personennamengebung, (in) Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997, 1;
Personennamen des Mittelalters, hg. v. d. Bayerischen Staatsbibliothek, 2. A.
2000 (Namensformen für 13000 Personen, 3500 Personennamen); Berger, E., Erwerb
und Änderung des Familiennamens, 2002; Dictionnaire historique de
l’anthroponymie romane (Patronymica Romanica) hg. v. Cano González, A. u. a.,
Bd. 1ff. 2003ff.
Personenrecht ist
das die → Person betreffende Recht im Gegensatz etwa zum →
Sachenrecht (oder zum → Schuldrecht). Auf der Grundlage der griechischen
Philosophie unterscheidet für das römische Recht nach Quintus Mucius Scaevola
vor allem → Gaius (um 160 n. Chr.) zwischen (lat.) personae (F.Pl.,
Personen) und res (F.Pl., Sachen) sowie actiones (F.Pl., Klagansprüchen). Dem
folgt man seit der Aufnahme des römischen Rechts im Spätmittelalter zunehmend.
Erst im → Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 wird
das P. aber einer der drei Teile der Kodifikation.
Lit.: Mühlpfort,
W., Disputatio de iure personarum, 1611; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionensystems,
ZRG RA 70 (1953), 93; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die
Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Quin, E., Personenrechte und
Widerstandsrecht, 1999
Personenstandsgesetz von
6. 2. 1875 ist das im Kulturkampf die weltliche Zuständigkeit für das
Personenstandswesen durchsetzende Gesetz des Deutschen Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 209; Schubert, W., Zur
Vorgeschichte und Entstehung der Personenstandsgesetze, ZRG GA 97 (1908=, 43
Personenverband ist
die zu einer Einheit tendierende Mehrheit von Menschen. Sie findet sich seit
dem Altertum und dem Frühmittelalter. Sie bildet eine Vorform der →
juristischen Person.
Lit.: Hübner 57, 121; Köbler DRG 36, 57, 238, 266
Persönlichkeitsmissachtung wird im klassischen römischen Recht als (lat. [F.]) →
iniuria erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 27
Persönlichkeitsrecht ist
das Recht des Einzelnen gegenüber jedermann auf Achtung seiner Menschenwürde
und auf Entfaltung seiner einzelmenschlichen Besonderheit. Als besondere
Persönlichkeitsrechte werden das Recht am Namen seit längerer Zeit und das
Recht am eigenen Bild seit kürzerer Zeit (vgl. RGZ 45,170 zu zwei Fotografien
Bismarcks auf dem Totenbett 1898) geschützt. 1954 anerkennt der
Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland ein allgemeines P. (BGHZ 13,
334). Als seine geschichtlichen Vorläufer können dabei Hugo Donellus (1590),
die Naturrechtler und eine Mindermeinung des 19. Jh.s (Puchta, Gierke, Windscheid)
angesehen werden. Seit 1999 anerkennt der Bundesgerichtshof Deutschlands die
Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts (postmortales
Persönichkeitsrecht nach Marlene Dietrich).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206, 266, 271;
Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts, AcP 158 (1959/60),
503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts, 1962; Hamprecht,
K., Persönlichkeitsrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1965;
Herrmann, M., Der Schutz der Persönlichkeit, 1968; Klingenberg, E., Vom
persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Simon, J.,
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1981; Klippel, D., Historische Wurzeln und
Funktionen, ZNR 1982, 132; Coing, H., Die Entwicklung der
Persönlichkeitsrechte, (in) Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988, 75; Seifert,
F., Postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts, NJW 1999, 1899; Klippel,
D./Lies-Benachib, G., Der Schutz von Persönlichkeitsrechten um 1900, (in) Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 343; Austermühle, G., Zur
Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002;
Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004; Fischer, A., Die
Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004; Martin, K., Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, 2007
pertinentiae (lat.
[F.Pl.]) Zubehörstücke
Perugia am oberen
Tiber beruht auf dem etruskischen Perusia. 1549 kommt es an den Kirchenstaat,
mit diesem 1870 an Italien (1861). Es ist Sitz einer Universität.
Lit.: Ermini, G., Storia della università di Perugia, 2. A.
1971; Valleranci, M., Il sistema giudiziario, 1991; Stader, I., Herrschaft
durch Verflechtung, 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 33
Peterspfennig ist
die aus England seit dem 8. Jh. dem Papst als dem Nachfolger des Petrus
geleistete Abgabe (Pfennig), die im Hochmittelalter und im Spätmittelalter auch
in Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Polen und Ungarn entrichtet wird. Seit
1871 ist der P. eine freiwillige Spende der Bistümer.
Lit.: Jensen, O., Der englische Peterspfennig, 1903; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A., 1972, 307; Maschke, E., Der
Peterspfennig in Polen, 2. A. 1980
Peter von Andlau (Andlau ?
um 1420-Basel 5. 3. 1480) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in
Heidelberg (1439) und des Rechtes in Pavia (1443) nach der Promotion 1444
Kaplan in Basel und Leiter juristischer Disputationen (1450) sowie 1460
Professor (1471 Rektor). Mit dem 1460 erschienenen (lat.) Libellus (M.) de Caesarea
monarchia (De imperio Romano, Büchlein über die kaiserliche Monarchie bzw. Über
das römische Reich) verfasst er unter kurialistischer Sicht die erste zusammenhängende
Darstellung des deutschen Staatsrechts (Entstehung und Funktion von Herrschaft
und Regierung, Reiche des Altertums, Übergang der Herrschaft, Kurfürsten,
Adel, Reichstag, Kriegswesen, Pflichten des Kaisers, Pflichten gegenüber dem
Kaiser, Ende des römischen Reiches). Auf der Grundlage der Bibel, des
gelehrten Rechtes, der Schriften Jordanus von Osnabrücks, Thomas von Aquins,
Felix Hemmerlins und Enea Silvio Piccolominis sowie der Goldenen Bulle schlägt
er Aufnahme des römischen Rechts durch engen Anschluss der Fürsten an den
Kaiser und durch gelehrte Richter vor.
Lit.: Hürbin, J., Eine Ergänzung des „Libellus de Caesarea
monarchia“ Peters von Andlau, ZRG GA 16 (1895), 41; Hürbin, J., Peter von
Andlau, 1897; Hürbin, H., Die Quellen des „Libellus de Cesarea monarchia“, ZRG
GA 18 (1897), 1; Scheffels, G., Peter von Andlau, Diss. phil. Berlin 1955;
Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1966; Peter von Andlau, Kaiser und
Reich, hg. v. Müller, R., 1998
Petition ist seit
dem frühen 19. Jh. die Bittschrift an eine amtliche Stelle. Ein Recht zu einer
P. ist zunächst ein Recht des Parlamentes gegenüber dem Fürsten (Bayern 1818).
Daneben erscheinen in England seit 1272 private Petitionen an das Parlament
(rund 170000 erhalten, zunächst anglonormannisch, ab 1440 mittelenglisch) und
kommt seit 1689 in England dem Einzelnen ein Recht zu, sich mit einer P. an den
König, die Regierung, die Volksvertretung oder eine Behörde zu wenden, ohne
dadurch Nachteile befürchten zu müssen. Hieraus wird im frühen 19. Jh. ein
Mittel zur öffentlichen Erbringung politischer Forderungen, das die Reaktion
seit 1819 zu unterdrücken versucht. 1848 wird das allgemeine Petititionsrecht
verfassungsmäßig durchgesetzt.
Lit.: Becker, K., Die Entwicklung des Petitions- und
Beschwerderechts, Diss. phil. Greifswald, 1913; Gisiger, W., Das Petitionsrecht
in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Hoffmann, D., Das Petitionsrecht, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1959; Pistottnik, K., Das Petitionsrecht, Diss. jur.
Wien 1969; Kumpf, J., Petitionsrecht und öffentliche Meinung, 1983; Mohme, D.,
Das Petitionsrecht, 1992; Dodd, G., Justice and Grace, 2007; Medieval
Petitions, hg. v. Ormrod, W. u. a., 2009
petitorisch (begehrend
[aus dem Eigentum])
Lit.: Fiedler, A., Der petitorische Rechtsschutz, 1995
Petrus Crassus (2. Hälfte 11.
Jh.) verteidigt in Ravenna Heinrich IV. 1084 in der (lat.) Defensio (F.)
Heinrici IV. regis mit Hilfe des römischen Rechts gegen die Behauptung, dass
der König sein Amt durch Wahl erlangen müsse.
Lit.: Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites,
Diss. phil. München 1934, 905
Petrus de Bellapertica
(Pierre de Belleperche) (um 1250 geboren-Lucenay-les-Aix-Jan. 1308) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans um 1280
Professor, 1296 Bediensteter des Königs und 1306 Bischof von Auxerre sowie
Kanzler von Frankreich. Überliefert sind von ihm vor allem Vorlesungen
(lecturae), Repetitionen und Distinktionen.
Lit.: Feenstra, R., L’Ecole de droit d’Orléans, Revue
d’histoire des Facultés de droit 13 (1992), 36; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 546
Petrus de Vinea (Capua vor 1190-San
Miniato April 1249), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna 1221
Notar (?) und 1224 Richter Friedrichs II. Von ihm stammen die Novellenregeln
der Konstitutionen von Melfi. Wahrscheinlich wegen Amtsmissbrauchs wird er im
März 1249 geblendet.
Lit.: Huillard-Bréholles, J., Vie et correspondance de
Pierre de la Vigne, 1865, Neudruck 1966; Baethgen, F., Dante und Petrus de
Vinea, 1955; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des
Petrus de Vinea, 2002
Petschaft (N.)
Siegel
Pfaffenkind ist das von einem zur Ehelosigkeit verpflichteten Geistlichen erzeugte uneheliche KindKind.
Pfahl ist der festere, längere Holzstock. Pfählen ist im Spätmittelalter und in früher Neuzeit eine seltene, durch Durchbohren mit einem P. vollzogene Todesstrafe (z. B. CCC Art. 131 für Kindestötung).
Lit.: Baltl/Kocher; Brunner, H., Über die Strafe des
Pfählens, ZRG GA 26 (1905), 258; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 499, Neudruck 1964; Meyer, H., Menschengestaltige
Ahnenpfähle aus germanischer und indogermanischer Frühzeit, ZRG GA 58 (1938),
42
Pfahlbürger ist der
außerhalb der Stadtmauer lebende, durch die Pfähle einer Vorstadtbefestigung
geschützte (str.) Bürger der mittelalterlichen Stadt (1231/2). Da der P. die
Rechte eines Bürgers beansprucht, entsteht vielfach Streit mit Landesherren.
Mit Abschluss der Landesherrschaft verschwinden die P. wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schmidt, M., Die Pfahlbürger, Z. f.
Kulturgeschichte 9 (1902), 241; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Schröder, E., Pfahlbürger,
FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 52; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
5. A. 1980
Pfählen ist eine mittels Durchbohrens
des menschlichen Körpers mit einem hölzernen Pfahl vollzogene, an der Wende vom
Mittelalter zur Neuzeit (z. B. in Art. 131 der Constiutito Criminals Carolina
von 1532) sichtbare Art der Todesstrafe.
Lit.: Brunner, H., Über
die Strafe des Pfählens im älteren deutschen Recht, ZRG GA 26 (1905), 258
Pfalz ist der Palast der Herrschers im Mittelalter. Die P. nimmt ihren Ausgang von dem Hügel Palatinus, auf dem in Rom das Haus des Prinzeps Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) steht. Seit dem Frühmittelalter beherrscht der fränkische bzw. deutsche König sein Reich durch Ziehen von P. zu P.
Lit.: Köbler, DRG 83; Buchner, M., Zur Interpretation des
palatinus regalis aulae, ZRG GA 35 (1914), 441; Schaller-Fischer, M., Pfalz und
Fiskus Frankfurt, 1969; Brühl, C., Palatium, Bd. 1f. 1975ff.; Die deutschen
Königspfalzen, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.;
Binding, G., Deutsche Königspfalzen, 1996; Orte der Herrschaft, hg. v. Ehlers,
C., 2002; Splendor palatii, hg. v. Fenske, L. u. a., 2002
Pfalz ist das aus
dem Herrschaftsgebiet des fränkischen Pfalzgrafen Lothringens nach der
Belehnung Konrads von Staufen durch Kaiser Friedrich I. (1155/1156) entstehende
Land am mittleren Rhein. Nach dem Übergang an die Wittelsbacher (1214) kommt
1329 die obere P. (Oberpfalz) zwischen Regensburg und Fichtelgebirge zur P.
hinzu. 1945 wird die linksrheinische P. von Bayern getrennt und mit anderen
Gebieten zu → Rheinland-Pfalz vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Häusser, L., Geschichte
der rheinischen Pfalz, 1845; Lossen, R., Staat und Kirche in der Pfalz, 1907;
Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz,
1937; Pfalzatlas, hg v. Alter, W., Bd. 1 1964, 393; Karst, T., Das
kurpfälzische Oberamt Neustadt an der Haardt, 1960; Cohn, H., The government of
the Rhine Palatinate, 1965; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst
Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Press, V., Die Grundlagen der kurpfälzischen Herrschaft
in der Oberpfalz, Verh. d. hist. Ver. Oberpfalz 117 (1977), 31; Spieß, K.,
Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Kern, B.,
Das Pfälzer Landrecht und die Landesordnung von 1582, ZRG GA 100 (1983), 274;
Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1985; Sprinkart, P.,
Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Schaab, M., Geschichte
der Kurpfalz, 1988; Lenz, R., Kellerei und Unteramt Dilsberg, 1989; Rose, M.,
Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert 1994;
Kurpfalz, hg. v. Schweickert, A., 1997; Kohnle, A., Kleine Geschichte der
Kurpfalz, 2005; Martin, M., Pfalz und Frankreich, 2008
Pfalzgraf ist ein
Titel im fränkisch-deutschen Reich im Mittelalter und in der Frühneuzeit.
Zuerst wird ein (lat.) comes (M.) palatii bei Gregor von Tours genannt (577,
587, Diplom Chlodwigs II. vom 22. 6. 654), der vermutlich den Hof des Königs
leitet, aber bald vom Hausmeier verdrängt wird. Als der Hausmeier 751 zum König
aufsteigt, wird der P. wieder oberster Amtsträger in weltlichen Sachen und
vertritt vor allem den König im Gericht. Seit dem frühen 9. Jh. erscheint ein
(vom König eingesetzter) P. der einzelnen Völker oder Stämme (z. B. Sachsen,
Bayern usw.), aus dem sich der P. bei Rhein (als P. des Herzogtums Lothringen)
zum Landesherrn (der → Pfalz) und Kurfürsten (Reichsvikar, Vorsitz im
Fürstengericht) entwickelt, während die Stellung und die Rechte der anderen
Pfalzgrafen bereits im 10. Jh. weitgehend verlorengehen. Im Reich bleibt lange
der → Hofpfalzgraf.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Meyer, H. E.,
Die Pfalzgrafen der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 42 (1921), 380; Litzel,
M., Der Ursprung der deutschen Pfalzgrafschaften, ZRG GA 49 (1929), 233; Gerstner,
R., Die Geschichte der lothringischen und rheinischen Pfalzgrafschaft, 1942;
Arndt, J., Hofpfalzgrafenregister, Bd. 1ff. 1964ff.; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung
der Pfalzgrafen, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der
Pfalzgrafen, 1986; Eberl, I., Die Entwicklung des Pfalzgrafen, 1995; Paulus,
C., Das Pfalzgrafenamt in Bayern im frühen und hohen Mittelalter, 2007
Pfalzgrafen bei
Rhein → Pfalzgraf, Pfalz
Pfand (lat. [N.]
pignus) ist schon im römischen Recht die zur Sicherung eines Anspruchs dienende
Sache bzw. das an ihr bestehende Recht. Im engeren Sinn wird aus dem P. das
Grundpfand (an unbeweglichen Sachen) ausgeschieden. Am P. besteht das →
Pfandrecht. Möglich ist in Rom neben der durch das Erlöschen eines bestehenden
Pfandrechts bedingeten Verpfändung seit der Hochklassik auch die Verpfändung
derselben Sache für Forderungen mehrerer Gläubiger, wobei das Prioritätsprinzip
bedeutsam ist. das aber durch verschiedene Rangprivilegien durchbrochen ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74,
91, 125, 163, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971;
Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim, Gauodernheim, Ingelheim
1375-1648, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Krämer,
G., Das besitzlose Pfandrecht, 2005
Pfandbrief ist eine
festverzinsliche, unkündbare Schuldverschreibung eines Kreditinstitutes
(Pfandbriefanstalt), durch deren Ausgabe dieses sich Mittel verschafft, die es
unter hypothekarischer Sicherung als Darlehen ausgibt. Der P. beruht auf einer
Kabinettsorder König Friedrichs II. von Preußen (1769). Erst seit der Mitte des
19. Jh.s haftet dabei der Grundstückseigentümer dem Inhaber des Pfandbriefes
nicht mehr. Aus Ausgleich hierfür wird in der Folge nach französischem Vorbild
dem Inhaber ein Vorzugsrecht im Konkurs (Insolvenz) des Kreditinstitutes
gewährt.
Lit.: Rabe, H., Darstellung des Wesens der Pfandbriefe,
1819; Pavlicek, A., Das Pfandbriefrecht, 1895; Wegener, E., Zur Vorgeschichte
des Pfandbriefes, (in) Schmollers Jb. 44 (1920), 172; Geiecke, E., Die
Entstehung und Entwicklung der ritterschaftlichen Kreditinstitute, Diss. jur.
Bonn 1978; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002
Pfandlehen ist das
seit dem 12. Jh. sichtbare, in der Zulässigkeit umstrittene Lehen eines
Pfandes, bei dem der Pfandgläubiger eine Sache nicht nur als Pfand, sondern
zugleich als Lehen erhält.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1967, 252; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969, 243; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und
Lehnsverwaltung, 1978, 230
Pfandleihunternehmer ist
der Darlehensgeber, der gewerbsmäßig Darlehen gegen Verpfändung beweglicher
Gebrauchsgegenstände gibt. Im Mittelalter betreiben die Juden das
Pfandleihgeschäft. In der Neuzeit bestehen Pfandleihbanken (Berlin 1717, Hanau
1738), deren Stellung ab dem späten 18. Jh. gesetzlich geregelt wird (Preußen
1787, Bundesrepublik Deutschland 1961). Der Pfandleihunternehmer ist seit 1939
nicht mehr Kreditinstitut (Bank).
Lit.: Loeffler, F., Die gewerbliche und private Pfandleihe,
1929; Burchard, J., Der Begriff des Pfandleihgewerbes, Diss. jur. Göttingen
1929; Lenzen, G., Das deutsche Pfandleihrecht, 1929
Pfandrecht ist
objektiv die Gesamtheit der für das → Pfand geltenden Rechtssätze und
subjektiv das zur Sicherung einer Forderung (z. B. Rückzahlung eines Darlehens)
bestimmte dingliche Recht an einem Gegenstand, kraft dessen der Gläubiger
berechtigt ist, sich aus dem belasteten Grundstand (vorzugsweise) zu
befriedigen. Im altrömischen Recht ist (bei handgreifbaren Sachen) die (lat.
[F.]) → mancipatio oder → in iure cessio (F.) unter der Bestimmung
der Rückübertragung gegen spätere Leistung, bei nicht handgreifbaren Sachen
vermutlich eine formlose Bestellung des Pfandes (lat. [N.] pignus) durch später
entbehrliche Sachhingabe nötig bzw. möglich. Im klassischen römischen Recht
verbleibt der Besitz beim Schuldner, wird das P. vom Bestand der Forderung
abhängig und entstehen Pfandrechte kraft Rechtssatzes und öffentlicher Einzelanordnung.
Voraussetzungen eines Pfandrechts sind Eigentum des Pfandbestellers, formlose
Vereinbarung der Pfandbestellung und Bestehen einer zu sichernden Forderung.
Pfandgegenstand kann auch eine Forderung sein. Vermutlich gibt es auch bei den
Germanen ein P. zur Sicherung einer Leistung. Der Pfandgläubiger erhält die
Sache bis zur Leistung. Erfolgt diese nicht, behält der Besitzer die Sache
(Sachhaftung). Im Frühmittelalter können allmählich auch Liegenschaften als
Pfand gegeben werden. Im Hochmittelalter kann das Pfand an Liegenschaften
bloßes Substanzpfand sein, wobei seit dem 14. Jh. der anfängliche Verfall bei
Nichtauslösung durch den Verkauf ersetzt wird und an die Stelle der
tatsächlichen Übertragung die Eintragung in ein Buch tritt. Ist das
Liegenschaftspfand Nutzpfand, so werden die nach der tatsächlichen Übertragung
gezogenen Nutzungen nicht auf die Lösungssumme angerechnet. Das Fahrnispfand
ist meist Faustpfand, wobei die Übergabe in der spätmittelalterlichen Stadt
durch Eintragung in das Stadtbuch (evtl. Pfandbuch) ersetzt werden kann und bei
Pfandreife regelmäßig Pfandverkauf erfolgt. Die Aufnahme des römischen Rechts
(Hypothek) seit dem Spätmittelalter entwertet das P., so dass zur Sicherung für
das Grundpfand besondere → Hypothekenbücher entwickelt werden (Berlin
1693, Preußen 1722) und das Fahrnispfand wieder allgemein Faustpfand wird. Im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das Grundpfand an Einigung und
Eintragung bzw. Eintragungsersatz gebundene Hypothek, Grundschuld oder
Rentenschuld, das Fahrnispfand grundsätzlich Faustpfand, wenngleich besitzlose
Pfandrechte immer mehr die Oberhand gewinnen. Rechtstatsächlich tritt im 20.
Jh. das Pfandrecht hinter der den Besitz beim Schuldner belassenden
Sicherungsübereignung zurück.
Lit.: Kaser §§ 22 II, 1, 31; Söllner § 18; Hübner 402, 469;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Meibom,
V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Kohler, J., Pfandrechtliche Forschungen,
1882; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Kapras, J., Das
Pfandrecht im böhmisch-mährischen Stadt- und Bergrechte, 1906; Planitz, H., Das
deutsche Grundpfandrecht, 1936; Lieberwirth, R., Die gesetzlichen Pfandrechte,
Diss. jur. Halle 1952 (ungedruckt); Hromadka, W., Die Entwicklung des
Faustpfandprinzipes 1971; Wesener, G., Zur Entwicklung des Pfandrechts, FS H.
Demelius, 1973, 257; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, Diss. jur.
Tübingen 1975; Wiegand, W., Zur Entwicklung der Pfandrechtstheorie im 19.
Jahrhundert, ZNR 1981, 1; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und
Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Mincke, W., Die Akzessorietät
des Pfandrechts, 1987; Schanbacher, D., Die Konvaleszenz von Pfandrechten,
1987; Repgen, T., Das Vermieterpfandrecht im Kaiserreich, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 231; Krämer, G., Das besitzlose Pfandrecht
-_ Entwicklungen in der römischen Republik, 2007
Pfandsatzung →
verpfänden, Pfandrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Pfandschaft ist im
Hochmittelalter, Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Verpfändung von
Herrschaftsrechten. Sie wird seitens des Königs 1171, seitens der Landesherren
1197 sichtbar und hält seitens des Königs bis 1628 und seitens der Landesherren
bis 1803 an. Bis 1500 verpfänden die Könige in mehr als 1000 Fällen Reichsgut
(Herzogtümer, Grafschaften, Herrschaften, Vogteien, Gerichte, Städte, Dörfer,
Höfe usw.). Die P. gewährt dem Pfandnehmer Pfandherrschaft. Sie endet mit der
Auslösung durch den Schuldner oder durch die Ablösung durch einen Dritten. Der
König ist vielfach zur Auslösung nicht in der Lage.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1987; Krause, H., Pfandherrschaften als
verfasssungsgeschichtliches Problem, Der Staat 9 (1970), 387, 515; Tewes, L.,
Die Amts- und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln, 1987
Pfändung ist die in
der Gegenwart grundsätzlich dem Staat vorbehaltene Beschlagnahme eines
Gegenstands zwecks Sicherung oder Befriedigung eines Gläubigers wegen einer
Geldforderung. Im altrömischen Recht ist die außergerichtlich, aber förmlich
vollzogene private Pfändung (lat. legis actio [F.] per pignoris capionem) als
Ausnahme neben der allgemeinen Personalvollstreckung möglich. Im
Kognitionsverfahren werden bei Geldschulden Gegenstände gepfändet und
versteigert. Im Frühmittelalter ist die außergerichtliche P. beweglicher Sachen
in den Volksrechten erkennbar. Die P. zwecks Verwirklichung (Vollstreckung) des
Urteils wird aber bald von der Genehmigung des Richters abhängig oder überhaupt
Amtsträgern überlassen. Die Nichtauslösung des Pfandes hat den Verfall zur
Folge. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt vor allem in der Stadt
die Vollstreckung durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche Pfändung von
beweglichen Sachen und Grundstücken, während die außergerichtliche Pfändung
durch einen Verfahrensbeteiligten zurücktritt. Allerdings ist die Gestaltung
sehr unterschiedlich. In der Neuzeit entwickelt sich das unter dem Einfluss des
gelehrten Rechts stehende moderne Vollstreckungsverfahren, das 1877/1879 im
Deutschen Reich vereinheitlicht wird.
Lit.: Kaser §§ 81 III 2, 87 I 10; Hübner 170; Kroeschell, DRG
1, 2; Köbler, DRG 86, 116; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867;
Nägeli, A., Das germanische Selbstpfändungsrecht, Diss. jur. Zürich 1876;
Bayer, W., Das Recht aus erlaubter eigenmächtiger Pfändung, Diss. jur. Berlin
1899; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Steiger, M., Das
Pfändungsrecht der bayerischen Städte und Märkte auf dem Land, 1987; Schildt,
B., Die Pfändung um Schaden und Schuld, (in) Recht und Rechtswissenschaft im
mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998, 41; Fecht, W. v. d., Die
Forderungspfändung im römischen Recht, 1999; Ludwig, M., Der Pfändungsschutz
für Lohneinkommen, 2001; Schubert, W., Das Zwangsvollstreckungsrecht im
Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 351
Pfändungsklausel ist
die in Urkunden seit dem Hochmittelalter enthaltene Vereinbarung der
Berechtigung des Gläubigers, bei Nichtleistung den Schuldner ohne vorheriges
Verfahren zu pfänden. Die P. geht in der Neuzeit in der Unterwerfung unter die
sofortige → Zwangsvollstreckung auf.
Lit.: Kisch, G., Die Pfändungsklausel, ZRG GA 35 (1914), 41
Pfandverfall ist
die Umwandlung des Pfandrechts des Pfandgläubigers in das Vollrecht (Eigentum)
bei Nichtauslösung im Zeitpunkt der Fälligkeit. Der P. tritt allmählich hinter
dem Pfandverkauf zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Meibom, V. v., Das
deutsche Pfandrecht, 1867, 248
Pfandvertrag ist der Vertrag über die
Bestellung eines Pfandes oder Pfandrechts durch den Schuldner für den Gläubiger oder
Pfandgläubiger. Er ist im römischen Recht (lat. [N.] pignus, Pfand)
Realvertrag. Er entsteht mit der Gabe der Pfandsache an den Pfandgläubiger.
Pfarrei → Pfarrer, Pfarrgemeinde
Pfarrer ist der
Leiter einer christlichen Gemeinde mit eigener Kirche. Seit dem Konzil von
Reims (630) soll eine Pfarre einen Pfarrer haben. Der P. spendet anstelle des
Bischofs das Taufsakrament, bringt die Eucharistie dar und erteilt das
Bußsakrament. Im 8. Jh. wird er zum Herrn des von den Gemeindeangehörigen zu
leistenden Zehnten. In der Folge wird die Stellung des Pfarrers rechtlich
genauer festgelegt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Hagen, A., Pfarrei und Pfarrer nach dem Codex iuris canonici, 1935; Kurze, D.,
Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Arend,
S., Zwischen Bischof und Gemeinde, 2003
Pfarrgemeinde ist
die von einem → Pfarrer zu betreuende christliche Gemeinde. Nach frühen
Gemeindebildungsansätzen entsteht im 5./6. Jh. die Verpflichtung der P., an den
höheren Festtagen den Gottesdienst des Pfarrers zu besuchen. Die Zugehörigkeit
zur P. wird durch den Wohnsitz bestimmt und in der frühen Neuzeit genau
festgelegt.
Lit.: Haff, K., Die Urpfarreien in Ostschwaben und Tirol
als Markgenossenschaften und Siedlungsverbände, ZRG GA 65 (1947), 234; Grass,
F., Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols, 1950; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983, 180; La parrocchia, hg. v. Paravicini Bagliani, A.,
1995
Pfarrkirche ist die
planmäßig mit einem → Pfarrer zu besetzende Kirche einer Pfarrgemeinde.
Sie entsteht im 5. Jh. Für ihre Baulast sind Kirchengut, Patron und
Pfarrgemeinde zuständig.
Lit.: Noser, H., Pfarrei und Kirchengemeinde, 1957; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Vogt, H., Bilder der frühen Kirche, 1993; Reitemeier, A., Pfarrkirchen in
der Stadt des späten Mittelalters, 2005
Pfarrsprengel ist
das örtliche Zuständigkeitsgebiet eines Pfarrers. Der P. entsteht noch im
Altertum (z. B. Rom Mitte 4. Jh.s). Im Frühmittelalter bilden sich zunächst
große Urpfarreien. Seit dem 8. Jh. verfeinert und verfestigt sich die
Einteilung.
Lit.: Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens,
1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Pfeffinger, Johann
Friedrich (Straßburg 5. 5. 1667-Lüneburg 27. 8. 1730), Lehrer der
Ritterakademie Lüneburg, gibt in der Bearbeitung von Vitrarius, P.,
Institutiones iuris publici (1686, Einrichtungen des öffentlichen Rechts) ein
nach dem Institutionenschema (Personen, Sachen, Rechte) gegliedertes Handbuch
des öffentlichen Rechtes des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Bleeck, K., Adelserziehung auf deutschen
Ritterakademien, 1977
Pfeifergericht heißt
das Verfahren der Erneuerung eines Rechtes auf Zollfreiheit (in Frankfurt am
Main) seitens des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Wyss, A., Ein Mainzer Seitenstück zum Frankfurter
Pfeifergericht, ZRG GA 22 (1901), 356; Reuter, F., Zollfreiheit und
Pfeifergericht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 33 (1975)
Pfennig (lat. [M.]
denarius) ist seit dem Frühmittelalter eine kleine Münze (264 Pfennige pro
Pfund von 327 Gramm, E. 8. Jh. 240 Pfennige pro Pfund von 367 Gramm, 11. Jh.
320 Pfennige pro Mark, 15. Jh. 1200-1400 Pfennige pro Mark, E. 19. Jh. 100
Pfennige pro Mark), die 2002 dem (europäischen) Cent weicht.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck
1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H.,
Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986
Pflanzenschutz ist der
Schutz der Pflanzen vor Gefahren. Er ist in einem besonderen
Pflanzenschutzgesetz geregelt.
Lit.: Sucker, U., Die biologische Reichsanstalt für Land-
und Forstwirtschaft und die Entstehung eines reichseinheitlichen
Pflanzenschutzgesetzes (1914-1937), 1999
Pflegekind ist das
auf Grund einer Erlaubnis (des Jugendamtes) von einer Pflegeperson in
Familienpflege aufgenommene Kind. Die Rechtsverhältnisse der bereits dem
römischen Recht bekannten Pflegekinder sind erst in der jüngeren Vergangenheit
stärker verrechtlicht.
Lit.: Tirey, A., Das Pflegekind in der Rechtsgeschichte,
1996
Pfleger (lat. [M.]
curator) ist der Verwalter einer Angelegenheit. Im Mittelalter werden
beispielsweise der Vormund oder auch ein Amtsträger P. genannt. Mit der
Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird (lat.) →
curator (M.) durch P. wiedergegeben. Im Zusammenhang damit ist die Pflegschaft
im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein durch das Vormundschaftsgericht
zu begründendes Fürsorgeverhältnis eines Menschen (Pflegers) für einen anderen
(Pflegebefohlenen) zur Besorgung einer besonderen Angelegenheit.
Lit.: Kaser § 64; Hübner; Schott, C., Der Träger als
Treuhandform, 1975
Pflegeversicherung ist
die in Deutschland durch Gesetz vom 22. 4. 1994 zum 1. 1. 1995 eingeführte
Sozialversicherung für den Pflegefall
Pfleghafter ist der
Angehörige eines im Sachsenspiegel (1221/4) besonders genannten, sonst nur selten
(1214, 1219, 1250, Anfang 15. Jh.s) bezeugten Standes von abgabepflichtigen
Freien.
Lit.: Amira, K. v., Pfleghafte, ZRG GA 28 (1907), 435;
Molitor, E., Pfleghafte, ZRG GA 32 (1911), 330; Beyerle, K., Die Pfleghaften,
ZRG GA 35 (1914), 212; Heck, P., Pfleghafte und Grafschaftsbauern, 1916;
Molitor, E., Die Pfleghaften des Sachsenspiegels, 1941; Hagemann, A., Die
Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111
Pflegschaft (lat. [F.] cura) ist die fürsorgliche Besorgung einer Angelegenheit eines
dieser Fürsorge Bedürftigen (Pfleglings) durch einen Pfleger (lat. curator). Im
römischen Recht kennen bereits die Zwölftafelgesetze von 451/450 v. Chr. die
Pflegschaft eines Geisteskranken (lat. cura furiosi) und die Pflegschaft eines Verschwenders (lat. cura prodigi). Sie
steht dem nächsten Agnaten, hilfsweise den Gentilen, notfalls einem vom
Magistrat bestellten curator (Pfleger) zu. Später kann auch der durch die
(lat.) lex Laetoria von etwa 200 v. Chr. geschützte Minderjährige (lat. minor
XXV annis) für ein einzelnes Geschäft, ab Marc Aurel
(2. Jh. n. Chr.) auch für die gesamte Geschäftsführung einen curator erbitten,
dessen vorherige Einwilligung oder nachträgliche Genehmigung das Fehlen einer
Übervorteilung bei dem Geschäft durch den Gegner sichert. Möglich ist auch eine
(lat.) cura für einen Stummen, einen Tauben, einen Gebrechlichen oder eine
Leibesfrucht (lat. nascituru). Seit dem Spätmittelalter wird die P. im Heiligen
römischen Reich aufgenommen, aber vielfach nicht eindeutug von der
Vormundschaft abgegrenzt. → Pfleger
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 210
Pflicht ist die
Anforderung eines bestimmten Verhaltens. Die P. ist das Gegenstück zu einem
(subjektiven) → Recht und vielfach die Auswirkung von (objektivem) Recht.
Lit.: Köbler, WAS; Grundrechte und Grundpflichten in der
Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Erler, A.,
Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schreiber, H., Der Begriff der
Rechtspflicht, 1966; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973;
Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986;
Luchterhandt, O., Grundpflichten als Verfassungsproblem, 1988
Pflichtteil ist der
unentziehbare Mindestanteil naher Angehöriger am Nachlass eines Erblassers.
Bereits im klassischen römischen Recht engt im 1. Jh. v. Chr. die Einführung
der (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen
Testamentes) die Freiheit des Erblassers ein. Kinder, Eltern und Geschwister
eines frei geborenen Erblassers können nämlich ein Testament anfechten, wenn es
gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel
des ihm nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen. Im
spätantiken römischen Recht muss nahen Angehörigen (seit Konstantin [306-337]
Abkömmlinge, Vorfahren und durch den Vater verwandte Brüder des Erblassers)
ein Viertel des gesetzlichen Erbteils zugewendet werden. Ist der Angehörige
ganz übergangen, kann er das Testament angreifen. In anderen Fällen kann er
Ergänzung auf das ihm zustehende Viertel verlangen. Justinian erhöht den P. bei
mehr als vier Kindern auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (536) und ordnet
wenig später das Pflichtteilsrecht umfassend. Mit dem Testament wird im
Spätmittelalter auch vielerorts der P. des römischen Rechts aufgenommen (anders
z. B. Tirol bis 1811), wobei im Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches
(1896/1900), im Zivilgesetzbuch der Schweiz (1907/1911) und seit 15. 6. 1978
auch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (neben nahen Abkömmlingen
[Hälfte] und nahen Vorfahren [ein Drittel]) der überlebende Ehegatte in den
Kreis der Pflichtteilsberechtigten einbezogen wird und die deutschen und
österreichischen Gesetzbücher dem Pflichtteilsberechtigten nur einen
schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben gewähren. Das französische und
spanische Recht lassen nur eine beschränkte Vergabe durch Testament zu. Das
englische Recht gewährt bedürftigen Angehörigen einen Unterhaltsanspruch
gegenüber dem Nachlass.
Lit.: Kaser §§ 65 II 2, 69 I 2, 70; Köbler, DRG 38;
Heuberger, W., Geschichtliche Entwicklung des Pflichtteilsrechts, Diss. jur.
Leipzig 1912; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957;
Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche
Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Wacke, A., Die Rechtswirkungen der
lex Falcidia, FS M. Kaser, 1973, 209; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und
Unterhaltsanspruch, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, 1979, 95; Coing,
H., Zur Entwicklung des Pflichtteilsrechtes, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984,
25; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Jaeschke, F.,
Pflichtteilsentzug, 2002
Pflugschar ist der
zum Aufreißen der Erde bestimmte Teil des Pfluges. Das Schreiten über (9)
glühende Pflugscharen ist im Mittelalter eine Form des → Gottesurteils.
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956
Pfründe ist die
einem kirchlichen Amtsträger zustehende Unterhaltsleistung aus den Erträgnissen
eines Vermögens. Die Verdinglichung des Unterhaltsanspruchs erfolgt dabei nach
Ansätzen im Altertum seit dem Frühmittelalter. Im Laufe des Mittelalters wird
die P. zu einer eigenen (Vorform der) → juristischen Person
(ausgestattetes Kirchenamt).
Lit.: Groß, C., Das Recht an der Pfründe, 1887; Stutz, U.,
Lehen und Pfründe, ZRG GA 20 (1899), 213; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 203; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Willich, T., Wege zur Pfünde, 2002
Pfund (lat. [F.] libra) ist im
Mittelalter eine Gewichtseinheit, die seit dem 7. Jh. auch als Rechnungsmünze
(264 bzw. 240 Pfennige) Verwendung findet und in der Lira Italiens (bis 2002)
und dem Pfund Großbritanniens fortlebt.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896,
Neudruck 1972; Spufford, P., Money, 1988
Philipp von Leyden (Leiden
1326/7?-9. 6. 1382) wird nach dem Studium der freien Künste, Theologie und
(1339/4) des Rechts in Orléans 1351/1352 Kanzleimitarbeiter der Grafen von
Holland und nach anderen Tätigkeiten 1371 Vikar des Bischofs von Utrecht. In
seinem Hauptwerk ([85 „casus“ in] De cura reipublicae, Von der Pflege des
Staates) verwendet er das römische Staatsrecht zugunsten der Grafen von
Holland.
Lit.: Berges, W., Die Fürstenspiegel, 1938, Neudruck 1952,
249; Wilfert, H., Philipp von Leyden, 1925; Feenstra, R., Philipp of Leyden,
1970; Leupen, P., Philipp of Leyden, 1981; Feenstra, R., Philip of Leyden en
zijn bibliotheek, 1994
Phillipe de Beaumanoir → Beaumanoir
Phillips, George
(Königsberg 6. 1. 1804-Aigen bei Salzburg 6. 9. 1872), englisch-schottischer
Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Göttingen
(Eichhorn) 1827 außerordentlicher Professor in Berlin, 1834 Professor in
München, 1849 in Innsbruck und 1851 in Wien. Er veröffentlicht eine englische
Rechtsgeschichte (1825, 1827/8), ein gemeines deutsches Privatrecht (1830),
eine deutsche Rechtsgeschichte (1845) und ein siebenbändiges Kirchenrecht
(1845ff.).
Lit.: Lentze,
H., Phillips, FS F. Loidl, Bd. 1 1970, 160
Philosophie ist die
gedankliche Beschäftigung des Menschen mit dem Sein. Als rationale Bemühung um
Orientierung durch Theorie wird sie zuerst im griechischen Altertum (Thales,
Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Heraklit, Parmenides, Melissos, Zenon,
Empedokles, Anaxagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles) sichtbar. Seit der
Neuzeit verselbständigen sich aus der P. besondere Fachwissenschaften. Im 19.
Jahrhundert steigt die Zahl der Vorlesungen in Vergangenes in seiner noch nicht
aufgebrauchten Bedeutung neu verstehender und damit hermeneutisierender
Philosophiegeschichte sehr stark an und sinkt dementsprechend in Ethik und
Naturrecht. Eine Unterart der P. ist die → Rechtsphilosophie.
Lit.: Maurach, G., Geschichte der römischen Philosophie, 2.
A. 1997; Philosophische Jurisprudenz, hg. v. Pieper, A., 1998; The Cambridge
History of Seventeenth-Century Philosophy, hg. v. Garber, D. u. a., 1998;
Schneider, U., Philosophie und Universität, 1999; Solomon, R./Higgins, K., Eine
kurze Geschichte der Philosophie, 2000; Höffe, O., Kleine Geschichte der
Philosophie, 2001; Fleischer, M., Anfänge europäischen Philosophierens.
Heraklit – Parmenides – Platons Timaios, 2001; Handbuch Frühe griechische
Philosophie, hg. v. Long, A., 2001; Wechselseitige Beeinflussungen und
Rezeptionen von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg. v.
Kervégan, J. u. a., 2001; Helferich, C., Geschichte der Philosophie, 3. A.
2001; Hirschberger, J., Geschichte der Philosophie, 2003; Libera, A. de, Denken
im Mittelalter, 2003; Schupp, F., Geschichte der Philosophie im Überblick, Bd.
1ff. 2003; Philosophen, hg. v. Lutz, B., 2004; Ries, W., Philosophie der
Antike, 2005; Decorte, J., Eine kurze Geschichte der mittelalterlichen
Philosophie, 2005; Philosophie, hg. v. Papineau, D., 2006; Albert, K., Platons
Erbe, 2008
Phönizier ist der
Angehörige eines zwischen 1500 v. Chr. und 300 v. Chr. am östlichen
Mittelmeerufer sichtbaren Volks. Vermutlich entwickeln die P. die
Buchstabenschrift. Handeltreibend erreichen sie wohl England und umschiffen
vielleicht Afrika. Als Punier erscheinen sie im westlichen Mittelmeer, wo sie
von den Römern in den punischen Kriegen (Hannibal) besiegt und eingegliedert
werden.
Lit.: Markoe,
G., Die Phönizier, 2003; Jongeling, K., Handbook of Neo-Punic Inscriptions,
2008
Physiokrat → Physiokratismus
Physiokratismus ist
die wirtschaftspolitische Strömung des 18. Jh.s (François Quesnay 1694-1774),
die den Boden als eigentliche Quelle des Reichtums ansieht, den Ackerbau zum
wichtigsten Berufszweig erklärt, zur Verbesserung des Ertrages das Eigentum der
Bauern am bewirtschafteten Land befürwortet und sich später gegen die
zunehmenden Eingriffe des Staates, die eine Verbesserung der Einnahmen, die
Sicherung der allgemeinen Versorgung und dann auch die Einordnung des Bauern
in die Gesamtgesellschaft anstreben, wendet. Obwohl der P. das Interesse
einiger Landesherren findet, bewirkt er kaum praktische Veränderungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Köbler, DRG 133,
134, 174, 192; Guyot, Y., Quesnay et la physiokratie, 1896; Beer, M., An
inquiry into physiocracy, 1939; Woog, H., Le tableau économique of François
Quesnay, 1950; Klippel, D., Der Einfluss der Physiokraten, Der Staat 23 (1984),
205; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994
Piacenza → Parma
Lit.: Zumhagen, O., Religiöse Konflikte
und kommunale Entwicklung, 2001
Piast ist der
Angehörige einer sich auf einen Bauern Piast aus Kruschwitz zurückführenden,
geschichtlich am Ende des 10. Jh.s nachweisbaren Familie, die unter Boleslaw I.
Chrobry ihre Herrschaft von Kiew bis zur Mark Meißen ausdehnt. Ihre polnische,
seit 1320 königliche Linie wird 1370 von den Jagiellonen beerbt. Die
herzögliche Linie in Massowien erlischt 1526, die schlesische 1625/1675.
Lit.: Balzer, O., Genealogia Piastow,
1895; Jasinski, K., Rodowod pierwszych Piastow, 1992
Picard,
Edmond-Désiré (Brüssel 1836-1924), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Brüssel Advokat, 1884 Professor und Politiker. 1878 gründet er die 136 Bände
umfassende Rechtsenzyklopädie Pandectes Belges. Beeinflusst ist er von Rudolf
von → Ihering.
Lit.: Pasquier, A., Edmond-Désiré Picard, 1945
Piccolomini, Enea Silvio
Lit. : Meusel, A., Enea Silvio
als Publizist, 1905; Battaglia, F., Enea Silvio Piccolomini e Francesco
Patrizi, 1936; Kallen, G., Aeneas Silvius Piccolomini als Publizist, 1939;
Kisch, G., Enea Silvio Piccolomini und die Jurisprudenz, 1967
Piemont ist das Gebiet der westlichen Poebene und der Westalpen.
Über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und Franken fällt es um 1046 an die Grafen von Savoyen. Seit dem
frühen 18. Jh. benennt sich P. nach dem 1717/1720 erlangten Sardinien. Aus ihm
entwickelt sich 1859/1861 das Königreich Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Viora, M., Le
costituzioni piemontesi, 1928; Beltrutti, G., Storia del Piemonte, 1976;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Nada Patrone, A., Il medioevo in Piemonte, 1986;
Tabacco, G., Piemonte medievale, 1985
pietas (lat. [F.]) richtiges Verhalten,
Frömmigkeit
Lit.: Ulrich, T., Pietas (pius) als politischer Begriff,
Diss. phil. Breslau 1929; Dürig, W., Pietas liturgica, 1958; Frömmigkeit im
Mittelalter, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2002; Geschichte des Pietismus, hg. v.
Brecht, M. u. a., 2004
Pignus (lat. [N.])
ist schon im altrömischen Recht das → Pfand. Die Hingabe einer Sache zur
Sicherung einer Schuld geschieht bei handgreifbaren Sachen durch (lat. [F.]) →
mancipatio oder (lat. [F.]) → in iure cessio unter der Bestimmung, dass
die hingegebene Sache gegen eine spätere Leistung zurückzuübertragen ist. Bei
nicht handgreifbaren Sachen ist vermutlich eine formlose Bestellung eines
Pfandes (p.) durch später entbehrlich werdende Sachhingabe möglich. Unterbleibt
die Auslösung, so behält der Pfandnehmer die Sache (Verfall). Im klassischen
römischen Recht ist p. ein Realkontrakt, bei dem die Sache hingegeben wird
unter der Abrede, dass der Pfandgläubiger sie als Pfand besitzen und je nach
dem Verhalten der Gegenseite verwerten oder zurückgeben soll. Pignus tacitum
ist das stillschweigende, möglichen neuen Gläubigern unbekannte P.
Lit.: Kaser §§ 31 I 2, III IV; Söllner § 9, 18; Köbler, DRG
26, 45; Köbler, LAW; Schanbacher, D., Beobachtungen zum sog. pignus Gordianum,
ZRG RA 114 (1997), 233; Braukmann, M., Pignus, 2008
Pilius (da
Medicina), Pillius (Medicina bei Bologna um 1150-nach 1207) ist um 1180
Rechtslehrer in (Modena und) Bologna? und 1192 Hofrichter Kaiser Heinrichs VI.
Er verfasst zahlreiche verschiedene Werke (Summe, Glossen zum [lat.] Liber [M.]
bzw. Liber feudorum, [lat.] Libellus [M.] disputatorius, Disputationen,
Quaestionen, Distinktionen, Einzeluntersuchungen).
Lit.: Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974;
Santini, G., Università e società nel XII secolo, 1979; Conte, E., Tres libri
Codicis, 1990, 71; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 226
Pillersdorf (Pillersdorff),
Franz Xaver von (1786-1862) ist 1848 Innenminister →Österreichs. Nach ihm
wird vielfach die erste, in seiner Amtszeit erarbeitete österreichische
Verfassung benannt.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 193
Pillersdorfsche Verfassung
(Aprilverfassung) ist die nach dem damaligen Innenminister benannte, nach
Unruhen am 15. 3. 1848 angekündigte, am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. von
→ Österreich für die nichtungarischen Länder ausgenommen auch
Lombardo-Venetien) gewährte (oktroyierte) Verfassung. Sie kennt Gewaltenteilung,
Gegenzeichnung der Vollzugshandlungen des Kaisers durch den verantwortlichen
Minister, Reichstag (Parlament) bestehend aus Senat und Abgeordnetenkammer bei
absolutem Vetrorecht des Kaisers sowie einen Grundrechtskatalog. Auf
Forderungen von Demonstranten hin wird sie abgeändert (Einkammersystem ohne
Steuerzensus) bzw. nach der Erhebung vom 15. 9. 1848 zurückgezogen. Inhaltlich
entspricht ihr der ihr zeitlich folgende, vom österreichischen Reichstag in
Kremsier erarbeitete, aber auf dem Grundsatz der Volkssouveränität aufbauende →
Kremsierer Entwurf. Mit der Märzverfassung wird sie am 4. 3. 1849 aufgehoben.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 171, 193
Pillius → Pilius
pincerna (lat. [M.]) Schenk
Lit.: Köbler, DRG 83
pipe roll (engl.) Schatzkammerrolle des Königs (seit 1130)
Pippin ist der
Leitname der austrasischen Hausmeier des merowingischen Königs bzw. der
karolingischen Könige. Nach Pippin dem Jüngeren (714/715-24. 9. 768) ist die
pippinische Schenkung benannt.
Lit.: Köbler, DRG 82; Schieffer, R., Die Karolinger 1992,
50
Pippinische Schenkung
ist die an die päpstliche Salbung (751?, 754) anschließende „Gabe“ (Rückgabe)
des fränkischen Königs Pippin des Jüngeren an Papst Stephan II. im Jahre 754
(756). Sie umfasst das (von den Langobarden entzogene) Gebiet von Luni, Parma,
Reggio und Mantua bis Monselice, den Exarchat Ravenna, Venetien, Istrien,
Benevent und Spoleto. Die Überlieferung der Gabe ist teils lückenhaft, teils
unklar. Die p. S. legt, auch wenn sie nicht vollständig verwirklicht wird, den
Grundstein für die Entstehung des → Kirchenstaates (Vatikan).
Lit.: Köbler, DRG 82; Sybel, H. v., Die Schenkungen der
Karolinger an die Päpste, HZ 44 (1880), 47; Gundlach, W., Die Entstehung des
Kirchenstaates, 1899; Quellen zur Entstehung des Kirchenstaates, hg. v.
Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1972; Jarnut, J.,
Quierzy und Rom, HZ 220 (1975), 265; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984
Pirckheimer,
Willibald (Eichstätt 5. 12. 1470-Nürnberg 22. 12. 1530) wird nach dem
Rechtsstudium in Padua und Pavia Ratsherr in Nürnberg. 1528/1529 befürwortet er
für die Ausgabe der → Digesten durch Haloander einen Zuschuss Nürnbergs.
Lit.: Thieme, H., Willibald Pirckheimers Corpus iuris,
Festgabe A. Bruckner, Basler Z. f. Altertumskunde 74 (1974), 259; Holzberg, N.,
Willibald Pirckheimer, 1981
Pisa am unteren
Arno kommt im 3./2. Jh. von den Etruskern an die Römer. Im 4. Jh. wird es Sitz
eines Bischofs. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, fällt aber 1406 an Florenz
und 1860/1861 an Italien. Seine Universität wird um 1395 gegründet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Tolaini, E., Pisa, 1992;
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33
Pisanelli, Giuseppe
(1812-1879) wird nach dem Rechtsstudium in Neapel 1839 Rechtslehrer in Neapel
und später einer der führenden Rechtspolitiker Italiens. Er beeinflusst die
1865 veröffentlichten italienischen Gesetzbücher für Privatrecht und
Zivilprozessrecht maßgeblich.
Lit.: Lettere inedite di Giuseppe
Pisanelli, hg. v. Confessore, O., 1979
Pithou (Pithoeus),
Pierre (1539-1596) wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und Valence (Cujas)
Anwalt in Paris, Berater und Privatgelehrter, 1573 Amtmann und 1582
Generalprokurator. Er bearbeitet und veröffentlicht unterschiedliche Quellen
(Edictum Theoderici, Leges Visigothorum, 1579, Codex canonum vetus Ecclesiae
Romanae, 1609).
Lit.: Grosley, J., Vie de Pierre Pithou, Bd. 1f. 1756
Placentinus (Piacenza 1130?-Montpellier 12. 11. 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Lehrer des
weltlichen Recht in Mantua, Montpellier (1163-1184/1185, 1190/1191-1192), Bologna
und Piacenza. Er verfasst Summen (z. B. Cum essem Mantua/Libellus de actionum
varietatibus, Summa codicis, Summa institutionum, Summa trium librorum),
Distinktionen, Disputationen, Glossen, Monographien und Kommentierungen.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts, 2. A.
1834ff., Neudruck 1956, 4, 244ff., 537ff.; Tourtoulon, P. de, Placentinus,
1896, Neudruck 1972; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 207
Placitum (lat.
[N.]) ist im Frühmittelalter der Beschluss und die ihn fassende Versammlung
(Ding).
Lit.: Köbler, LAW; Manaresi, C., I
placiti del Regnum Italiae, Bd. 1ff. 1955ff. (484 Nummern bis 1100); Weitzel,
J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Plädoyer (N.)
Schlussvortrag im Strafprozess
plagium (lat. [N.])
Anmaßung des Herrenrechts
Lit.: Köbler, DRG 35
Planck, Gottlieb
(Göttingen 24. 6. 1824-20. 5. 1910), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Göttingen und Berlin (Puchta) Richter (1859-1863 infolge der Auflösung des Obergerichts
Dannenberg ohne Amt, 1879 Ruhestand) und Rechtspolitiker. Trotz Erblindung
bearbeitet er von 1874 an den ersten Teilentwurf des Familienrechts des
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900). Seit 1889 lehrt er als ordentlicher
Honorarprofessor in Göttingen.
Lit.: Köbler, DRG 183; Frensdorff, F., Gottlieb Planck,
1914; Schubert, W., Beratung des BGB. Materialien zur Entstehungsgeschichte des
BGB, 1978, 80; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 299;
Schroeder, K., Gottlieb Planck, JuS 2000, 1046
Planiol, Marcel
(1853-1931) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Grenoble (1880), Rennes
(1881) und Paris (1887). Seit 1894 veröffentlicht er den (franz.) Traité
élémentaire de droit civil (Grundriss des bürgerlichen Rechts), durch den er
den → Code civil erfolgreich in die gesamtfranzösische Entwicklung
einbindet.
Lit.: Marcel Planiol, hg. v.
Berhélemy, H. u. a., 1931
Planitz, Hans
(Kaditz bei Dresden 4. 5. 1882-Wien 16. 1. 1954), Pfarrerssohn, wird nach dem
Studium von Recht und Geschichte in Tübingen und Leipzig (Lamprecht) 1909
außerordentlicher Professor in Leipzig, 1913 ordentlicher Professor in Basel,
1914 in Frankfurt am Main, 1919 in Köln und 1941 in Wien. Seine Arbeiten
betreffen vor allem das Vollstreckungsrecht, das Sachenrecht und die
Stadtgeschichte.
Lit.: Planitz, H., Die Pfändung, 1912; Planitz, H., Das
deutsche Grundpfandrecht, 1936; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980; Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in
Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., Bd. 2 1951, 126
Plantagenet ist die
in der Mitte des 12. Jh.s nach dem Ginster (lat. planta [F.] genista) als
Helmzier (oder zum Sichtschutz bei der Jagd) benannte Familie (Grafen von →
Anjou, Maine und Tourraine), die nach der Verbindung mit der Erbtochter des
Königs von England (1128) 1144 das Herzogtum der → Normandie und 1154 in
Verfolgung eines durch Mathilde von England vermittelten Erbanspruchs das
Königtum in → England erreicht und einschließlich der Nebenlinien
Lancaster und York bis 1485 herrscht (offizieller Beiname Plantaginet seit 1460
durch Herzog Richard von York).
Lit.: Fowler,
K., The Age of Plantagenet and Valois, 1967; Lauffray, C./Lauffray, P., Die
Plantagenets, 1984; La cour Plantagenêt, hg. v. Aurell, M., 2000; Berg, D., Die
Anjou-Plantagenets, 2003; Favier, J., Les Plantagenêts, 2004
Plantagenwirtschaft ist
eine landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform (z. B. im römischen Weltreich,
in den neuzeitlichen Kolonien).
Lit.: Köbler, DRG 28
Planwirtschaft ist
die vom (zentralstaatlichen) Plan bestimmte Wirtschaft (z. B. seit 1918 in der
Sowjetunion, ab 1945 in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der Deutschen
Demokratischen Republik). Die Entscheidungsfreiheit von Unternehmern entfällt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 249; Bundesrepublik
Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977;
Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur
Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Hoffmann, D., Aufbau und Krise der
Planwirtschaft, 2002
Plea rolls (engl. [N.Pl.])
sind die seit dem Jahre 1194 fast lückenlos erhaltenen Prozessrollen des →
englischen Rechts.
Lit.: Select pleas in manorial and other
seignorial courts, hg. v. Maitland, F., 1889; Baker, J., An Introduction to English
Legal History, 4. A. 2002
Plebejer ist im
altrömischen Recht der Angehörige des einfachen, nichtpatrizischen Volkes. Die
anfänglichen Unterschiede werden in der Republik eingeebnet und verschwinden
durch jüngere gesellschaftliche Gegensätze. Danach bezeichnet P. untechnisch
den Angehörigen des einfachen Volkes.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 8
Plebiscitum (lat.
[N.]) ist seit dem altrömischen Recht die Entscheidung der Versammlung (lat.
concilium) der (lat. [F.]) plebs, die als Rechtsquelle anerkannt bzw. den
Beschlüssen der allgemeinen Volksversammlung (Gesetzen) gleichgestellt wird
(287 v. Chr. lex Hortensia). Danach werden die meisten Gesetze auf dem
einfacheren Weg des p. beschlossen (z. B. lex Aquilia de damnis). →
Plebiszit
Lit.: Kaser §§ 2 II 2a, 3 II 1; Söllner §§ 6, 15; Köbler,
DRG 13, 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Plebiszit ist in
der Neuzeit der Volksentscheid bzw. die Volksabstimmung. → plebiscitum
Lit.: Mittenberger-Huber, A.,
Das Plebiszit in Bayern, 2000
plebs (lat. [F.])
Volk
Plenipotenz (F.)
Gewaltenfülle (z. B. des Papstes)
Lit.: Wyduckel,
D., Princeps legibus solutus 1979, 88
plenitudo (F.) potestatis (lat.) Gewaltenfülle → Plenipotenz
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Pluralismus ist die
Lehre vom Nebeneinander mehrerer Verschiedenheiten. Mit der Lösung von einer
einzigen Einheit ist der P. möglich. Weltanschaulich gründet sich der P. des
ausgehenden 20. Jh.s auf die Aufgabe der Unbedingtheit der christlichen
Tradition in der abendländischen Kultur.
Lit.: Köbler,
DRG 253; Le pluralisme juridique, hg. v. Gilissen, J., 1972; Bast, J.,
Totalitärer Pluralismus, 1999; The Adventure of Religious Pluralism in Early
Modern France, hg. v. Cameron, K. u. a., 2000
Pluris petitio (lat. [F.])
ist die (nach Gaius in vier Weisen mögliche) Zuvielforderung des Klägers im
römischen Recht, die zeitweise eine Straffolge wegen unbedachter Verfahrensführung,
im Übrigen die Abweisung der Klage und den Verlust des Klaganspruchs nach
sich zieht.
Lit.: Kaser §§ 34 II, 53 III, 83 I, 87
I, II; Köbler, DRG 62
Podestà (M.) (meist
auswärtiger, adliger oder gelehrter, aus Misstrauen auf Zeit bestimmter, danach
im Syndikatsprozess überprüfter) Machtinhaber der hochmittelalterlichen Stadt
Italiens
Poena (lat. [F.])
ist im altrömischen Recht die Vermögensleistung, durch die bei einem
Unrechtserfolg das Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft
abgelöst werden kann. Dabei soll, wer einem anderen (nur ?) ein Bein bricht,
(nur) die feste und daher bei Währungsverfall gefährdete Summe (Buße) von 300
Pfund Kupfer (p.) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer, bei sonstigem
Unrecht 25 Pfund Kupfer. In der Spätantike ist die dem Ersatz des Schadens
dienende Leistung (lat.) p., damnum, satisfactio oder compositio. Dagegen
bezeichnet Tacitus (98 n. Chr.) den Ausgleich eines Unrechtserfolges durch
Pferde und Rinder bei den Germanen auch als p. Seit dem Hochmittelalter ist p.
die peinliche Strafe an Leben oder Leib.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 35 II, 50 I;
Köbler, DRG 26, 27, 65, 74, 119; Köbler, LAW
Poena (F.) arbitraria (lat.)
ist auf Grund hochmittelalterlicher Ansätze (Vincentius Hispanus, Papst
Innozenz IV.) in der frühen Neuzeit die der (lat.) → Constitutio (F.)
Criminalis Carolina von 1532 bekannte Ermessensstrafe oder auch
außerordentliche Strafe (lat. poena extraordinaria). Über die gesetzlich
geregelten Fälle hinaus findet sie Anwendung bei ungeregelten strafwürdigen
Geschehnissen (z. B. Abschneiden vom Galgen) und bei Sonderfällen geregelter
Tatbestände. Mit der Aufklärung wird die p. a. zurückgedrängt (z. B.
Josephinisches Gesetzbuch 1787).
Lit.: Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft,
1954, 29; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000
Poena (F.) dupli (lat.) ist
im römischen Recht die in bestimmten Fällen eintretende Verdoppelung einer
Schuld (z. B. Leugnen bei Klage aus unerlaubter Handlung). Verschiedentlich
greift späteres Recht hierauf zurück.
Lit.: Köbler, DRG 27
poena (F.) extraordinaria
(lat.) außerordentliche Strafe → poena arbitraria
Lit.: Söllner §§ 8; Kroeschell, DRG 3
poena (F.) ordinaria (lat.)
ordentliche (gesetzlich festgelegte) Strafe
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Pönalklage ist
die auf Ausgleich eines Unrechts durch Verurteilung des Täters zu einer Buße gerichtete
Klage des römischen Rechtes. Sie ist auf der Seite des Beklagten bis zur (lat.)
litis contestatio (F., Streitbefestigung) unvererblich, auf der Seite des
Klägers bei vor allem gegen die Person gerichtetem Unrecht (z. B. lat iniuria).
Sie ist im (lat.) ius civile (Zivilrecht) unbefristet, im (lat.) ius honorarium
(Amtsrecht) auf ein Jahr befristet, wird aber mit Streitbefestigung stets
vererblich und unbefristet.
Poenitentiale → Paenitentiale
Pogrom (russ., N.) Zerstörung,
Verfolgung (z. B. in Russland im 19. und 20. Jh. gegenüber Juden, danach auch
in anderen Ländern z. B.
Deutsches Reich 1938)
Polen ist der mitteleuropäische, von Slawen gebildete Staat zwischen Karpaten und Ostsee, dessen Anfänge um 960 sichtbar werden. Im 12. und 13. Jh. zerfällt P., das vor 1200 nur wenige Urkunden überliefert (1189 erstes schriftliches Urteil) in mehrere Herzogtümer verschiedener Linien der Piasten. 1320 finden Großpolen (Posen, Kalisch, Gnesen) und Kleinpolen (Krakau, Sandomir) wieder zusammen, während Schlesien sich an Böhmen anschließt und Masowien (Warschau) bis 1526 selbständig bleibt. Im 14. Jh. erhält das Königreich P. ein Landrecht. 1386 folgt im Königtum der Familie der → Piasten bis 1572 die der Jagiellonen (→ Litauen). 1772, 1793 und 1795 wird P. zwischen → Russland, → Preußen und → Österreich aufgeteilt, im 19. Jh. (1807 Errichtung eines Herzogtums Warschau aus preußischen Gebieten durch Napoleon, das 1815 in veränderter Gestalt als Kongresspolen mit Russland in Personalunion vereinigt wird, Großherzogtum Posen Preußens, Republik Krakau) aber teilweise wiederhergestellt. Am 11. 11. 1918 wird das seine Unabhängigkeit ausrufende P. in eine Republik umgewandelt. Bis 1921 gewinnt es Westpreußen, Posen, Westfalen und russische Gebiete im Osten, bis 1923 das Wilnagebiet und Ostgalizien. 1939 wird P. zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion geteilt, 1945 aber unter Verschiebung nach Westen (1990 Oder/Neiße) und Entdeutschung erneuert. Seit 1. 5. 2004 ist Polen Mitgliedstaat der Europäischen Union.→ polnisches Recht
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 191, 223, 246;
Beer, A., Die erste Teilung Polens, 1873; Lord, H., The Second Partition of
Poland, 1916; Handelsman, M., Die mittelalterliche polnische Sozialgeschichte,
1920; Grünenthal, O., Das Statut von Wiślica in polnischer Fassung, 1925;
Ptašnik, J., Städte und Bürgerschaft im alten Polen, 1934 (polnisch); Schaeder,
H., Geschichte der Pläne zur Teilung des alten polnischen Staates seit 1386,
1937; Wojciechowski, Z., L’état polonais au moyen-âge, 1949; Tischer, K., Das
älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969;
Luciński, J., (Die Entwicklung des Königsguts in Polen), 1970; Meyer, E.,
Grundzüge der Geschichte Polens, 3. A. 1990; Kossmann, O., Polen im
Mittelalter, Bd. 1f. 1971ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,551, 3,2,2099,2111,2119,2805, 3,3,3506,3509,3745; Rhode, G., Geschichte
Polens, 3. A. 1980; Jedruch, J., Constitutions, elections and legislatures of
Poland 1493-1977, 1982; Ludwig, M., Besteuerung und Verpfändung königlicher
Städte im spätmittelalterlichen Polen, 1984; Schnur, R., Einflüsse des
deutschen und des österreichischen Rechts in Polen, 1985; Urban, T., Deutsche
in Polen, 4. A. 2000; Lityński, A., Der
polnische Reformgedanke in den Jahren des vierjährigen Reichstages (1788-1792),
ZRG GA 108 (1991), 389; Zernack, K., Polen und Russland, 1994; Schmidt-Roesler,
A., Polen, 1996; Rzeplinski, A., Die Justiz in der Volksrepublik Polen, 1996;
Schreiner, P., Königin Richeza, Polen und das Rheinland, 1996; Lerski, G.,
Historical Dictionary of Poland, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3 1997; Kempen, B., Die deutsch-polnische
Grenze, 1997; Urban, T., Polen, 2. A. 2003; Bingen, D., Die Polenpolitik der
Bonner Republik, 1998; Krzeminski, A., Polen im 20. Jahrhundert, 1998; Hoensch,
J., Geschichte Polens, 3. A. 1999; Kuehn, H., Das Jahrzehnt der Solidarnosc,
1999; Donnert, E., Die Adelsrepublik Polen, (in) Republikbegriff und
Republiken, 2000, 47; Davies, N., Im Herzen Europas, 2000, 3. A. 2002; Adamska,
A., From memory to written record in the periphery of medieval latinitas - The
case of Poland in the eleventh and twelfth centuries, (in) Charters and the Use
of the Written Word in Medieval Society, hg. v. Heidecker, K., 2000; Köbler,
G., Rechtspolnisch, 2001; Glatz, W.,
Die Entwicklung des polnischen Zivilrechts. Darstellung und Bewertung
unter dem Aspekt wirtschaftlichen Wandels, 2001; Wyczanski, A., Polen als
Adelsrepublik, 2001; Fried, J., Otto III. und Boleslaw Chrobry, 2. A. 2001;
Deutsch-polnische Beziehungen in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Lawaty, A. u.
a., Bd. 1f. 2000; Gehrke, R., Der polnische Westgedanke, 2001; Madajczyk, P., Niemcy polscy 1944-1989, 2001;
Alexander, M., Kleine Geschichte Polens, 2003; Die polnische Heimatarmee, hg.
v. Chiari, B., 2003; Das Reich und Polen, hg. v. Wünsch, T., 2003; Nitschke,
B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis
1949, 2003; Redecker, N. v., Die polnischen Vertreibungsdekrete, 2003, 2. A.
2004; Landgrebe, A., Wenn es Polen nicht gäbe, 2003; Stachura, P., Poland,
1918-1945, 2004; Deutsches Sachenrecht in polnischer Gerichtspraxis, hg. v.
Dajczak, W. u. a., 2005; Polen und der Osten, hg. v. Chwalba, A., 2005;
Gulczynski, A., Das napoleonische Gesetzbuch (Code civil) und sein Einfluss auf
die Stabilisierung des Familiennamens in den polnischen Gebieten, ZNR 27
(2005), 49; Heyde, J., Geschichte Polens, 2006; Umsiedlung der Polen aus den
ehemaligen Ostgebieten nach Polen in den Jahren 1944-1947, hg. v. Ciesielski,
S., 2006; Aleksic, A., Die altpolnische Rechtsterminologie am Beispiel von Ortyle
Magdeburskie, 2006 (Magisterarbeit); Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 980; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg,
hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Nagórko, A., Lexikologie des Polnischen, 2007;
Fiedorczyk, P., Reconciliation with the Communist Past, ZRG GA 125 (2008), 295;
Mallmann, K. u. a., Einsatzgruppen in Polen, 2008
Policey s. Polizei
polis ([F.] griech.) Stadt, Staat → Polizei
Lit.: Die griechische Polis, hg. v. Hoepfner, W. u. a.,
1993; Beck, H., Polis und Koinon, 1997; The Polis, hg. v. Hansen, M., 1997;
Welvei, K., Die griechische Polis, 2. A. 1998; Leppin, H., Thukydides und die
Verfassung der Polis, 1999; Polis & Politics, hg. v. Flensted-Jensen, P. u.
a.; Blok, J., Recht und Ritus der Polis, HZ 278 (2004), 1; Hansen, M., Polis,
2006; The Return of the Polis, hg. v. Hansen, M., 2007
Politbüro (politisches
Büro) ist das oberste Führungsorgan kommunistischer Parteien im 20. Jh. (z. B.
Sowjetunion seit 1917).
Politik ist das auf
die Gestaltung des (öffentlichen) Lebens gerichtete Verhalten. Zunächst vor
allem Gesellschaftslehre (Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin) wird P. seit
der frühen Neuzeit (Machiavelli) zur Machttechnik.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 789; Groß,
L., Die Reichspolitik der Habsburger, N. Jb. f. dt. Wiss. 13 (1937); Schmidt,
E., Die Justizpolitik Friedrichs des Großen, 1962; Kunisch, J.,
Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Fricke, K., Politik und Justiz in der
DDR, 1979; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1981; Rückert, J.,
Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984;
Classen, C., Recht – Rhetorik - Politik, 1985; Karniel, J., Die Toleranzpolitik
Kaiser Josephs II., 1986; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland,
1989; Lexikon der Politik, hg. v. Nöhlen, D. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.;
Angermeier, H., Politik, Religion und Reich bei Kardinal Melchior Khlesl, ZRG
GA 110 (1993), 249; Das Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert, hg. v.
Miethke, J., 1992; Althoff, G., Spielregeln der Politik im Mittelalter, 1997;
Henning, O., Geschichte des politischen Denkens, 1998; Klassiker des
politischen Denkens, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1f. 2001; Bleek, W.,
Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland, 2001; Berg-Schlosser,
D./Stammen, T., Einführung in die Politikwissenschaften, 7. A. 2003;
Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Geschichte
des politischen Denkens, 2004; Ottmann, H., Geschichte des politischen Denkens,
Bd. 2, Teilbd. 2 Das Mittelalter, 2004; Porträtgalerie der politischen Denker,
hg. v. Mayer-Tasch, P. u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen
Politik, hg. v. Jahn, B., 2004; Botsch, G., Politische Wissenschaft im zweiten
Weltkrieg, 2005; Miethke, J., Mittelalterliche Politiktheorie, 2007; Politik
und Sprache im fühneuzeitlichen Europa, hg. v. Nicklas, T. u. a., 2007;
Miethke, J., Politiktheorie im Mittelalter, 2008; Science politique et droit
public dans les facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008;
Das Politische, hg. v. Gangl, M., 2008; Hölkeskamp, K., Mythos und Politik, HZ
288 (2009), 1; Studien zur politischen Kultur Alteuropas, hg. v. Gotthard, A.
u. a., 2009
politisch, Adj. die Allgemeinheit
und die in ihr vertretenen Zielsetzungen betreffend
Politische Justiz ist allgemein die nach politischen Gesichtspunkten handelnde, parteipolitsch abhängige → Justiz, im engeren Sinn die den Prozess zu politischen Zwecken missbrauchende Justiz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Hannover,
H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933, 1966; Politische Strafjustiz
1951-1968, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1998;
Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000
Politische Klausel
ist seit dem 19. Jh. die Klausel in Konkordat oder Kirchenvertrag, die es dem
Staat ermöglicht, staatspolitische Einwendungen gegen einen von der Kirche für
ein Führungsamt in Aussicht Genommenen zu erheben.
Lit.: Weber, W., Die politische Klausel in den Konkordaten,
1940; Kaiser, J., Die politische Klausel der Konkordate, 1949; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 737; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983, 105
Politische Partei
ist die auf Teilhabe an der → Politik ausgerichtete → Partei. Sie
tritt in England seit 1832 deutlicher hervor (Carlton Club 1832, Reform Club
1836, Complete Suffrage Union 1865). Im → Deutschen Bund erscheinen
örtliche Vereinigungen zur Unterstützung von Kandidaten bereits vor 1848, doch
zeigen sich fraktionsähnliche Clubs erst in der Frankfurter Paulskirchenversammlung
von 1848 (Demokratische Linke, liberale Mitte, Konservative).
Lit.: Bergsträsser, L./Mommsen, W., Geschichte der
politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Seifert, K., Die politischen
Parteien, 1975
Politischer Prozess
ist der zu politischen Zwecken missbrauchte Prozess. Er findet sich schon sehr
früh an vielen Orten. Üblich wird die Benennung im 19. Jh.
Lit.: Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz
1918-1933, 1966; Jacta, M. [Schwinge, E.], Berühmte Strafprozesse, 1967ff.;
Tolksdorf, M., Politische „Prozesse“ der Merowinger, 1980
Polizei, Policey,
ist im klassischen Sinn die Gesamtheit der auf Abwehr von Gefahren und
Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichteten
Staatstätigkeit, im institutionellen Sinn die Gesamtheit der durch die im
Vollzugsdienst beschäftigten Dienstkräfte ausgeführten Staatstätigkeiten. Um
1500 (1464) wird P. (Policey) als zu (griech. [F.]) politeia gebildetes
Lehnwort (aus Frankreich [14. Jh., Übersetzung Aristoteles’ durch Nicolas
Oresme 1371], unmittelbare Übernahme in ordonnances des Königs) über die
burgundische Kanzlei (?) in die deutsche Sprache eingeführt. Unter der guten
Ordnung und P. ist dabei alle auf die Wahrung und Förderung des geordneten
Zustandes des Gemeinwesens gerichtete, sich im Absolutismus erheblich
verdichtende Staatstätigkeit zu verstehen. Darunter können die verschiedensten
Angelegenheiten vereinigt werden. Allerdings engt sich bereits im 18. Jh.
dieser Polizeibegriff wohl unter dem Einfluss der Gewaltenteilungslehre, des
Physiokratismus und anschließend des Liberalismus sachlich auf einen
Teilbereich der Verwaltung (Gefahrenabwehr) und institutionell auf eine Behörde
und deren Mitglieder ein. Johann Stephan → Pütter (1725-1807) beschränkt
die Zuständigkeit der P. auf die Abwehr von Gefahren. Dem folgt das preußische
Allgemeine Landrecht von 1794 (II, 17 § 10). Dieser aufgeklärte Polizeibegriff
wird in Preußen aber schon 1808 wieder aufgegeben. Dagegen erlassen Bayern
(1861), Baden (1863) und Württemberg (1871) rechtsstaatlich geprägte
Polizeistrafgesetzbücher. In Österreich wird die Polizei unter Maria Theresia
(1740-1780) gegründet, unter ihrem Sohn Joseph II. ausgebaut und 1848 um die
Gendarmerie (bis 2006) ergänzt, die an Stelle der Grundherrschaften für die
öffentliche Sicherheit zuständig ist und zur Unterstützung der Justiz
Recherchen unmittelbar übernehmen soll. In Preußen spricht das
Oberverwaltungsgericht 1882 im sog. → Kreuzbergurteil der P. die
Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege, sofern nicht eine spezielle
rechtliche Grundlage vorliegt, ab. Nach dem Polizeibeamtengesetz (1927), dem
Polizeikostengesetz (1929) und dem Gesetz über die Aufhebung veralteter
Polizei- und Strafgesetze von 1931 schafft Preußen am 31. 1. 1932 mit seinem
Polizeiverwaltungsgesetz einen wichtigen einheitlichen modernen Baustein für
deutsches Verwaltungsrecht. Im Dritten Reich dient die P. der Durchsetzung
totalitärer Herrschaft. Nach 1945 wird unter dem Einfluss der alliierten
Besatzungsmächte die innere Verwaltung entpolizeilicht und weitgehend neuen Ordnungsbehörden
übertragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 134, 151, 198, 203,
233, 234; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 875; Delamare, N., Traité
de la police, 1705ff.; Westphal, E., Das deutsche Staatsrecht, 1784, 358; Berg,
H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Mayer, H.,
Polizeigewalt in Hessen, 1951 (Diss.); Schmucker, H., Das Polizeiwesen im
Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Knemeyer, F., Polizeibegriffe,
Archiv f. öff. Recht 92 (1967), 153; Lieberich, H., Die Anfänge der
Polizeigesetzgebung, FS M. Spindler, 1969, 307; Götz, V., Allgemeines Polizei-
und Ordnungsrecht, 1971, 13. A. 2001; Schulze, R., Die Polizeigesetzgebung,
1978; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Maier, H.,
Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 98; Schulze, R.,
Policey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982; Kroeschell, K.,
Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983; Preu, P., Polizeibegriff
und Staatszwecklehre, 1983; Der „Polizeiverein“ deutscher Staaten, hg. v.
Siemann, W., 1983; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Die
Anfänge der politischen Polizei 1806-1866, 1985; Gessner, K., Geheime
Feldpolizei, 1986; Harnischmacher, R./Semerak, A., Deutsche Polizeigeschichte,
1986; Naucke, W., Vom Vordringen des Polizeigedankens im Recht, FS A. Erler,
1986, 177; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jh., FS A. Erler, 1986, 199;
Leßmann, P., Die preußische Schutzpolizei, 1989; Just, S., Polizeibegriff und
Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg 1990; Härter, K.,
Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61;
Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992; Philipp, M., Das Regentenbuch
des Mansfelder Kanzlers Georg Lauterbeck, 1996 (erste umfassende Lehre der
guten policey); Policey in Europa, hg. v. Stolleis, M., 1996; Die deutsche
Polizei und ihre Geschichte, hg. v. Nitschke, P., 1996; Durand, B., La notion
de police en France, 1996; Wilhelm F., Die Polizei im NS-Staat, 1997;
Hachenberg, K., Die Entwicklung der Polizei in Köln, 1997; Knöbl, W., Polizei
und Herrschaft im Modernisierungsprozess, 1998; Banach, J., Heydrichs Elite, 3.
A. 2002; Winter, M., Politikum Polizei, 1998; Kissling, P., „Gute Policey“ im
Berchtesgadener Land, 1999; Jäger, J., Die informelle Vernetzung politischer
Polizei nach 1848, ZRG GA 116 (1999), 266; Matsumoto, N., Polizeibegriff im
Umbruch, 1999; Wilhelm, F., Die Polizei im NS-Staat, 2. A. 1999; Stahlschmidt, J.,
Policey und Fürstenstaat, Diss. jur. Bochum 1999; Jäger, J., Die informelle
Vernetzung politischer Polizei, ZRG 116 (1999), 266; Policey und
frühneuzeitliche Gesellschaft, hg. v. Härter, K., 2000; Landwehr, A., Policey
im Alltag, 2000; Wüst, W., Die „gute“ Policey im Reichskreis, Bd. 1ff. 2001ff.;
Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und Sicherheitspersonal in Gemeinden
und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert, hg. v.
Holenstein, André u. a., 2002; Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002; Gute
Policey als Politik im 16. Jahrhundert, hg. v. Blickle, P. u. a., 2003; Naas,
S., Die Entstehung des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, 2003;
Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft,
2003; Iseli, A., Bonne police, 2003; Gut, F., Mit der Pranke und dem Zürcher
Schild, 2003; Napoli, P., La naissance de la police moderne, 2003; Weinhauer,
K., Schutzpolizei in der Bundesrepublik, 2003; Simon, T., Gute Policey, 2004;
Eibich, S., Polizei, „Gemeinwohl“ und Reaktion, 2004; Sälter, G., Polizei und
soziale Ordnung in Paris, 2004; Schmelz, C., Die Entwicklung des
Rechtswegestaates, 2004; Curilla, W., Die deutsche Ordnungspolizei und der
Holocaust im Baltikum und in Weißrussland 1941-1944, 2005; Härter, K., Policey
und Strafjustiz in Kurmainz, 2005; Schwegel, A., Der Polzeibegriff im NS-Staat,
2005; Möller, C., Medizinalpolizei, 2005; Polizei, Recht und Geschichte, hg. v.
Gebhardt, H, 2006; Die lokale Policey, hg. v. Wüst, W., 2008; Landesordnung und
gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Iseli, A., Gute Policey, 2009
Polizeigesetzgebung →
Polizei, Polizeiordnung
Polizeiordnung ist
die in der frühen Neuzeit zur Wahrung und Schaffung der guten → Polizei
erlassene → Ordnung. Sie findet sich in Ansätzen bereits in der
spätmittelalterlichen Stadt (Nürnberg 1281). Durch sie sorgt die Obrigkeit für
gute → Ordnung und → Polizei, sei es bewahrend, sei es gestaltend.
Einer ihrer wichtigsten Gegenstände sind die Luxusverbote. Im Laufe der frühen
Neuzeit verlagert sich das Schwergewicht vom religiös-moralischen zum
wirtschaftlich-rationalen Bereich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 113, 138, 139; Segall,
J., Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914;
Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Quellen zur neueren
deutschen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v.
Schmelzeisen, G., 1968ff.; Dorf-Policey-Ordnung und Instruction für die
Dorf-Scholzen für das Herzogthum Schlesien, hg. v. Wacke, G., 1971; Brauneder,
W., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Buchholz, W.,
Anfänge der Sozialdisziplinierung, ZHF 18 (1991); Härter, K., Entwicklung und
Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Repertorium der
Policeyordnungen der frühen Neuzeit, hg. v. Härter, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.;
Rigaudière, A., Les ordonnances de police, 1996; Weber, M., Die schlesischen
Polizei- und Landesordnungen, 1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte
Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Linck, S., Der Ordnung
verpflichtet, 2000; Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und
1577, 2002; Brück, A., Die Polizeiordnung Herzog Christians von Braunschweig-Lüneburg
vom 6. Oktober 1618, 2003
Polizeirecht ist
das die → Polizei betreffende → Recht.
Lit.: Köbler, DRG 259; Berg, H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts,
Bd. 1ff. 1799ff.; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jahrhundert, FS A. Erler,
1986, 199; Geschichte der deutschen Volkspolizei, 2. A. 1987; Hartleif, W., Das
Polizeirecht in Düsseldorf, Diss. jur. Köln 1990; Just, S., Polizeibegriff und
Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg 1990; Popp, R.,
Disziplinierung durch Polizeirecht, Diss. jur. Regensburg 1995; Handbuch des
Polizeirechts, hg. v. Lisken, H. u. a., 2. A. 1996; Weber, M., Bereitwillig
gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Pauly, J., Die
Entstehung des Polizeirechts als wissenschaftliche Disziplin, 2000
Polizeistaat ist in
jeweils verschiedenem Sinn der von der → Polizei geprägte Staat des
aufgeklärten Absolutismus (Wohlfahrtsstaat) wie der totalitären Diktatur
(Unrechtsstaat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Vollmer, B., Volksopposition und
Polizeistaat, 1957; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner,
U. u. a., 1984; Gutmann, T., Paternalismus, ZRG GA 122 (2005) 150
Polizeiwissenschaft ist
die in der späteren Aufklärung erwachsende Wissenschaft von der → Polizei
(bzw. Verwaltung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Justi, J. v., Ausführliche
Vorstellung der gesamten Polizeiwissenschaft, Bd. 1f. 1760f., Neudruck 1965;
Pfeiffer, J. v., Polizeiwissenschaft, 1779, Neudruck 1970; Maier, H., Die
ältere deutsche Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft), Politica 13 (1966)
Pollock, Sir
Frederick (1845-1937), wird nach dem Studium in Cambridge und der
Rechtsausbildung in Lincoln’s Inn 1871 Anwalt. 1876 veröffentlicht er (engl.)
Principles of Contract (Vertragsgrundsätze). Von 1883 bis 1903 ist er Professor
in Oxford und lehrt zeitweise auch an den Inns of Court und in Indien. 1895
verfasst er ein Kapitel von → Maitlands History of English Law.
Lit.: Simpson,
A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984, 421
Polnisches Recht
ist das in → Polen geltende Recht. Es ist lange Zeit ein niemals
vollständig aufgezeichnetes Gewohnheitsrecht (Landrecht), zu dem nur wenige
privatrechtliche Gesetze (z. B. [lat.] Formula [F.] processus 1523,
Hypothekengesetz 1588, Wechselgesetz 1775), aber mehrere partikulare
Rechtsfestlegungen (z. B. Statuten Masowiens 1532, 1540, preußische Korrektur
1598, litauische Statuten 1529, 1566, 1588) kommen. Streitig ist dabei die
Frage des Einflusses des → deutschen Rechts. Jedenfalls in den Städten
ist er nachweisbar (Magdeburger Recht, Neumarkter Recht, Kulmer Recht, Lübecker
Recht). Im 16. Jh. stellt der Krakauer Jurist Bartholomäus Groicki aus dem
heimischen, römischen und sächsischen Recht ein (lat.) ius (N.) municipale
Polonicum (polnisches Stadtrecht) zusammen und bearbeitet 1559 die (lat.) →
Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) für Polen. 1772 wird Polen geteilt.
Am 3. 5. 1791 gibt sich Polen ein grundlegendes Verfassungsgesetz, wird aber
1793 und 1795 zwischen Russland, Preußen und Österreich weiter aufgeteilt.
1807-15 gilt im Herzogtum Warschau französisches Recht. Das 1818 geschaffene
Strafgesetzbuch des Königreichs Polen folgt österreichischem Vorbild, das
gleichzeitige Hypothekengesetz preußischem. 1847 wird das Strafgesetzbuch
erneuert. Im Übrigen gelten die bisherigen Regeln fort. 1928 wird nach der
Erneuerung Polens (1918) durch ein Strafprozessgesetzbuch, 1930 durch ein
Zivilprozessgesetzbuch, 1932 durch ein Strafgesetzbuch und 1933 durch ein
Obligationengesetzbuch und ein Handelsgesetzbuch das Recht vereinheitlicht
und neu gestaltet. 1945/1946 wird das Privatrecht vereinheitlicht und 1964 in
einem Zivilgesetzbuch sowie einem Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch neu
gefasst.
Lit.: Kutrzeba, S., Geschichte der
Quellen des alten polnischen Rechts, 1926 (polnisch); Koranyi, K., Podstawy
średniowiecznego prawa spadkowego (= Die Grundlagen des mittelalterlichen
Erbrechts), 1930; Wojciechowski, Z., Das Ritterrecht in Polen, 1930;
Matuszewski, J., Das älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, 1959
(mitteldeutsch um 1300?); (Urteile der Obergerichte großpolnischer Städte aus
dem 15. und 16. Jahrhundert), hg. v. Maisel, W., 1959; Bardach, J., Historia panstwa i prawa Polski, 2. A. 1964; Polish
Law throughout the Ages, hg. v. Wagner, W., 1970; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 2, 2 1976, 3,2,1982; Bardach, J. u. a., Historia panstwa i prawa polskiego,
1976; Sporn T., Die Stadt zu polnischem Recht, 1978; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Willoweit,
D./Schick, W., 1980; Maisel, W., Archelogia prawna Polski (Polnische
Rechtsarchäologie), 1982; Sliwowski, J., Der Einfluss der Franziskana auf das
erste polnische Strafgesetzbuch von 1818, ZRG GA 100 (1983), 284; Kren, J.,
Polnisches Recht und preußisches Recht, ZNR 1983, 147; Schnur, R., Einflüsse
des deutschen und österreichischen Rechts in Polen, 1985; Ebel, F., Poloniae
historia iuris – Neuere Literatur zur polnischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 105
(1988), 331; Matuszewski, J., Chan (der Adelserschleichung Überführter), 1991;
Lityński, A., Die Kodifikationskommission und ihre Arbeiten am
Strafgesetzbuch der zweiten polnischen Republik, ZRG GA 112 (1995), 382;
Najstarszy zwod prawa polskiego, hg. v. Matuszewski, J. u. a., 1995; Die
polnische Verfassung vom 3. Mai 1791, hg. v. Reinalter, H., 1997;
Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3, hg. v.
Mohnhaupt, H., 1997
Polygamie (griech.) ist die
Mehrehe oder Vielehe. Sie ist bei den Germanen zulässig. Das Christentum
schließt sie aus. Das Naturrecht hält sie für möglich, doch setzt sich dies in
den naturrechtlichen Kodifikationen nicht durch.
Lit.: Freisen, J., Geschichte des kanonischen Eherechts, 2.
A. 1893, Neudruck 1963, 364; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934;
Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Mildenberger, G., Sozial- und
Kulturgeschichte der Germanen, 1972, 63; Brundage, J., Law, Sex and Christian
Society, 1987
Polyptychon (N.)
vielfältiges (Verzeichnis z. B. St. Germain-des-Prés 825/828)
Lit.:
Das Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés, hg. v. Hägermann, D., 1993;
Elmshäuser, K./Hedwig, A, Studien zum Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés,
1993
Pommerellen
Lit.: Kasiske, K., Das
deutsche Siedelwerk des Mittelalters in Pommerellen, 1938
Pommern ist das beiderseits der Mündung der Oder in die Ostsee liegende, zu 1046 als P. benannte Gebiet, das nach Abzug der Germanen im 6./7. Jh. von → Slawen besiedelt wird und in dem die Herrschaft der → Greifen 1181 als Herzogtum des deutschen Reiches anerkannt wird. 1648 bzw. 1815 gelangt es an Brandenburg, 1945/1990 im östlichen Teil an Polen. Besonders bedeutsam sind dementsprechend nacheinander lübisches, gemeines und preußisches Recht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Die
Leibeigenschaft in Pommern, ZRG GA 9 (1888), 104; Linke, L., Die pommerschen
Landesteilungen im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Greifswald 1935, Dokumentation
der Vertreibung der Deutschen, hg. v. Schieder, T., 1953f.; Grundriss der
deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Benl,
R., Die Gestaltung der Bodenrechtsverhältnisse in Pommern, 1986; Buchholz, W.,
Öffentliche Finanzen und Finanzverwaltung, 1992; Pommern, hg. v. Lucht, D.,
1995; Pommersches Wörterbuch, hg. v. Hermann-Winter, R. u. a., Bd. 1f. 1997ff.;
.Pommern, hg. v. Buchholz, W., 1999; Schmidt, R., Das historische Pommern,
2006; Kurzer Abriss der mecklenburgischen und
vorpommerschen Verfassungsgeschichte, verantw. v. Kuhn, H., 2007
Pomponius, Sextus
(Mitte des 2. Jh.s n. Chr.) ist ein römischer, über seine 300 Bücher hinaus
kaum bekannter Jurist. Drei Kommentare betreffen die Darstellung des römischen
Rechts durch Mucius Scaevola (39 Bücher), durch → Sabinus (35 bzw. 36
Bücher) und das → Edikt. In dem auszugsweise in den → Digesten
überlieferten Einführungslehrbuch Enchiridion stellt P. kurz und klar die
Geschichte der römischen Rechtsquellen bis zur eigenen Gegenwart, die römischen
Ämter und die römischen Juristen bis Julian dar.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 39; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 170; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 203
Pönalklage ist die auf Sühne Pönformel ist eine in Urkunden des Mittelalters enthaltene Klausel,
die nach antikem Vorbild einen Rechtsnachteil (Pön [lat. poena], meist
Geldsumme) für den Fall des Zuwiderhandelns (eines Dritten) festlegt.
Lit.: Voltelini, H., Die Fluch- und Strafklauseln, MIÖG
Ergänzungsband 11 (1929), 64; Studtmann, J., Die Pönformeln der
mittelalterlichen Urkunden, AUF 12 (1932), 252
Pontes de Miranda, Francisco
C. (1893-1979) wird nach dem Rechtsstudium in Recife in Brasilien Richter in
Rio de Janeiro. In den 60 Bänden seines Tratado de Direito Privado (1954ff.)
stellt er fast das gesamte, in erheblichem Umfang europäisch geprägte Recht
Brasiliens dar.
Lit.: Menezes, D., A Teoria cientifica
do direito de Pontes de Miranda, 1934; En homenagem a Pontes de Miranda, 1988
pontifex (lat.
[M.]) Brückenbauer, Priester (z. B. pontifex maxismus, Leiter der bedeutsamsten
römischen, anfangs auch für die Pflege des Rechtes zuständigen Priesterschaft,
im Prinzpat der Prinzeps, seit dem 5. Jh. n. Chr. der Papst)
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 9, 11, 14; Schieffer, R., Der
Papst als pontifex maximus, ZRG KA 57 (1971), 300
Pontifikalien sind
die Insignien des Bischofs (Mitra, Stab, Ring, Brustkreuz, Dalmatik, Tunika,
Handschuhe, Sandalen). Sie stehen seit dem 14. Jh. im Wesentlichen fest. Ihr
Gebrauch ist sorgfälig geregelt.
Lit.: Wickham, L., Church Ornaments, 1917; Klauser, T., Der
Ursprung der bischöflichen Insignien, 1960; Nabuco, J., Ius pontificalium, 1956
Pontifikaljurisprudenz ist im altrömischen Recht die Rechtskunde der (lat.
[M. Pl.]) pontifices des 5.-3- Jh.s v. Chr. (z. B. für Klageformeln und
Geschäftsgestaltung), aus der sich allmählich eine weltliche Jurisprudenz
entwickelt.
Pontius de Ilerda
ist ein aus Lerida in Katalonien stammender, zwischen 1170 und 1180 geborener,
in Bologna ausgebildeter Jurist, von dem eine Summa arboris actionum und die
Schrift Quoniam nonnulli stammen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 303
Populäre Rechtsliteratur ist der Name für die das römische Recht seit dem Spätmittelalter vereinfachend einführende Literatur (z. B. Übersetzungen der Institutionen Justinians [→ Murner 1519, → Perneder 1544, Gobler → 1551], Formelbücher oder Prozessschriften [→ Klagspiegel 1436?, → Laienspiegel 1495/1509]).
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des
römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W.,
Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, § 9
populus (lat. [M.])
Volk
Lit.: Köbler, DRG 18, 36; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Millar, F., The Crowd in Rome, 1998
Pornographie ist die aufreizende Darstellung geschlechtlicher
Erscheinungen.
Lit.: Scholz, S., Die Entwicklung der
österreichischen Pornographiegesetzgebung, 1999
Portalis, Jean-Etienne-Marie (1745-1807) wird nach dem Rechtsstudium Advokat in Aix-en-Provence. Seit 1794 kommt er im Zuge der französischen Revolution (1789) in hohe Ämter und wird 1804 in das Redaktionsgremium des → Code civil berufen. Er setzt sich an vielen Stellen erfolgreich für die Lösungen des römischen Rechts ein.
Lit.: Portalis, J., De l’usage et de l’abus de l’esprit philosophique,
1820; Lavollée, R., Portalis, 1869; Schimséwitsch, L., Portalis, 1936; Plesser,
M., Jean Etienne Marie Portalis und der Code civil, 1997
Portugal (benannt nach dem porto [Hafen] von Cale) ist der
südwesteuropäische Staat, dessen Gebiet nacheinander von Lusitaniern, Römern
(139 v. Chr., 27 v. Chr. von [lat.] Hispania [F.] ulterior abgesonderte Provinz
[lat.] Lusitania), Sweben/Westgoten (5. Jh.) und Arabern (712) beherrscht wird.
Nach der Rückeroberung des Nordens erreicht die Grafschaft um Porto am Ende des
11. Jh.s (1095) weitgehende Unabhängigkeit von Leon und → Kastilien. 1139
nimmt Alfons I. nach einem Sieg über die Araber (Mauren) den Königstitel an.
Bis zur Mitte des 12. Jh.s wird die christliche Rückeroberung (1147 Lissabon)
weitgehend, bis 1249 gänzlich abgeschlossen. Um die Wende vom 14. zum 15. Jh.
wird im königlichen Auftrag mit der Zusammenstellung des Rechts begonnen (Livro
das Leis e Posturas, Ordenações de D. Duarte, Ordenações Afonsinas [um 1454
bzw. 1446/1447], Ordenações Manuelinas 1512/1513 bzw. 1521). Seit dem 15. Jh.
wird P. mit Unterstützung Englands Weltmacht, die 1494/1529 die
Interessensphären mit → Spanien aufteilen kann. Für kurze Zeit fällt P.
dann an Spanien (1580/15811-1640). In dieser Zeit (1603 Ordenações Filipinas)
werden Gesetze erneut gesammelt und 1769 in der Lei da Boa Razão aktualisiert.
Im 19. Jh. wird unter dem Einfluss Frankreichs das Recht kodifiziert (Código
comercial/Handelsgesetzbuch 1833 bzw. 1888, Código civil/Bürgerliches
Gesetzbuch 1867, Código do processo civil/Zivilprozessordnung 1876, Código do
processo comercia 1896, Código de fallências 1897). 1910 wird Portugal
Republik, steht aber lange Jahre unter diktatorischer Herrschaft. 1939 wird der
(port.) Código do processo civil (Zivilprozessgesetzbuch) erneuert. Nach 1945
gehen die Kolonien verloren. 1965 wird ein neuer Código civil mit einem
allgemeinen Teil nach deutschem Vorbild geschaffen. Seit 1. 1. 1986 ist P.
Mitglied der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union (1993).
Lit.: Merêa, M., O mais antigo morado
de Portugal? 1921; Cabral de Moncada, L., A reserva hereditária, 1916f.; Cabral
de Moncada, L., A „traditio“ e a transferência da propriedade imobiliária,
1921; Merêa, P., Die Erforschung der nationalen Rechtsgeschichte in Portugal,
Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 40 (1923), 339; Mayer, E.,
Historia de las instituciones sociales y politicas de España y Portugal, Bd.
1f. 1925f.; Cabral de Moncada, L., O tempo o trastempo e a prescriçåo, 1929;
Merêa, P., Novos estudos de história do direito, 1937; Merêa, P., Sôbre a
palavra angueira, Biblos 16, 2 (1940); Merêa, P., Sôbre as origens da terça,
(um 1943); Merêa, P./Girão, A., Territorios portugueses no século 11, ( um
1950); Almeida Costa, M., Raízes do censo consignativo, 1961; Scholz, J.,
Literaturgeschichtliche und vergleichende Anmerkungen zur portugiesischen
Rechtsprechung im ancien régime, Revista Portuguesa de historia 14 (1973), 95;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,896, 2,2,282,893,1319, 3,1,687,
3,2,2443, 3,3,3494,3743,3847,3921,4000,4131; Braga da Cruz, G., O direito
subsidiário na história do direito português, Revista Portuguesa de História 14
(1974); Almeida Costa, M., Die Verträge über Rechte an Grund und Boden und das
Wirtschaftsleben Portugals im Mittelalter, ZRG GA 95 (1978), 34; Thomashausen,
A., Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, 1981f.; Julio de
Almeida Costa, M., Historia do Direito Portugues, 1982; Albuquerque, M.
de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Espinosa Comes de
Silva, N., Historia do Direito Portugues, 1985; Decker, G./Decker, A., Portugal,
2. A.
1992; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993; Sänger, R.,
Portugals langer Weg nach Europa, 1994; Fallstudien zur spanischen und
portugiesischen Justiz, 15. bis 20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994; Auf
dem Weg zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a., 1997;
Bernecker, W./Pietschmann, H., Geschichte Portugals, 2001; Oliveira Marques, A.
de, Geschichte Portugals, 2001; Rechtsentwicklungen in Portugal, Brasilien und
Mácau, hg. v. Jayme, E. u. a., 2002; Cerqueira, A/Seelaender, L., Polizei,
Ökonomie und Gesetzgebungslehre – Ein Beitrag zur Analyse der portugiesischen
Rechtswissenschaft am Ende des 18. Jahrhunderts, 2003;
Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 952; Franquismus und Salazarismus, hg. v. Fernández-Crehuet Lopez,
D. u. a., 2008
Posen an der
mittleren Warthe erhält 1253 Magdeburger Stadtrecht und kommt 1793 an Preußen.
Seit dem Übergang an Polen (1919) ist es Sitz einer Universität. Zwischen 1389
und 1419 verfasst der Stadtschreiber Heinrich von Peisern auf deutsch das in
einer einzigen Handschrift überlieferte, in vier Bücher (Verfassung und
Verfahren, Strafe, Erbe, Schulden und Familie) mit 163½ Kapiteln bzw. fünf
Bücher geteilte Rechtsbuch Posens nach Magdeburger Recht.
Lit.: Friese, V., Zur Gründungsurkunde
von Posen, ZRG GA 26 (1905), 91; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im
Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Ereciński, T., Das
Gewerberecht der Stadt Posen im Mittelalter, 1934 (polnisch); Goerlitz, T., Das
Rechtsbuch der Stadt Posen, ZRG GA 60 (1940), 143; Die Magdeburger
Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, 1944; Maisel, W., Sądownictwo miasta Poznania do końca XVI wieku
(Das Gerichtswesen der Stadt Posen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts), 1961.
413 (deutsche Zusammenfassung S. 351-358); Maisel, W., Poznańskie prawo
karne do końca XVI wieku (Das Posener Strafrecht bis zum Ende des 16. Jahrhunderts),
1963 (deutsche Zusammenfassung S. 315-318); Poznańska księga prawa
Magdeburskiego i Miśnieńskiego (Das Posener Buch des Magdeburger und
Meißner Rechts), hg. v. Maisel, W., 1964; Grundriss der deutschen
Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Wilkierze
Poznańskie, hg. v. Maisel, W., Bd. 1ff. 1966ff.; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 53; Serrier, T., Provinz Posen,
2005.
positio (lat.[F.])
Tatsachenbehauptung, Artikel (im gelehrten Prozess)
Lit.: Köbler, DRG 117, 155
Positive Forderungsverletzung
ist die seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) anscheinend nicht
unter Unmöglichkeit und Verzug fallende sonstige Pflichtverletzung des
Schuldners. Seit 1902 (Staub) wird sie als besondere Leistungsstörung anerkannt.
Lit.: Kaser §§
33 III IV 3, 37 I, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 214; Harting, F., Die
positiven Vertragsverletzungen, Diss. jur. Hamburg 1967; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Kotulla, M., Die
historischen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechtsinstituts der
positiven Forderungsverletzung, ZRG GA 108 (1991), 358; Glöckner, H., Die
positive Vertragsverletzung, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 155
Positives Recht
ist das vom Menschen geschaffene Recht im Gegensatz zum → Naturrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Positivismus ist
die geistesgeschichtliche Strömung, welche die übernatürliche Erklärung der
Welt durch die Theologie für ebenso unzutreffend hält wie die philosophische Erklärung
mit Hilfe von abstrakten Ideen. Entscheidend ist dieser von Auguste Comte
(1798-1857, Discours sur l’esprit positif, 1844) begründeten Sicht die
wissenschaftliche Zusammenfassung der tatsächlichen Erscheinungen (des durch
Beobachtung Erfahrbaren, Gegebenen, Wirklichen oder Positiven) in Gesetzen,
durch die der Gesellschaft ein glückliches Leben gesichert werden soll. Dies
wirkt sich im Recht durch die Suche nach einem System rein juristischer,
positiver und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte)
gelöster Begriffe aus, die im letzten Drittel des 19. Jh.s durch einen Gesetzespositivismus
abgelöst wird. Umstritten ist die Bedeutung des P. für den Nationalsozialismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179, 188, 228, 254;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Oertzen, P. v.,
Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Dilcher, G., Der
rechtswissenschaftliche Positivismus, ARSP 61 (1975), 497; Tripp, D., Der
Einfluss des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen
Positivismus, 1983; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und
Nationalsozialismus, (in) Recht und Politik, 1983, 195; Tripp, D., Der Einfluss
des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen Positivismus auf
die deutsche Rechtslehre im 19. Jahrhundert, 1983; Fuchs-Heinritz, W., Auguste
Comte, 1998; Repplinger, R., Auguste Comte und die Entstehung der Soziologie,
1999
Possessio (lat. [F.])
ist im römischen Recht der Besitz. Er nimmt seinen Ausgang davon, dass jemand
ein der Allgemeinheit gehöriges Stück Land zu Gebrauch und Nutzen übernimmt.
Seine Stellung wird durch → Interdikte des Magistrats gesichert.
Lit.: Kaser § 19; Köbler, DRG 2, 39, 162; Link, M.,
Possession, possessio und das Schicksal des Common Law, 2003; Vandendriessche,
S., Possessio und Dominium im postklassischen römischen Recht, 2006
Possessio (F.) civilis (lat.) ist im klassischen römischen Recht der Besitz nach zivilem
Recht, der seinen Ausgang von der tatsächlichen Herrschaft über eine Sache
nimmt, die beim Herausgabeverfahren (Vindikation) auf Seiten des Gegners
vorausgesetzt wird.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 25 II; Köbler, DRG 39
Possessio (F.) corporalis (lat.) ist im spätantiken römischen Recht der körperliche
Besitz ohne den Willen, wie ihn der Eigentümer hat.
Lit.: Kaser § 19 VI
Possessio (F.) iuris
(lat.) ist im späteren römischen Recht der Rechtsbesitz dessen, der einen (lat.
[M.]) → ususfructus oder eine Prädialservitut tatsächlich ausübt.
Lit.: Kaser §§ 19 IV, 28 III, 29 I 5
Possessio (F.) triduana (lat.) ist im Frühmittelalter das dreitägige Haben einer
Sache.
Pößneck
Lit.: Die
Schöffenspruchsammlung der Stadt Pößneck, Bd. 1ff. 1957ff.
Post ist die schriftliche Nachricht, die Beförderung von Menschen und Sachen sowie die dahinterstehende Organisation. Die P. ist schon dem Altertum bekannt, wenn auch nicht jedermann eröffnet. Erst im Spätmittelalter aber entwickelt sich über Stafetten in Oberitalien die P. im modernen Sinn, wobei das Wort im deutschen Sprachraum erstmals unter dem 8. 12. 1490 belegt ist. Die erste feste Route (1490) betrifft die Verbindung von Innsbruck nach Brüssel (Mecheln, 1507 45 Postbedienstete im Heiligen römischen Reich). Zu deren Sicherung erteilt Kaiser Karl V. den von Taxis ein Monopol für eine allgemein zugängliche P. Als Beförderungsgeschwindigkeit wird mit 7,5 Kilometern pro Stunde gerechnet. 1534 beginnt die Periodizität des Postverkehrs. Seit dem Ende des 16. Jh.s (1597) beansprucht der Kaiser die P. als → Regal (1615 Erblehen), ohne dieses Ziel vollständig durchsetzen zu können. Der Personenverkehr im Linientransport beginnt in Frankreich um 1625. Durch technische Verbesserungen erhöht sich die Beförderungsgeschwindigkeit zunehmend. Seit 1712 beginnt im Heiligen römischen Reich der Bau von Chausseen. 1756 kommen in Nürnberg täglich 138 Posten an. Seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geht man zum systematischen Straßenbau mit Überwachung und Reparatur über. Im 19. Jh. ist die P. nicht einheitlich. 1867 gelingt es Preußen, von dem Haus Thurn und Taxis das Postregal zu erwerben. 1871 wird das Postwesen in der Verfassung des Deutschen Reiches grundsätzlich geregelt. Am Ende des 20. Jh.s (1989ff.) wird die Post (und Telekommunikation) unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika privatisiert.
Lit.: Köbler, DRG 148, 233; Hudemann, E., Geschichte des
römischen Postwesens, 2. A. 1878; Obmann, F., Die Anfänge des Postwesens und
die Taxis, 1909.; Kießkalt, E., Die Entstehung der Post, 1930; Münkler, W.,
Entwicklungsgeschichte des Postregals in Hessen-Darmstadt, Diss. jur. Marburg
1973; Dallmeier, M., Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, 1987;
Wyss, A., Die Post in der Schweiz, 1987; La circulation des nouvelles au moyen
âge, 1994; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Lotz, W., Die Deutsche
Reichspost 1933-1945, 1999; Ueberschär, G., Die Deutsche Reichspost 1933-1945,
1999; Kolb, A., Transport und Nachrichtentransfer im römischen Reich, 2001; Klaes,
S., Die Post im Rheinland, 2001; Hesse, J., Im Netz der Kommunikation, 2001;
Die deutsche Reichspost 1933-1945, bearb. v. Lotz, W., 2002; Behringer, W., Im
Zeichen des Merkur, 2003; Lotz, W., Die deutsche Post von der Postreform bis
zum Börsengang 1989-2000, 2007
Postgeheimnis ist
die den Befördernden obliegende Geheimhaltungspflicht der in der → Post
enthaltenen Nachrichten. Die Frage des Postgeheimnisses wird vereinzelt schon
früh gesehen. 1690 wird die Unverletzlichkeit auf allen Postwegen im Reich garantiert.
1848 wird das P. in die Verfasssung einbezogen. 1919 wird dies durch die
Weimarer Reichsverfassung wiederholt.
Lit.: Bohley, E., Die Verletzung des Post-, Telegraphen-
und Fernmeldegeheimnisses, Diss. jur. Frankfurt am Main 1927; Schötz, H., Die
Verletzung des Postgeheimnisses durch Beamte, Diss. jur. Erlangen 1933; Melzer,
W., Das Post- und Fernmeldegeheimnis, 1971
Postglossator ist
der dem → Glossator zeitlich (ab etwa 1230) folgende spätmittelalterliche
Jurist vor allem Italiens. → Konsiliator, Kommentator
Lit.: Söllner §§ 2, 25; Kroeschell, DRG 2; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 6ff., 2. A. 1850f.;
Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965;
Fränkel, R., Zur Zessionslehre der Glossatoren und Postglossatoren, ZHR 66
(1910), 305; Stampe, E., Das Zahlkraftrecht der Postglossatorenzeit, 1928
Postliminium (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die Rückkehr in den früheren Rechtszustand nach
Ende der Kriegsgefangenschaft.
Lit.: Kaser §§ 15 II 2, 26 I 1, 58 VII 1b
Postregal →
Post
Lit.: Waitz, W., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien,
1939
Postumus (lat.
[M.]) (, posthumus) ist der nach dem Tod des Vaters Geborene. Er wird, soweit
dies seinem Vorteil dient, während der Schwangerschaft als bereits geboren
betrachtet (lat. → nasciturus pro iam nato habetur).
Lit.: Kaser §§ 13 II 1, 66 I 1, 68 III 3, 69 II 3
Postwertzeichen ist
das dem Nachweis der Entrichtung der Beförderungsgebühr dienende Wertzeichen.
Es erscheint in Ansätzen in Paris seit 1653, danach in England 1840 sowie im
Deutschen Bund in Bayern am 1. 11. 1849.
Lit.: Kohler, J., Die Briefmarke im Recht, Archiv f.
bürgerl. Recht 6 (1892), 316; Andrae, W., Die privatrechtliche Natur der
Briefmarke, Diss. jur. Jena 1933; Müller, W., Die Briefmarke, Diss. jur.
Erlangen 1958
potens (lat.)
mächtig
potestas (lat.
[F.]) Gewalt, Macht
Pothier,
Robert-Joseph (Orléans 9. 1. 1699–2. 3. 1772) Präsidialgerichtsratssohn, wird
nach dem Rechtsstudium 1720 Präsidialgerichtsrat in Orléans, 1743 Rat der Domänenkammer,
1746 Magistratsbeamter und 1749 Professor für französisches Recht in Orléans.
Von → Domat beeinflusst, fasst er als Vertreter der → eleganten
Jurisprudenz des späten → usus modernus pandectarum in den Pandectae
Justineanae (1748) die römischen Digesten zu einem systematisch neugeordneten
kurzen Werk zusammen. Danach stellt er die 1740 von ihm erstmals herausgegebene
Coutume d´Orléans dem römischen Recht gegenüber (1760). Schließlich
veröffentlicht er Abhandlungen zum Zivilrecht (z. B. traité des obligations
1761) und zum Prozessrecht, mit denen er die Systematik und das Schuldrecht des
Code civil (1804) und damit die Rechtseinheit Frankreichs vorbereitet.
Lit.: Fenet, P., Pothier analysé, 1826; Arnaud, A., Les
origines doctrinales, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; König, H., Pothier und das römische Recht, 1971; Zimmermann,
R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG
GA 102 (1985), 168
Potsdam an der
Havel wird 993 urkundlich erwähnt. Das Edikt von P. vom 8. 11. 1685 gewährt
französischen Hugenotten Aufnahme in Preußen. Das Potsdamer Abkommen vom 2. 8.
1945 erfasst Beschlüsse der (zunächst 3) Alliierten über die Zukunft des
besiegten Deutschen Reiches (z. B. Aufteilung in vier Besatzungszonen,
Einsetzung eines Alliierten Kontriollrats als höchste Regierungsgewalt in
Berlin, Abrüstung, Entmilitarisierung, Verurteilung von Kriegsverbrechern,
vorläufige Anerkennung der Oder-Neiße-Linie).
Lit.: Übersicht über die Bestände des brandenburgischen
Landeshauptarchivs Potsdam, Teil 1f., bearb. v. Beck, F. u. a., 1964ff.;
Meissner, B./Veiter, T., Das Potsdamer Abkommen, 1986; Hahn, P., Geschichte
Potsdams, 2003
Pound, Roscoe
(1870-1964) wird nach dem Studium von Botanik und Rechtswissenschaft in Harvard
Anwalt, 1899 Assistant Professor in Nebraska, danach Professor in Nebraska, an
der Northwestern University (1907), Chicago (1909) und in Harvard (1919). Er
ist der führende Vertreter der (engl.) → sociological jurisprudence mit
dem Ziel, das Recht als (engl.) social engineering (gesellschaftliche
Verbesserungstätigkeit) zu verstehen. Ihm zufolge müssen Gesetzgeber wie
Richter stets die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns
beachten.
Lit.: Sayre, P.,
The Life of Roscoe Pound, 1948; Fikentscher, W., Roscoe Pound, FS K. Larenz,
1973, 93
Präambel (F.) Vorspruch
Lit.: Dietze, H., Der Gesetzesvorspruch, 1939; Papenheim,
A., Präambeln in der deutschen Verfassungsgeschichte, Diss. jur. Münster 1998
Practica nova imperialis Saconica rerum
criminalium -
> Carpzov
praebenda (lat. [N.Pl. bzw. später
F.]) Pfründe
Praeceptio Chlotharii II. ist das Kapitular des merowingischen Königs Chlothar II.
(584–629) von etwa 600 (616?, 617?, 586-600), das sich mit Verfahren, Erbe,
Ehe, Ersitzung sowie Kirche befasst.
Lit.: Boretius, A., Capitularia regum Francorum, Bd. 1
1883, Neudruck 1969, 18; Kocher, G., Das Pariser Edikt, 1976; Esders, S.,
Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997
praeceptum (lat. [N.]) Vorschrift
praeda (lat.
[F.]) Beute
Lit.: Redlich, Fritz, De praeda militari, 1956
praefectus (lat. [F.]) Vorgesetzter,
Vorsteher
praefectus (M.) praetorio (lat.) Prätorianerpräfekt, Vorsteher der
Leibgarde des Kaisers
Lit.: Kaser § 87 I 2; Söllner 14, 16,
17; Köbler, DRG 55
praefectus (M.) urbi (lat.) Stadtpräfekt
Lit.: Kaser § 87 I 2, II 2; Söllner §§
14, 17; Köbler, DRG 55
praeiudicium (lat.
[N.]) Vorentscheidung, Vorbescheid
Lit.: Kaser §§ 60 I 4, 83 II 10
praes (lat. [M.])
Bürge
Lit.: Kaser §§ 7 III, 1, 57 II 1
praescriptio (lat.
[F.]) Vorschrift, Vorschreibung
Lit.: Kaser §§ 4 II 2, 25 IV 1, 83 II
12, 87
praeses (lat. [M.])
Vorsitzender
praestare (lat.)
leisten
Lit.: Kaser § 34 I 1; Köbler, DRG 43
praesumptio, praesumtio (lat. [F.]) Vermutung
Lit.: Kaser §§ 84 I 1, 87 II 6; Köbler, DRG 29
praesumptio (F.) Muciana (lat.) → Vermutung des Quintus → Mucius
Scaevola (der in der Ehe anfallende Erwerb stammt vermutlich vom Ehemann [in
Österreich 1978 aufgehoben], Gegenbeweis möglich)
Lit.: Kaser § 59 I 3; Köbler, DRG 29
Praetor (lat. [M.],
Prätor) ist im altrömischen Recht der beim Sturz des Königs 509 v. Chr. diesem
folgende höchste römische Amtsträger, der 367 v. Chr. die Zuständigkeit für die
Streitverfahren errringt(, oder der 367 v. Chr. zur Entlastung der Konsuln
geschaffene Magistrat). 242 v. Chr. wird eine zweite Prätorenstelle geschaffen,
zu der später weitere Provinzpräturen hinzukommen. An der Wende des 2. zum 1.
Jh. v. Chr. werden die Prätoren an die Stadt Rom gebunden. Der P. kann Edikte
verkünden.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 80 II 3; Köbler, DRG 18, 31, 32;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kunkel, W./Wittmann, R.,
Die Magistratur, 1995; Brennan, T., The Praetorship in the Roman Republic, 2000
Praetor (M.) peregrinus (lat.)
ist im klassischen römischen Recht der seit 242 v. Chr. (Eroberung Siziliens)
für Streitigkeiten mit einem Fremden (lat. [M.] peregrinus) zuständige →
praetor.
Lit.: Kaser § 80 II; Söllner §§ 6, 9; Köbler, DRG 32;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Praetor (M.) urbanus (lat.) ist der seit der
Aufteilung der Prätur 242 v. Chr. für Streitigkeiten römischer Bürger
untereinander zuständige → praetor.
Lit.: Kaser § 80 II 3a, 4a; Söllner §§ 6, 9, 15; Köbler, DRG
18, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Präfekt (M.) Vorsteher
Lit.: Eckhardt, K.,
Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163
Präfektur ist der in Anlehnung an den römischen (lat. [M.]) praefectus geschaffene Zuständigkeitsbereich eines Amtsträgers, wobei in der Spätantike das römische Reich in vier Präfekturen mit je einem Prätorianerpräfekten geteilt ist.
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954, 52; Claude, D., Niedergang, Renaissance und Ende der Präfekturverwaltung,
ZRG, GA 114 (1997), 352
Prag an der Moldau
entsteht (als Burg) vermutlich im späten 9. Jh. 973 wird es Sitz eines Bistums,
das Karl IV. 1344 zum Erzbistum erheben lässt. Um 1235 ist die vorstädtische
Zeit abgeschlossen. 1348 richtet Karl IV. in P. eine Universität ein (, aus der
sich 1372 eine eigenständige Rechtsfakultät abspaltet, die 1418 aufgelöst,
1638 neu gegründet und 1654 in die neue Universität eingefügt wird [1784
deutsche statt lateinischer Unterrichtssprache] und aus der 1881/1882 je eine
deutsche Universität und eine böhmische Universität werden). 1918 wird die auch
wegen der beiden Prager Fensterstürze vom 30. 7. 1419 (siebener danach
ermordeter Ratsherren durch Hussiten), 23. 5. 1618 (zweier überlebender kaiserlicher
Statthalter und eines Schreibers durch Protestanten) und 10. 3. 1948
(Außenminister Jan Masaryk, Opfer der Geheimpolizei?) und des Prager Frühlings
(März 1968 durch Alexander Dubček, Reformmaßnahmen durch die Sowjetunion
am 21. 8. 1968 gewaltsam beendet) bekannte Stadt, deren einzelne Teile erst
1781 rechtlich zusammengefasst werden, Hauptstadt der → Tschechoslowakei
bzw. 1993 der Tschechei.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100; Tomek,
W., Geschichte der Stadt Prag, Bd. 1. 1857, Neudruck 1972; Zycha, A., Prag,
1912; Weizsäcker, W., Die Altstadt Prag und das Nürnberger Recht, ZRG GA 60
(1940), 117; Schlüter, O., Prag, 5. A. 1943; Dejiny Prahy, hg. v. Janácek, J.,
1964; Fiala, Z., Die Anfänge Prags, 1967; Seibt, F., Von Prag bis Rostock, FS
W. Schlesinger, Bd. 1 1973, 406; Die Universität zu Prag, 1986; Mezník, J.,
Praha pred husitskou revolucí, 1990; Oberkofler, G., Die Vertreter des
römischen Rechts, 1991; Nebor, L./Rohan, B., Prag, 1993; Fuchs, M., Die Prager
Rechtsfakultät, Monatshefte für osteurop. Recht 1998, 3, 167; Universitäten in
nationaler Konkurrenz, hg. v. Lemberg, H., 2003; Prag, hg. v. Zimmermann, H.,
2007; Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Prägestätte ist der
Ort, an dem eine → Münze hergestellt wird (z. B. für die Deutsche Mark A
Berlin, D München, E Muldenhütten, F Stuttgart, G Karlsruhe, J Hamburg).
Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
pragmatisch,
Adjektiv, tüchtig, sachlich sachbezogen, zielorientiert (z. B. pragmatische
bzw. gemeinsame Angelegenheiten im Ausgleich Österreichs gegenüber Ungarn
1867, auswärtige Angelegenheiten, Kriegswesen und die dafür nötigen Gelder im
Gegensatz zu den dualistischen Angelegenheiten)
Lit.:
Olechowsji-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten, 2001
Pragmatische Sanktion (lat. sanctio [F.] pragmatica) ist allgemein das bedeutende kaiserliche Gesetz. In der pragmatischen Sanktion von Bourges (1438, aufgehoben 1461) führt König Karl VII. von Frankreich Teile der Beschlüsse des Konzils von Basel durch Gesetz in Frankreich ein. 1549 gestaltet Karl V. in einer pragmatischen Sanktion die Erbfolge für das burgundisch-niederländische Erbe. Am 19. 4. 1713 erlässt Karl VI.(1685-1740) auf der Grundlage eines (lat.) pactum (N.) mutuae successionis (Vertrag über die gegenseitige Erbfolge) von 1703 und in Abkehr vom salischen Erbfolgerecht ein Hausgesetz der Habsburger als p. S. (Erklärung über die Vereinheitlichung des habsburgischen Thronfolgerechts) Dieses geht von der Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder aus. Weiter bestimmt es die → Primogenitur im männlichen und hilfsweise weiblichen Stamm und damit den Vorrang der ehelichen Söhne Karls VI. vor den (fehlenden) ehelichen Söhnen Josephs I. 1678-1711) und der ehelichen Töchter des letzten(, ebenfalls ohne männlichen Thronerben versterbenden) Throninhabers (Karls VI.) vor den ehelichen Töchtern Josephs I. Seit 1720 wird die p. S. den Ständen der habsburgischen Länder (zuletzt 1723 Ungarn), danach europäischen Staaten und 1732 dem Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zur Billigung vorgelegt. Sie wirkt sich 1740 wegen Fehlens männlicher Erben zu Gunsten Karls VI. 1720 geborener ältester ehelicher Tochter Maria Theresia aus, deren Erbrecht aber von Bayern und Sachsen bestritten wird (österreichischer Erbfolgekrieg). Ihre 1748 allgemein anerkannte Geltung endet 1918.
Lit.: Köbler, DRG 131; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Sanctio
pragmatica, ZRG RA 25 (1904), 51; Valois, N., Histoire de la Pragmatique
Sanction de Bourges, 1906; Die pragmatische Sanktion, hg. v. Turba, G., 1913;
Michael, W., Das Original der pragmatischen Sanktion Karls VI., 1929 (SB Wien);
Schönbauer, E., Die pragmatische Sanktion, Forschungen und Fortschritte 35
(1961), 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1979;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PragSankt1713.htm
Präjudiz ist das
Vorurteil oder die Vorentscheidung. Insbesondere in einem richterlichen
Fallrecht (z. B. England) ist das P. außerordentlich bedeutsam ([lat.] stare
decisis, bei Entschiedenem bleiben). In der Rechtswirklichkeit halten sich
aber auch sonst Untergerichte regelmäßig an die vorliegenden Entscheidungen von
Obergerichten.
Lit.: Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956, 73ff.; Cross,
R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Dawson, J., The Oracles of Law, 1968;
Schlüter, W., Das obiter dictum, 1973; Weller, H., Die Bedeutung der
Präjudizien, 1979
Prälat ist im
katholischen Kirchenrecht der hohe kirchliche Amtsträger, der kraft seines
Amtes Leitungsgewalt hat oder aus anderen Gründen den Titel P. ehrenhalber
führt (z. B. Erzbischof, Bischof, Abt). Der P. zählt im Heiligen Römischen
Reich teilweise zu Kurfürsten und Reichsfürsten, in den Ländern zu den
Landständen (Äbte, Pröpste, selten Bischöfe).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 149; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Aulinger, R., Das Bild des Reichstages
im 16. Jahrhundert, 1980, 106
Prälatenbank ist im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das Kollegium der nichtfürstlichen
Geistlichen im Reichstag und Kreistag und die Gesamtheit der Geistlichkeit im
Landtag.
Lit.: Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches
deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968
Prälegat
Lit.: Wimmer, M., Das Prälegat, 2004
Prämonstratenser ist der Angehörige des von Norbert von Xanten in Prémontré bei Laon 1120 begründeten → Ordens, der 1122 in Cappenberg seine erste deutsche Niederlassung errichtet.
Lit.: Winter, F., Die Praemonstratenser, 1865; Grassl, B.,
Der Praemonstratenserorden, 1934; Horstkötter, L., Der heilige Norbert und die
Praemonstratenser, 1974; Gehle, B., Die Praemonstratenser in Köln, 1978;
Backmund, N., Geschichte des Prämonstratenserordens, 1986; Penth, S.,
Prämonstratenser und Staufer, 2003; Studien zum Prämonstratenserorden, hg. v.
Crusaius, I. u. a., 2003
Pranger ist im
Spätmittelalter und in der Frühneuzeit eine Einrichtung (z. B. Halseisen,
Schandpfahl), mit deren Hilfe ein Mensch wegen eines Verstoßes öffentlich zur
Schau gestellt werden kann (Ehrenstrafe). Der P. ist seit dem 13. Jh. unter
verschiedenen Namen und in verschiedenen Formen bezeugt. Vielleicht stammt er
aus dem kirchlichen Bereich. Verwendet wird er bei Friedensbruch, (kleinem)
Diebstahl, Betrug, Lästerung, Unzucht, Beleidigung, falschem Maß und Gewicht
usw.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119; Wielandt, F.,
Pranger und Prangerstrafe in Konstanz, ZRG GA 54 (1934), 253; Bader-Weiß,
G./Bader, K., Der Pranger, 1935; Hefele, F., Vom Pranger, Schau-ins-Land 62
(1935), 56; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Horna, R., Pranýř,
1941 (tschechisch); Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1946;
Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949; Carlen, L., Der
Pranger im Wallis, ZRG GA 73 (1956), 396; Horna, R., Der Pranger in der
Tschechoslowakei, 1965; Maisel, W., Der Pranger in Posen, ZRG GA 93 (1976),
340; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Prärogative (F.) Vorrecht (z. B. des Monarchen in der konstitutionellen
Monarchie Einberufung des Parlaments, Auflösung des Parlaments, Ernennung eines
Ministers, Entlassung eines Ministers, Begnadigung)
Präsentationsrecht ist das Recht, einen Kandidaten für ein Amt vorzuschlagen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
präsidentiell (Adj.) den Präsidenten
betreffend (z. B. präsidentielle Demokratie in frn Vereinigten Staaten von Amerika
oder in Frankreich)
Präsidialsystem ist das politische System, in dem ein Präsident die wesentlichen Entscheidungen trifft, wobei er sich auch eines Präsidialkabinetts oder einer Präsidialregierung bedienen kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gessner, D., Agrardepression und
Präsidialregierung in Deutschland 1930-1933, 1978
Pratobevera, Carl
Joseph (Bielitz/Schlesien 17. 2.
1769-Wien 6. 12. 1853) wirkt am Strafgesetzbuch Österreichs von 1803 (Revision)
und am Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (Endredaktion) mit und gibt von 1815
bis 1824 die Materialien für Gesetzkunde und Rechtspflege
heraus.
Lit.: Ein österreichischer Jurist im Vormärz, hg. v.
Neschwara, C., 2009
Prätor → praetor
Prävention (F.)
Zuvorkommen, Verhütung
Precaria (lat.
[F.]) ist im Frühmittelalter die Leihe von Grundstücken. Sie gewährt dem
Leihenehmer ein Nutzungsrecht und dem Leihegeber eine Gegenleistung (Abgabe,
Dienst). Sie kann frei widerruflich, auf Zeit vereinbart oder vererblich sein.
Das Leihegut kann vom Leihenehmer stammen (sog. precaria oblata), vom
Leihegeber (sog. precaria data) oder zu je einem Teil von beiden (sog. precaria
remuneratoria). Ein Zusammenhang mit dem (lat. [N.]) → precarium ist
unsicher.
Lit.: Hübner 348; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Haff,
K., Die königlichen Prekarien im Capitulare Ambrosianum, ZRG GA 33 (1912), 453;
Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948),
1; Voltelini, H., Precaria und Benefizium, VSWG 16 (1922), 259
precaria (F.) data (lat.) gegebene →
precaria
precaria (F.) oblata (lat.) empfangene →
precaria
precaria (F.) remuneratoria (lat.) belohnte →
precaria
precario ([lat.] durch Bittleihe) → Interdikt
Precarium (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die Bittleihe. Das p. betrifft die Leihe einer
beweglichen oder unbeweglichen Sache zu Gebrauch oder Nutzung unter der
Möglichkeit des jederzeitigen freien Widerrufs des Gebers. Dritten gegenüber
ist der Empfänger durch ein Interdikt geschützt. Das p. ist grundsätzlich
unentgeltlich. Ein Zusammenhang mit der (lat. [F.]) → precaria ist
unsicher.
Lit.: Kaser §§ 19 II 2, 19 IV 2, 39 II, 42 II 6; Köbler,
DRG 40, 63, 64; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 264; Kaser, M., Zur
Geschichte des precarium, ZRG RA 89 (1972), 45
Preis ist der
Gegenwert für die Erlangung einer Leistung, insbesondere für den Verkauf einer
Ware, der nach (bereits seit Plato) umstrittener Ansicht auch gerechter P. sein
soll. → iustum pretium
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
240; Crebert, H., Künstliche Preissteigerung durch Für- und Aufkauf, 1916;
Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis, FS G. Küchenhoff, 1967, 247;
Welti, M., Der gerechte Preis, ZRG GA 113 (1996), 424; Gerhard, H./Engel, A.,
Preisgeschichte der vorindustriellen Zeit, 2006
Preisbindung ist
die Bindung der Verkäufer bestimmter Waren an einheitliche Festpreise. Sie wird
in verschiedenen Zeiten versucht (Spätantike, Spätmittelalter, Merkantilismus, 20.
Jh. [10. 4. 1948]). Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27.
7. 1957 erlaubt die vertikale Preisbindung für Markenartikel,
Verlagserzeugnisse und landwirtschaftliche Erzeugnis. 1973 wird sie
grundsätzlich aufgegeben, für Bücher aber beibehalten.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Kelter, E., Die obrigkeitliche Preisregelung, 1935; Bog, I., Der
Reichsmerkantilismus, 1959; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1 1971, 486
Premis (Bremse) ist
die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld um 1350 deutsch
verfasste, handschriftlich seit 1408 (in sechs Handschriften 1483) belegte
kurze Anweisung, wie man vor Gericht den Gegner zu eindeutigen Erklärungen
veranlassen kann (12 Zeilen Vorrede, 39 Zeilen Text). → Cautela
Lit.: Oppitz, K., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 66
Premysl → Przemyslide
Presbyter (Älterer)
ist in den Anfängen des Christentums der Angehörige eines kollegialen
Gemeindeleitungsorganes. Später setzt sich der Bischof als Erstverantwortlicher
durch, doch bilden Bischof und P. (→ Priester) gemeinsam ein
Presbyterium. Die Weihe zum P. ist eine besondere kirchenrechtliche Handlung.
In der protestantischen Kirche ist P. ein von der Gemeinde in den
Gemeindekirchenrat gewählter Vertreter.
Lit.: Campenhausen, H. v., Kirchliches Amt, 2. A. 1963;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5.
A. 1983
Pressburg (Bratislava),
nördlich von Wien, wird nach der Neugründung um die Jahrtausendwende von →
Bayern besiedelt. Nach der 1217 erfolgten Verleihung des Stadtrechts wird es
1405 Freistadt Ungarns. Etwa zu dieser Zeit entwickelt sich ein besonderes
Grund- und Satzbuch in P. (1439). Zwischen 1467 und 1471 hat P. eine
juristische Fakultät an der 1467 bis 1490 bestehenden, danach wegen fehlender
materieller Grundlagen verfallenden Universität. Von 1526 bis 1784 ist P.
Hauptstadt des habsburgischen Ungarn. Am 26. 12. 1805 verliert Österreich im
Frieden von P. für kurze Zeit große Gebiete. 1918 fällt P. an die
Tschechoslowakei. 1919 wird P. Sitz einer Universität, 1993 Hauptstadt der
Slowakei, mit der es 2004 in die Europäische Union gelangt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kovats, F., Pressburger
Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45, 40 (1919), 70; Oer, R. Freiin v., Der
Friede von Pressburg, 1965; Städte im Donauraum, hg. v. Marsina, R., 1993
Presse ist seit dem
Anfang des 16. Jh.s die Druckmaschine und dem folgend seit der Mitte des 16.
Jh.s die Gesamtheit der zur Verbreitung geeigneten und bestimmten
Druckerzeugnisse (1650 Leipziger Einkommende Zeitungen sechsmal wöchentlich).
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 899; Groth,
O., Die unerkannte Kulturmacht, Bd. 1ff. 1960ff.; Rohls, J., Der Begriff der
Presse, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Eisenhardt, U., Die kaiserliche
Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Eisenhardt, U., Der
Deutsche Bund und das badische Pressegesetz von 1832, Gedächtnisschrift H.
Conrad, 1980; Fischer, H., Handbuch der politischen Presse in Deutschland,
1981; Knüpfer, V., Presse und Liberalismus in Sachsen, 1996; Kurzweg, M.,
Presse zwischen Staat und Gesellschaft, 1999; Stöber, R., Deutsche Pressegeschichte,
2000; Pressewesen der Aufklärung, hg. v. Doering-Manteuffel, S. u. a., 2001;
Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Unter Druck
gesetzt, hg. v. Wilke, J., 2002
Pressefreiheit ist
die Freiheit der Verbreitung von Meinungen, Nachrichten, Mitteilungen und sonstigem
Gedankengut durch Druckerzeugnisse. Ihr geht die von der Kirche nach
Erfindung des Buchdrucks (in Mainz 1485 und) allgemein 1487 den Bischöfen
übertragene Vorzensur voraus, in deren Gefolge es der Reichstag des Heiligen
Römischen Reiches (deutscher Nation) den Reichsfürsten 1530 zur Pflicht macht,
den Druck und die Verbreitung von Neuem in Sachen des Glaubens zu verhindern.
Demgegenüber beseitigt England 1695 die → Zensur (Licensing Act von
1662). Am 14. 9. 1770 verfügt König Christian VII. von Dänemark (auch) für
Schleswig und Holstein eine uneingeschränkte Freiheit der Presse. 1774 ist das
Wort in Deutschland erstmals belegt (Preßfreiheit). 1776 verlangen die Virginia
Bill of Rights und 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich,
einige deutsche Landesverfassungen (Nassau 1814, Sachsen-Weimar-Eisenach 1816,
Bayern 1818) und 1848 die Frankfurter Paulskirchenverfassung P. (Pressfreiheit).
Seitdem wird die P. durch politische Beeinflussung und mehrfach durch Gesetz
eingeschränkt (z. B. Österreich 1852-1867, Deutsches Reich 1933-1945).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 193; Krempel, O.
Das Zensurrecht, Diss. jur. Würzburg 1921; Scheuner, U., Pressefreiheit, 1965;
Czajka, D., Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, 1968;
Eisenhardt, U., Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, Der
Staat 10 (1971), 339; Schwab, D., Pressefreiheit als Menschenrecht, FS W.
Mallmann, 1978, 245; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und
Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981, 205; Kaller, P., Druckprivileg und
Urheberrecht, 1992; Mann, R., Die Garantie der Pressefreiheit, 1993;
Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Wilke, J.,
Die Entdeckung von Meinungs- und Pressefreiheit als Menschenrechte im
Deutschland des späten 18. Jahrhunderts (in) Naturrecht – Spätaufklärung –
Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995, 121; Westerkamp, D., Pressefreiheit
und Zensur im Sachsen des Vormärz, Diss. jur. Hagen 1999; Blumenauer, E., Journalismus
zwischen Pressefreiheit und Zensur, 2000; Spiegel, S., Pressepolitik und
Presspolizei in Bayern, 2001; Rumphorst, R., Journalisten und Richter, 2001;
Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003; Olechowski,
T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004; Mussgnug, D.,
Zur Diskussion über Preßfreyheit und Menschenrecht am Ende des 18.
Jahrhunderts, ZNR 2008, 20
Presserecht ist die
Gesamtheit der die → Presse betreffenden Rechtssätze. Damit beginnt das
P. in der Kirche bereits seit 1485, im Heiligen Römischen Reich (deutscher
Nation) mit einem Edikt Karls V. von 1521. Mit dem 18. Jh. verlagert sich das
Schwergewicht von den religiösen Schriften auf die politischen Schriften (z. B.
1715). Allerdings ist das P. partikular unterschiedlich. Einheitlich bleibt es
aber bis 1848 im Großen und Ganzen bei einem Pressepolizeirecht. Eine
freiheitliche Regelung bringt erst das Pressegesetz Badens vom 28. 12. 1831
(bis 5. 7. 1832) und 1. 3. 1848 bzw. 10. 4. 1849, in dem jede Zensur beseitigt
ist. Am 17. 5. 1874 schafft das Deutsche Reich ein einheitliches
Reichspressgesetz, das seit 1949 durch Landespressegesetze ersetzt wird.
Lit.: Mannheim, H., Preßrecht, 1927; Löffler, M./Ricker,
R., Handbuch des Presserechts, 1978; Dunkhase, D., Das Pressegeheimnis, 1998;
Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004
pretium (lat. [N.])
Preis, → iustum p.
Preuß, Hugo (Berlin
28. 10. 1860-9. 10. 1925), wohlhabender Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg Privatgelehrter und Politiker, 1906
Professor an der Handelshochschule in Berlin. 1918 beruft ihn der die Geschäfte
des Reichskanzlers ausführende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei
(Ebert) als Innenminister und beauftragt ihn mit dem Entwurf einer →
Verfassung. Im Landtag Preußens vertritt P. die DDP.
Lit.: Köbler, DRG 227, 230; Schmoller, G., W. Rathenau und
H. Preuß, 1920; Feder, E., Hugo Preuß, 1926; Schmitt, C., Hugo Preuß, 1930;
Gillessen, G., Hugo Preuß, 1955, Neudruck 2000; Grassmann, S., Hugo Preuß und
die deutsche Selbstverwaltung, 1965; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.
v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 428; Faatz, A., Hugo Preuß, Diss. jur. Trier
1999; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002; Preuß, H.,
Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 2006ff.
Preußen ist
zunächst das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet
zwischen Weichselmündung und Memelmündung. Über den die → Ostsiedlung
betreibenden → Deutschen Orden gelangt P., dessen Gewohnheitsrecht (lat.
Jura Prutenorum) ein Unbekannter um 1340 auf Deutsch aufzeichnet und das nach
Übergang zur Reformation am 8. 4. 1525 zum weltlichen Herzogtum (unter
Lehnshoheit Polens [bis 1660]) wird, 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1620
erhält es auf Grund eines Entwurfes des Königsberger Professors Levin Buchius’
ein vereinheitlichtes Landrecht. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land
der Kurfürsten von Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs P., in dem der
Kurfürst sich selbst zum König in P. krönt (1772 König von P.). Im 18. Jh. wird
P. vor allem unter Friedrich dem Großen europäische Großmacht. (1772, 1793,
1795 Gewinne aus den Teilungen Polens) 1794 kodifiziert (dieses vor allem
Brandenburg fortsetzende) P. sein Recht im → Allgemeinen Landrecht. 1807
verliert das mit dem Ende des Heiligen römischen Reiches (1806) selbständig
werdende P. nach Niederlagen gegen Frankreich im Frieden von Tilsit mehr als
die Hälfte seines Gebiets und beginnt daraufhin mit Reformen in zahlreichen
Bereichen (Stein-Herdenbergsche Reformen). 1815 wird es im früheren Umfang
wiederhergestellt. Im 19. Jh. ringt es mit Österreich im → Deutschen
Bund um den Vorrang. Von 1859 bis 1866 durchläuft es im Streit um eine
Heeresreform einen Verfassungskonflikt umd die Billigung des Haushalts durch
das Abgeornetenhaus, in dem sich Otto von Bismarck als Ministerpräsident
durchsetzt (1866 Billigung der Indemnitätsvorlage).. 1866 siegt Preußen gegen
(Österreich und) den Deutschen Bund militärisch. 1867 gründet es nach dem
dadurch herbeigeführten Ende des Deutschen Bundes (1866) und einigen Annexionen
gegnerischer Staaten den → Norddeutschen Bund, dem 1871 nach dem Sieg
über Frankreich das zweite → Deutsche Reich folgt. In ihm hat P. eine
beherrschende Stellung (rund zwei Drittel des Staatsgebiets und etwa drei
Fünftel der Bevölkerung). 1920 wird es Freistaat. Am 20. 7. 1932 setzt die
Regierung des Deutschen Reiches die Regierung Preußens ab (Preußenschlag)
und stellt P. unter kommissarische Verwaltung. Mit Gesetz Nr. 46 des Alliierten
Kontrollrates vom 25. 2. 1947 wird es wegen seiner durch die beiden Weltkriege
bezeugten Gefährlichkeit unter Aufteilung seiner Gebiete auf zum Teil neue
Länder (z. B. Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen) als Staat aufgelöst.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 93, 131, 132, 140,
149, 155, 169, 170, 171, 172, 186, 193, 206, 211, 232, 245, 256; Voigt, J.,
Geschichte Preußens, 1827ff., Neudruck 1968; Codex diplomaticus Prussicus, Bd.
1ff., 1826ff.; Ranke, L. v., Zwölf Bücher preußischer Geschichte, 2. A.
1874ff.; Neues preußisches Urkundenbuch, 1882ff.; Bornhak, C., Preußische
Staats- und Rechtsgeschichte, 1903, Neudruck 1979; Die preußischen
Landeskulturgesetze, hg. v. Nobiling, 1901; Tümpel, L., Die Entstehung des
brandenburgisch-preußischen Einheitsstaates, 1915; Hintze, O., Die Hohenzollern
und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Giese, F., Preußische Rechtsgeschichte,
1920; Koch, W., Hof- und Regierungsverfassung König Friedrichs I. von Preußen
(1697-1710), 1926; Schmidt, E., Rechtsentwicklung in Preußen, 2. A. 1929,
Neudruck 1961; Die Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und
Hardenberg, Teil 1, hg. v. Winter, G., 1931; Kahlstorf, E., Rechtsgeschichte
der Marienburger Werder, Diss. jur. Würzburg 1935; Ruppel-Kuhfuß, E., Das
Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Mortensen,
H./Mortensen, G., Die Besiedlung des nordöstlichen Ostpreußens, Bd. 1f. 1937f.;
Weise, E., Die Staatsverträge des deutschen Ordens in Preußen im 15.
Jahrhundert, Bd. 1 1939; Kaminski, K., Verfassung und Verfassungskonflikt in
Preußen 1862-1866, 1938; Hintze, O., Regierung und Verwaltung, 1943, 2. A.
1967; Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen
(1804-1918), 1955; Bussenius, C., Die preußische Verwaltung in Süd- und
Neuostpreußen, 1960; Urkunden und Akten zur Geschichte der preußischen
Verwaltung in Südpreußen und Neuostpreußen 1793-1806, hg. v. Hubatsch, W.,
1961; Matuszewski, J., Jura Prutenorum, 1963; Koselleck, R., Preußen zwischen
Reform und Revolution, 1967; Schoeps, H., Preußen, 8. A. 1968;
Historisch-gographischer Atlas des Preußenlandes, hg. v. Mortensen, H. u. a.,
Lieferung 1ff. 1968ff.; Eimers, E., Das Verhältnis von Preußen und Reich in den
ersten Jahren der Weimarer Republik, 1969; Der Verfassungskonflikt in Preußen
1862-1866, hg. v. Schlumbohm, J., 1970; Hülle, W., Das
Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971; Hubatsch, W., Friedrich der Große
und die preußische Verwaltung, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,2,1491,2645, 3,3,2880,3687; Die Denkwürdigkeiten des Burggrafen und
Grafen Christoph zu Dohna (1665-1733), 1974; Grundriss der deutschen
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., 1975ff.; Hubatsch, W., Die
stein-hardenbergischen Reformen, 1977; Schulze, R., Die Polizeigesetzgebung,
1978; Schubert, W., Preußens Pläne zur Vereinheitlichung des Zivilrechts nach
der Reichsgründung, ZRG GA 96 (1979), 243; Krimpenfort, W., Der Grundbesitz der
Landstädte des Herzogtums Preußen, 1979; Vetter, Klaus, Kurmärkischer Adel und
preußische Reformen, 1979; Schmidt, E., Beiträge zur Geschichte des preußischen
Rechtsstaates, hg. v. Merten, D. u. a., 1980; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit
1875-1914, 1980; Thadden, R. v., Fragen an Preußen, 1981; Litewski, W.,
Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1980ff.; Quellen zur
preußischen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schubert, W./Regge, J.,
Bd. 1ff. 1981ff.; Hubatsch, W., Grundlinien preußischer Geschichte, 1983;
Grünert, E., Die preußische Bau- und Finanzdirektion in Berlin, 1983; Paukert,
H., Preußische Verwaltung und katholische Hierarchie in den Rheinprovinzen zur
Zeit der Restauration, 1983; Peter von Dusburg, Chronik des Preußenlandes,
übersetzt und erläutert v. Scholz, K. u. a., 1984; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit
und Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der
preußischen Agrarreformen, 1985; Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, hg.
v. Schwabe, K., 1985; Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Landwehr, G.,
Staatszweck und Staatstätigkeit in Preußen, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249; Schubert, W., Preußen und die
Zivilehe in der Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Salmonowicz, S., Preußen
aus polnischer Sicht, 1987; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988;
Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1867-1918, bearb.
v. Mann, B., 1988; Anderson, M., Windthorst, 1988; Aschoff, H.,
Rechtsstaatlichkeit und Emanzipation, 1988; Das nachfriderizianische Preußen
1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Willoweit, D. War das Königreich
Preußen ein Rechtsstaat?, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft in einer politischen
Gesellschaft, 1989; Paravicini, W., Die Preußenreisen des europäischen Adels,
1989; Real, W., Karl Friedrich von Savigny 1814-1875, 1990; Die
Mittwochs-Gesellschaft im Kaiserreich, hg. v. Besier, G., 1990; Sellert, W.,
Ludwig Windthorst als Jurist, 1991; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates
Preußen, 1992; Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992;
Kühne, T., Handbuch der Wahlem, 1994; Jelowik, L., … verlange ich von seiner
Majestät dem König, ZRG GA 111 (1994), 422, Haunfelder, B., Biographisches
Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867, 1994 (1917
Abgeordnete); Beck, C., The Origins of the Authoritarian Welfare State in
Prussia, 1996; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Preußen und das
Reichsgericht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1998; Ebel, F., „Der papierne Wisch“,
1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998;
Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel
(1707-1848), 1998; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999; Die Protokolle des
preußischen Staatsministeriums 1817-1934/1938, Bd. 1ff. 1999ff.; Ohlff, H.,
Preußens Könige, 1999; Preußens Herrscher, hg. v. Kroll, F., 2000; Kroll, F.,
Das geistige Preußen, 2000; Preußen, hg. v. Schoeps, J., 2000; Preisendörfer,
B., Staatsbildung als Königskunst, 2000; Bahl, P., Der Hof des großen
Kurfürsten, 2000; Krockow, C. Graf v., Preußen, 2001; Straub, E., Eine kleine
Geschichte Preußens, 2001; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2001; Vondenhoff,
C., Hegemonie und Gleichgewicht im Bundesstaat, 2001; Preußens Weg in die
politische Moderne, hg. v. Holtz, B. u. a., 2001; Preußische Stile, hg. v.
Bahners, Patrick, 2001; Bringmann, W., Preußen unter Friedrich Wilhelm II.,
2001; Neugebauer, W., Geschichte Preußens, 2002; Kunisch, J., Friedrich der
Große und die preußische Königskrönung von 1701, 2002; Die preußische
Rangerhöhung und Königskrönung 1701, hg. v. Barmeyer, H., 2002; Päsler, R.,
Deutschsprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500, 2003; Dierk, W.,
Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003; Kittstein, L., Politik im Zeitalter
der Revolution, 2003; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Kotulla,
M., Das konstitutionelle Verfassungswerk Preußens, 2003; Preußen in
Ostmitteleuropa, hg. v. Weber, Matthias, 2003; Neugebauer, W., Geschichte
Preußens, 2004; Vom Kurfürstentum zum Königreich der Landstriche, hg. v.
Lottes, G., 2004; Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils, hg.
v. Beckmann, S. u. a., 2005; Haas, S., Die Kultur der Verwaltung, 2005; Wagner,
P., Bauern, Junker und Beamte, 2005; Preußens Herrscher, hg. v. Kroll, F.,
2006; Das Thema Preußen in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik des 19. und
20. Jahrhunderts, hg. v. Neugebauer, W., 2006; Schleyer, B., Friedrich Wilhelm
Bornemann (1798-1864), 2006; Gärtner, F., Joachim Georg Darjes und die
preußische Gesetzesreform, 2007; Manten, G., Das Notbischofsrecht der
preußischen Könige und die preußische Landeskirche, 2007; Gerhardt, J., Der
erste vereinigte Landtag in Preußen, 2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit
in Preußen, 2007; Ein Staatsstreich?, red. Weiduschat, G., 2007; Ribhegge, W.,
Preußen im Westen, 2008; Stalmann, V., Linksliberalismus in Preußen, 2008;
Krise, Reformen - und Finanzen, hg. v. Kloosterhuis, J. u. a., 2008; Grypa, D.,
Der diplomatische Dienst des Königreichs Preußen (1815-1866), 2008; Das
preußische Kultusministerium, Bd. 1f. 2009; Straubel, R., Biographisches
Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15, 2009;
Baumgart, P., Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F.,
2009
Priester ist
allgemein der mit der Vornahme kultischer Handlungen besonders betraute Mensch.
→ Presbyter
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 14; Schröder, R.,
Gesetzessprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen,
Bd. 1f. 9. A. 1980; Köbler, G., Ewart. Ein Beitrag zur Lehre vom
altgermanischen Priesteramt, ZRG KA 89 (1972), 306; Zollitsch, R., Amt und
Funktion des Priesters, 1974; Godding, R., Prêtres en Gaule mérovingienne,
2001; Stepper, R., Augustus et sacerdos, 2003; Rüpke, J., Römische Priester in
der Antike, 2007; Gußmann, O., Das Priesterverständnis des Flavius Josephus,
2008
Priesterweihe ist
im katholischen Kirchenrecht das Sakrament, in dem in einer rituellen Handlung
der Bischof einem Menschen den Heiligen Geist und die Befähigung zur Vornahme
heiliger Handlungen (amtliche Verkündigung des Wortes Gottes, Spendung von
Sakramenten, unterstützende Leitung des Volk Gottes) vermittelt. Die P. kann
nur einem Mann gespendet werden, der dafür geeignet, befähigt und vorgebildet
ist, vorher die Diakonatsweihe erhalten hat und sich zu einem ehelosen Leben
verpflichtet. Die P. unterscheidet den Amtsträger wesentlich vom einfachen
Gläubigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hinschius, P., System des
katholischen Kirchenrechts, Bd. 1 1869, 1; Müller, H., Zum Verhältnis zwischen
Episkopat und Presbyterat, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Primas (Oberbischof)
ist der hervorragende Bischof (z. B. Karthago 4. Jh., Thessaloniki, Arles 5.
Jh., Toledo, Pisa, Canterbury, York, St. Andrews, Armagh, Reims, Rouen, Lyon,
Narbonne, Bourges, Vienne, Lund, Gnesen, Gran, Prag, Mainz, Trier, Köln,
Hamburg, Bremen, Magdeburg, Salzburg, Tarragona, Mecheln, Warschau 19. Jh.),
seit 1971 nur noch der Papst.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Primogenitur (Erstgeburt,
Erstgeburtsrecht) (Ansätze in Flandern, Brabant, Savoyen 1252, Henneberg 1310,
Hessen 1311, Katzenelnbogen 1331, Bayern 1341, Holland 1347, Braunschweig 1351,
Goldene Bulle für Kurfürstentümer 1356, Württemberg 1361, Lippe 1368, Hanau
1375, Baden 1380)
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Der
dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982
Princeps (lat.
[M.]) ist im klassischen römischen Recht der von Augustus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.) angenommene Titel und im germanisch-deutschen Bereich der Erste, Große
oder Fürst.
Lit.: Söllner § 14; Köbler, DRG 29, 30, 69, 71, 83, 311;
Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Koller, H., Die Bedeutung des Titels
„princeps“ in der Reichskanzlei, MIÖG 68 (1960), 75; Bleicken, J., Prinzipat
und Dominat, 1978
Princeps legibus solutus est
(lat.) ist die lateinische Formulierung des Satzes, dass der Fürst nicht an die
Gesetze gebunden ist. In Rom gibt es eine Freistellung von Gesetzen bereits in
vorchristlicher Zeit. In Digesten 1. 3. 31 wird die auf Ulpian zurückgeführte
Formel princeps legibus solutus (der Prinzeps selbst ist nicht an die [von ihm
al Augustus geschaffene] Ehegesetzgebung gebunden) aus dem Sachzusammenhang
gelöst von Justinian übernommen. Kaiser Friedrich II. greift hierauf 1245
wieder zurück. Dem folgen Rudolf von Habsburg 1282 oder der König von
Frankreich, so dass → Baldus den König im Königreich dem Kaiser
gleichstellen kann. In der frühen Neuzeit ist die Bedeutung umstritten. Teils
hält man im Anschluss an Jean → Bodin (1576) an der Formel fest, teils
schwächt sich ihre Geltungskraft unter dem Einfluss von Jacques Cujas und
danach der Aufklärung ab. Im 19. Jh. wird der Herrscher an die Gesetze gebunden
(Bayern 1818, Württemberg 1819, Preußen 1850).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wyduckel, D., Princeps legibus
solutus, 1979; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Vespasian,
69-79, Ulpian, um 170-223, Digesten 1, 3, 31)
Prinz (M.) Fürstensohn, Prinz, Fürst
Prinzeps →
princeps, Prinzipat
Prinzgemahl
Lit.: Rassow, P., Der Prinzgemahl, 1950
Prinzipalkommissar ist
im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der seit dem 15. Jh.
erscheinende Vertreter des Kaisers auf dem Reichstag seit der Einrichtung des
immerwährenden (ständig tagenden) Reichstages in Regensburg (1663).
Lit.: Moser, J., Deutsches Staatsrecht,
Bd. 44 1751, 145; Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro romano impero, Bd. 2
1959, 9
Prinzipat ist im
römischen Recht die Herrschaft des (lat.) princeps (Ersten, Augustus 27 v.
Chr.-14 n. Chr.) vom Ende der Republik bis zum allmählichen Übergang zum
Dominat im dritten Jahrhundert.
Lit.: Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§
25ff.; Köbler, DRG 32; Schönbauer, E., Wesen und Ursprung des römischen
Prinzipats, ZRG RA 47 (1927), 264; Kornemann, Doppelprinzipat und
Reichsteilung, 1930; Nörr, D., Imperium und Polis, 2. A. 1969; Volkmann, H.,
Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Prinzipat und Kultur,
hg. v. Kühnert, B. u. a., 1995
Prinzregent ist der
regierende → Prinz.
Lit.: Schamari, H., Kirche und Staat,
Bd. 1f. 1983
Prior (M.)
Stellvertreter, Abt
Prior tempore potior iure
(lat.). Wer zuerst kommt, hat das bessere Recht.
Lit.: Kaser § 31 III 3; Wacke, A., Wer zuerst kommt, mahlt
zuerst, JA 1981, 94; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Priorität (F.) zeitliche
Abfolge und Beachtung der zeitlichen Abfolge für die Stellung einevon mehreren Rechten
(z. B. Grundsatz im Grundbuchrecht)
Prise
Lit.: Böhringer, K.,
Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main 1970
Pristavel (M.) slawischer Ortsvorsteher, Fischereiaufseher (1375-1907)
Lit.: Vogel, W., Der Verbleib der wendischen Bevölkerung,
1960, 83
Pritzwalk
Lit.: Urkunden der
Stadt Pritzwalk in Regesten (1256-1703), hg. v. Neitmann, K., 2007
privat,
Adj., besondere im Gegensatz zu allgemein, öffentlich, staatlich
Privatautonomie ist der Grundsatz, dass der Einzelne berechtigt ist, seine Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich zu gestalten. Die P. ist der Ausgangspunkt menschlichen Lebens. Sie wird mit zunehmender Verstaatlichung eingeschränkt und deswegen in der Aufklärung als allgemeiner Grundsatz (lat. autonomia [F.] privata) hervorgehoben und vom Liberalismus betont. Im römischen Recht ist demgegenüber die Vertragsfreiheit durch die Typengebundenheit der Klagansprüche eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 214, 270; Püls, J.,
Parteiautonomie, 1995
Privatfürstenrecht ist
das den Fürsten als Privatperson betreffende Recht, das nach älteren Ansätzen
bei Grotius und Pufendorf im 18. Jh. als eigenes Rechtsgebiet erkannt wird. Es
betrifft sachlich vor allem Erbrecht (z. B. Promogenitur) und Familienrecht (z.
B. Familienfideikommiss), persönlich nach 1806 die Standesherren. Es endet in
Deutschland mit dem Übergang zur Republik (Art. 109 II WRV).
Lit.: Struve, B., Jurisprudentiae
heroicae, Bd. 1ff. 1743ff.; Mayer, C., Allgemeine Einleitung ins
Privatfürstenrecht, 1783; Rehm, H., Modernes Fürstenrecht, 1904; Albers, B.,
Begriff und Wirklichkeit des Privatfürstenrechts, 2001; Mizia, R., Der
Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995;
Gottwald, D., Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009
Privatgerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit im grundherrschaftlichen Hofgericht, Märkerding,
Niedergericht und Patrimonialgericht. Sie endet spätestens 1877/1879.
Privatrecht ist die
Gesamtheit aller Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter nicht
ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt in seiner Eigenschaft als solcher
ist. Ein (lat.) → ius (N.) privatum (privates Recht) unterscheidet
bereits das römische Recht. Zu einer Herausbildung eines besonderen (lat.) ius
(N.) publicum (öffentlichen Rechts) kommt es danach erst seit dem 16. Jh. Eine
grundsätzliche Trennung zwischen öffentlichem Recht und P. erfolgt im 18. und
19. Jh. Sachlich zählen zum P. Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht,
Erbrecht und Familienrecht sowie Handelsrecht und (teilweise) Arbeitsrecht.
Geprägt ist das P. besonders durch die Aufnahme römischen Rechtes seit dem
Spätmittelalter.
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG
2; Köbler, DRG 1, 8, 54, 159, 184, 189; Eichhorn, H., Einleitung in das
deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Hedemann, J., Die Fortschritte des
Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1910ff., Neudruck 1963; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Das
Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Wilhelm, W., Zur
juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Kaser, M., Römisches
Privatrecht, 1960; Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 19. A. 2008;
Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1
(1967), 195; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff.; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19.
Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Steindl, H., Zur Genese
des Privatrechts als „allgemeinem Wirtschaftsrecht“, (in) FG H. Coing, 1982,
349; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wesenberg,
G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Godding,
P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e
siècle, 1987; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 10.
A. 2005; Schröder, J., Privatrecht und öffentliches Recht, FS J. Gernhuber,
1993, 961; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung und Rechtswissenschaft, 1997;
Auf dem Wege zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a.,
1997; Wolf, W., Vom alten zum neuen Privatrecht, 1998; Das Öffentliche und
Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G., 1998; Repgen, T., Die soziale
Aufgabe des Privatrechts, 2001; Hamza, G., Die Entwicklung des Privatrechts auf
römischrechtlicher Grundlage, 2003
Privatrechtsgeschichte ist die Geschichte des → Privatrechts. Sie wird als
P. der Neuzeit 1935 besonders eingerichtet. Sie ist Teil der umfassenden →
Rechtsgeschichte.
Lit.: Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte
Deutschlands, hg. v. Beyerle, F. u. a., 1936ff.; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wesenberg, G./Wesener,
G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Schlosser, H., Grundzüge
der neueren Privatrechtsgeschichte (begründet vo. Molitor, Erich 1949), 2. A.
1975, 2. A. 1979, 3. A. 1979, 4. A. 1982, 5. A. 1985, 6. A. 1988, 7. A. 1993,
8. A. 1996, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff.; Gmür, R., Über das Coingsche Handbuch, ZRG GA 102 (1985), 283;
Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Floßmann, U.,
Österreichische Privatrechtsgeschichte, 5. A. 2005; Nörr, K., Zwischen den
Mühlsteinen, 1988; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Textbuch
zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 2. A.
2002
Privatrechtssystem ist
die Erfassung des Privatrechts in einem System. Ein solches P. ist dem
römischen Recht höchstens in Ansätzen bekannt (z. B. → Gaius) und auch
dem Mittelalter fremd. Erst die Naturrechtslehrer des 17. Jh.s versuchen,
(lat.) more geometrico (in geometrischer Art) ein P. zu entwickeln (→
Grotius, → Pufendorf, → Wolff, → Nettelbladt), auf dessen
Grundlage Kodifikationen geschaffen werden. Im 19. Jh. entstehen zeitgebundene
geschlossene Systeme des Privatrechts (→ Savigny, → Puchta, →
Gerber).
Lit.: Coing, H., Bemerkungen zum überkommenen
Zivilrechtssystem, FS H. Dölle Bd. 1 1963, 25; Luig, K., Die Theorie der
Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, (in) Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Leiser, W., Schichtspezifisches
Privatrecht, ZRG GA 93 (1976), 1; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip
der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979,
491; Otte, G., Der sog. Mos geometricus in der Jurisprudenz, Quaderni
Fiorentini 8 (1979), 179; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die
Ausbildung der Allgemeinen Lehren des deutschen Privatrechts, 1980; Moos, P.
v., Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004
Privatstrafe ist
die privat verhängte, der öffentlichen Strafe ähnelnde Rechtsfolge. Sie kommt
dem Verletzten zugute oder wird von ihm vollzogen. Die P. wird mit der
Verstaatlichung des gesellschaftlichen Lebens durch die öffentliche Strafe
abgelöst. Versteht man Strafe als von der Allgemeinheit verhängtes Übel ohne
unmittelbaren Nutzen für das Opfer, so ist die P. problematisch.
Lit.: Levy, E., Privatstrafe und Schadensersatz im
klassischen römischen Recht, 1915; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe
in der mittelalterlichen Rechtstheorie, 1955; Wieling, H., Interesse und
Privatstrafe vom Mittelalter bis zum BGB, 1970; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz
im römischen Recht, 1972; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004
Privaturkunde ist
für das Mittelalter die nicht von Kaiser, König oder Papst ausgestellte
Urkunde, im heutigen Verständnis die von einer nicht hoheitlich tätigen Person
ausgestellte Urkunde. Nach Brunner ist im Frühmittelalter (lat. [F.]) notitia
die schlichte, objektiv gehaltene Beweisurkunde, (lat. [F.]) carta die
dispositive, subjektiv gehaltene Konstitutivurkunde. Prägend ist die Herkunft
aus dem spätrömischen Schriftwesen, charakteristisch für die karolingische Zeit
die Verwendung der karolingischen Minuskel.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4; Brunner, H., Carta
und notitia, FS T. Mommsen 1877, 570; Posse, O., Die Lehre von den
Privaturkunden, 1887, Neudruck 1974; Redlich, O., Die Privaturkunden des
Mittelalters, 1911, Neudruck 1969; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der
frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1967; Recht und Schrift im Mittelalter,
hg. v. Classen, P., 1977; Die Privaturkunden der Karolingerzeit, hg. v. Erhart,
P. u. a., 2009
Privileg ist das
einem oder mehreren Einzelnen von einem Zuständigen im Gegensatz zur
Allgemeinheit eingeräumte Vorrecht. Im altrömischen Recht ist (lat. [N.])
privilegium das Sondergesetz für den einzelnen dadurch nicht benachteiligten
Menschen, später das Sonderrecht zugunsten bestimmter Menschengruppen. Im
Mittelalter ist P. die begünstigende, als ausschließlich behauptete
Herrschaftsrechte gewissermaßen weiterreichende Herrschaftshandlung zugunsten
eines Einzelnen, die meist in einer Urkunde festgehalten wird (z. B. etwa 900
Königsurkunden zur Immunität, 1400 Königsurkunden zur Gerichtsbarkeit). Die
Gewährung eines Privilegs verändert Recht zugunsten des Empfängers. Seit dem
12. Jh. führt man die Befugnis zur Privilegierung auf die
Gesetzgebungszuständigkeit zurück. In der französischen Revolution (1789)
werden in Frankreich alle Privilegien beseitigt. Im Übrigen wird das P. im 19.
Jh. durch den → Gleichheitsgrundsatz eingeschränkt. Diese Entwicklung
verstärkt sich im 20. Jh. noch. An die Stelle des Privilegs tritt die
gesetzlich geregelte Konzession.
Lit.: Kaser § 3 VI; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101,
102, 104, 114, 153, 167; Lindner, D., Die Lehre vom Privileg, 1917; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 39;
Mohnhaupt, H., Untersuchungen zum Verhältnis Privileg und Kodifikation, Ius
commune 5 (1975), 71; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien im frühen
Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 118; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen
privilegia de non appellando, 1980; Schulze, R., Geschichte der neueren
vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 185; Österreichische
Fabriksprivilegien, hg. v. Otruba, G. 1981; Diestelkamp, B., Einige
Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 1983, 396; Dölemeyer, B., Vom
Privileg zum Gesetz, Ius commune 15 (1988), 57; Lucha, G., Kanzleischriftgut,
1993; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Das Privileg im
europäischen Vergleich, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., Bd. 1f. 1997ff.; Lieb, T.,
Privileg und Verwaltungsakt, 2004; Koppitz, H., Die kaiserlichen
Druckprivilegien, 2007; Wadle, E., Privilegien für Autoren oder für Verleger?,
ZRG GA 124 (2007), 144; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs
im 19. Jahrhundert, 2007
privilegium (N.) de non appellando (lat.) Privileg des Ausschlusses der → Appellation
an die Reichsgerichtsbarkeit (bis zur Mitte des 15. Jh.s im weitem Umfang
erteilt)
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
privilegium (N.) de non evocando (lat.) Privileg des Ausschlusses der Ansichziehung
(Evokation) eines Rechtsstreites seitens des Königs (bis 1487 bedeutsam)
privilegium (N.) dotis (lat.) Vorrecht der Mitgift nach römisch-gemeinem Recht
Lit.: Kaser § 31 III 3; Hübner 413, 689
privilegium (N.) impressorium (lat.) Druckprivileg
Privilegium (N.) maius
(lat.) sind die im Winter 1358/1359 unter Herzog Rudolf IV. von →
Österreich in seiner Kanzlei unter Verwendung des echten Siegels des
privilegium minus hergestellten fünf falschen Urkunden, in denen zwecks
Gleichstellung mit den Kurfürsten und Benachteiligung der Brüder Rudolfs IV.
vom Fälscher Österreich bzw. seinem Herrscher zahlreiche Rechte gewährt werden
(Erhebung zum Pfalzerzherzog, Berechtigung zum Tragen einer Bügelkrone,
Unteilbarkeit, Ältestenerbrecht [des Sohnes und hilfsweise der Tochter],
Bestimmungsrecht bei Erbenlosigkeit, Belehnung in Österreich, Ausschließung
des königlichen Hofgerichts, Beschränkung der Heerfolge auf eine symbolische
Handlung, Beseitigung der Hoffahrtspflicht). Das auch für die zukünftig
beherrschten Länder Österreichs gelten wollende (gefälschte) p. m wird trotz
des dem privilegium minus entnommenen (echten) Siegels von Kaiser Karl IV. 1360
unter dem Einfluss Francesco Petrarcas wegen eingefügter angeblicher Urkunden
Caesars und Neros nicht anerkannt. Die Anerkennung erfolgt aber unter den
Habsburgern Friedrich III. (1442, 6. 1. 1453, Zustimmung der Kurfürsten), Karl
V. (1530) und Karl VI. (1729). Danach
gilt das p. m. bis 1806 als Recht des Heiligen römischen Reiches. Im 19.
Jh. wird die plumpe Fälschung entlarvt und als p. m. (1852) bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 95, 111; Baltl/Kocher;
Erben, W., Das Privilegium Friedrichs I. für das Herzogtum Österreich, 1902;
Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A.
1977; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 3 1988, 201; Moraw,
P., Das privilegium maius und die Reichsverfassung, 1988
Privilegium (N.) minus
(lat.) ist das am 17. 9. 1156 von → Friedrich I. Barbarossa dem
Babenberger Heinrich (II.) Jasomirgott erteilte, seit 1852 als p. m.
bezeichnete Privileg über den am 8. 9. 1156 unter Fürstenspruch erfolgten
Vorgang der Verselbständigung Österreichs von Bayern. Es beruht darauf, dass
der nach dem Tod des aus Sachsen kommenden Kaisers Lothar von Süpplingenburg
1138 als Enkel Kaiser Heinrichs IV. zum König gewählte → Staufer Konrad
III. dem unterlegenen, mit einer Tochter Lothars verheirateten Mitbewerber
Heinrich dem Stolzen aus der Familie der → Welfen aus machtpolitischen
Überlegungen das Herzogtum Bayern mit der Begründung entzieht, dass niemand
gleichzeitig Herzog in zwei Herzogtümern sein könne, und es 1139 seinem
Stiefbruder Leopold IV. aus der Familie der → Babenberger als dem
Markgrafen der Markgrafschaft → Österreich zuteilt, Friedrich I. aber als
Nachfolger Konrads III. den als Nachfolger seines Vaters Heinrichs des Stolzen
gegen den Entzug aufbegehrenden, inzwischen mündig gewordenen welfischen
Vetter → Heinrich den Löwen zufriedenstellen will. Zu diesem Zweck
gewährt er trotz Widerspruchs des Babenbergers Heinrich Jasomirgott 1154 Bayern
den Welfen zurück, löst hieraus aber am 8. 9. 1156 Österreich als
selbständiges, territorial (nicht völlig klar) gekennzeichnetes →
Herzogtum heraus. Der neue Herzog und seine Gattin werden gemeinsam belehnt. Es
wird ihnen und ihren Nachfolgern die Erblichkeit im männlichen und im
weiblichen Stamm (Weiberlehen) zugesichert. Bei Kinderlosigkeit sollen der
belehnte Herzog und seine Gattin das (persönliche) Recht (lat. [N.] ius) haben,
den Nachfolger frei zu bestimmen (lat. [Gen. Sg.] affectandi,
Designationsrecht). Ohne Zustimmung des Herzogs soll niemand eine
Gerichtsbarkeit im neuen Herzogtum ausüben. Die Pflicht des Herzogs, zu
Hoftagen zu erscheinen, wird auf Hoftage in Bayern und die Pflicht zur
Heerfolge auf Kriegszüge in benachbarten Ländern des Herzogtums beschränkt. Die
notwendigen lehnrechtlichen Handlungen werden feierlich vollzogen (Rückgabe von
sieben Fahnen für Bayern und Österreich durch Heinrich Jasomirgott an Friedrich
I., Hingabe dieser sieben Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich den Löwen,
Rückgabe von zwei Fahnen durch Heinrich den Löwen an Friedrich I., Erhebung
Österreichs zum Herzogtum, Überreichung zweier dies vesinnbildlichender Fahnen
durch Friedrich I. an Heinrich Jasomirgott). Das Original des p. m. ist nicht
erhalten, da es vermutlich 1358/1359 bei der Erstellung des gefälschten
privilegium maius durch Herzog Rudolf IV. vernichtet wird. Erhalten ist eine
Abschrift der Mitte des 13. Jh.s aus Klosterneuburg.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher;
Tangl, M., Die Echtheit des österreichischenj Privilegium minus, ZRG 25 (1904),
258; Schrader, E., Zur Gerichtsbestimmung des Privilegium minus, ZRG GA 69
(1952), 371; Fichtenau, H., Von der Mark zum Herzogtum. 1958; Appelt, H.,
Privilegium minus, 2. A. 1977, Neudruck 2006; Die Geburt Österreichs, hg. v.
Schmid, P. u. a., 2007
Privilegium (N.) Ottonianum (lat.) ist das in einer gleichzeitigen Prunkausfertigung erhaltene,
die Rechte des Papstes einschließlich der karolingischen Schenkungen und der
Vereinbarungen über die Papstwahl bestätigende Privileg Kaiser Ottos I. für
Papst Johannes XII.
Lit.: Sickel, T., Das Privilegium Ottos I., 1983;
Zimmermann, H., Das dunkle Jahrhundert, 1971, 134
probatio (lat.
[F.]) Beweis
proceres (lat.
[M.Pl.]) Vornehme, Große
Proculus (20/10 v.
Chr.-50/70 n. Chr.) ist der römische Rechtskundige, der seit 33 n. Chr. Haupt
der nach ihm benannten Rechtsschule ist, zu der → Labeo filius und →
Nerva pater sowie Neraz und Celsus zählen und der die Rechtsschule des →
Sabinus gegenübersteht. Sein wichtigstes Werk sind (lat. [F.Pl.]) epistulae
(Briefe) in wohl 12 Büchern. Daneben wird er von vielen bekannten
Rechtskundigen zitiert.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 123; Krampe, C.,
Proculi Epistulae, 1970
Procurator (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der Prozessvertreter oder Verwalter (z. B. der
Geschäfte des Freilassers [lat. patronus]) auf Grund Befehls oder
Geschäftsführung ohne Auftrag oder schließlich auch Auftrags. Der p. kann über
das Vermögen verfügenspäter den patronus auch durch Geschäfte verpflichten.
Lit.: Kaser §§ 11 II 1b, 20 I 1, 44 II
1, 49 II 4, 82 IV; Köbler, DRG 33, 44, 47, 57; Köbler, LAW; Klinck, F., Zur
Bedeutung des Wortes procurator in den Quellen des klassischen Rechts, ZRG RA
124 (2007), 25
Prodigus (lat.
[M.]) ist bereits im altrömischen Recht der vom Magistrat durch Interdiktion
entmündigte Verschwender, für den ein (lat. [M.]) curator (Pfleger)
treuhänderisch handelt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Köbler, DRG
22
Produkthaftung ist
die in Deutschland ab 1. 1. 1990 geltende, durch eine Richtlinie der →
Europäischen Gemeinschaft veranlasste → Gefährdungshaftung des
Herstellers eines Produktes. Sie steht neben der von der Rechtsprechung
entwickelten Produzentenhaftung, ohne sie verdrängen zu können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271; Bartl, H.,
Produkthaftung nach neuen EG-Recht, 1989; Honsell, H., Produkthaftungsgesetz
und allgemeine Deliktshaftung, JuS 1995, 211
Produktionsmittel (N.) das zur Herstellung eines Erzeugnisses erforderliche Mittel (z. B.
Werkzeug, Maschine, Gebäude)
Produzentenhaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s von der Rechtsprechung nach amerikanischem sowie französischem Vorbild entwickelte deliktische Haftung (Verschuldenshaftung) des Produzenten für von seinen Erzeugnissen verursachten Schaden (vgl. BGHZ 51, 91 Hühnerpest). Für bestimmte Pflichtverletzungen besteht dabei eine Verschuldensvermutung, wodurch die Bejahung von Schadensersatzansprüchen erleichert wird. Seit 1990 ist die P. durch eine Produkthaftung ergänzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
271
Profess (lat.
professio [F.] religiosa) ist die Ablegung des Ordensgelübdes (Armut,
Keuschheit, Gehorsam). Bestimmte kirchenrechtliche Wirkungen (z. B. Erwerbsunfähigkeit,
Ehehindernis, Erbunfähigkeit) treten seit dem 18./19. Jh. nach weltlichem Recht
nicht mehr ein.
Lit.: Hübner 57; Martin, A., Die Bedeutung des
Ordensgelübdes, 1924; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
professio (F.) iuris
(lat.) Bekenntnis zu einem für den Bekennenden anwendbaren Recht (vor allem zu
einem → Volksrecht im Frühmittelalter)
Lit.: Calasso, F., Medio evo del
diritto, 1954, 117f., 186, 259
Professor ist seit
dem Hochmittelalter (13. Jh.) vor allem der Universitätslehrer. Dabei ist in
der Rechtswissenschaft im 15. Jh. noch der erste Dekretalist der vornehmste
Rechtslehrer, in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s dagegen der Lehrer des
weltlichen Codex. Die Versorgung erfolgt noch im 15. Jh. überwiegend durch
Benefizien (Pfründen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 143, 186; Schwarz, A.,
Der Einfluss der Professoren auf die Rechtsentwicklung, (in) Rechtsgeschichte
und Gegenwart, 1960, 181; Ebel, W., Catalogus professorum Gottingensium
1734-1962, 1962; Pick, E., Die Professoren des Rechts, FS O. v. Mühl, 1981,
509; Belloni, A., Professori giuristi a Padova, 1986; Geschichte der
Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993, 139; Schmeiser, M.,
Akademischer Hasard, 1994; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten, 1997;
Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Irrgang, S.,
Peregrinatio academica, 2002
Profos (zu lat.
[M.] praepositus) Ankläger im Heer, Vollstreckungsbediensteter
Pro herede gestio
(lat.[F.]) ist im klassischen römischen Recht das Verhalten wie ein Erbe, durch
das die Außenerben die Erbschaft annehmen.
Lit.: Kaser § 71 II 2a; Köbler, DRG 38
Project des Codicis Fridericiani Marchici ist
die (von Cocceji) nach seiner königlichen Majestät von Preußen selbst vorgeschriebenem
Plan entworfene Cammergerichtsordnung, nach der alle Prozesse in einem Jahr
durch drei Instanzen zum Ende gebracht werden sollen und müssen nebst dem
Project einer Sportul-Ordnung und eines Pupillen-Collegii in Preußen von 1748.
Das P. folgt dem Project eines Codicis Fridericiani Pomeranici (für Pommern)
für die Mark Brandenburg nach. Im ersten Teil handelt die Ordnung in 18 Titeln
von unseres Hof- und Cammer-Gerichts-Bestellung und vom richterlichen Amt
überhaupt, im zweiten Teil in sieben Titeln von denen bishero bei dem
Cammergericht (lat.) ratione modi procedendi eingeschlichenen Missbräuchen und
deren Remedierung, im dritten Teil in 44 Titeln von dem (lat.) processu
summario et ordinario in genere und im vierten Teil in neun Titeln von einigen
besonderen Processen, als in Bagatellsachen, in summariissimo, in Injurien, in
causis fiscalibus, bei Kommissionen, und Versuchung der Güte, zwischen
Pächtern und Gutsherren, Obrigkeiten und Untertanen, Pupillen und Vormündern,
item wegen streitiger Grenze sowie in Konkursen usw. Zur Seite steht das
Project einer nach seiner königlichen Majestät von Preußen vorgeschiebenem
Plan errichteten Tribunalordnung, das Project der Sportelordnung bei dem
Kammergericht und das Project eines neuen Pupillen-Collegii. Das P. d. C. F. M.
geht einem gescheiterten Project eines (lat.) Corpus juris Fridericiani von
1749/1751, dem Corpus (N.) iuris Fridericianum (lat.) (Erstes Buch vom 26. April 1781, Prozessrechtsgesetzbuch
Friedrichs des Großen bzw. seines Großkanzlers → Carmer, das den Untersuchungsgrundsatz
in den Zivilprozess einführt) und der Allgemeinen
Gerichtsordnung von 1793 voraus.
Lit.: Codex
Fridericianus Marchicus m. einer Einleitung v. Mohnhaupt, H. 2000;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCodicisFridericianiMarchici1748.htm
Project des Corpus juris Fridericiani ist der im Ergebnis gescheiterte Versuch Friedrichs des Großen von Preußen, durch Cocceji das materielle Recht des Landes durch Gesetz zur vereinheitlichen (Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, Obligationenrecht 1753 bei Versendung verloren). Ihm folgen das Allgemeine Gesetzbuch (ab 1784) bzw. das Allgemeine Landrecht von 1794 nach.
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani1-1749.pdf; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani2-1751.pdf
Prokulianer ist der Anhänger der nach →
Proculus benannten römischen
Rechtsschuler. Die P. stehen den Sabinianern gegenüber. Sie werden als
innovativ eingestuft und betonen die Zusammenhänge und Ableitungen.
Prokura ist die
seit der Neuzeit vom Inhaber eines Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen
Vertreter erteilte besondere Vertretungsmacht.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913
Prokurator (lat. [M.] procurator)
ist der Vertreter einer Partei in einem gerichtlichen Verfahren bezüglich der
formgerechten Vornahme der Prozesshandlungen vor Gericht. Der vom Advokaten
geschiedene P. ist dem römischen Recht wie dem kirchlichen Recht bekannt. Beim
Reichskammergericht wird nach 1521 die Trennung beseitigt. Allgemein wird sie
in Deutschland 1877/1879 aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 117, 153;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 119; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966, 156, 453; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 161, 207, 211, 217; Baumann, A., Das
Reichskammergericht in Wetzlar, ZRG GA 115 (1998), 498; Baumann, A., Anwälte am
Reichskammerericht, 2001; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006
Proletariat (N.) besitzlose Klasse
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 17, 177;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984
promissio (lat.
[F.]) Versprechen
Promotion (F.)
Vorwärtsbewegung, Qualifikationsverfahren zum Erwerb des Doktorgrads
Lit.: Promotionen und Promotionswesen an deutschen
Hochschulen der Frühmoderne, hg. v. Müller, R., 2001; Münch, I. v., Promotion,
2002, 2. A. 2003, 3. A. 2006; Examen, Titel, Promotionen, hg. v. Schwinges, R.
2007; Bilder - Daten - Promotionen., hg. v. Müller, R., 2007; Baur, S., Vor
vier Höllenrichtern, 2009
Promptuarium (N.) iuris
(lat.) ist das alphabetisch geordnete, 1408 bis 1422 von Ulrich von Albeck
verfasste Rechtslexikon, dessen Handschrift in Graz liegt.
Lit.: Pfaff, I., Das promptuarium iuris des Reichskanzlers
und Bischofs Ulrich von Albeck, ZRG RA 42 (1921), 158
Property Acts (1922-5) sind
neun das Sachenrecht betreffende Einzelgesetze des → englischen Rechts.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
proportional (Adj.) verhältnismäßig
proprietas (lat. [F.]) Eigentum
Lit.: Kaser § 22 II 2; Köbler, DRG 60, 124; Köbler, G.,
Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Propst ist im
frühmittelalterlichen Kloster der dem Abt folgende Vorgesetzte, der teils vom →
Prior verdrängt wird, teils das Amt des → Archidiakons erlangt. In der
evangelischen Kirche lebt der P. bis zur Gegenwart fort.
Lit.: Merzbacher, F., Johann von Allendorf, 1955; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Rauch, G., Pröpste, Propstei und
Stift von S. Bartholomäus in Frankfurt, 1975
proscriptio (lat.
[F.]) Ächtung
Prostitution (F.) ist die gewerbsmäßige Hingabe des Körpers zu geschlechtlichen Zwecken. Sie findet sich als naheliegende Folge bereits bei den monogamen Kulturvölkern des Altertums. Vom Christentum wird die P. bekämpft und zurückgedrängt. Mit der Geldwirtschaft entstehen in den mittelalterlichen Städten Frauenhäuser, in denen die P. erlaubt ist. Im 19. Jh. setzt sich der Grundsatz der Gewerbefreiheit auch für die P. durch. 1927 wird in Deutschland ein Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten eingeführt. Bestimmte Formen der Förderung der P. sind strafbar. Am Beginn des 21. Jahrhunderts wird in Deutschland (2001) die P. legalisiert.
Lit.: Dufour, F., Weltgeschichte der Prostitution, 1905;
Schuster, B., Die unendlichen Frauen, 1996; Stumpp, B., Prostitution in der
römischen Antike, 1998; Falck, U., VEB Bordell, 1998; Gleß, S., Die
Reglementierung von Prostitution, 1999; Stumpp, B., Prostitution in der
römischen Antike, 2001; Malkmus, K., Prostitution in Recht und Gesellschaft,
2005; Hemmie, D., Ungeordnete Unzucht, 2007
Protektorat ist
seit dem 19. Jh. die Schutzherrschaft eines Staates oder mehrerer Staaten über
einen Staat bzw. dessen Gebiet (z. B. 1806 Rheinbund, 1815 Republik Krakau,
1881 Tunesien, 1912 Marokko, 1914 Ägypten).
Lit.: Kienz., J., Die Staatenverbindungen, 1929, 288;
Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Protest ist
allgemein die Rechtsverwahrung, die bis zu einem Akt politischer Opposition
reichen kann (Hannover 1837). Im Wechselrecht ist P. seit der frühen Neuzeit
die öffentliche Beurkundung der Verweigerung der Annahme oder Zahlung bei
Vorlage bestimmter Wertpapiere.
Lit.: Kück, H., Die „Göttinger Sieben“, 1934; Becker, H.,
Protestatio, Protest, ZHF 5 (1978), 385; Ehls, M., Protest und Propaganda, 1997
Protestant ist
allgemein der Protestierende, insbesondere der gegen die kaiserliche
Religionspolitik des 16. Jh.s und einen Beschluss der katholischen
Reichstagsmehrheit im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) (in Speyer
am 19. 4. 1529) für eine bestimmte religiöse Einstellung Protestierende.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Hinschius, P.,
Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck
1959; Reingrabner, G., Protestanten in Österreich, 1981; Graf, E., Der
Protestantismus, 2000; Greschat, M., Protestantismus in Europa, 2005; Steiner,
S., Reisen ohne Wiederkehr, 2006; Geheimprotestantismus und evangeliche Kirche
in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg, hg. v. Leeb, R. u. a.,
2009
Protestatio facto contraria
non valet
(lat.) Die im Widerspruch zum Handeln stehende
Verwahrung gilt nicht.
Lit.: Teichmann, A., Protestatio facto contraria, FS K.
Michaelis, 1972, 294; Köhler, H., Kritik der Regel, JZ 1981, 454; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Glosse Protestetur zu Liber sextus 1, 6,
25)
Protokoll ist im
engeren Sinn ein Teil einer Urkunde, im weiteren Sinn eine durch Unterschrift
oder Genehmigung als richtig anerkannte Niederschrift über eine Verhandlung.
Lit.: Kaser § 87 II 6; Kroeschell, DRG 2, 3; Protocolle der
deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1851-1866; Protocolle der Commission
zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866,
1984; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des
Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearb. v. Achilles, A. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.,
Neudruck 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986
Protonotar (M.) oberster Schreiber
Protonotarius (lat.
[M.]) ist der oberste Schreiber, der im Deutschen Reich seit dem 12. Jh. (1150
Reichskanzlei) erscheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912
Provence ist das
die älteste römische Provinz in Gallien bildende Gebiet zwischen Mittelmeer,
Rhone, Var und Alpen. Die P. kommt 1032 an das → Deutsche Reich, 1481 an →
Frankreich. Sie ist dort ein Gebiet des Schriftrechts (droit écrit, römischen
Rechts).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Buchner, R., Die Provence in merowingischer Zeit, 1933; Busquet, R., Histoire
de la Provence, 4. A. 1966; Poly, J., La Provence, 1976
Provinz ist ein
räumlicher Teil eines Staates oder einer sonstigen Einrichtung (z. B. nach
römischem Vorbild seit dem 4. Jh. die christliche Kirche) seit dem römischen
Altertum (227 v. Chr.). In Rom steht ein Statthalter an der Spitze der 297 n.
Chr. mehr als 100 Provinzen. Im Frühmittelalter entspricht die P. dem
Siedlungsgebiet eines Volkes. In der Neuzeit teilen verschiedene Staaten ihr
Gebiet in Provinzen (Frankreich bis 1789, Preußen 1815).
Lit.: Söllner §§ 12, 14; Holtzmann, R., Französische
Verfassungsgeschichte, 1910; Wagner, P., Die geschichtliche Entwicklung der
Metropolitangewalt, Diss. phil. Bonn 1917 masch.schr.; Jeserich, K., Die
preußischen Provinzen, 1931; Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA
73 (1956), 361; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Die Provinzen des römischen Reiches, hg. v. Bechert,
T., 1998
Provinzialedikt (N.) das vom römischen Priovinzialstatthalter verkündete Edikt
Provinziallandtag ist der Landtag einer Provinz.
Lit.: Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag bis zum
Jahre 1874, 1918; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999
Provinzialrecht ist
das besondere Recht einer Provinz im Verhältnis zum allgemeinen Recht.
Lit.: Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte
der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1804ff.
Provinzialstand ist
der eine → Provinz betreffende → Stand (Landstand, z. B. in
Preußen).
Lit.: Stephan, J., Die Entstehung der Provinzialstände in
Preußen 1823, Diss. phil. Berlin 1914; Roebers, R., Die Einrichtung der
Provinzialstände in Westfalen, Diss. phil. Münster 1915; Birtsch, G.,
Gesetzgebung und Repräsentation, HZ 208 (1969), 265
Pro viribus hereditatis
(lat.) (für die Mittel der Erbschaft) ist die Beschränkung der Haftung des
Erben auf den Wert des Nachlasses.
Lit.: Köbler, DRG 162
Provision ist im
Kirchenrecht seit dem Mittelalter die Übertragung eines freien Kirchenamtes
durch die zuständige Stelle an einen geeigneten Menschen.
Lit.: Bauer, H., Päpstliche Provisionen für niedere
Pfründen, 1911; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts, 1915;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
provocatio (lat.
[F.]) Anrufung der Volksversammlung gegen ein magistratisches Strafurteil
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Prozess ist ein
rechtlich geordneter, von Lage zu Lage sich entwickelnder Vorgang zur Gewinnung
einer (richterlichen) Entscheidung über ein behauptetes materielles Rechtsverhältnis.
Das gerichtliche Verfahren entsteht vermutlich aus der rechtlichen Ordnung des
außergerichtlichen Streites wegen der mit der → Selbsthilfe verbundenen
schädlichen Folgen ganz allmählich. Bereits das altrömische Recht verlangt
dabei, dass in allen nicht ganz eindeutigen Streitfällen eine Überprüfung in
einem öffentlichen Verfahren (Erkenntnisverfahren) stattfindet und dass der
verfolgende Zugriff (Vollstreckungsverfahren) nur in bestimmten Formen
erfolgt. Kennzeichnend ist die wohl der Entlastung der Höchstmagistrate und
zugleich der Rechtssicherheit der Betroffenen dienende Zweiteilung des
Verfahrens in zwei Abschnitte (lat. in iure, vor Gericht bzw. apud iudicem, vor
dem Richter). In Fällen allgemeiner Bedeutung befindet vielleicht anfangs der
König, danach ein einzelner Magistrat, gegen deren Entscheidung jeder männliche
freie Bürger die Volksversammlung anrufen kann (lat. [F.] → provocatio).
Später wird das Legisaktionenverfahren (→ legisactio) zum →
Formularverfahren und dieses zum → Kognitionsverfahren. Über Verfahren
bei den Germanen berichtet Tacitus (98 n. Chr.) in Umrissen. Das
Frühmittelalter überliefert eine Reihe von Berichten über einzelne Verfahren,
die das Nebeneinander von Richtern und Urteilern (Rachinburgen, Schöffen)
erkennen lassen. Seit dem 12. Jh. wird in Anknüpfung an das römische Recht
Prozessrechtsliteratur sichtbar. Seit dem Spätmittelalter wird der in
Oberitalien ausgebildete römisch-kanonische P. (→ Schriftlichkeit,
tatsächlicher Anwaltszwang, Artikulierung, → Berufsrichter, → Appellation,
Reichskammergerichtsprozess, Reichshofratsprozess, sächsischer Prozess) aufgenommen
und der Strafprozess verselbständigt. Im 19. Jh. setzt sich der in Frankreich
ausgebildete liberale P. durch. Die Zahl der Prozesse ist groß.
Lit.: Kaser §§ 80ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
19f. u. ö.; Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Quellen
zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses, hg. v. Wahrmund, L., Bd. 1ff.
1905ff.; Gál, A., Die Prozessbeilegung nach den fränkischen Urkunden des 7.-10.
Jahrhunderts, 1910; Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Kafka,
F., Der Proceß, 1925; Mitteis, H., Politische Prozesse des früheren
Mittelalters in Deutschland und Frankreich, 1927 (SB Heidelberg); Buchda, G.,
Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966; Nörr, K., Die Stellung des Richters im
gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Buchda, G., Über die „Vorrede“ im
sächsischen Prozess des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 91 (1974), 90; Behrends, O.,
Der Zwölftafelprozess, 1974; Battenberg, F., Herrschaft und Verfahren. Politische
Prozesse im mittelalterlich römisch-deutschen Reich, 1995; Werkmüller, D., „Et
ita est altercatio finita“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 592; Macht und Recht, hg. v. Demandt, A., 1990; Prozessflut?,
hg. v. Blankenburg, E., 1989; Große Prozesse, hg. v. Schultz, U., 3. A. 2001;
Große Prozesse der römischen Antike, hg. v. Manthe, U. u. a., 3. A. 2001;
Dubischar, R., Prozesse die Geschichte machten, 1997; Ferrari Zumbini, R., La
lotta contro il tempo nel processo altomedievale, 1997; Prozessakten als
Quelle, hg. v. Baumann, Anette, 2001; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten
Zug, 2002; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005; Les
procès politiques (14.-17. siècle, hg. v. Bercé, Y., 2007
Prozessbuße ist die
Buße einer Partei, eines Richters, Urteilers, Zeugen oder Schelters bei
Verletzung einer Regel im → Prozess. Sie findet sich vom Frühmittelalter
bis in die Neuzeit.
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck
1971; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5
1873, 176; Lampe, W., Die dilatura im germanischen Recht, Diss. jur. Göttingen
1921 masch.schr.; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 435;
Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess am Ende des alten Reiches,
Diss. jur. Münster 1966; Wesener, G., Römisch-kanonisches Prozessrecht, FS G.
Schmelzeisen, 1980, 360
Prozessfähigkeit ist
die Fähigkeit Prozesshandlungen selbst oder durch einen Prozessbevollmächtigten
wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Sie wird erst im 19. Jh. von der
Parteifähigkeit und der Postulationsfähigkeit getrennt. Im älteren Recht ist
sie entsprechend der Geschäftsfähigkeit ständisch geprägt und im Einzelnen
örtlich und zeitlich verschieden gestaltet.
Lit.: Kaser § 82 II 3e; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Etzbach, E.,
Die Stellung der Parteien im Prozess, Diss. jur. Köln 1973
Prozessformel ist
bereits im altrömischen Recht die zu jeder → Legisaktion gehörige, genau
vorgeschriebene Spruchformel. Sie besteht nach ihrer Vermehrung im
Formularprozess aus (lat. [F.]) praescriptio, intentio und condemnatio. Auch
das englische Prozessrecht kennt seit dem Hochmittelalter eine beschränkte Zahl
von Formularen des → writ.
Lit.: Kaser § 83; Köbler, DRG 19, 33
Prozessgefahr ist
im Hochmittelalter die Gefahr (mhd. vare), den → Prozess durch bloßes
Versprechen beim Vortrag vor Gericht zu verlieren. Ihre Herkunft ist unklar
(germanisch?, gelehrt). Zur Umgehung bedient man sich des → Fürsprechers
als eines Vertreters im Wort, dessen Vortrag die Partei genehmigen muss.
Sichtbar wird die P. in Stadtrechten, die ihren Ausschluss als Privilegierung
erwähnen. Nach neuerer Ansicht ist im sächsisch-magdeburgischen Recht allenfalls
das Beweisrecht von Formstrenge geprägt, wobei Formverstöße oft ausgeglichen
werden können.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die
Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Meyer, T., Gefahr vor Gericht, 2009
Prozesshandlung ist
die prozessgestaltende Beteiligung der Partei und der Streitgehilfen bzw. ihrer
Vertreter an einem → Prozess (z. B. Klage). Als allgemeiner Begriff wird
die P. von Daniel → Nettelbladt (1719-1791) erkannt.
Lit.: Köbler, DRG 156; Grunst, B., Prozesshandlungen im
Strafprozess, 2002
Prozesskosten sind
die bei einem → Prozess entstehenden Kosten. Sie trägt bereits im
spätantiken römischen Recht die unterliegende Partei. Seit dem Spätmittelalter
lösen die dem Staat zustehenden P. die dem Richter unmittelbar anfallenden
Ansprüche ab. Dabei wird der Grundsatz, dass der Unterliegende die Kosten zu
tragen habe, durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen. Seit dem Ende des 18.
Jh.s werden diese Ausnahmen zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 87 I 8; Köbler, DRG 56; Weber, A., Über die
Prozesskosten, 5. A. 1811; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck
1965, 333; Sellert, W., Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozesserfolg,
FS A. Erler, 1976, 509
Prozesskostenhilfe ist
die in Deutschland 1980 das ältere → Armenrecht ablösende finanzielle
Unterstützung einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen die Kosten der Führung eines Prozesses nicht, nur zum Teil oder
nur in Raten aufbringen kann.
Lit.: Köbler, DRG 263; Birkl, N., Prozesskosten- und
Beratungshilfe, 2. A. 1981
Prozessmaxime ist
der leitende Grundsatz des Verfahrensrechts (z. B. Mündlichkeit/Schriftlichkeit,
Öffentlichkeit/Heimlichkeit, Parteibetrieb/Amtsbetrieb, Verhandlungsgrundsatz,
Untersuchungsgrundsatz, Instruktionsmaxime, Eventualmaxime, Unmittelbarkeit,
Konzentrationsmaxime). Bewusst formuliert werden die Prozessmaximen erst im
19. Jh.
Lit.: Gönner, N., Handbuch des deutschen gemeinen
Prozesses, 1801; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kaser,
M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Jauernig, O., Verhandlungsmaxime,
Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 332; Caenegem, R., History of
European Civil Procedure, 1973; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner
Prozessmaximen, 1975
Prozessordnung ist
die gesetzliche Ordnung des → Prozesses auf der Grundlage des seit dem
12. Jh. erscheinenden Schriftums. → Zivilprozessordnung,
Strafprozessordnung → Gerichtsordnung
Lit.: Marquordt, G., Vier rheinische Prozessordnungen, 1938
Prozesspartei ist
die → Partei im → Prozess.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Köbler, G.,
Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1
Prozessrecht ist
das für den → Prozess geltende Recht. Es ist in der älteren Zeit vielfach
Gewohnheitsrecht, seit dem Spätmittelalter zunehmend gesetztes Recht. Nach M.
Schmoeckel entsteht das römisch-kanonische Prozessrecht im 9. Jh. gelegentlich
des Ehestreits Lothars II. Im 19. Jh. werden P. und materielles Recht stärker
getrennt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 16; Kroeschell, DRG 2; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Simshäuser, W., Zur Entwicklung
des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966; Endres, P., Die französische
Prozessrechtslehre, 1985; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat,
Diss. jur. Gießen 1988; Aspecten van het Middeleeuwse Romeinse Recht, hg. v.
Waelkens, L.,, 2008, 109ff.
Prozessverschleppung ist
die gewollte Verzögerung eines Rechtsstreits durch verspätetes Vorbringen von
Behauptungen und Beweismitteln. Sie ist bereits für den spätantiken römischen
Prozess ein Problem. Dieses wird auch im mittelalterlichen gelehrten
Prozessrecht erkannt. Die im 16./17. Jh. zur Abhilfe eingeführte →
Eventualmaxime erreicht ihren Zweck ebensowenig wie preußische Beschleunigungsmaßnahmen
von 1781 und 1793. Auch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879 löst die
Frage nicht erfolgreich.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Wesener, G., Das
innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 413, 496; Schubert, W., Das Streben nach
Prozessbeschleunigung, ZRG GA 85 (1968), 127; Damrau, J., Die Entwicklung
einzelner Prozessmaximen, 1975
Prozessvertretung ist
die Vertretung des Klägers oder des Beklagten im → Prozess. Sie ist im
römischen Recht zulässig, doch wirkt der im Namen eines anderen geführte
Prozess nicht ohne weiteres für und gegen den Vertretenen, so dass die vom
(lat. [M.]) cognitor oder procurator erzielten Wirkungen besonders auf den
Vertretenen übergeleitet werden müssen. Im Mittelalter wird zur Vermeidung der →
Prozessgefahr ein → Fürsprecher und allmählich auch ein Vertreter in der
Sache zugelassen (Königsgericht, Stadtrechte 13. Jh., Kammergerichtsordnung
1471). Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts zieht dabei der gelehrte
Jurist als → Advokat oder → Prokurator die P. mehr und mehr an sich.
Lit.: Kaser § 82 IV; Köbler, DRG 116; Bethmann Hollweg, M.
v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1989,
Neudruck 1973
Prügelstrafe ist die
mit einem Prügel vollzogene Leibesstrafe. Sie ist anscheinend in älterer Zeit
eine auf Unfreie und später auch niedrige Freie beschränkte Maßnahme. Seit dem
Hochmittelalter wird sie auch allgemeiner an Freien vollzogen. Im 19. Jh. wird
die P. beseitigt (Nassau 1809, Baden 1831, Braunschweig 1837, Darmstadt 1841,
Preußen 1848, Österreich 1848 [bis 1852] bzw. 1867, Bayern 1861, Mecklenburg
1871).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 983; Quanter, R., Die Leibes- und
Lebensstrafen, 2. A. 1906, Neudruck 1970, 329; Malfér, S., Die Abschaffung der
Prügelstrafe, ZRG GA 102 (1985), 206; Gebhardt, J., Prügelstrafe und
Züchtigungsrecht, 1994
Ptolemäus (Ptolemaios), Klaudios (um
100-170 n. Chr.)
Lit.: Klaudios Ptolemaios,
Handbuch der Geographie, hg. v. Stückelberger, A. u. a., 2006 (6345
Örtlichkeiten, 1404 Völker- und Landschaftsnamen, 200 großflächige
Bereichsbezeichnungen)
Przemyslide (Přemyslide) ist der Angehörige eines sich auf einen Przemysl bzw. Přemysl (den Pflüger) zurückführenden, vor 890 sichtbaren Geschlechts, das die Herrschaft in → Böhmen erlangt, aber 1306 erlischt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wegener, W., Die
Přemysliden, 1957; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v.
Bosl, K., Bd. 1 1966; Zemlicka, J., Přemysl Otakar I., 1990
Pseudoisidorische Fälschungen (Isidor Mercators) sind mehrere (zugunsten der Bischöfe) fälschende
Sammlungen kirchenrechtlicher Bestimmungen der Mitte des 9. Jh.s mit rund
10000 Einzelteilen (unter Verwendung etwa der Historia tripartita des
Epiphanius-Cassiodor der einstmals Corbier Handschrift Sankt Petersburg,
Russische Nationalbibliothek Lat. F. v. I. 11 oder der Konzilsakten von
Chalkedon in der Version des Rusticus der einstmals Corbier Handschrift Paris,
Bibliothèque Nationale Lat. 11611). Vermutlich werden die pseudoisidorischen
Fälschungen (auf dem politischen Hintergrund des Streits um die Einheit des
Karolingerreichs zwischen 829 und 835 unter dem kaiserfeindliche Bischöfe
maßregelnden Kaiser Ludwig dem Frommen) im westfränkischen Gebiet zwischen 847
und 852 von mehreren Verfassern (unter Abt Paschasius Ratbertus von Corbie an
der Somme?) hergestellt. Der Gesamtnachweis der Fälschung gelingt erst der
neuzeitlichen Wissenschaft.
Lit.: Fuhrmann, H., Einfluss und Verbreitung der
pseudoisidorischen Fälschungen, Bd. 1ff. 1972ff.; Fälschungen im Mittelalter,
hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 2 1988, 111; Zechiel-Eckes, K., Fälschung hinter
Klostermauern, 2001 (Konstanzer Arbeitskreis); Fortschritt durch Fälschungen?,
hg. v. Hartmann, W. u. a. 2002; Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt
Pseudoisidors, 2006; Schon, K., Die Capitula Angilramni – Eine
prozessrechtliche Fälschung Pseudoisidors, 2006
Psychiatrie (F.) Seelenheilkunde (Johann
Christian Reil, Halle 1808)
Lit.: Faulstich, H.,
Zwischen Staatsanstalt und Lokalversorgung, 2007
Psychologie (F.) Seelenkunde
Lit.: Psychologie als Argument in der juristischen Literatur des
Kaiserreichs, hg. v. Schmoeckel, M., 2009
Publicanus (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der wohl seit dem 4. Jh. zur Verwirklichung eines Systems indirekter Finanzverwaltung tätige, im Prinzipat durch öffentliche Verwaltung ersetzte Steuerpächter.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 18; Köbler, DRG 32;
Baldian, E., Zöllner und Sünder, 1997
publicum ius (N.) → ius publicum, Recht
Publikation (F.)
Veröffentlichung (von Gesetzen), bis in das 19. Jh. materielle P. z. B. durch
Verlesen, danach formelle P. im Gesetzblatt (z. B. in Österreich das ab 1.
10. 1849 erscheinende Allgemeine Reuchs-Gesetz- und Regierungsblatt für das
Kaisertum Österreich, 1870 Reichsgesetzblatt, 1920 Bundesgesetzblatt, 1938
Reichsgesetzblatt, 1945 Staatsgesetzblatt, Bundesgesetzblatt, seit 2004
authentische Fassung im Internet)
Lit.: Liebenow, W., Die Promulgation, Diss. jur. Greifswald
1901; Englisch, P., Die Publikation der Gesetze und Verordnungen, Diss. jur.
Breslau, 1912; Hubrich, E., Die Entwicklung der Gesetzespublikation in Preußen,
1918; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Holzborn, T., Die
Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Schennach, M., Zuschreiben von
Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133
Publizistik (F.)
Veröffentlichungskunde, Gesamtheit der Veröffentlichungen, Staatsrechtslehre
Lit.: Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Darmstadt,
R., Der deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Roeck, B.,
Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Das Publikum politischer Theorie, hg.
v. Miethke, J., 1992
Publizität ist die
Offenkundigkeit bzw. die mit einer jedermann erkennbaren Eintragung in ein
öffentliches Register verbundene Rechtswirkung. Das Prinzip der P. findet sich
in verschiedener Gestalt in fast allen Zeiten. Seine Zurückdrängung in der
frühen Neuzeit wird im 19. Jh. wieder beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 18 I 3a, 22 II 2b, 24
II 1, 32 II 4c, 76 II 2; Hübner 15f., 147; Ramella, A., La publicità nel
diritto moderno, 1901; Meyer, H., Das Publizitätsprinzip, 1909; Keim, O., Das
sog. Publizitätsprinzip,
1930; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936
Puchta, Georg Friedrich
(Cadolzburg 31. 8. 1798-Berlin 8. 1. 1846), Justizamtmannssohn, wird nach der
Schule in Nürnberg (Hegel) und dem Rechtsstudium in Erlangen 1823
außerordentlicher Professor in Erlangen (, wo er 1827 eine Neuausrichtung
seines Forschungsprogramms von der römischen Rechtsgeschichte zur Praxis des
zeitgenössischen römischen Rechts ankündigt), 1828 ordentlicher Professor in
München, 1835 in Marburg, 1837 in Leipzig und 1842 als Nachfolger Savignys in
Berlin. Nach dem in langen Gedankenketten durchkonstruierten, philosophisch und
politisch klar durchdachten, im Wesentlichen auf Schelling gründenden und
deshalb bald nicht mehr verstandenen Gesamtkonzept Puchtas ist der von den →
Juristen geprägte → Volksgeist die Quelle des zugleich geschichtlichen
und vernünftigen Rechts. Da das Recht vernünftig ist, bildet es ein System. In
Erkenntnis dieses Systems fördert die Wissenschaft durch Deduktion neu
entstehende Rechtssätze zutage (→ Begriffsjurisprudenz). In seinen
Lehrbüchern stellt P. allerdings im Wesentlichen nur das geltende Recht
systematisch dar. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird seine
zeitgebundene, Außerjuristisches ausschließende Betrachtungsweise zunehmend
abgelehnt.
Lit.: Köbler, DRG 185, 186, 188; Puchta, G., Das
Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Puchta, G., Lehrbuch der Pandekten, 1838;
Puchta, G., Cursus der Institutionen, Bd. 1f. 1841f., 10. A. 1893ff.; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bohnert, J., Über die
Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Bohnert, J., Beiträge zu einer
Biographie Georg Friedrich Puchtas, ZRG 96 (1979), 229; Ogorek, R.,
Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, 198; Landau, P., Puchta und
Aristoteles, ZRG RA 109 (1992), 1; Hannes, F., Puchta als Kirchenrechtler,
Diss. jur. Bonn 1995; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die
Begriffsjurisprudenz, 2004; Georg Friedrich Puchta Briefe an Gustav Hugo, hg.
v. Jakobs, H., 2009; Mecke, C., Begriff und System des Rechts bei Georg
Friedrich Puchta, 2009
puer (lat. [M.)
Knabe, Knecht
Pufendorf,
Friedrich Esajas von (Bückeburg 12. 9. 1707-Celle 25. 8. 1785), Oberappellationsgerichtsratssohn
und Großneffe Samuel von Pufendorfs, wird nach dem Rechtsstudium in Halle
(Böhmer, Thomasius, Wolff) Advokat in Celle und 1739 Richter. Neben Anderem
verfasst er (bis 1772?) einen Entwurf eines Landrechtes von → Hannover,
der (2007) im Obergut Lenthe in einem Manuskript (von 1769) mit 42 Titeln und
in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen in einem etwas jüngeren
Manuskript mit 128 Titeln und 1570 Paragraphen überliefert ist.
Lit.: Pufendorf, Friedrich Esajas, Entwurf eines
hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970 (128 Titel); http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PufendorfFriedrichEsajasEntwurfeineshannoverschenLandrechts1772-erweiterteFassung.pdf;
Auffenberg, U., Friedrich Esaias von Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen
Gesetzbuches mit Edition, Diss. jur. Frankfurt am Main 2007 (58 bzw. 42 Titel)
Pufendorf, Samuel
von (Dorfchemnitz bei Sayda 8. 1. 1632-Berlin 26. 10. 1694), Pfarrerssohn, wird
nach der Schule in Grimma und einem mehrseitigen Studium in Leipzig und Jena Hauslehrer,
1661 Professor des Naturrechts und Völkerrechts der philosophischen Fakultät
in Heidelberg, 1670 Professor in Lund, dann Hofgeschichtsschreiber in
Stockholm und 1688 in Berlin. 1667 veröffentlicht er unter dem Namen Severinus
de Monzambano das kritische Werk (lat.) De statu imperii Germanici (Vom Zustand
des deutschen Reichs), 1672 De iure naturae et gentium libri octo (Vom
Naturrecht und Völkerrecht acht Bücher) und in kürzerer Fassung 1673 De officio
hominis et civis (Von der Pflicht des Menschen und Bürgers mit drei Arten der
Pflichten des Menschen gegenüber Gott, gegenüber sich selbst und gegenüber dem
Mitmenschen). Dabei verwertet er die neuen naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse umfassend und bildet in geometrischer Art für das private Recht
ein Gesamtsystem von Vernunftsätzen, die dem vernünftigen Einzelnen einleuchten
müssen (Naturrecht als Pflichtenlehre).
Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 147, 148, 159, 165, 166, 206;
Severinus de Monzambao (Samuel von Pufendorf), De statu imperii Germanici,
1667, hg. v. Salomon, F., 1910; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927;
Platz, J., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 306; Denzer, H.,
Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel von Pufendorf, 1972; Palladini, F.,
Discussioni seicentesche su Samuel Pufendorf, 1978; Randelzhofer, A., Die
Pflichtenlehre bei Samuel von Pufendorf, 1983; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 232, 282; Döring, D., Pufendorf-Studien, 1992;
Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers, hg. v. Luig, K., 1994; Behme,
T., Samuel von Pufendorf, 1995; Samuel Pufendorf und die Frühaufklärung, hg. v.
Palladini, F. u. a., 1996; Samuel Pufendorf, Gesammelte Werke, hg. v.
Schmidt-Biggemann, W., Bd. 1ff 1996ff.; Samuel Pufendorf und seine Wirkungen,
hg. v. Geyer, B. u. a., 1997; Palladini, F., La Biblioteca di Samuel Pufendorf,
1999; Müller S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Haas, J.,
Die Reichstheorie in Pufendorfs Severinus de Monzambano, 2006; Späthumanismus
und reformierte Konfession, hg. v. Strohm, C. u. a., 2006, 293
Pulltag
(M.) Zinshühnertag
Lit.: Loch, A., Der
Pulltag, ZRG GA 48 (1928), 448
Punitur ne peccetur (lat.). Bestraft wird, damit kein Unrecht geschieht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Punitur quia peccatum est (lat.). Bestraft wird, weil Unrecht begangen wurde.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Pupillarsubstitution ist
im klassischen römischen Recht die Bestimmung eines Nacherben für einen (als
Erben eingesetzten) unmündigen Abkömmling durch den Erblasser hinsichtlich des
vererbten und des von dritter Seite empfangenen Vermögens für den Fall, dass
der Abkömmling vor Erreichung der Mündigkeit stirbt (Institutionen 2.16).
Lit.: Kaser § 68 II 5b; Söllner § 11;
Köbler, DRG 38
pupillus (lat.
[M.]) Mündel
Purgold, Johannes (um 1470-Eisenach nach 1534) ist von 1490 bis 1534 Stadtschreiber von → Eisenach. 1503/1504 bearbeitet er das Eisenacher Rechtsbuch des Johannes Rothe in einem in 3 Handschriften erhaltenen, in 12 Bücher eingeteilten Rechtsbuch, das er später ergänzt. Er hat juristische Kenntnisse, ohne dass er als Student der Rechtswissenschaft nachweisbar ist.
Lit.: Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts, hg. v. Ortloff,
F., 1860, Neudruck 1967; Johannes Rothe, Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi,
P., 1950, XIV; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990,
57f.
putare (lat.) glauben, meinen
putatitv, Adj., vermeintlich,
eingebildet, irrtümlich (z. B. Putativnotstand)
Pütter, Johann Stephan (Iserlohn 23. 6. 1725-Göttingen 12. 8. 1807), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1738, Wolff), Halle (Heineccius, Böhmer, Ludewig), Jena (Estor) und Marburg (mit 19 Jahren) 1744 Rechtslehrer in Marburg und 1746 (mit 21 Jahren) Professor in → Göttingen. Dort wird er der bedeutendste Staatsrechtslehrer seiner Zeit. Daneben ist er der erste wirkliche Verfassungsgeschichtler, gibt den Anstoß zu Überlegungen zu juristischer Systematik, bereitet die moderne Rechtsvergleichung vor und legt mit der Lehre vom → geistigen Eigentum den Grund für ein fortschrittliches → Urheberrecht.
Lit.: Pütter, J., Neuer Versuch einer juristischen Encyclopädie
und Methodologie, 1767; Pütter, J., Institutiones iuris publici Germanici,
1770; Pütter, G., Der Büchernachdruck, 1774; Pütter, G., Historische
Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Teil 1ff. 1786, Neudruck 2001; Mohl,
R. v., Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1856, 425;
Schlie, U., Johann Stephan Pütters Reichsbegriff, 1961; Marx, H., Die
juristische Methode der Rechtsfindung, Diss. jur. Göttingen 1967; Ebel, W., Der
Göttinger Professor Johann Stephan Pütter, 1975; Rechtswissenschaft in
Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 75
Q
Quadripartitus ist
das um 1114 entstandene, in vier Teile gegliederte, in zwei Teilen erhaltene
anglolateinische Rechtsbuch, in dem ein Weltgeistlicher kontinentaler Herkunft
angelsächsische Gesetze in die lateinische Sprache übersetzt und um 1100
entstandene Staatsschriften sammelt. Teil 3 ist vermutlich in den (lat.) →
Leges (F.Pl.) Henrici Primi erhalten.
Lit.:
Liebermann, F., Quadripartitus, 1892; Richardson, H./Sayles, G., Law and
Legislation, 1966
quadrupes (lat.
[Adj., M., F.]) vierfüßig, Vierfüßler
Lit.: Köbler, DRG 27, 48
quadruplum (lat.
[N.]) Vierfaches
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 48, 65
quaestio (lat. [F.]) Frage, Untersuchung
(z. B. quaestio lance et licio, Haussuchung mit Schüssel und Schurz? im
römischen Recht gegenüber einem des Diebstahls Verdächtigen, etruskisch?)
Lit.: Köbler, DRG 34; Bazan, B./Wippel, J., Les questions disputées,
1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; 385
Quaestiones ac monita
(lat.) ist der Name für eine vielleicht zwischen 967 und 1019 entstandene, in
einer Handschrift des 11. Jh.s der Abtei Susa (Piemont) gefundene Sammlung von
kurzen Stücken des salfränkischen, langobardischen und römischen Rechts.
Lit.: Conrat, M., Geschichte der Quellen, 1891, 67, 274
quaestor (lat.
[M.]) Sucher, Frager, Ermittler (von Vermögenswerten)
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 18
quanti interest (lat.) was es
ihm wert ist
Lit.: Köbler, DRG 42
Quantifizierung
Lit.:
Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, ZRG GA 116
(1999), 482
quanto locupletior (lat.) um
wieviel reicher
Lit.: Köbler, DRG 36
Quarta (F.) Falcidia (lat.)
ist im klassischen römischen Recht das falzidische Viertel des Vermögens, das
nach einer lex Falcidia (40 v. Chr.) der Erblasser zugunsten der Erben von
Belastungen durch Vermächtnisse unberührt lassen muss.
Lit.: Kaser §§ 67 II 3, 76 V 2, 77 II
6; Söllner § 15; Köbler, DRG 39
Quartierlast ist
die nach Anfängen in Spätantike und Frühmittelalter seit dem 15. Jh. deutlicher
erkennbare Belastung der Bevölkerung mit einer Unterbringungslast zugunsten von
Soldaten.
Lit.: Löbel, K., Naturalleistungen, Diss. jur. Leipzig 1908;
Böhmert, H., Die Quartierleistungspflicht, Diss. jur. Leizpig 1937; Paetzold,
F., Das Bundesleistungsgesetz, Diss. jur. Göttingen 1961
Quasidelikt ist das
dem Delikt nahestehende, aber kein Delikt seiende Schuldverhältnis des
spätantiken römischen Rechts (Institutionen 4.5, z. B. Schädigung durch
Übernahme einer überfordernden Aufgabe, Rechtsbeugung, Auswerfen und Ausgießen
aus einem Haus).
Lit.: Kaser §§ 36 IV, 46 III 3, 51 VI; Köbler, DRG 62;
Feenstra, R., Die Quasi-Delikte bei Hugo Grotius, (in) Iurisprudentia
universalis, 2002, 175
Quasikontrakt ist
das kein Vertrag seiende, aber dem Vertrag nahestehende Schuldverhältnis des
spätantiken römischen Rechts (Institutionen 3.27, z. B. Gemeinschaft,
Geschäftsführung ohne Auftrag, Vormundschaft, Auseinandersetzung von
Miteigentum, Auseinandersetzung von Erbschaft, Vermächtnis, irrtümliche
Leistung auf eine nicht bestehende Schuld).
Lit.: Kaser §§ 38 I 2, 43 II 2, 44 II
1; Köbler, DRG 62
Quattuor doctores (lat. [M.Pl.)
sind (die) vier (besonders bekannten) Lehrer des römischen Rechts im 12. Jh.
(Bulgarus, Hugo, → Jacobus, → Martinus).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 106; Pace, G.,
Garnerius Theutonicus, Rivista internazionale di diritto comune 2 (1991), 123;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Quedlinburg
Lit.: Quedlinburgische
Geschichte, Bd. 1f. 1922; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980
Querela (F.) inofficiosi testamenti (lat.) ist seit dem klassischen römischen Recht die Beschwerde des pflichtwidrigen Testamentes, mit der Kinder und Geschwister eines freigeborenen Erblassers ein Testament vor den Zentumviri, später im Kognitionsverfahren, anfechten können, wenn es gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen.
Lit.: Kaser §§ 9 I 1, 59 I, 65 II 2,
70 I; Köbler, DRG 38, 60
Quesnay, François
(1694-1774) ist der bekannteste Vertreter des → Physiokratismus.
Lit.: Köbler, DRG 134; Guyot, Y.,
Quesnay et la physiocratie, 1896
Quidquid non agnoscit glossa, non
agnoscit curia (lat.). Was die → Glosse (als
Ergebnis der Tätigkeit der → Glossatoren) nicht anerkennt, anerkennt das
Gericht nicht.
Lit.:
Landsberg, E., Über die Entstehung der Regel Quicquid non agnoscit glossa, nec agnoscit
forum, 1880
Qui tacet consentire videtur (lat.). Wer schweigt, scheint zuzustimmen. Nach Ansicht der
Kanonisten und Legisten des 13. Jh.s ist die Anwendbarkeit dieses Satzes von
Fall zu Fall zu prüfen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Bonifaz VIII. um 1235-1303, Liber sextus [1298] 5, 13,
43); Schwartze, S., Qui tacet, consentire videtur, 2003
quinquaginta decisiones (lat. [F. Pl.]) fünfzig Entscheidungen, eine Sammlung Tribonians von 50 Konstitutionen
Justinians zur Klärung rechtlicher Streitfragen
Quittung ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte schriftliche Empfangsbekenntnis des Gläubigers einer Schuld.
Lit.: Kaser § 53 I 1; Dilloo, W., Die Quittung, Diss. jur.
Berlin 1895; Dryander, G., Die rechtliche Bedeutung der Quittung, Diss. jur. Greifswald 1899
Quod non est in actis non est in
mundo (lat.).
Was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der
Welt (frühe Neuzeit).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Erdmann, J., Quod
non est in actis, 2007
Quod omnes tangit debet ab omnibus
approbari
(lat.). Was alle betrifft, muss von allen
gutgeheißen werden.
Lit.: Post, G., Studies in Medieval Legal Thought, 1964,
163; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Codex Justinianus 5, 59,
5 § 2 am Ende, 534)
Quot homines tot sententiae (lat.). Wie viele Menschen, so viele Meinungen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Terenz, 2. Jh. n. Chr., Phormio 454)
Quote (F.) Anteil
Lit.: Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadensersatzrecht,
1977
R
Rabatt
(M.) Nachlass, Preisnachlassw
Lit.: Matz, J., Die
Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005
Rabel, Ernst (Wien 28. 1. 1874-Zürich 27. 9. 1955), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium in Wien (Ludwig Mitteis) und einer kurzen Tätigkeit als Anwalt außerordentlicher Professor in Leipzig, ordentlicher Professor in Basel (1906), Kiel (1910), Göttingen (1911), München (1916) und Berlin (1926), ehe er unter dem Druck des → Nationalsozialismus 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika auswandert. Von der vergleichenden Rechtsgeschichte herkommend fördert er maßgeblich die Rechtsvergleichung zwecks Findung allgemein annehmbarer Lösungen moderner Rechtsprobleme.
Lit.: Rabel, E., Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1f. 1936ff.;
Wolff, H., Ernst Rabel, ZRG RA 73 (1956), XI; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 571ff.; Kunze, R., Ernst Rabel und
das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht,
2004; Utermark, T., Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung bei Ernst Rabel,
2005
Rache ist die
Vergeltung einer tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsverletzung durch den
Verletzten. Sie ist → Selbsthilfe (→ Fehde). Sie wird seit dem
frühen Recht vom staatlichen Gewaltmonopol zurückgedrängt und allmählich
vollständig ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 32 II 1; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 26,
70, 71, 74, 91; Günther, L. Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Beyerle, F.,
Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Genzmer, F., Rache,
Wergeld und Klage im altgermanischen Rechtsleben, Wiss. Ak. des NSD.
Dozentenbundes 1941, 280; La Vengeance 400-1200, hg. v. Barthélemy, D u. a.,
2006
Rachinburge (lat.-afrk.
rachinburgius [M.]) ist vom 6. bis zum 8. Jh. der erfahrene Franke, der auf
dem Malberg gemeinschaftlich mit meist 6 anderen Rachinburgen das Urteil
findet. Er wird teils als Ratsbürge, teils als Rechenbürge erklärt. Zwischen
770 und 780 ersetzt König Karl der Große die Rachinburgen durch ständige →
Schöffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Sohm, R., Die
fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Hübner, R.,
Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni
homines, 1981, 50; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Köbler, G.,
Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993
Radbruch, Gustav
Lambert (Lübeck 21. 11. 1878-Heidelberg 23. 11. 1949), Kaufmannssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in München, Leipzig (Sohm, Binding) und Berlin in Heidelberg
(Lilienthal) außerordentlicher Professor, danach ordentlicher Professor in
Königsberg, 1919 in Kiel, 1926 in Heidelberg sowie nach Ende der im Mai 1933
angeordneten Entlassung aus dem öffentlichen Dienst 1945 wieder in Heidelberg.
1921/2 und 1923 wirkt er als sozialdemokratischer Reichsjustizminister, der
sich für Sicherung und Resozialisierung als Strafzwecke einsetzt. In seinen neukantianischen
Grundzügen der Rechtsphilosophie betont er zunächst unter Verneinung des
Naturrechts Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und soziale Zweckmäßigkeit, nach
1945 vor allem den Vorrang des übergesetzlichen Rechtes vor dem mit Hilfe eines
Gesetzes geschaffenen Unrecht.
Lit.: Köbler, DRG 236; Radbruch, G., Rechtsphilosophie, 8.
A. 1973; Spendel, G., Gustav Radbruch, 1967; Otte, H., Gustav Radbruchs Kieler
Jahre 1919-1926, 1982; Radbruch, G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1987ff.(Bd. 20
Gesamtregister 2003); Adomeit, K., Gustav Radbruch, NJW 1999, 3465; Durth, H.,
Der Kampf gegen das Unrecht, 2001; Wiegand, M., Unrichtiges Recht, 2004; Klein,
M., Demokratisches Denken bei Gustav Radbruch, 2007
Rädelsführer ist,
wer eine führende Rolle in einer kleineren Gruppe von Menschen (Straftätern)
einnimmt. Der R. wird in der Neuzeit in einzelnen Straftatbeständen besonders
hervorgehoben.
Rädern ist die
jedenfalls bereits im Frühmittelalter bezeugte, unter Verwendung eines Rades
entweder durch Brechen des Rückgrats oder der Körperglieder erfolgende →
Todesstrafe.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, H., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 496;
Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 106, 204; Scheele, F., di
sal man alle radebrechen, Bd. 1 1992; Am Anfang war das Rad, hg. v. Kemper, P.,
1997
Radfahrer ist der Nutzer des in Mannheim
1817 von Karl Drais erfundenen Fahrrads.
Lit.: Schubert, W.,
Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122
(2005), 194
Radizierung (F.)
Verdinglichung, Verknüpfung mit einem Recht an einer Liegenschaft
Radolfzell am
Bodensee wird 1100 Begünstigter eines von Kaiser Heinrich IV. dem Abt von
Reichenau für R. verliehenen Marktrechts. 1267 wird es Stadt. Am 18. 12. 1506
erlässt König Maximilian für die im 14. Jh. an Habsburg gelangte Stadt eine
handschriftlich überlieferte, die malefitz-Recht benannte Halsgerichtsordnung,
die eine Indizienlehre für die Folter noch nicht kennt.
Lit.: Albert, P., Geschichte der Stadt Radolfzell, 1896;
Ruoff, F., Die Radolfzeller Halsgerichtsordnung von 1506, 1912; Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, hg. v. Schmidt, E., 1949; Geschichte
der Stadt Radolfzell, hg. v. Götz, F., 1967
Raetia →
Rätien
Ragusa
Lit.:
Bjelovučič, H., The Ragusan republic, 1970; Mitić, I., Die
Republik Ragusa, ZRG GA 101 (1984), 301; Steindorff, L., Noch einmal Dubrovnik,
ZRG GA 103 (1986), 248
Raiffeisengenossenschaft ist die von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (Hamm/Sieg 30. 3. 1818-Neuwied 11. 3. 1888) nach 1847 gegründete ländliche Selbsthilfekreditgenossenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 174, 177; Werner, W., Zur Vorgeschichte
der österreichischen Raiffeisenbewegung, 1993; Klein, W., Werk und Nachwirkung
des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 1997
Raimundus Lullus (Ramon
Lull) ist der auf Palma de Mallorca zwischen 1232 und 1235 geborene, länger am
Hof des Königs von Aragonien lebende, 1315 oder 1316 verstorbene Gelehrte,
dessen Philosophie und Methodik die Rechtswissenschaft beeinflusst (z. B. Liber
principiorum iuris [Buch der Rechtsgrundsätze], ars iuris [Kunst des Rechtes],
ars de iure [Kunst vom Recht], ars brevis quae est de inventione mediorum iuris
civilis [Kurze Kunst über die Erfindung von Mitteln des Zivilrechts, liber de
modo applicandi novam logicam ad scientiam iuris et medicinae [Buch über die
Art der Anwendung der neuen Logik auf die Wissenschaft des Rechts und der
Medizin]).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 487
Raimund von Peniaforte → Raymundus de
Penyafort
Rainerius de Forlivio
ist ein wohl am Ende des 13. Jahrhunderts in Forli geborener, in Bologna
ausgebildeter, in Castel San Piero, Pisa und Padua lehrender, 1358 verstorbener
Jurist (Kommentare, additiones, repetitiones, Traktate, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 734
Raitkammer (Rechnungskammer,
Finanzbehörde [König
Maximilians in Tirol 1491])
Raleigh, William (†1250) wird 1214 Schreiber
bei dem Richter Martin Pateshul, 1229 Richter, 1234 Richter an King’s Bench, 1239
Bischof von Norwich und 1252 Bischof von Winchester. Er gilt teilweise als
bedeutendster Richter des mittelalterlichen → England.
Lit.: Meekings, C., Studies in the 13th Century justice,
1981
Randa, Antonín
(1834-1914) wird nach dem Rechtsstudium in Prag dort 1862 außerordentlicher
Professor, 1868 ordentlicher Professor und 1904 Minister. Er ist der wichtigste
Vertreter der tschechischen Rechtswissenschaft des 19. Jh.s.
Lit.: Randa jubilejni památnik, 1934; Antologie ceské
právní vedy, 1993, 113
Rang ist die
bestimmte Stufe innerhalb einer Ordnung. Bedeutsam ist dabei vor allem auch ein
R. eines Sachenrechtes für die Reihenfolge der Befriedigung bei zur
Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichendem Vermögen des Schuldners in der
Einzelzwangsvollstreckung. Hier gilt bereits im römischen Recht der Grundsatz
der Priorität (einer bestimmten vom Recht dafür festgelegten Handlung), der
allerdings durchbrochen werden kann. Im geltenden deutschen Recht dient auch
die → Vormerkung der Sicherung des Ranges.
Lit.: Kaser §§ 31 I 1c, 31 III 3; Hübner; Hedemann, J., Die
Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 2, 1935, 5, 21, 78 u.
ö.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Ranshofen am Inn ist
Ort einer bayerischen Pfalz, in der 985/995 ein Gesetz (lat. [F.]
constitutio) des Herzogs erlassen wird, das sich mit der Flucht und den
Handlungen Unfreier befasst.
Lit.: Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929, 167
Rantzau bei Plön
ist Sitz einer reichsunmittelbaren Grafschaft, in deren Gut Ascheberg der Graf
1739 mit der Abschaffung der Leibeigenschaft beginnt.
Lit.: Köbler, DRG 174; Ranert, M., Die Grafschaft Rantzau,
1840
Ranulf de → Glanvill
rapina (lat. [F.]) Raub
Lit.: Kaser § 51 IV; Köbler, DRG 49, 65; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961
raptus (lat. [M.])
Raub, Vergewaltigung
Rasen (M.) ist die
grasbewachsene Erde. Der R. kann als Rechtssymbol Verwendung finden. Im
altnordischen Recht erscheint das Gehen unter den R. bei der Begründung der
Blutsbrüderschaft, beim Gottesurteil und bei der Sühne eines Unrechtserfolges.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 163; Maurer, K., Vorlesungen über
altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 5 1910, 672
Rasse ist die durch
kennzeichnende gleiche Merkmale abgrenzbare Art einer Gattung von Lebewesen. In
Anlehnung an die Vererbungslehre Gregor Mendels entwickelt Adolf →
Hitler die ideologische Vorstellung vom Vorzug der arischen Rasse insbesondere
gegenüber den Juden und „Nichtariern“. Die Anwendbarkeit der Vorstellung der R.
auf den Menschen ist in der Gegenwart zweifelhaft geworden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 135; Nicolai, H., Grundsätzliches über das
Verhältnis von Rasse und Recht, Deutsches Recht 1934, 74; Stuckart, W./Globke,
H., Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz, Ehegesundheitsgesetz, 1936; Meyer,
H., Rasse und Recht bei den Germanen und Indogermanen, 1937; Schmuhl, H., Rassenhygiene,
Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rüthers, B., Recht als Waffe des
Unrechts, NJW 1988, 2825; Weingart, P./Kroll, J./Bayertz, K., Rasse, Blut,
Gene, 1988; Historische Rassismusforschung, hg. v. Danckwortt, B. u. a., 1995;
Hetzel, M., Die Anfechtung der Rassenmischehe, 1997; Zwerger, J., Was ist
Rassismus? 1997; Senn, M., Die Verrechtlichung der Volksgesundheit, ZRG 116
(1999), 407; Puschner, U., Die völkische Bewegung, 2001; Simon, J.,
Kriminalbiologie und Zwangssterilisation, 2001; Essner. C., Die Nürnberger
Gesetze, 2002; Przyrembel, A., Rassenschande, 2003; Huonker, T., Diagnose
Moralisch defekt, 2003; Rassenforschung a Kaiser-Wilhelm-Instituten, hg. v.
Schmuhl, H., 2003; Fredrickson, G., Rassismus, 2004
Rat ist der
Vorschlag für ein Verhalten und von dort abgeleitet eine Gruppe beratender
Menschen. In der Stadt erscheint nach antikem und italienischem Vorbild (Pisa,
Mailand, Asti, Genua, Arezzo, z. T. noch 11. Jh.) seit dem Ende des 12. Jh.s
ein R. (Speyer 1188, Basel 1190) als oberstes, den Stadtherrn ablösendes oder
ergänzendes Herrschaftsgremium der ratsfähigen Geschlechter (mit meist
zwischen 12 und 20, gelegentlich aber auch bis zu 400 Ratsherren, sowie dem →
Bürgermeister als Vorsitzendem). Wenig später umgeben sich auch König und Landesherren
mit einem R. (Hofrat, Reichshofrat, Staatsrat). Verstärkt werden dabei seit
1430 Juristen einbezogen. In der späteren Neuzeit entwickelt sich etwa auch ein
Bundesrat, Reichsrat, Nationalrat, Ministerrat, Rat der Volksbeauftragten,
Parlamentarischer Rat, Betriebsrat, Zentralrat oder Europarat.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 11, 112, 113, 115,
149, 150, 153; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Hoch, C.
Frhr. v., Der österreichische Staatsrath, 1879, Neudruck 1972; Domke, W., Die
Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Koehne, C., Der Ursprung der
Stadtverfassung, 1890; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Tait, J., The
origin of town councils, English Historical Review 44 (1929), 177; Tait, J.,
The common council of the borough, The English Historical Review 46 (1931), 1;
Köthe, J., Der fürstliche Rat, 1938; Vogelgesang, G., Kanzlei- und Ratswesen,
1939; Schlotterose, B., Die Ratswahl in den deutschen Staaten des Mittelalters,
Diss. phil. Münster 1953 masch.schr.; Pitz, E., Die Entstehung der
Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Hess, U., Geheimer Rat, 1962; Eisenhardt, U.,
Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Laufs, A., Die
Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil, 1963; Lieberich, H., Die gelehrten
Räte, Zs. f. bay. LG. 27 (1964), 120; Schott, C., Rat und Spruch der
Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Rabe, H., Der Rat der
niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Moraw, P., Beamtentum und Rat König
Ruprechts, ZGO 116 (1968), 59; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Histoire
comparée de l’Administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Heydenreuter,
R., Der landesherrliche Hofrat, 1981; Schulten, G., Entstehung und Entwicklung
des Ratswesens, Diss. phil. Tübingen 1982; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und
Urkundenwesen, 1986; Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig,
1986; Die Rolle der Juristen, hg. v. Schnur, R., 1986; Fischer, S., Der Geheime
Rat, 1987; Rosch, G., Der venezianische Adel, 1989; Engel, E., Die deutsche
Stadt des Mittelalters, 1993; Reinle, C., Ulrich Riederer (ca. 1406-1462),
1993; Koch, B., Räte auf deutschen Reichsversammlungen, 1999; Noflatscher, H.,
Räte und Herrscher, 1999; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de
Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Ratsprotkolle der Stadt Kaiserslautern
1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002; Poeck, D., Rituale der Ratswahl, 2003
Rat der Volksbeauftragten
ist das am 10. 11. 1918 gebildete vorläufige Regierungsorgan des Deutschen
Reiches mit 6 Mitgliedern, das am 11. 11. 1918 mit den alliierten Siegermächten
des ersten Weltkrieges einen Waffenstillstand schließt und am 10. 2. 1919 die
Macht an die Nationalversammlung abgibt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Hock, K., Die
Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, 1987; Melzer, L., Die
Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, Diss. jur. Hamburg 1988; Roß, S.,
Biographisches Handbuch der Reichsrätekongresse, 2000
Rätebewegung ist
die politische Bewegung des 20. Jh.s, welche die Lenkung eines Gemeinwesens durch
Räte (Arbeiterräte usw.) anstrebt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Tormin, W., Zwischen
Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Kolb, E., Die Arbeiterräte, 1962;
Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Der Zentralrat
der Deutschen Sozialistischen Republik, hg. v. Kolb, E. u. a., 1968; Matthias,
E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970; Die Rätebewegung, hg. v. Hillmann,
1970; Dähn, Rätedemokratische Modelle, 1975
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe → Comecon
Rathaus ist das vom
Rat der Stadt für seine Bedürfnisse seit dem 13. Jh. geschaffene Haus (z. B.
Volterra, Siena, Florenz, Lübeck, Stralsund, Brügge, Brüssel, Goslar, Paderborn,
Rothenburg, Nürnberg, Schwäbisch Hall oder Augsburg).
Lit.: Stiehl, O., Das deutsche Rathaus, 1905; Gruber, K.,
Das deutsche Rathaus, 1943; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München,
1972; Das Rathaus im Kaiserreich, hg. v. Mai, E. u. a., 1982; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Albrecht, S., Mittelalterliche
Rathäuser in Deutschland, 2004
Rätien ist das
Siedlungsgebiet der nichtindogermanischen Räter um den oberen Inn, das 15 v.
Chr. von den Römern erobert wird und im 5. Jh. an die Alemannen übergeht. Im
Frühmittelalter gilt dort die (lat.) → Lex (F.) Romana Curiensis (römisches
Recht Churrätiens).
Lit.: Köbler, DRG 28; Baldauf, O., Das karolingische
Reichsgut in Unterrätien, 1930; Heuberger, R., Raetia, Klio 24 (1931), 348;
Heuberger, R., Rätien im Altertum und Frühmittelalter, 1932; Clavadetscher, O.,
Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Clavadetscher, O.,
Nochmals zum churrätischen Reichsgutsurbar aus der Mitte des 9. Jahrhunderts,
ZRG G 76 (1959), 319; Dilger, A., Textkritische Untersuchungen einer
Handschrift aus der römischen Provinz Raetia II, ZRG GA 88 (1971), 172; Müller,
I., Glanz des rätischen Mittelalters, 1971; Die Bayern und ihre Nachbarn, Bd. 1
1985; Clavadetscher, O., Rätien im Mittelalter, 1994 (Aufsätze); Erhart, P. u.
a., Urkundenlandschaft Rätien, 2004; Kakoschke, A., Die Personennamen in der
römischen Provinz Rätien, 2008
Ratingen
Lit., Redlich, O. u.
a., Geschichte der Stadt Ratingen, 1926; Quellen zur Rechts- und
Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte, Bergische Städte, Ratingen,
bearb. v. Redlich, O., 1928
Rationalismus ist die von René Descartes (1596-1650) begründete Denkhaltung, die allein von der Vernunft und von allgemeinen logischen Ableitungen aus Grundeinsichten (Axiomen) her deduktiv zur Wahrheit gelangen will.
Lit.: Köbler, DRG 136; Cassirer, E., Descartes, 1939; Schmidt,
G., Aufklärung und Metaphysik, 1965; Flasch, K., Das philosophische Denken im
Mittelalter, 1986; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus? 1996
Ratsgerichtsbarkeit ist
die seit dem ausgehenden 12. Jh. vom → Rat der Stadt von der niederen Strafgerichtsbarkeit
her allmählich erlangte Zuständigkeit in Gerichtsangelegenheiten. Sie ist in
den Einzelheiten örtlich ziemlich verschieden gestaltet.
Lit.: Wackernagel, J., Die Entstehung der städtischen
Ratsgerichtsbarkeit im Mittelalter, FG der Basler Juristenfakultät zum
Schweizer Juristentag, 1920, 113; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben, 1954;
Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Hirsch, H., Die hohe
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch,
1961; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980
Ratsherr ist das
einzelne Mitglied des → Rates einer → Stadt.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Rabe,
H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Spieß, W., Die
Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 2. A. 1970
Ratsurteil → Ratsgerichtsbarkeit
Ratsverfassung →
Rat
Raub (lat. [F.] rapina)
ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache mit Gewalt gegen einen
Menschen oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib
und Leben in der Absicht, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Im Mittelalter
gilt der (offene) R. als weniger verbrecherisch als der (heimliche) Diebstahl.
Rechtsfolge ist meist die Enthauptung (statt des Hängens).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 49, 123, 158;
Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R.,
Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Radbruch, G., Der Raub in der Carolina, FS M. Pappenheim, 1931, 37; Dahm, G.,
Das Strafrecht Italiens, 1931, 482; Leesment, L., Pflugraub im Mittelalter, ZRG
GA 58 (1938), 534; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951;
Landmesser, M., Der Raub, Diss. jur. Mainz 1966; Küther, C., Räuber und Gauner
in Deutschland, 1976; Danker, U., Räuberbanden im alten Reich, 1988; Lange, K.,
Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und
Gauner, 2001; Schüßler, M., Raubüberfälle auf Hansekaufleute, ZRG 120 (2003), 355
Raubehe ist die
angeblich durch → Raub einer → Frau begründbare → Ehe.
Lit.: Hübner 626; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883
Räuber → Raub
Lit.:
Danker, U., Räuberbanden im alten Reich um 1700, 1988; Schurke oder Held?, hg.
v. Siebenmorgen, H., 1995; Schubert, E., Räuber und Henker, 2007
Raubritter ist der
im Spätmittelalter nach Verlust seiner Bedeutung im Heereswesen Raub als
Unterhaltsgewinnungsmittel betreibende Ritter (z. B. Eppelein von Gailingen in
Franken).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rösener, W., Zur Problematik des
spätmittelalterlichen Raubrittertums, FS B. Schwineköper, 1982, 469; Görner,
R., Raubritter, 1987; Andermann, U., Ritterliche Gewalt und bürgerliche
Selbstbehauptung, 1991; Raubritter, hg. v. Andermann, K, 1997
Ravanis → Jacobus de Ravanis
Ravenna im
Mündungsdelta des Po ist im 5. Jh. Residenz des weströmischen Kaisers und
seiner Nachfolger (u. a. Theoderichs des Großen). Vielleicht besteht dort im
11. Jh. eine Rechtsschule. 1440 gelangt R. an Venedig, 1509 an den Kirchenstaat
und 1870 an → Italien (1861).
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 1 2. A. 1834, 337; Deichmann, F., Ravenna,
Bd. 1ff. 1969ff.; Storia di Ravenna, hg. v. Susini, G. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Ravensberg
Lit.: Riepenhausen, H.,
Die bäuerliche Siedlung des Ravensberger Landes bis 1770, 1938
Ravensburg an der Schussen wird vielleicht schon vor 1276 Reichsstadt. Zwischen 1380 und 1530 ist R. Sitz der großen Ravensburger Handelsgesellschaft der Patrizier Humpiß, Mötteli und Muntprat, die Leinwandhandel im Süden und Westen Europas betreibt. Sie unterliegt am Beginn der Neuzeit der neueren Wirtschaftsgesinnung der Augsburger Kaufleute.
Lit.: Heyd, W., Beiträge zur Geschichte des deutschen
Handels, 1890; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger
Handelsgesellschaft, Bd. 1ff. 1923, Neudruck 1964; Die älteren Stadtrechte der
Reichsstadt Ravensburg, bearb. v. Müller, K., 1924; Rehme, P., Das rechtliche
Wesen der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, ZRG GA 47 (1927), 487;
Steiner, H., Das Familien- und Erbrecht der Stadt Ravensburg, Diss. jur.
München 1959; Dreher, A., Geschichte der Stadt Ravensburg, 1972; Lutz, E., Die
rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Eitel, P., Die
große Ravensburger Handelsgesellschaft, 1985; Lutz, A., Zwischen Beharrung und
Aufbruch, 2005
Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte)
(Villafranca de Penades bei Barcelona um 1180-Barcelona 6. 1. 1275), hochadliger Katalane, wird nach dem Rechtsstudium
in Bologna Rechtslehrer in Bologna, Dominikaner und Pönitentiar an der Kurie,
1238 Generalmagister der Dominikaner. 1222/1229 verfasst er eine (lat.) Summa
(F.) de casibus conscientiae (Summe über Fälle des Gewissens) bzw. Summa de poenitentia
(Summe über die Reue), mit der er die Entwicklung des Strafrechts beeinflusst,
und 1230/1234 den die nachgratianischen → Dekretalen der Päpste sammelnden
(lat.) → Liber (M.) extra.
Lit.: Köbler, DRG 102; Schwertner, T., St. Raymond of
Pennafort, 1935; Valls Taberner, F., San Ramon de Peniaforte, 1936; Kuttner,
S., Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae, ZRG KA 70
(1953), 419; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 287
Raymund von Wiener Neustadt (?)
ist der unbekannte(, möglicherweise unter der Herrschaft der Anjou von Italien
nach Ungarn gezogene) Verfasser einer (lat.) Summa (F.) legum brevis levis et
utilis (Kurze, leichte und nützliche Gesetzessumme) des ausgehenden 13. oder
frühen 14. Jh.s, die das römische Privatrecht, Staatsrecht, Strafrecht und
Strafverfahrensrecht im dreigeteilten Schema (des Gaius) von Personen, Sachen
und Klagansprüchen populär darstellt und auf ein davon abweichendes
(ostmitteleuropäisches) Recht hinweist. Die Summe stammt vielleicht aus Italien
(Neapel?). Die Mehrheit der in der Gegenwart bekannten 15 Handschriften ist im
polnisch-slowakischen Gebiet erhalten, zu dem auch sachlich gewisse Bezüge
bestehen könnten. Vielleicht ist R..
Lit.: Tomaschek, J., Über eine in Österreich in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts geschriebene Summa legum, 1883; Bartsch, R., Das
eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Die Summa
legum brevis levis et utilis, hg. v. Gál, A., 1926
real (Adj., zu lat
res, F., Sache) sachlich, körperlich, tatsächlich
Realfolium ist das
für ein Grundstück unabhängig von der Person des jeweiligen Eigentümers
angelegte Blatt des → Grundbuches.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125
Realkontrakt →
Realvertrag
Reallast ist die dingliche
Belastung eines Grundstücks mit aus dem Grundstück zu entrichtenden
wiederkehrenden Leistungen (z. B. Verköstigung, Geld). Sie ist zwar dem
klassischen römischen und justinianischen Privatrecht unbekannt, findet sich
aber im gesamten römischen öffentlichen Recht und auch im Frühmittelalter in
Herrschaftsverhältnissen, in deren Rahmen Leistungspflichten als mit
Grundstücken verbunden betrachtet werden.. Seit dem Spätmittelalter nähert sich
die R. der Darlehenshypothek. In der frühen Neuzeit wird die R. teilweise als
hypothekarisch gesichertes Forderungsrecht angesehen, teils als
deutschrechtliche → Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus iuris Germanici.
In Frankreich wird die mit feudalem Herrschaftsrecht zusammenhängende R.
durch Dekret vom 17. 7. 1793 entschädigungslos aufgehoben. Im Gegensatz zum
österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (1811/2) nimmt das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die R. als beschränktes dingliches Recht
auf. In Österreich wird die R. in dem Grundbuchsgesetz (1871) und in der
Exekutionsordnung (1896) berücksichtigt.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Köbler,
DRG 125, 213; Schwind, E. v., Die Reallastenfrage, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 33
(1894), 1; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern, 1905; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
Reallexikon (Sachlexikon)
Lit.: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hg. v. Hoops, J.,
1911-1919, 2. A. 1973-2007 (35 Bände, 5124 Artikel, 3376 Abbildungen, 952
Tafeln, 2 Registerbände, 1443 Autoren, zahlreiche Ergänzungsbände)
real property (engl. [N.]) Liegenschaft, unbewegliche Sache
Realservitut ist die Belastung eines Grundstücks mit einer
Dienstbarkeit (Servitut) zu Gunsten eines anderen Grundstücks
(Grunddienstbarkeit z. B. Wegerecht). Das römische Recht unterscheidet
zwischen älteren Feldservituten (auf dem Land) und jüngeren Gebäudeservituten
(in der Stadt), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs zwischen
Feldservituten und Hausservituten (§§ 474ff.)..
Realteilung (F.) tatsächliche Aufteilung
Realunion ist die
verfassungsmäßig festgelegte Vereinigung zweier selbständiger Staaten unter
einheitlichem Staatsoberhaupt und mit gemeinschaftlichen Einrichtungen bzw.
Organen (z. B. Norwegen-Island seit 1263, Österreich-Ungarn 1867-1918,
Norwegen-Schweden 1815-1905, Dänemark-Island 1918). Sie ist von der bloßén
zufälligen Personalunion zu unterscheiden. Bedeutsam hierfür sind gemeinsame
Organe.
Lit.: Jellinek, G., Die Lehre von den Staatenverbindungen,
1882; Hatschek, J., Das Recht der modernen Staatenverbindung, 1909; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Realvertrag oder
Realkontrakt ist im klassischen römischen Recht und dem ihm folgenden Rechten
der durch (Willensübereinstimmung und) Hingabe einer Sache erst wirklich
zustande kommende → Vertrag (Darlehen, Leihe, Verwahrung, Pfand, im
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811/1812 auch der
Trödelvertrag, § 1086).
Lit.: Kaser § 38 II 1a; Köbler, DRG
45, 74, 91, 126, 208
Rebus sic stantibus omnis promissio intellegetur (lat.). Bei jedem Versprechen wird davon ausgegangen, dass
die Umstände gleichbleiben werden.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Seneca, 4-65 n.
Chr., De beneficiis 4, 34, 3-4, 35, Thomas von Aquin, 1225?-1274, Summa theologica
2, 2, 110, 3, rat. 5)
receptum (lat. [N.])
Garantieerklärung, Versprechen, Verpflichtung (z. B. des Bankiers [r.
argentarii], des Wirtes, des Schiffers oder des Stallwirtes)
Lit.: Kaser §§ 37 III 2, 46 III; Köbler, DRG 47, 64
recessus (M.) imperii (lat.)
Reichsabschied
Rechnung ist der
Vorgang und das Ergebnis des Erfassens und Behandelns von Gegebenheiten durch
Zahlen.
Lit.: Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer
Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000; Die ältesten Rechnungsbücher des
Klosters Scheyern 1339-1363, hg. v. Toch, M., 2000; Weiss, S., Buchhaltung und
Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003; Die Aachener
Stadtrechnungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004; Stadtkölnische
Reiserechungen, bearb. v. Militzer, K., 2007; Mihm, M. u. a., Mittelalterliche
Stadtrechnungen, 2007f.
Rechnungshof ist
das die Rechnung, die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungsmäßigkeit der
Haushaltsführung des Staates überprüfende staatliche Organ seit dem 18. Jh.
(1761 Österreich Rechen-Cammer, 1854 oberste Rechnungs-Kontroll-Behörde, 1919
Staatsrechnungshof).
Lit.: Städtehaushalt und Rechnungswesen, hg. v. Maschke, E.
u. a., 1977; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in der
konstitutionellen Monarchie, 1977; Zavelberg, H., 275 Jahre staatliche
Rechnungsprüfung, (in) Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 43; Eisenhardt,
U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Rechnungsprüfung ist
die Überprüfung einer Rechnungsgestaltung. Sie beruht auf der im 12. Jh. sich
ausbildenden Rechnungslegung.
Lit.: List, H., Die geschichtliche Entwicklung der
Rechnungsprüfung, Diss. jur. Tübingen 1998; Mersiowsky, M., Die Anfänge
territorialer Rechnungslegung, 1999
Recht (lat. ius [N.])
ist die menschliche, auf die Gerechtigkeit abstellende Sollensordnung (R. im
objektiven Sinn) und der in ihr dem Einzelnen zustehende Anspruch (R. im
subjektiven Sinn). Das R. ist ein Ergebnis des menschlichen Zusammenlebens. Es
entsteht anfangs wohl regelmäßig aus der Sitte als dem Üblichen. Hinzu kommt zu
einem unbekannten Zeitpunkt die bewusste Setzung (Gesetz, z. B. Codex Urnammu
2100 v. Chr., Codex → Hammurapi des babylonischen Königs Hammurapi [1728-1686 v. Chr.]?, Lykurg, Solon, Drakon, → Zwölftafelgesetz in Rom
451/450 v. Chr.). In Rom erfolgt die Auslegung des Gesetzes wegen der Nähe von
R. und Religion zuerst durch Priester, danach durch den rechtswissenschaftlich
gebildeten Fachmann (Rechtskundigen). Verstanden wird diese Tätigkeit als
(lat.) ars (F.) boni et aequi (Kunst des Guten und Gerechten, Celsus filius 129
n. Chr.). Der oströmische Kaiser → Justinian (527-565) fasst am Ende der
spätrömischen Zeit das römische R. in → Institutionen, → Codex und →
Pandekten (sowie → Novellen) zusammen. Das R. der Germanen ist
ungeschrieben und wohl weitgehend durch Übung entstanden. Auf einen Rechtsgott
wird es ebensowenig zurückgeführt wie in Rom. Als Gemenge von hergebrachten
Sätzen (→ Weistümer) und neuen Beschlüssen (→ Konstitutionen)
zeichnen die von den Germanen abstammenden Einzelvölker nach dem Vorbild der
Römer und der Kirche ihr R. in den sog. → Volksrechten oder Stammesrechten
zwischen dem 5. und 9. Jh. auf. Dieses R. muss nicht notwendig alt und gut
sein, obwohl es vielfach alt und anerkannt ist. Seit dem 12. Jh. wird das R.
nicht mehr personal, sondern territorial bestimmt (→ Landrecht, →
Stadtrecht). Neben das partikulare R. tritt das allgemeine (→ gemeine) R.
(kirchliches R., wiederentdecktes römisches R.). Seit dem Spätmittelalter wird
dieses in den Universitäten → gelehrte R. fast überall teilweise
aufgenommen, an die zeitgenössischen Bedürfnisse (lat. usus [M.] modernus,
moderner Gebrauch) angepasst und geordnet und der Begriff des Rechts zunehmend
positiviert. Seit dem 17. Jh. wird das R. verstärkt auf seine Natürlichkeit
bzw. Vernünftigkeit überprüft (→ Vernunftrecht, säkulares →
Naturrecht). Im Ergebnis wird es vielfach in nationalen Gesetzbüchern
festgelegt ([Bayern 1751-1756,] Preußen 1794, Frankreich 1804ff., Österreich
1811/1812, Spanien 1829ff., Italien 1865ff., Deutschland 1871ff.). Bis zur
Gegenwart steigt die Flut rechtlicher Regelungen auf allen Ebenen (Vereinte
Nationen, Europa, Staat, Provinz/Region/Land, Kommune usw.) ins
Unüberschaubare an (Deutschland 1996 ca. 85000 bundesgesetzliche Regelungen).
Vorrangige Bedeutung erlangt dabei die → Verfassung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 3, 14, 29, 47,
51, 69, 79, 108, 113, 137, 140, 149, 180, 191, 205, 226, 229, 253;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Grimm, J., Von der Poesie im
Recht, Z. f. geschichtliche Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Puchta, G., Das
Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff., Neudruck 1965; Kern, F., Über die
mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Fehr, H., Das Recht
im Bilde, 1923; Müller, G., Recht und Staat in unserer Dichtung, 1924; Holland,
T., The elements of jurisprudence, 13. A. 1924; Stammler, R., Deutsches
Rechtsleben, B. 1f. 1928ff.; Rehfeldt, B., Die Vergeistigung des Rechtes, ZRG
GA 67 (1950), 373; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953;
Rehfeldt, B., Die Wurzeln des Rechtes, 1951; Odenheimer, J., Der
christlich-kirchliche Anteil an der Verdrängung der mittelalterlichen
Rechtsstruktur und an der Entstehung der Vorherrschasft des staatlich gesetzten
Rechts im deutschen und französischen Rechtsgebiet, 1957; Krause, H., Dauer und
Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206; Schönfeld,
W., Über die Heiligkeit des Rechts, 1957; Das subjektive Recht, hg. v. Coing,
H., 4. A. 1962; Sawer, G., Law in Society, 1965; Hattenhauer, H., Zur Autorität
des germanisch-mittelalterlichen Rechtes, ZRG GA 83 (1966), 258
(Antrittsvorlesung); Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen
Recht, JuS 1967, 337; Böckenförde, E., Der Rechtsbegriff, Archiv f.
Begriffsgesch. 12 (1968), 145; Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 2. A. 1969;
Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Schmelzeisen, G., Objektives
und subjektives Recht – zu ihrem Verhältnis im Mittelalter, ZRG GA 90 (1973),
101; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; NS-Recht in
historischer Perspektive, 1981; Gmür, R., Rechtswirkungsdenken in der
Privatrechtsgeschichte, 1981; Schlosser, H., Rechtsgewalt und Rechtsbildung im
ausgehenden Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 9; Weitzel, J., Dinggenossenschaft
und Recht, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Das
römische Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Grimm, D., Recht und
Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Würtenberger, T., Zeitgeist und
Recht, 1987; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland,
Bd. 1f. 1988ff.; Henke, W., Recht und Staat, 1988; Rüthers, B., Entartetes
Recht, 2. A. 1989; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten, hg. v. Schulze, R.,
1992; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre des
18. Jahrhunderts, 1993; Recht und Verfahren, hg. v. Kroeschell, K., 1993;
Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 111
(1994), 275; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111
(1994), 315; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Gaudemet, J., Les
naissances du droit, 1997; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur
Neuzeit, Bd. 1, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Diestelkamp, B., Recht und
Gericht im heiligen römischen Reich, 1999; Blanke, H., Das Recht als Mittel der
Machtpolitik, 2002; Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. v. Cordes, A. u. a.,
2002; Rudolph, H., Rechtskultur in der frühen Neuzeit, HZ 278 (2004) 347;
Uertz, R., Vom Gottesrecht zum Menschenrecht – Das katholische Staatsdenken in
Deutschland (1789-1965), 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v.
Pahlow, L., 2005; Stier, A., „Richtiges Recht“, 2006; Röder, T., Rechtsbildung
im wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006; Rechtsveränderungen im politischen und sozialen
Kontext mittelalterlicher Rechtsvielfalt, hg. v. Esders, S. u. a., 2006;
Schröder, J., Zur Entwicklung des Rechtsbegriffs in der Neuzeit,
Gedächtnisschrift Jörn Eckert 2008, 835
Recht am Bild ist im 20. Jh.
ein → Persönlichkeitsrecht eines Menschen an den von ihm angefertigten
Abbildungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist im deutschen Recht der Gegenwart ein absolut
geschütztes Recht des § 823 I BGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Recht und Dichtung
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Fehr, H.,
Die Dichtung im Recht, 1936; Schmidt-Wiegand, R., Recht und Dichtung, HRG, Bd.
4 1985, 232
Recht zur Sache s. (lat.) ius ad rem
Rechtliches Gehör ist die rechtmäßige Anhörung eines Betroffenen. Die bereits dem griechischen (attischen) Verfahren im Altertum bekannte Notwendigkeit des rechtlichen Gehöres für ein einwandfreies Entscheidungsverfahren wird schon bei Seneca (4 v. Chr.-65 n. Chr., lat. audiatur et altera pars, es werde auch die andere Seite gehört) betont. Als eigenständiger Grundsatz tritt das rechtliche Gehör erst im Gefolge der Aufklärung hervor.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen
Gehörs, 1976, 12; Wacke, W., Audiatur et altera pars, Jur. Arbeitsblätter 12
(1980), 594; Bretschneider, T., Die Rechtsprechung des bayerischen
Verfassungsgerichtshofs, 2006
Rechtlosigkeit ist
das Fehlen der → Rechtsfähigkeit. Die R. ist in gewissem Umfang Begleiterscheinung
der ständischen Verschiedenheit vom Altertum bis ins 19. Jh. (Frankreich 1789
egalité).
Lit.: Kaser; Hübner § 14; Budde, J., Über Rechtlosigkeit,
Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842; Schröder, H., Die Rechtlosigkeit der Frau
im Rechtsstaat, 1979
Rechtsaltertum ist
die sinnlich erkennbare Erscheinung vergangenen Rechts (Gegenstände, Symbole,
Quellen, Institute).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1992, 1994; Koch, E.,
Rheinhessische Rechtsaltertümer, 1939; Höfel, O., Rechtsaltertümer Rheinhessens,
1940; Amira, K. v., Germanisches Recht, 4. A., Bd. 2, ergänzt v. Eckhardt, K.,
1967; Oestmann, P., Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter,
2000
Rechtsanwalt ist
der unabhängige fachmännische Berater und Vertreter in allen
Rechtsangelegenheiten. Er ist rechtswissenschaftlich geschult. Er erscheint
seit dem 12. Jh., wobei zeitweise zwischen → Advokat und →
Prokurator unterschieden wird. Im Gegensatz zum → Fürsprecher ist er Vertreter
in der Sache. Nach Freigabe der Rechtsanwaltschaft 1879 entwickelt sich der
Rechtsanwaltsberuf zumal in Berlin zu einer klassisch jüdischen Profession
(1933 19208 Rechtsanwälte im Deutschen Reich, etwa 5000 nichtarisch, in Berlin
1835 von 3400 = 54 Prozent jüdische Rechtsanwälte). Im 20. Jh. nimmt die Zahl
der Rechtsanwälte entsprechend der Zunahme der Studierenden der
Rechtswissenschaft (Erstsemester 1960 3173, 1970 6703, 1980 14446, 1990 15953,
2000 18455) stark zu (Deutschland 1960 18720, 1970 23599, 1980 37314, 1990
59455, 2000 110367).
Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905;
Hachenburg, M., Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927; Kollmann, Zur
Entwicklung des Ausbildungs- und Prüfungswesens, FS Laforet, 1952, 445; Dübi,
A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Huffmann, H., Geschichte
der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1969; Heinrich, R., 100 Jahre
Rechtsanwaltskammer München, 1979; Ostler, F., Die deutschen Rechtsanwälte
1871-1971, 2. A. 1982; Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von
1878, hg. v. Schubert, W., 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Holly,
G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989;
Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Die Geschichte des deutschen
Anwaltsvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Rechtsanwälte und ihre
Selbstverwaltung, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, 1998; Anwalt
ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933, hg. v.
Ladwig-Winters, S. u. a., 1998, 2. A. 2007; Neschwara, C., Die Entwicklung der
Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Roth, C., Der Weg zu einem
einheitlichen anwaltlichen Berufsrecht im wiedervereinigten Deutschland, Diss.
jur. Regensburg 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht
und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Officium advocati, hg. v. Mayali, L. u. a.,
2000; Schümann, D., Ein Beitrag zur Geschichte der mecklenburgischen
Anwaltschaft, 2000; Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft
– Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Wrabetz, P., Österreichs Rechtsanwälte,
2004; Wettmann-Jungblut, P., Rechtsanwälte an der Saar 1800-1960, 2004; Brunn,
H./Kirn, T., Rechtsnwälte – Linksanwälte 1971-1981, 2004; Rüping, H., Rechtsanwälte
im Bezirk Celle, 2006; Anwalt ohne Recht, hg. v. Bundesrechtsanwaltskammer,
2007; 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, hg. v. Pöllath, R., 2009
Rechtsanwendung (Zuordnung
oder Zurechnung von einzelnen Sachverhalten zu allgemeinen Tatbeständen, →
Subsumtion) ist die bewertende Anwendung der abstrakten Rechtssätze (Sollen)
auf konkrete Sachverhalte (Sein). Sie entsteht mit den Anfängen von Rechtsvorstellungen.
Sie erfolgt durch jedermann, insbesondere durch Urteiler und fachlich
Vorgebildete.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977; Eckert, J., Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung, Der
Staat 1998, 571; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005
Rechtsarchäologie ist
die bewusste Beschäftigung mit den Gegenständen des vergangenen Rechts
(Örtlichkeiten, Geräten, Darstellungen, Handlungen [str.],
Wort von Amira 1890). Die R. wird bereits im 17. Jh. sichtbar. Am nachdrücklichsten
ist sie wissenschaftliches Untersuchungsobjekt bei Karl von → Amira.
Lit.:
Köbler, DRG 5; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922,
1989, 1994; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Funk, W., Deutsche
Rechtsdenkmäler, 1938; Frölich, K., Mittelalterliche Bauwerke als
Rechtsdenkmäler, 1939; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Amira, K.
v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Möller, T., Sühne- und
Erinnerungsmale in Schleswig-Holstein, Nordelbingen 17/18 (1942), 89; Funk, W.,
Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297; Frölich, K.,
Stätten mittelalterlicher Rechtspflege im niederdeutschen Bereich, 1946;
Frölich, K., Denkmäler mittelalterlicher Strafrechtspflege, 1946; Frölich, K.,
Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Baltl, H., Rechtsarchäologie des
Landes Steiermark, 1957; Hopf, H., Studien zu den Bildstöcken in Franken, 1970;
Forschungen zur Rechtsarchäologie und zur rechtlichen Volkskunde, Bd. 1ff.
1978ff.; Carlen, L., Rechtsarchäologie in der Schweiz, FS H. Baltl, 1978;
Maisel, W., Archeologia prawna polski, 1982; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit,
2. A. 1989; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988;
Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992; Kocher, G., Zeichen und Symbole
des Rechts, 1992; Rechtsarchäologie und Rechtsikonographie, hg. v. Win, P. de,
1992; Carlen, L., Sinnenfälliges Recht, 1995 (Aufsätze); Bilder, Texte,
Rituale, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2000
Rechtsbehelf ist der vom objektiven Recht
gewährte Behelf zur Ermittlung subjektiver Rechte.
Lit.: Rechtsbehelfe,
Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985
Rechtsbesitz ist der Besitz eines Rechtes. Seine Möglichkeit hängt ab von dem Verständnis des → Besitzes und der Sache. Dort wo Besitz nur die tatsächliche Herrschaft über körperliche Gegenstände (Sachen [im körperlichen Sinn]) betrifft, ist R. systemwidrig. In Österreich ist R. hinsichtlich dauernder Ausübung zugänglicher Rechte möglich, die mit der Innehabung einer körperlichen Sache verbunden sind (z. B. Mietrecht).
Lit.:
Köbler, DRG 162; Wesener, G., Zur Dogmengeschichte des Rechtsbesitzes, FS W.
Wilburg, 1975, 453; Graff, J., Die Lehren vom Rechtsbesitz, Diss. jur. Köln
1983; Beermann, C., Besitzschutz bei beschränkten
dinglichen Rechten, 2000
Rechtsberatung ist die Beratung von Laien
durch Juristen in Rechtsfragen. Sie ist ursprünglich grundsätzlich erlaubt.Seit
1877 können im deutschen Reich Personen, die das Verhandeln vor Gericht
geschäftsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände in der mündlichen
Verhandlung ausgeschlossen werden (§ 143 II ZPO). Seit 1883 kann die
gewerbsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten untersagt werden. Seit
1898 kann die Justizverwaltung geschäftsmäßige Vertreter (Rechtskonsulenten)
als sog. Prozessagenten zulassen. Auf seit April 1932 verstärktes Drängen der
Rechtsanwaltschaft wird 1935 im deutschen Reich ein Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz
geschaffen, das gleichzeitig die Rechtsberatung durch jüdische Rechtskonsulenten
regelt. (1938 wird noch verbliebenen jüdeischen Rechtsanwälten der Beruf
verboten und werden 172 als Rechtskonsulenten für Juden zugelassen. Das Gesetz
wird 2007 durch das im Wesentlichen ab 1. 7. 2008 geltende
Rechtsdienstleistungsgesetz ersetzt, das den Grundsatz der Rechtsberatung
durch Volljuristen aufrechterhält, aber gewisse Einschränkungen herbeiführt..
Lit.: Rücker, S., Rechtsberatung, 2007
Rechtsbeugung ist die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Anwendung oder Nichtanwendung von Recht durch einen Richter, anderen Amtsträger oder Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei. Im römischen Recht ist dies ein Fall des (lat. [N.]) falsum (Fälschung, Betrug), das eine Strafe nach sich zieht. Im Mittelalter werden Rechtsweigerung und R. nicht klar getrennt, so dass als Folge vielfach nur ein verfahrensrechtlicher Rechtsbehelf gewährt wird. Ein besonderer Straftatbestand des Amtsverbrechens der R. wird erst von Martin 1825 gefordert. Bis zur Mitte des 19. Jh.s setzt er sich trotz geringer tatsächlicher Bedeutung durch. Seit 2003 haftet der Staat für die europarechtswidrige Rechtsanwendung seiner Höchstgerichte, die beispielsweise ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten, nach einer eindeutigen Zwischenauskunft des Europäischen Gerichtshofs ihr Vorabentscheidungsersuchen zurücknehmen und trotz einer eindeutigen Stellungnahme der Europäischen Kommission überraschend rechtswidrig gegen die Zwischenauskunft des Europäischen Gerichtshofs entscheiden (z. B. C-224/2001).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Martin, C., Lehrbuch des
deutschen gemeinen Kriminalrechts, Bd. 1f. 1821ff.; Cohn, G., Die Verbrechen im
öffentlichen Dienst, 1876; Stock, U., Entwicklung und Wesen des Amtsverbrechens,
1932; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962;
Schmidt-Speicher, U., Hauptprobleme der Rechtsbeugung, 1982; Spendel, G.,
Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Kraut, G., Rechtsbeugung, 1997;
Möller-Heilmann, B., Die Strafverfolgung 1999; Hohoff, U., An den Grenzen des
Rechtsbeugungstatbestandes, 2000
Rechtsbuch ist das
das Recht betreffende Buch bzw. die (umfassende) Aufzeichnung des geltenden
Rechts (durch eine Privatperson) (rechtbuk [= mnd. rechtbōk] Berliner
Stadtbuch 1397). Das R. ist insbesondere im Hochmittelalter und Spätmittelalter
bedeutsam, in denen es die durch spärliche Gesetzgebungstätigkeit gelassene
Lücke füllt. Das R. ist nur Rechtserkenntnisquelle. Bekannte Beispiele sind die
(lat.) Constituta (N.Pl.) usus et legis (Festgesetztes des Gebrauchs und
Rechts) bzw. Constitutum (N.) usus (Festgesetztes des Gebrauchs) von Pisa
(Mitte 12. Jh.), der Liber feudorum (Buch der Lehen), der → Sachsenspiegel,
→ Deutschenspiegel, → Schwabenspiegel, das Kleine Kaiserrecht, das
Eisenacher R., das Freisinger R., das Görlitzer R., das Mühlhäuser
Reichsrechtsbuch oder das Zwickauer R., die → Coutumes, die →
Fueros, die → Siete Partidas, der (lat.) Liber legis Scaniae, →
Gragas, → Ostgötalagh, → Westgötalagh oder die Werke des Ranulf de →
Glanvill und des Henry de → Bracton. Teilweise werden auch das (lat.)
Corpus (N.) iuris civilis oder einzelne römischrechtliche Werke (Florentiner
R., Tübinger R.) als R. verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Siegel, H., Die
deutschen Rechtsbücher, 1899; Homeyer, G., Die deutschen Rechtsbücher, neu
bearb. v. Borchling, C./Eckhardt, K./Gierke, J. v., Abteilung 2 Verzeichnis der
Handschriften 1931, Abteilung 1 Verzeichnis der Rechtsbücher, bearb. v.
Eckhardt, K., 1934; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990; Oppitz, U.,
Ergänzungen zu „Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters“, ZRG GA 113 (1996),
345, 114 (1997), 444, 117 (2000), 607, 640 (Päsler, Ralf G.), 120 (2003), 371
(Oppitz, U.); Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer
Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435
Rechtsbuch nach Distinktionen → Meißener Rechtsbuch
Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung → Weichbild
Rechtseinheit ist
die Einheit des geltenden Rechts in einem bestimmten Gebiet. →
Kodifikationsstreit
Lit.: Söllner § 1; Hübner 24; Kroeschell, DRG 3; Getz, H.,
Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert, 1966; Wrobel, H., Die Kontroverse
Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Baldus,
M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995; Koch, E., 10 Jahre deutsche
Rechtseinheit, 2001; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit – partikulare und
nationale Gesetzgebung (1780-1866), 2004
Rechtsentscheid ist in Deutschland seit 1990 die Entscheidung des
Oberlandesgerichts oder Bundesgerichtshofs in Wohnraummietvertragsrechtsfragen
bei Abweichungswillen eines Landgerichts von der Rechtsprechung der
Obergerichte.
Lit.: Willingmann, A., Rechtsentscheid, 2000
Rechtsenzyklopädie ist
die umfassende Darstellung des Rechtes in alphabetisch oder systematisch
geordneter Form. Sie erscheint seit dem Spätmittelalter (→ Durantis, W.,
Speculum iuris [Rechtsspiegel], E. 13. Jh., → Lagus, K., Iuris utriusque
methodica traditio [Methodische Behandlung beider Rechte], 1543, →
Gothofredus, J., Manuale iuris [Rechtshandbuch], 1654, Hunnius, H., Encyclopaedia
universi iuris [Enzyklopädie des gesamten Rechts], 1642ff. u. a.). Eine
wissenschaftliche Grundlegung erfährt sie durch → Leibniz (Nova methodus
discendae docendaeque iurisprudentiae, Neue Methode des Lernens und Lehrens der
Rechtswissenschaft, 1667). Auf ihr bauen die entsprechenden Werke von →
Nettelbladt (1749), → Pütter (1757), Reitemeier (1785) und → Hugo
(1792) auf. Seit dem 19. Jh. tritt die R. zu Lasten des Rechtsüberblicks der
Studierenden wieder zurück.
Lit.: Ortloff, H., Die Encyclopädie der Rechtswissenschaft,
1857; Buschmann, A., Enzyklopädie und Jurisprudenz, Archiv f. KG. 51 (1969),
296; Volk, K., Die juristische Enzyklopädie des Nikolaus Falck, 1970;
Enzyklopädien der frühen Neuzeit, hg. v. Eybl, F. u. a., 1995; Mohnhaupt, H.,
Methode und Ordnung der Rechtsdisziplinen und ihrer Hilfswissenschaften in den
Rechtsenzyklopädien, ZNR 1999, 85; Kiesow, R., Das Alphabet des Rechts, 2004
Rechtserkenntnisquelle ist die Rechtserkenntnis ermöglichende Quelle (z. B. →
Rechtsbuch). Sie bringt nicht notwendigerweise neues Recht zur Entstehung.
Lit.: Köbler, DRG 4, 80, 82
Rechtsethnologie ist
die vergleichende rechtliche Volkskunde, die aus dem Vergleich einzelner
tatsächlicher Rechtskulturen allgemeine rechtliche Entwicklungsregeln erschließen
und nach Möglichkeit dadurch rechtsgeschichtliche Überlieferungslücken
schließen will.
Lit.: Bibliographische Einführung in die Rechtsgeschichte
und Rechtsethnologie, hg. v. Gilissen, J. u. a. (Bd. Deutschland 1970,
Österreich 1979, Schweiz/Suisse 1963); Roberts, S., Ordnung und Konflikt, 1981;
Schulze, R., Das Recht fremder Kulturen, Hist. Jb. 110 (1990), 446
Rechtsetzung ist
die bewusste Setzung von Recht durch ein willensgetragenes Verhalten. Der
wichtigste Fall der R. ist die Gesetzgebung.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von
1594, 1973; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1985
Rechtsfähigkeit ist
die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten (z. B. Eigentum) und Pflichten
(z. B. Steuerschuld) zu sein. Eine allgemeine gleiche R. ist bis in das 19. Jh.
nicht anerkannt. Vielmehr sprechen alle ständischen Gesellschaften Rechte in
unterschiedlicher Weise zu oder ab. Im Laufe des 19. Jh.s setzt sich die
Vorstellung der allgemeinen gleichen R. aller Menschen von der Geburt bis zum
Tod (hilfsweise bis zur Todeserklärung) aber durch. Daneben wird auch die R.
der juristischen Person allgemein anerkannt.
Lit.: Kaser § 13 I, II; Hübner 50ff.; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 160, 167, 206, 207, 238; Ostheim, R., Zur Rechtsfähigkeit von
Verbänden, 1967; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Jobbágyi,
G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht,
ZRG GA 110 (1993), 513; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände
im Wechsel der Rechtsordnung, ZRG GA 116 (1999), 314; Mahr, J., Der Beginn der
Rechtsfähigkeit, 2007
Rechtsfindung ist die Ermittlung des Rechts
im subjektiven Sinn im Einzelfall.
Lit.: Kroeschell, K.,
Rechtsfindung, FS Hermann Heimpel Bd. 3, 1972, 498; Schmelzeisen, G.,
Rechtsfindung im Mittelalter, ZRG GA 91 (1974), 73
Rechtsfolge ist die vom Recht an ein Verhalten (→ Tatbestand bzw. Sachverhalt) geknüpfte Folge. Sie ergibt sich aus dem Aufbau des Rechtssatzes als einer rechtsfolgebewehrten Sollensregel. Im Rechtssatz wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen (allgemeiner Tatbestand, dem entsprechender einzelner Sachverhalt) eine bestimmte R. eintreten soll.
Lit.: Kaser § 1ff.; Hübner; Mitteis, H., Rechtsfolgen des
Leistungsverzuges, 1913
Rechtsgang ist die
ältere wissenschaftliche Bezeichnung für das an einen Unrechtserfolg
anschließende → Verfahren im germanischen und frühmittelalterlichen
Recht.
Lit.: Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen
Rechtsgang, 1915; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ziekow, J.,
Recht und Rechtsgang, 1986
Rechtsgeltungsquelle ist
die Quelle dafür, dass etwas als Recht gilt. Rechtsgeltungsquellen sind
bereits im altrömischen Recht → Gesetz und → Gewohnheit(srecht). Im
klassischen römischen Recht stehen Volksgesetze, Plebiszite und Senatuskonsulte
sowie die praktische Rechtspflege durch die Prätoren nebeneinander, zu denen
die → Auslegung durch die Rechtskundigen hinzukommt. Seit der Zeitenwende
bildet sich daneben eine unmittelbare Rechtssetzung des Prinzeps in
Entscheidungen (lat. [N.Pl.] decreta), Antworten (rescripta) und Dienstanweisungen
(mandata) heraus, die bald als gesetzesgleich (lat. [F.Pl.]
constitutiones) gelten. Im spätantiken Recht richtet der Herrscher
Konstitutionen als Erlasse an das Volk oder den Senat oder als Anordnung an einzelne
Amtsträger. Bei den Germanen wie im Frühmittelalter steht das Gewohnheitsrecht
im Vordergrund, ohne dass Rechtssetzung ausgeschlossen ist. Seit dem
Hochmittelalter wird das Gesetz immer bedeutsamer.
Lit.: Köbler, DRG 4 u. a.
Rechtsgeographie
Lit.: Merk, W., Wege
und Ziele der geschichtlichen Rechtsgeographie, FS Traeger, 1926
Rechtsgeschäft ist ein auf dem Parteiwillen aufbauender Gesamttatbestand, der einen mit einer Willenserklärung angestrebten Rechtserfolg herbeiführt. Das R. entsteht mit der Ausbildung von Verkehrsgeschäften (Tausch, Gabe). Als rechtswissenschaftliche Grundfigur des Privatrechts wird es erst am Beginn des 19. Jh.s erfasst. Es gibt einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Auslobung, Kündigung, Erbeinsetzung) und zweiseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Vertrag). Bereits im Hochmittelalter werden Rechtsgeschäfte in Stadtbüchern (Rechtsgeschäftsbüchern wie etwa Kaufbüchern, Gültbüchern oder Testamentbüchern) eingetragen.
Lit.: Kaser § 5 I; Hübner 10, 521; Köbler, DRG 164, 208, 238,
266; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980; Müller, M., Die
Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte, 1989; Scheerer, B., Die Abgrenzung des
Rechtsgeschäfts, 1990; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns an der
Rechtsgeschäftslehre des ersten Entwurfs, ZRG GA 114 (1997), 73
Rechtsgeschichte ist
die (Lehre von) vergangene(n) rechtliche(n) Sollensordnung(en). Ein
rechtsgeschichtlicher Abriss findet sich bereits bei → Pomponius (Mitte
2. Jh. n. Chr.). Auch einige Prologe der Volksrechte liefern kurze Nachrichten
über Rechtsentwicklungen. Sonstige rechtsgeschichtliche Überblicke des
Mittelalters sind nicht erhalten. Die erste R. bietet → Aymar du Rivail
(Aymarus Rivallius) 1515 (lat. Historia [F.]
iuris, Rechtsgeschichte). Für das deutsche Recht bildet Hermann →
Conrings (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen
Rechts) den Beginn der eigenen nationalen (deutschen) Rechtsgeschichte neben
der römischen Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte. Mit
Johann Friedrich Reitemeier (Enzyklopädie und Geschichte der Rechte in
Deutschland 1785) ist Gustav Hugo der erste, der die Rechtsgeschichte (1790) in
Epochen und jede Epoche in einer Systematik aufteilt. In der Folge sind
besonders → Eichhorn (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1808ff.) und → Brunner (Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906,
1928, Neudruck 1958/61) für die deutsche, von der römischen Rechtsgeschichte
und der kirchlichen Rechtsgeschichte grundsätzlich getrennte Rechtsgeschichte
hervorzuheben. Bis zum Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Deutschen
Reiches von 1900 ist die R. Teil des geltenden Privatrechts. 1935 werden in der
Absicht einer im Ergebnis verfehlten Studienreform die Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit und die → Verfassungsgeschichte der Neuzeit aus der
allgemeinen Rechtsgeschichte ausgesondert, finden danach aber überwiegend
wieder zurück. Seit etwa 1975 wird eine besondere juristische →
Zeitgeschichte aus naheliegenden Gründen gefordert. Nicht zuletzt als Folge dieser
vielfältigen Differenzierung verfällt die Rechtsgeschichte als juristischen
Lehrfach. Die erste sämtliche Teile der R. knapp als Einheit zusammenfassende
Darstellung stammt von Gerhard Köbler (1977, 5. A. 1995, 6. A. 2005). Die erste
europäische Rechtsgeschichte ist von Hans Hattenhauer verfasst (1992, 2. A.
1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004). Obwohl die R. das Verständnis des Rechts der
Gegenwart erleichtert, bildet der hierfür erforderliche geistige Aufwand für
den Durchschnittsjuristeneine beachtliche Zugangsschwelle.
Lit.: Söllner § 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 1, 3, 7,
30, 142; Roth, P., Die rechtsgeschichtlichen Forschungen seit Eichhorn, ZRG 1
(1861); Taranowsky, Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte, ZRG GA
27 (1906), 190; Moeller, E., Die Trennung der deutschen und der römischen
Rechtsgeschichte, 1905; Frensdorff, F., Das Wiedererstehen des deutschen
Rechts, ZRG GA 29 (1908), 1; Vinogradoff, P., Outlines of Historical
Jurisprudence, Bd. 1f. 1920ff.; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in das
Studium der germanischen Rechtsgeschichte, 1922; Hübner, R., Wert und Bedeutung
der Vorlesung über deutsche Rechtsgeschichte, 1922; Stutz, U., Alfons Dopsch
und die deutsche Rechtsgeschicht, ZRG GA 46 (1926), 331; Smith, M., A general
view of European legal history, 1927; Smith, M., The Development of European
Law, 1928; Decugis, H., Les étapes du droit, 1942; Mitteis, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, 1949(, Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
19. A. 1992); Dulckeit, G., Philosophie der Rechtsgeschichte, (1950); Planitz,
H., Deutsche Rechtsgeschichte, 1950, 2. A. 1960, 3. A. 1971; Planitz,
H./Buyken, T., Bibliographie zur deutschen Rechtsgeschichte, 1952; Zur
deutschen Rechtsgeschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, Zeitschrift der
Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche
Reihe 18 (1968), 375; Marxistische Beiträge zur Rechtsgeschichte, hg. v.
Abteilung Staats- und Rechtsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin,
1968; Repertorium bibliographicum, hg. v. Feenstra, R., 1969, Supplementum
1975, 2. A. 1980; Hattenhauer, H., Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des
deutschen Rechts, 1971, 4. A. 1996; Kroeschell, K., Deutsche Rechtsgeschichte,
Bd. 1 12. unv. A. 2005, Bd. 2 9. A. 2006, Bd. 3 4. unv. A. 2005; Sjöholm, E.,
Rechtsgeschichte als Wissenschaft und Politik, 1972; Paradisi, B., Apologia
della storia giuridica, 1973; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976;
Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 3. A. 2003; Rechtsgeschichte
und quantitative Geschichte, hg. v. Ranieri, F., 1977; Köbler, G.,
Rechtsgeschichte 1977, Deutsche Rechtsgeschichte 6. A. 2005; Gilissen, J.,
Introduction historique au droit, 1979; Cavanna, A., Storia del diritto moderno
in Europa, 1979; Horváth, P., Vergleichende Rechtsgeschichte, 1979; Senn, M.,
Rechtshistorisches Selbstverständnis im Wandel, 1982; Dilcher, G./Kern, B., Die
juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die Fachtradition der
deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Robinson, O./Fergus,
T./Gordon, W., An Introduction to European Legal History, 1985; Köbler, G.,
Wege deutscher Rechtsgeschichte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg.
v. Köbler, G., 1987, 182; Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v.
Stolleis, M. u. a., 1989; Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f.
1989ff.; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in)
Geschichtliche Rechtswissenschaft: Ars tradendo innovandoque aequitatem
sectandi, hg. v. Köbler, G. u. a., 1990, 207ff.; Europäische Rechts- und
Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Rechtsgeschichte in den
beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Caenegem, R. van, Legal
History, 1991; Hattenhauer, Hans, Europäische Rechtsgegeschichte 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Robinson, O./Fergus,
T./Gordon, W. European Legal History, 2. A. 1994, 3. A. 2000; Hoke, R.,
Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1996; Kroeschell, K., Der
Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 310; Die deutsche
Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Nunnweiler,
A., Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit, 1996; Rückert, J., Die
Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung, ZRG
GA 111 (1994), 275; Senn, M., Rechtsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2003,
4. A. 2007; Norm und Tradition, hg. v. Caroni, P. u. a., 1998; Hattenhauer, H.,
Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Bader, K./Dilcher, G.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 1999; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Lupoi, M., The Origins of the European Legal
Order, 2000; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Kunkel,
W./Schermaier, M., Römische Rechtsgeschichte, 13. A. 2001; Het nut van
rechtsgeschiedenis, hg. v. Heirbaut, D./Lambrecht, D., 2000;
Rechtsgeschichtswissenschaft in Deutschland 1945-1952, hg. v. Schröder, H. u.
a., 2001; Meder, S. Rechtsgeschichte, 2002, 2. A. 2005, 3. A. 2008; Hense, T.,
Konrad Beyerle, 2002; Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte, hg. v.
Eckert, J., 2003; Fasel, U., Repetitorium zur Rechtsgeschichte, 2004; Dürselen,
F., Franz Beyerle (1885-1977), 2005; Caroni, P., Die Einsamkeit des
Rechtshistorikers, 2005; Senn, M./Thier, A., Rechtsgeschichte III.
Textinterpretationen, 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow,
L., 2005; Köbler, G., Deutsche Rechtshistoriker, 2006; Senn, M. u. a.,
Rechtsgeschichte, 2006; Schmoeckel, M./Stolte, S., Examinatorium
Rechtsgeschichte, 2008; Lesaffer, R., European Legal History, 2009
Rechtsgewohnheit ist
nach einer am Ende des 20. Jh.s ausgebildeten Ansicht die rechtlich bedeutsame,
aber noch nicht zum Recht gewordene Gewohnheit als Vorstufe des →
Gewohnheitsrechts im Mittelalter.
Lit.: Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im
Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992
Rechtsgut ist das durch Straftatbestände
geschützte rechtliche Gut des Menschen. Der Begriff wird nach Feuerbachs
Ausrichtung des Verbrechens auf die Verletzung subjektiver Rechte zwischen 1820
und 1840 von Birnbaum im Kern entwickelt (Gut als Verbrechensobjekt). Karl
Binding weist dem R. eine zentrale Stellung im Strafrecht zu und Franz von
Liszt macht es zum Mittelpunkt seiner evolutionistisch geformten Rechtslehre.
Lit.: Sina, P., Die
Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, 1962; Würtenberger,
T., Das System der Rechtsgüterordnung in der deutschen Strafgesetzgebung seit
1532, 1973
Rechtshängigkeit ist das Schweben einer Streitsache in einem Urteilsverfahren. Die R. ist bereits dem altrömischen Recht bekannt, in dem mit der Streiteinsetzung (lat. → litis contestatio [F.]) der Parteien durch den Magistrat diese sich dem Spruch des Richters unterwerfen und ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist.
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 44
Rechtshilfe ist die
Hilfe, die von Gerichten und von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten im
Hinblick auf eine Tätigkeit der Rechtspflege geleistet werden kann. Sie ist
bereits dem Altertum bekannt. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt
sie einigermaßen unförmlich auf Grund von Vereinbarungen oder Gewohnheiten. In
der frühen Neuzeit wird sie innerhalb desselben Staates selbstverständlich.
Gesetzlich geregelt wird sie 1869 für den Norddeutschen Bund und 1874 für das
Deutsche Reich. Darüber hinaus wird 1958 das Haager Abkommen über den
Zivilprozess geschlossen. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird
der Zivilprozess überhaupt an einzelnen Stellen vereinheitlicht.
Lit.: Endemann, W., Die Rechtshilfe,
1869
Rechtshistoriker ist der die Rechtsgeschichte untersuchende
Wissenschaftler. Er ist von der Fachzugehörigkeit an sich Historiker, aus
praktischen Gründen grundsätzlich aber ausgebildeter Jurist. Die
deutschsprachigen R. treffen sich seit 1927 zweijährlich auf einem an wechselnden
Orten abgehaltenen Rechtshistorikertag zu wissenschaftlichen Aussprachen
(Heidelberg 1927, Göttingen 1929, Jena 1932, Köln 1934, Tübingen 1936, Marburg
1947, Heidelberg 1949, Gmunden/Traunsee 1951, Würzburg 1952, Hamburg 1954,
Freiburg im Breisgau 1956, München 1958, Saarbrücken 1960, Mainz 1962, Wien
1964, Basel 1966, Münster 1968, Salzburg 1970, Erlangen-Nürnberg 1972, Tübingen
1974, Linz 1976, Berlin 1978, Augsburg 1980, Zürich 1982, Graz 1984, Frankfurt
am Main 1986, Bielefeld 1988, Nimwegen 1990, Köln 1992, Bern 1994, Wien 1996,
Regensburg 1998, Jena 2000, Würzburg 2002, Bonn 2004, Halle 2006, Passau 2008).
Rechtsirrtum ist der Irrtum über die bestehende Rechtslage (z. B. über ein rechtliches Verbot). Bereits das römische Recht berücksichtigt den R. weniger stark als den Irrtum über eine Tatsache. Dies wird im Hochmittelalter von den Juristen fortgeführt, während die Moraltheologen auf die tatsächliche Kenntnis einer Vorschrift abstellen. Auch die neuzeitlichen Kodifikationen halten insgesamt an der Schlechterstellung des Rechtsirrtums fest. Im deutschen Strafrecht der Gegenwart wird die Einsichtsfähigkeit des Täters berücksichtigt.
Lit.: Kaser §§ 8 II 4, 26 II 3; Engelmann, W., Die
Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965, 41; Lichti, J., Der
Rechtsirrtum, 1950; Mayer-Maly, T., Error iuris, (in) Ius humanitatis, hg. v.
Miehsler, H. u. a., 1980, 147; Winkel, L., Error iuris nocet, 1983
Rechtskraft ist
formell die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung, materiell die Maßgeblichkeit
des Inhalts einer Entscheidung. Bereits das spätere römische Recht kennt mit
der Mehrstufigkeit des Verfahrens die formelle R. Wieweit das Mittelalter sich
der Vorstellung der R. bewusst ist, ist zweifelhaft. Erst mit der Aufnahme des
römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die R. deutlich sichtbar. Die
materielle R. setzt sich nur allmählich in der Neuzeit durch. Im Dritten Reich
wird die R. teilweise zu Lasten Angeklagter eingeschränkt.
Lit.: Kaser §§ 84 II 3a, 87 II 7b; Köbler, DRG 56; Gál, A.,
Rechtskraft des fränkischen Urteils?, ZRG GA 33 (1912), 315; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und
Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 367; Gaul, H., Die Entwicklung der
Rechtskraftlehre seit Savigny, FS W. Flume, Bd. 1 1978, 443; Dickhuth-Harrach,
H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Hanne, N.,
Rechtskraftdurchbrechungen von Strafentscheidungen im Wechsel der politischen
Systeme, 2005
Rechtsmangel ist
die Nichterfüllung der Verpflichtung, einen Gegenstand frei von Rechten Dritter
zu verschaffen. Bereits im klassischen römischen Recht muss der Verkäufer (bei →
Entwerung des Käufers) dafür einstehen, dass die Sache nicht von Dritten auf
Grund eines Rechtes herausverlangt werden kann und deswegen gegebenenfalls den
doppelten Kaufpreis (lat. [N.] duplum) leisten. Im Hochmittelalter muss der Verkäufer den
Käufer gegen Ansprüche Dritter auf die verkaufte Sache schirmen und damit gegen
Rechtsmangel Gewähr leisten, andernfalls den Kaufpreis erstatten und teilweise
noch eine Buße erbringen. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird der Verkäufer
verpflichtet, das Eigentum zu verschaffen.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 46, 64, 127, 165; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmängelhaftung des
Veräußerers, ZRG GA 77 (1960), 87; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers für
Rechtsmängel, Diss. jur. Hamburg 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Rechtsmedizin
Lit.: Die
unglaublichsten Fälle der Rechtsmedizin, hg. v. Rothschildt, M, 2005; Auf
Messers Schneide, hg. v. Rothschild, M., 2006
Rechtsmissbrauch ist die unberechtigte Ausübung eines an sich bestehenden Rechtes, der mit unterschiedlichen Mitteln vorsichtig begegnet wird (u. a. Treu und Glauben). Die heutige Rechtsmissbrauchslehre wird als Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsdenkens eingeordnet.
Lit.: Kaser § 4 IV; Köbler, DRG 24; Kroeschell, 20. Jh.;
Haferkamp, H., Die heutige Rechtsmissbrauchslehre, 1995
Rechtsmittel ist
das rechtliche Mittel, mit dem eine Partei eine ihr ungünstige Entscheidung vor
Rechtskraft im Wege der Nachprüfung durch ein höheres Gericht zu beseitigen
sucht (z. B. → Berufung, → Revision, Beschwerde, →
Appellation). Als erstes allgemeines R. entsteht unter Augustus (63 v. Chr.-14
n. Chr.) die Appellation. Seit dem Spätmittelalter werden R. mit dem gelehrten
Prozess aufgenommen. Das gewöhnliche R. ist dabei die Appellation, neben der
Oberappellation, Revision, → Supplikation und Restitution stehen können. Die
→ Nichtigkeit (Nullität) wird mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht,
doch werden Appellation und Nichtigkeitsklage in der Verfahrenswirklichkeit
einander vielfach angenähert. In der deutschen Zivilprozessordnung von
1877/1879 wird das R., das den Rechtsstreit in vollem Umfang zur Neuverhandlung
bringt (→ Berufung), von dem R., das nur auf die Verletzung des Rechts
gestützt werden kann (→ Revision), unterschieden. Gegen Beschlüsse wird
die Beschwerde gewährt. Die außerordentlichen R. des gemeinen Rechts sind als
Wiederaufnahmeklage gestaltet.
Lit.: Kaser § 87 I 9; Buchda, G., Die Rechtsmittel im
sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Gilles, P., Rechtsmittel im
Zivilprozess, 1972; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Oer, R.
Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1998
Rechtsnorm ist der
aus → Tatbestand und Rechtsfolge zusammengesetzte einzelne Satz des
Rechtes. Die Bezeichnung erscheint im späteren 19. Jh.
Lit.: Schumacher, D., Das rheinische
Recht, 1970
Rechtsordnung ist die
in eine Ordnung gebrachte Gesamtheit der Rechtsnormen (Rechtssätze) einer
Rechtsgemeinschaft. Diese Vorstellung erscheint erst seit der frühen Neuzeit,
wird aber von dort aus auf ältere Rechtsgemeinschaften zurückübertragen.
Lit.: Hippel, F. v., Die Perversion von Rechtsordnungen,
1955; Conrad, H., Individuum und Gesellschaft in der Privatrechtsordnung, 1956;
Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Krause, H., Königtum und
Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale
Rechte, 1971; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung,
1974; Die schweizerische Rechtsordnung, 1988; Börner, F., Die Bedeutung der
Generalklauseln, 1989; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995
Rechtspflege → Gericht, → Prozess
Lit.: Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich,
1897ff.; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Wüllner, W.,
Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Luig, K., Zivilrecht
und Zivilrechtspflege, (in) Panorama der fridericianischen Zeit, Bd. 1, hg. v.
Ziechmann, J., 1985, 381; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in
Köln, Diss. jur. Köln 1987; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch
zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd. 1f. 1989ff.; Cesare
Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989
Rechtspfleger ist
der Beamte des gehobenen Dienstes in Deutschland, dem zur Entlastung des
Richters bzw. zur Verbilligung der Rechtspflege im frühen 20. Jh. bestimmte
Aufgaben der Rechtspflege übertragen werden (1957 Rechtspflegergesetz).
Lit.: Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger,
1993; Meyer-Stolte, K. u. a., Rechtspflegergesetz, 4. A. 1994; Walden, K., Für
Führer, Volk und Vaterland, 1995
Rechtsphilosophie ist
die Lehre von den Grundfragen und Grundwerten des Rechts. Rechtsphilosophische
Fragestellungen finden sich spätestens seit der griechischen Philosophie. Die
R. entwickelt sich im 19. Jh. aus dem → Naturrecht. Strömungen im 19. Jh.
sind vor allem → Idealismus, → Materialismus und →
Positivismus, im 20. Jh. → Neuhegelianismus und → Neukantianismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Rechtsidee und Staatsgedanke, FG
Julius Binder, hg. v. Larenz, K. u. a., 1930; Larenz, K., Deutsche
Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, 1934; Cairns, H., Legal Philosophy from
Plato to Hegel, 1949; Klein-Bruckschwaiger, F., Die Geschichte der
Rechtsphilosophie in der Naturrechtslehre von Karl Anton von Martini, ZRG GA 71
(1954), 374; Friedrich, C., Die Philosophie des Rechts, 1955; Friedrich, C.,
The philosophy of law, 1958; Henkel, H., Einführung in die Rechtsphilosophie,
1964; Sforza, W., Rechtsphilosophie, 1966; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie
des jungen Marx, 1970; Rode, K., Geschichte der europäischen Rechtsphilosophie,
1974; Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner,
H., 1983; Hellmuth, E., Naturrechtsphilosophie und bürokratischer
Werthorizont, 1985; Thomann, M., Rechtsphilosophie und Naturrecht bei Gottlieb
Konrad Pfeffel, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 536; Kants Rechtsphilosophie, hg. v. Kusters, G., 1988; Coing, H.,
Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. A. 1993; Strömholm, S., Kurze Geschichte
der abendländischen Rechtsphilosophie, 1991; Decker, C., Katalog der
rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1990,1995; Zippelius,
R., Das Wesen des Rechts, 5. A. 1997; Kaufmann, A., Rechtsphilosophie, 2. A.
1997; Goller, P., Naturrecht, Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? 1997; Roca,
M., Eine europäische Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, JZ 1997,
881; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998;
Texte zur Rechtsphilosophie, hg. v. Seelmann, K., Bd. 1 2000; Seelmann, K.,
Rechtsphilosophie, 4. A. 2007; Grunert, F., Normbegründung und politische
Legitimität, 2000; Hofmann, H., Einführung in die Rechts- und
Staatsphilosophie, 2000, 2. A. 2003; Schröder, I., Zur Legitimationsfunktion
der Rechtsphilosophie im Nationalsozialismus, 2002; Integratives Verstehen, hg.
v. Alexy, R., 2005
Rechtspolitik ist
die das Recht betreffende Politik.
Lit.: Die
Renaissance der Rechtspolitik, hg. v. Brigitte Zypries, 2008
Rechtspositivismus ist die das Recht betreffende positivistische Haltung (z. B. John Austin, Georg Jellinek, Hans Kelsen, Herbert L. A. Hart). Sie bezieht sich auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit und damit auch von der Geschichte gelösten Begriffen, aus denen Lösungen gewonnen werden. Die Geltung des Rechtes ist danach unabhängig von subjektiven Wertvorstellungen wie richtig oder falsch. Der Gesetzespositivismus gründet das Recht auf das den Volkswillen verkörpernde → Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 228; Kelsen, H., Reine
Rechtslehre, 2. A. 1960; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und
Nationalsozialismus, (in) Recht und Politik 1983, 195; Rechtspositivsmus und
Wertbezug des Rechts, hg. v. Dreier, R., 1990; Seibold, G., Hans Kelsen und der
Rechtspositivismus, 2007
Rechtsprechung ist
die Entscheidung konkreter Rechtsfragen durch die dafür zuständige Stelle. Sie
reicht sachlich in die Frühzeit der Rechtsgeschichte zurück. → Gericht
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Stölzel, A., Die Entwicklung der
gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Haff, K., Der germanische
Rechtsprecher, ZRG GA 66 (1948), 364; Hertz, F., Die Rechtsprechung der
höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Dreisbach, H., Der Einfluss der
Carolina auf die Rechtsprechung, Diss. jur. Marburg, 1969; Volkmann, H., Zur
Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Walter, G., Die
französische Rechtsprechung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972; Spendel, G.,
Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung
in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Repertorium ungedruckter
Quellen zur Rechtsprechung, Deutschland 1800-1945, hg. v. Dölemeyer, B., 1995;
Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997
Rechtsquelle ist
der Ursprungsort von Rechtssätzen. → Rechtserkenntnisquelle, →
Rechtsgeltungsquelle
Lit.: Söllner § 15; Richthofen, K. v., Friesische
Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Stobbe, O., Geschichte der deutschen
Rechtsquellen, Bd. 1f. 1860ff., Neudruck 1965; Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen
Rechtsquellen, 1909; Planitz, H., Quellenbuch der deutschen, österreichischen
und Schweizer Rechtsgeschichte, 1948; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953,
Neudruck 1984; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Dießelhorst,
M., Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle, 1968; Wolter, U.,
Ius canonicum in iure civili, 1975; Bühler, T., Rechtsquellenlehre, Bd. 1f.
1977ff.; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung, 1983; Wiegand, W., Die privatrechtlichen
Rechtsquellen, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 237:
Schrage, E., Utrumque ius. Eine Einführung in das Studium der Quellen des
mittelalterlichen gelehrten Rechts, 1992
Rechtsreformation → Reformation
Rechtssatz →
Rechtsnorm
Rechtsschein ist
der äußerliche Anschein des Bestehens eines in Wirklichkeit nicht bestehenden
Rechtes. Er kann Rechtswirkungen äußern (z. B. unrichtiges Grundbuch). Ihn
gibt es seit Entstehung des Rechts.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Peterka, O. Das offene zum
Scheine Handeln im deutschen Recht des Mittelalters, 1911; Meyer, H., Vom
Rechtsschein des Todes, 1912; Canaris, C., Vertrauenshaftung, 1971
Rechtsschule ist
die Lehrstätte (in der Spätantike in Rom, Karthago, Konstantinopel [zwei Rechtslehrer
mit nur wenig Entgelt leistenden Hörern], Beirut [Beryt], Athen, Alexandria und
Caesarea) oder Geistesrichtung innerhalb der Jurisprudenz bzw.
Rechtswissenschaft und auch der mit ihr verbundene Inhalt. → freie
Rechtsschule, → historische Rechtsschule, → Prokulianer, → Sabinianer,
→ Ravenna, → Pavia, → Verona, → Bologna, →
Universität
Lit.: Söllner §§ 16, 21; Köbler, DRG 53, 187, 189; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39, Bd. 2, 1,2ff.; Elsener, F., Die Schweizer
Rechtsschulen, 1975; Coing, H., Die französische Rechtsschule zu Koblenz, FS F.
Wieacker, 1978, 195
Rechtsschutz ist
der durch die → Rechtsordnung gewährleistete Schutz von Rechtsgütern. →
Gericht, Rechtsnorm, Strafrecht
Lit.: Köbler, DRG 208; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz
in Preußen, 1962; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 1962; Vossius, O., Zu
den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Lohmann, U.,
Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1986; Engbers, E., Small
claims und effektiver Rechtsschutz, 2003
Rechtssicherheit ist
die Beständigkeit der bei einem Verhalten eintretenden Rechtsfolgen. Die R.
steht in einem Spannungsverhältnis zur Einzelfallgerechtigkeit. Verstärkt
strebt man nach R. seit der Aufklärung. Im Dritten Reich wird unter dem
Schlagwort der R. der Rechtsstaat ausgehöhlt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Meyer, A.,
Die Notariatsordnungen, 1971; Göring, H., Die Rechtssicherheit, 1935
Rechtssoziologie ist
die Lehre von der sozialen Wirklichkeit des Rechts. Sie entwickelt sich
ansatzweise seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s (→ Marx, →
Ihering, → freie Rechtsschule). Nach Unterbrechung durch den Nationalsozialismus
gewinnt die R. unter amerikanischem Einfluss in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
an Boden.
Lit.: Köbler, DRG 228; Dombeck, B., Das Verhältnis der
Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie, 1969; Rechtsgeschichte und
Rechtssoziologie, hg. v. Killias, M. u. a., 1985; Rehbinder, M., Rechtssoziologie,
6. A. 2007
Rechtsspiegel → Rechtsbuch
Rechtssprache ist
die besondere Sprache, in der Recht zum Ausdruck gebracht wird. Die R. ist in
der Gegenwart die von der Allgemeinsprache schwer abgrenzbare Fachsprache des
wissenschaftlich gebildeten → Juristen. Ihre Besonderheiten betreffen vor
allem den Wortschatz, daneben auch Syntax und Grammatik. Besonders bedeutsam
für die deutsche R. des frühen Mittelalters ist das Verhältnis von
lateinischer Überlieferung und volkssprachiger Rechtswirklichkeit.
Lit.: Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte
des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1843; Gradenwitz,
O., Wortverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Deutsches
Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.; Günther, L., Recht und Sprache, 1898;
Beiträge zum Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, 1908; Künßberg, E. Frhr.
v., Rechtssprachliches, ZRG GA 32 (1911), 338; Kalb, W., Wegweiser in die
römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Künßberg, E. Frhr. v.,
Rechtssprachgeographie, 1926 (SB Heidelberg); Saueracker, K., Wortschatz der
peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929; Merk, W., Werdegang und Wandlungen
der deutschen Rechtssprache, 1933; Dölle, H., Vom Stil der Rechtssprache,
1949; Dilcher, G., Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters,
1961; Sonderegger, S., Die ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache,
FS K. Bader, 1965, 419; Bergh, J. van den, Themis en de Muzen, 1964;
Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der
Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Oplatka-Steinlin, H.,
Untersuchungen zur neuhochdeutschen Gesetzessprache, 1971; Matzinger-Pfister,
R., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Munske, H., Der
germanische Rechtswortschatz, 1973; Elsener, F., Deutsche Rechtssprache und
Rezeption, (in) Tradition und Fortschritt im Recht, FS Tübinger
Juristenfakultät, 1977; Köbler, G., Deutsche Sprachgeschichte und
Rechtsgeschichte, (in) Sprachgeschichte, hg. v. Besch, W. u. a., 1984, 56;
Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache,
1987; Kühn, P., Deutsche Wörterbücher, 1978; Köbler, G.,
Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Sendler, B., Die Rechtssprache
in den süddeutschen Stadtrechtsreformationen, 1990; Schmidt-Wiegand, R.,
Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch,
1991; Heller, M., Reform der deutschen Rechtssprache im 18. Jahrhundert, 1992;
Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004, 14. A. 2007; Köbler, G.,
Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Sieber, A., Deutsche Fachsprache des
Rechts, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 149; Görgen, A., Rechtsgrenzen
folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 389; Köbler, G., Liber exquisiti
xenii, 1999; Garovi, A., Rechtssprachlandschaften der Schweiz, 1999; Seifert,
J., Funktionsverbgefüge in der deutschen Gesetzessprache (18.–20. Jahrhundert),
2004
Rechtssprecher → Gesetzessprecher
Rechtssprichwort ist
das einen rechtlichen Tatbestand erfassende Sprichwort (z. B. → Aller
guten Dinge sind drei). Seine Volkstümlichkeit ist vielfach zweifelhaft.
Deutsche Rechtssprichwörter, deren Zahl die neueste Zusammenstellung mit etwa
1800 benennt, lassen sich nicht vor dem Hochmittelalter sicher belegen. Ihre
tatsächliche Bedeutung scheint eher gering.
Lit.: Graf, E./Dietherr, M., Deutsche Rechtssprichwörter,
2. A. 1869; Winkler, L., Deutsches
Recht im Spiegel deutscher Sprichwörter, 1927; Schmidlin, B.,
Die römischen Rechtsregeln, 1970; Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht
in deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Gudian, G., Zur Situation der
Germanistik, ZRG 89 (1972), 215; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A.
1998, 7. A. 2007; Janz, B., Rechtssprichwörter im Sachsenspiegel, 1989; Deutsche
Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996
(Neuausgabe 2002); Die Sprache des Rechts, hg. v. Lerch, K., 2004
Rechtsstaat ist der
bewusst auf die Verwirklichung von Recht ausgerichtete Staat. Dieses Staatsziel
wird am Ende des 18. Jh.s in Ablösung des absolutistischen Wohlfahrtsstaats von
den Vertretern der liberalen Aufklärung gefordert. Als Grundlage werden →
Verfassung und → Gesetzgebung durch eine Volksvertretung angesehen. Nach
1848 verengt sich dies auf den formalen Rechtsschutz im Zivilprozess
(1877/1879) und in Verwaltungsangelegenheiten (1863ff.). Das Handeln der
Verwaltung wird allgemein nachprüfbar, wobei Ermessensbegriffe weniger und
unbestimmte Rechtsbegriffe stärker erfasst werden. Der Nationalsozialismus
beseitigt die dadurch erreichten Errungenschaften. Nach 1945 wird der R.
verstärkt ausgebaut.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198, 199; Bähr, O.,
Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R., Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte,
1872, Neudruck 1968; Maier, H., Zur Frühgeschichte des Rechtsstaats in
Deutschland, Neue Polit. Lit. 7 (1962), 234; Badura, P., Das Verwaltungsrecht
des liberalen Rechtsstaates, 1967; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand,
1967; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat bei Otto Bähr und Rudolf von Gneist,
Diss. jur. Köln 1968; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Laufs,
A., Die rechtsstaatlichen Züge des Bismarck-Reiches, FS H. Thieme, 1977, 72;
Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Willoweit, D., War das Königreich
Preußen ein ,Rechtsstaat‘?, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft in einer
pluralistischen Gesellschaft, 1989, 451; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik
im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; Der europäische Rechtsstaat, hg. v. Brand,
J. u. a., 1994; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F.,
1995; Vertrauen in den Rechtsstaat, hg. v. Goydke, J. u. a., 1995;
Rechtsstaatlichkeit in Europa, hg. v. Hofmann, R. u. a., 1996; Wetzler, C.,
Rechtsstaat und Absolutismus, 1997; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im
Dritten Reich, 2003; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122
(2005), 367; Hetzer, W., Rechtsstaat oder Ausnahmezustand?, 2008
Rechtsstudium →
Rechtswissenschaft, Studium, Universität
Rechtssubjekt ist
der Träger von Rechten und Pflichten (z. B. Mensch, juristische Person).
Sachlich gibt es Rechtssubjekte mit der Entstehung von Recht. Als solche
erfasst werden sie aber erst im 19. Jh.
Lit.: Kaser § 13 I 1; Köbler, DRG 206
Rechtssumme ist die
zusammenfassende Darstellung eines Titels oder mehrerer Titel des (lat.) →
corpus (N.) iuris civilis oder auch anderer gelehrter Rechtstexte. Rechtssummen
finden sich vor allem in Oberitalien im 12. bis 14. Jh. (z. B. Summa aurea
[Goldene Summe] des Hostiensis, Summa de casibus poenitentiae [Summe über
Bußfälle], Summa legum brevis levis et utilis [Kurze, leichte und nützliche
Rechtssumme], Summa Johannis [Bruder Bertholds 1300/40 in 80 Handschriften
überlieferte deutsche Darstellung des Kirchenrechts für Laien]).
Lit.: Trusen, W., Anfänge der gelehrten Rechte in
Deutschland, 1962, 119; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964, (in)
Ius Romanum medii aevi 5, 6; Placentini Summa Codicis, hg. v. Calasso, F.,
1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 67, 172;
Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980; Weck, H., Die
Rechtssumme Bruder Bertholds, 1982 (Wörterbuch 2006)
Rechtssymbol ist
eine Handlung oder ein Gegenstand, die bzw. der ein Rechtsgeschäft oder
Rechtsverhältnis versinnbildlicht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen
Rechtssymbolik, 1909; Herwegen, I., Germanische Rechtssymbolik, 1913;
Puetzfeld, C., Deutsche Rechtssymbolik, 1936; Erler, A., Das Hissen eines
Besens, ZRG GA 62 (1942), 371; Gathen, A., Die Rolande als Rechtssymbole, 1960;
Lurker, M., Lexikon der Symbolkunde, Bd. 1f. 1964ff.; Anderegg, S., Der
Freiheitsbaum, 1968; Bauer, W. u. a., Lexikon der Symbole, 7. A. 1985; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und
Symbole des Rechts, 1992; Rechtssymbolik und Wertevermittlung, hg. v. Schulze,
R., 2004
Rechtssystem ist
die Gesamtheit von Rechtseinrichtungen in einleuchtender Ordnung. Ein R. ist
den Römern noch fremd. Es findet sich erst bei → Leibniz (1646-1716) und
Christian → Wolff (1679-1754). Neu gefasst wird es von → Savigny
(1779-1861) und → Puchta (1798-1846). Der Gegenwart ist es zweifelhaft,
ob es ein geschlossenes R. geben kann. → System
Lit.: Savigny, F., System des heutigen Römischen Rechts,
Bd. 1 1840; Hatschek, J., Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems,
Archiv f. öff. Recht 24 (1909), 442, 26 (1910), 458; Coing, H., Geschichte und
Bedeutung des Systemgedankens, 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen
Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff,
1969; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217;
Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“,
1976; Schlosser, H., Das „wissenschaftliche Prinzip“ der germanistischen
Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Björne, L.,
Deutsche Rechtssysteme, 1984; Mayer, D., Grundlagen des nationalistischen
Rechtssystems, 1987; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen
Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988;
Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998
Rechtstag → endlicher Rechtstag
Rechtstatsache ist
die das Recht berührende Tatsache bzw. die Tatsache, dern Kenntnis für eine
sachgemäße Anwendung der Rechtssätze erforderlich ist. Rechtstatsachen gibt es
seit der entstehung des Rechts. Für die R. interessiert sich besonders die
Rechtssoziologie des 20. Jh.s.
Lit.: Heinz, W.,
Rechtstatsachenforschung heute, 2. A. 1998
Rechtstheorie ist die Beschäftigung mit den allgemeinen Fragen des Rechtes, insbesondere mit seiner logischen Struktur. Die R. als Gegensatz zur Rechtspraxis wird schon in philosophisch-rhetorischen Fragestellungen des Altertums sichtbar. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird sie aber bewusst von Naturrecht und Rechtsphilosophie abgesetzt und auch auf frühere Zeiten zurückübertragen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ramm, T., Staat und Recht, Diss.
jur. Marburg 1950; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Gernhuber,
J., Das völkische Recht, FS E. Kern, 1968, 167; Reich, N., Marxistische
Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechtstheorie, 1974; Rückert, J.,
August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974; Flechtheim, O., Hegels
Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg.
v. Rottleuthner, H., 1975; Schröder, J., „Communis opinio“, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 404; Scherner, K., Arme
und Bettler in der Rechtstheorie des 17. Jahrhunderts, ZNR 1988, 129;
Brockmöller, A., Die Entstehung der Rechtstheorie im 19. Jahrhundert, 1997;
Kelly, J., A short history of Western legal theory, 1997; Funke, A., Allgemeine
Rechtslehre als juristische Strukturtheorie, 2004; Vesting, T., Rechtstheorie,
2007; Lahusen, B. u. a., Zufall, Abfall, Ausfall, 2008
Rechtsunterricht → Juristenausbildung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, G., Erlanger juristische
Vorlesungen des 18. und 19. Jahrhunderts, Jb. f. fränk. Landesforschung 27
(1967), 241; Weimar, P., Die legistische Literatur, Ius commune 2 (1969), 43;
Scheltema, H., L’enseignement de droit, 1970; Finke, K., Die Tübinger
Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen,
1982; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Meier, J., Der
Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GiessenerjuristischeVorlesungen1607-2007.htm
Rechtsvergleichung ist
die vergleichende Betrachtung verschiedener Rechtsordnungen, insbesondere
räumlich verschiedener, gleichzeitig geltender Rechtsordnungen. Sie wird
ansatzweise bereits im Altertum betrieben. Besondere Bedeutung erlangt sie in
der jüngeren Vergangenheit (19./20. Jh., z. B. → Feuerbach, → Gans,
→ Bachofen, → Mittermaier, → Rabel).
Lit.: Constantinesco, L., Rechtsvergleichung, Bd. 1f. 1971f.;
Coing, H., Rechtsvergleichung als Grundlage der Gesetzgebung, Ius commune 7
(1978), 160; Großfeld, B., Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung, 1984;
Wadle, E., Einhundert Jahre Rechtsvergleichende Gesellschaften, 1994; Stolleis,
M., Nationalität und Internationalität, 1998
Rechtsverweigerung ist
die Verweigerung des rechtlich Gebotenen, insbesondere eines rechtlichen
Verfahrens durch die zuständige Person. Sie findet sich an unterschiedlichen
Stellen (z. B. sind nach → Lex Salica 57 urteilsverweigernde Rachinburgen
bußpflichtig, wird das → Reichskammergericht 1495 für Fälle von R.
zuständig oder kann im Deutschen Bund bei Verweigerung einer gerichtlichen
Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die → Bundesversammlung angerufen
werden). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s gewährt die deutsche Verfassung
demgegenüber eine Rechtsweggarantie.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 92, 153, 200;
Perels, K., Die Justizverweigerung im alten Reiche, ZRG GA 25 (1904), 1;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Schmitt-Weigand, A.,
Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Wollschläger, C., Ungleiche
Justizgewähr und Zivilprozesshäufigkeit, FS H. Coing, 1982, 435
Rechtsweisung → Weistum
Rechtswidrigkeit ist
der Widerspruch zur Rechtsordnung. Die R. erscheint zusammen mit dem Recht. Sie
ist besondere Voraussetzung für verschiedene Rechtsfolgen (z. B. Strafe,
Schadensersatz).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Köbler, DRG 204; Wolzendorff, K.,
Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstand, 1985
Rechtswissenschaft ist
die die rechtliche Sollensordnung betreffende Wissenschaft. R. entsteht als
Jurisprudenz (Rechtsklugheit) im klassischen römischen Recht, verliert sich
danach aber mit dem Zurücktreten der Rechtskundigen in Rom (3. Jh. n. Chr.)
weitgehend. Seit dem Ende des 11. Jh.s wird die R. in Bologna (neu) begründet (→
Glossatoren). Von hier breitet sie sich als universitär betriebene Wissenschaft
über ganz Europa aus (→ Kommentatoren, → mos Gallicus, →
usus modernus, → Naturrecht, → historische Rechtsschule, →
Pandektistik). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der
rechtswissenschaftlichen Bildungsstätten nochmals sprunghaft zu. Um 1995 gibt
es rund 750000 Studierende der R. in Europa.
Lit.: Söllner § 11, 16; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG
2, 8, 29, 51, 105, 143, 184, 228, 254; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978;
Jerusalem, F., Kritik der Rechtswissenschaft (1949); Quellenbuch zur Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft, hg. v. Wolf, E., 1950; Schmitt, C., Die Lage
der europäischen Rechtswissenschaft, 1950; Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung der Rechtswissenschaft,
1962; Rehfeldt, B., Einführung in die Rechtswissenschaft, 1962; Ogris, W., Der
Entwicklungsgang der österreichischen Privatrechtswissenschaft, 1968; Coing,
H., Die ursprüngliche Einheit der europäischen Rechtswissenschaft, 1968;
Philosophie und Rechtswissenschaft, hg. v. Blühdorn, J. u. a., 1969;
Stephanitz, O. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Jörgensen, S.,
Grundzüge der Entwicklung der skandinavischen Rechtswissenschaft, JZ 25 (1970),
529; Kleinheyer, G./Schröder, J., Deutsche und europäische Juristen aus neun
Jahrhunderten, 4. A. 1996, 5. A. 2008; Tarello, G., Storia della cultura
giuridica moderna, Bd. 1 1976; Stühler, H., Die Diskussion um die Erneuerung
der Rechtswissenschaft von 1780-1815, 1978; Dubischar, R., Theorie und Praxis in
der Rechtswissenschaft, 1978; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der
„praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten an der Wende zum 19.
Jahrhundert, 1979; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100
(1983), 75; Herberger, M., Rechtswissenschaftsgeschichte, Rechtshistorisches
Journal 3 (1984), 150; Gouron, A., La science du droit le Midi, 1984;
Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Juristen
in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg.
v. Loos, F., 1987; Rechtswissenschaft im NS-Staat. Der Fall Eugen Wohlhaupter,
hg. v. Hattenhauer, H., 1987; Radding, C., The Origins of Medieval
Jurisprudence, 1988; Bürge, A., Neue Quellen zur Begegnung der deutschen und französischen
Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, ZRG GA 110 (1993), 546; Lange, H., Die
Anfänge der modernen Rechtswissenschaft, 1993; Rechtswissenschaft in der Bonner
Republik, hg. v. Simon, D., 1994; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; La
science juridique française et la science juridique allemande de 1870 à 1918,
hg. v. Beaud, O., 1997; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997;
Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, hg. v. Acham, K. u. a., 1998; Eine
deutsch-französische Rechtswissenschaft?, hg. v. Beaud, O. u. a., 1999; Braun,
J., Einführung in die Rechtswissenschaft, 3. A. 2007; Sailer, R.,
Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG GA 119 (2002), 106;
Der Gestaltungsanspruch der Wissenschaft, hg. v. Acham, K. u. a., 2007; Das Proprium
der Rechtswissenschaft, hg. v. Engel, C., 2007; http://www.koeblergerhard.de/werwarwer20020226.htm
Rechtswohltat → beneficium
Lit.: Kaser § 32 III; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985
Rechtswort → Rechtssprache
Lit.: Köbler, DRG 10; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff.
1914ff.: Freudenthal, K., Arnulfingisch-karolingische Rechtswörter, 1949;
Hyldgaard-Jensen, K., Rechtswortgeographische Studien 1, 1964; Schmidt-Wiegand,
R., Studien zur historischen Rechtswortgeographie, 1978; Speer, H., Das
deutsche Rechtswörterbuch, Historical Lexicography of the German Language 2,
hg. v. Goebel, U. u. a., 1991, 675; Köbler, G., Etymologisches
Rechtswörterbuch, 1995; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004, 14.
A. 2007
Rechtszug ist der
jeweils einem bestimmten Gericht zugeordnete Verfahrensabschnitt eines
Rechtsstreits. Voraussetzung für einen R. ist eine mehrstufige Gerichtsbarkeit.
Sie entsteht in Rom seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) und danach wohl neu
im Hochmittelalter. Die deutsche ordentliche Gerichtsbarkeit kennt seit
1877/1879 den meist dreistufigen Rechtszug, dem in der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s noch die Überprüfung einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht
und europäische Gerichte nachfolgen kann. Nur in einem weiteren Sinn ist R.
auch die Einholung einer Rechtsauskunft bei einer anderen Stelle (z.B →
Oberhof).
Lit.: Kaser § 87 I 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86;
Seelmann, W., Der Rechtszug im älteren deutschen Recht, 1910; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Jänichen, H., Der Rechtszug im
Spätmittelalter am oberen Neckar, Zeitschrift für württembergische
Landesgeschichte 15 (1956), 214; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959;
Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Weitzel, J., Der Kampf
um die Appellation, 1976; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976),
100; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 4. A. 2002
recognitio (lat. [F.])
Beglaubigung
Lit.: Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977
Records sind die
bis 1731 in lateinischer Sprache geführten Protokolle der Gerichte des →
englischen Rechts (im Gegensatz zu den in Lawfrench gehaltenen reports [der
jungen Anwälte] der year books).
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law
Tradition, 2000
Reconquista (F.)
Wiedergewinnung Spaniens durch die Christen gegen die Araber (8.-15. Jh.)
Lit.: Lomax, D., Die Reconquista, 1980; Vones, L.,
Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993
Rectitudines (F.Pl.) singularum personarum (lat.) (Rechte einzelner Personen) ist der Name des im →
Quadripartitus enthaltenen lateinischen Traktats des frühen englischen Rechts
(Mitte 10. Jh., überarbeitet um 1020 ?) über die Pflichten der Hintersassen
nach Hofrecht.
Lit.: Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen,
1909; Loyn, H., Anglo-Saxon England and the Norman Conquest, 1962
rector (lat. [M.])
Leiter, Richter
recuperator (lat. [M.])
Wiederbeschaffer
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 19; Schmidlin, B., Das
Rekuperatorenverfahren, 1963
recursus (lat. [M.])
Rücklauf, Rekurs
Recursus (M.) ab abusu (lat.,
Rekurs vom Missbrauch) ist in Frankreich seit dem Spätmittelalter die
Beschwerde bei den staatlichen Gerichten gegen den Missbrauch der geistlichen
Gewalt.
Lit.: Eichmann, E., Der recursus ab abusu, 1903; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983, Kap. 18
Recursus (M.) ad comitia (lat.)
(Rekurs zum Reichstag) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) seit
dem Ende des 17. Jh.s die Anfechtung von Urteilen des Reichskammergerichts und
des Reichshofrates vor dem Reichstag. Der r. a. c. bleibt meist ohne
Auswirkung.
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973, 398
Rede ist die Darlegung einer
Gedankenfolge gegenüber der Öffentlichkeit in mündlicher Form. Mit der Kunst
der beeindruckenden und möglichst überzeugenden R. befasst sich bereits in der
griechischen und römischen Antike die Rhetorik. In England entwickelt sich seit
1688, in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1776 und in Frankreich seit
1789 eine feste Einrichtung der öffentlichen, vor allem im Parlament gehaltenen
R. Die ersten modernen politischen Reden in deutscher Sprache finden sich in
den nach der französischen Revolution an Frankreich gelangten linskrheinischen
Gebieten.
Lit.: Politische Reden
1 (1792-1867), 2 (1869-1914), hg. v. Wende, P., 1990
Redefreiheit → Parlament, Meinungsfreiheit
reditus, redditus (lat. [M.])
Rückkehr, Einkunft, Abgabe
Redintegranda (zurückgewährend)
ist das Anfangswort eines auf die pseudoisidorischen Dekretalen des 9. Jh.s
zurückgehenden canons → Gratians (um 1140), nach dem ein vertriebener
Bischof gegen ein Strafverfahren gegen ihn eine Einrede hat, so lange er nicht
wieder in sein Amt eingesetzt wird, und jedes Urteil, das vor dieser
Wiedereinsetzung ergeht, fehlerhaft ist. Später entwickelt sich über die (lat.)
actio (F.) spolii hieraus die Besitzschutzklage.
Lit.: Hübner § 29 III 2b; Bruns, C., Die Besitzklagen, 1874
Redjeva (Ratgeber)
ist im hochmittelalterlichen Recht Frieslands ein Berater von Richter und →
asega, der in der Mitte und im Osten bald den asega ersetzt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840,
Neudruck 1960; Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114;
Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981;
Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches
Wörterbuch, 1983
Reeder ist der Schiffseigner.
Reederei ist die Verbindung mehrerer Schiffseigner. Sie findet sich der Sache nach bereits im Altertum. Eine umfassende gesetzliche Regelung bringen das preußische → Allgemeine Landrecht von 1794, das → Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und das → Handelsgesetzbuch von 1897/1900.
Lit.: Hübner; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Seamen in Society, hg. v.
Adam, P., 1980; Schmidt, K., Die Partenreederei, 1995
Referendar (lat. [M.] referendarius)
ist im spätantiken römischen Recht (427 n. Chr.) der kaiserliche
Berichterstatter. Als Titel für hohe Amtsträger erscheint R. auch im
Mittelalter (z. B. in Italien im 7.Jh., in der päpstlichen Kanzlei im 14. Jh.).
Seit 1748 ist in → Preußen der angehende Jurist nach zwei von insgesamt
drei Prüfungen R., seit 1869 nach einer von insgesamt zwei Prüfungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jescheck, H., Die juristische
Ausbildung in Preußen und im Reich, 1939; Bleek, W., Von der Kameralausbildung
zum Juristenprivileg, 1972; Mehrlein, A., Die Zweiteilung der Juristenausbildung,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Classen, P., Kaiserreskript, 1977
Referendum (N.) Volksabstimmung
Reform (F.)
Wiederherstellung einer (früheren) Form
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Koselleck, R., Preußen zwischen
Reform und Revolution, 1967; Weis, E., Montgelas, 1971; Bradler-Rottmann, E.,
Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Angermeier, H., Die Reichsreform, 1984;
Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Reform von Kirche
und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414-1418) und Basel
(1431-1449), hg. v. Hlaváček, I. u. a., 1996; Kaufhold, M., Die Rhythmen
politischer Reformen im späten Mittelalter, 2008
Reformatio in peius (iudici
appellato non licet) (lat.). (Die Rechtsmittelinstanz darf das
Urteil) nicht zu Lasten des Anfechtenden abändern. Im Dritten Reich wird das
Verbot der r. i. p. eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 235; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln,
7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 49, 1, 1, pr.)
Reformatio (F.) Sigismundi (lat.) (Reformation Sigmunds) ist die vermutlich am Ende
des Jahres 1439 in Basel in kurzer Zeit entstandene, in 16 Handschriften
überlieferte Reformschrift eines unbekannten Verfassers. Sie fordert von den
Geistlichen eine Beschränkung auf geistliche Aufgaben und von den weltlichen
Herren Aufhebung der Unfreiheit, der Freizügigkeitsbeschränkung sowie Schutz
vor Wucher und überhöhten Abgaben. Sie ist Ausdruck eines Verlangens nach Veränderung
noch vor dem eigentlichen Beginn der Neuzeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Angermeier, H., Der
Ordnungsgedanke in den Reichsreformbestrebungen, Diss. phil. München 1954
masch.schr.; Dohna, L. Graf zu, Reformatio Sigismundi, 1960; Reformation Kaiser
Siegmunds, hg. v. Koller, H., 1964; Struve, T., Reform oder Revolution?, ZGO
126 (1978), 73; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992, 117
Reformation ist die
Zurückbildung eines gegenwärtigen (schlechten) Zustands (bzw. einer
gegenwärtigen Form) in einen ursprünglichen (einwandfreien) Zustand (bzw. eine
ursprüngliche Form) bzw. die Veränderung zum Guten. In der christlichen Kirche
ist R. die von Martin → Luther (1483-1546) am 31. 10. 1517 durch Anschlag
von 95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg in Gang gesetzte Erneuerungsbewegung,
welche die Erlösung des sündigen Menschen statt auf (käufliche) gute Werke (→
Ablass) auf die Gnade Gottes zurückführt und die nach wechselvollem Verlauf
eines Religionskrieges 1555 im → Augsburger Religionsfrieden anerkannt
wird. Sie stärkt die Staatsgewalt einersweits, die Freiheit andererseits. Im
Recht ist R. die unterschiedlich weit reichende Veränderung des einheimischen
Rechtes durch Aufnahme römisch-kanonistischer Rechtsregeln in neu gefasste
Stadtrechte und Landrechte (z. B. → Nürnberg 1479/84, → Tübingen
1497, → Worms 1499, → Frankfurt 1509, → Bayern 1518, →
Freiburg im Breisgau 1520, Brandenburg 1527, Innerösterreich 1533, Württemberg
1555, Solms 1571, Kursachsen 1572) während des 15. bis 17. Jh.s. Dabei werden
der Süden und das Schuldrecht, Fahrnisrecht und Erbrecht stärker verändert als
der Norden und das Liegenschaftsrecht und das Ehegüterrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 232; Köbler, DRG 129, 130, 138;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 313; Burdach, K., Reformation,
Renaissance, Humanismus, 1918; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578,
1935; Heckel, J., Lex charitatis, 1953; Knoche, H., Ulrich Zasius und das
Freiburger Stadtrecht, 1957; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lortz, J., Die
Reformation in Deutschland, Bd. 1f. 6. A. 1982f.; Weltwirkung der Reformation
und Gegenreformation, 2. A. 1982; Wohlfeil, R., Einführung in die Geschichte
der Reformation, 1982; Martin Luther und die Reformation im Reich (Katalog),
hg. v. Boll, G., 1983; Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984;
Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; Blickle, P.,
Gemeindereformation, 1985; Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland,
hg. v. Schilling, H., 1986; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeutschen
Stadtrechtsreformationen, 1990; Blickle, P., Die Reformation im Reich, 3. A.
2000; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Lutz, H., Reformation und
Gegenreformation, 4. A. 1997; Keune, H., Die Durchsetzung der Reformation in
den Territorien, Diss. jur. Bonn 1999; Die deutsche Reformation zwischen
Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Brady, T., 2001; Burkhardt, J., Das
Reformationsjahrhundert, 2002; Oberman, H., Zwei Reformationen, 2003; Ganzer,
K., Die religiösen Bewegungen im Italien des 16. Jahrhunderts, 2003; Berman,
H., Law and Revolution II, 2003; Mörke, O., Die Reformation, 2005; Hamm,
B./Welker, M., Die Reformation, 2008
Regal ist das vom
König beanspruchte Recht (lat. [ius]
regale), das seit (dem Wormser Konkordat von) 1122 so bezeichnet wird. Auf dem
Reichstag in Roncaglia erfolgt 1158 eine (unvollständige) Aufzählung der Regalien.
Einzelne Regale sind etwa Salzregal, Bergregal, Judenregal, Zollregal,
Marktregal, Münzregal, Schatzregal, Bodenregal, Wegeregal, Geleitsregal,
Stromregal, Wasserregal, Mühlenregal, Forstregal, Jagdregal, aber auch
Gesetzgebung, Privilegienerteilung, Kriegserklärung, Universitätsgründung
oder Verleihung des Doktorgrades. Seit dem 12. Jh. gehen die Regale
(Regalien) vom König auf die Landesherren über und es entstehen nur noch
vereinzelt neue Regale (z. B. Postregal, Bücherregal als Oberaufsicht über das
Bücherwesen). In der Hand des Landesherrn werden die Regale Teil der
allgemeinen Staatsgewalt (Hoheitsrecht) bzw. privatrechtlich-fiskalisches
Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109, 113, 124, 150,
167; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Pöschl, A.,
Die Regalien der mittelalterlichen Kirchen, 1928; Thieme, H., Zur Funktion der
Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Classen, P., Der Prozess um
Münsteuer (1154-[11]76) und die Regalienlehre Gerhochs von Reichersberg, ZRG GA
77 (1960), 324; Appelt, H., Der Vorbehalt kaiserlicher Rechte in den Diplomen
Friedrich Barbarossas, MIÖG 68 (1960), 81; Schrader, E., Bemerkungen zum
Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittealater, ZRG GA 84 (1967),
128; Lot, F./Fawtier, R., Histoire des institutions françaises, Bd. 2 1985;
Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am
Main 1939; Howell, M., Regalian Right in Medieval England, 1962; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Regen
Lit.: Burkhardt, M.,
Regen, Landgericht Zwiesel und Regen, Pfleggericht Weißenstein, 1975
Regensburg an der Donau wird nach römischen Anfängen (80 n. Chr.) im Frühmittelalter Hauptsitz des bayerischen Herzogs, im Hochmittelalter Reichsstadt (1245). Von 1663 bis 1806 tagt dort der immerwährende → Reichstag. 1962 wird R. Sitz einer Universität.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Lindner, L., Das bürgerliche Recht
der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1909; Regensburger
Urkundenbuch, Bd. 1 1913; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, 1914,
Neudruck 1978; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Ziegler,
A., Beiträge zur Rechtsgeschichte von Regensburg, 1931; Morré, F., Ratsverfassung
und Patriziat in Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für
Regensburg und Oberpfalz 85 (1935); Klebel, E., Landeshoheit in und um
Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg
90 (1940); Die Traditionen des Hochstifts Regensburg, hg. v. Widemann, J.,
1943; Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Juden in Regensburg
1453-1738, bearb. v. Straus, R., 1960; Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag
zu Regensburg, 1963; Ambronn, K., Verwaltung, Kanzlei und Urkundenwesen der
Reichsstadt Regensburg im 13. Jahrhundert, 1968; Bierther, K., Der Regensburger
Reichstag von 1640/1641, 1971; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche
Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Eikenberg, W., Das Handelshaus der Runtinger
zu Regensburg, 1976; Schmid, D., Regensburg 1, 1976; Kraus, A., Regensburg
1989; Schmid, A., Regensburg, 1994; Schmuck, J., Ludwig der Bayer und die
Reichsstadt Regensburg, 1997; Geschichte der Stadt Regensburg, hg. v. Schmid,
P., 2000; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538),
2005; Friedrich, S., Drehscheibe Regensburg, 2007; Schmidt, R., Zur
Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 82;
Trapp, E., Welterbe Regensburg, 2008
Regent ist der Herrscher
oder Fürst oder der Mensch, der für einen anderen im Falle einer Verhinderung
die Regierungsgewalt ausübt.
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und
Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Heckmann, M.,
Stellvertreter, 2002; Elpers, B., Regieren, Erziehen, Bewahren, 2003; Puppel,
P., Die Regentin, 2004
Regest ist die
Angabe von Ausstellungsdatum, Ausstellungsort, Aussteller, Adressat, Inhalt
und Fundstelle einer Urkunde, Regesten die meist chronologische geordnete Mehrheit
einzelner Regeste (Urkundenverzeichnis) (z. B. der Kaiser und Könige des
deutschen Reichs [Bd. 1 Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern
751-918, Bd. 2 Sächsisches Haus 919-1024, Bd. 3 Salisches Haus 1024-1125, Bd. 4
Ältere Staufer 1125-1197, Bd. 5 Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp,
Otto IV., Friedrich II. Heinrich usw., Bd. 14 Ausgewählte Regesten des
Kaiserreiches unter Maximilian I. 1493-1519]).
Lit.: Köbler, DRG 145; Böhmer, J. F., Regesta imperii, Bd.
1ff. 1831ff., 2. A. 1889ff.; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f.
4. A. 1968ff.; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1964ff.; Santifaller, L., Bericht über die Regesta
imperii (1829-1967), Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d.
Wiss. 106 (1969), 299; Die Regesta Imperii, hg. v. Zimmermann, H., 2000;
REGESTA IMPERII online – RI OPAC online http://www.regesta-imperii.org;
Heinig, P., Regesta imperii, DA 62 (2006), 631, 63 (2007), 613
Regierung ist das
kollegiale Verfassungsorgan, dem die Staatsleitung zusteht bzw.
(Bezirksregierung) eine mittlere Landesbehörde. Von R. wird seit dem
ausgehenden Spätmittelalter gesprochen. In der konstitutionellen Monarchie
gewinnt die R. als Spitze der ausführenden Gewalt tatsächlich allmählich eine
gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Herrscher, im parlamentarischen System
ist sie vom Vertrauen des Parlamentes abhängig und wird deshalb von der
Mehrheitspartei oder einer Mehrheitskoalition gestellt. (Politische) Akte der
Regierung sind (nach nachrevolutionärem französischem Vorbild) grundsätzlich
verwaltungsgerichtlicher Überprüfung entzogen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 247;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 361; Schücking, W., Der
Regierungsantritt, 1899; Schlitter, H., Die Regierung Josephs II., 1900; Meyer,
F., Der Begriff der Regierung im Rechtsstaat, 1948; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in
Deutschland, 1970; Scheibelreiter, G., Der Regierungsantritt des
römisch-deutschen Königs (1056-1138), Diss. phil. Wien 1971; Gesellschaft,
Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Frotscher, W.,
Regierung als Rechtsbegriff, 1975; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1975;
Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten 1815/1933, hg. v.
Schwabe, K., 1983; Reuschling, H., Die Regierung des Hochstifts Würzburg, 1984;
Lodemann, C., Die Geschichte des französischen acte de gouvernement, 2005
Regiment (N.)
Leitung, Heeresteil, Behörde (z. B. 1499 für die oberösterreichischen Länder
in Innsbruck, 1501 für die niederösterreichischen Länder in Linz bzw. 1510
Wien, 1564 für die innerösterreichischen Länder in Graz, 1744 Landesjustizstellen,
1763 in Gubernien aufgegangen)
Regino von Prüm (Altrip um
840 ?-Trier 892), aus fränkischem Adel (?), wird 892 Abt von Prüm (893 Anlegung
des Prümer Urbars) und nach Vertreibung 899 Abt von St. Martin in Trier. Um 906
verfasst er das in zwei Bücher geteilte kirchenrechtliche Handbuch (lat.) De
synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis (Über Synodalsachen und
kirchliche Disziplinen) mit 96 Fragen an den Pfarrer und 89 Fragen an die
Gemeindeglieder. Es wird von → Burchard von Worms verwertet.
Lit.: Libri duo de synodalibus causis, hg. v.
Wasserschleben, F., 1840; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, Bd. 1
1907; Hellinger, W., Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm, ZRG KA 48
(1962), 1, 49, (1963), 76; Lotter, F., Ein kanonistisches Handbuch über die
Amtspflichten, ZRG KA 62 (1976), 1; Schleidgen, W., Die Überlieferungsgeschichte
der Chronik des Regino von Prüm, 1977; Schmitz, G., Ansegis und Regino, ZRG KA
74 (1988), 95; Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, hg. v. Hartmann, W., 2004
Register (N.)
Verzeichnis (z. B. römischer Behörden im Altertum, der Kirche seit dem 4. Jh.
n. Chr. oder allgemein üblich seit dem 12./13. Jh.)
Lit.: Silagi, G., Landesherrliche
Kanzleien, 1984
regnum (lat. [N.])
Reich, Königreich
Lit.: Herkenrath, R., Regnum und imperium – das Reich in
der frühstaufischen Kanzlei (1138-1155), 1969; Goetz, H., Regnum – zum
politischen Denken der Karolingerzeit, ZRG GA 104 (1987), 110; Staat- und
Volkwerdung, hg. v. Brühl, C., 1995; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a.,
2002
regnum (N.) Teutonicum (lat.)
deutsches Reich (um 1000)
Lit.: Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970
Regredienterbe (M.) weichender Erbe
Regress ist der
Rückgriff eines zunächst zu einer Leistung Verpflichteten auf einen weiteren,
vielfach nur im Innenverhältnis zur Erbringung der Leistung Verpflichteten. Er
findet sich bereits im römischen Recht. Von der dortigen Verpflichtung des
Gläubigers, dem leistenden Bürgen seine Forderung gegen den Schuldner
abzutreten, ausgehend entwickelt sich für viele unterschiedliche Fälle des
Regresses ein allgemeiner Forderungsübergang kraft Gesetzes.
Lit.: Kaser § 52 II 2; Schulz, F., Rückgriff und
Weitergriff, 1907; Selb, W., Schadensbegriff und Regreßmethoden, 1963
regula (lat. [F.]) Richtschnur, Regel (z. B.
regula iuris)
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 53
Regula (F.) aurea (lat.) (goldene [Verhaltens-]Regel) ist die schon dem Altertum
geläufige Vorstellung, dass man so handeln solle, wie man wünsche, dass alle handeln
würden bzw. alles unterlassen solle, von dem man wünsche, dass es andere
unterlassen würden.
Lit.: Philippidis, L., Die Goldene Regel, 1929; Dihle, A.,
Die Goldene Regel, 1962; Spendel, G., Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, FS
F. v. Hippel, 1967, 491
Regula (F.) Benedicti (lat.)
(Benediktinerregel) ist die in der ersten Hälfte des 6. Jh.s von Benedikt von
Nursia (um 480-557) für den von ihm geleiteten ältesten abendländischen
Mönchsorden (→ Benediktiner) als (lat. [F.])
lex (Gesetz) geschaffene, in 73 Kapitel gegliederte Klosterregel (Verfassung,
Tugendlehre, Gottesdienst, Strafe, Verwaltung, Wahl, Aufnahme). Ihre Quellen
sind die Bibel, Augustinus, monastisches Schriftum und die nach 500 (Rom 1.
Viertel 6. Jh.) entstandene anonyme (lat.) regula (F.) magistri (Regel des
Meisters).
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Die Benediktusregel, hg. v. Steidle, B., 4. A. 1980; Jakobs, U., Die Regula
Benedicti als Rechtsbuch, Diss. jur. Frankfurt am Main 1985; Regula Benedicti, 1992
Regulae (F.Pl.) Ulpiani
(Regeln Ulpians) sind der vermutlich am Ende des 3. oder Anfang des 4. Jh.s aus
Schriften des Gaius, Ulpian und Modestin hergestellte römische Rechtstext, von
dem ein Auszug in einer Handschrift der ersten Hälfte des 4. Jh.s erhalten ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2b; Köbler, DRG 52
Regularkanoniker ist
der sich einer weitergehenden Lebensordnung (Regel) unterstellende →
Kanoniker.
Lit.: Weinfurter, S., Neuere Forschungen zu den
Regularkanonikern, HZ 224 (1977), 379
Regulierungsedikt ist
das am 14. 9. 1811 in → Preußen erlassene Edikt die Rechte der
gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend, das nach dem 1798 im
linksrheinischen Gebiet verwirklichten Vorbild Frankreichs dem einzelnen Bauern
Eigentum an Grund und Boden verschafft. → Bauernbefreiung
Lit.: Köbler, DRG 174; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Reich ist das
Herrschaftsgebiet eines Herrschers. Dabei steht im Altertum das (lat.) imperium
(N.) Romanum (römische Reich) im Vordergrund. Von den dessen weströmischen Teil
auflösenden Reichen einzelner germanisch/germanistischer Völker gewinnt das
fränkische Reich die größte Bedeutung. Unter dem Karolinger Karl dem Großen
wird es an Weihnachten 800 zum Kaiserreich. Nach seiner Teilung (843/887)
bleibt die Kaiserwürde im ostfränkischen Reichsteil, der sich zum deutschen R.
entwickelt. Hier treten bald König/Kaiser und → Reichsstände einander
gegenüber. An deren Gegensatz zerbricht unter dem Druck Napoleons bzw.
Frankreichs das R. am 6. 8. 1806 als Heiliges römisches R. (deutscher Nation).
Das von Bismarck 1871 geschaffene zweite Deutsche R., das Adolf Hitler 1933 zum
→ Dritten R. umwandelt, ist demgegenüber ein eher kurzlebiger Nationalstaat.
Nach 1945 ist der Begriff R. für die Gegenwart durch Bund ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 94, 101, 109, 112,
133, 138, 147, 150, 169, 172, 233; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1984, 423; Becker, J., Kritik der deutschen Reichsverfassung,
1796ff., hg. v. Burgdorf, W., 2009;
Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Krammer, M., Der
Reichsgedanke des staufischen Kaiserhauses, 1908; Heine, H., Das Werden des
deutschen Reichs, 2. A. 1944; Thamm, M., Die Terminologie des Wortes „Reich“,
Diss. phil. Frankfurt 1959; Wolfram, H., Splendor imperii, 1963; Herkenrath,
R., Regnum und imperium, 1969 (SB Wien); Steinbach, H., Die Reichsgewalt und
Niederdeutschland in nachstaufischer Zeit, 1968; Binder, H., Reich und
Einzelstaaten während der Kanzlerschaft Bismarcks, 1971; Moraw, P., König,
Reich und Territorium, 1971; Mühlen, P. v. zur, Die Reichstheorien in der
deutschen Historiographie des frühen 18. Jahrhunderts, ZRG GA 89 (1972), 118;
Duchhardt, H., Protestantisches Kaisertum und Altes Reich, 1977; Schubert, E.,
König und Reich, 1979; Müller-Mertens, E., Die Reichsstruktur im Spiegel der
Herrschaftspraxis Ottos des Großen, 1980; Das römisch-deutsche Reich im
politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Kaiser und Reich, hg. v.
Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land
der Deutschen, 1987; Aretin, K., Frhr. v., Das Reich, 1988; Weisert, H., Der
Reichstitel bis 1806, Archiv für Diplomatik 40 (1994), 441; Alternativen zur
Reichsverfassung, hg. v. Press, V. u. a., 1995; Vogler, G., Absolutistische
Herrschaft und ständische Gesellschaft, 1996; Neue Studien zur
frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v. Kunisch, J., 1997; Recht und Reich
im Zeitalter der Reformation, hg. v. Roll, C., 2. A. 1997; Schulze, H., Kaiser
und Reich, 1998; Schatz, J., Imperium, pax et iustitia, 2000; Gotthard, A., Das
alte Reich 1495-1806, 2003; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004; Das
Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Klueting,
H. u. a., 2004; Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen
Europa, hg. v. Schneidmüller, B., 2006
Reichenau ist die
Insel im unteren Bodensee, auf der um 724 eine rasch bedeutend werdende
Bendediktinerabtei gegründet wird, aus der eine Formelsammlung des späten 8.
Jh.s überliefert ist.
Lit.: Die Kultur der Reichenau, Bd. 1, hg. v. Beyerle, K.,
1925; Die Gründungsurkunden der Reichenau, hg. v. Classen, P., 1977; Schmidt,
R., Reichenau und St. Gallen, 1985; Richter, M., Neues zu den Anfängen, ZGO 144
(1996), 1; Rappmann, R./Zettler, A., Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft, 1998;
Verblichener Glanz, hg. v. Kreutzer, T., 2007
Reichsabschied (lat.
recessus [M.] imperii) ist seit 1497 die in Deutsch gehaltene
Zusammenfassung der Beschlüsse des Reichstages des Heiligen römischen Reiches
am Ende der Tagung. Der R. enthält die jeweils vom Reichstag geschaffenen
Gesetze. Der R. erlangt mit der Verlesung in einer Schlusssitzung
Gesetzeskraft. Die weitere Verbreitung des Reichsabschiedes ist den
Reichsständen überlassen. Der jüngste R. stammt von 1654.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 6, 148; Neue und
vollständige Sammlung der Reichsabschiede, hg. v. Schmauß, J. u. a., Teil 1ff.
1747, Neudruck 1967; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 134; Laufs,
A., Der jüngste Reichsabschied von 1654, 1975; Hof, Hoftag und Reichstag, hg.
v. Moraw, P., 1994
Reichsabt ist der
Abt einer reichsunmittelbaren Abtei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Vogtherr, T., Die Reichsabteien der Benediktiner, 2000
Reichsacht ist die
im Hochmittelalter und Spätmittelalter für das gesamte → Reich verhängte →
Acht. Die hofgerichtliche und kammergerichtliche R. können nur gegen den
ausgesprochen werden, der trotz dreimaliger Ladung vor den König oder das
königliche Gericht ausbleibt. Löst sich der Geächtete nicht aus der R., kann
gegen ihn die Reichsaberacht verhängt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poetsch, J., Die Reichsacht,
1911; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984
Reichsadel ist der
mit dem → Reich besonders verbundene → Adel. Dies ist insbesondere
der reichsunmittelbare Adel mit Reichsstandschaft im Reichstag. Im weiteren
Sinn zählt hierzu auch der durch das Reich seit dem 14. Jh. (1346) geschaffene
Briefadel.
Lit.: Bornhak, C., Deutsches Adelsrecht,
1929
Reichsadler ist der
als Symbol des → Reiches verwendete → Adler.
Reichsamt ist die
im zweiten Deutschen Reich seit 1870/1 zur Abwehr der liberalen
Wunschvorstellungen eines verantwortlichen Reichsministeriums
(Reichskanzleramtes) gebildete selbständige Reichsbehörde (1870/1 auswärtiges
Amt, 1872 Admiralität, 1873 Reichseisenbahnamt, 1876/80 Reichspostamt, 1877
Reichsjustizamt, 1879 Amt für Inneres, 1879 Reichsschatzamt). Der Leiter eines
Reichsamtes wird bald dem Kaiser unmittelbar verantwortlich. Die Zahl der
Reichsämter erhöht sich später noch.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
196
Reichsapfel ist die
als Symbol des Reiches verwendete Kugel, die auf der Grundlage antiker
Vorbilder im Mittelalter (Heinrich II., Heinrich IV. [1106],
Heinrich VI. [1191]) erscheint. Der noch vorhandene R. stammt vielleicht noch
aus dem 12. Jh.
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954;
Schramm, P., Sphaira, Globus, Reichsapfel, 1958
Reichsarbeitsdienst ist
der auf der Grundlage früherer freiwilliger Arbeitsdienste der studentischen
Arbeitslagerbewegung von Adolf → Hitler 1935 zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit
eingerichtete Arbeitsdienst mit einer halbjährigen Arbeitsdienstpflicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Reichsarchiv ist
das 1919 in Potsdam gegründete zentrale Archiv des Deutschen Reiches. Ältere
Versuche der Einrichtung eines Reichsarchivs bleiben erfolglos. Nachfolger ist
in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesarchiv.
Lit.: Lünig, J., Teutsches Reichsarchiv, Bd. 1ff. 1713ff.; Rühle,
G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.
Reichsbank ist die
am 1. 1. 1876 errichtete Zentralnotenbank des zweiten Deutschen Reiches zur
Regelung des Geldumlaufes, Erleichterung der Zahlungsausgleichungen und
Nutzbarmachung des verfügbaren Kapitals, die tatsächlich 1945 und formal am 2.
8. 1961 aufgelöst wird.
Lit.: Beutler, R., Die Reichsbank, 1909; Wussow, H., Die
Zentralbanken, Diss. jur. Frankfurt am Main 1955 masch.schr.
Reichsbistum ist
das im fränkisch-deutschen Reich bestehende Bistum bzw. das reichsunmittelbare
Bistum.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Feine, H., Die
Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964
Reichsbürgergesetz ist
das im Dritten Reich am 15. 9. 1935 geschaffene Gesetz, das als Reichsbürger
nur die Staatsbürger deutschen oder artverwandten Blutes ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 222; Stuckart/Globke, H.,
Reichsbürgergesetz, 1936
Reichsdeputation ist
der vom Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) seit dem
16. Jh. gebildete Ausschuss. Die R. kann ordentliche R. oder außerordentliche
R. sein.
Lit.: Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 74, 253
Reichsdeputationshauptschluss ist der - von der Reichskirche einigermaßen widerstandslos
hingenommene - Beschluss (Hauptschluss) der letzten außerordentlichen mit
Mainz, Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Bayern, Hessen-Kassel, Württemberg und
dem Hoch- und Deutschmeister besetzten → Reichsdeputation des Heiligen
Römischen Reichs (deutscher Nation) vom 25. 2. 1803 (24. 3. 1803 ohne
Gegenstimmen Reichsgutachten des Reichstags, 28. 4. 1803 Genehmigung des
Kaisers [mit einigen Ausnahmen]). Der R. beendet auf Grund eines von →
Frankreich und → Russland vorgelegten Entwurfes rechtsrheinisch für drei
Kurfürstentümer (Köln, Trier, Pfalz), 24 Fürstentümer [19 Reichsbistümer], 44
Reichsabteien und 41 Reichsstädte (112 Reichsstände) die Selbständigkeit und
teilt ihr Gebiet (rund 10000 Quadratkilometer geistliches Gebiet mit 3,161
Millionen Einwohnern) zur bereits auf dem Rastatter Kongress (1797-1799)
beschlossenen Entschädigung für linksrheinische Verluste an Frankreich [Friede
von Lunéville 1801] anderen Reichsständen (Baden, Bayern, Preußen, Württemberg)
zu. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) endet auch
der formell rechtmäßig zustande gekommene, inhaltlich mangels Zustimmung der
Betroffenen rechtswidrige, tatsächlich aber auf Grund der normativen Kraft des
Faktischen rechtswirksame R., doch wirken die durch ihn geschaffenen
Veränderungen fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 132; Gaspari, A., Der
Deputations-Receß, 1803, hg. v. Becker, H., 2003; Wende, P., Die geistlichen
Staaten, 1966; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Schroeder,
K., Der Reichsdeputationshauptschluss, JuS 1989, 351; Der
Reichsdeputationshauptschluss von 1803, hg. v. Hufeld, U., 2003; Knecht, I.,
Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803, 2007; Klueting, H.,
Zweihundert Jahre Reichsdeputationshauptschluss, HZ 286 (2008), 403;
Olschewski, B., Herrschaftswechsel - Legitimitätswechsel, 2009
Reichsdienstmann ist
der im Dienst des → Reiches stehende Dienstmann oder Ministeriale. Seit
der karolingischen Zeit steigt er aus der Unfreiheit in den niederen Adel (14.
Jh.) auf. 1128 wird er erstmals als (lat.) ministerialis (M.) regni
ausdrücklich genannt.
Lit.: Köbler, DRG 98; Weimann, K., Die Ministerialität im
späten Mittelalter, 1924; Segner, U., Die Anfänge der Reichsministerialität,
1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.; Wadle, E., Reichsgut
und Königsherrschaft, 1969
Reichsdorf ist das
reichsunmittelbare Dorf. Aus dem umfänglichen Reichsgut lassen sich später noch
etwas mehr als 100 Reichsdörfer (120 Reichsflecken und Reichshöfe) sichern. Sie
sind frei von grundherrlichen Lasten und Träger von gerichtlichen Rechten. Bis
zum Jahre 1803 geraten sie außer Gochsheim, Sennfeld, Sulzbach, Soden und den
freien Leuten auf der Leutkircher Heide unter eine Landesherrschaft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 110; Hugo,
G., Verzeichnis der freien Reichsdörfer, Z. f. Archivkunde 2 (1836), 446;
Weber, F., Geschichte der fränkischen Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld,
1913; Kaufmann, E., Geschichte und Verfassung der Reichsdörfer Soden und
Sulzbach, Diss. phil. Frankfurt am Main 1951, Neudruck 1984
Reichserbhofgesetz ist
das die Testierfreiheit des Eigentümers eines Erbhofs zugunsten der
Wirtschaftsfähigkeit einschränkende deutsche Reichsgesetz vom 1. 10. 1933 (21,6
% der Höfe im deutschen Reich und 27,9 Prozent der Höfe in Bayern sind
Erbhöfe), das von den Betroffenen im Großen und Ganzen angenommen wurde.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 239; Grundmann, F.,
Agrarpolitik im „Dritten Reich“, 1979; Schliepkorte, J., Entwicklungen des
Erbrechts zwischen 1933 und 1953, 1989; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus
konkretem Ordnungsdenken, ZNR 14 (1992), 55; Schobert, G., Die Anwendung des
Reichserbhofgesetzes im ehemaligen Amtsgerichtsbezirk Pfaffenhofen, 2007;
Böse, C., Die Entstehung und Fortbildung des Reichserbhofgesetzes, 2008
Reichsexekution ist
die Vollstreckung von Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshofrats
sowie die Sicherung des Landfriedens im Heiligen Römischen Reich (deutscher
Nation). Die Ordnung der R. ist in verschiedenen Reichsabschieden des 16. Jh.s
behandelt (vor allem 1555). Die rechtstatsächliche Bedeutung der R. ist
gering.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Ernst, V.,
Die Entstehung der Exekutionsordnung von 1555, Württemberg. Vjh. f. LG. N.F. 10
(1901), 1; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1971
Reichsfahne ist die
vor allem als Kriegsfahne als Symbol des Reiches verwendete → Fahne. Ihre
anfängliche Farbe ist streitig (rot?, gold?, gold und silbern?, gold und rot?,
weiß und rot?). Im 12. Jh. wird der → Adler in sie aufgenommen. 1848
werden Schwarz-Rot-Gold, 1871 Schwarz-Weiß-Rot und 1919 Schwarz-Rot-Gold als
Farben festgelegt. Das Hakenkreuz des Dritten Reiches bleibt kurzes
Zwischenspiel.
Lit.: Buschkiel, L., Die deutschen Farben, 1935; Schramm,
P., Herrschaftszeichen und Staatssymbol, Bd. 2 1955, 643
Reichsfarben → Reichsfahne
Lit.: Wentzcke, P., Die deutschen Farben, 2. A. 1955
Reichsfinanzen sind
die Einkünfte des → Reiches. Sie bestehen im Mittelalter vor allem aus
den Erträgnissen der Königshöfe, aus jährlichen Gaben und aus Bannabgaben,
Friedensgeldern, Zöllen und Münzabgaben. Durch die Vergabung des Königsgutes
werden sie geringer. Im zweiten Deutschen Reich stehen dem Reich die Zölle und
Verbrauchsabgaben bis zur Höhe von 130 Millionen Mark, die Posteinkünfte und
Beiträge der Einzelstaaten (Matrikularbeiträge) zu. Seit 1881 werden zur
Verbesserung der bedrängten Finanzlage besondere Reichssteuern festgesetzt.
Lit.: Köbler, DRG 196, 233; Troe, H., Münze, Zoll und
Markt, 1937; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1;
Schulze, W., Reichskammergericht und Reichsfinanzverfassung, 1989
Reichsfinanzhof ist das mit Gesetz vom 26. 7. 1918 geschaffene, in
München zum 1. 10. 1918 eingerichtete oberste deutsche Gericht in
Finanzstreitigkeiten bzw. Steuersachen. Sein Nachfolger ist der
Bundesfinanzhof.
Reichsfiskal → Fiskal
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Reichsforst → Forst
Reichsfürst ist der
sich im 12./13. Jh. aus dem Reichsadel aussondernde reichsunmittelbare Fürst
(um 1190 92 geistliche und 22 weltliche Reichsfürsten). Er kann weltlicher R. (Herzog
oder herzogsgleich) oder geistlicher R. (Erzbischof, Bischof, Abt, Äbtissin)
sein. Mehr als einfacher R. ist der → Kurfürst. Im Hochmittelalter
beträgt die Zahl der Reichsfürsten etwa 110 bis 120, von denen drei Viertel
geistliche Reichsfürsten sind. Es gibt weder landrechtlich noch lehnrechtlich
eindeutige rechtliche, die Reichsfürsten von anderen hochadligen Geschlechtern
abhebende Voraussetzungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 135, 148, 153;
Ficker, J.(/Puntschart, P.), Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1f. 1861ff., Neudruck
1961; Schönherr, F., Die Lehre vom Reichsfürstenstande, 1914; Moeller, R., Die
Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Stengel, E., Land- und
lehnrechtliche Grundlagen des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 66 (1948), 294;
Engelbert, G., Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg
1948 (masch.schr.); Hinz, G., Territorialstaatsbewusstsein und Reichsgedanke,
1956; Schubert, E., König und Reich, 1979; Klein, T., Die Erhebungen in den
weltlichen Reichsfürstenstand 1500-1806, Bll. f. dt. LG 122 (1986) 137ff.; Vom
Reichsfürstenstande, hg. v. Heinemeyer, W., 1987; Arnold, B., Princes and
Territories, 1991; Willoweit, D., Fürst und Fürstentum in den Quellen der
Stauferzeit, Rhein. Vjbll. 63 (1999); Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption,
1999; Der zweite Mann im Staat, hg. v. Kaiser, M. u. a., 2003
Reichsfürstenrat ist
der seit dem 15. Jh. (1471, 1486) von den → Reichsfürsten,
reichsständischen Grafen und Herren und den nicht gefürsteten Prälaten
gebildete Rat innerhalb des Reichstags. Er besteht aus einer geistlichen, vom
Herzog (Pfalzerzherzog) von Österreich angeführten Bank und einer weltlichen,
vom Herzog von Bayern angeführten Bank. Nach der Reformation verbleibt eine
katholische Mehrheit der Stimmen. 1792 weist der R. 94 (35 geistliche und 59
weltliche) Virilstimmen und 6 (2 geistliche und 4 weltliche) Kuriatstimmen auf,
1803 127 Virilstimmen und 4 Kuriatstimmen.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat,
1882; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsgebiet ist
das Gebiet des → Reiches.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kirn, P., Politische
Geschichte der deutschen Grenzen, 4. A. 1958; Deutschlands Grenzen in der
Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993
Reichsgericht ist allgemein
das für das → Reich zuständige Gericht. Dies ist für das
fränkisch-deutsche Reich das Gericht des Königs, seit 1495 das →
Reichskammergericht und danach neben ihm der → Reichshofrat. 1848
geplante Reichsgerichte scheitern mit den Verfassungen. Für das zweite Deutsche
Reich wird am 1. 10. 1879 ein neues R. mit fünf (1893 6) Zivilsenaten und drei
(1893 4) Strafsenaten in Leipzig eröffnet (1893 81 Richter), das dem Reichsoberhandelsgericht
bzw. dem Bundesoberhandelsgericht nachfolgt. Es ist hauptsächlich
Revisionsgericht. Ihm organisatorisch eingegliedert und personell mit ihm
verknüpft sind Staatsgerichtshof und Reichsarbeitsgericht. Sein zweiter Senat
ist für das rheinische Recht zuständig und orientiert sich in seinen
Entscheidungen (bis 1900 rund 1000) an der französischen Rechtsprechung zum
Code civil. Am 19. 4. 1945 bzw. nach der Bildung einer Kommission zur Bewahrung
der Sachwerte des Reichsgerichts innerhalb der sowjetischen Besatzungszone am
8. 10. 1945 wird es geschlossen. Die amtliche Sammlung seiner Entscheidungen
umfasst 172 Bände mit mehr als 15000 Entscheidungen auf etwa 91000 Seiten. →
Bundesgerichtshof. Von 1869 bis 1918 besteht auch in Österreich ein R. (mit
einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und 12 Mitgliedern) als Verfassungsgericht
(Zuständigkeitsstreitigkeiten, Grundrechtsangelegenheiten,
Kausalgerichtsbarkeit), dem 1919 der Verfassungsgerichtshof folgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 195, 200, 215, 218,
231; Fünfzigjahrfeier des Reichsgerichts, 1929; Die Reichsgerichtspraxis, hg.
v. Schreiber, O., Bd. 1ff. 1929; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Hertz, F., Die
Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Kaul, F., Geschichte
des Reichsgerichts, 1971; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, 1972; Kolbe, D., Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin Bumke, 1975;
Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419; Dauer, F., Die Bibliothek des
Reichsgerichts, 1991 (1945 rund 300000 Bände); Sammlung sämtlicher Erkenntnisse
des Reichsgerichts in Zivilsachen, hg. v. Schubert, W., 1992ff.; Wiegendrucke
der Bibliothek des Reichsgerichts, bearb. v. Otto, J., 1994; Nachschlagewerk
des Reichsgerichts. Bürgerliches Gesetzbuch, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd.
1ff. 1994ff.; Das Reichsgericht, hg. v. stadtgeschichtlichen Museum Leipzig,
1995; Grimm, D., Das Reichsgericht in Wendezeiten, NJW 1997, 2719; Müller, K.,
Die Hüter des Rechts, 1997; Nachschlagewerk des Reichsgerichts Preußisches
Landrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1998; Weidenthaler, H., Die Strafsenate
des Reichsgerichts, Diss. jur. Würzburg 1999; Dorsch, T., Der Reichsgerichtsbau
in Leipzig, 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und
beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Möller, K., Die Rechtsprechung des
Reichsgerichts in Zivilsachen, 2001; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung
und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Nachschlagewerk des Reichsgerichts.
Gesetzgebung des Deutschen Reichs, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 2005;
RGZ – Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen 1880-1945. Archiv-DVD.
2004; Neschwara, C., Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Monarch
und Parlament – Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006),
310; 125 Jahre Reichsgericht, hg. v. Kern, B. u. a., 2006; (Müller, S.,) Das
Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, 2008; Geyer, S., Den Code civil „richtiger“
auslegen, 2008
Reichsgesetz ist
das vom → Reich geschaffene bzw. für das Reich geltende → Gesetz.
Im Heiligen römischen Reich entsteht das R. auf Vorschlag (Proposition) des
Kaisers durch Zustimmung der drei Kurien Kurfürstenkollegium, Reichsfürstenrat
und Städtekollegium (Reichsgutachten) und des Kaisers (Reichsschluss). Wegen
des verwickelten Verfahrens ist das R., von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B.
Constitutio Criminalis Carolina, Reichskammergerichtsordnung, Reichspolizeiordnung),
nicht sehr bedeutsam. Dagegen wird im zweiten Deutschen Reich durch R. das
deutsche Reichsrecht auf fast allen Gebieten vereinheitlicht (→
Strafgesetzbuch, → Strafprozessordnung, → Zivilprozessordnung, →
Bürgerliches Gesetzbuch). Seit dem 19. Jh. wird das R. formell im
Reichsgesetzblatt publiziert.
Lit.: Köbler, DRG 148; Zeumer, K., Studien zu den
Reichsgesetzen des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 23 (1902), 61; Hartz, W., Die
Gesetzgebung des Reichs, 1931; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Ebel,
W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Diestelkamp, B., Die deutsche Reichsgesetzgebung im 19. und 20. Jahrhundert,
(in) Särtryk ur Rättshistorika studier (Serien II) Bd. 7 1982, 206
Reichsgesetzgebung → Reichsgesetz
Reichsgraf ist seit
der frühen Neuzeit der zum → Reich in unmittelbarer Beziehung stehende →
Graf.
Lit.: Böhme, E., Das fränkische Reichsgrafenkollegium im
16. und 17. Jahrhundert, 1989; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989;
Arndt, J., Das niederrheinsch-westfälische Reichsgrafenkollegium, 1991;
Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992
Reichsgut ist im
Mittelalter das dem → Reich zustehende Gut (Eigen, Lehen usw.). Die
Abgrenzung des Reichsguts vom Hausgut ist kaum sicher durchzuführen. Seit dem
Spätmittelalter ist das alte R. dem König verloren. Er muss sich allein auf
sein Hausgut stützen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 112, 150; Niese,
H., Die Verwaltung des Reichsgutes im 13. Jahrhundert, 1905; Kraft, R., Das
Reichsgut im Wormsgau, 1934; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des
Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Mascher, K., Reichsgut und
Komitat am Südharz, 1957; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Metz, W.,
Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Landwehr, G., Die Verpfändung der
deutschen Reichsstädte, 1967; Faußner, H., Herzogsgut und Reichsgut, ZRG GA 85
(1968), 1; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Boshof, E.,
Königtum und Königsherrschaft, 1993
Reichshaftpflichtgesetz ist das vor allem die → Gefährdungshaftung für
Personenschäden bei dem Betrieb einer Eisenbahn anordnende Gesetz des zweiten
Deutschen Reichs von 1871.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216; Schubert, W.,
Das Reichshaftpflichtgesetz ZRG GA 100 (1983), 238
Reichsheer → Heer
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Frauenholz, E. v.,
Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1ff. 1935ff.; Huber, E.,
Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943; Conrad, H.,
Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Huber, E., Heer und Staat
in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943
Reichsheimstättengesetz ist das am 10. 5. 1920 nach amerikanischem Vorbild zur
Sicherung einkommensschwacher Familien geschaffene deutsche Reichsgesetz, das
dem Staat eine Art Obereigentum an der Heimstätte vorbehält.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 52; Wormit, H., Das
Reichsheimstättengesetz, 2941, 4. A. 1967
Reichshistorie ist
im 17. und 18. Jh. eine Hilfswissenschaft des deutschen Staatsrechts, die vor
allem in Gießen, Marburg, Jena, Helmstedt, Halle und Göttingen gepflegt wird (→
Thomasius, → Ludewig, → Gundling, → Pütter).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Roeck, B.,
Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Aufklärung und Geschichte, hg. v.
Bödeker, H., 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988
Reichshofgericht → Hofgericht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 114; Franklin, O.,
Das Reichshofgericht, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Vogel, Beiträge zur Geschichte
des deutschen Reichshofgerichts, ZRG GA 2 (1881), 151; Hüttebräuker, L., Ein
Reichshofgerichtsprozess zur Zeit Karls IV., ZRG GA 56 (1936), 178; Wohlgemuth,
Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts, 1973; Battenberg, F.,
Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1451, 1974;
Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, bearb. v.
Battenberg, F. u. a., 1987
Reichshofkanzlei ist
die 1558/1559 für den Schriftverkehr des Reiches eingerichtete Kanzlei in Wien,
die neben der Reichskanzlei und der Kanzlei des Reichskammergerichts steht. Sie
nimmt die Kanzleigeschäfte des Reichshofrats wahr.
Lit.: Groß, L., Die Geschichte der deutschen
Reichshofkanzlei, 1933
Reichshofrat bzw.
anfangs königlicher oder kaiserlicher Hofrat ist der nach mittelalterlichen
Vorläufern (am 13. 12.) 1497 begründete Hofrat (für Rechtssachen aus Reich und
Erbländern und Gnadensachen) des Königreichs bzw. Kaisers des Heiligen
römischen Reichs (deutscher Nation) in Wien (1559 Reichshofrat, Ordnung vom 3.
4. 1559). Er wird zunächst zur obersten Regierung und Justizbehörde bestimmt.
Er entwickelt sich aber allmählich zu einem mit dem → Reichskammergericht
konkurrierenden Gericht des ihn allein besetzenden und finanzierenden Kaisers
(im 18. Jh. ganz überwiegend Reichshöchstgericht). Es ist mit dem
Hofratspräsidenten als Vertreter des Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt.
Es ist zuständig für kaiserliche Reservatrechte und Privilegien, Reichslehnssachen
und Kriminalklagen gegen Reichsunmittelbare, örtlich auch für Reichsitalien,
ab 1620 nicht mehr für die
österreichischen Erbländer Bei einem Zuständigkeitsstreit mit dem Reichskammergericht
entscheidet die frühere Befassung. Allmählich gewinnt der R. im Verhältnis zum
Reichskammergericht wegen der kürzeren Verfahrensdauer das größere Gewicht
(vielleicht 100000 Sacheinheiten bzw. Verfahren, etwa 70000 Akten aus der
Prozesstätigkeit). Geordnet ist sein wenig strenges und wohl deswegen auch
schnelleres Verfahren in Reichshofratsordnungen (z. B. 1527, 1537, 1541,
(lat. [M.]) ordo consilii (Ratsordnung) um 1550, 1559, 1594, 1617, 1626). Von
1559 bis 1806 sind 445 Reichshofräte tätig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150, 153, 200;
Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und
Reichshofrats, 1792; Fellner, T./Kretschmayr, H., Die österreichische
Zentralverwaltung, 1907, Neudruck 1970, Nr. 4, 10, 12, 15; Gschließer, O. v.,
Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen
Reichshofrat und Reichskammergericht, 1965; Landes, D., Achtverfahren vor dem
Reichshofrat, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Prozessgrundsätze
und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates
1550-1766, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Jessen, P., Der Einfluss des
Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Hammerschmidt, E., War Hiob
Ludolf Reichshofrat?, ZRG GA 104 (1987), 268; Reichshofrat und
Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers.
Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats, 2001; Hartmann-Polomski, C.,
Die Regelung der gerichtsinternen Organisation und des Geschäftsgangs der Akten
als Maßnahmen der Prozessbeschleunigung am Reichshofrat, 2001; Ortlieb,
E./Polster, G., Die Prozessfrequenz am Reichshofrat, ZNR 2004, 189; Ortlieb,
E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291;
Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Ullmann, S.,
Geschichte auf der langen Bank. Die Kommissionen des Reichshofrats, 2006;
Ehrenpreis, S., Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt, 2006
Reichshofratsprozess ist
der seit dem Ende des 16. Jh.s vom → Reichshofrat ausgebildete besondere →
Prozess. Er ist nicht durch ausführliche Prozessordnungen überliefert, weil der
Reichshofrat sich stets auch als politisches Organ versteht. Er übernimmt den
Reichskammergerichtsprozess nur soweit dies zweckmäßig erscheint und schränkt
die Formalitäten des Prozesses stark ein. Dennoch ist er schriftlich. Die
Artikulation hat nur geringe Bedeutung. Es gilt die Eventualmaxime. Ein
Beweisinterlokut fehlt. Endurteile sind ziemlich selten. Gegen Urteile sind
Revision, Nichtigkeitsklage und (lat.) → recursus (M.) ad comitia (Rekurs
an den Reichstag) zugelassen.
Lit.: Gschließer, O. v. Der Reichshofrat, 1942; Sellert,
W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen
des Reichshofrates, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Die Akten des kaiserlichen
Reichshofrats Serie Alte Prager Akten, Bd. 1ff. bearb. v. Ortlieb, E., 2008ff.
Reichsinsignie ist
das (weltliche) symbolische Zeichen des Heiligen römischen Reiches (deutscher
Nation). → Insignie(n), Reichskleinod(ein)
Lit.: Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H.,
Die Insignien und Kleinodien, 1954
Reichsitalien ist
der von 774 (Sieg Karls des Großen über die Langobarden) bis 1806 (Ende des
Heiligen römischen Reichs) zum fränkisch-deutschen → Reich gehörige Teil →
Italiens. Seine Zugehörigkeit ist im Hochmittelalter am deutlichsten. Eine
genaue Kenntnis über alle Herrschaftsrechte in R. (um 1530 Mailand,
Savoyen-Piemont, Parma-Piacenza, Modena-Reggio, Mantua, Montferrat, Florenz,
Siena, Genua, Lucca und etwa 250 kleinere Lehen) besteht anscheinend zu keiner
Zeit, zumal die sog. mathildischen Güter zwischen dem Papst und dem König bzw.
Kaiser des Heilgen römischen Reichs streitig sind.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Pugliese, S., Le prime strette dell’Austria in Italia, 1932; Manaresi, C., I
placiti del „Regnum Italiae“, Bd. 1ff. 1955ff.; Dilcher, G., Die Entstehung der
lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis,
1968; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1f. 1970f.; Keller, H.,
Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Pauler, R.,
Das regnum Italiae, 1982
Reichsjustizamt ist
das im zweiten Deutschen Reich seit 1877 für das Recht zuständige →
Reichsamt.
Lit.: Köbler, DRG 196; Vom Reichsjustizamt zum
Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des
Reichsjustizamtes, 1977; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1995
Reichsjustizgesetz ist
das zum Anfang des Jahres 1877 veröffentlichte, am 1. 10. 1879 in Kraft
getretenen, die Gerichtsbarkeit betreffende Gesetze des zweiten Deutschen
Reichs. Reichsjustizgesetze sind Gerichtsverfassungsgesetz, Zivilprozessordnung,
Strafprozessordnung, Konkursordnung, Rechtsanwaltsordnung und
Gerichtskostengesetz).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
182; Müller, H., Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes,
Diss. jur. Tübingen 1939; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Sellert, W., Die Reichsjustizgesetze von 1877, JuS 17 (1977), 781
Reichskammergericht ist
das als Gericht der Reichsstände im Zuge der Reform des Heiligen römischen
Reichs (deutscher Nation) 1495 aus dem königlichen Kammergericht entstehende
Gericht. Seine Verfassung ist in der Reichskammergerichtsordnung von 1495
sowie späteren Reichskammergerichtsordnungen (z. B. 1555) geregelt. Es ist
mit einem vom Kaiser ernannten Kammerrichter (Vorsitzer) und erst 16, 1556 32,
später bis zu 41, von unterschiedlichen Berechtigten (Kaiser, Kurfürsten,
sonstigen Reichsfürsten) vorgeschlagenen (präsentierten), grundsätzlich je
zur Hälfte adligen und gelehrten Beisitzern (Assessoren, Urteilern), die
anfangs zwei (1530), später vier Senaten zugeteilt sind, zu schwach und meist
nicht vollständig besetzt. Es ist 1495 in Frankfurt am Main, 1527 in Speyer und
1693 in Wetzlar untergebracht. Die österreichischen Erbländer sind ausgenommen.
Zuständig ist es teils in erster, teils in letzter Instanz vor allem für
Rechtsverweigerung, Landfriedensbruch, bürgerliche Klagen gegen
Reichsunmittelbare sowie die angesichts der sich häufenden
Nichtappellationsprivilegien immer selteneren noch zulässigen Appellationen
(auch in Polizeisachen). In Anspruch genommen wird es bei durchschnittlich
etwa 250 Eingängen im Jahr (um 1500 70, um 1600 700, um 1700 200) örtlich vor
allem am Rhein (also in der Nähe Speyers bzw. Wetzlars), ständisch
hauptsächlich von städtischer Oberschicht und adliger Unterschicht sowie
sachlich in Bezug auf Geldwirtschaft und Landfrieden (bis 1550 etwa 10000, bis
1594 etwa 30000, bis 1693 etwa 55000, bis 1760 etwa 60000, bis 1806 etwa 75000
Streitsachen, davon acht tatsächlich durchgeführte Revisionsverfahren). Es
urteilt nach den hergebrachten örtlichen Gewohnheiten und Statuten sowie
theoretisch subsidiär, praktisch aber vorrangig nach den gemeinen Rechten
(römisch-kanonischem Recht des → usus modernus pandectarum). In sein
Umfeld gehören Fiskalprokurator, Prokuratoren und → Advokaten. Vielleicht
lässt sich eine steigende Zahl von Klagen im ausgehenden 18. Jh. mit einem
neuen Glauben an alte Freiheiten in alten Urkunden erklären, der Frankreichs
revolutionäre Vernichtung der alte Unfreiheiten bezeugenden alten Urkunden
gegenübersteht. Mit dem Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) geht es
1806 unter. Seine Akten werden danach auf zahlreiche Archive verteilt. Erhalten
sind in der Gegenwart noch 69000 Prozessakten und Entscheidungen (einschließlich
von Zwischenurteilen) in den noch erhaltenen Urteilsbüchern zu 47500 Prozessen
(vorwiegend zwischen 1684 und 1806) bzw. 76203 Reichskammergerichtsakten in 46
Archiven (1847-1852 71617 Prozessakten nach dem Wohnsitz des Beklagten verteilt
auf die vierzig Staaten - Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen,
Baden, Bayern, Braunschweig, Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover,
Hessen-Darmstadt, Hessen-Homburg, Hohenzollern-Hechingen,
Hohenzollern-Sigmaringen, Holstein-Lauenburg, Kurhessen, Liechtenstein,
Limburg, Lübeck, Lippe, Luxemburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz,
Nassau, Oldenburg, Österreich, Preußen [1924 auf 12 Staatsarchive aufgeteilt],
Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen, Sachsen-Altenburg,
Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar, Schaumburg-Lippe,
Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Württemberg, Belgien)
(am 31. 3. 2003 43303 Akten verzeichnet und 69 Inventarbände bereits
erschienen, virtuelle Vereinung möglich und sinnvoll, vgl. http://www.hoechstgerichtsbarkeit.rub.de
<http://www.hoechstgerichtsbarkeit.rub.de/>; Schildt, B., Virtuelle
Zusammenführung und inhaltlich-statistische Analyse der überlieferten
Reichskammergerichtsprozesse, (in) Forschung in der digitalen Welt. Sicherung,
Erschließung und Aufbereitung von Wissensbeständen, hg. v. Hering, R. u. a.,
2006, 125ff.).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 137, 147, 153,
200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und
Reichshofrats, 1792; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965;
Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Spangenberg, H., Die
Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG
GA 46 (1926), 231; Repertorium der Akten des Reichskammergerichts Untrennbarer
Bestand, bearb. v. Koser, O., Bd. 1f. 1933ff., Neudruck 2006; Repertorium der
Akten des ehemaligen Reichskammergerichts im Staatsarchiv Koblenz, bearb. v.
Looz-Corswarem, O. Graf zu u. a., 1957; Latzke, W., Das Archiv des Reichskammergerichts,
ZRG GA 78 (1961), 321; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss.
jur. Münster 1966; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss.
jur. Berlin (FU) 1966; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das
Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Pitz, E., Ein niederdeutscher
Kammergerichtsprozess von 1525, 1969; Heusinger, B., Vom Reichskammergericht,
1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973;
Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht,
ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen
der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973; Die Reichskammergerichtsordnung
von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation,
1976; Diestelkamp, B., Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16.
Jahrhunderts, FS A. Erler, 1976, 435; Duchhardt, H., Die kurmainzischen
Reichskammergerichtsassessoren, ZRG GA 94 (1977), 88; Schulz, P., Die
politische Einflussnahme auf die Entstehung der Reichskammergerichtsordnung
1548, 1980; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Findbuch zu
den Reichskammergerichtsakten 1524-1806 (in Oldenburg), bearb. v. Eckhardt,
A., 1982; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Eberling,
H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Diestelkamp, B.,
Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44;
Ranieri, F., Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption, 1986; Jessen,
P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986;
Ebeling, H., Findbuch zum Bestand Reichskammergericht (1515-1806), Rep. 900
(des Staatsarchivs Osnabrück), 1986; Stein-Stegemann, H., Findbuch der
Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987; Ranieri, F.,
Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar, 1988; Hausmann, J., Die
Kameralfreiheiten des Reichskammergerichtspersonals, 1989; Das
Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, hg. v. Diestelkamp, B., 1990;
Kratsch, D., Justiz – Religion – Politik, 1990; Reichskammergerichtsakten im
hessischen Staatsarchiv Darmstadt und im gräflich solmsischen Archiv in
Laubach, bearb. v. Korte-Böger, A. u. a., 1990; Die politische Funktion des
Reichskammergerichts, hg. v. Diestelkamp, B., 1993; Akten des Reichskammergerichts
im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, hg. v. Brunotte, A. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.;
Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Reichskammergericht, Bd. 1ff. 1994ff.;
Diestelkamp, B., Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke, 1994; Frieden
durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, hg. v. Scheurmann, I.,
1994; Fern vom Kaiser, hg. v. Hausmann, J., 1995; Diestelkamp, B., Rechtsfälle
aus dem alten Reich, 1995; Friedenssicherung und Rechtsgewährung, hg. v.
Diestelkamp, B. u. a., 1997; Inventar der lippischen Reichskammergerichtsakten,
bearb. v. Bruckhaus, M. u. a., 1997; Findbuch der Akten des
Reichskammergerichts im Landesarchiv Magdeburg, Bd. 1, bearb. v. Lücke, D.,
1997; Baumann, A., Das Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) und seine
Prokuratoren, ZRG GA 115 (1998), 474; Reichskammergericht, Köln Bd. 1ff.,
bearb. v. Kordes, M., 1998; Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem
Reichskammergericht, 1999; Oer, R. Freiin v., Der münsterische
„Erbmännerstreit“, 1999; Reichshofrat und Reichskammergericht, hg. v. Sellert,
W., 1999; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR
1999, 408; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht in
Speyer (1495-1690), ZRG GA 117 (2000), 550; Inventar der Akten des
Reichskammergerichts 1495-1806, Frankfurter Bestand, bearb. v. Kaltwasser, I.,
2000; Baumann, A., Die Gesellschaft der frühen Neuzeit im Spiegel der
Reichskammergerichtsprozesse, 2001; Volk, O., Die Wohnungen der Kameralen in
Wetzlar, 2001; Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht, 2002; Klass,
A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Das Reichskammergericht am Ende des
alten Reiches und sein Fortwirken im 19. Jahrhundert, hg. v. Diestelkamp, B.,
2002; Prange, W., Vom Reichskammergericht in der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts, 2002; Stein, A., Advokaten und Prokuratoren am
Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) als Rechtslehrer und Schriftsteller,
2002; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter Teil 2, 2003;
Schildt, B., Inhaltliche Erschließung und ideelle Zusammenführung der
Prozessakten des Reichskammergerichts mittels einer computergestützten
Datenbank, ZNR 25 (2003), 269; Das Reichskammergericht, hg. v. Diestelkamp, B.,
2004; Gedruckte Relationen und Voten des Reichskammergerichts, bearb. v.
Baumann, A., 2004; Oestmann, P., Aus den Akten des Reichskammergerichts, 2004;
In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Mader, E., Die letzten „Priester
der Gerechtigkeit“, 2005; Ortlieb, E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im
alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291; Mader, E., Das Reichskammergericht, der
Reichsdeputationshauptschluss und die Auflösung, 2006 (Vortrag); Baumann, A.,
Advokaten und Prokuratoren, 2006; Schildt, B., Reichskammergericht, JURA 2006,
493; Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Diestelkamp,
B., Prozesskosten in Verfahren am Reichskammergericht, (in) FS Wilhelm
Brauneder,2008, 81; Friedrich, W., Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Ein
Zivilprozess am Reichskammergericht, hg. v. Oestmann, P., 2009
Reichskammergerichtsprozess ist der → Prozess vor dem Reichskammergericht. Er
wird bereits in der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 erstmals und
lückenhaft und in insgesamt mehr als 15 Reichskammergerichtsordnungen (z. B.
1555) vertieft geregelt. Er beruht auf dem in Oberitalien entwickelten
römisch-kanonischen Prozessrecht des Spätmittelalters. Der R. ist schriftlich.
Es gelten der Verhandlungsgrundsatz, die Dispositionsmaxime und das Prinzip
der Artikulation. Nach Litiskontestation (→ litis contestatio) und
Ablegung des → Kalumnieneides kann der Beklagte auf den artikulierten
Prozessvortrag des Klägers antworten. Über die bestrittenen Artikel wird Beweis
erhoben. Nach der Beweisaufnahme kann der Beklagte artikuliert Einwände
vorbringen. Da hierdurch die Prozessdauer verlängert wird, bemüht sich das
Reichskammergericht bereits 1521 um Beschleunigung. 1654 wird die Artikulation
beseitigt.
Lit.: Ludolff, G., Corpus iuris cameralis, 1724; Smend, R.,
Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Maass, P., Die Zivilprozessreform
des jüngsten Reichsabschiedes, Diss. jur. Münster 1925; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965; Hinz, M., Der
Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin 1966; Die
Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v.
Baumann, A. u. a., 2005
Reichskanzlei ist
die → Kanzlei des → Reiches bzw. Hofes. Ihr steht 870 erstmals,
seit 965 auf Dauer, seit dem 11. Jh. als Reichserzkanzler der →
Erzbischof von → Mainz vor. König Maximilian I. trennt 1498 von der R.
eine Hofkanzlei, die 1558 mit der R. zur Reichshofkanzlei verbunden wird.Seit
Beginn des 17. Jh.s hat die R. ihren festen Sitz in Wien, wobei sich der
Erzbischof von Mainz durch einen Reichsvizekanzler vertreten lässt. Für die
österreichischen Erbländer treten österreichische Hofkanzlei und böhmische
Hofkanzlei an ihre Stelle.. Im zweiten Deutschen Reich ist (seit 1879) die R.
die Geschäftsstelle des Leiters der Reichsregierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150; Forstreiter, E.,
Die deutsche Reichskanzlei, Diss. phil. Wien 1924; Groß, L., Die Geschichte der
deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806, 1933; Walter, A., Die deutsche
Reichskanzlei, 1938; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich
V. und Konrad III., 1956; Koch, W., Die Reichskanzlei in den Jahren 1167 bis
1174, 1973; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1174 bis 1180,
1977; Koch, W., Die Schrift der Reichskanzlei im 12. Jahrhundert (1125-1190),
1979; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938, hg. v. Repgen, K.,
Teil 1 Bd. 1ff. 1983ff.; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1181
bis 1190, 1985; Wahl --und Krönungsakten des Mainzer Reichserzkanzlerarchivs
1486-1711, bearb. v. Schlösser, S., 1993; Neumann, M., Von der Reichskanzlei
zum Bundeskanzleramt, AöR 1999, 1; Schütz, A., Kronrat und Reichskanzlei als
Zentralbehörden des Reiches unter Ludwig dem Bayern, 2002
Reichskanzler ist
der Leiter der Reichskanzlei bzw. im zweiten Deutschen Reich der Vorsitzende
des Bundesrats bzw. de facto einzige Minister des Reiches, der meist zugleich
Ministerpräsident Preußens ist (z. B. Otto von Bismarck). Gegenüber dem Reichstag
ist der R. erst ab 28. 10. 1918 verantwortlich. Ab 1919 wird der R. als Leiter
der aus mehreren Ministern bestehenden Reichsregierung vom Reichspräsidenten
ernannt. Am 2. 8. 1934 vereinigt R. Adolf Hitler nach dem Tod des
Reichspräsidenten Hindenburg das Amt des Reichspräsidenten mit dem Amt des
Reichskanzlers. Mit seinem Tod endet die Reihe der R. In der Bundesrepublik
Deutschland tritt 1949 der Bundeskanzler an seine Stelle.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
195, 196, 222, 230; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes,
ZRG GA 75 (1958), 1; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A.
1933, Neudruck 1968; Conze, W., Brüning als Reichskanzler, HZ 214 (1972), 310;
Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997; Kurmainz,
das Reicherzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Fesser, G.,
Reichskanzler Fürst von Bülow, 2003; Hömig, H., Brüning, 2005
Reichskirche ist
die → Kirche im fränkisch-deutschen Reich. Dies betrifft in der älteren
Zeit die dem König bzw. Kaiser unmittelbar zugeordneten Erzbistümer, Bistümer,
Klöster, Stifter und Kirchen, später nur das reichsunmittelbare Kirchenwesen.
1803 wird die bestehende R. säkularisiert und mediatisiert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 77; Boerger, R., Die Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten,
1901; Hauck, A., Die Entstehung der geistlichen Territorien, 1909; Feine, H.,
Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964; Heckel, J., Staat und
Kirche, 1968; Köhler, O., Die ottonische Reichskirche, FS G. Tellenbach, 1968,
141; Investiturstreit und Reichsverfassung, 1973; Zielinski, H., Der
Reichsepiskopat, 1984; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993; Bigott,
B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002
Reichskirchensystem ist
im 10. und 11. Jh. die Heranziehung der Kirche zur Reichsverwaltung. Seit
Kaiser Otto I. werden geistliche Würdenträger mit weltlichen Aufgaben (z. B.
Grafschaften) betraut. Dieses R. findet im → Investiturstreit sein Ende,
doch lebt es in der veränderten Form der geistlichen Reichsfürsten fort.
Lit.: Köbler, DRG 85; Santifaller, L., Zur Geschichte des ottonisch-salischen
Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Beumann, H., Reformpäpste als Reichsbischöfe,
FS F. Hausmann, 1977, 21; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le
royaume de Germanie, 1997
Reichskleinod ist das dem Reich gehörige
Kleinod. Reichskleinodien sind der das Heilige römische Reich (deutscher Nation)
sichtbar darstellende, bei den Krönungen in Aachen bzw. Frankfurt verwendete
Reichsschatz (einziger nahezu unverändert erhaltener Kronschatz Europas). Zu
den R. zählen die → Krone (Reichskrone), das Reichskreuz, das
Reichsreliquiar, die heilige Lanze, der → Reichsapfel, das Zepter, das
Reichsschwert (Mauritiusschwert), der Krönungsmantel (Krönungsornat) und einige
weitere Kleinode (und Reliquien) (sowie der Säbel Karls des Großen, die
Stephansburse und das Reichsevangeliar als sog. Aachener Kleinodien). Sie
begleiten anfangs den König auf seinen Zügen. In salischer Zeit sind sie meist
im Dom in Speyer, danach in der Reichsfeste Trifels, seit 1273 in der
habsburgischen Kiburg, seit 1350 in Prag bzw. der Karlsfeste (Karlsstein), 1421
in Blutenburg in Ungarn, seit 1424 in Nürnberg, seit 1800 über Regensburg
(1796) und Passau in Wien (1938 bis 1946 nochmals in Nürnberg). →
Insignie(n), Reichsinsignie(n)
Lit.: Schlosser, J., Die deutschen Reichskleinode, 1920;
Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Grass, N.,
Reichskleinodienstudien, 1965; Pleticha, H., Des Reiches Glanz, 1989;
Schroeder, K., Die Nürnberger Reichskleinodien in Wien, ZRG GA 108 (1991), 232;
Kubin, E., Die Reichskleinodien, 1991; Die Reichskleinodien, hg. v. d.
Gesellschaft für staufische Geschichte, 1997; Gsell, K., Die
Rechtsstreitigkeiten um den Reichsschatz, 2001
Reichskonkordat ist
das am 20. 7. 1933 unterzeichnete und am 10. 9. 1933 in Kraft getretene →
Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche.
Lit.: Volk, L., Das Reichskonkordat, 1972; Listl, J., Die
Fortgeltung und die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung des
Reichskonkordats, FS L. Carlen, 1989, 309
Reichskreis ist der
1500 bzw. 1512 im Zuge der Reichsreform geschaffene Kreis im Heiligen Römischen
Reich. Es werden insgesamt 6 (bayerisch, fränkisch, niedersächsisch,
oberrheinisch, schwäbisch, westfälisch) bzw. 10 Reichskreise gebildet
(österreichischer, burgundischer, kurrheinischer, fränkischer, bayerischer,
schwäbischer, oberrheinischer, niederrheinisch-westfälischer, obersächsischer,
niedersächsischer R.), in welche die meisten Gebiete des Reiches
eingegliedert werden (ausgenommen vor allem die Länder der Wenzelskrone und der
Schweiz). Nur im Südwesten (Schwaben, Franken, Oberrhein) erlangt der R. über
längere Zeit eine gewisse Bedeutung für die Landfriedenswahrung, Urteilsexekution
und Truppenkontingentierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler,
DRG 147; Simmern, E. Langwerth v., Die Kreisverfassung Maximilians I., 1896;
Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Wallner, E., Die
kreisansässigen Reichsterritorien, MIÖG Ergänzungsbd. 11 (1929), 681; Brusatti,
A., Die Entstehung der Reichskreise, 1950; Wines, R., The Franconian
Reichskreis, Diss. phil. Ann Arbor Michigan 1961; Mally, A., Der
österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches,
1967; Borck, H., Der schwäbische Reichskreis im Zeitalter der französischen
Revolutionskriege 1792-1806, 1970; Sicken, B., Der fränkische Reichskreis,
1970; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Der Kurfürst von Mainz und die
Kreisassoziation, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975; Schneider, A., Der
niederrheinisch-westfälische Kreis, 1985; Dotzauer, W., Der kurrheinische
Reichskreis, Nass. Ann. 98 (1987), 61; Magen, F., Reichsexekutive und regionale
Selbstverwaltung, 1992; Gittel, U., Die Aktivitäten des Niedersächsischen
Reichskreises, 1997; Hartmann, P., Der bayerische Reichskreis, 1997; Dotzauer,
W., Die deutschen Reichskreise, 1998; Reichskreis und Territorium, hg. v. Wüst,
W., 2000; Nicklas, T., Macht oder Recht, 2002
Reichskrieg ist der
auf Grund einer Reichskriegserklärung des Kaisers und der Reichsstände zwischen
1648 und 1806 gegen einen fremden Staat geführte → Krieg.
Lit.: Weigel, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen
Reichs, 1912
Reichskriegsgericht ist
das nach der Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit durch Gesetz vom 17. 8. 1920,
der Auflösung des zum 1. 10. 1900 eingerichteten Reichsmilitärgerichts und der
Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit zum 1. 1. 1934 durch Gesetz vom 26.
6. 1936 geschaffene oberste Gericht der Wehrmacht Deutschlands, das sich vor
allem im Krieg zum Instrument militärischer Kommandogewalt und politischer
Macht entwickelte.
Lit.: Gribbohm, G., Das Reichskriegsgericht, 2004;
Gribbohm, G., Das Reichsmilitärgericht, 2007
Reichskristallnacht (Novemberpogrom)
ist die Nacht vom 8. auf den 9. 11. 1938, in welcher der deutsche Reichsinnenminister
Goebbels während eines Kameradschaftsabends der nationalsozialistischen
Parteiführer im alten Münchener Rathaussaal durch mündliche Weisung die
Beschädigung von jüdischen Einrichtungen wegen der Tötung eines deutschen
Legationssekretärs durch einen 17jährigen Juden in Paris einleitet. Im Verlauf
der R. werden etwa 200 Synagogen zerstört, 7500 jüdische Geschäfte demoliert
und 91 Juden getötet. Eine Verordnung vom 12. 11. 1938 verpflichtet die
jüdischen Gewerbetreibenden zur Schadensbeseitigung und zu einer Sühneleistung
von 1 Milliarde Reichsmark.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Gruchmann, L.,
Reichskristallnacht und Justiz im Dritten Reich, NJW 1988, 2856; Graml, H.,
Reichskristallnacht, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht in Hessen, 1988;
Kropat, W., Reichskristallnacht, 1997
Reichskrone → Krone
Reichsland Elsass-Lothringen
→ Elsass, Lothringen
Reichslandfriede →
Landfriede
Reichslandvogtei ist
die von König Rudolf von Habsburg (1273-1291) eingerichtete Verwaltungseinheit
für Reichsgut (z. B. in Schwaben, Elsass, Speyergau, Mittelrhein, Wetterau).
Die R. geht im Spätmittelalter in den Ländern auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreibmüller, H., Die
Landvogtei im Speiergau, 1905; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogteien im
Elsass, 1905; Becker, J., Die Reichslandvogtei Kaysersberg, Wiss. Beilage zum
Jahresbericht des bischöflichen Gymnasiums zu Straßburg, 1906; Schreibmüller,
H., Die Landvogtei im Speyergau, 1905; Schwind, F., Die Landvogtei in der
Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980
Reichslehen ist das
vom König des deutschen Reichs verliehene → Lehen. Durch die Annahme des
Titels Kaiser von Österreich durch Franz II. wird der Reichslehensverband 1804
bzw. durch das Ende des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) 1806
aufgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die Lehnshoheit der
deutschen Könige, 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität,
Burgmannschaft und Niederadel, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsmatrikel ist
die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) geführte → Matrikel
(z. B. Reichsheeresmatrikel von 1422).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sieber, J., Zur
Geschichte des Reichsmatrikelwesens, 1910; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Reichsheeresmatrikel1422.htm
Reichsmerkantilismus →
Merkantilismus
Reichsministeriale → Reichsdienstmann
Lit.:
Segner, U., Die Anfänge der Reichministerialität, 1938; Bosl, K., Die
Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.
Reichsmünze → Münze
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896,
Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
Reichsnotariatsordnung
→ Notar
Reichsoberhandelsgericht ist das durch gesetzliche Umbenennung vom 16. 4. 1871 (2. 9.
1871 Plenarbeschluss) und örtliche Ausdehnung auf die süddeutschen Staaten vom
22. 4. 1871 aus dem am 12. 6. 1869 in Leipzig geschaffenen → Bundesoberhandelsgericht
hervorgegangene oberste Gericht in Handelssachen des zweiten Deutschen Reichs
in Leipzig. Es geht am 1. 10. 1879 im → Reichsgericht auf.
Lit.: Köbler, DRG 195; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 83; Weiß, A., Die Entscheidungen des
Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das Bundes- und
spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001
Reichspfand → Pfand
Reichspolizeiordnung ist
die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) geschaffene →
Polizeiordnung (z. B. 1530, 1548, 1577).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138; Segall, L.,
Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914;
Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002
Reichspräsident ist
das Staatsoberhaupt des zweiten Deutschen Reichs von 1919 bis 1934 (Ebert, Hindenburg).
Funktionell ist der R. als Nachfolger des Kaisers mit bedeutsamen Befugnissen
ausgestattet. Nach dem 12. 8. 1934 übernimmt → Hitler seine Aufgaben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck
1968; Pünder, Der Reichspräsident, 1961; Friedrich Ebert als Reichspräsident,
hg. v. Kolb, E., 1997
Reichspublizistik ist
das das deutsche Reich bzw. das Heilige Römische Reich (deutscher Nation)
betreffende politisch-juristische Schrifttum (z. B. des → Manegold von
Lautenbach, → Petrus Crassus, Deusdedit, Anselm von Lucca, Bonizo von
Sutri, → Petrus de Vinea, → Jordan von Osnabrück, → Alexander
von Roes, → Engelbert von Admont, Tolomeo von Lucca, → Marsilius
von Padua, → Wilhelm von Ockham, → Lupold von Bebenburg, Konrad von
→ Megenberg, Nikolaus von → Kues oder → Peter von Andlau im
Mittelalter bzw. → Goldast, → Freher, Hermann Vultejus, Gottfried
Antonius, → Arumaeus, → Limnaeus, → Reinkingk, →
Althusius, → Conring, → Pufendorf, → Lünig, → Thomasius,
→ Ludewig, → Gundling, → Mascov, Schmauß, → Pütter, →
Wolff oder → Moser) in der frühen Neuzeit.
Lit.: Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechts,
Bd. 1ff. 1776ff.; Mirbt, C., Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., 1894,
Neudruck 1965; Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil.
München 1934; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1960; Schömbs, E., Das
Staatsrecht Johann Jakob Mosers, 1968; Bussi, E., Il diritto pubblico des Sacro
romano impero, 2. A. 1970; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Neumaier,
K., Ius publicum, 1974; Ullmann, W., Law and Politics in the Middle Ages, 1975;
Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Wyduckel, D., Princeps legibus
solutus, 1979; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Peters, W., Späte
Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, 1993
Reichsrat ist ein
Staatsorgan des 19. Jh.s (Österreich Kremsierer Entwurf, Märzverfassung 1849,
kaiserliches Patent vom 13. 4. 1851, kaiserliches Patent vom 20. 8. 1851,
kaiserliches Patent vom 5. 3. 1860 verstärkter R. als Vorläufer des Parlaments →
Oktoberdiplom vom 20. 10. 1860, → Februarpatent vom 26. 2. 1861
(aufgelöst und durch Staatsrat ersetzt, Herrenhaus und Abgeordnetenhaus), →
Dezemberverfassung vom 21. 12. 1867 mit einem aus Herrenhaus und
Abgeordnetenhaus bestehenden R.) bzw. des 20. Jh.s (Deutsches Reich 14. 8.
1919). Hier kann der R., in dem jedes Land mindestens eine und → Preußen
als vorherrschendes Land höchstens zwei Fünftel aller Stimmen hat, gegen
Gesetze einen Einspruch erheben, der aber vom Reichstag überstimmt werden kann.
Dabei wird der R. zwischen 1919 und 1932 mit mehr als 1280 Gesetzen befasst. Am
14. 2. 1934 wird der R. aufgelöst. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher
Nation) ist R. das → Reichsregiment von 1500 bzw. 1521.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 230, 232;
Baltl/Kocher; Samanek, V., Kronrat und Reichsherrschaft im 13. und 14.
Jahrhundert, 1910; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A.
1933, Neudruck 1968; Rose, G., Der Reichsrat der Weimarer Republik, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1964; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974; Lilla, J.,
Der Reichsrat, 2006
Reichsrecht ist das
ein → Reich betreffende Recht. Es steht meist im Gegensatz zu einem
(möglicherweise vorrangigen) Recht eines örtlich kleineren Gebietes (z. B.
Landesrecht), zum Recht eines anderen Staates oder zum internationalen Recht
(z. B. Völkerrecht). Im zweiten Deutschen Reich bricht R. Landesrecht.
Lit.: Köbler, DRG 102, 227, 231; Baltl/Kocher; Mitteis, L.,
Reichsrecht und Volksrecht, 1891, Neudruck 1963; Pfundtner, H./Neubert, R., Das
neue deutsche Reichsrecht, 1933ff.; Diestelkamp, B., Zur Krise des Reichsrechts
im 16. Jahrhundert, (in) Säkulare Aspekte der Reformationszeit, hg. v.
Angermeier, H., 1983, 49; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum
Landesrecht, 2002
Reichsrechtsbuch → Mühlhausen
Reichsreform ist
(seit 1850) die Gesamtheit der Reformbestrebungen im Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation) zwischen 1410 und 1555. Als Ergebnisse der R. sind →
Reichskammergericht und → Reichskreise hervorzuheben. → Reformatio
Sigismundi
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 147; Molitor, E., Die
Reichsreformbestrebungen, 1921, Neudruck 1969; Angermeier, H., Begriff und
Inhalt der Reichsreform, ZRG GA 75 (1958), 181; Laufs, A., Reichsstädte und
Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Hödl, G., Königtum, Reichsregierung und
Reichsreform 1438-1439, 1978; Angermeier, H., Die Reichsreform 1410-1555, 1984;
Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Quellen zur Reichsreform im
Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 2001; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007
Reichsregierung ist
die Regierung eines Reichs, insbesondere die aus Reichskanzler und
Staatssekretären bzw. Ministern bestehende Regierung des zweiten Deutschen
Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
196, 230; Baltl/Kocher
Reichsregiment oder
→ Reichsrat ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) 1500 (bis
1502) und 1521 (bis 1530 in Abwesenheit Kaiser Karls V.) das dem Kaiser zur
Seite gestellte, im Ergebnis aber gescheiterte Reichsorgan der Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kraus, V. v., Das Nürnberger
Regiment, 1883, Neudruck 1969; Grabner, A., Zur Geschichte des zweiten
Nürnberger Regimentes, 1903, Neudruck 1965; Das Wappenbuch des Reichsherolds
Caspar von Sturm, bearb. v. Arndt, J., 1984; Roll, C., Das zweite
Reichsregiment, 1996
Reichsregister
Lit.: Das
Reichsregister König Albrechts II., bearb. v. Koller, H., 1955
Reichsritter ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) der dem Reich unmittelbar verbundene Ritter. Er erscheint seit dem frühen 15. Jh. (1422), organisiert sich seit etwa 1540 in drei 1577 vereinigten Ritterkreisen (Schwaben, Franken, Rhein) mit 14 Kantonen und muss 1802/1803/1805 die Mediatisierung (von etwa 1730 Rittergütern mit 450000 Einwohnern) in den Territorien hinnehmen. Der R. ist dem Kaiser unmittelbar unterstellt und unterliegt keiner Landeshoheit. Im Reichstag ist der R. nicht vertreten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 130, 132; Roth von Schreckenstein, C., Geschichte der ehemals
freien Reichsritterschaft, Bd. 1f. 1859ff.; Eberbach, O., Die deutsche Reichsritterschaft,
1913; Ruch, W., Die Verfassung des Kantons Hegau-Allgäu-Bodensee, 1955;
Riedenauer, E., Kontinuität und Fluktuation im Mitgliederstand der fränkischen
Reichsritterschaft, Gesellschaft und Herrschaft (FS Karl Bosl) 1969, 225;
Inventar des Archivs der niederrheinischen Reichsritterschaft, bearb. v. Böhn,
G., 1971; Danner, W., Die Reichsritterschaft im Ritterkantonsbezirk Hegau,
1971; Hellstern, D., Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, 1971; Mauchenheim,
H. v., Des Heiligen römischen Reichs unmittelbar freie Ritterschaft zu Franken
Ort Steigerwald, 1972; Stetten, W. v., Die Rechtsstellung der unmittelbaren
freien Reichsritterschaft (Odenwald), 1973; Teuner, R., Die fuldische
Ritterschaft, 1982; Adel in der Frühneuzeit, hg. v. Endres, R., 1991; Ulrichs,
C., Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft, 1997; Riedenauer, E., Fränkische
Landesgeschichte und historische Landeskunde, 2001; Neumaier, H., Dass wier
khein annder Haupt …, 2005
Reichsschluss (lat.
conclusum [N.] imperii) ist der nach Zustimmung des Kaisers zu den
Ergebnissen der Beratung der Reichsstände entstehende Gesetzesbeschluss des
Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), der dem → Reichsabschied
vorausgeht.
Lit.: Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit
des Heiligen römischen Reichs in den Reichsschlüssen, 1970
Reichssiegel ist
das vom Herrscher oder anderen Organen für das → Reich verwendete Siegel.
Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914, Neudruck 1969; Posse, O.,
Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, Bd. 1ff. 1909ff.; Battenberg, F.,
Das Hofgerichtssiegel, 1979
Reichsstaatsrecht →
Reichspublizistik, Staatsrecht
Lit.: Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg.
v. Triepel, H., 5. A. 1931; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984
Reichsstadt ist im
Heiligen Römischen → Reich (deutscher Nation) die dem Reich bzw. Kaiser
unmittelbar, d. h. nicht mittels eines Landesherrn unterstehende → Stadt.
Sie entsteht seit der Stauferzeit des 13. Jh.s. Die R. kann dauerhaft die
Ratsverfassung sichern und die stadtherrlichen Rechte an sich bringen.
Zeitweise gibt es bis zu 125 Reichsstädte (z. B. Regensburg, Nürnberg, Speyer,
Worms, Besançon, Frankfurt am Main, Wetzlar, Dortmund), die zusammen (gefestigt
seit 1648) den dritten → Reichsstand im Reichstag bilden (schwäbische
Städtebank mit Vorsitz Ulms, rheinische Städtebank mit Vorsitz Kölns). In der
frühen Neuzeit geht die Zahl zugunsten der Territorialstaaten zurück (1792 51,
davon 47 rechtsrheinisch). 1803 werden die meisten (45) noch verbleibenden
Reichsstädte mediatisiert (dabei 15 an Bayern, 9 an Württemberg, 7 an Baden).
Die letzten Überreste bilden 1803 Frankfurt am Main (bis 1866), Hamburg,
Bremen, Lübeck (bis 1937), Augsburg (bis 1806), und Nürnberg (bis 1806), in der
Gegenwart die Stadtstaaten Bremen und Hamburg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 110, 111, 132, 148; Hugo, G. W., Die Mediatisierung der deutschen
Reichsstädte, 1838; Hugo, G. W:, Das Gebiet der deutschen Reichsstädte, 1844;
Ehrentraut, M., Untersuchungen über die Frage der Frei- und Reichsstädte, 1902;
Müller, K., Die oberschwäbischen Reichsstädte, 1912; Dannenbauer, H., Die
Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Moeller, B., Reichsstadt
und Reformation, 1962; Laufs, A., Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84
(1967), 172; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im
Mittelalter, 1967; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg, 1969; Eitel, P., Die
oberschwäbischen Reichsstädte im Zeitalter der Zunftherrschaft, 1970; Maier,
W., Stadt und Reichsfreiheit, 1972, Buchstab, G., Reichsstädte, Städtekurie und
westfälischer Friedenskongress, 1976; Heitzenröder, W., Reichsstädte und Kirche
in der Wetterau, 1982; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991;
Redies, R., Reichsstädte im deutschen Südwesten, 2004; Krischer, A.,
Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, 2006; Das Ende der kleinen
Reichsstädte 1803 im süddeutschen Raum, hg. v. Müller, R. u. a., 2007
Reichsstand ist im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das auf dem Reichstag vertretene
Kollegium (Kurfürsten [1356], [Reichs-]Fürsten, Reichsstädte [1471]).
Am Ende des 18. Jh.s gibt es bei drei Reichsständen 9 → Kurfürsten, 33
geistliche und 61 weltliche Fürstentümer, 2 Prälatenbänke (40 Mitglieder), 4
Grafen- und Herrenbänke (103 Mitglieder) (→ Reichsfürsten) und 2
Städtebänke (51 Mitglieder) (→ Reichsstädte). Bis 1806 ist die Frage, wer
Reichsstandschaft erwerben kann, umstritten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 148, 150; Moser,
J., Von der Landeshoheit der teutschen Reichsstände, 1773; Reuter, R., Der
Kampf um die Reichsstandschaft der Städte, 1919; Schubert, F., Die deutschen
Reichstage, 1966; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches Reich, Bd. 1 1967;
Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft, 1971; Reichsstände und
Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Decker, K., Frankreich und die
Reichsstände, 1981; Rheden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft,
1982; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1984; Krieger, K., König, Reich
und Reichsreform, 1992; Reichsständische Libertät, hg. v. Duchhardt, H. u. a.,
1999; Ackermann, J., Verschuldung, Reichsdebitverwaltung, Mediatisierung,
2004
Reichsstatthalter ist
im Dritten Reich seit 7. 4. 1933 der über die Landesregierung gestellte
Vertreter des Reichskanzlers, der die Landesregierung ernennt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 232; Baltl/Kocher
Reichssteuer ist
die dem → Reich zustehende → Steuer. Im Heiligen römischen Reich (deutscher
Nation) ist der Versuch, allgemeine Reichssteuern einzuführen, erfolglos. Im
zweiten Deutschen Reich gelingt er seit 1881 (Stempelsteuer, 1902
Schaumweinsteuer, 1906 Erbschaftsteuer u. a., 1913 außergewöhnliche
Einkommensteuer, 1916 Vorläufer der Umsatzsteuer, 1917 Beförderungsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 148, 196; Zeumer, K.,
Die deutschen Städtesteuern, 1878; Müller, H., Reichssteuern und Reichsreformbestrebungen,
1880; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/3; Gerlot,
W., Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen Reichs, 1913; Bussi, E., Il
diritto pubblico del sacro Romano impero, Bd. 2 1959; Metz, W., Staufische
Güterverzeichnisse, 1964; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern, ZHF 2
(1975), 43; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1
Reichsstift ist das
besondere → Stift des Reichs.
Lit.: Kellner, W., Das Reichsstift St. Bartholomäus zu
Frankfurt am Main, 1962; Rauch, G., Pröpste, Propstei, und Stift von St.
Bartholomäus in Frankfurt, 1975
Reichsstrafgesetzbuch ist das 1871 aus dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und damit
aus dem preußischen, stark vom französischen Code pénal beeinflussten
Strafgesetzbuch von 1871 entwickelte Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell,
20. Jh.; Köbler, DRG 181
Reichsstraße ist
die mit dem Reich besonders verbundene, dem überörtlichen Verkehr dienende →
Straße. Aus ihr entwickelt sich (in der Bundesrepublik Deutschland 1949) die
Bundesstraße.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die
Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Zeumer, K., Straßenzwang und
Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Landau, G., Beiträge zur Geschichte der
alten Heer- und Handelsstraßen in Deutschland, 1958
Reichssynode ist
eine die Geistlichkeit des → Reichs erfassende → Synode.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Reichstag ist das
die Gesamtheit des Volkes repräsentierende, bei der Gesetzgebung mitwirkende
Kollegialorgan des Reiches. Der R. des Heiligen römischen Reichs (deutscher
Nation) entwickelt sich aus der Einladung des Königs zwecks Rates und Hilfe an
die Großen des Reichs an seinen Hof (Reichsversammlung [814-839 61, meist im
Februar, Mai, Juni, August, September, Oktober, oft als lat. conventus oder
placitum bezeichnet, meist zwischen Maas und Rhein, Dauer unterschiedlich, kein
Forum der Repräsentation im modernen Sinne], Hoftag). Seit 1356 sollen sich
dabei die Kurfürsten jährlich beim König versammeln (zwischen 1349 und 1471 80
Reichsversammlungen) . Möglich sind auch königslose Treffen. Seit dem frühen
15. Jh. gehen Kurfürsten und Reichsstädte aus Not Selbstverpflichtungen ein.
Hinzu kommen später Fürsten, Grafen und Herren. Kurz vor 1500 ist diese von
oben ausgehende Entwicklung zu einem aus drei → Reichsständen gebildeten
R. abgeschlossen und die Teilhabe an der Leitung des Reichs bis zu dessen Ende
gesichert. Als bekannte Hoftage bzw. (ab 1470/1480) Reichstage werden dabei im
Übrigen hervorgehoben die Hoftage bzw. Reichstage von (Aachen [802/3],)
Augsburg (1529), (Frankfurt am Main ([1442]), Freiburg im Breisgau (1498), Köln
(1512), Konstanz (1507), Lindau (1496), (Mainz [1085],) Nürnberg (1524),
Regensburg (1532, seit 1663 Gesandtenkongress als immerwährender R.),
(Roncaglia [1158],) Speyer (1526) und Worms ([1231,] 1495, 1521) (sowie
Würzburg [1168]). Im 19. Jh. ist demgegenüber der R. in der Verfassung der
Frankfurter Nationalversammlung von 1849 ein aus Staatenhaus und Volkshaus
zusammengesetztes Organ, das aber nicht verwirklicht wird. In Österreich
erscheint ein aus Senat und Abgeordnetenkammer bestehender R. in der
Aprilverfassung des Innenministers → Pillersdorf vom 25. 4. 1848 (1860
Reichsrat).Am 22. 7. 1848 wird auf Grund dieser Verfassung in Wien ein aus
einer gewählten Kammer bestehender R. eröffnet, der am 22. 10. 1848 nach
Kremsier verlegt und durch kaiserliches Manifest am 4. 3. 1849 aufgelöst wird.
Der in der Verfassung vom März 1849 vorgesehene R. wird nicht einberufen.
1860/1861 wird statt des Reichstags ein Reichsrat festgelegt. Im Norddeutschen
Bund (1867) und im zweiten Deutschen Reich (1871) ist R. die hinter Kaiser und
Bundesrat an dritter Stelle stehende, durch Mehrheitswahlrecht bestimmte
Volksvertretung, die an der Gesetzgebung entscheidend mitwirkt. Am 28. 10.
1918 wird der Reichskanzler vom Vertrauen des Reichstages abhängig. 1933
überträgt das Ermächtigungsgesetz das Gesetzgebungsrecht des Reichstags auf
die Reichsregierung, woraufhin bis 1945 985 Regierungsgesetze und nur noch 8
Reichstagsgesetze (1933 1, 1934 1, 1935 3, 1937 1, 1939 2, Reichsgesetzblatt
dieses Jahres mit Umfang von 2509 Seiten) verabschiedet werden. Am 27. 2. 1933
steckt wohl der niederländische Kommunist van der Lubbe das Gebäude des
deutschen Reichstags in Brand.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 94, 101, 106, 110, 131, 135, 148, 177, 193, 194, 195, 230; Baltl/Kocher;
Deutsche Reichstagsakten; Sammlung sämtlicher Drucksachen des Reichstages,
1871ff.; Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905;
Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Bemmann, R., Zur
Geschichte des deutschen Reichstages im 15. Jahrhundert, 1907; Borell, A., Die
soziologische Gliederung des Reichsparlaments, Diss. phil. Gießen 1933;
Stoltenberg, G., Der deutsche Reichstag, 1955; Aus Reichstagsakten des 15. und
16. Jahrhunderts, 1958; Tetleben, V. v., Protokoll des Augsburger Reichstages
1530, hg. v. Grundmann, H., 1958; Weber, H., Die Reichsversammlungen im
ostfränkischen Reich 840-918, Diss. phil. Würzburg 1962; Deuerlein, E., Der
Reichstag von 1871 bis 1933, 1962; Fürnrohr, W., Der immerwährende Reichstag zu
Regensburg, 1963, 2. A. 1987; Schwarz, M., Mitglieder des Reichstages, 1965;
Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Becker, H., Der Speyerer
Reichstag von 1570, 1969; Das Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars
Felix Hornung vom Augsburger Reichstag 1555, hg. v. Lutz, H. u. a. 1971;
Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 1ff. 1972ff.; Vocelka, R.,
Der Reichstag im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Wien 1974; Stürmer, M., Regierung
und Reichstag, 1974; Westphal, G., Der Kampf um die Freistellung auf den
Reichstagen, 1975; Brandt, D., Die politischen Parteien, 1975; Rauh, M., Die
Parlamentarisierung des Deutschen Reichs, 1977; Neuhaus, H., Reichstag und
Supplikationsausschuss, 1977; Schubert, E., König und Reich, 1979; Moraw, P.,
Versuch über die Entstehung des Reichstages, (in) Politische Ordnung und
soziale Kräfte im Alten Reich, hg. v. Weber, H., 1980, 1; Aulinger, R., Das
Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980; Der Reichstag, 1981; Neuhaus,
H., Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Regierung,
Bürokratie und Parlament, hg. v. Ritter, G., 1983; Moraw, P., Hoftag und
Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3; Der Reichstag
des Norddeutschen Bundes 1867-1870, bearb. v. Haunfelder, B. u. a., 1989 (466
Parlamentarier); Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden Reichstags,
1991; Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden Reichstags, 1991; Hubert,
P., Uniformierter Reichstag, 1992; Martin, T., Auf dem Weg zum Reichstag, 1993;
Härter, K., Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Hof, Hoftag und
Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994; Speicher, S., Der Reichstag, 1995; Ullrich,
N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Schönberger, C., Das Parlament
im Anstaltsstaat, 1997; Bahar, A./Kugel, W., Der Reichstagsbrand, 2000;
Biefang, A., Bismarcks Reichstag, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in
der Weimarer Republik, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v.
Moraw, P., 2003; Statisten in Uniform, hg. v. Lilla, J., 2004; Annas, G.,
Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004; Cullen, M., Der Reichstag, 2005;
Handbuch der Reichstagswahlen 1890-1918, bearb. v. Reibel, C., 2007; Eichler,
D., Fränkische Reichsversammlungen unter Ludwig dem Frommen, 2007; Kellerhoff,
S., Der Reichstagsbrand, 2008
Reichstagsakten sind
die in der Arbeit des → Reichstages des Heiligen römischen Reiches
(deutscher Nation) entstandenen, seit 1857 zur Veröffentlichung vorbereiteten
Akten (zwischen 1376 und 1662).
Lit.: Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 1ff.
1867, Neudruck 1956f.; Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 1ff.
1972ff.; Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 1ff. 1893ff., Neudruck
1962f.; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966
Reichstagsbrand ist
der wohl von (dem niederländischen Kommunisten van der Lubbe als) einem
Einzelnen verursachte Brand des Gebäudes des Deutschen Reichstages in Berlin
am 27. 2. 1933, als dessen Folge von (Adolf → Hitler bzw.) dem
Reichspräsidenten Hindenburg am 28. 2. 1933 durch Notverordnung zum Schutz von
Volk und Staat zahlreiche Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
222; Tobias, F., Der Reichstagsbrand, 1962; Mommsen, H., Der Reichstagsbrand,
Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964), 351
Reichsteilung ist
die Aufteilung eines → Reiches. Im August 843 teilen die Söhne Lothar,
Ludwig und Karl des fränkischen Kaisers Ludwig des Frommen in Verdun das Reich,
woraus sich ungeplant (ab 887) die Entwicklung zu → Deutschland und →
Frankreich ergibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Kornemann, E., Doppelprinzipat und
Reichsteilung im Imperium Romanum, 1930; Der Vertrag von Verdun, hg. v. Mayer, T.,
1943; Ganshof, F., Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Vertrages von
Verdun, DA 12 (1956), 313
Reichsunmittelbarkeit ist die unmittelbare d. h. nicht durch einen anderen (Landesherrn)
vermittelte Zugehörigkeit von Gütern oder Personen zum Heiligen römischen Reich
(deutscher Nation). Sie entsteht ansatzweise im Hochmittelalter (13. Jh.). 1471
sieht die Kriegssteuerordnung vor, dass die der Verteidigung gegen die Türken
dienende Reichssteuer durch den jeweiligen Landesherrn von seinen Untertanen einzuheben
ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die R. im Einzelfall festzulegen. R.
haben → Kurfürsten, → Reichsfürsten, Reichsgrafen, → Reichsstädte,
→ Reichsritter und → Reichsdörfer. Persönliche R. kommt
Reichshofräten, Reichskammergerichtsassessoren und Domkapiteln während der
Sedisvakanz und Angehörigen reichsständischer Familien zu. Die R. endet 1806.
Lit.: Köbler, DRG 94, 110, 135; Moser, J., Von denen
Teutschen Reichsständen, 1767, Neudruck 1967; Engelbert, G., Die Erhebungen in
den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 masch.schr.; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Müller-Ueltzhöffer, B., Der
500jährige Rechtsstreit des Klosters Neresheim, 2002
Reichsurteil → Reichsweistum
Reichsverfassung ist
die Grundordnung eines → Reichs bzw. die formelle Verfassung eines Reichs
seit dem 19. Jh.
(z. B. 27. 3. 1849, 16. 4. 1871). →
Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation), Deutsches Reich, Österreich,
Kaiser, Reichstag
Lit.: Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reichs,
1876; Jastrow, J., Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der Reichsverfassung,
1882; Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, hg. v.
Zeumer, K., 2. A. 1913; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914;
Beyerle, K., Zehn Jahre Reichsverfassung, 1929; Stengel, E., Die Quaternionen
der deutschen Reichsverfassung, ZRG GA 74 (1957), 256; Dürig, G./Rudolf, W.,
Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2. A. 1979; Das Staatsrecht des
Heiligen römischen Reichs deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Becker,
W., Der Kurfürstenrat, 1973; Schmidt, G., Der Städtetag in der
Reichsverfassung, 1984; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985;
Grimm, D., Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988; Kröger, K., Einführung
in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte, 1988; Buschmann, A.,
Reichsgrundgesetze und Reichsverfassung des Heiligen Römischen Reiches, FS H.
Baltl 1998, 21; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Immel, J.,
Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002
Reichsversicherungsamt ist die oberste Behörde der → Sozialversicherung im
zweiten Deutschen Reich seit 1884. Im März 1945 stellt das R. seine Tätigkeit
ein. Nachfolger wird teilweise 1954 das Bundessozialgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Staatsbürger und Staatsgewalt, hg.
v. Külz, H. u. a., R., Bd. 1 1963; Festschrift zum 25jährigen Bestehen des
Bundessozialgerichts, Bd. 1 1979; Festgabe aus Anlass des 100jährigen Bestehens
der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, hg. v. Deutschen Sozialrechtsverband,
1984
Reichsversicherungsordnung ist das die Sozialversicherungsgesetze des zweiten Deutschen
Reichs vom 15. 6. 1883 (Krankenversicherung), 6. 7. 1884 (Unfallversicherung)
und 22. 6. 1889 (Altersversicherung und Invalidenversicherung)
zusammenfassende Gesetz vom 19. 7. 1911. Die R. wird am Ende des 20. Jh.s
abschnittsweise vom → Sozialgesetzbuch abgelöst.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 183; Rother, K., Die
Reichsversicherungsordnung 1911, 1994
Reichsverwaltung
Lit.: Spangenberg, H.,
Die Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung,
ZRG GA 46 (1926), 231
Reichsverwaltungsgericht ist das nach jahrzehntelangem Drängen durch Erlass vom 3. 4. 1941 unter Zusammenlegung mehrerer Gerichte und Ämter (Oberwaltungsgericht Preußens, Verwaltungsgerichtshof [Österreichs], Reichsdienststrafhof u. a.) ohne Zuständigkeitwsveränderungen geschaffene oberste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Deutschen Reich. Seine Entscheidungen sind in zwei Bänden veröffentlicht. 1945 (bzw. formell am 10. 10. 1946) wird es aufgelöst. Funktionell folgt ihm das → Bundesverwaltungsgericht.
Lit.: Gulden, H., Das künftige Reichsverwaltungsgericht,
Diss. jur. Heidelberg 1928; Frank, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Deutsches
Recht 1941, 1169; Gaiser, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Diss. jur.
Tübingen 1948; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991
Reichsverweser ist
der Verwalter eines → Reichs (z. B. Dänemark 1023/1024, Erzherzog Johann
am 29. 6. 1848 für das geplante Deutsche Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Huber, E., Deutsche
Verfassungsgeschichte, Bd. 2. A. 1975, 623
Reichsvikar ist der
Verwalter eines → Reiches. Im Hochmittelalter wird der R. zu einer festen
Einrichtung für die Zeit zwischen dem Tod eines Königs und der Wahl des neuen
Königs des deutschen Reiches. (z. B. 1276/1281 Pfalzgraf bei Rhein, 1356 auch
der Herzog von Sachsen). Grundsätzlich muss der neue Herrscher alle Handlungen
des Reichsvikars bestätigen.
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und
Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Wendehorst, A., Das
Reichsvikariat nach der Goldenen Bulle, 1951; Hermkes, W., Das Reichsvikariat
in Deutschland, 1968; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; De vicariatus
controversia, 2004
Reichsvogt ist der
vom → Reich im Hochmittelalter zur Verwaltung von Reichsgut bestellte →
Vogt (z. B. in Aachen, Wetzlar oder Goslar).
Lit.: Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, Diss. phil.
Gießen 1928; Wilke, S., Das Goslarer Reichsgebiet, 1970; Flach, D.,
Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes, 1976
Reichsvogteistadt ist
die bischöfliche Stadt des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation), deren
Vogtei das Reich hat (Augsburg, Konstanz, Basel, Chur).
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1967
Reichswald ist der
seit dem Mittelalter dem → Reich zustehende Wald (z. B. Dreieich,
Büdingen, Aachen, Kleve, Unterelsass, Kaiserslautern, Nürnberg).
Lit.: Zeyher, M., Der Schönbuch, 1938; Kaspers, H.,
Comitatus nemoris, 1957; Nieß, W., Die Forst- und Jagdgeschichte der Grafschaft
Ysenburg, 1974; Rabus, I., Der Nürnberger Reichswald, 1974; Bäcker, H.,
Reichswald und Reichswaldgenossenschaft, Diss. jur. Mainz 1978
Reichswappen ist
das Wappen eines → Reiches. Im 12. Jh. erscheint der → Adler im
Wappen des Kaisers des Heiligen römischen Reiches. Am Ende des 13. Jh.s zeigt
das vom Wappen des Königs geschiedene R. den schwarzen einköpfigen Adler im
goldenen Schild. Seit 1400 wird der Doppeladler R. 1847/1848 übernimmt die
Bundesversammlung den schwarzen Doppeladler. 1871 führt das zweite Deutsche
Reich den einköpfigen schwarzen Adler im goldenen Schild als R. ein.
Lit.: Korn, J., Adler und Doppeladler, Diss. phil.
Göttingen, 2. A. 1976
Reichswehr ist die
Bezeichnung des durch den Versailler Friedensvertrag auf 100000 Mann
beschränkten Heeres des zweiten Deutschen Reiches (Gesetz v. 23. 3. 1921) bis
zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. 3. 1935.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Vogelsang, T.,
Die Reichswehr und die Politik, 1959
Reichsweistum ist
die von den Reichsfürsten im Mittelalter urteilsartig gegebene Entscheidung (z.
B. Rhens 1338). Die Abgrenzung zum Urteil wie zum Gesetz ist zweifelhaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Franklin, O., Sententiae curiae
regiae, 1870; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und Schrift
im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Reichswirtschaftsgericht ist die 1919 aus dem 1915 geschaffenen Reichsschiedsgericht
für Kriegsbedarf hervorgegangene, 1920 in ein Gericht umgewandelte Behörde.
1941 geht das R. im → Reichsverwaltungsgericht auf.
Lit.: Jahn, J., Das Reichswirtschaftsgericht, 1940; Klinger,
H., Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht, (in) Staatsbürger und
Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., Bd. 1 1963, 103
Reichszivilprozessordnung → Zivilprozessordnung
Reims an der Vesle,
aus dem römischen Durocortorum der Remer hervorgegangen, ist seit 290 Bistum,
seit dem 8. Jh. Erzbistum. R. beansprucht die Stellung als Krönungsort des
französischen Königs. Seit dem Hochmittelalter tritt es als Machtmittelpunkt
hinter → Paris zurück. Seit 1969 ist R. Sitz einer Universität.
Lit.: Brühl, C., Reims als Krönungsstadt des französischen
Königs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1950; Devisse, J., Hincmar, archevêque de
Reims, Bd. 1ff. 1972ff.; Desportes, P., Reims et les Remois, 1979; Kaiser, R.,
Bischofsherrschaft zwischen Königtum und Fürstenmacht, 1981
Reimvorrede ist
eine gereimte Vorrede (z. B. des Sachsenspiegels).
Lit.: Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Ignor, A.,
Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984
Reine Rechtslehre ist die
auf der positivistischen Grundlage der neukantianischen Zuordnung der
Rechtsnorm zum Sollen von Hans → Kelsen (1881-1973) bis 1934 entwickelte,
alle nichtrechtlichen Elemente, insbesondere die politische Ideologie
ausscheidende Rechtslehre. In ihr stellt die Rechtsordnung einen
Erzeugungszusammenhang von Rechtsnormen dar, der sich letztlich auf eine
hypothetische Grundnorm zurückführen lässt. Diese nicht gesetzte, aber
vorausgesetzte hypothetische Grundnorm hat rechtserzeugenden Charakter, der
Zwangsakt als Endpunkt des Rechtserzeugungsvorgangs nur rechtsanwendenden
Charakter. Adolf J. Merkl überträgt die von Kelsnen für das Verfassungsrecht
entwickelte Vorstellung auf das Verewaltungsrecht, Alfred verdross auf das
Völkerrecht.
Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, 2. A. 1960;
Schild, W., Die reinen Rechtslehren, 1975; Der Einfluss der reinen
Rechtstheorien, Bd. 1ff. 1978ff.; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und
Demokratie bei Hans Kelsen, 1984
Reinhart Fuchs ist die nach
1192 von einem elsässischen Dichter geschaffene, das Verfahren des ausgehenden
12. Jh.s volkssprachig darstellende Dichtung.
Lit.: Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel,
K., 1984
Reinigungseid ist
der Eid des Beschuldigten, mit dem er seine Unschuld erweisen kann. Er
entspricht einem Beweisrecht. Er verschwindet mit dem 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loening, R., Der Reinigungseid
bei Ungerichtsklagen im deutschen Mittelalter, 1880; Schmidt, E., Einführung in
die Geschichte der Strafrechtspflege, 3. A. 1965
Reinkingk (Reinking),
Dietrich (Theodor) (Windau in Kurland 10. 3. 1590-Glückstadt 15. 12. 1664),
Gutsherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Marburg (Vultejus) und
Gießen (Antonius) 1617 außerordentlicher Professor in Gießen, 1618 Hofrat,
1625 Vizekanzler und 1632 Kanzler (zuerst in Schwerin, 1636 in Bremen, 1648 in
Schleswig und Holstein). Sein 1619 erschienenes kaiserfreundliches Hauptwerk
(lat. Tractatus [M.] de regimine seculari et ecclesiastico, Abhandlung über
weltliche und kirchliche Herrschaft) räumt dem Kaiser Souveränität ein und wird
damit seit 1648 der Wirklichkeit nicht mehr voll gerecht.
Lit.: Jessen,
H., Biblische Policey, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1962; Staatsdenker
im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995
reipersekutorisch (sachverfolgend)
Lit.: Köbler, DRG 19
reipus (lat.-afrk.
[M.]) Reifgeld, Verlobungsgebühr, vor 819
Reise ist die Fortbewegung eines
Menschen an einen anderen Ort außerhalb des Wirtschaftsverkehrs.
Lit.: Drabek, A.,
Reisen und Reisezeremoniell der römisch-deutschen Herrscher im Spätmittelalter,
1964; Hans Dernschwam’s Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien
(1553/55), 1923, hg. v. Babinger, F. 1923, Neudruck hg. v. Schnur, R., 1986;
Paravicini, W., Die Preußenreisen des europäischen Adels, 1989; Unravelling
Civilisation – European Travel and Travel Writing, hg. v. Schulze-Forberg, H.,
2005; Prein, P., Bürgerliches Reisen im 19. Jahrhundert, 2005
Rei vindicatio (lat. [F.]) ist die Herausgabeklage des Eigentümers des klassischen römischen Rechtes, bei welcher der nichtbesitzende (zivile) Eigentümer dem besitzenden Nichteigentümer (z. B. Dieb) gegenübersteht, wobei neben der Herausgabe (Restitution) der Sache auch Sachschäden, Früchte, und Aufwendungen zu beachten sind. Aus der r. v. entwickelt sich im Hochmittelalter auch die zeitweise bedeutsame Unterscheidung von → Obereigentum und Untereigentum. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 entspricht ihr § 985.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1a, 21 I 2b, 22 II, 27 I, 59 II 7b, 81
II 1, 83 II 5; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 48, 61, 124; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 174, 191, 294, 297, 307; Pennitz, M., Der
„Enteignungsfll“ im römischen Recht, 1991; Wimmer, M., Besitz und Haftung des
Vindikationsbeklagten, 1996
Rekkesvind (Reccesvinth)
ist der für die Fortbildung der (lat.) → Lex (F.) Visigothorum
bedeutsame westgotische König (653-672).
Lit.: Köbler,
DRG 80, 82; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989
Reklamationsrecht (N.)
Beschwerderecht beim fränkischen König
Lit.: Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Weitzel, J.,
Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981
Rekognitionszins (M.)
Anerkennungszins
Rektor ist der Leiter,
insbesondere der Leiter einer Universität.
Lit.: Köbler, Jurist; Schwinges, R., Rektorwahlen, 1992
Rekuperator → (lat.) recuperator (M.)
Relation (lat. [F.] relatio) ist aus dem römisch-kanonischen gelehrten
Prozessrecht kommend in der Neuzeit der Bericht im Rahmen der juristischen
Tätigkeit. Die R. besteht im Zivilverfahrensrecht aus der Erzählung der unstreitigen
Tatsachen, der Prozessgeschichte einschließlich der Beweise und einem Entscheidungsvorschlag.
Für die Besetzung von Stellen am Reichskammergericht wird 1570, für die
Besetzung einer Oberratsstelle in Württemberg wenig später die Erstellung einer
Proberelation vorgesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Koch, C., Anleitung zum Referieren
bei preußischen Gerichtshöfen, 2. A. 1836; Berger, H., Die Entwicklung der
zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Schröder, J.,
Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Flasch,
K., Das philosophische Denken, 1986
relativ (verhältnismäßig)
z. B. Mehrheit, Naturrecht, Unwirksamkeit
Religion ist das
Ergriffenwerden vom Göttlichen. Indogermanen, Römer und Germanen kennen in
ihrer R. eine Vielzahl von an Naturerscheinungen angelehnten, durch
menschenähnliche Züge gekennzeichneten Göttern, die an unterschiedlichen Orten
verehrt werden. Seit dem 1. Jh. n. Chr. breitet sich im römischen Weltreich die
von Jesus Christus auf jüdischer Grundlage gestiftete christliche, auf einen
einzigen, Gerechtigkeit verwirklichenden Gott ausgerichtete R. aus, die zur
Staatsreligion wird und seit dem 3./4. Jh. auch auf die Germanen übergreift.
Zwischen der Taufe Chlodwigs (zwischen 497 und 507) und der Salbung Pippins des
Jüngeren zum König (751) erlangt die christliche R. im Frankenreich eine
beherrschende Stellung. Glaubenssätze verändern in vielfacher Weise das
hergebrachte Recht. Seit dem Hochmittelalter wird abstrakt auch in weltlicher
Sicht das (angeblich gute, alte) → Recht auf Gott zurückgeführt. Mit der
Reformation Martin → Luthers (1517) beginnen grundsätzliche Zweifel an
der selbverständlichen Richtigkeit religiöser Aussagen. Die Aufklärung wendet
sich allgemein gegen unkritisch akzeptierte Dogmen. Seit dem 19. Jh. wird der
Einfluss der R. auf das Recht zurückgedrängt (→ Kulturkampf) und die
Trennung von Kirche und Staat bejaht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s dringt
die Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft vor.
Lit.: Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen, 9.
A. 1980; Heck, E., Der Begriff religio, 1971; Heiler, F., Die Religionen der
Menschheit, 4. A. 1982; Feil, E., Religion, 1986; Buchholz, S., Recht, Religion
und Ehe, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A.
2004; Ruthmann, B., Die Religionsprozesse am Reichskammergericht, 1996;
Kippenberg, H., Die Entdeckung der Religionssgeschichte, 1997; Religion in
Geschichte und Gegenwart, hg. v. Betz, H. u. a., 4. A. Bd. 1f. 1998ff.;
Handbuch der Religionsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., Bd. 1ff. 1999ff.;
Küng, H., Die Weltreligionen auf dem Weg, 1999; Zwischen Krise und Alltag, hg.
v. Batsch, C. u. a., 1999; Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffarth, J. u. a.,
Bd. 1ff. 1999ff.; Rémond, R., Religion und Gesellschaft in Europa, 2000; Feil,
E., Religio, Bd. 3 2000; Müller-Karpe, H., Grundzüge antiker
Menschheitsreligion, 2000; Rüpke, J., Die Religion der Römer, 2001; Religion in
den germanischen Provinzen Roms, hg. v. Spickermann, W., 2001; Elsas, C.,
Religionsgeschichte Europas, 2002; Ohlig, K., Religion in der Geschichte der
Menschheit, 2002; Heckel, M., Der Rechtsstatus des Religionsunterrichts, 2002;
Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K., 2002; Kippenberg,
H./Stuckrad, K. v., Einführung in die Religionswissenschaft, 2003; Oberste,
J., Zwischen Heiligkeit und Häresie, 2003; Multireligiosität im vereinten
Europa, hg. v. Lehmann, H., 2003; Spieckermann, W., Germania superior, 2003;
Heinig, H., Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003; Angenendt,
A., Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, 2003; Graf, F., Die Wiederkehr
der Götter, 2004; Quack, A., Heiler, Hexer und Schamanen, 2004; Religionen der
Welt, hg. v. Bowker, J., 2004; Scharfe, M., Über die Religion, 2004; Religionen
und Kulturen der Erde, hg. v. Grabner-Haider, A./Prenner, K., 2004; Religion
und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Hartmann, P., 2004;
Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffahrt, C. u. a., 2004; Antes, P., Grundriss
der Religionsgeschichte, 2006; Religiöse Prägung und politische Ordnung in der
Neuzeit, hg. v. Löffler, B./Ruppert, K., 2006; Rüpke, J., Historische Religionswissenschaft,
2007; Religiöse Bewegungen im Mittelalter, hg. v. Bünz, E. u. a., 2007; Die
Religion des Imperium Romanum, hg. v. Cancik, H. u. a., 2008; Römische Religion
im Wandel, hg. v. Bendlin, A. u. a., 2008; Medien religiöser Kommunikation im imperium
Romanum, hg. v. Schörner, G. u. a., 2008; Imperium et comitatus - Das Reich und
die Religion, hg. v. Nitschke, P. u.- a., 2009
Religionsfreiheit ist
die Freiheit der Religion und ihrer Ausübung. Die R. entwickelt sich seit der →
Reformation Martin → Luthers. 1526, 1552 bzw. 1555 wird sie den
Landesherren zuerkannt. 1648 wird sie auf das reformierte Bekenntnis
ausgedehnt. 1788 gewährt Preußen im sog. Wöllnerschen Religionsedikt
persönliche Gewissensfreiheit, 1803/1818 Bayern, 1818 Baden, 1819 Württemberg
und 1831 das Kurfürstentum Hessen. Allerdings bleibt bis 1918 die R. ein Recht
des Einzelnen gegenüber dem andersgläubigen Staat. Die Weimarer
Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 begründet dann allgemeine R. (Bekenntnisfreiheit,
Kultusfreiheit, religiöse Vereinigungsfreiheit).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Fürstenau, H., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1891, Neudruck 1975; Listl, J., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1971; Lutz, H., Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit,
1977; Zippelius, R., Religionsfreiheit, Staat und Kirche, 1997;
Religionsfreiheit und Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007; Kaupisch, J.,
Das Grundrecht der Religionsfreiheit in seiner historischen Entwicklung, 2008
Religionsfriede ist
der zur Beendigung eines Religionskrieges vereinbarte Friede (z. B. Augsburger
R. vom 25. 9. 1555).
Lit.: Wolf, G., Der Augsburger Religionsfriede, 1890; Rabe,
H., Der Augsburger Religionsfrieden und das Reichskammergericht, 1976; Der
Augsburger Religionsfriede, hg. v. Wüst, W. u. a., 2005; Wolgast, E.,
Religionsfrieden als politisches Problem der frühen Neuzeit, HZ 282 (2006), 59;
Religionsfreiheit und Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007
Religionsgmeinschaft ist die Gemeinschaft der Anhänger einer Religion zu
deren Ausübung unabhängig von einer besonderen öffentlichrechtlichen Stellung.
Religionskrieg ist der wegen der → Religion geführte → Krieg (z. B. 1419-36 Hussitenkriege, 1547 Schmalkaldischer Krieg, Dreißigjähriger Krieg 1618-48).
Lit.: Köbler, DRG 95, 130; Religionskriege im alten Reich
und in Alteuropa, hg. v. Brendle, F. u. a., 2006
Religionsmündigkeit ist
die → Mündigkeit in Religionsangelegenheiten. Nach dem Gesetz über die
religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 erlangt das Kind mit 10, 12 und 14
Jahren stufenweise R.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Religionsverbrechen ist
die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Zeiten gegen die jeweilige →
Religion gerichtete, mit einer Strafe verfolgte Handlung (z. B. Zauberei u.
a.).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 1;
Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941
Religiöse Kindererziehung ist die Erziehung von Kindern in Religionsangelegenheiten.
Im Mittelalter ist die christliche r. K. durch die Eltern unstreitig.
Dementsprechend verbietet es die Kirche, Judenkinder gegen den Willen ihrer
Eltern zu taufen. Zum Problem wird die r. K. mit der Reformation und der
Aufklärung. Hier entwickelt sich der Grundsatz, dass in glaubensverschiedenen
Ehen zunächst die zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung, hilfsweise die
Religion des Vaters entscheidet (Preußen 1803, dagegen das Geschlecht des
Kindes nach dem Allgemeinen Landrecht von 1794). Nach Landesrecht entstehen bis
1921 31 verschiedene Rechtsgebiete. Mit Reichsgesetz vom 15. 7. 1921 wird eine
1939 auch auf Österreich erstreckte einheitliche Regelung getroffen, wonach
beide Eltern die r. K. gemeinsam bestimmen, nach Vollendung des 12.
Lebensjahres das Kind nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als
bisher erzogen werden kann und nach Vollendung des 14. Lebensjahres das Kind
über seine Religion selbst bestimmen kann.
Lit.: Hübler, B., Die religiöse Erziehung der Kinder, 1888;
Roth, H., Die religiöse Kindererziehung nach schweizerischem Recht, Diss. jur.
Zürich 1920; Pfordten, v. d. T., Gesetz über die religiöse Kindererziehung,
1922; Kammerloher-Lis, S., Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse
Kindererziehung, 1999
Reliquie ist in der
christlichen → Religion ein Überrest eines herausgehobenen Menschen (z.
B. eines Heiligen). Die Verehrung einer R. wird vermutlich seit dem 4. Jh. in
der westlichen christlichen Kirche aus älteren Ansätzen (z. B. Heroenverehrung
in Griechenland) übernommen. Sie gewinnt im Mittelalter große Bedeutung. In der
Gegenwart ist sie fragwürdig (z. B. bei Windel Christi, Grabtuch Christi u.
a.), weil sie zu oft von heuchlerischen Geschäftemachern zu Lasten der Armen
und Schwachen zu Wallfahrtsrummeln missbraucht wird.
Lit.: Pfister, F., Der Reliquienkult im Altertum, 1909ff.;
Heinerth, H., Die Heiligen und das Recht, 1939; Braun, J., Die Reliquiare des
christlichen Kultus, 1940; Angenendt, A., Heilige und Reliquien, 1994; Mayr,
M., Geld, Macht und Reliquien, 2000; Von goldenen Gebeinen, hg. v. Mayr, M.,
2001
Remissorium (N.)
ist das knappe, alphabetisch geordnete Nachschlagwerk (Inhaltsverzeichnis) des
15. Jh.s hauptsächlich zum sächsischen Recht (z. B. das in 19 Handschriften von
1452 bis 1472 überlieferte R. des Dietrich von Bocksdorf, das R. des Tammo von
Bocksdorf, das R. des Kaspar Popplau, das R. Zu fromen und bequemikeit, das R.
(lat. [F.] Summa totius Brodii (Summe des ganzen Brodius) oder das R. zum
Meißener Rechtsbuch).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 78
Renaissance (Wiedergeburt)
ist die kulturelle Wiederanknüpfung an das Vorbild des Altertums zu Beginn der
Neuzeit. Die R. nimmt ihren Ausgang von Italien. Von einer karolingischen R. wird
für die Zeit Karls des Großen gesprochen, von einer R. des 12. Jh.s für die
Zeit der Staufer.
Lit.: Köbler, DRG 79, 135; Burckardt, J., Die Kultur der
Renaissance in Italien, 1859, 10. A. 1976; Burckhardt, J., Die Kultur der
Renaissance in Italien, hg. v. Günther, H., 1989; Andersen, E., The Renaissance
of Legal Science after the Middle Ages, 1974; Die Renaissance der
Wissenschaften im 12. Jahrhundert, hg. v. Weimar, P., 1969, 1981; Burke, P.,
Die Renaissance in Italien, 1984; Lexikon der Renaissance, hg. v. Gurst, G. u.
a., 1989; Cortese, E., Il Rinascimento giuridico medievale, 1992; Maclean, I.,
Interpretation and meaning in the renaissance, 1992; Hale, J., Die Kultur der
Renaissance, 1994; Das 16. Jahrhundert, hg. v. Kuester, E., 1995; Lexikon der Renaissance
(CD-ROM), hg. v. Gurst, G., 1996; Burke, B., Die europäische Renaissance, 1998;
Die Renaissance und ihre Antike, hg. v. Rudolph, E., 1998; Lexikon der
Renaissance, hg. v. Münkler, R. u. a., 2000; Reinhardt, V., Die Renaissance in
Italien, 2002; Das Zeitalter der Renaissance, hg. v. Carbonell, C. u. a., 2003;
The Renaissance, hg. v. Martin, J., 2003; Burke, P., Die europäische
Renaissance, 2005; Günther, H., Was ist Renaissance?, 2009
Rendsburg
Lit.: Kaack, H., Die
Ratsverfassung und –verwaltung der Stadt Rendsburg, 1976
Renner, Karl (Unter Tannowitz in Südmähren 14. 12. 1870-Wien 31. 12. 1950), Winzerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Bibliothekar und sozialdemokratischer/austromarxistischer Politiker (1907 Abgeordneter), von Oktober 1918 bis März 1919 Leiter der Staatskanzlei, von März 1919 bis Juni 1920 Regierungschef (Staatskanzler, Schöpfer der provisorischen Verfassung, Unterzeichner des Friedensvertrags von Saint Germain, Initiator des Habsburgergesetzes) und von 1931 bis 1933 Nationalratspräsident (Rücktritt am 4. 3. 1933). Er befürwortet 1938 den → Anschluss an das Deutsche Reich und 1945 als Staatskanzler einer provisorischen Regierung die Wiederherstellung (Unabhängigkeitserklärung) der Republik Österreich, deren Präsident er von 1945 bis 1950 wird.
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher; Juristen in
Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 280; Schmitz, G., Karl Renners Briefe
aus Saint Germain, 1991
renovatio (lat. [F.])
Erneuerung (z. B. renovatio imperii [Romanorum], Erneuerung des römischen
Reichs im Mittelalter [vom Papst als eine von ihm - nicht zwingend dem
deutschen König - zu übertragende Aufgabe angesehen)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schramm, P., Kaiser, Rom und
Renovatio, Bd. 1 1929; Charlemagne’s Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990
Rente ist das auf
Vermögen, Versicherungsanspruch oder Versorgungsanspruch beruhende
Einkommen. Die privatrechtliche R. entsteht im Hochmittelalter aus der
Vereinbarung, dass vom Rentenschuldner auf eine gewisse Dauer regelmäßige
Leistungen an den Rentengläubiger zu erbringen sind. Diese Vereinbarung wird
vielfach bei Zahlung bzw. Hingabe einer Geldsumme (Kapital) geschlossen und
ersetzt bis zur Aufhebung des kanonischen Zinsverbots das verbotene verzinsliche
→ Darlehen. Sie kann als Reallast so mit einem Grundstück verknüpft sein,
dass dessen jeweiliger Eigentümer als jeweiliger Verpflichteter erscheint.
Vielleicht ist sie aus der Erbleihe entstanden (str.). Bei der Verpflichtung
ist zwischen der auf Dauer angelegten, nicht durch Erfüllung tilgbaren
Stammverpflichtung und der zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt erzeugten
selbständigen Einzelverpflichtung zu unterscheiden. Die Einzelverpflichtung
kann auf Geld oder Naturalleistung lauten. Die wichtigste Erscheinungsform dieser
privatrechtlichen R. ist die → Leibrente. Die → Ewigrente kann nur
unter besonderen Umständen (z. B. Verzug, Wiederkaufsrecht, einverständliche
Auflösung, Gesetz) enden. Mit dem Vordringen des verzinslichen Darlehens und
der Hypothek tritt die privatrechtliche R. seit dem 18. Jh. zurück. Die
sozialversicherungsrechtliche R. entsteht seit 1881 (Bismarcksche
Sozialversicherungsgesetzgebung) als öffentlichrechtlicher Anspruch des
(zwangsweise) Sozialversicherten gegen den Sozialversicherungsträger im Sozialversicherungsfall
(Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter).
Lit.: Hübner 195; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125, 135;
Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG GA 7 (1886), 116; Stern, M., Das
zweite Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Brandt, A. v., Der Lübecker
Rentenmarkt von 1320-1350, 1935; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961; Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung, hg.
v. Fisch, S. u. a., 2000
Rentenbank ist das
im 19. Jh. geschaffene landwirtschaftliche Kreditinstitut, das den von
grundherrschaftlichen → Hintersassen zu Eigentümern gewordenen Bauern die
Tilgung ihrer Entschädigungsverpflichtung durch langfristige verzinsliche
Darlehen ermöglicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 174
Rentengrundherrschaft ist die seit dem Hochmittelalter von Naturalleistungen auf
Geldleistungen umgestellte Grundherrschaft, in welcher der Nebenhof vom
Haupthof gelöst und Land auf Zeit gegen Geld verpachtet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96
Rentenkauf ist das
der Begründung der privatrechtlichen → Rente durch Hingabe einer
Geldsumme („Kauf“) dienende, seit dem Hochmittelalter sichtbare Rechtsgeschäft.
R. ist daneben auch der kaufweise erfolgende Erwerb einer bereits bestehenden
Rente.
Lit.: Hübner 395; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125;
Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883),
130; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Gattjen, B., Der
Rentenkauf in Bremen, 1928; Rörig, F., Kündigungsrecht des Rentners beim Rentenkauf,
ZRG GA 57 (1937), 451, Cremer, O., Der Rentenkauf im mittelalterlichen Köln,
Diss. jur. Köln 1937; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und
Wirtschaftsethik, 1961; Gabrielsson, P., Struktur und Funktion der Hamburger
Rentengeschäfte, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt,
1974; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975; Schmelzeisen, G., Zinsvertrag und
Rentenkauf, ZRG GA 95 (1978), 229
Rentenschuld ist
die im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) zugelassene, in der Weise
bestellte Grundschuld, dass in regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten eine
bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist.
Lit.: Köbler, DRG 213; Hensel, R., Jurisprudenz und
Nationalökonomie, 2006
Rentenwirtschaft →
Rentengrundherrschaft
Renuntiation ist
der Verzicht auf eine rechtliche Möglichkeit. Vom 13. Jh. bis zum 17. Jh.
erscheinen in Urkunden zahlreiche Renuntiationsklauseln, in denen auf →
Einreden des römischen Rechtes (z. B. Arglisteinrede, Nichtzahlungseinrede)
verzichtet wird. Ihre weite Verbreitung könnte dadurch ermöglicht sein, dass
der Verzicht auf Rechte als solcher bereits unabhängig vom römischen Recht
bekannt ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schlosser, H., Die Rechts- und
Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Köbler, G., Verzicht und
Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211
Reparation (F.)
Kriegsschadensersatzleistung
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Liesem, K., Die Reparationsverpflichtungen der Bundesrepublik
Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der
Zwangsarbeiterentschädigung, 2005
repetundae (lat. [F.Pl.]) bei Provinzausbeutung Zurückzuverlangendes
Lit.: Kaser § 8 IV 2; Köbler, DRG 34
replicatio (lat. [F.])
Gegenrede (z. B. des Klägers im [lat.] iudicium stricti iuris, dass eine [lat.]
exceptio des Beklagten wegen einer Vereinbarung oder wegen Arglist des
Beklagten oder wegen Verkaufs und Übergabe einer Sache nicht berücksichtigt
werden darf)
Lit.: Kaser §§ 82 II 4c, 83 II 11
Replik (zu lat. [F.]
replicatio) ist die Entgegnung des Klägers auf eine prozesshindernde Einrede
des Beklagten im Zivilverfahren vor dem → Reichskammergericht (Kameralprozess).
Im 19. Jh. wendet sich die R. auch gegen die Begründetheit der Klage.
Lit.: Köbler, DRG 155; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981, 162
Report (M bzw. N.) nichtamtliche
Aufzeichung von Verhandlungen in den Gerichtshöfen des englischen Königs in
Westminster durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536
Lit.: Year Books
(Edwards II. 1307-1327), Bd. 1ff. 1903ff.
Repräsentation ist die Verkörperung einer Gesamtheit durch Vertreter. Auf kirchlicher Grundlage erscheint R. im 13. Jh. als die R. der Herrschaft Gottes in der Monarchie. Von den Vertretern des Mehrheitsprinzips wird R. durch Papst und Konzil vertreten. Bodin geht von der R. des Staates durch den Monarchen aus. Demgegenüber werden die Stände in den Ländern des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) erst spät als R. des Volkes angesehen. In England unterscheidet bereits John Locke zwischen R. durch den König und R. durch die beiden Kammern des Parlamentes. In Frankreich tritt die R. der Nationalversammlung 1789 an die Stelle und 1791 neben die R. durch den König. In den Staaten des Deutschen Bundes ist die Frage der R. streitig.
Lit.: Hübner 766; Kroeschell, DRG 2; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 509; Brandt, H., Landständische Repräsentation im
Vormärz, 1968; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und
Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Representative Institutions,
1971; Hofmann, H., Repräsentation, 1974, 3. A. 1998, 4. unv. A. 2003; Bosl, K.,
Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, 1974; Ehrle, P., Volksvertretung
im Vormärz, 1979; Hartmann, V., Repräsentation in der politischen Theorie und
Staatslehre in Deutschland, 1979; Neuhaus, H., Reichsständische
Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Kimme, J., Das
Repräsentativsystem, 1988; Höfische Repräsentation, hg. v. Ragotzky, H. u. a.,
1990; Vec, M., Zeremonialswissenschaft im Fürstenstaat, 1997; Die
Repräsentation der Gruppe, hg. v. Oexle, G., u. a., 1998;
Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a.,
1998; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 3. A. 2000; Dillinger, J., Die
politische Repräsentation der Landbevölkerung, 2008
Repräsentationsrecht (N.) Eintrittsrecht
repräsentativ
(Adj.) würdig, typisch, stellvertretend, Repräsentation betreffend
Repräsentativsystem ist das die Teilnahme der Herrschaftsunterworfenen an allen wichtigen Entscheidungen durch eine aus Repräsentanten gebildete Vertretungskörperschaft ermöglichende politische System. Vom R. wird in den (flächenmäßig sehr großen und verkehrsmäßig schlecht erschlossenen) Vereinigten Staaten von Amerika seit dem ausgehenden 18. Jh., in den Staaten des Deutschen Bundes seit der Mitte des 19. Jh.s gesprochen. Das R. wird zumeist durch ein periodisch gewähltes → Parlament verwirklicht (mittelbare Demokratie), das danach andere Staatsorgane bestimmt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Zur Theorie und Geschichte der
Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Kimme, J.,
Das Repräsentativsystem, 1988
Repressalie ist die
Beantwortung einer Rechtsverletzung mit einer gleichwertigen, angemessenen, auf
die Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustandes gerichteten Maßnahme.
Die R. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie wird seit dem Spätmittelalter
juristisch erfasst (Bartolus, Francisco de Vitoria, Grotius). Das 19. Jh.
schränkt die R. in zweiseitigen Abkommen und in der Pariser
Seerechtsdeklaration von 1856 ein.
Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners
für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner, ZRG GA 56 (1936), 150; Hohl, F.,
Bartolus de Saxoferrato: tractatus repressaliarum, Diss. jur. Bonn 1954
masch.schr.; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Republik (lat. res [F.] publica)
ist im römischen Recht die Gesamtheit der Angelegenheiten von allgemeinem
Nutzen. Bereits das Altertum kennt aber auch R. als einen die Staatsform enger
kennzeichnenden, der Monarchie entgegengesetzten Begriff (Aristoteles, Cicero).
Dieser wird im Hochmittelalter aufgenommen (Ptolemäus von Lucca) und von →
Machiavelli (1469-1527) dem Fürstentum gegenübergestellt (allgemeiner noch
Bodin 1576). Mit dieser Staatsform verknüpft → Montesquieu wiederum
Gemeinsinn, Vaterlandsliebe und Gesetzestreue. Der in Frankreich 1792
verwirklichten R. folgen nach dem gescheiterten Versuch von 1848 das Deutsche
Reich und Österreich 1918. Allerdings tritt die Frage der äußeren Staatsform
insgesamt als weniger bedeutsam hinter dem Gesichtspunkt der Herrschaft des
Volkes durch eine Repräsentativverfassung zurück. Der bloße Name R. verbürgt
auch keineswegs Rechtsstaatlichkeit (→ Deutsche Demokratische Republik).
Lit.: Söllner §§ 2, 6, 9, 12; Kroeschell, DRG 3; Köbler,
DRG 18, 170, 171, 220, 230, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 549;
Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Christ, K.,
Krise und Untergang der römischen Republik, 1979, 5. A. 2007, 6. A. 2008;
Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7. A. 1995;
Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel,
H., 1977; Kolb, B., Die Weimarer Republik, 1984; The Invention of the Modern
Republic, hg. v. Fontana, B., 1994; Bleicken, J., Geschichte der römischen
Republik, 5. A. 1999; Republikbegriff und Republiken seit dem 18. Jahrhundert,
hg. v. Reinalter, H., 2000; Hölkeskamp, K., Rekonstruktionen einer Republik,
2004
Republikanischer Richterbund ist der 1922 zum Schutz der Weimarer → Republik gegen
antirepublikanische Bestrebungen gegründete Bund von Richtern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schulz, B., Der Republikanische
Richterbund (1912-1933), 1982
Republikanischer Schutzbund ist der 1923 als Gegenbewegung zu den konservativen Heimwehren gegründete, 1928
etwa 80000 Mitglieder zählende, am 30./31. 3. 1933 durch die
Regierung Dollfuß aufgelöste und nach dem Februar 1934
zerschlagene paramilitärische Wehrverband der sozialdemokratischen Partei Österreichs.
Lit.: Gieler,
Die Wehrverbände in der ersten Republik, 1965
repudium (lat. [N.]) Verstoßung (der Ehefrau)
Lit.: Kaser § 58 VII 2a
Res (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Gegenstand bzw. das Rechtsobjekt
(einschließlich der Sklaven, bei Gaius [um 160 n. Chr.] auch der Obligationen)
bzw. das gesamte Vermögen (z. B. Erbschaft). Dementsprechend gibt es eine
(lat.) res corporalis (körperlicher Gegenstaqnd) und eine (lat.) res
incorporalis (unkörperlicher Gegenstand). Eigentum ist nur an körperlichen res
(Gegenständen [und Sklaven]) möglich. Der römische Begriff der r. corporalis
ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, der weite, auch
Unkörperliches einschließende res-Begriff in das Allgemeine Landrecht Preußens
(1794) und grundsätzlich das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch Österreichs
(1811, § 285). Die res kann außerhalb des Privatrechtsverkehrs stehen (z. B.
Luft, Meer, Tempel), kann res mancipi oder res nec mancipi, res mobilis
(beweglich) oder res immobilis (unbeweglich), verbrauchbar oder unverbrauchbar,
vertretbar oder unvertretbar, teilbar oder unteilbar oder herrenlos sein.
Lit.: Kaser § 18 I; Köbler, DRG 30,
39; Köbler, LAW; Holthöfer, E., Sachteil und Sachzubehör im römischen und
gemeinen Recht, 1972; Rüfner, T., Vertretbare Sachen? 2000
Res (F.) communis omnium
(lat.) ist im römischen Recht die allen gemeinsame Sache (z. B. Luft,
Regenwasser, Meer).
Lit.: Kaser § 18 I 2b
Res (F.) corporalis (lat.)
körperliche Sache im Gegensatz zum unkörperlichen Gegenstand (lat. res
incorporalis bei Gaius)
Lit.: Kaser § 19 I 1
Res (F.Pl.) cottidianae
(lat.) ist eine von → Gaius (um 160 n. Chr.) geschaffene oder im 3. Jh. auf
Grund von Gaius entstandene römischrechtliche Schrift, aus der Bruchstücke in
den Digesten überliefert sind.
Lit.: Dulckeit/Kaser/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
Rescriptum (lat. [N.])
ist im nachchristlichen römischen Recht die Antwort des Prinzeps auf eine
Anfrage, die bald als gesetzesgleich gilt.
Lit.: Kaser § 2 II 3a; Köbler, DRG 31
Res (F.) divini iuris ist
die unter der Herrschaft der Götter stehende Sache des römischen Rechts (z. B.
Tempel, Grabstätte, Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
reservatio (F.) mentalis (lat.) geheimer Vorbehalt bzw. → Mentalreservation
Lit.: Kaser § 8 III
Reservatrecht ist
in der frühen Neuzeit das dem Kaiser des Heiligen römischen Reichs (deutscher
Nation) vorbehaltene Recht.
Lit.: Köbler, DRG 147; Pratje, J., Die kaiserlichen
Reservatrechte, 1958
Reservatum (N.) ecclesiasticum (lat.) ist der geistliche Vorbehalt, dass bei einem
Religionswechsel eines geistlichen Landesherrn der frühen Neuzeit der Grundsatz
(lat.) → cuius regio, eius religio (Wessen Gebiet, dessen Religion) nicht
gilt.
Lit.: Köbler, DRG 130
Res (F.) extra commercium (lat.) (Sache außerhalb des Rechtsverkehrs) ist im römischen Recht
die nichtprivatrechtsfähige Sache (z. B. [lat.] res divini iuris (Sache göttlichen
Rechts wie Tempel), res communis omnium (gemeinsame Sache aller wie Luft,
Meer), res publica (öffentliche Sache wie Straße, Wasserleitung).
Lit.: Kaser § 18
I 2; Evans Jones, R./MacCormack, G., The sale of the res extra commercium, ZRG
RA 112 (1995), 330
Residenz (F.) Wohnort, Hauptstadt
Lit.: Residenz, hg. v. Andermann, K., 1992; Südwestdeutsche
Bischofsresidenzen außerhalb der Kathedralstädte, hg. v. Press, V., 1992; Höfe
und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003
res (F.) iudicata (lat.)
ausgeurteilte Sache, entschiedener Rechtsstreit
Lit.: Kaser § 84 II 1
Reskript (zu lat.
[N.] rescriptum) ist das eine Rechtsansicht zu einer Rechtsanfrage enthaltende
Schreiben des römischen Kaisers (in einem Einzelfall). Es wird im 5. Jh. vom
Papst übernommen und bis in die Gegenwart beibehalten. Im weltlichen Recht wird
das R. dagegen später nur ganz vereinzelt verwendet (z. B. Reskriptprozess vor
dem Reichshofrat).
Lit.: Kaser § 87 IV; Söllner § 15;
Gaudemet, J., La formation du droit séculier et du droit de l’église, 2. A. 1979;
Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 181
Res (F.) mancipi (lat.)
ist seit dem altrömischen Recht die (in der Spätantike aufgegebene) handhabbare
Sache (italisches Grundstück, Sklave, Rind, Pferd, Esel, Maulesel, Feldservitut
[iter, actus, via, aquaeductus, Weg, Trift, Fahrweg, Wasserleitung]). Nur für
die r. m. ist die (lat. [F.]) → mancipatio (Handgreifung, Übertragung im
Verfahren der Handgreifung) möglich. Formlose Übergabe (lat. [F.] traditio)
begründet nur bonitarisches Eigentum.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1c, 18 I 3a, 22 II
2b; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 40, 60
Res (F.) nec mancipi ist
seit dem altrömischen Recht jede Sache, die nicht → res mancipi ist. Sie wird
durch (lat. [F.]) → traditio (Übergabe) erworben.
Lit.: Kaser § 18 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24,
39, 60
res (F.) nullius (lat.) herrenlose Sache (z. B. wildes Tier in Freiheit, derelinquirte Sache
Resozialisierung ist die Wiedereingliederung eines gegen Straftatbestände als Gesellschaftsregeln verstoßenden Straftäters in die Gesellschaft. Die R. als Strafzweck wird nach älteren frühneuzeitlichen Ansätzen in England und in den Niederlanden (→ Zuchthaus) von Franz von → Liszt im Marburger Programm (1882) für verbesserliche Zustandstäter aufgegriffen. Seitdem gewinnt sie erheblich an Bedeutung, ohne andere Strafzwecke vollständig verdrängen zu können.
Lit.: Köbler, DRG 204, 264, 265; Rüping, H./Jerouschek, G.,
Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Respondierjurist ist
im römischen Recht der vom Prinzeps durch das Recht, auf eine Anfrage in seinem
Namen eine gutachtliche Antwort (lat. [N.]
responsum) zu geben (lat. ius [N.] respondendi), hervorgehobene Rechtskundige.
Lit.: Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 30; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
responsum (lat. [N.]) Antwort,
Gutachten
Res (F.) privata (lat.) ist im spätantiken römischen Recht das Staatsland, an dem ein unbefristetes Pachtverhältnis begründet werden kann.
Lit.: Kaser § 30 I 2
Res (F.) publica (lat.)
ist im römischen Recht die Gesamtheit der Römer und die im Eigentum des Staates
stehende Sache (z. B. Straße, Fluss, Wasserleitung). → Republik
Lit.: Kaser §§ 17 II 1a, 18 I 2c
Res (F.) religiosa (lat.)
ist im römischen Recht die in gewisser Weise nichtprivatrechtsfähige
Grabstätte.
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Res (F.) sacra (lat.) ist
im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige geweihte Sache (z. B. Tempel).
Nach katholischem Kirchenrecht darf die r. s. nicht zu weltlichem Gebrauch
verwendet werden.
Lit.: Kaser § 18 I 2a; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 274
Res (F.) sancta (lat.) ist
im römischen Recht die unter göttlichem Schutz stehende weltliche Sache (z. B.
Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Ressort (N.) Arbeitsgebiet,
Zuständigkeitsbereich
Lit.:
Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953
Restauration (F.)
Wiederherstellung eines früheren Zustandes (z. B. des klassischen römischen
Rechts durch Justinian, älterer politischer Zustände in England 1660-1688,
Frankreich 1815 oder im Deutschen Bund 1815-1848)
Lit.: Köbler, DRG 62; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1984, 179; Haller, C. v., Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 1ff. 2. A.
1820ff., Neudruck 1964; Bertier de Sauvigny, G. de, La Restauration, 1955;
Kann, R., The problem of restoration, 1968; Restauration und Frühliberalismus,
hg. v. Brandt, H., 1979; Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg.
v. Berding, H. u. a., 1981; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt,
H., 1988; Sellin, V., Die geraubte Revolution, 2001
restituere (lat.)
einen Zustand herstellen oder wiederherstellen
Lit.: Kaser §§ 27 I 7, 34 II 3, 37 IV,
50 II 6; Köbler, DRG 42
Restitutio (F.) in integrum (lat.) ist im klassischen römischen Recht die vom Prätor
in bestimmten Fällen verfügbare Wiederherstellung des früheren Zustandes (z.
B. nach einem Betrug, bei Zwang oder geringem Alter). Um eine Verurteilung zu
vermeiden, muss der Beklagte den früheren Zustand wiederherstellen.
Verfahrensmäßig betrifft die r. i. i. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 33, 43; Kupisch, B., Restitutio in
integrum und vindicatio utilis bei EIgentumsübertragungen, 1974; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 177, 197, 264, 413, 420
Restitution (F.) Wiederherstellung, Rückerstattung
Lit.: Nufer, G., Über
die Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau (um 1969)
Restitutionsedikt ist der Erlass Kaiser Ferdinands II. vom 6. 3. 1629, der die Rückerstattung bestimmter an Protestanten gelangter Güter anordnet, 1648 aber zugunsten des Besitzstands vom 1. 1. 1624 (→ Normaljahr) aufgegeben werden muss (zwei Erzbistümer, 13 Bistümer, mehr als 500 Klöster, Stifte und Kirchengüter).
Lit.: Frisch, M., Das Restitutionsedikt, 1993 (Diss. jur.
Tübingen 1991); Heckel, M., Das Restitutionsedikt, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997
retentio (lat. [F.])
Zurückbehaltung
Lit.: Kaser §§ 26, 27, 37, 38, 48, 59
Retraktrecht →
Näherrecht
Reugeld ist die
vereinbarte Geldleistung, von deren Bewirkung die Wirksamkeit eines Rücktritts
abhängig gemacht sein kann.
Lit.: Hübner
Reunion ist die Wiederangliederung
eines verlorenen Gebietes (z. B. Frankreichs 1679-1686).
Lit.: Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss. phil.
Mainz 1961
Reuß ist die nach
Henricus Ruthenus (Heinrich Reuß, † 1292/1294) benannte Grafschaft im Heiligen
römischen Reich (deutscher Nation) und ein Mitglied des Deutschen Bundes. R.
geht am 1. 5. 1920 in → Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, H., Die
Entwicklung des Gerichtswesens, Diss. jur. Jena 1952; Rheinbündischer
Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007
Reutlingen
Lit.: Jäger, W., Die
freie Reichsstadt Reutlingen, 1940; Fischer, G., Die freie Reichsstadt
Reutlingen, Diss. jur. Tübingen 1959; Kopp, H., Die Anfänge der Stadt
Reutlingen, 1961
Reval ist Sitz eines 1219 vom König von Dänemark gegründeten Bistums, dessen Bischof seit 1512 als Reichsfürst des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) gilt. 1230 entsteht R. als deutsche Stadt, die 1226 rigisches, 1257 lübisches Recht übernimmt. 1918 wird R. (estnisch Tallinn „Dänenburg“) Hauptstadt der Republik → Estland. Das lübische Recht gilt bis zur Annexion durch die Sowjetunion (1944).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des Revaler
Stadtrechts, hg. v. Bunge, F. v. u. a., 1843ff.; Mickwitz, G., Aus Revaler
Handelsbüchern, 1938; Das Revaler Ratsurteilsbuch (1515-1554), hg. v. Ebel, W.,
1952; Revaler Regesten, bearb. v. Seeberg-Elverfeldt, R., Bd. 1f. 1966ff.;
Ebel, W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971, 87, 203; Johansen, P. u. a., Deutsch und
Undeutsch im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reval, 1973; Reval und die
baltischen Länder, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1980; Gierlich, E., Reval, 1991
Reversalie (F.) Wechselseitigkeitszusage
Revigny →
Jacobus de Ravanis
Revindikation (F.)
Wiedererlangung, Wiedergeltendmachung
Revision ist das →
Rechtsmittel zur Nachprüfung eines Urteils in rechtlicher Hinsicht. Die R. ist
vermutlich der römischrechtlichen (lat.) supplicatio (F.) ad imperatorem
(Bittschrift an den Kaiser) nachgebildet. Für die R. ist am Reichskammergericht
die Visitationskommission zuständig, die ihre Aufgabe (etwa 2000 Revisionen)
aber nicht ausführt. Gleichwohl wird die R. in den Ländern aufgenommen und
durch die Reichsjustizgesetze von 1877/1879 einheitlich eingeführt.
Lit.: Köbler, DRG 153, 202, 203, 235, 263; Wiggenhorn, H.,
Der Reichskammergerichtsprozess, 1965, 237; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 511; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973, 373; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 215; Kocher,
G., Tiroler Rechtsleben vor dem ABGB, FS E. Hellbling, 1981, 597; Mencke, K.,
Zur Entwicklung der ordentlichen Visitationen, 1984; Braun S., Geschichte der
Revision im Strafverfahren, 1996; Oer, R. Freiin v., Der münsterische
„Erbmännerstreit“, 1998; Schubert, W., Die Revision in Zivilsachen, ZRG GA 124
(2007), 167
Revokationsrecht (zu
lat. [F.] revocatio) (Rückrufsrecht) → Näherrecht
Lit.: Köbler, DRG 57
Revolution ist die plötzliche grundlegende Umgestaltung eines bestehenden gesellschaftlichen Zustandes. Über einen von Nikolaus Kopernikus geprägten Buchtitel (1543) wird das lateinische Femininum revolutio (Umwälzung) 1688 in England auf die Glorious Revolution angewendet. Eindrucksvollstes (und als erste R. allgemein anerkanntes) Beispiel der R. ist die R. in Frankreich (1789). Ihr folgen weitere bekannte, teilweise erfolgreiche Revolutionen in Frankreich (1830, 1848), im Deutschen Bund (1848), Russland (1917) und Deutschland (1918).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 32, 179;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984; Helfert, K., Geschichte der
österreichischen Revolution, Bd. 1f. 1907ff.; Rosenstock-Huessy, E., Die
europäischen Revolutionen, 1951; Grieswank, K., Der neuzeitliche
Revolutionsbegriff, 2. A. 1969; Revolution und Gesellschaft, hg. v. Schieder,
T., 1973; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979;
Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a.,
1981; Deutschland und die französische Revolution, hg. v. Voss, J., 1982;
Berman, H., Law and Revolution, 1983; Revolution, Reform, Restauration, hg. v.
Mohnhaupt, H., 1988; Schulin, E., Die französische Revolution, 1988; Berteaud,
J., Alltagsleben während der französischen Revolution, 1989; Revolution und
konservatives Beharren. Das alte Reich und die französische Revolution hg. v.
Aretin, K. Frhr. v., 1990; Goldstone, J., Revolution and Rebellion, 1991;
Berman, H., Recht und Revolution, 1991; Revolution und
Gegenrevolution 1789-1830, hg. v. Dufraisse, R., 1991; Härter, K.,
Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Würgler, A., Unruhen und
Öffentlichkeit, 1995; Hein, D., Die Revolution von 1848/9, 1998; 1848.
Revolution in Deutschland, hg. v. Dipper, C. u. a., 1998; Mommsen, W., 1848 –
Die ungewollte Revolution, 1998; Achtzehnhundertachtundvierzig/achtzehnhundertneunundvierzig,
hg. v. badischen Landesmuseum, 1998; Kärcher, T., Bibliographie zur Revolution
von 1848/1849, 1998; Die deutsche Revolution, hg. v. Beutin, W. u. a., 1999;
Zwischen Königtum und Volkssouveränität, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 1999; Die
Revolutionen von 1848, hg. v. Gall, L., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v.
Langewiesche, D., 2000; Große Revolutionen der Geschichte, hg. v. Wende, P.,
2000; Riem, A., Was sollten Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu
sicher?, hg. v. Welker, K., 2000; Sperber, J., Revolutionary Europe, 1780-1850,
2000; Moore, R., Die erste europäische Revolution, 2001; Erbe, M.,
Revolutionäre Erschütterungen und erneuertes Gleichgewicht, 2002; Nach der
Revolution 1848/49, hg. v. Jansen, C., 2004; Deutschland – ein Land ohne revolutionäre
Traditionen?, hg. v. Bavaj, R. u. a., 2005; Akteure eines Umbruchs, hg. v.
Bleiber, H. u. a., 2007; Scriba, F., „Legale Revolution“?, 2008; Müller, F.,
Die Revolution von 1848/49, 3. A.
2009
rex (lat. [M.]) König
Lit.: Lapis, B., Rex
utilis, 1986
Rex non potest peccare (lat.). Der König kann kein Unrecht tun.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Reykjavik auf
Island wird 877 von Wikingern angelegt und wird Hauptstadt → Islands.
1911 erhält es eine Universität.
Reyscher, August Ludwig
(Unterrixingen in Württemberg 10. 7. 1802-Cannstatt 1. 4. 1880), Pfarrerssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1829 Privatdozent, 1831 außerordentlicher
Professor und 1837 ordentlicher Professor. 1851 muss er seine
Universitätstätigkeit aus politischen Gründen aufgeben und wird Anwalt. In
seinen zahlreichen vielseitigen Werken bemüht er sich als liberaler Pragmatiker
um Fortschritte in zeitgenössischen Grundfragen.
Lit.: Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und
Rechtstheorie, 1974
Rezeption ist die
Aufnahme einer Kulturerscheinung durch andere (z. B. Rad, Buchdruck, Rechner,
Jazz, Kugelschreiber), insbesondere die Aufnahme des antiken römischen Rechts
im mittelalterlich-neuzeitlichen Europa. Diese R. beginnt mit der
Wiederentdeckung der Digesten in Italien im späten 11. Jh. Sie vollzieht sich
über den Rechtsunterricht an den neu entstehenden Universitäten (Bologna,
Padua, Perugia, Paris, Oxford, Cambridge, Salamanca u. a.) und über die
fachmännisch besetzte kirchliche Gerichtsbarkeit. Die Gründe für den Erfolg
der R. sind streitig. Daran, dass das einheimische Recht neu entstehende
Rechtsfragen nicht hätte beantworten können, kann es, wie die Aussparung
mancher Gebiete (Hansestädte, England) beweist, nicht gelegen haben. Am ehesten
wird man annehmen dürfen, dass die geschlossene große Masse der vernunftmäßig
einleuchtenden, schriftlich festgelegten und in jahrhundertelanger Feinarbeit
wissenschaftlich durchdrungenen Konfliktlösungen sich gegenüber der unübersichtlichen
und verwirrenden Vielfalt der aus verschiedensten Quellen stammenden einheimischen
Sätze der ungelehrten Laienurteiler als überlegen erweist bzw. als überlegen
eingestuft wird. Den Ausgangspunkt der R. bilden die → Glossatoren und →
Kommentatoren in Italien. Beschleunigt wird die R. im Heiligen römischen
Reich (deutscher Nation) durch § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495.
In Erscheinung tritt die R. über die Urteile der Gerichte hinaus in →
Reformationen (Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Bayern 1518,
Freiburg im Breisgau 1520 und andernorts) und in der zunächst populären, dann
wissenschaftlichen Literatur (z. B. Klagspiegel, Laienspiegel, → usus
modernus pandectarum). Noch nach den römischrechtlich beeinflussten →
Kodifikationen des Vernunftrechts erfolgt über → historische Rechtsschule
und → Begriffsjurisprudenz sowie Pandektistik im 19. Jh. ein weiterer
Schub von R. Im Übrigen ist die R. des römischen Rechts in Europa nur ein
besonders eindrucksvoller Fall von Rechtsrezeption überhaupt.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 1, 2, 17, 25; Kroeschell,
DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 5, 28, 108, 137, 159, 205; Baltl/Kocher; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff.; Merkel,
J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in
Braunschweig-Lüneburg, 1904; Below, G. v., Die Ursachen der Rezeption des
römischen Rechts in Deutschland, 1905; Coing, H., Die Rezeption des römischen
Rechts in Frankfurt am Main, 2. A. 1962; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der
Rechtskultur in Italien, 1938; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im
Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Mitteis, H., Zur Geschichte der
Rezeption in Österreich, ZRG GA 66 (1948), 524; Krause, H., Kaiserrecht und
Rezeption, 1952; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts im Urteil der
deutschen Rechtswissenschaft, 1955; Trusen, F., Anfänge des gelehrten Rechts in
Deutschland, 1962; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966;
Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V 6,
1964; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden, ZRG GA 82 (1965), 316; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G.,
Verzeichnis der Handschriften zum römischen Recht bis 1600, Bd. 1f. 1972; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Fried, P., Die Entstehung des Juristenstandes,
1974; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Wesener, G., Römisches
Recht und Naturrecht, 1978; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977; Nève, P., Recht en Continuiteit, 1977; Beyerle, F.,
Rezeption, Rezeptionsreife und Überwindung, ZRG GA 95 (1978), 115 (Vortrag vom
18. 11. 1942); Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts, 1979; Herberger,
M., Dogmatik, 1981; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Köbler,
G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1ff. 1985ff.; Strauss, G., Law, Resistance and
the State, 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung, 1989; Elsener, F., Studien
zur Rezeption, hg. v. Ebel, F. u. a., 1989 (Aufsätze); Fried, J., Die Rezeption
Bologneser Rechtswissenschaft in Deutschland im 12. Jahrhundert, (in) Viator 21
(1990), 103; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 5. A. 1991; The
Reception of Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M.,
1993; Scholl, T., Die Rezeption des kontinental-europäischen Privatrechts in
Lateinamerika, 1999; Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike in fünfzehn
Bänden. Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte, hg. v. Landfester, M., Band
13ff. 1999ff.; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Janssen, H., Die
Übertragung von Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des
englischen Kolonialrechts, 2000; Kordes, M., Von der Ansprache zum libellus
actionis, Rhein. Vjbll. 66 (2002), 211; Avenarius, M., Rezeption des römischen
Rechts in Russland, 2004; Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte, 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007.
Rezess (lat. [M.]) Rückschritt, Vergleich
Rheinbund ist (nach einem
älteren R. zwischen Mainz, Trier, Köln, Pfalz, Münster u. a. mit Schweden und Frankreich
vom 15. 8. 1658 bis 15. 8. 1668) der am 12. 7. 1806 auf Druck → Napoleons
von zunächst 16 dem Rhein benachbarten deutschen Fürsten (u. a. Bayern,
Württemberg, Baden, Mainz, Hessen-Darmstadt, Berg, Kleve, Nassau) mit Frankreich
als Alliiertem und Napoleon als Protektor in Paris geschlossene Bund, der sich
zur französischen Heerfolge und zur widerrechtlichen Trennung vom Heiligen
römischen Reich (deutscher Nation) verpflichtet. Am 1. 8. 1806 treten die
Mitglieder aus dem Reich aus und erklären sich als souverän. Das Ziel eines
Staatenbundes mit gemeinamen Staatsorganen scheitert am Widerstand der größeren
Mitgliedstaaten. Der später noch erweiterte R. (Würzburg, Sachsen, Westphalen),
dem 1811 nur Preußen, Österreich, Braunschweig und Hessen-Kassel nicht
angehören, löst sich nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei
Leipzig im Oktober 1813 auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 133, 192; Klüber, G.,
Staatsrecht des Rheinbundes, 1808; Beck, C., Zur Verfassungsgeschichte des
Rheinbundes, 1890; Bitterauf, T., Geschichte des Rheinbundes, Bd. 1 1905;
Schnur, R., Der Rheinbund von 1658, 1955; Fehrenbach, E., Der Kampf um die
Einführung des Code Napoléon, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft
und revolutionäres Recht, 1974; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991;
Schuck, G., Rheinbundpatriotismus und politische Öffentlichkeit zwischen
Aufklärung und Frühliberalismus, 1994; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg.
v. Brandt, H. u. a., 2007
Rheinfelden
Lit.: Schib, K., Geschichte
der Stadt Rheinfelden, 1961
Rheingau
Lit.: Alberti, W., Der
Rheingauer Landbrauch von 1643, 1913; Richter, P., Der Rheingau, 513
Rheinischer Bund ist der im Juli 1254 von Städten und Landesherren am mittleren Rhein abgeschlossene, später von Basel bis Bremen und Aachen bis Regensburg reichende nach Frieden strebende Bund, der nach der Doppelwahl zum deutschen König im Januar 1257 endet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bielfeldt, E., Der rheinische
Bund von 1254, 1937; Voltmer, E., Der rheinische Bund, 1986
Rheinischer Städtebund
von 1381 ist ein am 20. 3. 1381 von Städten am Rhein geschlossener, 1388/1389
dem Pfalzgrafen bei Rhein unterlegener Bund.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Ingelheimer Prozesse
nach dem Städtekrieg von 1388, 1981
Rheinisches Recht
ist das links des Rheins im 19. Jh. eingeführte französische Recht, das durch
die Gesetzbücher des Deutschen Reiches (1871-1900) abgelöst wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180; Cretschmar, Das
rheinische Civilrecht, 4. A. 1896; Die Gutachten der rheinischen
Immediat-Justiz-Kommission und der Kampf um die rheinische Rechts- und Gerichtsverfassung
1814-1819, bearb. v. Landsberg, E., 1914, Neudruck 2000; Schumacher, D., Das
rheinische Recht, 1969; Vom Recht im Rheinland, hg. v. kölnischen Stadtmuseum,
1969; Faber, K., Recht und Verfassung, 1970; Huffmann, H., Geschichte der
rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1971; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft
und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Das französische Recht in
Deutschland zu Beginn der Restaurationszeit (1814-1820), ZRG GA 94 (1977), 128;
Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Schubert, W., Savigny
und die rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158;
Becker, H., Das rheinische Recht, JuS 25 (1985), 338; Rheinisches Recht und
europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1998; Grilli, A., Die
französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Kleinbreuer, S., Das
rheinische Strafgesetzbuch, Diss. jur. Bonn 1999; Schäfer, M., Der Übergang vom
rheinischen Recht zu den Reichsjustizgesetzen am Beispiel des
Landgerichtsbezirkes Bonn, Diss. jur. Bonn 2001; Seynsche, G., Der rheinische
Revisions- und Kassationsgerichtshof in Berlin (1819-1852), 2003;
Einhundertfünfundzwanzig [125] Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v.
Lünterbusch, A., 2003; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof,
2004; Müller-Hogrebe, C., Der rheinische Jurist Joseph Bauerband, 2005;
Haferkamp, H. u. a., Neue Wege zur Rechtsgeschichte, ZRG GA 123 (2006), 372; Strauch,
D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007
Rheinland
Lit.: Oppermann, O.,
Rheinische Urkundenstudien, 1922; Aubin, H./Frings, T./Müller, J.,
Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden, 1926; Recht und
Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a. 1969 (FS OLG Köln);
Rheinischer Städteatlas, hg. v. Ennen, E., 1972ff. (Programm umfasst 172 Städte
in Nordrhein-Westfalen und 15 Städte in Rheinland-Pfalz, z. B. Dinslaken,
Geldern, Heimbach, Ratingen, Wesseling); Geschichtliche Landeskunde der
Rheinlande, hg. v. Nikolay-Panter, M . u. a. 1994 (Aufsätze); Rheinische
Landesgeschichte an der Universität Bonn, hg. v. Groten, M. u. a., 2007; Strauch, D.,
Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Die Rheinlande und das Reich,
2007; Frankreich am Rhein, hg. v. Theis, K. u. a.,
2009
Rheinland-Pfalz ist das am 30. 8. 1946 aus Teilen Bayerns und Preußens geformte Land, das Bundesland der 1949 entstehenden Bundesrepublik Deutschland wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schaus, E.,
Stadtrechtsorte und Flecken, 1958; Quellen zur Geschichte der Herrschaft
Landskron an der Ahr, bearb. v. Frick, H. u. a., 1966; Rheinland-Pfalz, hg. v.
Götz, W., 1967; Dotzauer, W., Der historische Raum des Bundeslandes
Rheinland-Pfalz, Bd. 1f. 1992f.; Kißener, M., Kleine Geschichte des Landes
Rheinland-Pfalz, 2006
Rheinpfalz ist das großenteils links
des Rheins gelegene Gebiet des Pfalzgrafen bei Rhein, das 1214 an die 1180 zum Herzog von Bayern erhobene Familie der Wittelsbacher gelangt, aber durch Teilung von 1329 bis 1777 (Aussterben
der Linie der Herzöge von Bayern) von Bayern getrennt wird.
1946 wird der achte
Regierungsbezirk Bayerns als Folge der Zuteilung zur Besatzungszone Frankreichs von Bayern gelöst ein Teil des neuen Bundeslands Rheinland-Pfalz.
Rheinprovinz ist die 1822 aus den vor allem 1815 an Preußen gelangten Gebieten bzw. aus der Provinz Jülich-Kleve-Berg und dem Großherzogtum Niederrhein gebildete Provinz mit Sitz in Koblenz, die 1945/1946 in Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geschichtlicher Atlas
der Rheinprovinz, hg. v. Schultheis, K./Fabricius, W., Erläuterungen Bd. 2
1898; Fabricius, W., Kirchliche Organisation, 1903; Fabricius, W:, Die
Herrschaften des unteren Nahegebietes, 1914; Die Weistümer der Rheinprovinz,
Bd. 1 1900; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919;
Romeyk, H., Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, 1985; Romeyk,
H., Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der
Rheinprovinz 1816-1945, 1994; Smets, J., Les pays rhénans, 1997
Rheinschifffahrt → Binnenschiffahrt
Rheinschifffahrtsgericht ist das im 19. Jh. (15. 8. 1804, 24. 3. 1815, 13. 3. 1831,
17. 10. 1868) völkervertragsrechtlich geschaffene Gericht für Streitigkeiten in
Rheinschifffahrtsangelegenheiten. Für dieses gilt ein besonderes Gesetz von
1937 bzw. 1952. Das R. ist Abteilung des Amtsgerichts in Kehl, Mannheim, Mainz,
St. Goar und Duisburg-Ruhrort sowie des Oberlandesgerichts in Köln und Karlsruhe.
Lit.: Festschrift zum 150jährigen Bestehen des
Oberlandesgerichts Köln, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Kissel, O.,
Gerichtsverfassungsgesetz, 1981, 2. A. 1994, 5. A. 2008; Scherner, K., Die
Rheinakten von 1831 und 1868, Z. f. europ. Privatrecht 1997, 58
Rhenen
Lit.: Iterson, W. van, De stad Rhenen, 1960
Rhens (bei Koblenz), früher Rhense → Kurverein
Rhetorik ist die im
Altertum entwickelte Redekunst (z. B. [Rhetor] Marcus Fabius Quintilianus 35-100
n. Chr.). Sie befasst sich auch besonders mit der Rede vor Gericht, so dass der
Redner vielfach rechtliche Kenntnisse benötigt und hat. Vermutlich von dort aus
beginnt in Oberitalien seit dem 11. Jh. die Wiederbeschäftigung mit dem →
römischen Recht.
Lit.: Söllner §§ 9, 11; Köbler, DRG 16, 106; Quintilianus,
Marcus Fabius, Ausbildung des Redners, hg. v. Rahn, H., 3. A. 2006; Wesel, U.,
Rhetorische Statuslehre, 1967; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei
Notker von St. Gallen, 1974; Dronke, P., Mittelalterliche Rhetorik, 1982;
Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Köbler,
G., Burgreht und diotreht, FS Schmidt-Wiegand, R., 1987; Classen, C., Recht,
Rhetorik, Politik, 1985; Copeland, R., Rhetoric, 1991; Historisches Wörterbuch
der Rhetorik, hg. v. Ueding, G., Bd. 1ff. 1992ff.; Fuhrmann, M., Die antike
Rhetorik, 4. A. 1995; Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997; A
Handbook of Classical Rhetoric, hg. v. Porter, S., 1997
Rhodos → lex Rhodia
Lit.: Wiemer, H., Krieg, Handel und Piraterie, 2003
Richard von Ely → Dialogus de scaccario
Richert, Johan
Gabriel (1784-1864) wird nach dem Rechtsstudium in → Lund Richter. In
verschiedenen Gesetzgebungskommissionen setzt er sich für liberales Recht ein.
1845 erreicht er die Gleichstellung von Söhnen und Töchtern im Erbrecht, 1863
ein modernes Kriminalgesetzbuch.
Lit.: Warburg, K., Johan Gabriel
Richert, 1905; Den historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982, 53
Richten ohne Urteil ist ein im
Mittelalter anscheinend mögliches Entscheidungsverfahren des Richters ohne
Zuziehung von Urteilern, für das aber kein feststehender Gesichtspunkt
erkennbar ist.
Lit.: Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973, 403
Richter ist das zur
Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten berufene Organ der Rechtspflege. Im
zweigeteilten römischen Verfahren ist dies der vom Magistrat ermittelte,
ehrenamtlich tätige (lat. [M.]) → iudex, im Kognitionsverfahren der öffentliche
Amtsträger. Bei den Germanen leiten ein König oder mehrere Vornehme die →
Volksversammlung und damit auch die Streitentscheidung. Im fränkischen
Frühmittelalter erfüllt diese Aufgabe an Stelle des Königs der (lat.-afrk. [M.])
→ thunginus bzw. später der → Graf. Ihm obliegt grundsätzlich nicht
das den Rachinburgen oder → Schöffen überlassene Urteilen. Im
Hochmittelalter wird in der Kirche der gelehrte → Jurist Einzelrichter
und bewirkt die Unzuständigkeit des Richters die Nichtigkeit seines Urteils.
Von hier aus verdrängt der R. in der frühen Neuzeit den Schöffen aus der
Urteilstätigkeit. Der Liberalismus des 19. Jh.s führt den ehrenamtlichen
Laienrichter wieder teilweise in die Gerichtsbarkeit zurück, in welcher der R.
allgemein → Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit, Weisungsfreiheit) erlangt.
In manchen Staaten kann der R. die Verfassungsmäßigkeit eines von ihm
anzuwendenden Gesetzes selbst beurteilen (Vereinigte Staaten von Amerika,
Deutsches Reich von 1925 an), während andernorts dafür besondere Verfassungsgerichte
zuständig sind (Bundesrepublik Deutschland, Österreich).
Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 81 II 2, 82 II 5, 87 I; Kroeschell,
DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 84, 86, 114, 115, 197, 124, 201, 202, 228, 234, 235,
262; Köbler, WAS; Heinemann, F., Der Richter und die Rechtspflege, 1900; Lenel,
P., Die Scheidung von Richtern und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440; Plathner,
G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich,
1959; Clavadetscher, O., Die geistlichen Richter des Bistums Chur, 1964; Flume,
W., Richter und Recht, 1966; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten
Prozess der Frühzeit, 1967; Küper, W., Die Richteridee der Strafprozessordnung
und ihre geschichtlichen Grundlagen, 1967; Köbler, G., Richten, Richter und
Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der
Weistümer, 1971; Conrad, H., Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus
zum Verfassungsstaat, 1971; Kötschau, U., Richterdisziplinierung in der
preußischen Reaktionszeit, (Diss. jur. Kiel) 1976; Battenberg, F./Eckhardt, A.,
Der Richter in eigener Sache, ZRG GA 95 (1978), 79; Hempel, N.,
Richterleitbilder in der Weimarer Republik, 1978; Olzen, D., Richter und
Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Hübner, H., Kodifikation und
Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981;
Schulz, B., Der republikanische Richterbund (1921-1933), 1982, Rechtsbehelfe,
Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz, ZRG GA 106
(1989), 46; Ormond, T., Richterwürde und Regierungstreue, 1994; Europäische und
amerikanische Richterbilder, hg. v. Gouron, A. u. a., 1996; Le juge et le
jugement, hg. v. Jacob, R., 1996; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und
Wirklichkeit, 1996; Immisch, L., Der sozialistische Richter, 1997;
Gritschneder, O., Furchtbare Richter, 1998; Albert, T., Der gemeine Mann vor
dem geistlichen Richter, 1998; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche
Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001; Nobili, M., Die
freie richterliche Überzeugungsbildung, 2001; Lepsius, Susanne, Der Richter und
die Zeugen, 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Kißener, M., Zwischen
Diktatur und Demokratie, 2003; Ziegler, P., 200 Jahre Friedensrichter, 2003;
Strodthoff, B., Die richterliche Frage- und Erörterungspflicht, 2004; Auer, M.,
Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreieheit, 2005; Adler, S., Das
Verhältnis von Richter und Parteien in der preußischen und deutschen Zivilprozessgesetzgebung,
2006; Auf dem Scheiterhaufen der Paragraphen, hg. v. Scheiber, O., 2007
Richterablehnung ist
die Zurückweisung eines Richters wegen Befangenheit. Die R. ist bereits dem
spätantiken Verfahren bekannt. Sie wird im Mittelalter im gelehrten Verfahren
übernommen, doch kennt auch das einheimische Recht Einschränkungen der
richterlichen Tätigkeit.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1
1879, Neudruck 1973, 111, 119; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963, 33, 71; Kaser, M., Das römische Zivilpozessrecht,
1966, 424, 440; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 77
Richterbrief ist im
Dritten Reich das der Lenkung der Tätigkeit des Richters dienende
parteipolitisch beeinflusste Rundschreiben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Richterbriefe,
hg. v. Boberach, H., 1975; Wahl, B., Die Richterbriefe, Diss. jur. Heidelberg
1981
Richterrecht ist
das von dem im gewaltengeteilten Staat für die Rechtsprechung zuständigen →
Richter geschaffene Recht. Seine Zulässigkeit ist streitig. Insbesondere die →
freie Rechtsschule befürwortet allgemein R. Tatsächlich setzt es sich vor
allem dort durch, wo der Gesetzgeber nicht entscheidungsfähig ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 4, 227, 254; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879,
Neudruck 1973; Larenz, K., Richterliche Rechtsfortbildung als methodisches
Problem, NJW 1965, 1; Rehbinder, M., Zur Rechtsqualität des Richterspruchs, JuS
1991, 542; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht,
1996; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhandlungsrecht,
1997; Richterrecht und Rechtsfortbildung in der europäischen
Rechtsgemeinschaft, hg. v. Schulze, R./Seif, U., 2003
Richterstuhl ist
der Sitz des Richters.
Lit.: Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richthofen, Karl
Otto Johannes Theresius (Damsdorf 30. 5. 1811-6. 3. 1888) wird nach dem
Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny, Eichhorn) und Göttingen (Jacob Grimm)
außerordentlicher Professor in Berlin. 1840 veröffentlicht er die friesischen
Rechtsquellen und ein altfriesisches Wörterbuch, 1863 die (lat.) → Lex
(F.) Frisionum.
Lit.: Brunner, H., Karl von Richthofen, ZRG GA 9 (1888),
247
Richtlinie ist der
Grundsatz oder die Anweisung für ein bestimmtes Verhalten. Insbesondere kann in
der → Europäischen Union der Rat oder die Kommission eine verbindliche R.
für den staatlichen Gesetzgeber erlassen.
Lit.: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v.
Walk, J., 1981
Richtschwert ist
das Schwert als Vollzugsgerät der → Todesstrafe.
Lit.: Kühn, U., Inschriften und Verzierungen auf
Richtschwertern, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1969; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtstätte ist der
Ort des Vollzuges der Todesstrafe (z. B. Galgenbühl).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtsteig Landrechts
ist das vom märkischen Hofrichter Johann von Buch (1285/1290-nach 1356)
verfasste Werk über das Gerichtsverfahren nach dem → Sachsenspiegel. Der
R. L. ist vermutlich zwischen 1325 und 1333/1334 entstanden. Er folgt gelehrtem
Vorbild (Gerichtsperson, Klagearten). Er ist durch 75 Handschriften in fünf
vor allem regionalsprachlich verschiedenen Formen überliefert.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 103, 107; Homeyer, C.,
Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 64
Richtsteig Lehnrechts
ist das vermutlich in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s vielleicht von Gerke von
Kerkow verfasste Werk über das Verfahren des sächsischen Lehnrechts in anfangs
wohl 31 Artikeln, das in 20 Handschriften überliefert ist.
Lit.: Homeyer, C., Des Sachsenspiegels zweiter Teil, Bd. 1
1842, 409; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 65
Riegger, Joseph
Anton Stephan von (Innsbruck 1742-Prag 1795), Rechtsprofessorensohn, wird 1764
Privatdozent in Wien und 1765 Professor in Freiburg im Breisgau, 1778 in Prag.
In Freiburg im Breisgau hält er als erster deutsche Vorlesungen.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter
von Riegger, 1797
Riegger, Paul
Joseph (Freiburg im Breisgau 1705-Wien 1775) wird nach dem Rechtsstudium in
Freiburg im Breisgau 1733 Professor in Innsbruck und 1753 in Wien. Er tritt für
den Vorrang des Staates gegenüber der Kirche ein.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter
von Riegger, 1797; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973
Riga an der Düna
wird 1201 als Markt deutscher Kaufleute gegründet und kommt 1582 an Polen, 1621
an Schweden und 1710 an Russland. 1285 nimmt die Stadt hamburgisches und später
auch lübisches Recht auf. Das daraus entwickelte rigische Recht wird an viele
umliegende Städte weitergegeben. Von 1918 bis 1940 und seit 1991 ist R.
Hauptstadt von → Lettland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Die
Quellen des rigischen Stadtrechts, hg. v. Napiersky, J., 1876, Neudruck 1976;
Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Lenz, W. jun., Riga, 1968; Hellmann,
M., Livland und das Reich, 1989; Riga, hg. v. Oberländer, E. u. a., 2004; Riga
und der Ostseeraum, hg. v. Misns, I. u. a., 2005
Ring ist das
kreisförmiges Gebilde, das als Symbol für ein Recht oder Rechtsverhältnis
verwendet wird (z. B. Ehering).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Zallinger, O., Die Ringgaben bei der Heirat, 1931
(SB Wien); Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 22 (1933), 1; Labhart,
V., Zur Rechtssymbolik der Bischofsringe, 1963; Chadour, A., Ringe, 1994
Rinteln ist von 1620/1621 bis 1809 Sitz
einer Universität.
Lit.: Feige, R., Das
akademische Gymnasium Stadthagen und die Frühzeit der Universität Rinteln,
1956
Ripert, Georges (1880-1958) wird nach dem Rechtsstudium in Aix-en-Provence Rechtslehrer in Aix-en-Provence (1906) und Paris (1918). Er führt den (franz.) Traité élémentaire de droit civil → Planiols fort und erweitert ihn zu einem 14bändigen Gesamtwerk. Dabei geht er von der Überlegenheit des Gesetzesanwenders gegenüber dem Gesetz aus.
Lit.: Rousselet, M., Notice sur la vie
et les travaux de Georges Ripert, 1960
Ripuarier (Ribvarier)
ist der (Bewohner eines um Köln liegenden Gebiets oder) der Angehörige eines um
Köln fassbaren Teilstammes der Franken, dessen Recht vielleicht schon im 7.
Jh., jedenfalls 763/4 und in einer etwas jüngeren Fassung in der (lat.) →
Lex (F.) Ribvaria aufgezeichnet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Nonn, U., Pagus
und comitatus, 1983
risorgimento (M.) Wiedererhebung (Italiens zu einem einheitlichen Staat nach 1848
durch eine Freiheitsbewegung [Cavour, Garibaldi] unter Führung
Sardinien-Piemonts bis 1861)
Ritter (lat. [M.] eques, miles) ist der Angehörige einer durch reiterliches Verhalten gekennzeichneten Menschengruppe. Bereits das klassische römische Altertum kennt einen hervorgehobenen Stand der (lat. [M.Pl.]) equites (ordo equester Geldadel). Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.) entsteht der im 11. Jh. vielleicht zuerst im westfränkischen Bereich sichtbare, spätestens um 1250 durch Ritterbürtigkeit nach unten abgeschlossene und damit zum Geburtsstand werdende Berufsstand der durch Reiterdienst aus der Allgemeinheit herausgehobenen, auf der Burg vorbildlich lebenden R. Er bildet bald den niederen Adel, der vielfach zu einem der → Landstände wird (z. B. Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol). Allerdings erweisen sich die Ritterheere im 14. Jh. als schlagbar (Sempach 1386), weshalb der R. an Bedeutung verliert. Auf der Suche nach einer anderweitigen Lebensgrundlage wird der R. vielfach Gutsherr, Beamter, verschiedentlich aber auch → Raubritter. Seit dem 15. Jh. schließen sich die → Reichsritter besonders zusammen, verlieren ihre reichsunmittelbare Stellung aber 1803.
Lit.: Söllner §§ 6, 9, 12, 13, 14; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 29, 79, 98, 111, 112, 121, 199; Köbler, WAS; Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag,
Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1919); Wretschko, A., Zur Erteilung
der Ritterwürde durch den Kaiser im 16. Jahrhundert, ZRG GA 46 (1926), 374;
Sandberger, D., Studien über das Rittertum in England, 1937; Schulze, W., Die
Gleve, 1940; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaften mit S(ank)t
Jörgenschild in Schwaben, 1961; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger
Ritterschaft, 1969; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 1971, 2. A. 1974;
Das Rittertum, hg. v. Borst, A., 1976; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2.
A. 1976; Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985;
Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur.
Münster 1987; Keen, M., Das Rittertum, 1987; Curialitas, hg. v. Fleckenstein,
J., 1990; Gasparri, S., I milites cittadini, 1992; Paravicini, W., Die
ritterlich-höfische Kultur, 1994; Erkens, F., Militia und Ritterschaft, HZ 258
(1994), 623; Böninger, L., Die Ritterwürde in Mittelitalien, 1995; Stemmler,
M., Eques Romanus, 1997; Fleckenstein, J., Rittertum und ritterliche Welt,
2002; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004;
Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit, hg. v. Laudage, J., 2006;
Ehlers, J., Die Ritter, 2006; Barthélemy, D., La chevalerie, 2007
Ritterbund ist der
im 14./15. Jh. sichtbare Zusammenschluss von → Rittern zu gemeinsamem
Handeln (z. B. Sterner, St. Jörgenschild).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mau, H., Die Rittergesellschaften
mit St. Jörgenschild, 1941; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaft
mit St. Jörgenschild, 1961; Deutscher Adel, hg. v. Rössler, H., 1965; Ranft,
A., Adelsgesellschaften, 1994
Rittergut ist das
einem Ritter (Adeligen) übertragene Landgut, mit dessen Besitz die
Landstandschaft verbunden ist (in Brandenburg im 19. Jh. 1610 Rittergüter [mit
mehr als 100 Hektar], jeder fünfte Rittergutseigentümer Millionär). Es ist
meist Lehen. Der Inhaber ist von Steuern befreit. Das R. ist oft Mittelpunkt
einer → Grundherrschaft oder Gutsherrschaft, der Inhaber meist Träger von
Polizeigewalt und Patrimonialgerichtsbarkeit.
Lit.: Müller, R., Die Rechtsbeziehungen zwischen den
Rittergutsherren und den Bauern der Herrschaft Neuschönfels in Sachsen, 1937;
Hüllemann, H., Die Geschichte der Rittergüter in Reuß älterer Linie, 1939;
Reinicke, W., Landstände im Verfassungsstaat, 1975, 318; Eisenhardt, U.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Flügel, A., Bürgerliche Rittergüter,
2000; Schiller, R., Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, 2003; Halama, A.,
Rittergüter in Mecklenburg-Schwerin, 2006
Ritterorden ist der
von → Rittern seit dem 12. Jh. gebildete → Orden (z. B.
Templerorden 1118/1119, → Deutscher Orden 1190/11988, Johanniterorden,
Malteserorden, Schwertbrüderorden 1202).
Lit.:
Riley-Smith, J., The Knights of St. John, 1967; Pernoud, R., Les Templiers, 2. A. 1977; Die
geistlichen Ritterorden Europas, hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980;
Geschichte und Recht geistlicher Ritterorden besonders in der Schweiz, hg. v.
Carlen, L., 1990; Ritterorden und Adelsgesellschaft im spätmittelalterlichen
Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991; Ranft, A., Adelsgesellschaften,
1994; Demurger, A., Die Ritter des Herrn, 2003; Die Ritterorden in der
europäischen Wirtschaft des Mittelalters, hg. v. Czaja, R. u. a., 2003;
International Mobility in the Military Orders, hg. v. Burgtorf, J. u. a., 2006
Ritterschaft ist
die Gesamtheit von → Rittern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Arnswaldt, C. v., Die
Lüneburger Ritterschaft, 1969; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982; Bardelle,
B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur. Münster 1987
Ritterspiegel ist
das in einer Handschrift überlieferte, wohl zwischen 1410 und 1420 von Johannes
→ Rothe verfasste Gedicht in mittelthüringischer Sprache über die Stellung
und Aufgaben des Ritters.
Lit.: Johannes Rothe, Der Ritterspiegel, hg. v. Neumann,
H., 1936
Ritual ist
der in Gewohnheit formalisierte Ablauf eines Geschehens (z. B. Krönung,
Gerichtsverfahren).
Lit.: Spektakel der Macht - Rituale im alten Europa 800-1800, 2008;
Dilcher, G., Mittelalterliches Recht und Ritual in ihrer wechselseitigen
Beziehung, Frühmittelalt. Studien 41 (2007), 297
Rivail → Aymar du Rivail
Rivallius → Aymar du Rivail
Robe ist die
Amtstracht des Richters, Staatsanwalts oder Rechtsanwalts. Sie geht auf den
langen schwarzen Mantel zurück, den seit der frühen Neuzeit die Gelehrten als
doktoralisches Ehrenkleid anlegen. Zuerst in Frankreich tragen dann auch die →
Richter als Justizbeamte einen solchen Talar als eine besondere Standeskleidung.
1790 wird das zwischenzeitlich prunkvoll gestaltete Gewand durch einen
schwarzen Talar ersetzt. Mit dem französischen Recht dringt diese Bekleidung in
deutsche Staaten vor. Durch die Reichsjustizreform von 1879 wird sie
vereinheitlicht und wenig später auf alle Richter ausgedehnt (Österreich 1897,
1962).
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 225; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957;
Hargreaves-Mawdsley, W., A history of legal dress in Europe, 1963; Hülle, W., Historisches
über Gerichtsroben, Dt. Richterzeitung 58 (1980), 345; Köbler, G., Bilder aus
der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Robot (slaw. [F.])
Arbeit, teoils bemessener, teils unbemessener Frondienst (in Niederösterreich
1772/in der Steiermark 1778 einschränkendes Robotpatent Maria Theresias, 1848
Aufhebung)
Lit.: Grüll, G., Die Robot in Oberösterreich, 1952
Rodung ist die
Urbarmachung von bewaldetem Land. Sie kann im Mittelalter zu Freiheit oder
rechtlicher Besserstellung führen (z. B. in der → Ostsiedlung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Schulze, H.,
Rodungsfreiheit und Königsfreiheit, HZ 219 (1974), 529
Roes → Alexander von
Roesler, Hermann
(1834-1894) wird nach dem Studium von Recht und Wirtschaft in Erlangen und
München 1861 Professor für Staatswissenschaft in Rostock. 1878 wird er
juristischer Berater → Japans. Er gestaltet das Handelsgesetzbuch (1890)
und die Verfassung (1889) maßgeblich mit. 1893 kehrt er nach Europa zurück.
Lit.: Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen Staates
und das deutsche Staatsrecht, 1975; Hermann Roesler, hg. v. Bartels-Ishikawa,
A., 2007
Roffredus ist der um 1170 geborene, aus
Benevent stammende, wohl 1243 noch lebende Jurist, von dem De libellis et
ordine iudiciorum (Von Büchern und der Ordnung der Gerichte), Libelli de iure
canonico (Bücher über das kanonische Recht), Quaestiones (Fragen), Glossen und
kleinere Schriften stammen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 318
Rogerius ist der in Bologna wirkende,
vielleicht um 1170 verstorbene Glossator, von dem eine Summa Codicis, Glossen,
vielleicht Dissensiones dominorum, Distinktionen, De praescriptionibus,
Quaestiones super Institutis, Enodationes quaestionum super Codice, ein
Catalogus praescriptionum und vielleicht die Summa Trecensis stammen.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 192
Roland ist der am 15. 8. 778 beim Rückzug Karls des Großen aus Spanien gefallene Markgraf der bretonischen Mark. Er ist die Hauptgestalt des wohl um 1080 von einem unbekannten Verfasser geschaffenen Rolandsliedes. Möglicherweise gehen auf ihn die Rolandssäulen zurück, die sich seit dem Hochmittelalter auf Marktplätzen vor allem Norddeutschlands (als Symbol der Kaiserrechte ? oder des Rechts allgemein ?) finden (z. B. in Bremen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Heldmann, K., Die Rolandsbilder
Deutschlands, 1904; Heldmann, K., Rolandsspielfiguren, 1905; Jostes, F., Roland
in Schimpf und Ernst, 1906; Puntschart, P., Der Roland von Ragusa, ZRG GA 30
(1909), 299; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute
(Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Hoede, K., Deutsche Rolande, 1934; Goerlitz,
T., Der Ursprung und die Bedeutung der Rolandsbilder, 1934; Gathen, A., Rolande
als Rechtssymbole, 1960; Mitić, I., Die Rolandsäule in Ragusa, ZRG GA 82
(1965), 306; Siebs, B., Jedute und Roland, ZRG GA 84 (1967), 293; Ott-Meimberg,
M., Kreuzzugsepos oder Staatsroman?, 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Rempel, H., Die Rolandsstatuen, 1989; Munzel-Everling,
D., Rolande der Welt. CD-ROM. 2004 (www.Munzel-Everling.de)
Rolandus von Bologna
Lit.: Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von
Bologna, 2004
Rôles d’Oléron → Oléron
Rom ist die nach
antiker Tradition 753 v. Chr. von Romulus gegründete Hauptstadt (um 500 v. Chr.
10000?, 25000? oder 50000? Einwohner, um 0 1000000, um 300 n. Chr. 500000, 1790
große Privathäuser domus, 46602 große Mietshäuser insulae) des 509 v. Chr. (?)
vom Königreich zur Republik und 27 v. Chr. von der Republik zum Prinzipat
gewordenen römischen Weltreiches. In ihr hat seit dem 1. Jh. n. Chr. der Papst
seinen Sitz. 754/756 erhält er Rom durch den fränkischen König Pippin als Gabe.
Während des Mittelalters krönt er dort den deutschen König zum Kaiser. Zwischen
1143 und 1155 richten die Bürger wieder einen Senat ein. 1526/1527 werden 53689
Einwohner gezählt. Am 6. 5. 1527 wird R. vom Heer Kaiser Karls V. erstürmt
(sacco di Roma). 1870 fällt R. an Italien, 1871 wird es dessen Hauptstadt.
Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 51; Leopold,
H., De spegel van het verleden, 1918; Schramm, P., Kaiser, Rom und renovatio,
2. A.
1957; Schneider, F., Rom und Romgedanke im Mittelalter, 2. A. 1959; Dahlheim, W.,
Stadt und Imperium, 1992; Storia di Roma, hg. v. Schiavone, A., 1993; Roma, hg.
v. Hubert, E., 1993; Lunliffe, B., Rom und sein Weltreich, 4. A. 1994; Bellen,
H., Grundzüge der römischen Geschichte, 1994; Bengtson, H., Römische
Geschichte, 7. A. 1995; Kolb, F., Rom, 2. A. 2002; Christ,
K., Geschichte der römischen Kaiserzeit, 4. A. 2002; Fuhrmann, F., Rom in der
Spätantike, 2. A. 1995; Krautheimer, R., Rom, 2. A. 1996; Die römischen Kaiser,
hg. v. Clauss, M., 1997; Schulz, R., Herrschaft und Regierung, 1997; Die späte
römische Republik, hg. v. Bruhns, H. u. a., 1997; Flach, D., Römische
Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Bellen, H., Grundzüge der römischen
Geschichte, 1998; Heuß, A., Römische Geschichte, 9. A. 2003; Ausbüttel, F., Die
Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Bleicken, J., Geschichte der
römischen Republik, 5. A. 1999; Strothmann, J., Kaiser und Senat, 1998;
Witschel, C., Krise, Rezession, Stagnation, 1999; Dahlheim, W., An der Wiege
Europas, 2000; Gatto, L., Storia di Roma nel Medioevo, 2. A. 2000; Ball, W.,
Rome in the East, 2000; Roma nell’alto medioevo, 2001; König, I., Kleine
römische Geschichte, 2001; Carandini, A., Die Geburt Roms, 2001; Die frühen
römischen Historiker, hg. v. Beck, H. u. a., Bd. 1f. 2001ff.; Fellmeth, U.,
Brot und Politik, 2001; Kuhoff, W., Diokletian und die Epoche der Tetrarchie,
2001; Bringmann, K., Geschichte der römischen Republik, 2002; Kolb, F., Rom, 2.
A. 2002; Schuller, W., Das römische Weltreich, 2002; Roma fra Oriente e
Occidente, 2002; Syme, R., Die römische Revolution, 2003; Bringmann, K.,
Römische Geschichte, 8. A. 2004; Bringmann, K., Krise und Ende der römischen
Republik, 2003; Fugmann, J., Königszeit und frühe Republik in der Schrift De
viris illustribus urbis Romae, Bd. II, 2 2003; Index numerorum. Ein Findbuch
zum Corpus inscriptionum latinarum, hg. v. Fassbender, A., 2003; Weeber, K.,
Nachtleben im alten Rom, 2004; Hölkeskamp, K., Rekonstruktion einer Republik,
2004; Bauer, F., Das Bild der Stadt Rom im Frühmittelalter, 2004; Siedlung und
Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R., 2004; The Cambridge
Companion to the Roman Republic, hg. v. Flower, H., 2004; Matyszak, P.,
Geschichte der römischen Republik, 2004; Hölkeskamp, K., Senatus populusque
Romanus, 2004; Christ, K., Pompeius, 2004; Luik, M., Der schwierige Weg zur
Weltmacht, 2005; Beck, H., Karriere und Hierarchie, 2005; Rüpke, J., Fasti
sacerdotum, 2005 (mit etwa 4000 Biographien); Eich, P., Zur Metamorphose des
politischen Systems in der römischen Kaiserzeit, 2005; Ward-Perkins, B., The
Fall of Rome and the End of Civilization, 2005; Kunst, C., Leben und Wohnen in
der römischen Stadt, 2006, 3. A. 2008; Heftner, H., Von den Gracchen bis Sulla,
2006; Dreyer, B., Die Innenpolitik der römischen Republik, 2006; Langer, V.,
Declamatio Romanorum, 2007; Kolb, F., Das antike Rom, 2007; Heather, P., Der
Untergang des römischen Weltreichs, 2007 (übersetzt aus dem Englischen);
Spielvogel, J., Septimius Severus, 2006; Brandenburg, H., Die frühchristlichen
Kirchen in Rom, 2008; Römische Religion im Wandel, hg. v. Bendlin, A. u. a.,
2008; Reinhardt, V., Blutiger Karneval - Der Sacco di Roma 1527, 2009; Jördens,
A., Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit, 2009; Eine
politische Kultur (in) der Krise?, hg. v. Hölkeskamp, K., 2009
Roma (oder auch Sinti) ist die
Eigenbezeichnung für die früher meist als → Zigeuner benannten
Angehörigen einer Volksgruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in
der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001;
Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der
Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003
Roma locuta causa finita (lat.). Hat Rom gesprochen, ist die Angelegenheit beendet.
Lit.: Adam, K., Causa finita est, FS A. Ehrhard, 1922, 1;
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Augustus, 354-430, Sermones
131, 10)
Romanist ist seit
dem 19. Jh. der Vertreter des römischen Rechts oder der vom Lateinischen
abgeleiteten Sprachenfamilie im Gegensatz zum → Germanisten.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schlösser, R., Die romanischen
Sprachen, 2001
Romantik ist die
geistige, sich von der Vernunft als allein bestimmendem Umstand abkehrende, das
Gefühl, den Traum und das Irrationale betonende Bewegung in Europa zwischen
1790 und 1830. Sie beeinflusst die → historische Rechtsschule (Savigny,
Grimm). Sowohl Märchen wie Liedgut und Recht werden auf das eigene Volk bezogen
(→ Volksgeist).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 178; Busse, G., Die
Romantik, 1982
Römer ist der
Bewohner → Roms bzw. der Angehörige der das römische Weltreich tragenden
Bevölkerung.
Lit.: Köbler, DRG 16; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Christ, K., Die Römer, 3. A. 1994; Fischer, T.,
Die Römer in Deutschland, 1999; Wolters, R., Die Römer in Germanien, 2000; Die
Ursprünge des römischen Volkes – Origo gentis Romanae, hg. v. Sehlmeyer, M.,
2004; Johne, K., Die Römer an der Elbe, 2006; Thiel, A., Die Römer in
Deutschland, 2008
Römermonat ist die
Bezeichnung für die 1541 auf 128000 Gulden berechneten Kosten der monatlichen
Unterhaltung und Besoldung des Heeres im Heiligen römischen Reich (deutscher
Nation), die mit Hilfe der → Reichsmatrikel auf die einzelnen Reichsstände
verteilt werden.
Lit.: Weigl, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen
Reiches, 1912, 15
Römerstadt ist die
im römischen Reich zur → Stadt entwickelte Siedlung. Sie bildet auch nach
Ende des weströmischen Reiches im Frühmittelalter vielfach den Ausgangspunkt
für eine Stadt (z. B. Nyon, Augst, Trier, Köln, Neuss, Bonn, Xanten, Mainz,
Straßburg, Augsburg, Kempten, Regensburg, Passau, Wien). Die Zusammenhänge sind
im Einzelnen aber sehr unterschiedlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 5. A. 1980
Römerstraße ist die
von den Römern im Altertum angelegte, meist sehr gerade und gepflasterte
Straße.
Lit.: Pekáry, T., Untersuchungen zu den römischen
Reichsstraßen, 1968; Bender, H., Römische Straßen, 1975
Römischer König
ist ein zeitweise vom deutschen König im Heiligen römischen Reich verwendeter
Titel.
Lit.: Beumann, H., Der deutsche König als „Romanorum rex“,
1981
Römisches Recht
ist die Gesamtheit der von Römern geschaffenen Rechtssätze. Die wichtigsten
römischen Rechtsquellen sind die → Zwölftafelgesetze (451/450 v. Chr.,
daneben z. B. 231 Gesetze zwischen 367 und 134 v. Chr.), die Werke der
römischen → Jurisprudenz (3. Jh. v.-3. Jh. n. Chr.) und die Gesetzgebung
(Codex, Institutionen, Digesten bzw. Pandekten, Novellen) des oströmischen
Kaisers → Justinian (527-565). Sachlich ist das Privatrecht von
besonderer Bedeutung. Das römische, im spätantiken römischen Reich nur in
Rechtsschulen in Rom, Karthago, Konstantinopel, Beirut, Athen (bis 529),
Alexandria und Caeserea (bis 533) gelehrte Recht wird auch nach dem Untergang
Westroms (476 n. Chr.) in gewisser Weise fortgeführt sowie seit dem ausgehenden
11. Jh. wiederbelebt und danach in vielen Gebieten Europas in umfangreichen
Teilen aufgenommen (rezipiert). Es gilt subsidiär als → gemeines Recht
(lat. ius [N.] commune) bis zu den Kodifikationen der mittleren Neuzeit
(Allgemeines Landrecht Preußens 1794, Code civil Frankreichs 1804, Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs 1811) und hat auch im Zuge der europäischen
Einigung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch gewisse Ausstrahlungskraft.
Lit.: Kaser §§ 1ff.; Waldstein/Rainer §§ 1ff.; Söllner §§
1ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 16, 101, 137, 159; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff., 2. A. 1834ff.;
Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Dante dal
Re, I precursori italiani di una nuova scuola di diritto romano nel secolo XV,
1878; Conrat, M., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im
früheren Mittelalter, Bd. 1 1891; Halban, A. v., Das römische Recht in den
germanischen Volksstaaten, Teil 1ff. 1899ff.; Vinogradoff, P., Roman Law in
Medieval Europe, 1909; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912,
Neudruck 1961; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur, 1938; Heumann,
G./Seckel, E., Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958;
Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Schubart-Fikentscher, G.,
Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Feine, H., Vom
Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Kaser, M.,
Römisches Privatrecht, 1960; Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 19.
A. 2008; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Coing,
H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V 6, 1964;
Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Kaser, M., Der
römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Sturm, F., Das römische
Recht in der Sicht von G. W. Leibniz, 1968; König, H., Pothier und das römische
Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Wesener, G., Römisches Recht und
Naturrecht, 1978; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts, 1979; Stelzer,
W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Lamberg, P., Die Popularisierung des
römischen Rechts durch Oswald von Wolkenstein, ZRG GA 100 (1983), 213;
Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985; Das römische Recht im
Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des
römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit,
1989; Zulueta, F., de/Stein, P., The Teaching of Roman Law, 1990; Kunkel, W.,
Römische Rechtsgeschichte, 12. A. 1990; Bretone, M., Geschichte des römischen
Rechts, 2. A. 1998; Liebs, D., Römisches Recht, 6. A. 2004; Hausmaninger,
Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1993; Hausmaninger, H., Casebook
zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1995; Flach, D., Die Gesetze der frühen
römischen Republik, 1994; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Hausmaninger, H./Selb, W.,
Römisches Privatrecht, 8. A. 1997; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Honsell,
H., Römisches Recht, 5. A. 2001; Mayer-Maly, T., Römisches Recht, 2. A. 1999;
Bürge, A., Römisches Privatrecht, 1999; Ermann, J., Strafprozess, öffentliches
Interesse und private Strafverfolgung, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Stein, P.,
Roman Law in European History, 1999; Manthe, U., Geschichte des römischen
Rechts, 2. A. 2003; Kunkel, W./Schermaier, M., Römische Rechtsgeschichte, 13.
A. 2001, 14. A. 2005; Fögen, M., Römische Rechtsgeschichten, 2002; Elster, M.,
Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian
Law of the 17th and 18th Century, 2003; Spruit, J., Cunabula iuris, 2003;
Börsch, M., Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Jacob, P.,
Reformbestrebungen Aurelians in Politik und Rechtsentwicklung, 2004; Behrends,
O., Institut und Prinzip, 2004 (Gesammelte Aufsätze); Stein, P., Le droit
Romain et l’Europe, 2. A. hg. v.
Dunand, J. u. a. 2004; Meyer, E., Legitimacy and Law in the Roman World, 2004;
Kienast, D., Römische Kaisertabelle, 3. A. 2004; Kirov, J., Die soziale Logik
des Rechts, 2005; Usus antiquus iuris Romani, hg. v. Ernst, W. u. a., 2005;
Hecht, B., Störungen der Rechtslage in den Relationen des Symmachus, 2006;
Rainer, M., Römisches Staatsrecht – Republik und Kaiserzeit, 2006; Pichonnaz,
P. u. a., Lexique de droit romain, 2006; Langer, V., Declamatio Romanorum,
2007; Kaiser, W., Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze, 2007;
Harke, J., Römisches Recht, 2008; Pichonnaz, P., Fondements romains du droit
privé, 2008; Lhuillier-Martinetti, D., L’Individu dans la famille à Rome au
4ième siècle, 2008; Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechts, hg. v.
Avenarius, M., 2008; Rüfner, T., Gerichtsstand und Ladungszwang, 2009
Römisches Recht in Deutschland ist das seit dem Mittelalter in Deutschland in einem
Rationalisierungsvorgang (Rezeption) aufgenommene → römische Recht. Es
wird damit ein Teil des → deutschen Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 1ff.; Schaeffner, W., Das römische Recht
in Deutschland, 1859; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962;
Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V, 6,
1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Die Rolle des Juristen bei der
Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Wesener, G.,
Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern,
1989; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996
Römisches Reich ist das (seit 753 v.
Chr.) um Rom entstehende Reich. Es wird nach Vertreibung des (etruskischen?)
Königs (509 v. Chr.) Republik mit jährlicher Neubesetzung der wichtigsten Ämter
(Magistrate wie Konsuln und Prätoren), Senat und Volksversammlungen. Durch
Siege über seine Nachbarn dehnt es sich allmählich rund um das Mittelmeer bis
weit nach Westeuropa (Spanien, Gallien, Britannien), Mitteleuropa (Rhein,
Donau), Asien und Afrika aus. Nach langen Bürgerkriegen und der Diktatur Gaius
Julius Caesars stellt Augustus 27 v. Chr. äußerlich die Republik wieder her,
leitet aber sachlich zum Prinzipat über, das sich in Rom auf die Stellung als
Volkstribun und in den Provinzen auf ein ehemaliges Konsulat stützt. Am Ende
des 3. Jahrhunderts wandelt sich das römische Reich zu einer in eine westliche
und eine östliche Hälfte (Konstantinopel) geteilten Monarchie (Dominat)..
Westrom fällt 476 n. Chr. an Germanen, das stetig zurückgedrängte Ostrom (Byzanz)
1453 n. Chr. an die Türken.
Lit.: Mommsen,
T., Römisches Staatsrecht, 1871ff.; Bleicken, J., Römische
Geschichte, 10. A. 2007; Bleicken,
J., Die Verfassung der römischen Republik, 8. A. 1999; Rainer, J., Römisches Staatsrecht 2006
römisches Vulgarrecht → Vulgarrecht
Römische Verträge sind die am
25. 3. 1957 in Rom zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien,
Luxemburg und den Niederlanden abgeschlossenen Verträge über die Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft (zum 1. 1. 1958).
Sie sind wesentliche Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Europäischen
Union. Sie werden 1986 durch die Einheitliche Europäische Akte und danach durch
den Vertrag von Maastricht, den Vertrag von Amsterdam und den Vertrag von Maastricht
angepasst bzw. umgewandelt.
Lit.: Köbler, DRG 246; Schweitzer, M./Hummer, W.,
Europarecht, 5. A. 1996
Römisch-kanonisches Verfahren ist das in Oberitalien im
Hochmittelalter und Spätmittelalter auf der Grundlage des römischen
Verfahrensrechtes entwickelte, in Deutschland seit dem Spätmittelalter
aufgenommene gelehrte Verfahren (→ Prozess).
Lit.: Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck
1959; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Romulus Augustulus (* um 459)
ist der am 4. 9. 476 von → Odowakar abgesetzte letzte weströmische
Kaiser.
Lit.: Söllner § 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG
50, 67; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967; Henning, D., Periclitans res
publica, 1999
Roncaglia bei
Piacenza ist seit dem 11. Jh. mehrfach der Ort deutscher Hoftage, auf denen
auch Recht geschaffen wird (z. B. 1136, 1154, 1158). Zu den sog. ronkalischen
Gesetzen zählen das Privileg der Scholaren auf Freiheit und Sicherheit
(„Habita“, 1154 ?) und die von Juristen verfasste Darlegung der Regalien
(„Regalia sunt“, 1158). Sie werden teilweise in die → (lat.) Libri
(M.Pl.) feudorum (Lehnbücher, Lehnrechtsbücher) aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94, 101, 106; Erler,
A., Die ronkalischen Gesetze des Jahres 1158, ZRG GA 61 (1941), 127; Colorni,
V., Le tre leggi perdute di Roncaglia (1158) ritrovate in un manoscritto
parigino (Bibl. Nat. Cod. Lat. 4677), Scritti in memoria di Antonio Giuffrè
1966,( deutsch übersetzt v. )Dolezalek, G., Die drei verschollenen Gesetze von
Roncaglia, 1969; Stelzer, W., Zum Scholarenprivileg Friedrich Barbarossas, DA
34 (1978), 123; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994
Rosenheim
Lit.: Diepolder, G. u. a., Rosenheim, 1978
Ross, Alf (1899-1979) wird nach Rechtsstudien in Dänemark, Österreich, Frankreich und England 1938 Professor in Kopenhagen. Seine Arbeiten sind von Hans → Kelsen beeinflusst. Seine Rechtsmetaphysik ablehnende Rechtsquellenlehre stellt vor allem auf die Rechtswirklichkeit ab.
Lit.: Tamm, D., Dansk retsvidenskabs historie, 1992, 243
Rousseau, Jean-Jacques (Genf 18. 6. 1712-Ermenonville 2. 7. 1778) legt als aufgeklärter Philosoph in seinem Werk Du
contrat social (Vom Gesellschaftsvertrag) 1762 eine wesentliche Grundlage für
den Gedanken der Volkssouveränität.
Rostock an der Warnow wird nach einer wendischen Siedlung um 1200 Sitz deutscher Kaufleute, der 1218 lübisches Recht erhält. 1419 wird in R. die erste Universität Norddeutschlands errichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, P., Die Rostocker Stadtverfassung. Diss. phil.
Rostock 1929; Freynhagen, W., Die Wehrmachtverhältnisse der Stadt Rostock im
Mittelalter, 1930; Römer, H., Das Rostocker Patriziat, Diss. phil. Rostock
1932; Leps, C., Das Zunftwesen der Stadt Rostock, Hansische Geschichtsblätter
58 (1933), 122, 59 (1934), 177; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Roloff,
H., Beiträge zur Geschichte der Universitätsbibliothek Rostock im 19.
Jahrhundert, 1955; Haalck,
J.,
Die Rostocker Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/1959);
Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Geschichte der
Universität Rostock, hg. v. Heidorn, G. u. a., Bd. 1f. 1969; Schnitzler, E.,
Die Gründung der Universität Rostock, 1974; Schultz, H., Soziale und politische
Auseinandersetzungen in Rostock im 18. Jahrhundert, 1974; Lorenz, S.,
Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; 777 Jahre Rostock, hg. v. Pelc, O.,
1995; Asche, M., Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen
mecklenburgischen Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008; Becker, S., Die
Spruchtätigkeit der juristischen Fakultät Rostock, 2003; Roloff, G., Die
Spruchaktentätigkeit der juristischen Fakultät der Universität Rostock und
Bützow, 2003; Pluns, M., Die Universität Rostock 1418-1563, 2007; Buddrus, M.
u. a., Die Professoren der Universität Rostock im Dritten Reich, 2007
Rota (F.), Rad, ist
der Name der in einem Saal mit radförmigem Fußbodenmosaik in Avignon im 14. Jh.
beratschlagenden Richter (lat. [M.Pl.]
auditores, Hörer), dessen Name auch nach der Rückkehr des Papstes nach Rom
bestehen bleibt. Für das Verfahren bei (einem Richter) der R. entwickeln sich eigene
Rechtssätze, die für viele andere Gerichte vorbildlich werden. Im Jahre 1908
richtet Papst Pius X. die Sacra Romana R. als Instanzgericht vor allem für
Eheprozesse ein.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen
der Rota, ZRG KA 89 (1972), 1; Puza, R., Res iudicata, 1973; Nörr, K., Ein
Kapitel aus der Geschichte der Rechtsprechung, Ius commune 5 (1975), 192
Rotes Kreuz ist die von dem
Schweizer Henri Dunant als Folge seiner Eindrücke von der Schlacht bei
Solferino (24. 6. 1859) aufgebaute internationale humanitäre Hilfsorganisation
mit nationalen Gesellschaften vom Roten Kreuz und internationalen Dach- und
Hauptorganisationen (Liga der Rot-Kreuz-Gesellschaften, Internationales Komitee
vom Roten Kreuz).
Lit.: Dunant, H., Un souvenir de Solférino, 1862; Zorn, P.,
Die beiden Haager Friedenskonferenzen, 1915; Das Genfer Rotkreuzabkommen vom
12. Aug. 1949, 5. A. 1965; Heudtlass, W./Gruber, W., J. Henri Dunant, 4. A.
1985; Riesenberger, D., Für Humanität und Frieden, 1992
Roth, Paul
(Nürnberg 11. 7. 1820-München 28. 3. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in
München 1850 außerordentlicher Professor in Marburg, 1853 ordentlicher
Professor in Rostock, 1858 in Kiel und 1863 in München. Seine
rechtsgeschichtlichen Arbeiten sind von Georg → Waitz stark beeinflusst.
1858 veröffentlicht er zusammen mit Victor von Meibom den ersten Band eines
noch partikularistisch motivierten kurhessischen Privatrechts, 1871ff. trotz
allmählichen Standortwechsels in der Kodifikationsfrage drei Bände Bayerisches
Civilrecht und 1880ff. ein System des Deutschen Privatrechts. Roths Bedeutung
für die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) ist nicht sicher
festzustellen.
Lit.: Gagnér, S., Zielsetzungen und Werkgestaltungen in
Paul Roths Wissenschaft, FS H. Krause, hg. v. Krause, H. u. a., 1975, 276
Rothe, Johannes
(Creutzberg/Thüringen vor 1360-Eisenach 1434), aus begüterter Familie, wird
Geistlicher, Ratsschreiber und Notar in → Eisenach. Er verfasst zwischen
1380 und 1394 das in einer Handschrift überlieferte Eisenacher Rechtsbuch und
verschiedene poetische Werke (u. a. → Ritterspiegel).
Lit.: Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950; Wolf,
H., Johannes Rothes Ratsgedichte, 1971; Fortuna vitrea 6, hg. v. Haug, W. u.
a., 1991, 69
Rothenburg
Lit.: Woltering, H.,
Die Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, 1966, 1972
Rott
Lit.: Haff, K., Zur
Rechtsgeschichte der mittelalterlichen Transportgenossenschaften, ZRG GA 31
(1910), 253; Haff, K.,
Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG
GA 31 (1910), 424
Rotteck, Karl
Wenzeslaus Rodecker von (Freiburg im Breisgau 18. 7. 1775-26. 11. 1840),
Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg 1798 Professor
für Weltgeschichte, 1818 für Vernunftrecht und Staatswissenschaft. Neben wenig
erfolgreichen Lehrbüchern für Staatsrecht und Vernunftrecht verfasst er nach
politisch begründetem Verlust seiner Professur (1832-1840) zusammen mit
Welcker ab 1834 das aufgeklärt-liberale Staatslexikon (mit Stichwörtern wie
„Constitution“, „Freiheit“, „Naturrecht“).
Lit.: Köbler, DRG 179; Zehntner, H., Das Staatslexikon von
Rotteck und Welcker, 1929; Ehmke, H., Karl von Rotteck, 1964
Rotterdam an der neuen
Maas wird nach 1240 auf einem Schutzdamm der Rotte errichtet. 1299/1340 erhält
es Stadtrecht. Seine Universität wird 1912/73 eingerichtet.
Rottweil am oberen
Neckar, in dessen Gebiet eine Römerstadt liegt, wird 771 als Königshof genannt
und entwickelt sich im 14. Jh. zur Reichsstadt mit ansehnlichem Gebiet. Seit
dem 13. Jh. ist ein bis 1784 bestehendes kaiserliches Hofgericht in R. bezeugt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das ältere Recht der
Stadt Rottweil, hg. v. Greiner, 1900; Mack, E., Das Rottweiler Steuerbuch von
1441, 1917; Glitsch, H./Müller, K., Die alte Ordnung des Hofgerichts zu
Rottweil (um 1435), ZEG GA 41 (1920), 281; Steinhäuser, A., Das Rottweiler
Hofgericht im Bilde, 1940; Leist, J., Reichsstadt Rottweil, 1962; Laufs, A.,
Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil 1650-1806, 1963; Elben, R.,
Das Patriziat der Reichsstadt Rottweil, 1964; Maurer, H., Rottweil und die
Herzöge von Schwaben, ZRG GA 85 (1968), 58; Grube, G., Die Verfassung des
Rottweiler Hofgerichts, 1969; Spreter von Kreudenstein, T., Johann Spreter von
Kreudenstein, 1989; Weber, E., Städtische Herrschaft und bäuerliche Untertanen,
1992; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396
rotulus (lat. [M.])
Rädchen, Rolle → Andernach
Rotwelsch (N.)
„unverständlicher“ Wortschatz der Bettler, Gauner und Diebe seit dem 14. Jh.
(z. B. Moos statt Geld)
Lit.: Kluge, F., Rotwelsch, 1901; Wolf, S., Wörterbuch des
Rotwelschen, 1956; Wexler, P., Three Heirs to a Judeo-Latin Legacy, 1988;
Schüßler, M., Die Entwicklung der Gauner- und Verbrechersprache Rotwelsch in
Deutschland von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, ZRG GA
118 (2001), 387; Weiland, T., Das Hundeshagener Kochum, 2003
Rousseau, Jean-Jacques (Genf 28. 6. 1712-Ermenonville/Oise 2. 7. 1778), Uhrmacherssohn, wird nach schwieriger Jugend
Lakai und Schriftsteller. In seinem Du contrat social (1762, Vom
Gesellschaftsvertrag) entwickelt er die aufklärende Lehre vom →
Gesellschaftsvertrag, nach der alles menschliche Gemeinleben auf einem Vertrag
aller beteiligten Einzelnen beruht. Die Staatsgewalt steht deshalb dem Volk zu,
das den mit seiner Führung Beauftragten (z. B. König) bei Erfolglosigkeit
seines Amtes entheben kann (→ französische Revolution).
Lit.: Köbler, DRG 136, 148, 191; Vossler, O., Rousseaus
Freiheitslehre, 1963; Spaemann, R., Rousseau, 1980; Stackelberg, J. v.,
Jean-Jacques Rousseau, 1999; Sturma, D., Jean-Jacques Rousseau, 2001; Kersting,
W., Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002; Hentig, H., v., Rousseau,
2004; Kuster, F., Rousseau, 2005; Kapossy, B., Iselin contra Rousseau
Rubrum (N.) (Rotes)
ist der früher mit roter Tinte geschriebene Kopf eines Urteils, wie er sich im
gelehrten Prozessrecht entwickelt.
Rückfall ist das
erneute Begehen einer vorsätzlichen Straftat nach zwischenzeitlicher
Verurteilung. Der R. wird nach älteren, einfacheren Ansätzen im französischen →
Code pénal von 1810 als allgemeiner Strafschärfungsgrund behandelt. In der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Voraussetzungen für die Bejahung eines
Rückfalles in Deutschland eingeengt. 1986 wird die Rückfallvorschrift ganz
aufgehoben. Im deutschen Privatrecht ist der R. das in verschiedenen
Rechtsquellen vorgesehene Zurückfallen von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen
an die sie ursprünglich erbringende Seite.
Lit.: Hübner; Friedländer, G., Der Rückfall, 1872; Effertz,
J., Die strafrechtliche Behandlung des Rückfalls, 1927; Wesener, G., Geschichte
des Erbrechts in Österreich, 1957, 39; Frosch, H., Die allgemeine
Rückfallvorschrift, 1976; Durand, B., Arbitraire du juge et consuetudo
delinquendi, 1993
Rückgriff → Regreß
Lit.: Kaser §§ 52 II 2, 56 II 4, 57 II 4a
Rückkauf ist der
Kauf des verkauften Gutes durch den Verkäufer. Er findet sich auch im Umkreis
des Näherrechtes.
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 41 VII; Kroeschell, DRG 1
Rückstellung ist
die Rückführung der zwischen 1933 und 1945 entzogenen Güter auf die
ursprünglich Berechtigten.
Rücktritt ist die vom Handelnden ausgehende nachträgliche Zurücknahme einer Handlung durch ein entgegengesetztes Verhalten. Der R. von einem → Rechtsgeschäft ist im Privatrecht auf vielleicht kirchenrechtlicher Grundlage auf Grund einer Vereinbarung oder auf Grund einer Rechtsvorschrift (z. B. Wandlungsrecht im Kaufrecht) möglich. Im Strafrecht kann der Täter vom → Versuch zurücktreten, wobei beides im Strafgesetzbuch Preußens von 1851 noch in einer Vorschrift verbunden ist, 1871 für das Deutsche Reich aber in zwei Vorschriften aufgespaltet wird.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 270; Mitteis, H., Rechtsfolgen
des Leistungsverzuges, 1913; Scherner, K., Rücktritt wegen Nichterfüllung,
1965; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 443, 450; Müller, M.,
Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995; Hellwege, P.,
Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, 2004
Rückversicherung
ist die Versicherung des Versicherers gegen zu hohe Versicherungsleistungen.
Lit.: Mossner, B., Die
Entwicklung der Rückversicherung bis zur Gründung selbständiger
Rückversicherungsgesellschaften, 1959
Rückwirkung ist die Auswirkung eines Ereignisses auf die vorangehende Zeit. Sie ist im Recht teilweise möglich. Im Strafrecht ist sie (schon durch Konstitutionen aus der Zeit der Kaiser Theodosius I., II. und Valentinian III. und aus allgemeinen Überlegungen der Aufklärung) zu Lasten eines Handelnden aus rechtsstaatlichen Gründen ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 10 I 1f.; Köbler, DRG 236, 267; Schöckel, G.,
Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots, 1968; Schiemann, G.,
Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Werber, W., Analogie- und
Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998; Stüsser, J., Rückwirkende
Rechtsprechungsänderungen, Diss. jur. Bonn 1998; Daemgen, M., Rück- oder
Fortwirkun g im Privatrecht, 2005
Rudolf IV. (1. 11.
1339–Mailand 27. 7. 1365), (der) Stifter (der Domkirche zu Sankt Stephan in
Wien) und Gründer der Universität Wien, habsburgischer Herzog von Österreich,
lässt 1358/1359 zum Ausgleich der Privilegierung der Kurfürsten in der Goldenen
Bulle (1356) von einem unbekannten Fälscher das (lat.) sog. → privilegium
(N.) maius (größeres Privileg) herstellen, verstirbt aber zu früh, um seine
großen Pläne verwirklichen zu können.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Winter, E., Rudolf IV.
von Österreich, 1934; Baum, W., Rudolf IV. der Stifter, 1996
Rudolf von Habsburg (Limburg
im Breisgau 1. 5. 1218-Speyer 15. 7. 1291) ist der erste habsburgische deutsche
König (22. 7. 1273). Er versucht den im → Interregnum eingetretenen
Verlust des → Reichsgutes rückgängig zu machen und Friedensgebote durchzusetzen.
1282 belehnt er seine Söhne mit → Österreich.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Redlich, O., Rudolf von
Habsburg, 1903; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291) König
werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Rudolf von Habsburg, hg. v. Boshof, E. u. a.,
1993; Kunze, U., Rudolf von Habsburg, 2001; Krieger, K., Rudolf von Habsburg,
2003
Ruf
Lit.: Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003
Rufinus (- vor 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Kirchenrechtslehrer, dann Bischof von Assisi und zwischen 1180 und 1186 Erzbischof von Sorrent. Um 1164 verfasst er die (lat.) Summa (F.) decretorum (Summe der Dekrete). Sie bildet die Grundlage der späteren Dekretistik.
Lit.: Singer, H., Rufinus‘ von Bologna „Summa decretorum“,
1902; Weigand, R., Frühe Kanonisten, ZRG KA 76 (1990), 138; Rufinus von
Sorrent, De bono pacis, hg. v. Deutinger, R., 1997
Rüge ist die
Behauptung einer Rechtsverletzung. Vermutlich gibt es bereits im
Frühmittelalter die Pflicht, bestimmte Geschehnisse (öffentlich) in bestimmter
Form vorzubringen. In späterer Zeit finden sich verschiedene davon vielleicht
beeinflusste Einrichtungen (z. B. → Sendgericht, → Feme). Ungewiss
ist der Zusammenhang der R. mit dem sie seit dem Hochmittelalter allmählich
verdrängenden → Inquisitionsprozess.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Haff, K., Beweisjury und
Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130;
Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses, ZRG GA 68 (1951), 234;
Landwehr, G., Rügegericht und Gogericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Spieß, P., Rüge
und Einung, 1988; Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994
Rügen
Lit.: Scheil, U., Zur
Genealogie der einheimischen Fürsten von Rügen, 1962; Büttner, B., Die
Pfarreien der Insel Rügen, 2006
Rügisches Landrecht ist das auf der Osteeinsel Rügen geltende, von dem studierten Gerichtsschreiber Matthäus Neumann (um 1490-Stralsund 25. 4. 1556) in mittelniederdeutscher Sprache aufgezeichnete Gewohnheitsrecht. Es ist in mehreren Fassungen in rund 20 Handschriften überliefert. Ausführlich behandelt es das Recht der freien Bauern und des Adels. Es enthält nur wenige römisch-rechtliche Merkmale.
Lit.: Frommhold, G., Zur Überlieferung des rügischen
Landrechts, ZRG GA 16 (1895), 1; Das rügische Landrecht, hg. v. Frommhold, G.,
1896; Steudtner, K., Matthäus Neumann und sein Werk, Greifswald-Stralsunder Jb.
11 (1977), 42; Herrmann, Slawen, 2. A. 1985
Ruhrgebiet ist das
an der Ruhr gelegene, nach 1918 von Frankreich begehrte deutsche
Industriegebiet, zu dessen Kontrolle 1951 die → Montanunion geschaffen
wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
246; Das Ruhrgebiet in Rheinland und Westfalen, hg. v. Ditt, K. u. a., 2008
Rumänien oberhalb
der unteren Donau ist zunächst von Dakern besiedelt, deren Gebiet im Altertum
romanisiert wird. Nach dem Durchzug von Germanen, Hunnen, Slawen und Awaren
erscheint im 13. Jh. das Volk der Rumänen. Die Fürstentümer → Moldau und
Walachei sind den → Osmanen (Türken) bis in das 18. Jh. tributpflichtig.
Am 24. 1. 1862 ruft der moldawische Oberst Cuza die Vereinigung der
Fürstentümer Moldau und Walachei als R. aus. Nach seiner Abdankung 1866 tritt
Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen die Nachfolge an. Russland annektiert den
östlichen Teil Moldaus zwischen Pruth und Dnjestr (Bessarabien). Auf dem
Berliner Kongress wird 1878 die Souveränität Rumäniens bestätigt. 1919/1920
erhält R. die Bukowina, die Dobrudscha, Siebenbürgen und Banat bzw.
Bessarabien. 1940 verliert es Bessarabien und Teile der Bukowina an die
Sowjetunion. Am 30. 12. 1947 dankt der König ab. 1948 wird R. Volksrepublik.
Der Diktator Ceaucescu wird 1991 im Zuge der Lösung aus der Bevormundung durch
die → Sowjetunion getötet. Moldau löst sich 1990/1991 von der Sowjetunion
ab.
Lit.: Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen
im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Huber, M., Grundzüge der Geschichte
Rumäniens, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3, 5, 91;
Georgescu, V. u. a. Judecata domneascâ yn Tara Românesascâ, 1982; Verseck, K.,
Rumänien, 1988; Hitchins, K., Rumania, 1994; Völkl, E., Rumänien, 1995; Die
Rumänen und Europa, hg. v. Heppner, H., 1997; Oschlies, W., Ceausescus Schatten
schwindet, 1998; Mileck, J., Zum Exodus der Rumäniendeutschen, 1999; Mitu, S.,
Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Böhm, J., Die
Gleichschaltung der deutschen Volksgruppe, 2003; Binder-Iijima, E., Die
Institutionalisierung der rumänischen Monarchie, 2003; Balta, S., Rumänien und
die Großmächte in der Ära Antonescu (1940-1944), 2005; Akten um die deutsche
Volksgruppe in Rumänien 1937-1945, hg. v. Popa, K., 2005; Böhm, J., Hitlers
Vasallen der deutschen Volksgruppe in Rumänien, 2006; Rumänien, hg. v. Kahl, T.
u. a., 2006; Verseck, K., Rumänien, 3. A. 2007; Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Scharr, K. u.
a., Rumänien, 2008
Rumelien ist das
europäische Gebiet der Herrschaft der → Osmanen (Türken) seit 1352/1354,
das um 1850 Thrakien und → Makedonien umfasst.
Lit.: Inalcik, H., The
Rumpfparlament ist
das infolge politischer Maßnahmen nicht mehr vollständige Parlament (z. B.
Österreich 1933).
Runde, Justus Friedrich (Wernigerode 27. 5. 1741-Göttingen 28. 2. 1807) wird nach dem Studium der Theologie in Halle und des Rechts in Göttingen 1771 Professor in Kassel, 1785 in Göttingen. 1791 verfasst er Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts in deutscher Sprache. Als Rechtsquelle verwendet er im Zweifel allgemeine, aus der Natur der Sache selbst entnommene Rechtsgrundsätze.
Lit.: Köbler, DRG 205; Marx, H., Die juristische Methode
der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Neusüß,
W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 93; Kroeschell, K., Zielsetzung
und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 249
Rundfunk ist die drahtlose Übertragung von Nachrichten durch ursprünglich aus
elektrischen Funken entwickelte elektromagnetische Wellen. Diese werden 1856
von J. C. Maxwell erkannt und seit 1895 von G. Marconi in Großbritannien zur
Nachrichtenübermittlung genutzt. Am 22. 12. 1920 überträgt die Hauptfunkstelle
Königswusterhausen ein Konzert.
Lit.: Dussel, K., Deutsche Rundfunkgeschichte,
1999, 2. A. 2004; Cebulla, F., Rundfunk und ländliche Gesellschaft 1924-1945,
2004
Rune ist das von
Germanen wohl im 1. Jh. n. Chr. nach norditalienischem Vorbild entwickelte, im
Hochmittelalter den lateinischen Buchstaben unterliegende Schriftzeichen
(anfangs 24 Zeichen, seit dem Frühmittelalter 16 Zeichen) (rund 350 ältere und
rund 2300 Inschriften des 10. und 11. Jh.s bekannt, insgesamt rund 6500, meist
aus Südskandinavien).
Lit.: Köbler, DRG 66; Grimm, W., Über deutsche Runen,
1821ff., hg. v. Düwel, K., 2009; Düwel, K., Runenkunde, 2. A. 1983, 4. A. 2008;
Runische Schriftkultur, hg. v. Düwel, K., 1994; Sawyer, B., The Viking-age
Rune-stones, 2000; Gronvik, O., Über die Bildung des älteren und des jüngeren
Runenalphabets, 2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Runeninschriften.htm
Ruoda
Lit.: Goldmann, E., Ruoda, 1923
Ruprecht von
Freising (um 1270-nach 1328) ist der als Fürsprecher in und um Freising
erkennbare, ungelehrte, den → Schwabenspiegel verwendende Verfasser des →
Freisinger Rechtsbuchs von 1328.
Lit.: Köbler, DRG 103; Knapp, H., Das Rechtsbuch Ruprechts
von Freising (1328), 1916; Freisinger Rechtsbuch, hg. v. Claußen, H., 1941, XV
Rus → Russland
Russland geht auf die
alte, ihrer Herkunft nach umstrittene Bezeichnung Rus für (germanistische)
Stämme zurück, die vermutlich unter dem skandinavisch-warägischen Heerführer
Rurik in slawischem Gebiet im 9. Jh. ein Reich um Kiew gründen. Dieses
zunehmend slawisierte, unter Wladimir dem Heiligen (977-1015) christianisierte
Reich zerfällt um 1125. 1236 dringen von Osten Mongolen vor, die unter Führung
des sich im späten 15. Jh. nach dem Fall Ostroms Zar nennenden Fürsten von →
Moskau bis 1480 wieder zurückgedrängt werden. Das einheimische, von
oströmisch-byzantinischem Recht beeinflusste Gewohnheitsrecht (Strafrecht,
Erbrecht, Handelsrecht, Verfahrensrecht) wird als Russkaja Prawda (russische
Wahrheit) bereits in der ersten Hälfte des 11. Jh.s aufgezeichnet (erhalten in
Abschriften seit dem späten 13. Jh.). Dazu kommt das kirchlich-byzantinische
Recht (slaw. → Kormcaja). In der frühen Neuzeit wird R. ein
autokratischer, nach Osten (Sibirien 1582) und Süden (Ukraine 1654)
ausgreifender Einheitsstaat (1547 Zar), der sich im 18. Jh. dem Westen und der
Aufklärung nähert (Katharina die Große). Sankt Petersburg wird Hauptstadt.
Deutsche Siedler (Russlanddeutsche) werden geholt. Das weltliche Recht wird
1645 auf der Grundlage der Russkaja Prawda und späterer Rechtsbücher im Codex Aleksy
Michailovic in 25 Kapiteln und 963 Artikeln zusammengefasst (Privatrecht,
Zivilprozessrecht, Strafrecht, Handelsrecht, Verwaltungsrecht, Kirchenrecht).
Kodifikationsversuche scheitern. 1755 erhält Moskau eine Universität. Im 19.
Jh. ist R. europäische Großmacht, die als Führerin des Panslawismus handelt.
Bemühungen, das Recht nach dem Vorbild des → Code civil Frankreichs zu
kodifizieren, scheitern nach dem erfolglosen Angriff Napoleons auf R. 1813.
Eine neue, anfangs chronologisch, später aber unter Aussonderung überholter
Sätze lose systematisch geordnete, rechtswissenschaftlich rückständige, im
Wesentlichen nur das bestehende ständische Recht zusammenfassende Sammlung der
Gesetze (Svod Zakonov Rossijskoj Imperii) in 8 Teilen, 15 Bänden und 60000
Artikeln entsteht 1833. Sie dient hauptsächlich dem Behördengebrauch. Sie wird
durch die Rechtsprechung ergänzt und überholt. 1845 wird ein Strafgesetzbuch
geschaffen. Die Leibeigenschaft wird 1861 durch Bauernbefreiung beseitigt. Die
Gewaltentrennung wird 1864 eingeführt. Gleichzeitig erfolgt eine westlich
orientierte Justizreform. Das neue Recht wird aber tatsächlich fast nur in den
Städten angewendet. Zu dieser Zeit beginnt auch eine vorsichtige Beschäftigung
mit dem römischen Recht an den Universitäten. Entwürfe einer seit 1882 an
einem Zivilgesetzbuch arbeitenden Kommission werden (1899, 1903) nicht in Kraft
gesetzt. Im März 1917 wird in einer Revolution (Meuterei und Demonstration der
Arbeiter am 27. 2. 1917, Februarrevolution, nach gregorianischem Kalender am
12. 3. 1917) der Zar gestürzt (Abdankung am 2. 3. 1917 bzw. nach
gregorianischem Kalender am 15. 3. 1917, Republik) und eine bürgerliche
Regierung eingesetzt. Am 25. Oktober 1917 (= 7. 11. 1917) gewinnen die
Sozialisten (Bolschewisten) unter Uljanow (Lenin 1870-1924) durch gewaltsame
Absetzung der Regierung die Oberhand (Oktoberrevolution mit 6 Toten unter den
Angreifern). Russland wird in die Räterepublik der → Sowjetunion
verwandelt. 1918 werden revolutionäre Gesetzbücher für Eherecht, Familienrecht,
Vormundschaftsrecht und Arbeitsrecht geschaffen, 1922 für R. ein
Zivilgesetzbuch erlassen. Bis 1935 wird unter Stalin (Jossif Wissarionowitsch
Dschugaschwili aus Georgien, 1878-1953, 1922 Generalsekretär der
Kommunistischen Partei) in der Sowjetunion eine sozialistische (marxistische)
Rechtsordnung begründet. 1960 wird ein neues Strafgesetzbuch eingeführt. 1964
werden Zivilgesetzbuch (458 Artikel) und Zivilprozessordnung erneuert. Auf
der Grundlage von Grundlagengesetzen der Sowjetunion (1968/70) erlässt R. ein
Familiengesetzbuch vom 30. 7. 1969 und ein Arbeitsgesetzbuch vom 9. 12. 1971.
Nach einer von Michael Gorbatschow eingeleiteten Reformbewegung wird 1991 die
Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (Sowjetunion) in die Gemeinschaft
unabhängiger Staaten (GUS) überführt, deren wichtigstes Mitglied das erneuerte
R. unter Boris Jelzin ist. Zum 1. 1. 1995 tritt hier der erste Teil eines neuen
Zivilgesetzbuches in Kraft. 1996 wird in R. zum 1. 1. 1997 das Strafgesetzbuch
erneuert.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Handbuch des gesamten russischen
Zivilrechts, hg. v. Klibansky, Bd. 1ff. 1911; Langhans-Ratzeburg, M., Die
Wolgadeutschen, 1929; Stupperich, R., Die Anfänge der Bauernbefreiung in
Russland, 1939; Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Grothusen, K.,
Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,996, 3,2,228;
Wortmann, R., The Development of a Russian legal Consciousness, 1976; Peterson,
C., Peter the Great’s Administrative and Judicial Reforms, 1979; Kaiser, H.,
The Growth of the Law in Medieval Russia, 1980; Handbuch der Geschichte
Russlands, hg. v. Hellmann, M., Bd. 1 1981; Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht,
2. A.
1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A. 1984; David, R./Grasmann, G.,
Einführung in die großen Systeme, 2. A. 1988; Kwiatkowska, I., De legibus
poenas sancientibus anno 1649 a Russis conscriptis, 1984; Steenberg, S., Die
Russlanddeutschen, 1989; Stökl, G., Russische Geschichte, 5. A. 1990; Silnizki,
M., Geschichte des gelehrten Rechts in Russland, 1997; Baberowski, J., Das
Justizwesen im späten Zarenreich 1864-1914, ZNR 1991, 56; Goehrke, C., Frühzeit
des Ostslaventums, 1992; Kappeler, A., Russland, 2. A. 1993; Götz, R./Halbach,
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The Cambridge Enciclopedia of Russia, hg. v. Brown, A. u. a., 1994; Martin, J.,
Medieval Russia, 1995; 7. Internationale Konferenz zur Geschichte des Kiever
und des Moskauer Reiches, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im
späten Zarenreich, 1996; Baberowski, J., Autokratie und Justiz, 1996; Mildner,
K., Lokale Politik und Verwaltung in Russland, 1996; Hösch, E., Geschichte Russlands,
1996; Franklin, S./Shepard, J., The Emergence of Rus, 1996; Russian legal
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frühes Recht der Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lotman,
J., Russlands Adel, 1997; Russen und Russland, hg. v. Koenen, G./Kopelew, L.,
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Kappeler, A., Geschichte Russlands, 1997; Altrichter, H., Russland, 1997;
Torke, H., Einführung in die Geschichte Russlands, 1997; Deutsche Geschichte im
Osten Europas, Russland, hg. v. Stricker, G., 1997; Russia, hg. v. Freeze, G.,
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Zaren, 1998; Lotman, J., Russlands Adel, 1997; Pritsak, O., The Origins of the
Old Rus, 1998; Gestwa, K., Proto-Industrialisierung in Russland, 1999;
Gorbatschow, M., Über mein Land, 2000; Luks, L., Geschichte Russlands und der
Sowjetunion, 2000; Köbler, G., Rechtsrussisch, 2001; Kappeler, A., Russland als
Vielvölkerreich, 2001; Russlands lange Vorgeschichte, hg. v. Schramm, G., 2001;
Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion, hg. v. Bohn, T. u. a.,
2002; Löwe, H., Stalin, 2002; Handbuch der Geschichte Russlands, hg. v.
Plaggenborg, S., Bd. 4 und 5 2002; Schmidt, C., Russische Geschichte 1547-1917,
2003, 2. A. 2009; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 2003;
Haumann, H., Geschichte Russlands, 2003; Goehrke, C., Russischer Alltag, Bd.
1ff. 2003ff.; Avenarius, M., Rezeption des römischen Rechts in Russland, 2004;
Kolbinger, F., Im Schleppseil Europas?, 2004; Gestwa, K., Der Blick auf Land
und Leute, HZ 279 (2004), 63; Hildermeier, M., Russische Revolution, 2004;
Baranowski, G., Die Russkaja Pravda, 2005; Koenen, G., Der Russland-Komplex,
2005; The Siberian Saga, hg. v. Stolberg, E., 2005; Linke, H., Geschichte Russlands,
2006; Schulz, E., Das Verbraucherschutzrecht in Russland, 2006; Rustemeyer,
A., Dissens und Ehre, 2006; Litzinger, H., Juristen und die Bauernfrage, 2007;
Stadelmann, M., Die Romanovs, 2007; Russland 1905, hg. v. Aust, M. u. a., 2007;
Die russische Revolution, hg. v. Haumann, H., 2007; Zielinski, M., Der Transfer
juristischen Gedankenguts innerhalb Europas, 2007; Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Baranowski,
G., Der Entwurf einer Verfassungsurkunde für Russland von 1804, (in) FS
Wilhelm Brauneder 2008, 11; Baranowski, G., Die Gerichtsurkunde von Pskov,
2008; Schmidt, C., Russische Geschichte 1547-1917, 2009; Goerke, C., Russland,
2009
Russkaja Prawda (F.) russische
Wahrheit → Russland
Rutscherzins ist im
Mittelalter der bei nicht rechtzeitiger Leistung erhöhte (rutschende) Grundzins
in der → Grundherrschaft.
Lit.: Hübner; Löning, R., Der Vertragsbruch, 1876, 80f.;
Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 272
S
SA (Sturmabteilung
im Nationalsozialismus)
Lit.: Schmiechen-Ackermann, D., Nationalsozialismus und
Arbeitermilieu, 1998; Longerich, P., Geschichte der SA, 2003
Saar ist das Gebiet
um die Saar mit dem Hauptort → Saarbrücken, das 1918 und 1945 von
Frankreich begehrt wird, aber am 13. 1. 1935 (Volksabstimmung vom 13. 1. 1935
mit einer Mehrheit von mehr als 90 Prozent für eine Heimkehr) und am 1. 1. 1957
(23. 20. 1955 Ablehnung des internationalisierenden Saarstatuts mit 67,7
Prozent) zu Deutschland zurückkehrt (Saarland).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fischer, P., Die Saar
zwischen Deutschland und Frankreich, 1959; Jacoby, F., Die
nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar, 1973; Klitscher, E.,
Zwischen Kaiser und französischer Krone, 1986; Die Saar 1945-1955, hg. v.
Hudemann, R., 1992; Heinen, A., Saarjahre, 1996; Elzer, H., Die deutsche
Wiedervereinigung an der Saar, 2007; Becker, F., Deutsch die Saar, immerdar,
2007
Saarbrücken an der
Saar erscheint nach älteren unterbrochenen Siedlungsspuren 999 als vielleicht
schon um 850 bestehende Burg. 1321 erhält der Ort Stadtrecht. 1948 wird unter
Frankreich (1945-1957) eine Universität gegründet.
Lit.: Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft
Saarbrücken, 1960; Herrmann, H., Städte im Einzugsbereich der Saar, 1992;
Geschichte der Stadt Saarbrücken, hg. v. Wittenbrock, R., Bd. 1f. 1999
Saarland ist das am
1. 1. 1957 aus dem von Frankreich zurückgegebenen Saargebiet gebildete
Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Es gehört vor 1918 hauptsächlich zu
Preußen und vordem zu Nassau (1381).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ham, H. v., Die
Gerichtsbarkeit an der Saar im Zeitalter des Absolutismus, 1938; Grenz-Fall -
das Saarland, hg. v. Hudemann, R., 1997; Hahn, M., Das Saarland im doppelten
Strukturwandel 1956-1970, 2003; Küppers, H., Johannes Hoffmann (1890-1967),
2008
Sabinianer ist der
Angehörige der nach → Sabinus benannten, eher traditionsverhafteten und
pragmatischen Schule der römischen Rechtswissenschaft (z. B. Cassius, Iulianus,
Iavolenus) im Gegensatz zum Prokulianer.
Sabinus, Masurius
(1. Jh. n. Chr.), von einfacher Herkunft, wird 22 n. Chr. Haupt der
Rechtsschule der → Sabinianer oder Cassianer und mit 50 Jahren Ritter.
Sein Hauptwerk sind (lat.) Libri (M.Pl.) tres iuris civilis (Drei Bücher
römisches Recht) in der aus Nachfolgewerken erschlossenen Reihenfolge Erbe,
Personen, Verkehrsgeschäfte, unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung.
Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 2 III 1; Söllner §§ 16, 21, 24;
Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen
Juristen, 2. A. 1967; Behrends, O., Institutionelles und prinzipielles
Rechtsdenken, ZRG RA 95 (1978), 187
sacebaro →
sakebaro
sacer (lat.) geweiht,
verflucht
Lit.: Köbler, DRG 27
sacerdotium (lat. [N.])
Priestertum, Kirche (in Gegensatz zu [lat. N.) imperium [Kaisertum] oder regnum
[Königtum])
Lit.: Von sacerdotium und regnum,
hg. v. Erkens, F. u. a., 2002
Sachbeschädigung ist
das rechtswidrige Beschädigen oder Zerstören einer einem anderen gehörigen
Sache, das bereits im Altertum Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. → lex
Aquilia
Lit.:Kaser
§ 51 II; Söllner § 8; Köbler, DRG 26, 27; König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht,
Diss. jur. 1945 (ungedruckt); Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der
actio legis Aquiliae, 1958
Sache (lat. [F.]
res) ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Seutschen Reichse (1900) der
körperliche Gegenstand, im weiteren Sinn jeder Gegenstand (z. B. nach dem Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreich svon 1811 [§ 285] alles, was nicht Person
bzw. Mensch ist). Im Anschluss an den bzw. im Gegensatz zu dem bei Gaius (um
160 n. Chr.) Körperliches (res corporalis) und Unkörperliches (res
incorporalis) verbindenden, aber auch gegenüberstellenden res-Begriff des
römischen Recht vertritt das heutige deutsche Recht einen engen Sachbegriff des
körperlichen Gegenstands. Unterschieden werden innerhalb des körperlichen
Gegenstands bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Besitz, Eigentum und
beschränkte dingliche Rechte an Sachen.
Lit.: Kaser § 18; Köbler, DRG 15, 24, 39, 60, 73, 90, 123,
140, 162, 207, 211, 269; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit, 1993; Zimmermann,
M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001
Sachenrecht ist
objektiv die Gesamtheit der Sachen betreffenden Rechtssätze. Ein S. (lat. res [F.Pl.])
sondert unter griechischem Einfluss bereits der römische Rechtskundige →
Gaius (um 160 n. Chr.) ab. Dies wird in der mittleren Neuzeit wieder
aufgegriffen (z. B. Projekt des Codicis Juris Fridericiani 1751, str.),
wenngleich die Sache unterschiedlich weit gefasst wird. Im Mittelpunkt des
Sachenrechts steht das → Eigentum als absolutes Herrschaftsrecht. Ihm
stehen beschränkte dingliche Rechte (z. B. Pfand, Dienstbarkeit, Erbbaurecht)
und die tatsächliche Gegebenheit Besitz gegenüber. Das einzelne subjektive S.
(dingliche Recht) gewährt eine auf die einzelne Sache gerichtete, gegen
jedermann (absolut) wirkende Herrschaftsbefugnis, die in Rom mittels einer
(lat. [F.] actio) durchgesetzt werden kann.
Lit.: Rückert, L., Untersuchungen über das Sachenrecht der
Rechtsbücher, 1860; Platz, L., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961
masch.schr.; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1996;
Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W.,
Sachenrecht, Bd. 1ff. 1982ff.; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen
Sachenrecht, 5. A. 1996; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der
SBZ/DDR, 2001; Füller, J., Eigenständiges Sachenrecht?, 2006
Sachgesamtheit (F.) aus mehreren selbständigen Sachen gebildete Einheit (lat.
corpus ex distantibus, z. B. Tierherde,
Briefmarkensammlung, Bibliothek), die
unterschiedlich behandelt werden kann
Lit.:
Hammerstein, J., Die Herde im römischen Recht, 1975; Daubermann, E., Die
Sachgesamtheit als Gegenstand des klasischen römischen Rechts, 1993
Sachhaftung ist die Haftung einer Sache (z. B. eines Pfandes) unabhängig von einer Person.
Lit.: Kaser §§ 31 I 2, 32 II 3
Sachmangel ist die
Abweichung einer Sache von der von den Parteien vorausgesetzten Beschaffenheit.
Bereits der römische Marktädil gewährt dem Käufer einer mangelhaften Sache
unabhängig von Verschulden → Wandlung und → Minderung, sofern nicht
der Mangel bei Vertragsschluss bekannt ist. Demgegenüber geht das
mittelalterliche Recht außer bei groben Mängeln bestimmter Tiere unde arglistig
verschwiegenem Mangel von dem Satz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ aus. Das
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) folgt der römischrechtlichen Gestaltung, behält
aber Sonderregeln für den Viehkauf (bis 2002) bei.
Lit.: Kaser § 41; Söllner § 9; Hübner; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 46, 64, 127, 165, 214, 215; Klempt, W., Die Grundlagen der
Sachmängelhaftung, 1967; Leiser, W., Schadensersatz wegen Sachmängeln, FS L.
Schnorr von Carolsfeld, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985;
Niedrig, H., Die Mangelrüge, 1994; Seiler, C., Vom Allgemeinen Landrecht zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 1995; Olzen, D., Das kaufrechtliche
Sachmängelgewährleistungsrecht des Code civil, 1996; Deller, P., Der „nach dem
Vertrage“ vorausgesetzte Gebrauch, 1999; Medicus, D., Zur Geschichte der
Sachmangelhaftung, (in) Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 307;
Harke, J., Die Sachmängelhaftung beim Werkvertrag, ZRG RA 124 (2007), 305
Sachse ist der
Angehörige eines um 150 n. Chr. bei Ptolemäus in Alexandrien erstmals
erwähnten, nach seiner Bewaffnung benannten germanischen Volkes, dessen
Siedlungsgebiet zwischen unterem Rhein und Elbe im Frühmittelalter von den →
Franken (Karl d. Große 772-804) erobert wird.Das sächsische Recht ist in der
(lat. [F.]) → Lex Saxonum und im → Sachsenspiegel
aufgezeichnet. S. Sachsen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG
67, 76, 131, 155, 184, 186; Köbler, Historisches Lexikon; Romer, C. v.,
Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachsen, Bd. 1f. 1787f.;
Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857;
Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863/1865, Neudruck
1973; Schröder, R., Der sächsische Volksadel, ZRG GA 24 (1903), 247; Stölzel,
A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Hempel, E.,
die Stellung der Grafen von Mansfeld, 1917; Philippi, D., Die Erbexen, 1920;
Heck, P., Die Standesgliederung der Sachsen, 1927; Meiche, A.,
Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna, 1927;
Lintzel, M., Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Heck,
P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur
altsächsischen Standesgliederung, 1936; Drögereit, R., Sachsen und
Angelsachsen, Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 21 (1949);
Freytag, H., Die Herrschaft der Billunger in Sachsen, 1951; Hagemann, A., Die
Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Schöllkopf, R., Die sächsischen
Grafen 919-1024, 1957; Schnath, G., Nochmals der Ursprung des Sachsenrosses,
ZRG GA 79 (1962), 242; Entstehung und Verfassung des Sachsenstammes, hg. v.
Lammers, W., 1967; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979; Brüsch, T., Die
Brunonen, 2000; Springer, M., Die Sachsen, 2004; Die Herrscher Sachsens, hg. v.
Kroll, F., 2004; Capelle, T., Widukinds heidnische Vorfahren, 2008; Kümper, H.,
Sachsenrecht, 2009
Sachsen ist im Hochmittelalter das Gebiet der Sachsen.1180 ist es von dem Staufer Friedrich I. Barbarossa in der Auseinandersetzung mit dem Welfen Heinrich dem Löwen zerschlagenes Herzogtum und später unter den Askaniern bzw. ab 1422 den Wettinern Kurfürstentum (1485 Land zwischen den Linien der Albertiner und Ernestiner geteilt, Kurfürstenwürde 1485 an Ernestiner, 1547 an Albertiner, 1697 unter August dem Starken Erwerb der Krone des Königtums Polen). Unter Verkleinerung und Verlagerung an die mittlere Elbe (Dresden) bleibt das Land Sachsen (1806 Königreich, 1918 Freistaat, 1852 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1863/1865 Bürgerliches Gesetzbuch in fünf Büchern) bis zur Gegenwart (ausgenommen 1952-1990) erhalten, während die zersplitterten ernestinischen Fürstentümer 1920 in Thüringen wiedervereinigt werden und das 1815 von Preußen Sachsen abgewonnene Gebiet mit anderen Gebieten zur preußischen Provinz Sachsen und 1945 zum Land Sachsen-Anhalt (Magdeburg) wird.→ Sachse
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBSachsen1863.pdf;
Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Kötzschke, R., Ländliche Siedlung und
Agrarwesen in Sachsen, 1953; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen
Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Richter, G., Die
ernestinischen Landesordnungen, 1964; Blaschke, K., Das kursächsische
Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Haas,
G., Verfassung und Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm,
Diss. jur. Jena 1967; Blaschke, K., Bevölkerungsgeschichte von Sachsen, 1967;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1540,2654, 3,3,2900,3699 Klein, T.,
Sachsen, 1982; Wissenschafts- und
Universitätsgeschichte in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, hg. v. Czok, K.,
1987; Otto, J., Cognitio et usus juris Romano-saxonici, Studi Senesi 107
(1995), 369; Ahcin, C., Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das
Königreich Sachsen von 1863/1865, 1996; Lück, H., Die kursächsische
Gerichtsverfassung, 1997; Sächsische Justiz in der sowjetischen Besatzungszone,
1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Sachsen
in Deutschland, hg. v. Retallack, J., 2000; Beck, L., Herrschaft und
Territorium der Herzöge von Sachsen-Wittenberg, 2000; Historisches Ortsnamenbuch
von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Sachsen im Spiegel des Rechts, hg.
v. Schmidt-Recla, A. u. a. 2001; Jäger, V., Zur Entwicklung der staatlichen
Untergerichte in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 118
(2001), 222; Keller, K., Landesgeschichte Sachsen, 2002; Klinger, A., Der
Gothaer Fürstenstaat, 2002; Diktatdurchsetzung in Sachsen, hg. v. Behring, R.
u. a., 2003; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006;
Karlsch, R. u. a., Wirtschaftsgeschichte Sachsens, 2006; Krüger, N., Landesherr
und Landstände in Kursachsen, 2007; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll, F.,
2007; Dressel, C. v. Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in
Sachsen-Coburg 1800-1826, 2007; Moritz von Sachsen, hg. v. Blaschke, K., 2007;
Volkmar, C., Reform statt Reformation, 2007; Ott, T., Präzedenz und
Nachbarschaft, 2008
Sachsen-Anhalt ist das am 5.
7. 1945 (zum 9. 7. 1945) aus der Provinz Sachsen → Preußens und aus dem
Freistaat → Anhalt nach der Auflösung Preußens gebildete Land (6. 10.
1947) der sowjetischen Besatzungszone, das nach seiner Auflösung (1952/1957)
in der → Deutschen Demokratischen Republik zum 3. 10. 1990 mit der
Hauptstadt Magdeburg wieder entsteht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Holtmann, E./Boll, B.,
Sachsen-Anhalt, 1995; Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, hg. v. Kilian, M.,
2004
Sachsenrecht oder
gemeines Sachsenrecht ist das in der frühen Neuzeit auf der Grundlage des →
Sachsenspiegels (1221/4) und der Spruchtätigkeit der Gerichte in →
Sachsen angewendete Recht, das erst durch das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch
von 1863 abgelöst wird.
Lit.: Köbler, DRG 103, 143; Schultze-von Lasaulx, H., Die
Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 58; Theuerkauf, G.,
Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980
Sachsenspiegel ist das der Wiederentdeckung des römischen Rechts in Italien um 1100 und der neuen Zusammenstellung des kirchlichen Rechts durch → Gratian um 1140 zeitlich nachfolgende, von ihnen vielleicht angeregte, an unbekanntem Ort (nach Landau möglicherweise Kloster Altzelle) vielleicht zwischen 1221 und 1224 von → Eike von Repgow zunächst auf Latein geschaffene Rechtsbuch (→ Landrecht im Gegensatz zu Volksrecht und Stadtrecht). Der Verfasser bezeichnet sein Werk als (mnd.) spigel der Sachsen, in dem die Sachsen ihr Recht wie sonst Frauen im Spiegel ihr Antlitz erschauen sollen (vgl. lat. → speculum [N.] z. B. speculum ecclesiae, Spiegel der Kirche, des Honorius Augustodunensis 1. H. 12. Jh.). Die einerseits noch verwerteten, andererseits nicht mehr berücksichtigten zeitgenössischen Ereignisse lassen vielleicht eine Datierung der ersten Fassung zwischen 1221 und 1224 (1215 bis 1235) zu (str.). Die in Latein gehaltene Gestalt ist mit Ausnahme des Lehnrechts (sog. [lat.] → Auctor [M.] vetus de beneficiis) nicht erhalten. Von Eike selbst stammt noch die bald danach verfertigte völlig neuartige mittelniederdeutsche Übersetzung, die (bis 1270) mehrfach erweitert wird, wobei auch die Textform IIa bereits im zweiten Viertel des 13. Jh.s entstanden sein dürfte. Der S. erfasst das aus verschiedensten Wurzeln erwachsende Recht (Gewohnheitsrecht, Landfriedensgesetze) Ostfalens, bezieht aber auch allgemeinere, selbst biblische und gelehrte Quellen ein. Er ist vermutlich anfangs nur in zwei Teile (Landrecht, Lehnrecht) und Artikel gegliedert. Zitiert wird er als Ssp (LdR bzw. LehnR) nach (Buch,) Artikel und Paragraph. Vom Ende des 13. Jh.s an breitet sich der jetzt zusätzlich im Landrecht in drei Bücher geteilte S. in Hunderten von teilweise noch erhaltenen Handschriften (etwa 465, mindestens 341 Landrechtstexte, 94 Lehnrechtstexte, älteste Fragmente Kopenhagen, Königliche Bibliothek, NKS 1479, fol. 1 [Sammelmappe] und Fragmentsammlung 12, fol. 1866, 2. Viertel/Mitte 13. Jh., Berlin, Staatsbibliothek Fragm. 22, 3. Viertel 13. Jh., 8 Fragmente und 2 bzw. 3 Handschriften [Leiden, Universitätsbibliothek BPL 180 B, Ende 13. Jh./um 1300, Mirbach-Harff, Antonius Graf von, 1295, Mai 7, Arpe, Peter Friedrich, seit 1837 verschollen, 1296?] wohl noch aus dem 13. Jh.) in einem von Holland bis Polen reichenden Gebiet aus. Es werden Bilderhandschriften (Dresdener, Heidelberger, Wolfenbütteler, Oldenburger Bilderhandschrift), Übersetzungen (in das Lateinische und Mittelhochdeutsche usw.), Bearbeitungen (Glossen u. a. des Johann von → Buch 1325, Nikolaus → Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff) und auf seiner Grundlage zahlreiche weitere Rechtsbücher (Görlitzer Rechtsbuch 1300, Breslauer Landrecht 1356, Berliner Stadtbuch 1397, Richtsteig Landrechts 1335, Richtsteig Lehnrechts E. 14. Jh., sächsisches Weichbild, → Deutschenspiegel und → Schwabenspiegel usw.) verfasst. Kein Artikel des Sachsenspiegels ist durchgängig und ebenso kein Artikel überhaupt nicht in die späteren Rechtsbücher des sächsisch-magdeburgischen Rechts eingegangen. Insgesamt eignet sich vor allem das „städtische Milieu“ den S. (im Strafrecht, Verfahrensrecht und Erbverfahrensrecht) an. → Sachsenrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 102, 123, 124,
143; Sachsenspiegel, hg. v. Homeyer, C., 1827, 2. A. 1835ff., 3. A. 1861ff.;
Schuster, H., Versuch einer Deutung von Ssp. III 73, ZRG GA 3 (1882), 136;
Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1;
Schröder, R., Zur Kunde des Sachsenspiegels, ZRG GA 9 (1888), 52; De
Saksenspiegel in Nederland, hg. v. Geer van Jutphaas, 1888; Frommhold, G.,
Erörterungen über die Reimvorrede des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 125;
Schröder, R., Zu der praefatio rhytmica des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892),
226; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970;
Gundlach, W., Karl der Große im Sachsenspiegel, 1899; Behre, E., Die Eigentumsverhältnisse
im ehelichen Güterrecht, 1904; Jecht, R., Über die in Görlitz vorhandenen
Handschriften des Sachsenspiegels, Neues lausitzisches Magazin 82 (1906); Heck,
P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Fehr, H., Fürst und
Graf im Sachsenspiegel, 1906; Heck, P., K. v. Amira und mein Buch über den
Sachsenspiegel, 1907; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser
Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Molitor, E., Die Stände der Freien in
Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Heck, P., Die Bannleihe im
Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Rosenstock, E., Die Verdeutschung des
Sachsenspiegels, ZRG GA 37 (1916), 498; Stutz, U., Der rechtshistorische Gehalt
der Sachsenspiegelvorreden, ZRG GA 43 (1922), 300; Kisch, G., Zwei
Sachsenspiegelvokabularien, ZRG GA 44 (1924), 307; Voltelini, H. v., Der
Sachsenspiegel und die Zeitgeschichte, 1924; Sinauer, E., Eine Lüneburger
Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 45 (1925), 408; Das Landrecht des
Sachsenspiegels nach der Bremer Handschrift von 1342, hg. v. Borchling, C.,
1925; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien Heft 2 Die Entstehungszeit des
Sachsenspiegels und der sächsischen Weltchronik 1931 (Abh. Göttingen), Heft 3
Die Textentwicklung des Sachsenspiegels von 1220 bis 1270, 1933 (Abh.
Göttingen); Sachsenspiegel Land- und Lehnrecht, hg. v. Eckhardt, K. 1933;
Sachsenspiegel Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 1933; Voltelini, H. v., Ein
Beitrag zur Quellenkunde des Sachsenspiegels Landrecht, ZRG GA 58 (1938), 548;
Kallen, G., Friedrich Barbarossas Verfassungsreform und das Landrecht des
Sachsenspiegels, ZRG GA 58 (1938), 560; Hirsch, H., Eine neu entdeckte, die
zweite bekannte Handschrift des holländischen Sachsenspiegels, ZRG GA 59
(1939), 253; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941, Neudruck 1960; Blaese,
H., Die rechtliche Wirkungskraft des Sachsenspiegels im Bereich des heutigen
Estlands und Lettlands, ZRG GA 62 (1942), 322; Buchda, G., Eine Bemerkung zum
Sachsenspiegel II Artikel 55, ZRG GA 62 (1942), 353; Eike von Repgow,
Sachsenspiegel Lehnrecht, übertr. v. Hirsch, H., 1939; Molitor, E., Der
Gedankengang des Sachsenspiegels, ZRG GA 65 (1947), 15; Mess, F., Wartburgkrieg
und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Buchda, G., Archäologisches zum
Sachsenspiegel, ZRG GA 72 (1955), 205; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und
Familienrecht im Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1957; Sachsenspiegel,
Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 3. A. 1973; Nowak, E., Die Verbreitung und
Anwendung des Sachsenspiegels, Diss. phil. Hamburg 1965, masch.schr.; Hartmann,
J., Ein elbostfälisches Fragment des Sachsenspiegels, ZRG GA 82 (1965), 291;
Eike von Repgow und Hoyer von Valkenstein, hg. v. Eckhardt, K., 1966;
Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968; Schulte-Beckhausen, O.,
Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Becker, H., Eine unbekannte
Handschrift des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971),
190; Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der sächsischen Weltchronik,
1972; Kisch, G., Sachsenspiegelbibliographie, ZRG GA 90 (1973), 73; Ebel, W.,
Über das „ungezweite Gut“ in Ssp. Ldr. I 31, ZRG GA 92 (1975), 184; Benöhr, H.,
Erfolgshaftung nach dem Sachsenspiegel?, ZRG GA 92 (1975), 190; Rymaszewski,
Z., (Lateinische Texte des Landrechts des Sachsenspiegels in Polen), 1975;
Krause, H., Der Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwangs, ZRG GA 93
(1976), 21; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, (in)
Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349; Ignor, A.,
Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984; Eike von Repgow Sachsenspiegel,
hg. v. Schott, C. u. a., 3. A. 1996; Gauert, A., Werla in der Nähe von Goslar,
ZRG GA 105 (1988), 253; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht,
(in) Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991,
232; Müller, B., Die Berliner Sammelhandschrift Mgf 10, 1991; Der
Sachsenspiegel als Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Die
Wolfenbütteler Bilderhandschrift. hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Der
Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995;
Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. v. Koolman, 2. A. 1995; Aus dem
Leben gegriffen, hg. v. Fansa, M., 2. A. 1995; Der Sassen Speyghel, Bd. 1f.,
hg. v. Koolmann, E. u. a., 2. A. 1995; Der Sachsenspiegel aus Oppeln und
Krakau, hg. v. Piirainen, I. u. a., 1996; Kroeschell, K., Von der Gewohnheit
zum Recht, (in) Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998, 68;
Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1998; Scheele, F., u. a., Das neu aufgefundene Fragment
80a und b, ZRG GA 115 (1988), 514; Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999; Der
Sachsenspiegel, übersetzt v. Kaller, P., 2002; Der Dresdner Sachsenspiegel, 2002;
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hg. v. Lück, H. 2002;
Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235
und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61; Kannowski, B./Kaufmann, F., Ein
Brief aus uralten Zeiten, DA 59 (2003), 548; Kümper, H., Sachsenspiegel – Eine
Bibliographie, 2004; Landau, P., Der Entstehungsort des Sachsenspiegels, DA 61
(2005), 73; Weinert, J., Die Dresdner Bilderhandschrift des Sachsenspiegels,
2007; Bertelsmeier-Kierst, C., Zur ältersten Überlieferung des Sachsenspiegels,
(in) Worte des Rechts, 2007, 56; Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und
Osteuropa - Sachsenspiegel und Magdeburger Recht, hg. v. Eichler, E. u. a.,
2008; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess
des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008; Munzel-Everling, D., Der Sachsenspiegel -
Die Heidelberger Bilderhandschrift, 2009 (CD); Kümper, H., Sachsenrecht,
2009;
Sachsenspiegelglosse ist
die von gelehrten Juristen seit dem 14. Jh. zum → Sachsenspiegel
erarbeitete → Glosse (Johann von Buch um 1325, Nikolaus Wurm, Brandt von
Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff, Stendaler Glosse). Dabei lassen sich
beispielsweise die 40 (bzw. 31 noch benutzbaren) Textzeugen der Glosse zum
Lehnrecht (eines unbekannten Verfassers) in vier Testklassen (kürzere Glosse,
längere Glosse, Wurmsche Glosse, gemischte deutsch-lateinische Glosse)
gliedern.
Lit.: Köbler, DRG 103, 107; Steffenhagen, E., Der Einfluss
der Buchschen Glosse, 1893f.; Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse
des Sachsenspiegels XI, 1922/1923; Kisch, G., Eine Torgauer Glossenhandschrift,
ZRG GA 39 (1918), 365; Die Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, hg. v.
Steffenhagen, E., Einleitung und Glossenprolog, 1925; Schilling, K., Das
objektive Recht in der Sachsenspiegelglosse, 1931; Sinauer, E., Studien zur
Entstehung der Sachsenspiegelglosse, NA 50 (1935), 475; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lieberwirth, R., Über die Glosse zum
Sachsenspiegel, 1993; Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht. Buch’sche Glosse,
hg. v. Kaufmann, F., 2002; Kaufmann, F., Die Glossen zum Ss.-Lehrnrecht, ZRG GA
123 (2006), 284; Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht, hg. v. Kaufmann, F.,
2006; Kannowski, B./Kaufmann, F., De glose vornim vnde dute mit vlite, ZRG GA
125 (2008), 50
Sächsischer Prozess
ist die in → Sachsen in der frühen Neuzeit geltende Form des →
Prozesses, die einige Besonderheiten bewahrt und weiterentwickelt. Der
sächsische Prozess gründet sich auf das 1356 vom Kurfürstentum → Sachsen
erlangte (lat. N.) privilegium (N.) de non appellando (Nichtappellationsprivileg),
sächsische Hofgerichtsordnungen von 1488, 1493, 1529, 1548 und 1550, die
kursächsischen Konstitutionen von 1572 und die Prozess- und Gerichtsordnung von
1622. Er ist grundsätzlich mündlich. Der Beklagte kann bei Säumnis und
Schlüssigkeit der Klage verurteilt werden. Eine Artikulation findet nicht
statt. Die (lat.) litis contestatio (F.) (Streitbefestigung) ist einfache Klagebeantwortung.
Das selbständige Beweisverfahren endet mit einem selbständig angreifbaren
Beweisinterlokut (Beweisurteil). Es gibt nur eine Tatsacheninstanz.
Lit.: Carpzov, B., Processus iuris in foro Saxonico, 1657;
Heimbach, C., Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Prozesses, 1852; Buchda, G.,
Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274
Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch ist das am 2. 1. 1863 verkündete und am 1. 3. 1865 in
Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich → Sachsen. Es umfasst
fünf Bücher mit 2620 Paragraphen. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch des
Deutschen Reiches wird es zum 1. 1. 1900 im Wesentlichen abgelöst.
Lit.: Beckhaus, F., Die gemeinrechtlichen Quellen zum
Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, 1866; Siebenhaar, E.,
Jahrbuch des sächsischen Privatrechts, 1872; Grützmann, P., Lehrbuch des
königlich sächsischen Privatrechts, Bd. 1f. 1887ff.; Buschmann, A., Das
Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch, JuS 20 (1980), 553
sächsisches Recht →
Sachsenrecht
Lit.: Studien
zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen,
hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980
Sächsische Weltchronik ist die erste deutschsprachige Prosachronik. Als Verfasser scheidet
wohl Eike von Repgow aus. Auch die Abfassungszeit (Magdeburg 1229, 1230?, 1260,
Magdeburg vor 1276) ist umstritten.
Lit.: Eckhardt, K., Zur sächsischen Weltchronik, ZRG GA 53
(1933), 311; Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der sächsischen
Weltchronik, 1972; Menzel, M., Die sächsische Weltchronik, 1985; Wolf, J., Die
sächsische Weltchronik, 1997; Das Buch der Welt, hg. v. Herkommer, H., 2000
sachverfolgend, Adj,, reipersekutorisch (z. B. Klage auf Ausgleich eines Vermögensverlusts
im römischen Recht mit dinglichen Ansprüchen (lat. [F.] actio in rem) und
schuldrechtlichen Ansprüchen(lat. [F.] actio in personam) im Gegensatz zu pönal
Sachverhalt ist ein tatsächliches Geschehen (Sein). Dementsprechend ist der S. als solcher zumindest so alt wie das Recht. Als rechtlicher Grundbegriff begegnet S. anscheinend erst im späten 19. Jh., in dem es dem Tatbestand gegeübergestellt wird.
Lit.: Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995
Sachverständiger ist
der Mensch, der auf einem Gebiet besonderes Wissen hat, das er (einem Gericht
in einem Rechtsstreit) zur Verfügung stellen kann. Der Sachverständige ist
bereits dem Altertum bekannt. In der frühen Neuzeit gewinnt er wieder an
Gewicht. In der Regel erwirbt der Sachverständige sein Wissen aus einer
ausgeübten beruflichen Tätigkeit.
Lit.: Kaser §§ 84 I 2c, 87 II 6; Köbler, DRG 202; Bernet,
M., Der Beizug von gerichtlichen Sachverständigen im alten Zürich, 1967;
Jessnitzer, K., Der gerichtliche Sachverständige, 10. A. 1992; Olzen, D.,
Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Poppen, E., Die Geschichte
des Sachverständigenbeweises im Strafprozess, 1984
Sachwalter
Lit.: Winterberg, H.,
Der Sachwalter, ZRG GA 83 (1966), 295
Säcken ist der Vollzug der Todesstrafe durch Ertränken in einem zugebundenen Sack, wie er sich vor allem im römischen Altertum findet.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
sacramentum (lat. [N.]) Eid
Sacra Rota (F.) Romana (lat.) → Rota
Lit.: Kroeschell, DRG 2
sacrum imperium (lat. [N.])
heiliges Reich
sacrum imperium
Romanum (lat. [N.]) Heiliges römisches
Reich
Sage ist die
mündliche Überlieferung eines möglichen vergangenen, nicht sicher bezeugten,
in manchen Fällen aber vielleicht tatsächlich so oder so ähnlich abgelaufenen Geschehens.
Lit.: Ruoff, W., Eine späte Rechtssagenbildung, ZRG GA 92
(1975), 201; http://www.sagen.at
Saint Bertin
Lit.: Coopland, G., The
abbey of Saint-Bertin, 1914
Saint Denis
Lit.: Sonzogni, D., Le
chartrier de l‘abbaye de Saint-Denis en France, Pecia 2 (2003), 9 (bis 987 267
Stücke)
Saint-German, Christopher (um 1460-1540) wird nach der rechtswissenschaftlichen Ausbildung in Oxford und der rechtspraktischen Ausbildung an Inner Temple Inn of Court Anwalt. 1528 verfasst er den (lat.) Dialogus (M.) de fundamentalis legum et de conscientia (engl. Dialogues between a Doctor of Divinity and a Student of the Common Law, 1530/1, Zwiegespräch zwischen einem Lehrer und einem Studenten des gemeinen Rechts). Darin behandelt er die Ursprünge des kanonischen Rechtes und des englischen Rechtes und ermittelt die trotz der gegenseitigen Ausschließlichkeit bestehenden gemeinsamen Grundgedanken.
Lit.: Simpson,
A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Coquillette, D., The Civilian
Writers of Doctors’ Common, 1988
Saint Germain en Laye
westlich von Paris ist der Ort des ohne unmittelbare Beteiligung Österreichs an
den Verhandlungen geschaffenen Friedensvertrages zwischen den Alliierten des
ersten Weltkrieges und Österreich vom 10. 9. 1919, in dem → Österreich
auf den → Anschluss an das → Deutsche Reich und die allgemeine
Wehrpflicht verzichten muss und (Gebiete [z. B. Ostgalizien, Südtirol,
Trentino, Triest, Istrien u. a. an) Ungarn, die Tschechoslowakei, Polen, und
Jugoslawien verliert.
Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Kleinwachter, F., Von
Schönbrunn bis St. Germain, 1964
Saint-Simon, Claude Henri
de (1760-1825) ist ein bedeutsamer Vertreter des frühen Sozialismus in
Frankreich.
Lit.: Köbler, DRG 179
Saínz de Andino, Pedro
(1786-1863) wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Sevilla Anwalt,
Politiker und Staatsanwalt. Er verfasst das erste spanische Handelsgesetzbuch
(Código de comercio 1829, nach französischem Vorbild).
Lit.: Rubio, J., Sainz de Andino y la
codificación mercantil, 1950, 27
Saio ist im
frühmittelalterlichen gotischen Recht der Beauftragte eines Herrn.
Lit.: El Código de Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960; Morosi,
R., I saiones, Athenaeum NS 59 (1981), 150; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch,
1989, 459; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001
saisina (lat.-afrk.
[F.]) Ergreifung
Lit.:
Buisson, L., König Ludwig IX., der Heilige, und das Recht, 1954
Sakebaro (lat.-afrk.)
ist der königliche Amtsträger des fränkischen Frühmittelalters im Streitwesen
(„Streitmann“ als Helfer des Grafen).
Lit.: Kögel, R., Sagibaro, Z. f. d. A. 33 (1889), 13;
Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983
Sakralrecht ist im
römischen Recht das von der Priesterschaft und vom Zensor außerhalb der Gerichtsbarkeit
gehandhabte Recht.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 58 II 1, 60 I 2; Söllner § 5, 6
Sakrament (lat. [N.]
sacramentum, heilige Handlung) ist im antiken Rom das an einem heiligen Ort zu
hinterlegende Pfandgeld, im Christentum das in Christus gründende heilige
Zeichen. Im Hochmittelalter werden sieben Sakramente angenommen (Taufe,
Firmung, Buße, Krankensalbung, Eheschließung, Priesterweihe und Eucharistie).
Von ihnen anerkennt die protestantische Kirche nur Taufe und Abendmahl.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Sakrileg
(N.) Tempelschändung
Lit.: Glatthaar, M.,
Bonifatius und das Sakrileg, 2004
Säkularisierung oder Säkularisation (zu lat. saeculum [N.] Geschlecht, Zeitalter, zuerst S. als Wechsel eines Ordensgeistlichen in den Weltklerus, 8. Mai 1646 secularisieren als kirchliches Gut in weltliche Herrschaft bringen) ist die bereits im römischen Altertum sichtbare Verweltlichung kirchlicher Angelegenheiten, insbesondere die Verstaatlichung von Kirchengut (z. B. 1802 linksrheinisch nach französischem Recht bzw. im → Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803, rund 10000 Quadratkilometer Gebiet mit 3161776 Untertanen betreffend) sowie die allgemeine Entkirchlichung.
Lit.: Köbler, DRG 84, 132; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 5 1984, 789; Erzberger, M., Die Säkularisation in Württemberg, 1902,
Neudruck 1974; Die Säkularisation 1803, hg. v. Oer, R. Freiin v., 1970; Hömig,
K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Müller, M., Säkularisation und
Grundbesitz, 1980; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v.
Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der
Säkularisation, 1983; Schieder, W./Kuhe, A., Säkularisation und Mediatisierung,
1987; Zur Säkularisierung geistlicher Institutionen, hg. v. Crusius, I., 1996;
Ziekow, J., Zur Geschichte der Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts,
ZNR 18 (1996); Säkularisierung, hg. v. Lehmann, H., 1997; Säkularisation der
Reichskirche 1803, hg. v. Decot, R., 2002; Kirchengut in Fürstenhand, hg. v.
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg u. a., 2003; Alte Klöster –
neue Herren. Die Säkularisation im Südwesten, hg. v. Himmelein, V., 2003; Die
Säkularisation in Bayern, hg. v. Schmid, A., 2003; Bayern ohne Klöster?, hg. v.
Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, 2003; Annen, M.,
Säkularisierung im 19. Jahrhundert, 2004; Die Säkularisation im Prozess der
Säkularisierung Europas, hg. v. Blickle, P., 2005; Friedrich, W.,
Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Pohlig, M. u. a., Säkularisierungen in
der frühen Neuzeit, 2008; Hannöver, B., Die Säkularisation der
Zisterzienserinnenklöster in Westfalen 1803 bis 1810, 2009
sala (ahd. [F.])
Gabe, Übergabe, vgl. engl. sale
Lit.: Köbler, DRG 90; Köbler, WAS
Salamanca am Tormes
ist seit 1134 (Erwähnung eines Scholasters) bzw. 1218/9 Sitz einer Universität.
Im 16./17. Jh. wird auf spätscholastischer Grundlage in der Schule von S. die
Erkenntnis des → Naturrechts besonders gefördert.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Köck, H., Der Beitrag der
Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987;
Rodríguez Cruz, A., Historia de la universidad de Salamanca, 1990
Salbuch ist im
Mittelalter das Güter betreffende Buch (Güterverzeichnis, Urbar).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte und
Kritik der frühmittelalterlichen Güterverzeichnisse, Archiv f. Diplom. 4
(1958), 183
Salbung ist die
Einreibung eines Menschen mit Salböl im Zuge einer symbolischen Handlung. Die
S. stammt aus dem Orient. (751? bzw.) 754 salbt Papst Stephan II. den
fränkischen König Pippin und seine Söhne Karl und Karlmann.
Lit.: Kutsch, E., Salbung als Rechtsakt im Alten Testament,
1963; Jäschke, K., Bonifatius und die Königssalbung, Archiv f. Diplom. 23
(1977), 25; Angenendt, A., Rex et sacerdos, FS K. Hauck, 1982, 100; Enright,
M., Iona, Tara and Soissons, 1985; Nehlson, J., Politics and Ritual, 1986;
Semmler, J., Der Dynastiewechsel von 751, 2003
Sale of Goods Act (1893) ist das das Warenkaufsrecht
ordnende Gesetz des englischen Rechts.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Salerno in Kampanien
wird 197 v. Chr. als römische Kolonie gegründet. Über Oströmer und Langobarden
kommt es 1077 an die Normannen. Im 11. Jh. (995-1087) entsteht dort als
möglicherweise erste Universität des europäischen Mittelalters eine berühmte
Schule der Medizin. Nach deren Aufhebung (1812) wird 1944 eine Universität
gegründet.
Lit.: Amarotta, A., Salerno, 1989
Salfranke ist der
dem salischen Teilstamm angehörende → Franke. → Pactus legis Salicae
Lit.: Köbler, DRG 80
Salgut (N.) Herrengut
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Landau, G., Das Salgut, 1862;
Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953; Schmidt-Wiegand, R., Sali, 1968
Salicetus, Bartholomäus
ist ein in Bologna zwischen 1330 und 1340 geborener, in Bologna ausgebildeter,
vielleicht ab 1363 lehrender, am 28. 12. 1412 verstorbener Jurist (Commentaria
in Codicem [Kommentare zum Codex], commentaria in Digestum vetus [Kommentare
zum ersten Teil der Digesten], consilia [Gutachten], tractatus de mora
[Abhandlung über Verzug], repetiones [Wiederholungen], lecturae [Lesungen]).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 796
Salier ist der
Angehörige des von 1024 bis 1125 im Deutschen Reich als Könige herrschenden
fränkischen Geschlechts (Konrad II. 1024-1039, Heinrich III. 1039-1056,
Heinrich IV. 1056-1106, Heinrich V. 1106-1125).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Bosl, K., Die
Reichsministerialen der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.;
Werle, H., Das salische Erbe, Diss. jur. Mainz 1952; Boshof, E., Die Salier,
1987, 2. A. 1992, 3. A. 1995, 4. A. 2000, 5. A. 2008; Weinfurter, S.,
Herrschaft und Reich der Salier, 1991; Die Salier und das Reich, hg. v.
Weinfurter, S., Bd. 1ff. 1992, 2. A. 1992; Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII, hg.
v. Seyffert, H., 1996; Struve. T., Die Salier und das römische
Recht, 1999; Wolfram, H., Konrad II., 2001; Körntgen, L., Ottonen und Salier,
2002, 2. A. 2008; Weinfurter, S., Das Jahrhundert der Salier, 2004; Althoff,
G., Heinrich IV., 2006, 2. unv. A. 2008; Laudage, J., Die Salier, 2006; Struve,
T., Salierzeit im Wandel, 2006; Salisches Kaisertum und neues Europa, hg. v.
Schneidmüller, B. u. a., 2007; Die Salier, das Reich und der Niederrhein, hg.
v. Struve, T., 2008
Salische Erbfolge ist die
Bevorrechtigung des ältesten Sohnes in der Erbfolge nach fränkischem Recht.
Lit.: Scheidgen, H., Die französische Thronfolge, Diss.
phil. Bonn 1976; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht,
Gedächtnisschrift W. Ebel, hg. v. Landwehr, G., 1982; Krynen, J., L’Empire du
roi, 1993
Salland (N.) Herrenland
Salmann ist der →
Treuhänder im mittelalterlichen Recht (ältester chronikalischer Beleg
vielleicht 1123/1124).
Lit.: Hübner; Beyerle, K., Das Salmannenrecht, 1900; Kober,
A., Das Salmannenrecht und die Juden, 1907; Wallach, L., Der älteste
chronikalische Beleg für salmannus, ZRG GA 54 (1934), 240; Scherner, K.,
Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971
Salvatorische Klausel
ist eine befreiende Klausel (z. B. in der → Constitutio Criminalis
Carolina von 1532, die ausdrücklich die hergebrachten Bräuche partikularer Art
unberührt lassen will).
Lit.: Kroeschell, DRG; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung, ZRG GA 77 (1960), 288
Salz ist das aus Natrium und Chlor
gebildete Gewürz.
Lit.: Volk, O.,
Salzproduktion und Salzhandel mittelalterlicher Zisterzienserklöster, 1984
Salzburg an der Salzach wird 739 Bistum und 798 Erzbistum. 1328 erhält das Hochstift ein eigenes Landrecht. Im 14. Jh. löst es sich als Erzstift von Bayern. 1622 wird S. Sitz einer bis 1810/1818 bestehenden und 1968 wieder eröffneten Universität. 1731/1733 werden 10500 Protestanten vertrieben. 1803 wird S. säkularisiert (Großherzog von Toskana) und gelangt 1805, 1809 an Bayern und 1816 an → Österreich (Oberösterreich), wo es 1850 eigenes Kronland wird (1920 Bundesland, 1939-1945 Reichsgau, 1945-1955 Besatzungszone der Vereinigten Staaten von Amerika).
Lit.: Köbler, DRG 220; Salzburger Urkundenbuch, hg. v.
Hauthaler, W. u. a., Bd. 1f. 1898f.; Bittner, L., Die Geschichte der direkten
Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Mell, R., Abhandlungen zur
Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, 1903; Mayr, J., Geschichte der
salzburgischen Zentralbehörden, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde, 54-54 (1924-1926); Putzer, P., Das Privatrecht, FS H. Eichler,
1977, 503; Pichler, J., Die ältere ländliche Salzburger Eigentumsordnung, 1979;
Grass, N., Kirchenrecht und Kirchengeschichte, 1985; Hartmann, P., Das
Hochstift Passau und das Erzstift Salzburg, 1988; Zaisberger, F., Die Salzburger
Landtafeln, 1990; Wolfram, H., Salzburg, Bayern und Österreich, 1995; Salzburg,
hg. v. Hanisch, E. u. a., 1997; Zaisberger, F., Geschichte Salzburgs, 1998;
Ortner, F., Salzburgs Bischöfe, 2005; Die Säkularisation Salzburgs 1803, hg. v.
Ammerer, G. u. a., 2005; Quellen zur Salzburger Frühgeschichte, hg. v. Wolfram,
H., 2006; Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008
Salzregal →
Regal
Salzwedel
Lit.: Stephan, J., Die Vogtei Salzwedel, 2006
Same ist der Angehörige eines nordskandinavischen, nichtindogermanischen
Volkes (Lappen in Norwegen und Schweden).
Lit.: Firsching,
A., Die Samen, ihre Rechtsstellung in Schweden und ihre Rechtsstellung im
Lichte der Indigenous Peoples weltweit, 2002
sanatio (lat. [F.]) Heilung
Sanhuri, Al (Alexandria 1895-1971) passt nach dem Rechtsstudium in Kairo und in Frankreich das islamische Recht von → Saria und → Megelle im ägyptischen Zivilgesetzbuch modernen Erfordernissen an.
Lit.: Hill, E., Al-Sanhuri and Islamic Law, 1987; Ende,
W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989
Sankt Blasien
Lit.: Urkundenbuch des
Klosters S(ank)t Blasien im Schwarzwald, bearb. v. Braun, J., 2003
Sankt Gallen südlich des Bodensees erwächst aus einer um 612 errichteten Zelle des heiligen Gallus. Im Frühmittelalter ist es einer der bedeutendsten Bildungsorte des fränkisch-deutschen Reichs, dem zwischen 760 und 950 etwa 500 Konventuale angehören, von denen ein Viertel als Urkundenschreiber tätig ist. 1411/1412 bzw. 1451 wenden sich die Stadt und die Abtei der Eidgenossenschaft der → Schweiz zu.
Lit.: Ratpert, Sankt Galler Klostergeschichten (Casus
sancti Galli), hg. v. Steiner, H., 2002; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg.
v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Gmür, M., Die Rechtsquellen des Kantons
Sankt Gallen, Bd. 1ff. 1903ff.; Cavelti, L., Entwicklung der Landeshoheit der
Abtei Sankt Gallen in der alten Landschaft, 1914; Wyßmann, Werner,
Rechtsgeschichte des sanktgallischen Rheintals, 1922; Schelling, A.,
Urkundenbuch zur st. gallischen Handels- und Industriegeschichte, 1922f.;
Ganahl, K., Studien zur Verfassungsgeschichte der Klosterherrschaft Sankt
Gallen, 1931; Moser-Nef, C., Die freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen,
Bd. 1ff. 1931ff.; Ehrenzeller, W., Kloster und Stadt Sankt Gallen im
Spätmittelalter, 1931; Moser-Nef, C., Die freie Reichsstadt und Republik Sanct
Gallen, (1934); Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen, 1958; Müller, W., Freie
und leibeigene Sankt Galler Gotteshausleute, 1961; Müller, W., Die Abgaben von
Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Müller, W., Die Offnungen der
Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Müller, W., Landsatzung und Landmandat der
Fürstabtei St. Gallen, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,456, 3,2,1959; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St.
Gallen, 1974; Schauri, F., Karl Beda Müller-Friedberg (Sohn) und die sankt
gallischen Bestrebungen zur Kodifikation des Privatrechts, 1975; Mettler, T., Konrad
Meyer (1780-1813) und die sankt gallischen Strafgesetze der Mediation, 1979;
Chartularium Sangallense, hg. v. Clavadetscher, O., Bd. 3ff. 1982´3ff.;
Kommentar zu Ausstellungsdaten, Actum- und Güterorten der älteren St. Galler
Urkunden, hg. v. Borgolte, M. u. a., 1985; Ziegler, E., Sitte und Moral in
früheren Zeiten, 1991; Die Kultur der Abtei Sankt Gallen, hg. v. Vogler, W., 2.
A. 1992; Robinson, P., Die Fürstabtei St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529,
1995; Sankt Gallen, hg. v. Wunderlich, W., Bd. 1 1998; Das Kloster Sankt Gallen
im Mittelalter, hg. v. Ochsenbein, P., 1998; Ratpert, St. Galler
Klostergeschichten, hg. v. Steiner, H., 2002; Schaab, R., Mönch in Sankt
Gallen, 2003; Jordan, G., Nichts als Nahrung und Kleidung, 2007
Sankt Goar
Lit.: Zwischen Rhein
und Mosel, hg. v. Heyen, F., 1966
Sankt Pölten
Lit.: Beiträge zur
Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Gutkas, K., 1959
Sankt Trudpert
Lit.: Beiträge zur
Geschichte von Sankt Trudpert, hg. v. Mayer, T., 1937
San Marino ist die vielleicht auf eine Siedlung des dalmatinischen Mönchs Marinus (6. Jh.) zurückgehende, seit dem 13. Jh. Eigenständigkeit gewinnende Republik in Mittelitalien mit den Orten Domagnano, Villa, Fiorentino, Montegiardino, Faetano und Serravalle (1371 1000 Einwohner). Die erste überlieferte Fassung des Rechts San Marinos stammt wohl aus dem ausgehenden 13. Jh.
Lit.: La tradizione politica de San Marino, hg. v.
Iwaneijko, E., 1988; Vasina, E., San Marino, LexMA 7 1995, 1178; Reinkenhof,
M., Die Anwendung von ius commune in der Republik San Marino, 1997
Santiago de Compostela in
Galicien, wo um 830 die Gebeine des Apostels Jakobus gefunden worden sein
sollen, wird Sitz eines Bischofs, 1120 eines Erzbischofs und 1501 einer
Universität. Es ist einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte Europas.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Santiago, 1993
sapiens (lat.)
wissend, weise
Sarazene (M.) →
Araber
Sardinien ist die nach
den bereits am Ende des 13. Jh.s v. Chr. in ägyptischen Quellen bezeugten
Sarden benannte Insel im Mittelmeer, die über Karthager, Römer, Vandalen,
Oströmer und Ostgoten in der Mitte des 11. Jh.s an Pisa gelangt. Nach dem
Untergang der → Staufer wird 1297 Aragonien vom Papst mit S. belehnt.
1713/1714 fällt S. über Spanien erbweise an → Österreich, das es
1718/1720 im Tausch gegen Sizilien an Savoyen bzw. Piemont gibt. Das Königreich
Sardinien-Piemont wird zur Keimzelle des am 17. 3. 1861 ausgerufenen Königreichs
→ Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pitzorno, B., Le leggi
spagnuole nel regno di Sardegna, 1919; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,101, 3,2,2363, 3,3,3225; Pauli, R., Sardinien, 1986; Casula, F.,
La Sardegna, 1990
Saria (Scharia, Weg
zur Tränke) ist das auf dem → Koran beruhende, im 7. bis 10. Jh.
entstandene islamische Recht. Die S. wird als gottgewollte Ordnung verstanden.
Im 19. Jh. wird die S. verschiedentlich durch europäisches Recht
zurückgedrängt. Seit der Mitte des 20. Jh.s erfolgt in einzelnen Ländern eine
Rückbesinnung auf sie. → Islam
Sassari (1188
Tathari) in Sardinien wird 1236 freie Kommune. 1441 wird es Sitz des
Erzbischofs von Torres. 1450 erhält es eine Universität.
Lit.: Castellaccio, A., Sassari
medioevale, 1992
satisfactio (lat. [F.])
Genugtuung
Satzung ist die
gemeinsame Festsetzung, im Hochmittelalter vor allem das objektive gesetzte Recht
und das vereinbarte (und damit gesetzte)
→ Pfand, in der Neuzeit das von einer mit Autonomie begabten
juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts geschaffene Recht
oder → Statut. Im Rahmen des Pfandrechts ist die sog. ältere S. ein Besitzpfand
(Besitz des Pfandgläubigers) und Nutzungspfand, die sog. jüngere S. ein
besitzloses Pfand (Besitz des Pfandschuldners).
Lit.: Hübner 402, 469; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125;
Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Ebel, W., Geschichte
der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Schulze, R.,
Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981),
157; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 10
(1983), 385
Säumnis ist das
Nichterscheinen oder Nichtverhandeln einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung
zu einem zur notwendigen Verhandlung bestimmten Termin. Dies zieht schon früh
nachteilige Folgen für den Säumigen nach sich.
Lit.: Söllner § 8; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966
Savigny, Friedrich
Carl von (Frankfurt am Main 21. 2. 1779-Berlin 25. 10. 1861), aus begütertem,
bis 1630 lothringischem Adel, 1791/1792 verwaist, wird nach dem Rechtsstudium
in Marburg (1795, Weiss) und Göttingen (mit 21 Jahren) 1800 Dozent in Marburg,
(mit 24 Jahren) 1803 außerordentlicher Professor, 1808 nach einer längeren
Bildungsreise ordentlicher Professor in Landshut und 1810 an der neuen
Universität → Berlin. Sein im Grunde unhistorisches Buch „Das Recht des
Besitzes“ (1803) macht ihn wegen seiner beispielhaften Methodik allgemein
bekannt. S. vereinigt dabei → Immanuel Kants (1724-1804) Vorstellung,
dass als einziges angeborenes Recht des Menschen seine Freiheit bestehe, mit
Gustav → Hugos (1764-1844) Forderung nach begrifflich-systematischer
Durchdringung des positiven Rechtsstoffes und ermittelt in manchmal fast
gewaltsamem Umgang mit den Quellen konstruktiv-systematisch den Besitzwillen
als allgemeines logisches konstituierendes Element. Naturrecht lehnt er ab.
Zunehmend versteht er grundsätzlich das Recht als an seine geschichtlichen
Voraussetzungen (z. B. Deutschlands an das von Anfang an bestehende Fehlen
eines tonangebenden Mittelpunkts) gebunden und wendet sich gegen die
Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe.
Außerdem will er schon im Wintersemester 1802/1803 in der Methodenlehre die
Interpretation voraussetzungslos beschreiben, indem er sie auf ihre Geschichte
(historisch) und ihre Anschlüsse an die Gesellschaft (systematisch) beschränkt
und damit den Wandel von der ständischen Gesellschaft zur funktionsorientierten
Gesellschaft auch im Recht widerspiegelt. Quelle des Rechts ist ihm das Volk,
so dass er alles Recht zunächst als Gewohnheitsrecht entstehen lässt. Mit
seinen Vorstellungen wird er zum Begründer der → historischen
Rechtsschule, der nach der Befreiung Europas von der Vorherrschaft Napoleons in
der Völkerschlacht von Leipzig (1813) im sog. → Kodifikationsstreit des
Jahres 1814 mit der seit 1808 theoretisch vorbereiteten Schrift „Vom Beruf
unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ gegen Thibaut ein
deutsches Nationalgesetzbuch ablehnt. Auf christlicher Grundlage wendet er
sich gegen die jüdische Emanzipation. Seine späteren Hauptwerke sind die
Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter (1815ff.) und das System des
heutigen römischen Rechtes (1840ff.). In seiner Vorlesung über das Allgemeine
Landrecht (Preußens) unterzieht er dieses einem oft kritischen Vergleich mit
dem römischen Recht. In verschiedenen dogmatischen Bereichen (z. B. →
Einigung, → internationales Privatrecht, → Urheberrecht) wirkt er
wegweisend. Wenig sichtbaren Erfolg beschert ihm sein viele Grundlagen
schaffendes Wirken als Gesetzrevisionsminister in Preußen (1842-1848).
Lit.: Söllner §§
16, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180, 186, 187, 206, 207, 208, 212, 214;
Steig, R., Achim von Arnim über Savignys Buch vom Beruf unsrer Zeit für
Gesetzgebung, ZRG GA 13 (1892), 228; Meier, E. v., Savigny, das gemeine Recht
und der preußische Staat im Jahre 1818, ZRG GA 30 (1909), 318; Thibaut und
Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Rudorff, H., Jacob Grimm über Savigny, ZRG GA
36 (1915), 478; Dahl, F., Nordische Stimmen über Savigny und Gans, ZRG GA 37
(1916), 511; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des
Internationalprivatrechts, 1923; Stoll, A., Friedrich Karl von Savigny, Bd.
1f., 1927ff.; Felgenträger, W., Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre,
1927; Wellek, R., Ein unbekannter Artikel Savignys über die deutschen
Universitäten, ZRG GA 51 (1931), 529; Hennig, J., Vom Beruf unserer Zeit und
Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, ZRG GA 56 (1936), 394;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Schaffstein, F., Friedrich Carl von Savigny und Wilhelm von Humboldt, ZRG GA 72
(1955), 154, Wieacker, F., Savigny und die Gebrüder Grimm, ZRG GA 72 (1955),
232; Thieme, H., Savigny und das deutsche Recht, ZRG GA 80 (1963), 1; Gmür, R.,
Savigny und die Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Strauch, D., Recht,
Gesetz und Staat bei Friedrich Carl von Savigny, 2. A. 1963; Wieacker, F.,
Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Caroni, P., Savigny
und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Thibaut und Savigny, hg. v.
Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Schubert, W., Savigny und die
rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Flume, W.,
Savigny und die Lehre von der juristischen Person, FS F. Wieacker, 1978, 340;
Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Vorträge zum 200.
Geburtstag von F. C. v. Savigny, hg. v. Coing, H., 1980; Hall, W. van,
Friedrich Carl von Savigny als Praktiker, ZRG GA 99 (1982), 284; Hammen, H.,
Die Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die allgemeinen dogmatischen
Grundlagen, 1983; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich
Carl von Savigny, 1984; Schröder, H., Friedrich Karl von Savigny. Geschichte
und Rechtsdenken beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in Deutschland,
1984; Behrends, O., Geschichte, Politik und Jurisprudenz in F. C. v. Savignys
System, (in) Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985, 257; Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft
Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199; Ebel,
F., Savigny officialis, 1987; Rückert, J., Dogmengeschichtliches und Dogmen im
Umkreis Savignys, ZRG GA 104 (1987), 666; Wadle, E., Savignys Beitrag zum
Urheberrecht, (in) Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Jakobs, H., Die
Begründung der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1992; Rückert, J., Savignys
Konzeption von Jurisprudenz und Recht, TRG 61 (1993), 65; Savignyana. Bd. 1
Pandektenvorlesung 1824, hg. v. Hammen, H., Bd. 2 Vorlesungen über juristische
Methodologie 1802-42, hg. v. Mazzacane, A., 2. A. 2004, Bd. 3
Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C., 1994ff.; Nörr, D., Savignys
philosophische Lehrjahre, 1994; Süchting, G., Geschichtlichkeit des Rechts bei
Friedrich Carl von Savigny, Rechtstheorie 1995, 365; Fälle und Fallen in der
neueren Methodik des Zivilrechts seit Savigny, hg. v. Rückert, J., 1993;
Zimmermann, R., Savignys Vermächtnis, 1998; Meder, S., Urteilen, 1999;
Rosenberg, M. Frhr. v., Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) im Urteil seiner
Zeit, 2000; Savigny, F. v., Politik und neuere Legislationen, hg. v. Akamatsu,
H. u. a., 2000; Schäfer, F., Savigny und das Landrecht in Kollegnachschriften,
ZRG GA 118 (2001), 367; Henne, T./Kretschmann, C., Der christlich fundierte
Antijudaismus Savigny, ZRG 120 (2003), 250; Arnswaldt, W. v., Savigny als
Strafrechtspraktiker, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes,
2003; Savignys Vorbereitung einer zweiten Auflage des System des heutigen
römischen Rechts, hg. v. Murakami, J. u. a., 2003; Meder, S., Missverstehen und
Verstehen, 2004; Savigny, F., Pandekten Obligationenrecht Allgemeiner Teil, hg.
v. Avenarius, M., 2008
Savoyen in den
Westalpen entwickelt sich aus einigen Grafschaften des 10. Jh.s. Seit dem 12.
Jh. bzw. 1419 ist es mit Piemont verbunden, seit 1720 mit → Sardinien.
Vom Königreich Sardinien-Piemont nimmt die staatliche Einigung → Italiens
(1860, 17. 3. 1861 Königreich) ihren Anfang. S. selbst fällt 1860 an
Frankreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, S., Die
Grafen von Savoyen, 1900; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, Savoyen und die
Reichsstadt Besançon, ZRG GA 79 (1962), 106; Mariotte-Löber, R., Ville et
seigneurie, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Brondy, R. u. a., La Savoie, 1984; La maison de
Savoie et le pays de Vaud, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 1989
scabinus (lat.-afrk. [M.]) Schöffe
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
86; Köbler, LAW
Scaccia, Sigismondo (16./17. Jh.)
wird nach dem Rechtsstudium Anwalt in Rom. In seinem (lat.) Tractatus (M.) de
commerciis et cambio (Abhandlung von Handel und Wechsel) erörtert er die
Handelsgeschäfte im Hinblick auf das → kanonische Zinsverbot und das
Wechselrecht. Damit wird er einer der Begründer des besonderen →
Handelsrechts.
Lit.: Scherner, K., Die Wissenschaft des Handelsrechts,
(in) Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977
Scaevola, Quintus Cervidius (2. Jh.) ist 175 (lat.) praefectus
(M.) vigilum (Wachepräfekt). Er ist der
bedeutendste Berater Kaiser Marc Aurels (161-180) und wohl Lehrer des →
Paulus. Seine wichtigsten Schriften sind 40 (lat.) libri (M.Pl.) digestorum
(Bücher der Digesten) und 6 libri responsorum (Bücher der Antworten) mit
Rechtsgutachten und Einzelentscheidungen.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 217; Schulz, F., Geschichte der
römischen Rechtswissenschaft, 1961, 294f.
Scammonia
Lit.: Goldmann, E.,
Scammonia, ZRG GA 51 (1931), 510
scandalum (lat. [N.]) Ärgernis
Schaden →
Schadensersatz
Schadensersatz (Schadenersatz) ist der Ersatz
einer unfreiwilligen Einbuße an rechtlich geschützten Gütern auf Grund eines
bestimmten Ereignisses durch einen anderen. Erforderlich ist jeweils ein
Rechtssatz, der S. (Schadensüberwälzung vom Opfer auf einen anderen) gebietet.
Der S. ist dem römischen Recht bekannt (z. B. lex Aquila de damnis 286 v.
Chr.). Im Mittelalter tritt er hervor, als die Komposition (→ Kompositionensystem)
sich allmählich in das peinliche → Strafrecht und das private
Schadensersatzrecht teilt. Er ist stes an bestimmte Voraussetzungen gebunden
(z. B. lat. iniuria Unrecht, culpa Schuld und damnum Schaden). Im 19. Jh. wird
für einen S. ein Verschulden verlangt (Ihering) und zugleich (unter dem
Einfluss Savignys) für besondere Bereiche (z. B. Eisenbahn) die kein
Verschulden erfordernde → Gefährdungshaftung eingeführt (Preußen
1838). Im 20. Jh. geht die allgemeine Entwicklung zur Kommerzialisierung
immaterieller Schäden. Neuseeland ersetzt 1972 die Schadenshaftung durch eine
staatliche Unfallversicherung (Accident Compensation Scheme).
Lit.: Kaser § 35 I; Söllner § 8; Hübner 552, 608;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 46, 65, 128, 273; Schmidt, A., Die
Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten, 1885; Hammer, O., Die
Lehre vom Schadensersatz nach dem Sachsenspiegel, 1885; Pennrich, W., Der
Inhalt des Schadensersatzes im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1953
masch.schr.; Lange, H., Schadensersatzrecht und Privatstrafe, 1955; Kaufmann,
E., Das spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht und die Rezeption
der „actio iniuriarum aestimatoria“, ZRG GA 78 (1961), 93; Medicus, D., Id quod
interest, 1962; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, T., Die
Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977; Hausmaninger, H., Das
Schadensersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1993; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985; Wolter, U., Das Prinzip der Naturalrestitution in §
249 BGB, 1985; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Mohnhaupt,
Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Descamps, O., Les origines de la responsabilité pour faute personnelle
dans le code civil de 1804, 2005; Vergau, H., Der Ersatz immateriellen
Schadens, 2006
Schadensklage ist
im Spätmittelalter die auf Geldzahlung wegen behaupteten Unrechts lautende
Klage (in Ingelheim meist auf 100, 200, 400, 500 oder 1000 Gulden).
Lit.: Hübner 552; Kaufmann, E., Das spätmittelalterliche
deutsche Schadensersatzrecht, ZRG GA 78 (1961), 93
Schaffhausen am
Rhein (am Rheinfall) ist der Handelsplatz, der 1049 an das dort entstandene
Benediktinerkloster Allerheiligen gelangt. 1190/1218 wird die hieraus entwickelte
Stadt Reichsstadt. 1454 schließt sich S. der Eidgenossenschaft der →
Schweiz als zugewandter Ort an und tritt ihr 1501 als zwölfter Ort bei. Im 19.
Jh. kommt das privatrechtliche Gesetzbuch → Zürichs zur Anwendung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Werner, H.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Schaffhausen, 1907; Hedinger, G.,
Landgrafschaften und Vogteien im Gebiet des Kantons Schaffhausen, 1922;
Pestalozzi-Kutter, T., Kulturgeschichte des Kantons Schaffhausen, 1928; Leu,
G., Schaffhausen unter der Herrschaft der Zunftverfassung, 1931; Schudel, R.,
Geschichte der Schaffhauser Staatsverfassung 1798-1834, 1933; Schudel, E., Der
Grundbesitz des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen, 1936; Breiter, E., Die
Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Reiniger, K., Die Verfassung der Stadt
Schaffhausen 1831-1918, 1968; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das
Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Schib, K., Geschichte der Stadt
und Landschaft Schaffhausen, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,457; Schultheiss, M., Institutionen und Ämterorganisation der Stadt
Schaffhausen 1400-1500. 2006
Schafott ist die
Bühne, auf der in der frühen Neuzeit der → Scharfrichter meist auf dem
Marktplatz die Todesstrafe der Enthauptung vollzieht. Im 19. Jh. verschwindet
das S.
Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Schildt,
E., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Schandgerät ist das
zur Ausführung einer Schandstrafe verwendete Gerät (z. B. Halseisen, Pranger,
Schandkragen, Schandkrone).
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen, 1901,
Neudruck 1970; Löning, G., Schandlaken, Schandmantel, Schandkleid, ZRG GA 64
(1944), 335; Brückner, W., Das Bildnis in rechtlichen Zwangsmitteln, FS Harald
Keller, 1963, 111; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Schandstrafe ist
die in einer vorübergehenden Ehrenminderung bestehende Strafe (z. B. Tragen
eines Strickes, eines Hundes, eines Rades, eines Steines, Halseisen,
Eselreiten) des Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafe, 1909,
Neudruck 1970
Schankrecht ist das
ausschließliche Recht zum Ausschank von Wein oder Bier an einem Ort. Das S.
wird meist von einem Herrn verliehen.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962
Schard, Simon
(Neuhaldensleben 1535-Speyer 28. 6. 1573) wird nach dem Rechtsstudium in
Leipzig und Basel Beisitzer am → Reichskammergericht. 1566 veröffentlicht
er in (lat.) De jurisdictione etc. (Von der Rechtsprechung usw.) spätmittelalterliche
Schriften zum Staat. Posthum erscheint 1582 sein Lexicon iuridicum
(Rechtslexikon).
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978
Scharia → Saria
Scharfrichter ist
zwischen Hochmittelalter und 19. Jh. der das Todesurteil Vollziehende.
Lit.: Keller, A., Der Scharfrichter, 1921; Schuhmann, H.,
Gestalt und Funktion des Scharfrichters, Diss. jur. Bonn 1964; Schuhmann, H.
Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder,
1978; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994; Pritzker-Ehrlich, M., Schweizer
Scharfrichterkandidaten 1938/39, 1999; Pechaček, P., Scharfrichter und
Wasenmeister, 2003
Schatz ist die
bewegliche Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht
mehr zu ermitteln ist. Die Behandlung des Schatzfundes im römischen Recht ist
unterschiedlich (anfangs wohl Eigentum der res nullius an Grundeigentümer, nach
Hadrian zur Hälfte an den Finder und den Grundeigentümer,). Im Mittelalter hat
der König das Schatzregal. Die unterschiedlichen Lösungen werden vielfach
miteinander verflochten.
Lit.: Kaser §§ 20 I 1, 26 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 40, 113; Zeumer, K., Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel,
MIÖG 22 (1901), 420; Eckstein, E., Das Schatz- und Fundregal, MIÖG 31 (1910),
193; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35,
ZRG GA 74 (1957), 178; Fischer zu Cramburg, R., Das Schatzregal, 2001; Schmidt,
A., Der Schatzfund im 19. Jahrhundert, 2002; Hardt, M., Gold und Herrschaft,
2004
Schatzwurf ist die
durch Ausderhandschlagen einer Münze als Abgabensymbol im frühen Mittelalter
erfolgende → Freilassung.
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1
1931, 240
Schaumburg (Schaumburg-Lippe, Schauenburg)
Lit.: Wahl, F.,
Verfassung und Verwaltung Schaumburg-Lippes, 1938; Möller, H., Studien zur
Rechtsgeschichte der „schauenburgischen Lande“ in Holstein, 1939; Feige, R.,
Die Statuten des Fleckens und der Stadt Sachsenhagen, Schaumburger Heimat, Bd.
1 1939, 103; Engel, F., Die schaumburg-lippischen Archive, 1955; Husmeier, G.,
Geschichtliches Ortsverzeichnis für Schaumburg, 2008
Scheck ist die der Erleichterung des Zahlungsverkehrs dienende bestimmte Anweisung auf ein Bankguthaben. Im 19. Jh. wird das englische Lehnwort cheque (die auf den Staatsschatz ausgestellte Anweisung) aufgenommen. Ein besonderes Scheckgesetz wird im Deutschen Reich 1933 erlassen.
Lit.: Köbler, DRG 184; Cohn, G., Zur Geschichte des
Schecks, Z. f. vergl. Rechtswiss. 1 (1878), 117; Spengler, M., Die Entstehung
des Scheckgesetzes vom 11. März 1908, 2008
Scheidebrief (lat.
libellus [M.] repudii) ist im
spätantiken römischen Recht nach hellenistischem Vorbild die Form der Ehescheidungserklärung.
Lit.: Kaser § 58 VII 2c
Scheidung →
Ehescheidung
Schein →
Rechtsschein
Scheinehe ist die nur zum Schein
geschlossene Ehe. Sie ist nichtig.
Lit.: Eisfeld, J., Die Scheinehe in Deutschland im 19. und 20.
Jahrhhundert, 2005
Scheingeschäft ist die einverständliche Abgabe einer empfangsbedürftigen → Willenserklärung zum Schein. Das S. ist im spätantiken römischen Recht unwirksam. Diese Lösung wird seit dem Spätmittelalter aufgenommen.
Lit.: Kaser § 8 III; Hübner; Wesener, Das Scheingeschäft,
FS H. Hübner, 1984, 337; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005; Lumpp, S., Die
Scheinehenproblematik, 2007
Scheinprozess ist
die Verwendung des Verfahrens zur Erreichung außerprozessualer Ziele. Schon das
altrömische Recht kennt die Übertragung einer Sache durch (lat. [F.])
→ in iure cessio (In-das-Gericht-Gehen). Im Frühmittelalter kann durch S.
eine unscheltbare → Königsurkunde über ein Recht an einem Gut erlangt
werden.
Lit.: Köbler, DRG 21, 90; Costede, J., Scheinprozesse,
Diss. jur. Göttingen 1968
Schelling
Lit.: Jäger, G.,
Schellings politische Anschauungen, 1939; Hollerbach, A., Der Rechtsgedanke bei
Schelling, 1957; Hofmann, M., Über den Staat hinaus, 1999
Schengener Abkommen ist das am 14. 6. 1985 zwischen den Regierungen Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs getroffene, am 25. 3. 1995 in Kraft getretene Abkommen zum schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, dem sich seitdem weitere Staaten angeschlossen haben (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Österreich, Griechenland, 1996/2001 Dänemark, Island, Norwegen, Finnland, Schweden, 21. 12. 2007 Tschechien, Ungarn, Polen, Slowakie, Slowenien, Estland, Litauen, Lettland, Bulgarien, Rumänien, Malta).
Lit.: Hummer, W./Obwexer, W., Die Schengener Abkommen, 1996
Schenk ist am
fränkisch-deutschen Hof und später auch an landesherrlichen Höfen der für die
Getränke zuständige Amtsträger. Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation)
ist der König von Böhmen Erzschenk.
Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Köbler, DRG 83, 112; Buchner,
M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG
34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989)
Schenkung ist die
Hingabe (z. B. Übereignung, Abtretung) eines Gegenstands auf Dauer an einen
anderen. Im klassischen römischen Recht ist die (lat. [F.])
donatio zunächst nur ein Rechtfertigungsgrund für eine unentgeltliche
Zuwendung, im spätantiken römischen Recht teils ein formbedürftiges
Handgeschäft, teils ein Zuwendungsgrund, teils ein Konsensualvertrag. Die S.
unter Ehegatten ist verboten. Bei den Germanen gibt es nach allgemeiner Ansicht
nur die gelohnte (entgeltliche) S. Mit dem römischen Recht werden dessen Regeln
seit dem Spätmittelalter aufgenommen. Die nicht sofort vollzogene S. bedarf zum
Schutz des Schenkers besonderer Form (z. B. Beurkundung). Die dogmatische
Einordnung der S. ist noch im 20. Jh. zweifelhaft. Die S. von Todes wegen steht
unter der Bedingung, dass der Schenker vor dem Beschenkten stirbt. Die tatsächliche,
wirtschaftliche Bedeutung der S. ist gering.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 8 I 2e, 24 IV 2, 38 II 4, 47, 59 I,
79; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 47, 64; Hübner, R., Die
donationes post obitum, 1888; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der
altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Misera, K., Der
Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Dorn, F., Die
Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991; Sticherling, P., Schenkungen in
fraudem testamenti, 2005
Scherbengericht → Ostrakismus
Scheren (N.) →
Haarscheren
Scherge (M.) Büttel, Gerichtsdiener
Schiedsgericht ist
die außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehende Entscheidungsstelle.
Bereits das römische R. kennt das S. Im Mittelalter erscheint vielleicht unter
oberitalienisch-kirchlichem Einfluss das S. im 13. Jh. in Süddeutschland. Es
setzt eine Vereinbarung der streitenden Teile, sich dem Spruch des
Schiedsgerichts zu unterwerfen, voraus. Das Verfahren ist formlos. Im Laufe der
frühen Neuzeit tritt das S. zurück, wird aber im 19. Jh. (Berlin 1820) durch
die Wirtschaft neu belebt. Durch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879
wird der Spruch des Schiedsgerichts dem Urteil gleichgestellt.
Lit.: Kaser §§ 46 III 1, 80 II; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 115; Usteri, E., Das öffentlichrechtliche Schiedsgericht in der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1925; Bader, K., Das Schiedsverfahren in
Schwaben, Diss. Freiburg im Breisgau 1929; Krause, H., Die geschichtliche
Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, 1930; Waser, H., Das
öffentlich-rechtliche Schiedsgericht, 1935; Waser, H., Das zwischenstaatliche
Schiedsgericht, 1960; Quellen zur Schiedsgerichtsbarkeit im Grafenhause Savoyen
1251 bis 1300, bearb. v. Waser, Hans, 1961; Kobler, M., Das
Schiedsgerichtswesen nach bayerischen Quellen des Mittelalters, 1967; Ziegler,
K., Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, 1971; Lingens, K.,
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ius publicum Europaeum, 1988; Vom
mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, hg. v. Brieskorn,
N. u. a., 1994, 193; Schubel, B., Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher
Erledigung von Strafsachen, 1997; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber
und Gesetzgebung, 1999; Kampmann, C., Arbiter und Friedensstifter, 2001; Kamp,
H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Meyerhuber, S., Die
privilegierte Austragsgerichtsbarkeit der freien Reichsstadt Weißenburg, 2004
Schiedsmann
Lit.:
Koch, A., Die historische Entwicklung des Schiedsmannswesens in Preußen von
1808 bis 1900, 2003
Schifffahrt → Seerecht
Lit.: Straub, K., Die
Oberrheinschifffahrt im Mittelalter, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1912;
Spieker, H., Die Schiffsgewalt des Handelsschiffskapitäns im Mittelalter, 1949;
Heinsius, P., Das Schiff der hansischen Frühzeit, 1956; Huber, R., Die
ehemaligen Schifffahrtsrechte auf Zürichsee, Linth und Walensee, 1958;
Olechnowitz, K., Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, 1960; Kischel, D., Die
Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Schubert, W., Das
Schiffssachenrecht der Kaiserzeit und dessen Reform von 1940, ZRG GA 109
(1992), 209; Pemsel, H., Geschichte der zivilen Schifffahrt, Bd. 1ff. 2001ff.;
Häfen, Schiffe, Wasserwege, hg. v. Elmshäuser, K., 2002; Rübner, H.,
Konzentration und Krise in der deutschen Schifffahrt, 2005; Göttlicher, A.,
Seefahrt in der Antike, 2006; Fimpeler, A., Die Schifffahrt und ihre Fahrzeuge
auf dem Niederrhein, 2008
Schikane (F.) absichtlich errichtetes Hindernis, mutwillig
verursachte Erschwernis (nach § 226 BGB unzulässig, Schikaneverbot)
Schikaneeid → Kalumnieneid
Schilderhebung ist
die Erhebung auf einen Schild als Zeichen der Bestimmung zum Anführer oder
König bei den Germanen.
Lit.: Mayer, E., Schilderhebung, ZRG GA 35 (1914), 436;
Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972
Schilling ist seit
dem Frühmittelalter eine anfangs nicht ausgeprägte Rechnungseinheit für Geld.
Seit dem 13. Jh. wird der S. auch ausgeprägt. Die Geldeinheit wird noch bis
2002 verwendet (Großbritannien bis 1971, Österreich seit 1925, bis 2002).
Lit.: Köbler, WAS; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der
Münzen, 1896, Neudruck 1972; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der
merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Engler, S., Altnordische Geldwörter,
1991
Schilter, Johann
(29. 8. 1632-14. 5. 1705) wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in
Jena und Leipzig Verwaltungsbeamter in Sachsen, 1681 Berater und 1699
ordentlicher Professor in Straßburg. In seinen (lat.) Exercitationes (F.Pl.) ad
L libros pandectarum (1672, Übungen zu den 50 Büchern der Pandekten) verbindet
er gemeinrechtliche Grundsätze mit geschichtlichen Betrachtungen des
einheimischen Rechts. In seinem (lat.) Thesaurus (M.) antiquitatum Teutonicarum
(posthum 1727/8, Schatz deutscher Altertümer) bietet er auch ein wertvolles
Glossar.
Lit.: Giraud, M., Eloge de Schilter, 1845; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 2 1884,
Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967, 208
Schinder (M.)
Abdecker, Henkersknecht, Scharfrichter
Lit.: Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928,
Neudruck 1972, 54; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994
Schinderhannes (Johannes
Wilhelm Bückler) (Miehlen im Taunus 1778?, um 1780?-Mainz [unter Herrschaft
Frankreichs] 21. 11. 1803, Hinrichtung), Schinderssohn, wird im fahrenden Volk
zum Anführer einer 20 Straßenraube, 30 Einbrüche und dreier Morde beschuldigter
Gruppe von Straftätern.
Lit.: Radbruch G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens,
1951; Elwenspoek, C., Schinderhannes, 1953; Nacken, E., Die wahre Geschichte
des Johannes Wilhelm Bückler, 1968; Mathy, H., Der Schinderhannes, 1989;
Schurke oder Held?, hg. v. Siebenmorgen, H., 1995; Borck, H., Unrecht und
Recht, 2002; Die Mainzer Voruntersuchungsakten gegen die Schinderhannes-Bande,
bearb. v. Fleck, U., elektronisches Buch auf CD-ROM, 2004
Schirm (M.) Schutz
Schisma (N.)
Spaltung, Kirchenspaltung (z. B. 1054, 1378-1417)
Lit.: Bayer, A., Spaltung der Christenheit. Das sogenannte
morgenländische Schisma von 1054, 2004; Ebendorfer, T., Tractatus de
schismatibus, hg. v. Zimmermann, H., 2004; Vom Schisma zu den Kreuzzügen, hg.
v. Bruns, P. u. a., 2005
Schlacht ist der mit Waffen ausgetragene Kampf zweier Heere.
Lit.: Erben, W.,
Die Schlacht bei Mühldorf 28. September 1322, 1923; Förster, S./Pöhlmann,
M./Walter, D., Schlachten der Weltgeschichte, 2001; DeVries, K. u. a., Die
großen Schlachten des Mittelalters, 2007
Schlesien an der mittleren und oberen Oder trägt seinen Namen nach den germanisch-vandalischen Silingen, denen Slawen folgen. Es untersteht im 10. Jh. Böhmen, danach Polen. 1138 entsteht das piastische Teilfürstentum S., das mehrfach teilt. Zahlreiche deutsche Siedler ziehen zu. 1327/1329 unterstellen sich viele schlesische Herzöge Böhmen. 1356 entsteht das Landrecht des Fürstentums Breslau. 1526 gelangt S. mit Böhmen an → Habsburg. 1742/1744 gewinnt → Preußen im österreichischen Erbfolgekrieg große Teile Schlesiens von Österreich.. 1910 sind 23% der Bevölkerung polnischsprachig. 1918/1919 fällt der bei Österreich verbleibende Rest (Jägerndorf, Teschen, Troppau) an die Tschechoslowakei, 1919 teilweise bzw. 1945/1990 ganz der zu Preußen gelangte Teil unter Vertreibung der Deutschen an → Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grünberg, C., Die
Bauernbefreiung, Bd. 1f. 1893; Rachfahl, F., Zur Geschichte der Grundherrschaft
in Schlesien, ZRG GA 16 (1895), 108; Schlesische
Lebensbilder, Bd. 1ff. 1922ff., Pfitzner, J.,
Geschichte der Bergstadt Zuckmantel, 1924; Bretschneider, P., Das Gründungsbuch
des Klosters Heinrichau, 1927; Gottschalk, J., Beiträge zur Rechts-, Siedlungs-
und Wirtschaftsgeschichte des Kreises Militsch, 1930; Deutsche Texte aus
Schlesien, hg. v. Bindewald, H., 1935; Goerlitz, T., Das flämische und das
fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht,
ZRG GA 57 (1937), 138; Loesch, H. v., Die schlesische Weichbildverfassung der
Kolonisationszeit, ZRG GA 58 (1938), 311; Freitag, D., Das schlesische
Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in
Schlesien, 1938; Frohloff, H., Die Besiedlung des Kreises Neustadt
Oberschlesien, 1938; Schilling, F., Ursprung und Frühzeit des Deutschtums in
Schlesien, 1938; Uhtenwoldt, H., Die Burgverfassung in der Vorgeschichte und
Geschichte Schlesiens, 1938; Quellen zur schlesischen Handelsgeschichte bis
1526, Bd. 1 bearb. v. Scholz-Babisch, M. u. a., 1940; Klein, F., Eine
bauernrechtliche Quelle des 15. Jahrhunderts aus Schlesien, ZRG GA 65 (1947),
361; Loesch, H. v., Beiträge zur schlesischen Rechts- und
Verfassungsgeschichte, 1964; Menzel, J., Jura ducalia, die mittelalterlichen
Grundlagen der Domanialverfassung in Schlesien, 1964; Loesch, H. v.,
Verfassungsgeschichte Schlesiens, 3. A. 1961; Grawert-May, G. v., Das
staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens, 1971; Geschichte Schlesiens, Bd. 2 Die
Habsburgerzeit 1526-1740, hg. v. Petry, L. u. a., 1973; Petry, L., Dem Osten
zugewandt, 1983; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986; Sommer, F., Die
Geschichte Schlesiens, 1987; Kontinuität und Wandel. Schlesien zwischen
Österreich und Preußen, hg. v. Baumgart, P., 1990; Schlesien, hg. v. Conrads,
N., 1994; Hofmann, A., Die Nachkriegszeit in Schlesien, 2000; Bartosz,
J./Hofbauer, H., Schlesien, 2000; Bahlcke, J., Schlesien und die Schlesier, 2.
A. 2000; Schlesier des 14. bis 20. Jahrhunderts, hg. v. Herzig, A., 2004;
Conrads, N., Schlesien in der Frühmoderne, 2009
Schlesisches Landrecht
→ Breslauer Landrecht
Schleswig →
Schleswig-Holstein
Lit.:
Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem
Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277
Schleswig-Holstein ist das aus
Schleswig und Holstein zusammengesetzte Land der Bundesrepublik Deutschland.
Davon erscheint Holstein um 800 als nördlicher Teil des Stammesgebietes der →
Sachsen. Schleswig ist seit 1232 Herzogtum. 1326 erzwingt der Graf von Holstein
den Ausschluss einheitlicher Herrschaft über Dänemark und Schleswig. 1386
erlangt er Schleswig als Lehen Dänemarks. Seitdem bleiben Schleswig als Lehen
Dänemarks und Holstein als Lehen des Reiches in fester Verbindung. Seit dem 18.
Jh. gehören die Herzogtümer Schleswig und Holstein zu Dänemark, sind aber
verwaltungsmäßig selbständig. Daraufhin beginnt Dänemark Schleswig von Holstein
zu trennen. Am 30. 10. 1864 muss Dänemark S. und Lauenburg an Preußen und
Österreich abtreten. Deren gescheiterte gemeinsame Verwaltung löst 1866 das
Ende des → Deutschen Bundes aus. Österreich muss sich mit der
Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen einverstanden erklären.
Nordschleswig kommt 1920 auf Grund einer Volksabstimmung an Dänemark.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Falck, N., Handbuch des schleswig-holsteinischen Privatrechts, Bd. 1ff.
1825ff.; Kahler, O., Das schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Haff,
K., Die Grenzen der Rechtsgebiete in Schleswig-Holstein, ZRG GA 45 (1925), 413;
Carstens, W., Die Landesherrschaft der Schauenburger, Zeitschrift der
Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 55 (1926), 287;
Hedemann-Heespen, P. v., Die Herzogtümer Schleswig-Holstein und die Neuzeit,
1926; Andresen, L./Stephan, W., Beiträge zur Geschichte der Gottorfer Hof- und
Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1928; Pauls, V., Hundert Jahre Gesellschaft für
schleswig-holsteinische Geschichte, 1933; Jacoby, G., Herzog Johann der Ältere
von Schleswig-Holstein und die Abfassung des Spade-Landesrechts, ZRG GA 55
(1935), 263; Carstens, W., Untersuchungen zur Geschichte des Adels, Zeitschrift
der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 63 (1935), 66;
Wohlhaupter, E., Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, Bd. 1 1938; Wohlhaupter,
E., Das Recht Schleswig-Holsteins und der Norden, Zs. d. Gesellschaft f.
schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 49; Wohlhaupter, E., Volkstum
und Recht in Schleswig-Holstein, Kieler Blätter 1943, 67; Hauser, O.,
Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in Preußen, 1967; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,526, 3,3,2906; Lange, U., Die politischen
Privilegien der schleswig-holsteinischen Stände, 1980; Herzog Adolfs Urteilbuch
1544-1570, hg. v. Prange, W., 1985; Krech, J., Das schleswig-holsteinische
Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985; Opitz, E., Schleswig-Holstein,
1988; Obergerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein, 1988; Rheinheimer, M.,
Dorfwillkür und Obrigkeit im Herzogtum Schleswig, ZRG GA 113 (1996), 377;
Bremicker, S., Schleswig-Holstein als Kondominium, 1994; Die Anfänge des Landes
Schleswig-Holstein, 1997; Werner, N., Die Prozesse gegen die Landvolkbewegung
in Schleswig-Holstein 1929/1932, 2001; Bohn, R., Geschichte
Schleswig-Holsteins, 2006; Loebert, S., Die dänische Vergangenheit Schleswigs
und Holsteins in preußsichen Geschichtsbüchern, 2008; Repertorium der
Policeyordnungen der frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und Schleswig-Holstein, hg.
v. Tamm, D., 2008
Schlettwein, Johann
August (Großobringen bei Weimar 8. 8. 1731-Dahlen/Mecklenburg 24. 4. 1802) wird
nach dem Studium von Theologie, Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft in
Jena (Darjes) 1763 Hofrat in Baden und Anhänger des Physiokratismus sowie 1777
Professor der ökonomischen Fakultät in Gießen.
Lit.: Krebs, A., Johann August Schlettwein, 1909; Johann
August Schlettwein, hg. v. Schlettwein, C., 1981
Schlichtung
Lit.: Bähr, J.,
Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989; Brauchitsch, I. v.,
Staatliche Zwangsschlichtung, 1990
Schloss
Lit.: Merz, W., Schloss Zwingen im Birstal, 1923
Schlözer, August Ludwig (Grafschaft Hohenlohe 1735-Göttingen 1809) wird nach dem Studium der Theologie in Wittenberg und der Sprachen, Geschichte und Staatswissenschaften in Göttingen aufgeklärter Professor in Göttingen.
Lit.: Schlözer, A., Allgemeines Staatsrecht und
Staatsverfassungslehre, 1793; Fürst, F., August Ludwig Schlözer, 1928; Warlich,
B., August Ludwig von Schlözer, Diss. phil. Erlangen 1972
Schlüssel ist das
zum Öffnen eines Schlosses bestimmte Gerät, das als Rechtssymbol verwendet
werden kann.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Mandel, G., Der Schlüssel, 1993
Schlüsselgewalt ist
die durch den Schlüssel verkörperte Handlungsgewalt. In der Kirche steht die
Gesamtheit der von Jesus Christus zum Heil der Menschen seiner Kirche
gestifteten Gewalten nach Matthäus 16,19 Petrus bzw. seinem Nachfolger zu. In
der Ehe hat seit dem Mittelalter die Frau, jetzt jeder Ehegatte im deutschen
Recht die Berechtigung, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs
einer Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen
(Österreich 1978).
Lit.: Hübner 653, 681; Köbler, DRG 122; Rosenfeld, K., Die Schlüsselgewalt,
1900; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wagner-Ogris, E., Die dingliche Wirkung der
Schlüsselgewalt, 1994
Schlyter, Carl
Johann (1795-1888) wird nach dem Rechtsstudium in Lund 1816 Dozent und 1838
Professor. Er ist Schwedens erster, von der historischen Rechtsschule geprägter
Rechtshistoriker. In 13 Bänden veröffentlicht er die älteren schwedischen
Rechtsquellen.
Lit.: Schlyter, C., Samling af Sweriges gamla lagar,
1822ff.; Wissen, T., Minne af Carl Johan Schilter, 1890; Sandström, M., Die
Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1898; Sundell, J., Karl Schlyter, 1998
Schmauß, Johann
Jacob (Landau/Pfalz 10. 3. 1690-Göttingen 8. 4. 1757) wird nach dem
Rechtsstudium in Straßburg und Halle (Thomasius, Gundling) Hofrat in
Baden-Durlach und 1734 Professor für öffentliches Recht in Göttingen, Halle,
Leipzig und Göttingen (1744). Er trennt das → Naturrecht von der
kirchlichen Moral und das Staatsrecht von der Geschichte. Sein (lat.)
Compendium (N.) iuris publici (Handbuch des öffentlichen Rechts) dient der
praktischen Verbesserung der juristischen Ausbildung.
Lit.: Pütter, J., Versuch einer academischen
Gelehrtengeschichte, Bd. 2 1788; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Ius und Historie, 1972; Sellert, W., Johann
Jakob Schmauß, JuS 25 (1985), 843
Schmerzensgeld ist
die Entschädigung in Geld für einen immateriellen Schaden. Seit dem 17. Jh.
wird im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) unter Fortführung einheimischer
Vorstellungen auch der bei Körperverletzung entstehende Schmerz durch einen
Vermögenswert ausgeglichen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
beschränkt den Geldersatz bei Nichtvermögensschäden auf besonders benannte
Tatbestände (§§ 253, 847 BGB). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird von der
Rechtsprechung S. entgegen der gesetzlichen Vorschrift unter Berufung auf das
deutsche Grundgesetz auch bei bisher nicht erfassten Rechtsgüterverletzungen
gewährt.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217, 271; Schneider, E./Biebrach,
J., Schmerzensgeld, 1994; Walter, U., Geschichte des Schmerzensgeldanspruchs
bis zum BGB, 2004
Schmitt, Carl bzw.
eigentlich Karl (Plettenberg 11. 7. 1888-Plettenberg 7. 4. 1985, Vater
Krankenkassenverwalter) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, München und
Straßburg sowie der Promotion in Straßburg bei Fritz van Calker (Über Schuld
und Schuldarten, 1910), der Habilitation in Straßburg (Der Wert des Staates,
1916) und einer kurzen Lehrtätigkeit (1919) an der Handelshochschule München
Professor für Staatsrecht in Greifswald (1921), Bonn (1922), Berlin (1928
Handelshochschule), Köln (1933) und Berlin. 1931 sieht er als alleinigen Hüter
der Verfassung den Reichspräsidenten an. Im Prozess Preußen gegen das Reich im
Juli 1932 ist ihm in Verbindung mit Kurt von Schleicher die Wiederherstellung
geordneter Verhältnisse das Ziel. Mit der nationalsozialistischen
Machtergreifung wird in unklarer Motivation eine umfassende Änderung der
Einstellung erkennbar. 1933 wird er Mitglied der → Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei, 1934 Herausgeber der an den C. H. Beck Verlag
gelangten Deutschen Juristenzeitung. Unter betonter Ablehnung des liberalen
Rechtsstaats der durch Parteienzersplitterung gekennzeichneten Weimarer Republik
rechtfertigt er die nationalsozialistische Ordnung und bejaht die
antidemokratische Selbstbehauptung des starken Staates als Alternative zum Untergang.
1937 legt er seine Parteiämter nieder. 1945 verliert er (mit 57 Jahren) sein
Lehramt, bleibt aber trotz erheblicher Widerstände (z. B. Ernst Friesenhahn)
über Schüler im Gespräch.
Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre, 1928; Schmitt, C.,
Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934; Festschrift für
Carl Schmitt, hg. v. Barion, H. u. a., 1959; Bendersky, J., Carl Schmitt, 1983;
Hofmann, H., Legitimität gegen Legalität, 3. A. 1995; Rüthers, B., Carl Schmitt
im Dritten Reich, 2. A. 1990; Noack, P., Carl Schmitt, 1993; Koenen, A., Der
Fall Carl Schmitt, 1995; Rüthers, B., Altes und Neues von und über Carl
Schmitt, NJW 1996, 896; Begemann, R., Das Privatrecht im Werk von Carl Schmitt,
Diss. jur. Göttingen 1997; Dahlheimer, M., Carl Schmitt und der deutsche
Katholizismus, 1998; Hernandez Arias, J., Donoso Cortes und Carl Schmitt, 1998;
Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diener, D. u. a., 1999; Blindow, F., Carl
Schmitts Reichsordnung, 1999; Rüthers, B., Immer noch Neues zu Carl Schmitt?,
NJW 1999, 2861; Lutz, B., Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan, 1999;
Gross, R., Carl Schmitt und die Juden, 2000; Schmitt, C., Antworten in
Nürnberg, hg. v. Quaritsch, H., 2000; Seiberth, G., Anwalt des Reiches, 2001;
Blasius, D., Carl Schmitt, 2001; Benoist, A. de, Carl Schmitt. Bibliographie,
2003; Müller, J., A Dangerous Mind, 2003; Thiele, U., Advokative
Volkssouveränität, 2003; Meier, H., Die Lehre Carl Schmitts, 2. A. 2004;
Schmitt, Carl – Die Militärzeit 1915-1919, hg. v. Hüsmert, E. u. a., 2005;
Kortüm, H., Wissenschaft im Doppelpaß? Carl Schmitt; Otto Brunner und die
Konstruktion der Fehde, HZ 282 (2006), 584; Mueller, J., Ein gefährlicher
Geist, 2007; Großraum-Denken, hg. v. Voigt, R., 2008; Mehring, R., Carl
Schmitt, 2009
Schmuggel ist das unerlaubte Verbringen
von Waren ohne Zollzahlung über eine Grenze.
Lit.: Jarren,
V., Schmuggel und Schmuggelbekämpfung in den preußischen Westprovinzen
1818-1854, 1992
Schöffe ist in der Gegenwart der ehrenamtliche Richter. Der S. erscheint zwischen 770 und 780 im fränkischen Reich (Italien 774), als Karl der Große je sieben geschworene Schöffen (lat.-afrk. [M.Pl.] scabini) anstelle der älteren → Rachinburgen zum alleinigen Abgeben von Urteilsvorschlägen bestimmt. In der Folge setzt sich der S. als Urteiler durch (meist 7, 12, 14 oder 24 Schöffen). In der frühen Neuzeit verschwinden in den meisten Gerichten allmählich die ungelehrten Schöffen, während der vom Landesherrn abhängige, beamtete, gelehrte Berufsrichter, der nicht nur den Vorsitz führt (richtet), sondern auch die Entscheidung trifft (urteilt), seinen Einzug hält. Im 19. Jh. belebt der Liberalismus den Schöffen als ehrenamtlichen Richter neben dem gelehrten Berufsrichter wieder im → Schwurgericht bzw. → Schöffengericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86, 114, 116, 117,
118, 154; Köbler, WAS; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte, 1894, 248;
Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG
GA 44 (1924), 291; Althoffer, B., Les scabins, 1938; Kern, E., Die
Gerichtsbeisitzer, FS W. Sauer, 1949, 71; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni
homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Hagemann, H.,
Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und
Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, (in) The Trial Jury, hg. v.
Schioppa, A., 1987, 241; Ebel, F., Die Magdeburger Schöppen und das
Kirchenrecht, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987,
64
Schöffenbarfreier ist
nach dem → Sachsenspiegel (1221-1224) Eike von Repgows der zur
Schöffentätigkeit geeignete Freie. Die Zahl der Quellenbelege ist gering. Die
Abgrenzung von Ministerialen einerseits und Edelfreien oder Vollfreien
andererseits ist nicht überzeugend zu bewältigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Die Schöffenbarfreien
des Sachsenspiegels, 1887; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der
Freien, 1905; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnungen und Rechtswirklichkeit,
(in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349
Schöffenbuch ist
das von Schöffen seit dem Spätmittelalter z. B. über Urteile geführte Buch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schulze, A., Das Schöffenbuch der
Gemeinde Niederhalbendorf bei Schönberg O.-L., Neues lausitzisches Magazin 101
(1925), 33; Das Schöffenbuch der Dorfgemeinde Krzemienica aus den Jahren
1451-1482, hg. v. Doubek, F. u. a., 1931; Schubart-Fikentscher, G., Das
Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Hinz, B., Die Schöppenbücher der Mark
Brandenburg, 1964
Schöffengericht ist
das (seit Karl dem Großen) mit → Schöffen besetzte Gericht, insbesondere
das im 19. Jh. auf Grund der Wiederbelebung des in der frühen Neuzeit mehr oder
weniger erloschenen Laienrichtertums mit Schöffen neben Berufsrichtern
besetzte Gericht am Amtsgericht für kleiner Straffälle mit Straferwartungen bis
zu 4 Jahren Haft.. Im am 15. 6. 1920 für Österreich geschaffenen Schöffengericht
urteilen Berufsrichter und Laeienrichter als einheitliches Gericht über Schuld
und Strafe.
Lit.: Köbler, DRG 203, 234; Sickel, W., Die Entstehung des
Schöffengerichts, ZRG GA 6 (1885), 1; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hadding, G., Schwurgerichte in Deutschland,
1974; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau,
P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, (in)
The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241
Schöffenrecht →
Magdeburger Schöffenrecht
Schöffenspruch ist
das von Schöffen gefällte Urteil.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 105; Tomaschek, J.,
Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Kisch, H., Schöffenspruchsammlungen, ZRG GA
39 (1918), 346; Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919;
Granzin, M., Schöffenspruchsammlung in einer Torgauer Handschrift, ZRG GA 54
(1934), 244; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, hg. v.
Goerlitz, T., 1944; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und
15. Jahrhunderts, 1960; Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, hg. v. Fijal,
A. u. a., 2004
Schöffenstuhl (mnd.
Schöppenstuhl) ist die Bezeichnung für das Schöffengericht im Heiligen
römischen Reich, das teilweise als Oberhof tätig wird (z. B. Halle, Leipzig,
Jena). Der S. zu Halle endet 1863 wegen Unterschreitens der Mindestmitgliederzahl
von drei Schöffen, der zu Jena 1882.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stölzel, A., Die Entwicklung der
gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1 1901; Vollert, M., Der Schöppenstuhl zu Jena,
Z. d. Ver. thür. Gesch. N.F. 28 (1929), 189; Boehm, E., Der Schöppenstuhl zu
Leipzig, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 59 (1940), 371ff.; Buchda, G.,
Schöffenstuhlsiegel, ZRG GA 61 (1941), 257; Buchda, G., Zur Geschichte des
hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416; Kriebisch, A., Die
Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena, Diss. jur. Jena 2007
Schola
Lit.: Mayer, E., Schola-skola, ZRG GA
32 (1911), 316; Mayer, E., schola-skola, ZRG GA 33 (1912), 482
Scholastik ist die
seit dem Frühmittelalter in kirchlichen Schulen (z. B. Laon, Paris) entwickelte
Art, die bisher nur weitergegebenen christlichen Glaubensinhalte mit einer
besonderen Methode neu zu durchdenken (Denkform). Die scholastische
(dialektische) Methode der Wissensbehandlung ist gekennzeichnet durch klares
Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgrenzung und Unterscheidung von Begriffen,
logisch geformte Beweise und Erörterungen der Gründe und Gegengründe (z. B.
Anselm von Canterbury, Robert Grosseteste, Gratian, Anselm von Laon, Hugo von
Sankt Viktor, Wilhelm von Conches, Thierry von Chartres, Peter Abaelard,
Gilbertus Porretanus, Petrus Lombardus, Johannes von Salisbury, Vaccarius,
Peter von Blois). Den Höhepunkt der S. bilden die Arbeiten des italienischen
Dominikaners Thomas von Aquin (1225-1274). Überwunden wird die S. durch →
Nikolaus von Kues (1401-1464). Die S. wirkt sich auch auf die mittelalterliche
Rechtswissenschaft aus.
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 99; Kantorowicz, H.,
Albertus Gandinus, Bd. 1f. 1907ff.; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und
Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Grabmann, M., Die Geschichte der
scholastischen Methode, Bd. 1f. 1909ff., Neudruck 1957; Nufer, G., Über die
Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1969; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Weigand, R., Die
Rechtslehre der Scholastik, Ius canonicum 16 (1976), 61; Schönberger, G., Was
ist Scholastik?, 1991; Southern, R., Scholastic Humanism and the Unification of
Europe, 1995ff.; Leinsle, U., Einführung in die schplastische Theologie, 1995;
Die Ordnung der Praxis, hg. v. Grunert, F./Seelmann, K. 2001; Brasington, B.,
Ways of mercx - the Prologue of Ivo of
Chartres, 2004
Scholia (N.Pl.) Sinaitica (lat. sinaitische Erklärungen)
ist der Name des im Sinaikloster überlieferten, von der
antiquarisch-klassizistischen Richtung der oströmischen spätantiken
Rechtswissenschaft vermutlich in Beryt geschaffenen Kommentars zu Ulpian, libri
ad Sabinum (Bücher zu Sabinus) mit Hinweisen auf Parallelstellen in anderen
Texten.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Krüger, H., Geschichte der Quellen und Literatur, 2. A. 1912, 362
Schollenbindung (F.)
Bindung eines Menschen an ein von ihm zu bewirtschaftendes Grundstück (z. B.
römische rcolonus, frühneuzeitlicher Leibeigener), diea spätestens an der Wende
vom 18. zum 19. Jahrhundert verschwindet.
Schonen im Süden
Schwedens, aber bis 1658 zu Dänemark gehörig, überliefert in zahlreichen
Handschriften ein zwischen 1202 und 1216 abgefasstes, in seiner ältesten
Handschrift in 241 Kapitel geteiltes → Rechtsbuch (Schonisches Landrecht,
Skanske Lov, Skanelagen) eines unbekannten Verfassers in altdänischer Sprache.
Eine lateinische Summe hierzu in 150 Kapiteln (str.) ist der (lat.) Liber (M.)
legis Scaniae (Rechtsbuch Schonens) des Lunder Erzbischofs Andreas Sunesson von
1202 bis 1216. Neben dem Schonischen Landrecht steht ein schonisches
Kirchenrecht (von 1171?). Ein schonisches Stadtrecht (biaerkeraett) in 54
Kapiteln stammt vielleicht aus der ersten Hälfte des 13. Jh.s.
Lit.: Andersson, I., Skanes Historia,
1947ff.; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 88,
94; Anders Sunesen, hg. v. Ebbesen, S., 1985, 243; Hafström, G., De svenska
rättskällornas historia, 1978
Schönfelder, Heinrich (1902-1942), 1934
Amtsgerichtsrat, ist der Begründer der wichtigsten privaten Gesetzessammlung des Privatrechts und Strafrechts in
Deutschland im 20. Jh. (1932) und Begründer der Lernbuchreihe Prüfe dein Wissen
(1929ff.)
Lit.: Wrobel, H., Heinrich Schönfelder. Sammler Deutscher
Gesetze 1902-1944, 1997
Schorndorf
Lit.: Palm, G.,
Geschichte der Amtsstadt Schorndorf, 1959
Schoß (1) ist der von Unterbauch und Oberschenkel gebildete Teil des menschlichen Körpers, der rechtssymbolisch verwendet werden kann (z. B. in oder auf den S. setzen, werfen oder fallen).
Lit.: Hübner 765; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Schoß (2) ist der
mittelalterliche Name für eine Abgabe oder Steuer.
Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A.
1963, 60
Schottland ist der
nördliche Teil der britischen Hauptinsel mit einigen vorgelagerten Inseln. S.
ist im Frühmittelalter (um 850) ein eigenes Königreich, dessen Sitz am Ende des
11. Jh.s Edinburgh wird und das 1174 die Lehnshoheit des Königs von →
England anerkennen muss. 1328 wird die Unabhängigkeit zurückgewonnen. 1603
wird der aus dem Hause → Stuart stammende König auch König von →
England. Beide Königreiche werden in → Personalunion, seit 1707 in →
Realunion miteinander verbunden. Nach einer Volksabstimmung (1997) erhält S.
zum 1. 1. 2000 wieder ein eigenes Parlament in Edinburgh mit Zuständigkeiten
für Gesundheit, Wohnungsbau, Justiz, Verkehr, Landwirtschaft und Bildung.
(Zentral bleibt die Verantwortung für Außenpolitik, Verteidigung, soziale
Sicherheit und makroökonomische Fragen). Das schottische Recht ist stärker
römischrechtlich beeinflusst.
Lit.: Stair, J.,
The institutions of the law of Scotland, 1693; Stein, P., The Influence of Roman
Law on the Law of Scotland, SDHI 23 (1957), 149; Willock, J., The origins and
development of the jury in Scotland, 1966; The acts and constitutions of the
realm of Scotland, hg. v. Luig, K., 1971; Regiam maiestatem. Scotiae veteres
leges et constitutiones, hg. v. Luig, K., 1971; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,989, 2,2,501,1431; Luig, K., Sammelbericht Schottische
rechtshistorische Literatur der Jahre 1958-1975, ZRG GA 93 (1976), 546; Kellas,
J., The Scottish political system, 3. A. 1983;
Sager, P., Schottland, 5. A. 1985; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985;
Gouldesbrough, P., Formulary of Old Scots Legal Documents, 1985; Sellar, W.,
Legal History in Scotland, ZNR 1987; Walker, D., A Legal History of Scotland,
1988ff. Bd. 1ff.; Marshall, E., General principles of Scots law, 6. A. 1995;
Whyte, I., Scotland before the Industrial Revolution, 1995; The Civilian
Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997; Ditchburn, D.,
Scotland and Europe, 2001; Ford, J., Law and Opinion in Scotland,
2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 969
Schra (F.) Haut
(als Beschreibstoff für eine Rechtsquelle)
Lit.: Schlüter, W., Die Nowgoroder Schra, 1911; Dusil, S.,
Die Soester Stadtrechtsfamilie, 2007
Schranne (F.) Bank, Verkaufsstand
Schreiber ist der
Hersteller der geschriebenen Fassung eines Textes. Im Altertum sind S. vielfach
gelehrte Sklaven. Im Frühmittelalter ist der S. zumindest seit dem 8. Jh.
grundsätzlich Geistlicher. Im Hochmittelalter stellen insbesondere die Städte
eigene S. ein (in Freiburg im Breisgau z. B. seit 1293 namentlich bekannt). Mit
der allgemeinen Ausbreitung der Schreibkenntnisse seit der frühen Neuzeit wird
der S. an vielen Stellen überflüssig. Für das Recht sind insbesondere die
Urkundenschreiber, dann die Stadtschreiber und seit dem Spätmittelalter die
Gerichtsschreiber bedeutsam.
Lit.: Heuberger, R., Fränkisches Pfalzgrafenzeugnis und
Gerichtsschreibertum, MIÖG 41 (1926), 46; Liermann, H., Richter, Schreiber,
Advokaten, 1957; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960;
Breiter, E., Die Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Elsener, F., Notare und
Stadtschreiber, 1962; Brod, W., Fränkische Schreibmeister und Schreibkünstler,
1968; Thiele, F., Die Freiburger Stadtschreiber im Mittelalter, 1973; Mazal,
O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 1986; Hoheisel, P., Die Göttinger
Stadtschreiber, 1998
Schreinsbuch → Schreinskarte
Schreinskarte ist
seit dem Hochmittelalter die im Heiligenschrein verwaltete Urkunde über ein
Grundstücksgeschäft. Sie erscheint seit etwa 1130 in Köln (Laurenz I), wo sich
1473 insgesamt 23 Schreine befinden. Sie soll im Streitfall den Beweis
erleichtern. Im Laufe der Zeit (1220-1240) werden die Schreinskarten in
Schreinsbücher überführt. Seit dem 15. Jh. bildet die Eintragung eine Voraussetzung
für die Wirksamkeit des zugehörigen Rechtsgeschäfts. 1798 endet die Überlieferung.
Erhalten sind 68 Schreinskarten und 535 Schreinsbücher. → Grundbuch
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Kölner
Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hoeniger, R., Bd. 1f. 1884ff.;
Beyerle, K., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, ZRG GA 51 (1931), 318; Planitz,
H., Konstitutivakt und Eintragung, FS A. Schultze, 1934, 175; Conrad, H.,
Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Schönrath, P.,
Das Deutzer Schreinsbuch, 1936; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H.
u. a., 1937; Groten, M., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, Jb. d. Kölner
Gesch. Ver. 56 (1985), 1; Regesten der Urkunden des Amtleutearchivs St. Columba
in Köln, bearb. v. Diederich, T., 2009
Schrift ist die
Gesamtheit sichtbarer Linien (und Punkte) zur dauerhaften Wiedergabe
menschlicher Sprache. Ihre ersten bildlichen Vorstufen entwickeln sich um 5000
v. Chr. Der Übergang vom gesprochenen zum geschriebenen Wort (der noch
vokallosen Schrift der Phönizier) erfolgt bei Griechen und Römern schon früh,
während die Germanen über Anfänge kaum je hinausgelangen. Bereits die
Zwölftafelgesetze Roms (451/450 v. Chr.) sind schriftlich (in Großbuchstaben
und ohne Worttrennung) veröffentlicht. In der römischen Kultur ist die Schrift
(vielfach auf Wachstafeln oder Papyrus) selbstverständlich. Dieser Stand wird
nach frühmittelalterlichen, neben den Großbuchstaben auch Kleinbuchstaben
(karolingische Minuskel um 800) verwendenden und Sätze und Wörter voneinander
trennenden Anfängen, in denen schon früh Recht (lateinisch) (auf Pergament)
verschriftlicht wird (→ Volksrechte) und seit dem 10. Jh. beispielsweise
in Venedig die Verwendung von S. erkennbar zunimmt, vielleicht im 13. Jh. (mit
[Neu-]Entwicklung einer Kursivschrift in Gestalt der Geschäftsschrift der
gotischen Kursive) wieder erreicht, seit dem allmählich Papier zum
vorherrschenden Schriftträger wird. Seitdem wird Schriftlosigkeit allmählich
zu einem abwertenden Merkmal. Um 1500 können etwa 2-6 % der Bevölkerung lesen
und schreiben (Phänomen der Zweischriftigkeit nach Entwicklung der
Humanistenschrift/Antiqua seit dem 14./15. Jahrhundert). Seit dem 15. Jh.
erfolgt die Vervielfältigung von Schrift durch den Druck, seit dem 19. Jh. das
durch Schulpflicht verallgemeinerte Schreiben mit Hilfe von Maschinen und seit
der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1980ff.) mit Hilfe der komprimierenden,
fazilisierenden und globalisierenden Elektronik. Verschiedentlich bedarf ein
rechtliches Verhalten zu seiner Wirksamkeit der S.
Lit.: Kaser §§ 7 IV, 87 II; Köbler, DRG 3, 9, 14, 79, 98, 108;
Santifaller, L., Beiträge zur Geschichte der Beschreibstoffe im Mittelalter,
1953; Hajnal, I., L’enseignment de l’écriture, 1954; Recht und Schrift im
Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Bischoff, B., Paläographie, 2. A. 1986;
Trost, V., Skriptorium, 1991; Haarmann, H., Universalgeschichte der Schrift, 2.
A. 1991; Schrift und Schriftlichkeit, hg. v. Günther, H. u. a., 1994; Wenzel,
H., Sehen und Hören, 1995; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Fees,
I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Haarmann, H., Geschichte der Schrift,
2002; Hoffmann, H., Schreibschulen des 10. und 11. Jahrhunderts im Südwesten,
2004; Ludwig, O., Geschichte des Schreibens, Bd. 1 2005; Stein, P.,
Schriftkultur, 2006; Beck, F. u. a., Die lateinische Schrift, 2007; Schrifträume,
hg. v. Kiening, C. u. a., 2008
Schriftform ist die
durch → Schrift zu wahrende → Form menschlichen Verhaltens.
Schriftlichkeit ist
das in → Schrift Gehaltensein. Die S. (Literalität) löst im Verlauf der
Geschichte in vielen Bereichen die ältere Mündlichkeit (Oralität) teilweise ab
(z. B. Zwölftafelgesetz 451/450 v. Chr., Volksrechte 475ff., Urkunden über
einzelne Rechtsgeschäfte). Vielleicht ist der 1215 auf dem vierten
Laterankonzil festgelegte Protokollierungszwang ein wichtiger Schritt in der
weiteren Entwicklung. Die S. als Verfahrensgrundsatz setzt sich im gelehrten
Zivilprozess des Spätmittelalters durch (lat. → quod non est in actis non
est in mundo, was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt). Der
Liberalismus des 19. Jh.s drängt die S. im Verfahren zumindest der Idee nach
zurück. Tatsächlich steigt aus Beweisgründen auch im ausgehenden 20. Jh. die
Bedeutung der S. noch. Für die Gesetzgebung bzw. die Gesetze ist seit dem 19.
Jh. die Veröffentlichung in einem Gesetzblatt und damit die Verschriftlichung
allgemein grundlegende Entstehungsbedingung bzw. Geltungsvoraussetzung.
Lit.: Köbler, DRG 79; Nörr, K., Reihenfolgeprinzip,
Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, ZZP 85 (1972), 160; Damrau, J., Die
Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Prosser, M., Spätmittelalterliche
ländliche Rechtsaufzeichnungen am Oberrhein, 1991; Pragmatische Schriftlichkeit
im Mittelalter, hg. v. Keller, H. u. a., 1992; Schriftlichkeit im frühen
Mittelalter, hg. v. Schaefer, U., 1993; Schrift und Schriftlichkeit, hg. v.
Günther, H. u. a., 1994; Schriftlichkeit und Lebenspraxis, hg. v. Keller, H. u.
a., 1999; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u. a., 2007;
Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007
Schriftsasse ist
der im Gerichtsstand erster Instanz dem Hofgericht oder einer anderen
Zentralbehörde zugeordnete → Landsasse.
Schriftsässigkeit ist
die bevorrechtigte unmittelbare Unterstellung eines Menschen (oder einer Sache)
unter die obere landesherrliche Behörde vom Spätmittelalter (etwa 1440) bis zum
19. Jh. (1848-1871).
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971
Schrobenhausen
Lit.: Hamann, S., Schrobenhausen, 1977
Schröder, Richard (Treptow a. d. Tollense 19. 6. 1838-Heidelberg 3. 1. 1917), Vater Justizrat, später Rechtsanwalt (Studium in Göttingen und Berlin, Selbsttötung), wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Richthofen, Homeyer, Beseler, Gierke) und kurz in Göttingen 1866 außerordentlicher Professor in Bonn und 1872 ordentlicher Professor in Würzburg, 1882 in Straßburg, 1885 in Göttingen und 1888 in Heidelberg. Er verfasst die Geschichte des ehelichen Güterrechts (1869ff.) und ein erfolgreiches Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (1884ff.).
Lit.: Stutz, U., Richard Schröder, ZRG GA 38 (1917), VII;
Webler, M., Leben und Werk des Heidelberger Rechtslehrers Richard Carl Heinrich
Schroeder, 2005
Schulchan ‘Arukh → Karo
Schuld ist
einerseits die Bewertung eines Verhaltens als vorwerfbar (Verschulden),
andererseits ein Verpflichtetsein zu einem Verhalten (Leistensollen). Die
Vorwerfbarkeit wird grundsätzlich dort unbeachtet gelassen, wo das Eintreten
eines Erfolgs bereits eine Folge nach sich zieht. Von daher könnte von einem
erst allmählichen Entstehen des Verschuldens auszugehen sein. Verpflichtungen
zur Leistung kennt schon das altrömische Recht. Innerhalb des Verschuldens wird
im Laufe der Zeit zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit und weiteren
Unterteilungen (unbedingter → Vorsatz, bedingter Vorsatz, grobe →
Fahrlässigkeit, leichte Fahrlässigkeit) unterschieden. Bei den Verpflichtungen
nimmt insbesondere ihre Zahl ins Unübersehbare zu. Streitig bzw. unklar ist das
Verhältnis von S. als Leistensollen und → Haftung als Einstehenmüssen,
insbesondere, ob in älteren Zeiten jede Schuld eine Haftung nach sich zieht
oder ob neben jeder Schulds zusätzlich Haftung durch besonderes Geschäft
begründet werden muss.
Lit.: Kaser § 32 II 5; Hübner 493; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 15, 26, 35, 42, 49, 62, 63, 91, 116, 126, 163, 166, 204, 213, 240,
263, 269; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Puntschart, P.,
Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Engelmann, W., Die Schuldlehre der
Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910,
Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für
Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966),
150; Engelmann, W., Irrtum und Schuld, 1922, Neudruck 1975; Kuttner, S.,
Kanonistische Schuldlehre, 1935; Hasler, J., Geschichte der
Verschuldungsfreiheit in der Schweiz, 1941; Rotthaus, K., Redde und Schult,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Benöhr, H., Die Entscheidung des BGB für das
Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und
Haftung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6
1982, 21; Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Luthe, R., Die
zweifelhafte Schuldfähigkeit, 1998; Hattenhauer, C., Schuldenregulierung nach
dem westfälischen Frieden, 1998; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und
Geschichte, 2000; Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000
Schuldanerkenntnis ist
der einseitig verpflichtende Vertrag, in dem der eine Teil anerkennt, dem
anderen eine Leistung als abstrakte Verbindlichkeit zu schulden. Im
prozessualen Sinn kennt bereits das Mittelalter der Sache nach ein S.
Schuldfähigkeit
ist die Fähigkeit des Menschen, schuldhaft zu handeln.
Lit.: Schmidt-Recla,
A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000
Schuldhaft ist die Haft wegen nicht erfüllter Schuld. Die S. entsteht aus der Schuldknechtschaft. Im Mittelalter kann bei fruchtloser Vermögensvollstreckung der Verurteilte in private S. oder später in öffentliche S. genommen werden. Durch Gesetz vom 29. 5. 1868 (4. 5. 1868 in Österreich, 1869 Zürich, 1874 Schweiz) wird nach dem Vorbild Englands und Frankreichs (1867) die S. beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 116; Rintelen, M., Schuldhaft und
Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Baumgart, R., Die Entwicklung der
Schuldhaft im italienischen Recht des Mittelalters, 1914; Planitz, H., Der
Schuldbann in Italien, ZRG GA 52 (1932), 134; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm,
2004
Schuldklage ist als
Klage wegen einer Schuld eine Klageart seit dem Hochmittelalter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973
Schuldknechtschaft ist
die Überführung des nichtleistenden Schuldners in die Knechtschaft. Der Zugriff
auf die Person des Schuldners steht im Mittelpunkt des klassischen römischen
Zivilprozesses. Die S. ist auch dem germanischen und mittelalterlichen Recht
bekannt. Danach wird sie von der → Schuldhaft abgelöst. Im Deutschen
Reich wird die Personalexekution (Vollstreckung in einen Menschen) durch Gesetz
vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die Realexekution (Vollstreckung in
Vermögen einer Person) ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 81 III 1, 85 II 2a; Söllner § 8;
Hübner; Köbler, DRG 33, 202; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck
1969; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Schuldner ist im Schuldverhältnis der zur Leistung
Verpflichtete. Er muss anfangs auch mit seiner Person (Schuldhaft), später nur
noch mit seinem Vermögen haften. Mehrere S. können Gesamthandsschuldner sein,
Gesamtschuldner oder Teilschuldner
Schuldnerverzug → Verzug
Schuldrecht ist das
Recht der Schuldverhältnisse. Im römischen Recht wird die (lat. [F.]) obligatio
bei Gaius (um 160 n. Chr.) als (lat. [F.]) res angesehen und deswegen dort
behandelt. Allerdings wird streng zwischen (lat. [F.]) actio in rem
(Klaganspruch gegen eine Sache) und actio in personam (Klaganspruch gegen eine
Person auf ein bestimmtes Verhalten) Das S. wird als eigenes Rechtsgebiet erst
in der Neuzeit erkannt und ist deswegen noch im Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch Öster
reichs (1811) als
persönliches Sachenrecht Teil des Sachenrechts. . Inhaltlich wird es stark vom
römischen Recht geprägt. Seit dem 18. Jh. werden allgemeine Grundelemente als
allgemeines Schuldrecht ausgesondert. Rechtstatsächlich nimmt das S. an
Bedeutung stetig zu, weshalb das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) das S.
auch vor dem Sachenrecht einordnet.
Lit.: Köbler, DRG 164, 213, 217; Meyer, E., Über das Schuldrecht
der deutschen Schweiz, 1913; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der
Vertragstypen im Schuldrecht, 1937; Stumpf. Karlheinz, Das Schuldrecht in den
Fürstentümern Ansbach-Bayreuth im 17. und 18. Jahrhundert. Diss. jur. München
1957; Wenn, H., Das Schuldrecht Samuel Pufendorfs, 1958; Schubert, W.,
Windscheids Briefe an Planck, ZRG RA (1978), 283; Walliser, P., Zur
Entscheidung des Schuldrechts, (in) Berner Festgabe zum Schweizerischen
Juristentag 1979, 1979; Lieb, M., Grundfragen einer Schuldrechtsreform, AcP 183
(1983), 327; Medicus, D., Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188
(1988), 168; Ebel, W., Grundlegung zu einer Darstellung eines deutschen
Schuldrechts des Mittelalters, ZRG GA 105 (1988); Zimmermann, R., The law of obligations,
1992; Gaibler, B., Das Schuldrecht des Oberpfälzer Landrechts, 1995;
Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Schuldrecht, 3. A. 1996; Ranieri, F.,
Europäisches Obligationenrecht, 3. A. 2009
Schuldschein
Lit.: Wackernagel, J.,
Städtische Schuldscheine als Zahlungsmittel, Beiheft 2 der VSWG 1924, 1
Schuldturm ist der öffentliche Ort (in der
Stadt), in dem der Schuldner zwecks Vollstreckung für den Gläubiger in Haft
genommen wird. In Sachsen wird die Überantwortung des zahlungsunfähigen
Schuldners in die Hand des Gläubigers in den kursächsischen Konstitutionen
(1572) durch die öffentliche Haft im Schuldturm ersetzt. Die Personalexekution
endet im Deutschen Reich durch Gesetz vom 16. 4. 1871.
Lit.: Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Schuldübernahme ist
die vertragsweise Übernahme einer bestehenden Schuld durch einen neuen
Schuldner (neben oder anstatt des bisherigen Schuldners). Im römischen Recht
ist die S. nur als Novation oder durch Prozessvertretung möglich. Seit dem
Spätmittelalter, vermehrt seit dem 18. Jh. wird die S. zulässig. In der Mitte
des 19. Jh.s wird S. zu einem Fachausdruck. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) fordert bei der den bisherigen Schuldner befreienden S. die Mitwirkung
(z. B. Zustimmung) des Gläubigers.
Lit.: Kaser § 55 III; Hübner 567; Köbler, DRG 127, 214;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schlicht, C., Die
kumulative Schuldübernahme, 2004; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im
Codex Theresianus, in Spuren des römischen Rechts, 2007, 693
Schuldverhältnis ist
das zwischen Schuldner und Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis. Es wird als
allgemeine Erscheinung erst im 19. Jh. (in der Entwurfskommission des
Bürgerlichen Gesetzbuchs des deutschen Reiches vielleicht durch Hermann Karl
Freiherr von Leonhardi [1809-1875]) erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 213; Seiler, H., Die Systematik der
einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Die Beratung
des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse,
Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur
Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W.,
Recht der Schuldverhältnisse, 1980ff.; Hadding, W., Schuldverhältnis,
Forderung, rechtlicher Grund, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. 1997
Schuldverschreibung ist
die Urkunde (Wertpapier), in der sich der Aussteller zur Zahlung einer
bestimmten verzinslichen Geldsumme oder zu einer sonstigen Leistung an den
Gläubiger verpflichtet (Schuldverschreibungsgesetz vom 4. 12. 1899)
Lit.:
Vogel, H., Das Schuldverschreibungsgesetz, 1996
Schuldversprechen ist das eine → Schuld begründende einseitige Versprechen. Es ist bereits im altrömischen Recht möglich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 27
Schuldvertrag ist
der eine → Schuld begründende Vertrag (z. B. Kaufvertrag).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Schule ist die
außerhalb der Familie durch spezialisierte Dritte (Lehrer) betriebene
allgemeine Einrichtung zur Förderung der geistig-sozialen Entwicklung von
Menschen, insbesondere von Kindern. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt
(griech. schole Muße, Ort der Muße, Lehranstalt). Im Frühmittelalter wird sie
zunächst nur von der Kirche und nur für wenige undzwar in Latein eingerichtet.
Seit dem Hochmittelalter nimmt das Interesse an ihr in den Städten zu, so dass
dort städtische und zwar auch deutsche Schulen entstehen. Seit der Mitte des
16. Jh.s wird eine Qualifikation der Lehrer verlangt. Im 17. Jh. wird als Folge
der Aufklärung der staatliche Schulzwang verordnet (Österreich 1774 6jährige
Schulpflicht). Am Ende des 18. Jh.s wird für den Gymnasialabschluss eine
staatliche Prüfung (Abitur, Preußen 1788) vorgeschrieben, die im Deutschen Bund
1834 als Voraussetzung für den Hochschulzugang anerkannt wird. Das 19. Jh.
beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Schulwesen und fordert vereinzelt
bereits aus sozialen Gründen die Einheitsschule. Im 20. Jh. verstärkt sich die
Erhöhung der Bildung durch längere Schulzeit (Verschwinden der Hauptschule
zugunsten des vereinfachten Gymnasiums).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 100, 136, 151, 180;
Sammlung der Verordnungen und Bekanntmachungen usw., 1835, Neudruck hg. v.
Ritsch, K., 1985; Der Volksschuldienst in der Provinz Westfalen, 2. A. 1910,
Neudruck hg. v. Kirchhoff, H., 1985; Buchhaas, D., Gesetzgebung im
Wiederaufbau, Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen und Betriebsverfassungsgesetz,
1985; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Mors, A., Die Entwicklung
der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986; Handbuch der deutschen
Bildungsgeschichte, hg. v. Berg, C. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Orme, N.,
Education and Society, 1989; Revolution des Wissens, hg. v. Schmale, W. u. a.,
1991; Kames, J., Das Elementarschulwesen in Köln, 1992; Herrlitz, H./Hopf,
W./Titze, H., Deutsche Schulgeschichte, 1993; Schiffler, H./Winkeler, R.,
Tausend Jahre Schule, 4. A. 1994; Kantwill, W., Neuere Geschichte des
hamburgischen Schulrechts, 1995; Busch-Geertsema, B., Schule wird Pflicht,
1996; Schule und Schüler im Mittelalter, hg. v. Kintzinger, M. u. a., 1996;
Geschichte der Erziehung und der Schule in der Schweiz, hg. v. Badertscher, H.
u. a., 1997; Führ, C., Deutsches Bildungswesen seit 1945, 1997; Schulliteratur
im späten Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K., 2000; Die Volksschule im
NS-Staat, hg. v. Apel, H., Neudruck 2000; Schmidt, D., Der pädagogische Staat.
Die Geburt der staatlichen Schule aus dem Geist der Aufklärung, 2000;
Kistenich, J., Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen, 2001, Wachter, A.,
Dorfschule zwischen Pastor und Schulmeister, 2001; Damesme, N., Öffentliche
Schulverwaltung in der Stadt Köln (1794-1814), 2003; Hauer, W., Lokale
Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Kintzinger, M., Wissen wird
Macht, 2003; Treml, A., Pädagogische Ideengeschichte, 2003; Schraut, S./Pieri,
G., Katholische Schulbildung in der frühen Neuzeit, 2004; Lohbeck, L., Das
höhere Schulwesen in Nordrhein-Westfalen, 2004; Elementarbildung und
Berufsausbildung 1450-1750, hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005; Schmidt-Bleker,
R., Legislative Defizite im Schulrecht der preußischen konstitutionellen
Monarchie, 2005; Konrad, F., Geschichte der Schule, 2007; Moderow, H.,
Volksschule zwischen Staat und Kirche, 2007; Cordes, A., Juristische Bildung
für Kaufmannskinder, Zs. d. Vereins für lübeckische Geschichte 87 (2007), 41;
Vondenhoff, M., Die Schule zwischen Staatsanstalt und causa ecclesiastica, 2008
Schultheiß ist der
als Schuldheischer im 7. Jh. im langobardischen Gebiet Italiens entstehende
Amtsträger. Er übernimmt örtlich Aufgaben des Grafen. Als Amtsträger erscheint
er für den König oder andere Herren häufig in Städten, aber auch in ländlichen
Gebieten. Er sitzt niederen Gerichten vor und ist Ortsvorsteher (Schulze).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 87; Schröder, R.,
Der ostfälische Schultheiß und der holländische Overbode, ZRG GA 7 (1886), 1;
Eckert, C., Der Fronbote, Diss. jur. Gießen 1897; Moeller, E. v., Der
Stadtschultheiß von Bochum, ZRG GA 25 (1904), 63; Wrochem, A. v., Der
Schultheiß, 1908; Merz, W., Das Schultheißenbuch des Stadtschreibers Joh. Beat
Bodmer von Baden, 1920; Lappe, J., Ein westfälischer Schulzenhof, 1935; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des „centenarius“-Schultheiß, ZRG GA
87 (1970), 1, 88 (1971), 29; Matuszewski, J., Die Ignoranzklausel der
Schultheißprivilegien, ZRG GA 93 (1971), 154
Schulze → Schultheiß
Schumanplan ist der
vor allem von Jean Monnet ausgearbeitete, am 9. 5. 1950 verkündete Plan zur
Bildung der gemeinsamer Kontrolle unterstellten Europäischen Gemeinschaft für
Kohle und Stahl des französischen Außenministers Robert Schuman (Luxemburg 29.
6. 1886-Scy-Chazelles 4. 9. 1963). → Montanunion
Lit.: Lücker, H./Seitlinger, J.,
Robert Schuman und die Einigung Europas, 2000
schupfen (stoßen)
(als Ehrenstrafe)
Schupfer, Francesco
(Chioggia/Venedig 1833-Rom 8. 9. 1925) wird nach dem Rechtsstudium in Wien,
Heidelberg und Göttingen Professor für italienische Rechtsgeschichte in
Innsbruck, nach 1866 in Padua, 1878 in Rom. Seine Hauptwerke sind (ital.)
Manuale di storia del diritto italiano (1892, Handbuch der italienischen
Rechtsgeschichte) und Il diritto privato dei popoli germanici (Bd. 1ff.
1907ff., Das Privatrecht der germanischen Völker).
Lit.: Stutz, U., Nachruf auf Schupfer, ZRG GA 47 (1927),
896
Schupose (F.),
Schuppose, kleineres, vielleicht durch Aufteilung entstandenes, landwirtschaftlich
genutztes Gut im Süden (Alemannien) im Mittelalter (seit A. 12. Jh.)
Lit.: Münger, P., Über die Schupose,
1967
Schuschnigg, Kurt
(Edler von) (Riva del Garda 14. 12. 1897-Mutters 18. 11. 1977) wird über die
christlichsoziale Partei ab 30. 7. 1934 Bundeskanzler → Österreichs. Auf
Druck Adolf → Hitlers bestellt er am 12. 2. 1938 den nationalsozialistischen
Sympathisanten Seyss-Inquart zum Sicherheitsminister. Am 11. 3. 1938 zwingt
ihn Hitler zum Rücktritt. Der neue Bundeskanzler Seyss-Inquart bittet Hitler um
Hilfe. Dem → Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich stimmen 99,73 %
der Österreicher zu. Nach 1945 sehen sie sich hauptsächlich als Opfer.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 223
Schüttung (F.)
eigenmächtige Pfändung (fremder Tiere auf eigenem Grund)
Lit.: Hübner § 65; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912, 342
Schutz ist die
Fürsorge gegenüber möglichen Gefährdungen (z. B. Staatsschutz, Besitzschutz,
Mieterschutz, Kündigungsschutz, Verbraucherschutz, Rechtsschutz, Persönlichkeitsschutz,
Mutterschutz, Jugendschutz, Naturschutz, Namensschutz, Zeichenschutz,
Bestandschutz). S. oder S. und Schirm wird in verschiedensten Gestalten von
Stärkeren gegenüber Schwächeren geboten (z. B. Lehen, Grundherrschaft, Gericht,
Vogtei, Geleit, Unfreiheit, Versicherung). In der frühen Neuzeit tritt an die
Stelle des Schutzes teilweise die → Polizei bzw. die staatliche
Hoheitsgewalt.
Lit.: Appelt, H., Die Anfänge des päpstlichen Schutzes,
MIÖG 62 (1954), 101; Semler, J., Traditio und Königsschutz, ZRG KA 45 (1959),
1; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Schöpfer, G.,
Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Weitnauer, H., Der Schutz des
Schwächeren im Zivilrecht, 1975; Fried, J., Der päpstliche Schutz für
Laienfürsten, 1980; Hippel, E. v., Der Schutz des Schwächeren, 1982
Schutzbrief ist die
einen → Schutz betreffende besondere → Urkunde.
Schutzgebiet ist
die Bezeichnung für deutsche → Kolonien (z. B. Deutsch-Südwest-Afrika,
Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Neuguinea, Karolinen, Marianen,
Palauinseln, Marshallinseln, Deutsch-Samoa, Kiautschou).
Lit.: Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien, 1985
Schutzhaft ist die
Haft zum Schutz (angeblich) des Verhafteten im Dritten Reich.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236
Schutzjude ist der
(gegen Abgaben) unter den → Schutz gestellte → Jude im Heiligen
römischen Reich (deutscher Nation). Auf der Grundlage älterer Schutzmaßnahmen
wird nach den Judenverfolgungen der Pestjahre 1347/1349 der Jude in den
Kurfürstentümern durch die → Goldene Bulle (1356) in den besonderen
Schutz aufgenommen. Im 19. Jh. beseitigt der Liberalismus zugunsten der
vollständigen Emanzipation die Einrichtung der Schutzjuden.
Lit.: Stobbe, O., Die Juden in Deutschland, 1866, Neudruck
1968; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden, 1981
Schutzpolizei → Polizei
Lit.: Weinhauer, K., Zwischen Bürgerkrieg und innerer
Sicherheit, 2003
Schutzstaffel (SS)
ist die 1925 entstandene Schutzeinrichtung hoher Angehöriger der →
Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (1929 Himmler unterstellt,
1934 Hitler, 1939 etwa 240000, als Streitmacht Waffen-SS fast eine Million
Mitglieder).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Buchheim, H.,
Die SS, 2. A. 1979; Die SS hg. v. Smelser, R. u. a., 2000; Wegner, B., Hitlers
Politische Soldaten – Die Waffen-SS 1933-1945, 7. A. 2006, 8. A. 2008; Schreiber,
C., Elite im Verborgenen, 2008
Schwabe ist der
Angehörige des nach den elbgermanischen Sueben benannten Volkes, dessen Name im
9. Jh. am oberen Rhein und oberer Donau neben dem der Alemannen erscheint. Örtlich
bleibt Schwaben infolge des Verschwindens eines um 900 entstehenden, 1198 mit
der Königswürde verbundenen Herzogtums Schwaben (mit Schwerpunkten im
Bodenseeraum und im Hegau, später in Zürich, Breisach, Esslingen, Straßburg,
Ulm und Rottweil) im späten 13. Jh. (Rudolf † 1290, Johann Parricida) ein
bloßer Gebietsname ohne einheitliche Herrschaftsgewalt.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1; Oberschwäbische Stadtrechte, Bd. 1 f.
1914ff.; Bader, K. u. a., Oberrheiner, 1942; Weller, K., Geschichte des
schwäbischen Stammes, 1944; Bader, K., Der deutsche Südwesten, 1950, Neudruck
1978; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Hofacker, H., Die schwäbische
Herrschaft, Z. f. württemberg. LG. 47 (1988), 71; Schwaben von den Anfängen bis
1268, hg. v. Fried, P., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2000; Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. v. Kraus,
A., 2001; Hölz, T., Krummstab und Schwert, 2001; Schwaben und Italien im
Hochmittelalter, hg. v. Maurer, H. u. a., 2001; Schwaben vor tausend Jahren,
hg. v. Scholkmann, B., 2002; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2003
Schwaben → Schwabe
Lit.:
Nova Alamanniae, hg. v. Stengel, E., Bd. 1f. 1921ff.; Sapper, N., Die
schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965;
Fehn, K., Siedlungsgeschichtliche Grundlagen der Herrschafts- und
Gesellschaftsentwicklung in Mittelschwaben, 1966; Maurer, H., Das Land zwischen
Schwarzwald und Randen im frühen und hohen Mittelalter, 1965; Handbuch der
bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Maurer, H., Der Herzog
von Schwaben, 1978; Schwaben von den Anfängen bis 1268, bearb. v. Fried, P. u.
a., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2003; Das Reich in
der Region während des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v.
Kießling, R. u. a., 2005; Die Schwabenkriegschronik des Kapar Frey, bearb. v.
Gutmann, A., 2009
Schwabenspiegel ist der neuzeitliche Name des durch mehr als 400 bekannte, über ganz Süddeutschland (einschließlich Österreichs und der Schweiz) verbreitete Handschriften überliefertev Rechtsbuchs Kaiserliches Land- und Lehnrechtsbuch (→ Kaiserrecht). Der S. übersetzt den mittelniederdeutschen, in Landrecht und Lehnrecht geteilten → Sachsenspiegel Eike von Repgows wie der → Deutschenspiegel in das Mittelhochdeutsche und wird bereits 1276 vom Augsburger Stadtrecht benutzt. Es verwertet fränkische Kapitularien, hochmittelalterliche Landfrieden, die Institutionen Justinians, kanonisches Recht und vielleicht Schriften Davids von Augsburg und Bertholds von Regensburg. Es sind so unterschiedliche Fassungen überliefert, dass die Herstellung einer Urfassung (Urschwabenspiegel) Schwierigkeiten bereitet. Als älteste, vom Deutschenspiegel verschiedene Fassung wird in neuester Zeit eine vielleicht in Regensburg zwischen 1268 und 1272 entstandene Fassung (E) angesehen. Eine durchgehend illustrierte Handschrift liegt in Brüssel. Der S. beeinflusst jüngere Rechtsbücher (Freising, Bayern, Österreich, Kleines Kaiserrecht). Der Name S. stammt von Melchior → Goldast (1609).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 103, 120; Lassberg,
F. Frhr. v., Der Schwabenspiegel, 1840, Neudruck 1971; Böhlau, H., Rockingers
Resultate über die Entstehungsgeschichte, ZRG GA 4 (1883), 233; Lindner, G.,
Der Schwabenspiegel bei den Siebenbürger Sachsen, ZRG GA 6 (1885), 86, 141;
Knapp, H., Der Beweis im Strafverfahren des Schwabenspiegels, FG J. Kohler,
1919, 25; Stutz, U., Die Witzenhäuser Schwabenspiegel-Handschrift, ZRG GA 44
(1924), 315; Voltelini, H. v., Bericht über die Arbeiten an der Ausgabe des
Schwabenspiegels, Anzeiger der phil.-hist. Kl. der Ak. d. Wiss. Wien 1924, Nr.
12; Eckhardt, K., Die handschriftliche Grundlage für die Neuausgabe des
Schwabenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 50; Müller, K., Zwei schwäbische
Handschriften des Schwabenspiegels, ZRG GA 47 (1927), 657; Eckhardt, K.,
Rechtsbücherstudien 1, 1927; Voltelini, H. v., Ottokars österreichische
Reimchronik und der Schwabenspiegel, ZRG GA 50 (1930), 385; Klebel, E., Studien
zu den Fassungen und Handschriften des Schwabenspiegels, MIÖG 44 (1930), 129;
Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen);
Thieme, H., Eine unbekannte Schwabenspiegelhandschrift, ZRG GA 54 (1934), 241;
Lentze, H., Die Kurzform des Schwabenspiegels, 1938; Torggler, K., Zur
Auslegung des Schwabenspiegeleinschubes, ZRG GA 60 (1940), 291; Belling, D.,
Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Klebel, E., Zu
den Quellen des Schwabenspiegels, FS K. Hugelmann, 1959, 273; Schwabenspiegel,
Kurzform, mitteldeutsch-niederdeutsche Handschriften, hg. v. Große, R., 1964;
Große, R., Die mitteldeutsch-niederdeutschen Handschriften des
Schwabenspiegels in seiner Kurzform, 1964; Becker, H., Eine unbekannte Handschrift
des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971), 190;
Schwabenspiegel, Form M, 1972; Schwabenspiegel, Normalform 1972; Schwabenspiegel,
Kurzform III, Fassung Kt, hg. v. Eckhardt, K., 1972 (Tambacher Handschrift von
1295); Schwabenspiegel Kurzform, hg. v. Eckhardt, K., 2. A. 1974;
Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher
des Mittelalters, Bd. 1 1990; Derschka, H., Der Schwabenspiegel und die
kognitive Entwicklung des Menschen, ZRG GA 118 (2001), 100; Derschka, H, Der
Schwabenspiegel, 2002; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess
des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008
Schwäbischer Bund ist
der am 14. 2. 1488 von Fürsten, Adel und Städten Schwabens auf Veranlassung des
Kaisers als erneuertem Herzog von Schwaben abgeschlossene, bis 1534 währende
Bund.
Lit.: Bock, E., Der Schwäbische Bund, 1927, Neudruck 1968;
Knapp, H., Vom Gericht des schwäbischen Bundes, ZRG GA 51 (1931), 520;
Hesslinger, H., Die Anfänge des schwäbischen Bundes, 1969; Laufs, A., Der
schwäbische Kreis, 1972; Carl, H., Der Schwäbische Bund 1488-1534, 2000
Schwäbischer
Städtebund
Lit.: Blezinger, H.,
Der schwäbische Städtebund in den Jahren 1438-1445, 1954
Schwäbisch Gmünd
Lit.: Payer, Peter, Die
Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, Diss. jur. Tübingen 1957; Herrmann, K. u. a.,
Schwäbisch Gmünd, 2006
Schwäbisch Hall
Lit.: Die Bürgerschaft
der Reichsstadt Hall von 1395 bis 1600, bearb. v. Wunder, G. u. a., 1956;
Kreil, D., Der Stadthaushalt von Schwäbisch Hall im 15./16. Jahrhundert,
(1967); Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der
Reichsstadt Schwäbisch Hall seit dem 15. Jahrhundert, 1971; Iländer, B.,
Verfassung und Verwaltung der Reichsstadt Hall (1648-1806), 2000; Schinke, E., Herrschen
vor Ort, 2008
Schwägerschaft ist das Verhältnis eines Ehegatten zu den Verwandten
des anderen Ehegatten. Vom Hochmittelalter an ist die S. ein kirchliches
Ehehindernis (1215 vom siebten Grad auf den vierten Grad verringert).
Schwalenberg
Lit.: Forwick, F., Die
staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963
Schwangerschaft ist
der von der Befruchtung bis zur Geburt eines Kindes reichende Zeitabschnitt im
Leben einer Frau. Die S. wirkt sich im Recht teilweise bei der Leibesfrucht
(lat. [M.] nasciturus), teilweise bei der Schwangeren aus (z. B.
keine Ladung vor Gericht, aber Besitz eines Nachlasses bis zur Geburt im
römischen Recht, Befreiung vom Fastengebot. Aufschub einer Folter oder
Hinrichtung in der frühen Neuzeit). Erst 1908 erhalten Schwangere
arbeitsrechtlichen Schutz (Mutterschutz), den das Mutterschutzgesetz
erweitert.
Lit.: Kaser; Hübner; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau,
1912; Schlieben, E., Mutterschaft und Gesetz, 1927; Koch, E., Der nasciturus
als Rechtsgut, (in) Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985, 87;
Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Koch, C.,
Schwangerschaftsabbruch, 2004
Schwarzburg ist die 1071 erstmals erwähnte Burg an der Schwarza
in Thüringen, nach der sich seit 1123 Grafen benennen, die im 16. Jh. in
Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt teilen. Die 1697 bzw.
1710 zu Fürstentümern erhobenen Gebiete werden 1909 in Personalunion vereinigt.
Zum 1. 5. 1920 geht S. in Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Schwarzenberg,
Johann Frhr. zu (Schwarzenberg/Mittelfranken 26. 12. 1463-Nürnberg 21. 10.
1528) wird nach einer Ausbildung als adliger Knappe und einer Tätigkeit im
Gefolge König Maximilians 1490 Amtmann und später Hofmeister in Würzburg (1493
Wallfahrt ins Heilige Land). 1501 tritt er in den Dienst des mit ihm
verschwägerten Bischofs von Bamberg (1521 Übertritt zum Luthertum), 1522 wird
er Mitglied des Reichsregiments, 1524 fränkischer Hofmeister der Markgrafen von
Brandenburg. Auf ihn geht über die (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis
Bambergensis (1507) die (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Carolina
(1532) zurück. Er ist nicht rechtsgelehrt, aber humanistisch interessiert (1534
Teutscher Cicero).
Lit.: Köbler, DRG 138, 143; Merzbacher, F., Johann Freiherr
zu Schwarzenberg in würzburgischen Diensten, ZRG GA 69 (1952), 363; Hellner,
J., Johann Freiherr von Schwarzenberg und Hohenlandsberg, JuS 5 (1965), 48;
Trusen, W., Strafprozess und Rezeption, (in) Strafrecht, Strafprozess und
Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984, 29
Schweden ist der
zwischen Norwegen und Finnland gelegene nordeuropäische, zum 1. 1. 1995 der
Europäischen Union beigetretene Staat. Sein Gebiet ist vermutlich schon im 2.
oder 1. Jt. v. Chr. von → Germanen (u. a. um 100 n. Chr. [lat. M.Pl.] Suiones) besiedelt. Im Frühmittelalter dehnen dabei die
oberschwedisch-upländischen Svear ihre Herrschaft auch auf die Götar aus. Im
Hochmittelalter kommt demgegenüber Götaland größere Bedeutung zu. Im Zuge der Christianisierung
wird Uppsala Erzbistum. Im 11. Jh. festigt sich S. Zwischen 1150 und 1323 wird
das von Schweden aus christianisierte Finnland einbezogen. Um 1350 erstreckt
sich das Königreich S. von Kalmar bis Lappland und von der Mündung des Götaälv
bis Viborg. Im 13. und 14. Jh. werden Landschaftsrechte (landskapslagar)
aufgezeichnet (Westgötenrecht bzw. Westgötalagh seit 1220-2. H. 13. Jh.,
Ostgötenrecht bzw. Ostgötalagh um 1286 bzw. um 1300, Smalandslagen vor 1296,
Södermannalagen bzw. Södermannalagh um 1279-1285 bzw. 1327, Uplandslagen bzw.
Uplandslagh 1296, Dalalagen bzw. Västmannalagan bzw. Westmannalagh 1298-1347
bzw. um 1330, Hälsingelagen bzw. Helsingelagh 1315-1332 bzw. 1329/1350). Zu den
Landschaftsrechten treten Satzungen auf den Hoftagen und kirchliche Konzilsbeschlüsse
hinzu. Von den Stadtrechten ist das sog. Bjärköarätt (2. H. 13. Jh.) am
bekanntesten. 1347 veranlasst König Magnus Eriksson ein allgemeines, in den
einzelnen Landschaften allmählich aufgenommenes Landrecht (Landslag), 1357
(1353-1360) ein bis 1734 gültiges Stadtrecht (Stadslag). Dabei steht der aus
den Hoftagen entwickelte Reichsrat neben ihm. 1389 erkennt S. die Herrschaft
Königin Margarethes von → Dänemark an. 1442 wird das Landrecht erneuert.
1448 verselbständigt sich S. wieder (König Karl VIII.). 1477 wird eine (von
1530 bis 1593 geschlossene) Universität in → Uppsala eingerichtet (1632
Dorpat, 1640 Abo, 1668 Lund). 1523 erringt das Haus Wasa das Königtum. 1527
wird die Kirche enteignet und S. wenig später dem Luthertum zugeführt. Am Ende
des 16. Jh.s bildet sich der in 4 Stände (Adel, Geistliche, Bürger, Bauern)
gegliederte dauernde Reichstag neben König und Reichsrat. Am Ende des 17. Jh.s
(1693) setzt der König kurzzeitig den → Absolutismus durch, doch gewinnen
1718 die Stände die Macht. Am 14. 12. 1734 nimmt der Reichstag das seit 1686
allmählich geschaffene Reichsgesetzbuch zum 1. 9. 1736 an. 1772 entzieht der
König dem Reichstag die gewonnenen Rechte und hebt den Reichsrat auf. 1789 wird
ein oberster Gerichtshof geschaffen. 1809 wird der König abgesetzt, die
Privilegierung des Adels beseitigt und der Reichsrat neu geschaffen. Finnland
gelangt an Russland. 1810 wird der französische Marschall Bernadotte zum
Thronfolger gewählt. 1814 kommt Norwegen von Dänemark an S. 1866 wird das
Zweikammersystem mit einkommensabhängigem Wahlrecht, seit 1921 allgemeinem
gleichem Wahlrecht eingeführt. 1905 verselbständigt sich Norwegen. Zum 1. 1.
1995 tritt S. der → Europäischen Union bei. 2000 werden Staat und Kirche
getrennt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
130; Samling af Sweriges gamla lagar, hg. v. Collin, H./Schlyter, C. u. a., Bd.
1ff. 1827ff. (13 Bände bis 1877); Amira, K. v., Altschwedisches
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schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933; Svenska Landskapslagar, tolkade och
förlarade för nutidens Svenska v. Holmbäck, Å./Wessén, E., Bd. 1ff. 1933ff.;
Schwedische Rechte, Älteres Westgötalag, Uplandslag, übers. v. Schwerin, C.
Frhr. v., 1935; Wennström, T., Tjuvnad ock fornæmi, 1936; Herlitz, N.,
Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1939; Wennström, T., Brott
och böter, 1940; Löning, G., Zur Zufallshaftung im schwedischen Vertragsrecht,
ZRG GA 62 (1942), 179; Olivecrona, K., Döma til konung, 1942; Almquist, J.,
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in der neueren schwedischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 65 (1947), 208; Gerhardt,
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schwedischen mittelalterlichen Rechts); Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches
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min dotter 2, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
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Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche,
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Schweidnitz
Lit.: Rechtsdenkmäler
der Stadt Schweidnitz, hg. v. Goerlitz, T. u. a., 1939; Die Magdeburger
Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für Schweidnitz, bearb. v. Goerlitz, T.
u. a., 1940
Schweigaard, Anton Martin (Kargero 1808-Oslo 1870), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach Förderung in Westerholt/Ostfriesland, Rechtsstudium in Oslo und Aufenthalten in Berlin und Paris 1835 Dozent und 1840 Professor in Oslo und Rechtspolitiker. Er veröffentlicht einen Kommentar zum norwegischen Strafgesetzbuch von 1842 (1841ff.) und eine Darstellung des norwegischen Prozesses (1849ff.). Seine Vorlesung folgt Mackeldeys Lehrbuch des römischen Rechts.
Lit.: Sorensen, O., Anton Martin Schweigaards politiske
tenkning, 1986
Schweinsberg
(1322 Stadt)
Lit.: Eckhardt, W.,
Kaiser Ludwig der Bayer und das Stadtrecht für Schweinsberg, Zs. d. Vereins f.
hess. Geschichte und Landeskunde 112 (2007), 51
Schweinfurt
Lit.: Fuchs, A., Schweinfurt 1972
Schweiz ist der zwischen Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien und Frankreich liegende, überwiegend deutschsprachige Staat. Die S. nimmt ihren Ausgangspunkt davon, dass der deutsche König zur Sicherung des Gotthardpasses 1231 den Leuten von → Uri im ehemaligen Herzogtum → Schwaben die ewige Reichsunmittelbarkeit verspricht und vielleicht davon, dass sich wenige Tage nach dem Tod Rudolfs von Habsburg anfangs August 1291 die Leute von Uri mit den ähnlich berechtigten Leuten von → Schwyz und den Leuten von Unterwalden in einem ewigen Bündnis gegen die das Privileg missachtenden Grafen von → Habsburg verbinden, nach anderer Ansicht erst im 14. Jh. (1351 Bündnisse Zürichs mit Uri, Schwyz, Unterwalden und Luzern, 1352 mit Glarus und Zug.. Am 15. 11. 1315 besiegen diese danach als → Eidgenossen auftretenden Verbündeten die (vielleicht auch zu Gunsten Einsiedelns angreifenden) habsburgischen Herzöge von Österreich bei Morgarten. Bald schließen sich weitere Gebiete an (Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus und Zug 1352, Bern 1353, Appenzell 1411, 1513, Freiburg im Üchtland 1481/1502 und Solothurn 1481). Frühestens am Ende des 14. Jahrhunderts entstehen gesamteidgenössische Gespräche (1482 Tagsatzung). Die tatsächliche Lösung vom Reich beginnt vielleicht 1499. Basel und Schaffhausen folgen zwangsweise 1501. Die Lösung vom Reich verwirklicht sich wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1648 wird die rechtliche Trennung vom Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) herbeigeführt. 1798 entsteht unter dem Einfluss der französischen Revolution bzw. Napoleons die (zentralistische) helvetische Republik mit 1803 föderalistisch abgeänderter Verfassung, mit Bundesvertrag vom 7. 8. 1815 wieder ein lockerer Staatenbund von 22 souveränen Kantonen mit dauernder Neutralität, aus dem die Verfassung vom 12. 9. 1848 (1874 abgeändert) einen Bundesstaat mit ziemlicher Selbständigkeit der Gliedstaaten macht. Ihm gehören (heute) 26 Kantone bzw. Halbkantone (6) in 23 Ständen an. Das sehr zersplitterte, für die ältere Zeit durch die großangelegte Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen erschlossene, im 19. Jh. zunächst partikular modernisierte Recht ist nach einem Personenstands- und Ehegesetz von 1874 im Obligationenrecht (1881, 1911 fünftes Buch des Zivilgesetzbuches) und in dem von Eugen Huber maßgeblich beeinflussten Zivilgesetzbuch (1907/1912 mit Ausstrahlungen auf Liechtenstein, die Türkei, Italien, Griechenland, Peru, China, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion) für das Privatrecht vereinheitlicht. 1937 bzw. 1942 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. 1960 wird die S. Gründungsmitglied der ziemlich erfolglosen Europäischen Freihandelszone (EFTA). 1971 erhalten die Frauen das Wahlrecht. Ein Beitritt zu den europäischen Gemeinschaften wird vom Volk abgelehnt, Zum 1. 1. 2000 wird die Verfassung überarbeitet (z. B. Streikrecht, Sozialziele, Recht des Kindes). 2002 tritt die Schweiz den Vereinten Nationen bei. Das noch partikulare Zivilprozessrecht soll derzeit in einer einheitlichen Kodifikation zusammengefasst werden. Zum 1. 1. 2007 treten das Bundesgerichtsgesetz und das Verwaltungsgerichtsgesetz in Kraft. Das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird überarbeitet. Durch verschiedene Abkommen nähert sich die S. der europäischen Union an.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 94, 95, 130, 132, 138, 157, 170, 181, 183, 201, 202, 216, 229, 242,
244, 255, 258, 261, 274; Schweizerisches Idiotikon, hg. v. Staub, F. u. a., Bd.
1ff. 1881ff.; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen
Privatrechts, Bd. 1ff. 1886ff., 2. A. 1932ff.; Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Sulger Büel, E., Verfassungsgeschichte der
Stadt Stein am Rhein, 1908; Tscharner, L., Rechtsgeschichte des
Obersimmentales, 1908; Martin, P., Études critiques sur la Suisse à l’époque
Mérovingienne, 1910; Burckhardt-Biedermann, T., Die Kolonie Augusta Raurica,
1910; Meyer, K., Blenio und Leventina, 1911; Tscharner, L. v., Das
Statutarrecht des Simmentales, 1912ff.; Merz, W./Meyer-Zschokke, J., Die
Anfänge Zofingens, 1913; Schweizer Kriegsgeschichte, bearb. v. Feldmann,
M./Wirz, H., Heft 1ff. 1915ff.; Nabholz, H., Föderalismus und Zentralismus in
der eidgenössischen Verfassung vor 1798, Politisches Jahrbuch der
schweizerischen Eidgenossenschaft 30 (1917); Benz, A., Der Landammann, 1918;
Simon, R., Rechtsgeschichte der Benediktinerabtei Pfäfers, 1918; Beusch, H.,
Rechtsgeschichte der Grafschaft Werdenberg, 1918; Beurle, E., Der politische
Kampf um die religiöse Einheit der Eidgenossenschaft 1520-27, 1920; His, E.,
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Schweiz in der deutschen Rechtsgeschichte, 1920; Gagliardi, E., Geschichte der
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1923; Winkler, J., Beiträge zur Geschichte von Seebach, 1925; Muralt, L. v.,
Die Badener Disputation 1526, 1926; Feldmann, M., Die Herrschaft der Grafen von
Kyburg im Aaregebiet, 1926; Meyer, K., Zur Interpretation des Urschweizer
Bundesbriefs von 1291, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 10 (1930),
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schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Heiz, K., Das „eidgenössische recht“
1798-1848, 1930; Staehelin, H., Die Zivilgesetzgebung der Helvetik, 1931;
Schaefer, P., Das Sottocenere im Mittelalter, 1932; Nabholz, H. u. a.,
Geschichte der Schweiz, Bd. 1 1932; Gasser, A., Die territoriale Entwicklung
der schweizerischen Eidgenossenschaft 1271-1797, 1932; Gallati, F., Die
Eidgenossenschaft und der Kaiserhof zur Zeit Ferdinands II. und Ferdinands III.
1619-1657, 1932; Gisi, M., Die staatsrechtliche Stellung der christkatholischen
Kirche in der Schweiz, 1932; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, Bd. 1ff. bearb. v. Schieß, T. u. a., 1933ff.; Ermatinger,
G., Jakob Dubs als schweizerischer Bundesrat von 1861-1871, 1933; Meyer, W.,
Die Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im Gebiete
der Ostschweiz 1264-1460, (1934); Cattani, H., Entwicklung des Talgerichts von
Engelberg, 1935, Legras, H., Grundriss der schweizerischen Rechtsgeschichte,
1935; Bruckner, A., Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. 1ff. 1935ff.; Liver,
P., Rechtsgeschichte der Landschaft Rheinwald, 1937; Gasser, A., Landständische
Verfassungen in der Schweiz, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 17
(1937), 96; Castelmur, A. v., Der alte Schweizerbund, (1937); Fehr, H., Sozial-
und Privatrechtliches aus den Höngger Meiergerichtsurteilen, ZRG GA 58 (1938),
506; Henggeler, R., Das (!) Schlachtenjahrzeit der Eidgenossen, 1940;
Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft,
bearb. v. Nabholz, H./Kläui, P., 1940; Elsener, F., Die Verfassung der alten
Stadt Rapperswil bis 1978, 1941; Das Schweizer Dorf, hg. v. Winkler, E., 1941;;
Repertorium über die Verhandlungen der Bundesversammlung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, Bd. 1 1848-1874, bearb. v. Kern, L., 1942; Stockmann, H.,
Über die Gassengerichte von Uri, Schwyz, Nidwalden und Appenzell, 1942; Staub,
E., Die Herren von Hünenberg, 1943; Schultheß, H., Schweizer Juristen der
letzten hundert Jahre, 1945; Fehr, H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA
69 (1952), 182; Westschweizer Schiedsurkunden, bearb. v. Usteri, E., 1955;
Kopp, M., Die Geltung des Mehrheitsprinzips in eidgenössischen Angelegenheiten,
1959; Büttner, H., Staufer und Zähringer im politischen Kräftespiel, 1961;
Fritzsche, H., Der schweizerische Juristenverein 1861-1960, 1961; Hauser, A.,
Schweizerische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1961; Sonderegger, S., Die
schweizerdeutsche Mundartforschung 1800 bis 1959, 1962; Lei, H., Der
thurgauische Gerichtsherrenstand im 18. Jahrhundert, 1962; Brand, E.,
Eidgenössische Gerichtsbarkeit – Von der Gründung des Bundesstaates bis zur
Gegenwart, 1962; Schmid, B., Die Gerichtsherrschaft Maur, 1963; Caroni, P., Le
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Geschichte des oberen Aareraumes im Früh- und Hochmittelalter, 1964; Gmür, R.,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
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im staatsrechtlichen Denken der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert, 1968;
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schweizerischen und bündnerischen Rechtsgeschichte, 1970; Meyer, B., Die
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Entstehung der Stadtverfassung von Maienfeld, 1972; Handbuch der Schweizer
Geschichte, Bd. 1f. 1972ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,61,523,972, 2,2,440, 3,2,1833,2755, 3,3,3084,3618,3677,3777,3875,4046,4189;
Im Hof, U., Geschichte der Schweiz, 1974, 2. A. 1976, 3. A. 1980, 4. A. 1987,
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Carlen, L., Österreichische Einflüsse auf das Recht in der Schweiz, 1977;
Bickel, A., Die Herren von Hallwil, 1978; Peyer, H., Verfassungsgeschichte der
alten Schweiz, 1978, Neudruck 1980; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v.
Kohler, P. u. a., 1981; Hundert Jahre schweizerisches Obligationenrecht, hg.
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Jahre schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Das Obligationenrecht 1883-1983,
hg. v. Caroni, P., 1984; Caroni, P., Rechtseinheit, 1986; Tschudi, H.,
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Europa, 1998; Blickle, P., Ordnung schaffen, HZ 268 (1998), 121; Werkstatt
Bundesverfassung, zusammengestellt v. Arlettaz, S., 1998; Bradke, S., 75 Jahre
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occidentale et l’empire, hg. v. Morerod, J. u. a., 2004; Das Recht der Stadt
Thun, bearb. v. Dubler, A., 2004; La Suisse occidentale et l’Empire, hg. v.
Moererod, J. u. a., 2004; Jucker, M., Gesandte, Schreiber, Akten, 2004;
Maissen, T., Verweigerte Erinnerung, 2005; Gees, T., Die Schweiz im
Europäisierungsprozess, 2006; Ein Bruderkrieg macht Geschichte, hg. v.
Niederhäuser, P. u. a., 2006; Piller, O., Die soziale Schweiz, 2006; Zbinden,
M., Der Assoziationsversuch der Schweiz mit der EWG 1961-1963, 2006; Geschichte
der Sozialversicherungen. L’histoire des assurances sociales, hg. v.
Schweizerisches Bundesarchiv, 2007; Maissen, T., Die Geburt der Republic, 2007;
Mesmer, B., Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht, 2007; Reich, D., Direkte
Demokratie in der Krise, 2007; Saleski, K., Theorie und Praxis des Rechts,
2007; Gschwend, L., Die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Zs. f.
schweizerisches Recht 2007, 435ff.; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft
und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008; Demokratisierungsprozesse in
der Schweiz, hg. v. Graber, R., 2008; Pichonnaz, P., Les fondements romains du
droit privé, 2008; Carlen, L., Goms und Gommer, 2009; Kriegsverbrecherprozesse
in der Schweiz, hg. v. Ziegler, A. u. a., 2009; Duss, V., Gericht, Gesetz und
Grundsatz, 2009
Schwerin → Mecklenburg
Lit.: Grohmann, W., Das Kanzleiwesen der Grafen von
Schwerin. Diss. phil. Rostock 1928; Das Schweriner Stadtbuch, hg. c. Poeck, D.,
2004
Schwert ist seit dem
Altertum eine Stichwaffe und Hiebwaffe, die auch im Recht tatsächlich
(Richtschwert) und symbolisch (z. B. bei → Investitur, →
Zweischwerterlehre, → Schwertmage) verwendet wird.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988
Schwertbrüderorden ist
der 1202 in Livland gestiftete kleine Ritterorden, der 1237 mit dem →
Deutschen Orden verschmolzen wird.
Lit.: Bunge, G. v., Der Orden der Schwertbrüder, 1875;
Benninghoven, F., Der Orden der Schwertbrüder, 1965; Benninghoven, F., Zur
Rolle des Schwertbrüderordens, ZOF 41 (1992)
Schwertleite (F.)
ist der ältere ritterliche Mannbarkeitsritus, der später durch den
Ritterschlag ersetzt wird.
Lit.:
Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag, Zeitschrift für historische
Waffenkunde 8 (1919)
Schwertmage ist der
durch das → Schwert versinnbildlichte männliche Verwandte (Mage) im
deutschen Mittelalter.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 88;
Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1
Schwur ist die Handlung und das
Ergebnis der Leistung eines Eides.
Lit.: Künßberg, E.
Frhr. v., Schwurfingerdeutung und Schwurgebärde, Zeitschrift für
schweizerisches Recht 39 (1920); Fritze, W., Die fränkische Schwurfreundschaft
der Merowingerzeit, ZRG GA 71 (1954), 74
Schwurgericht ist die mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (bis 30. 9. 1972 Geschworenen) besetzte Strafkammer bei bestimmten Strafsachen (z. B. Mord), im älteren und ausländischen Recht das mit (1 bzw.) 3 Richter(n) und 12 Geschworenen besetzte Gericht, bei dem die Geschworenen über die Frage der Schuld und der oder die Richter über die Frage der Strafe entscheiden. Das S. wird im linksrheinischen Deutschland 1798 unter dem Einfluss Frankreichs, im übrigen Deutschland meist nach 1848 eingeführt. 1877/1879 wird dies reichseinheitlich geregelt (1893 im Deutschen Reich 140 Schwurgerichte). Am 4. 1. 1924 wird das ältere S. aus finanziellen Gründen durch das jüngere, mit Schöffen besetzte S. ersetzt (Emmingersche Justizreform, lex Emminger, in Bayern durch Verordnung vom 14. 7. 1948 bis 1. 10. 1950 nochmals kurzfristig wiederbelebt). Eine unmittelbare Kontinuität des deutschen Schwurgerichts zu dem in karolingischer Zeit entstandenen Schöffengericht besteht nicht. Brunner leitet das S. von den Zeugen der fränkischen Zeit her, die der Richter zur Rüge bewegen kann. Vermutlich ist das spätantiken Vorläufern folgende fränkische Untersuchungsverfahren über Grundstücksverhältnisse über die Normandie nach England gelangt, wo es König Heinrich II. (1154-1189) für Güterstreitigkeiten allgemein eröffnet. Danach soll der Sheriff jeweils 12 Nachbarn auswählen, vereidigen und befragen. 1166 wird dies auf Verfahren wegen Unrechtstaten übertragen.
Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
171, 202, 203, 234; Brunner, H., Die Entstehung der Schwurgerichte, 1872, Neudruck
1967; Schwinge, E., Der Kampf um die Schwurgerichte, 1926, Neudruck, 1970;
Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1959, 114; Plucknett, T.,
Concise History of the Common Law, 2. A. 1956; Böttges, W., Die
Laienbeteiligung in der Strafrechtspflege, Diss. jur. Bonn 1979; Schubert, W.,
Die deutsche Gerichtsverfassung, 1981, 205; Reimann, M., Der Hochverratsprozess
gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste Schwurgerichtsfall in Baden,
1985; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte, (in) The Trial Jury, hg.
v. Schioppa, A., 1987, 241; Canegem, R. van, The Birth of the English Common
Law, 2. A. 1988; Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Koch, A.,
Die Rückkehr der „Volksgerichte“, ZRG GA 122 (2005), 242; Pense, T., Das spanische
Schwurgericht, 2006
Schwyz, um 730 Ort
einer Kirche, ist der für die → Schweiz namengebende Urkanton.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Reichlin, M., Die
schwyzerische Oberallmende, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des
Kantons Schwyz, 1910; Styger, D., Die Beisassen des Landes Schwyz, 1914;
Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich
1956; Riggenbach, A., Der Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln und die
Entstehung der Eidgenossenschaft, Diss. phil. Zürich 1965; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. A.
1988; Wiget, J., Wasser und Wacht, 1988; Schwyz, 1991; Fassbind, J., Schwyer
Geschichte, hg. v. Detting, A., 2004; Adler, B., Die Entstehung der direkten
Demokratie, 2006
Scire leges non est verba eorum tenere sed vim ac potestatem (lat.). Die Gesetze zu kennen, heißt nicht, ihre Worte
behalten, sondern ihre Macht und ihr Vermögen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140, Digesten 1, 3, 17)
scultetus (lat.-afrk.
[M.]) → Schultheiß
Seabra, António
Luís Visconde de (1798-1895), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Coimbra Richter, Rechtslehrer und liberaler Rechtspolitiker. Er entwirft den
1867 in Kraft gesetzten Código civil portuguez.
Lit.: Dias Ferreira, J., Elogio histórico do Visconde de
Seabra, 1895; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973
Seckel, Emil
(Neuenheim bei Heidelberg 10. 1. 1864-Todtmoos 26. 4. 1924), Schwiegersohn
Hinschius’, wird 1898 Professor in Berlin.
Lit.: Seckel, E., Paläographie der juristischen
Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts, ZRG RA 45 (1925), 1; Genzmer, E.,
Emil Seckel, ZRG RA 46 (1926), 216
Seckendorff, Veit
Ludwig von (Herzogenaurach 20. 12. 1626-Halle/Saale 18. 12. 1692), aus
fränkischem Adel, wird nach dem Studium von Philosophie, Geschichte und Recht
in Straßburg Rat und Kanzler in Sachsen-Gotha und 1665 in
Sachsen-Naumburg-Zeitz. Sein Hauptwerk ist der christlich idealisierende
Teutsche Fürstenstaat (1656), der sich teilweise an den Fürsten, teilweise an
dessen Amtsträger wendet.
Lit.: Seckendorff, V., Teutscher Fürstenstaat, 1656,
Neudruck 1972, 1976; Schmelzeisen, G., Der verfassungsrechtliche Grundriss in
Veit Ludwig von Seckendorffs „Teutschem Fürstenstaat“, ZRG 87 (1970), 190;
Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987,
3. A. 1995
Securitas (lat. [F.],
Sicherheit) ist die Quittung im spätantiken römischen Recht.
Lit.: Kaser § 53 I 1; Köbler, DRG 62
SED ist die am 21.
4. 1946 aus zwangsweiser Vereinigung von Sozialdemokratischer Partei
Deutschlands und Kommunistischer Partei Deutschlands zwecks Ausschaltung der
Sozialdemokratie hervorgehende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in
der sowjetischen besetzten Zone des Deutschen Reiches, die in der Deutschen
Demokratischen Republik die Politik entscheidend bestimmt und sich nach deren
Scheitern am Ende der Deutschen Demokratischen Republik (1989) in Partei des
demokratischen Sozialismus (PDS) umbenennt.
Lit.: Köbler, DRG 245; Kroeschell, 20. Jh.; Dokumente zur
Geschichte der SED, hg. v. Müller, E. u. a., Bd. 1ff. 2. A. 1981ff.; Das Ende
der SED, hg. v. Hertle, H. u. a., 1997; Die SED, hg. v. Herbst, A. u. a., 1997;
Schröder, K., Der SED-Staat, 1998; Anatomie der Parteizentrale, hg. v. Wilke,
M., 1998; Die totalitäre Herrschaft der SED, hg. v. Friedrich, W., 1998; Schroeder,
K., Der SED-Staat, 1998; Malycha, A., Die SED, 1999; Hört die Signale, hg. v.
Hübsch, R., 2002; Großbölting, T., SED-Diktatur und Gesellschaft, 2002; Giese,
D., Die SED und ihre Armee, 2002; Amos, H., Politik und Organisation der
SED-Zentrale 1949-1963, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003;
Die ersten und zweiten Sekretäre der SED, hg. v. Best, H./Mestrup, H., 2003;
Niemann, M., Die Sekretäre der SED-Bezirksleitungen 1952-1989, 2007; Malycha,
A. u. a., Die SED, 2009
Sedan ist von 1601 bis 1681 Sitz
einer Universität.
Seedarlehen → fenus (N.) nauticum (lat.)
Lit.: Schuster, S.,
Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Seelbuch (N.) Totenbuch
Lit.: Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters, 1971
Seelgerät ist im
mittelalterlichen Recht die zum Seelenheil (lat. salus [N.]
animae) gestiftete Sache. Die Schaffung geschieht anfangs durch Gabe, seit dem
Hochmittelalter auch durch → Testament.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89; Mayer, E.,
Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Bruck, E., Totenteil und
Seelgerät im griechischen Recht, 1926; Seelenheil und irdischer Besitz, hg. v.
Herzog, M. u. a., 2007
Seelteil → Freiteil
Lit.: Schultze, A., Augustin und der Seelteil des
germanischen Erbrechts, 1928; Schultze, A., Nachträge zu „Augustin und der
Seelteil“ S. 185ff., ZRG GA 50 (1930), 377
Seerecht ist das
die See betreffende Recht. Es ist ein Teil des Völkerrechts, soweit die See
nicht zum Hoheitsgebiet eines einzelnen Staates zählt. Bedeutsam ist
insbesondere das Seehandelsrecht als Sonderprivatrecht der Seeschiffahrt.
Dieses erscheint bereits im (lat.) → Codex Hammurapi (1728-1686 v. Chr.).
Weit verbreitet ist im Altertum das nach der Insel Rhodos benannte griechische
Seehandelsrecht (lat. lex [F.] Rhodia [de iactu], rhodisches Gesetz über den Wurf [von
Gütern bei Gefahr in die See]), das die Römer übernehmen, so dass es im Osten
bis in das 15. Jh. fortwirkt. Im Westen nimmt das S. des Mittelmeers seinen
Ausgang von Amalfi (lat. Tabula [F.] de Amalfa, 12. Jh.), Pisa (lat. Constitutum [N.] usus, 12. Jh.), Venedig (1229ff.) und Genua (E. 13. Jh.). Eine private
Rechtssammlung in Barcelona um 1350 (1348) ist das → Consolat del Mar, das
bis ins 19. Jh. den Mittelmeerraum beherrscht. Für das nordwesteuropäische
Gebiet sind die → Rôles d’ → Oléron (Mitte 13. Jh.s) besonders
wichtig, deren flämische Übersetzung → Vonnisse van Damme genannt wird.
Diese bildet zusammen mit der in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Staveren
oder Amsterdam entstandenen → Ordinancie die Grundlage für die im 15. Jh.
verfasste Sammlung Waterrecht. Von den deutschen Seehandelsstädten wirken vor
allem Hamburg und Lübeck und ihre Tätigkeit in der Hanse prägend. Im 16. und
17. Jh. werden in den Niederlanden (1551ff., um 1700 etwa 50000 Seefahrer), in
Dänemark (1561), Hamburg (1603), der Hanse (1614) und Schweden (1667)
bedeutsame Regelungen erlassen, an die sich allmählich eine beachtliche
wissenschaftliche Literatur anschließt (→ Stracca, → Grotius, →
Vinnius).→ Preußen schafft 1727 ein 10 Kapitel mit 361 Artikeln
umfassendes Seegesetz, dessen Inhalt in das → Allgemeine Landrecht (1794)
Eingang findet. Frankreichs → Ordonnance de la marine (1681) erhält der →
Code de commerce (1807) aufrecht, der sich auf Griechenland (1835), Rumänien
(1863), die Türkei (1864), Spanien (1829), Portugal (1833), die Niederlande
(1838), Belgien (1879) und Italien vollständig oder teilweise auswirkt. Die
deutschen Staaten vereinheitlichen ihr S. im → Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuch (1861) bzw. im Handelsgesetzbuch (1897/1900).
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957, 335; Rolin, H., L’abordage,
1899; Die altniederländischen Seerechte, hg. v. Telting, A., 1907; Sammlung
älterer Seerechtsquellen, hg. v. Zeller, H., Heft 1ff. 1907ff.; Seerechtliche
Forschungen, hg. v. Zeller, H., Heft 1 1915; Perels, L. El libro del consulado
de mar, Revista juridica de Cataluña 23 (1917); Perels, L., Orden judicial del
consulado de mar de Barcelona, Revista juridica de Cataluña 25 (1919);
Pappenheim, M., Zur Geschichte des Seefrachtvertrages, ZRG GA 51 (1931), 175;
Zeno, R., Documenti per la storia del diritto marittimo, 1936; Wüstendörfer, H.,
Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1947; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,1,848, 2,2,675; Lau, G., Das hamburgische Seehandelsrecht im 18.
Jahrhundert, Diss. jur. Hamburg 1975; Landwehr, G., Die hanseatischen
Seerechte, (in) 1667 ars sjölag, hg. v. Institutet för rättshistorik forskning,
1984, 75; Frentz, E., Das hamburgische Admiralitätsgericht (1623-1811), 1985;
Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen,
1985; Landwehr, G., Das preußische Seerecht vom Jahre 1727, ZNR 8 (1986), 113;
Landwehr, G., Die Bedeutung des lübischen Seerechts, (in) Schiffe und Seefahrt,
hg. v. Bei der Wieden, 1986, 129; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des
Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Krieger, K., Die Anfänge des
Seerechts, (in) Untersuchungen zu Handel und Verkehr, Bd. 4 1987, 246;
Landwehr, G., Seerecht, HRG Bd. 4 1989; Osten, W., Das schwedische Seerecht,
1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Decken, J. v. d.,
Das Seearbeitsrecht im Hamburger Stadtrecht, 1995; Landwehr, G., Prinzipien der
Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in
Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag); Seerecht im Hanseraum des 15. Jahrhunderts,
hg. v. Jahnke, C. u. a., 2003; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse, 2003;
O’Sullivan, C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005; Schweitzer, J.,
Schiffer und Schiffsmann in den Rôles d’Oléron, 2006
Seesen
Lit.: Tausend Jahre
Seesen, hg. v. d. Stadt Seesen, 1974
Seeversicherung ist die Versicherung von Menschen und Sachen gegen die beim Seetransport bestehenden besonderen Gefahren. Sie erscheint erstmals 1319 und ist in Venedig bereits im 15. Jh. von großer tatsächlicher Bedeutung.
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Kiesselbach, A., Die
wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwickelung der Seeversicherung in
Hamburg, 1901; Hammacher, W., Die Grundzüge des allgemeinen
Seeversicherungsrechts, Diss. jur. Bonn 1983; Nehlsen-von Stryk, K., Die
venezianische Seeversicherung, 1986
Sefarde (M.) Jude
im mittelalterlichen Spanien
seisin (F.) Gewere
Sekundogenitur (F.) Zweitgeburt
Selbständiger ist,
wer nicht in einer (beruflichen) Abhängigkeit steht. In der arbeitsteiligen
Wirtschaft wird die Zahl der Selbständigen (Unternehmer) immer geringer.
Möglicherweise erzwingt die durch hohe Lohnkosten und Rationalisierungsdruck
bewirkte Arbeitslosigkeit in der Zukunft wieder mehr Selbständigkeit.
Lit.: Köbler, DRG 225, 252
Selbstbestimmung ist
die ausschließliche Entscheidung des Betroffenen über sich selbst. Sie
entwickelt sich dort, wo übermäßige Fremdbestimmung aufgeklärtes Freiheitsstreben
erwachen lässt. Das ist seit dem 18. Jh. allgemein und seit dem 19. Jh. im
überindividuellen Bereich der Fall.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007;
Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Mett, F., Das
Konzept des Selbstbestimmungsrechts der Völker, 2004
Selbsthilfe ist die
Durchsetzung oder Sicherung eines Anspruches durch eigenes Handeln. Die S. ist
vor der Entwicklung des staatlichen Durchsetzungsmonopoles selbverständlich (→
Fehde). Schon im römischen Altertum ist sie eingeschränkt. Seit dem
Frühmittelalter wird die S. zurückgedrängt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) hält sie zwar noch für grundsätzlich zulässig, bindet sie aber an enge
Voraussetzungen und gewährt ihr nur geringe Möglichkeiten.
Lit.: Kaser § 36 II 5; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG
1, 2; Köbler, DRG 18, 92, 166, 177, 208; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 54, Neudruck 1964; Adler-Rudel, S., Jüdische
Selbsthilfe, 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 277, 287
Selbstmord (Selbsttötung)
ist die gewaltsame Beendung des eigenen Lebens. Der S. wird von der
christlichen Kirche vom 6. Jh. bis in das 20. Jh. als Todsünde dadurch
bekämpft, dass (noch 1917) die Beerdigung des Selbstmörders in christlichen
Formen ausgeschlossen wird. Zeitweise sprechen sich auch weltliche Juristen und
territoriale Bestimmungen für eine Strafbarkeit des Selbstmords aus (Pufendorf,
Thomasius, Wolff), doch werden nach ersten liberalen Stimmen in der Renaissance
weltliche Rechtsfolgen des Selbstmords unter dem Einfluss der Aufklärung in
Preußen 1751 und in Frankreich 1790 von oben her aufgegeben, weil der
Selbstmörder als krank angesehen wird. Die Mitwirkung Dritter ist an einzelnen
Orten zu einzelnen Zeiten tatsächlich strafbar.
Lit.: Bernstein, O., Die Bestrafung der Selbstmörder, 1907;
Masi, G., Il suicidio nel diritto comune, (in) Il diritto ecclesiastico, 63
(1952), 497; Dieselhorst, J., Die Bestrafung der Selbstmörder im Territorium
der Reichsstadt Nürnberg, Mitt. d. Vereins f. Gesch. der Stadt Nürnberg 44
(1953), 58; Faberow, N., Bibliography of suicide, 1972; Wacke, A., Der
Selbstmord im römischen Recht, ZRG RA 97 (1980), 26; Ehrlich, J., Suicide in
the Roman Empire, 1986; Nestmeyer, F., Freitod, 1998; Murray, A., Suicide in
the Middle Ages, 1998ff.; Schrage, E., Suicide in Canon Law History, Legal
History 21 (1999), 57; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1999;
Mischler, G., Von der Freiheit, das Leben zu lassen, 2000; Ahrens, J.,
Selbstmord, 2001; Baumann, U., Vom Recht auf den eigenen Tod, 2001; Bähr, A.,
Der Richter im Ich, 2002; Schreiner, J., Jenseits vom Glück. Suizid,
Melancholie und Hypochondrie in deutschsprachigen Texten des späten 18.
Jahrhunderts, 2003; Hofmann, D., Suizid in der Spätantike, 2007; Pfannkuchen,
K., Selbstmord und Sanktionen, 2008
Selbstverwaltung ist
die eigenverantwortliche Wahrnehmung überlassener oder zugewiesener eigener
öffentlicher Aufgaben durch unterstaatliche Träger öffentlicher Verwaltung. S.
ist selbverständlich. Sie wird zu einer politischen Frage seit der frühen
Neuzeit, in welcher der erstarkende absolute Flächenstaat alle Entscheidungen
zentralisiert. In Abwehr dieser bürokratisch-planstaatlichen Entwicklung
setzen Aufklärung und Liberalismus seit 1808 in Preußen die kommunale S. durch
(Österreich provisorisches Gemeindegesetz 1849, Reichsgemeindesgesetz 1862,
autonomer Wirkungsbereich und übertragener staatlicher Wirkungsbereich). Dem
folgen eine berufsständische S. (Handwerkskammer usw.) und seit 1883 eine
sozialversicherungsrechtliche S. (z. B. Krankenversicherung) nach.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197, 258; Gneist, R. v.,
Geschichte des Selfgovernment in England, 1863; Schelb, W., Staatsverwaltung
und Selbstverwaltung, 1911; Becker, E., Gemeindliche Selbstverwaltung, 1941;
Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und Staat, 1964; Heffter, H.,
Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950, 2. A. 1969; Graf, W.,
Die Selbstverwaltung der fricktalischen Gemeinden im 18. Jahrhundert, 1967;
Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Croon,
H./Hofmann, W./Unruh, G. v., Kommunale Selbstverwaltung im Zeitalter der
Industrialisierung, 1971; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn
von Stein, 1979; Hendler, R. Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 430;
Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Kiel
1985; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen
Staat, 1986; Gubitzer, L., Geschichte der Selbstverwaltung, 1989; Treffer, C.,
Zur Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Der Staat, 1996, 251;
Kommunale Selbstverwaltung, hg. v. Birke, A., 1996; Droste, W., Die Entwicklung
der kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Bonn 1999
Selden, John
(Selvington/Sussex 16. 12. 1584-Whitefriars 30. 11. 1654), Bauernsohn, wird
nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Clifford’s Inn (1603) bzw. in
Inner Temple (1604) 1612 Rechtspraktiker (barrister), Rechtspolitiker und
Rechtswissenschaftler. Bereits 1606 verfasst er eine Darstellung der
angelsächsischen Verwaltung, 1610 eine Übersicht über die englische
Rechtsentwicklung bis zu König Heinrich II. 1617 wird er mit (lat.) De Diis
Syriis (Über syrische Götter) als Orientalist bekannt und widmet sich in der
Folge vielfach dem außereuropäischen, altjüdischen Recht. 1618 (?) antwortet er
auf Hugo Grotius’ (lat.) Mare liberum (Freies Meer) mit einem (lat.) Mare (N.)
clausum (Geschlossenes Meer), in dessen Gefolge englische Kriegsschiffe die
holländische Heringsfischerei in von England beanspruchten Gewässern von
Abgaben abhängig machen. Im Gedenken an S. wird 1887 in England von Frederic
Maitland die Selden Society als Gesellschaft zur Pflege der englischen
Rechtsgeschichte gegründet.
Lit.: Braun, R., John Selden, Diss. jur. Würzburg, 1943
masch.schr.; Klee, H., Hugo Grotius und John Selden, 1946; Fletcher, E., John
Selden, 1969; Berkovitz, D., John Selden’s Formative Years, 1988
Seldschuke ist der
Angehörige einer von Seldschuk (um 1000) gegründeten, von 1040 bis 1157
bedeutsamen Herrscherfamilie der → Türken.
Semel heres semper heres
(lat.). Einmal Erbe immer Erbe.
Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4
Senat ist im
altrömischen Recht die neben König bzw. Konsuln stehende Versammlung der Alten
(lat. [M.Pl.] senes) oder Väter (lat. [M.Pl.]
patres) der patrizischen Geschlechterverbände. Diesem S. gehören allmählich
alle ehemaligen Amtsträger (z. B. Konsuln, Prätoren) an (anfangs 300
Mitglieder, später 600). Sein Ratschlag, der in wichtigeren Angelegenheiten
einzuholen ist, erlangt praktische Gesetzeskraft (lat. [N.]
senatusconsultum) , so dass die Leitung Roms in der Republik im Grunde bei dem
S. liegt. Seit dem Prinzipat verkümmert der die Aufgaben der
Volksversammlungen übernehmende S. zum Stadtrat Roms (bzw. Konstantinopels).
In der frühen Neuzeit wird S. zur Bezeichnung des Spruchkörpers eines
Obergerichts, eines politischen Kollegialorganes (z. B. zweite Kammer, in
Bayern [60 Senatoren], nach Volksentscheid zum 1. 1. 2000 aufgehoben, Oberhaus
der Aprilverfassung Österreichs 1848, Vereinigte Staaten von Amerika,
Frankreich Italien)) oder eines Leitungsgremiums einer Hochschule.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 15; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §
6; Köbler, DRG 18, 32, 55, 153; Beck, H., Senat und Volk von Konstantinopel,
1966; Talbert, R., The Senate, 1984; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1988; Arccaria, F., Senatus censuit, 1992; Senatus populusque Romanus,
hg. v. Vaahtera, J., 1993; Der bayerische Senat, bearb. v. Schmöger, H., 1998;
Senatores populi Romani, hg. v. Eck, W. u. a., 2005
Senatusconsultum (lat.
[N.]) ist der Senatsbeschluss auf Anfrage eines Magistrats, der
im römischen Recht praktisch Gesetzeskraft erlangt. Er ist meist nach dem
Antragsteller benannt.
Lit.: Kaser § 2 II 2a; Söllner §§ 4,
6, 14, 15; Köbler, DRG 18, 31
Senatusconsultum Claudianum
(54 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem die Römerin versklavt
wird, die gegen den Willen des Herrn mit einem Sklaven geschlechtlich
verkehrt.
Lit.: Kaser § 15 II 3
Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, wonach ein
gutgläubiger Erbschaftsbesitzer nur herauszugeben hat, worum er bereichert
ist.
Lit.: Kaser § 75 I 3b, 6c; Köbler, DRG 37
Senatusconsultum Macedonianum (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) ist der nach einem Haussohn
Macedo benannte römischer Senatsbeschluss, der Gelddarlehen an Haussöhne
verbietet, um zu verhindern, dass ein von Gläubigern bedrängter Haussohn (z. B.
Macedo) seinen Vater tötet, um seine Schulden mit dann vom Vater geerbtem Geld
zu tilgen.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner § 15; Wacke, A., Das Verbot
der Darlehensgewährung, ZRG RA 112 (1995), 239
Senatusconsultum Neronianum
(54-68 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem ein Legat, das in
dem vom Erblasser gewählten Typus unwirksam ist, in einer der anderen Arten von
Vermächtnis aufrechterhalten wird, wenn sein Inhalt dies zulässt.
Lit.: Kaser § 76 II 4a
Senatusconsultum Orfitianum
(178 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den Kindern ein Erbrecht
nach dem Tod der Mutter vor den Agnaten gewährt.
Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38;
Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967
Senatusconsultum Tertullianum (117-138 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, welcher
der Mutter, die das (lat.) → ius (N.) liberorum (Recht der Kinder) hat,
ein Erbrecht am Nachlass eines Kindes hinter den (lat. [M.Pl.])
sui (Seinen), dem Vater und den vatersblütigen Brüdern und gemeinsam mit den
vatersblütigen Schwestern vor allen übrigen Agnaten gewährt.
Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38;
Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967
Senatusconsultum Trebellianum (56/57 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den
fideikommissarischen Nachfolger eines Erben so stellt, dass die dem Erben und
gegen den Erben möglichen Klagen dem Nachfolger und gegen den Nachfolger
unmittelbar als (lat.) → actiones (F.Pl.) utiles erteilt werden.
Lit.: Kaser § 78 II 2
Senatusconsultum ultimum ist der römische Senatsbeschluss, in dem die
Konsuln aufgefordert werden, bei einem Aufstand zur Wiederherstellung der
Ordnung auch außerordentliche Mittel anzuwenden (erstmals 121 v. Chr.
angewendet).
Senatusconsultum Vellaeanum (46 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der Frauen verbietet, im Interesse Dritter Verbindlichkeiten (z. B. Bürgschaften) einzugehen.
Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 15; Köbler, DRG 44; Medicus,
D., Zur Geschichte des Senatusconsultum Velleianum, 1957; Lehner, O., Senatus
consultum Velleianum – die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur, ZRG GA 105
(1988), 270
Senckenberg, Heinrich
Christian (Frankfurt am Main 1704-Wien 30. 6. 1768), Arztssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Gießen, Halle, Leipzig, Gießen und Göttingen 1736 ordentlicher
Professor in Göttingen, 1738 in Gießen und 1751 Reichshofrat. Zu seinen
rechtsgeschichtlichen Arbeiten zählen wichtige Quellensammlungen (z. B. Neue
und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, 1747ff.).
Lit.: Kriegk, G., Die Brüder Senckenberg, 1869; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff.,
Neudruck 1957, 1978
Send (M.) → Sendgericht
Sendeve (1297)
(Sendvermögen) ist eine spätmittelalterliche nördliche → Handelsgesellschaft,
bei der Gut, das der Geber einem anderen Kaufmann gegen Vergütung, Gewinnanteil
oder sonstige Gegenleistung (mit)gibt, allein auf Gewinn und Gefahr des Gebers
reist. Das Sendevegeschäft steht der → Kommission nahe.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrecht, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme,
P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht,
1951, 83
Sendgericht (zu
lat. [M.] synodus) ist das im Frühmittelalter aus dem Bischof als Richter und
aus Sendschöffen als Urteilern gebildete kirchliche Gericht für die Rüge und
Verhandlung aller unrechten Taten, die nach christlicher Ansicht Sünde sind.
Das S. geht seit dem 11. Jh. vom Bischof auf die Pfarrer über. Seit dem 12. Jh.
wird es allmählich durch den kirchlichen Einzelrichter eingeschränkt, im 17.
Jh. endgültig beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 115; Koeniger, A.,
Die Sendgerichte in Deutschland, 1907; Koeniger, A., Quellen zur Geschichte der
Sendgerichte in Deutschland, 1910; Kohl, W., Das Laiensendgericht in der
mittelalterlichen Stadt Speyer, 1950; Niederhöfer, K., Die Rezeption des römischen
Rechts in der Reichsstadt Speyer, 1949; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
5. A. 1972; Kerff, F., Libri paenitentiales, ZRG KA 75 (1989) 23; Spieß, P.,
Rüge und Einung, 1988; Becker, I., Geistliche Parteien und die Rechtsprechung
im Bistum Konstanz, 1998; Lauterbach, K., Sendgericht, Missat und Feme im Werk
des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, ZRG GA 118 (2001), 185
Seneschall (lat.-afrk.
senescalcus) ist im fränkischen Reich der für die Verpflegung zuständige Truchsess
(Altknecht). In Frankreich besteht das Amt am Königshof bis 1191.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schubert, P., Die Reichshofämter,
MIÖG 34 (1913), 427; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil.
Frankfurt am Main 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
senex (lat. [M.])
Alter, senes (M.Pl.) Senat
senior (lat. [M.])
Älterer, Herr
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Ehrismann, G., Die
Wörter für Herr im Althochdeutschen, Z. f. d. W. 7 (1905), 173
sententia (lat. [F.])
Satz, Urteil
Lit.: Kaser § 84 II
Sententiae (F.) Pauli
(lat.) (Urteile des Paulus) sind ein Auszug aus echten Schriften des →
Paulus vom Ende des 3. Jh.s.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
separatio (lat. [F.]) Trennung (z. B. quoad torum et mensam, von Tisch und Bett)
Separatio (F.) bonorum (lat.) ist die Gütertrennung zwischen Nachlass des Erblassers und Vermögen des Erben, die im klassischen römischen Recht zwecks Haftungsbeschränkung nur ausnahmsweise erreicht werden kann. → Erbenhaftung
Lit.: Kaser § 74 II, 1, 2; Köbler, DRG 37
Sequester (lat. [M.])
ist im römischen Recht der Verwahrer (Fremdbesitzer) einer im Rechtsstreit
befangenen Sache. Er hat Interdiktenbesitz. Von ihm kann die siegreiche Partei
Herausgabe der Streitsache aus der Sequestration verlangen.
Lit.: Kaser §§ 19 IV 2d, 39 III 3
Serbien ist das von
Morava und Vardar entwässerte südwesteuropäische Gebiet, in das seit dem 5./6.
oder 7. Jh. → Slawen einwandern. Um 1180 wird es von Ostrom bzw. Byzanz
unabhängig und 1217 unter päpstlicher Krönung Stefans des Erstgekrönten
Königreich, in dem Stephan Dušan 1349 ein wichtiges Gesetz schafft. Nach der
Schlacht auf dem Amselfeld (1389) wird es von den Osmanen (Türken) abhängig und
1459 Teil des osmanischen Reiches. 1838 wird S. autonom, 1878 durch den
Berliner Kongress unabhängig. 1918 wird es Teil → Jugoslawiens, von dem
sich 1991 selbständige Einheiten ablösen. Sein Recht ist demnach nacheinander
römisch, slawisch, türkisch, sozialistisch und westlich geprägt. Das Leben der
im 19. Jh. in die Vojvodina nordwestlich Belgrads eingewanderten Deutschen
(Donauschwaben, 1921 330000) endet 1944/1945 mit Flucht, Enteignung,
Vertreibung und Mord (um 2009 rund 3000).
Lit.: Temperley, H., History of Serbia, 1917, Neudruck
1970; Dolenc, M., Dušanov zakonik (Das Gesetzbuch Dušans), 1925; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Cirkovic, S., I serbi, 1992; Calic, M.,
Sozialgeschichte Serbiens, 1994; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001;
Tomić, Y., La Serbie du prince, 2003; Sundhaussen, H., Geschichte Serbiens
19.-21. Jahrhundert, 2007
Sergeevic, Vasilij
Ivanovic (1832-1910) wird nach dem Rechtsstudium 1871 Professor in Moskau und
1872 in Sankt Petersburg. Mit Aufgaben und Methoden der Staatswissenschaften
begründet er 1871 ausgehend von der historischen Schule und vom deutschen
Positivismus das russische Staatsrecht. Von 1883 an legt er rechtsvergleichend
geprägte Forschungen zur Geschichte des russischen Rechts und russische
Rechtsaltertümer (1890ff.) vor.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Russlands, 1961
servitium (lat. [N.])
Dienst, Leistung
Lit.: Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Taxae pro
communibus servitiis, hg. v. Hoberg, H., 1949; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Metz, W., Das servitium regis, 1978; Göldel, C.,
Servitium regis, 1997
Servitus (lat. [F.])
ist schon im altrömischen Recht die → Dienstbarkeit (lat. [N.]
iter [Pfad], [M.] actus [Trift], [F.] via [Weg], [M.] aquaeductus
[Wasserleitung]). Sie betrifft zunächst das Feld, dann auch das Gebäude. Ein
Personalservitut ist der → Nießbrauch. Als s. iuris Germanici
(deutschrechtliche Dienstbarkeit) versteht die frühe Neuzeit die ein Tun
beinhaltende Dienstbarkeit.
Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 1, 22 II, 28; Köbler, DRG 26,
41, 61; Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1956; Lee, J., Die servitus, Diss. jur. Bonn 1998
Servitut → servitus, → Dienstbarkeit
Lit.: Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956
Servius Sulpicius
Rufus (um 106-43 v. Chr.) ist der römische, 51 v. Chr. das Konsulat
bekleidender Rechtskundiger. Ihm werden 180 (lat. [M.Pl.])
libri (Bücher) zugeschrieben. Unter ihnen befindet sich der erste Kommentar zum
prätorischen Edikt. Möglicherweise begründet er eine eigene
klassisch-institutionelle Richtung der römischen Jurisprudenz.
Lit.: Söllner §§ 11, 15; Vernay, E., Servius et son école,
1909; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A.
1967; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 602
Servus (lat. [M.])
ist im römischen Recht der → Sklave. Er ist aus dem (römischen) Recht
ausgeschlossen. S. wird man durch Geburt, Kriegsgefangenschaft und Veräußerung
ins Ausland. Der s. untersteht der Hausgewalt seines Herrn und wird im
klassischen römischen Recht meist wie eine Sache (res) behandelt. Sein Herr
kann ihm aber ein Sondergut (lat. [N.]
→ peculium) einräumen, mit dem er zwar nicht rechtlich, wohl aber
tatsächlich wirtschaften kann. Frei wird der s. durch Freilassung. In den
lateinischen Quellen des Frühmittelalters ist s. der → Unfreie.
Lit.: Kaser § 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21, 35;
Köbler, LAW; Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Verhulst, A.,
1985
sessio (lat. [F.])
Sitzung, Sitzen, Besitzergreifung
Setzung → Rechtssetzung, Gesetz
Seuche ist die eine
größere Zahl von Menschen erfassende übertragbare Krankheit. Gegen die S.
richten sich schon im Frühmittelalter einzelne Rechtsvorschriften. Seit der
frühen Neuzeit ergehen umfassende Seuchenordnungen bzw. Seuchengesetze.
Lit.: Hecker, J., Die großen Volkskrankheiten des
Mittelalters, 1865; Deichert, H., Geschichte des Medizinalwesens, 1908; Lesky,
E., Österreichisches Gesundheitswesen, 1959; Fischer, A., Geschichte des
deutschen Gesundheitswesens, Bd. 1f. 1933, Neudruck 1965; Winkle, S., Geißeln
der Menschheit, 1997
Sevilla am
Guadalquivir wird als iberisches Hispalis 45 v. Chr. von Caesar zur (lat. [F.])
colonia erhoben (Colonia Iulia Romula). Über Vandalen, Sweben und Westgoten
kommt es 712 an die Araber. 1248 wird es vom König von Kastilien und Leon
erobert. 1502 erhält es eine Universität.
Lit.: Ladera Quesada, M., Historia de
Sevilla, 1988
Sexualdelikt →
Sittlichkeitsverbrechen
Lit.: Balthasar, S., Die Tatbestände
der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Beck, B., Wehrmacht und
sexuelle Gewalt, 2004; Lehmann, P., La répression des délits sexuels dans les Etats
savoyards, 2006
Sexualität (F.) Geschlechtlichkeit
Lit.:
Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984; Brundage, J., Law, Sex and Christian
Society, 1987; Breit, S., Leichtfertigkeit und ländliche Gesellschaft, 1991;
Maiwald, S./Mischler, G., Sexualität unter dem Hakenkreuz, 1999; Lutterbach,
H., Sexualität im Mittelalter, 1997; Burghartz, S., Zeiten der Reinheit – Orte
der Unzucht, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse. Moralstrafrecht und
administrative Kontrolle der Sexualität im ausgehenden Ancien Régime, 1999;
Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Karras,
R., Sexualität im Mittelalter, 2006; Clarke, J., Ars Erotica. Sexualität und
ihre Bilder im antiken Rom, 2009; Podlech, A., Sex, Erotik, Liebe, 2007
Seyler
Raphael
Lit.: Roth, W., Raphael
Seyler (1535-1573), ZRG GA 21 (1900), 218
Sheffield wird im → Domesday Book (1086) erstmals erwähnt. 1297 erhält es Stadtrecht. 1905 wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Hunter, J., Hallamshire, 1869
sheriff (M.) (um 1000) königlicher Verwalter, Graf
Lit.: Morris,
W., The Medieval English sheriff, 1927; Gorski, R., The Fourteenth-Century
Sheriff, 2003
Sichard, Johannes
(Tauberbischofsheim 1499-Tübingen 1552), Gastwirtssohn, wird nach dem Studium
der freien Künste in Ingolstadt Lehrer in München und 1521 in Freiburg im
Breisgau sowie 1524 ordentlicher Professor des Rechts in Basel. Er
veröffentlicht 24 Bände mit 113 meist unbekannten teilweise auch juristischen
Texten (z. B. 1528 → Lex Romana Visigothorum, 1530 → Lex
Alamannorum, → Lex Baiuvariorum und → Lex Francorum). Nach einer
fünfjährigen Unterbrechung wird er 1535 Professor in Tübingen, wo er das
italienische gelehrte Recht in praktischer Anwendung weitergibt.
Lit.: Köbler, DRG 143; Kisch, G., Johannes Sichardus, 1952;
Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961; Burmeister, K., Das
Studium der Rechte, 1974
Sicherheit ist
Freiheit von Gefährdungen. Die S. ist in der frühen Neuzeit Aufgabe der →
Polizei. 1882 beschränkt das sog. → Kreuzbergurteil des preußischen
Oberverwaltungsgerichts die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung.
Im Nationalsozialismus wird die S. teilweise missbraucht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 831; Göring, H., Die Rechtssicherheit als Grundlage
der Volksgemeinschaft, 1935; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im
Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Siemann, W., Deutschlands Ruhe,
Sicherheit und Ordnung, 1980; Metz, K., Industrialisierung und soziale
Sicherheit, 1988; Repräsentation von Kriminalität und öffentlicher Sicherheit,
hg. v. Härter, K. u. a. 2009
Sicherheitsleistung (lat.
[F.] cautio) ist die in bestimmten Fällen zur Sicherung eines
bestimmten Verhaltens zu erbringende Leistung. Die S. steht in einem gewissen
Zusammenhang mit privatrechtlichen Sicherungen (z. B. Pfand, Einlager, Geisel,
Arrest, Schuldhaft). Als allgemeinere Rechtseinrichtung entwickelt sie die
frühe Neuzeit.
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische
Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973
Sicherungsverwahrung → Maßregeln der Sicherung und Besserung
Lit.: Schewe, J., Die Geschichte der Sicherungsverwahrung,
Diss. jur. Kiel 1999
Sicherungsübereignung ist die zur Sicherung des Erwerbers vorgenommene Übertragung des
Eigentums an einer beweglichen Sache an diesen. Sie ist bereits dem
altrömischen Recht als (lat. [F.]) fiducia bekannt, wobei die Sache nach Erreichung des Sicherungszweckes
zurückzuübereignen ist. Im 19. Jh. wird die S. nicht in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, aber auch zwecks Ermöglichung der
Befriedigung der Kreditbedürfnisse der kleinen Leute bewusst nicht ausgeschlossen.
Sie setzt sich bei wertvolleren Sachen im 20. Jh. gegenüber dem Faustpfand
weitgehend durch, weil sie den Besitz beim Schuldner belässt, so dass dieser
die Sache trotz S. nutzen kann. In Österreich ist die Bedeutung gering, weil
der oberste Gerichtshof seit 1918 für die Bestellung dieselbe Publizität
fordert wie für die Pfandrechtsbestellung.
Lit.: Kaser § 31 I 2; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 26, 41, 213, 240, 269; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hromadka, W.,
Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Richter secundum, praeter oder contra
legem?, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 383; Drexler, M., Die Anerkennung der
Sicherungsübereignung im 19. Jahrhundert und ihr Einfluss auf aktuelle
Probleme, Diss. jur. Düsseldorf, 2002
Siebenbürgen im
Karpatenbogen kommt über Römer, Ostgoten und Petschenegen im 9. Jh. an die →
Ungarn. Im 12. Jh. ruft der ungarische König deutsche Siedler (→ Sachsen)
ins Land, die mit umfassenden Freiheiten ausgestattet werden (erste Erwähnung
der selbständigen Propstei der deutschen Siedler in Hermannstadt 1191). Seit
1481 gilt die 1453 in Nürnberg oder Wien entstandene, von dem Richter Thomas
Altenberger in Hermannstadt eingeführte Handschrift des Schwabenspiegels,
Magdeburger und Iglauer Rechts als bedeutendste Rechtsquelle der sächsischen
Gemeinschaft aus S. Nach 1517 dringt die Reformation ein. Seit 1526 ist der
Fürst von S. zwischen Habsburg und den Türken nahezu unabhängig. 1583 gewährt
er ein bis 1867 gültiges Landrecht. 1691 kommt S. an → Habsburg (1765
Großfürstentum, 1848 Kronland). 1867 wird S. an Ungarn angegliedert. Am 8. 1.
1919 schließt es sich → Rumänien an. Unter der Herrschaft des Sozialismus
in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird das siebenbürgische Deutschtum
weitgehend beseitigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Herrmann, G. v., Das
alte Kronstadt, 1802, Neudruck 2009; Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen
in Siebenbürgen, hg. v. Zimmermann, F. u. a., 1892ff., Neudruck 2007; Müller,
G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande,
1912; Müller, G., Siebenbürgens Stühle, Distrikte und Komitate vor dem Jahre
1848, 1914, Neuauflage 1922; Müller, G., Die Türkenherrschaft in Siebenbürgen,
1922; Müller, G., Die sächsische Nationsuniversität in Siebenbürgen, 1928;
Müller, G., Die Gräven des Siebenbürgener
Sachsenlandes, Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 6 (1931);
Meyer, G., Ist das Andreanum vom Jahre 1224 eine Fälschung? 1935; Müller, G.,
Stühle und Distrikte als Unterteilungen der siebenbürgisch-deutschen
Nationsuniversität 1141-1876, 1941; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger
Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Quellen zur Geschichte der
Siebenbürger Sachsen 1191-1975, gesammelt v. Wagner, E., 1976; Philippi, M.,
Die Bürger von Kronstadt, 1986; Horedt, K., Das frühmittelalterliche
Siebenbürgen, 1988; Codicele Altenberger, hg. v. Constantinescu, R., 1988; Köpeczi,
B., Kurze Geschichte Siebenbürgens, 1990; Gündisch, K., Das Patriziat
siebenbürgischer Städte im Mittelalter, 1993; Arens, M., Habsburg und
Siebenbürgen 1600-1605, 2001; Roth, H., Kleine Geschichte Siebenbürgens, 2. A.
2003, 3. A. 2007; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen,
2003; Volkmer, G., Die siebenbürgische Frage, 2004; Roth, H., Hermannstadt,
2006; Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch, Bd. 9 2006; Moldt, D., Deutsche
Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008
Siebenhardenbeliebung ist die von 1426 stammende nordfriesische Rechtsquelle, die 1572 durch
das von Herzog Johann erlassene Nordstrander Landrecht die formelle Geltung
verloren hat.
Lit.: Pappenheim, M., Die Siebenhardenbeliebung, 1926;
Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen
Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische
Geschichte 65, 368; Hartz, O., Die Rechtssätze der Siebenhardenbeliebung von
1426, ZRG GA 60 (1940), 300; Carstens, W., Die Siebenhardenbeliebung, ZRG GA 62
(1942), 358; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960,
141
Siedlung ist die menschliche
Niederlassung von gewissem Umfang und gewisser Dauer. Sie beginnt mit der
Desshaftwerdung des Menschen (Weiler, Dorf, Stadt). Bis zum Ende des 2. Jt. n.
Chr. erreichen Siedlungen eine Einwohnerzahl von bis zu 20 Millionen Bewohner.
Lit.: Kirbis, W.,
Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952; Fischer, H., Die Siedlungsverlegung,
1952; Timm, A., Studien zur Siedlungs- und Agrargeschichte Mitteldeutschlands,
1956
Siegel ist ein eine Person verkörperndes, durch Abdruck in einem weicheren Stoff wirkendes Zeichen zur Kennzeichnung eines Schriftstückes. Das S. ist seit den ersten Hochkulturen bekannt. Bereits im 8. Jh. v. Chr. wird es als Stempel verwendet. Seit dem Frühmittelalter wird in der → Königsurkunde, mit der vor allem Einzelrechte verliehen werden, die Unterschrift durch das S. ersetzt und werden Zeugen aufgenommen. Im zweiten Viertel des 12. Jh.s erscheint in Schwaben auch die Siegelurkunde anderer Aussteller. Seit Ende des 12. Jh.s wird auch bei Privaturkunden das S. (siegelfähiger Personen) üblich. Die älteste Form ist der schon im Altertum nachweisbare Siegelring.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105; Posse, O., Die
Siegel des Adels der Wettiner Lande, 1908ff.; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die
Siegel der Markgrafen von Brandenburg aus dem Hause Wittelsbach 1323-1373,
bearb. v. Bier, H., 1933; Goerlitz, T., Die Magdeburger Schöffensiegel, ZRG GA
63 (1943), 327; Blaschke, K., Siegel und Wappen in Sachsen, 1960; Frenz, T.,
Papsturkunden, 1986; Dalas, M., Corpus des sceaux, Bd. 2 1991; Weiß, P., Frühe
Siegelurkunden in Schwaben, 1997; Steiner, R., Die Entwicklung der bayerischen
Bischofssiegel, 1998; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999; Stieldorf,
A., Siegelkunde, 2004; Hattenhauer, H., Sigillum facultatis juridicae, 2005;
Siegel und Siegler, hg. v. Ludwig, C., 2005; Das Siegel, hg. v. Signori, G.,
2007
Siegel, Heinrich
(Ladenburg/Baden 13. 4. 1830-Wien 4. 6. 1899), Generalstabsarztssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Bonn und Gießen sowie der Promotion
(1852) und Habilitation (1853) in Gießen 1858 Professor in Wien. Er begründet
die Sammlung österreichischer Weistümer und erkennt das einseitige Versprechen
als Verpflichtungsgrund. Monographien behandeln Erbrecht und
Gerichtsverfahren.
Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Heinrich Siegel, ZRG GA
20 (1899), VII; Wretschko, A. v., Heinrich Siegel, 1900; Stintzing, R./Landsberg,
E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck
1957, 1978
Siegerland
Lit.: Petri, F. u. a., Das Siegerland, 1955
Sielrecht (Schleusenrecht)
Lit.: Michaelis, F., De
iure cataractarum, 1696; Logemann, C., Die geschichtliche Entwicklung des
bsonderen Sielrechts in Oldenburg, 1959
Siena
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007; Denley, P., Commune and Studio in Late medieval and
Renaissance Siena, 2006
Siete Partidas (Sieben
Teile) ist der 1256-1265 in Spanien entstandene Rechtstext. Die S. P. werden
unter König Alfons X. von Kastilien-Leon erarbeitet und nach mehrfachen
Veränderungen (1265, 1290-1295, um 1300) 1348 unter König Alfons XI. als
(span.) Libro (M.) del fuero de las leyes (Buch des Rechts der Gesetze) mit
subsidiärer Geltung in Kraft gesetzt. Sie gliedern sich in sieben Teile
(Rechtsquellen und Kirchenrecht, politisches Recht bzw. Verwaltungsrecht und
Kriegsrecht, Gerichtsverfassung bzw. Verfahrensrecht und Königsrecht, Familienrecht
und Lehnsrecht, Schuldrecht, Erbrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht).
Quellen sind das (lat.) → ius (N.) commune (gemeine Recht), die Glosse
des Accursius, Summen des Azo und des Odofredus, das Decretum Gratians, der
Liber extra, Summen des Hostiensis, Tancredus und des Raymundus de Penyafort,
das Speculum des Durantis, die libri feudorum, der kastilische Fuero juzgo,
die → Rôles d’Oleron, Magister Jacobos Doctrinal de las leyes, Bibel,
Kirchenväter, Aristoteles, Seneca, Boethius und Texte orientalischer Tradition.
Der Name S. P. wird im 16. Jh. üblich.
Lit.: Las siete partidas, hg. v. d. Königlichen Akademie
der Geschichte, Bd. 1ff. 1807, Neudruck 1972; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff; Craddock, J., The
Legislative Works of Alfonso el Sabio, 1986; Scheppach, M., Las Siete Partidas,
1991
Signet → Notarsignet
Signoria (F.)
autokratische Herrschaftsform in Italien im Spätmittelalter
Lit.: Mallet, M., Signori e mercenari, 1983
Silent leges inter armas (lat.). Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cicero, 106-43 v. Chr., Rede für Milo §11)
Silleiner Rechtsbuch
ist das auf magdeburgisch-schlesische Quellen (Sachsenspiegel, sächsisches
Weichbildrecht u. a.) zurückgehende, 1378 von Nikolaus de Laconia (Lukove/Kreis
Altsohl) in einem deutschsprachigen Teil geschaffene, 1473 im landrechtlichen
Teil in das sich durchsetzende (Alttschechische bzw.) Altslowakische übersetzte,
bedeutendste Rechtsbuch der Slowakei (für die einst zu Ungarn gehörige Stadt
Sillein).
Lit.: Rauscher, R., Das Silleiner Rechtsbuch aus dem Jahre
1378, 1933 (z. T. tschechisch bzw. slowakisch); Piirainen, I., Das
Stadtrechtsbuch von Sillein, 1972; Papsonová, M., Das Magdeburger Recht und das
Silleiner Rechtsbuch, 2003
Silvesterpatente sind
die beiden Urkunden vom 31. 12. 1851, mit denen der Kaiser von → Österreich
die von ihm am 4. 3. 1849 gewährte → Verfassung als unangemessen und
unausführbar aufhebt und das Grundrechtspatent des Jahres 1849 beseitigt und
damit Österreich zum → Neoabsolutismus führt (u. a. durch ein
Kabinettschreiben auch Geschworenengerichte abgeschafft, Trennung von
Verwaltung und Justiz aufgegeben).
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher
Simonie ist nach
Apostelgeschichte 8,18 der von Simon Magus abgeleitete Handel mit geistlichen
Sachen. Die S. breitet sich in der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. aus. In der
Mitte des 11. Jh.s wird sie von der kirchlichen Reformbewegung entschieden
bekämpft. → Investiturstreit
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Drehmann, J., Papst Leo IX. und
die Simonie, 1908; Meier-Welcker, H., Die Simonie im frühen Mittelalter, ZKG 64
(1952/3), 61; Weitzel, J., Begriff und Erscheinungsformen der Simonie, 1967;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Lynch, H., Simoniacal
Entry, 1976; Münsch, O., Ein Streitschriftenfragment zur Simonie, DA 62 (2006),
619
Simson, Eduard
(Königsberg/Preußen 10. 10. 1810-1899), Kaufmannssohn, 1823 evangelisch, wird
nach dem Rechtsstudium in Königsberg 1828 mit (lat.) venia (F.) legendi
(Lehrbefugnis) promoviert, 1833 zum außerordentlichen Professor und 1836 zum
ordentlichen Professor ernannt. Seit 1834 wirkt er auch als Richter (zunächst
am Tribunalsgericht in Königsberg), seit 1848 als liberaler Rechtspolitiker
(Präsident der Nationalversammlung, Präsident des Erfurter Unionsreichstags,
Präsident des Zollparlaments, Präsident des Reichstags). 1879 wird er als
bisheriger Präsident des Appellationsgerichts in Frankfurt an der Oder (bis
1891) Präsident des → Reichsgerichts. Seine jüdische Herkunft
beeinträchtigt sein berufliches und politisches Wirken nicht erkennbar. Seine
Einordnung in eine wissenschaftliche Strömung ist mangels Publikationstätigkeit
schwierig.
Lit.: Simson, B. v., Eduard von Simson, 1900; Meinhardt,
G., Eduard von Simson, 1981; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner
Obertribunals, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 419; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a.,
1993, 101; Eduard von Simson, hg. v. Kern, B. u. a., 2001
Simultaneum (N.)
Gleichzeitigkeit (der katholischen und protestantischen Konfession)
Lit.: Schäfer, C., Das Simultaneum, 1995
Singularsukzession (F.)
Einzelnachfolge
Lit.: Kuntze, J., Die Obligation und die Singularsuccession,
1856
Sinti (oder Roma) ist die Bezeichnung für die früher als → Zigeuner
benannten Angehörigen einer Volksgruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in
der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001;
Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der
Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003
Sinzheimer, Hugo Daniel
(Worms 12. 4. 1875-Overveen/Holland 16. 9. 1945), Kleiderfabrikantensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in München, Freiburg im Breisgau, Berlin und
Marburg 1903 Rechtsanwalt. 1916 tritt er der sozialdemokratischen Partei bei.
1920 wird er Honorarprofessor in Frankfurt am Main. 1921 verfasst er Grundzüge
des Arbeitsrechts. 1937 wird er ausgebürgert.
Lit.: Köbler, DRG 215; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker
der Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953; Knorre, S., Soziale Selbstbestimmung,
1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993,
615; Kubo, K., Hugo Sinzheimer, 1995; Brühwiler, J. Philipp Lotmar und Hugo
Sinzheimer, (in) Forschungsband Philipp Lotmar, hg. v. Caroni, P., 2003, 117;
Blanke, S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie?, 2005
Sippe ist im
älteren deutschen Recht der um einen Stammvater bestehende Familienverband.
Die rechtliche Stellung der S. im Frühmittelalter ist streitig. Es ist
fraglich, ob der S. jemals besondere öffentlich-rechtliche Aufgaben zukommen.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 71, 72;
Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG 2 (1882), 1;
Phillpotts, B., Kindred and Clan, 1913; Lappe, J., Die Sippen Koerdt und
Linnhoff, 1938; Genzmer, F., Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, ZRG GA 67
(1950), 34; Haff, K., Der umstrittene Sippebegriff und die Siedlungsprobleme,
ZRG GA 70 (1953), 30; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA
77 (1960), 1 (Antrittsvorlesung); Steuer, H., Frühgeschichtliche
Sozialstrukturen in Mitteleuropa ,1972; Wiebrock, L., Die Sippe bei den
Germanen, Diss. jur. Marburg 1979; Murray, A., Germanic Kinship Structures,
1983; Goody, D., Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002
Sippenhaft ist die
Anwendung von Maßnahmen gegenüber Angehörigen oder sonstigen Nahepersonen
eines Bekämpften oder Verfolgten. Die im Nationalsozialismus geforderte und
verwendete S. ist im Rechtsstaat unzulässig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weidemann, M., Geschichte der
Sippenhaftung, 2002; Maihold, H., Die Sippenhaft, Mediaevistik 18 (2005)
Sitte ist der in
der Gesellschaft geübte Brauch. Zwischen S. und Recht bestehen stets
Wechselwirkungen. Insbesondere kann S. zu Recht werden.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2, 23 I 1, 58 I, II, 1, 60 I 2; Hübner;
Köbler, DRG; Hildebrand, R., Recht und Sitte auf den verschiedenen
wirtschaftlichen Kulturstufen, 1896; Hävernick, W., „Schläge“ als Strafe, 1970;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863
Sitten (Diözese)
Lit.: Zenhäusern, G., Zeitliches
Wohl und ewiges Heil, 1992
Sittenwidrigkeit ist der Verstoß eines Verhaltens gegen die guten Sitten (lat. boni mores [M.Pl.]). Im römischen Recht werden gegen das gute Herkommen der Vorfahren verstoßende Geschäfte von den Rechtskundigeen und den Kaisern unterdrückt. Dies wird verrechtlicht in der frühen Neuzeit wieder aufgegriffen.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 9 II 2, 10 I 1e, 34 I 2b; Hübner;
Köbler, DRG 164; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit, 1973; Wanner,
J., Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte, 1996; Karow, O., Die
Sittenwidrigkeit von Verfügungen von Todes wegen, 1997; Falk, U., Zur
Sittenwidrigkeit von Testamenten, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine
Richter, 2000, 451; Herzog, A., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung aus den Jahren 1948-1965, 2001; Ruff, H., Sittenwidrige
Rechtsgeschäfte in der späten Kaiserzeit, 2007
Sittlichkeitsverbrechen (Sexualdelikt) ist die Straftat gegen die sexuelle
Selbstbestimmung. Nach Tacitus werden bei den Germanen bestimmte
Sittlichkeitsverbrechen mit dem Versenken im Moor verfolgt. Im Mittelalter
wendet sich vor allem die Kirche gegen das S. Besondere Fälle sind Ehebruch,
Inzest, Vergewaltigung, Prostitution, Zuhälterei und Homosexualität. In der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird im Gefolge der Aufklärung die Verfolgung der
S. durch liberale Vorstellungen teilweise zurückgedrängt (z. B.
Homosexualität, anders Kinderpornographie).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Sittlichkeitsverbrechen, 6.
A. 1911, 1925, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, Neudruck 1964; Schroeder, F., Reform des
Sexualstrafrechts, 1971; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Hommen,
T., Sittlichkeitsverbrechen, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999;
Kraus, K., Sittlichkeit und Kriminalität, neu hg. 2004; Günther, B., Die
Behandlung der Sittlichkeitsdelikte in den Policeyordnungen, 2004
Sizilien ist die
Insel am Fuß Italiens. S. wird zuerst von Griechen beeinflusst, dann aber
228/227 von den Römern erobert. In der Völkerwanderungszeit kämpfen Germanen
und Byzanz um die Vorherrschaft. Seit 827 dringen Araber ein, seit 1061
Normannen. 1130 wird S. Teil eines besonderen von Gegenpapst Anaklet II.
geschützten, 1139 → Neapel einnehmenden unteritalienischen Königreichs
der Normannen. Dieses gelangt über die Heirat Heinrichs VI. mit der Erbtochter
Konstanze 1186 an das → deutsche Reich (Friedrich II.), 1266/1268 aber
durch den Papst an → Anjou und nach der sizilianischen Vesper (1282)
unter Abtrennung von Neapel über eine staufische Erbtochter an Aragon
(Spanien). 1713/1714 kommt S. von Spanien an Piemont, 1735 Neapel-S. an die
Bourbonen, 1860 an Sardinien-Piemont und damit 1861 an das neue Königreich →
Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Constitutiones regni
Siciliae, 1475, Neudruck 1973; Gregorio, R., Introduzione allo studio del
diritto pubblico siciliano, 1794, Neudruck 1971; Giuffrida, V., La genesi delle
consuetudine giuridiche delle città di Sicilia, 1901; Niese, H., Die
Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hofmann, M.,
Die Stellung des Königs von Sizilien nach den Assisen von Ariano (1140), 1915;
Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Sthamer, E.,
Original und Register in der sizilischen Verwaltung, 1929 (SB Berlin); Sthamer,
E., Studien über die sizilischen Register, 1930 (SB Berlin); Heupel, W., Der
sizilische Großhof unter Kaiser Friedrich II., 1940; Colliva, P., Ricerche sul
principio di legalità nell’amministrazione del regno di Sicilia, 1964;
Caravale, M., Il regno normanno di Sicilia, 1966; Finley, M./Mack Smith, D., A
history of Sicily, 1968; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1969;
Malinowska-Kwiatkowska, I., Prawo prywatne w ustawodawstwie Królestwa Sycylii
1140-1231 (Das Privatrecht in der Gesetzgebung des Königreichs Sizilien
1140-1231), 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein
Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Gallas, K., Sizilien, 7. A.
1984; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218;
Tancredi et Willelmi III. regum diplomata, hg. v. Zielinski, H., 1982;
Constantiae imperatricis et reginae Siciliae diplomata (1195-1198), hg. v.
Kölzer, T., 1983 (57 Stücke, 7 Fälschungen, 73 Deperdita); Rogerii II. regis
(1107-1151) diplomata latina, hg. v. Brühl, C., 1987 (100 Urkunden, 91
Deperdita); Pispisa, E., Regnum Siciliae, 1988; Takayama, H., The
Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Baaken, G., Das
sizilische Königtum Kaiser Heinrichs VI., ZRG GA 112 (1995), 202; Baaken, G.,
Ius imperii ad regnum, 1993; Rill, B., Sizilien im Mittelalter, 1995; Backman,
R., The Decline and Fall of Medieval Sicily, 1995; Die Staufer im Süden, hg. v.
Kölzer, T., 1996; Finley, M. u. a., Geschichte Siziliens, 1998; Mirto, C., Il
regno dell’isola di Sicilia e delle isole adiacenti, 2000; Pasciuta, B., In
Regia Curia civiliter convenire, 2003; Friedl, C., Studien zur Beamtenschaft
Kaiser Friedrichs II. im Königreich Sizilien (1220-1250), 2005; Kunz, H.,
Sicilia, 2006; Zambon, E., Tradition and Innovation, 2008
Skandinavien ist
die zusammenfassende Bezeichnung für die → Norwegen und → Schweden
bildende Halbinsel, zu der im weiteren Sinn auch → Dänemark und →
Finnland gezählt werden.
Lit.: Tunberg, S., Studier rörande Skandinaviens äldsta
politiska indelning, 1911, Dethlefsen, O., Die nordische Einheitsbewegung, 1941;
Vehse, O., Nordische Staatengründer, 1943; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,1,61, 2,2,501, 4,4,21; Scandinavian biographical archive, 1989;
Sawyer, B./Sawyer, P., Medieval Scandinavia, 1993; Zernack, J., Bibliographie
der deutschsprachigen Sagaübersetzungen, 1997; See, K. v., Europa und der
Norden im Mittelalter, 1999; Kaufhold, M., Europas Norden im Mittelalter, 2001; Waßenhoven,
D., Skandinavier unterwegs in Europa (1000-1250), 2006 (572 und 307?); Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 984; Giese, S., Studenten aus Mitternacht, 2008
Skanske Lov → nordisches
Recht, Schonen
Sklave ist der
einem Menschen (oder auch einem Personenverband z. B. Stadt) vollständig
gehörende andere Mensch. S. wird man hauptsächlich durch Unterwerfung und
Geburt. Der (dem [lat.] ius gentium zugerechnete,
in seiner Legitmität nie angezweifelte) römische S. ist → servus. Es ist
streitig, ob der Unfreie des Mittelalters und der Neuzeit als S. bezeichnet
werden darf, doch könnten aus dem frühmittelalterlichen Europa als wichtigstes
Ausfuhrgut Menschen in den islamischen Herrschaftsbereich verbracht worden
sein(, jedenfalls soll es zwischen 1530 und 1780 mehr als eine Million
europäischer Sklaven in Nordafrika gegeben haben). Sehr ähnliche Verhältnisse
wie im Altertum treten erst wieder in den neuzeitlichen Kolonien (z. B.
Amerika, wohin schätzungsweise 40000 Sklavenschiffstransporte mit
möglicherweise 12,5 Millionen Sklaven aus Afrika erfolgen, davon 10,7 Millionen
überlebend) auf. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811)
schließt Sklaverei in § 16 ABGB aus. 1834 wird die Sklaverei im britischen
Empire aufgehoben. 1839 wendet sich die katholische Kirche gegen die Sklaverei.
Nach einem Gesetz vom 9. 3. 1857 werden Sklaven, sobald sie Preußen betreten,
frei. 1865 schafft das 13. Amendment der Verfassung die Sklaverei in den
Vereinigten Staaten von Amerika ab.
Lit.: Kaser §§ 15, 33, 49, 50, 82; Söllner §§ 4, 8, 9, 10,
12, 14, 15, 18, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 16, 17, 21, 28, 35, 51, 57,
78; Verlinden, C., L’Esclavage, 1955; Rothenhöfer, D., Untersuchungen zur
Sklaverei, Diss. phil. Tübingen 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Erler,
A., Der Loskauf Gefangener, 1978; Erler, A., Ältere Ansätze zur Überwindung der
Sklaverei, 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Rudt de
Collenberg, W., Esclavage et rançons des chrétiens en méditerranée (1570-1600),
1987; Karras, R., Slavery and Society, 1988; Bonnassie, P., From Slavery to
Feudalism, 1991; Sklaven und Freigelassene, hg. v. Eck, W. u. a., 1993;
Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997;
Haenger, P., Sklaverei und Sklavenemanzipation an der Goldküste, 1997; Klees,
H., Sklavenleben im klassischen Griechenland, 1998; Corpus der römischen Rechtsquellen
zur Sklaverei, hg. v. Rainer, M. u. a., Teil 1 1999; Klein, H., The Atlantic
Slave Trade, 1999; Eltis, D./Behrendt, D./Richardson, D. u. a., The Transatlantic
Slave Trade, 1999; Voigt, J., Die Abschaffung des transatlantischen
europäischen Sklavenhandels im Völkerrecht, 2000; Deißler, J., Antike Sklaverei
und deutsche Aufklärung, 2000; Schumacher, L., Sklaverei in der Antike, 2001;
Bibliographie zur antiken Sklaverei, hg. v. Bellen, H. u. a., neu bearb. v.
Schäfer, D., 2003; Hammer, C., A Large-Scale Slave Society of the Early Middle
Ages, 2002; Weiler, I., Die Beendigung des Sklavenstatus im Altertum, 2003;
Weiß, A., Sklave der Stadt, 2004; Delacampagne, C., Die Geschichte der
Sklaverei, 2004; Christian Slaves, Muslim Masters, 2004; Hochschild, A., Bury
the chains, 2005; Hall, G., Slavery and African Ethnicities in the Americas,
2005; Esclavage antique et discriminations socio-culturelles, hg. v. Anastasiadis,
C. u. a., 2005; Knoch, S., Sklavenfürsorge im römischen Reich, 2006; Sklaverei
und Freilassung im römischen Recht, hg. v. Finkenauer, T., 2006; Smith, S.,
Slavery, Family and Gentry Capitalism in the British Atlantic, 2006;
Menschenraub, Menschenhandel und Sklaverei in antiker und moderner Perspektive,
hg. v. Heinen, H., 2008; Franke, B., Sklaverei und Unfreiheit im Naturrecht des
17. Jahrhunderts, 2009; Herrmann-Otto, E., Sklaverei und Freilassung in der
griechisch-römischen Welt, 2009
Skonto
Lit.: Prausnitz, O.,
Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928
Skythe ist der Angehörige eines iranischen, im Altertum nach Westen vordringenden Steppenvolkes.
Lit.: Rolle, R., Die Welt der Skythen, 1980; Parzinger, H.,
Die Skythen, 2004
Slawe (1. H. 6.
Jh.) ist der Angehörige eines slawisch sprechenden Volkes (z. B. Russe,
Ukrainer, Pole, Tscheche, Slowake, Slowene, Serbe, Kroate, Bulgare). Die zur
indogermanischen Völkergruppe zählenden Slawen erscheinen in der
Völkerwanderung und besiedeln von den Germanen freigegebene Gebiete in
Ostmitteleuropa. Sie werden überwiegend von → Byzanz (Kyrill, Methodos)
aus christianisiert. Sie bilden verschiedene Reiche (→ Polen, →
Russland usw.). Ein Panslawismus wird im 19. Jh. sichtbar. Er führt 1918 zur
Lösung kleinerer Staaten von → Österreich (→ Tschechoslowakei, →
Jugoslawien). Ein gemeinslawisches Recht ist nicht bekannt. Erst im 20. Jh.
entwickelt sich unter dem Druck der Sowjetunion eine gewisse Einheitlichkeit
sozialistischen Rechts.
Lit.: Köbler, DRG 76, 93; Kroeschell,
DRG 1; Helmolds Slawenchronik, 3. A. bearb. v. Schmeidler, B., 1937; Kahl,
H., Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des 12.
Jahrhunderts, 1964; Zernack, K., Die burgstädtischen Volksversammlungen bei
den Ost- und Westslawen, 1967; Ludat, H., Deutsch-slawische Frühzeit, 1969;
Ludat, H., An Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971; Ernst, R., Die
Nordwestslawen und das fränkische Reich, 1976; Ludat, H., Slaven und Deutsche
im Mittelalter, 1982; Herrmann, J., Slawen, 2. A. 1985; Welt der Slawen, hg. v.
Herrmann, J., 1986; Conte, F., Les slaves, 1986; Goehrke, C., Frühzeit des
Ostslaventums, 1992; Golab, Z., The Origins of the Slavs, 1992; Kunstmann, H.,
Die Slaven, 1996; Struktur und Wandel im Früh- und Hochmittelalter, hg. v. Lübke,
C., 1998; Garzaniti, M., Die altslavische Version der Evangelien, 2001; Panzer,
B., Quellen zur slavischen Ethnogenese, 2002; Wünsch, T., Deutsche und Slawen
im Mittelalter, 2008; Die Slaven und Europa, hg. v. Ressel, G. u. a.,2008
Slawonien ist das östliche
Teilgebiet → Kroatiens zwischen Save und Drau.
Lit.: Goldstein, I., Hrvatske rani srednji vijek, 1995
Slowakei ist der
mitteleuropäische, zwischen Tschechei, Polen, Ukraine, Ungarn und Österreich
gelegene Staat. Seit dem 10. Jh. gehört das Gebiet der S. zu Ungarn, das die
Bewohner seit 1867 ungarisiert. Römisches Recht dringt nicht vor dem 17./18.
Jh. ein (1634 westslowakische Universität Tyrnau/Trnava). Am 28. 10. 1918 wird
die S. Teil der Tschechoslowakei, von der sie sich 1993 trennt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die juristische Bildung
in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Dejiny Slovenska, 1986;
Schönfeld, R. Slowakei, 2000; Schuster, R., Im Strudel der Geschichte 2001;
Tönsmeyer, T., Das Deutsche Reich und die Slowakei 1939-1945, 2003; Die
unbekannte Minderheit, hg. v. Hrabovec, E. u. a., 2005
Slowenien ist der
mitteleuropäische, von Österreich, Ungarn, Kroatien und Italien begrenzte
Staat. Das Gebiet Sloweniens löst sich 1918 aus der Herrschaft → Österreichs
und geht danach in Jugoslawien auf. Am 26. 6. 1991 spaltet es sich von dort ab.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Mal, J., Probleme aus
der Frühgeschichte der Slowenen, 1939; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,5,330; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Als
Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Bär, S., Der Zerfall
Jugoslawiens, 1995; Rehder, P., Slowenien, 1999; Karner, S., Slowenien und
seine Deutschen, 2000; Griesser-Pečar, T., Das zerrissene Slowenien
1941-1946, 2003; Blumenwitz, D., Okkupation und Revolution in Slowenien
(1941-1946), 2005; The Land Between, hg. v. Luthar, O., 2008
Smend, Rudolf
(Basel 15. 1. 1882-Göttingen 5. 7. 1975), Theologieprofessorensohn, wird nach
dem Studium von Recht, Philosophie und Geschichte in Göttingen 1909 Professor
in Greifswald, Tübingen (1911), Bonn (1915), Berlin (1922) und Göttingen
(1935). 1911 veröffentlicht er eine bedeutsame Untersuchung über das →
Reichskammergericht. Sein Hauptwerk über Verfassung und Verfassungsrecht (1928)
gründet sich auf die Idee der Integration als des sinnhaften Ineinanders
geistiger Vorgänge.
Lit.: Festschrift für Rudolf Smend, 1952; Campenhausen, A.,
Frhr. v., Zum Tode von Rudolf Smend, JZ 1975, 621; Rennert, K., Die „geisteswissenschaftliche
Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987
Smith, Adam
(Kilkaldy 1723-1790) wird nach dem Studium von Griechisch, Logik, Metaphysik,
Theologie, Mathematik und Philosophie in Glasgow und Oxford 1751 Professor für
Logik und 1752 für Moralphilosophie in Glasgow. Nach einer Bildungsreise durch
Frankreich (1764-1766) veröffentlicht er 1776 (engl.) Inquiry into the Nature
and the Causes of Wealth of Nations (Untersuchung über die Art und die Gründe
des Reichtums der Völker), in der er die Freiheit des Einzelnen als den Grund
des Wohlstandes aller ermittelt. Damit begründet er als Klassiker der
Volkswirtschaft den → Liberalismus.
Lit.: Köbler, DRG 134; Brühlmaier, D., Die Rechts- und
Staatslehre von Adam Smith, 1987; Raphael, D., Adam Smith, 1991; Ross, I., The
Life of Adam Smith, 1995; Klaiber, W., Rechtsphilosophie und Handlungstheorie,
1997; Ross, I., Adam Smith, 1998; Smith, A., Untersuchung über Wesen und
Ursachen des Reichtums, hg. v. Streissler, E., 1999; Ballestrem, K. Graf, Adam
Smith, 2001
Societas (lat. [F.])
ist im römischen Recht die → Gesellschaft. Die privatrechtliche s. ist im
klassischen römischen Recht ein der Erbengemeinschaft nachgebildeter Konsensualkontrakt
der Gesellschafter. In der frühen Neuzeit wird s. auch für die menschliche
Gesellschaft insgesamt verwendet. Das römische Recht der s. wird aufgenommen,
im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aber durch den Gedanken der →
Gesamthand abgeändert.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 43 I; Söllner
§ 9; Köbler, DRG 47, 64, 146, 161; Wieacker, F., Societas, 1936; Hingst, K.,
Die societas leonina, 2003; Meissel, F., Societas, 2004; Mehr, R., Societas und
universitas, 2008
Socinus, Bartholomäus
ist ein 1436 in Siena geborener, in Siena und Bologna ausgebildeter, in Siena,
Ferrara, Pisa, Bologna, Padua und vielleicht Bologna lehrender in Siena 1507
verstorbener Jurist (commentaria, lecturae, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 860
Sociological jurisprudence (engl.) ist die auf Grund der europäischen Entwicklung der Soziologie bewusst soziologische Erkenntnisse berücksichtigende, im 20. Jh. in den Vereinigten Staaten entwickelte Form der Rechtswissenschaft.
Lit.: Reich, N., Sociological jurisprudence und legal
realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967
socius (lat. [M.])
Genosse, Gesellschafter
Södermannalagh ist
das Recht der schwedischen Landschaft im Südosten → Schwedens am Ende des
13. Jh.s (1280 ?,
1300 ?).
Lit.: Hafström, G., Den svenska
rättskällornas historia, 1978
Sodomie
Lit.: Guggenbühl, D.,
Mit Tieren und Teufeln, 2002; Hehenberger, S., Unkeusch wider die Natur, 2005;
Lang, D., Sodomie und Strafrecht, 2009
Soest in Westfalen entwickelt sich im frühen 12. Jh. zur Stadt, deren Recht im Stadtrecht vom Medebach (1165) erstmals fassbar wird und die seit dem 13. Jh. ihr Recht aufzeichnet (alte Kuhhaut 1225/1226) und verbreitet (9 Tochterstädte?, 62 Enkelstädte?).
Lit.: Brünneck, W. v., Zum Verständnis des Titel 1 der
Soester Gerichtsordnung, ZRG GA 32 (1911), 332; Brünneck, W., Geschichte der
Soester Gerichtsverfassung, ZRG GA 33 (1912), 1; Ebel, W., Die alte und die
neue Soester Schrae, ZRG GA 70 (1953), 105; Das älteste Bürgerbuch der Stadt
Soest 1302-1449, hg. v. Rothert, H., 1958; Welt, K., Das alte Soester
Stadtrecht, 1960; Diekmann, K., Die Herrschaft der Stadt Soest über ihre Börde,
1962; Stech, A., Die Soester Stadtrechtsfamilie, Diss. jur. Göttingen 1965;
Knickenberg, H., Die Soester Statuten von 1790, 1967; Soester Recht v. Deus,
W., 1969f.; Toeversichtsbriefe für Soest, bearb. v. Dösseler, E., 1969; Die
Miniaturen des Soester Nequambuches von 1315, hg. v. Wilkes, W., 1975; Ebel,
W., Rechtsgeschichtliches aus Niedersachsen, 1978, 89; Schöne, T., Das Soester
Stadtrecht, 1998; Die Stadt Soest, 2000; Dusil, S., Die Soester
Stadtrechtsfamilie, 2007
Sofia an der
Witoscha erscheint im 8./7. Jh. als Siedlung der Thraker. Als Sordica wird es
unter den Römern Provinzhauptstadt. 1382 wird es von den Osmanen (Türken)
erobert. Im 1877/1878 von der Türkei gelösten Bulgarien erhält es 1888 eine
Universität.
Lit.: Serdika - Sredez - Sofia, 1976
Sohm, Rudolph (Rostock 29. 10.
1841-Leipzig 16. 5. 1917), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Rostock, Berlin und Heidelberg 1870 außerordentlicher Professor in Göttingen,
1870 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, Straßburg (1872) und
Leipzig (1887). 1884 veröffentlicht er Institutionen des römischen Rechts,
1888 einen Grundriss der Kirchengeschichte und 1892 ein Kirchenrecht, wobei er
die Ansicht vertritt, dass das Wesen der Kirche mit dem Wesen von Recht in
Widerspruch stehe.
Lit.: Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung,
1871; Sohm, R., Autobiographie, DJZ 14 (1909), 1017; Festgabe für Rudolph Sohm,
1914; Fehr, H., Rudolph Sohm, ZRG GA 38 (1917), LIX; Stutz, U., Nachruf, ZRG GA
38 (1917), 457; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts,
1931; Bühler, A., Kirche und Staat bei Rudolph Sohm, 1965; Böckenförde, W., Das
Rechtsverständnis der neueren Kanonistik, Diss. jur. Münster 1969
Solange I ist
der einprägsame Name des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands
vom 29. 5. 1974, nach dem das Gericht Gemeinschaftsrecht der europäischen Gemeinschaften
an den Grundrechten Deutschlands prüfen kann, solange die europäischen
Gemeinschaften keinen den deutschen Grundrechten gleichwertigen Grundrechtsschutz
haben. Nach der Entwicklung eines wirksamen Grundrechtsschutzes in den
europäischen Gemeinschaften nimmt das Bundesverfassungsericht die Entscheidung
durch Entscheidung vom 22. 10. 1986 (Solange II) zurück.
Soldat ist der besoldete Krieger bzw. der, welcher auf Grund einer Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Für den Soldaten kann besonderes Recht gelten. Schon das römische Recht kennt ein eigenes Soldatentestament.
Lit.: Kaser § 67 I 2c; Rogg, M., Landsknechte und
Reisläufer – Bilder vom Soldaten, 2002; Rechenberg, F. v., Die außerdienstliche
Wohlverhaltenspflicht des Soldaten, 2004; Kutz, M., Deutsche Soldaten, 2006;
Kroll, S., Soldaten im 18. Jahrhundert, 2006
Söldner ist der
gegen Sold (zu lat. [M.] solidus) kämpfende Krieger. Er tritt außer im Altertum
insbesondere im spätmittelalterlichen Italien sowie im Hundertjährigen Krieg
zwischen Frankreich und England hervor. Die im 18. Jh. eingeführte Wehrpflicht
verdrängt ihn wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum
Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, 1939; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1968; Baumann,
R., Das Söldnerwesen, 1978; Contamine, P., La Guerre au Moyen Age, 3. A. 1992;
Burschel, P., Söldner, 1994; Tresp, U., Söldner aus Böhmen, 2004; Trundle, M.,
Greek Mercenaries, 2004
solicitor (M.)
außergerichtlich tätiger Anwalt in England
Solidus ist eine
römische, im Frühmittelalter als Rechnungseinheit fortgeführte Münze.
Lit.: Köbler, DRG 77, 91; Köbler, LAW;
Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991
Sollizitieren (das
Gericht [Reichskammergericht, Reichshofrat] um Tätigwerden bitten, erinnern)
Lit.: Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht,
2002
Solms ist seit dem Hochmittelalter
(1129) die von Hohensolms ausgehende Grafschaft im Bereich der mittleren Lahn
in Hessen, die 1806 in Hessen aufgeht. 1571 erarbeitet der Frankfurter
Stadtsyndikus Johann → Fichard auf der Grundlage eines Entwurfes des
Sekretärs Gerhard Terhell und unter Verwendung zahlreicher Quellen (Mainz
1534, Württemberg 1555, Trier 1537, Köln 1538, Nürnberg 1564, Freiburg 1520,
Worms 1499) das sog. Solmser Landrecht (Gerichtsordnung und Landrecht). Es ist
eine stark romanisierende Reformation in schlichter Sprache und mit klarem
Aufbau.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Deren Graveschafft Solms und Herrschaft Mintzenberg Gerichtsordnung, 1571;
Fuchs, C., Über die Quellen des Solmser Landrechts, Z. f. dt. Recht 17 (1857),
292; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 30
(1967/8), 1; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser
Gerichtsordnung, Diss. jur. Göttingen 1972; Demandt, K., Geschichte des Landes
Hessen, 2. A. 1980
Solon (Athen um 640-560)
ist ein bedeutender griechischer Gesetzgeber und Staatsmann.
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Ruschenbusch, E., Solons
nomoi, 1966, Neudruck 1983; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982;
Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Holz, H., Die
solonische Gesetzgebung, (in) Philosophie des Rechts, 1992, 103; Tsigarida, I.,
Solon – Begründer der Demokratie?, 2006; Solon of Athens, hg. v. Blok, J. u.
a., 2006
Solothurn (Salodurum)
ist die Siedlung an der mittleren Aare, die über Kelten, Römer und Burgund 1218
Reichsstadt wird. 1353 wird S. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der →
Schweiz, 1481 Mitglied.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, K.,
Solothurnische Verfassungszustände zur Zeit des Patriziates, 1921; Amiet, B.,
Die solothurnische Territorialpolitik von 1344-1532, Diss. phil Basel 1929;
Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert und das solothurnische
Zivilgesetzbuch von 1841-1847, 1948; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, hg. v.
Studer, C. u. a., Bd. 1 1949; Solothurner Urkundenbuch, bearb. v. Kocher, A.,
Bd. 1 1952; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457; Walliser,
P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Solothurn, 1990; Wey, M., Die Forstgesetzgebung
im Kanton Solothurn während der Mediationszeit (1803-1813), 1991
solsadire (lat.-afrk.)
die Sonne untergehen lassen, Frist bis Sonnenuntergang setzen
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex
Salica, 1867
Solutio (lat. [F.])
ist im römischen Recht die Leistung bzw. Erfüllung. Ihr geht im altrömischen
Recht das förmliche Enthaftungsgeschäft der s. per aes et libram (Lösung
durch Erz und Waage) voraus.
Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 I 3, 32 II 3b,
52 II, 53 I; Köbler, DRG 27, 43, 62
Somatén
(M.) Landwehr
Lit.: March, J., El
Somatén, 1923
Somme rural ist das wohl kurz vor 1396 von Jehan → Boutillier (Jean le Boutillier) kompilatorisch verfasste → Rechtsbuch, dessen Aufbau sich grundsätzlich an den Verfahrensgang anlehnt. Es legt hauptsächlich die coutumes (Gewohnheiten) von Tournai, Tournaisis und Vermandois zugrunde, bezieht aber auch die coutumes von Normandie, Picardie, Artois, Flandern, Cambrésis, Champagne und Paris mit ein. Vor allem im Sachenrecht und im Schuldrecht wird römisches Recht verwertet. Hinzu kommt auch kirchliches Recht. Neben der Rechtsliteratur fließt in beachtlichem Umfang die eigene Erfahrung des Verfassers ein.
Lit.: Dievoet, G. van, Jehan
Boutillier en de Somme rural, 1951; Coutumes du Tournaisis, hg. v. Dievoet, G. van,
2006
Sondererbfolge ist
die → Erbfolge eines von mehreren Erben in einen einzelnen Gegenstand z.
B. in Gerade und Heergewäte im Mittelalter, in Fürstengut oder Adelsgut, in
Erbhöfe oder in Gesellschaftsanteile im 20. Jh. Die S. steht in Gegensatz zur grundsätzlichen,
dem Gleichheitssatz folgenden Gesamtrechtsnachfolge.
Lit.: Köbler, DRG 73, 123, 162, 210, 269
Sondergericht ist
das im Rechtsstaat unzulässige besondere Gericht (z. B. im Dritten Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Schimmler, B.,
Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Wüllenweber, H., Sondergerichte im dritten
Reich, 1990; Blumberg-Ebel, A., Sondergerichtsbarkeit und „politischer
Katholizismus“ im dritten Reich, 1990; Oehler, C., Die Rechtsprechung des
Sondergerichts Mannheim, 1997; Weckbecker, G., Zwischen Freispruch und
Todesstrafe, 1998; Keldungs, K., Das Duisburger Sondergericht, 1998; Roeser,
F., Das Sondergericht Essen, 2000; Lahrtz, J., Nationalsozialistische
Sondergerichtsbarkeit in Sachsen, 2003; … eifrigster Diener und Schützer des
Rechts, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2007
Sonderrecht ist das
nicht allgemein, sondern nur für besondere Fälle geltende Recht. Es steht im
Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz. Von daher verliert es seit der
französischen Revolutuin (1789) an Bedeutung.
Lit.: Duve, T., Sonderrecht in der
frühen Neuzeit, 2008
Sonnenfels (Perlin),
Joseph v. (1732/1733 Mikulov bzw. Nikol(au)sburg/Tschechien-Wien 25. 4. 1817),
am 18. 9. 1735 mit Vater und Bruder katholisch getaufter Jude, wird nach dem
Studium der Philosophie und des Rechts in Wien (Martini, Riegger) 1758 Adjunkt
bzw. Kanzleiangestellter, 1761 Rechnungsführer und 1763 Professor für
politische Wissenschaft (Kameralwissenschaft) in Wien. 1765 veröffentlicht er
Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz (bis 1845/1848 grundlegend). Er
wendet sich aufgeklärt gegen die Folter (1771) und die Todesstrafe.
Lit.: Köbler, DRG 152; Osterloh, K., Joseph von Sonnenfels,
1970; Lindner, D., Der Mann ohne Vorurteil, 1983; Joseph von Sonnenfels, hg. v.
Reinalter, H., 1988; Sonnenfels, J. v., Grundsätze der Polizey, hg. v. Ogris,
W., 2003
Sonnenfrist setzen → solsadire
Sonntag ist der auf
Grund jüdischer Überlieferungen vom Christentum geheiligte siebente Wochentag,
der durch staatliches Recht grundsätzlich arbeitsfrei ist.
Lit.: Der Tag des Herrn, hg. v. Weiler, R., 1998; Schiepek,
H., Der Sonntag, 2003; Grube, A., Der Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die
Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 2003
Souveränität (Wort 12. Jh.) ist die im
Absolutismus der frühen Neuzeit (aus [lat. N.] imperium, Gewalt, Herrschaft,
Reich) entwickelte höchste und unbeschränkte Staatsgewalt (→ Bodin
[1530-1596] 1566). Nach Jean Jacques Rousseau (1762) steht die S. dem Volk zu
(Volkssouveränität). In der Gegenwart bedeutet S. eines Staates dessen Freiheit
und Unabhängigkeit nach außen und innen (Abwehr der Einmischung in innere
Angelegenheiten). Im Staatenbund hält der Mitgliedstaat an seiner S. so
umfassend wie möglich fest. Die Internationalisierung des Rechtes und die
Schaffung supranationaler Gebilde drängen die nationale S. zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 149; Kelsen, H.,
Das Problem der Souveränität, 2. A. 1928; Stengel, E., Kaisertitel und
Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Hennis, W., Das Problem der Souveränität, 1951,
m. e. Vorwort v. Starck, C., 2003; David, M., La souveraineté, 1954;
Streifthau, K., Die Souveränität des Parlaments, 1963; Dennert, J., Ursprung
und Begriff der Souveränität, 1964; Schefold, D., Volkssouveränität, 1966;
Volkssouveränität und Staatssouveränität, hg. v. Kurz, H., 1970; Quaritsch, H.,
Staat und Souveränität 1, 1970; Mommsen, K., Auf dem Wege zur
Staatssoveränität, 1970; Quint, W., Souveränitätsbegriff, 1971; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hinsley, F., Sovereignty, 2. A.
1986; Quaritsch, H., Souveränität, 1986; Pennington, K., The Prince and the
Law, 1993; Stolleis, M., Die Idee des souveränen Staates, (in) Entstehung und
Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, 1993, 53; Adamova, K., Souveränität
und Gesamtstaat, ZRG 119 (2002), 157; Rosin, N., Souveränität zwischen Macht
und Recht, 2003; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von
Herrschaftsgewalt, 2004
Sowchose (F.) landwirtschaftlicher Staatsbetrieb der
Sowjetunion
sowjet (russ.) Rat (Selbstverwaltungsorgan der Arbeiter, Bauern und Soldaten der Sowjetunion seit 1917)
Sowjetische Besatzungszone ist die im Osten gelegene Besatzungszone der Sowjetunion
im Deutschen Reich seit 1945 (mit rund 4 Millionen Flüchtlichen und
Vertriebenen), für die am 6. 6. 1945 die sowjetische Militäradministration
errrichtet wurde (Ende 1945 fast 64000 Planstellen, 17. 11. 1949 aufgelöst).. →
Deutsche Demokratische Republik
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blomeyer, A., Die Entwicklung des
Zivilrechts in der sowjetischen Besatzungszone, 1950; Staritz, D., Die Gründung
der DDR, 1985; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J.
v., 1988; SBZ-Handbuch, hg. v. Broszat, M. u. a., 1990; Hauschild, I., Von der
Sowjetzone zur DDR, 1996; Naimark, N., Die Russen in Deutschland, 1997;
Wiedergutmachungsverbot, hg. v. Sobotka, B., 1998; Sowjetische Speziallager in
Deutschland 1945-1950, hg. v. Mironenko, S. u. a., 1998; Sowjetisierung und
Eigenständigkeit in der SBZ/DDR, hg. v. Lemke, M., 1999; Foitzik, J.,
Sowjetische Militäradministration, 1999; Das letzte Jahr der SBZ, hg. v.
Hoffmann, D. u. a., 2000; Hajna, K., Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ, 2000;
Schweisfurth, T., SBZ-Konfiskationen privaten Eigentums 1945 bis 1949, 2000;
Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Kowalczuk,
I./Wolle, S., Roter Stern über Deutschland, 2001; Baus, R., Die Christlich-Demokratische
Union Deutschlands, 2001; Madaus, U., Allianz des Schweigens, 2002;
SMAD-Handbuch. Die sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945-1949,
hg. v. Möller, H. u. a., 2009
Sowjetunion ist der
seit der Oktoberrevolution 1917 aus → Russland entstandene Staat (Union
der sozialistischen Sowjetrepubliken, UdSSR, 30. 12. 1922-8. 12. 1991). Er wird
von der Kommunistischen Partei totalitär geführt. Im Friedensvertrag von
Brest-Litowsk (3. 3. 1918) mit dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, dem Osmanischen
Reich und Bulgarien verliert Russwland seine polnischen und baltischen Gebiete,
Finnland und die Ukraine, doch wird der Vertrag am 11. 11. 1918 für ungültig
erklärt. Die Wirtschaft wird verstaatlicht (7 Millionen Opfer der
Zwangskollektivierung), das Recht unter Abschaffung des privaten Eigentums
sozialistisch gestaltet (Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht 16. 9.
1918, Arbeitsrecht 22. 10./4. 11. 1918). Am 22. 5. 1922 erlaubt eine besondere
Deklaration über die Grundsätze des Vermögensrechts privatwirtschaftliches
Handeln im Rahmen des sozialistischen Wirtschaftssystems. In der Folge wird
das Zivilgesetzbuch Russlands vom 31. 10. 1922 weithin maßgebend (Recht der
beweglichen Sachen). Infolge der Teilnahme am zweiten Weltkrieg (8,6 Millionen
Gefallene) wird die S. Weltmacht (mit 22,4 Milliarden Quadratkilometern
größter Staat der Neuzeit). Am 8. 12. 1961 erlässt die S. Grundlagengesetze zum
Zivilrecht und Zivilprozessrecht, 1968 zum Ehe- und Familienrecht sowie 1970
zum Arbeitsrecht. Unter Michael Gorbatschow kommt es seit etwa 1985 zur
Liberalisierung (Glasnost, Perestroika). 1991 geht die aus 15 Unionsrepubliken
(mit 286 Millionen Einwohnern) bestehende S. in der losen Gemeinschaft
unabhängiger Staaten (GUS) auf. Russland verselbständigt sich als Folge der
Abspaltung zahlreicher selbständiger Staaten wieder.
Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Rauch,
G. v., Geschichte des bolschewistischen Russland, 1955; Istorija gosudarstva i
prava SSSR (Staats- und Rechtsgeschichte der Sowjetunion), Teil 1, verfasst v.
einem Autorenkollektiv unter Leitung v. Sofronenko, K., 1967; Peter, V.,
Sozialistisches Zivilrecht, 1975; Beletzki, Die Politik der Sowjetunion in den
deutschen Angelegenheiten, 1977; Pfaff, D., Die Entwicklung der sowjetischen
Rechtslehre, 1986; Fincke, M., Handbuch der Sowjetverfassung, 1983; Geilke, G.,
Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A.
1984; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion, 1993; Hildermeier, M.,
Geschichte der Sowjetunion, 1998; Adomeit, A., Imperial Overstretch, 1998;
Heinzig, H., Die Sowjetunion und das kommunistische China, 1998; Hildermeier,
M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Foitzik, J., Sowjetische
Militäradministration, 1999; Luks, L., Geschichte Russlands und der
Sowjetunion, 2000; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917-1991,
3. A. 2001; Kernig, C., Lenins Reich in Trümmern, 2000; Wolkogonow, D., Die
sieben Führer, 2001; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 2003; Applebaum,
A., Der Gulag, 2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003; Sowjetische
Militärtribunale, hg. v. Hilger, A. u. a., 2003; Terrorjustiz und Terrororgane
in der Stalin-Zeit, hg. v. Lobkowicz, N. u. a., 2004; Oldenburg, M., Ideologie
und militärisches Kalkül, 2004; Die UdSSR und die deutsche Frage 1941-1948, hg.
v. Laufer, J. u. a., Bd. 1ff. 2004; Creuzberger, S., Stalin, 2009
Sozialbindung ist
die Einschränkung eines Rechts (z. B. des Eigentums) aus sozialen Gründen im
20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Lehmann, J., Sachherrschaft und
Sozialbindung, 2004
Sozialdarwinismus (M.) Übertragung des Grundsatzes der natürlichen
Auslese auf die menschliche Gesellschaft am Ende des 19. Jh.s, Rassenlehre
unter Ablehnung von Sozialpolitk
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die aus dem frühen → Sozialismus erwachsende deutsche → Partei. Ihr gehen der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein Lassalles (1863) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Liebknechts und Bebels (1869) voraus, die sich 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei vereinigen. 1878 werden die Sozialisten verboten, 1890 aber als S. P. D. mit marxistischem Erfurter Programm Kautskys (1891) wieder zugelassen. Mit dem Godesberger Programm von 1959, das den Sozialismus als Weltanschauung aufgibt, wird die S. P. D. in Deutschland regierungsfähig (1969 bis 1982, 1998 bis 2005).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177; Brügel, L.,
Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Bd. 1ff. 1922ff.; Heidegger,
H., Die deutsche Sozialdemokratie, 2. A. 1968; Martiny, M., Integration oder
Konfrontation?, 1976; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v.
Vormbaum, T., 1977; Rovan, J., Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, 1980;
Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische
Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Steinbach, P.,
Sozialdemokratie und Verfassungsverständnis, 1983; Pyta, W., Gegen Hitler und
für die Republik, 1989; Schröder, W., Sozialdemokratische Parlamentarier, 1995;
Morré, J., Speziallager des NKWD, 1997; Die Sozialdemokratie und die Entstehung
des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 2. A. 1997; Welskopp, T.,
Das Banner der Brüderlichkeit, 2000; Wondratsch, H., Sozialdemokratie – Frau –
Familie, 2002; Ramuschkat, D., Die SPD und der europäische Einigungsprozess,
2003
Sozialdisziplinierung
(Gerhard Oestreich) ist die mehr oder weniger gewaltsame Lenkung der
Bevölkerung zur Durchsetzung politischer Ziele seit der frühen Neuzeit.
Soziale Frage ist die aus der liberalen Industrialisierung erwachsende Gegenüberstellung von vielen besitzlosen Proletariern (Arbeitern, vierter Stand) und wenigen reichen Kapitalisten (Bürgern). Ihre Lösung sieht der liberale Staat des frühen 19. Jh.s nicht als seine Aufgabe an, weshalb Selbsthilfeeinrichtungen statt seiner handeln (Gewerkschaft, Genossenschaft, Partei). Unter dem tatsächlichen Druck sozialistischer Parteien sieht sich Bismarck 1881ff. zu sozialer Gesetzgebung (→ Sozialversicherung) veranlasst.
Lit.: Köbler, DRG 177; Benöhr, H., Soziale Frage,
Sozialversicherung und sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG
GA 98 (1981), 94; Ritter, G., Sozialpolitik im deutschen Kaiserreich, HZ 282
(2006), 97
Soziale Marktwirtschaft ist
die Marktwirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, die sozialen Ausgleich der
durch übermäßige Ausnutzung von Freiheit entstandenen gesellschaftlichen
Probleme versucht (z. B. Wohngeld für sozial schwache Mieter). In Deutschland
beruht sie auf dem am 24. 6. 1948 vom alliierten Wirtschaftsrat verabschiedeten
Gesetz über Leitsätze.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Soziale Marktwirtschaft, 1997;
Soll und Haben, hg. v. Nörr, K. u. a., 1999
Sozialgericht ist
nach älteren Vorläufern (1884 Schiedsgericht für Streitigkeiten aus der
Unfallversicherung, 1900 Schiedsgericht für Arbeiterversicherung, 1911
verwaltungsinterner Rechtsschutz durch Versicherungsamt, Oberversicherungsamt
und Reichsversicherungsamt) in der Bundesrepublik Deutschland das für die
Entscheidung über sozialrechtliche Streitigkeiten zuständige Gericht (Sozialgerichtsgesetz
vom 3. 9. 1953).
Lit.: Köbler, DRG 262; Meyer-Ladewig, J.,
Sozialgerichtsgesetz, 1977, 5. A. 1993, 8. A. 2005
Sozialgeschichte ist
die Geschichte der Gesellschaft bzw. der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die
S. dient dem Verständnis der Rechtsgeschichte. Gesellschaft und Recht
beeinflussen sich jeweils gegenseitig.
Lit.: Köbler, DRG 9; Dopsch, A., Wirtschaftliche und
soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Dopsch, A.,
Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Dopsch, A.,
Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930; Brunner, O., Neue Wege der
Sozialgeschichte, 1956 (Vorträge und Aufsätze), 1956; Lütge, F., Deutsche
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1966; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der
deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1971ff.; Henning, F.,
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff.; Müller, M., Säkularisation
und Grundbesitz, 1980; Kantzow, W., Sozialgeschichte der deutschen Städte und
ihres Boden- und Baurechts bis 1918, 1980; Handbuch der europäischen
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.;
Alföldy, G., Römische Sozialgeschichte, 3. A. 1984; Boelcke, W., Wirtschafts-
und Sozialgeschichte, 1987; Wehler, H., Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd.
1f. 1987ff., z. T. 3. A. 1996ff.; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und
Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Quellensammlung zur Geschichte
der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914; Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte,
hg. v. Krause, J. u. a., Bd. 1f. 1992ff.; Frerich, J./Frey, M., Handbuch der
Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff. 1993; Wehler, H., Bibliographie zur
neueren deutschen Sozialgeschichte, 1993; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg.
v. Miethke, J. u. a., 1994; Borgolte, M., Sozialgeschichte des Mittelalters,
1996; Ritter, G., Sozialpolitik im Zeitalter Bismarcks, HZ 265 (1997), 682;
Hering, S./Münchmeier, R., Geschichte der Sozialarbeit, 1999; Perspektiven der
Gesellschaftsgeschichte, hg. v. Nolte, P. u. a., 2000; Roth, G., Die
Institution der kommunalen Sozialverwaltung, 1999; Europäische Sozialgeschichte,
hg. v. Dipper, C. u. a., 2000; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren,
2001; Sozialer Aufstieg, hg. v. Schulz, G., 2002; Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Minderwertig und asozial,
hg. v. Sedlaczek, D. u. a., 2005; Devroey, J., Puissants et misérables, 2006;
Kaelble, H., Sozialgeschichte Europas 1945 bis zur Gegenwart, 2007
Sozialgesetzbuch ist
in der Bundesrepublik Deutschland das die → Reichsversicherungsordnung
von 1911 seit (1969 bzw.) 1. 1. 1976 allmählich ablösende, in einzelnen Büchern
in Kraft tretende Gesetzbuch (SGB I Allgemeiner Teil 1976, SGB II Grundsicherung
für Arbeitsuchende 2004, SGB III Arbeitsförderung 1997, SBG IV Sozialversicherung
Gemeinsame Vorschriften 1977, SBG V Gesetzliche Krankenversicherung 1989, SGB
VI Gesetzliche Rentenversicherung 1992, SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung
1996, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe 1991, SGB IX Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen 2001, SGB X Verwaltungsverfahren 1980, SGB XI Soziale
Pflegeversicherung 1995, XII Sozialhilfe 2005).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 261; 25 Jahre Sozialgesetzbuch, 1995
Sozialgesetzgebung ist
die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s einsetzende Gesetzgebung in sozialen
Angelegenheiten.
Lit.:
Borgmeyer, W., Das wilhelminische Kaiserreich – ein Ausbeuterstaat?, 1994;
Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, begr.
v. Rassow, P. u. a., hg. v. Henning, H. u. a., 1982ff., Abt. 1, 8, 2006
Sozialhilfe ist in der Bundesrepublik Deutschland die durch Gesetz vom 30. 6. 1961 geregelte allgemeine Unterstützung sozial Schwacher. Durch das Gesetz werden die älteren Reichsgrundsätze öffentlicher Fürsorge im Wesentlichen übernommen. 2005 geht das Bundessozialhilfegesetz in den Büchern II und XII des Sozialgesetzbuchs auf.
Lit.: Köbler, DRG 261; Föcking, F., Fürsorge im
Wirtschaftsboom, 2007
Sozialisierung (F.) Vergesellschaftung
Lit.: Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte in
ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920
Sozialismus ist die
im 19. Jh. ausgebildete Gesellschaftslehre, die sich statt am individuellen Wohl
des Einzelnen am Gesamtwohl der Allgemeinheit ausrichtet. Angestrebt wird der
S. vor allem von sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien. Der nach
1917 in der → Sowjetunion bzw. nach 1945 in anderen sozialistischen
Staaten verwirklichte S. erreicht eine tatsächliche Verbesserung der
gesellschaftlichen Verhältnisse nur in bescheidenem Umfang.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177, 179, 226;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 923; Huber, E., Die Gestalt des
deutschen Sozialismus, 1934; Ramm, T., Die großen Sozialisten, 1955; Markovits,
I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N.,
Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N./Reichel, H., Einführung in das
sozialistische Recht, 1975, 1; Horner, H., Anton Menger, 1977; Dowe, D.,
Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Kühne,
D., Der marxistisch-sozialistische Rechtsbegriff, 1985; Petev, V., Kritik der
marxistisch-sozialistischen Rechts- und Staatsphilosophie, 1989; Klassiker des
Sozialismus, hg. v. Euchner, W., Bd. 1f. 1991; Heis, R., Das Recht im frühen
Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995; Recht im Sozialismus, hg. v. Bender, G.
u. a., Bd. 1ff. 1999; Euchner, W. u. a. Geschichte der sozialen Ideen in
Deutschland, 2000; Der Munizipalsozialismus in Europa, hg. v. Kühl, U., 2001;
Kohlmann, J., Der Marsch zu den Gräbern von Karl und Rosa, 2004; Zur
Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsreformen, hg. v. Boyer, C., 2007;
Leidinger, H. u. a., Sozialismus, 2008
Sozialistengesetz ist
das seit 21. 10. 1878 die sozialistischen Parteien verbietende Gesetz des
Deutschen Reiches, das 1890 wegen Erfolglosigkeit nicht weiter verlängert wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 172, 177; Schümer, G.,
Die Entstehungsgeschichte des Sozialistengesetzes, Diss. phil. Göttingen 1930;
Hellfaier, K., Die deutsche Sozialdemokratie während des Sozialistengesetzes,
1958; Maaß, R., Entstehung, Hintergrund und Wirkung des Sozialistengesetzes,
JuS 1990, 702; Maaß, R., Die Generalklausel des Sozialistengesetzes, 1990;
Frerich, J., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff 1993ff., z. T.
2. A. 1996; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998;
Einhundertfünfundzwanzig (125) Jahre Sozialistengesetz, hg. v. Beutin, H. u.
a., 2004
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands → SED
sozialistisches Recht →
Sozialismus
Lit.: Markovits, J., Sozialistisches und bürgerliches
Zivilrechtsdenken, 1960; Löbbe, J., Sozialisitische Rechtsanwendung, 1998
Sozialpartnerschaft ist
die verständnisvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften
vor allem im 20. Jh. (auf Kosten der Allgemeinheit).
Lit.:
Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft, hg. v. Stourzh, G. u. a., 1986
Sozialrecht ist das
Recht des Ausgleichs individueller Güterdifferenzen durch Leistungen eines
Trägers öffentlicher Verwaltung. Es entsteht nach vereinzelten älteren
Vorformen und frühen Einzelzügen (Preußen 1845 Gewerbeordnung mit der
Möglichkeit der Gemeinden, durch Satzung Unterstützungskassen für
Fabrikarbeiter zu erzwingen) seit dem späten 19. Jh. Es ist im weiten Umfang
Sozialversicherungsrecht. Frühe wissenschaftliche Vertreter sind Heinrich
Rosin, Erwin Jacobi, Lutz Richter, Fritz Stier-Somlo, Walter Kaskel, Alfred
Manes, frühe Praktiker Hermann Dersch, Hermann Schulz und Friedrich Kleeis und
frühe Institutionen Institute in Freiburg im Breisgau, Leipzig und Frankfurt am
Main. Seit 1976 entsteht ein Sozialgesetzbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 260; Gurvich, G.,
L’idée du droit social, 1932; Quellen zur Geschichte des Sozialrechts, hg. v.
Stolleis, M., 1976; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht,
1978; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgenossenschaft, 1982;
Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg.
v. Köbler, G., 1987, 281; Scherner, K., Sozialrechtsgeschichte, ZNR 1996, 102;
Mikešič, I., Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin - Die Anfänge
1918-1933, 2002; Sopp, A., Drittstaatsangehörige und Sozialrecht, 2007;
Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Otto, M., Von der
Eigenkirche zum volkseigenen Betrieb . Erwin Jacobi (1884-1965), 2008
Sozialstaat ist der
auf Ausgleich sozialer Ungerechtigkeit verpflichtete Staat. Er entsteht seit
dem ersten Weltkrieg.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 252;
Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, hg. v. Forsthoff, E., 1968;
Böckenförde, E., Die Bedeutung der Unterscheidung vom Staat und Gesellschaft,
FG W. Hefermehl, 1972, 11; Landwehr, G., Staatszweck und Staatstätigkeit in
Preußen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249;
Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Koslowski, S., Die Geburt des Sozialstaats,
1989; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Eichenhofer, E., Geschichte
des Sozialstaats in Europa, 2007
Sozialversicherung ist
die im Grundsatz auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung aufbauende,
durch die Kaiserliche Botschaft vom 17. 11. 1881 im Deutschen Reich eingeleitete
Einrichtung, die auf die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit
schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit abzielt.
Sie umfasst Krankheit (15. 6. 1883), Unfall (6. 7. 1884, vgl. dazu ein Arbeitgeberhaftungsgesetz
in Großbritannien von 1880), Alter und Invalidität (22. 6. 1889), Arbeitslosigkeit
(Gesetz über Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1927) (1911
Reichsversicherungsordnung, Angestelltenversicherungsgesetz, 1923 Reichsknappschaft)
sowie Pflege (1995). 1934 wird von S. gesprochen. Rentner werden in die gesetzliche
Krankenversicherung, Selbständige in die S. insgesamt aufgenommen. 1975 werden
Studenten und Behinderte in die S. einbezogen. In der Deutschen Demokratischen
Republik wird die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt und
die S. vereinheitlicht und zentralisiert, doch wird 1990 mit der Vereinigung
das Recht der Bundesrepublik auf die neuen Bundesländer übertragen. Träger der
S. sind Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Berufsgenossenschaft,
Krankenkasse). Die im Grunde unsolide Finanzierung der S. bedroht bei
ungünstiger Bevölkerungsentwicklung ihre Zahlungsfähigkeit.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 177, 182, 183, 260,
261; Vogel, W., Bismarcks Arbeiterversicherung, 1951; Peters, H., Die
Geschichte der Sozialversicherung, 1959, 2. A. 1973, 3. A. 1978; Fröhlich, S.,
Die soziale Sicherung bei Zünften, 1976; Ullmann, H., Industrielle Interessen
und die Entstehung der deutschen Sozialversicherung, HZ 229 (1979), 574; Ruß,
W., Die Sozialversicherung in der DDR, 1979; Bedingungen für die Entstehung und
Entwicklung von Sozialversicherung, hg. v. Tacher, H., 1979; Bogs, W., Die
Sozialversicherung, 1980; Benöhr, H., Verfassungsfragen der Sozialversicherung,
ZRG GA 97 (1980), 94; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische
Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Ein Jahrhundert
Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1981; Ritter, G.,
Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983; Beiträge zu Geschichte und
aktueller Situation der Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1983;
Hofmeister, H., Die ersten Sozialversicherungsgesetze, Z. f. Arbeitsrecht und
Sozialrecht 22 (1987), 184; Leopold, D., Die Geschichte der sozialen
Versicherung, 1999; Ausschuss für die Reform der Sozialversicherung/für
Sozialversicherung (1934-1944). Versorgungswerk und Gesundheitswerk des
deutschen Volkes (1940-1942), hg. und mit einer Einleitung versehen v.
Schubert, W., 2000; Haerendel, U., Die Anfänge der gesetzlichen
Rentenversicherung, 2001; Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung, hg. v.
Gilomen, H. u. a., 2002; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Glootz,
T., Alterssicherung im europäischen Wohlfahrtsstaat, 2005; Metz, K., Die
Geschichte der sozialen Sicherheit, 2008
Soziologie (F.) Gesellschaftswissenschaft
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 997;
Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur Deutschen Rechtssoziologie,
1969; Landau, P., Rechtsgeschichte und Soziologie, VSWG 61 (1974), 145;
Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Bahrdt,
H., Schlüsselbegriffe der Soziologie, 7. A. 1994; Korte, H., Einführung in die
Geschichte der Soziologie, 7. A. 2004; Kruse, V., Geschichte der Soziologie,
2008; Gerhardt, U., Soziologie im zwanzigsten Jahrhundert, 2009
Spangericht
Lit.: Schmid, N., Die
appenzell-innerrhodischen Spangerichte, Diss. jur. Zürich 1961
Spanien ist der im Südwesten Europas am westlichen Rand des Mittelmeers gelegene, zum 1. 1. 1986 den Europäischen Gemeinschaften beigetretene Staat. Noch in der Steinzeit wird es von Afrika her durch die Iberer besiedelt. Im Ringen zwischen Puniern (Karthagern) und Römern setzen sich die Römer 201 v. Chr. durch. In der Völkerwanderung erobern die Westgoten (475) bis 531 das Gebiet. Es gilt für die Goten, deren Zahl sich auf höchstens fünf von Hundert der Bevölkerung beläuft, die (lat.) → Lex (F.) Visigothorum, für die Romanen die (lat.) → Lex (F.) Romana Visigothorum (um 506 n. Chr.). Im Streit um die Nachfolge im Königtum wendet sich ein Streitteil an die nordafrikanischen Mauren (→ Araber), die 711 bei Jerez de la Frontera den Sieg erringen und seit 714 ein Emirat des Kalifats von Damaskus (929 Kalifat von Cordoba) bilden. Wenig später beginnt von dem niemals von Mauren eroberten Nordwesten, in den sich Teile des westgotischen Adels flüchten, von Asturien, Navarra und Katalonien aus die christliche Rückeroberung (span. → reconquista), die 1492 mit der Gewinnung Granadas durch Kastilien endet. Das Recht wird in sog. → Fueros aufgezeichnet. Wohl seit dem am 20. 12. 1433 von König Johann II. in Medina del Campo promulgierten Ordenamiento real beginnen königliche Versuche der Rechtsvereinheitlichung in Kastilien. Ein besonders bedeutsames Rechtsbuch sind die → Siete Partidas. Durch Heirat werden 1469 Kastilien und Aragon (Katalonien) in Personalunion vereinigt. Mit der Entdeckung der Neuen Welt (1492) erwirbt S. Kolonien, wird europäische Großmacht und vertreibt gleichzeitig die Juden. 1516 verbindet der Sohn Philipps des Schönen von Burgund (und Enkel Kaiser Maximilians) und Johannas der Wahnsinnigen sein spanisches Erbe mit den habsburgischen Gütern und wird als → Karl V. 1519 König (bzw. Kaiser) des Heiligen römischen Reich (deutscher Nation), doch wird innerhalb Habsburgs schon 1521/1522/1526 wieder in zwei Linien (Spanien und Österreich) geteilt, wobei die über Maria von Burgund an Habsburg gelangten Niederlande an die spanische Linie gegeben werden, von deren Herrschaft sich der Norden in einem langen Freiheitskampf löst. 1561 wird Madrid Hauptstadt Spaniens. Wenig später (1588 Sieg Englands über die spanische Flotte) tritt S. hinter England und Frankreich zurück. Beim Aussterben der spanischen Linie des habsburgischen Hauses (Karl II. 1700/1701) gelangt S. in einem Erbfolgekrieg an die → Bourbonen, doch erhält Habsburg Güter in Italien (Lombardei) und in den (südlichen) Niederlanden (Belgien). Von den Bourbonen versucht Philipp V. den Aufbau eines einheitlichen Staates nach dem Vorbild Frankreichs unter (teilweise gelungener) Aufhebung der regionalen Rechte und Einteilung des Landes in Provinzen (Navarra und das Baskenland behalten ihre Sonderrechte). Die Verfassung von Cadiz von 1812 und die Verfasung vom 30. 6. 1876 verstärken diese Entwicklung noch. Von 1873 bis 1875 wird S. erstmals Republik, von 1931 bis 1936/1939 zum zweitenmal. Das spanische Recht wird im 19. Jh. nach französischem Vorbild in Gesetzbüchern geregelt (Codigo de comercio 1829, Codigo penal 1848, Codigo civil 1888/9, primäre Geltung nur bezüglich allgemeiner Bestimmungen und Eherecht, im Übrigen subsidiäre Gliederung gegenüber den partikularen Rechten bzw. Foralrechten Aragóns, der Balearen, Vizcayas, Katalaniens, Galiziens, Navarras, Álavas und der Estremadura [fuero de Baylío]). Von 1936 bis 1977 wird S. von der 1933 von J. A. Primo de Rivera gegründeten, vom Faschismus Italiens beeinflusstenPartei Falange unter General Francisco Franco [† 1975) beherrscht. Seit
Lit.: Hinojosa, E. de, El régimen señorial, 1905; Hinojosa,
E. de, Das germanische Element im spanischen Recht, ZRG GA 31 (1910), 282;
Hinojosa, E. de, El elemento germánico en el derecho español, 1915; Mayer, E.,
Studien zur spanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 40 (1919), 236; Ajuntament de
Barcelona, 1920ff.; March, J., El Somatén, 1923; Rauchhaupt, F., Geschichte der
spanischen Rechtsquellen, 1923; Mayer, E., El antiguo dercho de obligaciones,
1926; Mayer, E., Historia de las instituciones sociales y politicas de España y
Portugal, Bd. 1f. 1925f.; Riaza, R., El derecho Romano y el derecho nacional en
Castilla, 1929; Pérez, J., Fuentes de derecho historico Español, 1931; Torres,
M., Lecciones de historia del derecho Español, 1933f.; Riaza, R./García Gallo,
A., Manual de historia del derecho Español, 1935; Altspanisch-gotische Rechte,
hg. v. Wohlhaupter, E., 1936; Sanchez-Albornoz, C., En torno a los origines del
feudalismo, 1942; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der sogenannten
Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht
im 16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Kleffens, E. von,
Hispanic Law, 1968; Islamische Geschichte Spaniens, hg. v. Hoenerbach, W.,
1970; Lalinde Abadía, J., Iniciación historica al derecho Español, 1970, 3. A.
1983; Sánchez-Albornoz, C., Investigaciones y documentos sobre las
instituciones hispanas, 1970; Lalinde Abadía, J., Los medios personales de
gestión del poder público, 1970; Payne, S., A history of Spain and Portugal,
1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,890, 2,2,228,847,1271, 3,1,397, 3,2,2403,
3,3,3740,3473,3917,3994,4118; Clavero, B., Mayorazgo, 1974; Pérez Martín,
A./Scholz, J., Legislación y jurisprudencia de la España del antiguo régimen,
1978; Alvarez de Morales, A., La Ilustración y la reforma de la universidad en
la España del siglo 18, 1979; Garcia Gallo, A., Manual de historia del derecho
español, 10. A. 1984; Henningsen, G., The Witches’ Advocate, 1980; Gacto
Fernández, E. u. a., El derecho histórico de los pueblos de España, 3. A. 1982;
Barrios, F., El consejo de Estado de la monarquía Española, 1984; Massip, J.,
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hg. v. Engels, O., 1989; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989;
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poder, ed. por Scholz, J., 1992; Adomeit, K./Frühbeck, G., Einführung in das
spanische Recht, 1992, 2. A. 2001, 3. A. 2007; Vones, L., Geschichte der iberischen
Halbinsel, 1993; Fallstudien zur spanischen und portugiesischen Justiz, 15. bis
20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994; Becker, R., Der Ursprung der
Rechtsspaltung im spanischen Privatrecht, ZEuP 1995, 88; Die Entwicklung des
spanischen Zivilprozessrechts, ZEuP 1995, 242; Bernecker, W./Pietschmann, H.,
Geschichte Spaniens, 4. A. 2004; Richardson, J., The Romans in Spain, 1996;
Köbler, Rechtsspanisch, 2. A. 2003; Miras, A., Die spanischen Könige, hg. v. Bernecker,
W. u. a., 1997; Herzog, W., Spanien, 4. A. 1998;
Montanos Ferrin, E., España en la configuración histórico-jurídica de Europa, Bd.
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Bennassar, B./Vincent, B., Spanien, 1999; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego
en la España cristiana – las fuentes juridicas siglos V-XV, 2000; Nieto Soria,
J., Legislar y gobernar, 2000; Zambrana Moral, P. u. a., Depuración política
universitaria en el primer franquismo, 2001; Bernecker, W., Spanische
Geschichte, 2002; Kleine Geschichte Spaniens, hg. v. Schmidt, P., 2002;
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Gerechtigkeit verwalten. Die spanische Justiz im Übergang zur Moderne, 2003;
Sánchez-Arcilla Bernal, J., Manual de historia del derecho, 2004; Collins, R.,
Visigothic Spain, 2004; Straub, E., Das spanische Jahrhundert, 2004; Spaethe,
J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004; Martino, A., Spanien zwischen Regionalismus
und Föderalismus, 2004; Yun, B., Marte contra Minerva, 2004; Serrano González,
A., Ein Tag im Leben eines Gerichtspräsidenten, 2005; Diccionario crítico de
juristas españoles, hg. v. Peláez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Martínez Martínez, F.,
Et cum Juda traditore domini, Initium 10 (2005), 86; Herbers, K., Geschichte
Spaniens im Mittelalter, 2006; López Sánchez, J., Der Einfluss der europäischen
Geschichtsschreibung auf die Madrider historische Rechtsschule (1910-1936), ZRG
GA 123 (2006), 345; Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006; Collado
Seidel, C., Der spanische Bürgerkrieg, 2006; Ross, F., Justiz im Verhör, 2006;
Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im Franquismus, 2007; Bossong,
G., Das maurische Spanien, 2007; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 958; Timmermann,
A., Die „gemäßigte Monarchie“ in der Verfassung von Cádiz (1812) und das frühe
liberale Verfassungsdenken in Spanien, 2007; Franquismus und Salazarismus, hg.
v. Fernández-Crehuet Lopez, D. u. a., 2008; Damler, D., Imperium contrahens,
2008; Hispania-Austria III - Der spanische Erbfolgekrieg, hg. v. Edelmayer, F.
u. a., 2009
Sparkasse ist das
Unternehmen, das Spardarlehen annimmt und verwaltet sowie andere Bankgeschäfte
betreibt. Die S. erscheint als Idee in Frankreich 1611. Nach ähnlichen
Vorläufern (Salem 1749 Waisenkasse) wird sie am Ende des 18. Jh.s im Heiligen
römischen Reich eingerichtet (Hamburg 1778, Oldenburg 1786, Kiel 1796).
Gesetzliche Regeln werden seit 1838 erlassen (Preußen). Seit dem Ende des 19.
Jh.s erfolgen Zusammenschlüsse der mehreren hundert Sparkassen.
Lit.: Köbler, DRG 176; Malchus, C. v., Die Sparkassen in
Europa, 1838; Trende, A., Geschichte der deutschen Sparkassen, 1957; Huter, F.,
Geschichte der Sparkasse der Stadt Innsbruck 1822-1958, 1962; Wysocki, J.,
Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen,
1980; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Pohl, H., Die
rheinischen Sparkassen, 2001
Sparta
Lit.: Clauss, M., Sparta, 1983; Cartledge, P./Spawforth,
A., Hellenistic and Roman Sparta, 1992; Link, S., Der Kosmos Sparta, 1994;
Thommen, L., Lake daimonion politeia, 1996; Baltrusch, E., Sparta, 1998; Meier,
M., Aristokraten und Damoden, 1998; Sparta, hg. v. Hodkinson, S. u. a., 1999;
Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003;
Thommen, L., Sparta, 2003, Luther, A., Könige und Ephoren, 2004; Welwei, K.,
Sparta, 2004; Das frühe Sparta, hg. v. Luther, A. u. a., 2006>; Ducat, J.,
Spartan Education, 2006
Spätantike ist das
ausgehende Altertum vom 3. bis zum 6. Jh. Umstritten ist das Fortleben antiker
Einrichtungen im → Mittelalter. → Kontinuität
Lit.: Köbler, DRG 50; Seeck, O., Geschichte des Untergangs der
antiken Welt, 4. A. 1921, Neudruck 2000; Martin, J., Spätantike und
Völkerwanderung, 3. A. 1995; Demandt, A., Geschichte der Spätantike, 1998, 2.
A: 2008; Henning, D., Periclitans res publica, 1999; Laniado, A., Recherches
sur les notables municipaux dans l’empire protobyzantin, 2002; Le
trasformazioni delle élites in età tardoantica, hg. v. Testa, R. L., 2006;
Dinzelbacher, P. u. a., Europa in der Spätantike 300-600, 2007; König, I., Die
Spätantike, 2007
Spätmittelalter ist
das ausgehende Mittelalter vom 13. Jh. (Interregnum 1254-1273) bis zum 15. Jh.
(Entdeckung der Neuen Welt 1492).
Lit.: Köbler, DRG 93; Das 14. Jahrhundert, hg. v. Buckl,
W., 1995; Meuthen, E., Das 15. Jahrhundert, 3. A. 1996; Dirlmeier, U. u. a.,
Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2003; Signori, G., Das 13. Jahrhundert,
2007
SPD (→
Sozialdemokratische Partei Deutschlands)
species (lat.
[F.]) Art in Gegensatz zu genus (lat. [N.]) Gattung
specificatio (lat. [F.]) Verarbeitung
speculum (N.) Spiegel (als Buchtitel z. B. schon Speculum quis ignorat Augustinus‘ 354-430)
Lit.: Grabes, H., Speculum, 1973; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 415
Speculum (N.) iudiciale (lat.,
Gerichtsspiegel) ist das zwischen 1276 und 1290 entstandene Rechtsbuch des
französischen Geistlichen und Modeneser Rechtslehrers Wilhelm → Durantis
(um 1237-1296), das unter Einbeziehung der Verfahrenswirklichkeit die gesamte
geistliche Gerichtsbarkeit ausführlich darstellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Durantis, W.,
Speculum iudiciale, 1574, Neudruck 1975
Spedition ist die
gewerbsmäßige Übernahme der Besorgung von Güterversendungen durch Frachtführer
oder Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung eines anderen in eigenem Namen.
Sie entsteht im Spätmittelalter. Im frühen 20. Jh. entwickeln die Spediteure
erste allgemeine Spediteurbedingungen (Berlin 1919).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Rehme, P.,
Geschichte des Handelsrechts, 1913
Spee (Spee von
Langenfeld), Friedrich von (Kaiserswerth 25. 2. 1591-Trier 7. 8. 1635) wird
nach dem Studium der Theologie 1610 Jesuit. 1631 veröffentlicht er die (lat.)
Cautio (F.) criminalis contra sagas (Strafrechtliche Vorsicht gegenüber Hexen,
Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse), in der er sich gegen
Verfahrensunrecht im → Hexenprozess und damit vor allem die →
Folter wendet. Allgemeinere Auswirkungen hat sein Werk erst im 18. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 107; Spee, F. v., Cautio Criminalis,
deutsche Ausgabe v. Ritter, J. 1939; Zwetsloot, H., Friedrich Spee und die
Hexenprozesse, 1954; Rosenfeld, E., Friedrich Spee von Langenfeld, 1958;
Geilen, H., Die Auswirkungen der Cautio criminalis, Diss. jur. Bonn 1963;
Ritter, J., Friedrich von Spee, 1977; Sellert, W., Friedrich Spee von
Langenfeld, NJW 39 (1986), 1222; Waider, H., Miszellen über Friedrich von Spee,
FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Köln, 1988, 531; Friedrich Spee, hg.
v. Franz, G., 1995; Spee, F. v., Cautio criminalis, übertragen v. Ritter, J.,
1939, 6. A. 2000
Speer
Lit.: Funk, W., Speer,
Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297
Spencer, Herbert (Derby 27. 4. 1820-Brighton 8. 12. 1903) ist der liberale Philosoph, der das Grundprinzip universalen Geschehens in der Entwicklung zu immer besseren Formen sieht.
Lit.: Köbler, DRG 179
Speranskij, Michail
Michailovic (Tscherkutino/Wladimir 1772-St. Petersburg 23. 2. 1839) legt als
engster Vertrauter des Zaren für → Russland 1808/1809 ohne
durchgreifenden Erfolg einen Vorschlag zur Änderung der Herrschaftsverhältnisse
nach englischem Vorbild vor (1810 Reichsrat). Er erreicht nach
zwischenzeitlicher Verbannung nach Sibirien (1812) die Schaffung der Gesetze
des russischen Reiches (Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii bis
1828/1830) und die Zusammenfassung aller geltenden russischen Gesetze (Svod
zakonov 1832, 15 Bände mit 60000 Artikeln). Damit schafft er eine wichtige
Grundlage für die russische Rechtsentwicklung.
Lit.: Raeff, M., Michail Speranskij, 1957
Speyer am Rhein
(kelt. Noviomagus), der Hauptort der germanischen Nemeter, wird 614 als
Bischofssitz bezeugt. Seit 1294 ist der von den → Saliern durch
Privilegien ausgezeichnete Ort → Reichsstadt. Von 1526/1527 bis 1689
beherbergt S. das → Reichskammergericht, in der Gegenwart eine (deutsche)
Verwaltungshochschule mit Professoren der Rechtswissenschaft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Harster, T., Das
Strafrecht, 1900; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931;
Seidel, L., Die Finanzwirtschaft der freien Reichsstadt Speyer, Diss. rer. pol.
Frankfurt am Main 1956; Voltmer, E., Reichsstadt und Herrschaft, 1981; Fouquet,
G., Das Speyerer Domkapitel, 1987; Meier, M./Welwei, K., Interpolationen in
einem Speyerer Judenprivileg?, ZRG GA 112 (1995), 408; Neumann, H., Sozialdisziplinierung
in der Reichsstadt Speyer, 1997; Ammerich, H., Kleine Geschichte der Stadt
Speyer,
Spezialexekution (F.)
Einzelvollstreckung
Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 I; Köbler, DRG
34
Spezialität (F.) Bezug eines dinglichen Rechts auf jeweils eine
spezielle, individuell bestimmte Sache (körperlichen Gegenstand, anders z. B.
Generalhypothek des römischen Rechts)
Spezialprävention ist die Verhütung von Straftaten durch Abschreckung gegenüber einem einzelnen Straftäter. Sie ist ein → Strafzweck (von → Grolman 1775-1829, von → Liszt 1882).
Lit.: Köbler, DRG 204, 269
Spezieskauf (M.) Stückkauf im Gegensatz zum Genuskauf (Gattungskauf)
Sphragistik (F.) Siegelkunde
Lit.: Köbler, DRG 3
Spiegel →
speculum, Sachsenspiegel, Deutschenspiegel, Schwabenspiegel, Fürstenspiegel,
Ritterspiegel, Klagspiegel, Laienspiegel
Lit.:
Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 81985), 13
Spiegelnde Strafe
ist die Strafe, die in ihrer Ausführung erkennbaren Bezug auf die ausgeführte
Straftat nimmt (z. B. Abschlagen der Schwurhand oder Abschneiden der Zunge des
Meineidigen, Verbrennen des Brandstifters). Ihre Herkunft ist ungewiss, ihre
wirkliche Bedeutung gering. → Talion
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964
Spiel ist die
allein aus Freude und ohne ernsthafte praktische Zielsetzung erfolgende
Tätigkeit. Rechtlich ist S. ein Vertrag, bei dem sich die Beteiligten eine
Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen versprechen, um sich zu
unterhalten und möglicherweise Gewinn zu erzielen. Bereits Tacitus berichtet
vom mit höchstem Einsatz und Gefahr für Gut und Freiheit betriebenen
Würfelspiel der Germanen. Das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubtem
und unerlaubtem S. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter
wird die Forderung aus S. klaglos gestellt. Die Obrigkeit verbietet seit dem
Spätmittelalter teils das S. unter Ordnungsgesichtspunkten, teils lässt sie
es zwecks Erzielung von Einkünften (Steuern, Abgaben) unter Aufsicht zu
(Spielbank, Spielcasino).
Lit.: Hübner § 87 II; Schuster, H., Das Spiel, 1878;
Wohlhaupter, E., Zur Rechtsgeschichte des Spieles in Spanien, Spanische
Forschungen 3 (1931), 92; Hartung, W., Die Spielleute, 1982; Endrei, W., Spiel
und Unterhaltung im alten Europa, 1986; Duderstadt, D., Spiel, Wette und
Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,
2007; Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, 2008
Spießbürger ist der
nur mit dem eigenen Spieß bewaffnete einfache → Bürger.
Spießrecht
Lit.: Bonin, B. v., Das
Spießrecht in der Theorie des 17. und 18. Jahrhunderts, ZRG GA 25 (1904), 52
Spießrutenlaufen ist das Laufen eines Menschen (z. B. Fahnenflüchtigen) zwischen zwei Reihen von mit Spießen oder spitzen Ruten bewaffneten Menschen zwecks Demütigung oder Züchtigung. Es ist im Altertum wie in der frühen Neuzeit bekannt. Es führt als Folge des menschlichen Wesens vielfach zum Tod des Läufers.
Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Landsknechte,
MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, 1976
Spindel (F.) Spinngerät
Spindelmage (F.)
weibliche Verwandte
Lit.: Hübner §§ 106, 11; Kroeschell, DRG 1; Schröder, R.,
Über die Bezeichnung der Spindelmagen, ZRG GA 4 (1883), 1
Spinoza, Benedictus
(Baruch) de (Amsterdam 24. 11. 1632-Den Haag 21. 2. 1677), portugiesisch-jüdischer
Kaufmannssohn, wird nach der geistigen Lösung vom Judentum (1656)
Linsenschleifer und Philosoph. Er geht von der Identität Gottes mit der Natur
aus, lässt den Menschen glückselig sein, der allein nach der Notwendigkeit
seiner vernünftigen Natur lebt, und hält die Demokratie für den besten
Staatszustand. Am Ende des 18. Jh.s werden diese Vorstellungen vielfach
aufgegriffen.
Lit.: Dunin Borkowski, S. v., Spinoza, Bd. 1ff. 1933;
Steffen, H., Recht und Staat im System Spinozas, 1968; Hong, H., Spinoza und
die deutsche Philosophie, 1988; Senn, M., Spinoza und die deutsche
Rechtswissenschaft, 1991; Ethik, Recht und Politik bei Spinoza, hg. v. Senn, M.
u. a., 2001; Senn, M., Vom Recht der großen und kleinen Fische, (in) Recht,
Moral und Faktizität, 2008, 201
Spionage
Lit.: Thiemrodt, I.,
Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000
spiritualis (lat.) geistlich (in Gegensatz zu lat. temporalis, lat. zeitlich bzw. weltlich)
Spital (zu lat.
hospitalis) oder Hospital ist das Haus zur Beherbergung von Fremden, Kranken,
Alten und Armen. Es entsteht im ausgehenden Altertum. Im Mittelalter geht das
S. zunächst auf die Kirche zurück (Abtei, Kloster, Domspital). Seit dem
Hochmittelalter kommen ritterliche und andere Orden, seit dem ausgehenden Mittelalter
auch reiche Bürger als Gründer hinzu. Das S. wird als eigene Verbandsperson
eingeordnet. Seit dem 18. Jh. wird das allgemeine S. durch besondere Einrichtungen
(z. B. Krankenhaus) abgelöst.
Lit.: Reicke, S., Das deutsche Spital und sein Recht, Bd.
1f. 1932, Neudruck 1970; Imbert, J., Les hopitaux en droit canonique, 1947;
Nasalli Rocca, E., Il diritto ospedaliero, 1956; Tierney, B., Medieval poor
law, 1959; Berger, W., Das St.-Georgs-Hospital zu Hamburg, 1972; Wendehorst,
A., Das Juliusspital in Würzburg, 1976; Kolb, P., Die Juliusspital-Stiftung zu
Rothenfels, 1985; Jetter, D., Das europäische Hospital, 1986; Macht der
Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital, hg. v. Schmauder, A., 2000; Funktions- und
Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler, hg. v. Matheus, M., 2003;
Drossbach, G., Christliche caritas als Rechtsinstitut, 2004; Watzka, C., Vom
Hospital zum Krankenhaus, 2005; Pauly, M., Peregrinorum, pauperum ac aliorum
transeuntium receptaculum, 2007 (528
Hospitäler in 353 Orten) Hensel-Grobe, M., Das St.-Nikolaus-Hospital zu
Kues, 2007; Europäisches Spitalwesen, hg. v. Scheutz, M. u. a., 2008
Split (Aspalathos)
an der Adria entsteht um einen von Kaiser Diokletian im späten 3. Jh. n. Chr.
errichteten Palast. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Erzbischofs. 1396 erhält es
eine Universität, die 1974 erneuert wird. Über Venedig (1420-97) kommt es an
Österreich, 1918 zu Jugoslawien.
Lit.: Steindorff, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Dusa,
J., The Medieval Dalmatian Episcopal Cities, 1991
Spolienrecht → ius spolii
Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Kaps, J., Das
Testamentsrecht, 1958; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und Regalienrecht
der deutschen Könige im Mittelalter, ZRG GA 84 (1967), 128
Sponsalia (lat. [N.Pl.])
ist seit dem altrömischen Recht das → Verlöbnis. Später wird unter (lat.)
sponsalia de futuro (bezüglich der Zukunft) das Verlöbnis, unter sponsalia de
praesenti (bezüglich der Gegenwart) die Eheschließung verstanden
Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22
Sponsio (lat. [F.])
ist seit dem altrömischen Recht das Versprechen (Gelöbnis) oder die daraus
entstehende Verpflichtung. Von hier aus wird die s. eine der drei Formen der →
Bürgschaft. Auf ein Vertragsangebot (lat.) spondesne (versprichst du?) wird die
Antwort (lat.) spondeo (ich verspreche) gegeben.
Lit.: Kaser §§ 7 III, 32 II, 57 II, 58
III; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Köbler, DRG 27, 44, 63
Sport ist die um ihrer selbst willen,
zur Stärkung der Gesundheit oder aus Interesse am körperlichen Wettkampf ausgeübte
körperliche Tätigkeit. Der S. ist bereits im Altertum bedeutsam (z. B.
Olympia). Wirtschaftliches Gewicht erlangt er seit der Professionalisierung in
der zweiten Hälfte des 20. Jh.s, mit der er auch stärker verrechtlicht wird.
Lit.: Decker, W., Sport
in der griechischen Antike, 1995; Newby, Z., Greek Athletics in the Roman
World, 2005
Sprache ist die in Zeit und Raum unterschiedliche lautliche Gestalt menschlicher Gedanken, wobei das durchschnittliche Wortschatzwissen der Gegenwart rund 50000 Einheiten umfasst, semantisch einfach, aber stark vernetzt und zwischen lautlichem Ausdruck und Inhalt (Bedeutung) nur lose verbunden ist. Das → Recht kann am ehesten über Sprache wirken. Die an sich vergängliche Sprache kann durch → Schrift und andere Aufzeichnungen verhältnismäßig dauerhaft gemacht werden. In der Welt bestehen 2000 rund 6500 verschiedene Sprachen, von denen etwa 50 nur mehr einen einzigen Sprecher haben, so dass alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt.
Lit.: Köbler, DRG 9; Köbler, LAW; Köbler, WAS; Günther, L.
Recht und Sprache, 1898; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache,
1912, Neudruck 1961; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919; Zaunmüller,
W., Bibliographisches Handbuch der Sprachwörterbücher, 1958; Löfstedt, B.,
Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Sonderegger, S.,
Die Sprache des Rechts im Germanischen, Schweiz. Monatshefte 42 (1962), 259;
Schmitt, L., Entstehung und Struktur der neuhochdeutschen Schriftsprache, Bd. 1
1966; Baier, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Wörterbuch der
mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd. 1ff. 1986ff.; Vollmann-Profe, G.,
Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit, 1986; Sprache und Recht (FS
Schmidt-Wiegand, Ruth), hg. v. Hauck, K. u. a., 1986; Hattenhauer, H., Zur
Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Germanische Rest-
und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1989; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v.
Eckert, J. u. a., 1991; Stammesrecht und
Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991; Lyons, J., Die Sprache, 4. A. 1992;
Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenscahft des 18. Jahrhunderts, hg.
v. Brekle, H., Bd. 1ff. 1992ff.; Beiträge zum Sprachkontakt und zu den
Urkundensprachen zwischen Maas und Rhein, hg. v. Gärtner, K. u. a., 1995;
Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Lyons, J., Einführung in die
moderne Linguistik, 8. A. 1995; Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache,
9. A. 2004; Lexicon grammaticorum, hg. v. Stammerjohann, H., 1996; Bodmer, F.,
Die Sprachen der Welt, 1997; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen,
ZRG GA 115 (1998), 388; Recht und Sprache in der deutschen Aufklärung, hg. v.
Kronauer, U. u. a., 2001; Lohaus, M., Recht und Sprache in Österreich und
Deutschland, 2000; Crystal, D., Language Death, 2000; Haarmann, H., Kleines
Lexikon der Sprachen, 2001; Haarmann, H., Lexikon der untergegangenen Sprachen,
2002; Görgen, A., Rechtssprache in der frühen Neuzeit, 2002; Geschichte der
deutschen Sprache, bearb. v. Langner, H. u. a., 9. A. 2004; Deisler, D., Die
entnazifizierte Sprache, 2. A. 2006
Sprichwort → Rechtssprichwort
Lit.: Röhrich, L./Mieder, W., Sprichwort, 1977; Thesaurus
proverbiorum medii aevi, begr. v. Singer, S., Bd. 1ff. Bd. 6 (heilig-Kerker)
1998
Spruch (M.) Urteil
Spruchkollegium ist
das für ein Urteil zuständige Kollegium (z. B. juristische Fakultät seit dem
14. Jh., verstärkt im Rahmen der → Aktenversendung vom 16. bis 19. Jh.).
Lit.: Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen
Juristenfakultät, ZRG GA 62 (1942).; Klugkist, E., Die Göttinger
Juristenfakultät, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Haalck, J., Die
Rostocker Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Haalck,
J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt (Oder), FS R. Lehmann,
1958; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät, 1969; Weiß, R., Aus der
Spruchtätigkeit der alten Juristenfakultät zu Kiel, Diss. jur. Kiel 1965;
Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965;
Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät, 1966; Gehring, H., Das Lehrzuchtverfahren
in der evangelischen Kirche, Diss. jur. Göttingen, 1968, Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt, 1972; Schildt, B., Die
Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg
1980 masch.schr.; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger
Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1982 masch.schr.
Spurfolge ist die
Verfolgung der Spuren eines Diebes im älteren Recht. Im fränkischen Recht ist
S. nur in einer Frist von 3 Nächten zulässig. Die S. erlaubt, wenn die Spur in
ein Haus führt, dessen Durchsuchung.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Rauch, K., Spurfolge
und Anefang, 1908; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39
(1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG
GA 68 (1951), 1; Vec. M., Die Spur des Täters, 2002
SS (Schutzstaffel)
(1929 280 Mann stark, Heinrich Himmler unterstellt)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946;
Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten, 6. A. 1999; Schulte, J., Zwangsarbeit
und Vernichtung – Das Wirtschaftsimperium der SS, 2001; Syndor, C., Soldaten
des Todes, 2002; Dierker, W., Himmlers Glaubenskrieger, 2003; Die SS, hg. v.
Smelser, R. u. a., 2. A. 2003; Schwan, H./Heindrichs, H., Der SS-Mann – Josef
Blösche, 2003; Kaienburg, H., Die Wirtschaft der SS, 2003; Bidigarai Diehl, P.,
Macht – Mythos – Utopie, 2004; Cüppers, M., Wegbereiter der Shoa, 2005;
Schneider, C., Die SS und „das Recht“, 2005; Longerich, P., Heinrich Himmler,
2008; Die SS, Himmler und die Wewelsburg, hg. v. Schulte, J., 2009
Staat ist die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer Anzahl von Menschen (Staatsvolk) auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche (Staatsgebiet) unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft obersten Willensträger (Staatsgewalt), sofern sich die von diesem Willensträger aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt hat und keinem völkerrechtswidrigen Zweck dient. Als S. wird bereits der Stadtstaat des Altertums eingeordnet (Athen, Rom). Im Übrigen entsteht der S. wohl erst seit dem Spätmittelalter. Er erzielt Einkünfte zunächst vor allem aus seinen Gütern, dann zunehmend auch durch Steuern. Er ist Verbandsperson bzw. seit dem 19. Jh. → juristische Person des öffentlichen Rechts. Durch Verdichtung der Herrschaft steigert der → Souveränität beanspruchende S. seine Machtausübung in der frühen Neuzeit zum → Absolutismus. Hiergegen wenden sich aufgeklärte Philosophen, deren Gedanken seit der → französischen Revolution zum (theoretischen) Übergang der Staatsgewalt auf das Volk (→ Volkssouveränität) und zur Teilung der Staatsgewalt unter verschiedenen Staatsorganen (→ Gewaltenteilung) führen. Dennoch wächst die Macht des von Wilhelm Albrecht 1837 erstmals als juristische Person eingeordneten Staates und die Gefahr ihres Missbrauches durch jeweilige Amtsträger unaufhörlich. Die formelle → Verfassung (1776) vermag sie nicht in jedem Fall zuverlässig zu begrenzen. Die beste Sicherheit bietet die allgemeine Anerkennung inhaltlich rechtstreuer Gesinnung. Dies ist um so wichtiger, je mehr sich der S. aufbläht (im Deutschen Reich 1925 fast 2000000 Beschäftigte = 5,6 Prozent aller Erwerbstätigen, 8,4 % der abhängigen Erwerbstätigen, Anteil der gesamten öffentlichen Wirtschaft am Volkseinkommen rund 10 Prozent). Zwischen 1800 und 2000 erhöht der Staat seinen Anspruch auf das Gesamteinkommen von etwa einem Zehntel auf etwa die Hälfte, wobei um 1800 zwei Drittel der Staatseinkünfte für Verteidigung und Innvenverwaltung ausgegeben werden, um 2000 für Infrastruktur, Bildung und Soziales.
Lit.: Kaser § 17 II 1a; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111, 136, 140, 176, 248; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 1; Redslob, R., Die Staatstheorien der französischen
Nationalversammlung von 1789, 1912; Below, G. v., Der deutsche Staat des
Mittelalters, 1914; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow 37 (1916),
131; Fleiner, F., Entstehung und Wandlung moderner Staatstheorien in der
Schweiz, 1916; Keutgen, F., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1918; Der deutsche Staatsgedanke, zusammengestellt v.
Joachimsen, P., 1921, Neudruck 1967; Goebel, J., The equality of States,
1923; Weimann, K., Der Staat des deutschen Mittelalters, 1925; Schramm, P.,
Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG
GA 49 (1929), 167; Schulte, A., Der deutsche Staat, 1933; Mayer, T., Die
Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA
57 (1937), 210; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter,
1938; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Stolz,
O., Das Wesen des Staates im deutschen Mittelalter, ZRG GA 61 (1941), 234;
Jantke, C., Preußen, Friedrich der Große und Goethe in der Geschichte des
deutschen Staatsgedankens, 1941; Lemke, W., Entwicklung des deutschen Staatsgedankens
bei Friedrich Nietzsche, 1941; Heydte, F. Frhr. v. d., Die Geburtsstunde des
souveränen Staates, 1952; Vaccari, P., Stato e classi nel paesi Europei, 1957;
Häfelin, U., Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Suerbaum, W., Vom antiken zum frühmittelalterlichen
Staatsbegriff, 1961, 2. A. 1970; Hofmann, H.,
Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Kudrna, J.,
Stát a společnost na úsvitě italské renesance (Staat und Gesellschaft
am Vorabend der italienischen Renaissance), 1964; Willi, H., Die
Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964 (Diss. jur. Bern 1954); Willi,
H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964; Koerber, E. v., Die
Staatstheorie des Erasmus von Rotterdam, 1967; Hauser, S., Untersuchungen zum
semantischen Feld der Staatsbegriffe, Diss. phil. Zürich 1967; Entrèves, A.
Passerin d’, The Notion of the State, 1967; Mager, W., Zur Entstehung des modernen
Staatsbegriffs, 1968; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 11. A. 1986; Weinacht,
P., Staat, 1968; Quaritsch, H., Staat und Souveränität 1, 1970; Conrad, H., Der
deutsche Staat, 2. A. 1974; Hanisch, W., Der deutsche Staat König Wenzels, ZRG
GA 92 (1975), 21; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975;
Strayer, J., Die mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates, 1975;
Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987,
3. A. 1995; Struve, T., Die Entwicklung der
organologischen Staatsauffassung im Mittelalter, 1978; Link, C.,
Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Ogris, W., Recht und Staat
bei Maria Theresia, ZRG GA 98 (1981), 1; Adomeit, K., Antike Denker über den
Staat, 1982; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Ambrosius,
G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Wyduckel, D.,
Ius publicum, 1984; Stollberg-Rilinger, B., Der Staat als Maschine, 1986;
Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Renaissance du
pouvoir législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Breuer,
Der archaische Staat, 1990; Stichweh, R., Der frühmoderne Staat, 1991; Conquest
and Coalescence, hg. v. Greengrass, M., 1991; Schulze, H., Staat und Nation,
1994; Staatsaufgaben, hg. v. Grimm, D., 1994; Zippelius, R., Geschichte der
Staatsideen, 10. A. 2003; Demandt, A., Antike Staatsformen, 1995; Truhart. P.,
Historical Dictionary of States - Lexikon der historischen Staatsnamen, 1995;
Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997;
Herzog, R., Staaten der Frühzeit, 2. A. 1998; Hillgruber, C., Die Aufnahme
neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft, 1998; Leuthäusser, W., Die
Entwicklung staatlich organisierter Herrschaft, 1998; Staatliche Vereinigung,
hg. v. Brauneder, W., 1998; Jost, E., Staatsschutzgesetzgebung, 1998; Identità
territoriali e cultura politica nella età moderna. Territoriale Identität und
politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellaberba, M. u. a., 2000;
Reinhard, W., Verstaatlichung der Welt?, 1999; Kersting, W., Platons „Staat“,
1999; Demandt, A., Der Idealstaat, 2000; Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000;
Uhlenbrock, H., Der Staat als juristische Person, 2000; Di Fabio, U., Der
Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001; Schulz, G., Europa und der
Globus – Staaten und Imperien seit der Antike, 2001; Giannios, S., Das Werden
des Palästinenserstaats, 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als
Staatsaufgabe?, 2002; Roth, K., Genealogie des Staates, 2003; Maitland, F., State, Trust and
Corporation, ed. by Runciman, D. u. a., 2003; Staatsformen, hg. v. Gallus, A.
u. a., 2004, 2. A. 2007; Schulze, H., Staat und Nation in der europäischen
Geschichte, 2004; Staatsformen, hg. v. Gallus, A. u. a., 2004; Das Wissen des
Staates, hg. v. Collin, P. u. a., 2004; Rösler, J., Der Ursprung des Staates,
2004; Staatsbildung als kultureller Prozess, hg. v. Asch, R. u. a., 2005;
Figurationen des Staates, hg. v. Chatriot, A. u. a., 2005; Statehood before and
beyond Ethnicity, hg. v. Eriksonas, L. u. a., 2005; Zusammengesetzte Staatlichkeit
in der europäischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Becker, H., 2006; Vom Feld,
I., Staatsentlastung im Technikrecht, 2007; Politeia - staatliche Verfasstheit
bei Platon, hg. v. Nitschke, P., 2008
Staatenbund ist der
vertraglich vereinbarte Bund mehrerer souverän bleibender Staaten (z. B.
Vereinigte → Niederlande 1579-1795, → Rheinbund 1806-1813, →
Deutscher Bund 1815, → Schweiz 1815-1848, Staatengemeinschaft oder
Staatenverbund → Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union 1952
bzw. 1993). Der S. ist kein Staat und kein Völkerrechtssubjekt. Rechtssätze
(des Staatenbunds) erlangen in den Staaten grundsätzlich nur durch Umsetzung
(Transformation) Geltung.
Lit.: Ebers, G., Die Lehre vom Staatenbunde, 1910, Neudruck
1966; Politz, C., Die Verfassung des deutschen Staatenbundes, Bd. 1f. 1847;
Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, 1975;
Kuschnick, M., Integration in Staatenverbindungen, 1999
Staatenhaus ist die
Vertretung der Staaten in der Verfassung des geplanten → Deutschen
Reiches von 1848. Das S. besteht aus 192 von den Regierungen und den
Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten Mitgliedern.
Lit.: Köbler, DRG 194
Staatsangehörigkeit ist
die Mitgliedschaft eines Menschen in einem Staat. Sie erscheint nach älteren
frühneuzeitlichen Vorläufern in Frankreich 1791, im Heiligen römischen Reich
(deutscher Nation) nach 1800. Seitdem wird sie im Gefolge des Code Napoléon
(Art. 9-21) (1804) Frankreichs meist gesetzlich besonders geregelt (z. B. [§§
28ff. ABGB Österreichs von 1811,] Preußen 1842, Deutsches Reich 1870, 1913
Übergang vom Territorialgrundsatz zum Abstammungsprinzip, am Beginn des 21.
Jh.s aus Mangel an Beitragszahlern zur Sozialversicherung für Zuwanderer
gelockert).
Lit.: Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der
Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Vanel, M., Histoire de la
nationalité française, 1945; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973;
Hecker, H., Staatsangehörigkeit im Code Napoléon, 1980; Gosewinkel, D., Die
Staatsangehörigkeit als Institution des Nationalstaats, (in) Offene
Staatlichkeit, 1995; Ernst, A., Das Staatsangehörigkeitsrecht, Diss. jur.
Münster 1999; Gosewinkel, D., Einbürgern und ausschließen, 2001; Trevisiol, O.,
Die Einbürgerungspraxis im deutschen Reich 1871-1945, 2006
Staatsanwalt ist
der Vertreter des Staates in der Strafanklage. Der auch die ausführende
Staatsgewalt gegenüber der unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit stärkende S.
findet sich nach französischem Vorbild (procurator des Königs als Vertreter der
königlichen Interessen [z. B. Einziehung von Geldbußen] vor Gericht 14. Jh., →
ordonnance de Villers-Cotterets von 1539, ab Ordonnanz von 1670 beherrschende
Stellung im Strafverfahren, öffentliche Partei zur Vertretung öffentlicher
Interessen und zur Kontrolle der Richter, ministère public [Dienststelle für
öffentliche Angelegenheiten], nach 1789 an Stelle der königlichen Prokuratoren
vom König ernannte, königliche Kommissare als Gesetzeswächter im Verfahren
einerseits und vom Volk gewählte öffentliche Ankläger am Gerichtshof andererseits,
Aufhebung dieser Zweiteilung durch die Jakobiner, erneute Trennung beider
Funktionen nach dem Sturz Robespierres, mit der Verfassung vom Dezember 1799
endgültige Aufhebung der Trennung von Anklagefunktion und Gesetzeswächteramt
und Verschwinden des öffentlichen Anklägers und damit Eröffnung der modernen
Staatsanwaltschaft, ministère de public 1808) seit 1810 im linksrheinischen
Rheinland. Es folgen Baden 1831, Hannover 1841 (öffentlicher Anwalt,
Kriminalfiskal Vertreter des öffentlichen Strafverfolgungsinteresses, 1849
provisorische Staatsanwaltschaft) und Preußen (1. 1.) 1846 unter teilweiser
Beschränkung auf bestimmte Verfahren, 1877/1879 das Deutsche Reich (1893
Oberreichsanwalt, 4 Reichsanwälte am Reichsgericht, 54 Staatsanwälte bei den
Oberlandesgerichten, 542 Staatsanwälte bei den Landgerichten). Das ursprünglich
für den S. geltende → Legalitätsprinzip weicht seitdem zunehmend dem →
Opportunitätsprinzip.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 202, 203, 228, 235;
Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft in Deutschland, 1860; Elling, E., Die Einführung
der Staatsanwaltschaft, 1911, Neudruck 1977; Carsten, E., Die Geschichte der
Staatsanwaltschaft, 1932, Neudruck 1971; Sättler, A., Die Entwicklung der
französischen Staatsanwaltschaft, Diss. jur. Mainz 1956; Schuhmacher, U.,
Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Biebl, W., Zur
Geschichte der Staatsanwaltschaft, Bay. VwBll. 1992; Wohlers, W., Entstehung
und Funktion der Staatsanwaltschaft, 1994; Knollmann, J., Die Einführung der
Staatsanwaltschaft, 1994; Festgabe 150 Jahre Staatsanwaltschaft Berlin, hg. v.
d. Senatsverwaltung für Justiz, 1997; Collin, P., „Wächter der Gesetze“ oder
„Organ der Staatsregierung“? Konzipierung, Einrichtung und Anleitung der
Staatsanwaltschaft, 2000; Staatsanwaltschaft, hg. v. Durand, B., 2005; Wulff-Kuckelsberg,
S., Procureurs, 2005; Lacher, A., Friedrich Oskar von Schwarze (30. 09.
1816-17. 01. 1896), Diss. jur. Würzburg 2008
Staatsaufsicht
Lit.: Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000
Staatsbürger ist das bewusst als Bürger mit Teilhaberecht am Staat (Staatsangehörigkeit) verstandene Mitglied eines Staates. Der S. wird zwischen 1770 und 1789 allgemein anerkannt (in Österreich 1811 in den §§ 28ff. ABGB geregelt, 1849 einheitlich, Heimatrecht in einer Gemeinde, 1867 für Cisleithanien und Transleithanien getrennt, 1920 Bundesstaatsbürgerschaft und Landesstaatsbürgerschaft, 1938 deutsche Staatsbürgerschaft, 1945 Bundesstaatsbürgerschaft und Landesstaatsbürgerschaft ohne besonderes Heimatrecht, 1988 einheitliche Staatsbürgerschaft Österreichs). 1919 werden im Deutschen Reich die S. einander gleichgestellt.
Lit.: Köbler, G., Civis und ius
civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Weinacht, P., Staatsbürger, Der Staat 8
(1969), 41; Bürger und Bürgerlichkeit, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Reiter, I.,
Ausgewiesen, abgeschoben, 2000; Gosewinkel, D., Einbürgern und Ausschließen,
2001; Pütter, N., Teilnahme und Staatsbürgertum, 2001; Fahrmeir, A., Die
moderne Staatsbürgerschaft und ihre Grenzen, HZ 286 (2008), 641
Staatsgebiet → Staat
Lit.: Stengel, E., Regnum und imperium, 1930
Staatsgerichtshof ist
im 19. Jh. das Verfassungsgericht (→ Verfassungsgerichtsbarkeit)
einzelner Staaten vor allem für Anklagen gegen oberste Verwaltungsorgane wegen
schuldhafter Amtspflichtverletzung (Württemberg 1819, Sachsen 1831, Bayern
1848, Kremsierer Entwurf Österreichs, Märzverfassung Österreichs 1849, aber
nicht verwirklicht und 1851 formell wieder beseitigt, durch Gesetz vom 25. 7.
1867 wieder eingeführt, aber nie verwendet, 3. 4. 1919 Verfassungsgerichtshof
[1921, 1923 und 1985 staatsgerichtliche Verfahren durchgeführt]
Sachsen-Weimar-Eisenach 1850, Oldenburg 1852, Baden 1868), 1921 für das
Deutsche Reich. Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Staatsgerichtshöfe steht vor allem
die → Ministeranklage. Nach 1945 gehen die meisten Länder zu einem →
Verfassungsgericht über.
Lit.: Scheel, M., Die Staatsgerichtshöfe der deutschen
Länder, Diss. jur. Leipzig 1931; Grund, H., Preußenschlag und
Staatsgerichtshof, 1976; Wehler, W., Der Staatsgerichtshof für das Deutsche
Reich, Diss. jur. Bonn 1979; Vetter, J., Die Bundesstaatlichkeit, 1980;
Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., 1983; Hueck, I.,
Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik, 1996
Staatsgewalt → Staat
Lit.: Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916;
Wenger, L., Hausgewalt und Staatsgewalt im römischen Altertum, 1942; Mitteis,
H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Lieberwirth, R., Die
historische Entwicklung der Theorie vom vertraglichen Ursprung des Staates, SB.
d. sächs. Akad. d. Wiss. 118, 2, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und
bürgerliche Freiheit, 1978; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht,
1985; Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt, 1999; Weber-Fas, R., Über die
Staatsgewalt, 2000; Gerstenberger, H., Die subjektlose Gewalt, 2. A. 2006
Staatsgrundgesetz ist
die Bezeichnung für ein die Verfassung des Staates grundlegend bestimmendes
Gesetz (z. B. Österreich 20. 10. 1860, 21. 12. 1867). Die 5 bzw. 6 österreichischen
Staatsgrundgesetze vom 21. 12. 1867 (→ Dezemberverfassung) betreffen die
Reichsvertretung, die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, die Einsetzung
eines Reichsgerichts, die richterliche Gewalt und die Ausübung der
Regierungsgewalt und Vollzugsgewalt.
Lit.: Köbler, DRG 193, 231; Baltl/Kocher; Bauer, D.,
Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Krech, J., Das
schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985
Staatshaftung ist
die Haftung des Staates für den durch staatliches Verhalten entstandenen
Schaden. Sie beruht auf der bereits im 18. Jh. allgemein anerkannten Haftung
des → Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten (Amtshaftung,
Vorgänger Syndikatsklage gegen einen Richter z. B. in der Reichskammergerichtsordnung
von 1555) und der Haftung des Staates als juristischer Person für ein Verhalten
seiner Organe. Nach der Mandatstheorie kann dabei wegen Überschreitung des
Mandats rechtswidriges Verhalten des Beamten dem Fürsten oder Staat nicht
zugerechnet werden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) setzt die
Haftung des Beamten für schuldhafte Amtspflichtverletzungen fest, das
preußische Beamtenhaftungsgesetz (1909) und das Reichsbeamtenhaftungsgesetz
von 1910 lassen zum Schutz des Beamten den Staat eintreten (in
Sachsen-Altenburg bereits 1831, in Sachsen-Coburg-Gotha bereits 1852, in Bayern
1899). Art. 131 WRV und Art. 34 GG knüpfen an die Beamtenhaftung des § 839 BGB
an, leiten die Haftung aber auf den Staat über. Der Europäische Gerichtshof bejaht
die Haftung des Staates für europarechtswidriges Verhalten der Gesetzgebung,
Ausführung und Rechtsprechung (z. B. des Parlaments, der Verwaltung und des
Verwaltungsgerichtshofs Österreichs).
Lit.: Köbler, DRG 259; Loening, E., Die Haftung des Staates
aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung
und Entschädigung, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsfähigkeit des
Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat; Pfab, S.,
Staatshaftung in Deutschland, 1997; Ossenbühl, F., Staatshaftung, 5. A. 1998;
Grzeszick, B., Rechte und Ansprüche, 2002; Bertelmann, H., Die Europäisierung
des Staatshaftungsrechts, 2005
Staatshaushalt → Haushalt
Lit.: Köbler, DRG 225, 251; Riedel, A., Der
brandenburg-preußische Staatshaushalt, 1866; Schmelzle, H., Der Staatshaushalt
des Herzogtums Bayern, 1900; Friauf, P., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Müller,
P., Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert, 1989;
Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005; Schirmer, U., Kursächsische
Staatsfinanzen (1456-1656), 2006
Staatskanzler ist
in Österreich im 18. und 19. Jh. die Amtsbezeichnung der Fürsten Kaunitz und
Metternich als Leiter der Haus-, Hof- und Staatskanzlei und 1918 -1919 und 1945
Karl Renners.
Staatskirche ist die in einem Staat allein anerkannte Kirche (z. B. Rom in der Spätantike, evangelische Länder des Heiligen römischen Reiches [deutscher Nation], Großbritannien, Schweden, Spanien).
Lit.: Barceló, P., Constantius II. und seine Zeit. Die
Anfänge des Staatskirchentums, 2004
Staatskirchenrecht ist
das staatliche, die Kirche betreffende Recht. Das Wort ist erstmals im
Motivenbericht zum Katholikengesetz Österreichs 1874 verwendet. Es umfasst
sachlich die Gesamtheit der staatlichen Rechtssätze betreffend die Kirche bzw.
die Religion.
Lit.: Heckel, M., Staat und Kirche, 1968; Seifert, E., Paul
Joseph Riegger, 1973; Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u.
a., Bd. 1 1973; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten
Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Staat und Kirche im 20.
Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1ff. 1980ff.; Ortloff, C., Das
staatskirchenrechtliche System Wilhelm Traugott Krugs, 1998; Schneider, B.,
Ius reformandi, 2001; Ochsenfahrt, V., Die staatskirchenrechtliche Stellung des
katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, 2007; Heckel, M., Vom
Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung, 2007
Staatslehre ist der
seit dem Ende des 18. Jh.s entstehende Zweig der Rechtswissenschaft, der sich
mit dem Wesen des Staates als solchem befasst.
Lit.: Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im
Spiegel der italienischen Rechtskultur, hg. v. Schulze, R., 1990; Staatslehrer
der frühen Neuzeit, hg. v. Hammerstein, N., 1995; Trott zu Solz, L. v., Hans
Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Badura, P., Die Methoden der neueren
allgemeinen Staatslehre, 2. A. 1998; Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003;
Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005
Staatsnotstand ist
die außerordentliche Gefahr für den Bestand eines Staates. Für diesen Fall
enthält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seit 1968 eine Notstandsverfassung.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ballreich, H. u. a., Das
Staatsnotrecht, 1955; Schüler-Springorum, H., Notstand im Völkerrecht, Diss.
jur. Marburg 1956 masch.schr.; Der Staatsnotstand, hg. v. Fraenkel, E., 1965;
Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Radke, K., Der Staatsnotstand
im modernen Friedensvölkerrecht, 1988; Casanova, A., Legale oder legitime
Diktatur?, 2006
Staatsoberhaupt ist
das an der Spitze eines Staates stehende Staatsorgan (z. B. König, Präsident).
Lit.:
Bouveret, M., Die Stellung des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen
Diskussion und Staatsrechtslehre von 1848 bis 1918, 2003
Staatspolizei → geheime Staatspolizei
Staatsraison ist
die zur Förderung des Staatswohles erforderliche Klugheit. Die S. wird in
Italien im 16. Jh. aufgegriffen. Seit der Mitte des 18. Jh.s wird sie wegen der
Nähe von Staat und Fürst oder Staat und Partei auch kritisch gesehen.
Lit.: Meinecke, F., Die Idee der Staatsraison, 4. A. 1976;
Friedrich, C., Die Staatsraison im Verfassungsstaat, 1961; Stolleis, M.,
Staatsraison, 1972; Staatsraison, hg. v. Schnur, R., 1975; Lutz, H., Ragione di
Stato, 2. A. 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Thuau, E., Raison d’État, 1966; Weinacht, P., Staat, 1968; Munkler, H., Im
Namen des Staates, 1987; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in)
Libertas, 1991, 301; Tieck, K., Staatsräson und Eigennutz, 1998; Staatsräson in
Deutschland, hg. v. Heydemann, G. u. a., 2003
Staatsrat ist das
der Staatsleitung dienende Beratungsorgan (z. B. Österreich 10. 12. 1760-4.
4. 1848 [1851-26. 2. 1861 Reichsrat, 26. 2. 1861-12. 6. 1868 Reichsrat, 1918-März
1919], 1934, Preußen 1808-1817, 1921-1933 [etwa 80 Mitglieder]). In der →
Deutschen Demokratischen Republik ist der S. ab 12. 9. 1960 Leitungsorgan.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher;
Hoch, C., Frhr. v., Der österreichische Staatsrat (1760-1848), 1879, Neudruck
1972; Hintze, O., Der österreichische Staatsrat im 16. und 17. Jahrhundert, ZRG
GA 8 (1887), 137; Schneider, H., Der preußische Staatsrat, 1952; Francksen, M.,
Die Institution des Staatsrates in den deutschen Staaten, ZNR 7 (1985), 19;
Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Michel, K., Der
Staatsrat, 1998; Wrage, M., Der Staatsrat im Königreich Hannover 1839-1866,
2001; Der preußische Staatsrat 1921-1933, bearb. v. Lilla, J., 2005
Staatsrecht ist das
den Staat im allgemeinen betreffende Recht. Dem S. geht die Reichspublizistik
(Reichsstaatsrechtslehre) voraus, die sich mit der materiellen Verfassung des
Heiligen römischen Reiches befasst (z. B. Theodor Reinkingk 1590-1664, Johannes
Limnaeus 1592-1663, Christoph Besold 1577-1638, Hermann Conring 1606-1661,
Samuel Pufendorf 1632-1694, Gottfried Wilhelm Leibniz 1646-1716, Christian
THomasius 1655-1728, Johann Jakob Moser 1701-1785 und Johann Stephan Pütter
1725-1807). Das S. entwickelt sich mit dem Konstituionalismus und der Trennung
von Staat und Gesellschaft im Laufe des 19. Jh.s aus dem → öffentlichen
Recht. Dabei strebt das 19. Jh. (Paul Laband) vor allem nach Verwissenschaftlichung.
Um 1950 gibt es in Deutschland etwa 80 Hochschullehrer des Staatsrechts.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 3 II, 17 II; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 143; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neudruck
1968; Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechtes, Bd. 1ff. 1776ff.,
Neudruck 1965; Kreittmayr, W. Frhr. v., Grundriss des allgemeinen deutsch- und
bayerischen Staatsrechts, 1768; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs
Württemberg, 1831; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. 1ff.
5. A. 1911ff., Neudruck 1964; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. z.
T. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt,
1958; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Das
Staatsrecht des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W.,
1968; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus,
1974; Hoke, R., Die Emanzipation der deutschen Staatsrechtswissenschaft, Der
Staat 15 (1976), 211; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Rennert, K., Die
„geisteswissenschaftliche Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer
Republik, 1987; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht, Bll. f. dt. u.
internat. Politik 1988, 220; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts,
Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus,
1993; Bülow, B. v., Die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit, 1996; Rainer, M.,
Einführung in das römische Staatsrecht, 1997; Friedrich, M., Geschichte der
deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997; Becker, L., Schritte auf einer abschüssigen
Bahn, 1999; Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5
Die geschichtlichen Grundlagen, 2000; Schmidt, J., Konservative
Staatsrechtslehre und Friedenspolitik, 2001; Dreier, H./Pauly, W., Die deutsche
Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Handbuch des
Staatsrechts, hg. v. Isensee, J. u. a., 3. A. 2003; Unruh, P., Weimarer
Staatsrechtslehre und Grundgesetz, 2004; Frieder, G., Denken vom Staat her,
2004; Kremer, C., Die Willensmacht des Staates - Die gemeindeutsche
Staatsrechtslehre des Carl Friedrich von Gerber, 2008; Kuriki, H., Beiträge zur
Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 2009; Gottwald, D.,
Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009
Staatsregierung ist die politische Leitungsgewalt des Staates (z.
B. Deutschösterreich 1918, Österreich 1945, Bayern).
Staatsschutz
Lit.: Staatsschutz, hg.
v. Willoweit, D., 1994; Passek, I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der
Oberlandesgerichte in Staatsschutzstrafsachen, 2003
Staatssekretär
Lit.: Hefty, J., Die
parlamentarischen Staatssekretäre im Bund, 2005
Staatsvertrag ist
der unter Staaten abgeschlossene Vertrag (z. B. Friedensvertrag, S. betreffend
die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs mit den
Alliierten vom 15. 5. 1955, in Kraft am 27. 7. 1955, einzelne Bestimmungen 1990
einverständlich für obsolet erklärt).
Lit.: Fünfzig
Jahre Staatsvertrag und Neutralität, hg. v. Olechowski, T., 2006
Staatswissenschaft ist die Wissenschaft von der Entstehung und dem Wesen des Staates. Sie spielt im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Danach ist die Verbindung von S. und Rechtswissenschaft überwiegend wieder aufgegeben.
Lit.: Schuppert, G., Staatswissenschaft,
2003
Staatsziel ist
das von einem Staat angestrebte politische Ziel (z. B. Umweltschutz). Staatszielbestimmungen
begründen grundsätzlich keine einklagbaren Ansprüche Einzelner.
Stab ist das lange dünne gerade Holzstück, das als Rechtssymbol für Gewalt verwendet werden kann. Seit 1499 ist bezeugt, dass der Richter über den Angeklagten den Stab bricht. Beim Stabwurf versinnbildlicht der S. den zu übertragenden Gegenstand (z. B. Grundstück).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Moeller, E. v., Die Rechtssitte
des Stabbrechens, ZRG GA 21 (1900), 27; Amira, K. v., Der Stab in der
germanischen Rechtssymbolik, 1909; Liebermann, F., Zum Stabbrechen des
Richters, ZRG GA 41 (1920), 382; Lauffer, O., Der Büttelstab, ZRG GA 61 (1941),
252; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971;
Vorbrodt, G./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter und Stäbe, Bd. 1f. 1971;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Stade
Lit.: Das Stader
Stadtrecht vom Jahre 1279, 1950; Weise, E., Geschichte des niedersächsischen
Staatsarchivs in Stade, 1964; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975
Stadt ist die umfangreichere, gewerbliche Tätigkeit beherbergende, meist durch eine Mauer befestigte Siedlung mit besonderem Stadtrecht. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (z. B. Çatal Höyük in Kleinasien, etwa 6800 v. Chr., Eridu, Uruk, Athen, Rom). Im Mittelalter entsteht sie vielfach auf römischer Grundlage (Römerstadt wie Köln, Bonn, Trier, Main, Basel, Zürich, Regensburg, Passau, Wien) im 11. Jh. unter Förderung durch den Stadtherrn (in Kenntnis von Städten des Altertums neu) im Ausbau vorhandener Siedlungen oder vielleicht auch durch bewusste Gründung (Gründungsstadt z. B. Freiburgt im Breisgau). Reichsunmittelbar ist die → Reichsstadt.In der frühen Neuzeit bezieht der Landesherr die Stadt stärker in das Land ein undverwendet sie als örtliche Verwaltungseinheit. Seit dem 19. Jh. tritt die S. trotz wirtschaftlichen Vorrangs rechtlich hinter der → Gemeinde zurück (z. B. Österreich 1849), so dass die Bezeichnung S. ihre rechtliche Bedeutung verliert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 96, 98, 110,
111, 113, 120, 138, 149, 152, 195; Keutgen, F., Untersuchungen über den
Ursprung der deutschen Stadtverfassung, 1895; Rietschel, S., Markt und Stadt,
1897; Liesegang, E., Niederrheinisches Städtewesen, 1897; Hegel, K., Die
Entstehung des deutschen Städtewesens, 1898; Wild, E., Verfassungsgeschichte
der Stadt Wil, 1904; Kretzschmar, J., Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht,
1905; Siegburg, bearb. v. Lau, F., 1907; Lahusen, J., Zur Entstehung der
Verfassung bairisch-österreichischer Städte, 1908; Lappe, J., Die
Sondergemeinden der Stadt Lünen, 1909; Merz, W., Die Stadt Aarau, 1909; Quellen
zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte (Blankenberg,
Deutz, Neuß), 1911; Below, G. v., Territorium und Stadt, 1900, 2. A. 1923;
Schmoller, G., Deutsches Städtewesen, 1922; Sander, P., Geschichte des
deutschen Städtewesens, 1922; Niedersächsischer Städteatlas, 1922ff.; Groß, L.,
Stadt und Markt im späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Geisler, W., Die
deutsche Stadt, 1924; Dörries, H., Die Städte im oberen Leinetal, 1925;
Pirenne, H., Les villes du moyen-âge, 1927; Rütimeyer, E., Stadtherr und
Stadtbürgerschaft in den rheinischen Bischofsstädten, 1928; Knöpp, F., Die
Stellung Friedrichs II. und seiner beiden Söhne zu den deutschen Städten, 1928,
Neudruck 1965; Dörries, H., Entstehung und Formenbildung der niedersächsischen
Stadt, 1929; Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, ZRG GA 50
(1930), 1; Weller, K,. Die staufische Städtegründung in Schwaben, Württembergische
Vierteljahreshefte für Landesgeschichte N. F. 36 (1930), 145; Hamm, E., Die
Städtegründungen der Herzöge, 1932; Lappe, J., Stadtgründung und
Stadtverfassung im Gebiete der Einzelhöfe (Werne im Münsterlande), Zeitschrift
für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 89 (1932), 1; Flach, W.,
Verfassungsgeschichte einer grundherrlichen Stadt – Berga a. d. Elster, 1934;
Loehr, M., Leoben, 1934; Rudolph, H., Stadt und Staat im römischen Italien,
1935; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der
Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1936), 150; Frölich,
K., Zur Verfassungstopographie der deutschen Städte des Mittelalters, ZRG GA 58
(1938), 275; Pirenne, H., Les villes, 1939; Deutsches Städtebuch, hg. v.
Keyser, E., Bd. 1ff. 1939ff.; Ganshof, F., Over stadsontwikkeling, 1941; Dahm,
G., Untersuchungen zur Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen
Stadt, 1941; Planitz, H., Frühgeschichte der deutschen Stadt, ZRG GA 63 (1943),
1; Planitz, H., Die deutsche Stadtgemeinde, ZRG GA 64 (1944), 1; Fischer, H.,
Doppelstadt und Stadtverlegung, ZRG GA 66 (1948), 236; Quellen zur älteren
Geschichte des Städtewesens in Mitteldeutschland, hg. v. Institut f. dt.
Landes- und Volksgesch. an der Univ. Leipzig, Bd. 1, 2 1949; Vollmer, G., Die
Stadtentstehung am unteren Niederrhein, 1952; Ennen, E., Frühgeschichte der
europäischen Stadt, 1953; Städtewesen und Bürgertum, hg. v. Brandt, A. v. u.
a., 1953; La ville, 1954; Ludat, H., Vorstufen und Entstehung des Städtewesens
in Osteuropa, 1955; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und
Reformation, 1958; Schildhauer, J., Soziale, politische und religiöse Auseinandersetzungen
in den Hansestädten, 1958; Mauersberg, H., Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentraleuropäischer
Städte, 1960; Scheper, B., Anfänge und Formen bürgerlicher Institutionen
norddeutscher Hansestädte, Diss. phil. Kiel 1960; Haase, C., Die Entstehung der
westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Bärmann, J., Die Städtegründungen
Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos
des Kindes, 1961; Müller, W., Die heilige Stadt, 1961; Die Städte Mitteleuropas
im 12. und 13. Jahrhundert, 1963; Untersuchungen zur gesellschaftlichen
Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa, 1966; Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Drollinger, K., Kleine Städte
Südwestdeutschlands, 1968; Die Stadt des Mittelalters, hg. v. Haase, C., 1969;
Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Bibliographie zur
Städtegeschichte Deutschlands, hg. v. Keyser, E., 1969; Verwaltung und
Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1969; Die Stadt des Mittelalters 1ff., Begriff, Entstehung
und Ausbreitung, Recht und Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v.
Haase, C., 1969ff.; Städtische Mittelschichten, hg. v. Maschke, E./Sydow, J.,
1972; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, C., 1972; Vor- und
Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973; Die Stadt am
Ausgang des Mittelalters, hg. v. Rausch, W., 1974; Stadt und Umland, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1974; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im
Mittelalter, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1974, z. T. 2. A. 1975; Ennen, E., Die
europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Planitz, H., Die deutsche Stadt
im Mittelalter, 5. A. 1980; Fritze, K., Bürger und Bauer zur Hansezeit, 1976;
Bischofs- und Kathedralstädte, hg. v. Petri, F., 1976; Schwineköper, B.,
Königtum und Städte bis zum Ende des Investiturstreits, 1977; Die
mittelalterliche Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. v. Stoob, H., 1977;
Hall, T., Mittelalterliche Stadtgrundrisse, 1978; Die Stadt, hg. v. Stoob, H.,
1979; Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung,
hg. v. Meynen, E., 1979; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Die
Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, hg. v. Rausch, W., 1980; Quellen zur
Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Städte im Spätmittelalter,
übers. v. Möncke, G., 1982; Mitterauer, M., Markt und Stadt, 1980; Beiträge zum
hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Beiträge zum
spätmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Stadt und
Herrschaft, hg. v. Vittinghoff, F., 1982; Stadt und wirtschaftliche
Selbstverwaltung, hg. v. Kirchgässner, B. u. a., 1987; Urkunden zur Geschichte
des Städtewesens in Mittel- und Niederdeutschland bis 1350, hg. v. Stoob, H.,
1985; Bibliographie zur deutschen historischen Städteforschung 1, hg. v.
Stoob, H., 1986; Stadtkernforschung, hg. v. Jäger, H., 1987; Modelli di città,
hg. v. P. Rossi, 1987; Isenmann, E., Die deutsche Stadt im Spätmittelalter,
1988; Kießling, R., Die Stadt und ihr Land, 1989; Grundherrschaft und
Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Recht, Verfassung
und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991;
Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Stadtkern und Stadtteile,
hg. v. Kirchgässner, B. u. a. 1991; Schilling, H., Die Stadt in der frühen
Neuzeit, 1991; Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen
Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a. 1991; The City in the Late
Antiquity, hg. v. Rich, J., 1992; Engel, E., Die deutsche Stadt des
Mittelalters, 1993; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1993;
Residenzen des Rechts, hg. v. Kirchgässner, B./Becht, H., 1993; Stadt und
Bürgertum im Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft, hg. v.
Gall, L., 1993; Boockmann, H., Die Stadt im späten Mittelalter, 3. A. 1994;
Gerteis, K., Die deutschen Städte in der frühen Neuzeit, 2. A. 1994; Denkmäler des Amberger Stadtrechts, bearb. v.
Laschinger, J., 1994ff.; Roux, S., Le monde des villes, 1994; Shofield, J./Vince,
A., Medieval Towns, 1994; Meier, U., Mensch und Bürger, 1994; Landesherrliche
Städte in Südwestdeutschland, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Die Stadt
(Kalkar) im Mittelalter, hg. v. Kaldewei, G., 1994; Deidesheim, hg. v.
Andermann, K. u. a., 1995; Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein
bis zum Jahre 1000, hg. v. Verhulst, A., 1996; Vetter, K., Zwischen Dorf und
Stadt – Die Mediatstädte des kurmärkischen Kreises Lebus, 1996; Stadt und
Verkehr im Industriezeitalter, hg. v. Matzerath, H., 1996; Eberhard, I., Van
des stades wegene utgegeven unde betalt, 1996; Klotz, H., Die Entdeckung von
Çatal Höyük, 1998; Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11.
Jahrhundert, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1998; Mitteleuropäisches Städtewesen, hg.
v. Janssen, W. u. a., 1999; Sweet, R., The English Town 1680-1840, 1999; Das
Bild der Stadt in der Neuzeit, hg. v. Behringer, W. u. a., 1999; Nissen, H.,
Geschichte Altvorderasiens, 1999; Knittler, H., Die europäische Stadt in der
frühen Neuzeit, 2000; Schöber, P., Wirtschaft, Stadt und Staat, 2000; Quellen
zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt, ausgew. v. Hergemöller, B.,
2000; Städtelandschaft, hg. v. Escher, M. u. a., 2000; Kannowski, B.,
Bürgerkämpfe und Friedebriefe, 2001; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein,
2002; Stadt und Recht im Mittelalter, hg. v. Monnet, P. u. a., 2002; Happ, S.,
Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Die vormoderne Stadt, hg. v. Feldbauer, P.
u. a., 2002; Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormoderne, hg.
v. Johanek, P., 2003; Müller, C., Landgräfliche Städte in Thüringen, 2003;
Meier, D., Bauer, Bürger, Edelmann, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und
Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum
und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Weinberger, B., Städtefeindlichkeit in der
deutschen Geschichte, 2003; Baeriswyl, A., Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung
im Mittelalter, 2003; Städtelandschaft, hg. v. Gräf, H. u. a., 2004;
Vielerlei Städte, hg. v. Johanek, P. u. a., 2004; Die Salzstadt, hg. v.
Freitag, W., 2004; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert,
2003; Stercken, M., Städte der Herrschaft, 2006; Stadt und Region, hg. v.
Duchhardt, H. u. a., 2005; Die urbanen Zentren des hohen und späteren
Mittelalters, hg. v. Escher, M. u. a. 2005; Die europäische Stadt im 20.
Jahrhundert, hg. v. Lenger, F., 2005; Opll, F., Das Werden der
mittelalterlichen Stadt, HZ 280 (2005), 561; Engel, E./Jacob, F., Städtisches
Leben im Mittelalter, 2006; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung,
2006; Imagining the Citiy, hg. v. Emden, C. u. a., Bd. 1f. 2006; Städte im
östlichen Europa, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2006; Stercken, M., Städte der
Herrschaft, 2006; Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, hg. v.
Irsigler, F. u. a., 2007; Who ran the cities?, hg. v. Roth, R. u. a., 2007;
Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Schmieder, F., Die
mittelalterliche Stadt, 2. A. 2009;
Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Die Urbanisierung
Europas von der Antike bis in die Moderne, hg. v. Fouquet, G. u. a., 2009
Stadtbuch ist das
von einer → Stadt für die Aufzeichnung wichtiger rechtlicher Geschehnisse
geführte Buch. Es erscheint seit dem 13. Jh. Mit zunehmender Verschriftlichung
treten mehrere besondere Bücher nebeneinander.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105, 125; Das
Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Zeller-Werdmüller, H., Die
Zürcher Stadtbücher, 1899; Die Zürcher Stadtbücher des 14. und 15.
Jahrhunderts, hg. v. Nabholz, H., Bd. 3 1906; Rehme, P., Über die Breslauer
Stadtbücher, 1909; Beyerle, K., Die deutschen Stadtbücher, Dt. Geschichtsbll.
11 (1910), 145; Rehme, P., Stadtbuchstudien, ZRG GA 37 (1916), 1; Stowasser,
O., Das Stadtbuch von Waidhofen, Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von
Niederösterreich, 1916; Das älteste Böhmisch Kaunitzer Stadtbuch, 1915; Die
sogenannten Sobielaw’schen Rechte, hg. v. Schranil, R., 1916: Rehme, P., Über
Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Schubert, F., Das
älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250; Rehme, P.,
Stadtbücher des Mittelalters, FS V. Ehrenberg, 1927, 173; Das Mindener
Stadtbuch, hg. v. Krieg, M., 1931; Rehme, P., Neues über die Stralsunder
Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Buyken,
T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Das
Stadtbuch von Dux 1389, bearb. v. Kochmann, K., 1941; Schmid, H., Dalmatinische
Stadtbücher, Kosov Zbornik-Festschrift (Laibach) 1953, 330; Triller, A./Schön,
B., Stadtbuch von Dinslaken, 1959; Das Stadtbuch von Anklam, hg. v.
Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.; Nový, R., Libri
civitatum Bohemiae, 1963; Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v.
Thierfelder, H., 1967; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von
1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Das älteste Stadtbuch von Coburg, bearb. v.
Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977; Das Stadtbuch von Karpfen (Krupina), hg. v.
Grothausmann, K., 1977; Hemann, F., Das Rietberger Stadtbuch, 1994; Stadtbücher
als namenkundliche Quellen, hg. v. Debus, F.; 2000; Die Weimarer Stadtbücher,
hg. v. Steinführer, H., 2005; Haus- und Familienbücher in der städtischen
Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006
Stadtbürger → Bürger
Städtebund ist der vertragliche
Zusammenschluss von Städten zu gemeinsamem Handeln wie etwa der Sicherung des
Handels (z. B. lombardische Liga 1167, rheinischer Städtebund 1254/1256,
schwäbischer Städtebund 1376/1381, → Hanse).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 97, 121; Füchtner,
J., Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390, 1970; Mägdefrau, W.,
Der Thüringer Städtebund im Mittelalter, 1977; Kommunale Bündnisse, hg. v.
Maurer, H., 1987; Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgäßner, B. u.
a., 1994; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Distler, E., Städtebünde im deutschen
Spätmittelalter, 2006; Städtebünde – Städtetage, hg. v. Felten, F., 2006
Städteordnung ist
das das Stadtrecht regelnde Gesetz des 19. Jh.s (z. B. das preußische Gesetz
vom 19. 11. 1808, das den Städten die → Selbstverwaltung erneuert).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Städteordnungen
des 19. Jahrhunderts, hg. v. Naunin, H., 1984; Wex, N., Staatliche Bürokratie
und städtische Autonomie, 1997
Stadtgericht ist
das in der → Stadt für die gerichtlichen Angelegenheiten zuständige →
Gericht, dem anfangs meist der Stadtherr vorsitzt.
Lit.: Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in
Klagenfurt, 1937; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler
Stadtgerichtsordnung, 1963; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von
1719, Diss. jur. Basel 1968; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Spieß, P., Die
Konkurrenz zwischen „städtischer“ und „stadtherrlicher“ Strafgerichtsbarkeit im
13. und 14. Jahrhundert, ZRG GA 98 (1981), 291
Stadtherr → Stadt
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111; Stadt und
Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, W., 1972
Stadtkommune → Stadt
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967
Stadtluft macht frei
ist das Rechtssprichwort des 19. Jh.s, das zum Ausdruck bringen will, dass ein
Herr einen in die Stadt geflohenen Unfreien nicht zurückholen kann, wenn er
nicht binnen eines Jahres, sechs Wochen und drei Tagen klagt (z. B. Altenburg
1256). Urbare und Neubürgerlisten stützen die Vermutung umfangreicher
Landflucht im Hochmittelalter anscheinend nicht. Zur Abwehr der Landflucht wird
gleichwohl die → Leibeigenschaft entwickelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei, FG
O. Gierke, 1901, 1; Schütze, P., Die Entstehung des Rechtssatzes Stadtluft
macht frei, 1903; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht
frei“, FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek,
C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum
Satz „Stadtluft macht frei“, ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine
bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, HZ 276 (2003), 305; Schwarz, J.,
Stadtluft macht frei, 2008
Stadtmauer →
Stadt
Stadtrat →
Rat, Stadt
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Stadtrecht ist das
besondere Recht einer Stadt. Es entsteht nach römischem Vorbild im Mittelalter
am Ende des 11. Jh.s
(lat. ius [N.] civile).
Am Beginn steht das → Privileg eines Herrn (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?),
das von der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens im 13. Jh. kommt die →
Satzung von Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird das S. oft im →
Stadtbuch. Der Stadtherr kann das S. einer Stadt an eine andere übertragen
(Stadtrechtsfamilie z. B. Wien, Frankfurt am Main, Lübeck, Magdeburg). Eine
Stadt kann auch einer anderen ihr S. mitteilen. Mit der Aufnahme des römischen
Rechts seit dem Spätmittelalter dringt dieses über Stadtrechtsreformationen (z.
B. Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Freiburg 1520,
Pettau/Slowenien 1513, Bern 1539, Zwickau 1539) auch in das S. ein. In der
Neuzeit greift der Landesherr vielfach vereinheitlichend ein. Auch in der
Gegenwart gibt es auf der Ebene der Selbstverwaltung besonderes S.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104, 120;
Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck 1966;
Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Meyer, C., Das
Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436, ZRG GA 19 (1998), 152; Oberrheinische
Stadtrechte, hg. v. d. badischen historischen Kommission, 1895ff.; Urkunden zur
städtischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Keutgen, F., 1901, Neudruck 1965;
Lippstadt, bearb. v. Overmann, A., 1901; Kretzschmar, J., Sie Entstehung von
Stadt und Stadtrecht, 1905; Zehntbauer, R., Die Stadtrechte von Freiburg im
Üchtland und Arconciel-Illens, 1906; Merz, W., Die Stadtrechte von Bremgarten
und Lenzburg, 1909; Kogler, F., Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte Kufsteins,
1912; Haff, K., Studien zum Waadtländer Stadtrecht, 1918; Torggler, K.,
Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Thieme, H., Staufische
Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig
(Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277; Schubart-Fikentscher,
G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Europa, 1942; Ebel, W., Der
Bürgereid, 1958; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Ottos des Kindes, 1961;
Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12.
Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Köbler, G., Zur Entstehung des
mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG GA 86 (1969), 177; Die Gesetze der Stadt
Frankfurt am Main im Mittelalter, 1969; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung
bei Notker von St. Gallen, 1974; Lockert, M., Die niedersächsischen Stadtrechte
zwischen Aller und Weser, 1979; Dilcher, G., „Hell, verständig für die
Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend“, ZRG GA 106 (1989), 12; Recht,
Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M.,
1991; Kersting, W., Das Otterndorfer ostfälisch-sächsische Stadtrecht, ZRG GA
109 (1992), 374; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im
Mittelalter, hg. v. Hergemöller, B., 2000; Moldt, D., Deutsche Stadtrechte im
mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008
Stadtrechtsbuch ist
das → Rechtsbuch einer → Stadt (z. B. Reichsrechtsbuch von
Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230 oder Rechtsbuch von Görlitz, Breslau,
Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau, Meißen, Elbing, Eisenach, Liegnitz, Freising,
Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg, Berlin, Sillein, Glogau, Salzwedel, Saalfeld,
Pressburg, Freiberg, Frankenberg usw.)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Das Zwickauer
Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990
Stadtrichter →
Stadtgericht
Stadtschreiber →
Schreiber
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Arnecke, F., Die Hildesheimer
Stadtschreiber, Diss. phil. Marburg 1913; Schulze, A., Das deutsche
Stadtschreiberamt, Diss. phil. Jena 1921; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber,
1933; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Elsener, F.,
Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber, 1979;
Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990; Stephan Roth
(1492-1546 - Stadtschreiber in Zwickau, hg. v. Metzler, R., 2008
Stadtschultheiß → Schultheiß
Stadtstaat (z. B.
Athen, Rom, Florenz, Venedig, Bern, Nürnberg, Hamburg, Bremen)
Lit.: Söllner § 4; Clarke, M., The Medieval City State,
1931; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der alte
bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho, A. u.
a., 1991
Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den Bürgern gewählten Vertreter
als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ (Preußen 1808).
Lit.: Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des
städtischen Parlamentarismus, 1997
Staffel (F.) Stufe, Gerichtsstein
Stahl (Jolson), Friedrich
Julius (München 16. 1. 1802-Bad Brückenau 10. 8. 1861), Kaufmannssohn, 1819
vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium in
Würzburg, Heidelberg und Erlangen 1832 außerordentlicher Professor in Erlangen,
dann ordentlicher Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in Berlin.
Sein Hauptwerk ist eine zweibändige Philosophie des Rechts, die sich gegen das →
Naturrecht richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität ab.
Lit.: Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930; Wiegand, C.,
Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre Friedrich Julius
Stahls, 1999
Stair, James
Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium der Philosophie in Glasgow
Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss er bis 1688 wegen
antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige Entscheidungen
seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begründet er mit seinen
römischrechtlich-naturrechtlich in vier Bücher (Personen und Familie,
Obligationen, Sachen, Erbe und Verfahren) geteilten Institutions of the Law of
Scotland (1681) die Rechtswissenschaft in → Schottland.
Lit.: Stair, hg.
v. Walker, D., 1981; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 106
Stal
Lit.: Siebs, B., Stal –
Roland – Rosengarten, ZRG GA 76 (1959), 246
Stalin (Dschugaschwili), Josef Wissarionowitsch (Gori/Georgien 21. 12. 1879-Moskau 5. 3. 1953) ist von 1924 bis 1953 diktatorischer Führer der → Sowjetunion, der maßgeblich das sozialistische Recht mitgestaltet.
Lit.: Marie, J., Staline, 1967, Neudruck 2001; Deutscher,
I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Hildermeier,
M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch - Stalin und die Juden, 1998; Boeckh, K.,
Völlig normal, HZ 278 (2004), 55; Baberowski, J., Der rote Terror, 2003;
Kellmann, K., Stalin, 2005
Stamm ist der
zwischen Wurzel und Zweigen befindliche Teil eines Baumes. Ein selbständiger
Teil der Germanen (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) wird ebenso als
S. bezeichnet wie die Abkömmlinge eines Abkömmlings.
Lit.: Merk, W., Die deutschen Stämme in der
Rechtsgeschichte, ZRG GA 58 (1938), 1; Hugelmann, K., Stämme, Nation und
Nationalstaat, 1955; Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese,
W., Der Stamm der Sachsen, 1979
Stammesherzogtum ist
das im Frühmittelalter aus einem Volk bzw. → Stamm gebildete →
Herzogtum (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) im Gegensatz zum
Territorialherzogtum im Hochmittelalter (z. B. Österreich, Westfalen). Das
ältere S. besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das jüngere S. im
10. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 83; Läwen, G., Stammesherzog und
Stammesherzogtum, 1935; Stingl, H., Die Entstehung der deutschen
Stammesherzogtümer, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Hartmann, P.,
Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989
Stammesrecht→ Volksrecht
Lit.: Lit.: Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u.
a., 1991
Stammgut ist
das auf Grund Hausgesetzes oder Gewohnheitsrechts in einer Adelsfamilie
gebundene und damit unveräußerliche und grundsätzlich unteilbare Gut. Es wurde
1938/1939 aufgelöst und dabei vielfach in eine Stiftung überführt.
Stammler, Rudolf (Alsfeld 19. 2. 1856-Wernigerode 25. 6. 1938), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Leipzig (Binding, Windscheid, Sohm) 1882 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1884 ordentlicher Professor in Gießen, Halle (1885) und Berlin (1916). Außer als Romanist wirkt er vor allem als neukantianischer Rechtsphilosoph. Von 1928 bis 1932 legt er das zweibändige Lehrwerk „Deutsches Rechtsleben in alter und neuer Zeit“ vor.
Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Nachruf, ZRG GA 59 (1939), 662
Stand ist die
Stellung oder Würde innerhalb einer Gemeinschaft. Vom Altertum bis in das 19. Jh.
gliedert sich die Gesellschaft in verschiedene Stände. In Rom werden dabei
anfangs Patrizier, Plebejer und Sklaven (lat. [M.Pl.]
servi) unterschieden. Später entsteht aus landflüchtenden Kleinbauern ein
Proletariat. In klassischer römischer Zeit treten Amtsadel und Geldadel
einander gegenüber, in spätantiker Zeit (lat. [M.Pl.])
honestiores (Ehrbarere) und humiliores (Niederere). Für die Germanen ist das
Bestehen von Ständen streitig. Im Frühmittelalter werden → Freie (lat. [M.Pl.]
liberi) und Unfreie sowie spätestens in karolingischer Zeit auch → Adlige
(lat. [M.Pl.] nobiles) sichtbar. Im Hochmittelalter wird diese
geburtsständische Gliederung durch die berufsständische Einteilung in →
Ritter (lat. [M.Pl.] milites), → Bürger (lat. [M.Pl.]
cives, burgenses, urbani) und → Bauern (lat. [M.Pl.]
rustici) überlagert. Der S. wirkt sich besonders auf Eheschließung (→
Ebenbürtigkeit), → Wergeld und Gerichtsbarkeit (Pairsgericht) aus. Seit
der französischen Revolution (1789) setzt sich der von dem dritten Stand (Bürger)
vertretene, aufgeklärte Grundsatz der → Gleichheit durch (1918).
Hinsichtlich der Herrschaft im Land oder Reich gibt es daneben vom 13. bis 19.
Jh. → Landstände und → Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 17, 120, 132,
135, 140, 148, 160; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 155; Brunner, H.,
Ständerechtliche Probleme, ZRG GA 23 (1902), 193; Lintzel, M., Die Stände der
deutschen Volksrechte, 1933; Gwinner, H., Der Einfluss des Standes im gemeinen
Strafrecht, 1934; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck,
P., Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, 1936; Uffenorde, H.,
Über die ständischen Ideen bei Freiherrn vom Stein und Bismarck, 1938; Heck,
P., Drei Studien zur Ständegeschichte (Hofleute, Häuptlinge, fränkische
Gemeinfreiheit), 1939; Jantke, C., Der vierte Stand, 1955; Truffer, H., Der
Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Quellen
zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1967;
Frank, K. v., Standeserhebungen und Gnadenakte, Bd. 1ff. 1967ff.; Köbler, G.,
Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171;
Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Reuter, H., Die Lehre vom
Ritterstand, 2. A. 1974; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A.
1979; Lutz, G., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Duby, G., Die drei Ordnungen,
1981; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen
Bauernstandes, 1989; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a.,
1994; Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa, hg. v. Weczerka, H.,
1995; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herrschaft und Stände in ausgewählten
Territorien Norddeutschlands, hg. v. Opitz, E., 2001
Standarte → Fahne
Standesbeamter ist der gemeindliche Beamte, der vor allem die staatlichen Aufgaben der → Eheschließung und Führung der Personenstandsbücher ausführt. Nach französischem Vorbild (officier civil 1787/1792) wird ein S. 1809 in Baden und 1875 im Deutschen Reich geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 209
Standeserhöhung ist
die Erteilung des → Adels durch Urkunde (seit 1346, → Briefadel).
Standesherr ist im
19. Jh. der Angehörige eines der etwa 80 1803/1806 mediatisierten, ehemals
reichsunmittelbaren Adelshäuser. Ihm werden 1815 geringe Vorrechte gesichert,
die zwischen 1848 und 1918 aber weitgehend verschwinden.
Lit.: Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A. 1964;
Neth, U., Standesherren und liberale Bewegung, 1970; Schier, R., Standesherren,
1977; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Furtwängler,
M., Die Standesherren in Baden, 1996; Pezold, U. v., Adelige Standesherrschaft
im Vormärz, 2003
Ständestaat ist der
durch die Teilhabe von Ständen an der Herrschaft gekennzeichnete Staat des 13.
bis 19. Jh.s. Zwischen 1934 und 1938 versteht sich → Österreich nochmals
als S. → Landstand, → Reichsstand
Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und englischer
Parlamentarismus, 1939; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert,
hg. v. Gerhard, D., 1969; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 2. A. 1980;
Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Kluge, U., Der österreichische
Ständestaat, 1934-1938, 1984; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei,
1985
Standgericht ist
das im Stehen bzw. sofort abgehaltene Gericht im Heereswesen. Es findet sich
bereits im römischen Altertum. In der frühen Neuzeit ist es sehr verbreitet.
Das S. urteilt meistens nach dem besonderen Standrecht.
Lit.: Molitor, I. v., Die Kriegsrechte, 1855; Bothe, F.,
Der preußische Militärprozess, 1874; Bonin, B. v., Grundzüge der
Rechtsverfassung in den deutschen Heeren, 1904
Srändiger
internationaler Gerichtshof ist
der 1919 in der Satzung des Völkerbunds vorgesehene, 1922 in Den Haag in den
Niederlanden eingerichtete völkerrechtliche Gerichtshof, der 1945 im
Internationalen Gerichtshof aufging
Standrecht → Standgericht
Stang, Friedrich
(1867-1941), Ministerssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1890 Anwalt und 1897
Universitätsprofessor. Nach einem Aufenthalt in Deutschland versucht er eine
Darstellung des gesamten norwegischen Privatrechts. In der Rechtspolitik setzt
er sich erfolgreich für den Erlass verschiedener Einzelgesetze (1907
Kaufgesetz, 1918 Abzahlungsgesetz, 1930 Versicherungsabzahlungsgesetz) ein.
Lit.: Solem, E., Frederik Stang,
Tidsskrift for Rettsvidenskap, 1942, 1
Stapelholm (östlich von Friedrichstadt) ist der seit 1232 zu Schleswig gehörende Ort der am 27. 1. 1623
unter Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorp geschaffenen Stapelholmer
Konstitution (Landesordnung) der durch weitgehende Selbstverwaltung unter einem
Landvogt gekennzeichneten Landschaft zwischen unterer Eider, Treene und Alten
Schleswig.
Lit.: Stegmann, D., Die Stapelholmer Konstitution von 1623,
Diss. jur. Kiel 1967; Polizei- und Landesordnungen, hg. v. Kunkel, W. u. a.,
1968
Stapelrecht ist
seit dem Hochmittelalter das Recht eines Ortes, von Kaufleuten zu verlangen,
ihre Waren am Ort zum Verkauf aufzustellen.
Lit.: Hafemann, M., Das Stapelrecht, 1910; Gönnenwein, O.,
Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939
Stasi (F.)
Staatssicherheitsdienst der → Deutschen Demokratischen Republik
Lit.: Kühn, D., Das gesamtdeutsche Institut im Visier der
Staatssicherheit, 2001
Statistik ist die
zahlenmäßige Erfassung von massenhaften Gegebenheiten. Sie erfolgt in
wissenschaftlicher Weise erst seit dem 19. Jh.
Lit.: Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter
zur Neuzeit, hg. v. Andermann, K. u. a., 1990; Grundlagen der historischen
Statistik von Deutschland, hg. v. Fischer, W., 1991; Melchers, A.,
Kriminalstatistik im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt 1992; Reinke, H.,
Die Liaison des Strafrechts mit der Statistik, ZNR 1992, 169; Pfister, C.,
Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, 1994;
Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; Weber,
D., Die sächsische Statistik im 19. Jahrhundert, 2003
Stat pro ratione voluntas
(lat.). Der Wille steht für die Begründung.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Juvenal, um 67-um 140, Satiren 6, 223)
Statthalter ist der
Vertreter eines Herrschers (z. B. 1490 in Tirol in den → Maximilianischen
Verwaltungsreformen, 1849-1918 in Österreich die Leiter der zentralstaatlichen
Behörden auf Landesebene im Gegensatz zur autonomen Landesverwaltung durch
Landesausschüsse unter Leitung von Landeshauptmännern.
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Römisches
Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963
status (lat. [M.])
→ Stand, Zustand (z. B. status libertatis (Freiheit), status civitatis
(Stellung als Bürger) und status familiae
Lit.: Kaser § 13 I; Breuer, S., Stand und status, 1996
Statut ist das
gesetzte Recht bzw. die im internationalen Privatrecht anwendbare
Rechtsordnung. Statuten finden sich um 1140 in Oberitalien (Piacenza, Pisa,
Como), wo sie seit der Mitte des 13. Jh.s ausführliche Zusammenfassungen
erfahren. Im Verhältnis zum → gemeinen Recht gewähren die Juristen des
14. Jh.s den Statuten Vorrang. Weil die Statuten aber eng auszulegen sind (lat.
statuta [N.Pl.] sunt stricte interpretanda), gewinnt in der frühen Neuzeit
das gemeine Recht tatsächlich die Vermutung der Geltung für sich.
Lit.: Köbler, DRG 104, 107, 137; Kamptz, K. v., Die Provinzial-
und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1826ff.;
Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314;
Bahmann, O., Die Statuten der Stadt Ölsnitz im Vogtland aus den Jahren 1604 und
1687, 1938; Thieme, H., Statutarrecht und Rezeption, FS G. Kisch, 1955, 69;
Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Herrmann, G.,
Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das
Dotalstatut, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Nörr, K., Zur Stellung des Richters, 1967; Ebel, F., Statutum und ius
fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre,
1977; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v.
Köbler, G., 1986; Keller, H., Oberitalienische Statuten, Frühmittelalterliche
Studien 22 (1988), 286; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Köbler, G.,
Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Driever, R., Obrigkeitliche Normierung
sozialer Wirklichkeit, 2000; Von der Norm zur Ordnung - Statuten, hg. v.
Drossbach, G., 2009
Statuta sunt stricte
interpretanda (lat.). → Statuten sind eng
auszulegen.
Lit.: Trusen, W., Römisches und partikuläres Recht, FS H.
Lange, 1970, 97; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Hochmittelalter); Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977
Statutarstadt ist in
Österreich die durch eigenes Stadtrecht (Statut) ausgezeichnete, keiner
Bezrikshauptmannschaft unterstehende Stadt ([16. Jh. Eisenstadt, Rust,] 1850
Wien, Klagenfurt, insgesamt 15).
Statute law ist das vom König und dem Parlament vor allem im 13., 16./17. und 19. Jh. gesetzte Recht in England im Gegensatz zum common law (Richterrecht).
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Statutum (N.) in favorem principum (lat.) ist die wissenschaftliche Bezeichnung des 19. Jh.s
für das Gesetz des deutschen Reiches von 1. 5. 1231, in dem den Fürsten von Friedrich
II. die rechtstatsächlich inzwischen erlangten Rechte bestätigt werden (z. B.
Verbot der Anlage von Reichsburgen, Gewährleistung der landesherrlichen
Gerichtsbarkeit, Gewährleistung von Abgaben).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101; Klingelhöfer,
E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Kaiser
und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994
Staub, Samuel (bzw.
ab etwa 1882) Hermann (Nikolai/Oberschlesien 21. 3. 1856-Berlin 2. 9. 1904),
Sohn eines jüdischen Kaufmanns, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau,
Leipzig (Windscheid, Wächter, Binding, Wach), Berlin (Goldschmidt)
Rechtsanwalt. Er tritt danach vor allem als Kommentator des Handelsrechts (seit
1893) und als „Entdecker“ der sog. → positiven Forderungsverletzung oder
positiven Vertragsverletzung (1902) hervor.
Lit.: Köbler, DRG 241; Deutsche Juristen jüdischer
Abstammung, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 385; Anwalt - Kommentator - Entdecker
- Festschrift für Hermann Staub, hg. v. Henne, T. u. a., 2006
Staufer ist der Angehörige des in der ersten Hälfte des 11. Jh.s erkennbaren schwäbischen Geschlechts, das 1079 das Herzogtum Schwaben und 1138 (wegen der 1079 erfolgten Heiratsverbindung mit den → Saliern) (bis 1254) das deutsche Königtum (Konrad III. 1138-1152, Friedrich I. Barbarossa 1152-1190, Heinrich VI. 1169-1197, Philipp von Schwaben 1198-1208, Friedrich II. 1212-1250, Konrad IV. 1237-1254) hält und 1268 im Mannesstamm ausstirbt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Cohn, W., Das
Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Franzel, E., König Heinrich VII.
von Hohenstaufen, 1929; Sthamer, E., Bruchstücke mittelalterlicher Enquêten aus
Unteritalien, 1933 (SB preußische Akademie); Mitteis, H., Zur staufischen Verfassungsgeschichte,
ZRG GA 65 (1947), 316; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f.,
Neudruck 1968f.; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64;
Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Appelt, H.,
Privilegium minus, 2. A. 1976; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982;
Engels, O., Stauferstudien, 1988 (Aufsätze); Hauser, S., Staufische
Lehnspolitik, 1998; Engels, O., Die Staufer, 8. A. 2005; Von Schwaben bis
Jerusalem, hg. v. Lorenz, S. u. a., 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer,
T., 1996; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Die Staufer, 2000;
Stauferreich im Wandel, hg. v. Weinfurter, S., 2002; Meyer, B., Kastilien, die
Staufer und das Imperium, 2002; Schütte, B., König Philipp von Schwaben.
Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert
1125-1198, 2003; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Busch, J., Administratio
in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Grafen, Herzöge, Könige, hg.
v. Seibert, H. u. a., 2005; Bedürftig, F., Die Staufer, 2006; Görich, K., Die
Staufer, 2006; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a., 2009
Staupenschlag
Lit.; Breithaupt, W.,
Die Strafe des Staupenschlags, 1938
Steckbrief ist das in der frühen Neuzeit erscheinende, schriftlich an alle Behörden ergehende Ersuchen, eine flüchtige oder sich verbergende Person festzunehmen und sie der nach ihr fahndenden Behörde zu übergeben.
Lit.: Biedermann, Über Steckbriefe, Archiv f. Criminalrecht
3 (1800), 274; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Groebner,
V., Der Schein der Person, 2004
Steiermark ist das
im 8. Jh. von Bayern besiedelte, im 12. Jh. unter den seit 1122 herrschenden
Traungauern von Kärnten gelöste, 1180 zum Herzogtum (zu Steyr als dem in
Oberösterreich gelegenen Hauptort des Traungaus) erhobene und 1186/1192 durch
die → Georgenberger Handfeste an die Babenberger bzw. den Herzog von →
Österreich gelangte südöstliche Grenzgebiet (karantanische → Mark, Gebiet
an der mittleren Mur) des deutschen Reiches. 1919 fällt die südliche Untersteiermark
mit Marburg/Maribor an Jugoslawien. Das Bundesland S. Österreichs wird von
1939 bis 1945 mit dem südlichen Burgenland zum Reichsgau S. und steht nach
Wiederherstellung bis 1955 unter Besatzung Großbritanniens.
Lit.: Köbler, DRG 94, 95, 220; Siegenfeld, A. v., Das
Landeswappen der Steiermark, 1900; Steirischer Wortschatz, hg. v. Unger, T. u.
a., 1903, Naudruck 2009; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg.
v. Dopsch, A., 1910; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch
die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Mensi, F. Frhr. v., Geschichte der
direkten Steuern in Steiermark, 1921; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht
und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Mell, A., Grundriss der
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1929; Seuffert, B., Drei Register aus
den Jahren 1478 bis 1519, 1934; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen
Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58
(1938), 448; Lang, A., Die Salzburger Lehen in Steiermark, 1937; Baltl, H.,
Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, 1951; Die ältesten steirischen
Landtagsakten 1396-1519, Teil 1 f.bearb. v. Seuffert, B. u. a., 1953ff.; Baltl,
H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Ebner, H., Beiträge zur
Burgen- und Herrschaftsgeschichte sowie zur Genealogie obersteirischer
Adelsfamilien, 1974; Brauneder, W., Die Anfänge der Gesetzgebung, Z. d. hist.
Ver. d. Steiermark 68 (1977), 165; Woisetschläger, K., Steiermark, 1982;
Österreichisches Städtebuch. Die Städte der Steiermark, Bd. 1 1990; 800 Jahre
Steiermark und Österreich, hg. v. Pickl, O., 1992; Breitegger, H., Die großen
Kriminalfälle der Steiermark, 2000; Karner, S., Die Steiermark im 20.
Jahrhundert, 2000; Binder, D./Ableitinger, A., Steiermark, 2001; Baltl, H., Die
Steiermark im Frühmittelalter, 2004; Wesener, G., Eine steirische
Erbrechtsordnung, Zs. d. hist. Vereins für Steiermark 95 (2004), 235; Heppner,
H. u. a., Steiermark, 2006
Stein ist der harte,
nichtmetallische Bestandteil der Materie, der im einzelnen Stück als
Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Grenzstein, Kreuzstein).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Stein, Karl
Freiherr vom und zum (Nassau 22. 10. 1757-Cappenberg 24. 6. 1831), Geheimratssohn,
wird nach dem Studium des Rechts und der Staatswissenschaft in Göttingen
preußischer Beamter. 1807/1808 reformiert er nach der Niederlage gegen Frankreich
die Verwaltung → Preußens (Bauernbefreiung, Fachressorts, Selbstverwaltung,
Gewerbefreiheit, Wehrpflicht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 167, 174, 192, 211;
Lappe, J., Freiherr vom Stein als Gutsherr auf Kappenberg, 1920; Botzenhart,
E., Die Staats- und Reformidee des Freiherrn vom Stein, 1927; Raumer, K. v.,
Was bedeutet uns Stein heute?, 1958; Gembruch, W., Freiherr vom Stein im
Zeitalter der Restauration, 1960; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des
Freiherrn vom Stein, 1971; Hubatsch, W., Stein-Studien, 1975; Hubatsch, W., Die
Stein-Hardenbergschen Reformen, 1977; Duchhardt, H., Stein, 2007
Stein, Lorenz
(Borby bei Eckernförde 15. 11. 1815-Weidlingau bei Wien 23. 9. 1890) wird nach
dem Rechtsstudium in Kiel 1845 außerordentlicher Professor der Staatswissenschaften
und nach Amtsenthebung (1852) in Wien 1855 Professor für politische Ökonomie.
In weitgespannten Schriften fördert er die Entwicklung der Verwaltungslehre
(1865ff.). Dem über den Klassen stehenden König stellt er die Aufgabe, durch
staatliche Leistung die im Liberalismus eingetretenen gesellschaftlichen
Missstände zu beseitigen.
Lit.: Schmidt, W., Lorenz von Stein, 1956; Staat und
Gesellschaft, hg. v. Schnur, R., 1978; Heilmann, M., Lorenz von Stein, 1984;
Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E.,
1984; Lorenz von Stein, hg. v. Mutius, A. v., 1991; Koslowski, S., Zur
Philosophie von Wirtschaft und Recht, 2005
Stein-Hardenbergsche Reformen
→ Stein, Hardenberg
Steinigung ist die
im Altertum und später im Islam verbreitete Tötung eines Menschen durch
Bewerfen mit Steinen.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906
Steinkreuz ist das
aus Stein geschaffene Kreuz. Es erscheint im Mittelalter als sichtbares
Zeugnis eines einzelnen rechtlich bedeutsamen Geschehens.
Lit.: Kuhfahl, G., Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1936;
Dreyhausen, W. v., Die alten Steinkreuze in Böhmen und im Sudetengau, 1940;
Losch, B., Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Steinzeit ist
die Zeit in der Geschichte des Menschen, in der dieser hauptsächlich Werkzeuge
aus Stein verwendet. Die S. wird durch die Erfindung und Benutzung von Metallwerkzeugen
beendet (Kupferzeit, Bronzezeit, Eisenzeit). Rechtsgeschichtliche Erkenntnisse
aus der S. sind gering und unsicher.
Lit.: Schulz, W., Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands,
1939; Eckhardt, K., Altsteinzeitliche Justizpflege, ZRG GA 60 (1940), 252;
Müller-Beck, H., Die Steinzeit, 1998; Hoffmann, E., Lexikon der Steinzeit, 1999
Stellionatus (lat. [M.]
Bereicherung durch falschen Eid) ist im klassischen römischen Recht der
Straftatbestand, der als Vorläufer des → Betrugs bis in das 19. Jh.
fortwirkt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1967;
Schaffstein, F., Das Delikt des stellionatus, FS F. Wieacker, hg. v. Behrends,
O., 1978, 281
Stellvertretung (Vertretung)
ist das rechtsgeschäftliche Handeln einer Person (Vertreter) für eine andere
(Vertretenen). Die S. kann mittelbar oder unmittelbar erfolgen. Das römische
Recht schließt die S. aus, kennt aber in der Rechtswirklichkeit andere Wege, um
die Ziele der S. zu erreichen (z. B. → peculium des Sklaven). Im
Mittelalter entwickelt sich die S. aus der Vertretung vor Gericht, nach der im
Spätmittelalter die Bevollmächtigung von Angestellten bedeutender Kaufleute
üblich wird.
Lit.: Kaser §§ 1 II 3, 11; Söllner § 18; Hübner;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 208; Buchka, H., Die Lehre von der
Stellvertretung, 1852; Fränkel, R., Die Grundsätze der Stellvertretung, Z. f.
vergleich. Rechtswiss. 27 (1912), 289; Würdinger, H., Geschichte der
Stellvertretung (agency) in England, 1933; Müller, U., Die Entwicklung der
direkten Stellvertretung, 1969; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und
venditio iusta, 1971; Luig, K., Savignys Lehre von der Stellvertretung, Ius
commune 8 (1979), 60; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 423;
Hölzl, F., Savignys Lehre, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 211;
Schmoeckel, M., Von der Vertragsfreiheit zu typisierten Rechtspflichten, (in)
Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 77; Hölzl, F., Friedrich
Carl von Savignys Lehre von der Stellvertretung, 2002; Heckmann, M.,
Stellvertreter, 2002
Stempel ist das
bereits dem Altertum bekannte, dem Abdruck von Zeichen auf Überlieferungsträgern
dienende Gerät. Der S. entsteht vielleicht durch die Verallgemeinerung des →
Siegels. Seit 1624 (Niederlande) erhebt der Staat für die Stempelung von
öffentlichem Schriftgut eine Steuer (Stempelsteuer), die in Deutschland später
wieder aufgegeben wird.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, G.,
Stempelrecht, 1778
Stendal in der
Altmark ist die um 1160 von Albrecht dem Bären gegründeteStadt. In S. entsteht
im 15. Jh. unter Verwendung zahlreicher Schriften die (altmärkische oder) →
Stendaler Glosse des Sachsenspiegels.
Lit.: Ein Stendaler Urteilsbuch, hg. v. Behrendt, J., 1868;
Sachs, H., Stendal, 1967; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Stendaler Glosse (altmärkische
Glosse) ist eine im 15. Jh. (vor 1410) in → Stendal teils deutsch und
teils lateinisch verfasste Glosse interlinearer und marginaler Glossatur zum
lateinischen und mittelniederdeutschen Text des → Sachsenspiegels
(1221-1224), zur petrinischen Glosse, zum Magdeburger Weichbild in 6 Büchern
und ansatzweise zum Richtsteig Lehnrechts unter Benutzung der Glossa ordinaria
zum römischen Recht, zahlreicher Juristenschriften, der Lombarda, der Bibel,
der Kirchenväter, klassisch lateinischer Autoren, der buchschen Glosse,
Magdeburger Schöffensprüche und märkischer Gewohnheiten.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Stephanskrone (Krone Stephans I. von → Ungarn [997-1038],
Länder der S. sind die jenseits der Leitha liegenden Länder Habsburgs)
Stephanus ist
ein vermutlich in Beirut im 6. Jahrhundert wirkender Rechtskundiger.
Lit.: De Jong, H., Stephanus en zijn digestenonderwijs, 2008
Stephanus Tornacensis (Stephan von Tournai) (Orléans 18. 2. 1128-Tournai 11. 9. 1203) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Rechtsstudium in Bologna (Rufinus, Bulgarus) Lehrer in Chartres, 1167 Abt in Orléans und 1192 Bischof von Tournai. Zwischen 1166 und 1169 verfasst er seine (lat.) Summa (F.) decreti (Dekretsumme). Sie überragt ihre zugrundeliegenden Vorläufer durch tiefere Durchdringung des Stoffes.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Kalb, H., Studien zur Summa, 1983; Weigand, R., Studien zum kanonistischen Werk
Stephans von Tournai, ZRG KA 72 (1986), 349
Sterbefall ist der
Tod eines Menschen. An ihn knüpfen sich seit dem Mittelalter
grundherrschaftliche Abgaben (z. B. → Besthaupt). Diese werden spätestens
im 19. Jh. beseitigt.→ Erbschaftsteuer
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2
Steuer ist die
einmalige oder laufende Geldleistung, die nicht eine Gegenleistung für eine
besondere Leistung darstellt und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen
zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt wird, bei denen der Tatbestand
zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Sie ist als
Grundsteuer (lat. [N.] stipendium), personale Vermögensteuer (lat. tributum [N.]
capitis, Kopfsteuer) oder Gewerbesteuer bereits dem klassischen römischen
Recht bekannt, das ihre Eintreibung durch Steuerpächter durchführt. Im
Mittelalter lebt der Herrscher im Wesentlichen zunächst von den Einkünften aus
seinen Gütern, doch entsteht die S. in Land und Stadt mit der Herrschaftsverdichtung
und dem Übergang zur Geldwirtschaft seit dem 13. Jh. (in Frankreich z. B. im
15. Jh. durchgesetzt) In der Neuzeit weitet sich die Besteuerung in den Ländern
durch → Steuerrecht stetig aus. In der Mitte des 19. Jh.s überholen die
Steuereinnahmen die sonstigen Staatseinkünfte. Insbesondere für die
Leistungsverwaltung werden zusätzliche Einnahmen durch die Entscheidungsträger
(Parlamente) zu Lasten der Betroffenen festgesetzt. Im Deutschen Reich beläuft
sich 1913 der Steueraufwand auf 2100000000 Mark (2,1 Milliarden für das Reich,
2,7 Milliarden für die Einzelstaaten). Im 20. Jh. gelangt die Besteuerung mit
Umverteilungszielen an die zeitweise mittels Neuverschuldung zeitlich
versetzten Grenzen der Belastbarkeit der Steuerpflichtigen (Lohnsteuer,
Einkommensteuer, Umsatzsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 32, 55, 83, 110, 111,
113, 149, 150, 152, 191, 196, 198, 233, 234, 259, 260; Köbler, WAS; Zeumer, K.,
Die deutschen Städtesteuern, 1878; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von
1654, Diss. Bonn 1892/1893; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen in
Tirol, Tel 1 1901; Bittner, L., Die Geschichte der direkten Staatssteuern im
Erzstifte Salzburg, 1903; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum
Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Schnettler, O.,
Ein Steuerstreit, 1932; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A.
1963; Schräder, B., Die Besteuerung des Bauerntums in der Reichsgrafschaft
Bentheim, 1941; Partsch, G., Die Steuern des Habsburger Urbars (1303-1308),
1946; Mitchell, S., Taxation in Medieval England, 1951; Kirchner, G.,
Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Gerhard, H., Das Steuerwesen
der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Lunt, W., Papal Revenues, 2. A. 1965;
Wachenhausen, M., Staatsausgabe und öffentliches Interesse in den
Steuerrechtfertigungslehren des naturrechtlichen Rationalismus, 1972;
Merzbacher, F., Das Wesen der Steuer, FS H. Paulick, 1973, 255; Schulze, W.,
Reichstage und Reichssteuern im späten 16. Jahrhundert, ZHF 2 (1975), 43;
Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft, 1976; Jenetzky, J., System
und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schuler, P., Reichssteuern
und Landstände, Schauinsland 97 (1978), 39; Hartmann, P., Das Steuersystem der
europäischen Staaten, 1979; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern im
15. Jahrhundert, ZHF 7 (1980), 1; Franke, S., Entwicklung und Begründung der
Einkommensbesteuerung, 1981; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983;
Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Wild, W.,
Steuern und Reichsstandschaft, 1983; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz,
U., 1986, 3. A. 1992; Pausch, A./Pausch, J., Kleine Weltgeschichte der Steuerobrigkeit,
1989; Brown, A., The Governance of Late Medieval England, 1989; Schomburg, W.,
Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Lieb, R., Direkte
Steuerprogression, 1992; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993;
Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Schremmer, E.,
Steuern und Staatsfinanzen, 1994; Voß, R., Steuern im Dritten Reich, 1995;
Schwennicke, A., „Ohne Steuer kein Staat“, 1996; Kumpf, J., 5000 Jahre Steuern
und Zölle, 1996; Amend, A., Von der Kunst, eine Steuerfrage aus einer
Parteifrage in eine Finanzfrage zu verwandeln, 1997; Thier, A.,
Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Hackl,
B., Die theresianische Steuerrektifikation, 1999; Mathiak, W., Zwischen
Kopfsteuer und Einkommensteuer, 1999; Hackenberg, M., Die Verpachtung von
Zöllen und Steuern, 2002; Schremmer, E., Warum die württembergischen
Ertragsteuern von 1821 und die sächsische Einkommensteuer von 1874/78 so
interessant sind, 2002; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des
Nationalsozialismus, 2003; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer-
und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat. Geschichte der
öffentlichen Finanzen, 2005; Johann, U., Die Steuergesetzgebung in der
Bundesrepublik Deutschland von 1983 bis 1998, 2006; Kersting, G.,
Steuerwiderstand und Steuerkultur. Der Kampf gegen das Umgeld im Königreich
Württemberg (1819-1871), 2006
Steuerbewilligung ist
die notwendige Zustimmung der → Landstände zur Steuererhebung durch den
Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
Steuerrecht ist die
Gesamtheit der die → Steuer betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Högemann, W., Das deutsche Steuerrecht unter dem
Einfluss des Nationalsozialismus, Diss. jur. Münster 1993; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Steuerstrafrecht ist
die Gesamtheit der Straftatbestände betreffenden Rechtssätze des →
Steuerrechts. Das S. gewinnt mit der Vermehrung der Steuerlast zunehmende
Bedeutung.
Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A.
1963; Lammerding, J. u. a., Steuerstrafrecht, 6. A. 1993; Poggemann, M., Schuld
und Strafe, 1997
Steward →
Stuart
Steyr →
Landlauf von Steyr
Stiernhöök, Johann
Olafson (1596-1675) wird nach dem Rechtsstudium in Uppsala, Leipzig, Jena,
Wittenberg und Rostock 1630 Hofgerichtsassessor und 1640 Professor in Turku.
1674 veröffentlicht er eine Darstellung des schwedischen, nicht von der
Rezeption erfassten Rechts (De iure Sveonum et Gothorum, Vom Recht der Schweden
und Göten).
Lit.: Stiernhöök, J., De iure Sveonum et Gothorum vetusto,
1672, Neudruck 1962; Jägerskiöld, Johann Stiernhöök, Rättshistorisk Studien 4
(1974), 117; Johan Olofsson Stiernhöök, hg. v. Modeer, K., 1996
Stift ist das
Kollegium kanonisch lebender Kleriker in einer Kirche. Es entsteht im
Frühmittelalter. Seit dem Hochmittelalter ist es Verbandsperson.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schäfer, K.,
Pfarrkirche und Stift, 1903; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und
Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln,
1976; Lill, R., Stifts- und Abteikirchen, 1987; Studien zum weltlichen
Kollegiatstift, hg. v. Crusius, I., 1995; Hankel, H., Die reichsunmittelbaren
evangelischen Damenstifte, 1996; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium,
1999; Studien zum Kanonissenstift, hg. v. Crusius, I., 2001; Die Stiftskirche
in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Dom- und Kollegiatstifte
in der Region Tirol – Südtirol – Trentino in Mittelalter und Neuzeit, hg. v.
Obermair, H. u. a., 2006
Stiftung ist die
Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck durch Rechtsgeschäft. Sie ist
bereits dem römischen Recht im Ansatz bekannt. Im Mittelalter fördert die
Kirche die mildtätige S. Als juristische Person wird die S. im 19. Jh.
anerkannt. Im ausgehenden 20 Jh. bietet die S. eine Möglichkeit der Milderung
der Härten hoher Erbschaftsteuern auf große Vermögen (z. B. dürfen seit 2006 in
der Schweiz 20 Prozent des Einkommens bzw. Gewinns als Spenden steuersparend
geltend gemacht werden).
Lit.: Kaser § 17 III; Köbler, DRG 58, 121; Heimberger, H.,
Die Veränderung des Stiftungszwecks, 1913; Reicke, S., Stiftungsbegriff und
Stiftungsrecht im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 247; Pleimes, D., Die
Rechtsproblematik des Stiftungswesens, Diss. jur. Leipzig 1938; Pleimes, D.,
Weltliches Stiftungsrecht, 1938; Pleimes, D., Irrwege der Dogmatik im Stiftungsrecht,
1954; Ebersbach, H., Die Stiftung des öffentlichen Rechts, 1961; Scheyhing, R.,
Zur Geschichte des Gymnasiums in Ellwangen, ZRG GA 79 (1962), 264; Liermann,
H., Geschichte des Stiftungsrechts (Handbuch des Stiftungsrechts 1), 1963;
Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 1f., hg. v. Berndl, H. u. a.
1970f.; Ebersbach, H., Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972; Deutsches
Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R. u. a., 1977; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und
Stiftung, 1986; Scheyhing, R., Die Gremp’sche Stiftung 1584-1984, ZRG GA 103
(1986), 254; Borgolte, M., Die Stiftungen des Mittelalters, ZRG KA 105 (1988),
71; Mäzenatentum in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Becker, J., 1988;
Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R., 1989; Rexroth, F., Deutsche
Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Borgolte, M., Totale Geschichte
des Mittelalters?, 1993; Siems, H., Von den piae causae zu den Xenodochien,
(in) Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998, 57; Lusiardi, R.,
Stiftung und religiöse Gesellschaft, 1999; Wagner, W., Universitätsstift und
Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg, 1999; Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten,
hg. v. Borgolte, M., Bd. 1 2000; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht,
2002; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts, 2. A. 2002; Alexander, L.,
Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht,
2003; Klostermann, G., Das niederländische privatrechtliche Stiftungsrecht,
2003; Schewe, M., Die Errichtung der rechtsfähigen Stiftung von Todes wegen,
2004; Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne, hg. v.
Borgolte, M., 2005; Schwarz, R., Das Stiftungswesen in der sowjetischen Besatzungszone
und in der Deutschen Demokratischen Republik, 2008; Kästner, K./Couzinet, D.,
Der Rechtsstatus kirchlicher Stiftungen staatlichen Rechts des 19.
Jahrhunderts, 2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr Wirken, 2009; Islamische
Stiftungen zwischen juristischer Norm und sozialer Praxis, hg. v. Meier, A. u.
a., 2009
Stille Gesellschaft ist die
Beteiligung an einem Geschäft ohne tätige Mitwirkung. Die s. G. ist eine nach
außen nicht erkennbare Innengesellschaft. Sie findet sich bereits im
Hochmittelalter. Im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) wird die s.
G. von der → Kommanditgesellschaft geschieden.
Lit.: Köbler, DRG 127, 217; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Engler, C., Die Kommanditgesellschaft
(KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch,
1999
stillschweigend (Adj.) ohne ausdrückliche Willenserklärung erfolgend, gesetzlich oder
geweohnheitsrechtlich geltend (z.
B. Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters)
stilus (M.) curiae (lat.) Schreibart eines Gerichts, Gerichtsgebrauch
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1976
Stimmrecht ist das
Recht, an einer Abstimmung einer Personenmehrheit teilzunehmen. Es gewinnt
insbesondere im 19. Jh. allgemeine Bedeutung.
Lit.: Vogel, B. u. a., Wahlen in Deutschland, 1971
Stintzing, Roderich
von (Altona 8. 2. 1825-Südtirol 13. 9. 1883), Arztssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Jena, Heidelberg, Kiel und Berlin 1848 Rechtsanwalt und 1854
ordentlicher Professor in Basel, Erlangen (1857) und Bonn (1870). Nach
langjährigen Vorbereitungen veröffentlicht er 1880 die Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Müllenbach, B., Zum
100. Todestag von Roderich von Stintzing, ZRG GA 101 (1984), 312
stipendium (lat. [N.])
Steuer, Grundsteuer, Unterstützung
Lit.: Köbler, DRG 32; Adam, T.,
Stipendienstiftungen und der Zugang zu höherer Bildung in Deutschland von 1800
bis 1960, 2008
Stipulatio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht das Versprechen. Es
stellt eines der wichtigsten Geschäfte überhaupt dar. Bei der Stipulation macht
der eine ein (mündliches, formgebundenes) Angebot (lat. centum mihi dari
spondesne [versprichst du, dass mir hundert gegeben werden?]), dem der andere
zustimmt (lat. spondeo [ich verspreche]). Die vielseitig (z. B. für ein Schenkungsversprechen,
die Haftung bei Verkauf oder eine Zinsabrede) verwendbare, einseitig verpflichtende
S. ist im klassischen römischen Recht → Verbalkontrakt (mit der actio ex
stipulatu einklagbar). Zu Gunsten eines Dritten ist die S. ausgeschlossen (lat.
alteri stipulari nemo potest, für einen Dritten kann niemand versprechen). Bei
der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird der besondere
Wortformalismus nicht übernommen (usus modernus pandectarum, moderner Gebrauch
der Pandekten).
Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 III, 8 I, 32 II, 33 I, IV, 38 II,
40 I, 41 VI, 58 III, 59 II; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 19, 22, 27, 45, 164; Seuffert, L., Materialien zur Deutung von
stipulatio in mittelalterlichen Urkunden, ZRG GA 2 (1881), 115; Wolf, J.,
Causa stipulationis, 1970; Simon, D., Studien zur Praxis der
Stipulationsklausel, 1964;; Wesener, G., Zum Weiterleben römischen Rechts
im Frühmittelalter (in) Cinquante anni della Corte costituzionale della
Repubblica italiana, 2006, 1751
Stipulatio (F.) Aquiliana (lat.) ist die von Gaius Aquilius Gallus (66 v. Chr.)
geschaffene, den Geldwert aller gegenwärtig oder künftig gerichtlich
durchsetzbaren Rechte des Stipulanten in einer einzigen Stipulation
zusammenfassende Stipulation (Ausgleichsquittung).
Lit.: Kaser § 54 I 5; Köbler, DRG 29,
44; Sturm, F., Stipulatio Aquiliana, 1972
stipulatio (F.) duplae (lat.) Strafstipulation auf das Doppelte (des Kaufpreises), falls die
verkaufte und dem Käufer übergebene Sache von einem besser Berechtigten
herausverlangt wird (teilweise fingiert)
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 46
Stipulation (Versprechen)
→ stipulatio
Stobbe, Johann
Ernst Otto (Königsberg 28. 6. 1831-Leipzig 19. 5. 1887) wird nach dem Studium
von Philosophie und Rechtswissenschaft in Königsberg, Leipzig und Göttingen
(Merkel, Albrecht, Waitz) 1856 in Königsberg außerordentlicher Professor und
dann ordentlicher Professor, 1859 in Breslau, 1872 in Leipzig. Er veröffentlicht
1860 die Geschichte der deutschen Rechtsquellen (Neudruck 1965) und 1871 ein
Handbuch des deutschen Privatrechts.
Lit.: Friedberg, E., Otto Stobbe, 1887; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978; Scholze, B., Otto Stobbe, 2002
Stock (M.) Gefängnis, Pranger
Stockholm am
Mälarsee erscheint 1252. Im 17. Jh. wird es Hauptstadt Schwedens. Im 19. Jh.
erhält es eine 1960 verfestigte Universität.
Lit.: Dahlbäck, G., I medeltidens Stockholm, 1988; Ullrich,
S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Stockwerkseigentum ist
das besondere Eigentum an einem Teil eines Hauses. Im Gegensatz zum römischen
Recht erscheint es im Mittelalter vor allem in Süddeutschland seit dem 12. Jh.,
in Tirol seit dem 15. Jh. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird S, zurückgedrängt.
Am Ende des 19. Jh.s wird seine Neubildung als rechtlich unmöglich (lat.
superficies solo cedit, der obere Teil weicht dem Grund) ausgeschlossen
(Österreich 1879, deutsches Reich 1900, Schweiz 1907/1911). In der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s tritt das Wohnungseigentum an seine Stelle.
Lit.: Kaser § 26 III 3; Hübner; Ackermann, F., Über
Stockwerkseigentum, Diss. jur. Göttingen 1891; Novak, F., Das
Stockwerkseigentum im Wiener Rechte des Mittelalters, ZRG GA 54 (1934), 89;
Putzer, P., Zur Rechtsgeschichte des Stockwerkseigentums, FS E. Hellbling,
1971, 581; Thümmel, H., Stockwerkseigentum in Baden, Z. f. d. Notariat in
Baden-Württemberg 50 (1984), 5; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum,
ZRG RA 106 (1989), 327; Freundling, G., Echtes altes Stockwerkseigentum in
Bayern, ZRG 116 (1999), 384; Kohl, G., Stockwerkseigentum 2007
Stolgebühr ist die
nach dem Amtsgewand des Geistlichen (Stola) bezeichnete Gebühr für eine
kirchliche Handlung (z. B. Taufe, Trauung, Begräbnis).
Lit.: Freudenberger, T., Der Kampf um die radikale
Abschaffung, Münchner Theol. Z. 1 (1950), 40; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Stölzel, Adolf
(Gotha 28. 6. 1831-Berlin 19. 4. 1919), Stadtsekretärs- und Amtsadvokatensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Marburg und Heidelberg 1860 Richter und 1887
Honorarprofessor. 1872 legt er eine Untersuchung über die Entwicklung des
gelehrten Richtertums in deutschen Territorien vor, 1901 eine Untersuchung über
die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung.
Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 40 (1919),
393
Stracca, Benvenuto
(Ancona 1509-1578), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Jurist
in Ancona. Er veröffentlicht 1553 den (lat.) Tractatus (M.) de mercatura seu
mercatore (Abhandlung vom Handel oder Kaufmann), der mit der Behandlung des
Kaufmanns und seiner Geschäfte die erste wissenschaftliche Darstellung des →
Handelsrechts bildet.
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 2, 1, 1977
Strafaussetzung zur
Bewährung ist die im 20. Jh. nach englischen Vorläufern (1778 Strafkolonien in
Australien) nach amerikanischem Vorbild (Massachusetts 1869, England 1887,
Belgien 1888, Frankreich 1891, bedingte Begnadigung Sachsen 1895) eingeführte
Aussetzung der Vollstreckung einer → Freiheitsstrafe unter der Bedingung,
dass der Täter während einer Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird
(Deutschland Reichsjugendgerichtsgesetz 1923, allgemein Bundesrepublik
Deutschland 1953).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236
Strafe ist das dem
Täter einer Straftat von der Allgemeinheit zuzufügende, das Opfer nicht
entschädigende Übel. Im altrömischen Recht werden Unrechtstaten überwiegend mit
den Mitteln der Hauszucht, des Kriegsrechts, der allgemeinen magistratischen
Zuchtgewalt und des Zivilverfahrens verfolgt und nur in einigen seltenen Fällen
(Landesverrat, Magistratsverletzung) mit einer öffentlichen Strafe
(Enthauptung und Vermögenseinziehung, später auch Geldstrafe) belegt.
Demgegenüber dringt seit dem 3. Jh. v. Chr. die öffentliche Unrechtsverfolgung
allgemein durch. Strafen sind danach Todesstrafe, Verbannung, Ausprügelung,
Zwangsarbeit und Geldstrafe. Justinian vereinigt alle Regelungen in den Büchern
47 und 48 der → Digesten. Inwieweit die Germanen S. kennen, ist
zweifelhaft (Aufhängen bei Volksverrat, im Moor Versenken bei Unzucht). Im
Frühmittelalter überwiegt das → Kompositionensystem. Erst seit dem 11.
Jh. erscheint die S. (wieder allgemeiner) in → Landfrieden, setzt sich
dann aber rasch durch. Sie ist anscheinend bis in das 17. Jh. meist in Geld
ablösbar. Bereits vor dem 12. Jh. sind auch Ansätze eines kirchlichen
Strafrechts erkennbar, die aber erst durch die an das den Gegenstand noch an
verschiedenen Stellen behandelnde Decretum Gratians (um 1140) anschließende Kanonistik
(Bernhard von Pavia [† 1213], Compilatio prima Buch 5 de criminibus et poenis,
Liber Extra Gregors IX. [um 1167.1241]- de poenis) systematisch ausgebaut
werden. Thomas von Aquin legt in seiner auf Aristoteles aufbauenden
Straftheorie die Strafe auf die Sündenstrafe fest und trennt damit die
eigentliche Strafe von strafenden Maßnahmen mit anderen Zielen, wobei ihm die
eigentliche Strafe ein Ausgleichen einer freiwilligen Sünde durch ein
unfreiwilliges Leiden ist. Eine allgemeinere ausführliche Regelung bringt die →
Constitutio Criminalis Carolina (1532). Danach stehen Todesstrafen und
Leibesstrafen im Mittelpunkt, doch tritt auch die → Freiheitsstrafe schon
auf. Für sie entwickelt sich seit dem 16. Jh. der Erziehungsgedanke (→
Zuchthaus). Wohl aus der spanischen Inquisition und der spanischen
Spätscholastik (Alfonso de Castro 1495-1558) stammt die einschränkende
Vorstellung des an den Straftäter gerichteten sittlichen Vorwurfs, die auch zur
Folge hat, dass schuldunabhängige Zwangsmaßnahmen unter Berufung auf ihre
Unverzichtbarkeit für das Wohl der Allgemeinheit zu einem neuartigen
Präventionsrecht neben dem eigentlichen Strafrecht zusammengefasst werden (Zweigleisigkeit).
Das Strafgesetzbuch Josephs II. von Österreich (Allgemeines Gesetzbuch über
Verbrechen und deren Bestrafung, 1787, Jopsephina) verbietet dem Richter
Auslegung und Analogie (lat. nulla poena sine lege, keine Strafe ohne Gesetz).
Im 19. Jh. wird die Resozialisierung des Straftäters in den Vordergrund
gerückt (→ Liszt 1882). Die Todesstrafen und Leibesstrafen werden
überdacht und im 20. Jh. beseitigt. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe wird in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s durch die ökonomischer zu verwendende →
Geldstrafe ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 14, 20, 34, 56, 87, 91,
118, 119, 158, 204, 236, 264; Köbler, WAS; Kohler, J., Das Strafrecht der
italienischen Statuten, 1897; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und
Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Amira, K. v., Die germanischen
Todesstrafen, 1922; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur
Karolina, 1928, Neudruck 1967; Levy, E., Die römische Kapitalstrafe, 1931;
Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937;
Achter, V., Geburt der Strafe, 1951; Bianchi, H., Ethik des Strafens, 1966;
Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970; Polley, R., Die Lehre vom
gerechten Strafmaß, 1972; Abdulmegid Kara, M., The Philosophy of Punishment in
Islamic Law, 1977; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A.
Erler, 1977, 273; Nehlsen, H., Entstehung des öffentlichen Strafrechts, FS H.
Thieme, 1983, 3; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe im Mittelalter, ZRG GA
100 (1983), 53; La Peine, 1989; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche 1993;
Holzhauer, H., Zum Strafgedanken im frühen Mittelalter, (in) Überlieferung,
Bewahrung, 1993, 179; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der
Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur
Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1; Klementowski, M., Die Entstehung
der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der öffentlichen
Strafe im deutschen Reich bis zum 14. Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 217;
Wadle, E., Die peinliche Strafe, (in) Träger und Instrumente des Friedens,
1996, 229; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen
Chronistik Nürnbergs, 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im
Territorialstaat, 1997; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Peters, J.,
Die Entwicklung von Sanktionspraxis und Strafrechtsreform 1871 bis 1933, 2000;
Gellinek, C., Was heißt strafen?, ZRG GA 118 (2001), 385; Herrschaftliches
Strafen seit dem Hochmittelalter, hg. v. Schlosser, H. u. a., 2002;
Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Maihold, H., Strafe
für fremde Schuld?, 2003; Börsch, M., Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben,
2003; Thiel, S., Strafe und Strafverfahren in der freien Reichsstadt Memmingen,
Diss. jur. Würzburg 2003; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113;
Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2005; Kéry, L., Gottesfurcht und
irdische Strafe, 2006; Europäische Strafkolonien im 19. Jahrhundert, hg. v. Da
Passano, M., 2006; Der Strafgedanke in seiner historischen Entwicklung, hg. v.
Hilgendorf, E. u. a., 2007; Emsley, C., Crime, Police and Penal Policy, 2007;
Schauz, D., Strafen als moralische Besserung, 2008; Rosenblum, W., Beyond the
Prison Gates - Punishment and welfare in Germany 1850-1933, 2008
Strafgesetz ist
das Strafe betreffende Gesetz (z. B. [Constitutio criminalis Bambergeensis
1507, Constitutio criminalis Carolina 1532, Constitutio criminalis Theresiana
1768, Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und deren Bestrafung Josephs II.
für die habsburgischen Erbländer 1787,] S. über Verbrechen und schwere
Polizeiübertretungen Österreichs vom 3. 9. 1803, Anlage zum kaiserlichen Patent
vom 3. 9. 1803, JGS 626, S. über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen
Österreichs von 1852, Anlage zum kaiserlichen Patent vom 27. 5. 1852).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StrafgesetzbuchOesterreich1852.htm
Strafgesetzbuch ist das (älteren Gesetzen und Verordnungen über Strafrecht und Strafverfahren wie z. B. der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, der Ordonnance sur le fait de la justice von Villers-Cotterêts von 1539 in Frankreich oder den Strafrechtsverordnungen vom 5. und 6. Juli 1570 in den spanischen Niederlanden folgende,) das → Strafrecht kodifizierende Gesetzbuch (z. B. Westgalizisches S. 1796, Code pénal 1810, Bayern 1813, Oldenburg 1814, Sachsen 1838, Württemberg 1839, Sachsen-Weimar 1839, Hannover 1840, Braunschweig 1840, Sachsen-Altenburg 1841, Hessen 1841, Lippe-Detmold 1843, Sachsen-Meiningen 1844, Schwarzburg-Sondershausen 1845, Baden 1845, Nassau 1849, Preußen 1851 [, Österreich 1852 Neuherausgabe], Sachsen 1855, Deutsches Reich 1871). Es wird in Deutschland 1969 in seinem allgemeinen Teil verändert (Einheitsstrafe, viele Geldstrafen nach Tagessätzen). Die Übertretungen werden überwiegend zu Ordnungswidrigkeiten. 1973/1974 werden die Sexualdelikte liberalisiert, 1976 wird die Wirtschaftskriminalität erfasst, 1980 die Umweltkriminalität, 1986 die Computerkriminalität. In Österreich wird das Strafgesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen vom 3. September 1803, neue Ausgabe zum 1. 9. 1852, durch das Bundesgesetz vom 23. 1. 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch) ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 182, 229;
Stenglein, M., Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Bd. 1ff. 1858; Berner,
A., Die Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, Neudruck 1978; Würtenberger,
T., Das System der Rechtsgüterordnung, 1933, Neudruck 1973; Maes, L., Die drei
großen europäischen Strafgesetzbücher, ZRG 94 (1977), 207; Schubert, G.,
Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der
Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Protokolle
der Kommision für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913), hg. v.
Schubert, W., 1990; Entwürfe der Strafrechtskommission zu einem deutschen
Strafgesetzbuch und zu einem Einführungsgesetz (1911-1914), hg. v. Schubert,
W., 1990; Das Strafgesetzbuch, Sammlung der Änderungsgesetze und
Neubekanntmachungen, hg. v. Vormbaum, T. u. a., Bd. 1f. 1999; Brandt, C., Die
Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002
Strafklage
Lit.: Guthke, T., Die
Herausbildung der Strafklage, 2008
Strafmündigkeit ist die altersbedingte Strafbarkeit. Sie wird im Deutschen Reich 1923 von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt.
Lit.: Köbler, DRG 236; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Dräger, W., Die
Strafmündigkeitsgrenzen, Diss. jur. Kiel 1992
Strafprozess ist
das gerichtliche Verfahren, in dem über das Vorliegen einer Straftat und die
dafür zu verhängende Strafe verhandelt wird. Es unterscheidet sich bereits im
altrömischen Recht vom Zivilverfahren, wobei in Rom ohne weiteres vom privaten
Prozess in den Strafprozess gewechselt wird. Im Hochmittelalter wird diese
Unterscheidung erneut aufgegriffen. Dabei stehen → Akkusationsprozess
und → Inquisitionsprozess nebeneinander. Der von der nichtöffentlichen
Untersuchung samt → Folter gekennzeichnete, mehr und mehr vorherrschende
Inquisitionsprozess mit seinem → endlichen Rechtstag wird von der
Aufklärung bekämpft und zu Beginn des 19. Jh.s durch ein öffentliches rechtsstaatliches
Verfahren ersetzt (Frankreich 1808 Code d’instruction criminelle), in dem
Untersuchung (→ Staatsanwalt) und Entscheidung (Richter) getrennt sind.
In Österreich wird dieser S. 1850 (bis 1853) und 1873 aufgenommen (Reform
2008)..
Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 20,
34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, 1879, Neudruck 1973; Esmein, A., Histoire de la procédure criminelle
en France, 1882; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur.
Heidelberg 1904; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de
Valenciennes, 1904; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in
Schwaben im späteren Mittelalter, 1910; Schröder, R., Eine strafprozessualische
Verordnung des Königs Ruprecht, ZRG GA 34 (1913), 433; Schmidt, E., Fiskalat
und Strafprozess, 1921; Fels, H., Der Strafprozess der preußischen
Criminalordnung von 1805, Diss. jur. Bonn 1932; Schmidt, E.,
Inquisitionsprozess und Rezeption, 1944; Schmidt, E., Deutsches
Strafprozessrecht, 1967; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau,
P. u. a., 1984; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v.
Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988f.; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG
GA 106 (1989), 239; Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses
(1903-1905), hg. v. Reichsjustizamt 1905, neu hg. v. Schubert, W., 1991;
Sellert, W., Borgerlike, pinlike und misschede klage, (in) Überlieferung,
Bewahrung, 1993, 321; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 4. A. 1995;
Blusch, C., Das bayerische Strafverfahrensrecht von 1813, 1997; Friedländer,
H., Interessante Kriminal-Prozesse, 1999 (CD-ROM); Ermann, J., Strafprozess,
öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, 2000; Schmoeckel, M.,
Humanität und Staatsraison, 2000; Nobis, F., Die Strafprozessgesetzgebung der
späten Weimarer Republik, 2000; Rudolph, H., Eine gelinde Regierungsart, 2001;
Ignor, A., Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002;
Langbein, J., The Origins of Adversary Criminal Trial, 2003; Reuber, S., Der
Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Die Quellen sprechen lassen, hg. v.
Emberger, G. u. a., 2009
Strafprozessordnung ist
das das Strafverfahren bzw. den Strafprozess ordnende Gesetz. Eine solche S.
stellt bereits die → Constitutio Criminalis Carolina von 1532 dar, die
auch Strafrecht enthält. Auf den Strafprozess beschränkt sind aber die
Strafprozessordnungen der späteren Zeit (Code d’instruction criminelle
Frankreich 1808, Baden 1844, Preußen 1849, Österreich 1850/1853/23. 5. 1873
[RGBl. 1873, 119], Strafprozessordnung des Deutschen Reiches 1877/1879).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 263, 264;
Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1908, neu hg. v. Schubert, W., 1991;
Protokolle der Reichstagsverhandlungen, Bericht der 7. Kommission des
Reichstags (1910-1911) zur Beratung der Entwürfe einer Strafprozessordnung,
1910f., neu hg. v. Schubert, W., 1991; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte
der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kleinheyer, H., Die Regensburger
peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Entstehung und Quellen der
Strafprozessordnung von 1877, hg. v. Schubert, W./Regge, J., 1989; Bottenberg,
F., Die hamburgische Strafprozessordnung von 1869, 1998
Strafprozessrecht →
Strafprozess, Strafprozessordnung
Lit.: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts,
hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.
Strafrecht ist
die Gesamtheit der Straftatbestände mit → Strafe bzw. Strafandrohungen
verknüpfenden Rechtssätze. Öffentliches S. entwickelt sich erst mit der
Festigung öffentlicher Herrschaft. Die ersten Regeln entstehen wohl
gewohnheitsrechtlich. Vermutlich früh werden aber auch Bestimmungen bewusst
gesetzt (z. B. Digesten, Landfriede). Eine erste Zusammenfassung bieten die
Bücher 47 und 48 der → Digesten, im Spätmittelalter die Halsgerichtsordnungen,
vor allem die → Constitutio Criminalis Carolina (1532). Inhaltlich
beginnt, ausgehend von der allmählichen Unterscheidung von Buße und Strafe
(Ansätze eines kirchlichen Strafrechts vielleicht schon vor dem 12. Jh.,
systematischer Ausbau seit dem Decretum Gratians) und der kirchlichen Beichte,
die spanische Spätscholastik und Naturrechtslehre des 16. Jh.s mit zunächst
moraltheologischen Begriffen die Individualisierung, Subjektivierung und
Psychologisierung des Strafrechts, welche die Kriminalpsychologie seit dem
ausgehenden 18. Jh. mit säkularisierten Begriffen und empirischer Methode
weiterführt. Etwa seit dieser Zeit werden besondere Strafgesetzbücher geschaffen
(z. B. Frankreich 1810, Bayern 1813 Feuerbach), in denen teilweise harte
Strafen abgeschafft, präventive Strafzwecke anerkannt und psychologische
Befragung und richterliche Ermessenspielräume eröffnet werden. Zu dieser Zeit
wird bereits ein allgemeiner Teil des Strafrechts entwickelt, der die
allgemeinen Bestandteile einer Straftat festlegt. Aufklärung und Liberalismus
bemühen sich weiter um ein rechtsstaatliches S. (1871 Reichsstrafgesetzbuch).
Die rechtstatsächliche Bedeutung des Strafrechts ist trotz aller seit dem
späten 19. Jh. einsetzenden Bemühungen um die Resozialisierung des Straftäters
groß.
Lit.: Kaser § 2 II 1b; Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 1,
2, 3; Köbler, DRG 8, 138, 140, 158, 159; Wielant, F. (1441-1520), Corte
instructie in materie criminele, 1510, hg. v. Monballyu, J., 1995 (erste
umfassende Darstellung des Strafrechts und Strafprozessrechts nördlich der
Alpen); Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Günther,
L., Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Stephen, J., A history of the criminal
law of England, Bd. 1ff. 1883, Neudruck 1964; Friese, V., Das Strafrecht des
Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der
Scholastik, Bd. 1f. 1907ff.; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, Neudruck
1958; Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Heusler, A., Das
Strafrecht der Isländersagas, 1911; Rau, F., Beiträge zum Kriminalrecht der
freien Reichsstadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1916; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Liszt,
F./Schmidt, E., Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 25. A. 1927; His, R.,
Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928; Schaffstein, F.,
Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Dahm, H., Das
Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Skeil, J., Den norske
strafferett, Bd. 1 1937; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Schubert,
G., Der Einfluss des kirchlichen Rechts auf das weltliche Strafrecht der
Frankenzeit, 1937; Koch, J., Die Strafrechtsbelehrung des Volkes von der
Rezeption bis zur Aufklärung, 1939; Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht,
1947; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen
1949; Oehler, D., Wurzel, Wandel und Wert der strafrechtlichen Legalordnung,
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der Herrschaft Kißlegg, 1961; Guggenheim, T., Die Anfänge des strafrechtlichen
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(1792-1877) als Strafrechtslehrer, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966);
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Edmund Mezger (1883-1962), 2000; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000;
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Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v.
Weitzel, J., 2002; Karitzky, H., Eduard Kohlrausch, 2002; Nedden, C. zur, Die
Strafrechtspflege im Königreich Westphalen, 2003; Frenz, B., Frieden,
Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Müller, C.,
Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Röthlin, N., Die Verbesserung des
Strafrechts nach Montesquieu und Beccaria, ZRG GA 121 (2004), 238; O’Sullivan,
C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005; Kéry, L.,
Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht,
2006; Landau, P., Lehrbuch conta Fälschung, DA 62 (2006), 505; Reulecke, M.,
Gleichheit und Strafrecht im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts,
2007; Der Strafrechtsgedanke in seiner historischen Entwicklung, hg. v.
Hilgendorf, E. u. a., 2007; Asholt, M., Straßenverkehrsstrafrecht,
2007; Ludwig, U., Das Herz der Justitia, 2008; Stübinger, S., Das idealisierte
Strafrecht, 2008; Vormbaum, T., Einführung in die moderne
Strafrechtsgeschichte, 2009; Kesper-Biermann, S., Einheit und Recht -
Strafgesetzgebung, 2009
Straftheorie ist die Überlegung über den → Strafzweck.
Lit.: Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck
1958
Strafurteil
Lit.: Hülle, W., Das
rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965
Strafvereitelung ist die Verhinderung der Bestrafung eines Straftäters.
Lit.: Ebert, U., Die Strafvereitelung, ZRG GA 110 (1993),
1; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002
Strafverfahren → Strafprozess
Lit.: Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235,
263; Kleinheyer, G., Untersuchungsrecht und Entschädigungspflicht in der Geschichte
des Strafverfahrens, ZRG GA 108 (1991), 61; Weitzel, Strafe und Strafverfahren
in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Schulz, L., Normiertes
Misstrauen, 2001; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen
Städten vor 1300, 2003; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV. Lateranum und
die Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05
Strafverteidiger ist
der Rechtsanwalt im Strafprozess. → Verteidiger
Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905;
Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg
im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; König,
S., Vom Dienst am Recht, 1987
Strafvollzug ist
die Vollstreckung der → Strafe. Der S. erfolgt seit dem Hochmittelalter
durch den Richter und den → Henker oder → Scharfrichter als seinen
Vollstreckungsgehilfen. Seit dem 16. Jh. wird das besondere → Zuchthaus
eingerichtet. Im 20. Jh. wird der S., ausgenommen die nationalsozialistische
Zeit, in der die Zahl der Inhaftierten (von 1928 rund 50000) bis 1944 auf rund
200000 steigt, mehr und mehr verrechtlicht (Deutschland 16. 3. 1976).
Lit.: Köbler, DRG 203, 265; Deutsches Gefangenenwesen, hg.
v. Bumke, E., 1928; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74
(1957), 119; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton
Solothurn, 1957; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74
(1957), 119; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen
Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Hänsel-Hohenhausen, M., Strafvollzug im Jahre
1848, ZRG GA 104 (1987), 283; Strafvollzug und Schuldproblematik, 1988;
Strafvollzug im Dritten Reich, hg. v. Jung, H. u. a., 1996; Walz, K., Soziale
Strafrechtspflege in Baden, 1999; Humaner Strafvollzug und politischer
Missbrauch, hg. v. Fricke, K., 1999; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs,
1999; Schenk, C., Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in
Deutschland, 2001; Brennpunkt Strafvollzug, hg. v. Baechtold, A., 2002;
Strafvollzug und Straffälligenhilfe in Europa, 2003; Riemer, L., Das Netzwerk
der Gefängnisfreunde, 2005; Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der
politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern, hg. v. Politische Memoriale
e. V., 2006; Vormbaum, T., Kriminologie- und Strafvollzugsgeschichte,
Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 221ff.
Strafzweck ist der
von der → Strafe verfolgte Zweck. Im Mittelalter scheinen Vergeltung und
Unschädlichmachung die hauptsächlichen Strafzwecke zu sein. Noch für →
Kant im 18. Jh. (1797) und → Binding im 19. Jh. bildet allein die
Straftat, deren Unrecht durch Vergeltung ausgeglichen werden muss, den Grund
der Strafe (absolute Straftheorie). Demgegenüber stellen die relativen Straftheorien
das Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund. Nach einer Ansicht geht es
dabei um die Abschreckung des Straftäters (→ Spezialprävention, v. →
Grolman 1775-1829), nach anderer Ansicht auch um die Abschreckung Dritter (→
Generalprävention, → Feuerbach 1775-1833). Nach Franz von → Liszt
(1851-1919, Marburger Programm 1882) ist der Täter für sein sozialschädliches
Verhalten zu bestrafen, weshalb die Spezialprävention nach Tätertypen unterschieden
werden soll. Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten,
verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die
Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt
werden. Hiervon dringt der Resozialisierungsgedanke im 20. Jh. weiter vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 204, 264; Döring,
W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Henrici, A., Die Begründung
des Strafrechts in der neueren deutschen Rechtsphilosophie, Diss. jur. Zürich
1960; Seelmann, K., Zum Verhältnis von Strafzweck und Sanktionen, Z. f. d. ges.
StrafRWiss. 1989, 355; Telp, J., Ausmerzung und Verrat, 1999; Bastelberger, M.,
Die Legitimität des Strafrechts und der moralische Staat, 2006; Stübinger, S.,
Das idealisierte Strafrecht, 2008; Strafzweck und Strafform, hg. v. Schulze, R.
u. a., 2008
Stralsund ist die
der Insel Rügen südlich gegenüberliegende Hansestadt → lübischen Rechts
(1234), die ein bedeutsames Stadtbuch überliefert.
Lit.: Ebeling, R., Das älteste Stralsunder Bürgerbuch (1319
bis 1348), 1926; Rehme, P., Neues über Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58
(1938), 674; Koeppen, H., Führende Stralsunder Ratsfamilien, 1938; Der
Stralsunder Liber memorialis, bearb. v. Schroeder, H., Bd. 1ff. 1964ff.;
Langer, H., Stralsund 1600-1630, 1970; Ewe, H., Geschichte der Stadt Stralsund,
2. A. 1985; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116
(1999); Berwinkel, R., Weltliche Macht und geistlicher Anspruch, 2008
Strandrecht ist das
Recht, sich das am Strand angeschwemmte Gut anzueignen. Es wird im Laufe der
Zeit eingeschränkt (u. a. 1874 Strandungsordnung).
Lit.: Kalthoff, H., Die rechtliche Behandlung des
Strandgutes im römischen Recht, Diss. jur. Rostock 1910; Ebeling, H., Die
Entwicklung des Strandrechts, Diss. jur. Frankfurt am Main 1931; Niitemaa, V.,
Das Strandrecht in Nordeuropa, 1955
Straßburg am Rhein,
um 12 v. oder 16 n. Chr. als römisches Argentorate gegründet, ist seit dem 4.
Jh. Sitz eines Bischofs, der 1146/1147 ein Stadtrecht gewährt, und die seit
1621 Sitz einer Universität (1792/1793 vorübergehend aufgelöst). 1681 wird die
Reichsstadt S. von Frankreich besetzt. Mit dem Elsass ist sie von 1871 bis 1918
Teil des Deutschen Reiches und wird auch während des zweiten Weltkriegs vom
Deutschen Reich besetzt und verwaltet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt
Straßburg, hg. v. Wiegand, W., Bd. 1 1879; Winter, G., Geschichte des Rates in
Straßburg, 1878; Kiener, F., Studien zur Verfasssung des Territoriums der
Bischöfe von Straßburg, 1912; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne,
1935; Festschrift für die Reichsuniversität Straßburg, hg. v. Schmidt, R.,
1941; Wittmer, C., Le livre de bourgeoisie, Bd. 1ff. 1948ff.; Streitberger, I.,
Der königliche Prätor von Straßburg, 1685 bis 1789, 1961; Wunder, G., Das
Straßburger Gebiet, 1965; Wunder, G., Das Straßburger Landgebiet, 1967;
Histoire de Strassbourg, hg. v. Livet, G. u. a., 1980ff.; Cornelissen, C. u.
a., Grenzstadt Straßburg, 1997; Schäfer, H., Juristische Lehre und Forschung,
1999; Schlüter, B., Reichswissenschaft, 2004; Roscher, S., Die
Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 1872-1902, 2006
Straße ist der
planmäßig angelegte, für Fahrzeuge geeignete Verkehrsweg. Im römischen
Altertum besteht ein hervorragendes Straßensystem. Im Mittelalter erscheinen
einzelne rechtliche Bestimmungen für Straßen erst im 13./14. Jh. Als
Bezeichnung einzelner Straßen in Orten setzt sich oberdeutsch gasse,
niederdeutsch strate durch, doch wird seit dem 19. Jh. Gasse weitgehend durch
Straße ersetzt. Im absolutistischen Frankreich beginnt der Bau geplanter
Chausseen, dem im Heiligen römischen Reich nach 1712 gefolgt wird. Seit dem
letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geht man zum systematischen Straßenbau
mit Überwachung und Reparatur über. Eine Verdichtung erfährt das Straßenrecht
seit dem 19. Jh. Seit 1840 leitet die Verwendung von Asphalt, Bitumen und Beton
den modernen Straßenbau ein. Ab 1870 wird das Fahrrad (Niederrad 1877-1884), ab
1885 das Automobil zu einem wichtigen Fortbewegungsmittel, dessen Gefahren
gesetzliche Regelungen erfordern (Frankreich Radfahrrecht 1896, preußische
Radfahrordnung 1899, Allgemeine [deutsche] Straßenverkehrsordnung 1926). In
Deutschland gibt es (2001) 396345 verschiedene Staßennamen, wobei von 1,2
Millionen Straßen 7630 Hauptstraße, 6988 Dorfstraße, 4979 Bahnhofstraße, 2248
Schillerstraße und 2172 Goethestraße heißen.
Lit.: Köbler, DRG 176; Kroeschell, DRG 1; Gasner, E., Zum
deutschen Straßenwesen, 1889; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA
23 (1902), 101; Schrod, K., Reichsstraßen und Reichsverwaltung im Königreich
Italien (754-1197), 1931; Leguay, J., La rue, 1984; Szabó, T., Die Entdeckung
der Straße im 12. Jahrhundert, Studi in onore di C. Violante, 1994, 913; Lay,
M., Die Geschichte der Straße, 1994; Auf den Römerstraßen ins Mittelalter, hg.
v. Burgard, F. u. a., 1997; Müller, U., Infrastrukturpolitik in der
Industrialisierung, 2000; Die Straße, hg. v. Jaritz, g., 2001; Rathmann, M.,
Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des Imperium
Romanum, 2003; Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R.,
2004; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht
um 1900, ZRG GA 122 (2005), 195; Asholt, M., Straßenverkehrsstrafrecht, 2007;
Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 2008; Die Welt der
europäischen Straßen, hg. v. Szabo, T., 2009; Riedi, B., Die Porten der Unteren
Straße, 2009
Straubing
Lit.: Fraundorfer, W.,
Straubing, 1974; Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit
in Straubing, 1999; Retzer, M., Das Patriziergeschlecht der Zeller von
Straubing, 2007
Streik ist die gemeinsam und planmäßig durchgeführte, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Arbeitseinstellung einer verhältnismäßig großen Zahl von Arbeitnehmern. Der S. erscheint nach älteren Vorläufern im 18. Jh. (z. B. in Nürnberg zwischen 1790 und 1800, Bayreuth 1800) in England 1810 (Wort um 1850) und dringt von dort aus im 19. Jh. vor. Er verliert seine Bedeutung, sobald die Arbeitsbedingungen (Lohnhöhen) unter Kostengesichtspunkten nicht mehr verbessert werden können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe
in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bochum 1972; Theorie und
Geschichte des Streikrechts, hg. v. Germelmann, C., 1980; Streik, hg. v.
Tenfelde, K. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985;
Reith, R. u. a., Streikbewegungen deutscher Handwerksgesellen im 18.
Jahrhundert, 1992; Clasen, C., Streiks und Aufstände, 1993; Althaus, H.,
Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit, 1997; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005
Streitbefestigung → litis contestatio
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117, 202
Streitgenossenschaft ist
das Auftreten mehrerer Parteien oder Beteiligter auf einer Seite eines
Rechtsstreits. Eine S. kennt bereits das römische Recht. Von dort aus wird sie
auch im gelehrten Prozessrecht behandelt.
Lit.: Kisch, W., Begriff und Wirkungen der besonderen
Streitgenossenschaft, 1899; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973
stricti iuris (lat.)
strengrechtlich, ohne Entscheidungsspielraum für den Richter
Lit.: Köbler, DRG 42, 62
Stromregal ist im
Hochmittelalter das Recht des Königs am schiffbaren Fluss (Roncaglia 1158). Es
geht rasch auf die Landesherren über.
Lit.: Hübner 297; Kroeschell, DRG 1; Gothein, E., Die
Schiffahrt der deutschen Ströme, 1903; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der
Territorialgewässer, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1949
strudis (lat.-afrk.
[F.]) Zwangsvollstreckung
Lit.: Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912
Struve, Georg Adam
(Magdeburg 27. 12. 1619-Jena 16. 12. 1692), Gutseigentümerssohn, wird nach dem
Studium von Philosophie, Politik, Geschichte und Recht in Jena und Helmstedt
(Conring) 1645 Gerichtsbeisitzer in Halle und 1646 Professor in Jena (1667
Hofrat in Weimar, 1674 Professor des kanonischen Rechts in Jena und Präsident
des Jenenser Juristenkollegiums). 1670 veröffentlicht er (lat.) →
Iurisprudentia (F.) romano-germanica forensis (Römisch-deutsche Gerichtsrechtswissenschaft,
mit unverkennbaren Parallelen zu Hugo Grotius’ Inleydinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleertheyd [1621]) (31. A. 1771, [als eine gründlich neubearbeitete
Auflage des lateinischen Vorbilds] Jurisprudenz oder Verfassung der
landüblichen Rechte, 1689, 8. A. 1737, weiter Syntagma iurisprudentiae secundum
ordinem pandectarum concinnatum, 1655ff.). Darin gibt er auf der Grundlage der
Institutionen die für längere Zeit erfolgreichste Zusammenfassung des bei den
einheimischen Gerichten angewendeten römischen Rechts in vier Büchern (Personenrecht,
Sachenrecht, Schuldrecht, Prozessrecht).
Lit.: Köbler, DRG 114; Struve, B., Pii manes Struviani, 1705;
Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd.
1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Finzel, J., Georg Adam Struve (1619-1692) als
Zivilrechtler, 2003
Stryk, Samuel
(Lentzen/Prignitz 22. 11. 1640-Halle 23. 7. 1710), Amtmannssohn, wird nach dem
Studium von Theologie, Philosophie und Recht in Wittenberg (Ziegler) und
Frankfurt an der Oder (Brunnemann) 1666 außerordentlicher Professor in
Frankfurt an der Oder, 1668 ordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder,
1690 in Wittenberg und 1692 in Halle. Seit 1690 veröffentlicht er einen Pandektenkommentar
mit dem die zeitgenössische Haltung (als usus modernuns pandectarum)
kennzeichnenden Titel (lat.) Specimen (N.) usus moderni pandectarum (Beispiel
des modernen Gebrauchs der Pandekten). Darin verbindet er das römische Recht
mit teils ergänzenden, teils ausschließenden einheimischen Rechtssätzen.
Lit.: Köbler, DRG 137, 144; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Plus petitio, 1974, 95; Luig, K., Samuel Stryk, FS S.
Gagnér, 1991
Stuart ist das aus
der Bretagne kommende, im 11. Jh. erscheinende schottische Geschlecht (Steward,
→ Seneschall), das 1371 das Königtum in → Schottland erlangt und
1603 den Tudors in → England nachfolgt. Die 1688/9 gestürzte Familie
scheidet 1714 endgültig aus der englischen Königsherrschaft aus, besteht aber
in Nebenlinien fort.
Lit.: The Kingdom of the Scots, 1973; Schreiber, H., Die
Stuarts, 1999; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004; Duchein, M., Les
dernier Stuarts, 2006
Stückschuld
(Speziesschuld) ist die auf ein einzelnes Stück bezogene Schuld (im Gegensatz
zur Gattungsschuld bzw. Genusschuld), bei welcher der Schuldner bei durch Zufall
verursachter Unmöglichkeit von seiner Verpflichtung frei wird..
Student ist der junge Mensch während des → Studiums.
Lit.: Brunck, H., Die Deutsche Burschenschaft,
1999
Studium ist die
durch wissenschaftliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgende
Ausbildung der Studenten an → Universitäten, dessen Dauer bereits an den
spätantiken Rechtsschulen 3 bis 5 Jahre beträgt. Im Mittelalter beginnt das
Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten meist tatsächlich nach
einem Studium der freien Künste (mit etwa 20 Jahren). Ein eigentliches
Berufsbild des Juristen gibt es bis in das 15. Jahrhundert nicht und bei der
Besetzung führender Stellen sind persönliche und ständische Beziehungen noch
wichtiger als ein Studium, doch verbessert das Rechtsstudium für Studierende
aus einfacheren Verhältnissen bereits die Wahrscheinlichkeit des späteren
Erwerbs einer Pfründe oder einer Anstellung. Im 16. Jh. kann nach einem
Grundstudium (in Deutschland und Frankreich) das Bakkalaureat erworben werden,
während die eigentliche Abschlussprüfung im Lizentiat besteht, dem der
kostspielige Formalakt der Promotion (nach durchschnittlich zehn Studienjahren)
folgen kann. Wegen der Mängel der universitären Prüfungen treten ihnen im 18.
Jh. staatliche Aufnahmeprüfungen (seit 1846 mit Professoren und Praktikern als
Prüfern) für eine praktische Ausbildung im Staatsdienst zur Seite (in Preußen
1849/1851 erstmals eine einheitliche Regelung für die – dreiphasige -
Ausbildung von Richtern, Staaatsanwälten und Rechtsanwälten, 1869 Justizausbildungsgesetz),
die allmählich die Universitätsprüfungen (Promotionen) für die berufliche
Tätigkeit bedeutungslos werden lassen. → Jurist
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 186; Köbler, G., Zur
Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768;
Burmeister, K., Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus, 1974;
Dokumente zur Studiengesetzgebung in Bayern in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, bearb. v. Dickerhof, H., 1975; Humanismus im Bildungswesen, hg.
v. Reinhard, W., 1984; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Titze, H.,
Datenbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff.; Geschichte der
Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Frassek, R.,
Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in
den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der
juristischen Staatsexamina, 1995; Wieling, H., Rechtsstudium in der Spätantike,
JuS 2000, 10; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Kühn, U., Die Reform
des Rechtsstudiums zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen, 2000; Bäumer,
M., Die Privatrechtskodifikation im juristischen Universitätsstudium, 2008
Stuhl ist die
künstlich geschaffene Sitzgelegenheit. Sie ist vielfach ein Kennzeichen des
Richters.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Stuhlweißenburg (Székesfehervar) ist eine im 11. Jahrhundert erstmals
erwähnte, im 18. Jahrhundert überwiegend deutschsprachige Stadt in Ungarn,
deren Recht insbesondere im sog. Diploma Leopoldinum vom 23. 10. 1703 greifabr
ist.
Lit.: Pavlakovich-Mosonyi, M., Das Stadtrecht von Stuhlweißenburg, Diss.
jur. Mannheim 2000
Stundung ist die bereits dem römischen Recht bekannte zeitliche Hinausschiebung der → Fälligkeit einer → Forderung.
Lit.: Kaser § 38 III 1
stuprum (lat. [N.]) Unzucht
Lit.: Köbler, DRG 35
Sturmabteilung (SA)
ist die 1920 als Versammlungsschutz der → Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei gegründete uniformierte Kampftruppe mit 1933 etwa
700000 Mitgliedern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Stuttgart in Württemberg ist von 1781 bis 1794 Sitz einer
Universität.
Lit.: Uhland, R., Geschichte
der hohen Karlsschule in Stuttgart, 1953
Stutz, Ulrich (Zürich 5. 5. 1868-Berlin 6. 7. 1938) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich und Berlin (Gierke, Hinschius) (ohne Habilitation) 1895 außerordentlicher Professor in Basel, 1896 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, 1904 in Bonn und 1917 in Berlin. Bereits in seiner Dissertation entwickelt er die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechts (1895). Auf dieser Grundlage setzt er sich erfolgreich für eine besondere kirchliche Rechtsgeschichte ein.
Lit.: Schultze, A., Ulrich Stutz, ZRG GA 59 (1939), XVII
Stüve, Johann Carl
Bertram
Lit.: Stüve, J., Briefe, hg. v. Vogel, W., 1959
Suárez, Francisco de (1548-Lissabon 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Salamanca Jesuit und seit 1570 Lehrer der Philosophie und Theologie. In einzelnen Abhandlungen befasst er sich spätscholastisch mit Rechtsfragen, wobei er Gott als Gesetzgeber betrachtet. Seine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) naturae (Naturrecht) und ius gentium (Völkerrecht) beeinflusst Hugo → Grotius.
Lit.: Köbler, DRG 140; Rommen, H., Die Staatslehre des
Francisco de Suárez, 1927; Sóla, F. de P., Suárez y las ediciones de sus obras,
1948; Giers, J., Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez, 1962; Alexandrino
Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005
Subinfeudation (F.) Unterbelehnung
Subjektives Recht ist das Recht des Einzelnen (z. B. Eigentum). Es steht im Gegensatz zum objektiven → Recht und zum bloßen Rechtsreflex. Gedanklich erkannt wird es am Ende des 18. Jh.s (→ Glück). Vom Nationalsozialismus wird es bekämpft. Das subjektive öffentliche Recht ist das (einklagbare) subjektive Recht innerhalb des öffentlichen Rechts, das Carl Friedrich Gerber (Über öffentliche Rechte, 1852) herausarbeitet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 208, 238; Das
subjektive Recht, hg. v. Coing, H. u. a., 1962, 29; Thoss, P., Das subjektive
Recht in der gliedschaftlichen Bindung, 1968; Nörr, K., Zur Frage des
subjektiven Rechts in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, FS H. Lange,
1992, 193
subpignus (lat. [N.])
Unterpfand
Lit.: Kaser § 31 III 2a
subreptio (lat. [F.])
Erschleichung durch Verschweigung
subsidium (lat.
[N.]) Unterstützung, Hilfsleistung
Lit.: Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506,
bearb. v. Bünz, E., 2004
Subsidiarität ist
die Nachrangigkeit. Nach der neueren katholischen Soziallehre (1931) besteht
bei einem Nebeneinander mehrerer Aufgabenträger S. des umfassenderen (höheren)
Aufgabenträgers gegenüber dem kleineren (sachnäheren) Aufgabenträger. Die S.
ist im Grundsatz aufgenommen im Grundgesetz Deutschlands (Art. 23 GG) und in
der Europäischen Union.
Lit.: Das Subsidiaritätsprinzip, hg. v. Utz, A., 1953;
Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969; Subsidiarität,
hg. v. Nörr, K. u. a., 1997; Subsidiarität als rechtliches und politisches
Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, hg. v. Blickle, P. u. a.,
2002
Substanz (F.) selbständig
Seiendes, Stoff
Substitution (F.) Ersatzberufung (z. B. zum Ersatzerben, vgl. die §§ 604ff.. ABGB)
Subsumtion (Darunternahme) ist die
durch Vergleichung und Bejahung der Gleichheit (oder Ablehnung der Gleichheit)
erfolgende Zuordnung bzw. Zurechnung eines einzelnen besonderen Sachverhaltes
zu einem allgemeinen Tatbestand eines Rechtssatzes. Sie wird im ausgehenden 18.
Jh. als solche im Recht gedanklich erfasst. Sie steht wegen der von ihr
abhängigen logischen Zuordnung der allgemeinen Rechtsfolge des Rechtssatzes zu
dem Sachverhalt im Mittelpunkt der Rechtsanwendung.
Lit.: Köbler, DRG 117; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986
Sudetenland ist
seit 1912 die Bezeichnung für das Siedlungsgebiet der überwiegend
deutschsprachigen Bewohner Deutsch-Mährens, Deutsch-Böhmens und Österreichisch-Schlesiens.
Im Oktober 1918 rufen die Bewohner der nördlichen Gebiete die
deutsch-österreichsische Provinz S. aus und treten im November 1918 der
Republik Deutschösterreich bei, doch erklärt der Friedensvertrag von Saint
Germain den Beitritt als unwirksam und gleidern das Gebiet der Tschechoslowakei
ein.Am 29. 9. 1938 wird das S. im Münchener Abkommen von der →
Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten (29000 Quadratkilometer, 3,4
Millionen Einwohner). 1945 kommt es unter Vertreibung der Deutschen an die →
Tschechoslowakei zurück. Das Wort sudetendeutsch wird anscheinend erstmals
1903 von dem Politiker Franz Jesser (1869-1854) verwendet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreiber, R., Der
Elbogener Kreis, 1935; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 1987, 3. A. 1997;
Franzel, E., Sudetendeutsche Geschichte, 1990; Gebel, R., Heim ins Reich, 1998;
Zimmermann, V., Die Sudetendeutschen im NS-Staat, 1999; Odsun. Die Vertreibung
der Sudetendeutschen, hg. v. Hoffmann, R, u. a., 2000; Hundert Jahre
sudetendeutsche Geschichte. Eine völkische Bewegung in drei Staaten, hg.v.
Hahn, H., 2007; Brandes, D., Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, 2008;
Anders, F., Strafjustiz im Sudetengau 1938-1945, 2008
Südosteuropa ist der südöstliche Teil Europas. → Albanien, Balkan, Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Jugoslawien,
Mazedonien, Osmanen, Rumänien, Serbien, Siebenbürgen, Türkei, Zypern
Lit.: Klebel, E.,
Siedlungsgeschichte des deutschen Südostens, 1940; Kaser, K., Südosteuropäische
Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2002; Südosteuropa, hg. v.
Hatschikjan, M. u. a., 1999; Umstrittene Identitäten, hg. v. Brunnbauer, U.,
2002; Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, hg. v. Hösch, E. u. a., 2004;
Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2004;
Politische Kultur in Südosteuropa, hg. v. Mosser, A., 2006
Südtirol ist der
südlich des Alpenhauptkamms gelegene Teil → Tirols, den 1919 →
Italien als Lohn für seinen Eintritt in den ersten Weltkrieg auf Seiten der
alliierten Siegermächte (Zusage Englands 1912) erhält (1918 3 Prozent der
Bevölkerung italienischsprachig). Es wird seit 1922 intensiv italienisiert
(von Adolf Hitler gebilligt, 90 Prozent der staatlichen Stellen mit
Italienischsprachlern besetzt). Am 23. 6. 1939 wird zwischen dem Deutschen
Reich und Italien ein Optionsabkommen unterzeichnet, nach dem die für das
Deutsche Reich optierenden Bewohner in das Deutsche Reich (geschlossen)
ausgeiedelt werden sollen. Danach entscheiden sich von 246036 Abstimmungsberechtigten
211799 für die deutsche Staatsbürgerschaft. Etwa 75000 Südtiroler werden
tatsächlicha ausgesiedelt, wovon etwa 21000-22000 bis 1952 wieder zruückkehren.
Nach 1945 (Niederlage Italiens im zweiten Weltkrieg) erhält S. auf
internationalen Druck (Gruber-Degasperi-Abkommen 1946, Pariser Vertrag)
beschränkte Autonomie (Autonomiestatut vom 29. 1. 1948 [italienische Mehrheit
durch Zusammenfügung mit der Provinz Trient zur Region Trentino-Alto Adige],
nach Kundgebungen und Attentaten [11./12. 6. 1961] verbessertes Südtirolpaket
1971, 20. 1. 1972 zweites Autonomiestatut in Kraft, autonome Region
Trentino-Südtirol, Provinz Bozen, 1972 67,99 Prozent Deutsche, 27,65 Prozent
Italiener, 4,36 Prozent Ladiner in der Provinz Bozen, trotz amtlicher Zweisprachigkeit
finden nur etwa 25 Prozent der Gerichtsverfahren in deutscher Sprache statt,
2000 sprechen sich bei einer Stichprobenbefragung der nichtitalienischsprachigen
Bevölkerung die meisten für Selbständigkeit, 39 Prozent für eine Rückkehr zu
Österreich und 7 Prozent für einen Verbleib bei Italien aus, 2001 69,15 deutschsprachig,
26,47 italienischsprachig, 4,37 ladinischsprachig).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 173, 220,
223; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche
Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907),
311; Steininger, R., Los von Rom?, 1987; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 3. A.
2001; Südtirol und der Pariser Vertrag, 1988; Corsini, U./Lill, R., Südtirol,
1988; Zeller, K., Volkszählung und Sprachgruppenzugehörigkeit, 1991; Egen, A.
v., Die Südtirol-Frage, 1997; Grigolli, S., Sprachliche Minderheiten, 1997;
Steininger, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1999; Steininger, R., Südtirol
1918-1999, 1999; Steininger, R., Südtirol, 2000; Südtirol Chronik, koord. v.
Thaler, B., 2000; Gruber, A., Geschichte Südtirols, 2000; Durnwalder, M., Die
Reform des Südtiroler Autonomiestatuts, 2005; Mahlknecht, B., Von großen und
kleinen Übeltätern, 2005; Gehler, M., Eduard Reut-Nicolussi und die Südtirolfrage
1918-1958, 2006; Brunner, V./Ladurner, T./Zeller, K., Volkszählung in Südtirol,
2007; Akten zur Südtirolpolitik, hg. v. Steininger, R., Bd. 1ff. 2007ff.;
Golowitsch, H., Für die Heimat kein Opfer zu schwer, 2009
Suebe ist der Angehörige des elbgermanischen, in
der Völkerwanderung nach Nordwestspanien gelangten Volkes.
Lit.: Hamann, S., Vorgeschichte
und Geschichte der Sueben in Spanien, 1971; Suevos – Schwaben. Das
Königreich der Sueben auf der iberischen Halbinsel (411-585), hg. v. Koller, E./Laitenberger,
H.,1998
Suffraganbischof (M.)
Hilfsbischof (seit 779)
Sühne ist ein
Ausgleich (Versöhnung) für ein rechtswidriges Verhalten. Auf S. beruht auch das
→ Kompositionensystem, das seit dem Hochmittelalter in einem bis zum 17.
Jh. reichenden Vorgang von der Strafe verdrängt wird. An einzelnen Stellen
sehen Rechtsregeln einen erfolglosen außergerichtlichen Sühneversuch als
Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 117; Beyerle,
F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Jörg, P., Der
Heidingsfelder Sühnebildstock, 1948; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963; Crößmann, K., Sühneverträge der Stadt Frankfurt
am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA
122 (2005), 113
Sui heredes (M.Pl. [seine
Erben]) sind seit dem altrömischen Recht die Hauserben. Das sind alle Menschen,
die durch den Tod des Hausvaters gewaltfrei werden.
Lit.: Kaser §§ 65 II, III, 66 I, 71 I; Köbler, DRG 23
sui iuris (lat.)
selbstmächtig, frei von väterlicher Hausgewalt(, aber gegebenenfalls unter
Vormundschaft z. B. Minderjährige, Frauen)
Lit.: Kaser § 12 I 3; Köbler, DRG 23
Sukzession (F.)
Nachfolge
Summa (lat. [F.])
ist im juristischen Schrifttum die bereits für → Irnerius (1060?-1125?)
bezeugte, aus einleitenden Schriften zu einzelnen Titeln der justinianischen
Kompilation erwachsende, zusammenfassende Betrachtung (Summe) des Inhalts
eines Textes wie z. B. die s. codicis Azos (um 1210), die s. codicis des Placentinus,
die s. des Odofredus oder des Huguccio.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 107; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Weimar, P., Zur
Entstehung der azoschen Digestensumme, (in) Satura R. Feenstra, 1985, 371; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 402
Summa (F.) legum brevis levis et utilis → Raymund von Wiener Neustadt
Summa (F.) Perusina ist das (in Perugia) zwischen dem 7. und 9. Jh. entstandene Werk zum → Codex.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
summarisch (zusammenfassend
und dadurch beschleunigend)
Summarischer Prozess
ist seit dem Spätmittelalter der durch Vereinfachung beschleunigte gelehrte Prozess.
Der unbestimmte summarische Prozess ist durch Fristabkürzungen und Verringerung
der Schriftwechsel gekennzeichnet (z. B. Besitzprozess,
Rechnungslegungsprozess, Bauprozess), der bestimmte summarische Prozess durch
die vorläufige Einengung der Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten (z. B.
Mandatsprozess, Arrestprozess, Wechselprozess, Exekutivprozess). Der
summarische Prozess wirkt noch im 20. Jh. nach.
Lit.: Schmidt, E., Theorie der summarischen Prozesse, 1791;
Bayer, H., Theorie der summarischen Prozesse, 7. A. 1859; Wach, A., Der
italienische Arrestprozess, 1868; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914
summarisches Verfahren →
summarischer Prozess
Summe → summa
Summepiskopat ist
das landesherrliche Kirchenregiment des evangelischen Kirchenrechts bis 1918.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Summum ius summa iniuria (lat.). Größtes Recht größtes Unrecht.
Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri,
1966, 128; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43, De
officiis 1 § 33)
Sünde ist die
Verletzung eines christlichen Gebots oder Verbots.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Neumann, F.,
Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007
Sunnis (lat.-afrk.
[F.]) ist (das auf) Wahrheit (beruhende Hindernis für das Erscheinen vor
Gericht).
supan (slaw. [M.])
Führer, Dorfmeister
Lit.: Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968;
Hardt, M., Der Supan, ZOF 39 (1990), 161
superficies (lat. [F.]) Erbbaurecht (zuerst auf öffentlichen, später auch auf privaten
Grundstücken eingeräumtes, vererbliches und veräußerliches entgeltliches
beschränktes dingliches Recht an fremden Grundstücken)
Superficies solo cedit ist die bereits bei Gaius (um 160 n. Chr.) belegte römische Rechtsregel, nach der das Recht am Grundstück die Rechtsverhältnisse an den auf ihm errichteten Dingen (superficies, Überbau, Oberfläche, Bauwerke, Pflanzen) bestimmt, so dass dem Grundstückseigentümer auch der etwa vom Erbbauberechtigten errichtete Überbau gehört, wobei allerdings das Eigentum des Grundeigentümers durch das beschränkte dingliche Recht des Erbbauberechtigten sehr eingeschränkt ist und der Erbbauberechtigte durch Interdikte und eine (lat.) actio (F.) in rem geschützt wird.. Der Rechtsregel widersprechen das → Stockwerkseigentum und das → Wohnungseigentum.
Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 30 II 2; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gaius, um 120-180, Institutionen 2 § 73); Biermann,
J., Superficies solo cedit, Ih. Jb. f. d. Dogm. 34 (1895), 169; Meincke, J.,
Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971), 136; Rainer, J., Superficies und
Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Kohl, G., Stockwerkseigentum, 2007
Superflua non nocent (lat.). Überflüssige Worte
schaden nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Augustinus,
354-430, De civitate Dei 4, 27)
Supplik (F.) Bittschrift
Lit.: Hülle, W., Das Supplikenwesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973),
194; Suppliche e <<gravamina>>. Politica, amministrazione, giustizia
in Europa (secoli XIV-XVIII) a cura di Nubola, C. u. a., 2002; Bittschriften
und Gravamina, hg. v. Nubola, C. u. a., 2005
Supplikation ist
die Einreichung einer Bittschrift. Im spätantiken römischen Recht ist die
formfreie (lat. [F.]) supplicatio ad principem (Bittschrift an den Kaiser) ein
Rechtsmittel gegen Urteile des Appellationsgerichts. Mit der Aufnahme des
gelehrten Prozessrechts wird die S. seit dem Spätmittelalter im Heiligen
römischen Reich (deutscher Nation) als Rechtsmittel eingeführt (z. B. 1600
gegen Endurteile der Obergerichte). Seit dem 18. Jh. übernimmt die S.
teilweise die Aufgaben der → Revision. Im 19. Jh. verdrängt die Revision
die S.
Lit.: Köbler, DRG 56, 155; Hülle, W., Das
Supplikationswesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e
<<gravamina>>, hg. v. Nubola, C. u. a., 2002; Rehse, B., Die
Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008
Supplikationsausschuss ist der für Bittschriften zuständige Ausschuss eines
Gremiums (z. B. des Reichstages des Heiligen römischen Reich [deutscher Nation]
von 1521 bis zum frühen 17. Jh.).
Lit.: Neuhaus, H., Reichstag und Supplikationsausschuss,
1977
Surrogation (F.)
Ersetzung
Lit.: Welle, A., In
universalibus pretium succedit in locum rei, res in locum pretii. Eine
Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte der dinglichen Surrogation bei
Sondervermögen, 1987
Suspension (F.) Aufhebung (z. B. eines Grundrechts gemäß dem
Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, Gesetz vm 5. 5.
1869)
suspensiv (Adj.) verzögernd, aufschiebend (z. B.
Veto)
Suum cuique (lat.). Jedem das Seine.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Gellius, um 120-um 180, Noctes Atticae 13, 24, 1, zu Cato, 234-149 v. Chr.)
Suzeränität (F.) Herrschaft
des Lehnsherrn über Lehnsmannen im Gegensatz zur → Souveränität des
Landesherrn über Untertanen.
Svarez (Schwartz),
Carl Gottlieb (Schweidnitz 27. 2. 1746-Berlin 14. 5. 1798), Advokatensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder (Wolff)
Oberamtsregierungsrat. 1780 wechselt er mit dem Großkanzler Carmer nach
Berlin. Dort bereitet er unter steter Berücksichtigung des heimischen Rechts
das → Allgemeine Landrecht (1794) Preußens vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Stölzel, A., Carl
Gottlieb Svarez, 1885; Kleinheyer, G., Staat und Bürger im Recht, 1959; Svarez,
C., Vorträge über Recht und Staat, hg. v. Conrad, H. u. a., 1960; Koselleck,
R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. A. 1981; Schwennicke, A., Die
Entstehung des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1993; Carl Gottlieb Svarez:
Gesammelte Schriften, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Kern, B., Carl
Gottlieb Svarez, JuS 1998, 1085; Karst, T., Der Einfluss von Carl Gottlieb
Svarez auf die preußische Gesetzgebung, ZRG GA 120 (2003), 180
Svod zakonov ist die in →
Russland 1832 durch Michail Michailovic → Speranskij erreichte
Zusammenfassung aller geltenden Gesetze.
Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Raeff,
M., Michail Speranskij, 1957
Symbol (N.) Sinnbild, Zeichen
Lit.: Handbuch der Symbolforschung, hg. v. Herrmann, K.,
1941; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Becker, U., Lexikon der
Symbole, 1992; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003; Wetzel, C., Das große
Buch der Symbole, 2008
Symon Vicentius
ist der 1222 in Padua nachweisbare Jurist, der Glossen, Kommentare,
Repetitiones, Quaestiones und die Schrift De iudiciali missione in possessione
(Von der richterlichen Einweisung in den Besitz) verfasst.
Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 310
Synallagma (N.) Übereinkunft, gegenseitige Abhängigkeit von Vertragsleistungen, wechselseitige Verpflichtungen, bei den der Gläubiger zugleich Schuldner einer Verpflichtung ist und der Schuldner zugleich Gläubiger
Lit.: Kaser § 38 IV 3; Benöhr, H., Das sogenannte
Synallagma, 1965; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40;
Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000
Syndikat (N.) Kartell
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Syndikatsklage ist im
gelehrten Recht die Klage gegen den unrichtig urteilenden → Richter (→
Rechtsbeugung).
Syndikatsprozess ist in Italien im
Spätmittelalter das Amtshaftungsverfahren zur
Überprüfung der Amtsführung eines podestà nach Ablauf
seiner Amtsperiode
Syndikus (M.) Geschäftsführer, Rechtsberater
Synodalstatut (N.)
ist das in einer → Synode geschaffenes→ Statut
Synode (zu lat.
synodus) ist die kirchliche Versammlung (Konzil), die auch Rechtsfragen
entscheidet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 115; Richter, L.,
Geschichte evangelischer Kirchenverfassung, 1851, Neudruck 1970; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in
den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988; Sieben, H., Die
Partikularsynoden, 1990; Fischer, J./Lumpe, A., Die Synoden, 1997; Gresser, G.,
Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004;
Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Synod and
Synodality, hg. v. Melloni, A. u. a., 2005
Syrisch-römisches Rechtsbuch ist der spätantike
oströmische Rechtstext wohl des 5. Jh.s, der nur in syrischen, arabischen,
armenischen und koptischen Bearbeitungen erhalten ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Selb, W., Zur Bedeutung des syrisch-römischen Rechtsbuches, 1964; Selb,
W./Kaufhold, H., Das syrisch-römische Rechtsbuch, 2002
Syssel ist die
norwegisch-dänische Bezeichnung für Landschaften (z. B. Vendsyssel).
Lit.: Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der
germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Helle, K., Norge blir en
stat, 1974
System ist das
wissenschaftlich-rationale Gedankengefüge. Die systematische Betrachtung des
Rechts erfolgt in der frühen Neuzeit (seit dem 16. Jh. bzw. seit Leibniz
[1646-1716] und Wolff). Sie versteht die Geometrie als (unerreichbares)
Vorbild.→ Rechtssystem
Lit.: Kaser § 2 III; Köbler, DRG 6, 159, 184, 187, 188;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 285; Savigny, F., System des heutigen
römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen
Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Seiler, H., Die Systematik der
einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Troje, H.,
Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, (in)
Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 63; Canaris, C., Systemdenken und
Systembegriff, 1969; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei
Hobbes, 1968; Dießelhorst, M., Zum Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs,
1976; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19. Jahrhundert, 1984;
Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und
Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Schröder, J., Die ersten juristischen
„Systematiker“, FS S. Gagnér, 1996, 111; Lewinski, K. v., Deutschrechtliche
Systembildung im 19. Jahrhundert, 2001
Szeged an der
Mündung der Maros in die Theiß ist die auf antike Grundlagen zurückgehende,
1498 königliche Freistadt Ungarns werdende, 1542 an die Osmanen (Türken) und
1686 an Habsburg fallende Stadt. S. ist Sitz einer 1921 neugegründeten
Universität.
Szepter →
Zepter
T
Tablettes Albertini
Lit.: Weßel, H., Das Recht der Tablettes Albertini, 2003
Tacitus, Gaius (?) Publius (?) Cornelius (um 55/56-116/120 n. Chr.), aus wahrscheinlich ritterlichem, südgallisch-norditalienischem Haus, wird 88 Prätor und 97 Konsul. Er gilt als letzter lateinischer Klassiker ([lat.] Historiae [Geschichten], Annales [Annalen], Agricola, Dialogus de oratoribus [Dialog über die Redner]). Seine Schrift (lat.) De origine et situ Germaniae (Über den Ursprung und die Lage Germaniens, um 98 n. Chr.) bietet relativ ausführliche, aber tendenziös gefärbte Nachrichten über die → Germanen.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967; Syme,
R., Tacitus, 2. A. 1979; Tacitus, hg. v. Pöschl, V., 2. A. 1986; Vielberg, M.,
Pflichten, Werte, Ideale, 1987; Beiträge zum Verständnis der Germania des
Tacitus, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989; Schmal, S., Tacitus, 2005; Dialogus de
oratoribus, hg. v. Flach, D., 2005
Tafelgut ist
das der Versorgung des reisenden deutschen Königs im Mittelalter dienende →
Königsgut. Ein in einer Abschrift von 1165/74 überliefertes
Tafelgüterverzeichnis lässt sich vielleicht zeitlich auf 1138, 1152/1153 oder
um 1165 (Aachen) bestimmen.
Lit.: Das Tafelgüterverzeichnis des
römischen Königs, hg. v. Brühl, C. u. a., 1979; Göldel, C., Servitium regis,
1997
Tagelöhner ist
der freie, gegen Tagelohn tätige Landarbeiter. Er ist insbesondere vom
Spätmittelalter bis ins 19. Jh. von Bedeutung. Seine Rechtsstellung ist
schwach.
Lit.: Knapp, T., Die Bauernbefreiung,
1887; Firnberg, H., Lohnarbeiter und freie Lohnarbeiter, 1935, Neudruck 1978;
Simon, S., Die Tagelöhner und ihr Recht im 18. Jahrhundert, 1995
Tagessatzsystem ist das nach skandinavischem Vorbild unterschiedliche
Vermögensverhältnisse berücksichtigende System zur Bestimmung der Höhe einer
Geldstrafe im späteren 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Tagsatzung ist
vom 14. Jh. bis 1848 das gemeinsame Organ der schweizerischen → Eidgenossen.
Lit.: Joos, R., Die Entstehung und
rechtliche Ausgestaltung der eidgenössischen Tagsatzung, Diss. Zürich 1925;
Müller, R., Die eidgenössische Tagsatzung, Diss. Zürich 1948; Hunziker, G., Das
Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, 1980; Jucker, M., Gesandte, Schreiber,
Akten, 2004
Taiding ([N.]
aus tageding) ist in Süddeutschland im Spätmittelalter und in der frühen
Neuzeit die Gerichtsversammlung. Im T. wird das → Weistum ermittelt und
vorgetragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die
salzburgischen Taidinge, hg. v. Siegel, 1870
Talar → Robe
Taler ist
die nach dem durch Silberbergbau berühmten Ort Joachimsthal benannte deutsche →
Münze der frühen Neuzeit (1518/25). 1908 wird der T. zu Gunsten der Mark außer
Kraft gesetzt. Er lebt im Dollar fort.
Lit.: Rittmann, H., Deutsche
Geldgeschichte 1484-1914, 1975; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995
Talion (griech.
[N.] gleiches) ist die Vergeltung eines Übels mit (ursprünglich höchstens) dem
gleichen Übel (Auge um Auge, 2. Mos. 21,23). Das Talionsprinzip ist dem
jüdischen und dem römischen Recht bekannt. Von dort her dringt es seit dem
Spätmittelalter vereinzelt im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation)
ein. Es berührt sich mit der → spiegelnden Strafe.
Lit.: Kaser §§ 32 II 2a, 51 III 1a; Söllner
§ 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 119; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Hermesdorf, B., Poena talionis, 1965; Ebert, U., Talion
und spiegelnde Strafe, FS K. Lackner, 1987, 399; Söllner, A., Der zweite
Merseburger Zauberspruch, ZRG GA 125 (2008), 1
Talmud (Lehre)
ist der Kommentar zur um 220 (endredigierten) → Mischna (Lehre, Wiederholung)
der Juden. Von seinen beiden Strömungen setzt sich der babylonische T. (nach
700) gegenüber dem palästinensischen T. (vor Mitte 5. Jh.) durch. Der T.
besteht nur zu seinem kleineren Teil aus Rechtstexten. → Maimonides
(1135-1204) bearbeitet die rechtlichen Aussagen des T. in seiner →
Mischne Tora.
Lit.: Gans, E., Die Grundzüge des
mosaisch-talmudischen Erbrechts, Z. f. d. Wissensch. d. Judentums 1 (1823),
419; Goldschmidt, L., Der babylonische Talmud, Bd. 1ff. 1929ff.; The Principles of Jewish Law, hg. v. Eton,
M., 1975; Stemberger, G., Einleitung in Talmud und Midrasch, 8. A. 1993; Wesel,
U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686; Schäfer, P., Jesus im Talmud, 2007
Tancredus (Bologna
um 1185-Bologna um 1236) ist der mittelalterliche Jurist (Dekretalist), der um
1216 einen wichtigen (lat.) ordo (M.) iudiciorum (Gerichtsordnung) verfasst.
Bis 1220 erstellt er die (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentliche Glosse) zu
den ersten drei (lat.) compilationes (F.Pl.) antiquae (alten Sammlungen).
Lit.: Köbler, DRG 107; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Fowler-Magerl, L., Ordines iudiciarii, 1994;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 293
tanganare (mlat.-afrk.)
bedrängen (zu einer förmlichen Antwort auf eine gerichtliche Ansprache)
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex
Salica, 1867, Neudruck 1971, 143
Tangermünde
Lit.: Tangermünde, die Altmark und das Reichsrecht, hg. v. Lück, H., 2008
Tarif ist der einheitliche Preis.
Tarifvertrag ist
der Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband und einer
Gewerkschaft in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z. B. Lohn). Er erscheint
in Ansätzen nach der Mitte des 19. Jh.s (z. B. Buchdruckertarifvertrag 1873),
häufiger seit 1890. Erst 1918 setzt er sich aber allgemein durch (Verordnung
über Tarifverträge vom 23. 12. 1918, Tarifvertragsgesetz vom 9. 4. 1949, 11. 1.
1952, 25. 8. 1969), wobei anfangs der Anteil der freien Vereinbarungen an den
Tarifabschlüssen höchstens ein Drittel beträgt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts
wird mit Hilfe der Öffnung von Flächentarifverträgen eine Verringerung der
Arbeitslosigkeit angestrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
215, 241, 242, 273; Tschirbs, R., Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918-1933, 1986;
Hainke, S., Vorgeschichte und Entstehung der Tarifvertragsverordnung, Diss.
jur. Kiel 1987; Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik,
1989; Brauchitsch, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990; Englberger, J.,
Tarifautonomie im Deutschen Reich, 1995; Brandner, T., Die tarifrechtliche
Reformdiskussion in der Weimarer Zeit, Diss. jur. Jena 1999; Bender, G.,
Richtungskämpfe, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 561;
Blanke, S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie, 2005; Schmoeckel,
M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Tartagnus, Alexander
ist der in Imola 1423 oder 1424 geborene, in Bologna ausgebildete, in Pavia,
Bologna, Ferrara, Bologna, Padua und Bologna lehrende, am 3. 9. 1477
verstorbene Jurist (commentaria zu den Digesten, interpretationes, consilia).
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand,
R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schild, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114
(1997), 380
Tatbestand ist
die Summe der Voraussetzungen für eine Rechtsfolge bzw. im Verfahrensrecht im
Urteil die Darstellung des Sachverhalts. Tatbestände gibt es seit der
Entwicklung von Recht. Als für die Rechtsanwendung grundlegende Besonderheit
erkannt sind sie seit Anfang des 19. Jh.s (Stübel 1805 Zurechnung der Tat
[Tatbestand] im Gegensatz zu Zurechnung der Tat zur Strafe, Anton Bauer 1833
trennt subjektive Merkmale von objektiven Merkmalen).
Lit.: Seiler, H., Der Tatbestand der
negotiorum gestio, 1968; Burian, B., Der Einfluss der deutschen
Naturrechtslehre auf die Entwicklung der Tatbestandsdefinition im Strafgesetz,
1970; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19.
Jahrhundert, 1985; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der
Deliktstatbestände, 1985; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der
strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Täter-Opfer-Ausgleich ist der kriminalpolitische Ansatz des späteren 20. Jh.s,
bei dem dann, wenn Täter und Opfer sich auf eine Schadenswidergutmachung
einigen, ein Strafverfahren eingeschränkt oder unter Strafminderung
abgeschlossen werden kann (Deutschland 1990 im Jugendstrafrecht, 1994 im
Erwachsenenstrafrecht, 1998 in rund 9000 Fällen praktiziert).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Taufe ist
die die kirchliche Mitgliedschaft in der christlichen Kirche begründende
Handlung. Sie erscheint vor Christus bei Johannes dem Täufer. Sie steht
zunächst dem Bischof, später dem Taufkirchenpriester zu.
Lit.:
Heggelbach, O., Die christliche Taufe, 1953; Stenzel, A., Die Taufe, 1958;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Tauner
(M.) Häusler in der Schweiz
Lit.: Eichholzer,
E., Über die Stellung der Tauner nach den Rechtsquellen des Kantons Zürich, ZRG
GA 38 (1917), 115
Tausch (lat. [F.] permutatio) ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich beide Seiten zur Hingabe eines bestimmten, nicht in Geld bestehenden Gegenstandes verpflichten. Der Tausch erscheint schon früh. Er wird teilweise als Kauf angesehen und zeitweise als Realvertrag eingeordnet, zeitweise als durch Hingabe der Sache entstehender Innominatkontrakt. In seiner tatsächlichen Bedeutung wird er mit Entstehung der → Geldwirtschaft vom → Kauf rasch zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 74, 91; Gelke, W., Kauf und Tausch in
Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Tausendschaft ist eine im Einzelnen zweifelhafte Untergliederung des Heeres
germanischer Völker (Goten, Vandalen) im frühen Mittelalter. Ihre Herkunft ist
unklar.
Lit.: Rietschel, S., Die germanische
Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus,
ZRG GA 88 (1971), 181
Taxis →
Thurn und Taxis
Technik
Lit.:
Europäische Technik im Mittelalter, hg. v. Lindgren, U., 1996; Technik in der
frühen Neuzeit, hg. v. Engel, G. u. a., 2004; Metz, K., Ursprünge der Zukunft,
2005; Vom
Feld, I., Staatsentlastung im Technikrecht, 2007
Teeren und Federn ist die durch Bestreichen mit Teer und anschließendes Wälzen in Federn gekennzeichnete Form amerikanischer Lynchjustiz, für die es in Europa kaum gesicherte Zeugnisse gibt.
Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1
1954, 152
Teilgläubigerschaft
Lit.: Riedler, A., Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998
Teilnahme ist die Beteiligung an einer fremden Handlung (z. B. Anstiftung, Beihilfe). Sie erscheint tatsächlich schon sehr früh, wird als allgemeine Rechtsfigur aber erst am Ende des 18. Jh.s erfasst. Noch Feuerbach (1801) kennt nur (lat. [M.]) auctor (Urheber) und (lat. [M.]) socius (Gehilfen)
Lit.: Köbler, DRG 204; Heimberger, J.,
Die Teilnahme, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen,
1930, Neudruck 1973; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989;
Ebrahim-Neshat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im
19. Jahrhundert, 2006
Teilnovellen sind
in Österreich die das → Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812)
nach dem deutschen → Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) modernisierenden
Novellen von 1914, 1915 und 1916.
Lit.: Baltl/Kocher; Dölemeyer, B., Die
Revision des ABGB, Ius commune 6 (1977), 274
Teilpacht ist
die einen bestimmten Teil (Bruchteil, z. B. Hälfte, Drittel) des Ertrages als
Pachtzins festlegende Form der → Pacht. Sie ist auf Grund provinzieller
Praxis bereits dem römischen Recht bekannt. Im Hochmittelalter breitet sie sich
seit dem 12. Jh. in vielen Ländern aus, tritt seit dem 14. Jh. aber wieder
zurück.
Lit.: Kaser § 42 II 1; Spieß, K.,
Teilpacht und Teilbauverträge, Z. f. Agrargesch. 36 (1988), 228
Teilrecht ist
im Ehegüterrecht seit dem Hochmittelalter das Recht des wiederverheirateten
Ehegatten, eine Teilung mit den Kindern der ersten Ehe zu vollziehen, um die
zugunsten der Kinder aus der ersten Ehe bestehende Verfangenschaft der Güter
aus der ersten Ehe aufzuheben und einen Teil der Güter unbelastet in die zweite
Ehe einzubringen.
Lit.: Hübner § 95; Schröder, R., Das
eheliche Güterrecht, 1868, Neudruck 1967
Teilungsanordnung
ist die Anordnung des Erblassers über die Teilung des Erbes.
Lit.: Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis,
1966
Teilungsklage ist die auf Teilung von Miteigentum gerichtete Klage des römischen
Rechts (z. B. [lat.] → actio [F.] familiae erciscundae, → actio communi
dividundo).
Lit.: Kaser § 23 IV 2
Teilzeitarbeit ist
die mit der Verknappung der Arbeit in den Industriestaaten des ausgehenden 20.
Jh.s hervortretenden Form der → Arbeit.
Lit.: Oertzen, C. v., Teilzeitarbeit,
1999
Teixeira de Freitas, Augusto
(1816-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Olinda und Sao Paulo Rechtsanwalt und
kaiserlicher Rechtsberater. 1857 verfasst er die erste umfassende systematische
Sammlung des Privatrechts Brasiliens (Consolidaçao das leis civis), 1860ff.
einen vom römischen Recht wie von mehreren europäischen Rechten ausgehenden
Entwurf eines Privatrechtsgesetzbuches (Esboco de Código civil). Er wirkt sich im Código civil
Argentiniens (1869) aus.
Lit.: Meira, S., Teixeira de Freitas,
1979; Augusto Teixeira de Freitas e il diritto Latinoamericano, 1938
Telegraphie ist die seit etwa 1850 mögliche
Übermittlung von Texten über beliebige Entfernungen mit Hilfe der Eigenschaften
des elektrischen Stroms.
Lit.:
Scherner, K., Innovation und Recht, ZNR 16 (1994), 39; Wobring, M., Die
Globalisierung der Telekommunikation im 19. Jahrhundert, 2005
Templerorden ist der 1119 von Hugo von Payens gegründete, nach dem Tempelberg in Jerusalem benannte, 1291 nach Zypern verlegte, 1312 vom Papst aufgehobene geistliche Ritterorden.
Lit.: Demurger, A., Die Templer, 1991; Dinzelbacher, P.,
Die Templer, 2002; Frale, B., Il papato e il processo ai Templari, 2003;
Demurger, A., Der letzte Templer, 2004
temporalis (lat. [Adj.]) zeitlich,
weltlich
Temporalien sind seit 1122 (Wormser Konkordat) die besonderen weltlichen Rechte der Kirche im Gegensatz zu den Spiritualien (geistlichen Angelegenheiten oder Rechten).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Lindner, D., Die
Lehre von der Inkorporation, 1951
Tengler, Ulrich
(Rottenacker bei Ehingen um 1447-Höchstädt 1511) wird nach Ausbildung in
Stadtschule und Stiftsschule 1479-83 Stadtschreiber in Nördlingen und danach
pfalz-bayerischer Landvogt in Höchstädt an der Donau. 1509 gibt er den →
Laienspiegel heraus.
Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R. v., Geschichte der
populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 411
tenure (mengl.)
Lehen, Rechtsstellung aus Belehnung
Lit.: Hudson, Land, Law and Lordship, 1994
terra (lat.[F.])
Land, Erde
Lit.: Köbler, G., Land und Landrecht, ZRG GA 86 (1969), 1;
Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996
terra (F.) salica (lat.-afrk. [F.]) Herrenland
Territorialitätsprinzip ist der Grundsatz der gebietsmäßigen Abgrenzung. Das T.
bildet einen Gegensatz zum Personalitätsprinzip. Es gewinnt vor allem seit dem
12. Jh. (privilegium minus 1156) allgemeine Bedeutung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hochmittelalterliche
Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a.,
1996
Territorialstaat ist
der auf ein festes Gebiet (Territorium) bezogene → Staat. Der T. ist ein Gegensatz
zum Personenverbandsstaat. Er setzt sich seit dem 12. Jh. durch (privilegium
minus 1156, Reichstag von → Gelnhausen 1180).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler DRG 111, 149; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg.
v. Patze, H., 1970ff., Neudruck 1986; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner
territorialstaatlichen Entwicklung, 2. A. 1978; Müller, H., Oberhof und
neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v.
Schaab, M., 1993; Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Territorien,
1988, 6. A. 1999, 7. A. 2007
territorium (lat.
[N.] ) Stadtgebiet, Herrschaftsgebiet
Territorium ist das
Herrschaftsgebiet. In der frühen Neuzeit gilt im Heiligen römischen Reich
(deutscher Nation) in geschlossenen Territorien die Vermutung, dass jeder Ort
der Territorialgewalt des Landesherrn unterworfen ist. Im 19. Jh. tritt das
Staatsgebiet an die Stelle des Territoriums.
Lit.: Below, G., Territorium und Stadt, 2. A. 1923;
Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg,
1928; Hamel, W., Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Moraw, P., König, Reich
und Territorium im späten Mittelalter, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975; Die Territorien des Reichs, hg. v. Schindling, A.,
Bd. 1ff. 1989ff.; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Hochmittelalterliche
Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a.,
1996; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996; Identità
territoriali e cultura politica, hg. v. Bellabarba, M. u. a., 2000
tertia manus (lat. [F.])
dritte Hand → intertiatio
Tertiogenitur (Drittgeburt)
→ Primogenitur
Tertullian, Quintus Septimius Florens (Karthago um 160 n.
Chr.-Karthago nach 220 n. Chr.), Anwalt in Rom, erster Lateiner unter den
frühchristlichen Apologeten (Apologeticum um 197 n. Chr.)
Lit.: Zilling, H., Tertullian, 2004
Tessel (F.) Kerbholz
Tessin ist das vom
gleichnamigen Fluss durchzogene Alpengebiet, das über Räter, Römer, Ostgoten
und Langobarden an die Franken kommt. Bis 1335 fällt es an das Herzogtum →
Mailand, dem es zwischen 1403 und 1516 die Eidgenossen der → Schweiz
abgewinnen. 1798 wird das bis 1755 ziemlich lose Untertanenverhältnis in ein
Kantonatsverhältnis (Lugano, Bellinzona, 1801 T.) umgewandelt. 1803 und 1814
entstehen aufgezwungene Verfassungen, am 4. Juli 1830 wird eine noch vor
Ausbruch der Revolution in Frankreich erlassene, als Ausfluss der
Volkssouveränität angesehene Verfassung geschaffen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Patocchi, G., Gli
influssi delle legislazioni straniere, 1961; Sauter, B., Herkunft und Entstehung
der Tessiner Kantonsverfassung von 1830, 1972; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,458, 3,2,1915; Regesti di
Leventina, a cura di Raschèr, V. u. a., 1975; Le fonti del diritto del Cantone
Ticino, Bd. 1 C, Formulari notarili, hg. v. Mango-Tomei, E., 1991
Testament ist die
einseitige, nicht empfangsbedürftige, jederzeit frei widerrufliche
Willenserklärung, mit der ein → Erblasser eine Regelung für den Fall
seines Todes trifft und dadurch meist die an sich bestehende Rechtslage
abändert. Das T. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen
bekannt (lat. [N.] testamentum). Es muss eine Erbeisetzung enthalten. In der
Nachklassik anerkannt wird das vor sieben Zeugen mündlich erklärte T. 446 lässt
Kaiser Valentinian III. das eigenhändige T. im weströmischen Reichsteil zu. Von
der Kirche gefördert, wird zusätzlich wohl zu einheimischen Entwicklungen
erbrechtlicher Vergabungen das T. im 13. Jh. im deutschen Reich (z. B. Wien
1289) zunächst von der Geistlichkeit in der Form der Verfügungen („Kodizille“)
über einzelne Gegenstände (fälschlich so genanntes Verteilungstestament)
aufgenommen und verbreitet sich im 14. Jh. allgemein (z. B. in Lübeck im 13.
und 14. Jh. mehr als 2700 überlieferte Testamente). Es bedarf einer gewissen
Form (z. B. vor Rat, vor Notar). Möglich ist ein gemeinschaftliches T. In der
frühen Neuzeit wird verstärkt auf das römische Recht zurückgegriffen, ohne
dass alle seine Einzelheiten aufgenommen werden. Öffentliches T. (z. B. vor
Gericht, Rat oder Notar) und privates T. finden sich nebeneinander. In der
Gegenwart steht das eigenhändige T. im Vordergrund, doch sind auch andere
Formen möglich. In Österreich wird 2004 das mündliche T. abgeschafft. Im
Zweifel soll der Wille des Erblassers verwirklicht und das T. aufrecht erhalten
werden. Als politisches T. wird auch die Zusammenfassung der politischen
Ansichten eines Herrschers am Lebensende bezeichnet.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Söllner §§ 5, 8,
11, 12, 14; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 38, 54, 60, 73, 89,
114, 123, 140, 162, 211, 239, 268; Köbler, LAW; Loening, O., Das Testament im
Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, 1906; Schreiber, O., Das Testament des Fürsten
Wolfgang von Anhalt vom 25. August 1565, 1913; Bergman, C., Testamentet i
1600-talents rättsbildning, 1918; Heymann, E., Das Testament Friedrich Wilhelms
III., 1925 (SB Berlin); Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932;
Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht, ZRG GA 69 (1952), 98, 70 (1953), 159;
Florilegium testamentorum, hg. v. Wolf, H., 1956; Wesener, G., Geschichte des
Erbrechts in Österreich, 1957; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes
wegen im braunschweigischen Stadtrecht, 1960; Simnacher, G., Die
Fuggertestamente, 1960; Besta, E., Le successioni, 1961; Sheehan, M., The Will
in Medieval England, 1963; Regesten der Lübecker Bürgertestamente, hg. v.
Brandt, A. v., Bd. 1ff. 1964ff.; Immel, G., Öffentliches Testament und procurator,
Ius commune 1 (1967), 223; Hamburger Testamente 1351-1400, bearb. v. Loose, H.,
1970; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 1;
Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Privatrecht, 1972; Schulz,
Gabriele, Testamente des späten Mittelalters aus dem Mittelrheingebiet, 1976;
Spreckelmeyer, G., Zur rechtlichen Funktion frühmittelalterlicher Testamente,
(in) Vorträge und Forschungen 23 (1977), 91; Ariès, P., L’homme devant la mort,
1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Testamente der
Stadt Braunschweig, hg. v. Mack, D., 1988ff.; Baur, P., Testament und
Bürgerschaft, 1989 (Konstanz); Kolmer, L., Spätmittelalterliche Testamente, Z.
f. bay. LG. 52 (1989), 475; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8./9.
Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Beutgen, M., Die Geschichte der Form des
eigenhändigen Testaments, 1992; Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges
Heil, 1992; Paulus, C., Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen
Testamentsrecht, 1992; Actes à cause de mort, Recueils Société Jean Bodin,
1993; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995;
Reinhardt, U., Lüneburger Testamente, 1996; Färber, M., Das gemeinschaftliche
Testament, 1997; Rappert, K., Die Regensburger Testamentsordnung, 1997; Baaken,
G., Das Testament Heinrichs VI., ZRG GA 116 (1999), 23; Umstätter, A., Das
Testament im ägyptischen Erbrecht, 2000; Noodt, B., Religion und Familie in der
Hansestadt Lübeck, 2000; Kasten, B., Zur Dichotomie von privat und öffentlich
in fränkischen Herrschertestamenten, ZRG GA 121 (2004), 158; Seif, U.,
Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen
Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88; Hollberg, C., Deutsche in Venedig
im späten Mittelalter, 2005; Vallaro, A., Considerans fragilitatem humanae
naturae, 2005; Seelenheil und irdischer Besitz, hg. v. Herzog, M. u. a., 2007;
Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, hg. v.
Kasten, B., 2008
Testamentsgesetz ist
das deutsche Gesetz über die Errichtung von → Testamenten und →
Erbverträgen vom 31. 7. 1938, das diesen Rechtsbereich vorübergehend aus dem →
Bürgerlichen Gesetzbuch herauslöst und seine Formvorschriften mildert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239; Gruchmann, L.,
Die Entstehung des Testamentsgesetzes, ZNR 7 (1985), 53; Schliepkorte, J.,
Entwicklungen des Erbrechts, 1989
Testamentsvollstrecker ist der vom → Erblasser zur Ausführung seiner →
letztwilligen Anordnungen durch letztwillige Verfügung berufene Mensch. Das
römische Recht kennt keine Testamentsvollstreckung. Im deutschen Recht
entwickelt sie sich unter Förderung durch die Kirche bereits früh und wird in
das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 67 V; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 211;
Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Schönfeld, W., Die
Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen
Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und
venditio iusta, 1971; Offergeld, A., Die Rechtsstellung des
Testamentsvollstreckers, 1995; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Testamentum (lat.
[N.]) ist seit dem altrömischen Recht der Zeugenakt, durch den der →
Erblasser willkürlich bestimmte Personen zu Erben vielleicht anfangs nur von
Einzelgegenständen machen kann. Das t. ist lange durch bestimmte Förmlichkeiten
gekennzeichnet. → Testament
Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Köbler, DRG 23;
Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Recht, 1972
Testamentum (N.) apud acta conditum (lat.) ist das spätantike, bei der Behörde begründete
(öffentliche) → Testament.
Lit.: Kaser § 67 III 4; Köbler, DRG 60
Testamentum (N.) calatis comitiis (lat.) ist das altrömische, vor den zweimal jährlich zusammengerufenen
Kuriatkomitien vielleicht ursprünglich zwecks einer Art Kindesannahme
errichtete Testament.
Lit.: Kaser §§ 60 III 2b, 65 II 1b, 67
I 2a; Söllner §§ 5, 8; Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) inofficiosum (lat.) ist das die nächsten Verwandten entgegen der
Pietätspflicht nicht ausreichend bedenkende → Testament.
Lit.: Kaser § 70 I 1
Testamentum (N.) in procinctu (lat.) ist im altrömischen Recht das → Testament vor
dem aufgestellten Heer.
Lit.: Kaser §§ 67 I 2b, 69 III 2c;
Söllner § 5; Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) per aes et libram (lat.) ist das durch Erz und Waage als Libralgeschäft
vorgenommene, wohl anfangs nur der Übertragung einzelner Gegenstände dienende →
Testament des altrömischen Rechts.
Lit.: Kaser §§ 65 II 1b, 67 I 2b; Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) per holographam scripturam ist im spätantiken weströmischen Recht das von Kaiser
Valentinian III. 446 n. Chr. eingeführte eigenhändige → Testament.
Lit.: Kaser § 67 III 2; Köbler, DRG 60
Testamentum (N.) ruptum (lat.) zerrissenes und damit ungültig gemachtes Testament
Testatio (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die Zeugenurkunde.
Lit.: Kaser § 7 IV 2a; Köbler, DRG 43
Testierfreiheit ist
die grundsätzlich von Beginn des Testaments an bestehende, nur ausnahmsweise eingeschränkte
Freiheit, ein → Testament zu errichten und über sein Vermögen von Todes
wegen zu verfügen. Dem römischen Recht schon früh bekannt, setzt sie sich im
deutschen Mittelalter seit dem 13. Jh. allmählich durch. Bereits im 16. Jh. hat
das römische Recht das einheimische Erbrecht erheblich umgestaltet und am Ende
des 19. Jh.s ist die T. selbverständlich.
Lit.: Kaser § 65 II 2; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.;
Prochnow, J., Das Spolienrecht, 1919, Neudruck 1965; Wesener, G.,
Beschränkungen der Testierfreiheit, FG U. v. Lübtow 1970, 569; Stoll, F., Das
Hagestolzenrecht, 1970; Tschappeler, H., Die Testierfreiheit, 1983, Klippel,
D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Landau, P., La libertà di
testare, Rivista internazionale di diritto comune 6 (1995), 29; Landau, P., Die
Testierfreiheit, ZRG GA 114 (1997), 56; Goebel, J., Testierfreiheit als
Persönlichkeitsrecht, 2004
testis (lat. [M.])
Dritter, Zeuge
Testis in uno falsus in nullo fidem meretur (lat.). Ein Zeuge, der in einem Punkt gelogen hat,
verdient in nichts Glauben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Teufel
Lit.: Fehr, H., Tod und
Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50
Teufelsvertrag ist der in Märchen, Sage, Schwank und Legende angeblich mit dem Teufel geschlossene Vertrag.
Lit.: Zelger, R., Teufelsverträge, 1996; Link, L., Der
Teufel, 1997; Schwaiger, G., Teufelsglaube und Hexenprozesse, 4. A. 1999
Teutone ist der
Angehörige des 102 v. Chr. von den Römern bei Aquae Sextiae geschlagenen
germanischen Volkes.
Lit.: Köbler, DRG 28, 66
teutonicus (lat.-ahd.)
deutsch
texaca (lat.-afrk.)
Diebstahl, Diebstahlsbuße
Lit.: Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG
GA 89 (1972), 12; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
Textkritik
Lit.: Buchner, R., Grundsätzliches
zur Textkritik, ZRG GA 66 (1948), 342
Thaleleios (6. Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, dessen aus einem Codexkommentar stammende Werkreste in Scholien zu den Basiliken erkennbar sind.
Lit.: Simon, D., Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios,
ZRG RA 86 (1969), 334, 87 (1970), 315
Theoderich der Große
(451?-30. 8. 526) ist der bekannteste König der Ostgoten (um 470, 474?). Aus
eher unbedeutender Familie stammend kommt er als Geisel mit dem römischen
Reich in Berührung und erobert danach Italien, so dass ihm Kaiser Anastasius
die Insignien eines Kaisers verleiht. Ihm wird das → Edictum Theoderici
zugeschrieben.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 80; Ennslin, W., Theoderich
der Große, 2. A. 1959; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung
Theoderichs des Großen, 1995; Ausbüttel, F., Theoderich der Große, 2003
Theodosius II.
(Konstantinopel 30. 8. 401-28. 7. 450), Sohn des oströmischen Kaisers Arcadius
ist seit 408 oströmischer Kaiser. Unter dem Einfluss seiner gelehrten Ehefrau
Athenais veranlasst er die Zusammenfassung der seit Konstantin erlassenen
kaiserlichen Konstitutionen (Gesetze) in einem nach ihm benannten Gesetzbuch. →
Codex Theodosianus.
Lit.: Williams, S./Friell, G., Theodosius, 1994; Ernesti,
J., Princeps christianus, 1998; Leppin, H., Theodosius der Große, 2003
Theologie (F.) Gotteskunde
Lit.: Geschichte der christlichen Theologie, hg. v. Pauly, W., 2008
Theophilos (6. Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, welcher der Kommission für den ersten → Codex Justinians und für die → Digesten angehört und gemeinsam mit Dorotheos die → Institutionen abfasst. Überliefert ist eine vielleicht von ihm stammende kommentierende griechische Institutionenparaphrase. Sie wird als systematische, lateinische Fachwörter weitgehend übernehmende Einführung in das römische Recht verwendet.
Lit.: Söllner §
22; Lokin, J., Theophilos, TRG 44 (1976), 337; Wal, N. van der/Lokin, J.,
Historiae iuris Graeco-Romani delineatio, 1985, 40
Theresiana → Constitutio (F.) Criminalis Theresiana
(Strafgesetz Maria Theresias von 1768)
Thesaurus (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der nach Hadrian (117-138 n. Chr.) je zur Hälfte
an den Finder und den Grundstückseigentümer fallende → Schatz.
Lit.: Kaser § 26 I 3; Köbler, DRG 40
thesei dikaion (griech. [N.])
das gesetzte Recht
Lit.: Köbler, DRG 31
Thessalien ist das
Gebirgsland im mittleren → Griechenland, das 148 v. Chr. an die Römer
gelangt und über Byzanz (, Bulgaren und Franken) 1393 an die Osmanen fällt. Von
der jeweiligen Herrschaft wird auch das Recht unterschiedlich beeinflusst.
Lit.: Magdalino,
P., Between Romaniae, Mediterranean Historical Review 4 (1989), 87
Thessaloniki (Saloniki)
in → Griechenland wird wohl 316/315 v. Chr. gegründet und ist seit 1925
Sitz einer Universität.
Lit.:
Vakalopoulos, A., History of Thessaloniki, 1963
Thibaut, Anton
Friedrich Justus (Hameln 4. 1. 1772-Heidelberg 28. 3. 1840), Hugenotte, wird
nach dem Rechtsstudium in Göttingen, Königsberg und Kiel 1798 außerordentlicher
Professor in Kiel, 1801 ordentlicher Professor in Kiel, Jena (1802) und
Heidelberg (1806). 1803 veröffentlicht er unter Abgehen von der römischen
Legalordnung ein zweibändiges System des Pandektenrechts. 1814 setzt er sich
wegen des praktischen Bedürfnisses aus Vaterlandsliebe für ein allgemeines
bürgerliches Recht in Deutschland ein, unterliegt im sog. →
Kodifikationsstreit aber → Savigny und der Reaktion.
Lit.: Köbler, DRG 180, 211; Baumstark, E., Anton Friedrich
Justus Thibaut, 1841; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Kiefner, H.,
Anton Friedrich Justus Thibaut, ZRG GA 77 (1960), 304; Thibaut und Savigny, hg.
v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Polley, R., Anton Friedrich Justus
Thibaut, 1982; Kitzler, A., Die Auslegungslehre des Anton Friedrich Justus
Thibaut, 1986; Heidelberg im säkularen Umbruch, hg. v. Strack, F., 1987
Thing → Ding
thiuphadus (lat.-got. [M.])
Knechtsherr (str.)
Lit.: Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88
(1971), 181
Thöl, Johann
Heinrich (Lübeck 6. 6. 1807-Göttingen 16. 5. 1884), Kaufmannssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) 1837
außerordentlicher Professor in Göttingen, 1842 ordentlicher Professor in
Rostock und (1849) in Göttingen. 1841 veröffentlicht er den ersten Band seines
romanistisch-systematisch vorgehenden, ein Sonderrecht der Kaufleute
anstrebenden → Handelsrechts. Mit ihm begründet er eine durch →
Puchta (1798-1846) beeinflusste, streng begrifflich ausgeführte, kritische
Handelsrechtswissenschaft.
Lit.: Gercke, F., Heinrich Thöl, 1931; Raisch, P., Die
Abgrenzung des Handelsrechts, 1962; Landwehr, G., Rechtspraxis und
Rechtswissenschaft im lübischen Recht, Z. d. Ver. f. lübeck. Gesch. 60 (1980),
21; Kern, B., Georg Beseler, 1982; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986
Thomas von Aquin (Roccasecca bei Neapel
1224/1225-Fossanova bei Terracina 7. 3. 1274),
aus dem Geschlecht der Grafen von Aquino, wird nach dem Eintritt ins Kloster
Monte Cassino (1230) und dem Studium in Neapel, dem Eintritt in den
Dominikanerorden (1244) und weiteren Studien in Paris und Köln (1248-1252
Schüler des Albertus Magnus) 1252 Lehrer der Theologie in Paris sowie danach
(1259-1269) in Italien und in Paris (1269-72) tätig. Sein scholastisches,
selbständigem wissenschaftlichem Denken Bahn brechendes Hauptwerk ist die zu
globaler Synthese von Glauben und Wissen strebende (lat.) Summa (F.) theologica
(Theologische Summe) bzw. Summa theologiae (Summe der Theologie) (1266-1273).
Für das Recht bejaht T. v. A. ein auf natürliche Vernunft gegründetes und durch
praktische Vernunft zu verwirklichendes → Naturrecht und unterscheidet
zwischen lex aeterna als Ausfluss der göttlichen Vernunft, lex naturalis als
Gesetz der Natur und der menschlichen Vernunft und lex humana als menschlichem
bestimmtem Gesetz. Leben, Freiheit und Eigentum sieht er als allgemeine
Grundwerte. 1323 wird er heilig gesprochen.
Lit.: Köbler, DRG 99, 191; Stupp, H., Mos geometricus,
Diss. jur. Köln 1970; Pieper, T., Thomas von Aquin, 1981; Müller, K., Thomas
von Aquin, 1983; Torrelli, P., Initiation à Saint Thomas, 1993; Schönberger,
R., Thomas von Aquin zur Einführung, 1998
Thomasius,
Christian (Leipzig 1. 1. 1655-Halle 23. 9. 1728), Eloquenzprofessorensohn, wird
nach dem Studium der Philosophie (1669) und des Rechts (1672) in Leipzig und
Frankfurt an der Oder (Stryk) 1682 Rechtslehrer in Leipzig. 1685 hält er in
seiner Schrift (lat.) De crimine bigamiae (Das Verbrechen der Bigamie) die
Bigamie für naturrechtlich erlaubt. 1687 kündigt er als erster eine Vorlesung
in deutscher Sprache an. 1688 begründet er die deutschen „Monatsgespräche“ als
Verbreitungsmittel seiner an der Freiheit im Denken, Lehren und Schreiben
ausgerichteten Vorstellungen (erste deutschsprachige Monatsschrift). Nach einem
Lehrverbot im Jahre 1690 wird er an die brandenburgische Ritterakademie in →
Halle (1694 Universität) berufen, an der er einen dreijährigen juristischen
Kurs einführt. 1701 erklärt er, obwohl er sich von der Wirklichkeit des Teufels,
der Zauberer und Hexen überzeugt zeigt, in (lat.) De crimine magiae (Das
Verbrechen der Hexerei) Hexerei als fleischliche Verbindung mit dem Teufel
wegen der Geistigkeit des Teufels für unmöglich. 1705 sieht unter seinem
Vorsitz der Promovend Martin Bernhardt die Folter als unchristlich an, doch
lehnt Thomasius selbst Reformvorschläge in dieser Hinsicht ab. Sein Hauptwerk
sind seine aufgeklärten (lat.) Fundamenta (N.Pl.) iuris naturae et gentium
(Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), in denen er das Recht von der Moral
ablöst, das Recht als positiv vom jeweiligen Herrscher gesetzt versteht und das
Völkerrecht als nicht erzwingbar aus dem Recht ausschließt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 144, 145, 157,
158, 160, 186, 205; Summarischer Entwurf der Grundlehren, die einem Studioso
Juris zu wissen, 1699, Neudruck 2005; Fleischmann, M., Christian Thomasius und
die akademischen Vorlesungen in deutscher Sprache, ZRG GA 30 (1909), 315; Wolf,
E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Christian Thomasius, hg. v.
Fleischmann, M., 1931; Battaglia, F., Christiano Thomasio, 1936; Bloch, E.,
Christian Thomasius, 1953; Schubart-Fikentscher, G., Unbekannter Thomasius,
1954; Lieberwirth, R., Christian Thomasius, 1955; Thomasius, C., Über die
Folter, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse,
hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Ebner, W., Christian
Thomasius und die Abschaffung der Folter, Ius Commune 4 (1972), 73; Cattaneo,
M., Delitto e pena, 1976; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v.
Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Schwerhoff, G.,
Aufgeklärter Traditionalismus, ZRG GA 104 (1987), 247; Christian Thomasius, hg.
v. Schneiders, W., 1989; Thomasius, Christian, Ausgewählte Werke, hg. v.
Schneiders, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Christian Thomasius (1655-1728), 1997;
Kühnel, M., Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001; Steinberg, C.,
Christian Thomasius als Naturrechtslehrer, 2005 (S. 201ff. Übersicht über die
219 zwischen 1680 und 1728 gehaltenen Lehrveranstaltungen); Tomasoni, F.,
Christian Thomasius, 2005; Christian Thomasius (1655-1728) – Wegbereiter
moderner Rechtskultur und Juristenausbildung, hg. v. Lück, H., 2006; Christian
Thomasius (1655-1728) - Gelehrter Bürger, hg. v. Lück, H., 2009
Thora → Tora
Thorn an der
unteren Weichsel entsteht um die 1233/1234 vom Hochmeister des →
Deutschen Ordens errichtete Burg. 1233 erhält die Altstadt die Kulmer
Handfeste, 1264 die Neustadt Stadtrecht. Sein Schöffenstuhl urteilt nach
Magdeburger Recht. Von 1400 bis 1402 verfasst der Stadtschreiber Walther
Ekhardi → Neun Bücher magdeburgischen Rechts. Von 1793 bis 1920 ist T.
bei Preußen. 1945 wird in Polen eine Universität in T. eingerichtet.
Lit.: Steffenhagen, E., Die neun Bücher Magdeburger Rechts,
1865; Salmonowicz, S., Krystian Bogumil Steiner (1746 bis 1814), 1962; Biskup,
M., Historia Torunia, Bd. 1 1992; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 51; Thomsen, M., Zwischen Hauptwache und Stockhaus,
2005
Thraker ist der Angehörige des
thrakisch sprechenden, vor allem im Gebiet des heutigen Bulgarien siedelnden
indogermanischen Volkes, das bedeutende Prunkstücke der Goldschmiedkunst z. B.
aus dem 4. Jh. v. Chr. hinterlassen hat.
Lit.: Boshnakov, K., Die Thraker südlich vom Balkan in den
Geographika von Strabo, 2003
Thron ist der Stuhl des Herrschers (mit hoher, gerade endender Rückenlehne), der als Rechtssymbol der Herrschaft Verwendung findet. In diesem Sinne verbünden sich spätestens in der frühen Neuzeit T. und Altar. Eine Trennung erfolgt erst 1918.
Lit.: Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989; Instinsky,
H., Bischofsstuhl und Kaiserthron, 1955; Gussone, N., Thron und Inthronisation
des Papstes, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Thronfolge ist die
Nachfolge im Herrscheramt, die teils nach Erbrecht (z. B. westfränkisches Reich,
England), teils nach Wahlrecht (z. B. ostfränkisches Reich, seit 1438 aber fast
gänzlich auf die Habsburger eingeschränkt) erfolgt. Die T. einer Frau wird
erst in der Neuzeit bedeutsam (z. B. Maria Theresia Österreich 1740).
Lit.: Pflugk-Harttung, J. v., Zur Thronfolge in den
germanischen Stammesstaaten, ZRG GA 11 (1890), 177; Sickel, W., Das
Thronfolgerecht der unehelichen Karolinger, ZRG GA 24 (1903), 110; Turba, G.,
Geschichte des Thronfolgerechts, 1903; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2.
A. 1944, Neudruck 1981; Real, W., Über persönliche und faktische Hindernisse
bei der Thronfolge, ZRG GA 94 (1977), 226; Schneider, R., Königswahl und
Thronfolge, 1987; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982;
Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1987; Hlawitschka, E., Untersuchungen
zu den Thronwechseln, 1987; Faußner, H., Die Thronerhebung des deutschen Königs
im Hochmittelalter und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZRG GA 108
(1991), 1; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg König werden? ZRG GA 109
(1992), 48; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht
nach Pippins Königserhebung 750/51, ZRG GA 108 (1991), 282
Thüngen
Lit.: Thüngen, R. Frhr.
v., Aus der Familiengeschichte derer von Thüngen, ZRG GA 45 (1925), 367
thunginus (lat.-afrk. [M.]) Dingmann, Leiter der Versammlung auf dem Malberg, im 8. Jh. vom Grafen verdrängt
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 85, 86; Sohm, R., Die
fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, Neudruck 1971; Guttenberg, E.
Frhr. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel, 1952, 100; Weitzel,
J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Thurgau ist das
zwischen Reuß, Aare, Rhein und Bodensee gelegene, über Räter und Römer im 5.
Jh. an die Alemannen (und damit an die → Franken) gelangte, seit 741 als
T. bezeichnete Gebiet. 1264 kommt es an die Grafen von Habsburg. 1460/1461
erobern die Eidgenossen der → Schweiz den T. und verwalten ihn als
gemeine Herrschaft, die 1792 unabhängig wird und sich 1798 der helvetischen
Republik bzw. 1803 der Schweiz eingliedert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Blumer, P., Das
Landgericht und die gräfliche Hochgerichtsbarkeit der Landgrafschaft im
Thurgau, Diss. jur. Leipzig 1908; Brüschweiler, P., Die landfriedlichen Simultanverhältnisse
im Thurgau, 1932; Herdi, E., Geschichte des Thurgaus, 1943; Kundert, W., Die
Zivilgesetzgebung des Kantons Thurgau, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2460; Giger, B., Gerichtsherren, Gerichtsherrschaften,
Gerichtsherrenstand im Thurgau, Thurgauische Beiträge zur Geschichte 130
(1993), 5
Thüringen ist das von den Thüringern
(um 400 Toringi [Vegetius], verwandt mit den gotischen Terwingern?) besiedelte
Gebiet. Seit dem Spätmittelalter (1485, 1572) zersplittert T. unter den →
Wettinern territorial, wird aber 1920 in ein Land des Deutschen Reiches
zusammengefasst.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 75; Köbler, Historisches Lexikon; Patze, H., Recht und
Verfassung thüringischer Städte, 1955; Günther, G., Die Anfänge der Rezeption
des mittelalterlichen römischen Zivilrechts in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957
(masch.schr.)¸Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft
Thüringen, ZRG GA 75 (1958), 108; Forschungen zur thüringischen
Landesgeschichte, hg. v. Eberhardt, H., 1958ff.; Übersicht über die Bestände
des thüringischen Landeshauptarchivs Weimar, hg. v. Eberhardt, H., 1959 (und
weitere Bände für Landesarchive); Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett, 1962;
Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Hess, U.,
Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962;
Patze, H., Bibliographie zur thüringischen Geschichte, 1965; Schlesinger, W.,
Geschichte Thüringens, 1967; Klein, T., Thüringen, 1983; Hessen und Thüringen,
1992; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; Post, B.,
Thüringen-Handbuch, 1999; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000; Westphal, S.,
Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Heinrich
Raspe, hg. v. Werner, M., 2002; Wittmann, H., Im Schatten der Landgrafen, 2005;
Günther, G., Römisches Recht in Thüringen, 2006; Grahn-Hoek, H., Stamm und
Reich der frühen Thüringer, Zs. d. Ver. f. thür. Geschichte 56 (2002), 7
Thüringer ist der
Angehörige des germanischen, um 400 mit einem Königreich zwischen Donau und
Harz nachweisbaren Volkes der Thüringer, die noch im deutschen Bundesland
Thüringen nachwirken. Für die T. wird 802 die → Lex Thuringorum aufgezeichnet.
Thurn und Taxis ist die im
13. Jh. in Oberitalien nachweisbare Familie, die seit der Neuzeit (1490)
allmählich das Postwesen des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation)
erlangt (1595 Reichsgeneralpostmeister). 1792 erlässt die Familie in ihrem
Reichsfürstentum Friedberg-Scheer ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch.
1793 wird ein Strafgesetzbuchentwurf erstellt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Waitz, H., Die
Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Nordmann,
J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer, Z. f.
württemberg. LG. 28 (1969), 265; Piendl, M., Das fürstliche Haus Thurn und
Taxis, 1980; Behringer, W., Thurn und Taxis, 1990; Ruhnau, R., Die fürstlich
thurn und taxissche Privatgerichtsbarkeit in Regensburg, 1998
Tiara ist die
außerliturgische Kopfbedeckung des Papstes in konischer, von drei Kronreifen
umringter Form. Sie geht vielleicht auf eine persisch-phrygische Mütze zurück.
Seit dem 8. Jh. lässt sie sich für den Papst nachweisen. Seit 13. 11. 1964 wird
sie nicht mehr verwendet.
Lit.: Sachsse, Tiara und Mitra der Päpste, ZKG 35 (1914),
481; Sirch, B., Der Ursprung der bischöflichen Mitra und päpstlichen Tiara,
1975
Tie ist seit dem
Mittelalter der dörfliche Versammlungsplatz in Norddeutschland (vor allem
zwischen Hannover, Kassel und Magdeburg).
Lit.: Bischoff, K., Der Tie, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz
1971, 1972; Bischoff, K., Nachträge zum Tie, Jb. d. Vereins f. niederdt.
Sprachforschung 101 (1978), 158; Brednich, R., Tie und Anger, 2007
Tier ist das
Lebewesen, das sich vom Menschen durch das Fehlen von Vernunft und Sprache und
von der Pflanze durch Bewegungsfähigkeit und Empfindungsvermögen
unterscheidet. Es wird seit dem römischen Recht als → Sache behandelt.
Im Mittelalter in Frankreich und später auch im Heiligen römischen Reich
(deutscher Nation) sind Tierprozess und Tierstrafe möglich. Die fragwürdige
Massentierhaltung des 20. Jh.s führt zu gesetzlichem Tierschutz und zur
Einordnung des Tieres als ein von leblosen Sachen verschiedener, aber
grundsätzlich wie eine Sache zu behandelnder Gegenstand (Österreich 1988,
Deutschland 1990). Bei einem durch ein Tier verursachten Schaden gilt im
römischen Recht die Noxalhaftung ([lat.] actio [F.] de pauperie und noxae datio
[F.], Befreiung von Ansprüchen durch die Hingabe oder Preisgabe des
schädigenden Tieres), im deutschen Recht die später als →
Gefährdungshaftung verstandene Haftung des Herrn (Tierhalters). Später wird oft
zwischen Nutztieren (Haftung nur bei Sorgfaltspflichtverletzung) und anderen
Tieren (Gefährdungshaftung) unterschieden. Ein Schadensersatzaspruch
entfällt meist, wenn der Geschädigte das T. hetzt oder reizt.
Lit.: Hübner 612; Köbler, DRG 65, 128, 166, 216, 269;
Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden, Diss. jur. Göttingen 1906; Evans, E.,
The criminal prosecution and capital punishment of animals, 1906; Berkenhoff,
H., Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung, 1937; Thoma, H., Ein
Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Sellert, W., Das Tier in der
abendländischen Rechtsauffassung, (in) Studium generale. Vorträge zum Thema
Mensch und Tier der tierärztlichen Hochschule Hannover, 1984, 66; Laufs, A.,
Das Tier im alten deutschen Recht, Forschungen zur Rechtsarchäologie 7 (1985),
109; Zerbel, M., Tierschutz im Kaiserreich, 1993; Eberstein, W., Das
Tierschutzrecht, 1999; Cole, T., Wörterbuch der Tiernamen
Latein-Deutsch-Englisch und Deutsch-Latein-Englisch, 2000; Schmalhorst, R., Die
Tierhalterhaftung, 2002; Giebel, M., Tiere in der Antike, 2003; Paravicini,
W., Tiere aus dem Norden, DA 59 (2003), 559; Pfeiffer, J., Das Tierschutzgesetz
vom 24. Juli 1972, 2004
Tierepos ist das
ein → Tier als Sinnbild eines Menschen verwendende Dichtwerk. Bekannte
Beispiele des T. sind der Ysengrimus des Magisters Nivardus (um 1150) oder der
Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich (1180/1191).
Lit.: Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925;
Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Knapp, F., Das lateinische Tierepos,
1979; Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984; Ysengrimus, hg. v. Mann, J.,
1987
Tierhalterhaftung → Tier
Tipoukeitos (griech.
was wo steht) ist das repetierende byzantinische Rechtsbuch des M(ichael?)
Patzes (12. Jh.) zu den Basiliken.
Lit.: Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani
delineatio, 1985, 102
Tiraqueau (Tiraquellus),
André (Fontenay-le-Comte 1488-1558), adliger Herkunft, wird nach dem
Rechtsstudium in Poitiers Richter. 1513 kommentiert er den eherechtlichen Teil
der Coutume von Poitiers, 1543 das Gewohnheitsrecht von Poitou. 1560
veröffentlicht er eine Untersuchung über die Stiftung (De privilegiis piae
causae).
Lit.: Brejon, J., Un jurisconsulte de
la renaissance, 1937
Tirol im von Natur
aus eindrucksvollen, aber unwirtlichen Herzen der Alpen, aus dem eine am 19. 9.
1991 gefundene, rund 5300 Jahre alte Gletscherleiche erhalten ist, wird zuerst
von Kelten, 15 v. Chr. von den Römern (Noricum, Raetia, Venetia et Istria)
besetzt, die seit dem 5. Jh. germanischen Völkern (Langobarden, Alemannen,
Bayern, Franken) und im Osten auch Slawen weichen. 1004, 1027 und 1091
überträgt der deutsche König zur Sicherung des Weges nach Italien Grafschaften
im Gebirge an die Bischöfe von → Trient und → Brixen, die diese an
Grafen als Vögte weitergeben. Von den verschiedenen Grafengeschlechtern setzen
sich die nach der Burg T. (ältester erhaltener Balken von 1106) bei Meran
benannten Grafen von T. im 13. Jh. durch (Graf Albert 1190-1253, Vererbung an
Graf Meinhard II. von Görz 1258-1295). Seit 1335 gilt T. als Reichslehen. 1363
geht das sich von → Bayern allmählich verselbständigende, von vielen
Seiten begehrte T. durch Margarethe Maultasch (Beiname bisher nicht
befriedigend erklärt) unter Unterstützung seitens jüdischer Geldgeber an
(Herzog Rudolf IV. von Österreich/) → Habsburg über. Nicht unbedeutsam
ist die spätmittelalterliche Verwaltungsreform König Maximilians, die
Regiment und Raitkammer einführt. 1499 schafft König Maximilian (der letzte
Ritter) für T. eine dem Mittelalter verpflichtete Halsgerichtsordnung (Malefizordnung).
In den Jahren 1504/1506 werden als Gewinn Habsburgs aus dem bayerischen
Erbfolgestreit Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg T. hinzugefügt. 1526
erreicht T. eine von Michael Gaismair geprägte Landesordnung (1532, 1573
abgeändert). Im Absolutismus erfolgt eine verstärkte Einbeziehung in den
Gesamtstaat Österreich. 1803 werden die Hochstifte → Trient und →
Brixen eingegliedert. 1805 fällt T. an Bayern. In napoleonischer Zeit
versucht Andreas → Hofer (1809) vergeblich die Befreiung von der
Herrschaft Frankreichs bzw. Bayerns, doch kehrt T. nach der Niederlage
Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) 1814 zu Österreich zurück..
1919 werden Deutschsüdtirol (vom Brenner bis zur Salurner Klause) und das
Trentino als Lohn für die bereits 1912 vorbereitete Haltung Italiens im ersten
Weltkrieg von den Alliierten an → Italien gegeben und danach in
erheblichem Umfang italienisiert. Von 1939 bis 1945 wird aus dem bei
Österreich verbliebenen T. und
Vorarlberg der Reichsgau T. gebildet. Von 1945 bis 1955 steht T. unter der
Besatzung Frankreichs.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 170, 220;
Bidermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden, 1866; Tirolische
Weistümer, Bd. 1ff. 1875ff.; Sartori-Montecroce, R. v., Über die Rezeption des
römischen Rechtes in Tirol, 1895; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen
in Tirol, Teil 1 1901; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien
bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Beiträge zur
Rechtsgeschichte Tirols, 1904; Wopfner, H., Das Tiroler Freistiftrecht, 1905;
Kogler, F., Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel, Zeitschrift des
Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Stolz, O., Geschichte der Gerichte
Deutschtirols, 1912; Heuberger, R., Die Kundschaft Bischof Konrads III. von
Chur über das Landrecht Graf Meinhards II. von Tirol, 1915; Heuberger, R., Graf
Meinhard II. von Tirol, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 59 (1916), 97;
Stolz, O., Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol, 1923ff.; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in
Tirol, ZRG GA 46 (1926), 366; Huter, F., Die Quellen des Messgerichtsprivilegs der
Erzherzogin Claudia für die Boznermärkte (1635), 1927; Stolz, O., Geschichte der
Stadt Vils in Tirol, 1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im
Unterengadin und in Tirol, ZRG GA 49 (1929), 439; Wretschko, A. v., Zur Rechts-
und Verfassungsgeschichte einer einst bayerischen Innstadt (Rattenberg), ZRG GA
49 (1929), 449; Stolz, O., Die Landstandschaft der Bauern in Tirol, Historische
Vierteljahrsschrift 28 (1933), 699, 29 (1934), 109; Tiroler Urkundenbuch, Bd.
1ff. bearb. v. Huter, F., 1937ff.; Marthaler, E., Untersuchungen zur
Verfassungs- und Rechtsgeschichte der Grafschaft Vintschgau im Mittelalter,
Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 70
(1940), 71 (1942); Schmidt, E., Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen,
1949; Stolz, O., Geschichte des Landes Tirol, 1955; Stolz, O., Quellen zur Geschichte
des Zollwesens und Handelsverkehrs in Tirol und Vorarlberg, 1955; Stolz, O.,
Der geschichtliche Inhalt der Rechnungsbücher der Tiroler Lasndesfürsten von
1288-1350, 1957; Linder, K., Beiträge zur Geschichte der Klosterherrschaft
Stams, Schlernschriften 146 (1959), 1; Stolz, O., Wehrverfassung und
Schützenwesen in Tirol, hg. v. Huter, F., 1960; Keul, M., Staatliche
Gewerbepolitik in Tirol 1648-1740, 1960; Bundsmann, A., Die Entwicklung der
politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das älteste Tiroler
Kanzleiregister 1308-1315, bearb. v. Zauner, A., 1967; Neue Beiträge zur
geschichtlichen Landeskunde Tirols (FS Franz Huter), hg. v. Troger, E. u. a.,
1969; Grass-Cornet, M., Aus der Geschichte der Nordtiroler Bürgerkultur (Fuchs
von Amras), 1970; Hye, F., Die Innsbrucker Familie Weinhart, 1970; 100 Jahre
Bezirkshauptmannschaften in Tirol, hg. v. d. Tiroler Landesregierung, 1972;
Hochenegg, H., Der Adel im Leben Tirols, 1971; Bitschnau, M., Burg und Adel in
Tirol zwischen 1050 und 1300, 1983; Riedmann, J., Die Beziehungen der Grafen
und Landesfürsten von Tirol zu Italien bis zum Jahre 1335, 1977;
Inama-Sternegg, H., Geschichte aller Familien Inama, 1978; Fontana, J. u. a.,
Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1ff. 2. A. 1990; Riedmann, J., Geschichte
Tirols, 3. A. 2001; Kathrein, I., Parlamentarismus in Tirol, 1988; Tirol und
der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Köbler, G., Vom Tiroler Recht,
(in) Tiroler Recht 1919-1992, hg. v. Köbler, G., 1993, 3; Baum, W., Margarethe
Maultasch, 1994; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd.
1ff., 1995ff.; Tirol, hg. v. Gehler, M., 1999; König, Kirche, Adel –
Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum, hg. v. Loose, R. u. a., 1999; Die
Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, hg. v. Schwob, A., Bd. 1ff. 1999ff.;
Schennach, M., Tiroler Landesverteidigung 1600-1650, 2002; Albertoni, G., Die
Herrschaft des Bischofs, 2003; Freiheit und Wiederaufbau. Tirol in den Jahren
um den Staatsvertrag, hg. v. Fornwagner, C. u. a., 2007; Margarete Maultasch,
hg. v. Hörmann-Thurn und Taxis, J., 2007; Feller, C., Das Rechnungsbuch
Heinrichs von Rottenburg, 2009; Fasser, M., Ein Tirol - zwei Welten, 2009;
Rebitsch, W., Tirol in Waffen, 2009; Oberhofer, A., Der andere Hofer, 2009;
Schennach, M., Revolte in der Region, 2009; Abschide vom Freiheitskampf?, hg.
v. Mazohl, B. u. a., 2009; Für Freiheit, Wahrheit und Recht!, hg. v. Hastaba,
E. u. a., 2009
Tisch ist das aus
einer auf Beinen ruhenden Platte bestehende Möbelstück, das als Rechtssymbol verwendet
werden kann (z. B. Gerichtstisch, Trennung von Tisch und Bett).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Titel ist die
besondere Bezeichnung eines Menschen oder eines Werkes bzw. Werkteiles. Die T.
von Herrschern und Funktionen wechseln seit dem Altertum in kaum überschaubarer
Vielfalt. Daneben ist T. (lat. [M.] titulus, z. B. Kauf, Schenkung) auch der
Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs.
Lit.: Wolfram, H., Intitulatio, Bd. 1 1967, Bd. 2 1973;
Löhken, H., Ordines dignitatum, 1982; Intitulatio (Bd.) 3, hg. v. Wolfram, H.
u. a., 1988; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum und Papsttum
im 12. und 13. Jahrhundert, 2003; Krabs, O., Von Erlaucht bis Spektabilis, 2004
Titelherzogtum ist
das als bloßer → Titel verliehene Herzogtum.
Lit.: Werle, H., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG
GA 73 (1956), 225
Titulus (lat. [M.])
ist im spätantiken römischen Recht der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs. Nach
der späteren Lehre (Johannes → Apel 1485-1536) erfordert eine
Eigentumsübertragung einen t. acquirendi (z. B. Kauf, Schenkung) und einen
(lat.) modus (M.) acquirendi (z. B. Übergabe). Dies wird in Deutschland im 19.
Jh. durch → Savigny verändert, wobei Österreich bei der kausalen
Tradition (Notwendigkeit von Titel und Erwerbungsart) verbleibt. →
Einigung
Lit.: Kaser § 24 IV; Köbler, DRG 61, 163, 212;
Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die
Übereignungslehre, 1927
Tobitschau in
Mähren ist der Ort, nach dem ein 1481 vom Hofrichter und Landeshauptmann
Ctibor von Cimburk und Tovacovská (T.) (1437-1494) in tschechischer Sprache
verfasstes, durch mehr als 70 bekannte Handschriften überliefertes, in 224
Kapitel geteiltes Rechtsbuch des spätmittelalterlichen mährischen Landesrechtes
benannt ist (Tobitschauer Rechtsbuch bzw. Kniha Tovacovská). Es betrifft Verfassungsrecht,
Prozessrecht, Erbrecht, Vormundschaftsrecht, Ehegüterrecht und anderes. Der
Einfluss des deutschen Rechts ist gering, ein Einfluss des römischen Rechts
fehlt. 1535 wird das Tobitschauer Rechtsbuch für die mährische Landesordnung
verwertet.
Lit.: Tomaschek, J., Recht und Verfassung der
Markgrafschaft Mähren, 1863; Brandl, V., Kniha Tovacovská, 1868; Raupach, H.,
Das eheliche Güterrecht der Kniha Tovacovská, 1931
Tocco →
Karolus de Tocco, → Lombarda
Tocqueville, Alexis de (Verneuil-sur-Seine 29. Juli 1805-Cannes 16. 4. 1859), französischer Richter, der nach einer Reise in
die Vereinigten Staaten von Amerika (1831/1832) das Buch De la démocratie en
Amérique verfasst, mit dem er die moderne Massendemokratie theoretisch
begründet (Freiheit, Gleichheit, Mehrheitsentscheidungen,
Machtbeschränkungen).
Lit.: Jardin,
A., Alexis de Tocqueville, 1991
Tod ist das Erlöschen der Lebensäußerungen eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen. Mit dem T., dessen feststellbare Kennzeichen in der Medizin auch in der Gegenwart noch nicht eindeutig festgelegt sind (Hirntod?), endet die → Rechtsfähigkeit des Betreffenden. Mit den daraus entstehenden Fragen befasst sich bereits früh vor allem das → Erbrecht. Im Strafvollzug ist der T. die angestrebte Rechtsfolge der → Todesstrafe.
Lit.: Kaser §§ 13 II 2, 58 VII 1a; Hübner; Köbler, DRG 23
u.ö.; Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50; Ranke, E.,
Rosengarten, Recht und Totenkult, 1951; Harder, M., Zuwendungen unter Lebenden
auf den Todesfall, 1968; Boase, T., Death in the Middle Ages, 1972; Latzel, K.,
Vom Sterben im Krieg, 1988; Ohler, N., Leben und Sterben im Mittelalter, 1990;
Aries, P., Geschichte des Todes, 1990; Tod im Mittelalter, hg. v. Borst, A. u.
a., 1993; Jones, C., Die letzte Reise, 1999; Babendererde, C., Sterben, Tod,
Begräbnis und liturgisches Gedächtnis bei weltlichen Reichsfürsten des
Spätmittelalters, 2006; Edwards, C.,
Death in Ancient Rome, 2007
Todeserklärung ist
die Feststellung des Todes eines Verschollenen auf Grund eines
Aufgebotsverfahrens durch ein Gericht. Sie entwickelt sich aus der im
Spätmittelalter sichtbaren Todesvermutung (ab 100 bzw. 70) im 18. Jh. in
Sachsen und Preußen (1763) und geht von dort in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) ein. Am 4. 7. 1939 wird ein eigenes deutsches Verschollenheitsgesetz
erlassen. Dem folgen die Tschechoslowakei, Italien und Spanien sowie Österreich
(1950). Die Folge der T. gleicht der Folge des Todes (z. B. Erbrecht). Bei
irrtümlicher T. erfolgt Wiedereinsetzung in die Vermögensrechte.. Bei
gleichzeitiger Verschollenheit mehrerer besteht eine Vermutung für
gleichzeitigen Todeszeitpunkt (Kommorientenvermutung).
Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Bd. 1 2. A.
1971, 273; Hübner; Riesenfeld, C., Verschollenheit und Todeserklärung, 1891;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Todesstrafe ist die
in der Tötung eines Menschen bestehende → Strafe. Sie ist bereits dem
Altertum bekannt. Inwieweit sie den Germanen als Strafe geläufig ist, ist
streitig. Vom ausgehenden 9. Jh. bis zum 11. Jh. findet sie sich kaum. Sie
erscheint aber in den hochmittelalterlichen Landfrieden. Ihre Gestalt ist
unterschiedlich (Hängen, Enthaupten, Ertränken, Vierteilen, Lebendigbegraben,
Verbrennen, Vergiften, Pfählen, Spießen, Sieden, Einmauern, Rädern,
Erschießen, Steinigen). Vollzogen wird sie meist vom → Henker oder →
Scharfrichter (im Spätmittelalter in Konstanz jährlich durchschnittlich 3-4
Hinrichtungen, meist an Fremden, die Hälfte der Todesurteile wird durch
Stadtverweisung ersetzt). Seit dem 18. Jh. lehnt die Aufklärung (Beccaria
1764) die T. ab (z. B. Toskana 1786-1790, Österreich 1787-1795, Einschränkung
in Frankreich 1832). 1919 (bis 1933) bzw. 1950 (im standgerichtlichen Verfahren
am 7. 2. 1968) wird sie in Österreich abgeschafft, 1937 in der Schweiz, 1949 in
der Bundesrepublik Deutschland, 1965 in England, 1987 in der Deutschen
Demokratischen Republik, 1997 in Polen, Estland und Aserbeidschan, 1998 in
Bulgarien, 1999 in der Ukraine. 1997 halten noch 91 Staaten an der Todesstrafe
fest (rund 3700 Todesurteile [bekannt], rund 2300 Hinrichtungen, vor allem in
China, im Iran, in Saudiarabien und in den Vereinigten Staaten von Amerika),
während 61 Staaten sie nicht mehr kennen (bzw. 104 Staaten die T. [zu
Friedenszeiten] verbieten oder nicht anwenden). Das zweite Fakultativprotokoll
des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das
sechste Zusatzprotokoll der europäischen Menschenrechtskonvention streben die
Abschaffung der T. an. 2002 einigen sich 36 Mitgliedstaaten des Europarats auf
Abschafftung der T. auch im Kriegsfall.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 20, 35, 56, 71,
87, 117, 119, 158, 204, 236, 237, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f.
1920ff., Neudruck 1964; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922;
Goldschmit, H., Das Ertränken im Fass, Zeitschrift f. vergl. Rechtswiss. 41
(1925), 41 (1926); Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942;
Ström, F., On the sacral origin of the Germanic death penalties, 1942; Brunner,
G., Die Todesstrafe in der Zeit der Aufklärung, Diss. jur. Halle 1955; Wettstein,
E., Die Geschichte der Todesstrafe, Diss. jur. Zürich 1958; Strub, B., Der
Einfluss der Aufklärung auf die Todesstrafe, 1973; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Fleckenstein, M., Die Todesstrafe im Werk
Carl Joseph Anton Mittermaiers, 1992; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren,
(in) Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995, 109;
Evans, R., Rituals of retribution, 1996; Bergman, M., Dödsstraffet, 1996;
Schabas, W., The abolition of the death penalty, 1997; Lott, A., Die
Todesstrafen im Kurfürstentum Trier, 1998; Zur Aktualität der Todesstrafe, hg.
v. Boulanger, C., 1998; Martschukat, J., Inszeniertes Töten, 2000; Luginbühl,
B., Im Kampf gegen die Todesstrafe. Jean-Jacques Comte de Sellon (1782-1839),
2000; Overath, P., Tod und Gnade, 2001; Evans, R., Rituale der Vergeltung,
2001; Derrida, J./Roudinesco, E., De quoi demain, 2001; Martschukat, J., Die
Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, 2002; Seitz, A., Die Todesstrafe ist
keine Strafe, 2003; Wirth, I., Todesstrafen, 2004; Gegen Folter und
Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007
Todesurteil ist das
auf die → Todesstrafe erkennende Urteil.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Toleranz ist die
geduldige Hinnahme (andersartiger) Anschauungen und Verhaltensweisen anderer.
Sie ist vor allem in Fragen der Religion seit der frühen Neuzeit (Reformation
von 1517) bedeutsam. 1615 anerkennt der zum Calvinismus übergetretene Kurfürst
von Brandenburg den Fortbestand des Luthertums. 1685 öffnet das Potsdamer Edikt
Preußen den Hugenotten. Ab 13. 10. 1781 gewährt Joseph II. in Österreich den
Anhängern der (lutherischen) augsburgischen und helvetischen Konfession sowie
den orthodoxen nicht unierten Griechen in jeweils eigenen Toleranzpatenten für
jedes Erbland gewisse T. (nur stärkere Duldung ohne wirkliche Religionsfreiheit)
Dieses gesamte Toleranzpatentbündel bleibt bis 1849 bzw. 1861 in Kraft.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 136, 142, 159;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 445; Zur Geschichte der Toleranz, hg.
v. Lutz, H., 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Im Zeichen der Toleranz, hg. v. Horten, P., 1981; Landau, P., Zu den geistigen
Grundlagen des Toleranzpatentes Kaiser Josephs II., Österreich. Archiv f.
Kirchenrecht 32 (1981), 187; Religiöse Toleranz, hg. v. Gugglsberg, H., 1984;
Toleranz im Mittelalter, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1998; Toleration in
Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Berghahn, K., Grenzen der
Toleranz, 2000; Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg.
v. Hsia, R. u. a., 2002; Ablehnung – Duldung – Anerkennung, hg. v. Lademacher,
H. u. a., 2004; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006
Tomii, Masaakira
(1858-1935) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon von 1885 bis 1902 und von 1908
bis 1918 Professor in Tokio. Er wirkt maßgeblich bei dem nach deutschem Vorbild
geschaffenen japanischen → Bürgerlichen Gesetzbuch mit. Sein unvollendet
gebliebenes Hauptwerk ist ein systematisches Lehrbuch des bürgerlichen Rechts
(1903ff.).
Lit.: Tomii-danshaku tsuitô-shû, 1936; Hoshino, E., Minpô
ronshû, Bd. 5 1986, 145
Tonti oder Tontine
ist das nach dem neapolitanischen Arzt Lorenzo Tonti (1630-1695) benannte, in
den romanischen Ländern verbreitete Gewinnverteilungssystem, bei dem
Einzahlungen in besonderen Fonds angesammelt und nach einer bestimmten Zeit den
noch Überlebenden der Einleger bzw. dem Policeninhaber als Kapital oder Rente
ausgeschüttet werden.
Lit.: Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag,
1961; Braun, H., Geschichte der Lebensversicherung, 2. A. 1963
Topik ist die Lehre
von den gängigen, allgemein anerkannten Begriffen, Sätzen und Argumenten. Sie
ist bereits der griechischen Philosophie (Aristoteles) vertraut. In der
Rechtswissenschaft gewinnt sie nur zeitweise eine gewisse Bedeutung (z. B.
Cicero, Oldendorp, Vico, Viehweg [1907-88]).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Struck, G., Topische
Jurisprudenz, 1971; Viehweg, T., Topik und Jurisprudenz, 1953, 5. A. 1974;
Wieacker, F., Über strengere und unstrenge Verfahren der Rechtsfindung, FS W. Weber
1974, 421; Seibert, T., Juristische Topik, Z. f. Literaturwissenschaft und
Linguistik 38/9 (1980), 169; Rehbock, K., Topik und Recht, 1988
Tora, Thora
(hebräisch [F.] Lehre, Weisung, Gesetz) ist die jüdische Bezeichnung
hauptsächlich für die fünf Bücher Moses, insbesondere das fünfte Buch. Die T.
steht im Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Sie ist Gesetz des jüdischen
Gottes.
Lit.: Majer, J., Geschichte der jüdischen Religion, 1992;
Crüsemann, Die Tora, 1992; Die Tora, hg. v. Böckler, A., 2000; Weber, R., Das
Gesetz im hellenistischen Judentum, 2000; Weber, F., Das „Gesetz“ bei Philon
von Alexandrien und Flavius Josephus, 2001
Torgau
Lit.: Knabe, C.,
Geschichte der Stadt Torgau, 2. A. 1925; Schmidt, R., Die Torgauer Hochzeit als
Beispiel für Rechtsform und Rechtsanschauung im 16. Jahrhundert, ZRG GA 75
(1958), 372
Tortur (F.) Folter
Lit.: Helbing, F., Die Tortur, 1926,
Neudruck 1983; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto comune, Bd. 1f.
1953f.; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Waider, H., Spees
Auseinandersetzung mit der Tortur, Jb. d. Köln. Gesch.-Ver. 54 (1983), 1
Tory (M.)
Konservativer in England (Schimpfname, angeblich von Tar a ry, komm o König, um
1680, → whig vielleicht von whig „dünnes Bier“ oder von whigman „Antreibestock“,
um 1680)
Toskana (2. Jh. n. Chr. Tuscia,
vorher Etruria) ist die ursprünglich von Etruskern beherrschte, von 955 bis
1799 zum Heiligen römischen Reich zählende, zwischen Tiber, Mittelmeer und
Apennin gelegene Landschaft in Italien (Florenz, Pisa, Siena). Seit 1765 ist
sie mit Florenz als Mittelpunkt habsburgische Sekundogenitur unter Maria
Theresias Sohn Leopold, in der bedeutsame aufgeklärte Gesetzesvorhaben
entwickelt werden (Gemeindeordnung, 1782 bzw. 1787 auf 145 Artikel erweiterter
Entwurf einer wohl von Amerika beeinflussten, konstitutionelle Monarchie
anstrebenden → Verfassung, dessen Verwirklichung unterbleibt, als aus
dynastischen Gründen die unmittelbare Zuordnung zu Österreich wahrscheinlich
wird, 1786 Strafgesetzbuch ohne Majestätsverbrechen, Folter, Todesstrafe und
Schuldhaft). 1860 wird die T. mit dem Königreich Sardinien und damit mit →
Italien (1861) vereinigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Schneider, F., Die Reichsverwaltung Toskanas, Bd. 1 1914; Christoph, P.,
Großherzogtum Toskana, 1957; Wandruszka, A., Leopold II., 1963ff.; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,154, 3,1,283, 3,2,2358, 3,3,3217; Codex
diplomaticus Amiatinus, hg. v. Kurze, W., Bd. 1ff. 1974ff.; Pesendorfer, F.,
Die Habsburger in der Toskana, 1988; Etruria, Tuscia, Toscana, hg. v. Luzzati,
M., 1992; Graf, G., Der Verfassungentwurf aus dem Jahre 1787, 1998; Kroll, T.,
Die Revolte des Patriziats, 1999
Totalitarismus ist
die im 20. Jh. verwirklichte, auf vollständige Unterdrückung angelegte
Herrschaftsform (z. B. Bolschewismus, Faschismus, Nationalsozialismus).
Lit.: Gleason, A., Totalitarianism, 1995; Totalitarismus
und politische Religionen, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.;
Wippermann, W., Totalitarismustheorien, 1997; Totilitarismus, hg. v. Söllner,
A. u. a., 1997; Totalitarimustheorien, hg. v. Siegel, A., 1998; Totalitarismus
im 20. Jahrhundert, hg. v. Jesse, E., 2. A. 1999; Zwischen Politik und
Religion, hg. v. Hildebrand, K., 2003
Tote Hand ist die
Bezeichnung für kirchliche Einrichtungen, die das von ihnen erlangte Vermögen
nicht veräußern dürfen. Hiergegen wenden sich rechtliche Bestimmungen schon in
den mittelalterlichen Städten. Im 19. Jh. verschwindet die vermögensrechtliche
Einschränkung der toten Hand.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lea, H., The Dead Hand,
1900; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990
Totenglaube
Lit.: His, R., Der
Totenglaube in der Geschichte des germanischen Strafrechts, 1928; Tempelmann,
M., Totenfurcht und Totenglauben bei den Germanen, ZRG GA 106 (1989), 274
Totenteil → Freiteil
Lit.:
Rietschel, S., Der „Totenteil“ in germanischen Rechten, ZRG GA 32 (1911), 297;
Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926
Toter ist der
gestorbene Mensch.
Lit.:
Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936
Tot gradus quot generationes (lat.). So viele Grade wie Zeugungen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Pseudo-Paulus, E. 3. Jh. n. Chr., Digesten 38, 10, 10 §9)
Totschlag ist die
nicht als Mord qualifizierte vorsätzliche Tötung eines Menschen, früher
vielfach auch die Tötung allgemein. Sie zieht im Frühmittelalter die
Verpflichtung zur Leistung von → Wergeld, später eine → Strafe nach
sich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bewer, R., Die Totschlagssühne
in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Roth, W., Totschlagsühne und
Urfehde, ZRG GA 22 (1901), 357; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG
GA 49 (1929), 57; Löning, G., Totschlag zu Kiel, hg. v. Sellert, W. 1992;
Sonnen, W., Totschlagssühnen im Bereich des Herzogtums Berg, Annalen des
historischen Vereins für den Niederrhein 1938; Jänichen, H., Schwäbische
Totschlagsühnen, Zs. f. württ. LG 19(1960), 128; Dilcher, G., Mord und
Totschlag, FS E. Kaufmann, 1993, 91; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002;
Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Linka, K., Mord und
Totschlag, 2008
Totteilung ist in
Mittelalter und Frühneuzeit die vollständige Aufteilung des Gutes einer →
Gesamthand an ihre Mitglieder.
Lit.: Hübner 154; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der
germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264
Tötung ist die
Verursachung des → Todes eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen.
Unterschiedliche Formen eines Tötungsdeliktes sind insbesondere → Mord,
→ Totschlag, Kindestötung und fahrlässige T.
Lit.: Kaser § 36 II 2; Köbler, DRG 26, 71; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Riggenbach, C., Die Tötung und
ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Justiz und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F.
u. a., Bd. 1ff. 1968ff.; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im
frühen römischen Recht, 1984
Toul an der Mosel,
ursprünglich Hauptort der keltischen Leuker, wird im 4. Jh. im römischen Reich
Sitz eines Bischofs. 925 fällt es an das ostfränkische Reich, 1552/1648 trotz
der im 13. Jh. errungenen Reichsunmittelbarkeit (Reichsstadt) an Frankreich.
1306 und 1405 wird jeweils ein Stadtrecht aufgezeichnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Schneider, J., Sur le droit urban de Toul, (in) Economies et sociétés au Moyen Age,
1973, 273; Bönnen, G., Die Bischofsstadt Toul, 1995; Petry, C.,
Faire des sujets du roi, 2006
Toulouse
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 143
Tours an der Loire,
ursprünglich Hauptort der keltischen Turonen, ist seit dem 3. Jh. Sitz eines
Bischofs (z. B. Gregor von Tours). Aus fränkischer Zeit ist aus T. eine
Formelsammlung bekannt.
Lit.: Grandmaison, C. de, Fragments de chartes, 1886;
Gregor von Tours, Historiarum libri decem, 1959; Gregor von Tours, Zehn Bücher
Geschichten, neu bearb. v. Buchner, R., Bd. 1 1955, Neudruck 1967; Histoire de
Tours, hg. v. Chevalier, B., 1985
Tractatus (M.) de iuribus incorporalibus (lat.) ist der am 13. 3. 1679 vom Landesfürsten selbständig
erlassene Teil des österreichischen Landrechtsentwurfs von 1654 über das
Verhältnis von Grundherren und abhängigen Bauern (Einschränkung der Robot und
des Ehebewilligungsrechts des Grundherrn).
tractoria (lat.-afrk.) Reiseverpflegungsrecht
Lit.: Ganshof, F., La Tractoria, TRG 8
(1928), 69
Traditio (lat.
[F.], zu lat. trans über und lat. dare geben) ist bereits im altrömischen Recht
die formlose → Übergabe einer → Sache auf Grund einer Zweckabrede
wie Erfüllung, Kauf oder Tausch. Im Frühmittelalter wird der Wortgebrauch
unscharf. Nach der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter ist
t. meist der (lat.) → modus (M.) acquirendi (Erwerbsart). Bei der t.
longa manu (langer Hand) liegt noch keine Ergreifungshandlung vor, sondern nur
eine sichere Möglichkeit, bei der t. brevi manu (kurzer Hand) hat der Erwerber
bereits Besitz, bildet nunmehr aber Besitzwillen, während der Veräußerer ihn
aufgibt.
Lit.: Kaser § 24 IV, V 2a; Hübner; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 25, 40, 61, 64, 90, 212; Köbler, LAW; Biermann, J., Traditio ficta,
1891; Fuchs, J., Iusta causa traditionis, 1952; Gordon, W., Studies in the
transfer of property by traditio, 1970; Steinacker, H., Traditio cartae und
traditio per cartam, Archiv f. Diplomatik 5/6 (1959/60), 1; Joswig, D., Die
germanische Grundstücksübertragung, 1984
traditio (F.) cartae (lat.)
Übertragung der Urkunde
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Recht und Schrift, hg. v. Classen,
P., 1977
traditio (F.) per cartam (lat.) Übertragung durch (Übertragung einer) Urkunde
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Tradition ist das
von Generation zu Generation übergebene Geistesgut bzw. im Frühmittelalter die
Übergabe eines Gegenstands in körperlicher oder symbolischer Gestalt bzw. die
sie verkörpernde → Urkunde. Einzelne Klöster und Hochstifte fassen die
Traditionen in Traditionsbüchern zusammen.
Lit.: Söllner §§ 12, 16; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4,
81, 105, 212, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 607; Redlich, O.,
Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, MIÖG 5 (1884), 1; Grüner, F.,
Schwäbische Urkunden und Traditionen, MIÖG 33 (1912), 1; Entstehung und Wandel
rechtlicher Traditionen, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 1980; Molitor, S., Das
Traditionsbuch, Archiv f. Diplomatik 36 (1990), 61; Michaels, R., Sachzuordnung
durch Kaufvertrag, 2002; Die innovative Kraft der Tradition in der frühen
Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a., 2007
Traditionsbuch →
Tradition
Träger
Lit.: Schott, C., Der
Träger als Treuhandform, 1975
Traktat (M.) Abhandlung
Lit.:
Baesecke, G., Ein Auszug aus dem „Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen,
ZRG GA 55 (1935), 230, Bexerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom
Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; 402
Transactio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht als formlose Abrede, einen Streit oder eine
Ungewissheit über ein Recht durch gegenseitiges Nachgeben zu beenden (→
Vergleich), nur ein Fall des vereinbarten → Erlasses.
Lit.: Kaser § 53 II 3c
Transcriptio (lat.
[F.]), transscriptio, ist im klassischen römischen Recht der beim nur
kurzzeitig üblichen → Litteralkontrakt die → Obligation begründende
Schriftakt.
Lit.: Köbler, DRG 45
Translatio (F.)
imperii
(lat.) (Übertragung der Herrschaft) ist die
Vorstellung von der Übertragung der von den Römern (und später oströmischen Griechen)
innegehabten Weltherrschaft durch den Papst auf den fränkischen König (Karl
den Großen 800). Sie lässt sich seit dem 11. Jh. erkennen.
Lit.: Köbler, DRG 109; Goez, W., Translatio imperii, 1958;
Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, hg. v. Patze, H., 1987
Transleithanien ist (1867-1918, nichtamtlich) die jenseits der
Leitha gelegene ungarische Reichshälfte Österreich-Ungarns (Länder der
Stephanskrone, Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien-Slawonien, Fiume) im Gegensatz
zu Cisleithanien/Zisleithanien.
Transmissio (lat. [F.], Übersendung) ist im klassischen römischen Recht der Übergang der erbrechtlichen Befugnisse des den Erblasser überlebenden, aber vor dem Erbschaftserwerb versterbenden Berufenen auf seinen Erben, im spätantiken römischen Recht die Vererbung des Rechts des Außenerben auf seine Erben.
Lit.: Kaser § 72 IV
Transport ist die Beförderung von
Menschen oder Waren von einem Ort zu einem andern Ort.
Transportvertrag ist der eine Beförderung betreffende → Werkvertrag.
Lit.: Basedow, J., Der Transportvertrag,
1987
Transsilvanien →
Siebenbürgen
trans Tiberim vendere (lat.)
über den Tiber verkaufen, d. h. in die Sklaverei geben
Lit.: Kaser § 15 II 3
Tratte ist der gezogene (den Bezogenen
zur Zahlung anweisende), seit etwa 1250 nachweisbare → Wechsel.
Trauung ist die Form der → Eheschließung. Sie entwickelt sich aus gebräuchlichen Geschehnissen. Nach der Entstehung des Christentums nimmt dieses auf die T. Einfluss. Seit dem Hochmittelalter setzt die Kirche sich auf der Grundlage des Satzes, dass die Willensübereinstimmung der Brautleute die → Ehe begründe (lat. consensus facit nuptias), für ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester ein. Seit 1875 erfolgt die weltliche Eheschließung im Deutschen Reich, für welche die Bezeichnung T. vermieden wird, vor dem → Standesbeamten (Zivilehe).
Lit.: Hübner; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung,
1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Friedberg, E., Verlobung und
Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Opet, O., Brauttradition
und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Wehrli, P.,
Verlobung und Trauung, 1933; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe,
ZRG GA 67 (1950), 336; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG
GA 76 (1959), 292; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981;
Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Siffert, R., Verlobung
und Trauung, 2004
Trennung von Justiz und Verwaltung → Gewaltenteilung
Trennung von Staat und Kirche
ist die von der Aufklärung geforderte Lösung der seit 380 n. Chr. bestehenden
Verbindung von Staat und Christentum. Die T. v. S. u. K. wird 1789 in den
Vereinigten Staaten, 1795 in Frankreich, 1848, 1919 bzw. 1949 in Deutschland und
1995 in Schweden zumindest im Grundsatz (anders z. B. Kirchensteuer)
verwirklicht.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht,
3. A. 1996
Trennung von Tisch und Bett (lat. separatio a toro et mensa) ist im Kirchenrecht die tatsächliche Aufhebung der ehelichen
Lebensgemeinschaft unter Aufrechterhaltung der rechtlichen Bindung.
Tres conformes sententiae (lat. [F.Pl.]) sind drei gleichlautende Urteile, gegen dessen letztes nach römisch-kanonischem Recht keine → Appellation mehr erhoben werden kann.
Lit.: Weitzel, J.,
Der Kampf um die Appellation, 1976, 169
Tres faciunt collegium
(lat.). Drei bilden einen Verein.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Marcellus,
um 115-um 175, Digesten 50, 16, 85, zu Neratius, um 58/9-nach 133)
trespass (engl.
[N.]) Überschreitung, Friedensbruch, Angriff, Beschädigung
Treue ist die
innere feste Bindung eines Menschen an einen Menschen oder einen Gedanken. Es
ist streitig, inwieweit die T. eine besondere germanisch-deutsche Eigenheit
ist. Erhebliche Bedeutung kommt der T. im Lehnsverhältnis zu. Auch der Beamte
steht zum Staat in einem besonderen Treueverhältnis.
Lit.: Hübner;
Kroeschell, DRG 2, 3; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896;
Schwerin, C. v., Die Treueklausel im Treugelöbnis, ZRG GA 25 (1904), 323;
Puntschart, P., Treuklausel und Handtreue im altdeutschen Gelöbnisrecht, ZRG GA
26 (1905), 165; Gierke, O. v., Die Wurzeln des Treuedienstvertrages, 1914;
Hueck, A., Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; Kienast, W.,
Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Kienast, W.,
Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Graus, F.,
Über die sog. germanische Treue, 1959; Rejewski, H., Die Pflicht zur
politischen Treue, 1973; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der
Treueleistung, 1976; Fikentscher, W., De fide et perfidia, 1969; Halmen, R.,
Staatstreue und Interessenvertretung, 1988; Nörr, D., Die Fides im römischen
Völkerrecht, 1991; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen
deutschen Recht, 1995, 157, 183; Zwissler, T., Treuegebot – Treuepflicht
–Treuebindung, 2002; Schneider, N., Uberrima fides, 2004
Treubruch ist der Bruch der zugesagten
oder erwarteten Treue.
Lit.: Illmer, F.,
Treubruch, Verrat und Felonie im deutschen Strafrecht, 1937
Treuga (F.) Dei (mlat., Wort treuga am ehesten aus dem Burgundischen oder Westgotischen entlehnt) ist die durch die Gottesfriedensbewegung seit dem 10. Jh. angestrebte Waffenruhe Gottes. → Gottesfriede
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101
Treuga (F.) Heinrici (lat.)
ist ein wohl in Würzburg im Juli 1224 durch König Heinrich (VII.) erreichter →
Landfriede (für das Reich?).
Lit.: Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952
Treuhand ist das
Rechtsverhältnis, bei dem ein Teil (Treuhänder) nach außen mindestens ein
Vermögensrecht als eigenes Recht hat, dieses aber auf Grund einer
schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag, Sicherungsvertrag) ganz oder
teilweise im Interesse des anderen Teiles (Treugeber) ausüben soll. Die T. ist
dem klassischen römischen Recht (als fiducia) bekannt (Vormund, Pfleger). Sie
tritt in einzelnen Erscheinungsformen vielleicht auch im deutschen Recht
(Affatomie, Testamentsvollstreckung, Lehnsträgerschaft) auf. Erst seit dem 19.
Jh. wird daraus aber eine allgemeine Einrichtung entwickelt, die vom deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) noch nicht aufgenommen wird. Dabei wird der
treuwidrig handelnde Treuhänder dem Treugeber schadensersatzpflichtig, doch
sind seine gutgläubigen Dritten gegenüber durchgeführten Verfügungen wirksam.
Im englischen Recht ist der → trust bedeutsam.
Lit.: Kaser §§ 11
III, 52 I 3, 54 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 36, 213, 239; Schultze,
A., Die langobardische Treuhand, 1895; Brünneck, W. v., Der Schlossglaube, ZRG
GA 28 (1907), 1; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907;
Beyerle, F., Die Treuhand im Grundriss des deutschen Privatrechts, 1932; Otten,
G., Die Entwicklung der Treuhand im 19. Jahrhundert, 1975; Schott, C., Der
Träger als Treuhandform, 1975; Asmus, W., Dogmengeschichtliche Grundlagen der
Treuhand, 1977; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G., 1997; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998
Treuhandanstalt ist
die 1990 nach dem Beitritt der → Deutschen Demokratischen Republik zur
Bundesrepublik Deutschland geschaffene, 1995 aufgelöste Anstalt zur Überführung
von Volkseigentum in Privateigentum.
Lit.: Köbler, DRG 249
Treu und Glauben ist der
Verhaltensmaßstab, der das Verhalten eines redlich und anständig denkenden
Menschen zugrunde legt. Er ähnelt der (lat.) → bona fides (F.), die im
römischen Recht für bestimmte Schuldverhältnisse zu beachten ist. T. u. G.
lassen sich quellenmäßig seit dem Spätmittelalter belegen. Innerhalb des
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) entwickelt sich T. u. G. zu einem
allgemeinen Rechtsgrundsatz.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 240, 270; Wendt, O., Die exceptio doli generalis, AcP 100 (1906), 1;
Wieacker, F., Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956; Nesemann,
K., Herkunft, Sinngehalt und Anwendungsbereich der Formel „Treu und Glauben“
in Gesetz und Rechtspreechung, Diss. jur. Göttingen 1959; Strätz, H., Treu und
Glauben, 1974
Trialismus ist in
Österreich im 19. Jh. die erfolglose Bestrebung, neben Österreich und Ungarn
(1867) einen dritten, aus Böhmen, Mähren und Südslawien bestehenden Staatsteil
zu schaffen (z. B. 1871 Böhmische Fundamentalartikel).
Lit.: Baltl/Kocher
Trianon (bei
Paris) ist der Ort des 1920 das Königreich Ungarn aufteilenden Friedensvertrags.
Tribonian (?-541/3?, oder um 545?) ist der aus Kleinasien (Pamphylien) stammende griechischsprachige, unter → Justinian zu hohen Ämtern (533-535 Kanzleileiter, 529-533 und 535-542 Justizminister bzw. quaestor sacri palatii) aufsteigende, oströmische Rechtskundige. Er ist 528/529 Mitglied der Kommission für den → Codex, seit 530 Mitglied einer Kommission für die → Digesten. Außerdem verfasst er mit zwei anderen Rechtslehrern die → Institutionen.
Lit.: Söllner § 22; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Köbler, DRG 53; Kübler, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Reichs, 2. A. 1912, 366; Honoré, A., Tribonian, 1978
tribunicia postestas (lat. [F.]) tribunizische
Gewalt
tribunus (M.) plebis (lat.) Volkstribun
Lit.: Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
tribus (lat. [F.]) Abteilung der Bürgerschaft Roms (Volksversammlung)
tributum (N.) capitis (lat.) Kopfsteuer
Lit.: Köbler, DRG 32
Tridentinum (lat.
[N.]) ist das in Trient zwischen 1545 und 1563 tagende 19. allgemeine Konzil
der katholischen → Kirche. Es versteht sich als (Gegen-)Reformkonzil und
stärkt die Stellung des Bischofs. Es bestätigt u. a. die Unauflöslichkeit der
Ehe und schreibt eine bestimmte Eheschließungsform vor. Allgemein versteht es
das Kirchenrecht vormativ als Rechtsordnung mit dem Papst als alleinigem
Gesetzgeber.
Lit.: Das Weltkonzil von Trient, hg. v. Schreiber, G., Bd.
1f. 1951; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Jedin, H.,
Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1ff. 1949ff.; Das Konzil von Trient und
die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001
Trient an der Etsch,
das 24 v. Chr. an die Römer übergeht, ist seit dem späten 4. Jh. Sitz eines
Bischofs, der 1004/27 Grafenrechte erhält. 1185ff. findet sich dort →
Bergrecht. 1803 fällt das Hochstift an → Tirol, 1919 mit Südtirol an →
Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voltelini, H. v., Die
ältesten Statuten von Trient, Archiv für österreichische Geschichte 92 (1902),
83; Il Trentino, hg. v. Mozzarelli, C. u. a., 1985; Hägermann, D./Ludwig, K.,
Europäisches Montanwesen, 1986; Bellabarba, M., La giustizia ai confini, 1996;
Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001; Curzel,
E., I canonici e il Capitolo della cattedrale di Trento, 2001; Bettoti, M., La
nobilità trentina, 2002; Lorandini, C., Famiglia e impresa, 2006
Trier an der Mosel
wird 16-13 v. Chr. von Augustus im Gebiet der Treverer gegründet und entwickelt
sich im 4. Jh. zur größten römischen Stadt nördlich der Alpen (60-70000
Einwohner). Im 6. Jh. bzw. kurz vor 800 wird der dortige Bischof Erzbischof, im
13. Jh. Kurfürst. 1454/1473 erhält T. eine von 1797/1798 bis 1970 aufgelöste
Universität. Nach älteren Gerichtsordnungen (1400, 1515, 1537) wird 1668 ein
wohl von Johannes Holler und Matthias Franziskus von Troya unter Ausrichtung am
einheimischen Recht geschaffenes, 1713 stärker romanistisch überarbeitetes
Trierer Landrecht in 18 bzw. später 22 Titeln in Kraft gesetzt. 1815/1816
gelangen die meisten Güter an → Preußen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze, Bd. 1ff. 1832; Rudolph, F., Die Entwicklung der Landeshoheit in
Kurtrier, 1905; Rörig, F., Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer
Erzbischofs, 1906; Knetsch, G., Die landständische Verfassung, 1909; Kremer,
J., Studien zur Geschichte der Trier Wahlkapitulationen, 1911; Quellen zur
Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte – Trier, hg. v.
Rudolph, F., 1915; Leners, W., Die Protokollregister über die Liegenschaften
der Trier Bürgerschaft, Diss. jur. Bonn 1957; Eichler, H./Laufner, R.,
Hauptmarkt und Marktkreuz zu Trier, 1958; Dirks, M., Das Landrecht des
Kurfürstentums Trier, 1965; Wendt, H., Die Anwendung des Trierer Landrechts,
1973; Langer, H./Meves, U., Die Geschichte der Stadt Trier, 1984; Anton, H.,
Trier im frühen Mittelalter, 1987; Hermann, H., Die Gehöferschaften im Bezirk
Trier, 1989; Kerber, D., Herrschaftsmittelpunkte im Erzstift Trier, 1995; Trier
im Mittelalter, hg. v. Anton, H. u. a., 1996; Pundt, M., Metz und Trier, 1998;
Petzold, M., Das Pontifikat Erzbischofs Boemunds II. von Trier (1354-13629
1999, 2. A. 2007; Müller, J., Vir religiosus ac strenuus Albero von Montreuil,
2006; Clemens, G., Geschichte der Stadt Trier, 2007; Brommer, P., Kurtrier am
Ende des alten Reichs, 2008
Triest an der
oberen Adria (104 v. Chr. Tergeste, Marktort) ist seit dem 6. Jh. Sitz eines Bischofs
und gelangt 774 an das fränkische Reich, 1202/1203 an Venedig, 1382 freiwillig
an Habsburg, (1809-1814 Herrschaft Napoleons, 1849/1850 reichsunmittelbare
Stadt Österreichs,) 1867 zum Kronland Küstenland Österreichs und 1919 an
Italien.
Trifels bei Annweiler ist eine 1081 erstmals genannte Reichsburg, in der zwischen 1125 und 1273 die → Reichskleinodien aufbewahrt werden.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Biundo, G., Der
Trifels, 1937; Biundo, G., Zur Bibliographie der Reichsfeste Trifels, 1939;
Sprater, F./Stein, G., Der Trifels, 9. A. 1971
Trift
Lit.: Herold, H., Trift
und Flößerein in Graubünden, 1982
Triftrecht →
Trittrecht
trinoctium (lat.
[N.]) Zeitraum von drei Nächten
Lit.: Kaser § 58 II; Köbler, DRG 22
Tripartitum opus (N.) iuris consuetudinarii enclyti regni
Hungariae (lat.,
dreitieliges Werk des Gewohnheitsrechts des berühmten Königreichs Unfarn) ist
die Rechtsaufzeichnung des ungarischen Gewohnheitsrechts durch Istvan
Werböczy von 1514, die bis zum Zivilgesetzbuch Ungarns von 1960 von Bedeutung
bleibt.
Lit.: Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
tripertitum (lat. [N.]) dreiteiliger Kommentar des Sextus Aelius Paetus Cato zu den zwölf Tafeln des römischen Rechts
Lit.: Söllner § 12; Köbler, DRG 29
Trittrecht,
Triftrecht ist das mittelalterliche Wegerecht für das Treiben von Vieh
(Viehtriebsrecht).
Lit.: Hübner 281; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Trivium (lat.
[N.] Dreiwegiges) sind Grammatik, Dialektik und Rhetorik innerhalb der sieben
freien Künste (lat. artes liberales).
Trizone ist das am 8. 4. 1949 durch Anfügung der französischen Besatzungszone an die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens entstehende Gebiet des → Deutschen Reichs.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245
Trödelvertrag (lat.
contractus [M.] aestimatorius, aestimatum) ist der bereits dem römischen Recht
bekannte Vertrag (Innominatrealkontrakt), bei dem innerhalb einer bestimmten Zeit
entweder ein Preis für eine übergebene Sache geliefert (Mehrerlös verbleibt
dem Trödler) oder die übergebene Sache zurückgegeben werden soll.
Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Bucher, E., Der
Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95
Troja (Troia) ist der
Schauplatz des von dem griechischen Dichter Homer geschilderten, trojanischen
Kriegs zwischen Griechen und Trojanern, der seit 1870 (Heinrich Schliemann)
auf dem 20 Meter hohen Ruinenhügel von Hissarlik (Westtürkei) in zahlreichen
Siedlungsschichten (ab 2900-2500 v. Chr.) mit reichen Goldfunden und
Silberfunden (Schatz des Priamos)
ergraben wird.
Lit.: Siebler, M., Troia, 1990; Korfmann,
M./Mannsperger, D., Troia, 1998; Hertel, D., Die Mauern von Troja, 2003; Der
neue Streit um Troia, hg. v. Ulf, C., 2003; Der Traum von Troia, hg. v.
Zimmermann, M., 2006; Jahn, S., Der Troia-Mythos, 2007; Strauss, B., Der
trojanische Krieg, 2008
Tromsö im
nördlichen Norwegen wird im 9. Jh. angelegt, aber erst 1250 erstmals erwähnt.
Nach Neubesiedlung im 18. Jh. erhält es 1968 eine Universität.
Truchsess oder →
Seneschall ist der mit der Verpflegung des fränkischen-deutschen Königshofes
betraute Amtsträger. Dieses Amt hat seit dem Hochmittelalter (vor 1198) der
Pfalzgraf bei Rhein inne. Später entwickelt sich an vielen landesherrlichen
Höfen ein T.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Latzke,
I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main, 1970; Rösener,
W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
Trucksystem ist im
19. Jh. von England kommend das System der Entlohnung eines Arbeiters mit vom
Arbeitgeber vertriebenen Waren. Es wird wegen der mit ihm verbundenen
Missbrauchsmöglichkeiten noch im 19. Jh. unzulässig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Trunkenheit ist der
durch reichlichen Alkoholgenuss verursachte Zustand eines Menschen. T. wird
seit dem 13./14. Jh. rechtlich erfasst. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
wird die T. im Straßenverkehr entschiedener bekämpft.
Lit.: Endemann, F., Die Entmündigung wegen Trunksucht,
1904; Gramsch, G., Der Tatbestand des Rauschmittelmissbrauchs, 1938, Neudruck
1977; Rausch und Realität, hg. v. Völger, G., 1981; Kaiser, R., Trunkenheit im
Mittelalter, 2002
trust (M.)
Treuhandverhältnis, → Treuhand
Lit.: Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Wolff,
J., Trust, 2005
trustis (lat.-afrk.
[F.]) Schar, Anhang, Gefolge
Lit.: Grahn-Hoek, H., Die fränkische Oberschicht, 1976;
Schmidt-Wiegand, R., Fränkisch druht und druhtin, Z. f. hist. Terminologie
1974, 534
Tryphoninus, Claudius,
römischer Rechtskundiger Anfang des 3. Jh.s n. Chr., in den Digesten
überlieferte Fragmente wohl aus dem Rechtsunterricht (juristisch-pädagogische
Anleitung)
Lit.: Fildhaut, K., Die libri disputationum des Ckaudius
Tryphoninus, 2004
Tschechien schechische Teil der 1993 aufgelösten
Tschechoslowakei.
Lit.: Antologie české právní vědy (Antologie der
tschechischen Rechtswissenschaft), 1993
Tschechoslowakei ist der am 28. 10. 1918 aus den österreichischen Gebieten → Böhmen und → Mähren sowie Schlesien und Oberungarn unter zwangsweisem Einschluss der dort lebenden Deutschen gebildete, sich am 29. 2. 1920 eine Verfassung gebende, 1938/1939 von Adolf Hitler nach dem Münchener Abkommen verkleinerte und danach annektierte (Protektorat Böhmen und Mähren), 1945 unter Aussiedlung und Vertreibung der Deutschen (ohne Karpathorussland) wiederhergestellte, 1948 dem Kommunismus sowjetischer Prägung zugeführte (Verfassung vom 9. 5. 1948, 1968 Prager Frühling), 1990 demokratisierte und zum 1. 1. 1993 in Tschechien und die Slowakei aufgelöste Staat (mit 1938 43% Tschechen, 23% Deutschen und 22% Slowaken, 1920 Verfassungsgericht).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 220, 223,
246; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1921ff.;
Vaněček, V., (Das tschechische Rechtsleben im Zeitalter des
Kapitalismus), 1953; Hoensch, J., Geschichte der Tschechoslowakischen Republik
1918-1965, 1966; Česká narodní rada,
sněm českého lidu (Der tschechische Nationalrat, Landtag des
tschechischen Volkes), veranstaltet v. Vaněček, V., 1970; Maly, K.,
Tschechoslowakische rechtshistorische Literatur, ZNR 1984; Schubert, W., Der
tschechoslowakische Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch und das ABGB von
1937, ZRG GA 112 (1995), 271; Kudej, B., Legal history of Czechoslovakia, (in)
Intern. Journal of legal information 24 (1996), 71; Lenk, R., La
Tchéchoslovaquie 1996; Burgerstein, J., Tschechien, 1998; Normdurchsetzung in
osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 4 hg. v. Mohnhaupt, H., 1998;
Kren, J., Die Konfliktgemeinschaft, 1999; Erzwungene Trennung. Vertreibungen
und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit
Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Boleslav II., hg.
v. Sommer, P., 2001; Šmahel, F., Husitské Čechy, 2001; Beyer, B., Die
Beneš-Dekrete, 2002; Coudenhove-Kalergi, B./Rathkolb, O, Die Beneš-Dekrete,
2002; Payrleitner, A., Österreicher und Tschechen, 2003; Köbler, G.,
Rechtstschechisch, 2003; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der
Tschechoslowakei, 2009; Schelle, K. u. a., Grundriss der tschechoslowakischen
Rechtsgeschichte, 2009
Tübingen am Neckar erscheint im 7. Jh. als Dorf, 1078 als Burg. 1342 fällt es durch Kauf an Württemberg, das 1476/1477 eine Universität gründet (Stadtrecht von 1493 teils aus Nürnberg, teils aus Stuttgart übernommen).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schöttle, G.,
Verfassung und Verwaltung der Stadt Tübingen, Tübinger Blätter 8 (1905), 1;
Haller, J., Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537, Bd. 1f. 1927ff.;
Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, Diss. jur. Tübingen 1958; Seigel,
R., Gericht und Rat in Tübingen, 1960; Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von
1493, 1963; Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen 1964; Jänichen,
H., Herrschafts- und Territorialverhältnisse um Tübingen und Rottenburg im 11.
und 12. Jahrhundert, 1964; Die Tübinger Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v.
Rau, R. u. a., 1964; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der
Eberhard-Karls-Universität, 1965; Die ältesten Tübinger Steuerlisten, hg. v.
Rau, R., 1970; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Sydow,
J., Geschichte der Stadt Tübingen, 1974; Thümmel, H., Die Tübinger
Universitätsverfassung im Zeitalter des Absolutismus, 1975; Sieber, E., Stadt
und Universität Tübingen in der Revolution von 1848/1849, 1975; Festschrift 500
Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H., Bd. 1ff.
1977ff.; Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät, hg. v.
Elsener, F., 1977; Adam, U., Hochschule
und Nationalsozialismus, 1977; Cellius, E.,
Imagines professorum Tubingensium 1596, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981;
Schwarz, H., Die Universitätspflege Feuerbach, 1981; Die Pfalzgrafen von
Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Pill-Rademacher, I., .. zu nutz,
1993; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schieck, S. u. a., 2000;
Paletscheck, S., Die permanente Erfindung einer Tradition, 2001; Hauer, W.,
Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Jordan, S., Leben und
Werk des Tübinger Rechtsprofessors Wilhelm Gottlieb Tafinger 1670-1813, 2003
Tübinger Rechtsbuch ist der in
acht Handschriften überlieferte, 135 Auszüge aus dem Gesetzgebungswerk →
Justinians enthaltende, vielleicht um 1160 im Dauphiné entstandene Rechtstext.
Lit.: Weimar, P., Zur Renaissance der Rechtswissenschaft,
1977, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Tudor ist das seit
1232 nachweisbare walisische Geschlecht, das von 1485 bis 1603 den Königsthron →
Englands erlangt (Heinrich VIII. 1509-47, Elisabeth I. 1558-1603).
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Eßer, R., Die Tudors und
die Stuarts, 2004
Tuhr, Andreas von
(St. Petersburg 1864-Zürich 1925), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg (Bekker), Leipzig (Windscheid) und Straßburg Rechtslehrer in Basel
(1891), Straßburg (1898) und Zürich (1918). Sein Hauptwerk ist „Der allgemeine
Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts“.
Lit.: Heck, P., Andreas von Tuhr, AcP 125 (1925), 257;
Schwarz, A., Andreas von Tuhr, 1938
Tür ist der
bewegliche Verschluss des Eingangs in ein Gebäude oder einen Raum. Die T. kann
als Rechtssymbol verwendet werden.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Turin in der
Poebene ist Hauptort der Turiner, der unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) (lat. [F.]) colonia wird. Im 5. Jh. wird ein Bistum eingerichtet. Über Langobarden
und Franken kommt T. 1048 an → Savoyen. Seit 1136 entwickelt sich
städtische Selbstverwaltung. 1280 fällt T. wieder an Savoyen. 1404 wird eine
Universität eingerichtet. Von 1861 bis 1865 ist T. Hauptstadt Italiens.
Lit.: Torino, hg. v. Comba, R. u. a., 1993
Türke ist der
Angehörige des (nach den Scharen der Hunnen und Awaren schon früh) aus Ostasien
(Mongolei) in den Westen kommenden, seit dem Ende des 8. Jh.s zum → Islam
übertretenden, im 11. Jh. unter den → Seldschuken nach Kleinasien (1071
Sieg über Byzanz) eindringenden Turkvolks. Im 13. Jh. wird das von den
Seldschuken gebildete Reich von den Mongolen zerschlagen, doch werden die
Türken im 14. Jh. unter den → Osmanen (Osman I. 1288?-1326) von
Nordwestanatolien aus geeint. Am 29. 5. 1453 wird Konstantinopel erobert und
danach in Istanbul (Est in Polis) umbenannt. 1529 stehen die Türken vor Wien.
Unter dem Vorderasien, Nordafrika, den Balkan und die Südukraine beherrschenden
Sultan Suleiman, dem Gesetzgebenden oder Prächtigen (1520-1566), erhalten sie
ein Gesetz über Landesverwaltung und Finanzverwaltung. Zur Abwehr der Türken
versucht das Heilige römische Reich (deutscher Nation) mehrfach erfolglos,
Steuern zu erheben. Seit 1683 (zweite Belagerung Wiens) werden die Türken
allmählich aus Europa wieder zurückgedrängt (→ Griechenland, Bulgarien,
Walachai, Moldawien, Serbien, Bosnien, Herzegowina, 1683-1699 Rückeroberung
Unganrs durch Habsburg). 1718 anerkennt der Kaiser des Heiligen römischen
Reiches den seit 1453 beanspruchten kaiserlichen Rang. Am 3. 11. 1839
verspricht der Sultan im Erlass von Gülhane (eine Art Verfassung) in
freiwilliger Begrenzung seiner Gewalt die Vorbereitung neuer, den Bedürfnissen
des Landes entsprechender Bestimmungen (Handelsgesetz 1850 nach dem Vorbild
des Code de commerce, Strafgesetz 1858, Handelsprozessordnung 1860,
Seehandelsgesetz 1864, Strafprozessordnung 1880, Zivilprozessordnung 1881).
Im ersten Weltkrieg verbündet sich die Türkei mit dem deutschen Reich und
Österreich-Ungarn. 1916 ruft sich der Emir von Mekka mit Unterstützung Großbritanniens
zum König Arabiens aus. 1917 verselbständigt sich der Irak, 1918 lösen sich
auch Palästina und Syrien ab. Die Türkei wird teilweise von den Alliierten
besetzt. Eine Befreiungsbewegung unter dem General Mustafa Kemal Pascha
(Atatürk, Präsident 1923-1938) verlegt die Hauptstadt nach Angora. 1922 wird
der Sultan abgesetzt. Am 23. 10. 1923 wird Angora in Ankara umbenannt. Am 29.
10. 1923 wird in der Türkei die → Republik ausgerufen. Schrift
(Lateinschrift), Maßsystem, Kalender, Wochensystem, Kopfbedeckung und
Stellung des Islam im Staat werden verwestlicht, das Privatrecht (Einehe) unter
Verwendung des Schweizer Zivilgesetzbuches (1925) völlig neu geregelt. Seit
1964 bemüht sich die 1952 der Noratlantischen Verteidigungsorganisation
beitretende Türkei um den Zugang zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen
Union (2005 Beitrittsverhandlungen begonnen).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 95, 129, 131;
Baltl/Kocher; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Scharlipp, W., Die
frühen Türken, 1992; Türkische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v.
Motika, R. u. a., 1995; Westliches Recht in der Republik Türkei, hg. v.
Scholler, H., 1996; Tibi, B., Aufbruch am Bospurus, 1998; Steinbach, U.,
Geschichte der Türkei, 2000; Europa und die Türken in der Renaissance, hg. v.
Guthmüller, B. u. a., 2000; Hütteroth, W./Höhfeld, V., Türkei, 2. A. 2002;
Hacisalihoglu, M., Die Jungtürken und die mazedonische Frage, 2003; Höfert, A.,
Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“, 2003; Matschke, K., Das Kreuz und der Halbmond,
2004; Das osmanische Reich und die Habsburgermonarchie, hg. v. Kurz, M., 2005;
Krieger, E., Die Europakandidatur der Türkei, 2006
Türkei → Türken
Lit.: Velidedeoglu, H., Das Problem der Rezeption in der Türkei
im Vergleich mit Rezeptionen in Europa, ZRG GA 75 (1958), 382; Schulze, W.,
Reich und Türkengefahr, 1978; Hirsch, E., Rezeption als sozialer Prozess, 1984;
Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Seufert, G./Kubaseck, C., Die
Türkei, 2004; Kieser, H., Vorkämpfer der neuen Türkei, 2005; Carnevale, R. u.
a., Europa am Bosperus (er)finden?, 2005; Revolution islamischen Rechts - 80
Jahre schweizerisches ZGB in der Türkei, hg. v. Kieser, H. u. a., 2008; Zick,
M., Türkei - Wiege der Zivilisation, 2008; Kramer, H. u. a., Die Türkei und
Europa, 2008; Günay, C., Geschichte der Türkei, 2009
Turku (Abo) in →
Finnland wird 1154 erstmals erwähnt. 1276 wird es Sitz eines Bischofs. Danach
wird es Hauptstadt (bis 1812). 1640 wird eine 1828 geschlossene, 1920 wiederbegründete
Universität (Akademie) eingerichtet, an der seit 1773 auch der bekannteste
finnische Rechtswissenschaftler Matthias Calonius (1773-1817) als einziger
ordentlicher Professor der juristischen Fakultät lehrt.
Lit.: Wrede, R., Matthias Calonius, 1917
Turnier (N.)
ritterliches Kampfspiel im Mittelalter
Lit.: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v.
Fleckenstein, J., 1985; Barber, R./Barker, J., Tournaments, 1989
turpitudo (lat.
[F.]) Schändlichkeit
Lit.: Kaser §§ 9 II 2, 70 I 2
Tutela (lat. [F.])
ist im römischen Recht die → Vormundschaft (tutela mulierum, Geschlechtsvormundschaft
über Frauen, seit der jüngeren Republik zurückgedrängt).
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 11 II 1b, 16 I
2a, 20 I 1, 58 IV 6a, 62, 63, 64; Söllner §§ 8, 9, 10; Köbler, DRG 57; Köbler,
LAW
Tutor (lat. [M.])
ist schon im altrömischen Recht der → Vormund. Ihn erhalten der nicht
einer Hausgewalt unterworfene gewaltfreie Unmündige (lat. impubes, Knaben bis
14, Mädchen bis 12) und die gewaltfreie Frau. Der t. hat eine treuhänderische
Gewalt über Person und Vermögen des Mündels. Dessen Geschäfte bedürfen zur
Wirksamkeit der Bekräftigung (lat. [F.] → auctoritas) des t. Tutor (tutor
legitimus) ist der gradnächste Agnat (Bruder, Vatersbruder, Bruderssohn),
hilfsweise der nächste Gentile, bei Freigelassenen der Freilasser. Der
Hausvater kann im Testament einen vorgehenden t. (tutor testamentarius)
bestimmen, der die Übernahme ablehnen kann. Fehlt ein gesetzlicher t. und eines
testamentarischer t., wird nach der lex Atilia (210 v. Chr.) ein t. bestimmt.
Lit.: Kaser §§ 62, 63; Köbler, DRG 22, 33, 36, 43, 57
Twing → Bann, Zwang
Typenzwang ist die Bindung an bestimmte vorgegebene Rechtsverhältnisse. Im klassischen römischen Recht besteht bei den Verbindlichkeiten Typengebundenheit, die im spätantiken, weströmischen Recht (Vulgarrecht) aufgegeben wird (Typenfreiheit). In der frühen Neuzeit wird die Typengebundenheit des römischen Rechts nicht übernommen. Dagegen geht das Sachenrecht auch in der Gegenwart von einer geschlossenen Zahl von möglichen Rechtsverhältnissen aus, ebenso das Familienrecht.
Lit.: Kaser § 3 I; Köbler, DRG 42, 62, 164; Dilcher, H.,
Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270;
Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Tyrann ist der in
Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. bekannte gewaltsame Herrscher.
Lit.: Schönstedt, F., Der Tyrannenmord im Spätmittelalter,
1938; Riklin, A., Giannotti, Michelangelo und der Tyrannenmord, 1996; Große
Verschwörungen, hg. v. Schultz, U., 1998; Turchetti, M., Tyrannie et
tyrannicide, 2001
Tyrnau (in der Westslowakei)
Lit.:
Mestská kniha príjmov trnavskej farnosti, hg. v. Rábik, V., 2006; Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
U
Überbau ist die
Errichtung eines Gebäudes über die Grenze eines → Grundstücks. Der Ü.
muss im römischen Recht in engen Grenzen geduldet werden. Im Übrigen hat der
Eigentümer des überbauten Grundücks einen Beseitigungsanspruch wegen der
Verletzung seines Eigentums. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schützt
weitergehend jeden rechtmäßigen Ü., gewährt aber auch einen
Beseitigungsanspruch gegenüber dem rechtswidrigen Ü.
Lit.: Kaser § 23 III 4; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Wolff,
M., Der Bau auf fremden Boden, 1900; Ebel, W., Überbau und Eigentum, AcP 141
(1935), 183
Übereignung ist die
Übertragung des → Eigentums an einer → Sache. Sie erfolgt im
altrömischen Recht bei einer (lat.) res (F.) mancipi (handgreifbaren Sache)
durch (lat. [F.]) → mancipatio, sonst durch (lat. [F.]) traditio
(Übergabe). Für das Frühmittelalter sind ahd. → sala (Gabe) und giwerida
(→ Gewere) bedeutsam, ohne dass deren Verhältnis zueinander völlig
eindeutig ist. Von Köln aus dringt seit dem 12. Jh. die Eintragung in →
Schreinskarten für Grundstücksübereignungen vor. Der Sachsenspiegel
(1221-1224) erfordert für die Ü. von Eigen und Leuten → Erbenlaub und
Vornahme vor Gericht. Nach →Accursius († vor 1263) wird wohl Eigentum
übertragen, wenn ein rechtmäßiger Grund für die Übertragung (iusta causa
traditionis) und ein Übereignungswille vorliegen. In der frühen Neuzeit setzt
sich die Lehre vom (lat.) → modus (M.) acquirendi (Erwerbsart) durch,
doch entscheidet sich beispielsweise Frankreich 1804 (Portalis) für die
Eigentumsübertragung durch bloßen Vertrag (Kaufvertrag, Konsens). →
Savigny entwickelt demgegenüber den besonderen sachenrechtlichen Vertrag der →
Einigung (abstrakte Einigung und Übergabe oder Übergabeersatz). Er findet
Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900), so dass zur Ü. ein
dinglicher Vertrag und eine Übergabe erforderlich sind, die gegenüber einem
schuldrechtlichen Grundgeschäft (z. B. Kauf, Schenkung) abstrakt sind. Bei
Grundstücken wird die → Eintragung in das Grundbuch unabdingbar
(Einigung und Eintragung). → Abstraktion
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 124, 163,
174, 211, 269; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die
Übereignungslehre, 1927; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im
ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und
Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der
Liegenschaftsübereignung, 1937; Voser, P., Die altdeutsche
Liegenschaftsübereignung, Diss. jur. Zürich 1952; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag
und Übereignung, 1973; Ranieri, F., Die Lehre der abstrakten Übereignung, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 90; Wesener,
G., Zur naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, 1977, 90, FS N. Grass,
1986, 433; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübereignung, 1984; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schindler, K., Kausale oder
abstrakte Übereignung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Schrage, E., Traditionibus et usucapionibus, non nudis pactis dominia rerum
transferuntur. Die Wahl zwischen dem Konsens- und dem Traditionsprinzip in der
Geschichte, (in) Ins Wasser geworfen, hg. v. Ascheri, M. u. a., 2003, 913
Überfall ist im
Sachenrecht die von einem Baum oder Strauch auf ein Nachbargrundstück
hinüberfallende → Frucht. Nach altrömischem Recht darf der Eigentümer den
Ü. jeden zweiten Tag vom fremden Grundstück holen. Nach der Sachsenspiegelglosse
(14. Jh.) gehört der Ü. dem fremden Grundstückseigentümer. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt dem fremden Grundstückseigentümer den Ü.
Lit.: Kaser § 23 III 2; Hübner; Grimm, J., Etwas über den
Überfall, Z. f. gesch. Rechtswiss. 3 (1816), 350; Schmidt, A., Das Recht des
Überhangs und des Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in)
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281
Übergabe ist die
Verschaffung des unmittelbaren → Besitzes (oder der bloßen
Herrschaftsgewalt bei Fehlen eines Besitzwillens) an einer Sache durch Übertragung
der tatsächlichen Herrschaftsgewalt. Als (lat. [F.]) traditio, die →
Eigentum verschaffen kann, erscheint die Ü. bereits im altrömischen Recht. Sie
hat für die Verschaffung von Besitz oder Eigentum bis in die Gegenwart
Bedeutung. Bei formloser Ü. einer Manzipiumssache (lat. [F.] res mancipi]
erlangt der Erwerber nur bonitarisches, nicht zivieles Eigentum. Nach dem
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird das Eigentum an beweglichen
Sachen durch Einigung (dinglicher Vertrag) und Ü. oder Übergabesurrogat (z. B.
Besitzkonstitut, Übergabe kurzer Hand) verschafft.
Lit.: Kaser § 24; Hübner; Köbler, DRG 25, 125; Kocher, G.,
Richter und Stabübergabe, 1971; Wacke, A., Das Besitzkonstitut als
Übergabesurrogat, 1974; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung,
1984
Überhang ist der
von einem Nachbargrundstück herüberragende Zweig oder die von dort
eingedrungene Wurzel. Nach altrömischem Recht kann der beeinträchtigte Nachbar
vom Eigentümer Abhilfe verlangen und bei deren Ausbleiben selbst handeln. Nach
dem Sachsenspiegel (1221-1224) darf kein Ast zum Schaden des Nachbarn über die
Grenze ragen. Nach unterschiedlichen partikularen Regelungen gewährt das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) dem beeinträchtigten Nachbarn einen
Beseitigungsanspruch, der durch → Selbsthilfe verwirklicht werden kann.
Lit.: Kaser § 23 III 1; Hübner; Schmidt, A., Das Recht des
Überhangs und Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281
Überküren (afries.
urkera) sind 7 neue → Küren des friesischen Rechts, die u. a. die
Verfassung des Bundes von → Upstallsbom enthalten.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840;
His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 57
(1937), 58; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f.
1981
Übermaßverbot ist das den Staat betreffende
Verbot, seine Rechte stärker zu Lasten der Bürger zu nutzen, als dies zur
Erreichung des angestrebten Zweckes notwendig ist.
Lit.: Remmert, B.,
Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des
Übermaßverbotes, 1995
Übersetzungsproblem ist das Problem des zutreffenden Verständnisses eines fremdsprachigen Textes. Dieses Ü. verstärkt sich im Frühmittelalter dadurch, dass die in einer Volkssprache (z. B. Althochdeutsch) verlaufende Rechtswirklichkeit überhaupt fast ausschließlich in einer Fremdsprache (Latein) aufgezeichnet wird und aus dieser erschlossen werden muss. Das Verständnis des frühmittelalterlichen lateinischen Wortes kann dabei dadurch erleichtert werden, dass man die Wiedergabe lateinischer Wörter in Texten des Altertums durch Übersetzungen in frühmittelalterliche Volkssprachen (sog. Übersetzungsgleichungen) berücksichtigt.
Lit.: Köbler, DRG 79; Köbler, WAS; Heck, P.,
Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, 1931; Hattenhauer, H., Zum
Übersetzungsproblem, ZRG 81 (1964), 341; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984;
Olberg, G. v., Übersetzungsprobleme, ZRG GA 110 (1993), 406; Köbler, G.,
Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G.,
Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch, 1996
Übersiebnen ist den
Angeklagten durch Kläger und sechs Eidhelfer Überführen im Mittelalter. Die
Siebenzahl könnte auf den Reinigungseid des Beklagten mit 6 Eidhelfern
zurückgehen. Das Ü. findet bei → handhafter Tat und →
landschädlichen Leuten statt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Knapp, H., Das Übersiebnen der
schädlichen Leute, 1910; Wakasone, K., Zur Entstehung des
Übersiebnungsverfahrens, FS L. Carlen, 1989, 211
Übertragung ist der
gewillkürte Übergang eines Rechtes oder einer Rechtsstellung auf eine andere
Person. → Übereignung, → Abtretung, → Einigung, →
Übergabe
Lit.: Köbler, DRG 90, 124, 212; Dyckerhoff, E., Die
Entstehung des Grundeigentums, 1909; Merk, W., Die Grundstücksübertragung, ZRG
GA 56 (1936), 1; Fehr, H., Übertragungssymbole, ZRG GA 64 (1944), 276;
Hagemann, H., Übertragungen mit Nutzungsvorbehalt, Archiv d. hist. Ver. d.
Kantons Bern 44 (1960), 339; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische
Grundstücksübertragung, 1984
Übertretung ist
zeitweise die einfachste Form einer Straftat (z. B. Ruhestörung). Die Ü. wird
im 18. Jh. mit der ein vereinfachtes Verfahren ermöglichenden Strafverfügung
des Polizeirechts verfolgt. Sie wird als bloßes Delikt im formellen Sinn von
der präventiv handelnden Polizei bekämpft. Nach französischem Vorbild steht sie
als (franz. [F.]) contravention neben → Verbrechen und → Vergehen.
Nach → Binding (1872) ist die Ü. Ungehorsamsdelikt. 1952/1975 wird die Ü.
wegen ihrer großen Zahl aus dem Strafrecht ausgeschieden und in ein eigenes
Recht der → Ordnungswidrigkeit überführt.
Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Normen, Bd. 1f.
1872ff.; Mattes, H., Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, Bd.
1ff. 1977ff.; Frommel, M., Präventionsmodelle, 1987
Überzeugungstäter ist
der aus innerer Überzeugung sich zu einer Straftat verpflichtet oder berechtigt
fühlende Täter. Je nach der Wertigkeit seiner Überzeugung kann er milder
bestraft werden.
Lit.: Ebert, U., Der Überzeugungstäter,
1975
Ubi cessat ratio legis,
cessat (ipsa) lex (lat.). Wo der Sinn eines Gesetzes
nicht eingreift, verliert das Gesetz seine Gültigkeit.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ubi rem meam invenio, ibi eam
vindico
(lat.). Wo ich meine Sache finde, dort
verlange ich sie heraus.
Lit.: Liebs D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ubi societas ibi ius (lat.). Wo (immer) es eine Gesellschaft gibt, da gibt es (auch)
Recht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cocceji, H. v., 1644-1719)
Uelzen
Lit.: Urkundenbuch der
Stadt Uelzen, bearb. v. Vogtherr, T., 1988; Vogtherr, T., Uelzen, 1997
Ukraine ist das 1667 mit dem Dnjepr als Grenze zwischen → Polen und → Russland geteilte, am Ende des 18. Jh. um Teile Polens erweiterte Gebiet, in dem am 19. 11. 1917 die Ukrainische Volksrepublik ausgerufen wird. Danach wird innerhalb der Sowjetunion das sozialistische Recht eingeführt. 1996 erhält die aus der → Sowjetunion als flächenmäßig zweitgrößter Staat (bevölkerungsmäßig sechstgrößter Staat) Europas wieder verselbständigte U. eine demokratische Verfassung.
Lit.: Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine,
1942; Allen, W., The Ukraine, 1963; Kappeler, A., Kleine Geschichte der
Ukraine, 1994, 2. A. 2000; Ukraine, hg. v. Jordan, P. u. a. 2001; Die neue Ukraine,
hg. v. Simon, G., 2002; Milow, C., Die ukrainische Frage 1917-1923, 2002;
Kappeler, A., Der schwierige Weg zur Nation, 2003; Die Ukraine in Europa, hg.
v. Besters-Dilger, J., 2003; Ukraine at a Crossroads, hg. v. Hayoz, N., 2005;
Investititonsführer Ukraine, 2006; Dietsch, J., Making Sense of Suffering,
2006; Hülshörster, S., Recht im Umbruch, 2008; Golczewski, F., Deutsche und
Ukrainer 1914-1939, 2009
Ulm an der Donau
erscheint 854 als Pfalz des Königs und wird im 13. Jh. (1258?, 1274?) →
Reichsstadt. Sein 1376 im Roten Buch aufgezeichnetes Stadtrecht wird an viele
Tochterstädte verliehen. 1810 fällt U. an → Württemberg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das rote Buch der Stadt
Ulm, hg. v. Mollwo, C., 1905; Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes
der Reichsstadt Ulm, 1909; Lübke, K., Die Verfassung der freien Reichsstadt
Ulm, Diss. jur. Tübingen 1935; Ernst, M., Zur älteren Geschichte Ulms,
Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 30
(1937), 1; Lübke, K., Die Verfassung, Diss. jur. Tübingen 1956; Gänßlen, G.,
Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten, Diss. jur. Tübingen 1956;
Hannesschläger, K., Die freie Reichsstadt Ulm. Diss. jur. Tübingen 1956;
Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in
der Reichsstadt Ulm, 1961; Neusser, G., Das Territorium der Reichsstadt Ulm im
18. Jahrhundert, 1964; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der
Reichsstadt Ulm, 1966; Schmitt, U., Villa regalis Ulm, 1974; Specker, H., Ulm,
1977; Göggelmann, H., Das Strafrecht der Reichsstadt Ulm, 1984; Repertorium der
Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 8, hg. v. Kremmer, S. u. a., 2007
Ulpian (Ulpianus),
Domitius (Tyros in Phönizien 170?-Rom 223 [ermordet]) ist Schüler und wie →
Paulus vielleicht seit 203/205 Assessor des Gardepräfekten →
Papinian(us), danach Leiter der kaiserlichen Kanzlei für Privateingaben und
222 Getreidepräfekt. Die → Digesten, die zu fast einem Drittel aus (mehr
als 2400) Ulpianfragmenten bestehen, lassen 26 Werke mit rund 240 Büchern
erkennen, in denen U. den unübersichtlich gewordenen Rechtsstoff in Gesamtdarstellungen
wiederzugeben und dabei aus mehreren Lösungen die ihm die beste erscheinende
auszuwählen versucht. 83 Bücher betreffen das prätorische und ädilizische
Edikt, 51 Bücher die (lat.) iuris civilis libri (M.Pl.) III (3
Zivilrechtsbücher) des Sabinus, 29 Bücher die augusteische Gesetzgebung, 22
Bücher (lat.) pandectae (F.Pl., Pandekten), 7 Bücher (lat.) regulae (F.Pl.,
Regeln) und 2 Bücher (lat.) institutiones (F.Pl., Institutionen). U. ist einer
der sog. Zitierjuristen von 426. Von U. stammt (vielleicht) u. a. die Wendung
(lat.) →
iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt haec - honeste vivere, alterum non laedere,
suum cuique tribuere (Gerechtigkeit ist der ständige Wille, jedem sein Recht zu
gewähren. Die Vorschriften des Rechts sind: ehrbar leben, den anderen nicht
verletzen, jedem das Seine geben). Außerdem wird auf ihn eine Unterscheidung
von (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichem Recht) und ius privatum (privatem
Recht) zurückgeführt. 223 wird U. bei einem Aufstand der Prätorianergarde wohl
wegen seiner strengen Verfolgung von Rechtsverletzungen ermordet. Verschiedene
mit seinem Namen verbundene Werke (z. B. [lat.] tituli [M.Pl.] ex corpore
Ulpiani, Titel aus dem Werk Ulpians) stammen nicht von ihm.
Lit.: Söllner §§ 16, 19, 22; Köbler, DRG 30, 52, 53;
Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W.,
Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 245; Honoré,
T., Ulpian, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987
Ultra posse nemo obligatur (lat.). Über sein Können wird niemand verpflichtet.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Umbrien ist die
mittelitalienische Binnengebirgslandschaft, die von den Römern an die
Langobarden (Herzogtum Spoleto) übergeht. 1549 gelangt U. an den →
Kirchenstaat. 1860 geht es in → Italien auf.
Lit.: Conti, P., Il ducato di Spoleto,
1982; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995
Umdeutung ist die
Ersetzung eines gewollten, aber nichtigen Rechtsgeschäfts durch ein anderes,
nicht gewolltes, aber in seinen Voraussetzungen gegebenes zulässiges
Rechtsgeschäft. Die U. erscheint verschiedentlich bereits im römischen Recht.
Lit.: Kaser § 9 I 3
Ume, Kenjirô
(1860-1910), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tokio, Lyon (1886-1889)
und Berlin (Eck, Kohler, Brunner) 1890 Professor in Tokio. Er verfasst mit
Hozumi und Tomii das Bürgerliche Gesetzbuch → Japans von 1896/1898 und
mit anderen das Handelsgesetzbuch von 1899. Von ihm stammt ein wichtiger Handkommentar
zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Minpô Yôgi, Bd. 1ff. 1896ff., Neudruck 1984). Er
gilt als bedeutendster Jurist Japans.
Lit.: Higashikawa, T., Hakushi Ume Kenjiro, 1917;
Waga-minpô no chichi Ume Kenjiro, 1992
Umfahrt ist die
Fahrt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im fränkischen
Frühmittelalter (z. B. 533). → Umritt
Lit.: Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899; Schneider,
R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Holenstein, A., Die Huldigung der
Untertanen, 1991
Umgehungsgeschäft ist
das Geschäft, durch das die Beteiligten einen Zweck erreichen wollen, den sie
wegen des Verbotes oder der Folgen eines anderen Geschäftes mit diesem nicht
oder nicht in dieser Weise erreichen können. Das U. ist bereits früh erkennbar.
In bekannten Beispielen wird etwa das → kanonische Zinsverbot umgangen.
In einem weiten Sinn sind auch Scheinverfahren Umgehungsgeschäfte (z. B. lat.
[F.] → in iure cessio). Das U. ist grundsätzlich unzulässig, setzt sich
aber in manchen Fällen durch.
Lit.: Köbler, DRG 21, 25, 40; Schröder, J.,
Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im
Zivilrecht, 2004
Umritt ist der Ritt
des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im Mittelalter (z. B.
508, 1024). → Umfahrt
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1944, Neudruck
1965, 1981, 48; Schmidt, R., Königsritt und Huldigung, (in) Vorträge und
Forschung 6, 2. A. 1981; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991
Umsatzsteuer ist
die Steuer vom zu versteuernden und steuerpflichtigen Umsatz von Lieferungen
und sonstigen Leistungen eines Unternehmers. Sie ist eine auf den Verbraucher
überwälzte → Verbrauchsteuer. In Bremen wird sie 1862 als Ersatz der
Akzise zum 1. 1. 1863 eingeführt (bis 30. 6. 1884). Mit Gesetz vom 30. 6. 1864
erheben die Vereinigten Staaten von Amerika nach ersten Vorläufern von 1862 (3
Prozent eine allgemeine U. zur Beseitigung der durch den Sezessionskrieg
ausgelösten Finanznot (Produktionssteuer, 5 Prozent, bis 1870 weitgehend
aufgehoben). Im Deutschen Reich wird durch das Gesetz über einen
Warenumsatzstempel vom 26. 6. 1916 (u. a. Johannes Popitz) ein Vorläufer der U.
geschaffen. Dem folgen nach einer Verordnung des Bundesrats vom 2. 5. 1918 das
wegen der Finanznot des Deutschen Reiches geschaffene Umsatzsteuergesetz vom
26. 7. 1918 und das Umsatzsteuergesetz vom 24. 12. 1919 (Frankreich 1917,
Italien 1919, Belgien 1921). Am Ende des 20. Jh.s gewinnt die U. (seit 1. 1.
1968 als Mehrwertsteuer bzw. Allphasennettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug)
an Bedeutung, weil sie nicht unmittelbar im Preis erkennbar ist. →
Akzise, → Ungeld
Lit.: Köbler, DRG 233, 251; Grabower, R., Die Geschichte
der Umsatzsteuer, 1925; Franke, H., Die Geschichte der Reichs-Umsatzsteuer,
Diss. jur. Köln 1941; Grabower, R., Die Umsatzsteuer, 2. A. 1962; Mit dem
Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Gehm, M., Die Entstehung
der Reichsumsatzsteuer, ZRG GA 126 (2009), 235
Umstand ist im
Verfahrensrecht die um Richter und Urteiler (Schöffen) stehende Gesamtheit der
Menschen im Frühmittelalter. Das → Urteil bedarf der auch durch Schweigen
möglichen Genehmigung durch den U. Schon im Frühmittelalter und Hochmittelalter
(Sachsenspiegel, Landrecht II, 12, 10, 14) scheidet der U. aber als bloße →
Öffentlichkeit aus der Urteilsbildungstätigkeit allmählich aus.
Lit.: Köbler, DRG 70, 75; Sohm, R., Die fränkische Reichs-
und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im
germanischen Rechtsgang, 1915; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Umwelt ist die Gesamtheit der die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen bildenden Gegenstände. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (genauer seit etwa 1970) wird erkannt, dass die große Zahl der auf der Erde lebenden Menschen durch ihre industrialisierte Lebensweise die U. (Luft, Wasser, Boden) insgesamt gefährdet. Zur Steuerung dieser Gefährdung werden nach Einzelgesetzen (z. B. Wassergesetz Preußens [bereits] vom 1. Mai 1914) ein Umweltstrafrecht (Deutschland seit 1975), ein Umwelthaftungsrecht (1991) und ein Umweltschadensrecht (2007) entwickelt. Im Einzelnen sind dabei für Deutschland bedeutend Abfallbeseitigungsgesetz 1972, Chemikalienrecht 1972/1980, Luftreinhaltung 1974, Gewässerschutzrecht 1975/1976, Waldschutz- und Naturschutzrecht 1975/1976, Stagnation 1977-1986/1989, Integration in das Verfassungsrecht 1990-1997, Umweltverträglichkeitsprüfung 1990, Gentechnikgesetz 1990, Tiere sind keine Sachen 1990, Umwelthaftung 1990, Öko-Audit 1993/1995, Verbandsklage, Kreislaufwirtschaft 1991/1994, ökologischer Landbau 1991, Beschleunigungsgesetze 1991/1996, Umweltinformationsgesetz 1994, nachhaltigkeitsorientierte Reform im Raumordnungs- und Baurecht 1997, Bundesbodenschutzgesetz 1998, nachhaltigkeitsorientierte Reform des Energierechts 1998-2002 sowie unvollendetes Kodifikationsprojekt, für Österreich Immissionsschutzrecht ab 1973, Forst- und Naturschutzrecht 1975/1976, Atomsperrgesetz 1978, Umwelt-Verfassungsrecht 1984, Abfallwirtschaftsgesetz 1990, Gewässerschutzrecht 1990, als Mitglied der Europäischen Union 1995 Übernahme des europäischen Umweltrechts, Problem des alpenquerenden Verkehrs, Nachhaltigkeit und Schutz der Erdatmosphäre und für die Schweiz Natur- und Heimatschutzgesetz 1966, Umweltschutz als Staatsziel 1971, Gewässerschutzgesetz 1971, Raumplanungsgesetz 1979, Umweltschutzgesetz 1983, Waldgesetz 1991, Alpenschutzartikel 1994, Revision des Umweltschutzgesetzes 1995, Landwirtschaftsgesetz 1998, Bundesverfassung vom 18. April 1999, Kohledioxidgesetz 1999 sowie Annäherungen an eine nachhaltigkeitsorientierte Reform des Energierechts.
Lit.: Köbler, DRG 249, 250, 265; Tiedemann, K., Die
Neuordnung des Umweltstrafrechts, 1980; Besiegte Natur, hg. v. Brüggemeier, F.
u. a., 1987; Umwelt in der Geschichte, hg. v. Herrmann, B., 1989; Hager, G.,
Das neue Umwelthaftungsgesetz, NJW 1991, 134; Brüggemeier, F./Rommelspacher,
T., Blauer Himmel über der Ruhr, 1992; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser,
W., 1994; Kloepfer, M., Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994;
Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Fischer, R., Umweltschützende
Bestimmungen im römischen Recht, Diss. jur. Augsburg 1995; Büschenfeld, J.,
Flüsse und Kloaken, 1999; Sporn, T., Pfister gegen Krickerode, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bloy, R., Umweltstrafrecht, JuS
1997, 577; Radkau, J., Natur und Macht, 2000; Büker, D., Mensch – Kultur –
Abwasser, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002;
Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003; Winiwarter, V.,
Umweltgeschichte, 2004; Hünemörder, K., Die Frühgeschichte der globalen
Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950-1973), 2004;
How Green Were the Nazis, hg. v. Brüggemeier, F. u. a., 2005; Freytag, N.,
Deutsche Umweltgeschichte, HZ 283 (2006), 383; Behringer, W., Kulturgeschichte
des Klimas, 2007; Winiwarter, V. u. a., Umweltgeschichte, 2007
UN-Kaufrecht ist das am
Ende des 20. Jh.s von den → Vereinten Nationen zur Erleichterung des
Handelsverkehrs entwickelte Kaufrecht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Reinhart, UN-Kaufrecht, 1991;
Karollus, M., Der Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, JuS 1993, 378
Unabhängigkeit ist
das Fehlen einer Abhängigkeit (z. B. zugunsten einer bisherigen Kolonie vom
Mutterland oder der Rechtsprechung von der ausführenden Gewalt). Die U. des
Richters wird im 18. Jh. als Notwendigkeit erkannt (England 1701). Sie setzt
sich im 19. Jh. (1848, Preußen 1850) durch.
Lit.: Köbler, DRG 200; Kroeschell, DRG 3; Klüber, J., Die
Selbständigkeit des Richteramtes, 1832; Aubin, G., Die Entwicklung der
richterlichen Unabhängigkeit, 1906; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche
Unabhängigkeit, 1935; Eichenberger, K., Die richterliche Unabhängigkeit, 1960;
Die Unabhängigkeit des Richters, hg. v. Simon, D., 1975; Ogorek, R.,
Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Immisch, L., Der sozialistische
Richter in der DDR, 1997; Baer, A., Die Unabhängigkeit der Richter in der
Bundesrepublik und in der DDR, 1999
Unabhängiger Verwaltungssenat (UVS) ist in Österreich der das fehlende Verwaltungsgericht vertretende Entscheidungszträger
über die Rechtmäßigkeit verfahrensfreier (nicht an die Form eines Bescheids
gebundener) Verwaltungsakte. Gegen seine Bescheide ist die Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof möglich.
unbeerbt (nicht mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)
unbeweglich (Adj., lat. immobilis) ohne Zerstörung nicht bewegbar
Unehelich ist die durch das Fehlen einer Ehe gekennzeichnete Bestimmung. Insbesondere kann ein Kind u. sein. Im römischen Recht ist zunächst das uneheliche Kind wenig bedeutsam und gilt als (lat.) persona (F.) sui iuris (Person eigenen Rechts). Seit der Zeitenwende wird das uneheliche Kind zugunsten der Ehe benachteiligt. Danach bekämpft die → Kirche die Unehelichkeit. Sie erreicht, dass das uneheliche Kind als nicht mit dem Vater verwandt gilt und deshalb kein Erbrecht nach ihm hat, wobei aber verschiedene Arten von unehlichen Kindern unterschieden werden können. (z. B. Hurenkinder, Brautkinder). Erst seit der Aufklärung ändert sich die Benachteiligung des unehelichen Kindes allmählich. In Norwegen erfolgt die Gleichstellung 1915, in Dänemark 1937. In Deutschland scheitern Reformbestrebungen 1925-1929 und 1940. 1969 wird das Wort u. durch → nichtehelich ersetzt und die Rechtsstellung inhaltlich verbessert, doch erfolgt erst 1998 die sachliche Beseitigung der Unterschiede (Österreich 1989).
Lit.: Kaser §§ 13 II 1b, 61 II; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Brunner, H., Die uneheliche Vaterschaft,
ZRG GA 17 (1896), 1; Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder,
1920; Weitnauer, A., Die Legitimation, 1940; Schubart-Fikentscher, G., Die
Unehelichen-Frage, 1967; Winterer, H., Die Stellung der unehelichen Kinder, ZRG
GA 87 (1970), 32; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder, 1971;
Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem
Erzeuger, 1978; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen
Stadt, (in) Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, 1984; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ellrichshausen, E., Die
uneheliche Mutterschaft im altösterreichischen Polizeirecht, 1988; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Illegitimität im Spätmittelalter, hg.
v. Schmugge, L. u. a., 1994; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995;
Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Buske, S., Fräulein Mutter und
ihr Bastard, 2004; Lochner, D., Das uneheliche Kind im rheinischen Recht, 2006
Unehrlich ist die
durch Fehlen der Ehrlichkeit gekennzeichnete Bestimmung. Im römischen Recht ist
der (lat.) infamis von Prozesshandlungen und Ämtern ausgeschlossen. In Hochmittelalter
und Frühneuzeit sind verschiedene Tätigkeiten u. (z. B. Henker, Totengräber,
Bader, Prostituierte). Wer u. ist, kann bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben.
Als Folge der Aufklärung verschwindet die äußerliche Unehrlichkeit (Frankreich
1789).
Lit.: Kaser § 13 III; Hübner; Gernhuber, J., Strafvollzug
und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Oppelt, W., Über die Unehrlichkeit
des Scharfrichters, 1976; Danckert, W., Unehrliche Leute, 2. A. 1979; Deutsch,
A., Die Henker, 2001
Unerlaubte Handlung
(Delikt) ist die vom Recht nicht erlaubte Handlung, die bei einem →
Schaden eines anderen einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Die u. H.
ist seit den Anfängen des Rechts bekannt. Zu den verletzbaren Rechtsgütern
gehören vor allem der Körper und das Eigentum des Menschen (Tötung, Körperverletzung,
Diebstahl, Sachbeschädigung). Eine bedeutsame Regelung des Rechtsbereichs
bringt die (lat.) → lex (F.) Aquilia de damno (286 v. Chr., aquilisches
Gesetz über den Schaden). Die frühmittelalterlichen Volksrechte sehen jeweils →
Wergeld und Buße vor, bis sich am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) →
Strafe und Schadensersatz trennen. Im 19. Jh. werden für die u. H. Handlung,
Rechtswidrigkeit und Schuld gefordert. Die gesetzliche Regelung des deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) findet sich in den §§ 823ff. Sie geht von
einzelnen, geschützten Rechten und Rechtsgütern aus. Über die Haftung für
eigenes Verhalten hinaus wird auch die Haftung für andere (Verrichtungsgehilfen),
für Tiere und für Sachen in bestimmten Gestaltungen (z. B. Bauwerk) erfasst.
Lit.: Kaser §§ 50, 51; Hübner 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 140, 216, 217, 271; Jentsch, H., Die Entwicklung von den
Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Lange, H., Schadensersatz
und Privatstrafe, 1955; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktrechts, FS zum
hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Wieling, H.,
Interesse und Privatstrafe, 1970; Becker, W., Das Recht der unerlaubten
Handlung, 1976; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung, 1984; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Unfall ist das
ungewollte, vielfach Schaden verursachende Ereignis.
Lit.: Eckhardt, M., Technischer Wandel und Rechtsevolution,
2001
Unfallversicherung ist
die von Berufsgenossenschaften verwaltete → Sozialversicherung gegen
Arbeitsunfälle (Deutsches Reich 6. 7. 1884). Sie vertritt eine an sich sinnvolle
→ Gefährdungshaftung des Unternehmers. Seit 1925 erfasst sie auch die
Berufskrankheit und den Wegeunfall. Am Ende des 20. Jh.s sichert sie rund 38
Millionen Menschen in Deutschland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 183; Gitter, W.,
Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969; Köbler, G., Mittlere
Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 169
(1969), 404; Wickenhagen, Die Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung,
1980; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht, ZNR 8 (1986), 157;
Lengwiler, M., Risikopolitik im Sozialstaat. Die schweizerische Unfallversicherung,
2006; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht, 2006
Unfreier ist der
die Freiheit entbehrende Mensch in Mittelalter und Frühneuzeit. Er ist dem →
Sklaven des römischen Rechts vergleichbar, wenn auch wohl nicht gleich. Tacitus
bezeugt ihn bereits für die Germanen, wobei er ihm eine eigene Behausung und
einen selbständigen Wirtschaftsbereich mit Ablieferungspflichten zuspricht. Der
Unfreie ist in der Personalgewalt (ahd. munt) seines Herrn. Wie weit im
Frühmittelalter der Unfreie (ahd. skalk) als Sache behandelt wird, ist
zweifelhaft. Immerhin regeln manche Volksrechte seine Tötung neben der Tötung
der Freien. Die christliche Kirche bekämpft seit dem 6. Jh. ein Tötungsrecht
des Herrn und erkennt im 10. Jh. Ehen unter Unfreien ohne weiteres an.
Wirtschaftlich ist der im Einzelnen unterschiedlich gestellte Unfreie allgemein
in die → Grundherrschaft eingebunden. Seit dem Hochmittelalter wird die
geburtsständische Gliederung nach der (Freilassung ermöglichenden) Unfreiheit
bzw. Freiheit durch die berufsständische Gliederung nach Rittern, Bürgern und →
Bauern überlagert. Die Aufklärung beseitigt die Unfreiheit (Frankreich 1789,
Preußen 1807). In England entschärft sich die Unfreiheit bereits seit dem
Bauernaufstand von 1381.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 78, 87, 89;
Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881),
83, 3 (1882), 102; Koehne, K., Die Geschlechtsverbindungen der Unfreien, 1888;
Zycha, A., Über den Anteil der Unfreiheit am Aufbau von Wirtschaft und Recht,
1915; Rörig, F., Luft macht eigen, (in) Festgabe Gerhard Seeliger, 1920;
Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967),
511; Merzbacher, F., Die Bedeutung von Freiheit und Unfreiheit, Hist. Jb. 90 (1970),
257; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Kolb, H., Über den Ursprung der
Unfreiheit, Z. f. d. A. 103 (1974), 289; Rösener, W., Grundherrschaft im
Wandel, 1991; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Freedman,
P., The Origins of Peasant Servitude, 1991; Grieser, H., Sklaverei im
spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Forms of Servitude in
Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005
Ungar (Magyar) ist der
Angehörige des um 895 (862 bzw. 894-900) aus Asien östlich des Urals in das
Donaubecken (Karpatenbecken) gelangenden, finno-ugrisch sprechenden Volkes
(Reitervolks), das nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld (10. 8.
955) sesshaft wird. Vielleicht 1001 erfolgt die Krönung eines christlichen
Königs der Ungarn (Stephan I.). 1290 stirbt das Bulgarien, Dalmatien, Galizien,
Kroatien und Siebenbürgen erobernde Königsgeschlecht der Arpaden aus. Im Streit
mit Habsburg setzt sich Anjou-Sizilien durch (1301/1310-1382/1386). (Vor) 1514
erstellt Stephanus → Werböczy eine erstmalige Sammlung des
Gewohnheitsrechts des Königreichs Ungarn, die sich in der Gerichtspraxis
durchsetzt. 1526 fällt das inzwischen entstandene Land Ungarn durch Erbrecht an
→ Habsburg, doch gelangen 1529/1541 große Teile an die Türken/Osmanen
und wird Siebenbürgen weitgehend selbständig 1683-1699 erobert Habsburg die von
Türken beherrschten Gebiete. Zentrale Verwaltungsbehörde ist die unfgarische
Hofkanzlei (bis 17. 3. 1848, ab 20. 10. 1860 bis 17. 2. 1867). 1840 wird ein
Handelsgesetzbuch geschaffen. Ein Aufstand gegen die Herrschaft Österreichs
wird 1849 mit Hilfe Russlands unterdrückt. Nach Ansicht Österreichs verwirkt
Ungarn durch den Parlamentscbeschluss vom 14. 4. 1849 über die Entthronung der
Habsburger und durch die Unabhängigkeitserklärung vom 19. 4. 1849 seine
Verfassung (Verwirkungstheorie), während nach Ansicht Ungarns die Beschlüsse
zwecks Abwehr der Märzverfassung 1849 gerechtfertigt sind (Rechtskontinuitätstheorie).
Von 1853 bis 1861 gilt in Ungarn das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
Österreichs. 1867 muss → Österreich im sog. → Ausgleich seine
Herrschaft über Ungarn lockern (Dualismus, 1873 Hauptstadt Budapest, zuvor
Pest-Buda). 1878 werden ein Strafgesetzbuch (, 1879 ein Strafgesetzbuch über
die → Übertretungen) und 1896 eine 1900 verbesserte Strafprozessordnung
geschaffen. 1895 wird die staatliche Zivilehe eingeführt, womit die Umgeheung
des Ehescheidungsverboits Österreichs durch so genannte siebenbürgische bzw.
ungarische Ehen entbehrlich wird. 1918 verselbständigt sich unter Ausrufung der
Republik (Volksregierung unter Graf Mihály Károlyi) das Land als Königreich
ohne König, das nach dem Ende der Fremdbestimmung durch die Sowjetunion
(1945-1989, Bürgerliches Gesetzbuch 1958) den Anschluss an die Europäische Gemeinschaft
bzw. Europäische Union (1993) sucht und 2004 findet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 194, 220; Baltl/Kocher; Timon,
A. v., Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte, 2. A. (1904 bzw.) 1909;
Schulte, A., Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813-1531, 1924; Karpat,
J., Corona regni Hungariae, 1937; Müller, G., Die mittelalterlichen
Verfassungs- und Rechtseinrichtungen der Rumänen des ehemaligen Ungarn,
Siebenbürgische Vierteljahrschrift 61 (1938); Miskolczy, J., Ungarn in der
Habsburger Monarchie, 1959; Madl, F., Das erste ungarische ZGB, (in) Das
ungarische ZGB, 1963; Karpat, J., Die Rechtsgeschichte Ungarns, (in) FS H.
Lentze, 1969, 339; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,561,
3,2,2141,2819, 3,3,3512,3629,3716,4056,4202; Bogyay, T. v., Grundzüge der
Geschichte Ungarns, 4. A. 1990; Sugar, P./Hanal, P., History of Hungary, 1990;
Diplomata Hungariae Antiquissima, hg. v. Györffy, G., Bd. 1 1992; Haslinger,
P., Hundert Jahre Nachbarschaft, 1996; Zlinszky, J., Wissenschaft und
Gerichtsbarkeit, Quellen und Literatur der Privatrechtsgeschichte Ungarns,
1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 2, hg.
v. Gündel, A., 1997; Kellner, M., Die Ungarneinfälle, 1997; Pribersky, A. u.
a., Ungarn, 1999; Molnár, N., Geschichte Ungarns, 1999; Les Hongrois et
l’Europe, hg. v. Csernus, S. u. a., 1999; Kristó, G., Die Geburt der
ungarischen Nation, 2000; Lendvai, P., Die Ungarn, 1999; Fata, M., Ungarn,
2000; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der
österreichisch-ungarischen Monarchie, 2000; The Hungarian State 1000-2000, hg.
v. Gergely, A. u. a., 2000; Molnár, M., A Concise History of Hungary, 2001;
Ungarn und Europa, hg. v. Brunner, G. 2001; Krauss, K., Deutsche Auswanderer in
Ungarn, 2003; Pajkossy, G., Magyarország története a 19. században [Die
Geschichte Ungarns im 19. Jahrhundert], 2003 S.; Kajtár, I., A 19. századi
magyar állam- és jogrendszer alapjai. Európa – haladás – Magyarország (Die
Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19.
Jahrhunderts. Europa – Fortschritt – Ungarn), 2003; Adriányi, G., Die
Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der
deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Peregrinatio Hungarica, hg.
v. Fata, M. u. a., 2006
Ungarn → Ungar
Lit.: Mayer, T., Verwaltungsreform in Ungarn nach der
Türkenzeit, 1911 Neudruck bzw. 2. A. 1980; Zehntbauer, R., Einführung in die
neuere Geschichte des ungarischen Privatrechts, 1916; Heymann, E., Das
ungarische Privatrecht und der Rechtsausgleich mit Ungarn, 1917; Tagányi, K.,
Lebende Rechtsgewohnheiten und ihre Sammlung in Ungarn, 1922; Both, Ö., Kampf
um die Einführung der Geschworenengerichte, Acta universitatis Szegediensis,
Iur. et polit. 7, 1 (1960), 1; Deér, J., Die heilige Krone Ungarns,
1966; Horváth, P., A kelet- és közép-európai
népek, 1968; Die juristische Bildung in der Slowakei und Ungarn bis zum
Jahre 1848, 1968; Tripartitum opus iuris
consuetudinarii inclyti regni Hungarie per Stephanum de Werbewcz editum Wien
1517, Neudruck 1969; Tanulmányok a
magyar helyi önkormányzat múltjábol (Studien zur Geschichte der örtlichen
Selbstverwaltung in Ungarn), hg. v. Bónis, G./Degré, A., 1971; Bónis, G.,
Középkori jogunk elemei, 1972; Bak, J.,
Königtum und Stände in Ungarn im 14.-16. Jahrhundert, 1973; Csizmadia, A., Adam
Franz Kollár und die ungarische rechtshistorische Forschung, 1982; Kovács, K.,
Zur Geschichte des ungarischen Strafrechts und Strafprozessrechts 1000-1918,
1982; Mertanová, S., Ius tavernicale, 1985, Jobbágyi, G., Die Rechtsfähigkeit
und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht, ZRG GA 110 (1993), 513;
Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuches in Ungarn, ZRG GA 113 (1996), 362; Gönczi, K., Ungarisches
Stadtrecht aus europäischer Sicht, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des
Rechts, hg. v. Polaschek, M., 1997; Die Elemente der ungarischen
Verfassungsentwicklung, hg. v. Máthé, G./Mezey, B., 2000; The Hungarian State,
hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Gönczi, K./Henne, T., Leipziger Verlage,
liaisonmen und die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft in Ungarn, ZRG GA
118 (2001), 247; Kajtár, I., (Fie Grundlagen des modernen ungarischen
Verfassungs- und Rechtssystems des 19. Jahrhunderts), 2003; Németh, I.,
Ungarische Geschichte, 2003; Varga, G., Ungarn und das Reich, 2003; Dalos, G.,
Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M.,
2004; Nationalstaat – Monarchie – Mitteleuropa, hg. v. Máthé, G. u. a., 2004;
Voigt, K., Der Schutz nationaler ungarischer Minderheiten, 2005; Bahlcke, J.,
Ungarischer Episkopat und österreichische Monarchie, 2005; Steinberg, G., Aufklärerische
Tendenzen im ungarischen Strafrecht, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 978; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum
ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Ruszoly, J., Institutionelle
Grundlagen der Legislation in Ungarn (1920-1944/45), 2007; Schmidt-Schweizer,
A., Politische Heschichte Ungarns von 1985 bis 2002, 2007; Historische
Demographie Ungarns (896-1996), hg. v. Kristó, G., 2007; Gönczi, K., Die
europäischen Fundamente der ungarischen Rechtskultur, 2008
ungeboten (ohne
besonderes Gebot auf Grund allgemeiner Regeln erfolgend) z. B. ungebotenes →
Ding
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Ungefährwerk ist
die wissenschaftliche Bezeichnung für den ungewollten Unrechtserfolg im
älteren deutschen Recht (z. B. fehlgehender Pfeil führt zum Tod eines
Menschen). → Fahrlässigkeit
Lit.: Köbler, DRG 91; Behrend, R., Das Ungefährwerk in der
Geschichte des Seerechts, ZRG GA 19 (1898), 52; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964
Ungehorsam → Widerstand
Ungeld ist seit dem
Hochmittelalter bis ins 19. Jh. die (vielfach städtische) →
Verbrauchsteuer (z. B. Weinungeld). → Akzise
Lit.: Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878;
Weisbrod, R., Das Weinungeld als Rechtsinstitut der freien Reichsstadt Speyer
1952; Habich, W., Das Weinungeld, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Mit dem
Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992
ungemessen (nicht
durch ein Maß bestimmt)
Unger, Joseph (Wien
2. 7. 1828-Wien 2. 5. 1913) Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von
Philosophie und Recht (Wien) und dem Übertritt zum Katholizismus Bibliothekar
und 1853 außerordentlicher Professor in Prag und 1856 in Wien (1857
ordentlicher Professor). Er vertritt die Ansichten der historischen
Rechtsschule. Seit 1870 wendet er sich der Politik zu (bereits 1867 Mitglied
des Herrenhauses auf Lebenszeit).. 1869 wird er Mitglied, 1881 Präsident des
Reichsgerichts in → Österreich. Von 1871 bis 1879 ist er Minister ohne Geschäftsbereich.
Er beteiligt sich maßgeblich an der Errichtung des Verwaltungsgerichtshofs
(1876). Sein ursprüngliches Eintreten für ein Bürgerliches Gesetzbuch des
Deutschen Bundes (1855) wandelt sich später in einen Aufruf zur Revision des
österreichischen → Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches durch einzelne
Teilnovellen (1914, 1915, 1916 verwirklicht). Seit 1859 veröffentlicht er mit
Julius Glaser die zivilrechtlichen Urteile des Obersten Gerichtshofes. Sein
System des österreichischen allgemeinen Privatrechts wird mehrfach
aufgelegt.
Lit.: Strohal, E., Josef Unger, 1914; Lentze, H., Josef
Unger, FS H. Arnold, 1963, 219; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der
deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1953, 83; Ogris, W., Die historische
Schule der österreichischen Zivilistik, FS H. Lentze, 1969, 449; Juristen in
Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 177; Olechowski, T., Die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999
Ungerechtfertigte Bereicherung ist die nicht durch einen rechtlichen Grund
gerechtfertigte → Bereicherung einer Person (z. B. Leistung auf eine
Nichtschuld). Die u. B. ist nach dem Vorbild des römischen, sie als
Quasikontrakt behandelnden Rechts (lat. [F.] → condictio) grundsätzlich
im Umfang des Empfangenen herauszugeben. Die Beschränkung der Haftung auf die
noch vorhandene Bereicherung erfolgt durch → Duarenus (1509-1559), dem →
Glück (1755-1831) folgt. Später wird zwischen Leistungskondiktion und
Eingriffskondiktion (ohne Leistung) unterschieden, doch werden beide
grundsätzlich gleich behandelt.
Lit.: Apathy, P., Der Verwendungsanspruch, 1988; Unjust
Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in
Europa, 2001; Flume, W., Studien zur Lehre von der ungerechtfertigten
Bereicherung, hg. v. Ernst, W., 2003; Cases, Materials and Texts on Unjustified
Enrichment, hg. v. Beatson, J. u. a., 2003
Ungericht (N.) Unrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Friese, V., Das Strafrecht des
Sachsenspiegels, 1898
Uniform ist
die einheitliche Kleidung vor allem des Soldaten bzw. Amtsträgers der frühen
Neuzeit.
Lit:: Die zivile Uniform als symbolische Kommunikation, hg. v.
Hckspiel-Mikosch, E. u. a., 2007
uniert (Adj.) vereint (z. B.
Kirche)
Union (F.) Vereinigung, → Europäische Union, → Personalunion, → Realunion, Sowjetunion
unio (F.) prolium (lat.) Vereinigung der Nachkommen, → Einkindschaft
universal (Adj.) allseitig
Universalienstreit
ist der philosophische, seit Platon bekannte, nicht entschiedene Streit
darüber, ob Allgemeinbegriffe (Universalien wie z. B. Mensch, Klasse) wirklich
(Realismus) oder nur begrifflich (Nominalismus) sind.
Lit.: Der
Universalienstreit, hg. v. Stegmüller, W., 1978, Libera, A. de, Der
Universalienstreit, 2005
Universalfideikommiss (lat. fideicommissum hereditatis) ist im römischen
Recht das zur Herausgabe des Nachlasses (oder dessen Teile) verpflichtende und
damit die Umgehung des Verbots der Nacherbschaft ermöglichende Fideikommiss.
Lit.: Manthe, U., Das Senatusconsultum Pegasianum, 1989
Universalsukzession (F.) ist die Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei einem Erbfall). Nach römischem Recht folgt der Erbe in das gesamte Recht des Verstorbenen (lat. successio in universum ius quod defunctus habuerit), so dass mehrere Erben den Nachlass zu rechnerischen Bruchteilen erben. Demgegenüber gibt es im deutschen Recht (auch) Sondererbfolgen (z. B. in Hergewäte, Morgengabe, Familienfideikommiss, Anerbenrecht). Im Laufe der Neuzeit setzt sich die U. auch auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes mehr und mehr durch und verdrängt die Sondererbfolgen.
Lit.: Kaser § 65 I 1; Köbler, DRG 210; Schwerin, C. Frhr.
v., Über den Begriff der Rechtsnachfolge, 1905; Tuor, P., Der Grundsatz der
Universalsukzession, 1922
universitas (lat.
[F.]) Einheit, Personenverband mit gemeinsamer Willensbildung, vom
Mitgliedervermögen getrenntem Vermögen, handelnden Organen und Rechtsträgerschaft
der Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Vorstufe der juristischen person
ist bereits dem römischen Recht bekannt (z. B. Staat, Stadt municipium, Verein
collegium)
Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 57; Krämer, W., Konsens und
Rezeption, 1980; Ralf, M., Societas und universitas, 2008
universitas (F.)
rerum (lat.) Sachgesamtheit (z. B. Herde,
Warenlager)
Universität ist die
aus der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden seit dem 12. Jh. erwachsende,
die gesamte Breite der Wissenschaften erfassende Lehranstalt. Die erste
juristische U. entsteht auf scholastischer Grundlage um die Glossatoren (→
Irnerius, Bulgarus, Hugo, Jacobus, Martinus) in Bologna (als offizielles Gründungsjahr
1088 angesehen, um 1200 ca. 1000 juristische Studenten, Statuten von 1252).
Spätere Universitäten umfassen meist neben der einführenden artistischen
(philosophischen) Fakultät (der artes liberales) die drei höheren Fakultäten
Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Leiter der U. ist der Rektor, Leiter der
Fakultät ist der Dekan. Als Schutzherren treten anfangs vor allem Papst und
Kaiser auf, später auch Landesherren und Städte. Frühe bekannte europäische
Universitäten entwickeln sich in → Paris (Statuten von 1215), →
Oxford (nach 1139), → Cambridge (seit 1209), → Montpellier (seit
etwa 1170), → Salerno (995-1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca
1218/1219, → Padua (1222) oder → Neapel (1224), Lissabon (1290),
Pisa (1343), Florenz (1349), Siena (1357) oder Pavia (1361). Eine erste
deutsche U. entsteht in → Prag 1348 (, Beginn humanistischen Einflusses).
Es folgen mit bescheidenen Anfängen → Wien (1365), (ab 1378 Verringerung
des päpstlichen Einflusses infolge des Schismas,) → Heidelberg (1386), →
Köln (1388), → Erfurt (1392), (um 1400 europaweit rund 30 Universitäten,
Aufkommen territorialer Universitäten,)→ Leipzig (1409), → Rostock
(1419), → Freiburg im Breisgau (1425), → Greifswald (1456), →
Löwen (1425 bzw. 1457), → Basel (1460), → Ingolstadt (1472), →
Trier (1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), → Tübingen (1477) und →
Mainz (1477). Die Zahl der Studierenden nimmt beständig zu (im ausgehenden 14.
Jahrhundert in Deutschland vielleicht jährlich 600, im ausgehenden 15. Jh. in
Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger, von 1385 bis 1505 in
Deutschland insgesamt rund 200000 Studerende, davon 164000 an den 12 Universitäten
Wien, Löwen, Basel, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig, Rostock, Greifswald,
Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Tübingen – deren Matrikel im Gegensatz zu
Prag, Trier und Mainz nicht verloren ist -, bis zur Reformation im Heiligen
römischen Reich rund, - in Köln zu vier Fünfteln aus Städten stammende - 300000
Studierende, davon 250000 der artistischen Fakultät, 13 % (rund 39000) der
juristischen Fakultät, 2,6 % der theologischen Fakultät und 0,4 % der
medizinischen Fakultät). Angestrebte, aber vielfach nicht erreichte Grade sind
Bakkalaureus, Lzentiat, Magister und Doktor. Die Reformation (1527 erste
lutherische Universität in Marburg, 1559 erste reformierte Universität in Genf)
fördert die Differenzierung der Lehre, die Professionalisierung der
Universitätslehrer und die Vorstellung der Freiheit der Studierenden, aber auch
Gegenbewegungen (1538 höheres Studium der Dominikaner auf Haiti, ab 1550
jesuitische Hochschulen) und europäische Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt
Petersburg) wie außereuropäische Ausdehnung (1650 Stiftungshochschchule John
Harvards in Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New Brunswick, 1829 Cape Town, 1850
Sidney, 1857 Bombay, 1883 Istanbul, 1898 Peking). Juristische
Reformuniversitäten werden → Halle (1694), → Göttingen (1734) und →
Berlin (1810, Humboldtsches Bildungsideal) (um 1800 190 Universitäten
weltweit). Im 19. Jh. werden naturwissenschaftliche Fächer eröffnet. Im
Verlauf des Jh.s öffnet sich die U. allmählich den Frauen. In der Wertschätzung
stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn, Heidelberg und Göttingen
vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des 20. Jh.s führt zu vielen
Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der Rechtswissenschaft, um
1990 rund 750 Universitäten und 6500 weitere Hochschulen weltweit). Der Anteil
der Akademiker an der Gesamtbevölkerung wird zum Vergleichsmaßstab unter den
verschiedenen Staaten. Allmählich steigt der Anteil der Frauen an den
Studierenden auf die Hälfte und mehr. Dem folgt mit deutlicher Verzögerung auch
der Anteil der Frauen an der Professorenschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 99, 106, 143, 151,
154, 180, 254; Denifle, H., Die Entstehung der Universitäten, 1885; Denifle,
H., Die Universitäten des Mittelalters bis 1400, 1885; Kaufmann, G., Die
Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2 1896, Neudruck 1958; Eulenburg,
F., Die Frequenz der deutschen Universitäten, 1904; Paulsen, F., Geschichte des
gelehrten Unterrichts, Bd. 1f. 1919; Rashdall, H., The Universities, 1936;
Grundmann, Herbert, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, 1957 (SB
Leipzig); Ebel, W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums, 1961; Köbler, G., Zur
Geschichte der juristischen Ausbildung, JZ 1961, 768; Nationalsozialismus und
die deutsche Universität, 1966; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972;
Cobban, A., The Medieval Universities, 1975; Beiträge zu Problemen deutscher
Universitätsgründungen der frühen Neuzeit, hg. v. Baumgart, P., 1978;
Università, Academie e Società scientifiche in Italia e in Germania del
cinquecento al settecento, hg. v. Böhm, L. u. a., 1981; Universitäten und
Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. v. Böhm, L. u. a.,
1983; Esch, A., Die Anfänge der Universität, 1985; Histoire des universités en
France, hg. v. Verger, J., 1986; Schwinges, R., Deutsche Universitätsbesucher,
1986; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Cobban, A., The
Medieval English Universities, 1988; Müller, A., Geschichte der Universität,
Bd. 1f. 1990; Heiber, H., Universität unterm Hakenkreuz, 1991; Rexroth, F.,
Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Geschichte der
Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Hammerstein, N.,
Universitäten und Reformation, HZ 258 (1994), 339; Università, hg. v. Porciani,
I., 1994; Die Universität in Alteuropa, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1994;
Guide to Legal Studies in Europe, hg. v. The European Law Students’
Association, 1995; Titze, H., Wachstum und Differenzierung der deutschen
Universitäten 1830-1945, 1995; Verger, J., Les universités françaises, 1995;
Schlange-Schöningen, H., Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken
Konstantinopel, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N.,
1996; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten im neunzehnten Jahrhundert,
1997; Pedersen, O., The first universities, 1997; Boockmann, H., Wissen und
Widerstand, 1999; Stätten des Geistes, hg. v. Demandt, A., 1999; Jessen, R.,
Akademische Elite und kommunistische Diktatur, 1999; Attempto – oder wie
stiftet man eine Universität, hg. v. Lorenz, S., 1999; Ferz, S., Ewige
Universitätsreform, 2000; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität,
2001; Zwischen Autonomie und Anpassung, hg. v. Connelly, J./Grüttner, M. 2002;
Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2002; Gredler, P., The
Universities of the Italian Renaissance, 2002; Zwischen Autonomie und Anpassung
– Universitäten in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, hg. v. Connelly, J. u.
a., 2003; Kahl, W., Hochschule und Staat, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten
und Hochschulen im Nationalsozialismus, 2004; Gerber, S., Universitätsverwaltung
und Wissenschaftsorganisation im 19. Jahrhundert, 2004; Universitäten und
Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, hg. v. Blaschke,
K., 2004; Anderson, R., European Universities from the Enlightenment to 1914,
2004; Clark, W., Academic Charisma and the Origins of the Research University,
2006; Howard, T., Protestant Theology and the Making of the Modern German
University, 2006; Universitäten im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Wörster, P.,
2008; Orte der Gelahrtheit, hg. v. Siebe, D., 2008; Der Aristotelismus an den
europäischen Universitäten der frühen Neuzeit, hg. v. Darge, R. u. a., 2009
Universitätsgerichtsbarkeit
(akademische Gerichtsbarkeit) ist die besondere Gerichtsbarkeit der Universität (bzw.
des Rektors) über die Universitätsmitglieder (Studenten, Professoren, deren
Ehefrauen und Kinder, Universitätsbedienstete, Universitätshandwerker,
Dienstpersonal), die neben der kirchlichen Gerichtsbarkeit und der weltlichen
Gerichtsbarkeit besteht. Sie findet sich nach älteren Ansätzen (Bologna [1158
Konstitution Habita König Friedrichs I. Barbarossa] zu Gunsten der einzelnen
Studenten, Paris) zumindest zeitweise in Prag, Wien, Heidelberg, Leipzig,
Rostock, Freiburg im Breisgau, Basel und Ingolstadt. Vielfach sind die
besonders schweren Verbrechen ausgenommen, doch sind auch Todesstrafen bezeugt.
Im Deutschen Bund (1815-1866) wird die U. durch die Karlsbader Beschlüsse
verstaatlicht. Endgültig abgeschafft wird die U. im Deutschen Reich 1877/1879
(§ 15 GVG). Ihr folgt teilweise eine besondere Disziplinargerichtsbarkeit,
1935 durch Erlass die Strafordnung für Studenten, nach 1949 ein am
Verwaltungsrecht ausgerichtetes Ordnungsrecht bei Störungen des Hochschulbetriebs
und Behinderungen von Hochschulorganen.
Lit.: Stein, F., Die akademische Gerichtsbarkeit, 1891; Toll,
H., Akademische Gerichtsbarkeit, 1979; Woeste, P., Akademische Väter als
Richter, 1987; Brüdermann, S., Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit
im 18. Jahrhundert, 1990; Alenfelder, K., Akademische Gerichtsbarkeit 2002;
Bubach, R., Richten, Strafen und Vertragen, 2004
Universum (N.) ist die
Gesamtheit oder das bisher im Wesentlichen vom Recht des Menschen freie
Weltall.
unkörperlich (Adj., lat incorporalis)
keine Raumausdehnung habend (z. B. Forderung in Gegensatz zu Haus)
Unlauterer Wettbewerb ist der gegen die Redlichkeit verstoßende Wettbewerb (in der Wirtschaft). Als eigenständiger, vom Strafrecht gelöster Fragenbereich wird der unlautere Wettbewerb im 19. Jh. erkannt. In Frankreich finden die Art. 1382, 1383 → Code civil Anwendung, in England die → equity. Das Deutsche Reich schützt am 12. 5. 1894 die Warenbezeichnung gesetzlich und am 7. 6. 1909 den Wettbewerb allgemein gegen Unlauterkeit. Am 8. 7. 2004 tritt eine Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft, die das Sonderveranstaltungsverbot aufhebt, Telefonwerbung von Einwilligung abhängig macht und einen Gewinnabschöpfungsanspruch für Verbände einführt.
Lit.: Kohler, J., Der unlautere Wettbewerb, 1914, 33; Hof,
H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung
des unlauteren Wettbewerbs, JuS 1996, 1064; Köhler, H., Das neue UWG, NJW 2004,
2121
Unlust (F.) Nichtzuhören im → Ding
Unmittelbarkeit (F.)
Verbindung zweier Momente ohne ein drittes vermittelndes Glied (z. B. Reichsunmittelbarkeit
zwischen Herrscher und reichsunmittelbaren Gliedern des Heiligen römischen
Reiches)
Lit.: Kaser § 87 II 6; Köbler, DRG 201, 202; Stüber, M.,
Die Entwicklung des Prinzips der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren,
2005
Unmöglichkeit (lat.
[F.] impossibilitas) ist die Unbewirkbarkeit einer Leistung. Sie ist bereits
dem römischen Recht bekannt. Den anfangs nur sehr begrenzt bedeutsamen
lateinischen Satz impossibilium nulla est obligatio (zu Unmöglichem besteht
keine Verpflichtung) dehnt → Donellus in der frühen Neuzeit ausdrücklich
auf alle Verträge aus. → Pufendorf erweitert die zunächst nur für die
besonderen → Innominatkontrakte anerkannten Regeln über das Freiwerden
bei unverschuldeter nachträglicher U. auf alle Verträge. Im 19. Jh. baut
Friedrich Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung der römischen Quellen
ein System der anfänglichen bzw. nachträglichen und subjektiven oder
objektiven U. auf, das über → Windscheid in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) Eingang findet. Bei anfänglicher objektiver U. kommt kein
Vertrag zustande. Bei nachträglicher, vom Schuldner zu vertretender U. hat der
Gläubiger Anspruch auf das Erfüllungsinteresse, während bei zufälliger U.
grundsätzlich keine Erfüllungsansprüche bestehen.
Lit.: Kaser § 37 I 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 165,
214; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Wollschläger, C., Die
Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Rückert, J., Vom casus zur
Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Unmündigkeit ist
das Fehlen der → Mündigkeit.
Lit.: Kaser §§ 14 II 2, 62 I 1; Hübner; Köbler, DRG 21, 57,
87, 121
Unna
Lit.: Unna, bearb. v. Lüdicke, R., 1930
Unrecht ist das Fehlen von Recht. U. gibt es seit der Entstehung von Recht. Aufgabe der Allgemeinheit ist es, U. zu verhindern und Recht herzustellen. Notfalls muss geschehenes U. nachträglich ausgeglichen werden (z. B. Schadenersatz).
Lit.: Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts,
hg. v. Schwarz, W. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Das Recht des Unrechtsstaates, hg.
v. Reifner, U., 1981; Der Unrechtsstaat, hg. v. d. Redaktion der kritischen
Justiz, Bd. 1f. 2 A. 1983; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v.
Salje, P., 1985; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825ff.
Unrecht Gut gedeiht
nicht.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 151
Unschuldseid → Reinigungseid
Unschuldsvermutung ist
die bis zu einem Nachweis einer Schuld für jedermann bestehende Vermutung der
Unschuld.
Lit.:
Schulz, L., Die praesumptio innocentiae, ZRG GA 119 (2002), 193
Unteilbarkeit ist
das Fehlen der Teilbarkeit. Die U. von Herzogtümern und Grafschaften streben
schon die Reichtagsbeschlüsse von Roncaglia (1158) an. Dennoch werden die
Fürstentümer vielfach bis über das 16. Jh. hinaus tatsächlich geteilt. Seit dem
14. Jh. legen die Goldene Bulle (1356) für die Kurfürstentümer und andere
Regelungen für einzelne Fürstentümer (Österreich 1358/9 Fälschung,
Braunschweig-Lüneburg, Hessen, Brandenburg 1473, Württemberg 1495) die U. fest.
Lit.: Köbler, DRG 111; Schulze, H., Das Recht der
Erstgeburt, 1851; Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 240;
Werminghoff, A., Der Rechtsgedanke von der Unteilbarkeit, 1915; Härtel, R.,
Über Landesteilungen, FS F. Hausmann, 1977, 179; Der dynastische Fürstenstaat,
hg. v. Kunisch, J., 1982
Unterbringung
Lit.: Bartelheimer, H., Die Entwicklung des
Unterbringungsrechts, 2003
Untereigentum ist
der untere und insofern nachrangige Teil des geteilten → Eigentums (z. B.
des Lehnsmanns). Es wird im Rahmen des geteilten Eigentums seit dem Hochmittelalter
entwickelt und im 19. Jh. beseitigt.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Unterhalt ist die Gesamtheit
der für den Lebensbedarf eines Menschen erforderlichen Aufwendungen. In
einfachen Gesellschaften ist die gemeinsame Lebensführung Nahestehender so
selbverständlich, dass der U. rechtlich nicht erfasst wird. Bereits das
römische Recht anerkennt seit Augustus (63 v.-14 n. Chr.) aber in der (lat.)
extraordinaria cognitio (F.) durchsetzbare Unterhaltsansprüche zwischen
Kindern und Eltern und Großeltern. Seit Antoninus Pius (?) besteht eine
gegenseitige Unterhaltspflicht zwischen allen ehelichen Aszendenten und
Deszendenten sowie unter Geschwistern. Bei einem unehelichen K. betrifft dies
nur die Mutter und ihre Verwandten. Eine Rechtspflicht zu U. unter Ehegatten
kennt in Ausnahmefällen Justinian (527-565). Im Mittelalter fördert die Kirche
die Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern, bejaht aber die
Schlechterstellung unehelicher Kinder. Dem folgen im Spätmittelalter städtische
Satzungen. Die gelehrte Literatur befasst sich seit dem 16. Jh. vertieft mit
diesen Fragen. In der Aufklärung wird neben dem Vater die Mutter zu U.
verpflichtet und eine Unterhaltsverpflichtung weiterer Verwandter zunehmend
abgelehnt. Dem schlie-ßen sich die großen Zivilrechtsgesetzbücher überwiegend
an. Die grundsätzliche Benachteiligung nichtehelicher Kinder wird in Deutschland
erst 1998 (Österreich 1989, andere Änderungen des Unterhalts seit 1975)
aufgegeben.
Lit.:
Kaser §§ 12 III, 58 VI, 61; Hübner 717; Jankowiak, K., Die Rechtstellung der
Kinder, Diss. jur. Marburg 1923 masch.schr.; Laplanche, J. de, La soutenance ou
pourvéande dans le droit coutumier, 1952; Wiesner, J., Über die Rechtstellung
des ehelichen Kindes, Diss. jur. Kiel 1972; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und
Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten, FS Rechtswissenschaftliche
Fakultät Graz 1979, 95; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche,
1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 254; Koch, E., Unterhaltspflichten
in rechtshistorischer Sicht, (in) Familiäre Solidarität, 1997, 9; Schmitz, U.,
Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000;
Großekathöfer, D., Es ist ja jetzt Gleichberechtigung, 2003; Laubach, B.,
Lateinische Spruchregeln zum Unterhaltsrecht, 2004; Metz, B., Rechtsethische
Prinzipien des nachehelichen Unterhalts, 2005; Meyer, C., Le système doctrinal
des aliments, 2006; Lutze, N., Der Verwandtenunterhalt in den §§ 1601 bis 1603
und §§ 1610 bis 1612 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007;
Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2008
Unterhaus → House of Commons
Unterkauf ist der
im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit in Städten verbotene Zwischenhandel.
Lit.: Hübner § 83; Trusen, W., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961
Unterlassene Hilfeleistung ist die trotz Rechtspflicht zum
Tätigwerden nicht erbrachte Hilfeleistung.
Lit.: Gieseler, K., Unterlassene Hilfeleistung,
1999
Unterlassung ist
die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung. Die U. wird erst allmählich der
Handlung angenähert.
Lit.: Kaser §§ 36 I 2, 51 II 1; Köbler DRG 242
Unternehmen ist im
Privatrecht eine organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten und sonstigen
Werten, innerhalb deren ein Unternehmer entferntere Ziele verfolgt. Gegenüber
dem einzelnen Unternehmer gewinnt das U. seit dem Spätmittelalter ein Eigengewicht.
Seit dem 20. Jh. gibt es Bestrebungen, das U. - statt des Kaufmanns - in den
Mittelpunkt des Handelsrechts zu stellen. Sie werden in Österreich 2007
verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 6 1989, 707; Oppikofer, H., Das Unternehmensrecht, 1927; Bauer, C.,
Unternehmen und Unternehmensformen, 1936; Recht und Entwicklung von
Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg.
v. Willoweit, D. u. a., 1982; Treue, W., Unternehmens- und Unternehmergeschichte,
1989; Conradi, J., Das Unternehmen, 1993; Riechers, A., Das „Unternehmen an
sich“, 1996; Unternehmen im Nationalsozialismus, hg. v. Gall, L./Pohl, M.,
1998; Pierenkemper, T., Unternehmensgeschichte, 2000; Förster, C., Die
Dimension des Unternehmens, 2003; Dienel, H., Die Linde AG, 2004; Berghoff, H.,
Moderne Unternehmensgeschichte, 2004; Thiessen, J., Unternehmenskauf und
Bürgerliches Gesetzbuch, 2005; Ciriacy-Wantrup, K. v., Familien- und erbrechtliche
Gestaltungen von Unternehmen der Renaissance, 2007
Unterpfand (meist
gleichbedeutend wie) Pfand
Lit.: Meibom, V., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 37
Unterschlagung ist
die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache, die der Täter in Besitz
oder Gewahrsam hat (z. B. Verkauf einer entliehenen Sache). Die systematische
Abgrenzung der U. vom → Diebstahl erfolgt erst seit dem Ende des 18 Jh.s.
(Kleinschrod, Sachsen 1838).
Lit.: Köbler, DRG 158; Meister, E., Fahrnisverfolgung und
Unterschlagung im deutschen Recht, FS Adolf Wach, 1913; His, R., Das Strafrecht
im deutschen Mittelalter, Bd. 2 1935, 217; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Reiß,
H., Die strafrechtliche Behandlung der Eigentums- und Vermögensdelikte, 1973
Unterschrift ist
der zum Zwecke der Anerkennung des Inhalts unter den Text einer Urkunde
gesetzte, eigenhändig geschriebene → Name eines Menschen. Das römische
Altertum kennt, wenn auch spät, bereits die U. Die merowingische Königsurkunde
weist vielfach eine eigenhändige U. des Königs auf, an deren Stelle später das
Monogramm oder das → Siegel (11 Jh.) tritt. Seit der frühen Neuzeit
verdrängt die eigenhändige U. das Siegel wieder. Mit zunehmender Selbstverständlichkeit
der Schreibfähigkeit wird die U. immer bedeutsamer. 1901 gestattet das deutsche
Reichsgericht die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen.
Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunde, 1907,
Neudruck 1967; Holzhauer, H., Die eigenhändige Unterschrift, 1973; Schlögl, W.,
Die Unterfertigung deutscher Könige, Saupe, L, Die Unterfertigung der
lateinischen Urkunden, 1983
Untersuchungsgrundsatz ist der Grundsatz, dass das Gericht von Amts wegen
Tatsachen erforscht, sie in die Verhandlung einführt und ihre Wahrheit
feststellt. Der U. beherrscht den Inquisitionsprozess. Im Zivilprozess ist er
selten (Preußen 1793 Allgemeine Gerichtsordnung).
Lit.: Köbler, DRG 203; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und
Rechtswirklichkeit, 1971; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen,
1975; Richter, M., Die Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess, 1999
Untertan ist der
der Herrschaft einer (absoluten) Obrigkeit unterstehende Mensch in der frühen
Neuzeit. An seine Stelle tritt mit der Aufklärung der Staatsbürger oder
Staatsangehörige (1789, 1848, 1918).
Lit.: Moser, J., Von der Landeshoheit in Ansehung der
Untertanen Personen und Vermögens, 1773; Wiesmann, R., Treueid und Treupflicht
der Untertanen, 1911; Buchda, G., Untertanenpflicht, ZRG GA 57 (1937), 468;
Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Feller,
H., Die Bedeutung des Reiches, 1953; Spies, K., Gutsherr und Untertan, 1972;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 295; Lutz, R., Wer
war der gemeine Mann?, 1979; Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der
Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Blickle, P., Deutsche Untertanen, 1981;
Hohenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Sailer, R.,
Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Fetzer, R.,
Untertanenkonflikte im Ritterstift Odenheim, 2002
Unterwalden ist das
Gebiet nid dem Wald, das 1240 ein Bündnis mit → Luzern und 1291 ein
Bündnis mit Uri und → Schwyz gegen die Grafen von → Habsburg
schließt und 1309/1324 die Reichsunmittelbarkeit gewinnt. Es ist einer der
Urkantone der → Schweiz.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973, 2,2,461; 500 Jahre Stanser Vorkommnis, 1981; Das Protokoll
des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549, hg. v. Küchler, R., (1994)
(Separatabdruck); Garovi, A., Obwaldner Geschichte, 2000
Untreue ist das
durch Mangel an zu erwartender Treue gekennzeichnete Vermögensdelikt. Die U.
wird lange durch den Diebstahl miterfasst. Seit dem 19. Jh. wird sie
verselbständigt (Bayern 1813).
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935; Mayer, H., Die Untreue, 1926; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Ritter.
J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942; Kiefner, H., Zur
zivilrechtlichen Genealogie des Missbrauchstatbestandes (§ 266 StGB), (in)
Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, 1205
unvollkommen zweiseitig verpflichtend (Adj.) grundsätzlich
nicht beide Beteiligte verpflichtend, aber in besonderen Fällen doch (z. B.
Leihe, Auftrag)
Unvordenklichkeit ist die Unerinnerlichkeit der Entstehung eines Zustandes. U. begründet im römischen Recht und in der frühen Neuzeit die Vermutung, dass ein Zustand einmal rechtmäßig entstanden ist.
Lit.: Hübner; Kaser § 28 II 1b; Bulker, H., Der
unvordenkliche Besitz, 1841; Unterholzner, K., Verjährungslehre, 2. A. 1958
Unwedersatt
Lit.: Minnigerode, H.
v., Unwedersatt und wirdrisittolo, ZRG GA 59 (1939), 249
Unzucht ist seit dem 18. Jh. die allgemeine Bezeichnung für eine Straftat gegen die Sittlichkeit, die 1973 vom deutschen Gesetzgeber aufgegeben wird.
Lit.: Köbler, DRG 35; Kroeschell, DRG; Beutin, W.,
Sexualität und Obszönität, 1990; Gleixner, U., Das Mensch und der Kerl, 1994;
Kraft, S., Zucht und Unzucht, 1996; Künzel, C., Unzucht – Notzucht –
Vergewaltigung, 2003; Klammer, P., In Unehren beschlaffen, 2004
Unzurechnungsfähigkeit ist das Fehlen der Fähigkeit, überzeugend zuzurechnen bzw.
das Fehlen der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit eines Handelnden. Die U.
wird tatsächlich schon früh beachtet, allgemein aber erst mit der Aufklärung
erfasst. U. besteht insbesondere bei Kindern (Bayern 1813 bis 8, Österreich
1804 bis 10, Deutsches Reich 1871 bis 12 Jahre). → Zurechnungsfähigkeit
Lit.: Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren,
1895, Neudruck 1965; Hippel, R. v., Zur Begriffsbestimmung der
Zurechnungsfähigkeit, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 32 (1911), 99;
Schaffstein, F., Die allgemeine Lehre vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Holzschuh,
K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Unzurechnungsfähigkeiten, hg. v.
Niehaus, M. u. a., 1998
Uplandslagh,
Upplandslagh ist das bis 2. 1. 1296 geschaffene, durch fünf fast vollständige
und zahlreiche bruchstückweise erhaltene Handschriften des früheren 14. Jh.s
überlieferte schwedische Gesetzbuch für Uppland (Tiundaland, Attundaland,
Fiärdrundaland), Roslagen und Gästrikland. Auf Beschwerden der Bauern wird das
bisherige Recht von einem wohl mit in Bologna rechtsgelehrten Beratern zusammenarbeitenden
Ausschuss gesammelt, nach Überprüfung dem Ding zur Annahme vorgelegt und nach
Annahme von König Birger Magnusson bestätigt. Das U. ist in 8 Abschnitte
gegliedert (22 Kapitel Kirchenrecht, 12 Kapitel Königsrecht, 25 Kapitel
Erbrecht, 54 Kapitel Strafrecht, 83 Kapitel Grundstücksrecht, 11 Kapitel
Kaufrecht, 29 Kapitel Dorfschaftsrecht und 14 Kapitel Dingrecht). Es ist
christlich beeinflusst und enthält manche Neuerung. Es beeinflusst Dalalagen,
Södermannalagen, Västmannalagen, Hälsingelagen und Magnus Erikssons
Landrecht, durch das es 1351/1353 weitgehend abgelöst wird. 1734 beendet das
Reichsgesetzbuch Schwedens die Geltung auch im Übrigen.
Lit.: Samling af Sweriges Gamla Lagar, hg. v. Schlyter, C.,
Bd. 3 1834; Schwedische Rechte, hg. v., Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Corpus
Codicum Sueciorum, hg. v. Strömbäck, D., Bd. 15 1960; Wallén, P., Kanoniska och
germanska element, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der
Gesetzgebung, 1960; Hafström, G., De svenska rätskällornas historia, 1978;
Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E.,
Sveriges Medeltidslagar, 1988
Uppsala entsteht im
12. Jh. als Östra Aros (östliche Flussmündung). Nach 1130 wird es Sitz des
Bistums Sigtuna, 1164 eines Erzbischofs. 1314 erhält es Stadtrecht. 1477 wird
eine spätestens 1530 erloschene, 1609 wiederbelebte Universität eingerichtet.
Zeitweise ist U. Residenz des Königs von Schweden, 1707 wird es durch Brand
weitgehend zerstört.
Lit.: Annerstedt, C., Upsala
univeristets histora, Bd. 1f. 1877ff.; Lindroth, S., Svensk lärdomshistoria,
1975; Lindroth, S., Uppsala universitet 1477-1977, 1976; Malmström, Å.,
Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985
Upstallsbom ist der
bei Aurich gelegene Ort, nach dem der spätmittelalterliche Zusammenschluss
friesischer Gaue zwischen Weser und Zuiderzee benannt ist. Hier beraten geschworene
Abgesandte der einzelnen Landschaften auf Landtagen über allgemeine Angelegenheiten.
1323 schaffen sie in den (lat.) Leges (F.Pl.) Upstallsbomicae eine neue
Verfassung des wenig später verfallenden Bundes.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840;
Meijering, H., De willekeuren van de Opstallsboom (1323), 1974; Gerbenzon, P.,
Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981
Uradel (1862) ist
der besonders alte und (deswegen) zu besonders hohem Rang gelangte → Adel
im Gegensatz vor allem zum → Briefadel.
Urbach
Lit.: Regesten zur
Geschichte der Herren von Urbach, bearb. v. Uhland, R., 1958
Urbar ist das mittelalterliche und frühneuzeitliche Güterverzeichnis (z. B. Heberegister, Salbuch, Zinsrödel) eines Grundherrn (z. B. Abtei Prüm 893, Weißenburg, Lorsch, Fulda, Werden, im Herzogtum Württemberg rund 2150 Urbare des 15.-18. Jh.s).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 81, 105; Das
habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Die landesfürstlichen
Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Die Urbare der
Abtei Werden, hg. v. Kötzschke, R., Bd. 1ff. 1906ff.; Die Urbare des
Benediktinerstiftes Göttweig von 1302-1536, bearb. v. Fuchs, A., 1906; Die
landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Gmür,
M., Urbare und Rödel des Klosters Pfäfers, 1910; Die mittelalterlichen Stiftsurbare
des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, hg. v. Schiffmann, K., 1912f.;
Zösmair, J., Das Urbar des Reichsguts in Churrätien aus der Zeit König Ottos
I., Archiv für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 10 (1914), 61; Jecklin,
F., Urbar des Hospizes St. Peter auf dem Septimer, 1915; Brosch, F.,
Siedlungsgeschichte des waxenbergischen Amtes Leonfelden, mit einem Anhang Das
Leonfeldener Urbar, hg. v. Trinks, E., Jahrbuch des oberösterreichischen
Musealvereines 84 (1932); Altwürttembergische Urbare, hg. v. Müller, K., 1934;
Das Elbogener Urbar, hg. v. Schreiber, G., 1934; Baumgartner, R., Das
bernisch-solothurnische Urbar, 1938; Das Füssener
hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, E., 1940; Urbare von Allerheiligen
in Schaffhausen und von Beromünster, bearb. v. Kläui, P., 1941; Das
Bickelspergsche Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435, hg. v. Herberhold,
F., 1941; Feger, O., Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Gurker
Urbare, hg. v. Wießner, H., 1951; Clavadetscher, O., Das churrätische
Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Das Urbar des Hochstifts Augsburg von
1366, hg. v. Dertsch, R., 1954; Seckau, Pettau, hg. v. Roth, B. u. a., 1955;
Das Urbar der vorderen Grafschaft Görz aus dem Jahre 1299, hg. v. Klos-Bužek,
F., 1956; Altwürttembergische Lagerbücher aus der österreichischen Zeit
1520-1534, bearb. v. Schwarz, P. u. a., Bd. 1ff. 1958ff.; Metz, W., Staufische
Güterverzeichnisse, 1964; Raisch, H., Das Esslinger Urbar von 1304, 1966; Das
Hohentwiel-Lagerbuch von 1562, bearb. v. Miller, M., 1968; Das Rattenberger
Salbuch von 1416, hg. v. Bachmann, H., 1970; Salbücher der Grafschaft Lippe von
1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969; Das Prümer Urbar, hg. v.
Schwab, I., 1983; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Richter, G.,
Lagerbücher- und Urbarlehre, 1979; Das älteste bayerische Herzogsurbar, hg. v.
Heeg-Engelhart, I., 1990; Mayer, U. u. a., Die spätmittelalterlichen Urbare des
Heiliggeist-Spitals in Mainz, 1992; Fränkische Urbare, hg. v. Bünz, E. u. a.,
1998; Das älteste Urbar des Priorats Reichenbach von 1427, bearb. v. Keyler,
R., 1999; Das Urbar der Abtei Sankt Maximin vor Trier, bearb. v. Nolden, R.,
1999; Das Urbar des Grafen Burkhard III. von Maidburg-Hardegg, hg. v.
Zehetmayer, R., 2001; Das Urbar des niederösterreichischen
Zisterzienserklosters Zwettl, hg. v. Schneider, G., 2002; Klose, J., Die Urbare
Abt Hermanns von Niederaltaich, 2003; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu
Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Feigl, H./Stockinger, T., DIe
Urbare der Herrschaften Maissau und Sonnberg, 2008
Urbino in den
Marken geht auf das antike Urbinum Metaurense zurück. Im 6. Jh. wird es Sitz
eines Bischofs. Durch die pippinische Schenkung (754) fällt es an den Papst. In
dem 1443/1474 errichteten Herzogtum wird 1506 eine Universität geschaffen.
Lit.: Le città nella storia d’Italia,
1986
Urfehde ist das
seit dem 14. Jh. sichtbare und vom 15. Jh. bis zum 17. Jh. verbreitete
Versprechen (z. B. in Freiburg im Breisgau zwischen 1331 und 1750 rund 1100
Urfehden) der Beendigung der Feindschaft, mit dem die → Fehde endet.
Vielfach üblich ist auch eine U. nach Entlassung aus einer Haft. Davon wird in
Preußen 1796 Abstand genommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Utsch, F., Peinliche Urfehden,
1903; Asmus, W., Das Urfehdewesen Freiburgs im Breisgau, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau, 1923; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Ullrich, G., Ein
Entwurf eines Zeitzer Urfehdebriefs, ZRG GA 59 (1939), 270; Boockmann, A.,
Urfehde, 1980; Blauert, A., Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten, 2000
Urgicht (F.) Geständnis
Urheber ist der
Veranlasser oder Hersteller eines Ergebnisses, insbesondere eines geistigen
Werkes. Seit der frühen Neuzeit entwickelt sich zu seinem Schutz das (im
römischen Recht trotz Anerkennung der Urheberpersönlichkeit noch unbekannte) →
Urheberrecht.
Lit.: Gillis, F., Gewährschaftszug und Laudatio auctoris, 1913; Eggert, A.,
Der Rechtsschutz der Urheber, UFITA 138 (1999), 183; Schickert, K., Der Schutz
literarischer Urheberschaft in Rom, 2004; Köbler, G., Vom Urheber und Patent
zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008
Urheberrecht ist
die Gesamtheit der den → Urheber schützenden Rechtssätze. Im Altertum genießt
der Verfasser eines Werkes zwar bereits Ruhm und wird auch der Plagiator eines
Werkes gesellschaftlich geschmäht, doch gibt es Recht (Eigenum, Besitz) nur am
einzelnen Werkstück und ist die Abschrift eines Textes nicht rechtswidrig. Das
U. gewinnt kurz nach Gutenbergs Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen
Lettern (um 1440-1454), der die preiswerte Vervielfältigung von Gedanken auf
dem seit dem 13. Jh. verwendeten billigeren Papier ermöglicht, seine erste
größere Bedeutung. Es beginnt mit der Erteilung von privilegierenden Patenten
zugunsten (der Verwerter) einzelner Erfindungen (England um 1350), denen in
Venedig 1474 eine erste allgemeine Regelung folgt. Insbesondere Drucker werden
gegen billiger mögliche Nachdrucke durch Strafen vorsehende Privilegien
geschützt. Zahlungen an den Urheber sind zunächst nur Ehrengeschenke. Im
Gefolge der Aufklärung entsteht über die aus vielen Privilegien des 16. und 17.
Jh.s gegen den Nachdruck erwachsende Lehre von einem Verlagseigentum (17. Jh.)
seit dem Anfang des 18. Jh.s die Lehre vom → geistigen Eigentum, die sich
im 19. Jh. nach englisch-französischem Vorbild (1710 Statute of Anne,
Frankreich 1791, 1793) für einige Zeit durchsetzt (Preußen 11. 6. 1837,
gemeinsame Grundsätze der Bundesversammlung des Deutschen Bunds vom 7. 11.
1837, Norddeutscher Bund 1870, Urheberrechtsgesetz des Deutschen Reiches vom
11. Juni 1870, Gesetze betreffend den Schutz von Werken der Kunst und
Photographie 1876, Literatururhebergesetz vom 19. Juni 1901 [Gesetz betreffend
das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst], Kunsturhebergesetz
1907, Schweiz 1883, Österreich 1895), bis sie in Deutschland durch den
pandektistischen, auf körperliche Gegenstände beschränkten Eigentumsbegriff
(des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900) wieder verdrängt wird. Mit der
Herausbildung eines freien Schriftstellertums entsteht die Vorstellung eines
Urhebervermögensrechts. International bedeutsam wird die Berner Übereinkunft
(1866), nach der die beteiligten Staaten das inländische Recht des Leistungsschutzes
auf die Angehörigen aller Teilnehmerstaaten erstrecken 1952 Welturheberrechtsakommen,
E. 20. Jh.s
Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights). Im 20. Jh. wird der Schutz des Urhebers ausgedehnt (70
Jahre nach dem Tod). Allerdings bedarf der Urheber in der Regel zur
wirtschaftlichen Verwertung seiner Gedanken wirtschaftlich erfahrener, durch
Vertrag viele der Rechte des Urhebers gegen Entgelt übernehmender Mittelsmänner
(z. B. Verlag, der nach dem Verlagsvertrag die wirtschaftlichen Rechte des
Autors durch ein Honorar von 5-10 Prozent des Ladenpreises des einzelnen
verkauften Buches entgilt).
Lit.: Köbler,
DRG 184, 205, 218, 272; Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der
gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55
(1935), 216; Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen
Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Gieseke, L., Vom Privileg zum
Urheberrecht, 1956; Gieseke, L., Die geschichtliche Entwicklung des deutschen
Urheberrechts, 1957; Bappert, W., Wege zum Urheberrecht, 1962; Seemann, H.,
Volkslied und Urheberrecht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,737, 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber-
und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum
Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Bosse, H., Autorschaft ist
Werkherrschaft, 1981; Hundert Jahre Urheberrechtsgesetz, 1983; Woher kommt das
Urheberrecht und wohin geht es?, hg. v. Dittrich, R., 1988; Wadle, E., Der
Bundesbeschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck, ZRG GA 106 (1989),
198; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Wadle, E., Savignys
Beiträge zum Urheberrecht, (in) Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Wadle,
E., Zur Geschichte des Urheberrechts in Europa, (in) Entwicklung des
europäischen Urheberrechts, 1989; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht,
hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht,
1992; Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes, hg. v. Dittrich, R., 1991;
Historische Studien zum Urheberrecht, hg. v. Wadle, E., 1993; Schulze, E.,
Geschützte und ungeschützte Noten, 1995; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht,
1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Püschel, H., Die
Parsifal-Frage, ein rechtshistorisches Phänomen, ZRG GA 113 (1996), 307;
Ellins, J., Copyright Law, Urheberrecht, 1997; Materialien zum Urheberrechtsgesetz,
hg. v. Schulze, M, Bd. 1f. 2. A. 1997; Kurz, P., Die Geschichte des
Arbeitnehmererfinderrechts, 1997; Wadle, E., Preußische Privilegien, (in)
Musik und Recht, 1998, 85; Schack, H., Die ersten Urheberrechtsgesetze in den
Vereinigten Staaten von Amerika 1783-1786, UFITA 136 (1998), 219; Seville, C.,
Literary Copyright Reform in Early Victorian England, 1999; Sherman, B./Bently,
L., The Making of Modern Intellectual Property Law, 1999; Wadle, E., Das
Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819, UFITA 138 (1999), 153;
Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzs, 2000; Nomine, R., Der königlich
preußische literarische Sachverständigen-Verein, 2001; Kawohl, F.,
Urheberrecht der Musik in Preußen, 2002; Maracke, C., Die Entstehung des
Urheberrechtsgesetzes von 1965, 2003; Schriks, C., Het kopijrecht, 2004;
Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen
Antike, 2004; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den
Büchernachdruck, 2004; Dulken, S. van, Ideen, die Geschichte machten, 2004;
Müller, L., Das Urheberpersönlichkeitsrecht, 2004, Vogt, R., Die
urheberrechtliche Reformdiskussion in Deutschland während der Weimarer Republik
und im Nationalsozialismus, 2004; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im
Rechtsverkehr, 2004; Bandilla, K., Urheberrecht im Kaiserreich, 2005; Balogh,
E., Der Einfluss des deutschen Rechts auf den ersten ungarischen Gesetzentwurf
zum Urheberrecht, ZRG GA 123 (2006), 305; Gergen, T., Das württembergische
Privilegiensystem gegen den Büchernachdruck, UFITA 2006, 189; Feld, A., Das
bayerische Gesetz zum Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und
Kunst gegen Nachdruck vom 15. 04. 1840, 2007; Wadle, E., Urheberrecht zwischen
Gestern und Morgen, 2007; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs
im 19. Jahrhundert, 2007; Löhnig, M., Vom Schrifteigentum - das erste deutsche
Urheberrecht in Art. 577da-dh des badischen Landrechts, UFITA 1997, 783ff.;
Gergen, T., Zum Urheberrecht Hannovers im 18. und 19. Jahrhundert, ZRG GA 125
(2008), 181; Köbler,
G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008;
Mohnhaupt, H., Zur Entstehung der Rechtsdisziplin Urheberrecht im 19.
Jahrhundert (in) Grundlagen und Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v.
Pahlow, L. u. a., 2008, 131
Uri ist der Ort am
Vierwaldstätter See, der 732 erstmals erwähnt wird und dem König Heinrich
(VII.) die Reichsunmittelbarkeit bestätigt. 1291 schließt sich U. mit →
Schwyz und Unterwalden gegen → Habsburg zusammen. U. ist ein Urkanton
der → Schweiz, in dem die Landsgemeinde 1928 durch Urwahlen ersetzt wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Schlachtjahrzeit
von Uri, hg. v. Wymann, E., 1916; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,461; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Stadler-Planzer, Hans,
Geschichte des Landes Uri, Teil 1 1993
Urkunde ist die
verkörperte Gedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich
ist, den Aussteller erkennen lässt und zum Beweis einer rechtlich erheblichen
Tatsache geeignet und bestimmt ist bzw. das unter Beobachtung bestimmter Formen
ausgefertigte und beglaubigte Schriftstück über Vorgänge rechtserheblicher
Natur (Ahasver von Brandt). Da die U. die Schriftlichkeit voraussetzt, fehlt
sie den Germanen im Gegensatz (zu altorientalischen Kulturen und) zu den
Römern, bei denen sie (lat. [N.] instrumentum) als Zeugenurkunde (lat. [F.]
testatio) auf Wachsdoppeltäfelchen in objektiver d. h. dritter Person
gehaltener Fassung oder seit dem 2./1. Jh. v. Chr. nach griechischem Vorbild
als zeugenloses, eigenhändiges, subjektiv gefasstes Handschreiben (lat. [N.]
chirographum) vielfach errichtet und durch Verdoppeln oder Zusammenfalten (Diplom)
vor Beschädigung oder Verfälschung geschützt wird. Später erscheinen in Rom
auch Anfänge gewerbsmäßiger Ausstellung und öffentlicher Beurkundung.
Fortgeführt ins Mittelalter wird die U. durch die Kirche. Die Zahl der
erhaltenen merowingischen Urkunden beträgt etwa 700, die der karolingischen
etwa 10000, die der ottonisch-salischen etwa 3000, wobei die Königsurkunde (ca.
4000 im Frühmittelalter) gegenüber der Privaturkunde (fast 10000) zeitweise
gänzlich vorherrscht. Gegliedert ist jede U. grundsätzlich in Protokoll
(Invokation [Gottes], Intitulation [des Ausstellers], Inskription [Nennung des
Empfängers], Salutation [Gruß]), Kontext (Arenga [allgemeine Begründung der
Ausstellung], Promulgation [Verkündung}, Ereignisbericht [lat. narratio],
Bitte um Urkundenausstellung, Dispositio [eigentliches Rechtsgeschäft,
Verfügung], Confirmatio und/oder Pönformel, Beglaubigungsmittel [lat.
corroboratio]) und Eschatakoll (Actum, Schlussdatierung, Ausstellerunterschrift,
Zeugenunterschriften und die Schreiberformel [Rekognition], evtl.
Gebetsformel). Im 13. Jh. nimmt die Zahl der Urkunden unübersehbar zu, zumal
die Schreibfähigkeit immer mehr verbreitet wird. Veröffentlicht sind seit dem
17. Jh. vor allem die älteren Urkunden in Urkundenbüchern. Der Bestrafung der
Urkundenfälschung dienen später besondere Strafvorschriften.
Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, WAS; Urkundenbuch der Abtei
St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Brunner, H., Zur
Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880; Zeumer,
K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reich, ZRG GA 1 (1880),
89; Posse, O., Die Lehre von den Privaturkunden, 1887; Hübner, R.,
Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Vancsa, F., Das erste Auftreten
der deutschen Sprache, 1895, Neudruck 1963; Erben, W./Schmitz-Kallenberg,
L./Redlich, O., Urkundenlehre, 1907ff.; Redlich, O., Die Privaturkunden des
Mittelalters, 1911; Mitis, O. Frhr. v., Studien zum älteren österreichischen
Urkundenwesen, 1912; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A.
1912, 4. A. 1968ff. (unv. Neudruck); Redlich, O., Die Privaturkunden des
Mittelalters, 1911, Neudruck 1967; Urkunden zur Geschichte der Territorialverfassung,
hg. v. Sander, P./Spangenberg, H., 1922f.; Steinacker, H., Die antiken
Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1927; Corpus der
altdeutschen Originalurkunden, begr. v. Wilhelm, F., Bd. 1ff. 1929ff.; Ketner,
F., De oudste oorkonden van het klooster Bethlehem bij Doetinchem, 1932;
Santifaller, L., Urkundenforschung, 1937; Honselmann, K., Von der carta zur
Siegelurkunde, 1939; Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente,
1941; Meisner, H., Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit, 2. A. 1952; Oppermann,
O., Rheinische Urkundenstudien, 1951; Chartae latinae antiquiores, hg. v.
Bruckner, A., Bd. 1ff. 1954ff., Neuere Editionen mittelalterlicher Königs- und
Papsturkunden, (berab.) v. Santifaller, L., 1958; Tessier, G., Diplomatique
royale française, 1962; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und
Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214
bis 1255/1294, 1967; Zinsmaier, P., Die Urkunden Philipps von Schwaben und
Ottos IV. (1198-212), 1969; Hlavaček, I., Das Urkunden- und Kanzleiwesen
des böhmischen und römischen Königs Wenzel (IV.) 1376-1419, 1970; Chaplais, P.,
English royal documents, 1971; Fichtenau, H., Das Urkundenwesen in Österreich
vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, 1971; Matzinger-Pfister, R., Paarformel,
Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Classen, P., Kaiserreskript und
Königsurkunde, 1977; Traditiones Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979;
Zimmermann, H., Papsturkunden, Bd. 1ff. 1984ff.; Silagi, G., Landesherrliche
Kanzleien im Spätmittelalter, 1984; Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden
bis 1250, hg. v. Rück, P., 1985 (rund 11000 Urkunden); Frenz, T.,
Papsturkunden, 1986, 2. A. 2000; Fotografische Sammlungen mittelalterlicher
Urkunden in Europa, hg. v. Rück, P., 1989; Die Urkunden des Reichsstiftes
Ottobeuren, bearb. v. Hoffmann, H., 1991; Keynes, S., A Handlist of Anglo-Saxon
Charters, 1991; Tropper. P., Urkundenlehre in Österreich, 1994; Kortüm, H., Zur
päpstlichen Urkundensprache, 1995; Die Urkunden der Kaiserin Konstanze, hg. v.
Kölzer, T., 1990; Habscheid, S., Die Kölner Urkundensprache des 13.
Jahrhunderts, 1997; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12-
Jahrhundert), 1997; Gröschler, P., Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen
und herkulanensischen Urkundenfunden, 1997; Chartae latinae antiquiores, Serie
2 (ab 800), hg. v. Cavallo, G. u. s., Bd. 51ff. 1997ff.; Kölzer T., Merowingerstudien,
Bd. 1f. 1998f.; Typologie der Königsurkunden, hg. v. Bistricky, J., 1998; Papsturkunde
und europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Urkunden und
Urkundenformulare im klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen,
hg. v. Khoury, R., 1999; Hellmann, M., Tironische Noten in der Karolingerzeit,
1999; Schuler, P., Die spätmittelalterliche Vertragsurkunde, 2000; Die Urkunden
der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001; Scharfenberg, S., Die
Entstehungsgeschichte des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969, 2003; La diplomatica dei documenti giudiziari, hg. v. Nicolaj,
G., 2004; Schulze, H., Die Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu, 2006;
Vogtherr, T., Urkundenlehre, 2008; Zehetmayer, R., Urkunde und Adel, 2009
Urkundenbeweis ist
der Beweis einer Behauptung durch eine (echte) → Urkunde. Die Urkunde ist
bereits im römischen Recht Beweismittel im Rechtsstreit und nimmt diese
Stellung auch seit dem Frühmittelalter ein. Dabei gilt die Königsurkunde als
unscheltbar. Mit der Zunahme der Urkunden wächst deren Bedeutung im Verfahren
weiter. Besonderen Beweiswert erlangen dabei notarielle Urkunden oder später
allgemein öffentliche Urkunden.
Lit.: Kaser § 84 I 2c; Kroeschell, DRG 1, 2; Planck, J.,
Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Schultze, A., Zur
Lehre vom Urkundenbeweise, Zs. f. d. Privat- und öffentliche Recht 22 (1894);
Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit, 1921; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971
Urkundenbuch ist
seit dem 19. Jh. die moderne wissenschaftliche Ausgabe älterer → Urkunden
eines bestimmten Bereiches (Stadt, Land, Verband usw.) in einem Buch (z. B. der
Königsurkunden [Diplomata] in den [lat.] Monumenta [N.Pl.] Germaniae
Historica).
Lit.: Köbler, DRG 6; Urkundenbuch des Klosters
Mariengarten, hg. v. Boetticher, M. v., 1987; Köbler, G., Einfache
Bibliographie europäisch-deutscher Rechtsgeschichte, 1990, 16, 23, 24, 25;
Urkundenbuch des Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.;
Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen
Mitteleuropa, hg. v. Irgang, W./Kersken, N., 1998; Urkundenbuch des
Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1ff. 1162ff., bearb. v. Graber, T.,
2006ff.; Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v. Homeyer, J., 2006
Urkundenfälschung ist
die Herstellung einer echten Urkunde, die Verfälschung einer unechten Urkunde
oder der Gebrauch einer unechten oder verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr.
Etwa die Hälfte der merowingischen Urkunden ist ebenso unecht wie das bekannte
→ (lat.) privilegium (N.) maius (größeres Privileg) Rudolfs IV. von
Habsburg für Österreich von 1358/1359. Seit 1198 wendet sich die Kirche
entschieden gegen U. Später wird die U. ein Straftatbestand.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hirsch, H., Urkundenfälschungen aus dem regnum
Arelatense, 1937; Herde, P., Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung
des Fälschungsdelikts, Traditio 21 (1965), 291; Fälschungen im Mittelalter, hg.
v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Urkundenlehre (Diplomatik) → Urkunde
Lit.: Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2.
A. 1912, Neudruck 1968
Urkundenschelte ist
im Frühmittelalter die Behauptung, eine von einem anderen vorgelegte Urkunde
(Privaturkunde) sei falsch. Im Rechtsstreit kommt es dann zur Eidesleistung
oder zum Zweikampf. Unscheltbar, aber nicht zugleich unangreifbar, ist die
Königsurkunde.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f.
1879, Neudruck 1973
Urlaub ist
ursprünglich allgemein die Erlaubnis, seit dem 19. Jh. (erlaubte,) meist
bezahlte arbeitsfreie Arbeitszeit. Der Umfang von U. ist in besonderen
Gesetzen, Tarifverträgen und Einzelverträgen geregelt und umfasst meist 4 bis
6 Wochen im Jahr.
Lit.: Köbler, DRG 273; Leinemann, W./Linck, R.,
Urlaubsrecht, 1995
Urschwabenspiegel → Schwabenspiegel
Lit.: Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975
Urschweiz → Schweiz
Lit.: Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz,
1941
Urteil ist die
gerichtliche, vor allem in neueren Zeiten einer besonderen Form bedürftige
Entscheidung. Das U. fällt im altrömischen Zivilverfahren grundsätzlich der
Richter (lat. [M.] iudex), bei den Germanen die Volksversammlung und im
Mittelalter die Gesamtheit der Schöffen (nicht dagegen der Richter). Im
Frühmittelalter ist das U. dabei meist zweizüngig und deshalb in seinem
Ergebnis vom Verlauf eines außergerichtlichen Beweises abhängig. Seit der
frühen Neuzeit verdrängt der gelehrte Richter den Laienschöffen aus der
Urteilsfällung. Das U. wird schriftlich und immer stärker förmlich festgelegt.
Im 19. Jh. setzt der Liberalismus eine eingeschränkte Wiederbelebung des
Laien als Urteiler bzw. Laienrichter durch (Geschworenengericht, →
Schwurgericht usw.). Seit dem Spätmittelalter ist das U. regelmäßig durch
Appellation, später durch Berufung und Revision überprüfbar (Österreich
Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde.
Lit.: Kaser §§ 54 II, 84 II, 87 I 8; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 34, 56, 70, 86, 116, 118, 155, 201, 202, 203; Köbler, WAS; Seyler,
R./Barth, C., Urteil und Beschaydt, Bd. 1ff. 1604ff.; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Boden, F., Das Urteil im
altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Lenel, P., Die Scheidung von
Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 44; Das älteste Urteilsbuch des
holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Sohm,
C., Die unbestimmte Verurteilung in Preußen, 1939; Erler, A., Sich selbst das
Urteil sprechen, Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 17 (1943), 143; Die
älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.;
Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Ebel, W., Studie über
ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche
Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965; Landwehr, G., „Urteil
fragen“ und Urteil finden, ZRG 96 (1969), 1; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Sellert, W., Zur Geschichte
der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Weitzel, J., Die
Formel consilio et iudicio, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 573; Werkmüller, D., Et ita est altercatio finita, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Maiwald, K., Die
Herstellung von Recht, 1997; Meder, S., Urteilen, 1999; Urteilen/Entscheiden,
hg. v. Vismann, C. u. a., 2005; Mangold, O., Iniuria iudicis, Diss. jur.
Tübingen 2004
Urteiler ist der
vom Richter verschiedene Verfasser eines Urteils im mittelalterlichen Recht (→
Rachinburge, Schöffe).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Lenel, P., Die
Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440
Urteilsbegründung ist
die Angabe von Gründen für den Inhalt eines Urteils. Die U. findet sich schon im
römischen Altertum in etwa einem Drittel der von römischen Rechtskundigen
überlieferten Fälle. Im Mittelalter begegnet sie eher selten und wird von der
Rechtslehre wegen der damit vergrößerten Gefahr der Angreifbarkeit eher
abgelehnt. Seit der Neuzeit wird sie mehr und mehr (aus eigenem Interesse der
Entscheidungsträger) selbverständlicher bzw. notwendiger Bestand des Urteils
(Reichskammergericht 1555, Reichsabschied 1654, Sachsen 1715, Preußen
1748/1793, Bayern 1818, Württemberg 1848).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155; Brinkmann, R.,
Über die richterlichen Urteilsgründe, 1826; Gudian, G., Die Begründung in
Schöffensprüchen, 1960; Horak, F., Rationes decidendi, 1969, 290; Die
Entscheidungsbegründung, hg. v. Sprung, R. u. a., 1974; Brüggemann, J., Die
richterliche Begründungspflicht, 1971; Sellert, W., Zur Geschichte der
rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Kriechbaum, M.,
Urteilsbegründung in der mittelalterlichen Rechtslehre, Gedächtnisschrift Jörn
Eckert, 2008, 505; Brom, C., Urteilsbegründungen im „Hoge Raad van Holland,
Zeelnd en West Friesland, 2008
Urteilsbestätigung ist
die in der frühen Neuzeit in bestimmten Fällen notwendige Bestätigung eines
Urteils durch den absoluten Landesherrn (z. B. hängt in Preußen im 18. Jh. ein
die Todesstrafe oder eine mindestens zehnjährige Gefängnisstrafe verhängendes
Urteil von der Bestätigung des Staatsoberhaupts ab). Das Urteil wird erst mit
der Bestätigung voll wirksam. Im 19. Jh. wird die U. beseitigt (Württemberg
1819).
Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 255
Urteilserfüllungsgelöbnis ist im Frühmittelalter das Versprechen der Prozesspartei,
ein Urteil zu erfüllen. Bestand und Häufigkeit sind zweifelhaft.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Urteilssammlung ist
die seit dem Hochmittelalter (Reichslandfriede von 1235) erkennbare Sammlung
von Urteilen einzelner Gerichte (z. B. Lübeck, Ingelheim, Goslar, Halle). 1563
veröffentlicht Joachim → Mynsinger von Frundeck eine Sammlung von
Urteilen des Reichskammergerichts (Gail 1578, Carpzov für Leipzig und Dresden
1646, Mevius für Wismar). Dem folgen im 18. Jh. Sammlungen der Urteile der
meisten Obergerichte. Im 19. Jh. wird dies selbstverständlich (preußische
Gerichtshöfe 1828, Reichsgericht 1879ff.).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Mynsinger von
Frundeck, J., Singularium observationum ... centuriae quattuor, 1563; Franklin,
O., Sententiae curiae regiae, 1870; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 427; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., Bd. 2
2 1976, 1343; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974;
Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F.,
1992; Mohnhaupt, H., Sammlung und Veröffentlichung von Rechtsprechung, (in)
Geschichte der Zentraljustiz, 1994, 403
Urteilsschelte ist
die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Urteils. Sie führt im Frühmittelalter
vermutlich zum Zweikampf zwischen Urteilsverfasser und Urteilsschelter. Dies
hält noch der Sachsenspiegel (1221-1224) für möglich, ohne dass die
Rechtswirklichkeit entsprechende Fälle belegt. Vielmehr entscheidet im
Hochmittelalter über die U. bereits das höhere Gericht bzw. im höchsten Gericht
die Beratung unter allen Urteilern. In der frühen Neuzeit unterliegt die U. der
Appellation und Läuterung bzw. später der Berufung und der Revision.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116, 155; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Gebauer, C.,
Studien zur Geschichte der Urteilsschelte, ZRG 17 (1896), 33; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio
finita“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592;
Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken
des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110
USA (Vereinigte
Staaten von Amerika)
Usucapio (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die → Ersitzung des Eigentums
nach zivilem Recht, von der später Sachen des (lat. [M.]) fiscus ausgenommen
werden. Sie erfordert Eigenbesitz, gültigen Erwerbsgrund (lat. iusta causa
[F.]), Zeitablauf und guten Glauben ([lat.] bona fides [F.]) des Erwerbers
bezüglich bestimmter Tatsachen. In spätantiker Zeit wird die u. im Westen
durch eine Verjährung von 40, später 30 Jahren verdrängt, während Justinian von
u. in drei Jahren bei beweglichen Sachen und von (lat.) longi temporis
praescriptio (F.) von 10 bzw. 20 Jahren bei Grundstücken spricht.
Lit.: Kaser §§ 25 II, IV, 26 I 2, 27 I
3, 28 II 1b, 29 I 3b; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 40, 61
usucapio (F.) pro herede (lat.) Erbschaftsersitzung (im altrömischen Recht)
Lit.: Köbler, DRG 23
usurae (lat. [F.l.] Zinsen
Usus (lat. [M.]) ist seit dem altrömischen Recht der Gebrauch z. B. des Ersitzenden. Lebt eine Frau ein Jahr mit einem Mann ununterbrochen in gültiger Ehe, so erlangt der Mann (durch u.) die Gewalt über sie (lat. uxor [F.] in manu). Verbringt sie vor Ablauf des Jahres drei Nächte außerhalb des Hauses, beginnt die Jahresfrist neu zu laufen. Im klassischen römischen Recht wird u. zu einem beschränkten dinglichen Recht.
Lit.: Kaser §§ 19 II 1, 29 II, 58 V 2c; Söllner §§ 8, 9;
Köbler, DRG 22, 25, 41; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen,
(in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Ususfructus (lat.
[M.]) ist im römischen Recht seit dem 3. Jh. v. Chr. der → Nießbrauch als
ein zunächst höchstpersönliches Nutzungsrecht zur Versorgung abgeschichteter
Familienmitglieder, später als beschränktes dingliches Recht.
Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 3, 24 V 1, 27 II, 29 I, 59 II
7a, 60 II 4c; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 41; Heger, M., Der Nießbrauch in
usus modernus und Naturrecht, 2004
Usus (M.) modernus pandectarum (lat.) ist der zeitgenössisch-moderne Gebrauch der Pandekten in Europa
im 16.-18. Jh. (im engeren Sinn seit 1650 [1643 Conring, Hermann, De origine iuris
Germanici, Vom Ursprung des deutschen Rechts]). Er passt in zeitlicher
Parallele zur Verselbständigung der Territorien gegenüber Reich und Kaiser das
römische Recht in bewusster Lösung von der älteren Tradition den Bedürfnissen
der frühen Neuzeit durch Ausscheiden, Verändern und Ergänzen an (z. B.
Anerkennung des Grundsatzes Kauf bricht nicht Miete oder des Erbvertrags<9.
Anscheinend tritt in ihm auch ein neues Verständnis von Rechtsgeltung zu Tage.
Namengebend für diesen Zeitabschnitt ist ein Werk Samuel Stryks ([Lentzen 22.
11. 1640-Halle 23. 7. 1710,] 1690 Specimen usus moderni pandectarum ad libros V
priores, Ausdruck erstmals anscheinend verwendet von Samuel Stryk 1667).
Bedeutende Juristen dieser Zeit sind → Conring, → Schilter, →
Struve, → Stryk, → Thomasius, → Böhmer, → Heineccius, →
Leyser, → Kreittmayr und → Höpfner. Nicht wirklich erfasst wird die
Kanonistik, die bruchlos mit dem mittelalterlichen Recht verbunden bleibt. Die
Anerkennung heimischen Rechts bewirkt eine gewisse Nationalisierung des Rechts.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Kroeschell, DRG 3; Molitor, E.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 1949 (fortgesetz v. Schlosser,
H.); Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schlosser, H.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1975, 9. A. 2001, 10. A.
2005; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977; Schröder, J.,
Wissenschaftstheorie, 1979; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Usus modernus und Dogmengeschichte
des Privatrechts, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. v.
Simon, D., 1987, 233, 279; Wesener, G., Die privatrechtlichen Normen des usus
modernus, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 279;
Voppel, R., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996;
Brauneder, W., Europäisches Privatrecht, 1997; Landau, P., Methoden des
kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Willoweit, D., Der
usus modernus oder die geschichtliche Begründung des Rechts. Zur
rechtstheoretischen Bedeutung des Methodenwandels im späten 17. Jahrhundert,
(in) Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D.,
2000, 229
Utilitarismus (M.)
Nützlichkeitslehre (Benthams 1748-1832 und Mills)
Lit.: Kaser § 36 II 4; Köbler, DRG 63, 65, 166; Teubner,
W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974
utilitas (lat.
[F.]) Nützlichkeit (des dienenden Grundstücks für das herrschende bei einer →
Dienstbarkeit des römischen Rechts)
Lit.: Kaser § 28 I 3
Utilitätsprinzip (N.) Nützlichkeitsgrundsatz (z.
B. haftet die durch ein Rechtsverhältnis weniger begünstigte Partei nur für
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
utlagr (anord.) rechtlos
Utopie ([nirgendwo als
Wirklichkeit bestehende] Wunschvorstellung) ist im Staatsrecht die
Vorstellung eines alle Fragen menschlichen Zusammenlebens bestmöglich lösenden
Gemeinwesens.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 733; Morus,
T., De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, 1516; Zippelius, R.,
Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994, 10. A. 2003; Seibt, F., Utopia, 1972;
Ahrbeck, R., Morus, Campanella, Bacon, 1977; Literarische Utopien von Morus bis
zur Gegenwart, hg. v. Berghahn, K. u. a., 2. A. 1986; Kreyssig, J., Die Utopien
des Thomas Morus, 1988
Utrecht ist die am
Ort der römischen Militärstation (lat.) (ultra) Traiectum (M.) ad Rhenum
(Übergang am Rhein) entstehende Stadt, die im 8. Jh. Sitz eines Bischofs wird.
1579/1648 löst sich U. mit der Union der Niederlande vom Heiligen römischen
Reich (deutscher Nation). 1636 wird eine Universität in U. errichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Enklaar, Th., Het
landsheerlijk bestuur in het sticht Utrecht, 1922; Avis, J., De directe
belastingen in het sticht Utrecht, 1930; Mulders, H., Das Archidiakonat im
Bistum Utrecht, 1943; Immink, P., De wording van staat en souvereiniteit, 1942;
Blijstra, R., 2000 jaar Utrecht, 1968; Doeleman, F., De Heerschappij van de
Proost van Sint Jan, 1982; Große, R., Das Bistum Utrecht, 1986; Rechtsgeleerd
Utrecht, hg. v. Bergh, G. van den, 1986; Ahsmann, M., Bibliographie van
hoogleraren, 1993; Kuys, J., Kerkelijke organisatie in het middeleeuwse bisdom
Utrecht, 2004
UWG ist die
Abkürzung für das 1896 geschaffene deutsche Gesetz gegen den → unlauteren
Wettbewerb.
Lit.: Köbler, DRG 176, 218
uxor (lat. [F.]) Ehefrau
Lit.: Köbler, DRG 22; Eggenstein, A., Uxor und Feme Covert,
1995
V
Vacarius (Lombardei
um 1120–England nach 1198) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna um 1143
Rechtsberater des Erzbischofs von Canterbury bzw. um 1160 Rechtsberater des
Erzbischofs von York. Er lehrt um 1170/80 in Lincoln. In seinem (lat.) Liber
(M.) pauperum (Buch der Armen) bietet er ergänzte Texte aus → Digesten
und Codex.
Lit.:
The Liber Pauperum of Vacarius, hg. v. Zulueta, F. de, 1927, Neudruck 1972;
Stein, P., Vacarius and the Civil Law, (in) Church and Gouvernment in the
Middle Ages, 1976, 119; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997,
246
vadimonium (lat.
[N.]) Bürgschaft, Erscheinen vor Gericht, (mlat.) Wette
Lit.: Kaser § 82 I; Rodger, A.,
Vadimonium to Rome, ZRG RA 114 (1997), 160
vadium (lat. [N.]) Pfand, (mlat.) Wette
Valencia am Turia
wird 138 v. Chr. von den Römern gegründet. Nach Einnahmen durch Westgoten (413)
und Araber (714) wird es 1021 Vorort eines selbständigen Königreichs. Das 1102
wieder von den Mauren eroberte V. wird 1238 von → Aragonien gewonnen und
1309 mit ihm durch Personalunion verbunden. Seine Sonderrechte werden 1707
beseitigt. Die Stadt V. erhält 1502 eine Universität. → Furs de V.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 2,2,274; Guinot,
E., Els limits del regne, 1995; Hinojosa Montalvo, J., Diccionario de historia
medieval del Reino de Valencia, 2002
Valentinian III.
ist der römische Kaiser (425-455), unter dem 426 n. Chr. das sog. Zitiergesetz
erlassen und 446 das eigenhändig geschriebene Testament zugelassen wird.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 52, 60; Demandt, A., Die
Spätantike, 1988
Valerische (lat.) provocatio (F.) ist im altrömischen Recht die Anrufung der →
Volksversammlung (Zenturiatkomitien) gegen ein Urteil im magistratischen
Strafverfahren.
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1988
Valin, René-Josué (La Rochelle 1695-1765) ist der Verfasser
des ersten ausführlichen commentaire sur l’Ordonnance de la marine.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2,1, 1977
Valois (1328-1498) → Kapetinger
valvassor (lat. [M.] ) Aftervassall,
Grundeigentümer (A. 11. Jh.), Ritter
Lit.: Guilhiermoz, P., Essai sur
l’origine de la noblesse, 1902; Keller, H., Adelsherrschaft, 1979; Menant, F.,
Campagnes lombardes au Moyen Age, 1993
Vandale, Wandale ist der Angehörige des bei Plinius dem
Älteren (um 23 v. Chr.-79 n. Chr.) erstmals erwähnten, in der Völkerwanderung
wohl von der Ostsee 406/429 nach Nordafrika ziehenden, vielleicht 80000 Angehörige
zählenden, 455 Rom plündernden, 533/534 von → Byzanz unterworfenen,
germanischen Volkes.
Lit.: Schmidt, L., Geschichte der Wandalen, 1901; Diesner,
H., Das Vandalenreich, 1966; Francovich Onesti, N., I Vandali, 2002; Castritius,
H., Die Vandalen, 2007; Howe, T., Vandalen, Barbaren und Arianer, 2007; Berndt,
G., Konflikt und Anpassung, 2007
Vare (mhd.) ist die
im Hochmittelalter quellenmäßig bezeugte Gefahr, ein Verfahren durch
Versprechen (z. B. Stottern, Husten) usw. zu verlieren. Gegen diese v. wird der
→ Fürsprecher geschaffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116
Vasall (M.)
Lehnsmann
Vasallität als
(nach h. M.) personenrechtliche Wurzel des Lehnsverhältnis ist das ältere
Verhältnis (zu kelt. gwas [M.] Knecht), bei dem nach einem Ergebungsakt der Herr Schutz
und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und Dienste (Heerfahrt und Hoffahrt
gewährt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen, 6. A. 1983; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Kienast, W., Die
fränkische Vasallität, 1990; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Deutinger,
R., Seit wann gibt es Mehrfachvasallität?, ZRG GA 119 (2003), 78
vassus (lat. [M.]
6. Jh.) Vasall, Mann
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW
Vater ist der
Erzeuger eines Kindes. In der patriarchalischen Gesellschaft steht der V. als
Hausvater oder Familienvater im Mittelpunkt der Familie. Im Zweifel wird als V.
vermutet (Vaterschaftsvermutung), wer der Mutter innerhalb der Empfängniszeit
(300-180 Tage vor der Geburt) beiwohnt, doch kann die Vaterschaft mit der Vaterschaftsklage
angegriffen werden. Beim unehelichen Kind gilt der Erzeuger zeitweise als nicht
mit dem Kind verwandt (z. B. Bürgerliches Gesetzbuch § 1589 II, im Jahre 1969
aufgehoben). Umgekehrt kann die Stellung als V. durch Adoption erlangt werden.
Der V. hat die väterliche Gewalt über das Kind. Sie wird im ausgehenden 20. Jh.
durch die elterliche Sorge bzw. Obsorge (Österreich 1989) ersetzt. →
Familie
Lit.: Kaser § 60; Hübner 697ff.; Köbler, DRG 21; Salis, L.,
Beitrag zur Geschichte der väterlichen Gewalt nach altfranzösischem Recht, ZRG
GA 7 (1886), 137; Engel, P., Die personenrechtliche Stellung des Vaters, 1939;
Trier, J., Vater, Versuch einer Etymologie, ZRG GA 65 (1947), 232; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Ehlert, T., Haushalt und Familie,
1991; Lipp, M., Väterliche Gewalt, ZNR 1993, 129
väterliche Gewalt →
Vater
Vatikan ist die
nach dem Wohnsitz des → Papstes geprägte Kurzbezeichnung für die oberste
Behörde der katholischen Kirche in Rom bzw. den Kirchenstaat (1929). Im V. ist
das weltweit größte und bedeutendste Archiv (vatikanisches Archiv), dessen
ältere Bestände allerdings in der Zeit nach 1240 zugrundegegangen bzw. nach
1368 verteilt worden sein dürften.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,135, 3,1,245, 3,2,2355, 3,3,3229; Krautheimer, R., St. Peter’s and Medieval
Rome, 1985; Reese, T., Im Inneren des Vatikan, 1998; Rossi, F., Der Vatikan,
2004; Denzler, G./Jöckle, C., Der Vatikan, 2006
vatikanisch (Adj.) den Vatikan
betreffend (z. B. Konzilien [im
Vatikan, 21. allgemeines Konzil 1869/1870, päpstlicher
Primat, 22. allgemeines Konzil 1962-1965, Vorbereitung
des Codex iuris canonici von 1983)
Vattel, Emer de (Couvet bei Neuenburg 25. 4. 1714-Neuenburg 28.12.1767), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Naturrecht in Basel und Genf 1747 Vertreter Sachsens in Bern. 1758 veröffentlicht er (franz.) Le droit des gens (Völkerrecht), in dem er das Vernunftrecht auf das Völkerrecht anwendet (Nation, Beziehung zu anderen Nationen, Krieg, Wiederherstellung des Friedens).
Lit.: Gugenheim, P., Emer de Vattel, 1956; Manz, J., Emer
de Vattel, 1971; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Vaud → Waadt
Vazquez de Menchaca, Fernando
(1512-1569) wird nach dem Studium der Rechte in Valladolid und Salamanca 1551
Professor in Salamanca, 1552 Richter, 1553 Finanzbeamter und 1567 Domkapitular
in Sevilla. Er ist Spätscholastiker mit humanistischen Zügen, der das moderne
→ Naturrecht vorbereitet. Er setzt sich für die Freiheit der Meere und
für → subjektive Rechte ein.
Lit.: Köbler, DRG 146; Carpintero, B.,
Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Seelmann, K.,
Die Lehre des Fernando Vazquez de Menchaca vom dominium, 1979
vectigal (lat. [M.]
) Steuer, Abgabe
Lit.: Kaser § 30 I
Vélez Sársfield, Dalmacio
(1800-1875) wird nach dem Rechtsstudium in Córdoba Anwalt in Buenos Aires,
Abgeordneter und Professor. 1857 wirkt er am argentinischen Código de Commercio
maßgeblich mit. 1864ff. entwirft er ein Zivilgesetzbuch nach dem Vorbild
Teixeira de Freitas’.
Lit.: Chanetón, A., Historia de Vélez
Sársfield, 1937; Levene, R., Manuel de Historia del Derecho Argentino, 5. A. 1985, 20
Veme → Feme
Lit.: Köbler, DRG 11, 117
Venedig entsteht innerhalb
vorgelagerter Lagunen am Nordende der Adria wohl auf Grund schon römischer
Anfänge seit dem Einbruch der Langobarden nach Oberitalien (568). Für den
byzantinischen Exarchen von Ravenna übt ein 639 genannter (lat.) magister (M.)
militum (Heermeister) die Herrschaft aus. Nach 751 verselbständigt sich V.
trotz byzantinischer Oberhoheit unter einem gewählten Dogen (lat. [M.]
dux, um 713-716) bis etwa 880. Seit dem 10. Jh. ist ein besonderer (lat.) usus
(M.) Venetorum (Brauch der Veneter) bezeugt. Zwischen 1130 und 1148 erscheint
neben dem Dogen ein (lat.) consilium (N.) sapientium (Rat der Weisen), über das
der Doge bald von der tatsächlichen Entscheidungsgewalt ausgeschlossen wird.
Im 13. Jh. wird V. Seehandelsgroßmacht. Ein großer Rat wählt auf Lebenszeit den
Dogen und den die über die Signoria die wirkliche Herrschaft ausübenden kleinen
Rat. Unter Ausschluss des Lehnswesens und unter Wahrung des Amtscharakters
aller politischen Gewalt handelt eine adlige Oberschicht in den wesentlichen
Fragen als Einheit. 1338 beträgt der Zahl der Einwohner Venedigs etwa 110000.
Im Spätmittelalter erwirbt V. ein Herrschaftsgebiet auch auf dem Festland (sog.
terra ferma). Die Eroberung Byzanzs durch die Türken, die Entdeckung
Westindiens (Amerikas) und die Öffnung des Seeweges nach Indien verringern die
Bedeutung Venedigs. 1551 stellt Gasparo Contarini den politischen Zustand
Venedigs ausführlich dar. Seit dem 18. Jh. wird V. Protektorat →
Österreichs, an das es von 1797 bis 1805 und von 1815 bis 1866 gelangt
(Lombardo-Venezianisches Königreich). Danach fällt es an → Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gli statuti marittimi
Veneziani fino al 1255, hg. v. Predelli, R. u. a., 1903; Battistella, A., La
Republica di Venezia, 1921; Uhlirz, M., Die staatsrechtliche Stellung Venedigs
zur Zeit Kaiser Ottos III., ZRG GA 76 (1959), 82; Eickhoff, E., Venedig, Wien
und die Osmanen, 1970, 2. A. 1992, 3. A. 2008; Nehlsen-von Stryk, K., Die
venezianische Seeversicherung, 1986; Fees, I., Reichtum und Macht im
mittelalterlichen Venedig, 1988; Rösch, G., Venedig und das Reich, 1982;
Hellmann, M., Geschichte Venedigs, 3. A. 1989; Rösch, G., Der venezianische
Adel, 1989; Rösch, G., Venedig im Spätmittelalter, 1991; Herz, D./Neumann, D.,
Das Hohelied der venezianischen Verfassung, JuS 1997, 1146; Venedig und die
Weltwirtschaft, hg. v. Stromer, W. v., 1999; Heller, K., Venedig, 1999; Rösch,
G., Venedig, 2000; Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Dumler,
H., Venedig und die Dogen, 2001; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002;
Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Huse, N., Venedig, 2005;
Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005; Venezia, hg. v.
Winter, S., 2006; Eickhoff, E., Venedig - spätes Feuerwerk, 2006, 2. A. 2007;
Mathieu, C., Inselstadt Venedig, 2007; Landwehr, A., Die Erschaffung Venedigs,
2007
Venetien ist das an
der oberen Adria gelegene, von den Venetern besiedelte Gebiet. Seit dem 3. Jh.
sind die Veneter mit den Römern verbunden. Im 14./15. Jh. gelangt V. an
Venedig, 1815 mit der Lombardei zum österreichischen Königreich
Lombardo-Venetien. 1866 fällt es an → Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,169, 3,2,2354, 3,3,3214
Venezia → Venedig
venia (F.) aetatis (lat.)
Gunst des Alters auf Wiederherstellung des früheren Zustandes (lat. restitutio
in integrum)
Venire contra factum proprium (nemini licet [lat.]. Keinem ist erlaubt,) sich in Widerspruch zu seinem eigenen
Verhalten (zu) begeben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Pseudoulpian, 3./4. Jh. n. Chr., Digesten 1,7,25, pr.,
Azo, um 1150-um 1230, Brocardica sive generalia juris 10, 28)
Verarbeitung (lat. [F.] specificatio, zu novam speciem facere) ist die Herstellung einer neuen beweglichen Sache durch
Bearbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe (z. B. Backen von Brot).
Im klassischen römischen Recht sprechen die Sabinianer das Ergebnis an der
neuen Sache dem Eigentümer der alten Sache zu, die Prokulianer dem Verarbeiter,
eine etwas jüngere vermittelnde Meinung dem Verarbeiter nur dann, wenn die
Sache sich nicht mehr in den alten Zustand zurückführen lässt. Für den
Rechtsverlust kann ein Wertausgleich verlangt werden. Die V. als
Eigentumserwerbsgrund mit Ausgleichspflicht wird in der Neuzeit aufgenommen.
Lit.: Kaser § 26 III; Hübner; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schermaier, M., Materia, 1992; Behrends, O., Die
Spezifikationslehre, ZRG RA 112 (1995), 195; Reitz, M., Der Tatbestand der
Verarbeitung, 1996
Veräußerung ist die
Weggabe eines Gegenstands an einen anderen, bei der meist eine →
Übereignung stattfindet. Sie erfolgt schon früh (z. B. Tausch). Zu beachten
sind Veräußerungsverbote.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 23 II 2, 59 II, III; Kroeschell, DRG 1;
Walliser, P., Die Zustimmungserklärung geistlicher Gemeinschaften zu
Veräußerungsgeschäften, FS 500 Jahre Solothurn, 1981
Verbalinjurie (F.)
Beleidigung durch Wörter (z. B. Esel, Idiot, Blödmann, Arschloch)
Verbalkontrakt (M.) → Verbalvertrag
Verbalvertrag (Verbalkontrakt) ist im
römischen Recht der an die Verwendung bestimmter Wörter gebundene →
Vertrag (z. B. Stipulation, Mitgiftzusage, Dienstversprechen des Freigelassenen).
Lit.: Kaser § 38 II 1b; Köbler, DRG 45
Verband ist die
Vereinigung von Personen zu einem bestimmten Zweck. Da auch die Familie als V.
angesehen wird, reicht der V. sehr weit zurück. Aus loseren Zusammenschlüssen
entwickelt sich dabei allmählich die → juristische Person (19. Jh.). Der
V. muss aber nicht juristische Person sein (z. B. Gewerkschaft).
Lit.: Köbler, DRG 121, 161; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Weber, A., Der Kampf
zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Erdmann, M.,
Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände in Deutschland
1815-1871, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt,
K., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987
Verbannung ist die
im älteren römischen und mittelalterlichen Recht mögliche Bestrafung mit dem
Ausschluss aus der Gemeinschaft durch Vertreibung aus dem von dieser Gemeinschaft
beanspruchten Gebiet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1;
Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995
Verbindung (lat. [F.] accessio) ist die
schon im altrömischen Recht mögliche tatsächliche Vereinigung mehrerer Sachen
verschiedener Eigentümer zu einer Einheit außerhalb eines Rechtsgeschäfts (z.
B. Verwertung eines fremden Balkens bei einem Hausbau, Sonderfall, für den die
actio de tigno iuncto gilt), bei der Eigentum durch den Eigentümer der
Hauptsache erworben wird und der Eigentumsverlust des anderen (z. B. durch den
doppelten Wert) auszugleichen ist. Bei Schaffung einer bloß zusammengesetzten
Sache (z. B. Schiff), kann jeder Eigentümer Lostrennung der in seinem Eigentum
verbleibenden Sache verlangen. Bei V. einer beweglichen Sache mit einem
Grundstück (z. B. Einpflanzen, Hausbau auf Grundstück, Anschwemmen) gilt der
Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (das Oberirdische folgt dem Grund). Die
V. wird mit dem römischen Recht später aufgenommen.
Lit.: Kaser § 26 III; Köbler, DRG 25
Verbot ist die
Anordnung, ein Verhalten zu unterlassen. Es findet sich schon früh (z. B. im →
Bann des Königs). Erhebliche Bedeutung gewinnt das V. auch in den
frühneuzeitlichen → Polizeiordnungen. Der Verstoß gegen ein V. kann mit →
Strafe oder anderen Folgen bedroht werden.
Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im
Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Verbotsirrtum ist
der Irrtum über die Rechtswidrigkeit bzw. das Verbotensein einer Tat. Der V. wird
im deutschen Strafrecht im 20. Jh. entwickelt. Der unvermeidbare V. schließt
Strafe aus, der vermeidbare V. ermöglicht die Strafmilderung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 264
verbrauchbar (aufbrauchbar)
Lit.: Köbler, DRG 39
Verbraucher oder
Konsument ist, wer ein verbrauchbares Erzeugnis eines Herstellers erwirbt. .
Der V. wird im 20. Jh. als schutzbedürftige Vielzahl von Rechtsunterworfenen
entdeckt und z. B. in Deutschland durch das Wohnraumkündigungsschutzgesetz
(1971), das Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen
(1976), das Reisevertragsgesetz (1979), das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz
(1986) oder durch das Verbraucherkreditgesetz (1991) geschützt. § 13 BGB
bestimmt am Ende des 20. Jh.s den V. als natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft
zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer
selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 2002 werden die
meisten der Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt.
Lit.: Köbler, DRG 266; Geyer, R., Der Gedanke des
Verbraucherschutzes im Reichsrecht, 2001; Xu, H., Zur Geschichte und zum Wesen
des modernen Verbraucherschutzrechts, 2003; Stolte, S., Versandhandel und
Verbraucherschutz, 2005
Verbrauchsteuer ist
die auf den Verbrauch eines Gutes gelegte Steuer (z. B. Tabak). Allgemeine
wichtige V. im 20. Jh. ist die Umsatzsteuer.
Lit.: Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A.
1992
Verbrechen ist die
rechtswidrige Tat, die mit einer bestimmten höheren Strafe (z. B.
Freiheitsstrafe von einem Jahr und darüber) bedroht ist. Die wichtigsten V.
sind Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl, V. gegen den Staat, V. gegen die
Menschlichkeit usw. Die Absonderung der V. aus der Gesamtheit der Straftaten im
Zuge des 18. Jh.s hat praktisch-systematische Gründe. Der Versuch eines
Verbrechens ist in Deutschland strafbar.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 65, 119, 204, 264;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Byloff, F., Das Verbrechen der
Zauberei, 1902; Quanter, W., Die Sittlichkeitsverbrechen, 8. A. 1925, Neudruck
1970; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck
1973; Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W.
Sauer 1949, 44; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951;
Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, 1956; Moos, R., Der
Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, 1968; Wächtershauser,
W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Hagemann, H., Vom Verbrechenskatalog
des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Maier-Weigt, B., Der
materiale Rechts- und Verbrechensbegriff, 1987; Rückerl, A., NS-Verbrechen vor
Gericht, 1982; Just-Dallmann, B./Just, H., Die Gehilfen, 1988; Schüßler, M.,
Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148; Bader, K.,
Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe, ZRG GA 112 (1995), 1; Schmidhäuser, E.,
Verbrechen und Strafe, 2. A. 1996; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der
spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1997; Evans, R., Tales from the
German Underworld, 1998; Ludi, R., Die Fabrikation des Verbrechens, 1999;
Crimes, pouvoirs et sociétés (1400-1800), hg. v. Dupont-Bouchat, M. u. a. 2003;
Orte des Grauens, hg. v. Ueberschär, G., 2003; Greve, Y., Verbrechen und
Krankheit, 2004; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004;
Siebenpfeiffer, H., Böse Lust, 2005; Baumann, I., Dem Verbrechen auf der Spur,
2006; Verbrecher im Visier der Experten, hg. v. Schauz, D. u. a., 2007
Verbrechenskonkurrenz
→ Konkurrenz
Verbrennen ist die
durch Feuer vollzogene Todesstrafe. Sie ist bereits dem römischen Recht
bekannt. Verbrannt werden z. B. Zauberer, Hexen oder Sittlichkeitsverbrecher.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck
1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Behringer,
W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tode, 1988
verbum (N.) regis (lat.) Wort
des Königs, Huld, Schutz
Verdächtigung ist die Bildung eines Verdachts
z. B. der Durchführung einer Straftat durch einen Menschen. Die → Äußerung einer wahrheitswidrigen
V. ist in Deutschland seit 1870 strafbar. Seit 1933 genügte für Strafbarkeit
Leichtfertigkeit, seit 1969 ist wieder Vorsatz erforderlich.
Lit.:
Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer
Straftat (§ 145d StGB), 2003
Verdachtsstrafe ist die bei bloßem Verdacht einer Straftat verhängte, wegen des fehlenden sicheren Tatnachweises milder ausfallende Strafe. Nach gewissen älteren Ansätzen (Gaill, Berlich) wird die V. bei Carpzov (1595-1666) als Übernahme aus dem italienischen Recht sichtbar. Sie wird als eine Art außerordentlicher Strafe etwa bei dem Widerruf eines Geständnisses verhängt. Die Aufklärung bekämpft die im ersten Drittel des 19. Jh.s verschwindende V. (lat. → in dubio pro reo).
Lit.: Carpzov, B., Practica nova, 1652; Holtappels, P., Die
Entwicklung der Geschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965;
Schaffstein, F., Verdachtsstrafe, außerordentliche Strafe und Sicherungsmittel,
Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 1989, 493; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1993; Thäle, B., Die Verdachtsstrafe, 1993;
Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Schulz, L., Normiertes
Misstrauen, 2001; Schulz, L., Die praesumtio innocentiae, ZRG 119 (2002), 193
Verden
Lit.: Urkundenbuch der
Bischöfe und des Domkapitels von Verden, Bd. 1f. bearb. v. Mindermann, A.,
2001ff.; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002
Verdroß, Alfred (Innsbruck 22. 2. 1890-27. 4. 1980) wird 1924 Professor für Völkerrecht, Rechtsphilosophie und internationales Privatrecht in Wien. Er setzt sich dabei für eine universale Sicht des Rechts ein. Deshalb anerkennt er in seinem Völkerrecht (1937) auch die von den Kulturvölkern übereinstimmend anerkannten Rechtsgrundsätze als Quelle des Völkerrechts (Universelles Völkerrecht 1976).
Lit.: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften in
Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., 1952, 200; Ius humanitatis. FS Alfred Verdroß, hg. v. Miehsler, H., 1980; Köck, H.,
Alfred Verdroß, 1991
Verdun an der Maas
wird von Kelten gegründet (Virodunum). Um 359 wird es Sitz eines Bischofs. 843
einigen sich in V. die Söhne Ludwigs des Frommen auf die Dreitilung des
fränkischen Reiches. 879 kommt V. aus dem Mittelreich Lothars zum östlichen
(deutschen) Teil des fränkischen Reiches, wo es im 13. Jh. Reichsstadt wird,
1552/1648 aber an Frankreich fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ettighoffer, P.,
Verdun, 5. A. 1985; Hirschmann, F., Verdun im hohen Mittelalter, 1995; Petry,
C., Faire des sujets du roi, 2006
Verein ist die
Vereinigung mehrerer Personen zu einem bestimmten Zweck. Im Privatrecht ist der
V. die auf eine gewisse Dauer berechnete Personenvereinigung mit körperschaftlicher
Verfassung, die im Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Vereine
gibt es bereits im altrömischen Recht (lat. collegium [N.],
sodalitas [F.], sodalicium [N.],
corpus [N.]), ohne dass sich die Rechtskundigen damit näher befassen.
Eine allgemeine Einrichtung des Vereins entwickelt sich auf der Grundlage
älterer unterschiedlicher Verbände und einzelner vereinsähnlicher
Vereinigungen (z. B. Weimar 1617 Fruchtbringende Gesellschaft) erst seit dem
18. Jh. Seit desssen Mitte finden sich zunehmend politische Vereine als
Vorläufer der Parteien, die aber von 1832 bis 1848 verboten werden (z. B.
patriotische Gesellschaften, Lesegesellschaften, Geheimbünde wie die
Illuminaten, Freimaurer, Goldkreuzer, Rosenkreuzer, politische Diskussionskreise
wie die Berliner Mittwochsgesellschaft von 1783, oder studentische
Reformbewegungen) Ab etwa 1860 werden die politischen Vereine als Partei
bezeichnet. Innerhalb der Vereine ist der rechtsfähige V. als juristische
Person von der nichtrechtsfähigen, teilweise dem Gesellschaftsrecht
unterworfenen Personenvereinigung zu unterscheiden. Das Recht des
rechtsfähigen Vereins ist auf der Grundlage des Systems der
Normativbestimmungen ausführlich im → allgemeinen Teil des deutschen →
Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) geordnet.
Lit.: Kaser § 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 266;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 789; Menger, C., Zur Geschichte der Vereinskonzession,
Diss. jur. Göttingen 1940; Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens,
1971; Schraysler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Schultze, W.,
Öffentliches Vereinigungsrecht im Kaiserreich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,2,1757; Kögler, P., Arbeiterbewegung und Vereinsrecht, 1974;
Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Foerster, C., Der Preß-
und Vaterlandsverein von 1832/3, 1982; Siemann, W., Der „Polizeiverein“, 1983;
Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft, hg. v. Dann, O., 1984; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wadle, E., Der Zollverein, ZRG GA
102 (1985), 99; Schwentker, W., Konservative Vereine, 1988; Brashear, W.,
Vereine im griechisch-römischen Ägypten, 1993; Bär, F., Die Schranken der
inneren Vereinsautonomie, 1996; Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein,
1997; Aneziri, S., Die Vereine der dionysischen Techniten, 2003; Politische Vereine,
Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter,
H., 2005
Vereinigter Landtag
ist in Preußen der aus sämtlichen Mitgliedern der acht preußischen
Provinziallandtage gebildete, am 11. 4. 1847 erstmals und am 2. 4. 1848 letztmals
zusammengetretene Landtag.
Lit.: Eickenboom, P., Der preußische erste vereinigte
Landtag, Diss. phil. Bonn 1961
Vereinigte Staaten von Amerika (USA, erste Bezeichnung des neuen Kontinents nach dem die Verschiedenheit
von Indien erkennenden Amerigo Vespucci [1451-1512] als Amerika in der
Weltkarte Martin Waldseemüllers aus Freiburg im Breisgau 1507) ist der im 18.
Jh. aus Kolonien Englands (, Frankreichs und Spaniens) erwachsende Staat auf
dem südlichen Teil des nordamerikanischen Halbkontinents. In seinem Teilstaat
Virginia entsteht am 12. 6. 1776 mit der Virginia Bill of Rights (Menschenrechtserklärung)
die erste formelle Verfassung. Am 7. 9. 1787 wird eine Verfassung geschaffen,
zu deren Erläuterung 1787/1788 in Zeitungsartikeln Federalist Papers zu Gunsten
repäsentativer Demokratie, Gewaltenteilung und Grundrechten veröffentlicht
werden. Im 19. Jh. setzt sich das englische Rechtssystem durch. Im
Sezessionskrieg (1861-1865) verhindern die nördlichen Staaten die Abspaltung
der an afrikanischen Sklaven festhaltenden südlichen Staaten. Seit der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s beeinflusst das amerikanische Recht auf Grund politischer,
wirtschaftlicher und technischer Überlegenheit der Vereinigten Staaten von Amerika
alle Rechte in vielfacher Weise.
Lit.: Seagle, W., The Quest for Law 1941, (deutsch)
Weltgeschichte des Rechts, 1. A. 1951, 2. A. 1958, 3. A. 1967; Jacobs, R., Die
Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des
englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971; Eichler, H., Verfassungsbewegungen
in Amerika und Europa, 1985; Friedmann, L., History of American Law, 2. A.
1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der
Gegenwart, 2. A. 1988; Bitterli, U., Die Entdeckung Amerikas, 4. A. 1992;
Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, hg. v. Schambeck,
H., 1993, 2. A. 2007; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland,
1994; Heideking, J., Geschichte der USA, 1996; Hall, K., American legal
history, 2. A. 1996; Köbler, G., Rechtsenglisch, 1996, 7. A. 2007; Die
amerikanischen Präsidenten, hg. v. Heideking, J., 3. A. 2002; Sautter, U.,
Lexikon der amerikanischen Geschichte, 1997; Heideking, J./Nünning, V.,
Einführung in die amerikanische Geschichte, 1998; Reimann, M., Neuere
Rechtsgeschichte in den Vereinigten Staaten, ZNR 20 (1998); Blumenwitz, D.,
Einführung in das angloamerikanische Recht, 7. A. 2003; Oxford Guide to United
States Supreme Court Decisions, hg. v. Hall, K., 1999; Finzsch, N./Horteon,
J./Horton, L., Von Benin nach Baltimore, 1999; Franklin, J./Moss, R., Von der
Sklaverei zur Freiheit, 1999; Naether, S., Deutsche Juristen als Emigranten in
den USA, (in) Beiträge zum amerikanischen Verfassungsrecht, 1999, 131; Sautter,
U., Die Vereinigten Staaten, 2000; Wellenreuther, H., Geschichte Nordamerikas,
Bd. 1ff. 2000ff.; Adams, W., Die USA vor 1900, 2000; Adams, W., Die USA im 20.
Jahrhundert, 2000; Guggisberg, H., Geschichte der USA, 4. A. 2001; Waibel, D.,
Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Dippel, H., Geschichte der
USA, 6. A. 2004; Schmidt, G., Geschichte
der USA, 2003; Surrency, E., History of the federal courts, 2. A. 2002; Oberg,
M., Uncas, 2003; Köbler, G., Rechtsenglisch, 7. A. 2007; Dokumente zur
Geschichte der Vereinigten Staaten, hg. v. Schambeck, H., 2. A. 2007; Klemke,
U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007; Gerste,
R., Duell ums Weiße Haus, 2008; Schild, G., Abraham Lincoln 2009; Depkat, V.,
Geschichte der USA, 2009; Sautter, U., Der amerikanische Bürgerkrieg 1861-1865,
2009
Vereinigungsfreiheit ist
die Freiheit, Vereinigungen zu bilden. Sie entwickelt sich im 19. Jh. als
Grundrecht.
Lit.: Müller, F., Korporation und Assoziation, 1965;
Tillmann, H., Staat und Vereinigungsfreiheit, Diss. jur. Gießen 1976; Voß, W.,
Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in) Libertas 1991, 301; Eisenhardt, U.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Vereinte Nationen (United
Nations) sind der Zusammenschluss der Staaten zum Zweck der Wahrung des Weltfriedens
und der internationalen Sicherheit durch Kollektivmaßnahmen. Die Vereinten
Nationen entstehen als Nachfolger des Völkerbundes 1945. Grundlage ist die
Charta der Vereinten Nationen. Die wichtigsten Organe sind Vollversammlung,
Sicherheitsrat und Generalsekretär.
Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Charta der Vereinten Nationen,
hg. v. Simma, B. u. a., 1991; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten
Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Rittberger, V. u. a., Vereinte
Nationen und Weltordnung, 1997; Volger, H., Lexikon der Vereinten Nationen,
2000; Die Vereinten Nationen sechs Jahrzehnte nach ihrer Gründung, hg. v. Münk,
H. 2008
Verfachbuch →
Grundbuch
Verfahren ist die
Art oder Weise des Vorgehens bei der Bewältigung einer Aufgabe oder eines Vorhabens,
insbesondere durch eine Entscheidung einer Behörde (Verwaltungsverfahren) oder
eines Gerichts über einen Antrag oder einen Rechtsstreit (Gerichtsverfahren,
Prozess). V. entwickeln sich vermutlich schon früh als Verallgemeinerung
einzelner Geschehensabläufe. Bereits die römischen Zwölftafelgesetze behandeln
den Zivilprozess und bestimmen, wie der Beklagte in das Gericht (lat. ius [N.],
forum [N.]) gebracht werden kann. Neben den → Zivilprozess
tritt bald der besondere → Strafprozess. Aus dem Legisaktionenverfahren
(→ legisactio) wird das → Formularverfahren. Das Formularverfahren
wird durch das Kognitionsverfahren (→ cognitio) abgelöst. Bei den
Germanen finden Entscheidungsverfahren vermutlich zunächst in der → Volksversammlung
statt, im Frühmittelalter vor (lat.-afrk. [M.])
thunginus und Rachinburgen bzw. Graf und Schöffen. Seit dem Hochmittelalter
spaltet sich das Verfahren in Zivilprozess und Strafprozess auf. Im
Zivilprozess dringt oberitalienisch-kanonisches Recht ein. Im Strafprozess
drängt der Inquisitionsprozess den Akkusationsprozess zurück. Im 19. Jh. wird
das V. liberalisiert und modernisiert und die → Gerichtsverfassung
vereinheitlicht. Es entstehen neben den V. der ordentlichen Gerichtsbarkeit V.
anderer Gerichtsbarkeiten (z. B. Verwaltungsgericht). Neben allgemeinen
Verfahrensgrundsätzen werden detaillierte Einzelregelungen entwickelt.
Lit.: Kaser §§ 80 II 3, 82, 84; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55,
70, 86, 91, 114, 153, 200, 234, 261; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J.,
Das Gerichtsverfahren, 1908; Bader, K., Das Schiedsverfahren, 1929; Döhring,
E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Landes, D., Achtverfahren,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
2. A. 1996; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Meyer, D.,
Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981; Conflict in medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a.,
2003
Verfahrensverweigerung ist die Verweigerung der Durchführung eines →
Verfahrens seitens einer daran zu beteiligenden Person oder Einrichtung. Im
Frühmittelalter verfällt der Beklagte, der eine Ladung missachtet, dem →
Königsbann. Im Deutschen Bund kann bei Verweigerung einer gerichtlichen
Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die Bundesversammlung (Bundestag)
angerufen werden.
Lit.: Köbler, DRG 92, 200
Verfallspfand ist
das im altrömischen Recht verbreitete, später zurückgedrängte, bei Pfandreife
und Unterbleiben der Schuldtilgung in das Eigentum des Pfandgläubigers übergehende
→ Pfand. Da es dem Pfandgläubiger oft weit mehr als die Schuldtilgung
einbringt, ist es in entwickelteren Rechtsordnungen wegen des angemessenen
Schutzes des Schuldners selten.
Lit.: Kaser § 31 II 2
Verfangenschaft ist
die Beschlaglegung eines Gegenstandes zugunsten eines Rechtssubjekts. Im
süddeutschen hochmittelalterlichen Ehegüterrecht tritt in der Errungenschafts-
und Fahrnisgemeinschaft beim Tod eines Ehegatten V. der Liegenschaften
zugunsten der ehelichen Kinder ein. Das verfangene Gut darf der überlebende Ehegatte
nutzen und verwalten, aber nur bei echter Not oder Zustimmung der Kinder
veräußern. Bei seinem Tod fällt es an die Kinder. Möglich sind aber rechtsgeschäftliche
Teilung oder → Einkindschaft. Seit dem 15. Jh. verliert die V. ihre
Bedeutung.
Lit.: Hübner 679; Mayer-Homberg, E., Zur Entstehung des
fränkischen Verfangenschaftsrechtes, 1913; Gudian, G., Ingelheimer Recht, 1968,
188
Verfassung (zu Fass, fassen, seit
dem 14. Jh. belegt) ist (materiell) der Zustand (vor allem des Staates) und
(formell) den diese in seinen Grundzügen beschreibende oder ordnende Urkunde.
Insofern hat jede Gemeinschaft eine V. (im materiellen Sinn). Bereits die
griechische Philosophie unterscheidet etwa als unterschiedliche Formen
Monarchie, Aristokratie, Politeia, Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie
(Aristoteles). Vereinzelt halten seit dem Hochmittelalter Schriftstücke
besondere tatsächlich geschaffene Grundzüge der angestrebten V. fest (z. B.
Magna Charta England 1215, Mainzer Reichslandfriede 1235, Goldene Bulle 1356, ewiger
Reichslandfriede von 1495 oder Wahlkapitulation Karls V. von 1519, Augsburger
Religionsfriede 1555, Westfälischer Friede 1648, England 1628 Petition of
Rights, 1679 Habeas-Corpus-Akte). In England wird im 17. Jh. constitution zur
Bezeichnung des Zustands (der materiellen V.) eines Staates (bodie politique),
im 18. Jh. zur Bezeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand herstellen oder
festlegen (formelle V.). 1776 wird mit der → Virginia Bill of Rights in
Amerika die erste formelle V. (→ Verfassungsurkunde) geschaffen (17. 9.
1787 Constitution of the United States), die bald anderen Gesetzen übergeordnet
ist (1803) und bei Kollision Verfassungswidrigkeit (voidness) eines der V.
widersprechenden Gesetzes bewirkt.. Dem folgen (→ Toskana Entwurf 1782, 1787
erweitert auf 145 Artikel) → Polen (3. 5. 1791, Warschau 22. 7. 1807), →
Frankreich (3. 9. 1791), Genf (5. 2. 1794), Bologna (4. 12. 1796), die
cispadanische Republik 27. 3. 1797), die cisalpinische Republik (30. 6. 1797),
die ligurische Republik (2. 12. 1797), die batavische Republik (17. 3. 1798),
die römische Republik (20. 3. 1798), die helvetische Republik (12. 4. 1798),
die → Niederlande (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk,
März 1814 Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande), Lucca (4. 2. 1799), die
parthenopäische Republik (20. 3. 1799), die italienische Republik (26. 12.
1801), Wallis (30. 8. 1802), (Russland Entwurf 1804), Holland (7. 8. 1806) (,
Spanien 6. 7. 1808, Neapel 6. 6. 1809, Schweden 6. 6. 1809, Sizilien 18. 6. 1812,
Norwegen 17. 5. 1814, Griechenland 4. 11. 1821, Portugal 23. 9. 1822, Belgien
7. 2. 1831, Italien 4. 3. 1848, Ungarn 11. 4. 1848, Dänemark 5. 6. 1849 bzw.
26. 7. 1854, Liechtenstein 26. 9. 1862, Rumänien 1. 7. 1866, Serbien 29. 6.
1869, Island 5. 1. 1874, Schweiz 29. 5. 1874, Türkei 23. 12. 1876, Bulgarien
16. 4. 1879) sowie im Gebiet des früheren Heiligen römischen Reiches (deutscher
Nation) Frankfurt (10. 10. 1806), Westphalen 15. 11. 1807, Bayern (1. 5. 1808),
Anhalt-Köthen (28. 12. 1810)→ Nassau (3. bzw. 2. 9. 1814), →
Waldeck (28. 1. 1814), Schwarzburg-Rudolstadt (8. 1. 1816), →
Schaumburg-Lippe (15. 1. 1816), Sachsen-Weimar (5. 5. 1816),
Sachsen-Meiningen-Hildburghausen (19. 3. 1818), → Bayern (26. 5. 1818), →
Baden (22. 8. 1818), → Württemberg (25. 9. 1819), Hessen-Darmstadt (17.
12. 1820) sowie später z. B. Hohenzollern-Sigmaringen 1833, Österreich (1848
bzw. 1867) und Preußen (1848). Ihre Verfassungen enthalten meist eine Teilhabe
des Volkes an der Macht in einem zur Gesetzgebung berufenen Parlament sowie die
Sicherung von Grundrechten des Einzelnen gegen den Staat. Die von der
Frankfurter Paulskirchenversammlung beschlossene V. (1848/1849) tritt nicht in
Wirksamkeit. Ihr folgen die Verfassung des zweiten Deutschen Reiches (1871,
ohne Grundrechte), der Weimarer Nationalversammlung (14. 8. 1919) und der
Bundesrepublik Deutschland (23. 5. 1949) sowie in Österreich das Bundesverfassungsgesetz
von 1920. Die Staatslehre der Aufklärung schafft dabei ein umfassendes
Bewusstsein öffentlicher Ordnung. In Abkehr vom abstrakt-ahistorischen
Staatsdenken der Aufklärung wenden sich die Staatsdenker nun den historisch
gewordenen Vorgegebenheiten zu. Spätestens seit dem Ende des 18. Jh.s wird die
V. als den Gesetzgeber bindendes Recht verstanden (Alexander Hamilton 1788,
Sieyès 1795, Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika 1803). In den
Staaten des Deutschen Bundes berufen sich nach 1830 Bürger mit
unterschiedlichem Erfolg gegenüber staatlichen Eingriffen (meist Zensurmaßnahmen)
auf in Verfassungen verankerte Rechte und findet eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit
einzelner Normen bereits statt. Eine seit 2002 als Mikrofiche veröffentlichte
Sammlung der Verfassungen bzw. Verfassungsdokumente Europas von 1850 bis zur
Gegenwart umfasst etwa 1300 Texte. In Österreich besteht die (formelle) V. aus
dem Bundesverfassungsgesetz und mehr als 1300 Verfassungsgesetzen bzw. einzelen
Verfassungsbestimmungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 831 (Mohnhaupt/Grimm); Köbler, DRG 6, 14, 18, 32,
55, 69, 82, 101, 109, 138, 147, 149, 152, 171, 182, 190, 191, 195, 221, 222,
227, 232, 245, 248, 256, 257, 258; Bisinger, J., Staatsverfassung des
österreichischen Kaisertums, 1809; Hugo, G. W., Chronologische Verzeichnis der
Verfassungsurkunden älterer und neuerer Zeit, 1827; Die Grundgesetze und
Verfassungsurkunden, hg. v. Hugo, G. W:, 1836; Mommsen, T., Römisches
Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Stutz, U., Die Grundlagen der
mittelalterlichen Verfassung Deutschlands und Frankreichs, ZRG GA 21 (1900),
115; Sander, P., Feudalstaat und bürgerliche Verfassung, 1906; Bergsträßer, L.,
Geschichte der Reichsverfassung, 1914; Andreas, W., Geschichte der badischen
Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Lenel,
P., Wilhelm von Humboldt und die Anfänge der preußischen Verfassung, 1913;
Schramm, P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und
Verfassung, ZRG GA 49 (1929), 167; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des
Heil. Röm. Reiches, ZRG GA 52 (1932), 65; Dennewitz, B./Meissner, B., Die
Verfassungen der modernen Staaten, 1947; Verfassungsregister, hg. v. Menzel,
E./Groh, F./Hecker,H., 1954ff.; Strathmann, F., Altständischer Einfluss auf die
deutschen Territorialverfassungen der Jahre 1814/1818, Diss. jur. Mainz 1955;
Pfeffer, W., Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, 1960; Schmidt-Aßmann, E.,
Der Verfassungsbegriff in der deutshen Staatslehre der Aufklärung und des
Historismus, 1967; Birtsch, G., Die landständische Verfassung, (in) Ständische
Vertretungen in Europa, 1967, 32; Floßmann, U., Landrechte als Verfassung,
1976; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Eichler, H.,
Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Schulze, H., Grundstrukturen
der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1 4. A. 2004; Kühne, J., Die
Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Bleicken, J., Die Verfassung der
römischen Republik, 7. A. 1995; Grziwotz, H., Der moderne Verfassungsbegriff,
1986; Gizewski, C., Zur Normativität und Struktur der Verfassungsverhältnisse,
1988; Stourzh, G., Wege zur Grundrechtsdemokratie, 1989; Die Frankfurter
Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Die deutschen Verfassungen des 19.
und 20. Jahrhunderts, 14. A. 1992; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in
Deutschland, 1994; 1789 et l’invention de la constitution, hg. v. Troper, M. u.
a., 1994; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 4. A.
2004; Caenegem, R. van, An historical introduction to Western constitutional
law, 1995; Mohnhaupt, H./Grimm, D., Verfassung, 1995; Die Verfassungen der
EG-Mitgliedstaaten, hg. v. Kimmel, A., 4. A. 1996; Blänkner, R., Die Idee der
Verfassung, (in) Bürgerreligion und Bürgertugend, 1996; Krüger, P., Einflüsse
der Verfassung der Vereinigten Staaten, ZNR 18 (1996); Weber-Fas, R.,
Deutschlands Verfassung, 1997; Verfassung als Verantwortung, hg. v. bayerischen
Verfassungsgerichtshof, 1997; Graf, G., Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr
1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana, 1998; Ebel, F., Der papierene Wisch,
1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121;
Verfassungen in Hessen, hg. v. Franz, E., 1998; Burgdorf, W.,
Reichskonstitution und Nation, 1998; Die deutschen Verfassungen, hg. v.
Limbach, J. u. a., 1999; Die Verfassungen Mittel- und Osteuropas, hg. v.
Roggemann, H., 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2001; Schmidt,
C., Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie, 2000;
Verfassungswandel um 1848, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2001; Waibel, D., Junges Volk
mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung,
2. A. 2001; Otto, P., Die Entwicklung der Verfassungslehre in der Weimarer
Republik, 2002; Lechler, F., Parlamentsherrschaft und Regierungsstabilität,
2002; Die Verfassungen der Welt. 1850 bis zur Gegenwart (Mikrofiche), Bd. 1
Europa, Bd. 2 Nord- und Südamerika, hg. v. Dippel, H., 2002ff.; Verfassung und
Verfassungswandel, hg. v. Kroll, F., u. a., 2003; Krüger, K., Die
landständische Verfassung, 2003; Kotulla, M., Das konstitutionelle Verfassungswerk
Preußens, 2003; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Hufeld, U. u. a., 2004;
Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali europei ottocenteschi –
Parlament und Verfassung in den konstitutionellen Verfassungssystemen Europas,
hg. v. Manca, A. u. a., 2004; Vorländer, H., Die Verfassung – Idee und
Geschichte, 2. A. 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a.,
2004; Weimarer Landesverfassungen, hg. v. Wittreck, F., 2004; Buschfort, W.,
Geheime Hüter der Verfassung, 2004; Deutsches Verfassungsrecht 1806-1918, hg.
v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.; Bock, D., Der Eid auf die Verfassung im
deutschen Konstitutionalismus, ZRG GA 123 (2006), 166; Kraus, H., Englische
Verfassung und politisches Denken im ancien régime 1689-1789, 2006; Winterhoff,
C., Verfassung, 2006; Constitutions of the World, Europe, Bd. 3 Deutsche Verfassungsdokumente,
Teil 1ff. 2006ff.; Hollstein, T., Die Verfassung als „allgemeiner Teil“, 2007;
Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Handbuch
Ius Publicum Europaeum, hg. v. Bogdandy, A. v. u. a., Bd. 1f. 2007f.; Dressel,
C. v. Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg
1800-1826, 2007; Köbler, G., Von der Geschichte der Verfassung zur
Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Müßig, U., Die
europäische Verfassungsdiskussion des 18. Jahrhunderts, 2008;
Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, hg. v. Wahl,
R., 2008; Reform an Haupt und Gliedern, hg. v. Durner, W. u. a., 2009
Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist das Bonner Grundgesetz vom 23. 5. 1949. Seine
Grundrechte wollen nicht nur Programmsätze sein, sondern grundsätzlich
verbindliche Kraft entfalten und Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und
Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Eine Änderung der
wichtigsten Grundsätze ist nach Art. 79 III unzulässig. Inhaltlich stellt der
Katalog einen pluralistischen Kompromiss auf traditioneller Grundlage dar,
wobei die Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht ebenso wie die Möglichkeit
der Vergesellschaftung von Boden und Produktionsmitteln festgelegt wird. An
der Spitze des Organisationsteiles steht die Entscheidung für den
demokratischen und sozialen Bundesstaat, in dem alle Gewalt vom Volk ausgeht,
durch besondere Organe der Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechtsprechung
ausgeübt wird und Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes
mitwirken. Die wichtigsten Organe sind Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident,
Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 256; Robbers, G., Die
Änderung des Grundgesetzes, NJW 1989, 1124; Hesse, K., Grundzüge des
Verfassungsrechts, 20. A. 1995; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997
Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ist die am 7. 10. 1949 geschaffene, äußerlich ziemlich
konservative, aber weder Gewaltenteilung, noch Opposition noch eine
gesellschaftspolitische Wahlentscheidung zulassende Verfassung. Sie wird
durch die Beseitigung der Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958) und der
Selbstverwaltung der Gemeinden sowie die Ersetzung des Präsidenten durch einen
kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960) verändert. Die zweite V. vom 9. 4. 1968
will die inzwischen erreichten sozialen Errungenschaften absichern und gibt in
der Neufassung vom 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 258; Roggemann, H.,
Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989
Verfassungsbeschwerde ist nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtliche
Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht zum Schutz eines dem Beschwerdeführer
nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen (1951-2001 rund 127000
Verfassungsbeschwerden). Sie begegnet bereits 1818 in Bayern (an den Staatsrat,
selten, einmal erfolgreich) und Baden.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257; Zuck, R., Das
Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. A. 1988; Müller, O., Die
Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000
Verfassunggebende Nationalversammlung ist die Abgeordnetenversammlung, die zur Verabschiedung
einer Verfassung einberufen ist (z. B. Frankfurt am Main 1848, Weimar 1919).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Verfassungsgerichtsbarkeit ist nach älteren einzelnen Ansätzen (z. B. England 1610, Pennsylvania
1776, Vermont 1777, Vereinigte Staaten von Amerika 1803) seit dem 19. Jh.
(1818, 1834) die die Übereinstimmung staatlichen Handelns mit der →
Verfassung (z. B. durch Normenkontrolle, Grundrechtsverletzungsprüfung,
Wahlprüfung, Amtsenthebungsverfahren) überprüfende, in einzelnen Staaten aus
der allgemeinen Gerichtsbarkeit ausgesonderte Gerichtsbarkeit (Österreich 1920,
Tschechoslowakei 1920 (konnte grundsätzlich jedes verfassungwidrige Gesetz
für nichtig erklären, geriet aber in Vergessenheit), Deutsches Reich [→
Staatsgerichtshof] 1921, Bundesrepublik Deutschland 1951, Italien 1956,
Frankreich 1958, Spanien 1980). In den Vereinigten Staaten von Amerika kann
jedes Gericht selbständig (deklaratorisch) die Verfassungswidrigkeit eines
Gesetzes feststellen, in anderen Staaten ist dazu nur das besondere
Verfassungsgericht befugt.
Lit.: Stolzmann, H., Zur geschichtlichen Entwicklung des
Rechts der Verfassungsstreitigkeiten, Archiv f. öffentliches Recht N. F. 16 (1929),
355; Wahl, R./Rottmann, F., Die Bedeutung der Verfassung, (in) Sozialgeschichte
der Bundesrepublik, 1983, 339; Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck,
C. u. a., Bd. 1 1983; Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, hg. v. Starck,
C. u. a., Bd. 1 1986; Robbers, G., Die historische Entwicklung der
Verfassungsgerichtsbarkeit, JuS 1990, 257; Brünneck, A. v., Verfassungsgerichtsbarkeit
in den westlichen Demokratien, 1992; Eisenhardt, U., Zu den historischen
Wurzeln der Verfassungsgerichtsbarkeit, FS B. Diestelkamp, 1994, 17; 50 Jahre
Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1997;
Böckenförde, E., Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, 9; Kluge, H./Wolnicki,
B., Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, 2. A. 1999; Björner, U., Die
Verfassungsgerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich, 2000;
Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818,
2000; Heimann, H., Die Entstehung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen
Ländern und in Berlin, 2002; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der
Tschechoslowakei, 2009; Haase, G. u. a., Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa,
2009
Verfassungsgerichtshof ist das (obere) Verfassungsgericht (z. B. Österreich [nach
dem Reichsgericht Cisleithaniens von 1869-1918] Gesetz vom 25. 1. 1919, 3. 4.
1919 und durch Bundesverfassungsgesetz 1920 Zuständigkeit (auf Normenkontrolle
und Wahlprüfung) sowie 1925 auf Kompetenzprüfung erweitert, Mai/Juni 1933
durch die Bundesregierung beschlussunfähig gemacht, durch die Maiverfassung
1934 aufgelöst, 12. 10. 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten an
Hand der Verfassung).
Lit.: Köbler, DRG 257, 262;
Baltl/Kocher; Zavadil, T., Die Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs 1933,
1997 (Diplomarbeit Univ. Wien)
Verfassungsgeschichte ist der die Geschichte der (formellen oder materiellen) →
Verfassung betreffende Teil der (die V. einschließenden) Rechtsgeschichte
(Wort seit 1825 [Müller, Alexander] belegt). Grundlegend für Deutschland ist
die V. von Georg → Waitz. Weitere bekannte Verfassungsgeschichtler sind
(die Historiker) Otto Hintze [1902 erstes persönliches Ordinariat für
Verfassungsgeschichte an der Univerisität Berlin], Fritz Hartung, Otto Brunner
oder (der Jurist) Ernst Rudolf Huber.
Lit.: Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1ff.
1844ff., Neudruck 1953ff.; Winkelmanns, E., Allgemeine Verfassungsgeschichte,
hg. v. Winkelmanns, A., 1901; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte,
1905; Hintze, O., Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Di
Costanzo, G. u. a., 1998; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen,
insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Bornhak, C., Deutsche
Verfassungsgeschichte vom westfälischen Frieden an, 1934; Hartung, F., Zur
Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland, 1956 (SB
Berlin); Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte
des Mittelalters, 1961; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche
Forschung im 19. Jahrhundert, 1961; Schlesinger, W., Beiträge zur
Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1962; Graus, F., Deutsche und slawische
Verfassungsgeschichte?, HZ 197 (1963), 265; Huber, E., Bewahrung und Wandlung,
1975; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 8. A. 2001,
10. A. 2005; Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung,
1983; Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im
Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 1983; Willoweit, D., Aufgaben und
Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Europäische
Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Kölz, A., Neuere
schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Caenegem, R. van, An Historical
Introduction to Western Constitutional Law, 1995; Menger, C., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 8. A. 1993; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche
Forschung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte,
5. A. 2005; Frotscher, W./Pieroth, B., Verfassungsgeschichte, 1997, 2. A. 1999;
3. A. 2002, 4. A. 2003, 5. A. 2005, 6. A. 2007; Zuleeg, M., Ansätze zu einer
Verfassungsgeschichte der Europäischen Union, ZNR 1997; Zippelius, R., Kleine
deutsche Verfassungsgeschichte, 6. A. 2002, 7. A. 2006; Brandt, H., Der lange
Weg in die demokratische Moderne, 1998; Neugebauer, W., Die wissenschaftlichen
Anfänge Otto Hintzes, ZRG GA 115 (1998), 540: Oestreich, G.,
Verfassungsgeschichte, 8. A. 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat,
2000; Kippels, K., Grundzüge deutscher Staats- und Verfassungsgeschichte, 2001;
Europäische Verfassungsgeschichte, hg. v. Willoweit, D. u. a., 2003 (47
Texte); Wahl, R., Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003
(Aufsätze); Kley, A., Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 2004; Quellen zur
europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., 2004
(CD-ROM); Grothe, E., Zwischen Geschichte und Recht, 2004; Handbuch der
europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P. u. a.,
Bd. 1 2006; Steiger, H., Verfassungsgeschichte im Spiegel
verfassungsgeschichtlicher Studienbücher und Überblicke, ZNR 2007, 287ff.;
Köbler, G., Von der Geschichte der Verfassung zur Verfassungsgeschichte, FS
Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Kotulla, M., Deutsche Verfaqssungsgeschichte,
2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte, 2009
Verfassungskonflikt ist
der Streit um eine grundsätzliche Verfassungsfrage (z. B. Kurhessen 1831,
Hannover 1833, Preußen 1862-6).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Real, W., Der hannoversche
Verfassungskonflikt, 1972; Becker, W., Die angebliche Lücke der Gesetzgebung,
Hist. Jb. 100 (1980), 257
Verfassungsrecht ist
die Gesamtheit der die → Verfassung betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Köbler, DRG 7; Huber, E., Verfassungsrecht des
großdeutschen Reiches, 1939; Mampel, S., Das Recht in Mitteldeutschland, 1966;
Klecatsky, H./Morscher, S., Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. A.
1982; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht?, Bll. f. dt. u. internat.
Politik 1988, 660; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989; Entstehen
und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, hg. v. Mussgnug, R., 1996; Deutsches
Verfassungsrecht 1806 bis 1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.
Verfassungsschutz
Lit.:
Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004
Verfassungsurkunde ist die eine → Verfassung schriftlich verkörpernde Urkunde (formelle Verfassung). Verfassungsurkunden gibt es (nach wissenschaftlicher Konvention) seit 1776 (→ Virginia Bill of Rights).
Lit.: Usee, K., Der Einfluss der französischen
Verfassungen, Diss. jur. Greifswald 1911; Ingelmann, A., Ständische Elemente in
der Volksvertretung, 1914; Goldschmitt, R., Geschichte der badischen
Verfassungsurkunde, 1918
Verfassungswirklichkeit ist der tatsächliche Verfassungszustand eines Staates im Gegensatz
zu dem von der Verfassungsurkunde angestrebten Verfassungszustand.
Lit.: Huber, E., Verfassungswirklichkeit und
Verfassungswert, FS G. Schmelzeisen, 1980, 126
Verfestung ist seit
dem Hochmittelalter in Norddeutschland eine Rechtsfolge bei Ladungsungehorsam,
die der → Acht ähnelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Francke, O., Das Verfestungsbuch
der Stadt Stralsund, 1875; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973, 291; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 433, Neudruck 1964; Feuring, A., Die Verfestung nach dem
Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1995
Verfügung ist im
Privatrecht das Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar geändert,
aufgehoben, übertragen oder belastet wird (z. B. Übereignung). Zu einer V. ist
beispielsweise der Eigentümer befugt, doch kann der die Verfügungsbefugnis auch
anderen einräumen. Verfügungsbefugt sind auch Vormund (lat. tutor) und Pfleger
(lat. curator). Bereits das römische Recht unterscheidet die V. von der →
Verpflichtung. Ob das germanische Recht die V. kennt, ist streitig. Im 19.
Jh. wird die V. von der Verpflichtung abstrahiert. Letztwillige V. ist die für
den Fall des Todes über den Nachlass getroffene V. Im öffentlichen Recht ist V.
ein → Verwaltungsakt.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 11 IV, 15 I 4b, 60 II 3c, 62 II 2;
Köbler, DRG 123; Demuth, E., Die wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen
nach alamannisch-zürcherischem Recht, 1901; Schultze, A., Über
Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem
Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Schönfeld, W., Die
Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen
Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Kilchmann, A., Die Verfügungen von Todes wegen
nach den aargauischen Rechtsquellen, 1928; Buss, H., Letztwillige Verfügungen
nach ostfriesischem Recht, Diss. jur. Göttingen 1966; Hattenhauer, H., Die
Entdeckung der Verfügungsmsacht, 1969; Wilhelm, W., Begriff und Theorie der
Verfügung, Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977,
213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 § 30, Bd. 2 1989 § 64
Verfügungsgeschäft ist
das eine → Verfügung anstrebende bzw. bewirkende → Rechtsgeschäft.
Es bedarf im römischen Recht eines rechtlichen Grundes (lat. iusta caua). Im
19. Jh. wird das V. von dem Verpflichtungsgeschäft abstrahiert, so dass es auch
ohne dieses wirksam ist. Dann kann aber die Verfügung auf dem Weg über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung rückgängig gemacht werden.
Vergabung ist das
Übertragen eines Gegenstandes an eine andere Person. → Schenkung
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Vergehen ist die
rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder
mit einer Geldstrafe bedroht ist. Als allgemeine Erscheinungsform wird das V.
nach französischem Vorbild zu Beginn des 19. Jh.s erfasst (Bayern 1813). Der
Versuch eines Vergehens ist nur bei besonderer gesetzlicher Bestimmung
strafbar.
Lit.: Köbler, DRG 119, 204, 264; Hannamann, O., Über die
Grenzlinie zwischen Verbrechen und Vergehen, 1805; Cucumus, K. v., Über die
Einteilung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, 1823; Daimer, H., Die
Unterscheidung der strafbaren Handlungen, Diss. jur. Erlangen 1915
Vergeltung ist ein →
Strafzweck.
Vergewaltigung ist die Nötigung einer Frau mit Gewalt oder Drohung zum Beischlaf mit dem Nötigenden oder einem Dritten (→ Notzucht). Am Ende des 20. Jh.s wird auch die V. in der→ Ehe strafbar (Österreich 1989, Schweiz 1992, Deutschland 1997). In Deutschland wird 1997 die V. als eigenständiger Tatbestand aufgegeben und als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung eingeordnet.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck
1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000; Balthasar, S.,
Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Künzel, C.,
Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Shaw, Y., Entwicklung und Reform zur
Vergewaltigung in der Ehe gemäß § 177 StGB, 2005
Vergleich (lat. [F.]
transactio) ist der gegenseitige Vertrag, durch den der Streit oder die
Ungewissheit von Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens
beendet wird. Der V. ist im klassischen römischen Recht ein → Erlass,
wird aber von → Justinian (527-565) hiervon abgelöst. Der V. ist auch im
deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter wird das justinianische
Recht aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der
Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung,
2. A. 1971; Ebel, F., Berichtung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der
Vergleich, 1988; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert,
W., 2008
Verhaftung ist seit
der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines Straftatverdächtigen. Für sie
verdichten sich seit der Aufklärung die gesetzlich festzulegenden
Voraussetzungen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Ollinger, T., Die
Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997
Verhältnismäßigkeit ist
der Grundsatz des Verwaltungsrechtes, dass die Verwaltung unter mehreren
möglichen und geeigneten Maßnahmen nur die wählen darf, die den Betroffenen und
die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Der Grundsatz der V. ist an sich
naheliegend, wird aber erst im 20. Jh. artikuliert.
Lit.: Avoine, M. d’, Die Entwicklung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994
Verhältniswahlrecht (Proportionalwahlrecht, engl. block voting system) ist die Art des
Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der Parlamentssitze auf die Parteien im
Verhältnis der Gesamtstimmenzahl zu der auf die einzelne Partei bzw. ihre Kandidatenliste
im gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zahl der Stimmen verteilt wird (z. B.
Belgien 1899, Österreich 18. 12. 1918 [1992 reformiert, mindestens ein
Grundmandat oder bundesweit 4 Prozent der Stimmen], Deutsches Reich 1919, pro
60000 Stimmen im ganzen Reich ein Abgeordneter). Das V. bildet einen Gegensatz
zum Mehrheitswahlrecht. Es kann klare politische Entscheidungen erschweren,
entspricht aber den politischen Verhältnissen im gesamten Wahlvolk besser.
Lit.: Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung der
konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, (in) Smend, R.,
Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60
Verhandlung ist die
Erörterung eines Gegenstandes durch Beteiligte, insbesondere die Erörterung vor
einem Gericht. Bei der hiervon abgeleiteten Verhandlungsmaxime des
Zivilprozesses steht es bei den Parteien, welchen Streitstoff sie dem Gericht
unterbreiten, so dass nicht notwendigerweise über die Wahrheit entschieden
wird. Ein Gegensatz zum Verhandlungsgrundsatz ist der Grundsatz der
Untersuchung durch das Gericht (z. B. im Inquisitionsprozess).
Lit.: Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte und
Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und
Rechtswirklichkeit, 1971
Verhör ist die
eindringliche Befragung eines Menschen durch einen andern Menschen zur
Ermittlung von Umständen, insbesondere die Befragung von Verdächtigen durch
einen Ermittler.
Lit.: Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Niehaus, M.,
Das Verhör, 2003
Verjährung ist der
durch Zeitablauf eintretende Rechtsverlust. In fester Form wird die V. als
(lat.) praescriptio (F.) temporis aller Klagen von den römischen Kaisern
Honorius (393-423) und Arcadius bzw. Theodosius II. (424) mit einer Frist von
grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen auch 40, 20, 10 Jahren oder einem Jahr)
eingeführt. Danach strahlt die V. bereits auf das Frühmittelalter aus und wird
später allgemein aus dem römischen Recht aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die →
Verschweigung. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt neben der
regelmäßigen Verjährung binnen 30 Jahren verschiedene kürzere
Verjährungsfristen. Seit 2002 ist in Deutschland die regelmäßige
Verjährungsfrist auf 3 Jahre festgelegt. V. gibt es auch für die
Strafverfolgung und die Strafvollstreckung.
Lit.: Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61;
Kroeschell, 20. Jh.; Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten
Verjährungslehre, 2. A. 1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der
Verjährung, 1866; Reich, O., Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre,
1908; Iterson, W. van, Immemoriale possessie en prescriptie, Themis 1962, 427;
Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und
die gemeinrechtliche Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602
Verkauf → Kauf
Verkaufspfand ist
das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte, bei Pfandreife durch
Verkauf der Pfandsache an einen Dritten zu verwertende Pfand. Das V. erscheint
im Mittelalter in den Städten seit dem 13. Jh., auf dem Land seit dem 14. Jh.
In der frühen Neuzeit erfolgt der Verkauf durch das Gericht oder eine andere
hierzu bestellte Einrichtung. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) wird der verpfändete Gegenstand meist durch öffentliche Versteigerung
bzw. bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung verwertet.
Lit.: Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips,
1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Verkehr ist
ausgehend vom Vertrieb von Waren die Bewegung oder Beförderung von Menschen
oder Gegenständen auf dafür vorgesehenen Wegen. Das Verkehrswesen ist im
römischen Reich bereits hoch entwickelt. Dieser Zustand wird erst in der
Neuzeit wieder erreicht. Seit der Mitte des 18. Jh.s und vor allem seit dem 19.
Jh. verdichtet sich der V. immer mehr. Besondere Bedeutung kommt dem
Schienenverkehr (Eisenbahn, Straßenbahn), dem Straßenverkehr (Straße,
Chaussee, Autobahn, Fahrrad, Motorrad, Automobil, Lastkraftwagen), dem Wasserverkehr
(Kanal, Hafen, Schiff, Containerschiff) und dem Luftverkehr (Ballon,
Luftschiff, Flugzeug, Flughafen, Raumfahrt) zu. Die Modernisierung der
Mobilität wirkt sich auf Urbanisierung, Mobilisierung und Globalisierung aus
(schneller, öfter, weiter, mehr, billiger, bequemer, sicherer). Für die unterschiedlichen
Verkehrswege Land, Wasser, Luft und Raum werden vor allem im 20. Jh. jeweils
besondere Verkehrsregeln entwickelt.
Lit.: Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen zu
Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A.,
Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000; Gadow, O. v., Die Zähmung
des Automobils durch die Gefährdungshaftung, 2002; Schubert, W., Die Anfänge
eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194;
Bethkenhagen, K., Die Entwicklung des Luftrechts, 2004; Merki, C.,
Verkehrsgeschichte und Mobilität, 2008
Verkehrssicherungspflicht ist die im 20. Jh. von der deutschen Rechtsprechung entwickelte
Pflicht des Eröffners eines Verkehrs, die Benützer vor hieraus erwachsenden
Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter Verletzung der V. ist Schadensersatz aus
unerlaubter Handlung zu leisten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Voss, L., Die Verkehrspflichten,
2007
Verkehrssitte (um 1860?) ist das übliche
Verhalten im Rechtsverkehr. Die V. kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts
herangezogen werden. Bei unvollständigen Vereinbarungen kann sie der Lückenschließung
dienen.
Lit.: Al-Shamari, N.,
Die Verkehrssittte im § 242 BGB, 2006
Verklarung ist im Seerecht die Einreichung eines Berichts des Kapitäns eines Schiffes über den Hergang eines Unfalls beim zuständigen Gericht. Die V. ist nach bereits römischrechtlichen Ansätzen im Spätmittelalter in vielen Seerechten erkennbar. Ihr Zusammenhang mit der allgemeinen Verschweigung ist ungewiss.
Lit.: Wöhler, A., Die Verklarung, Diss. jur. Erlangen 1913
Verknechtung ist
der Verlust der Freiheit durch Überführung in Knechtschaft. Sie erfolgt in
unterschiedlichen Zeiten auf Grund verschiedener Voraussetzungen.
Lit.: Kaser; Hübner; Planitz, H., Die
Vermögensvollstreckung, 1912; Mayer-Maly, T., Das Notverkaufsrecht des
Hausvaters, ZRG RA 75 (1958), 116
Verkündung ist die
Kundgabe eines Gedankens. Recht bedarf zu seiner Wirksamkeit vielfach der V.
Zur Sicherung der V. werden bereits im römischen Altertum die
Zwölf-Tafel-Gesetze in Bronze auf dem Forum (Markt) aufgestellt. In Ermangelung
einer Schriftform erfolgt die V. zumindest zunächst mündlich. Seit dem
Spätmittelalter wird das geltende Recht an vielen Orten zu bestimmten Zeiten
verlesen. Seit dem 18. Jh. wird die Veröffentlichung in Schriftform zur
Voraussetzung für die Geltung eines neuen Rechtssatzes.
Lit.: Feigl, H., Von der mündlichen Rechtsweisung zur
Aufzeichnung, (in) Recht und Schrift im Mittelalter 1977, 425; Willoweit, D.,
Gebot und Verbot, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Verlag ist der
gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen, insbesondere von Werken der Tonkunst
und Literatur. Der V. (z. B. von Webwaren) erscheint seit dem Spätmittelalter
(Flandern 13. Jh.), wobei der Verleger oft auch einen Teil der Geräte und
Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm vertriebenen
Gegenstände bestimmt. In der frühen Neuzeit erfasst der V. sachlich vor allem
das Textilgewerbe und das Metallgewerbe und räumlich neben der Stadt auch das
Land. Seit dem 19. Jh. geht der V. überwiegend in der Industrie auf. In seinen
Resten außerhalb des Vertriebes von Werken der Tonkunst und Literatur
(deutsches Verlagsgesetz 1901) wird er vielfach als Heimarbeit bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 97, 134, 175, 184;
Furger, F., Zum Verlagssystem, 1927; Festschrift zum zweihundertjährigen
Bestehen des Verlages C. H. Beck, 1963; Marwinski, K., Von der Hofbuchdruckerei
zum Verlag Böhlau, 1974; Scherner, K., Handwerker und Verleger, (in) Vom
Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982, 7; Verlag C. H. Beck,
1988; Juristen im Portrait, 1988; Holbach, R., Frühformen von Verlag und
Großbetrieb, 1994; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996
Verlagsrecht ist
objektiv die Gesamtheit der den → Verlag betreffenden Rechtssätze und
subjektiv das dem Verleger vom Verlaggeber eingeräumte Nutzungsrecht. Seinen
Ausgangspunkt nimmt das V. auf dem Gebiet der Tonkunst und Literatur in den
als Folge des Buchdrucks am Ende des Mittelalters zunächst in Italien
aufkommenden Druckerprivilegien gegen Nachdruck. Nach einem englischen Gesetz
des Jahres 1709 entwickelt sich die Lehre vom → geistigen Eigentum, das
aber zeitlich beschränkt wird. Im preußischen → Allgemeinen Landrecht
(1794) und in weiteren Einzelstaatsgesetzen (Preußen 1837) des Deutschen Bundes
wird das V. gesetzlich geregelt. Dem folgt auf der Grundlage der Berner
Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (1886) 1901 das
deutsche Verlagsgesetz.
Lit.: Waechter, O., Das Verlagsrecht, 1857f.; Ortloff, H.,
Das Autor- und Verlagsrecht, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 5 (1861), 263; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und
Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Hubmann, H./Rehbinder, M., Urheber- und
Verlagsrecht, 8. A. 1995; Wadle, E., Neuere Forschungen zur Geschichte des
Urheber- und Verlagsrechts, ZNR 1990, 51; Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht in Deutschland, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1 1991
Verlassenschaft ist die Hinterlassenschaft bzw. der Nachlass eines
Menschen. In Österreich bildet sich unter dem Einfluss der Rezeption des
römischen Rechtes seit dem 16. Jh. ein besonderes Verlassenschaftsverfahren
aus, nach dem das Erbe mit dem Erbfall nicht unmittelbar dem Erben anfällt,
sondern der ruhende Nachlass selbst zeitweiliger Rechtsträger ist. Das Gericht
oder der von ihm beauftragte Notar muss in einem nichtstreitigen Verfahren
(Außerstreitgesetz vom 9. 8. 1854, reformiert am 13. 11. 2003) grundsätzlich
den Todesfall aiufnehmen, einen letzten Willen veröffentlichen, die Erbansprüche
feststellen und die Einantwortung der Erben vornehmen.
Lit.: Wesener,
G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957
Verlassungsbuch ist ein mittelalterliches → Grundbuch.
Lit.: Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt
Hannover, Hans. Gesch.bll. N.F. 26 (1971), 1
Verletzung → Körperverletzung
Verleumdung ist die
wider besseres Wissen erfolgende Behauptung oder Verbreitung einer unwahren
Tatsache in Beziehung auf einen anderen, die geeignet ist, denselben verächtlich
zu machen, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu
gefährden. Die V. wird am Beginn des 19. Jh.s aus der allgemeineren Beleidigung
zu einem besonderen Straftatbestand verselbständigt. Zwischen V. und übler
Nachrede unterscheidet 1843 ein Entwurf eines preußischen Strafgesetzbuches mit
Hilfe des Merkmals „wider besseres Wissen“.
Lit.: Hirsch, J., Ehre und Beleidigung, 1967; Sørensen, P.,
The unmanly man, 1983
Verliegenschaftung (F.)
Veränderung einer beweglichen Sache zu einer Liegenschaft
Verlöbnis ist der
Vertrag, durch den sich zwei Menschen verschiedenen Geschlechts gegenseitig
versprechen, die Ehe miteinander einzugehen sowie das durch diesen Vertrag
begründete Gemeinschaftsverhältnis. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht
als ein zunächst zwischen Gewalthaber der Braut und Bräutigam abgeschlossenes
Rechtsgeschäft (lat. [F.] sponsio → [N.Pl.]
sponsalia) bekannt, das später von der Stipulationsform gelöst wird (und seine
vielleicht anfangs vorhandene Klagbarkeit verliert). Im spätantiken römischen
Recht wird eine aus dem semitischen Brautkauf übernommene Verlöbnisgabe (lat.
arrha [F.] sponsalicia) des Bräutigams an die Braut üblich und kann
das V. nur noch unter vermögensrechtlichen Nachteilen aufgelöst werden. Im
germanischen Recht einigen sich vielleicht ursprünglich auch Brautvater und
Bräutigam über die Braut. In der Folge finden die von der Kirche entwickelten
Regeln Anwendung. Hier entsteht seit dem 11. Jh. die Unterscheidung zwischen
den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de futuro (Verlöbnis) und den (lat.) sponsalia
(N.Pl.) de praesenti (Eheschließung). Die darauf gegründete Klagbarkeit des
Eheversprechens wird im 18./19. Jh. (Österreich 30. 8. 1782 Verlöbnispatent)
wieder beseitigt. 1875 wird in Deutschland das Eherecht verweltlicht. Im 20.
Jh. verliert das V. seine rechtliche Bedeutsamkeit (Deutsche Demokratische
Republik, Bundesrepublik Deutschland 1996).
Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22, 58, 88; Friedberg,
E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876;
Lehmann, K., Verlobung und Hochzeit nach den nordgermanischen Rechten, 1882;
Ciccaglione, F., Gli sponsali, 1888; Bächtold, H., Die Verlobung im Volks- und
Rechtsbrauch, 1913; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Kristein, R., Die
Entwicklung der Sponsalienlehre, 1966; Schwab, D., Zum gerichtlichen Verhältnis
von Verlobung und Eheschließung, FamRZ 1968, 637; Strätz, H., Der
Verlobungskuss, 1979; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004
Verlobung s.
Verlöbnis
Vermächtnis ist die (letztwillige) Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser einem anderen (im Gegensatz zu einem Teil der Erbschaft) einen einzelnen Vermögensvorteil zuwendet, ohne ihn als Erben einzusetzen. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (formbedürftig lat. [N.] → legatum nach ius civile bzw. formfrei → fideicommissum nach Kaiserrecht). Das Legat kann in einem Testatment oder in einem bestätigten Kodizill bestellt werden. Mit dem römischen Recht wird seit dem Spätmittelalter auch das V. aufgenommen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist es (nicht dinglich wirkendes Vindikationslegat, sondern nur schuldrechtlich wirkendes) Damnationslegat und begründet deshalb nur einen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben.
Lit.: Kaser §§ 76, 77; Söllner §§ 14, 17; Hübner § 111;
Köbler, DRG 23, 38, 60, 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Vermählung → Eheschließung
vermehrter Sachsenspiegel → Meißener Rechtsbuch
Vermengung (lat.
[F.] commixtio) ist Zusammenfügung gleichartiger fester Stoffe
unterschiedlicher Eigentümer zu einem ununterscheidbaren Ganzen (z. B.
Getreide). Nach römischem Recht bleibt bei nicht einvernehmicher V. das
Eigentum am entsprechenden Anteil bestehen, während bei einvernehmlicher V.
Miteigentum entsteht. Bei V. von Geld wird ursprünglich (originär) Eigentum
erworben.
Vermischung (lat. [F.] commixtio) ist der Zusammenfluss gleichartiger Flüssigkeiten oder
geschmolzener Metalle verschiedener Eigentümer. Bei EInverständnis entsteht
Miteigentum, bei fehlendem Einverständnis bleibt das Eigentum am jeweiligen
Anteil bestehen.
Vermittlungsausschuss ist der der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Vorstellungen zweier Gremien dienende Ausschuss. Nach amerikanischem Vorbild kennt Deutschland seit 1949 einen V. zwischen Bundestag und Bundesrat.
Vermögen ist die
Gesamtheit der einer Person zustehenden Gegenstände von wirtschaftlichem Wert
einschließlich von Erwerbschancen. Für das V. gilt das jeweilige Sachenrecht,
Schuldrecht und Erbrecht. In das V. wird bei Bedarf vollstreckt. Die Einziehung
des Vermögens kann eine Strafe sein. Das V. kann mit Vermögensteuer besteuert
werden. Im römischen Recht ist Träger (Eigentümer) des Vermögens der Vater
(lat. [M.] pater familias). Später werden daneben Söldner vermögensfähig
hinsichtlich des (lat. [N.])
peculium castrense, seit der Nachklassik Hauskinder hinsichtlich ihres
Sondervermögens.
Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 18 I 1, 58 II, 60 II, 85 II; Hübner;
Kroeschell, DRG 1; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869;
Brauweiler, H., Der Vermögensbegriff, Diss. jur. Erlangen 1910; Planitz, H.,
Die Vermögensvollstreckung, 1912; Hirschberg, R., Der Vermögensbegriff im
Strafrecht, 1934; Dießelhorst, M., Das Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs,
1976; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation, 1979; Knothe, H., Das gemeine
Kindesvermögensrecht, ZRG GA 98 (1981), 255; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U.,
3. A. 1992; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA
109 (1992), 159; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002;
Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Vermögensstrafe ist die auf den vollständigen oder teilweisen
Verlust des Vermögens gerichtete, bereits den Römern bekannte und durch Gesetz
vom 15. Juli 1992 in Deutschland eingeführte, aber durch Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 20. 03. 2002 wegen mangelnder
Bestimmtheit als verfassungswidrig beurteilte Strafe.
Lit.: Schnieders,
R., Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, 2002
Vermögensvollstreckung ist im römischen Recht die im 2./1. Jh. v. Chr.
neben die Personalvollstreckung tretende Vollstreckung des Gläubigers in das
Vermögen des Schuldners, wenn dieser nicht den durch Urteil bestimmten Betrag
leistet. Dabei wird der betreibende Gläubiger in den Besitz eingewiesen und
danach das Vermögen durch Versteigerung an den Meistbietenden verwertet, wobei
die Verteilung des Überschusses auf die anderen Gläubiger nach der Reihenfolge
der Urteile erfolgt.
Vermutung ist der Satz, nach dem von dem Vorliegen eines bestimmten Umstandes (grundsätzlich) auf einen bestimmten anderen Umstand geschlossen werden soll (z. B. von Besitz auf Eigentum). Die aus der Erfahrung des Alltagslebens erwachsende V. ist (als [lat.] praesumptio [F.]) bereits dem römischen Recht bekannt. Sie wird mit diesem später aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 29
Vernunft ist die Fähigkeit,
nachvollziehbare, verständige Entscheidungen zu treffen. Auf die V. stellt die
Aufklärung der frühen Neuzeit besonders ab. Namengebend wird die V. für das
hierauf gegründete Vernunftrecht.
Lit.: Köbler, DRG 136, 146; Neusüß, W., Gesunde Vernunft
und Natur der Sache, 1970
Vernunftrecht ist
das allein durch die → Vernunft gerechtfertigte und begründete Recht. Es
ist die im 17. und 18. Jh. vorherrschende Art des Naturrechts. Das V. nimmt
seinen Ausgang von spanischen Spätscholastikern (Francisco de → Vitoria
1483/1493-1546, Fernando → Vazquez 1512-1569), die zwecks Gewinnung einer
verlässlichen Lösung für die am Beginn der Neuzeit entstehenden rechtlichen
Fragen aus einem als allgemein behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine
Völkerrechtssätze ableiten. Auf dieser Grundlage entwickelt Hugo →
Grotius 1625 ein Allgemeinrecht für alle Rechtsverhältnisse, das ausschließlich
aus dem naturgegebenen Streben (lat. [M.]
appetitus) des Einzelnen vernünftigerweise Verträge erfüllt, verursachte
Schäden ausgleicht und das Eigentum anderer achtet. Seine Grundsätze würden
auch dann gelten, wenn es keinen Gott gäbe oder dieser sich um die menschlichen
Angelegenheiten nicht kümmerte. Damit ist einerseits das vom Christentum auf
Gott bezogene Naturrecht verweltlicht bzw. (bei Grotius) von der Moraltheologie
emanzipiert und zu einer irdischen Sozialethik erhoben sowie andererseits die
göttliche Offenbarung der Theologie zurückgegeben. Die menschliche Vernunft
allein - nicht die geschichtliche Erfahrung - bildet den Maßstab für das Recht.
Dem folgt neben David → Mevius etwa → Pufendorf (1672), der in
geometrischer Art (lat. more geometrico) für das private Recht ein Gesamtsystem
von einleuchtenden Vernunftsätzen bilden will. Christian → Wolff
(1679-1754) will überhaupt durch mathematisch-demonstrative, logisch-synthetische
Deduktion mit Hilfe des Syllogismus als Erkenntnissmittel aus wenigen
vernunftrechtlichen Obersätzen zur Lösung jedes einzelnen Falles kommen.
Allerdings werden dabei nur bereits als vernünftig anerkannte Sätze des
geltenden Rechts als Naturrecht behauptet und ist die davon ausgehende
Ableitung meist logisch nicht einwandfrei. Unmittelbare Übernahmen von
behaupteten Naturrechtssätzen in die Rechtswirklichkeit sind selten. Wenig
später widerlegt Immanuel → Kant (1724-1804) die Vorstellung eines
überpositiven Rechtes ohne geschichtliche Grundlage ganz. Dennoch erfahren
preußisches → Allgemeines Landrecht (1794), → Code civil (1804) und
österreichisches → Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (1811/1812) eine
bedeutsame naturrechtlich-systematische Prägung. Im Staatsrecht führt das V.
zur Lehre vom Gesellschaftsvertrag (frz. contrat social), im Strafrecht zur
Humanisierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 139, 140, 144, 145,
159, 163, 166, 207; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische
Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Bärmann, J., Zur Methode des Vernunftrechts, FS zum
150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969, 3;
Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural
moderno, 1977; Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1979;
Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die
Bedeutung des Naturrechts, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders,
W., 1983; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; Vernunftrecht und
Rechtsreform, hg. v. Krause, P., 1988; Bühler, T., Die Naturrechtslehre und
Christian Thomasius, 1989; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte,
9. A. 2001, 10. A. 2005
Verona an der Etsch
wird auf angeblich keltischer Grundlage 89 v. Chr. römische (lat. [F.])
colonia. Seit dem 3. Jh. ist es Sitz eines Bischofs, später Sitz Theoderichs
des Großen (Dietrich von Bern) und des Langobardenkönigs Alboin. Im 12. Jh.
wird es freie Kommune, die 1228 und 1276 Statuten aufzeichnet. Über Mailand
(1387), Venedig (1405) und → Österreich (1797) gelangt es 1866 zu →
Italien.
Lit.: Cipolla, C., Compendio della storia politica, 1976;
Westhues, P., Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert, 1995
Verordnung ist die
behördliche Anordnung an eine unbestimmte Zahl von Personen für eine
unbestimmte Zahl von Fällen. Sie erscheint sachlich mit dem Auftreten von
Herrschaft, also etwa bereits im römischen Altertum oder im Frühmittelalter (z.
B. → Kapitularien). Systematisch erfasst wird sie aber erst seit der
frühen Neuzeit. Seitdem steht sie vor allem dem Gesetz gegenüber. →
Notverordnung
Lit.: Köbler, DRG 227; Sammlung der churbaierischen
Generalien und Landesverordnungen, 1771; Gerstlacher, C., Sammlung aller
baden-durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Handbuch aller
unter der Regierung Josefs II. ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff.
1785; Sammlung aller kaiserlich-königlichen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff.
1786/7; Jellinek, G., Gesetz und Verordnung, 1887, Neudruck 1964; Seitz, J.,
Die landständische Verordnung in Bayern, 1999; Höner, M., Die Diskussion um das
richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001
verpachten →
Pacht
Verpfählung
Lit.: Der Rechtsbrauch
des Verpfählens, ZRG GA 42 (19219, 110
verpfänden (als Pfand geben), durch Rechtsgeäft ein Pfandrecht als beschränktes dingliches Recht an einer Sache eines anderen begründen
Lit.:
Werminghoff, A., Die Verpfändungen der mittel- und niederrheinischen
Reichsstädte, 1893; Müller, K., Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42
(1921), 110; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von
Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der
deutschen Reichsstädte im Mittealter, 1967
Verpflichtung (F.)
Obligation, Schuld, Verbindlichkeit
Verpflichtungsgeschäft ist das bereits dem römischen Recht bekannte, eine →
Verpflichtung begründende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf) im Gegensatz zu dem
diese Verpflichtung tilgenden Erfüllungsgeschäft (z. B. Übereignung), das →
Verfügungsgeschäft ist. Das V. verändert die dingliche Rechtslage an der
betroffenen Sache nicht, begründet aber relative Rechte und Pflichten des
Gläubigers und Schuldners in Bezug auf das daraufhin vorzunehmende
Verfügungsgeschäft.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 11, 15 I, 60 II,
62 III 2; Köbler, DRG 46
Verrat ist die
unbefugte, treuwidrige Offenbarung eines Geheimnisses. Bereits bei den Germanen
folgt dem Volksverrat die Tötung durch Aufhängen. Im Übrigen werden die
verschiedenen Fälle von V. (Hochverrat, Landesverrat) im Einzelnen
unterschiedlich verfolgt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Ritter, J.,
Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942
Verrichtungsgehilfe ist
nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Mensch, dem von einer
anderen Person, von deren Weisungen er mehr oder weniger abhängig ist, eine
Tätigkeit übertragen worden ist. Der Geschäftsherr hat für vermutetes
Verschulden bei Auswahl und Überwachung eines schädigenden Verrichtungsgehilfen
einzustehen.
Lit.: Köbler, DRG 216, 271; Niethammer, Entwicklung der
Haftung für Gehilfenhandeln, 1973; Wicke, H., Haftung für Verrichtungsgehilfen,
(in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 165; Wicke, H., Respondeat superior,
2000; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für
Verrichtungsgehilfen, 2000
Versailles ist der
südwestlich von Paris gelegene, 1037 erstmals bezeugte und 1561 mit Marktrecht
begabte Ort, an dem Ludwig XIV. im 17. Jh. ein Schloss errichten lässt, das dem
König von Frankreich als Residenz dient. Am 18. 1. 1871 wird in V. der König
von Preußen zum Kaiser von Deutschland ausgerufen. Am 28. 6. 1919 wird in V.
der in 15 Teile mit 440 Artikeln gegliederte, von vielen als Diktat
betrachtete, aber auch den Wunsch Frankreichs nach Zerschlagung Deutschlands
oder nach Gewinnung der Rheingrenze verhindernde, ohne Beteiligung des
Deutschen Reiches entstehende, den Wiederaufstieg Deutschlands in wenigen
Jahren zur potentiell stärksten Macht Europas ermöglichende Friedensvertrag
der alliierten Siegermächte des ersten Weltkrieges mit dem Deutschen Reich
unterzeichnet (Verlust eines Zehntels des Staatsgebiets [Elsass, Lothringen,
Westpreußen, Posen], Kriegsschuld, Reparationsverpflichtungen,
Heereseinschränkung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Berber, F., Das
Diktat von Versailles, 1939; Haffner, S. u. a., Der Vertrag von Versailles, 1978;
Versailles 1919, hg. v. Krumeich, G., 2001; Kolb, E., Der Friede von
Versailles, 2005
Versammlungsfreiheit ist
das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu
versammeln. Die V. entwickelt sich im 19. Jh. zu einem Grundrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Versäumnisverfahren ist
das bei Säumnis einer Partei betreibbare Gerichtsverfahren. Es ist bereits dem
römischen Recht bekannt (str.), wobei es dem Kläger nur begrenzt möglich ist,
die Teilnahme des Beklagten außerhalb seines Wohnortes zu erzwingen. In der
Gegenwart wird bei Säumnis des Beklagten nach dem Vorbild des sächsischen
Prozesses auf der Grundlage des Vortrags des Klägers ein Versäumnisurteil
erlassen, bei Säumnis des Klägers die Klage abgewiesen.
Lit.: Kaser §§ 84 II, 87; Köbler, DRG 34; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Mitteis, H.,
Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, ZRG GA 42 (1921), 137; Kulessa,
M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis, Diss. jur. Frankfurt am Main
1964; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966;
Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges, Diss. jur. Frankfurt am Main
1968, 123; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert,
W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Steinhauer, T.,
Versäumnisurteile in Europa, 1996; Rüfner, T., Gerichtsstand und Ladungszwang,
2009
Verschollenheit ist
das Fehlen von Nachrichten über das Leben oder Versterben eines Menschen,
dessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist und an dessen Fortleben
nach den Umständen ernstliche Zweifel bestehen. Die V. wird bereits im
römischen Recht erfasst (Auflösung der Ehe, Kriegsverschollenheit [lat. ius postliminii]). Im 18. Jh. wird für die V. das Verfahren der →
Todeserklärung eingerichtet. Dieses ist in der deutschen Gegenwart im
besonderen Verschollenheitsgesetz (15. 1. 1951) geregelt. Am 6. 4. 1950 wird
die Konvention der Vereinten Nationen über die Todeserklärung Verschollener
vereinbart.
Lit.: Kaser § 58 VII 1a; Köbler, DRG 120, 160, 206, 237,
266; Schmidt, R., Die Verschollenheit, 1938; Arnold, E., Verschollenheit, 1951;
Strebel, H., Die Verschollenheit als Rechtsproblem, 1954; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 199
Verschulden ist das
objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten (str.) eines
schuldfähigen Menschen. Das V. ist bereits im römischen Recht ein bedeutsames
Merkmal für Strafe und Schadensersatz (lat. [F.]
culpa, [M.] dolus). Für das ältere deutsche Recht wird überwiegend von
einer → Erfolgshaftung ausgegangen, ohne dass ausgeschlossen werden kann,
dass nicht doch auch Verschuldensgesichtspunkte selbstverständlich
mitberücksichtigt werden. Im 19. Jh. setzt sich das dem Liberalismus entgegenkommende
Verschuldensprinzip durch (Egid von Löhr 1806/8, Hasse 1815, Ihering 1867),
doch wird gleichzeitig eine Schadensersatzpflicht aus →
Gefährdungshaftung (Preußen 1838 für Eisenbahnen usw.) geschaffen. In der Folge
wird im Strafrecht das V. subjektiv, im Privatrecht objektiv bestimmt. Im Eherecht
kann eine schuldhafte Verletzung einer ehelichen Pflicht in der Neuzeit einen
Grund für die Ehescheidung darstellen. In Deutschland wird dieses
(vorwerfbare) V. 1976 durch die (objektive) Zerrüttung ersetzt, in Österreich
1978 die einvernehmliche Ehescheidung ermöglicht und 1999 unter Aufgabe der absoluten
Ehescheidungsgründe ein einziger relativer Verschuldensehescheidungstatbestand
geschaffen..
Lit.: Kaser; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 128,
209, 214, 216; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969),
187; Benöhr, H., Die Entscheidung für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1
Verschwägerung (F.)
verwandtschaftsähnliche Verbindung durch Heirat (ein Mensch ist mit den
Verwandten seines Ehegatten verschwägert, nicht verwandt)
Lit.: Gernhuber, J., Die Schwägerschaft als Quelle
gesetzlicher Unterhaltspflichten, FamRZ 1955, 193
Verschweigung ist
die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechtes bzw. die Duldung eines
fremden Eingriffes in ein Recht, die seit dem Mittelalter meist nach →
Jahr und Tag zum Verlust des Rechtes führt. In der Neuzeit wird die V. vor
allem von der → Verjährung und der → Ersitzung verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125, 163; Immerwahr,
W., Die Verschweigung, 1895; Schulte, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Köln
1966; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971
Verschwender (lat. [M.]
prodigus) ist, wer länger unnütze und übermäßige Ausgaben tätigt. Der V. erhält
schon nach altrömischem Recht einen treuhänderisch handelnden Pfleger (lat. [M.]
curator). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Der V.
kann entmündigt werden, ohne dass dies rechtstatsächlich häufig erfolgt. Seit
1. 1. 1992 steht in Deutschland an der Stelle der → Entmündigung die →
Betreuung.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64; Hübner; Köbler, DRG 22; Schwarz,
A., Die Entmündigung des Verschwenders, 1891; Trompetter, J., Die Entmündigung
wegen Verschwendungssucht, 1996
Versenken im Moor
ist die Art der Tötung, die nach Tacitus bei den Germanen der Unzucht folgt. →
Moorleiche
Lit.: Köbler, DRG 71; Wilda, W., Das Strafrecht der
Germanen, 1842, Neudruck 1960; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922
Versicherung ist
die Schaffung von Sicherheit durch ein Verhalten, insbesondere der Erwerb eines
Anspruchs auf eine Schadensausgleichsleistung durch regelmäßige
Vorleistungen. Die V. entsteht vielleicht bereits im Frühmittelalter,
spätestens im Hochmittelalter auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der
Schadenshilfe (Diebstahl, Brand, Beerdigungskosten, Lösegeldzahlung, Schiffsverlust
[Italien 14. Jh.]). Sie gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung. Seit
dem 17. Jh. wird die → Lebensversicherung möglich. Neben die
genossenschaftliche Gegenseitigkeit tritt dabei bald die unternehmerische
Versicherungsaktiengesellschaft. Der absolute Staat führt zwecks allgemeiner
Wohlfahrt die Zwangsversicherung (Preußen 1718 Brandversicherung) ein. 1908
wird im Deutschen Reich ein Versicherungsvertragsgesetz für die zunehmenden
Versicherungen geschaffen, über die der Staat (Preußen 1781) die Aufsicht
führt. Dieses Gestz wird in Deutschland zum 1. 1. 2008 neu gefasst. Neben der
Privatversicherung steht die 1881/1884 aufgegriffene →
Sozialversicherung.
Lit.: Köbler, DRG 128, 167, 184, 216, 243; Bensa, E., Il
contratto di assicurazione, 1884; Helmer, G., Die Geschichte der privaten
Feuerversicherung, Bd. 1f. 1925/6; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte,
1936; Schmitt-Lermann, H., Der Versicherungsgedanke im deutschen Geistesleben
des Barock und der Aufklärung, 1954; Raynes, H., A History of British
Insurance, 2. A. 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,848; Koch, P., Epochen der Versicherungsgeschichte, 1967; Schöpfer, G.,
Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Koch, P., Bilder zur
Versicherungsgeschichte, 1978; Peters, H., Die Geschichte der sozialen
Versicherung, 3. A. 1978; Ebel, F., Die Anfänge der rechtswissenschaftlichen
Behandlung, Z. f. d. ges. VersWiss 34 (1980), 7; Nehlsen-von Stryk, K., Die
venezianische Seeversicherung, 1986; Duvinage, A., Die Vorgeschichte und die
Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, 1987; Hofmann, E.,
Privatversicherungsrecht, 3. A. 1991; Neugebauer, R., Versicherungsrecht vor
dem Versicherungsvertragsgesetz, 1990; Dreyer, T., Die Assekuranz- und
Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Ebel, W.,
Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts, hg.
v. Ebel, F., 1993; Koch, P., Die Behandlung des Versicherungsvertrages im
preußischen Allgemeinen Landrecht, Versicherungsrecht 1994, 629; Wandel, E.,
Banken und Versicherungen, 1997; Koch, P., Geschichte der
Versicherungswissenschaft, 1998; Van Niekerk, J., The Development of the
Principles of Insurance Law in the Netherlands, 1998; Schewe, D., Geschichte
der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den Gilden, 2000;
Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001
Versicherung an
Eides Statt
Lit.: Lex, P., Die
Versicherung an Eides Statt, Diss. jur. Zürich 1967
versio (F.) in rem (lat.) Verwendung auf eine Sache
Lit.: Kaser §§ 11 II, 49 II
Versionsklage (lat.
actio [F.] de in rem verso) ist im römischen Recht die Klage auf das
zu einer Bereicherung des Vermögens des Geschäftsherrn seitens des Sklaven
Verwendete, die Justinian (527-565) auf eine Haftung des Geschäftsherrn aus dem
Handeln Gewaltfreier erweitert. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
geht die V. in den Bereicherungsansprüchen auf.
Lit.: Kaser § 49 II 1b; Kupisch, B., Die Versionsklage,
1965
Versitzung ist der
Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten beim Rechtserwerb durch →
Ersitzung.
Versorgungsausgleich ist
der Ausgleich der Ansprüche auf sozialversicherungsrechtliche Versorgung
außerhalb eines aktiven Dienstverhältnisses zwischen zwei Ehegatten im Falle
der Ehescheidung. Der V. wird in Deutschland 1976 eingeführt. Der Ehegatte mit
geringeren Versorgungsansprüchen hat einen Anspruch auf Ausgleich aus den
Versorgungsansprüchen des anderen Ehegatten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 169
Versprechen ist die Zusage einer Leistung
oder das fehlerhafte Sprechen.
Lit.: Die Ordnung des
Versprechens, hg. v. Schneider, M., 2005
Verstaatlichung ist die Überführung von Privateigentum in Eigentum des Staates. Sie ist im Rechtsstaat als → Enteignung nur gegen Entschädigung zulässig. Sie ist in der Marktwirtschaft selten.
Versteigerung ist
der öffentliche Verkauf eines Gegenstands an den Meistbietenden. Die V. ist
bereits dem römischen Prozessrecht bekannt. Sie wird in den mittelalterlichen
Städten erneut aufgegriffen. Sie kann privatrechtlich oder öffentlichrechtlich
durchgeführt werden. Besonders bedeutsam ist sie in der →
Zwangsvollstreckung (→ Zwangsversteigerung).
Lit.: Kaser § 85 II 2b; Planitz, H., Die
Vermögensvollstreckung, 1912; Dunkel, H., Öffentliche Versteigerung und
gutgläubiger Erwerb, 1970; Mannheims, H./Oberem, P., Versteigerung, 2003
Verstümmelung ist
die Entfernung oder Unbrauchbarmachung eines Teiles des menschlichen Körpers
durch unmittelbare mechanische Einwirkung (z. B. Abhacken der Hand, Ausreißen
der Zunge, Blenden, Brandmarken, Kastrieren, Lähmen). Die V. wird als Strafe
bereits im römischen Altertum verwendet. Mit der peinlichen Strafe tritt sie im
Mittelalter hervor. Von der Aufklärung der Neuzeit wird sie bekämpft und
schließlich beseitigt. Als → Maßnahme der Sicherung und Besserung wird
aber die Kastration im → Dritten Reich wieder durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd.
1f. 1920ff., Neudruck 1964; Browe, P., Zur Geschichte der Entmannung, 1936;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Versuch ist im
Strafrecht die Betätigung des Entschlusses zur Begehung einer Straftat durch
Handlungen, die zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes unmittelbar
ansetzen, aber nicht zur Vollendung führen. Der V. ist so alt wie die Straftat.
Er wird anfangs aber nur als verselbständigte Tat bestimmter Fälle erfasst (z.
B. Messerziehen als Vorstufe einer Körperverletzung). In Italien befassen sich
aber bereits die Glossatoren verstärkt auch mit den die Anfänge einer Straftat
betreffenden Textstellen. In der frühen Neuzeit wird der V. als solcher gesehen
(Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) und dann einschließlich des →
Rücktritts als allgemeine Figur in den allgemeinen Teil des Strafrechts
aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 91, 119, 158, 204;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hemmer, R., Warum
war der Verbrechensversuch nach altgermanischem Recht straflos?, 1963 (9 S.);
Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973,
157; Sellner, D., Der Durchbruch der Lehre vom Verbrechensversuch, 1961;
Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241;
Kracht, H., Die Entwicklung des strafrechtlichen Versuchsbegriffs, Diss. jur.
Würzburg 1978; Glöckner, H., Cogitationis poenam non patitur (D. 48. 19. 18).
Zu den Anfängen einer Versuchslehre in der Jurisprudenz der Glossatoren, 1989,
1989; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch,
1995
Verteidiger ist der
Beistand des Beschuldigten im Strafverfahren. Er ist bereits dem römischen
Recht bekannt, gewinnt aber insbesondere erst als Folge des neuzeitlichen
Inquisitionsverfahrens im Rechtsstaat des 19. Jh.s an Gewicht. →
Strafverteidiger
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 34, 203, 264;
Henschel, J., Die Strafverteidigung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972;
Armbrüster, K., Die Entwicklung der Verteidigung in Strafsachen, 1980;
Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; Klein, H., Der
Strafverteidiger, 1996; Falk, U., Zur Geschichte der Strafverteidigung, ZRG GA
117 (2000), 395
Vertrag ist das
grundsätzlich durch zwei einander wechselseitig entsprechende Willenserklärungen
zustandekommende, zweiseitige → Rechtsgeschäft. Der V. erscheint mit den
Anfängen des Rechtes (Tausch, Schenkung, Ehe). Die römische Rechtswissenschaft
unterscheidet mehrere verschiedene Arten (→ Realkontrakt, →
Verbalkontrakt, → Litteralkontrakt, → Konsensualkontrakt). In der
hochmittelalterlichen Kirche entwickelt sich entgegen dem römischrechtlichen
Ausgangspunkt (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einem bloßen Vertrag
entsteht kein Klaganspruch) die Vorstellung von der Verbindlichkeit jeglichen
Vertrags. Vielleicht geht der Durchbruch der Vorstellung von der Klagbarkeit
aller Verträge auch im weltlichen Recht auf Matthaeus Wesenbeck (Antwerpen
1531-Wittenberg 1586) zurück (1582). Als allgemeine Grundfigur wird der V. in
der frühen Neuzeit (16.-18. Jh.) erfasst. Die einzelnen Vertragsarten werden
unter Aufgabe geschichtlich bedingter Einzelheiten im Wesentlichen aus dem römischen
Recht übernommen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der V. im
allgemeinen Teil geregelt. Die Regeln über den privatrechtlichen V. gelten im
Wesentlichen auch für den V. zwischen Völkerrechtssubjekten sowie für den
öffentlichrechtlichen V. → Gesellschaftsvertrag
Lit.: Kaser §§ 5 II, 8 I, II; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 42, 125, 127, 140, 164, 181, 208, 249, 259; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 6 1989, 901; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855;
Karsten, C., Die Lehre vom Vertrag, 1882; Puntschart, P., Schuldvertrag und
Treuegelöbnis, 1896; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der
Vertragstypen, 1937; Mitteis, H., Politische Verträge im Mittelalter, ZRG GA 67
(1950), 76; Trusen, W., Wiener Vertragslehren des 14. Jahrhunderts, Diss. jur.
Mainz 1957; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht, ZRG RA
77 (1960), 182; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht,
ZRG RA 77 (1960), 270; Politische Verträge des frühen Mittelalters, hg. v.
Classen, P., 1966; Stoljar, S., A History of Contract at Common Law, 1975;
Kiefner, H., Der abstrakte obligatorische Vertrag, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 74; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen
Vertragsbegriffs, 1985; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts,
Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Towards a general law
of contract, ed. by Barton, J., 1990; Gordley, J., The Philosophical Origins of
Modern Contract Doctrine, 1991; Bühler, D., Die Entstehung der allgemeinen
Vertragsschluss-Vorschriften, 1991; Lambrecht, P., Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis,
1994; Deyerling, A., Die Vertragslehre, 1996; Oechsler, J., Gerechtigkeit im
modernen Austauschvertrag, 1997; Volante, R., Il sistema contrattuale del
diritto comune classico, 2001; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im
deutschen und italienischen Recht, 2002; Ikadatsu, Y., Der Paradigmawechsel der
Privatrechtstheorie und die Rekonstruktion der Vertragstheorie, 2002;
Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Meß, C., Das
Vertragsrecht bei Adam Smith, 2007; Harth, C., Der Mythos von der Zerstörung
des Vertrages, 2008
Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist der von der deutschen Rechtsprechung im späten 20. Jh.
(um 1960) entwickelte Vertrag, der bestimmte schützenswerte Dritte in den
Schutz eines von anderen abgeschlossenen Vertrages einbezieht, um den
unzureichenden Schutz des Deliktrechts auszugleichen (seit 2002 in Deutschland
§ 311 III BGB).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270
Vertrag zugunsten Dritter ist
der einen Dritten begünstigende Vertrag (z. B. Lebensversicherung zugunsten der
Hinterbliebenen). Er wird nach älteren vernunftrechtlichen Ansätzen in der
zweiten Hälfte des 19. Jh.s ausgebildet. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) ist er knapp geregelt.
Lit.: Kaser §§ 34 I 2e, 53 I 3; Söllner §§ 18, 23; Hübner
548; Köbler, DRG 165, 208, 214; Busch, F., Doktrin und Praxis über die
Gültigkeit von Verträgen zugunsten Dritter, 1860; Tartufari, L., Dei contratti
a favore di terzi, 1889; Wesenberg, G., Verträge zugunsten Dritter, 1949;
Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Vertragsaufhebung ist
die überall und jederzeit mögliche Beseitigung eines Vertrags durch einen
zweiten Vertrag der Beteiligten.
Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968
Vertragsfreiheit (Privatautonomie)
ist die Freiheit in Abschluss, Form und Inhalt eines Vertrags. Sie ist als
Grundsatz am Beginn des Rechtes vorauszusetzen, wird aber geschichtlich
verschiedentlich eingeschränkt (z. B. durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangswirtschaft
usw.). Im römischen Recht bestehen demgegenüber viele Einschränkungen (z. B.
Typenzwang). In der Kirche wird schon im Hochmittelalter die Verbindlichkeit
aller Versprechen gefordert. Das Naturrecht (Hugo Grotius) fördert die V. Der
Liberalismus des 19. Jh.s setzt sich erfolgreich für die V. ein (z. B. Art.
1134 Cc Frankreichs von 1804). Der Sozialismus schränkt andererseits aus
gesellschaftspolitischen Überlegungen die V. verschiedentlich ein. Auch
Verbrauchersutz seit dem ausgehenden 20. Jh. bedeutet Beschränkung der V.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240; Scherrer,
W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, 1948;
Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung,
1962; Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Atiyah, P., The Rise and
Fall of Freedom of Contract, 1979; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991; Hofer,
S., Vertragsfreiheit am Scheideweg, 2006
Vertragsrecht ist
die Gesamtheit der einen → Vertrag betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Stobbe, O., Zur Geschichte des
deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im
mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels
Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59
(1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1995
Vertragsstrafe (lat.
[F.] poena) ist die meist in Geld bestehende Leistung, die der
Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer
Verbindlichkeit verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art
der → Stipulation bekannt. Im Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung.
Seit dem Spätmittelalter wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem römischen
Recht aufgenommen und allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) nimmt sie unter Wahrung der vom Naturrecht begünstigten richterlichen
Ermäßigungsmöglichkeit auf.
Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552; Kroeschell,
DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Sjögren, W., Über die römische
Konventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden, 1896; Boye,
F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A., L’evolution du
concept du clause pénale, (in) Mélanges Fournier, 1929; Lang, H.,
Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe,
1970; Knütel, R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen,
1993
Vertragsverletzung →
Leistungsstörung, positive Forderungsverletzung
Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung, Diss.
jur. Hamburg 1967
Vertrauenshaftung ist
die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s geforderte Haftung für die Verletzung
eines Vertrauens. → Treu und Glauben
Lit.: Canaris, C., Die Vertrauenshaftung, 1971; Vertrauen,
hg. v. Frebert, U., 2003;
Vertrauensschaden ist der Schaden der darin besteht, dass ein
Rechtsgeschäftspartner auf die Gültigkeit des (mangelhaften) Rechtsge-schäfts
vertraut.
Vertreibung ist die durch Gewalt oder Drohung erreichte Entfernung von Menschen von einem von ihnen besessenen Ort (z. B. Entdeutschung). Sie ist völkerrechtswidrig. Unrecht kann durch zuvor begangenes Unrecht nicht zu Recht werden.
Lit.: Dokumente der Vertreibung der Deutschen aus
Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd. 1ff. 1958ff.;
Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die Vertreibung der
Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H., Schwarzbuch der
Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden, hg. v.
Borodziej, W. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Vertriebene in Deutschland, hg. v.
Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen
in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und
Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur Vertreibung
1938-1945, 2001; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen
Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Glotz, P., Die Vertreibung, 2003;
Vertreibung europäisch erinnern, hg. v. Bingen, D. u. a., 2003; Urban, T., Der
Verlust, 2004; Stickler, M., Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch, 2004; Schwarz, M.,
Vertriebene und Umsiedlerpolitik, 2004;
Definitionsmacht, Utopie, Vergeltung, hg. v. Brunnbauer, U. u. a., 2006;
Lexikon der Vertreibungen, hg. v. Brandes, D., 2009
vertretbar (wegen der
Bestimmung nach Zahl, Maß oder Gewicht ersetzbar, annehmbar)
Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?, 1999
Vertretung → Stellvertretung
Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214; Gottwald,
F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss. jur.
Greifswald 1915; Henze, G., Das Handeln für andere vor Gericht im lübischen
Recht, Diss. jur. Göttingen 1959; Ständische Vertretungen in Europa, hg. v.
Gerhard, D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984; Kunstreich, T.,
Gesamtvertretung, 1992
Verwahrung (lat. [N.]
depositum) ist der entweder gegenseitige oder unvollkommen zweiseitig
verpflichtende Vertrag, durch den sich der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von
dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Die V. ist dem
römischen Recht als zunächst unentgeltlicher → Realvertrag bekannt (bei
Entgeltlichkeit locatio conductio operis, Werkvertrag). Auch im Mittelalter
findet sie sich vielfach. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht
aufgenommen. Danach ist entgeltliche V. ein zweiseitig verpflichtender Vertrag,
unentgeltliche V. ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag. Bei
unregelmäßiger V. (lat. depositum [N.] irregulare) wird der Verwahrer
Eigentümer der verwahrten Sache (z. B. Geld in der Bank), ist aber zur Rückgabe
gleichartiger Sachen (eventuell mit Zinsen) verpflichtet.
Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 3;
Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bürge, A., Fiktion und
Wirklichkeit, ZRG RA 104 (1987), 465
Verwaltung ist die
auf längere Dauer gerichtete Besorgung einer Angelegenheit, insbesondere die
Ausführung staatlicher Aufgaben. V. gibt es bereits im altrömischen Recht. Sie
nimmt mit der Ausdehnung des römischen Reiches trotz Bevorzugung
aristokratischer Herrschaftstechnik gegenüber bürokratischen Apparaten stetig
an Umfang zu. Seit dem Übergang zum Prinzipat entwickelt sie bürokratische und
von Zwangsmaßnahmen gekennzeichnete Formen. Demgegenüber betrifft die V. bei
den Germanen nur wenige allgemeine Bereiche. Im Frühmittelalter erscheinen
neben dem König, der seine Rechte im Reich im Umherziehen verwaltet
(Reisekönigtum), die Träger von Hofämtern (Truchsess, Kämmerer, Marschall,
Schenk, Kanzler) und die Grafen. Eine Verdichtung findet erst seit dem
Hochmittelalter in den Ländern und Städten statt. Am Beginn der Neuzeit wird
die V. in besonderen Ordnungen geregelt und rationaler gestaltet (z. B.
maximilianische Verwaltungsreformen). Der Absolutismus beruht dann bereits
auch auf einer vom Polizeigedanken geprägten vielgliederigen Verwaltungsorganisation
mit zahlreichen Beamten, die mehr und mehr auf den Staat statt auf die Person
des Fürsten ausgerichtet wird. Der Liberalismus des 19. Jh.s will zwar die V.
auf die Herstellung von Sicherheit und Ordnung beschränken, Eingriffe der V.
(Eingriffsverwaltung) in die Freiheit des Einzelnen nur bei einer gesetzlichen
Grundlage zulassen und eher → Selbstverwaltung fördern, doch fordert die
Gesamtheit der Staatsbürger umfangreiche Leistungen der Allgemeinheit (→
Leistungsverwaltung z. B. Versorgung, Entsorgung, Verkehr, Bildung, soziale
Sicherung). Aus diesem Grund werden immer mehr hierarchisch-bürokratisch
strukturierte Behörden geschaffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s setzt
sich die Vorstellung von der Überprüfung des Verwaltungshandelns durch ein
Gericht (→ Verwaltungsgericht) in Deutschland durch. Der Umfang der V.
und damit auch ihre Kosten wachsen unvermindert weiter.
Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232,
251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische
Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die
städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J.,
Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Cam, H., Local
government in Francia and England, 1912; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3.
A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Samse, H.,
Die Zentralverwaltung in den südwelfischen Landen, 1940; Hausherr, H.,
Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953; Planitz, H., Die deutsche Stadt,
5. A. 1980; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967;
Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Knemeyer,
F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19.
Jahrhunderts, 1970; Damkowski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs,
1969; Der deutsche Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd.
1f. 1970f.; Janssen, W., Landesherrliche Verwaltung und landständische
Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250-1350, 1971; Engelhaupt,
H., Die Einführung hessen-darmstädtischer Verwaltung im nördlichen Teil des
Departements Donnersberg, 1971; Schwab, D., Die Selbstverwaltungsidee des
Freiherrn vom Stein, 1971; Entwicklungsfragen der Verwaltung in Mitteleuropa,
1972; Verwaltungshistorische Studien, Bd. 1f. 1972; Grundriss der deutschen
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Anderhub, A.,
Verwaltung im Regierungsbezirk Wiesbaden 1866-1885, 1977; Entwicklung der
städtischen und regionalen Verwaltung in den letzten 100 Jahren in Mittel- und
Osteuropa, hg. v. d. Eötvös Lórand-Univeristät Budapest, 1978; Maier, H., Die
ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de
l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H.,
Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v.
Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Wissenschaft und Recht der Verwaltung
seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Asch, R., Verwaltung und
Beamtentum, 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff.
1988ff.; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Die Verwaltung und
ihre Ressourcen, ( red. v. Dilcher, G.), 1991; Schulz, A., Herrschaft durch
Verwaltung, 1991; Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A. Jeserich
zum 90. Geburtstag, 1994; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen
Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege verwaltungsgeschichtlicher
Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des
römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche Verwaltung im totalitären
System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren
Grundgesetz, hg. v. König, K. u. a., 2000; Raphael, L., Recht und Ordnung.
Herrschaft durch Verwaltung, 2000; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und
Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003;
Verwaltungslehre in Hamburg 1962-2002, hg. v. Bull, H., 2003; Grau, U.,
Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge,
2004; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und
Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit
in Preußen, 2007; Kramer, S., Vom lästigen Publikum zum mündigen Darsteller,
2008
Verwaltungsakt ist
die formlos mögliche Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme,
die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen
gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuerbescheid). Der urteilsähnliche V.
entsteht mit der → Verwaltung. Das Wort V. tritt anscheinend erstmals
1821 bei dem bayerischen Regierungsrat Anton Kurz auf. Als allgemeine
Erscheinung wird der V. nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto → Mayer
nach französischem Vorbild (acte administratif) erfasst. Gesetzlich geregelt
wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Österreich 1925, Deutschland 1976)
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259;
Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845;
Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des
deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht,
1895/1896; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967;
Erichsen, H., Verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Grundlagen der Lehre
vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, 1971; Hueber, A., Otto Mayer,
1981; Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998;
Engert, M., Die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt,
2002; Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004
Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des Ehegüterrechts, bei dem ein Ehegatte
(Ehemann) die Güter der Ehegatten (allein) gemeinschaftlich verwaltet. Die V.
findet sich bereits sehr früh. Die V. mit Widerrufsmöglichkeit der Ehefrau ist
von 1812 bis 1978 der ordentliche Ehegüterstand des Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuchs Österreichs (verschämte V.), die V. ohne Widerrufsmöglichkeit der
ordentliche gesetzliche Ehegüterstand in Deutschland von 1900 bis 1953
(Nutznießung und Verwaltung). Die V. entfällt mit der Gleichstellung der Frau
in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (Deutschland 1953 Gütertrennung. 1957
Zugewinngemeinschaft, Österreich 1978).
Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der
Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994
Verwaltungsgericht ist
das verwaltungsrechtliche Streitigkeiten (vor allem zwischen Staat und Bürger)
entscheidende Gericht. Bereits im 18. Jh. kann sich der Untertan mit dem
Verlangen nach Rechtsschutz gegenüber dem Landesherrn an ein Gericht wenden,
wenn er sich auf ein wohlerworbenes Recht oder ein Privileg berufen kann. In
der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird die gerichtliche Überprüfbarkeit des
Verwaltungshandelns zu einer politischen Forderung, weil die
Verwaltungstätigkeit während der gesamten frühen Neuzeit zunimmt und der Rechtsstaatsgedanke
die gerichtliche Überprüfbarkeit allen Handelns nahelegt. Die von manchen
angestrebte verwaltungsinterne Überprüfung wird bereits in der Entwurf
gebliebenen Verfassung des Deutschen Reichs von 1849 als unzureichend
abgelehnt. Im Streit um eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Otto →
Bähr 1864, Vorbild England) oder die Einrichtung besonderer Verwaltungsgerichte
(Rudolf von → Gneist 1857, 1872, Vorbild Frankreich) setzt sich die
zweite Ansicht durch. Dementsprechend entsteht das besondere V. (Baden 1863,
Preußen 1872, §§ 140-165 Kreisordnung, 1875 VVG, Hessen 1874, Württemberg 1876,
Bayern 1878, Sachsen 1900). Die dabei eintretende Zersplitterung wird erst
durch die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960) beseitigt, die an
die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit das 1952 geschaffene
Bundesverwaltungsgericht stellt. Österreich kennt keine unabhängigen
Verwaltungsgerichte, sondern nur (sog. unabhängige Verwaltungssenate und seit
1875/1876) einen einzigen Verwaltungsgerichtshof (1934 Bundesgerichtshof, 1945
wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten auf Gesetzmäßigkeit, nicht auf
Verfassungsmäßigkeit).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261; Bähr,
O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck 1968;
Poppitz, J., Die Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff. Recht
N. F. 33 (1943), 158; Eyermann, E., Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, 1950;
Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in
Oldenburg, 1957; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Neunzig
Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, hg. v. Verwaltungsgerichtshof,
1966; Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v.
Lehne, F. u. a., 1976; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980;
Stolleis, M., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, FS C.
Menger, 1985, 57; Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer
Republik, Vwbll. f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verwaltungsarchiv 1989, 303; Kohl, W., Das
Reichsverwaltungsgericht, 1991; Das sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994;
Hudenmann-Simon, C., L’Ètat et la santé, 1995; Liessem, P.,
Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Bauer, I., Von der
Administrativjustiz bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; 50 Jahre bayerisches
Verwaltungsgericht Ansbach, 1996; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in
Thüringen, 1996; 50 Jahre schleswig-holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996;
Emmert, R., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Bay.
VwBll. 1997, 8; Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen
des Rechts, hg. v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz
durch richterliche Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998;
Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Olechowski,
T., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999; Sydow,
G., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000;
Nowatius, N., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss.
jur. Bonn 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen
Verfassung von 1818, 2000; Montag, M., Die Entwicklung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden und Württemberg von 1945 bis 1960, 2001;
Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der
Deutschen Demokratischen Republik, 2003
Verwaltungsgerichtshof ist in Deutschland ein Obergericht (Oberverwaltungsgericht) der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Österreich das einzige
Verwaltungsgericht (ab 2. 7. 1876, 1934
mit dem Verfassungsgerichtshof zum Bundesgerichtshof verschmolzen, 1945
wiedererrichtet).
Lit.:
Olechowski, T., Der österreichische Verwaltungsgerichtshof, 2001
Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die öffentliche Verwaltung betreffenden Rechtssätze. V. entsteht in ersten Ansätzen wohl bereits mit der Ausbildung von → Verwaltung. Als Einheit innerhalb der älteren Polizeiwissenschaft erfasst wird es erst in der Mitte des 19. Jh.s. Eine gesetzliche Festlegung des Verwaltungsverfahrens erfolgt im 20. Jh. (Österreich 1925, Deutschland 1976). Kernstück des Verwaltungshandelns ist der → Verwaltungsakt. Zu gliedern ist das V. in einen allgemeinen Teil und zahlreiche besondere Gebiete (Beamtenrecht, Gemeinderecht, Baurecht, Polizeirecht, Gewerberecht, Gesundheitsrecht, Schulrecht, Straßenrecht, Steuerrecht, Sozialrecht usw.).
Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des
Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/1833;
Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des
Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen
Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht,
1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Linder, O.,
Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg,
1940; Bülck, H., Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS
Hermann Krause, 1964, 29; Magerl, H., Verwaltungsrechtsschutz in Württemberg in
der Zeit von 1760-1950, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Badura, P., Das
Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung
des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981;
Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in
Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft
und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Stolleis,
M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J., Europäisches
Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von Mayer, 1992;
Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori, L./Sordi,
B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les origines
médiévales du contentieux administratif, 2002; Hoeck, J., Verwaltung,
Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen
Republik, 2003; Müller, R., Verwaltungsrecht als Wissenschaft. Fritz Fleiner
1867-1937, 2006; Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur,
2006; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer
Grundlage, 2006; Schröder, R., Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, 2007;
Grundlagen des Verwaltungsrechts, hg. v. Hoffmann-Riem, W. u. a., Bd. 1ff.
2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Schmoeckel,
M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Verwaltungsreform ist
die bewusste Umgestaltung einer bestehenden → Verwaltung, wie sie sich
bereits im römischen Altertum und dann spätestens wieder seit Beginn der
Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497, 2. H. 20. Jh. Bundesrepublik Deutschland).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die
Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F.,
Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970
Verwaltungsverfahren ist
die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der
Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder
auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Das V.
wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s von der Rechtswissenschaft erfasst
und in Österreich 1925 (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, in Kraft
1926) infolge internationalen Drucks zwecks Verwaltungsvereinfachung als
Voraussetzung einer Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926
Landesverwaltungsordnung, Württemberg 1931 Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung,
Bremen 1943 Verwaltungsgesetz und allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich
geordnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259; Baltl/Kocher;
Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags,
2000
Verwandter ist der Mensch,
der zu einem anderen Menschen oder zu einem gemeinsamen dritten Menschen in
einem Abstammungsverhältnis steht (z. B. Vater, Sohn, Tante, Nichte). Die
Verwandtschaft ist vom Beginn des Rechts an von Bedeutung. Die väterliche
Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das → Erbrecht ist zunächst
Verwandtenerbrecht. Darüber hinaus kann sich ein Verhältnis als Verwandter
auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis, Zeugnisverweigerungsrecht,
Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann beispielsweise durch →
Adoption hergestellt werden. Unterschieden werden kann innerhalb der Verwandten
zwischen → Agnaten (über Männer Blutsverwandte einschließlich der Adoptierten,
aber ausschließlich der Emanzipierten) und → Kognaten (Blutsverwandte).
Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandschaftsbild des
Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen
Verwandtenerbrechts, 1896; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im
germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Murray, A., Germanic Kinship
Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Spieß, K., Familie und
Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Peters, U.,
Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Leurs, E., Die
Rechtsstellung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern, 2003; Verwandtschaft,
Freundschaft, Brüderschaft, hg. v. Krieger, G., 2009
Verwendung ist die
bereits dem römischen Recht bekannte Vermögensaufwendung, die einen
Erstattungsanspruch begründen kann.
Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D.,
Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung
auf Verwendungsersatz, 2000
Verwertung ist die Umsetzung eines
Gegenstands in einen anderen Wert.
Lit.: Schulze, E.,
Geschätzte und geschützte Noten. Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften,
1995
Verwirkung ist der im 20. Jh. (1905) neben der Verjährung anerkannte, aus Treu und Glauben folgende Verlust eines Rechtes infolge unterlassener oder verspäteter Geltendmachung.
Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und
Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934
Verzicht ist die
rechtsgeschäftliche Aufgabe eines Rechts oder eines rechtlichen Vorteils. Der
V. ist bereits dem römischen Rechts bekannt. Vermutlich unabhängig hiervon
tritt er auch im Frühmittelalter auf. Auffällig sind die Verzichte auf römische
Einreden in hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen Urkunden
(Renuntiationen). Eine allgemeine Regelung ist nirgends erfolgt. Ein Sonderfall
des Verzichts ist der Erbverzicht.
Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L., Erlass
und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das Aufkommen der
Rechtsverzichtsformeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser, H., Die Rechts-
und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG
GA 85 (1968), 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Verzug (lat. [F.]
mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der fälligen und möglichen Leistung
durch den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen Recht als
Leistungsstörung bekannt, wobei ein Verschulden nicht erforderlich ist. Eine
Mahnung verdeutlicht die Ursächlichkeit des Schuldners und ist bei
Terminschulden nicht nötig. Der V. wird
durch ein Leistungsangebot beendet. Seit dem Spätmittelalter wird der V.
aufgenommen und mit deutschrechtlichen Einrichtungen verschmolzen. Folgen des
Verzugs sind die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen und zum Ersatz
des Verzugsschadens sowie die Haftung bei zufälligem Untergang. Das Naturrecht
anerkennt ein Rücktrittsrecht.
Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim
Kaufvertrag nach niederländischen Quellen des Mittelalters, 1913; Heymann, E.,
Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der
Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung,
1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften
des BGB bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Harke, J., Mora
debitoris und mora creditoris im
klassischen römischen Recht, 2005
Veßra ist
das im frühen 12. Jh. von den Grafen von Henneberg in Ostfranken gegründete
Hauskloster.
Lit.: Das Prämonstratenserkloster
Veßra - Urkundenregesten
1130-1873, hg. v. Wölfing, G., 2009
vestigii minatio (F.) (mlat.) Spurfolge
vestitura (lat./mlat. [F.])
Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die
Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195
Veto (lat. ich verbiete) ist der
Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen einen Beschluss oder eine
Maßnahme. Das aus einem Recht (Interzessionsrecht) römischer Magistrate (z. B.
Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B. Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint
an unterschiedlichen Stellen (z. B. V. des englischen Königs gegen ein vom
Parlament beschlossenes Gesetz im 16. und 17. Jh., suspensives Veto des Kaisers
Österreichs nach dem Kremsierer Entwurf von 1849, suspensives V. des Reichsoberhauptes
nach der Entwurf gebliebenen deutschen Verfassung von 1849, absolutes Veto des
Kaisers Österreichs nach der Dezemberverfassung von 1867, suspensives V. des
Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen Gesetzgebungsbeschlüsse).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A. 1887,
Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1929;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
vi (lat.) durch
Gewalt
Lit.: Kaser § 21 I
via (lat. [F.]) Weg, Wegerecht (als Vorform der [lat. F.]
servitus)
Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26
via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre
Vicarius (lat. [M.]) ist im spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers
in der Reichsdiözese. Im fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise
verschiedentlich ein Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch
für weniger bedeutende Aufgaben und Vikare als Berechtigte auf Dauer
eingerichteter Pfründen.
Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
55, 84; Köbler, LAW; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur
Reformation, 2003; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004
vicinus (lat. [M.])
Nachbar
vicus (lat. [M.])
Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung
Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, (in) Das
Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136
Vidal de Canellas,
nach Studium des Rechts in Bologna (um 1221) Bischof von Huesca (1236-1252) und
Kanzler König Jaimes I. von Aragón, erstellt eine erweiterte Fassung (lat.
maior compilatio) des Fuero von Aragón von 1247.
Lit.: Vidal Mayor, hg. v. Tilander, G., 1956
Vidalín, Pall Jónsson (1667-1727) wird nach dem Studium in Kopenhagen Lehrer an der Domschule in Skálholt/Island, Amtmann und Richter. Nach 1719 erstellt er einen Entwurf für ein isländisches Gesetzbuch.
Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987,
350
Videant consules ne quid detrimenti
res publica capiat (lat.). Die Konsuln mögen achthaben (bzw.
zusehen), dass der Staat keinen Schaden nimmt.
Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109
(1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero 106-43 v.
Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4)
vidimus (lat.) wir haben
gesehen (Beglaubigungsvermerk für Abschriften im Mittelalter)
Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 17. A. 2007
Vieh ist die
Gesamtbezeichnung für die unmittelbar nutzbaren Haustiere, die in den älteren
Zeiten der wichtigste Vermögensbestandteil sind. Dementsprechend besteht die
ältere Wirtschaftsform außer in Ackerbau vor allem in Viehzucht. Im römischen
Recht zählen Rinder, Pferde, Esel und Maultiere zu den (lat.) → res
(F.Pl.) mancipi (handgreifbaren Sachen). Im mittelalterlich-neuzeitlichen
Recht werden entgegen der deutschrechtlichen Regel „Augen auf, Kauf ist Kauf“
bestimmte Mängel (Hauptmängel) gewisser Haustiere innerhalb kurzer Fristen doch
als Sachmangel anerkannt. Viehverstellung ist Einstellung von Vieh auf Zeit
bei einem anderen.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 13, 24, 67, 78, 166; Wackernagel,
J., Die Viehverstellung, 1923; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Vierteilen ist die
durch Zerreißen des lebenden Menschen in vier Teile vollzogene →
Todesstrafe.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Vikar →
vicarius
villa (lat. [F.])
Hof, Dorf
Lit.: Köbler, LAW; Grazianskij, N., Zur Auslegung des
terminus „villa“ in der Lex Salica, ZRG GA 55 (1948), 368; Köbler, G., Vicus
und thorf, (in) Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136:
Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983
villicus (lat. [M.])
Verwalter, Meier, Dorfvorsteher
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Villikation (F.) Fronhof mit
abhängigen Höfen in der → Grundherrschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 96; Die
Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1f. 1983; Rösener,
W., Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1989
Villingen
Lit.: Fischer, T., Der
Prozess vor dem Villinger Stadtgericht im 17. Jahrhundert, 2006
Vilsbiburg
Lit.: Schwarz, G., Vilsbiburg, 1976
vinculum (lat.
[N.]) Band
Vindex (lat. [M.] Gewaltsager) ist im altrömischen Verfahren jemand, der für einen als Schuldknecht Ergriffenen (Schuldner) auftreten und die an diesen gelegte Hand wegschlagen kann, wodurch es zum Streit zwischen dem Verfolger (Gläubiger) und dem Dritten (v.) kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich die Summe, gegen die der Ergriffene (Schuldner) ausgelöst werden kann, verdoppelt.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 81 III, 82 I; Söllner § 8; Köbler,
DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
vindicatio (lat. [F.])
Gewaltandrohung, Herausgabeverlangen (z. B. in libertatem [in die Freiheit], in
servitutem [in die Sklaverei], pignoris [des Pfandes], rei servitutis [der
Sache der Servitut], ususfructus [des Nießbrauchs], pro parte [auf den Anteil])
Lit.: Kaser §§ 15 I, 16 I 28 III, 29
I, 31 III; Söllner § 9
vindicta (lat. [F.])
Stab (bei der Vindikation), Rache, Strafe
Lit.: Kaser §§ 27 I 2, 81 II 1a; Köbler, DRG 29
Vindikation (lat. [F.]
vindicatio) ist seit dem altrömischen Recht das Herausgabeverlangen. Zur Zeit der
Zwölftafelgesetze (451/50 v. Chr.) fasst der Kläger in Gegenwart des Beklagten
vor dem Gerichtsmagistrat den tatsächlich oder symbolisch vorhandenen
streitigen Gegenstand an, berührt ihn mit einem Stab (lat. [F.]
vindicta, festuca) und erklärt in einer festen Formel, dass der Gegenstand ihm
gehöre. Der Beklagte, der den Gegenstand verteidigen will, muss dieses Vorgehen
auf ihn bezogen wiederholen. In der Folge wird dann eine Summe gesetzt und die
(lat.) → legisactio (F.) sacramento durchgeführt. Nach Aufgabe der
geschichtlich entstandenen Besonderheiten entwickelt sich hieraus der
Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den nichtbesitzberechtigten
Besitzer.
Lit.: Köbler, DRG 24, 212; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Vindikationslegat (N.)
ist das auf unmittelbaren Rechtserwerb (und deshalb mögliche →
Vindikation) des Vermächtnisnehmers gerichtete → Vermächtnis im Gegensatz
zum (nur) schuldrechtlich wirkenden → Damnationslegat.
Lit.: Köbler, DRG 23
Vinding Kruse, Frederik
(1880-1963) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kopenhagen. Er wirkt
maßgeblich bei der 1927 erfolgten Einführung eines neuen Grundbuchsystems in
Dänemark mit. Sein wichtigstes Werk befasst sich mit dem Eigentum
(Ejendomsretten, Bd. 1ff. 1929ff.).
Lit.: Tamm. D., Retsvidenskaben in Danmark, 1992, 184
Vinnius, Arnold
(Monster bei Den Haag 4. 1. 1588-Leiden 1. 9. 1657) wird nach dem Rechtsstudium
in Leiden (1603 Gerard Tuningius [Schüler Hugo Doneaus]) 1612 oder 1613
promoviert und nach langer Wartezeit als Rektor der Lateinschule in Leiden 1633
außerordentlicher und 1636 ordentlicher Professor in Leiden. Unter dem durch
seinen Lehrer vermittelten Einfluss Hugo → Doneaus (Donellus)
veröffentlicht er 1618 einen Institutionenkommentar seines Lehrers Tuningius,
1624 bzw. 1631 Iurisprudentiae contractae … libri III (drei Bücher
zusammengezogener Rechtswissenschaft), 1642 einen Kommentar zu den
Institutionen und 1646 eine Ausgabe der Institutionen mit Anmerkungen. In
seinem Kommentar bietet er mit großem Erfolg eine philologisch-historische
Erklärung des Textes mit vielen Angaben zum einheimischen geltenden Recht, so
dass er als erster eleganter Jurist angesehen wird.
Lit.: Feenstra,
R./Waal, C., Seventeenth-century Leyden law Professors, 1975, 24, 52; Ahsmann,
M., Collegia en colleges, Diss. jur. Leiden 1990, 18; Vinnius, A.,
Institutionenkommentar Schuldrecht, übers. v. Wille, K., 2005
Virginia Bill of Rights ist die
von George Mason (1725-1792) entworfene und am 12. 6. 1776 vom Konvent der nach
Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonien Virginia verabschiedete
Menschenrechtserklärung, die als älteste formelle → Verfassung angesehen
wird.
Lit.: Köbler, DRG 191
Virilstimme ist die
Einzelstimme eines Mitglieds im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation)
bzw. im Deutschen Bund im Gegensatz zu der mehrere Mitglieder vereinenden →
Kuriatstimme.
Lit.: Köbler, DRG 148; Köbler, Historisches Lexikon; Domke,
W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 II 2
Vir (M.) inluster (lat.)
ist ein spätantik-frühmittelalterlicher hervorhebender Titel.
Lit.: Wolfram, H., Intitulatio I, 1967
virtus (M.)
Mannhaftigkeit, Tugend
L.: McDonnell, M. u. a., Virtus and the Roman Epublic, 2006
vis (lat. [F.]) Gewalt → vi
Lit.: Köbler, DRG 42, 43
Visby auf Gotland
ist die Hansestadt (1280), die sich im Hochmittelalter zum Mittelpunkt des
Handels in der Ostsee entwickelt. V. überliefert in mittelniederdeutscher
Sprache ein in den Jahren 1341-1344 aufgezeichnetes Stadtrecht. Dieses gliedert
sich in vier Bücher mit 60, 52, 52 und 38 Kapiteln
(Verfassung-Verfahren-Strafe, Verfahren, Grundstücke-Zins-Schiffe,
Ehe-Vormundschaft-Erbe). Es ist von Lübeck, Schleswig, Hamburg, Soest, dem
Sachsenspiegel und schwedischen Rechten beeinflusst und wirkt seinerseits auf
das Recht von Riga und Nowgorod. Zwei Bruchstücke des Stadtrechts von V.
könnten von etwa 1270 stammen. 1361 fällt V. an Dänemark, 1645 an Schweden. Das
Seerecht von V. (15. Jh.) ist eine Verbindung von niederländischen und hansischen
Rechtsgrundsätzen ohne Zusammenhang mit dem Stadtrecht.
Lit.: Codices iuris Visbyensis, hg. v. Schlyter, C., 1853,
1; Schlüter, W., Zwei Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Fassung des
Wisbyschen Stadtrechts, Mitt. aus d. Gebiet d. gesch. Livlands 18 (1903-8),
487; Frensdorff, F., Das Stadtrecht von Wisby, Hans. Geschbll. 22 (1916), 1;
Hasselberg, G., Studier rörande Visby Stadslag, 1953; Ebel, W., Lübisches
Recht, 1971; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte,
1976; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Visitation ist die
in der Kirche schon früh entwickelte aufsichtliche Überprüfung der Pfarreien
durch den Bischof oder später den Archidiakon. In der Neuzeit finden zwischen 1507
und 1776 mit geringer Regelmäßigkeit Visitationen auch am →
Reichskammergericht statt.
Lit.: Lingg, M., Geschichte des Instituts der
Pfarrvisitationen, 1888; Winkler, A., Über die Visitation des Reichskammergerichts,
1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Cheney, C., Episcopal
Visitation, 2. A. 1983; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht,
1984; Frieb, K., Kirchenvisitation und Kommunikation, 2006
Vis (F.) maior (lat.) ist
schon im römischen Recht die (größere bzw.) höhere Gewalt (z. B. Feuer,
Überschwemmung, Erdbeben), die den Schuldner von einer Haftung befreien kann.
Lit.: Kaser §§ 36, 39 III 1; Doll, A., Von der vis maior
zur höheren Gewalt, 1989
Vita (lat. [F.])
Lebensbeschreibung
Lit.: Haarländer, S., Vitae episcoporum, 2000; Scripturus
vitam, hg. v. Walz, D., 2001
Vitoria, Francisco
de (Burgos ? 1483/93-12. 8. 1546) wird nach dem Studium von Philosophie und
Theologie in Paris spätscholastischer Theologielehrer in Paris (1512),
Valladolid (1523) und Salamanca (1526). Unter Verwendung der (lat.) Summa (F.)
theologiae des → Thomas von Aquin gründet der Dominikaner die Schule von →
Salamanca. Angeregt durch die Entdeckung der Neuen Welt versteht er das
Völkerrecht als Recht zwischen den Völkern. Eine Verletzung des Völkerrechts
(z. B. Behinderung der kirchlichen Mission, Verfolgung von Christen) berechtigt
nach Naturrecht zum Krieg. Die Indianer stuft er als schutzbedürftige Minderjährige ein.
Lit.: Vitoria, F. de, Relectio de
Indis, hg. v. Pereña, L. u. a. 1967; Brown Scott, J., The Spanish Origin of
International Law, 1934; Beltran de Heredia, V., Francisco de Vitoria, 1939;
Otte, G., Das Privatrecht bei Francisco de Vitoria, 1964; Molinero, R., La
doctrina colonial de Francisco de Vitoria, 1993
Viztum, Vitztum,
Vizedom (lat. [M.] vicedominus) ist verschiedentlich ein Vertreter eines
Herrn (z. B. Leiter der Finanzverwaltung in den Ländern Österreichs bis 1749).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Vladimirskij-Budanov, Michail Flegontovic
(1838-1916) wird 1868 Professor für Rechtsgeschichte am Lyzeum in Jaroslawl und
1875 an der Universität Kiew. Seit 1872 veröffentlicht er eine dreibändige
Quellensammlung zur russischen Rechtsgeschichte des 10.-17. Jh.s (Chrestomatij
po istorii russkago prava), 1886 einen rechtsgeschichtlichen Grundriss (Obzor
istorii russkago pravo).
Lit.:
Taranovskij, F., Pamjati M. F. Vladimirskago-Budanova, (in) Jurisdiceskij
Vestnik 2 (1916), 84
Vöcklabruck
Lit.: Zauner, A.,
Vöcklabruck und der Attergau 1, 1971
Voet, Johannes (Utrecht 1647-Leiden 1713), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Utrecht 1670 Professor in Herborn, 1674 in Utrecht und 1680 in Leiden. Seit 1687 erfasst er auch das zeitgenössische Recht. Sein Hauptwerk ist ein Naturrecht und Partikularrecht aufnehmender (lat.) Commentarius (M.) ad pandectas (Pandektenkommentar), der den modernen Gebrauch der Pandekten erfolgreich darstellt. 1682 bzw. 1700 veröffentlicht er Grundrisse zu den Pandekten bzw. Institutionen.
Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leiden law
Professors, 1974, 35, 69; Van den Bergh, R., The selective Paulus Voet, 2007
vogelfrei (frei wie
ein Vogel, preisgegeben)
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Vogelfrei, ZRG GA 58 (1938),
525; Schmidt-Wiegand, R., Frei wie ein Vogel, Jb. d. Brüder-Grimm-Ges. 2
(1992), 189
Vogt (zu lat. [M.]
advocatus) ist in Fortführung antiker Entwicklungen seit dem Frühmittelalter
der schützende weltliche Sachwalter eines Menschen oder einer Kirche, der
vielfach frei gewählt werden darf. Seit 782/786 wird der V. für die Kirche vorgeschrieben.
In der → Immunität nimmt er die Aufgaben des Immunitätsberechtigten wahr.
Verschiedentlich gelingt ihm der Aufstieg zum Landesherrn (z. B. Tirol). Seit
dem 13. Jh. ist V. ein Amtsträger weltlicher Herren (z. B. Reichslandvogt), im
Spätmittelalter auch der Vormund. In der frühen Neuzeit wird die Kirchenvogtei
als bloßes Schutzrecht verstanden und die niedere Vogtei als Grundlage einer
neben der Landesherrschaft stehenden beschränkten Herrschaftsgewalt schwächerer
Reichsglieder. Teilweise gelingt der Kirche die Umwandlung der Vogtei in ein
bloßes Patronat. Mit dem Heiligen römischen Reich (deutscher Nation)
verschwindet 1806 auch der V.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 86, 111, 113;
Pischek, A., Die Vogtgerichtsbarkeit süddeutscher Klöster, 1907; Glitsch, H.,
Untersuchungen zur mittelalterlichen Vogtgerichtsbarkeit, 1912; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Vogteien, Ämter, Landkreise in
Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 63, 213; Dohrmann, W., Die Vögte
des Klosters St. Gallen, 1985
Vogtei ist die
Stellung als → Vogt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Heilmann, A., Die Klostervogtei
im rechtsrheinischen Teil der Diözese Konstanz, 1908; Waas, A., Vogtei und
Bede, Bd. 1f. 1919ff.; Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei,
1933; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Endemann, T., Vogtei und
Herrschaft, 1967; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Willoweit,
D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hofacker, H., Die schwäbischen
Reichslandvogteien, 1980; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei,
1985; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Clauss, M., Die Untervogtei,
2002
Vohenstrauß
Lit.: Bernd, D., Vohenstrauß, 1977
Vokabular ist das Wörterbuch, das es seit dem 12. Jh. auch für den Bereich des Rechts gibt (Ulrich von Albeck, Promptuarium iuris, um 1420, Jodocus Verbarius, Vocabularius utriusque iuris, Wörterbuch beider Rechte, um 1452). Bei alphabetischer Anlage kann es auch → Abecedarium heißen. Zum → Sachsenspiegel sind zwei nichtalphabetische lateinisch-deutsche Vokabulare bekannt, die in einem Druck von 1474 und einer Handschrift von 1475 überliefert sind.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur,
1867; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegel-Vokabularien, ZRG GA 44, (1924), 307;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 258, 352; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 80, 305
Volenti non fit iniuria (lat.). Dem Wollenden geschieht kein Unrecht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Ulpian, um 170-um 230, Digesten 47, 10, 1 § 5)
Volk ist die durch
gemeinschaftliche geistige, kulturelle oder politische Entwicklung verbundene
umfassende Personenmehrheit. V. sind z. B. Griechen, Römer, Germanen, Franken usw.
Im Frühmittelalter zeichnen viele Völker oder Stämme ihr Recht als →
Volksrecht auf. Wenig später entwickelt sich aus mehreren Stämmen das deutsche
V., dessen Herrschaftsgebiet gegen Ende des Mittelalters als Heiliges römisches
Reich (deutscher Nation) verstanden wird. In der frühen Neuzeit tritt das V.
dem absoluten Herrscher als eine politisch weitgehend rechtlose Gesamtheit von
Untertanen gegenüber. Demgegenüber versteht die Aufklärung (→ Rousseau)
das V. als den eigentlichen Träger der Souveränität. Diese Vorstellung gewinnt
im Laufe des 19. Jh.s an Gewicht und wird 1918 vielerorts verwirklicht.
Gegenüber anderen Völkern werden vielfach eine geschlossene Nation und ein
Nationalstaat angestrebt. Im Nationalsozialismus ist der Einzelne nichts, die
völkische Gemeinschaft dagegen alles. In der multikulturellen Gesellschaft des
ausgehenden 20. Jh.s wird die Bedeutung des Volkes geringer.
Lit.: Köbler, DRG 18, 110, 111, 148, 149, 191, 202, 223,
230, 256; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Mommsen,
T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Schmitt, C.,
Staat, Bewegung, Volk, 1933; Meyer, H., Recht und Volkstum, 1933; Herold, G.,
Der Volksbegriff, 1941; Franz, G., Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche
Volk, 3. A. 1961; Nack, R., Germanen, 1965; Joachimsen, P., Vom deutschen Volk
zum deutschen Staat, 4. A. 1967; Mosse, E., Ein Volk, ein Reich, ein Führer,
1979; Kershaw, I., „Widerstand ohne Volk?“, 1986; Stadler-Planzer, H., Die
Souveränität beruht im Volk, 1988; Petri, M., Die Urvolkhypothese, 1990; Volk
und Nation, hg. v. Herrmann, U., 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im
Völkerrecht, 2000; Geary, P., Europäische Völker im frühen Mittelalter, 2002;
Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H., 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als
Staatsaufgabe 2002; Plassmann, A., Origo gentis, 2006
Völkerbund ist der
von den Siegermächten des ersten Weltkriegs (insbesondere Woodrow Wilson)
angeregte, am 28. 6. 1919 gegründete, von 1920 bis 1946 bestehende, anfangs
ganz von Frankreich beherrschte Bund von zunächst 45 Staaten mit einer Satzung
(Völkerbundakte) vom 28. 4. 1919 und einer Bundesversammlung in Genf, einem
Völkerbundrat mit den Hauptweltmächten als ständigen und weiteren nichtständigen
Mitgliedern sowie einem Sekretariat als Organen. Die Vereinigten Staaten von
Amerika treten nicht bei, Brasilien (1928), das 1926 aufgenommene Deutsche
Reich (1933), Japan (1933) sowie Italien (1937) treten aus, die Sowjetunion
wird 1939 ausgeschlossen. Nach Gründung der Vereinten Nationen löst sich der V.
am 18. 4. 1946 auf.
Lit.: Schoch, O., Der Völkerbundsgedanke zur Zeit des
deutschen Idealismus, 1960; Pfeil, A., Der Völkerbund, 1976; Sharma, S., Der
Völkerbund, 1978; The League of Nations in retrospect, 1983; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte,
1994, 2. A. 2007; Fellner, F., Vom Dreibund zum Völkerbund, 1994; Knipping, F.
u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995;
Wintzer, J., Deutschland und der Völkerbund 1918-1926, 2006; Das Vertragswerk von
Locarno, hg. v. Breuer, M. u. a., 2007
Völkermord (Genozid)
ist die Tötung einer erheblichen Anzahl der Angehörigen eines Volkes wegen der
Zugehörigkeit zu diesem Volk (z. B. Armenier, Juden, Deutsche,
Tschetschenen-Inguschen, Krim-Tataren).
Lit.: Heinsohn, G., Lexikon der Völkermorde, 1998;
Blumenwitz, D., Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in
Jugoslawien 1944-1948, 2002; Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia
1944-1948, hg. v. Documentation Project Committee, 2003; Naimark, N., Flammender
Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, 2004
Völkerrecht ist die
Gesamtheit der die Rechte und Pflichten der Staaten und anderen
Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechtssätze. Das V. reicht in seinen
einfachsten Anfängen (Krieg, Frieden, Bündnisse, Gesandte) Jahrtausende vor
die Zeitenwende zurück. Es ist vom römischen (lat.) → ius (N.) gentium
(bei allen Völkern – für alle Rechtssubjekte - geltendes Recht) wegen dessen
Erstreckung auf den Rechtsverkehr mit und unter Nichtrömern zu unterscheiden.
In seiner modernen Gestalt entwickelt es sich mit der Ausbildung des Staates im
ausgehenden Mittelalter. Hier leiten die spanischen Spätscholastiker (Francisco
de → Vitoria 1483/93-1546, Fernando → Vazquez 1512-69) aus einem
als allgemein geltend behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze
ab. Hugo → Grotius begründet 1625 mit (lat.) De iure belli ac pacis
libri tres (Drei Bücher Recht des Krieges und Friedens) überhaupt ein
allgemeines Recht für alle Rechtsverhältnisse. Von 1648 bis 1815 reicht das
sog. französische Zeitalter des Völkerrechts, von 1815 bis 1914 das sog.
englische Zeitalter. Nach 1750 wird auf der Grundlage von Überlegungen Thomas
Hobbes’ der Herrscher als Subjekt des Völkerrechts durch den Staat oder das
Volk als Bezugspunkt ersetzt. 1758 wendet Emer de → Vattel in einem
bedeutsamen Werk das Vernunftrecht auf das V. an. 1785 versucht Georg Friedrich
von → Martens in seinen (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium
Europaearum practici (Grundlinien des praktischen Völkerrechts Europas) eine
neuartige Gliederung und legt 1797 eine Sammlung der wichtigsten
völkerrechtlichen Verträge vor. Bis zum 19. Jh. bezieht das V. nur die
christlichen Staaten Europas (und Amerikas) ein, bis 1856 das osmanische Reich
(Türkei) aufgenommen wird. Seit dem 20. Jh. gewinnt das V. infolge der
Tätigkeit der Vereinten Nationen größeres Gewicht und entwickelt sich von einem
reinen Zwischenstaatsrecht zu einem Schutzrecht für Opfer bzw. einem
Verantwortungsrecht für Täter (Nürnberger Militärtribunal 1945ff.,
internationale Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und Ruanda, Entscheidung des
britischen House of Lords im Fall Pinochet 1999). Quellen des Völkerrechts
sind (mangels der Souveränität eines [Völkerrechts-]Gesetzgebers)
hauptsächlich Verträge und Völkergewohnheitsrecht.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 97; Walker,
T., A History of the Law of Nations, 1899; Wegner, A., Geschichte des
Völkerrechts, 1936; Reibstein E., Die Anfänge des neueren Völkerrechts, 1949;
Histoire des relations internationales, hg. v. Renouvin, P., Bd. 1 1953; Rie,
R., Der Wiener Kongress und das Völkerrecht, 1957; Nussbaum, A., Geschichte des
Völkerrechts in gedrängter Darstellung, 1960 (dt. Übersetzung der 2.
amerikanischen A.); Reibstein, E., Völkerrecht – Eine Geschichte seiner Ideen,
Bd. 1f. 1957ff.; Preiser, W., Die Völkerrechtsgeschichte, 1964; Reibstein, E.,
Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen römischen Reiches, 1967; Mössner, J., Die
Völkerrechtspersönlichkeit und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten
(Algier, Tripolis, Tunis 1518-1830), 1968; Muldoon, J., Popes, Lawyers and
Infidels, 1979; Kunisch, J., Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979;
Verdross, A./Simma, B., Universelles Völkerrecht, 3. A. 1984; The Consolidation. Treaty Series, hg. v. Parry, C., Bd. 1ff. 1969ff.; Grewe,
W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Fontes historiae iuris gentium,
hg. v. Grewe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Nörr, D., Aspekte des römischen
Völkerrechts, 1989; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract
Doctrine, 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, 2. A.
2007; Eick, C., Indianerverträge in Nouvelle-France, 1994; Kleinschmidt, H.,
Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Schröder, J., Die Entstehung
des modernen Völkerrechtsbegriffs im Naturrecht der frühen Neuzeit, (in) Die
Entstehung und Entwicklung der Moralwissenschaften, hg. v. Byrd B. u. a., 2000;
Ziegler, K., Biblische Grundlagen des europäischen Völkerrechts, ZRG KA 86
(2000), 1; Paulus, A., Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001;
Koskenniemi, M., The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of
International Law 1870-1960, 2001; Bederman, D., International Law in
Antiquity, 2001; Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im
Mittelalter, hg. v. Berg, D. u. a., 2002; König, K., Die völkerrechtliche
Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, 2003; Materialien zum
Völkerstrafgesetzbuch, hg. v. Lüder, S. u. a., 2003; Werle, G.,
Völkerstrafrecht, 2003; Steck, P., Zwischen Volk und Staat, 2003; Röben, B.,
Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881,
2003; Gierhake, K., Begründung des Völkerstrafrechts auf der Grundlage der
kantischen Rechtslehre, 2006; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2. A. 2007; Schmidt,
F., Praktisches Naturrrecht zwischen Thomasius und Wolff - Der Völkerrechtler
Adam Friedrich Glafey, 2007; Swatek-Evenstein, M., Geschichte der humanitären
Intervention, 2008; Denfeld, C., Hans Wehberg (1885-1962), 2008; Degenhardt, F.,
Zwischen Machtstaat und Völkerbund - Erich Kaufmann, 2008; Ziegler, K., Fata
iuris gentium, 2008; Steiger, H., Die Ordnung der Welt, 2009
Völkerwanderung ist
allgemein die dauerhafte Veränderung des ständigen Aufenthaltsorts eines mehr
oder weniger vollständigen Volks (z. B. Kimbern, Teutonen, Helvetier) und
besonders die durch einen Vorstoß der Hunnen (→ Türke) aus Asien 375 n.
Chr. ausgelöste Wanderung germanischer Völker in die Gebiete des weströmischen
Reiches (z. B. Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Vandalen, Sueben, Alemannen, →
Franken, Angeln, Jüten, Sachsen und Langobarden). Die V. endet 568 n. Chr. mit
dem Vorstoß der Langobarden nach Italien. Im Ergebnis entstehen mehrere neue
Reiche. Umstritten ist die Frage der Fortdauer antiker Einrichtungen. In keinem
Fall darf aber die Bedeutung des von der Kirche vermittelten Wissens über das
Altertum unterschätzt werden. Umfangreiche Wanderungsbewegungen finden darüber
hinaus bis in die Gegenwart ebenso statt wie Versuche ihrer Abwehr oder
Lenkung.
Lit.: Köbler, DRG 67; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Lot, F., Les invasions germaniques, 1935; Zöllner, E.,
Geschichte der Franken, 1970; Diesner, H., Die Völkerwanderung, 1976ff.;
Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Maczynska, M., Die Völkerwanderung, 1993;
Anderson, M., The Rise of Modern Diplomacy, 1993; Martin, J., Spätantike und
Völkerwanderung, 3. A. 1995; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998;
Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Pohl, W., Die Völkerwanderung, 2002, 2. A.
2005; Arens, P., Sturm über Europa, 2002; Rosen, K., Die Völkerwanderung, 2002;
Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002
Volksabstimmung ist
die Abstimmung der stimmberechtigten Staatsbürger über eine einzelne Sachfrage.
In kleinen einfachen Gesellschaften finden Volksabstimmungen in der →
Volksversammlung statt. In größeren, komplexen Gesellschaften geht diese
Einrichtung verloren. Seit der Aufklärung wird sie in unterschiedlicher Weise
wiederbelebt (Massachusetts 1780, Frankreich 1793, helvetische Republik 1798,
Deutsches Reich 1919ff.).
Lit.: Schmitt, C., Volksentscheid und Volksbegehren, 1927;
Tipke, K., Das Recht des Volksentscheids, Diss. jur. Hamburg 1952 masch.schr.;
Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie, 1971; Schefold, D., Volkssouveränität
und repräsentative Demokratie, 1966; Bugiel, K., Volkswille und repräsentative
Entscheidung, 1991; Jung, O., Plebiszität und Diktatur, 1995
Volksanwaltschaft ist die in Österreich mit Gesetz vom 24. 2. 1977
nach schwedischem Vorbild (Ombudsman) (zunächst nur versuchsweise) geschaffene
außergerichtliche Einrichtung, bei der sich jeder Betroffene wegen eines
behaupteten Missstands in der Verwaltung des Bundes bei Fehlen eines
Rechtsmittels beschweren kann. Die V.muss die Beschwerde prüfen und kann gegenüber
Missständen empfehlungen aussprechen, aber nicht gerichtlich vorgehen.
Volksbegehren ist das Begehren einer bestimmten Zahl von Bürgern eines Staates, Gesetzesentwürfe vorzulegen und darüber eine Volksabstimmung zu verlangen. Das V. findet sich seit der Aufklärung an unterschiedlichen Orten (Georgia 1777, Schweiz 1830ff., Deutsches Reich 1919ff.)
Lit.: Schambeck, H., Das Volksbegehren, 1971; Hartmann, D.,
Volksinitiativen, 1976; Jung, O., Direkte Demokratie in der Weimarer Republik,
1989; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003
Volksdemokratie ist
im sozialistischen Verfassungsrecht des 20. Jh.s die der bürgerlichen
Demokratie bewusst entgegengesetzte Staatsform, in der die politische Macht in
den Händen der kommunistischen Arbeiterpartei als Vertreterin des Volkes liegt.
Nach 1945 werden zahlreiche Volksdemokratien geschaffen (z. B. Deutsche
Demokratische Republik). Um 1990 tritt die V. als erfolglos zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Volkseigen (dem
Volk [und damit keinem Einzelnen] gehörig)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krause, W., Die Entstehung des
Volkseigentums in der Industrie, 1958; Hoffmann, M., Das Volkseigentum an Grund
und Boden in der DDR, 1978
Volksempfinden
Lit.: Rückert, J., Das
„gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199
Volksgeist ist vielleicht in Wiedergabe des möglicherweise auf der bereits bei Aristoteles und dann bei Jean Bodin (1566, 1576) betonten Verschiedenheit der Völker gründenden französischen l’esprit de la nation die Gesamtheit der einem jeweiligen Volk innewohnenden teilweise unbewusst wirkenden schöpferischen Kräfte. Auf diese nationalen Kräfte greift in der deutschen Romantik Herder (1744-1803) mit Volkssprache und Volkslied zurück. → Savigny übernimmt diese Vorstellung für die Rechtsquellenlehre der → historischen Rechtsschule. Allerdings geht er dabei schon seit 1808/1809 davon aus, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das römische Recht das eigentümliche, vom V. zu bearbeitende Recht sei. 1828 verwendet → Puchta den V. als eine von mehreren Tätigkeiten des Volkes, die eine einheitliche Rechtsauffassung auf der Grundlage gemeinschaftlich geteilter Überzeugung schafft. 1840 gebraucht auch Savigny das Wort.
Lit.: Köbler, DRG 178, 188; Möller, E. v., Die Entstehung
des Dogmas von dem Ursprung des Rechtes aus dem Volksgeist, MIÖG 30 (1909), 1;
Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295;
Zahradnik, K., Nationalgeist, Diss. phil. Wien 1938 masch.schr.; Schröder, J.,
Zur Vorgeschichte der Volksgeistlehre, ZRG GA 109 (1992), 1
Volksgerichtshof ist
das am 24. 4. 1934 geschaffene Gericht des Dritten Reiches vor allem für
Hochverrat und → Landesverrat (12 Berufsrichter, wovon nur einer vor 1933
der NSDAP angehörte, seit 1942 auf Lebenszeit ernannt), das in Senaten mit 2
Berufsrichtern und drei Volksrichtern (Funktionären, Offizieren, Beamten)
entscheidet (insgesamt rund 570 Richter und Staatsanwälte). Der V. sichert
(auch durch „verfahrensmäßige Normalität“) die nationalsozialistische
Herrschaft. Unter seinem Präsidenten (Roland Freisler August 1942-3. 2. 1945)
werden bis 1945 bei 16342 Angeklagten (mindestens 15729 Abgeurteilten) 5243 Todesurteile
verhängt. Rechtsmittel fehlen. Am 25. 1. 1985 erklärt der deutsche Bundestag
alle Entscheidungen des Volksgerichtshofes als nichtig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Buchheit, G.,
Richter in roter Robe, 1968; Wagner, W., Der Volksgerichtshof, 1974; Im Namen
des deutschen Volkes, hg. v. Hillermeier, H., 2. A. 1982; Koch, H., Der
Volksgerichtshof, 1988; Marxen, K., Der Volksgerichtshof, Anwaltsbl. 1989, 17;
Marxen, K., Das Volk und sein Gerichtshof, 1994; Schlüter, H., Die
Urteilspraxis des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs, 1995; Die
Angeklagten des 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, hg. v. Mühlen, B. v. zu, 2001;
Eder, W., Das italienische Tribunale speciale per la difesa dello stato und der
deutsche Volksgerichtshof, 2002; Breuning, S., Roland Freisler, 2002; Terror
und Normalität, v. Marxen, K. u. a., 2004; Ramm, A., Der 20. Juli vor dem
Volksgerichtshof, 2007
Volksgesetzbuch ist
das schon im 18. Jh. angestrebte volkstümliche, das gesamte Recht eines →
Volkes verständlich zusammenfassende Gesetzbuch. Seit 1938 (Anschluss
Österreichs an das Deutsche Reich) befasst sich die → Akademie für
deutsches Recht mit einem Projekt eines in 8 Bücher (Volksgenosse, Familie,
Erbe, Vertrag und Haftung, Eigentum, Arbeit, Unternehmen, Vereinigung)
gegliederten Volksgesetzbuches. Dieses teils reaktionäre, teils
fortschrittliche Vorhaben einer gemäßigten Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches
(1900) wird im August 1944 eingestellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 237; Hedemann, J., Das
Volksgesetzbuch der Deutschen, 1941; Krause, H., Wirtschaftsrecht und
Volksgesetzbuch, Deutsche Rechtswissenschaft 1941, 204; Hedemann, J./Lehmann,
H./Siebert, W., Volksgesetzbuch, 1942; Hattenhauer, H., Das NS-Volksgesetzbuch,
FS R. Gmür 1983, 255; Volksgesetzbuch, hg. v. Schubert, W., 1988
Volkshaus ist die
Bezeichnung für das Parlament in der nicht verwirklichten deutschen Verfassung von
1849. Seine Abgeordneten sollen durch geheime, direkte, allgemeine und gleiche
Wahlen bestimmt werden.
Lit.: Köbler, DRG 194; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005
Volksheer ist das
vom gesamten Volk gebildete Heer, wie es bei allen Völkern am Anfang stehen
dürfte. Im fränkischen Reich tritt das V. gegenüber dem von Lehnsmannen
gebildeten Reiterheer zurück. Das moderne V. erscheint in den Befreiungskriegen
gegen Napoleon (Österreich 1808, Preußen 1808/13) und setzt die der Volkssouveränität
entsprechende allgemeine → Wehrpflicht voraus. Im späten 20. Jh. dringt
die Vorstellung einer Berufsarmee wieder vor.
Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung,
1939; Frauenholz, E. v., Das deutsche Wehrwesen, 1941; Hermann, H., Deutsche
Militärgeschichte, 1966
Volkskammer ist das
Parlament der → Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 258; Lapp, P., Die
Volkskammer der DDR, 1975; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982
Volkskunde ist die
Lehre von den Wesenszügen eines → Volkes. Die rechtliche V. bezieht sich
dabei vornehmlich auf das Recht. Ihre Ansätze gehen in das 18. Jh. zurück.
1886/1887 erscheint in Frankreich eine folklore juridique (Rolland), 1925 in
Deutschland die rechtliche V. (Künßberg). Ihre Quellen sind Sprachgut (z. B.
Namen), Sachgut (z. B. Rathaus), Brauchgut (z. B. Umritt), Glaubensgut (z. B.
Eid) und anderes. In der Gegenwart versteht sich die V. zunehmend als Teil der
allgemeinen Ethnologie.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Künßberg, E. v. Rechtliche Volkskunde, 1936;
Künßberg, E. Frhr. v., Lesestücke zur rechtlichen Volkskunde, 1936; Boehm, M.,
Volkskunde, 1937; Mackensen, L., Volkskunde der deutschen Frühzeit, 1937;
Wohlhaupter, E., Beiträge zur rechtlichen Volkskunde Schleswig-Holsteins,
Nordelbingen 16 (1940), 74, 17/18 (1942), 51; Bader, K., Die zimmerische
Chronik als Quelle rechtlicher Volkskunde, 1942; Amira, K. v./Schwerin, C.
Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Walker, M., Das volkstümliche Leben im 15.
und 16. Jahrhundert, Diss. phil. Tübingen 1954; Wackernagel, H., Altes Volkstum
der Schweiz, 1956; Kramer, K., Bauer und Bürger im nachmittelalterlichen
Unterfranken, 1957; Volkskunde, hg. v. Lutz, G., 1958; Strübin, E., Grundfragen
des Volkslebens bei Jeremias Gotthelf, 1959; Kramer, K., Volksleben im
Fürstentum Ansbach, 1961; Jacobeit, W., Schafhaltung und Schäfer, 1961; Zur
Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung in Württemberg, 1964; Künßberg,
E. Frhr. v., Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearb. v. Tzermias, P., 1965; Das
Ochsenfurter Kauzenbuch 1611-1802, 1967; Siebs, B., Weltbild, 1969; Duenninger,
J. u. a., Bräuche und Feste im fränkischen Jahreslauf, 1971; Kramer, K.,
Grundriss einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Das Recht der kleinen Leute, hg.
v. Köstlin, K. u. a., 1976; Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen
Volkskunde, hg. v. Carlen, L., 1978ff.; Mohrmann, R., Volksleben in Wilster,
1977; Göttsch, S., Stapelholmer Volkskultur, 1981; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Volksrecht ist das Recht eines Volkes, insbesondere das Recht eines der frühmittelalterlichen Nachfolgevölker der Germanen (lat. [F.] lex, ahd. [F.] ewa). Die Aufzeichnungen der Volksrechte in lateinischer Sprache beginnen nach römischem und kirchlichem Vorbild noch am Ende des Altertums ([lat.] Codex [M.] Euricianus 475). Überliefert sind Volksrechte der Goten, Burgunder, Franken (ab 507-511?), Alemannen, Bayern, Langobarden, Sachsen, Thüringer, Friesen und (in der Volkssprache) der Angelsachsen (→ lex, leges). Inhaltlich setzen sie sich aus Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht zusammen. Sachlich bedeutsam sind vor allem der Unrechtserfolgsausgleich durch → Wergeld und Buße (→ Kompositionensystem) und das Verfahren. Die Aufzeichnung der durch → Kapitularien ergänzten Volksrechte endet im frühen 9. Jahrhundert (802), die Überlieferung im Hochmittelalter, in dem das V. durch das → Landrecht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) abgelöst wird. Das V. ist bereits durch römisches Recht und kirchliches Recht beeinflusst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 79, 80, 101; Thöl, H.,
Volksrecht, Juristenrecht, 1846; Mitteis, L., Volksrecht und Reichsrecht, 1891,
Neudruck 1963; Halban, A. v., Das römische Recht in den germanischen
Volksstaaten, 1899ff.; Mayer-Homberg, E., Die fränkischen Volksrechte im
Mittelalter, Bd. 1 1912; Eckhardt, K., Gesetze der Merowinger und Karolinger,
ZRG GA 55 (1935), 232; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Amira, K. v.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Stammesrecht
und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991
Volksrichter ist
der nicht durch eine rechtswissenschaftliche Ausbildung ausgewiesene, durch
Volksvertretung oder Bürger gewählte Richter der → Deutschen Demokratischen
Republik.
Lit.: Köbler, DRG 262; Pfannkuch, J., Volksrichterausbildung
in Sachsen, 1993; Hattenhauer, H., Über Volksrichterkarrieren, 1995;
Volksrichter in der SBZ/DDR, hg. v. Wentker, H., 1997; Backhaus, J.,
Volksrichterkarrieren in der DDR, 1998; Mathes, R., Volksrichter, Schöffen,
Kollektive, 1999
Volksschädling ist
nach einer besonderen nationalsozialistischen Verordnung des Dritten Reiches
(1935), wer den Interessen des deutschen Volkes schadet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
237; Jansen, S. Schädling, 1999
Volkssouveränität ist
die Innehabung der Staatsgewalt durch das Volk als Souverän. Die V. entwickelt
sich nach bereits antiken (→ Cicero 106-43 v. Chr.) und mittelalterlichen
(→ Marsilius von Padua 1324) Ansätzen aus der Souveränitätsvorstellung
der frühen Neuzeit (Bodin 1527). Nach Emer de Vattel (1758) und Jean-Jacques →
Rousseau (1762) ist Inhaber der Souveränität das Volk. Dementsprechend erklärt
die → Virginia Bill of Rights 1776, dass alle Gewalt vom Volk ausgehe.
Auch die französische Revolution behauptet die Verankerung jeglicher
Souveränität in der Nation. Dem folgen deutsche Politiker seit etwa 1820, wenn
sie die V. dem → monarchischen Prinzip, dem Gottesgnadentum und der
Fürstensouveränität gegenüberstellen. Die Weimarer Reichsverfassung (1919)
und die späteren deutschen Verfassungen führen dann uneingeschränkt alle
Staatsgewalt auf das Volk zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 191, 230, 248;
Murhard, F., Die Volkssouveränität, 1832; Koch, G., Manegold von Lautenbach und
die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Wolf, H., Volkssouveränität und
Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Schefold, D.,
Volkssouveränität und repräsentative Demokratie in der schweizerischen Regeneration,
1966; Schubert, F., Volkssouveränität und Heiliges römisches Reich, HZ 213
(1971), 91; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, hg. v.
Schott, C., Bd. 1f. 1972; Kielmannsegg, P., Volkssouveränität, 1977; David, M.,
La souveraineté du peuple, 1996; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie,
Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18.
Jahrhunderts, 2001
Volkssprache ist
die Sprache eines Volkes im Gegensatz zur Sprache anderer Völker bzw. die
Sprache des einfachen Volkes im Gegensatz zu einer Sprache der Gebildeten oder
Gelehrten. Im fränkischen Frühmittelalter ist die Grundlage der Volkssprachen
im östlichen Reichsteil (z. B. althochdeutsch, altniederfränkisch, altsächsisch)
germanistisch, die Überlieferungssprache dagegen lateinisch. Das führt zu
einem → Übersetzungsproblem. Seit dem 13. Jh. dringt die Volkssprache in
der Überlieferung allgemein vor (Sachsenspiegel, Mühlhäuser Reichsrechtsbuch,
rund vierzig Urbare [Urbar der Marschälle von Pappenheim 1214-1219?], rund 40
städtische Rechtsbücher, mehr als 4000 Originalurkunden vor allem ab 1250), in
der Aufklärung setzt sie sich (im Heiligen römischen Reich unter
Vereinheitlichung auf das Neuhochdeutsche) gegenüber fremden Sprachen durch.
Dessenungeachtet bleiben Prägungen der V. durch die römische Jurisprudenz
bestehen. Im 20. Jh. macht sich zunehmend angloamerikanischer Einfluss
bemerkbar.
Lit.: Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden,
1975; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Hattenhauer,
H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Sprache,
Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Schmidt-Wiegand, R.,
Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Sousa Costa, Studien zu volkssprachlichen
Wörtern in karolingischen Kapitularien 1993; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum
volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008
Volkstribun (lat.
tribunus [M.] plebis) ist im altrömischen Recht das seit 494 v. Chr.
anerkannte Sonderorgan der Plebejer. Der V. ist unverletzlich. Jeder der zehn
auf je ein Jahr gewählten Volkstribunen muss Plebejer sein. Er leitet die
Versammlung der Plebejer und hat ein Einspruchsrecht (Interzessionsrecht) gegen
Handlungen eines Magistrats (z. B. Konsuls) gegen einen Bürger sowie ein
Vetorecht gegen Senatsbeschlüsse. Im Prinzipat beansprucht der Prinzeps die
vom Amt gelöste Amtsgewalt (lat. tribunicia potestas [F.]).
Lit.: Köbler, DRG 18; Söllner §§ 6, 13, 14; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Volksverrat ist der
Verrat des eigenen Volkes an Fremde. Der V. wird bei den Germanen durch
Aufhängen des Verräters verfolgt.
Lit.: Köbler, DRG 71
Volksversammlung ist
die Versammlung der freien Angehörigen eines Volkes. Sie ist in frühen Zeiten
das allgemeine Organ des Volkes. Im altrömischen Recht finden sich etwa (lat.)
comitia (N.Pl.) curiata (nach Kurien oder Geschlechtern gegliedert), comitia
centuriata (nachVermögensklassen in Zenturien gegliedert, Wahl der Konsuln und
Prätoren), Tributkomitien (nach lokalen Bezirken, tribus gegliedert, Wahl der
niederen Magistrate) und Versammlung der (lat. [F.])
plebs. DIe V. wird von Beamten einberufen und kann deren Anträge nur annehmen
oder ablehnen. Mit dem Prinzipat des Augustus verschwindet die V. Die V. der
Germanen und des Frühmittelalters entscheidet in allen allgemein wichtigen
Angelegenheiten. Mit der Ausdehnung einer Herrschaft tritt sie notwendigerweise
zurück. Überreste finden sich in der Landsgemeinde Schweizer Kantone (in
Appenzell-Außerrhoden 1997 abgeschafft) und in Demonstrationsversammlungen.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 10, 14; Köbler, DRG 18, 20, 69,
70, 83; Hahndorf, S., Die Volksversammlung, 1848; Liebermann, F., The national
assembly in the Anglo-Saxon period, 1913
Volksvertretung → Parlament
Lit.: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen
Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1f. 1974ff.
Volkswirtschaft (Nationalökonomie)
ist die gesamte Wirtschaft eines Volkes oder Staates (im Gegensatz zur
Wirtschaft des einzelnen Betriebs, Betriebswirtschaftslehre, beginnend mit
Gründung der ersten Handelshochschule 1898). Geschichtlich folgen an Schulen
oder Strömungen wirtschaftlichen Denkens einzelnen Vorläufern des Altertums
und des Mittelalters Merkantilismus, Physiokratismus, klassischer Liberalismus,
Sozialismus, Historismus und Grenznutzenlehre. Am Ende des 20. Jh.s stehen
Neoklassik, Institutionenökonomik, Keynesianismus, Neoliberalismus und
evolutorische Wirtschaftstheorie nebeneinander.
Lit.: Sombart, W., Die deutsche Volkswirtschaft, 8. A.
1954; Schumacher, H., Die Wirtschaft in Leben und Lehre, 1943; Kolb, G.,
Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 1998
Vollbort (F.) Zustimmung
Vollenhoven,
Cornelis van (1874-1933) wird nach dem Studium von Sprachen, Philosophie und
Recht Verwaltungsbeamter im niederländischen Kolonialministerium und 1901
Professor für Staatsrecht und Verwaltungsrecht der Kolonien. Er vertritt die
Ansicht, dass die europäischen Rechtsvorstellungen nicht den niederländisch-ostindischen
Gebieten gemäß seien. Sein Hauptwerk untersucht das Gewohnheitsrecht (Adat)
Niederländisch-Ostindiens.
Lit.: Vollenhoven, C. van, Het adatrecht, Bd. 1ff. 1918ff.; Zestig juristen, 1987, 377; de Kanter-van
Hettinga Tromp, B./Eyffinger, A., Cornelius van Vollenhoven, 1992
Volljährigkeit ist
das Lebensalter, mit dem die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreicht wird.
Die V. tritt im römischen Recht neben die ältere Mündigkeit und verdrängt in
der frühen Neuzeit die ältere → Mündigkeit. Sie tritt nach römischem
Recht meist mit 25 Jahren ein (in Deutschland zuerst im Deutschenspiegel von
etwa 1275, dagegen Auctor vetus 24, Sachsenspiegel Lehnrecht 21). Dem folgt das
gemeine Recht, während man in den altpreußischen Provinzen (1790, ALR 1794) und
in Österreich (1753-1919) im 19. Jahrhundert mit 24 Jahren volljährig wird. Das
französische Recht, das sächsische Recht, später Preußen (9. 12. 1876)
(Deutsches Reich 17. 2. 1875) und das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
lassen sie mit 21 beginnen. Das 20. Jh. setzt die V. weiter herab (Deutschland
1. 1. 1975 18, Deutsche Demokratische Republik 17. 5. 1950 18 Österreich 1. 7.
1971 19, 1. 7. 2001 18, Schweiz 20, 1. 1. 1996 18).
Lit.: Kaser § 14; Hübner; Köbler, DRG 160, 207, 266;
Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1
Vollmacht ist die
durch → Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Sie erscheint dort, wo →
Stellvertretung zulässig ist. 1866 weist Laband (1838-1919) die Notwendigkeit
der Trennung von Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person
(Mandat, Auftrag) und Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person
(V.) entsprechend dem Abstraktionsprinzip nach.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 208, 238,
266; Müller-Freienfels, W., Die Abstraktion der Vollmachterteilung, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 144;
Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G.,
Vollmacht und Auftrag, 1970; Bader, P., Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978
Vollstreckung ist
die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs oder einer Anordnung. Im
altrömischen Recht geschieht die V. im Legisaktionenverfahren mit Hilfe der →
Legisaktion durch Handanlegen (lat. [F.]
→ legis actio per manus iniectionem) und der Legisaktion durch
Pfandergreifen (lat. → legis actio [F.]
per pignoris capionem) bzw. bei den Klagansprüchen auf eine Sache meist durch
den eigenmächtigen Zugriff auf die Sache. Das Strafurteil wird durch die
Magistrate und ihre Hilfspersonen vollstreckt. Im klassischen römischen Recht
ersetzt die (lat.) → actio (F.) iudicati die Legisaktion durch
Handanlegen, wobei hauptsächlich auf den Menschen zugegriffen wird (Schuldknechtschaft).
Im Kognitionsverfahren kann allmählich ein einzelner Gegenstand weggenommen
und ausgehändigt oder versteigert werden. Vollstreckt wird im Amtsbetrieb.
Möglich ist eine Gesamtvollstreckung (→ Konkurs). Bei den Germanen muss
die Partei zur V. Selbsthilfe üben. Die Tötung von Volksverrätern und
Unzüchtigen wird wohl von der Allgemeinheit ausgeführt. Im Frühmittelalter
wird die zuvor selbständig vorzunehmende Pfändung von der Genehmigung des
Richters (Grafen) abhängig gemacht oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Im
Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt die V. durch Büttel oder Fronboten
durch öffentliche → Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die
im Falle der Nichtauslösung meist veräußert werden. Hilfsweise ist →
Schuldhaft möglich. Für die oberen Gesellschaftsschichten ist das Einlager bedeutsam.
→ Arrest und → Konkurs werden ausgebildet. Die Pfandnahme ohne
Erlaubnis des Richters wird (im Mainzer Landfrieden von 1235) dem Raub gleichgestellt.
Die peinliche → Strafe wird vom Henker als berufsmäßigem Scharfrichter
vollstreckt. In der frühen Neuzeit wird die V. reichskammergerichtlicher
Urteile den Reichskreisen übertragen. Bereits die Landesordnung Bayerns von
1501 sieht eine ausschließliche Pfändung durch Amtsträger vor. Zum Regelfall
der V. wird die V. in das Vermögen. Der Codex iuris Bavarici iudiciarii des
Jahres 1753 trennt zwischen Einzelvollstreckung und Konkurs. Allmählich befasst
sich die Wissenschaft mit der V. Im 19. Jh. wird das Vollstreckungsverfahren
(Zwangsvollstreckung) besonders gesetzlich geregelt (→ Zivilprozessordnung,
→ Strafprozessordnung). Vollstreckungsorgane im Zivilprozess sind Gerichtsvollzieher,
Vollstreckungsgericht, Prozessgericht und Grundbuchamt. Die Schuldhaft wird
beseitigt (1868). Die Strafvollstreckung (Strafvollzug) wird allmählich
humanisiert und später durch die Resozialisierungsidee mitgeprägt und
verrechtlicht.
Lit.: Kaser §§ 85, 87; Köbler, DRG 19, 33, 34, 56, 70, 86,
116, 117, 118, 119, 156, 202, 232; Briegleb, H., Geschichte des
Exekutionsprozesses, 2. A. 1845; Amira, K. v., Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren,
1874, Neudruck 1965; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879,
Neudruck 1973, 268; Planitz, H., Die Entwickelung der Vermögensvollstreckung im
salfränkischen Rechte, 1909 (Habilitationsschrift); Planitz, H., Die
Vermögensvollstreckung, 1912; Haff, K., Vollstreckungsordnung für das
fürstbischöflich augsburgische Pflegeamt Füssen vom Jahre 1585, ZRG GA 34
(1913), 435; Schönfeld, W., Die Vollstreckung der Verfügungen von Todes wegen,
ZRG GA 42 (1921), 240; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, 1966;
Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E.
Kern 1968, 69; Lippross, O., Grundlagen und System des Vollstreckungsschutzes,
1983; Sellert, W., Vollstreckung und Vollstreckungspraxis, FS W. Henckel, 1995,
817; Hofmann, D., Die Entwicklung und Bedeutung der Vereitelung der Zwangsvollstreckung,
Diss. jur. Mainz 1997; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Vollstreckungsklausel (lat. clausula [F.] executorialis) ist der seit der frühen Neuzeit aus der
Klausel, dass der Schuldner das Urteil binnen einer Frist vollziehen soll,
entwickelte Vermerk des Urkundsbeamten auf der vollstreckbaren Ausfertigung
eines Vollstreckungstitels, der die Vollstreckbarkeit bescheinigt.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses,
3. A. 1878; Kohler, J., Zur Geschichte der exekutorischen Urkunde in
Frankreich, ZRG GA 8 (1887), 120
volonté (F.) génerale (frz.) Allgemeinwille
Voltaire (Arouet), F. (Paris 21. 11.
1694–30. 5. 1778), Notarssohn, wird nach Aufenthalten in England (1726-1729),
Lothringen, Preußen und Genf durch die Gesamtheit seiner vielen Schriften einer
der wichtigsten Vertreter der → Aufklärung.
Lit.: Voltaire, hg. v. Baader, H., 1980; Lange, J.,
Voltaire, JuS 1998, 491
Volumen (parvum)
(lat. [N.] [kleiner] Band) sind die Bücher 10 bis 12 des →
Codex Justinians, die glossierten Novellen und die Institutionen.
Vom Rechte
Lit.: Speicher, S., Vom Rechte, 1986
von Gottes Gnaden → Dei gratia
Lit.: Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im
frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980
Vonnisse von Damme sind eine flämische Fassung der →
Rôles d’Oléron.
Vorarlberg ist das
zwischen Bodensee und Arlberg gelegene, alemannisch besiedelte Gebiet, das seit
dem Spätmittelalter stückweise (1375 Feldkirch, 1523 Bregenz, 1814 Lustenau) an
→ Habsburg gelangt, dort meist gemeinsam mit Tirol von Innsbruck aus
verwaltet wird und seit 1918 selbständiges Land Deutschösterreichs, seit 1920
Bundesland → Österreichs ist (1939-1945 Reichsgau Tirol, bis 1955
Besatzung Frankreichs).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Welti, L.,
Geschichte der Rechsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau, 1930;
Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und
Vorarlberg, 1961; Das Vorarlberger Landesarchiv, hg. v. Burmeister, K. u. a.,
1969; Burmeister, K., Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der
Weistumsforschung, 1970; Bilgeri, B., Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1ff. 1971ff.,
2. A. 1972ff.; Vorarlberger Weistümer, Bd. 1, hg. v. Burmeister, K., 1973;
Welti, L., Siedlungs- und Sozialgeschichte von Vorarlberg, hg. v. Grass, N.,
1973; Witzig, D., Die Vorarlberger Frage, 2. A. 1974; Janotta, C., Das
Privilegienbuch der Stadt Feldkirch, 1979; Quellen zur Geschichte der Stadt
Bregenz, hg. v. Niederstätter, A., 1985; Burmeister, K., Geschichte
Vorarlbergs, 4. A. 1998; Hoch- und Spätmittelalter zwischen Alpen und
Bodenseee, hg. v. Hartung, W. u. a., 1992; Nachbaur, U., Vorarlberger
Territorialfragen 1945 bis 1948, 2007; Feurstein, C., Wirtschaftsgeschichte
Vorarlbergs, 2009
Voraus ist der
Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden
Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke. Der V. ist dem römischen Recht
ansatzweise bekannt. Er findet sich auch im Spätmittelalter neben →
Heergewäte und → Gerade. Der eheliche V. wird 1900 in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch und 1914 in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§
758) Österreichs aufgenommen.
Lit.: Hübner; Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hirschhorn, M., Der Voraus und
der Dreißigste, 1908; Wesener, G., Der Voraus des überlebenden Ehegatten, FamRZ
6 (1959), 84
Vorausvermächtnis (lat.
[N.] praelegatum, legatum per praeceptionem) ist das bereits
dem römischen Recht bekannte Vermächtnis einzelner Gegenstände an einen Erben,
so dass dieser Erbe zugleich Vermächtnisnehmer wird..
Lit.: Kaser § 76 II 3b; Rudolf, I., Teilungsanordnung und
Vorausvermächtnis, 1966
Vorbehalt des Gesetzes ist im 19. Jh. (z. B. § 5 VI des Grundgesetzes Sachsen-Weimars von 1816) der Grundsatz, dass ein Eingriff in ein Rechtsgut eines Einzelnen (z. B. Freiheit, Eigentum) von einer Gestattung durch ein → Gesetz abhängig ist.
Lit.: Köbler, DRG 199; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Schmidt-Bleker, R., Legislative Defizite im
Schulrecht der preußischen konstitutionellen Monarchie, 2005
Vorbehaltsgut ist
bei der ehelichen Gütergemeinschaft das besondere, aus dem Gesamtgut
ausgeschlossene, der alleinigen Zuständigkeit und selbständigen Verwaltung
durch den einzelnen Ehegatten vorbehaltene Gut. Es findet sich bereits im
Mittelalter (z. B. bei → Morgengabe). Von den vernunftrechtlichen
Gesetzbüchern (Allgemeines Landrecht 1794, Code civil 1804, Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch 1811) wird es anerkannt.
Lit.: Hübner 669; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1900,
Neudruck 1967
Vorderösterreich ist
die Gesamtheit der im deutschen Südwesten gelegenen Güter Habsburgs bzw.
Österreichs seit dem Spätmittelalter (mit dem Hauptort Freiburg im Breisgau.
Ein Teil hiervon bildet später → Vorarlberg, ein anderer geht zwischen
1799 und 1805 in Baden, Württemberg und Frankreich auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzweber, J., Die
Landstände Vorderösterreichs im 15. Jahrhundert, 1908; Vorderösterreich, hg. v.
Metz, F., 1967, 3. A. 1978; Quarthal, F./Wieland, G., Die Behördenorganisation
Vorderösterreichs, 1977; Seidel, K., Der Oberelsass, 1980; Vorderösterreich in
der frühen Neuzeit, hg. v. Maier, H. u. a., 1989; Vorderösterreichische
Regierung und Kammer 1753-1805, bearb. v. Haggenmüller, M. u. a., 1999ff.
Voreid ist der vor
Abgabe einer Erklärung zu leistende Eid. Er erscheint bereits im
Frühmittelalter. Ein möglicher Zusammenhang mit dem Kalumnieneid ist
ungeklärt.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f.
1879, Neudruck 1973
Vorerbe ist der
Erbe, der in der Weise zunächst zur Erbschaft berufen ist, dass nach ihm zu
einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) ein anderer Erbe (Nacherbe)
wird. Eine Nacherbschaft ist im römischen Recht an sich ausgeschlossen, wird
aber auf dem Weg über ein → Fideikommiss dennoch erreicht. Mit der
Aufnahme des Testaments im Heiligen römischen Reich (13. Jh.) wird auch die
Vorerbschaft möglich (z. B. Friedberg Ende 14. Jh.s). Das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) schränkt die Vorerbschaft aus liberalen Überlegungen auf
einen Zeitraum von 30 Jahren ein.
Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Hübner; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Schartl, R., Das Privatrecht der
Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Eckert, J., Der Kampf um die
Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und
Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG GA 120 (2003), 235
Vorkaufsrecht ist
das einer Person zustehende Recht, einen Gegenstand von dem Verpflichteten zu
erwerben, sobald dieser den betreffenden Gegenstand an einen Käufer verkauft.
Das V. ist dem römischen Recht an sich zunächst unbekannt, erscheint in unterschiedlichen
Einzelfällen aber dann doch. Ihm steht in Deutschland das → Näherrecht gegenüber.
In der frühen Neuzeit wird beides miteinander vermischt. Die vernunftrechtlichen
Gesetzbücher (1794ff.) nehmen das V. auf und teilen ihm teils nur schuldrechtliche,
teils auch sachenrechtliche Wirkung zu.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 30 I 2, 41 VII; Kroeschell, DRG 2;
Frommhold, G., Über die Geschichte des Familienvorkaufsrechts, ZRG GA 32
(19119, 337; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“,
Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1 1985, 383
Vorlesung (lat. [F.]
praelectio) ist die im Vorlesen und Erklären eines (geschriebenen) Textes (z.
B. Digesten) durch einen im Gegensatz zu seinen nachschreibenden Hörern über
den Text Verfügenden bestehende älteste Lehrveranstaltung der Universität.
Gedruckte Verzeichnisse von Vorlesungen sind seit dem 16. Jh. erhalten (Dillingen
1564-1614, Helmstedt unregelmäßig seit etwa 1585, beständig seit etwa 1600,
Herborn vielleicht seit 1585, Jena seit 1591). Sie zeigen durch die allmähliche
Aufnahme privater Vorlesungen den Wandel vom schulischen Lehrplan zur
wirtschaftlich ausgerichteten Lehrfreiheit an den protestantischen
Universitäten der Aufklärung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 106; Schröder, K.,
Vorläufiges Verzeichnis der in Bibliotheken und Archiven vorhandenen
Vorlesungsverzeichnisse, 1964; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen,
Jb. f. fränk, Landesforschung 27 (1967), 241; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Köbler, G.,
Gießener juristische Vorlesungen, 1982, 2. A. 2003 (elektronisch); Blanke, H.,
Bibliographie der in periodischer Literatur abgedruckten Vorlesungsverzeichnisse,
(in) Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 6 (1983), 205, 10 (1987), 17, 11
(1988), 105; Schröder, J., Vorlesungsverzeichnisse als rechtsgeschichtliche
Quelle, (in) Die Bedeutung der Wörter, 1991, 383; Vorlesungsverzeichnisse der
Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1999; Apel, H., Die
Vorlesung, 1999; Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungsprogramm der Universität
Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a., 2008
Vormärz ist die von
fürstlicher Reaktion (Karlsruher Beschlüsse 1819) auf liberale Forderungen
(Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832) gekennzeichnete Zeit vor dem März 1848
im → Deutschen Bund. Bereits im V. werden verschiedene Verfassungen
erlassen. Seit 1848 treten bedeutende allgemeine Veränderungen ein.
Lit.: Dunk, H. v. d., Der deutsche Vormärz, 1966; Brandt,
H., Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, 1968; Conze, W., Staat
und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 2. A. 1970; Boldt, W., Deutsche
Staatslehre im Vormärz, 1975; Wende, P., Radikalismus im Vormärz, 1975; Vormärz
und Revolution, hg. v. Fenske, H., 1976; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz,
Teil 1f. 1979; Deutsche Juristen im Vormärz (Briefe), hg. v. Strauch, D., 1999
Vormerkung ist die
vorläufige Grundbucheintragung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung
einer Rechtsänderung. Sie wird im ersten Ansatz 1750 in Preußen sichtbar und
übernimmt im 19. Jh. die Aufgaben des (lat.) → ius (N.) ad rem (Recht zur
Sache). Sie soll ursprünglich die Augabe erfüllen, die später dem Widerspruch
zukommt.
Lit.: Köbler, DRG 212; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Günther, P.,
Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. jur Bielefeld 2000
Vormund ist, wer
durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts zur Führung einer amtlich
verordneten, verwaltenden Fürsorgetätigkeit für Minderjährige (bzw. Frauen und
entmündigte Volljährige) bestellt ist. Der V. (lat. [M.]
tutor) ist dem römischen wie wohl auch dem germanischen Recht bekannt, doch
erscheint ahd. foramundo erst vereinzelt im 10. Jh. Meist ist der nächste
männliche Verwandte (Bruder, Vatersbruder usw.) V. Er hat eine treuhänderische
Gewalt über Person und Vermögen des Mündels und damit vor allem Rechte, muss
aber für den Unterhalt sorgen. Bereits seit dem Frühmittelalter unterfällt er
wegen der Missbrauchsgefahr einer von der Kirche geförderten öffentlichen
Aufsicht (Obervormundschaft). Hieraus entwickelt sich in der Neuzeit das
Vormundschaftsgericht. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit. Seit 1.
1. 1992 gibt es in Deutschland statt der Vormundschaft über Volljährige die →
Betreuung. In Österreich ist mit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes
2001 (BGBl. I 2000, 135) die 1970 auch für die Frau eröffnete Vormundschaft
beseitigt und durch die Obsorge einer anderen geeigneten Person ersetzt, wobei
Amtsobsorgeschaft des Jugendwohlfahrtsträgers nur für im Inland gefundene
Kinder unbekannter Eltern vorgesehen ist.
Lit.: Kaser §§ 62, 63; Söllner §§ 8, 11; Hübner § 100;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 36, 88, 121, 160, 210, 268; Kraut, T., Die
Vormundschaft, Bd. 1f. 1835ff.; Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft,
Bd. 1ff. 1862ff.; Schlüter, R., Das Vormundschaftsrecht in den Kodifikationen,
1961; Tetzlaff, W., Der Kaiser als Obervormund, Diss. jur. Frankfurt am Main
1965; Pelz, F., Die Vormundschaft in den Stadt- und Landrechtsreformationen,
1966; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel
1967; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 357; Taupitz, J.,
Von der entrechtenden Bevormundung zur helfenden Betreuung, JuS 1992, 1;
Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG 116 (1999), 119
Vormundschaft → Vormund, (lat. [F.] tutela)
Vorname ist im deutschen Bereich der ursprünglich alleinige → Name des Menschen, der seit dem Übergang vom Frühmittelalter
zum Hochmittelalter wegen der
allgemeinen Verdichtung allmählich um den Familiennamen ergänzt wird (Venedig seit 9. Jh.), der sich seit dem 18. Jh.
zunehmend in den Vordergrund schiebt und etwa in der Bibliographie Vorrang vor
dem weniger Unterscheidungskraft aufweisenden Vornamen hat..
Vorparlament ist die Versammlung zur Vorbereitung eines Parlamentes (z. B. Frankfurt am Main 1848).
Lit.: Nipperdey, T., Deutsche Geschichte, 1983, 606
Vorrang des Gesetzes ist der
Vorrang des formellen Gesetzes vor jeder anderen staatlichen Willenserkärung
seit dem 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
199
Vorrecht (N.)
Sonderrecht, Privileg
Vorsate →
Vorsatz
Lit.:
Löning, G., Vorsate und vorrat, ZRG GA 61 (1941), 266
Vorsatz (lat. [M.]
dolus) ist im Strafrecht der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes
in Kenntnis all seiner Tatumstände, im Privatrecht das Wissen und Wollen des
rechtswidrigen Erfolges im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Der V. ist so alt
wie das menschliche Verhalten. Als solcher erfasst wird er von der römischen
und der neuzeitlichen Wissenschaft. Diese stellt dem V. die →
Fahrlässigkeit gegenüber.
Lit.: Köbler, DRG 158, 204, 264; Löffler, A., Die
Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1 1895; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen,
1930, Neudruck 1973
Vorsprecher → Fürsprech, Fürsprecher
Vortäuschen einer Straftat (Vortäuschung
einer Straftat) ist der 1913 in die Diskussion eingebrachte, 1943 gesetzlich
festgelegte Straftatbestand des deutschen Strafrechts, nach dem sich jemand
dadurch strafbar macht, dass er eine nicht vorhandene Straftat vortäuscht.
Lit.:
Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer
Straftat (§ 145d StGB), 2003
Vorverfahren ist ein einem eigentlichen Verfahren zeitlich vorangehendes Verfahren (z. B. Inquisition im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Inquisitionsprozess). Es dient der Vorbereitung oder Entlastung. In der Gegenwart muss es rechtsstaatliche Anforderungen erfüllen.
Lit.: Köbler, DRG 117, 263
Vorvertrag ist der
auf Abschluss eines Vertrages gerichtete, vorbereitende → Vertrag. Er
ist dem römischen Recht bereits bekannt. Er ist gegebenenfalls formbedürftig.
Die Verletzung von vor Abschluss eines Vertrags bestehenden
Aufklärungspflichten und Sorgfaltspflichten verpflichtet bei → culpa in
contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss, Ihering 1861) zu Schadensersatz.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Wabnitz, B., Der Vorvertrag, Diss.
jur. Münster 1962
Vorzensur (F.) vorherige → Zensur
votum (N.) ad imperatorem (lat.) Vorlage bei dem Kaiser
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973, 346
Vsehrdy, Viktorin
Cornelius von (um 1460-1520), Bürgerssohn, wird nach dem artistischen Studium
in Prag Artist, 1493 stellvertretender Schreiber des Königreichs →
Böhmen. Seit 1495 verfasst er Neun Bücher über die Rechtsordnung des Landes
Böhmen. Nach 1501 überarbeitet er dieses bedeutende Werk nochmals.
Lit.: Vsehrdy, V., O právích zeme ceské knihy devatery, hg.
v. Jirecek, H., 1874
Vulgarrecht ist das
spätantike weströmische Recht (3.-5. Jh.). Es ist gekennzeichnet durch die
durchaus nicht vom Volk, sondern den führenden Schichten ausgehende teilweise
propagandistisch bedingte, vulgare Haltung (str.). Sie zeigt sich in einfachem,
unverhülltem Zweckstreben, in bildhafter Anschaulichkeit und in gefühlsbetonter
rhetorisierter Moralität. Die klassische rechtswissenschaftliche
Begrifflichkeit (z. B. dominium, possessio) verfällt (str.). Demgegenüber wird
sie im Osten von → Justinian (527-565) restauriert. Vulgarrechtliche
Quellen sind etwa die (lat.) → sententiae (F.Pl.) Pauli, die →
regulae (F.Pl.) Ulpiani, die → res (F.Pl.) cottidianae, der → Gaius
von Autun, die → Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum, die →
Consultatio (F.) cuiusdam veteris iurisconsulti, die → interpretationes
(F.Pl.) oder die romanistischen → Volksrechte der Westgoten, Burgunder
und Ostgoten (str.).
Lit.: Kaser §§ 1 II, 2 II, 3 III; Söllner § 20; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 52, 62; Levy, E., West Roman Vulgar Law, 1951; Wieacker, F.,
Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, SB. d. Akad. d. Wiss.
Heidelberg 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Stühff, G.,
Vulgarrecht im Kaiserrecht, 1966; Schmidt, H., Die Vulgarrechtsdiskussion,
(in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 1; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Vandendriessche, S., Possessio und
dominium im postklassischen römischen Recht, 2006
Vulgarsubstitution ist
im römischen Recht die Einsetzung eines Ersatzerben für den einfachen Fall,
dass der an erster Stelle Eingesetzte nicht Erbe wird. Die regelmäßige V. steht
in Gegensatz zur Pupillarsubstitution, bei der einem unmündigen (lat. [M.])
suus (pupillus) (Hauserben) für den Fall, dass er als Unmündiger sterben
sollte, ein Ersatzerbe eingesetzt wird.
Lit.: Kaser § 68 II 5a; Söllner § 11
Vulgata →
Vulgathandschrift
Vulgathandschrift (F.)
Handschrift einer meistgebrauchten Fassung eines Textes (z. B. der →
Digesten)
Lit.: Söllner § 22
W
Waadt (Vaud,
„Wald“) ist das Gebiet zwischen Jura, Genfer See, Alpen und Saarne, das über Römer,
Burgunder und Burgund 1032 zum deutschen Reich gelangt. Nach 1218 gerät es
unter den Einfluss der Grafen von Savoyen. 1536 fällt es an Bern. 1616 erhält
die W. ein eigenes Landrecht. Am 30. 3. 1798 wird die W. Kanton der
Helvetischen Republik, 1803 der → Schweiz. Die Verfassung der W. stammt
von 1885.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Champeaux, E., Le
coutumier vaudois de Quisard, 1930; Chapuis, M., Recherches sur les
institutions politiques, 1940; Ammann, H., Über das waadtländische Städtewesen,
Schweizerische Zs. für Geschichte 4 (1954), 1; Poudret, J., La succession
testamentaire dans le pays de Vaud, 1955 (Diss. Lausanne); Bercher, J.,
Approche systématique de l’ancien droit privé vaudois, 888-1250, 1963; Anex,
D., Le servage au pays de Vaud, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,464, 3,2,1870; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Les
sources du droit du canton de Vaud, Bd. 1ff. 1972ff.; Hubler, L., Histoire du
Pays de Vaud, 1991
Waal (M., zu lat. aqualis, Adj. Wasser betreffend?) ist
ein landwirtschaftlicher Bewässerungsgraben im Vintschgau in Südtirol.
Möglicherweise wurden die Waale im 12. Jh. angelegt. Ihre arbeitsaufwendige
Verwaltung erfolgt genossenschaftlich unter Leitung eines Waalmeisters.
Lit.: Bodini, G.,
Südtiroler Waalwege, 1996
Wachszins (M.) Zins in Bienenwachs
Wächter, Carl
Joseph Georg Sigismund (Marbach/Neckar 24. 12. 1797-Leipzig 15. 01. 1880),
Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut)
Richter, außerordentlicher Professor (Tübingen 1817) und ordentlicher Professor
(Tübingen 1822, Leipzig 1833, Tübingen 1836), 1851 Präsident des
Oberappellationsgerichts in Lübeck und 1852 nochmals Professor in Leipzig.
Neben einem Lehrbuch zum Strafrecht veröffentlicht er seit 1839 ein
unvollendetes Handbuch des im Königreich → Württemberg geltenden
Privatrechts und 1841 eine wichtige Abhandlung zum internationalen Privatrecht.
Lit.: Wächter, P. v., Carl Georg von Wächter, 1891; 500
Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., Bd. 1
1977; Sandemann, N., Grundlagen und Einfluss der internationalprivatrechtlichen
Lehre, Diss. jur. Münster 1979; Laufs, A., Das wirklich geltende, durch den
allgemeinen Willen gesetzte Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Jungemann, L., Carl Georg von Wächter, 1999; Zwischen Romanistik und
Germanistik, hg. v. Kern, B., 2000; Mauntel, C., Carl Georg von Wächter
(1797-1880), 2004
wadiare (lat.-afrk.)
wetten, versprechen
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Wadiatio
Lit: Hagemann, H., Fides facta und wadiatio,
ZRG GA 83 (1966), 1
wadium (lat.-afrk. [N.]) Wette, Versprechen, Pfand
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Waffe ist jeder
Gegenstand, der seiner Art nach dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder
durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die W. ist bedeutsam
im Kampf. Sie erleichtert auch Unrechtserfolge. Deshalb wird der Waffengebrauch
bereits seit dem Frühmittelalter allmählich eingeschränkt. Seit der Neuzeit
bedarf er vielfach behördlicher Erlaubnis und kann strafschärfend wirken.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Fehr, H., Das
Waffenrecht der Bauern, ZRG GA 35 (1914), 111, 38 (1917), 1; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Krogmann, W.,
Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280
Wagatsuma, Sakae
(1897-1973) wird nach dem Rechtsstudium (Hatoyama) 1922 außerordentlicher
Professor in Tokio und nach soziologischem Studium in Chicago und Berlin 1927
ordentlicher Professor. In zwei unvollendet gebliebenen Werken (Der Primat des
Forderungsrechts, 1927ff., Minpô kôgi, 1933) versucht er eine vorbildliche
Verbindung von Systematik und Soziologie. Bei der Abschaffung des japanischen
Haussystems nach dem zweiten Weltkrieg wirkt er maßgeblich mit.
Lit.:
Hôritsugaku to watashi, hg. v. Toshitani, N. u. a., 1967, 1; Wagatsuma, H./Bai,
K., Wagatsuma Sakae-sensei no hito to sokuseki, 1993
Wahl ist die Berufung
eines Menschen zu einer Aufgabe durch Abstimmung. Sie findet sich bereits im
Altertum. In der Kirche werden Papst, Bischof, Abt und Pfarrer vielfach
gewählt. Im Mittelalter werden König, Bürgermeister, Ratsherren, Schöffen,
Rektoren oder Dekane durch Wahlen bestimmt. Dabei wird anfangs meist von der
Einstimmigkeit ausgegangen. Seit dem 12. Jh. ist eine Entwicklung zur
Aufwertung der Einzelstimme erkennbar, die letztlich zur Anerkennung des
Mehrheitsgrundsatzes führt. Im 19. Jh. entsteht allmählich die geheime,
gleiche, allgemeine und unmittelbare W. (mit Wahlprüfungsverfahren), zu der
auch die Frau zugelassen wird (Frauenwahlrecht z. B. Australien 1902,
Österreich 1918, Deutsches Reich 1919, England 1928, Frankreich 1944). Geregelt
wird die W. in besonderen Wahlgesetzen oder Wahlordnungen. Unterschieden
werden dabei hauptsächlich Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht.
Rechtstatsächlich werden Wahlen in der Gegenwart vorrangig im Fernsehen entschieden,
weshalb die besten Aussichten hat, wer sich im Fernsehen am einnehmendsten
darstellen und niemand gegen die Mehrheit der meinungsbildenden Medien bestimmenden
Einfluss auf die Erörterung von Sachfragen gewinnen kann. Über Rechtsstreitigkeiten
bei Wahlen entscheiden letztlich meist Gerichte (Österreich Reichsgericht,
1920 Verfassungsgerichtshof, Wahlgerichtsbarkeit).
Lit.: Köbler, DRG 18, 83, 109, 194, 225, 230, 257; Köbler,
WAS; Gerlach, H. v., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Hoyer,
E., Die Selbstwahl vor, in und nach der Goldenen Bulle, ZRG GA 42 (1921), 1;
Vollrath, W., Der parlamentarische Kampf um das preußische
Dreiklassenwahlrecht, Diss. jur. Jena 1931; Mitteis, H., Die deutsche
Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Schlotterose, B., Die Ratswahlen,
Diss. phil. München 1953 masch.schr.; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1
1961; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Milatz, A., Wähler und
Wahlen in der Weimarer Republik, 2. A. 1968; Die Wahl der Parlamente und
anderer Staatsorgane, Bd. 1 Europa, hg. v. Sternberger, D. u. a., 1969;
Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Reisinger, R., Die
römisch-deutschen Könige und ihre Wähler 1198 bis 1273, 1977; Castorph, B., Die
Ausbildung des römischen Königswahlrechtes, 1978; Ehrle, P., Volksvertretung im
Vormärz, Bd. 1f. 1979; Gaudemet, J., Les elections dans l’eglise, 1979;
Reuling, U., Die Kur in Deutschland und Frankreich, 1979; Mackie, T./Rose, R.,
The international Almanac of Electoral History, 2. A. 1982; Lapp, P., Wahlen in
der DDR, 1982; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland,
1987; Wahlen und Wähler im Mittelalter, hg. v. Schneider, R. u. a., 1990;
Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in Deutschland, 1991; Rohe, K., Wahlen und
Wählertraditionen, 1992; Lässig, S., Wahlrechtskampf und Wahlreform in Sachsen,
1996; Wahlen und Wahlkämpfe in Deutschland, hg. v. Ritter, G., 1996; Nadig, W.,
Ardet ambitus, 1997; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in
Deutschland, 1998; Yakobson, A., Elections and Electioneering in Rome, 1999;
Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1
Wahlfälschung, 2000; Müller, J., Symbol 89 – Die DDR-Wahlfälschungen, 2001;
Wahlen und Wahlrecht, 2001; Hartenstein, W., Dem Wähler auf der Spur, 2002;
Arsenschenk, R., Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich, 2003; Nanninga,
F., Wählen in der Reichsgründungsepoche, 2004; Funk, R., Die Wahlprüfung, 2005;
Hägele, G./Pukelsheim, F., Die Wahlsysteme des Nicolaus Cuasnus, BB. bay. Ak.
d. Wiss. 2001-3003, 2004, 103; Wahl und Krönung in Zeiten des Umbruchs, hg. v.
Pelizaeus, L., 2008
Wähler → Wahl
Wahlfeststellung ist
die wahldeutige Verurteilung eines Täters aus zwei (oder mehr)
Straftatbeständen, von denen zwar nur einer vorliegen kann, aber ungewiss ist,
der von ihnen vorliegt. Die rechtsstaatlich fragwürdige W. wird im Deutschen
Reich am 28. 6. 1935 zugelassen, nach 1945 aber grundsätzlich aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 236
Wahlkapitulation ist
seit dem Mittelalter die älteren Wahlversprechen folgende, in der Lage vor der
Wahl naheliegende Zusage eines Bewerbers an die Wähler für den Fall der Wahl in
ein Amt (z. B. Venedig 1192, Papstwahl 1352 [22. 9. 1695 verboten, allgemeines
Verbot 20. Jh.], Heiliges römisches Reich [deutscher Nation] 1292, vor allem
seit 1519.). Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 vereinbaren die Kurfürsten
im Namen der Reichsstände die 1711 (erfolglos) als ständige[, aber als solche
vom Kaiser nie bestätigte] W. gefasste W. (, die am Ende des 18. Jh.s 314
Druckseiten umfasst).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 147; Musatti, E.,
Storia della promissione ducale, 1888; Siemsen, A., Kurbrandenburgs Anteil an
den kaiserlichen Wahlkapitulationen von 1689 bis 1742, 1909; Iwand, Die
Wahlkapitulationen, 1919; Haider, S., Die Wahlversprechen der römisch-deutschen
Könige, 1968; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Pick,
E., Die Bemühungen der Stände um eine ständige Wahlkapitulation, 1969; Maier,
K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Empell, H., De eligendo regis vivente
imperatore, ZNR 16 (1994), 11; Buschmann, A., Die Rechtsstellung des Kaisers,
Gedächtnisschrift H. Hofmeister, 1996, 89
Wahlkindschaft (F.) Adoption
Wahlrecht ist objektiv die Gesamtheit der für eine → Wahl geltenden Rechtssätze und subjektiv das Recht zu wählen (aktives W.) oder gewählt zu werden (passives W.). In Rom werden die Magistrate der Republik gewählt, im deutschen Reich (grundsätzlich) die Könige, in der christlichen Kirche Bischöfe und Päpste. Anfangs soll der Grundsatz der Einstimmigkeit im Vordergrund gestanden haben. Vielleicht seit dem 13. Jh. setzt sich von der Kirche her der Mehrheitsgrundsatz durch. .Im 19. Jh. gilt in Preußen z. B. (bis 1918) das nach der Steuerleistung unterscheidende → Dreiklassenwahlrecht und sind in England nur etwa 5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung wahlberechtigt. Seit 1789, verstärkt seit der Mitte des 19. Jh.s wird in Frankreich (zunächst erfolglos) ein Familienwahlrecht gefordert. .→ Frauen erhalten das Wahlrecht in New Jersey 1776 (bis 1807), Pitcairn 1838, Wyoming 1869, Australien 1902, in Finnland 1906, in der Sowjetunion 1917, im Deutschen Reich 1919, in Großbritannien 1928, in Frankreich 1944, in Italien 1946, in der Schweiz 1971 und 2005 in Kuweit. In Österreich setzt sich das allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime W. für Männer 1907 durch, für Frauen 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Boyer, L., Wahlrecht in
Österreich, Bd. 1 1961; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 3. A.
1983; Kritzer, P., Zur bayerischen Wahlrechtsreform von 1906, Z. f. bay. LG. 48
(1985), 719; Ruszoly, J., Zwischen ständischer Repräsentation und
Volksvertretung, ZRG GA 107 (1990), 409; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht
im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Spalinger,
A., Die Proporzbewegung während der dritten Republik Frankreichs, 2003; Bavaj,
R., Reform statt Revolution, HZ 278 (2004), 683; Simon-Holtorf, Geschichte des
Familienwahlrechts in Frankreich (1871 bis 1945), 2004
Wahlschuld ist die
bereits dem römischen Recht bekannte Art der Schuld, bei der mehrere Leistungen
in der Weise geschuldet werden, dass (nach Wahl des Gläubigers oder im Zweifel
des Schuldners nur die eine oder die andere zu bewirken ist (z. B. ein
Schmuckstück oder der Wert in Geld). Geht einer Gegenstände der W. unter,
schränkt sich die Wahl entsprechend ein.
Lit.: Kaser § 34 III 1; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Wahnsinn ist die
laienhafte Benennung der Störung der Geistestätigkeit. → Geisteskranker
Wahrheit ist der
mit Gründen einlösbare und insofern haltbare Geltungsausspruch über einen
Sachverhalt. Die W. ist eine wichtige Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit
(lat. in veritate libertas), die der Lügner und Betrüger bewusst zum eigenen
Vorteil und zum fremden Schaden verlässt. In Untersuchungsverfahren ist die
Findung der W. Ziel des Verfahrens. Zeugen sind zur W. verpflichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schwinge, E., Verfälschung und
Wahrheit, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4.
A. 2004
Währschaftsbuch ist
seit dem Spätmittelalter die landschaftlich verbreitete Art des →
Grundbuches.
Lit.: Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher
Kurhessens, 1914
Wahrschaubrief ist
das seit dem 14. Jh. in Nordosteuropa erscheinende, an Dritte gerichtete, mit
der Wegnahme von Schiff und Gut im Fall der Unterstützung eines Feindes
drohende Handelsverbot.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur.
Fankfurt am Main 1970
Währung ist das in
der Gegenwart meist gesetzlich geregelte Zahlungsmittel eines Gemeinwesens. In
der Zuständigkeit eines Staates steht es, seine Währung zu gestalten (z. B.
durch Aufwertung oder Abwertung [Währungsreform Deutsches Reich 20./21. 6. 1948]). Möglich ist auch eine Währungsunion mehrerer Staaten
durch Vertrag (z. B. Währungsunion zwischen Bundesrepublik Deutschland und
Deutscher Demokratischer Republik 1990, Europäische Währungsunion).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 50, 224, 249;
Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986
Waiblingen
Lit.: Widder, E., Waiblingen, 2005
Waise ist das teilweise (Halbwaise) oder gänzlich (Vollwaise) elternlose → Kind. Es erhält einen → Vormund. In der frühen Neuzeit werden Waisen teilweise mit Armen, Irren und Siechen gemeinsam untergebracht, teilweise aber auch besondere Häuser für Waisen (Waisenhäuser) eingerichtet (Preußen 1885 396 Waisenhäuser mit 19000 Waisen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Graetz, H., Beiträge zur
Geschichte der Erziehung der Waisen, 1888; Meumann, M., Findelkinder,
Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen
Reich, 1995; Crespo, M., Verwalten und Erziehen, 2001; Waisenhäuser in der
frühen Neuzeit, hg. v. Sträter, U., 2003
Waitz, Georg
(Flensburg 9. 10. 1813-Berlin 25. 5. 1886) wird nach dem Studium von Recht und
Geschichte in Kiel und Berlin Professor in Kiel (1842), Göttingen (1849) und
Berlin (1875). Er leitet die (lat.) Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica
(1875-86). Seit 1844 veröffentlicht er eine achtbändige deutsche
Verfassungsgeschichte.
Walachai ist das
Gebiet zwischen Karpaten und Donau, in dem 1330 ein von Ungarn gelöstes
Fürstentum entsteht. Seit 1415 wird die W. von den → Osmanen (Türken)
abhängig. 1862 geht sie in → Rumänien auf.
Wald ist die mit
Forstpflanzen bestückte Grundfläche einschließlich der Lichtungen und Waldwiesen.
Der W. wird vom Menschen im Altertum nur am Mittelmeer intensiv genutzt und
dabei an vielen Stellen beseitigt. Im Mittelalter wird er auch sonst durch
Landesausbau bzw. Binnenkolonisation zurückgedrängt. Er ist teilweise königlich
(→ Forst), teilweise grundherrschaftlich und teilweise genossenschaftlich
bzw. gemeinschaftlich. Im 19. Jh. wird er vielfach in Einzeleigentum
aufgeteilt. Das Betreten des Waldes ist Gemeingebrauch.
Lit.: Hoops, J., Waldbäume und Kulturpflanzen, 1905,
Neudruck 1965; Merz, W., Die Waldungen der Stadt Zofingen, 1922; Weiß, L.,
Studien zur Geschichte der Zürcher Stadtwaldungen, 1924; Graner, F., Geschichte
der Waldgerechtigkeiten im Schönbuch, 1929; Deck, S., Étude sur la Forêt d’Eu,
1929; Faesch, J., Die Waldrechte der Hubengenossenschaft Schwamendingen, 1931;
Westermann, H., Die Forstnutzungsrechte, 1942; Erler, A., Bäuerliche
Waldgerechtsame an der Schwanne im Odenwald, ZRG GA 65 (1947), 348; Hopf, C.,
Waldnutzung und Waldwirtschaft, Diss. jur. Jena 1952; Frank, G., Die
rechtshistorische Entwicklung der Forstrechte im Chiemgau, Diss. jur. München
1957; Kieß, R., Die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen
Territoriums, 1958; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum,
1960; Egli, J., Der Erlosenwald, 1963; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig,
1966; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Wobst, A., Der Markwald,
1971; Wörlen, R., Waldeigentümergemeinschaften, 1981; Hasel, K.,
Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg
1988; Der Wald, hg. v. Semmler, J., 1991; Epperlein, S., Waldnutzung, 1993;
Küster, H., Geschichte des Waldes, 1998; Below, S. v., Wald, 1998; Die
Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg, hg. v. Pallauf, S. u. a. 2001; Demandt,
A., Über allen Wipfeln, 2002; Rohland, S./Noack, H., das holz all der dorfer
gemeyne, 2004; Grewe, B., Der versperrte Wald, 2004
Waldeck
Lit.: Weigel, D.,
Fürst, Stände und Verfassung im frühen 19. Jahrhundert, 1968
Waldenser
Lit.: Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und
andere, 2005
Wales ist die
westliche Halbinsel Britanniens, auf der sich nach dem Abzug der Römer im 5.
Jh. britische → Kelten zu halten vermögen. 1091 kommt der Süden unter die
Herrschaft Englands. 1277/1282/1284 wird das Gebiet ganz in → England eingegliedert.
1999 erhält W. eine eigene Versammlung mit beschränkten eigenen Rechten (ohne
eigenen finanziellen Spielraum).
Lit.: Seebohm,
F., The tribal system in Wales, 1904; The Welsh Law of Women, hg. v. Jenkins, D.
u. a., 1980; Sager, P., Wales, 1985; The Law of Hywel Dda, hg. v. Jenkins, D.,
1986
Walkenried
Lit.: Urkundenbuch des
Klosters Walkenried, bearb. v. Dolle, J., 2002
Wallfahrt
Lit.: Wallfahrt und
Volkstum in Geschichte und Leben, hg. v. Schreiber, G., 1934; Wallfahrt und
Recht im Abendland, 1987; Die Wilsnackfahrt, hg. v. Escher, F. u. a., 2006;
Wallfahrten in der europäischen Kultur, hg. v. Dolezal, D. u. a., 2006;
Pilgerreisen in Mittelalter und Renaissance, hg. v. Haupt, B. u. a., 2006;
Wallfahrt und Reformation, hg. v. Hrdina, J. u. a., 2007; Schauta, M., Die
ersten Jahrhunderte christlicher Pilgerreisen, 2008
Wallis ist der um das 1032 an das deutsche Reich gelangte oberste Tal der Rhone gebildete zugewandte Ort (1475) bzw. Kanton (1814) der → Schweiz.
Lit.: Heusler, A., Rechtsquellen des Cantons Wallis, 1890;
Stebler, F., Ob den Heidenreben, 1901; Stebler, F., Das Goms, 1903; Grenat, P.,
Histoire moderne du Valais, 1904; Liebeskind, W., Bischof Walters II. auf der
Flüe Landrecht und Gerichtsordnung, 1930; Kämpfen, W., Ein Burgerrechtsstreit
im Wallis, 1942; Werra, R. v., Die Vormundschaft über Unmündige nach dem Rechte
der alten Landschaft Wallis, Blätter aus der Walliser Geschichte 2 (1953), 165;
Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der
Familiengemeinschaft im älteren Walliser Recht, 1955; Carlen, L., Das Landrecht
des Kardinals Schiner, 1955; Carlen, L., Rechtsaltertümer aus dem Wallis, 1967;
Carlen, L., Gericht und Gemeinde im Goms, 1967; Carlen, L., Beiträge zur
Walliser Rechtsgeschichte, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,465, 3,2,1886; Sulser, M., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Wallis, Diss.
jur. Freiburg im Üchtland 1976; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss.
jur. Freiburg im Üchtland 1978; Carlen, L., Kultur des Wallis 1500-1800, 1984;
Carlen, L., Näherrechte im Wallis, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg.
v. Köbler, G., 1987, 52; Troger, T., Geschichte der Verfassung des Kantons
Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland, 1987; Carlen, L., Walliser
Rechtsgeschichte, 1993 (Aufsätze); Carlen, L., Das Wallis vor 150 Jahren, Bll.
aus der Walliser Geschichte 31 (1999), 77; Schnyder, C., Reformation und Demokratie
im Wallis (1524-1613), 2002
Wallonien (französischsprachiges
Gebiet Belgiens)
Walser ist der seit
dem 13. Jh. aus dem → Wallis ausgewanderte, im Süden, in Graubünden und
in Vorarlberg (z. B. Kleines Walsertal) zu ziemlich freiem Recht angesiedelte,
katholische Alemanne.
Lit.: Branger, E., Rechtsgeschichte der freien Walser in
der Ostschweiz, 1905; Liver, P., Mittelalterliches Kolonistenrecht und freie
Walser in Graubünden, 1943; Ilg, K., Die Walser in Vorarlberg, Bd. 1f. 1948ff.;
Balmer, E., Die Walser im Piemont, 1949; Kreis, H., Die Walser, 1958; Zinsli,
P., Walser Volkstum, 6. A. 1991; Rizzi, E., Geschichte der Walser, 1993;
Bündner Urkundenbuch, Bd. 2 (neu) 1200-1272), 2004
Walter von Coutances
ist der um 1170 in Paris wirkende, 1185 zum Erzbischof von Rouen und 1191 zum
Regenten des angevinischen Großreichs aufgestiegene Kanonist englischer
Herkunft. (Tractatum de iudiciis (Traktat von den Gerichten).
Lit.: Landau, P.,
Walter von Coutances und die Anfänge der anglo-normannischen Rechtswissenschaft,
Panta rei, hg. v. Condorelli, O., 2004, 183
Walther ([Walter] zu Walthersweil), Bernhard (Leipzig 1516-Graz 5. 12. 1584), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Bologna (Alciat) und Pavia 1540 Professor in Wien, 1547 Rat in Niederösterreich und 1564 Kanzler in den innerösterreichischen Ländern. In seinen der Anleitung herrschaftlicher Tätigkeiten dienenden, 1716 gedruckten Traktaten (lat. [M.l.] Aurei tractatus iuris Austriae, goldene Traktate des Rechtes Österreichs 1552-1558) gibt er eine Darstellung der Verbindung von einheimischem und ergänzendem römischem Recht.
Lit.: Köbler, DRG 143; Baltl/Kocher; Bernhard Walthers
privatrechtliche Traktate, hg. v. Rintelen, M., 1937; Juristen in Österreich,
hg. v. Brauneder, W., 1987, 39, 369
Wandale → Vandale
Wandlung ist die
Rückgängigmachung des Kaufes wegen eines Mangels der Kaufsache. Sie entstammt
der Tätigkeit der kurulischen Ädile als Marktaufseher in Rom, die beim Kauf von
Sklaven und später auch Zugtieren bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen
dem Käufer nach seiner Wahl entweder die Rückgewährung des Kaufpreises gegen
Rückgabe der Kaufsache (lat. → actio [F.]
redhibitoria) oder die Minderung (lat. → actio [F.]
quanti minoris) verheißen. Seit dem Spätmittelalter wird die W. aus dem
römischen Recht aufgenommen, in Deutschland aber 2002 durch den Rücktritt
ersetzt.
Lit.: Kaser § 41 VI; Söllner § 9;
Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Lederle, R., Mortuus redhibetur, Diss. jur. Mannheim 1983;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Wannseekonferenz ist
die in der Villa Marlier am Wannsee in Berlin am 20. 1. 1942 unter Reinhard
Heydrich durchgeführte Konferenz über die Organisation der beschlossenen
Vernichtung der Juden mittels Deportation in den Osten.
Lit.: Roseman, M., Die
Wannsee-Konferenz, 2002
Wappen ist seit dem 16. Jh. die Bezeichnung für das im 12. Jh. entstehende, seit dem 13. Jh. individualisierte farbige Erkennungszeichen des gerüsteten und damit unkenntlich gewordenen Ritters. → Adler, Heraldik
Lit.: Siebmacher, J., Großes und allgemeines Wappenbuch,
neu hg. 1854ff., Neudruck 1970ff.; Seyler, G., Geschichte der Heraldik,
1885ff., Neudruck 1970; Hauptmann, F., Das Wappenrecht, 1896; Beck, E.,
Grundfragen der Wappenlehre, 1931; Demandt, K./Renkhoff, O., Hessisches
Ortswappenbuch, 1956; Zier, H., Wappenbuch des Kreises Bühl. 1964; Wappenfibel,
15. A. 1967; Neubecker, O./Rentzmann, W., Wappen-Bilder-Lexikon, 1974; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Waldner, H., Die ältesten
Wappenbilder, 1992; L’Armorial Bellenville, hg. v. Pastoureau, M. u. a., 2004;
Jäckel, D., Der Herrscher als Löwe, 2005; Scheibelreiter, G., Wappenbild und
Verwandtschaftsgeflecht, 2009
Ware ist die
bewegliche, vom Kaufmann veräußerte Sache. → Kauf, → Handelsrecht
Warenmarke ist die →
Marke für eine → Ware. Im 19. Jh. wird das Recht der W. gesetzlich
geregelt (Deutsches Reich 1874 Markenschutzgesetz, Gesetz über den
Markenschutz). Eine europäisierende, das Warenzeichengesetz zum 31. 12. 1994
ablösende Neugestaltung (Marke) erfolgt zum 1. 1. 1995.
Lit.: Kohler, J., Das Recht des Markenschutzes, 1884;
Müller, K., Ein Warenzeichenschutzprozess um 1500 (Schwäbisch Gmünd), ZRG GA 55
(1935), 244; Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, 1954;
Deutsch, E., Sortenname und Warenzeichen, Diss. jur. Heidelberg 1953; Wadle,
E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Henning-Bodewig,
F./Kur, A., Marke und Verbraucher, Bd. 1f. 1988
Warenzeichen → Warenmarke
wargus (lat.-germ. [M.]) Würger, Wolf, Verbrecher
Lit.: Unruh, G. v., Wargus. Friedlosigkeit und
magisch-kulturelle Vorstellungen bei den Germanen, ZRG GA 74 (1954), 1; Jacoby,
M., wargus, 1974; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991, 472
Warnkönig, Leopold August
(1794-1866), Steuereinnehmerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg
(Heise, Thibaut, Zachariä) und Göttingen (Hugo) 1817 Professor in Lüttich, 1821
in Löwen, 1831 in Genf, 1836 in Freiburg im Breisgau und 1844 in Tübingen.
1835ff. legt er eine dreibändige flandrische Staats- und Rechtsgeschichte, 1845
eine dreibändige französische Staats- und Rechtsgeschichte vor. Er bringt damit
das Gedankengut der historischen Rechtsschule nach Belgien.
Lit.: Wild, G., Leopold August Warnkönig, 1961
Warren, Earl
(1891-1974), skandinavischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in
Kalifornien 1914 Anwalt, 1919 Staatsanwalt, 1946 Gouverneur und 1953
Vorsitzender des amerikanischen Supreme Court. 1954 verfasst er das die
Rassentrennung in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärende,
einstimmig gefällte Urteil. Auch in anderen bedeutsamen Entscheidungen sichert
er Freiheit und Gleichheit.
Lit.: Pollack,
J., Earl Warren, 1979; White, G., Earl Warren, 1982
Warschau an der
mittleren Weichsel wird 1241 als Siedlung erwähnt. Es erhält wohl vor 1339
Stadtrecht. Ab 1596 ist es Sitz des Königs von → Polen. 1815 erhält es im
mit Russland in Personalunion vereinigten Königreich Polen (Kongresspolen) eine
Universität. 1943/1944 wird W. weitgehend zerstört.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2
2107,2111, 3,3,3506,3508; Huber, W., Warschau, 2005; Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Wartburgfest ist
das nationalliberal geprägte Treffen von etwa 500 Vertretern deutscher
Universitäten (darunter viele Jenaer Studenten) am 18. 10. 1817 auf der
Wartburg bei Eisenach, an dessen Ende konservative Schriften und der Code
Napoléon verbrannt werden. Daraufhin verbietet Preußen studentische
Verbindungen an den Universitäten.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Tümmler, H., Ein Haufen
verwilderter Professoren, 1974; Badstübner, E., Die Wartburg, 1994; Das
Wartburgfest, hg. v. Dedner, B., 1994
Wartrecht →
Erbenwartrecht, → Näherrecht
Was dem einen recht ist, das ist dem anderen billig.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 274 (Franck 1541)
Wasser ist die für
das irdische Leben bedeutsamste Flüssigkeit. Schon früh werden große Gewässer
der Allgemeinheit bzw. später dem Staat, kleine Gewässer mit dem angrenzenden
Grundstück Einzelnen zugeordnet. Seit dem 19. Jh. wird das W. nach
mittelalterlich-städtischen Anfängen immer stärker rechtlich erfasst (Teil des
deutschen Privatrechts), gesetzlich geregelt (preußisches Allgemeines Landrecht
von 1794, Landeswassergesetze, Wasserverbandverordnung vom 3. 9. 1937,
Wasserhaushaltsgesetz 27. 7. 1959/1960, vgl. auch die Arbeiten des Ausschusses
für Wasserrecht zwischen 1934 und 1941 im Rahmen der Akademie für deutsches
Recht) und als schützenswertes Umweltgut angesehen. Im Mittelalter ist die
Wasserprobe eine Form des Gottesurteils. → Meer, → Mühle, →
Stromregal
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 205; Ossig,
A., Römisches Wasserrecht, 1885; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Geffcken, H., Zur Geschichte des
deutschen Wasserrechts, ZRG GA 21 (1900), 173; Peterka, O., Das Wasserrecht der
Weistümer, 1905; Aström, A., Über das Wasserrecht in Nord- und Mitteleuropa,
1905; Zollinger, K., Das Wasserrecht der Langeten, 1906; Motzfeldt, U., Den
norske Vasdragsrets Historie, 1908; Köttgen, A., Grundprobleme des
Wasserrechts, 1925; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft,
1928; Haff, K., Ein verschollenes Wasserrechtsweistum, ZRG GA 52 (1932), 336;
Haff, K., Über die alten Wasserrodegenossenschaften im Etschtale, ZRG GA 58
(1938), 810; Beeg, H., Die Entwicklung des Wasserkraftrechts vom 14. bis zum
19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Breuer, R., Öffentliches
und privates Wasserrecht, 2. A. 1987; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Benning, R., Die Verwaltung der Wasserstraßen, Diss.
jur. Bonn 1994; Sieder, F. u. a., Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz, 3. A.
1995; Olmer, B., Wasser, 1998; Geißler, K., Die öffentliche Wasserversorgung im
römischen Recht, 1998; Rönnau, C., Die Beratungen des Wasserrechtsausschusses
der Akademie für Deutsches Recht zu einem Reichswassergesetz (1934-1941), 2001;
Ausschuss für Wasserrecht 1934-1941, hg. v. Schubert, W. u. a., 2004; Weber,
A., Die Entstehung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. 7. 1957, 2005; Behrens,
C., Die Wassergesetzgebung im Herzogtum Braunschweig, 2009
Wasserburg
Lit.: Burkard, T., Wasserburg und Kling, 1965
Wasserzeichen
Lit.: Weiß, W.,
Thüringer Papiermühlen und ihre Wasserzeichen, 1953; Die Kronen-Wasserzeichen,
bearb. v. Piccard, G., 1961
Waterrecht ist die gotländische Fortführung der flämischen → Vonnisse von Damme.
Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
watschar (mhd.)
freigewordener Gemeinschaftsanteil, Abgabe
Lit.: Hübner § 21
Weber, Marianne
(Oerlinghausen/Lippe 2. 8. 1870-Heidelberg 12. 3. 1954), geb. Schnitger,
Arztstochter, wird nach der Heirat mit (dem als Cousin zweiten Grades
verwandten) Max → Weber und dem Studium der Philosophie und
Sozialwissenschaften Frauenrechtlerin. Seit 1900 erforscht sie die „Ehefrau und
Mutter in der Rechtsentwicklung“ (1907). Ziel ist eine aufklärend-wertende
Geschichtsbetrachtung.
Lit.: Max Weber. Ein Lebensbild, 1989; Borchert,
M./Buchholz, S., Marianne Weber, (in) Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung,
hg. v. Buchholz, S. u. a., 1993, 23; Hennis, W., Max Weber und Thukydides,
2003; Marianne Weber, hg. v. Meurer, B. 2004
Weber, Max (Erfurt
21. 4. 1864-München 14. 7. 1920), Politikerssohn, mütterlicherseits aus einer
der reichsten deutsch-englischen Familien, wird nach dem Studium von Recht, Wirtschaft,
Geschichte und Philosophie in Heidelberg, Straßburg, Berlin (Levin Goldschmidt)
und Göttingen (Habilitation in Berlin mit 27 Jahren) Professor in Berlin
(1893), Freiburg im Breisgau (1894 Volkswirtschaft), Heidelberg (1897) sowie
nach längerer Erkrankung Wien (1918) und München (1919). Im Mittelpunkt seiner
überwiegend soziologischen Arbeiten stehen Studien über das Verhältnis von
Religion, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Hilfe von Idealtypen versucht er
deutend die gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschließen. Den
Entwicklungsvorgang der Industriegesellschaft versteht er als Entzauberung.
Lit.: Köbler, DRG 228; Loos, F., Zur Wert- und Rechtslehre
Max Webers, 1970; Mommsen, W., Max Weber, 1974; Hilterhaus, F., Zum
Rechtsbegriff in der Soziologie Max Webers, 1965; Speer, H., Herrschaft und
Legitimität, 1978; Weber, M., Max Weber, 3. A. 1984; Zur Rechtssoziologie Max
Webers, hg. v. Breuer, S. u. a., 1984; Hennis, W., Max Webers Fragestellungen,
1987; Schöllgen, G., Max Weber, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit,
1998; Tenbruck, F., Das Werk Webers, 1998; Hecht, M., Modernität und
Bürgerlichkeit, 1998; Roth, G., Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte
1800-1950, 2001; Max Webers Herrschaftssoziologie, hg. v. Hanke, E./Mommsen, W.,
2001; Ringer, F., Max Weber, 2004; Radkau, J., Max Weber, 2005; Das
Weber-Paradigma, hg. v. Albert, G., 2005; Müller, H., Max Weber, 2007; Weber,
M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G.
u. a., 2007; Fitzi, G., Max Weber, 2008; Petersen, J., Max Webers
Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2008; Weber, M., Zur
Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a.,
2008; Weber, M., Allgemeine (theoretische) Nationalökonomie - Vorlesungen
1894-1898, hg. v. Mommsen, W. u. a., 2009
Wechsel ist die
besonders strengen gesetzlichen Formvorschriften unterliegende Urkunde, in der
eine oder mehrere gegenüber einem Grundgeschäft abstrakte Zahlungsverpflichtungen
verbrieft sind. Der W. entsteht im 13. Jh. in Oberitalien zur Sicherung des
Zahlungsverkehrs vor Überfällen auf Geldstückbeförderungen. Er breitet sich
rasch aus. Seit dem Ende des 16. Jh.s kann er durch Vermerk auf der Rückseite (→
Indossament) leicht weitergegeben werden. Zahlreiche partikulare Wechselordnungen
versuchen eine Regelung der mit ihm verbundenen Fragen. Ihre Vereinheitlichung
im Deutschen Bund strebt die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (1847/1848)
an. Eine Übereinkunft der Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 führt zu
weiterer Internationalisierung (Deutsches Reich 1. 1. 1934 Wechselgesetz).
Tatsächlich tritt der W. aber allmählich hinter den Kontokorrentkredit zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 128, 167; Mittermaier,
C., Über den Zustand der Gesetzgebung, AcP 25 (1842), 114, 284, 26 (1843), 114,
446, 27 (1844), 120; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen
Wechselordnung ..., 1848; Canstein, R. v., Lehrbuch des Wechselrechts, 1890;
Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957; Schaube, A., Einige Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte der
Tratte, ZRG GA 14 (1893), 111; Freundt, C., Das Wechselrecht der
Postglossatoren, 1899ff.; Valery, J., Une traité de Philippe Le Bel, 1909;
Nicolini, U., Studi storici sul pagherò cambiario, 1936; Holden, J., The
History of Negotiable Instruments, 1955; Cassandro, G., Vicende storiche della
lettera di cambio, Bollettino dell’Archivio storico del Banco di Napoli 1955;
Dabin, L., Fondements du droit cambiaire allemand, 1959; Urfus, V., (Die
Anfänge des Wechselrechts in den böhmischen Ländern und die Anfänge des
neuzeitlichen Handelsrechts), 1959 (deutsche Zusammenfassung); Sedatis, L.,
Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,844, 3,3,2,893; Remde, A., Lettera di cambio
und suftada, Diss. jur. Köln 1987; Huber, U., Das Reichsgesetz über die Einführung
einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77; Schubert, W., Die Einführung der
Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 224; Bergfeld, C., Deutsches und
schweizerisches Wechselrecht, FS H. Thieme, 1986; Denzel, M., La Practica della
Cambiatura, 1994; Riedi Hunold, D., Die Einführung der allgemeinen
Wechselfähigkeit in der Schweiz, 2004; Freund, J., Die Wechselverpflichtung im
19. Jahrhundert, 2008
Wechselrecht →
Wechsel
wederstadinge (mnd.
[F.]) Wiedererstattung, Gegenwert
Weg ist die zum
regelmäßigen Gehen oder Fahren benutzte oder bestimmte Erdoberfläche.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die
Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Friehe, H., Wegerecht und
Wegeverwaltung in der alten Grafschaft Schaumburg, 1971
Wegfall der Geschäftsgrundlage
ist das Entfallen der vorausgesetzten Umstände eines Geschäftes. Der W. d. G. wird
in Deutschland im 20. Jh. als Nachfolger der sog. (lat.) clausula (F.) rebus
sic stantibus zur Erfassung unvorhergesehener Verläufe entwickelt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270
Wegsperre (lat. via
[F.] lacina) ist vor allem im Frühmittelalter die Versperrung
eines Weges, die als bußpflichtiges Verhalten eingeordnet wird.
Lit.: Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
wehading (ahd.
[N.]) Zweikampf
Wehr
Lit.:
Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280
Wehrdienst ist der
seit der allgemeinen Wehrpflicht des 19. Jh.s (Preußen 1814) erscheinende
Dienst als Soldat bei den Streitkräften.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, T., Die Wehrverfassung des
Dritten Reiches und die DDR, 1998; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a.,
1998; Wehrmacht und Vernichtungspolitik, hg. v. Pohl, K., 1999
Wehrersatzkommission ist
die in Preußen seit dem 18. Jh. (1743, 1764, 1793, 1814) eingeführte Behörde
für Musterungen und Festlegungen der Reihenfolge der Verfügbarkeit.
Lit.: Jähns, M., Geschichte der Kriegswissenschaft, Bd. 3
1891, Neudruck 1966; Witte, F., Die rechtliche Stellung der
Bundeswehrverwaltung, 1963
Wehrmacht s.
Heer
Lit.: Oldenburg, M.,
Ideologie und militärisches Kalkül, 2004; Hartmann, C. u. a., Verbrechen der
Wehrmacht, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Kunz, A.,
Wehrmacht und Niederlage, 2005; Arnold, K., Die Wehrmacht und die
Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion, 2005; Pohl, D.,
Die Herrschaft der Wehrmacht, 2008, 2. A. 2009; Hasenclever, J., Wehrmacht und
Besatzungspolitik in der Sowjetunion, 2009; Buchmann, B., Österreicher in der
deutschen Wehrmacht, 2009; Förster, J., Die Wehrmacht im NS-Staat, 2. A. 2009
Wehrpflicht ist die Pflicht, dem Staat als Soldat zu dienen. Sie erscheint als Ausgleich der demokratischen Teilhabe am Staat seit dem späten 18. Jh. (Frankreich 1793, Preußen 3. 9. 1814).
Lit.: Baumann, W., Die Entwicklung der Wehrpflicht in der
schweizerischen Eidgenossenschaft 1803-1874, 1932; Conrad, H., Geschichte der
deutschen Wehrverfassung, 1939; Böhme, H., Die Wehrverfassung in Hessen-Kassel,
1954; Händel, H., Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in der Wehrverfassung
des Königreiches Preußen, Diss. jur. Bonn 1961; Die Wehrpflicht, hg. v.
Foerster, R., 1994; Frevert, U., Militärdienst und Zivilgesellschaft in
Deutschland, 2001; Fritsche,
M., Entziehungen, 2004
Weibel (M.) Büttel,
Fronbote, Gerichtsdiener
Lit.:
Müller, W., Die Weibelhuben, ZRG GA 83 (1966), 202 (bisher 39 Weibelhuben in
Südwestdeutschland ab 12. Jh. bekannt)
Weiberlehen ist das
seit dem 12. Jh. nachweisbare, später weiter verbreitete, jedoch stets als
Abweichung vom Grundsatz verstandene Lehen an eine Frau (z. B. Österreich
1156). Bei der Erbfolge gilt die weibliche Lehnsfolge als subsidiär.
Lit.: Bovet, S., Die Stellung der Frau, Diss. jur. Basel
1927; Ermolaef, A., Die Sonderstellung der Frau, Diss. jur. Bern 1930; Ven, G.
van der, Die Entwicklung der weiblichen Erbfolge, Diss. jur. Marburg 1949;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Iblher von
Greiffen, N., Die Lehenserbfolge in weiblicher Linie, 1990
Weichbild (lat.
forma [F.] vici?) ist die Art und das Recht einer geschlossenen
Siedlung in Norddeutschland seit dem 12. Jh. (1170 Westfalen). Damit werden
später das Stadtrecht und das Stadtgebiet bezeichnet. Sachlich ist mit W. vor
allem eine besondere Erbleihe angesprochen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 104; Kroeschell,
K., Weichbild, 1960; Kroeschell, K., Stadtgründung und Weichbildrecht, 1960;
Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt,
1973, 61; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG
GA 95 (1978), 121
Weichbildglosse ist
die im 14. Jh. vermutlich in Magdeburg verfasste mittelniederdeutsche
Glossierung des sächsischen Weichbildrechts (Rechtsbuch von der
Gerichtsverfassung). Eine ursprüngliche Fassung des sich auf einen Dr.
decretorum unde legum Burchard von Mangelfelt zurückführenden, stark römischrechtlich
durchsetzten Werkes liegt in 10 Handschriften vor, eine erweiterte Fassung in 5
Handschriften. Hinzu kommen zwei Sonderformen.
Lit.: Das sächsische Weichbildrecht, hg. v. Daniels, A. v.
u. a., 1857; Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen, 1875; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 75
Weichbildrecht (Rechtsbuch
von der Gerichtsverfassung) ist das vielleicht zwischen 1257-1261 (1241-1269)
in Magdeburg (oder Halle) unter freier Benutzung des → Sachsenspiegels
niedergeschriebene Rechtsbuch, das später mehrfach ergänzt und im letzten
Drittel zur Weichbildvulgata erweitert wird.
Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869, 32;
Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47
Weichbildvulgata ist
das im letzten Drittel des 13. Jh.s aus → Weichbildrecht, einer
Weichbildchronik und Schöffenrecht mit Auszügen aus dem → Sachsenspiegel
und anderen Quellen entstandene Rechtsbuch in 136 Artikeln.
Lit.: Das buk wichbilderecht, hg. v. Daniels, A. v., 1853;
Das sächsische Weichbild, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Oppitz, D.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47
Weiderecht (Hutrecht)
ist das in Mittelalter und früher Neuzeit weitverbreitete Recht, Vieh auf eine
Weide zu treiben. Es ist vielfach in Weistümern näher geregelt. Im 19. Jh.
werden viele Weiderechte aufgehoben.
Lit.: Hübner; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der
Alpwirtschaft, 1948, 82; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 2 1962, 170; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Heindl, M.,
Die Ablösung der Weiderechte, Diss. jur. Regensburg, 1995
Weidlich, Christoph
(Schafstädt bei Magdeburg 1713–Halle 1781) wird nach dem Rechtsstudium in
Leipzig (Nettelbladt) sächsischer Rat und Advokat. Er veröffentlicht seit 1748
biographische Notizen von Juristen seiner Zeit.
Weigel, Erhard
(Weiden 16. 12. 1625-Jena 21. 4. 1699) befasst sich als Professor der
Mathematik in Jena mit der Anwendung der mathematischen Methode (lat. mos [M.]
geometricus) auf Ethik, Politik und Recht. Obwohl er über bloße Zahlenspielerei
nicht hinausgelangt, beeinflusst er → Pufendorf und → Leibniz.
Pufendorf bezieht von ihm die Anregung allgemeiner Teile der Rechtswissenschaft.
Lit.: Spieß, E., Erhard, Weigel, 1881; Stephanitz, D. v.,
Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Denzer, H., Moralphilosophie und
Naturrecht, 1972
Weimar an der Ilm
ist die 975 erstmals erwähnte Burg, die 1382 Sitz einer Linie des Hauses →
Wettin wird. Berühmt wird W., von dem zwischen 1307 und 1500 weniger als 60
Urkunden, aber ein Stadtbuch bzw. Ratshandelsbuch (1380-1410) und ein
Statutenbuch (ab 1433) überliefert sind, durch die dortige Tätigkeit →
Goethes. 1919 wird Weimar Tagungsort der deutschen Nationalversammlung, die am
14. 8. 1919 eine → Verfassung für das Republik gewordene Deutsche Reich
verabschiedet (Grundrechte).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Steinfeld, T.,
Weimar, 1988; Merseburger, P., Mythos Weimar, 1998; Boden, R., Die Weimarer
Nationalversammlung und die deutsche Außenpolitik, 2000; Goethes Weimar und die
französische Revolution, hg. v. Wilson, W., 2004; Die Weimarer Stadtbücher, hg.
v. Steinführer, H., 2005; Weimar 1919, hg. v. Ulbricht, J., 2009
Weimarer Nationalversammlung →
Weimar
Weimarer Reichsverfassung ist
die von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler Hugo → Preuß seit 15.
11. 1918 entworfene, am 31. 7. 1919 von der vom 6. 2.-11. 8. 1919 tagenden
Weimarer Nationalversammlung (9,6 Prozent Frauen) beschlossene und am 11. 8.
1919 verkündete Verfassung des Deutschen Reiches. Ihre 181 Artikel gliedern
sich in einen Organisationsteil (1-108) und einen Grundrechtsteil (109-165).
Danach ist das Reich ein unitarischer Bundesstaat mit zuletzt 17 Ländern
(Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen, Oldenburg,
Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Bremen,
Hamburg, Lübeck, Lippe, Schaumburg-Lippe). Es ist eine Republik, in der alle
Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das Volk Volksentscheide und Volksbegehren
durchführen kann und in allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlen den
Reichspräsidenten und den Reichstag (Verhältniswahlrecht mit 60000 Stimmen pro
Abgeordneten) bestimmt. Der Reichstag ist gemeinsam mit dem Reichsrat zuständig
für die Gesetzgebung. Der Reichspräsident ist Staatsoberhaupt und regiert
durch den von ihm ernennbaren und absetzbaren Reichskanzler und die Reichsminister,
die des Vertrauens des Reichstags bedürfen. Er hat ein Notverordnungsrecht und
kann den Reichstag auflösen. Oberstes Gericht ist das Reichsgericht (in
Leipzig). Reichsrecht bricht Landesrecht. Die Ausführung der Gesetze steht den
Ländern zu. Die Gerichtsbarkeit ist weitgehend Sache der Länder. Die
Grundrechte sind in erster Linie Programmsätze. Die W. R. endet sachlich am
30. 1. 1933 surch die Ernennung Adolf Hilters als Führers der stärksten Partei
zum Reichskanzler (einer konservativen Koalition) bzw. allmählich zwischen dem
28. 2. 1933 und dem 30. 1. 1934 durch Aushöhlung rechtstatsächlich. Formell
wird die W. R. erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck
1968; Bracher, D., Die Entstehung der Weimarer Verfassung, 1963; Apelt, W.,
Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. A. 1964; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 6. A. 2010, § 37; Gusy, C., Die Weimarer
Reichsverfassung, 1997; Achtzig Jahre Weimarer Reichsverfassung, hg. v. Eichenhofer,
E., 1999; Fromme, F., Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 3. A.
1999; Schau, G., Das Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht, 2002;
Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004
Weimarer Republik ist der
nichtamtliche Name für das Deutsche Reich vom (9. 11. 1918 bzw.) 14. 8. 1919
bis zur Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler am 30. 1. 1933. Die als Folge
des Versailler Vertrages an erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
leidende W. R. ist zwar demokratisch verfasst, aber in der politischen
Wirklichkeit instabil, weil sich große Teile der Bevölkerung, insbesondere
auch die politisch bestimmende Klasse, nicht mit dem Staat identifizieren. Die
wirtschaftlichen Krisen verunsichern die Bevölkerung und treiben sie auf der
Grundlage der immer weiter um sich greifenden Überzeugung, dass eine
vollständige Umkehr unvermeidlich und eine neue Ordnung unentbehrlich sei, den
extremen Parteien zu, von denen 1932 die Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf → Hitlers stärkste Partei des Reichstages
wird. 1932 setzt der auf Grund einer Notverordnung des Reichspräsidenten zum
Reichskommissar für Preußen ernannte Reichskanzler Franz von Papen die Landesregierung
Preußens ab und eine Reichskommission ein (Preußenschlag). Im Januar 1933
versucht der im November 1932 gestürzte Reichskanzler Franz von Papen mit dem
durch Wahlniederlagen in Thüringen und Sachsen geschwächten Hitler an die Macht
zurückzukehren. Mit Hitler endet die W. R. durch die Diktatur des →
Dritten Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Braun, O., Von
Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Akten der Reichskanzlei Weimarer Republik, Bd.
1f. 1968ff.; Rosenberg, A., Geschichte der Weimarer Republik, 12. A. 1971;
Heiber, A., Die Republik von Weimar, 5. A. 1971; Bracher, K., Die Auflösung der
Weimarer Republik, 5. A. 1971; Meinck, J., Weimarer Staatslehre und
Nationalsozialismus, 1978; Das Ende der Weimarer Republik, hg. v. Gessner, D.,
1978; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984;
Kolb, E., Die Weimarer Republik, 3. A. 1998, 7. A. 2009; Die Weimarer Republik,
hg. v. Bracher, K. u. a., 1987; Weimar-Index. Deutscher Reichsanzeiger und
preußischer Staatsanzeiger, Register 1918-1933, bearb. v. Schumacher, M., 1988;
Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Biographisches Lexikon zur Weimarer
Republik, hg. v. Benz, W. u. a., 1988; Winkler, H., Weimar 1918-1933, 2. A.
1994; Rückert, A., Politik und Privatrecht, 1997; Hoppe, B., Von der
parlamentarischen Demokratie zum Präsidialstaat, 1999; Lehnert, D., Die
Weimarer Republik, 1999; Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, hg. v.
Gusy, C., 2000; Wirsching, A., Die Weimarer Republik, 2000, 2. A. 2008;
Schumann, D., Politische Gewalt in der Weimarer Republik, 2001; Gessner, D.,
Die Weimarer Republik, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der
Weimarer Republik, 2002; Scheidemann, P., Das historische Versagen der SPD,
2002; Die Weimarer Republik, hg. v. Fröhlich, M., 2002; Linke Juristen in der
Weimarer Republik, hg. v. Gangl, M., 2003; Marcowitz, R., Weimarer Republik
1929-1933, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Mülhausen,
W., Friedrich Ebert 1871-1925, 2006, 2. A. 2007; Pyta, W., Hindenburg, 2007;
Vernunftrepublikanismus in der Weimarer Republik, hg. v. Wirsching, A. u. a.,
2008; Marcowitz, R., Die Weimarer Republik 1929-1933, 3. A: 2009
Wein ist das aus
der Frucht des Weinstocks erzeugte, schon den Römern bekannte alkoholische
Getränk. Die Römer kennen auch bereits die Weinverfälschung. Im Mittelalter
erscheint der W. bei Abschluss von Kaufverträgen (Weinkauf, gemeinsames Trinken
als Teil des Vertragsschlusses). Rechtlich wird die Herstellung von W. vor
allem seit dem 19. Jh. (1892, 1901, 1909, 1930, 1971, 1982, 1992) genauer
geordnet.
Lit.: Hübner; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, 306; Bassermann-Jordan, F. v., Geschichte des
Weinbaues, 2. A. 1923; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen
Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Beyerle, F., Weinkauf und
Gottespfennig, FS A. Schultze, 1934, 251; Herold, H., Rechtsverhältnisse im
schweizerischen Weinbau, 1936; Rieger, R., Die Weinfälschung im Strafrecht,
1949; Gönnenwein, O., Zur Geschichte des Weinbaurechts, ZRG GA 80 (1963), 157;
Koch, H, Weintrinker und Weingesetz, 1970; Zipfel, W., Weinrecht, 1972;
Schoene, R., Bibliographie zur Geschichte des Weines, 1976; Schreiber, G.,
Deutsche Weingeschichte, 1980; Freund, G., Die Reichspolizeiordnungen, ZNR 11
(1989), 1; Koch, H., Das neue Weingesetz, NJW 1994, 2880; Kiewisch, S., Obstbau
und Kellerei in lateinischen Fachprosaschriften, 1995; Dippel, H., Hundert
Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 20 (1998); Weinproduktion und Weinkonsum im
Mittelalter, hg. v. Matheus, M., 1999; Wunderer, R., Weinbau und Weinbereitung
im Mittelalter, 2001; Koch, H., Neues vom Weinrecht, NJW 2004, 2135
Weißenburg im
Elsass ist die an der Lauter in der zweiten Hälfte des 7. Jh.s gegründete Benediktinerabtei,
die zahlreiche Gaben schon früh beurkundet (Chartular von 855/860, mehr als 250
Urkunden, rund 70 nachweisbare Schreiber). Daneben entwickelt sich eine
Reichsstadt. 1672 wird W. von Frankreich annektiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Traditiones Wizenburgenses,
hg. v. Doll, A., 1979
Weistum ist das
durch mündliche Erklärung (Weisung) alter Männer als bestehend erwiesene
Gewohnheitsrecht. Nach dem Vorbild des (lat.) Pactus (M.) legis Salicae (Einung
des salfränkischen Rechtes) nimmt man an, dass große Teile der →
Volksrechte als W. zur Schriftform gefunden haben. Seit dem Hochmittelalter
werden verallgemeinernd die ländlichen und dörflichen Rechtsquellen als
Weistümer (oder auch anders) bezeichnet. Ihre Aufzeichnung findet vor allem in
Spätmittelalter und Frühneuzeit statt. Ihr Inhalt kann auf bewusster Setzung,
Vereinbarung oder gewohnheitsmäßiger Anerkennung beruhen. Die Setzung kann
durch einen Herrn oder die Betroffenen geschehen. Sie kann als Privileg oder
mit allgemeiner Geltungskraft erfolgen. Die moderne Erforschung der Weistümer
beginnt mit der Sammlung und Ausgabe der Weistümer durch Jakob Grimm (1840).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104;
Weistümer, hg. v. Grimm, J., Bd. 1ff. 1840ff.; Österreichische Weistümer, Bd.
1ff. 1870ff.; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1ff. 1900ff.; Fehr, H., Die
Rechtsstellung der Frau, 1912; Kurkölnische Weistümer, hg. v. Aubin, H. u. a.,
Bd. 1ff. 1913ff.; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1ff. 1917ff.;
Patzelt, E., Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich, 1924,
Neudruck 1979; Wießner, H., Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der
Weistümer, 1934; Finsterwalder, P., Beiträge zur Kenntnis oberelsässischer
Weistümer, ZRG GA 56 (1936), 380; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau
der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Gehring, P., Um die Weistümer, ZRG GA
60 (1940), 261; Oberösterreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1939ff.; Kollnig, K.,
Elsässische Weistümer, 1941; Baltl, H., Die österreichischen Weistümer, MIÖG 59
(1951), 365, 61 (1953), 38; Fränkische Bauernweistümer, hg. v. Dinklage, K.,
1954ff.; Pfälzische Weistümer, hg. v. Weizsäcker, W. u. a., Bd. 1ff. 1957ff.;
Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Die Weistümer der
Zent Schriesheim, hg. v. Kollnig, K. 1968; Kocher, G., Richter und
Stabübergabe, 1971; Werkmüller, D., Über Aufkommen und Verbreitung der
Weistümer, 1973; Vorarlberger Weistümer, hg. v. Burmeister, K., 1973; Feigl,
H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Eder. I., Die
saarländischen Weistümer, 1978; Laufs, A., Die Weistümer der Zenten Schriesheim
und Kirchheim, ZRG GA 98 (1981), 276; Werkmüller, D., Die Weistümer, (in)
Brüder-Grimm-Symposion, 1986, 103; Reis, R., Deutsches Privatrecht in den
Weistümern, 1987; Schildt, B., Die Weistümer der Grafschaft Mark, Beitr. z. G.
Dortumnds 88 (1997), 140 Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007
Weißrussland (Belarus)
Lit.: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. v. Beyrau,
D. u. a., 2001
Welcker, Karl
Theodor (Oberofleiden in Oberhessen 29. 3. 1790-Heidelberg 10. 3. 1869),
Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Heidelberg 1813
Professor in Gießen, 1814 in Kiel, 1816 in Heidelberg, 1819 in Bonn und 1822 in
Freiburg im Breisgau. 1831 fordert er die Bildung eines deutschen Parlamentes.
Zusammen mit → Rotteck veröffentlicht er von 1834 an das den Liberalismus
prägende Staatslexikon. 1848 ist er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.
Lit.: Wild, K., Karl Theodor Welcker, 1913; Böhringer, A.,
Die Rechtslehre Karl Theodor Welckers, Diss. jur. Tübingen 1952; Müller-Dietz,
H., Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor Welcker, 1968;
Schöttle, R., Politische Freiheit für die deutsche Nation, 1985
Welfe ist der
Angehörige eines bayerischen, schwäbischen oder fränkischen, vielleicht seit
der Mitte des 8. Jh.s nördlich des Bodensees begüterten, 819 erstmals sicher
nachweisbaren Geschlechts (1070-1138, 1156-1180 Herzog von Bayern, 1137-1180
auch Herzog von Sachsen). Der bekannteste W. ist → Heinrich der Löwe
(1129-1191), der als Vetter und Gegner Kaiser Friedrichs I. Barbarossa 1180 die
Herzogtümer Bayern und Sachsen verliert. Von 1198 bis 1218 ist der Welfe Otto
IV. Gegenkaiser der Staufer. Den Welfen bleibt das Eigengut
Braunschweig-Lüneburg (1235 Herzogtum, 1692 Kurfürstentum, 1714 zugleich
König von Großbritannien bis 1901) bis 1866 (Lüneburg bzw. Hannover, dann an
Preußen) bzw. 1918 (Braunschweig, dann Ende der Monarchie).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Köbler,
Historisches Lexikon; Historia Welforum, hg. v. König, E., 1938; Diederich, A.,
Staufer und Welfen, 1938; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und
Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Kleinau, H., Die von
Werle, 1971; Pischke, G., Die Landesteilungen der Welfen, 1987; Die Welfen und
ihr Braunschweiger Hof, hg. v. Schneidmüller, B., 1995; Hasse, C., Die
welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995;
Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Schneidmüller, B., Die Welfen, 2000;
Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Welf IV., hg. v. Bauer, D. u. a., 2004;
Quellen zur Geschichte der Welfen, hg. v. Becher, M., 2006; Lilienthal, A., Die
Fürstin und die Macht, 2007; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a.,
2009
Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO)
ist die 1995 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade erwachsene
internationale Organisation für den Welthandel (Verhandlungsforum, Handelsorganisation).
Lit.: Beise, M.,
Die Welthandelsorganisation (WTO), 2001; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Weltkrieg ist der
die gesamte Welt erfassende Krieg (1914-1918, 1939-1945).
Lit.: Köbler, DRG 173, 223, 244; Hattenhauer, H.,
Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Der erste Weltkrieg, hg.
v. Michalka, W., 1994; Stolleis, M., Der lange Abschied vom neunzehnten
Jahrhundert, 1997; Achter Mai 1945 – Befreung oder Kapitulation?, hg. v.
Schröder, R., 1997; Overmans, R., Deutsche militärische Verluste im zweiten
Weltkrieg, 1999; Kriegsende 1919, hg. v. Duppler, J., 1999; Borchard, M., Die
deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, 2000; Strachan, H., The first
World war, Bd. 1 2001; Müller, K., Oktroyierte Verliererjustiz nach dem ersten
Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts 39 (2001), 201; Pöhlmann, Markus,
Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik - Der erste Weltkrieg, 2002; Salewski,
M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Enzyklopädie des ersten Weltkriegs, hg. v.
Hirschfeld, G. u. a., 2002, 2. A. 2004; Erster Weltkrieg – zweiter Weltkrieg,
hg. v. Thoß, B. u. a., 2002; Pöhlmann, M., Kriegsgeschichte und
Geschichtspolitik – Der erste Weltkrieg, 2002; Der erste Weltkrieg und das 20.
Jahrhundert, hg. v. Winter, J. u. a., 2002; Schreiber, G., Der zweite
Weltkrieg, 2002; Berghahn, V., Der erste Weltkrieg, 2003; Barth, B.,
Dolchstoßlegende und politische Desintegration, 2003; Overy, R., Russlands
Krieg 1941-1945, 2003; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Neitzel,
S., Deutschland und der erste Weltkrieg, 2003; Enzyklopädie erster Weltkrieg,
hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2003; Horne, J./Kramer, A., Deutsche Kriegsgreuel
1914, 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Burgdorff, S. u. a. 2004; Strachan, H.,
Der erste Weltkrieg, 2004; Rombeck-Jaschinski, U., Das Londoner Schuldenabkommen,
2004; Kriegsende 1945, hg. v. Rusinek, B., 2004; Müller, R., Der Bombenkrieg
1939-1945, 2004; Müller, R., Der zweite Weltkrieg, 2004; Schreiber, G., Kurze
Geschichte des zweiten Weltkriegs, 2005; Ueberschär, G. u. a., 1945, 2005;
Salewski, M., Deutschland und der zweite Weltkrieg, 2005; Der zweite Weltkrieg,
hg. v. Kuß, S. u. a., 2006; Der zweite Weltkrieg und seine Folgen, hg. v.
Martin, B., 2006; Golla, K., Die deutsche Fallschirmtruppe 1936-1941, 2006; Die
Ostfront 1943/44, hg. v. Frieser, K. u. a., 2007; Goeken-Haidl, U., Der Weg
zurück. Die Repatriierung, 2007; Zimmermann, J., Pflicht zum Untergang, 2009;
Kruse, W., Der erste Weltkrieg, 2009; Hartmann, C. u. a., der deutsche Krieg
im Osten 1941-1944, 2009
Weltliches Recht
(lat. ius [N.] civile) ist das für weltliche Angelegenheiten geltende
bzw. das von weltlichen Kreisen geschaffene Recht im Gegensatz zum Kirchenrecht
(lat. ius [N.] canonicum).
Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971
Weltraum ist der die Erde umgebende Teil
der Welt.
Lit.: Reinke, N., Geschichte
der deutschen Raumfahrtpolitik, 2004
Welzel, Hans (Artern/Unstrut 25. 3. 1904-Andernach 5. 5. 1977) wird nach dem Rechtsstudium in Jena 1937 Professor in Göttingen und 1952 in Bonn. Er entwickelt für das Strafrecht den finalen Handlungsbegriff, der den Vorsatz als subjektiven Tatbestand zum (objektiven) Tatbestand im engeren Sinn zieht. In seiner Rechtsphilosophie fordert er für die Rechtsgeltung die Anerkennung des Menschen als verantwortliches Wesen und den Bezug auf Vernunft, Gewissen und demokratische Diskussion.
Lit.: Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit,
1951, 4. A. 1962; Gössel, K., Wertungsprobleme des Begriffs der finalen
Handlung, 1966; Kaufmann, A., Strafrechtsdogmatik, 1982; Sticht, O., Sachlogik
als Naturrecht?, 2000
Wende ist die
ältere Sammelbezeichnung für den → Slawen an der deutschen Nordostgrenze.
Lit.: Hugelmann, K., Die Rechtsstellung der Wenden im
deutschen Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 214; Die Slawen in Deutschland, hg. v.
Herrmann, E., 1970; Oschlies, W., Die Sorben, 1972
Wenger, Leopold
(Obervellach/Kärnten 4. 9. 1874-21. 9. 1953), Bauernsohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Graz 1902 außerordentlicher Professor, dann ordentlicher
Professor in Wien (1904), Graz (1905), Heidelberg (1908), München (1909) und Wien
(1935). Beeinflusst von Ludwig Mitteis wendet er sich der Papyrologie zu und
versteht als sein Forschungsgebiet umfassend die antike Rechtsgeschichte.
Innerhalb des römischen Rechts bietet er eine grundlegende Zusammenfassung
über „Die Quellen des römischen Rechts“ (1953).
Lit.: Kaser, M., Leopold Wenger, ZRG GA 71 (1954), XIII
Wenzelskrone ist die auf König Wenzel I. (1230-1253) zurückgehende Krone des Königs
von Böhmen. Länder der W. sind (unter
den Habsburgern) Böhmen, Mähren, Schlesien und die Lausitz.
Wer A sagt, muss auch B sagen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, 1996, 25 (Pistorius 1716)
Werböczy, Stephanus
(um 1458-1541) wird nach einem (nicht gesicherten) Studium im Ausland (Krakau
1492) (1492 Amtsträger des Königs von Ungarn, nach Adoption durch Mihály Szobi)
Protonotar hoher ungarischer Gerichte (1502) und schließlich Kanzler eines
Gegenkönigs. 1514 veröffentlicht er eine Zusammenfassung des in Ungarn unter Rezeption
römischen Rechts geltenden Gewohnheitsrechts ([lat.]
Tripartitum opus [N.] iuris consuetudinarii incliti regni Hungariae.
Dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts des ruhmreichen Königreichs Ungarn).
Obwohl das die Interessen des Adels sichernde, vom Landtag wohl gebilligte Werk
nie in Kraft tritt, gilt es teilweise bis 1945 gewohnheitsrechtlich.
Lit.: Frankói, V., Werböczy, 1899; Zlinszky, J., Werböczy
jog forrástana, (in) Jogtudományi Közlöny, 1993, 374; Tanulmányok Werbőczy Istvánról, hg.v. Hamza, G.,
2001; Werböczy, S., The Customary Law of the renowned kingdom of Hungary
in three parts, 1517, hg. und übers. v. Bak, J. u. a., 2006
Werbung
Lit.: Rücker, M.,
Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000; Ilgen, V./Schindelbeck,
D., Am Anfang war die Litfaßsäule, 2006
Werden
Lit.: Hoederath, H.,
Hufe, Manse und Mark in den Quellen der Großgrundherrschaft Werden am Ausgang
der Karolingerzeit, ZRG GA 68 (1951), 211; Brand, J., Geschichte der ehemaligen
Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von
Stadt und Stift Essen 86 (1971)
Werfen ist das einen Gegenstand durch die Luft Schleudern. Es kann im Mittelalter rechtssymbolische Bedeutung haben.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943
Wergeld ist im Mittelalter
die in Sachen (z. B. Vieh, Waffen, Geräte) erbrachte Ausgleichsleistung für
die ausgleichspflichtige Tötung eines Menschen. Das W. lässt sich bereits für
die Germanen vermuten. Es fällt teilweise an die Verwandten des Getöteten,
teilweise an den König (Friedensgeld). Es wird vermutlich ursprünglich im
einzelnen Fall besonders ausgehandelt. In den Volksrechten erscheinen feste,
vom jeweiligen Stand abhängige Schillingbeträge (→ Kompositionensystem
z. B. bei einem fränkischen Freien 200 Schillinge d. h. 100 Rinder) als
Rechnungseinheiten. Mit dem Aufkommen der peinlichen → Strafe seit dem
11. Jh. verschwindet es allmählich.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 91, 119,
120; Köbler, WAS; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten,
ZRG GA 3 (1882), 1; Vinogradoff, P., Wergeld und Stand, ZRG GA 23 (1902), 123;
Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 102; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Lintzel, M., Zur
altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Ganahl, K., Hufe und
Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Stutz, U., J. Brissaud und Heinrich Brunners
Erklärung des Römerwergeldes, ZRG GA 55 (1935), 287; Fenger, O., Fehde og
mandebod, 1971
Werkvertrag ist der
gegenseitige Vertrag, in dem sich der Unternehmer verpflichtet, ein Werk für
den Besteller gegen Entgelt herzustellen. Der W. ist bereits dem römischen
Recht als (lat.) locatio (F.) conductio operis (z. B. Herstellung einer Sache
aus übergebenem Stoff, Reinigung einer Sache, Beförderung einer Sache,
Unterrichtung eines Sklaven, conductor ist der zu Erfolg verpflichtete
Hersteller, locator der Besteller des Werkes) bekannt. Danach erscheint der W.
wieder in der hochmittelalterlichen Stadt, in welcher der Unternehmer vielfach
durch die Zunft eingeschränkt wird.. Seit dem Spätmittelalter wird das römische
Recht aufgenommen. In der Aufklärung wird der W. aus der Verbindung mit der
Miete gelöst und dem Dienstvertrag zur Seite gestellt. Von ihm ist er durch den
notwendigen Erfolg zu unterscheiden. Vielfach sind danach Gefahrtragung oder
Gewährleistung deutschrechtlich gelöst, anderes wie etwa der Verzug römischrechtlich.
Werklieferungsvertrag ist gegenüber dem W. der dem Kauf ähnliche Vertrag über
die Herstellung eines Werkes aus Stoffen des Unternehmers oder Herstellers.
Lit.: Kaser § 42 I, IV; Söllner § 9; Hübner 584;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 45, 127; Riezler, E., Der Werkvertrag nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1900; Rothenbücher, K., Geschichte des
Werkvertrages, 1906; Benöhr, H., Das Gesetz als Instrument zur Lösung
sozialpolitischer Konflikte, ZRG GA 95 (1978), 221; Schubert, W., Die
Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Werkvertrag, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 281; Fels, A., Die Sachmängelgewährleistung
im Werkvertragsrecht des BGB, 2000; Büscher, M., Künstlerverträge in der
Florentiner Renaissance, 2002
Wert ist
die zum Wohl eines Lebewesens beitragende Gegebenheit. Die angesehensten
rechtlichen Werte können in der Gegenwart durch die Verfassung besonders
geschützt. sein. Sie können zu einem Wertesystem zusammengefügt sein.
Lit.: Wapler, F., Werte und das
Recht, 2008
Wertheim
Lit.: Der Lehenhof der
Grafen von Wertheim, 1955; Zimmermann, K., Obrigkeit, Bürgertum und
Wirtschaftsformen im alten Wertheim, 1975
Wertpapier ist die Urkunde, deren Innehabung Voraussetzung für die Geltendmachung des in ihr verbrieften Rechtes ist. Die erst von Heinrich Brunner zusammengefassten Wertpapiere erscheinen in Frühformen an oberitalienischen Handelsplätzen seit dem 12. Jh. Im Vordergrund steht dabei der → Wechsel. In der frühen Neuzeit gewinnt das W. allgemeinere Bedeutung. In der Mitte des 19. Jh.s bildet es den ersten Ansatzpunkt zur gesetzlichen Rechtsvereinheitlichung im Deutschen Bund (→ Allgemeine Deutsche Wechselordnung). 1908 wird im Deutschen Reich auch der → Scheck W. Am Ende des 20. Jh.s treten die nur noch elektronisch dokumentierte Rechte vor.
Lit.: Hübner § 88; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128, 167,
218, 272; Salvioli, G., I titoli al portatore, 1883; Goldschmidt, L., Universalgeschichte
des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Cordes, J., Begriffe und
Arten der Wertpapiere, Diss. jur. Kiel 1898; Schultze-von Lasaulx, H., Beiträge
zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Sedatis, L., Über den Ursprung der
Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,686; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher
Urkunden, FS Eichler, H., 1977, 645; Abschied vom Wertpapier, hg. v. Kreuzer,
K., 1988
Wertsicherung ist
die Sicherung des Wertes einer Geldforderung gegen die Geldentwertung. Sie
wird im Deutschen Reich seit 1914 bedeutsam. Seit 1934 werden diesbezügliche
Vertragsklauseln eingeschränkt.
Lit.: Dürkes, W., Wertsicherungsklauseln, 10. A. 1992
Wertungsjurisprudenz
ist die seit 1930 bzw. seit der Mitte des 20. Jh.s (Karl Larenz, Franz
Wieacker, Heinrich Lange, Mittel und Ziel der Rechtsfindung im Zivilrecht, Z.
d. Ak. f. dt. R. 1936, 922) erkennbare Lehre, nach der Rechtssätze nicht
mechanisch aus der Wirkung kausaler Interessen entstehen, sondern sich auf eine
Wertung der an der Gesetzgebung Beteiligten gründen und bei der Auslegung
objektiv-teleologische Kriterien (z. B. Gleichbehandlungsgrundsatz, Sachgemäßheit)
heranzuziehen sind. Die W. setzt ein in der Gesamtrechtsordnung enthaltenes
Wertesystem voraus.
Lit.: Petersen, J., Von
der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001; Rückert, J.,
Vom „Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125 (2008), 199
Wer zuerst kommt,
mahlt zuerst.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 100 (Henisch 1616, lat. prior tempore potior iure)
Wesel
Lit.: Stadtrechnungen
von Wesel 1349-1450, bearb. v. Gorissen F., 1963; Weseler Edikte 1324-1600,
bearb. v. Roelen, M. u. a., 2005
Wesenbeck, Matthaeus (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen (Mudaeus), Paris und Löwen 1557 Dozent in Jena und 1569 Professor in Wittenberg. 1576 veröffentlicht er eine Sammlung seiner Rechtsgutachten, 1563 verfasst er einen Kommentar zu den Pandekten. Darin geht er synthetisch vor und bezieht die Rechtspraxis ein.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Dekkers, R., Het
humanisme en de rechtswetenschap, 1938, 191; Lück, H., Ein Niederländer in
Wittenberg, Jb. d. Zentrums f. Niederlande-Studien 1991, 199; Wittenberg. Ein
Zentrum europäischer Rechtsgeschichte und Rechtskultur, hg. v. Lück, H. u. a.,
2006
Westeuropäische Union
(WEU) ist der am 17. 3. 1948 ursprünglich gegen Deutschland gerichtete,
erweitert am 6. 5. 1955 in Kraft getretene Beistandsvertrag zwischen Großbritannien,
Frankreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Deutschland und Italien mit
einem Rat, einer Versammlung und einem Generalsekretariat als wichtigsten
Organ. Am 13. 11. 2000 werden die operativen Aufgaben auf die Europäische Union
übertragen.
Lit.: Fleuß, M., Die operationelle Rolle der
Westeuropäischen Union, 1996; Birk, E., Der Funktionswandel der
Westeuropäischen Union, 1999
Westfale ist der im
Frühmittelalter (2. H. 8. Jh.s) erkennbare Angehörige eines Teilstammes der
Sachsen. Als rechtliche Besonderheit der Westfalen wird die Gütergemeinschaft
hervorgehoben. 1180 wird Westfalen Territorialherzogtum des Erzbischofs von
Köln, das 1815 teilweise an Preußen gelangt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 112, 256;
Westfälisches Urkundenbuch, hg. v. Erhard, H., Bd. 1ff. 1847ff.; Lappe, J., Die
Entstehung und Feldmarkverfassung der Stadt Werne, Zeitschrift für
vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 76 (1917); His, R., Eine
eigentümliche Klausel in westfälischen Schuldurkunden, ZRG GA 42 (1921), 481;
Hömberg, A., Siedlungsgeschichte des oberen Sauerlandes, 1938; Klocke, F. v.,
Fürstenbergsche Geschichte, Bd. 1 1939; Hagemann, A., Von den
mittelalterlichen Ständen Westfalens, ZRG GA 69 (1952), 328; Hagemann, A., Das
westfälisch-niedersächsische Wappenbild, ZRG GA 69 (1952), 340; Deutsches
Städtebuch, Bd. 3, 2 Westfälisches Städtebuch 1954; Wüllner, W., Zivilrecht und
Zivilrechtspflege, 1964; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche
Güterrecht, 1978; Droege, G., Das kölnische Herzogtum Westfalen, 1980; Köbler,
G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen, FS G. Schmelzeisen, 1980, 166;
Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen, 1965; Klueting, H.,
Geschichte Westfalens, 1998; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Das Herzogtum
Westfalen, Bd. 1 hg. v. Klueting, H., 2009
Westfalen
Lit.: Der Raum
Westfalen, Bd. 1ff. hg. v. Aubin, H. u. a., 1931ff.; Süderländische
Geschichtsquellen und Forschungen, hg. v. Dösseler, E., Bd. 1f. 1954f.;
Westfalen – Hanse – Ostseeraum, Beiträge von Winterfeld, L. v. u. a., 1955;
Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Wüllner,
W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege in den westlichen Teilen Westfalens am Ende
des 18. Jahrhunderts, 1964; Klocke, F. v., Westfalen und Nordosteuropa, 1964;
Hartlieb von Wallthor, A., Die landschaftliche Selbstverwaltung Westfalens,
1965; Hömberg, A., Zwischen Rhein und Weser, 1967 (Aufsätze); Klueting, H., Die
Säkularisation im Herzogtum Westfalen 1802-1834, 1980; Ludwig Freiherr Vincke,
hg. v. Behr, H. u. a., 1994
Westfälischer Friede ist der am 24. 10. 1648 in Münster unterzeichnete Vertrag von Münster (zwischen Kaiser und Frankreich) und Osnabrück (zwischen Kaiser und Schweden), der den Dreißigjährigen Krieg beendet. Er bestätigt den Rechtsstand des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Er schwächt das Reich, weil es umfangreiche Gebiete verliert (Elsass an Frankreich, Bremen, Verden und Vorpommern an Schweden) und im Übrigen den etwa 300 nun vorhandenen Reichsgliedern verschiedener Größe und Bedeutung wesentliche Rechte (u. a. Bündnisrecht) zugesteht und damit die Möglichkeit des Gegensatzes und der Auseinandersetzung verstärkt. Durch Beschluss des Reichstags wird er 1654 Reichsgesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 130; Kürschner,
T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Dickmann, F., Der westfälische
Friede, 1959, 6. A. 1992; Acta pacis Westfalicae, hg. v. der Nordrhein-Westfälischen
Ak. D. Wiss., Serie Iff. 1962ff.; Forschungen und Studien zur Geschichte des
westfälischen Friedens, 1965; Scharpwinkel, K., Die westfälischen
Eigentumsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1965;
Böckenförde, E., Der westfälische Friede, Der Staat 8 (1969), 449; Instrumenta
pacis Westphalicae, hg. v. Müller, K., 2. A. 1966; Schubert, F., Die deutschen
Reichstage, 1966; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972;
Ruppert, K., Die kaiserliche Politik auf dem westfälischen Friedenskongress
1643-48, 1979; Kremer, B., Der westfälische Friede, 1989; Willoweit, D.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Immler, G., Kurfürst Maximilian I.
und der westfälische Friedenskongress, 1992; Der westfälische Friede, hg. v.
Duchhardt, H., 1998; Der westfälische Frieden, hg. v. Hey, B., 1998; Repgen,
K., Der westfälische Friede, 1999; Der westfälische Frieden, hg. v. Moorman van
Kappen, O., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Ziegler,
K., Die Bedeutung des westfälischen Friedens von 1648 für das europäische
Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 37 (1999), 129; 350 Jahre westfälischer
Friede, hg. v. Schröder, M., 2000; Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld,
B. u. a., 2000; Gantet, C., La paix de Westphalie, 2001; Croxton, D./Tischer,
A., The Peace of Westphalia, 2002
westfränkisch →
Frankreich
Westgalizien ist
der westliche Teil Galiziens (mit Krakau und Lublin), der 1795 bei der dritten Teilung
Polens an Österreich gelangt. am 19. 12. 1796 tritt dort die österreichische →
Allgemeine Gerichtsordnung vom 1. 5. 1781 in etwas veränderter Form als
Westgalizische Gerichtsordnung in Kraft (nach 1812 auch in Tirol und Salzburg,
gültig bis 1898). Am 13. 2. 1797 wird nach Wiederaufnahme (1790) der
Gesetzgebungsarbeiten an einem bürgerlichen Gesetzbuch, die 1786 nur zu dem
Josephinischen Gesetzbuch geführt hatten, eine frühe, vollständige, aus dem
sog. Entwurf Martini (1795) entwickelte Fassung des späteren →
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches als Bürgerliches Gesetzbuch für
(West-)Galizien (Westgalizisches Gesetzbuch) in Kraft gesetzt (JGS 337, in
Ostgalizien und in der Bukowina am 8. 9. 1797 zum 1. 1. 1798). 1809 fällt W. an
das Großherzogtum Warschau.
Lit.: Köbler, DRG 131, 155; Baltl/Kocher; Der Ur-Entwurf,
hg. v. Ofner, J., Bd. 1 1889, 1ff.; Pfaff, L., Zur Entstehungsgeschichte des
Westgalizischen Gesetzbuches, Jur. Bll. 1890, 399
Westgote ist der
Angehörige des seit 269 n. Chr. sichtbaren westlichen (?) Teilstammes der
Goten. 418/419 gründen die Westgoten ein Reich in Südgallien (Toulouse).
Vermutlich um 475 wird unter König Eurich im (lat.) → Codex (M.)
Euricianus ihr Recht aufgezeichnet. Vor 507 entsteht die für die römische
Bevölkerung geltende (lat.) → Lex (F.) Romana Visigothorum (Römisches
Recht der Westgoten). 507 verlieren die Westgoten ihr in Gallien liegendes
Gebiet an die Franken und werden auf das inzwischen eingenommene →
Spanien (Toledo) verwiesen. Das Recht der Westgoten wird in der (lat.) →
Lex (F.) Visigothorum weiter entwickelt (Leovigild, Chindasvinth,
Reccesvinth). Überreste finden in die → Fueros Eingang. 711 geraten die
Westgoten unter die Herrschaft der → Araber.
Lit.: Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67, 75,
80; Schmeltzer, R., Die Redaktionen des Westgotenrechts, ZRG GA 2 (1881), 123;
Ein neuentdecktes westgotisches Gesetz, ZRG GA 7 (1886), 236; Dopsch, A.,
Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Bergin, A.,
The Law of the Westgoths, 1906; Melicher, T., Der Kampf zwischen Gesetzes- und
Gewohnheitsrecht im Westgotenreiche, 1930; Gesetze der Westgoten, hg. v.
Wohlhaupter, E., 1936; Stroheker, K., Eurich, 1937; Merêa, P., O poder
paternal, Boletim da faculdade de direito 15 (1939); Schultze, A., Über
westgotisch-spanisches Eherecht, 1944 (SB Leipzig); Merêa, P., Estudos de
direito Visigótico, 1948; Beyerle, F., Zur Frühgeschichte der westgotischen
Gesetzgebung, ZRG GA 67 (1950), 1; Reinhart, W., Über die Territorialität der
westgotischen Gesetzbücher, ZRG GA 68 (1951), 348; Claude, D., Geschichte der
Westgoten, 1970; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Claude, D., Adel, Kirche und
Königtum im Westgotenreich, 1971; King, P., Law and society, 1972;
García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Völkl, A., Der Verkauf
der fremden Sache, ZRG RA 110 (1993), 425; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; The Visigoths, hg. v. Ferreiro, A., 1999;
Heather, P., The Visigoths, 2001; Visigoti e
Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Ferreiro, A., The Visigoths in Gaul
and Iberia, 2006; Kampers, G., Geschichte der Westgoten, 2008
Westgötenrecht (Westgötalagh,
Västgötalagh) ist die älteste, um 1220 beginnende, vor allem in Westergötland
(Westgötaland) geltende, schwedische Rechtsaufzeichnung. Von der ältesten
Fassung sind nur Bruchstücke erhalten, von der nächstälteren (Mitte 13. Jh.)
eine Handschrift von etwa 1285, von der jüngeren, wohl 1281 bis 1300
entstandenen Fassung zahlreiche Handschriften seit etwa 1350. Anfänglicher
Verfasser (1220/5) ist vielleicht Eskil Magnusson (um 1175-1227).
Lit.: Westgöta-Lagen, hg. v. Collin, H. u. a., 1827,
Neudruck 1976; Schwedische Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Nelson,
A., Envig och ära, (in) Saga och sed, 1944, 57; Äldere Vastgötalagen, hg. v. Holmbäck,
A. u. a., 1946; Ericsson, G., Den kanoniska rätten, 1967; Aquist, G., Frieden
und Eidschwur, 1968; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978;
Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E.,
Sveriges Medeltidslagar, 1988
Westmannalagh,
Västmannalagh, (Schweden um 1330) → nordisches Recht
Lit.: Hafström, G., De svenska
rättskällornas historia, 1978
Westphalen ist das
kurzlebige, von → Napoleon um Westfalen errichtete Königreich (18. 8.
1807-1. 10. 1813) um Kassel mit einer liberalen Verfassung vom 15. 10. 1807.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Berding, G., Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973; Regierungsakten
des Königreichs Westphalen 1807-1813, bearb. v. Rob, K., 1992; Code Napoléon.
Französisch-deutsch, 1808, Neudruck 1997; Der Code pénal des Königreichs
Westphalen von 1813, hg. v. Schubert, W., 2001; Wrobel, K., Von Tribunalen,
Friedensrichtern und Maires, 2004; Ham, R., Die Constitution für das Königreich
Westphalen von 1807, ZNR 2004, 227; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Modell und Wirklichkeit, hg. v. Dethlefs, G. u.
a., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen, hg. v. Hewig, A. u. a. 2008
Westzone ist die
von 1945 bis 1949 währende Besatzungszone einer der westlichen alliierten
Besatzungsmächte (Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich)
des Deutschen Reiches. Aus den drei Westzonen entsteht die → Bundesrepublik
Deutschland.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Diestelkamp, B., Die
Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Dilcher, H.,
Bürgerliches Recht in den Westzonen, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft, 1989
Wettbewerb ist das
Streben mehrerer nach einem Ziel, das nicht alle gleichzeitig erreichen können,
insbesondere das Streben jedes von mehreren Unternehmen, auf einem gemeinsamen
Markt mit möglichst vielen Kunden abzuschließen. In der mittelalterlichen
Stadt wird der W. durch die → Zunft eingeschränkt. Mit der
Liberalisierung des 19. Jh.s wird dagegen der W. freigegeben (→
Gewerbefreiheit Deutschland 1869). Um daraus entstehende Missbräuche zu
beseitigen wird im Deutschen Reich nach Einzelregeln (1894) ein Gesetz zur
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. 5. 896 erlassen, das 1909 (und
2004) neu gefasst wird. Umgekehrt muss nach einer Kartellverordnung bereits von
2. 11. 1923 am 27. 7. 1957 gegen die aus der steigenden Machtkonzentration
erwachsenden Gefahren ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschaffen
werden, das später noch verschärft wird (1965, 3. 8. 1973 vorbeugende
Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel,
Verstärkung der Missbrauchsaufsicht, 1976, 1980, 1989).
Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 272; Ulmer, E., Warenzeichen
und Wettbewerb, 1929; Swoboda, R., Das Wettbewerbsverbot unter
Handelsgesellschaftern, Diss. jur. Heidelberg 1931; Blaich, F., Kartell- und
Monopolpolitik, 1973; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a.,
1982; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3749; Hof, H.,
Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Schröder, R., Die Entwicklung des
Kartellrechts, 1983; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Baums, T.,
Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994;
Heße, M., Die historische Entwicklung der Wettbewerbsverbote, 1994; Wadle, E.,
Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896, JuS 1996,
1064; Volckart, O., Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung im vormodernen
Deutschland 1000-1800, 2002; Stechow, H. v., Das Gesetz zur Bekämpfung des
unlauteren Wettbewerbs, 2002; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004;
Bormann, J., Wettbewerbsbeschränkungen durch Grundstücksrechte, 2004
Wette ist das
gegenseitige, zur Bekräftigung bestimmter widerstreitender Behauptungen
mehrerer Vertragspartner dienende Versprechen dahingehend, dass dem, dessen
Behauptung sich als richtig erweist, ein Gewinn zufallen soll. Eine W. ist im
römischen Recht in gewisser Weise in der (lat.) legis actio (F.) sacramento
enthalten. Bei den Germanen ist das Spiel mit hohem Einsatz möglich. Im
Frühmittelalter wird unter W. vielfach das Pfandrecht verstanden. Seit dem
Spätmittelalter wird die W. missbilligt. In der Neuzeit ist die Lotterie
weitverbreitet. Der W. wird die Klagbarkeit der Schuld abgesprochen.
Lit.: Kaser § 81 II 1c; Hübner 595; Kroeschell, DRG 1, 2;
Hagemann, H., Wette, FS H. Liermann, 1964, 60; Hagemann, H., Fides facta und
wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB)
in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007
Wetterau ist die
Landschaft an der Wetter nördlich der Mündung des Maines in den Rhein. Sie ist
nacheinander keltisch, römisch und fränkisch. Im Hochmittelalter ist sie
königsnah.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hävernick, W., Das
ältere Münzwesen der Wetterau, 1936, kommentierte Neuaufl. 2009; Kropat, A.,
Reich, Adel und Kirche, 1965; Hardt-Friedrichs, F., Das königliche Freigericht
Kaichen, 1975; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Althessen im
Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Schmidt, W., Der Wetterauer
Grafenverein, 1989; Geschichte von Wetterau und Vogelsberg, hg. v. Stobbe, R.,
Bd. 1 1999
Wettin ist die Burg
bei Halle an der Saale, nach der sich ein wohl seit 875 (Graf Friedrich im
Harzgau) nachweisbares Geschlecht benennt, an das 1423 Sachsen gegeben wird.
Die Wettiner teilen sich 1485 in eine albertinische Linie (→ Sachsen) und
eine ernestinische Linie (→ Thüringen).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Posse,
O., Die Wettiner, 1897; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1980;
Philippi, H., Die Wettiner in Sachsen und Thüringen, 1989; Weller, T., Die
Heiratspolitik, 2004; Rogge, J., Die Wettiner, 2005; Die Wettiner und ihre
Herrschaftsgebiete 1349-1352, bearb. v. Leisering, E., 2006; Groß, R., Die
Wettiner, 2007; Knöfel, A., Dynastie und Prestige, 2009
Wetzlar an der Lahn
erscheint im 9. Jh. Es wird Reichsstadt nach Frankfurter Recht. Von 1603 bis
1806 beherbergt W. das → Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Velten, A., Beiträge
zur Geschichte, Diss. jur. Gießen, 1922; Interthal, K., Die Reichsvogtei
Wetzlar, 1928; Clauß, F., Wetzlarer Richter-, Schöffen- und Ratsfamilien,
Mitteilungen des oberhessischen Geschichtsvereins 35 (1937), 1; Ranieri, F.,
Die Arbeit des Reichskammergerichts, 1988; Schmidt-von Rhein, G., Das
Reichskammergericht, 1990; Hahn, H., Altständisches Bürgertum zwischen
Beharrung und Wandel, Wetzlar 1689-1870, 1991; Schieber, S., Normdurchsetzung
im frühneuzeitlichen Wetzlar, 2008
WEU → Westeuropäische Union
Weyer, Johann
(Grave an der Maas um 1515-Tecklenburg 24. 2. 1588) wird nach dem
Medizinstudium in Paris und Orléans Arzt in Arnheim (1545) und
Kleve-Jülich-Berg. 1563 veröffentlicht er sein gegen Zauberei- und Hexereiaberglauben
gerichtetes, humanistisches Hauptwerk (De praestigiis daemonum). Es wird auf
den kirchlichen Index der verbotenen Bücher gesetzt.
Lit.: Schneider, U., Das Werk „De praestigiis daemonum“,
Diss. jur. Bonn 1951 masch.schr.; Nahl, R. van, Zauberglaube und Hexenwahn,
1983; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992
whig (M.) Vertreter
des aufgeklärten Volksinteresses in England (Schimpfname, Tory angeblich von
Tar a ry, komm o König, um 1680).
Wibald von Stablo (1098-1158) ist
der aus Stabloer Ministerialität hervorgegangene, 1117 in den geistlichen Stand
übergetretene, spätere Abt von Stablo-Malmedy (1130) und (Montecassino 1137
sowie) Corvey (1146), der den Kaisern Lothar III., Konrad III. und Friedrich
Barbarossa als wichtiger Berater dient, gleichwohl von einem einzelnen heutigen
Juristen systematischer Fälschung bezichtigt wird.
Lit.: Jakobi, F.,
Wibald von Stablo und Corvey, 1979; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2003ff.;
Hofmann, H., Das Briefbuch Wibalds von Stablo, DA 63 (2007), 41
Widerlegung, Widerlage (F.) Ersatzleistung, Gegengabe desEhemanns oder eines Dritten an die Ehefrau für deren Heiratsgut im Ehevertrag mit Wirkung nach dem Tode des Ehemannes bei vorheriger tatsächlicher nachweislicher Leistung desHeiratsguts
Lit.: Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts,
1973, 51, 364
Widerruf ist im
Privatrecht die Willenserklärung, die eine noch nicht endgültig wirksame
Willenserklärung von Anfang an beseitigen soll, bzw. im Verwaltungsrecht die Aufhebung
eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Der privatrechtliche W. ist bereits dem
römischen Recht bekannt. Der öffentlichrechtliche W. wird erst mit der
dogmatischen Verfestigung des Verwaltungsrechts als solcher geformt.
Lit.: Kaser §§ 16 II 1, 47 II, 60 IV 2b, 76 IV 2b, 77 II
5b, 79 I 2b; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Krause, H., Der Widerruf von
Privilegien, Archival. Z. 75 (1979), 117
Widersagung (F.) Fehdeankündigung
Lit.: Tewes, U., Zum Fehdewesen, 1994
Widerspruch ist die
Gegenäußerung zu einer Äußerung (z. B. W. gegen die Richtigkeit des Grundbuches
seit dem 19. Jh.). In Deutschland wird seit 1960 ein W. bei der höheren
Verwaltungsbehörde zur einheitlichen Voraussetzung für eine verwaltungsrechtliche
Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage.
Lit.: Köbler, DRG 263
Widerstand ist die
entgegenstehende Haltung oder Kraft. Die Frage eines Rechtes zum W. gegen eine
herrschaftliche Maßnahme wird schon früh diskutiert (Manegold von Lautenbach
11. Jh., Magna Charta 1215). Gegen den ungerechten Herrscher (z. B. Diktator)
ist W. rechtmäßig. Die jeweilige Grenze zwischen rechtmäßigem und
rechtswidrigem W. ist zweifelhaft. Der W. gegen die Staatsgewalt ist seit dem
19. Jh. ein Straftatbestand. Aus ihm wird später der W. gegen
Vollstreckungsbeamte.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kroeschell, 20. Jh.; Kern, F.,
Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915, 7. A. 1980; Zeumer, K., Das
vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im
Sachsenspiegel, ZRG GA 35 (1914), 68; Wolzendorff, K., Staatsrecht und
Naturrecht, 1916; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Ritter,
G., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, 3. A. 1956;
Schönfeld, W., Zur Frage des Widerstandsrechts, 1955; Mayer-Tasch, P., Thomas
Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich
- Attentat, 1969; Köhler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Schulze,
W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft, 1980; Koch, B.,
Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Der deutsche Widerstand, hg. v.
Müller, K., 2. A. 1990; Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand?, 1991;
Mehringer, H., Widerstand und Emigration, 1998; Lexikon des Widerstandes
1933-1945, hg. v. Steinbach, P./Tuchel, J., 1998; Widerstand als „Hochverrat“ 1933-1945,
bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Steinbach, P., Widerstand im Widerstreit,
1999; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Friedeburg, R. v.,
Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, 1999; Widerstandsrecht in der frühen
Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v., 2001; Meyer, A., Berthold Schenk Graf von
Stauffenberg (1905-1944) – Völkerrecht im Widerstand, 2001; Wassermann, R.,
Juristen im Widerstand gegen das NS-Regime, NJW 2002, 1018; Der deutsche
Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2002; Bald, D., Die weiße Rose,
2. A. 2003; Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.-18.
Jh.), hg. v. De Benedictis, A. u. a., 2003; Badische Juristen im Widerstand,
hg. v. Borgstedt, A., 2004; Wuermeling, H., Doppelspiel, 2004; Rüthers, B.,
Gesetzesbindung und Widerstand, ZRG GA 123 (2006), 363; Zankel, S., Die weiße
Rose war nur der Anfang, 2006
Wieacker, Franz
(Stargard 5. 8. 1908-Göttingen 17. 2. 1994), Landgerichtspräsidentensohn,
wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Palermo, Rom) 1937 planmäßiger außerordentlicher
Professor in Leipzig, 1939 ordentlicher Professor in Leipzig (niemals Mitglied
der NSDAP), 1948 in Freiburg im Breisgau und 1953 in Göttingen (1973
emeritiert). Die frühen Arbeiten betreffen neben dem geltenden Recht das
römische Recht, für das W. 1988 den ersten Band einer zusammenfassenden
römischen Rechtsgeschichte vorlegt. Daneben veröffentlicht der universale
Gelehrte 1952 eine ideengeschichtlich ausgerichtete grundlegende Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit.
Lit.: Wolf, J., In memoriam Franz Wieacker, SDH I 60
(1994), 763; Wieacker, F., Zivilistische Schriften, hg. v. Wollschläger, C.,
2000
Wiederaufnahme des Verfahrens ist die erneute Durchführung eines rechtskräftig
abgeschlossenen Verfahrens. Die W. d. V. geht auf die aus dem
oberitalienisch-kanonischen Verfahren im 15. Jh. aufgenommene (lat.) →
restitutio (F.) in integrum zurück (Reichskammergerichtsordnung 1495).
Lit.: Seyfarts, J., Teutscher Reichsprozess. 1738, 548;
Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965, 233;
Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die gerichtliche Entscheidung, durch die eine
versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig fingiert wird. Die W.
i. d. v. S. wird seit dem 15. Jh. aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren
(lat. restitutio [F.] in integrum contra lapsum fatalium) aufgenommen
(Reichskammergerichtsordnung 1495).
Lit.: Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss.
jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973,
289; Vogel, J., Wiedereinsetzungsrecht im Strafprozess, 1996
Wiedergutmachung ist die Milderung von Schäden durch Ausgleich. Die
W. ist insbesondere im Anschluss an den zweiten Weltkrieg bedeutsam.
Lit.: Brodesser, H./Fehn, J./Franosch, T. u. a.,
Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation, 2000; Goschler, C., Schuld und
Schulden, 2005; Grenzen der Wiedergutmachung, hg. v. Hockerts, H. u. a., 2006;
Rückert, J., Abrechnen, aber wie?, ZRG GA 125 (2008), 256
Wiederkauf ist der
schon im römischen Recht durch besondere Vereinbarung mögliche Verkauf mit
Vorbehalt des Rückkaufes. Durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung
des Verkäufers wird dann der Käufer verpflichtet, die gekaufte Sache gegen die
Erstattung des Preises zurückzuübertragen.
Lit.: Kaser § 41 VII; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961, 205; Busse, K., Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur
des 12.-18. Jahrhunderts, 1965; Mayer-Maly, T., Beobachtungen und Gedanken zum
Wiederkauf, FS F. Wieacker, 1978, 424; Trusen, W., Zum Kauf auf Wiederkauf,
(in) FS G. Schmelzeisen, 1980, 347; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Wiedertäufer (Anabaptist)
ist der Angehörige einer vor allem im 16. Jh. auftretenden, die
Erwachsenentaufe anstrebenden christlichen Glaubensgemeinschaft (z. B. Zürich
um 1520, Münster 1534).
Lit.: Cornelius, A., Geschichte des münsterischen Aufruhrs,
Bd. 1f. 1855ff.; Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, hg. v. Bossert, G.,
1930; Goertz, H., Die Täufer, 1980
Wiedervereinigung →
Deutsche Demokratische Republik, Saar
Lit.: Elzer, H., Die deutsche Wiedervereinigung an der
Saar, 2007; Ritter, G., Die deutsche Wiedervereinigung, HZ 286 (2008), 289
Wie du mir, so ich
dir.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 350 (Körte 1837)
Wiek ist die
Landschaft im Bistum Oesel in Livland, für die im 14. Jh. (1322-37?) aus dem
livländischen Spiegel, dem Bauernrecht der Esten in der Wiek und dem ältesten
livländischen Ritterrecht eine in hochdeutschen Handschriften seit dem 16. Jh.
überlieferte Rechtssammlung hergestellt. Dieses wiek-oeselsche Recht mit dem
wenig zutreffenden Titel Dies seindt die Lehen-Rechte, das in 5 Bücher zu 82,
70, 68, 12 und 67 Artikel gegliedert ist, findet teilweise Eingang in das
mittlere livländische Ritterrecht (vor 1424), das systematische livländische
Ritterrecht (vor 1450?) und in Philipp Crusius’ Des Herzogtums Esthen Ritter-
und Landrechte.
Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95;
Arbusow, L., Die altlivländischen Bauernrechte, Mitt. a. d. Gebiete der
Geschichte Livlands usw. 23 (1924/26), 75; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 163
Wielant, Filips
(1441-1520) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.])
artes (Künste) in Paris und des weltlichen Rechts in Löwen Anwalt und
Hofratsmitglied in Flandern. In seinen Werken Corte instructie in materie
civile (1508ff.) und Corte instructie in materie criminele (1510ff.) bietet er
einen Überblick über den Verlauf eines Zivilverfahrens und eines
Strafverfahrens. Er verarbeitet dabei das einheimische, flämische
Gewohnheitsrecht zu einer an romanistischen Vorbildern ausgerichteten Einheit.
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1996
Wien an der Donau
ist die auf keltischer (Vindobona) bzw. römischer Grundlage (Legionslager 89
oder 98 n. Chr., 433 aufgegeben) errichtete Siedlung (Wenia 881), die seit 1156
Sitz der → Babenberger wird. Nach der Gewährung eines Stadtrechts (1221)
wird W. kurzzeitig reichsunmittelbar (1246-1250 bzw. 1237-1239, 1278-1288) und
erhält 1365 eine Universität, an der das Studium des römischen Rechts aber
eigentlich erst am Ende des 15. Jh.s möglich wird. Wahrscheinlich in der
ersten Hälfte des 14. Jh.s wird unter Benutzung des Schwabenspiegels das in 24
Handschriften überlieferte Wiener Stadtrechtsbuch in 151 Artikeln
aufgezeichnet (Gericht, Verfahren, Kauf, Miete, Erbe, Ehegüter, Bergrecht,
Burgrecht, Bürgschaft, Pfand). Seit 1438/1439 wird W. zum Sitz des Kaisers des
Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation), 1469 Bischofssitz und 1722/1723
Erzbischofssitz. 1526 erhält es eine neue Stadtverfassung, 1529 und 1683
scheitern Belagerungen durch die Türken. In der Mitte des 18. Jh.s ordnet Maria
Theresia den darniederliegenden provinziellen Rechtsunterricht. 1783
erlässt Joseph II. eine Magistratsverfasssung. Zu Beginn des 19. Jh.s wird im
Studium das Schwergewicht auf das österreichiche Recht gelegt. Vom 18. 9. 1814
bis 9. 6. 1815 tagt in W. der sog. Wiener Kongress, auf dem Europa nach den napoleonischen
Kriegen neu geordnet wird (Kräftegleichgewicht zwischen Russland [mit
Kongresspolen], Großbritannien [mehr Kolonien], Österreich [Königreich
Lombardo-Venetien, Sekundogenituren in Italien, Verzicht aus westeuropäische
Güter], Preußen [Teile Sachsens, Gebiete am Rhein] und Frankreich, wichtige
Grundsätze Restauration, monarchische Legitimität, Solidarität der Fürsten
bei Abwehr revolutionärer Bewegungen) → Deutscher Bund). Später folgt
die Wiener Schlussakte (15. 5. 1820) des Deutschen Bundes. 1857 wird die Niederlegung
der Stadtmauern Wiens beschlossen. 1920 wird Wien Bundeshauptstadt der
Bundesrepublik Österreich. Bis 1922 gehört W. dem Bundesland Niederösterreich
an, von dem es sich verselbständigt. 1934 wird es bundesunmittelbare Stadt,
1939 Reichsgau W., 1945 wieder Bundesland und Bundeshauptstadt, die bis 1955
von allen vier Alliierten besetzt wird. 1980 wird es ein Sitz der Vereinten
Nationen, 1995 Sitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100, 150,
769; Baltl/Kocher; Kroeschell, DRG 3; Kink, R., Die Rechtslehre an der
Universität Wien, 1853; Aegidi, L., Die Schlussakte, 1860; Das Wiener Stadtrechtsbuch,
hg. v. Schuster, H., 1873; Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, hg. v.
Tomaschek, J., Bd. 1f., 1877ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Bd.
1ff. 1895ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien – Die ältesten Kaufbücher,
bearb. v. Staub, F., 1898; Geschichte der Stadt Wien, hg. v. Altertumsverein zu
Wien (Bd. 1, 2 Schuster, Heinrich, Die Entwicklung des Rechtslebens, Verfassung
und Verwaltung, 1897ff.); Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Grundbücher
Bd. 2, bearb. v. Staub, F., 1911; Voltelini, H. v., Die Anfänge der Stadt Wien,
1913; Voltelini, H., Zur Rezeption des gemeinen Rechts in Wien, FS d. akad.
Vereines dt. Historiker in Wien, 1914, 79; Luntz, I., Die allgemeine
Entwicklung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360, 1916; Luntz, I.,
Beiträge zur Geschichte der Wiener Ratsurkunde, 1916; Stowasser, O., Die
Entstehungszeit des Eisenbuches der Stadt Wien, MIÖG Ergänzungsband 10, 1916,
19; Schalk, K., Aus der Zeit des österreichischen Faustrechts 1440-1463, 1919;
Die Summa legum brevis, hg. v., Gal, A., 1926; Brunner, O., Die Finanzen der
Stadt Wien, 1929; Sailer, L., Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts, 1931;
Klebel, E., Zur Frühgeschichte Wiens, Festgaben für Hans Voltelini, 1932, 7;
Lentze, H., Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien,
Mitteilungen des Vereines für die Geschichte der Stadt Wien 15 (1935);
Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Lentze, H., Das Wiener
Testamentsrecht des Mittelalters, ZRG GA 69 (1952) 103, 70 (1953), 159; Weizsäcker,
W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Trusen,
W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz, 1961; Benna, A., Wiener Recht in einer
Sammelhandschrift des Stiftes Heiligenkreuz, ZRG GA 79 (1962), 248; Studien zur
Geschichte der Universität Wien, Bd. 1f. 1965; Der Wiener Kongress 1814/5, hg.
v. Dyroff, H., 1966; Demelius, H., Eheliches Güterrecht im
spätmittelalterlichen Wien, 1970 (SB Wien); Hartl, F., Das Wiener
Kriminalgericht, 1973; Baltzarek, F., Das Steueramt der Stadt Wien 1526-1760,
1971; Brauneder, W., Die Geltung obrigkeitlichen Privatrechts im
spätmittelalterlichen Wien, ZRG GA 92 (1975), 195; Csendes, P., Wien in den
Fehden der Jahre 1461-1463, 1974; Vetricek, A., Die Lehrer der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät, Diss. geisteswiss. Wien 1980; Wiener
Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980; Walter, G., Der
Zusammenbruch des Heiligen römischen Reiches, 1980; Die Rechtsquellen der Stadt
Wien, hg. v. Csendes, P., 1986; Das Wiener Stadtrechtsprivileg, hg. v. Csendes,
P., 1987; Die Wiener Stadtbücher, Bd. 1ff. 1395-1400, hg. v. Brauneder, W. u.
a., 1989ff.; Csendes, P., Geschichte Wiens, 2. A. 1990; Brauneder, W.,
Leseverein und Rechtskultur, 1992; Ogris, W., Vom Galgenberg zum Ringtheaterbrand,
1997; Festschrift 100 Jahre Wirtschaftsuniversität Wien, red. v. Rill, H.,
1999; Opll, F., Das große Wiener Stadtbuch, 1999; Wien, hg. v. Csendes, P. u.
a., Bd. 2f. 2003ff.; Opll, F., Wien im Bild, 2. A. 2004; Klaudy, K., Das Werden
Wiens, 2004; Ubl, K., Anspruch und Wirklichkeit – Die Anfänge der Universität
Wien, MIÖG 113 (2005), 63; Mühlberger, K., Palace of Knowledge, 2008
Wiesentheid
Lit.: Domarus, M., Territorium Wiesentheid, 1956
Wigle van → Aytta
wik (M.) Dorf, Siedlung, →
Weichbild
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 78; Köbler, WAS;
Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt,
hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973, 61; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 5. A. 1980; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und
Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121
Wikinger ist der
Angehörige seefahrender Nordgermanen (Norweger, Dänen) im Frühmittelalter
(793-1066). Um 850 entdecken die W. Island, um 900 Grönland und 986, 1001
Amerika. Als → Normannen dringen sie nach Frankreich, Sizilien und wohl
auch nach Russland vor, gehen aber jeweils bald in der ansässigen Bevölkerung
auf.
Lit.: Kroeschell, DRG; Stemberger, M., Vikingar, 1935;
Jänichen, H., Die Wikinger im Weichsel- und Odergebiet, 1938; Vernadsky, G., The
Origin of Russia, 1959; Langenberg, I., Die Vinland-Fahrten, 1977; Boyer, R.,
Les Vikings, 1992; Simek, R., Die Wikinger, 1998; Sawyer, P., Die Wikinger,
2000; Sawyer, B./Sawyer, P., Die Welt der Wikinger, 2002; Magnusson, M., Die
Wikinger, 2003; Forte, A. u. a., Viking Empires, 2005
Wilda, Wilhelm
Eduard ([Seligmann, Wolf Ephraim] Altona 17. 8. 1800-Kiel 9. 8. 1856),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Hugo, Eichhorn) und
Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) und dem Übertritt zum Christentum (1825)
Advokat in Hamburg. 1831 wird er außerordentlicher Professor in Halle, 1842
ordentlicher Professor in Breslau und 1854 in Kiel. Seine wichtigsten Werke
betreffen das Gildenwesen im Mittelalter (1831) und das Strafrecht der Germanen
(1842) (bis zum Frühmittelalter).
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 111; Rückert, J., August Ludwig Reyschers
Leben, 1974; Kern, B., Georg Beseler, 1982
Wildbann (M.) Jagdregal
Lit.: Haff, K., Die Wildbannverleihungen, ZRG GA 69 (1952),
301; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001
Wilderei ist die
Verletzung des Jagdrechts oder Fischereirechts eines anderen. Der W. folgt im
Frühmittelalter meist die Buße von 60 Schillingen. Erst im Spätmittelalter wird
eine peinliche Strafe üblich. Die Strafandrohung ist verschiedentlich sehr
streng (Blenden, Hängen). Die Neuzeit behandelt die W. teilweise als einen Fall
des Diebstahls, bis 1871 die W. wieder verselbständigt wird.
Lit.: Marcus, J., Zur Lehre von der Wilderei, Diss. jur.
Breslau 1917; Fösser, R., Das Jagdstrafrecht, Diss. jur. Bonn 1937; Löhr, U.,
Die Wilderei, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Schindler, N., Wilderer im
Zeitalter der französischen Revolution, 2001; Schennach, M., Jagdrecht,
Wilderei und gute Policey, 2007
Wildfangrecht ist
in Spätmittelalter und Frühneuzeit das Recht von Landesherren oder bestimmten
Grundherren, Fremde für ihre Herrschaft in Anspruch zu nehmen. In der frühen
Neuzeit ist das W. oft streitig. Im 18. Jh. läuft es allmählich aus.
Lit.: Kolde, F., Über die Wildfänge, Diss. phil. Rostock
1898
Wilhelm → Ockham
Wilhelmus de Cabriano (bei
Brescia) (†
1201 als Erzbischof von Ravenna, Casus Codicis, Vorlesungsnachschrift
wahrscheinlich auf der Grundlage der Vorlesungen des Bulgarus über den Codex,
Mitte 12. Jh.s)
Lit.: Lit.: Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 204; Wallinga, T., The Casus
Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005
Wille ist die Fähigkeit des Menschen, sich für ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden. Der W. kommt in einem Verhalten (z. B. Sprechen, Schießen) zum Ausdruck. Bei dessen Bewertung wird teils nur auf die Erscheinungsform abgestellt, teils auch auf den ihr zugrundeliegenden Willen.
Lit.: Hübner 489; Köbler, DRG 43; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 293; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens
für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille
und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Babusiaux, U., Id quod actum est. Zur Ermittlung des Parteiwillens
im klassischen römischen Zivilprozess, 2006
Willebrief ist seit
dem 12. Jh. (1177) die Zustimmungsurkunde der Fürsten zu Erklärungen des
Königs. Der W. kommt im 17. Jh. ab.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Fritz, W., Kurfürstliche
Willebriefe, DA 23 (1967), 171
Willenserklärung ist
die private, auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Äußerung (lat. declaratio
[F.], Erklärung) des → Willens (lat. voluntatis, z. B. Erklärung, ein
Buch kaufen zu wollen). Sie wird für das Rechtsgeschäft vorausgesetzt. Als
rechtswissenschaftliche Grundfigur wird sie erst im 17. oder 18. Jh. (Thomasius
1688, Höpfner 1743-1797) erkannt (vgl. aber bereits Connan, 1508-1551,
Erstbeleg 1701/1705?). Die W. kann einen → Willensmangel enthalten.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 8 I 1; Köbler, DRG 140, 164, 208;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Störungen der
Willensbildung bei Vertragsschluss, hg. v. Zimmermann, R., 2007
Willensfreiheit ist
die Unabhängigkeit des Willens von äußeren, die Willenshandlung zwangsweise
bestimmenden Umständen. Ob W. besteht, ist in der menschlichen Geschichte
(zeitweise) umstritten. Überwiegend wird, obwohl die Frage nach Freiheit oder
Gebundenheit des menschlichen Willens (bisher) nicht eindeutig entschieden
werden kann, von der vermuteten W. ausgegangen. Ein rechtsstaatliches
Strafrecht setzt sie voraus.
Lit.: Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970
Willensmangel ist
der den Willen oder allgemeiner die Willenserklärung betreffende Mangel.
Einzelne Willensmängel berücksichtigt bereits das römische Recht (z. B. →
Irrtum). Eine Verallgemeinerung findet erst in der späten Neuzeit statt.
Lit.: Kaser § 8; Hübner; Coing, H., Europäische
Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1985ff.
Willkür ist die
freie, bis zum Belieben reichende Wahl des Willens. Insofern kann sie den
Gegensatz zum Recht bilden. In einem anderen Sinn wird als W. im Mittelalter
das durch Zustimmung geschaffene städtische gesetzte Recht verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Simson, P., Geschichte der
Danziger Willkür, 1904; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Ebel, W., Geschichte der
Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Rheinheimer, M.,
Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG GA 115 (1998), 529
Wilna
(Vilnius)
Lit.: Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg,
hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Wilten
Lit.: Wilten, 1924
Wimpfen
Lit.: Jülch, R., Die
Entwicklung des Wirtschaftsplatzes Wimpfen, 1961; Laufs, A., Das Wimpfener
Rechtsbuch, ZRG GA 89 (1972), 175
Windscheid, Bernhard (Düsseldorf 26. 6. 1817-Leipzig 26. 10. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Bonn 1847 außerordentlicher Professor in Bonn und 1847 ordentlicher Professor in Basel, Greifswald (1852), München (1857), Heidelberg (1871) und Leipzig (1874). Sein Hauptwerk ist ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts (1861), in dem er das römische Recht seiner Zeit so vorbildlich zusammenfasst, dass das Werk bis 1900 das fehlende deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vertritt. Als Mitglied der ersten Kommission zur Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuches beeinflusst er den ersten Entwurf erheblich.
Lit.: Söllner § 25; Rümelin, M., Bernhard Windscheid, 1907;
Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses, 1965, 71; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989;
Ober, J., Bernhard Windscheid, Diss. jur. Köln 1989; Rückert, J., Bernhard
Windscheid, JuS 1992, 902;
¸http://www.koeblergerhard.de/Fontes/WindscheidBPandenktenrecht1-1862.pdf
Windsheim
Lit.:
Erbar, W., Die Windsheimer Reformation von 1521, Diss. jur. Erlangen 1928;
Urkundenbuch der Stadt Windsheim von 741-1400, bearb. v. Schultheiß, W., 1963;
Die Rechtsreformation des Stadtschreibers Johan Greffinger für die Reichsstadt
Windsheim (1521), bearb. v. Hünefeld, H., 1974
Winterthur
Lit.: Stauber, E., Die Burgen des Bezirkes Winterthur 1953
Wippe (F.) Gerät
zum Fallenlassen eines Täters in eine Flüssigkeit
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 575, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Wippen (N.)
Prellen, Schnellen, von der Wippe fallen Lassen
Wirtschaft ist die
Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen zur planvollen Deckung des
menschlichen Bedarfs an Gütern. Die W. beginnt bereits in vorgeschichtlicher
Zeit. Den Sammlern und Jägern folgen die Viehzüchter und Ackerbauern. Nach der
Sesshaftwerdung entwickelt sich in Rom aus der kleinbäuerlichen W. die Plantagenwirtschaft.
Von diesen römischen Verhältnissen wird wohl die frühmittelalterliche →
Grundherrschaft beeinflusst. In ihr gewinnt das → Gewerbe (Schmied,
Töpfer, Weber) an Bedeutung. Bereits in den letzten Jahrzehnten des 8. Jh.s
könnte ein neuer Aufschwung eingesetzt haben. Über den Markt entsteht im 11.
Jh. → die Stadt als der Mittelpunkt von Gewerbe und Handel. Tauschmittel
wird das → Geld. Bereits am Beginn der frühen Neuzeit werden
frühkapitalistische Züge sichtbar. Danach wendet sich der Landesherr der durch
die Entdeckungen belebten W. zu und versucht im → Merkantilismus
möglichst hohen Ertrag. In Auseinandersetzung mit dem → Physiokratismus
wird vor allem von Adam Smith der → Liberalismus entwickelt, der die
Erwerbstätigkeit des Menschen außerhalb der Landwirtschaft erleichtert. Im 19.
Jh. strömt die wachsende Bevölkerung dem Wirtschaftssektor Gewerbe zu, im 20.
Jh. dem Wirtschaftssektor Dienstleistungen. Die Selbstversorgung tritt fast
völlig zurück. Die Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates wird als
Volkswirtschaft wissenschaftlich erfasst. Um 1850 setzt mit der Entwicklung des
Verkehrswesens, der internationalen Kapitalmobilität und der Massenmigration
die Verflechtung der einzelstaatlichen Wirtschaften zur Weltwirtchaft ein.
In der Auseinandersetzung zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft behält
die Marktwirtschaft in der zunehmend globalisierten Weltwirtschaft die
Oberhand.
Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 28, 50, 76, 77, 96, 133, 173, 217,
224, 242, 249, 267, 271; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 511; Below,
G. v., Mittelalterliche Stadtwirtschaft und gegenwärtige Kriegswirtschaft,
1917; Bechtel, H., Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, 1930;
Spangenberg, H., Territorialwirtschaft und Stadtwirtschaft, 1932; Facius, F.,
Wirtschaft und Staat, 1959; Lütge, F., Deutsche Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, 3. A. 1966, Neudruck 1976, 1979; Dirlmeier, U.,
Mittelalterliche Hoheitsträger im wirtschaftlichen Wettbewerb, 1966; Treue,
W./Boelcke, A., Geschichte der Wirtschaftspolitik, 1970; Henning, F.,
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Winkel, H., Die Wirtschaft
im geteilten Deutschland, 1974; Hefermehl, W., Die Entjudung der deutschen
Wirtschaft, Deutsche Justiz 1938, 1981; Wirtschaftsgeschichte der
deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Mathis, F., Die deutsche
Wirtschaft im 16. Jahrhundert, 1992; Kloft, H., Die Wirtschaft der
griechisch-römischen Welt, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften,
1993; Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000;
Drexhage, H./Konnen, H./Ruffing, K., Die Wirtschaft des römischen Reiches
(1.-3. Jahrhundert), 2001; Hesse, H., Ökonomen-Lexikon, 2003; Walter, R.,
Wirtschaftsgeschichte, 4. A. 2003; McCormick, M., Origins of the European
Economy, 2001; Wijffels, A., Gelehrtes Recht und Wirtschaftsordnung, ZNR 25
(2003), 177; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004;
Wirtschaft und Wirtschaftstheorien, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2004;
Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktarut, hg. v.
Gosewinkel, D., 2004; Torp, C., Weltwirtschaft vor dem Weltkrieg, HZ 279
(2004), 561; Boch, R., Staat und Wirtschaft, 2004; Walter, R., Geschichte der
Weltwirtschaft, 2005; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a., 2006;
Fellmeth, U., Pecunia non olet, 2008; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der
Wirtschaft, 2008
Wirtschaftsgemeinschaft → Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
Wirtschaftsgeschichte ist der die → Wirtschaft betreffende Teil der Geschichte.
Lit.: Köbler, DRG 9; Lamprecht, K., Deutsches
Wirtschaftsleben im Mittelalter, 1885f.; Kowalewsky, M., Die ökonomische
Entwicklung Europas, 1901; Caro, G., Neue Beiträge zur deutschen Wirtschafts-
und Verfassungsgeschichte, 1911; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der
Karolingerzeit, Teil 1f. 1912f.; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale
Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Below, G. v., Probleme
der Wirtschaftsgeschichte, 1920; Bücher, Karl, Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte, 1922; Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft in
Deutschland bis zum 17. Jahrhundert, 1924; Urkunden zur deutschen
Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Ganz, W., Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte des Großmünsterstiftes in Zürich, Diss. phil. Zürich
1925; Klaiber, L., Beiträge zur Wirtschaftspolitik oberschwäbischer
Reichsstädte, 1927; Rörig, F., Hansische Beiträge zur deutschen
Wirtschaftsgeschichte, 1928; Strieder, J., Aus Antwerpener Notariatsarchiven,
1930, Neudruck 1962; Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte
der Bauern, 1930; Sieveking, H., Wirtschaftsgeschichte, 1935; Bechtel, H.,
Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, 1941; Ammann, H., Mittelalterliche
Wirtschaft im Alltag, ZRG GA 65 (1947), 391; Lütge, F., Deutsche Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, 1966; Wehler, H., Bibliographie zur modernen deutschen
Wirtschaftsgeschichte, 1976; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und
Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Abelshauser, W.,
Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik, 1983; Europäische Wirtschaftsgeschichte,
hg. v. Cipolla u. a., 1983; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte Europas, 1986; Kulischer, J., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte,
6. unv. A. 1988; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v.
Schäfer, H., 1989; Martino, F. de, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, 2. A.
1991; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands,
Bd. 1ff. 1991ff.; Sandgruber, R., Ökonomie und Politik, 1995; Buchheim, C.,
Einführung in die Wirtschaftsgeschichte, 1997; Moderne Wirtschaftsgeschichte,
hg. v. Ambrosius, G. u. a., 1996, 2. A. 2006; Germany, hg. v. Ogilvie, S., Bd.
2 1996; Schultz, H., Handwerker, Kaufleute, Bankiers, 1997; Kaufer, E.,
Spiegelungen wirtschaftlichen Denkens im Mittelalter, 1998; Walter, R.,
Wirtschaftsgeschichte, 1998, 3. A. 2001; Weimer, W., Deutsche
Wirtschaftsgeschichte, 1998; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen
Denkens, 1999; Deutsche Wirtschaftsgeschichte, hg. v. North, M., 2000; Jay, P.,
Das Streben nach Wohlstand, 2000; Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20.
Jahrhundert, hg. v. Spree, R., 2001; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v.
Schulz, G. u. a., 2003; Devroey, J., Économie rurale et société dans l’Europe
franque, 2001; Abelshauser, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945,
2004; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004; Wischermann,
C./Nieberding, A., Die institutionelle Revolution, 2004; Schefold, B., Beiträge
zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004; Menninger, A., Genuss im kulturellen
Wandel, 2004; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a., 2006; The
Cambridge Economic History of the Greco-Roman World, hg. v. Scheidel, W. u. a.,
2007; Schulz, K., Handwerk, Zünfte und Gewerbe, 2009; Niemann, H., Europäische
Wirtschaftsgeschichte, 2009
Wirtschaftskriminalität ist die die Wirtschaft betreffende Kriminalität, die seit
dem 20. Jh. deutlich zunimmt.
Lit.: Köbler, DRG 265; Müller, R./Wabnitz, H.,
Wirtschaftskriminalität, 3. A. 1993
Wirtschaftsrecht ist
die Gesamtheit der die Wirtschaft betreffenden Rechtssätze. W. ist bereits in
der Spätantike bedeutsam, gewinnt in der hochmittelalterlichen Stadt (Markt,
Münze, Zunft) an Gewicht, wird durch die Landesherren der Neuzeit erweitert
(Merkantilismus) und wird zu Beginn des 20. Jh.s (1914
Kriegswirtschaftsgesetze) als eigenes Rechtsgebiet erfasst. Seitdem wird der
freien Marktwirtschaft eine ausgleichende Komponente eingefügt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Endemann, W., Studien in der
romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff.,
Neudruck 1962; Nussbaum, A., Das neue deutsche Wirtschaftsrecht, 1920; Beiträge
zum Wirtschaftsrecht, hg. v. Klausing, F. u. a., 1932; Schmelzeisen, G.,
Wirtschaftsrecht im 16. bis 18. Jahrhundert, Sozialwiss. Abh. 7 (1958), 9;
Pleyer, K./Lieser, J., Das Zivil- und Wirtschaftsrecht der DDR, 1973; Buchner,
H., Das Wirtschaftsrecht im Nationalsozialismus, (in) Recht, Rechtsphilosophie
und Nationalsozialismus, 1982; Fikentscher, W., Wirtschaftsrecht, Bd. 1f. 1983;
Puppo, R., Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988;
Nörr, K., Das Reichskaligesetz 1910 – ein Musterstatut der organisierten
Wirtschaft, ZRG GA 108 (1991), 347; Sandmann, H., Die Entwicklung von Begriff
und Inhalt des Wirtschaftsrechts durch die Rechtswissenschaft in der Weimarer
Republik, 2000; Zacher, C., Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in
Deutschland, 2002; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121
(2004), 471; Mohnhaupt, H., Justus Wilhelm Hedemann und die Entwicklung der
Disziplin Wirtschaftsrecht, ZNR 2003, 238; Gschwend, L.,
Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471; Wirtschaftssteuerung
durch Recht im Nationalsozialismus, hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Die andere
Seite des Wirtschaftsrechts, hg. v. Bender, G. u. a., 2006; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Wismar ist der 1229
erstmals als Stadt erwähnte Ort an der Spitze der Wismarer Bucht der Ostsee. W.
hat lübisches Recht. Aus ihm sind zahlreiche Bürgersprachen (Statuten)
überliefert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Techen, F., Die
Bürgersprachen der Stadt Wismar, 1906; Brügmann, J., Das Zunftwesen der
Seestadt Wismar, Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde
99 (1935); Das zweite wismarsche Stadtbuch 1272-1297, bearb. v. Knabe, L.,
1966; Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653-1806), 2004
Wissenschaft ist die mit einleuchtend erscheinenden Gründen versehene Sammlung menschlichen Wissens. Die Anfänge der W. liegen in der griechischen Philosophie (Sokrates, Aristoteles). Der bemerkenswerte Wandel der W. vom ausgehenden 16. Jh. bis zum Beginn des 18. Jh.s ist vor allem durch die genauere Beobachtung der Natur und durch Sachverhalte prüfende und danach Gesetze ableitende Experimente geprägt. Inwieweit die Rechtswissenschaft W. ist, ist streitig.
Lit.: Kuhn, T., The Structure of Scientific Revolutions,
1962; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v.
Coing, H. u. a., 1974; Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung, hg. v.
Vierhaus, R., 1985; Schindling, A., Bildung und Wissenschaft, 1994; Sailer, R.,
Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG 119 (2002), 106;
Wussing, H., Die große Erneuerung – Zur Geschichte der wissenschaftlichen
Revolution, 2002; Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie, 13. A.
2003; Hammerstein, N., Bildung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17.
Jahrhundert, 2003; Macht des Wissens, hg. v. Dülmen, Richard van u. a., 2004;
Early Modern Science, hg. v. Park, K. u. a., 2006
Wissenschaftsfreiheit ist die bereits 1848 in der Frankfurter Paulskirchenverfassung gewährte
Freiheit der wissenschaftlichen Tätigkeit.
Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929;
Mallmann, W./Strauch, H., Die Verfassungsgarantie der freien Wissenschaft,
1970; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Losch, B.,
Wissenschaftsfreiheit, 1993
Witte, Karl (Lochau
bei Halle 1. 7. 1800-Halle 6. 3. 1883) wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg 1823 Professor in Breslau und danach in Halle. Auf seinen Hinweis
entdeckt Niebuhr in Verona die Handschrift der Institutionen des → Gaius.
Lit.: Witte, K., Karl Witte, Bd. 1 1819
Wittelsbach bei
Aichach ist die Burg, nach der sich seit 1116/1120 Grafen nennen, die 1180
Herzöge von Bayern werden und 1214 die Pfalzgrafschaft bei Rhein
(Kurfürstentum) erlangen (1329 Teilung in Linien Bayern und Pfalz, Köng bzw.
Kaiser Ludwig der Bayer 1314-1347, König Ruprecht von der Pfalz 1400-1410,
Kaiser Karl VII. Albrecht 1742-1745, Nebenlinie in Schweden 1654-1720, 1777
Beerbung der Linie Bayern durch die Linie Pfalz, Nebenlinie in Griechenland
1832-1862). 1918 danken die W. Wittelsbacher als Könige Bayerns (einschließlich
der Pfalz) im Deutschen Reich ab..
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131;
Wittelsbach und Bayern, hg. v. Glaser, H., 1980; Heimann, H., Hausordnung und
Staatsbildung, 1993; Straub, E., Die Wittelsbacher, 1994; Kaufhold, M.,
Entscheidungsstrukturen in Dynastie und Reich, ZRG GA 120 (2003), 126; Weller,
T., Die Heiratspolitik, 2004; Holzfurtner, L., Die Wittelsbacher, 2005; Menzel,
M., Die Wittelsbacher Hausmachterweiterung in Brandenburg, Tirol und Holland,
DA 61 (2005), 103; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007
Wittenberg an der
Elbe erscheint 1180 als Burgward. Seit 1212 ist es Vorort einer zunächst
askanischen Herrschaft. 1502 wird es Sitz einer Universität (bis 1813/1816). →
Luther
Lit.: Distel, T., Beitrag zur Verfassungsgeschichte des
Hofgerichts zu Wittenberg, ZRG GA 12 (1891), 117; Lück, H., Die Spruchtätigkeit
der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1982, 1998; 700 Jahre
Wittenberg, hg. v. Oehmig, S., 1996; Kathe, H., Die Wittenberger philosophische
Fakultät, 2002; Töpfer, T., Die Leucorea am Scheideweg, 2004; Gößner, A., Die
Studenten an der Universität Wittenberg, 2003; Wittenberg, hg. v. Lück, H. u.
a., 2006
Wittenwiler,
Heinrich (2. H. 14. Jh.) ist der 1395 als Advokat und Notar bezeichnete
Hinterthurgauer Landadlige, der vielleicht zur Zeit des Konzils von Konstanz
(1414-1418) das 9700 Verse umfassende Lehrgedicht „Ring“ mit zahlreichen
rechtlichen Bezügen verfasst.
Lit.: Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers Ring,
1967; Wießner, E., Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers Ring, hg. v.
Boesch, B., 1970
Wittgenstein an der
oberen Lahn ist seit dem 12. Jh. Sitz eines Grafengeschlechtes. Für W. wird
1579 ein eigenes Landrecht aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon;
Wrede, G., Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, 1927; Das
Wittgensteiner Landrecht, hg. v. Hartnack, W., 1960; Wittgenstein, hg. v.
Krämer, F., Bd. 1f. 1965
Wittum ist seit
germanischer Zeit die Gabe des Bräutigams an den Muntwalt der Braut und später
an die Braut im Zuge der Eheschließung (meist als bloße Anwartschaft). Das W.
dient der Vorsorge für den Unterhalt der Frau nach dem Tod des Mannes. Es steht
ohne klare Trennung neben der Morgengabe und bedeutet sachlich meist nur ein
Gebrauchsrecht der Witwe am Wittumsgut.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts,
1863, Neudruck 1967, 43, 63, 76; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und
spätrömisch-christliche Eheauffassung, 1969; Mikat, P., Dotierte Ehe - rechte
Ehe, 1978
Witwe ist der
weibliche Ehegatte nach dem Tod des Ehemannes. Meist geht die Personalgewalt
auf die Verwandten des Mannes über. Die Wiederverheiratung ist möglich, wird
von der christlichen Spätantike (Hieronymus) aber abgelehnt, so dass
gelegentlich die W. als eigentliche Gründerfigur des Mittelalters angesehen
wird.
Lit.: Hübner 650; Schwab, D., Grundlage und Gestalt der
staatlichen Ehegesetzgebung, 1967; Humbert, M., Le remarriage à Rome, 1972;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Goody, J., Die
Entwicklung von Ehe und Familie, 1986; Kötting, B., Die Bewertung der
Wiederverheiratung, 1988; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich,
1995; Jussen, B., Der Name der Witwe, 2000; Dübeck, I., Legal Status of Widows
in Denmark 1500-1900, Scand. J. History 29,
209; Alamichel, M., Widows in Anglo-Saxon and Medieval Britain, 2008
Witzenhausen
Lit.: Eckardt, K., Politische Geschichte der Stadt
Witzenhausen, 1925; Eckhardt, K., Politische Geschichte der Landschaft an der
Werra und der Stadt Witzenhausen, 2. A. 1928; Natzmer, O. v., Das
Liegenschaftsrecht des Witzenhäuser Stadtbuchs 1558-1612, in Beiträge zur
Geschichte der Werralandschaft 4, 1937
Woche ist die aus
sieben Tagen bestehende, schon im alten Ägypten bekannte Zeiteinheit. Sie
findet sich auch im Judentum und danach im Christentum. In jeder W. ist der
Sonntag Feiertag. An einem bestimmten Wochentag findet der Wochenmarkt statt.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1988, 1994; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
5. A. 1980
Wohlerworben
Lit.: Lübbe-Wolff, G.,
Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, ZRG GA
103 (1986), 104
Wohlfahrt ist der Zustand der angenehmen Befindlichkeit. Seit der frühen Neuzeit wird die allgemeine W. zu einem Ziel herrschaftlichen Handelns. Dabei geht es zunehmend um Wirtschaftspolitik zur Erreichung von Wohlstand. Vielleicht ist dabei frühneuzeitliche Wohlfahrtsstaatlichkeit eine notwendige, aber nicht ausreichende Form des Strebens nach Souveränität. Am Ende des 18. Jh.s kämpft der Liberalismus gegen die damit verbundene Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit an. 1882 spricht das preußische Oberverwaltungsgericht der Polizei die allgemeine Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege ab.
Lit.: Köbler, DRG 146, 198, 252, 253; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 595; Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS
A. Schultze, 1934; Verpaalen, A., Der Begriff des Gemeinwohls bei Thomas von
Aquin, 1954; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955;
Guldimann, T., Die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, 1976; Maier, H., Die ältere
deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Die Entstehung des
Wohlfahrtsstaates, hg. v. Mommsen, W., 1982; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989;
Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Kaufmann, F.,
Varianten des Wohlfahrtsstaats, 2003; Süßmann, J., Die Wurzeln des
Wohlfahrtsstaats, HZ 285 (2007), 19
Wohlhaupter, Eugen
(Unterwiesenbach/Schwaben 7. 9. 1900-Tönsheide/Schleswig-Holstein 23. 12.
1946), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München
(Eichmann) 1934 Lehrstuhlvertreter in Greifswald und Kiel (1934/1935) sowie
1935 außerordentlicher und 1944 planmäßiger außerordentlicher Professor in
Kiel. Seine Arbeiten betreffen unterschiedliche rechtsgeschichtliche Gebiete.
Lit.: Hattenhauer, H., Rechtswissenschaft im NS-Staat, 1987
Wohnrecht ist
das beschränkte dingliche Recht auf Nutzung einer Wohnung. Es ist bei Justinian
(527-565) als (lat. [F.]) habitatio (Wohnung) bezeugt. Auch das
mittelalterliche deutsche Recht kennt Wohungsberechtigungen. Bei der Aufnahme
des römischen Rechts wird die habitatio eher abgelehnt. Danach wird das W. als
Personalservitut etwa in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811,
1812) aufgenommen.
Wohnsitz ist der örtliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, wird aber erst seit dem Spätmittelalter bedeutsamer. Seit dem 18. Jh. wird seine Begründung und Veränderung formalisiert.
Lit.: Nörr, D., Origo, TRG 31 (1963), 525; Lauter, R., Der
Wohnsitz nach dem BGB, 1911; Walser, M., Die Bedeutung des Wohnsitzes im
kanonischen Recht, 1992
Wohnung ist das
meist aus mehreren Räumen bestehende befriedete Besitztum eines oder mehrerer
Menschen zum auf längere Zeit angelegten Aufenthalt. Das Wohnungsrecht findet
sich bereits im spätrömischen Recht. Die W. wird vielfach durch → Miete
erlangt, doch kann ihrem Besitz auch ein dingliches Recht zugrunde liegen. In
der frühen Neuzeit wird die W. freiheitsrechtlich gegen Herrschaft geschützt
(Kurhessen 1831). Etwa 1895 beginnt die Wohnungsbauförderung für die im
öffentlichen Dienst Beschäftigten durch Staat und Gemeinden. Im 20. Jh. wird
zeitweise der gesamte Bestand an Wohnungen staatlicher Zwangswirtschaft
unterstellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 127; Feldbauer, P.,
Stadtwachstum und Wohnungsnot, 1977; Kohlmorgen, G., Johann Füchting und
Füchtings Hof in Lübeck, 1982; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz,
1984; Teuteberg, H./Wischermann, C., Wohnalltag in Deutschland 1850-1914, 1985;
Schlichting, F., Haus und Wohnen in Schleswig-Holstein, 1985; Nörr, K.,
Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Zimmermann, C., Von der Wohnungsfrage zur
Wohnungspolitik, 1991; Geschichte des Wohnens, hg. v. Reulicke, J. u. a., Bd.
1ff. 1997ff.; Hoepfner, W., Geschichte des Wohnens, 1999; Fuhrmann, B. u. a.,
Geschichte des Wohnens, 2007
Wohnungseigentum ist
das Sondereigentum an einer → Wohnung in Verbindung mit einem
Miteigentumsanteil an dem die Wohnung tragenden Grundstück. Es ist in
Fortsetzung des älteren → Stockwerkseigentums im Gegensatz zu dem
römischrechtlichen Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (die Oberfläche
folgt dem Grund) seit der Mitte des 20. Jh.s (Österreich 1948, Derutschland 1951,
Schweiz 1963/1965) aus sozialrechtlichen Überlegungen zugelassen, so dass in
Deutschland am Ende des 20. Jh.s die Zahl der (Wohnungs-)Eigentümer die Zahl
der (Wohnungs-)Mieter übersteigt.
Lit.: Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG
GA 106 (1989), 327; Bärmann, J./Pick, E., Wohnungseigentumsgesetz, 13. A. 1994
Wo kein Kläger, da
kein Richter.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 209 (Sachsenspiegel 1221-1224, lat. nemo iudex sine
actore)
Wolf
Lit.: Koschorreck, W., Der Wolf, Diss. jur. Jena 1952
Wolf, Erik
(Biebrich bei Wiesbaden 13. 5. 1902-Freiburg im Breisgau 13. 10. 1977) wird
nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht in Frankfurt am Main und Jena
Professor in Rostock (1928), Kiel (1930) und Freiburg im Breisgau (1930).
Bekannt ist sein Werk über die großen Rechtsdenker der deutschen
Geistesgeschichte (1939, 2. A. 1943, 3. A. 1951, 4. A. 1963).
Lit.: Wolf, E., Ausgewählte Schriften, Bd. 1ff. 1972ff.;
Hollerbach, A., Erik Wolf, ZRG GA 95 (1978), 33
Wolff, Christian
(Breslau 24. 1. 1679-Halle 9. 4. 1754), Gerberssohn, wird nach dem 1699
aufgenommenen Studium von Theologie, Mathematik, Physik, Philosophie und Recht
in Jena und (1702) Leipzig (Leibniz) Philosophielehrer in Leipzig (1703),
Professor für Mathematik in Halle (1706), (nach Landesverweis unter
Tötungsandrohung wegen gefährlicher Gedanken) Professor für Mathematik und
Philosophie in Marburg (1723) und (nach Rückruf durch Friedrich den Großen)
Professor für Naturrecht, Völkerrecht und Mathematik in Halle (1740). Auf der
Grundlage der Lehren Leibnizs wie des Gedankens, dass der (angeboren freie und
gleiche) Mensch verpflichtet sei, nach Vollkommenheit zu streben, stellt er
(vor allem auch in 1713 beginnenden deutschsprachigen, dann seit 1728 in
lateinischen Veröffentlichungen sowie anscheinend in allmählicher Entwicklung)
durch Ableitung aus wenigen Grundsätzen ein geschlossenes System
naturrechtlicher Sätze insgesamt auf (lat. Ius [N.] naturae methodo scientifica
pertractatum), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa
für einen einzigen Satz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, die Ablösung des →
Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Seine
wichtigsten Schüler sind Cramer, Ickstatt, Darjes und Nettelbladt.
Lit.: Köbler, DRG 136, 145, 146, 160, 208; Wunner, S.,
Christian Wolff, 1968; Backmann, H., Die naturrechtliche Staatslehre Christian
Wolffs, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Christian Wolff, hg. v. Schneiders, W., 1983; Stipperger, E., Freiheit und
Institution bei Christian Wolff, 1984; Ebihara, A., Justis Staatslehre und
Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 289; Luig, K., Die Pflichtenlehre des
Privatrechts, (in) Wieacker Symposion, hg. v. Behrends, O. u. a., 1991, 209;
Christian Wolff und die hessischen Universitäten, hg. v. Eckhardt, W., 2004;
Timme, M., Christian Wolff, JuS 2004, 1042; Gómez Tutor, J., Die wissenschaftliche
Methode bei Christian Wolff, 2004; Wolffiana II Christian Wolff und die
europäische Aufklärung, hg. v. Stolzenberg, J. u. a., 2007
Wolff, Martin
(Berlin 26. 9. 1872-London 20. 7. 1953), Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin 1903 außerordentlicher Professor, 1914 ordentlicher
Professor in Marburg, Bonn (1919) und Berlin (1921), bis er 1934/1935 aus
seinem Amt entfernt wird und 1938 nach London auswandert. Sein 1910 erstmals
veröffentlichtes, bis 1932 (9. Auflage) in 37000 Exemplaren erschienenes
Sachenrecht gilt als eines der besten privatrechtlichen Werke des 20. Jh.s.
Lit.: Wolff, M., Der Bau auf fremdem Boden, 1900; Deutsche
Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 543; Hansen, T.,
Martin Wolff (1872-1953), 2009
Wolhynien,
Wolynien, ist das Gebiet zwischen Bug und Dnjepr. Es bildet im 11./12. Jh. ein
unabhängiges Herzogtum (Lodomerien), wird aber 1188 mit → Galizien
vereinigt. 1793/1795 kommt es bei Teilungen Polens an Russland, von 1921 bis
1944 teilweise an Polen. Die im 19. Jh. eingewanderten Deutschen werden
mehrfach verschleppt und umgesiedelt.
Wöllner, Johann Christoph
von (1732-1800) wird in Preußen 1788 Minister des geistlichen Departements.
Nach ihm ist ein am 9. 7. 1788 erlassenes Edikt benannt. Es anerkennt den
Grundsatz der religiösen → Toleranz und konfessionellen Parität der drei
christlichen Hauptkonfessionen.
Lit.: Valjavec, F., Das Wöllnersche Religionsedikt, Hist.
Jb. 72 (1953), 386; Theisinger, T., Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen
Religionsedikt, Diss. jur. Heidelberg 1975
Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 190 (Pistorius 1716)
Wood, Thomas
(1661-1722) wird nach dem Studium in Oxford 1703 Doctor of Civil Law und 1704
geistlicher Rektor von Hardwick in Buckinghamshire. 1720 veröffentlicht er An
Institute of the Laws of England. Beeinflusst von Domat versucht er eine
Ordnung und Systematisierung des → common law nach römischrechtlichen
Methoden. Seine Verbindung von römischem Recht und englischem Recht wirkt fast
während des gesamten 18. Jh.s prägend.
Lit.:
Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 12 1938, 418; Coquillette, D., The
Civilian Writers, 1988, 198; Robinson, R., The Two Institutes of Thomas Woods,
American Journal of Legal History, 35 (1991), 432
Wormeln
(Kloster bei Warburg 1246-1810)
Lit.: Urkunden des Klosters Wormeln, hg. v. Müller, H., 2009
Worms ist die ursprünglich keltische Siedlung (Borbetomagus) am linken Ufer des mittleren Rheins, die vielleicht seit 346 Sitz eines Bischofs ist. 1273 erlangt die bischöfliche, seit 1074 mit Privilegien begabte Stadt, in der am 23. 9. 1122 nach längeren Verhandlungen das einen gewissen Ausgleich im Investiturstreit bringende Wormser Konkordat vereinbart wird, Reichsfreiheit. 1498/1499 erneuert sie in weitgehender Romanisierung ihr Recht in einer → Reformation.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93; Köbler,
Historisches Lexikon; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms,
Speyer und Mainz, 1890; Koehne, C., Die Wormser Stadtrechtsreformation, 1897;
Wormser Recht und Wormser Reformation. Älteres Wormser Recht, hg. v. Kohler, J.
u. a., 1915; Sofsky, G., Die verfassungsrechtliche Lage des Hochstifts Worms,
Diss. jur. Mainz 1955; Theuerkauf, G., Burchard von Worms, Frühmittelalterliche
Studien 2 (1968), 144; Hüttemann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte,
1970; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985¸http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ReformationderStattWorms-DerStattWormbsReformacion.pdf;
Die ältesten Urkunden aus dem Stadtarchiv Worms (1074-1255), hg. v. Fees, I. u.
a., 2006
Wormser Konkordat ist der
Vertrag zwischen Papst und Kaiser vom 23. 9. 1122, der den →
Investiturstreit vorläufig abschließt. Der Kaiser überlässt der Kirche jede
Investitur mit Ring und Stab und erlaubt kanonische Wahlen und freie Weihe. Der
Papst lässt zu, dass im deutschen Reich die Wahl der Bischöfe in Gegenwart des
Kaisers vollzogen wird und im Falle der Uneinigkeit der Kaiser den klügeren
Teil unterstützen darf. Nach der Wahl darf der Kaiser die Regalien übertragen.
Damit wird die Einheit von geistlicher und weltlicher Herrschaft aufgegeben.
Lit.: Bernheim, E., Das Wormser Konkordat, 1906; Rudorff,
H., Zur Erklärung des Wormser Konkordats, 1906; Bernheim, E., Die praesentia
regis im Wormser Konkordat, Historische Vierteljahresschrift 1907, 196;
Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910),
137; Hofmeister, A., Das Wormser Konkordat, 1962; Investiturstreit und
Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung
des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Schilling, B., Ist das Wormser
Konkordat überhaupt nicht geschlossen worden?, DA 58 (2002), 123;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KonkordatvonWorms1122.htm
Wort
Lit.: Wörter und Sachen
im Lichte der Bezeichnungsforschung, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1981
Writ ist im englischen Recht das über eine Bitte an den königlichen Kanzler gegen Entgelt zu erlangende Privileg des Königs, in dem er in lateinischer Sprache den Sheriff der Grafschaft des Beklagten anweist, dem Beklagten z. B. zurückzugeben, was er schuldet oder zum königlichen Gericht zu kommen und zu erklären, warum er es nicht tut. Diese streng formalisierte verfahrensrechtliche Weisung ist vielleicht über Kirche und Universität durch das römische Recht beeinflusst. 1227 werden insgesamt 56 Arten von writs unterschieden. 1258 werden neue writs verboten aber als writs upon the case doch wieder zugelassen. Für Verträge wird ein w. erst 1602 anerkannt. 1832 bestehen 76 verschiedene Arten von writs und damit Klagen. 1852 wird das System der forms of action aufgegeben. Die Technik der einzelnen writs kann praktisch nur in den → inn of courts zuverlässig erlernt werden.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Peter, H., Actio und writ, 1957; Caenegem, R. von, Royal
Writs, 1959; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Wucher (ahd. wuohhar, M.,
Ertrag) ist das unter Ausbeutung der Zwangslage, der
Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen
Willensschwächen eines anderen erfolgende Versprechenlassen oder Gewährenlassen
von solchen Vermögensvorteilen für eine Leistung, die in einem auffälligen
Missverhältnis zu der Leistung stehen. Im Mittelalter erklärt sich das
kirchliche Gericht für wucherische Geschäfte zuständig. Zum Ausgleich für den
Wegfall des kanonischen → Zinsverbotes und der neuzeitlichen
Höchstzinssätze im Liberalismus wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) ein Wucherverbot geschaffen (Österreich 28. 5. 1881 für Kreditgeschäfte,
12. 10. 1914 für alle Rechtsgeschäfte, 1916 § 879 II Nr. 4 ABGB).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 214; Trusen, W.,
Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im
Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; Rösch, G., Wucher in
Deutschland 1200-1350, HZ 259, (1994), 593; Dilcher, J., Die
Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Pohlkamp, M.,
Die Entstehung des modernen Wucherrechts, 2009
Wülfinghausen
Lit.: Urkundenbuch des
Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.
Wunder (lat.
miraculum) ist das auf vermuteter göttlicher Einwirkung beruhende, Erfahrungserwartungen
widersprechende erwünschte Geschehen (z. B. Heilung schwerer Krankheiten,
unerwartetes Bestehen von Gefahrenlagen). Es erweckt Hoffnungen anderer. Es
trägt unter Ausnutzung seelischer Nöte Schwacher zum Wohlstand parasitärer
Promotoren von Wallfahrten bei.
Lit.: Wallfahrt St. Georgenberg, hg. v.
Ingenhaeff-Berenkamp, W., 1986; Schuh, B., Jenseitigkeit in diesseitigen
Formen, 1989; Mirakel im Mittelalter, hg. v. Heinzelmann, M. u. a., 2002;
Rendtel, C./Wittmer-Butsch, M., Miracula, 2003; Schwegler, M., Kleines Lexikon
der Vorzeichen und Wunder, 2004; Mirakelberichte des frühen und hohen
Mittelalters, hg. v. Herbers, K., 2005
Würde → Menschenwürde
Lit.: Wagner, W., Die Würde des Menschen, 1991
Wurm, Nikolaus
(Neuruppin vor Mitte 14. Jh.s-Liegnitz nach 1401), Schüler des Johannes von
Lignano in Bologna, ist der sächsische gelehrte Jurist, der an verschiedenen
sächsischen Werken Verbesserungen vornimmt wie z. B. an der buchschen Glosse
oder an der Lehnrechtsglosse (1386) des Sachsenspiegels. Außerdem verfasst er
ein Liegnitzer Stadtrechtsbuch (1399), die Blume von Magdeburg (um 1390) und
die Blume über den Sachsenspiegel (1397).
Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960, 162, 178ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 58, 72; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus
Wurm, 1990
Wursten (aus wort-seten, auf Wurten
Sitzende) ist die seit dem 6. Jh. von
Friesen besiedelte Landschaft an der unteren Weser. 1508 wird eine
niederdeutsche Übersetzung der Rüstringer Küren aufgezeichnet, 1611 das
Wurstener Landrecht.
Lit.: Lehe, E. v., Geschichte des Landes Wursten, 1973
Württemberg ist die
1081/92 erscheinende Burg bei Esslingen, nach der sich Grafen benennen, welche
die Landesherrschaft im östlichen Teil Schwabens erreichen (W.). 1495 wird W.
unter Eberhard V., der 1477 die Universität Tübingen gründet, Herzogtum. 1555 wird
ein durch Sichard romanistisch geprägtes, vierteiliges → Landrecht
(Prozess, Vertrag, gewillkürtes Erbrecht, gesetzliches Erbrecht) erlassen, das
unter Änderungen (1567, 1610) bis 1900 in Geltung bleibt. Am Beginn des 19.
Jh.s wird der Umfang des Landes von 9800 Quadratkilometern auf 19500
Quadratkilometer erweitert. Am 25. 9. 1819 gewährt der König von W. eine →
Verfassung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 192, 202, 256, 269;
Köbler, Historisches Lexikon; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs
Württemberg, 1831; Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. 1ff.; Erzberger, Die
Säkularisation in Württemberg, 1902; Wintterlin, F., Geschichte der
Behördenorganisation in Württemberg, Bd. 1f. 1904ff.; Weller, K., Württembergische
Geschichte, 1909, 5. A. 1963; Württembegische ländliche Rechtsquellen, Bd. 1ff.
1910ff.; Württembergische Landtagsakten, Reihe 2, Bd. 1ff. 1910ff.;
Beschreibung des Oberamts Tettnang, 2. A. 1915; Württembergische Regesten, hg.
v. kgl. Haus und württemberg. Staatsarchiv, 1916ff.; Knapp, T., Neue Beiträge
zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes,
1919; Knapp, T., Das württembergische Hofgericht zu Tübingen und das
württembergische privilegium de non appellando, ZRG GA 48 (1928), 1; Mock, A.,
Die Entstehung der Landeshoheit der Grafen von Wirtemberg, 1926; Beschreibung
des Oberamtes Leonberg, 2. A. 1930; Hölzle, E., Das alte Recht und die
Revolution, 1931; Enst, F., Eberhard im Bart, 1933; Miller, M., Die
Organisation und Verwaltung von Neuwürttemberg, 1934; Hölzle, E., Württemberg
im Zeitalter Napoleons, 1937; Müller, K., Gesamtübersicht über die Bestände der
staatlichen Archive Württembergs, 1937; Weller, K., Besiedlungsgeschichte
Württembergs vom 3. bis 13. Jahrhundert, 1938; Kothe, I., Der fürstliche Rat in
Württemberg, 1938; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des
geheimen Rats in Württemberg, 1940; Graessle, H., Sindelfingen, 1954, Grube,
W., Der Stuttgarter Landtag, 1957; Sauer, P., Das württembergische Heer, 1958;
Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Hess, R.,
Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Struck,
W., Geschichte der Stadt Geisenheim, 1972; Philippi, H., Das Königreich
Württemberg im Spiegel der preußischen Gesandtschaftsberichte 1871-1914, 1972;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2662,
3,3,2864,3700; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg,
1973; Bernhardt, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre
Beamten 1520-1629, 1973; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2,
hg. v. Landkreistag, 1975; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Feuchte, P., Verfassungsgeschichte
von Baden-Württemberg, 1983; Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen, 1985;
Stettner, W., Ebingen, 1986; Gerner, J., Vorgeschichte und Entstehung der
württembergischen Verfassung, 1989; Frey, S., Das württembergische Hofgericht,
1989; Schwarzmeier, H., Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 3
1992; Haug-Moritz, G., Württembergischer Städtekonflikt und deutscher
Dualismus, 1992; Gotthard, A., Konfession und Staatsräson, 1992; Molitor, S., 1495
- Württemberg wird Herzogtum, 1995; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu
moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Schuler, P., Regesten
zur Herrschaft der Grafen von Württemberg 1325-1378, 1998; Raberg, F.,
Biographisches Handbuch der württtembergischen Landtagsabgeordneten 1815-1933,
2001; Württembergisches Klosterbuch, hg. v. Zimmermann, W. u. a., 2003;
Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2004; Die Protokolle der
Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004;
Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2005; Bayer, B., Ich bleibe nicht
mehr über die Nacht Schultheiß, 2006; Mann, B., Kleine Geschichte des
Königreichs Württemberg 1806-1918, 2006; Der württembergische Hof im 15.
Jahrhundert, hg. v. Rückert, P., 2006; Kümmerle, J., Luthertum, humanistische
Bildung und württembergischer Territorialstaat. 2008; Die Aufnahmeprivilegien
für französisch-reformierte Glaubensmigranten im Herzogtum Württemberg, bearb.
v. Schätz, H., 2009
Wurtzins (M.)
Hausstättenzins
Wurzach
Lit.: Vogel, A., Die
Rechtsverhältnisse der reichstruchsess-waldburgischen Stadt Wurzach, Diss. jur.
Tübingen 1958
Würzburg am Main wird nach älteren Siedlungsspuren 704 als Vorort eines fränkischen Herzogtums bezeugt. 741/742 wird es Sitz eines Bischofs, von dem zwischen 995 und 1223 386 Urkunden nachgewiesen sind. 1402/1410 wird eine 1582 erneuerte Universität eingerichtet. Um 1200 hat es 7000 bis 8000, um 1500 rund 9000 Einwohner.Das Würzburger Landgericht will für das Herzogtum → Franken zuständig sein.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Knapp, H., Die Zenten
des Hochstifts Würzburg, 1907; Würzburger Polizeisätze, hg. v. Hoffmann, H.,
1955; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956;
Urkundenregesten zur Geschichte der Städte des Hochstifts Würzburg (1172-1413),
bearb. v. Engel, W., 1956; Seberich, F., Das Stadtmodell Würzburg um 1500,
1968; Johanek, P., Die Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum Würzburg, 1969;
Schubert, E., Materielle und organisatorische Grundlagen der Würzburger
Universitätsentwicklung, 1973; Schich, W., Würzburg im Mittelalter, 1977;
Trüdinger, K., Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg, 1978; Fries,
L., Chronik der Bischöfe von Würzburg 741-1495, hg. v. Wagner, U. u. a., Bd.
1ff. 1992ff.; Kummer, C., Die
Illustration der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries aus dem Jahre
1546, 1995; Geschichte der Stadt Würzburg, hg. v. Wagner, U., Bd. 1ff.
2001ff.; Raum und Recht – Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät,
hg. v. Dreier, H. u. a., 2002; Schäfer, D., Geschichte Würzburgs, 2003;
Sprandel, R., Das Würzburger Ratsprotokoll des 15. Jahrhunderts, 2003; Müller,
K., Die Würzburger Judengemeinde im Mittelalter, 2004; Hecker, M.,
Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Benkert, C., Die
juristische Fakultät der Universität Würzburg 1914 bis 1960, 2005; Die
Lebensbeschreibungen Bischof Burchards von Würzburg, hg. v. Barlava, D., 2005;
Süßmann, J., Vergemeinschaftung durch Bauen, 2007
Wüstung ist die zerstörte
oder verlassene Siedlung. W. (Zerstörung) eines Gutes ist auch als Rechtsfolge
möglich (z. B. bei Landesverrat, Ketzerei, Tötung, Notzucht).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lappe, J., Die Wüstungen der
Provinz Westfalen, 1916, Frölich, K., Rechtsgeschichte und Wüstungskunde, ZRG
GA 64 (1944), 277; Largiadèr, A., Ein später Fall von strafrechtlicher Wüstung,
ZRG GA 72 (1955), 244; Zahn, N., Die Wüstung, Diss. jur. Basel 1956; Fischer,
H., Die Hauszerstörung, 1957; Abel, W., Die Wüstungen, 1943, 2. A. 1955, 3. A.
1976; Wüstungen in Deutschland – Ein Sammelbericht, hg. v. Abel, W., 1967
X
Xanten
Lit.: Urkundenbuch des
Stiftes Xanten, hg. v. Weiler, P., Bd. 1 1935; Hawicks, H., Xanten im späten
Mittelalter, 2006
Xiphilinos, Johannes (Trapezunt 1010) wird nach Ausbildung in Konstantinopel Rechtslehrer einer Rechtsschule und kommentiert das in den → Basiliken überlieferte römische Recht.
Lit.: Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen
Rechtsbüchern, 1986, 29, 40
Y
Year book ist die
Bezeichnung der Jahrbücher, in denen die Entscheidungen des → englischen
Rechts von jungen Anwälten in → Law French aufgenommen sind (reports, von
1292 bis 1535 erhalten, Gegensatz lateinische records).
Lit.: Year books Bd. 1ff. 1903ff.;
Baker, J., The Common Law Tradition, 2000
Z
Zabarella,
Francesco (Padua 1360-1417), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des
Kirchenrechts in Bologna (Antonius de Butrio) Rechtslehrer in Padua und Bischof
von Florenz. Auf dem Konzil von Konstanz setzt er sich für die Erweiterung der
Rechte des Konzils zu Lasten des Papstes ein.
Lit.: Girgensohn, D., Francesco Zabarella, ZRG KA 79
(1993), 232
Zachariä (1842 von
Lingenthal), Carl Salomo (Meißen 14. 9. 1769-Heidelberg 27. 3. 1843),
Advokatensohn, wird nach dem Studium der Philosophie, Philologie und des Rechts
in Leipzig 1802 Professor in Wittenberg und Heidelberg (1807). 1808
veröffentlicht er ein systematisch abgefasstes Handbuch des französischen
Civilrechts. 1810 legt der als schillernd beschriebene Gelehrte das aufgeklärte
„Staatsrecht der rheinischen Bundesstaaten“ vor.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 169; Lang, T., Die Staats- und Verfassungslehre Carl Salomo Zachariaes,
1996
Zachariae, Heinrich
Albert (Herbsleben bei Bad Langensalza 20. 11. 1806-Cannstadt 29. 4. 1875) wird
1829/1830 Strafprozessrechtler und Staatsrechtler in Göttingen (Grundlinien des
gemeinen deutschen Kriminalprozesses, 1837).
Lit.: Mohl, R. v., Geschichte und Literatur der
Staatswissenschaften, Bd. 2 1855, Neudruck 1960, 266; Bandemer, D., Heinrich
Albert Zachariae, 1985
Zagreb (Agram) an
der oberen Save geht auf antike Grundlagen zurück. 1093 ist es Sitz eines
Bischofs. 1242 wird die nach der Zerstörung (1242) neu entstandene Siedlung
Gradec königlich ungarische Freistadt. 1526 fällt Z. an → Österreich.
1669 erhält es eine Universität. 1718 wird Z. Hauptstadt → Kroatiens.
Lit.:
Grothusen, K., Entstehung und Geschichte Zagrebs bis zum Ausgang des 14.
Jahrhunderts, 1967; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg,
hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Zahl ist die Umstände nach ihrer Menge fortlaufend ordnende Einheit. Frühmittelalterliche Zahlenangaben sind wohl grundsätzlich verlässlich. Bei hohen Heeresangaben sind Übertreibungen anzunehmen.
Lit.: Ifrah, G., Universalgeschichte der Zahlen, 2. A.
1991; Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der
Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Bentley, P., Das Buch der
Zahlen, 2008
Zahlung ist die
Tilgung einer Geldschuld. Sie erfolgt zunächst durch Übereignung der Sache
Geldstück, seit dem 19. Jh. zunehmend bargeldlos.
Lit.: Meder, S., Die bargeldlose
Zahlung, 1996; Denzel, M., Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, 2008
Zähringen bei Freiburg
im Breisgau ist die namengebende Burg einer alemannischen Familie, die 1092 den
Titel eines Herzogs (Gegenherzogs) von Schwaben annimmt. Ihr durch viele
Stadtgründungen (z. B. → Freiburg im Breisgau, → Bern)
gekennzeichnetes Herrschaftsgebiet fällt bei ihrem Aussterben 1218 an
verschiedene Nachfolger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Mayer, T., Der Staat der
Herzöge, 1935; Büttner, H., Egino von Urach-Freiburg, der Erbe der Zähringer,
1939; Die Zähringer, hg. v. Schadek, H. u. a., 1986; Die Zähringer, hg. v.
Schmid, K. u. a., 1990; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004
Zar (M.) ist der
nach lat. Caesar gebildete slawische Herrschertitel (Russland 1547-1917,
Bulgarien 1908-1946). → Kaiser
Lit.: Die russischen Zaren, hg. v. Torke, H., 1995;
Fedorowski, W., Die Zarinnen, 2001
Zalaszowski,
Mikolaj (1631-1703) wird nach dem Studium in Krakau, Rom und Deutschland
Professor in Krakau und Posen. Seit 1699 veröffentlicht er (lat.) Ius (N.) regni
Poloniae (Recht des Königreichs Polen).
Lit.: Malinowska, I., Mikolaj Zalaszowski, 1960
Zasius (Zäsy),
Ulrich (Huldreich) (Konstanz 1461-Freiburg im Breisgau 24. 11. 1535) wird nach
dem Rechtsstudium in Tübingen Gerichtsschreiber in Konstanz und Stadtschreiber
in Freiburg, wo er nach weiteren Studien 1506 Professor wird. Er fördert die in
Frankreich gegen die herkömmliche italienische Art (lat. → mos [M.]
Italicus) entwickelten humanistisch-philologischen Neuansätze (→
Alciat, lat. → mos [M.] Gallicus). Bei dem 1520 vorgelegten neuen römischrechtlich
beeinflussten Stadtrecht (Reformation) → Freiburgs wirkt er maßgeblich
mit. Er ist der erste europäisch bedeutsame deutsche Jurist.
Lit.: Köbler, DRG 144, 160; Stintzing, R., Ulrich Zasius,
1857, Neudruck 1857; Bremer, F., Ulrich Zasius und das Familienstatut der von
Rappoltstein vom Jahre 1511, ZRG GA 18 (1897), 170; Knoche, H., Ulrich Zasius
und das Freiburger Stadtrecht von 1520, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956;
Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961 (132 Schüler und Hörer);
Kisch, G., Zasius und Reuchlin, 1961; Fleischer, G., Ulrich Zasius und Petrus
Stella, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Nüwe Stattrechten und
Statuten, hg. v. Köbler, G., 1986; Rowan, S., Ulrich Zasuis, 1987; Schroeder,
K., Ulrich Zasius, JuS 35 (1995), 97
Zauber ist die
Zuhilfenahme von nichtmenschlichen geistigen Kräften zur Verwirklichung
menschlicher Zwecke. Der Z. gehört bereits der Vorgeschichte an. Die
christliche Kirche wendet sich gegen bestimmte Formen von Z. und Zauberei und
verfolgt insbesondere in der frühen Neuzeit → Hexen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87; Köbler, WAS;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hansen, J., Zauberwahn,
1900, Neudruck 1964, 1983; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941; Leutenbauer, S.,
Hexerei und Zauberdelikt, 1972; Zauber, Magie und Rituale, hg. v. Büttner, C.,
1985; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004;
Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Clerc, J., Homines magici, 1995;
Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen
Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen,
2003
Zauberei →
Zauber
Zaudengericht
Lit.: Diels,
P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935
Zaun
Lit.: Amira, K. v., Zaunpflicht
zwischen Gemeinweiden und Kulturland, ZRG GA 29 (1928), 336
zehn Gebote → Dekalog
Zehnt ist der
bereits den Juden im Alten Testament bekannte, von der Kirche zwischen
Spätantike (6. Jh.) und Frühneuzeit unter Berufung auf biblische Stellen (3. Mose
27,30) geforderte zehnte Teil eines Ertrages. Er wird von dem merowingischen
Hausmeier Karl Martell nach der im Zuge der Abwehr des Ansturmes der Araber
(732) erfolgten Säkularisierung (Verweltlichung) des Kirchengutes erneuert. Im
13. Jh. wird er zur Geldleistung. Im 19. Jh. wird der Z. im Gefolge der
französischen Revolution durch die → Kirchensteuer ersetzt (Preußen 20.
6. 1875).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 198; Stutz, U.,
Das karolingische Zehntgebot, ZRG GA 29 (1908), 180; Viard, P., Histoire de la
dîme ecclésiastique, 1909; Schmid, H., Der Gegenstand des Zehntstreites
zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrhundert, ZRG GA 43 (1922), 267;
Plöchl, W., Das kirchliche Zehntwesen, 1935; Gmür, R., Der Zehnt im alten Bern,
1954; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Harrer, R.,
Der kirchliche Zehnt im Gebiet des Hochstifts Würzburg, 1992; Pribnow, V., Die
Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und Zehnterhebung, 1996; Jursa, M., Der
Tempelzehnt in Baylonien, 1998; Person-Weber, G., Der Liber decimationis des
Bistums Konstanz, 2001
Zeichen → Marke, Warenzeichen
Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992;
Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995
Zeil
Lit.: Inventar des
Archivs Trauchburg, bearb. v. Rauh, R., 1968; Rauh, R., Das Hausrecht der
Reichserbtruchsessen Fürsten von Waldburg, Bd. 1f. 1971f.
Zeiller, Franz von (Graz 14. 1. 1751-Hietzing bei Wien 23. 8. 1828) wird nach dem Studium der Philosophie in Graz und des Rechts in Wien (Martini) Hauslehrer Martinis, 1778 außerordentlicher Professor, 1782 ordentlicher Professor in Wien und 1797 Beisitzer der Hofkommission in Justizgesetzsachen. Er bearbeitet das westgalizische Strafgesetzbuch und das Strafgesetzbuch des Jahres 1803. Sein 1802 veröffentlichtes natürliches Privatrecht prägt den anschließend von ihm umgestalteten Stoff des späteren → Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (1811/1812, Kommentar 1811/1813). Sein 1810 eingeführter Studienplan drängt die Geschichte zugunsten der Systematik (auf eine rein dienende Aufgabe) zurück, doch wird dies 1855 wieder beseitigt. 1813 wird Z. geadelt.
Lit.: Köbler, DRG 142; Swoboda, E., Franz von Zeiller,
1931; Forschungsband Franz von Zeiller, hg. v. Selb, W. u. a., 1980; Franz von
Zeiller. Symposium, hg. v. Desput, J. u. a., 2003
Zeit
Lit.: Engammare, M., L’ordre du temps,
2004
Zeitgeschichte ist die die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte. In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 (Hans Rothfels 1953 Zeit der Mitlebenden) (bzw. seit 1945) als Z. verstanden. Seit etwa 1970 wird auch eine juristische Z. angestrebt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Klippel, D., Juristische
Zeitgeschichte, 1985; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?, hg. v.
Stolleis, M., 1993; Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum
Juristische Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J.,
Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein
Forum zur juristischen Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte,
1998; 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999;
Institut für juristische Zeitgeschichte Hagen Jahrbuch Bd. 1ff. hg. v.
Voermbaum, T., 1999ff.; Vormbaum, T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte,
1999; Themen juristischer Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999;
Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 117 (2000), 290; Diestelkamp,
B., Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte, 2001 (Beiträge); Gehler, M.,
Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem, 2001; Senn, M., Recht – Gestern
und heute, 2002; Einführung in die Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a.,
2003; Topitsch, E., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 2003; Metzler, G.,
Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Wagner, W., Bildatlas der
österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Zeitgeschichte als Problem, hg. v. Nützenadel, A. u. a.,
2004; Metzler, G., Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Auf dem
Weg in eine neue Moderne?, hg. v. Raithel, T. u. a., 2009; Möller, H. u. a., 60
Jahre Institut für Zeitgeschichte, 2009
Zeitschrift ist die im Verlauf der Zeit in
Abständen erscheinende Schrift meist mit kurzen Beiträgen mehrerer Verfasser.
Sie entwickelt sich seit der Erfindung des Buchdrucks. Juristische, zunächst
noch buchähnliche Zeitschriften werden im Heiligen römischen Reich seit dem 18.
Jahrhundert herausgegeben, in den meisten übrigen Staaten Europas im 19.
Jahrhundert, wobei teilweise die Wissenschaft im Vordergrund steht, teilweise
aber auch die Praxis einbezogen wird. Erfolgreichste deutschsprachige
juristische Zeitschrift ist wohl die 1947 vom Verlag C. H. Beck begründete Neue
Juristische Wochenschrift.
Lit.: Juristische
Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1999; Juristische Zeitschriften in
Europa, hg. v. Simon, T. u. a., 2006; Weber, H., Juristische Zeitschriften des
Verlags C. H. Beck, 2007
Zeitschrift für Rechtsgeschichte ist die der von Savigny und
anderen für Romanistik und Germanistik begründeten Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft (1815-1845) und der von Reyscher und Wilda herausgegebenen
(germanistischeren) Zeitschrift für deutsches Recht ab 1861 folgende,
Romanistik und Germanistk wieder vereinende, 1880 in eine germanistische
Abteilung und eine romanistische Abteilung gegliederte und (durch Ulrich Stutz)
1911 um eine kanonistische Abteilung erweiterte Zeitschrift für
rechtsgeschichtliche Forschungen und Besprechungen („Deutschlands berühmteste
Zeitschrift).
Lit.: Thieme, H., Hundert Jahre Zeitschrift für
Rechtsgeschichte, ZRG GA 78 (1961), XII; Mayer-Maly, T., Deutschlands
berühmteste Zeitschrift, ZRG GA 102 (1985), 1
Zeitung ist das regelmäßig erscheinend, über Wissenswertes berichtende Druckerzeugnis. Die älteste in Deutschland erschienene und erhaltene ist Aviso von 1609 für Landadel und Juristen. Die älteste, noch erscheinende Zeitung Deutschlands ist die H
Lit.: Breil, M., Die
Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Juristische Zeitschriften, hg. v.
Stolleis, M., 1999; Pross, H., Zeitungsreport, 2000; Schultheiß-Heinz, S.,
Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Schütz, W., Zeitungen in
Deutschland, 2005f; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Stolleis, M. u.
a., 2006
Zensor ist der
altrömische Amtsträger (2 Zensoren), der aus den ehemaligen Konsuln auf fünf
Jahre gewählt wird und wohl seit 444 v. Chr. für die Aufsicht über die Sitten
und die Vermögensveranlagung zuständig ist.
Lit.: Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG
18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Zensur ist die
Aufsicht über das gesellschaftliche Verhalten, insbesondere über die
Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform. Bereits dem ausgehenden Altertum
(ab 4. Jh. n. Chr.) ist die Z. in der Kirche bekannt. 1184 führt Papst Lucius
III. die Nachzensur für die Kirche ein. Sie wird nach der Erfindung des
Buchdrucks wegen der damit verbundenen Gefahren 1487 durch Papst Innozenz
VIII. in die Vorzensur umgewandelt. Von 1559/1564 bis 1967 führt die
katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum prohibitorum (Anzeiger
verbotener Bücher). Dem folgen seit dem 16. Jh. die neuzeitlichen Landesherren
(z. B. Maria Theresia für Österreich 1748, 1749, 1752, 1778 überwog in
Österreich die Zahl der verbotenen Bücher die Zahl der erlaubten Bücher), bis
im 19. Jh. der Liberalismus grundsätzlich die → Pressefreiheit erreicht
(in Österreich aber Vorzensur bis 1848, 1852-1862, 1914-1918, 1933-1939, [nicht
verbotene] Nachzensur bis 1981).
Lit.: Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland, Diss.
jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970; Busch, R.,
Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg,
Westfalen und Frankfurt, 1970; Neumann, D., Staatliche Bücherzensur, 1977;
Ziegler, E., Literarische Zensur, 1983; „Unmoralisch an sich...“, hg. v.
Göpfert, H. u. a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor, Börsenbl. f. d. dt.
Buchhandel 1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit,
1993; Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt, Criticon 155 (1997), 145;
Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern
und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann 1997, 36; Inquisition – Index
– Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Széchényi, B., Rechtliche Grundlagen
bayerischer Zensur, 2003; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des
Vormärz, 2003; Müller, B., Zensur im modernen deutschen Kulturraum, 2003;
Olechowski, T., Die Entwicklung des Pressrechts in Österreich bis 1918, 2004;
Bianchin, L., Dove non arriva la legge, 2005
Zensus (M.)
Steuerleistung (z. B. 594 v. Chr. in Athen, vor allem als Grundlage eines
gestuften Wahlrechts [Zensuswahlrechts] im 19. Jh. [Großbritannien bis 1867,
Bayern 1808, in Österreich von 1848 bzw. vom Kremsierer Entwurf 1849
[Beschränkung des Wahlrechts auf 6-7 Prozent der Bevölkerung, 1882 durch
Taafesche Wahlrechtsreform, 1896 durch Badenische Wahlrechtsreform gemildert]
bis 1907 [Becksche Wahlrechtsreform])
Lit.: Söllner § 6; Baltl/Kocher; De Biasio, G., Il censo e
il voto, 1993; Strejcek, G., Bundesverfassung und Wahlrecht, 2009
Zent (zu lat.
centum, Num. Kard., hundert) ist eine in Herkunft und Bedeutung streitige
Verwaltungs- und Gerichtseinheit (Zentgericht) des Mittelalters.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Die Zenten des Hochstifts
Würzburg, hg. v. Knapp, H., 1907; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen
und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der
Landgemeinde, 1964
Zentenar
Lit.: Glitsch, H., Der
alamannische Zentenar und sein Gericht, 1917
Zentgericht ist das die → Zent betreffende Gericht.
Lit.: Erler, A., Die Zentgerichtsordnung von Lützelbach,
ZRG GA 66 (1948), 528; Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002; Schultheiß,
S., Das Zentgericht Burghaslach in Franken, 2007
Zentralbehörde ist
vor allem in der Neuzeit die zusammenfassende Behörde der staatlichen
Verwaltung. Sie ist meist bürokratisch organisiert.
Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum,
1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press,
V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden
des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und
Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen
Reiches, 1982
Zentralismus
Lit.: Centralismo e
federalismo tra otto(cento) e novecento, hg. v. Janz, O. u. a., 1997
Zentraluntersuchungskommission ist eine Untersuchungskommission des → Deutschen Bundes (1819-1828, 1833-1848) gegen revolutionäre Umtriebe.
Lit.: Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission,
1970
Zentrumspartei ist
im zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des konservativen
Katholizismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte,
Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck
1968; Anderson, M., Windthorst, 1981; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen
Staat und Kirche, 2001; Ruppert, K., Die weltanschaulich bedingte Politik der
Deutschen Zentrumspartei in ihrer Weimarer Epoche, HZ 285 (2007) 49
Zepter (N.) (Szepter) Herrscherstab
Lit.: Paatz, W., Sceptrum universitatis, 1953; Vorbrodt,
C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen und
Symbole des Rechts, 1992
Zerreißen ist eine
Form der → Todesstrafe (14.-18. Jh.).
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922,
131
Zerrüttung ist die
Zerstörung durch Erschütterung, im Recht insbesondere die Z. der ehelichen
Lebensgemeinschaft, die (nach einem vereinzelten ähnlichen Ansatz in Frankreich
durch Gesetz vom 20. 9. 1792) in Deutschland 1976 in Ablösung des älteren
Verschuldensgrundsatzes zur Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird
(in Österreich stattdessen 1978 einvernehmliche Ehescheidung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer, H.,
Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das
Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der
Rechtssprache, 1991; Bommer, J., Ein Gesetz - zwei Rechtsprechungen?, 2008
Zession (F.) (Schreiten,) Abtretung (einer Forderung)
Lit.: Buch, G., Zur Zession im deutschen mittelalterlichen
Recht, ZRG GA 34 (1913), 429; Huwiler, B., Der Begriff der Zession, 1975; Luig,
K., Zession und Abstraktionsprinzip, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche Zessionsverbot von 1551, Diss. jur.
Bochum 2000; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im Codex Theresianus,
(in) Spuren des römischen Rechts, 2007, 693
Zeuge (lat. [M.]
testis) ist der Mensch, der über Tatsachen, die er wahrgenommen hat, aussagen
soll. Zeugen gibt es, solange es Menschen gibt. Die Bedeutsamkeit von Zeugen
für den Beweis von Tatsachen ist zu unterschiedlichen Zeiten verschieden groß.
Zu unterscheiden sind zufällige Zeugen (Zufallszeugen) und Geschäftszeugen
(zur Vornahme eines Geschäfts zugezogene Zeugen). Vielfach ist der Z. bewusst
oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens mit dem Inquisitionsprozess erscheint
die Pflicht, in gerichtlichen Verfahren als Z. auszusagen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II 6;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 126, 155, 156, 202; Köbler,
WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B., Die
Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960; Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen
Kaiser Heinrichs IV., 1970; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess,
1971; Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222;
Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a.,
1994; Bogisch, M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur
des Hofes, 1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003; Lepsius, S.,
Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003; Garnot, B., Les témoins devant la justice,
2003
Zeumer, Karl (Hannover
31. 7. 1849-Berlin 18. 4. 1914), Kürschnerssohn, wird nach dem Studium der
deutschen Sprache und Geschichte in Göttingen, Leipzig und Berlin Herausgeber
wichtiger, vor allem rechtlicher Quellen (1889 außerordentlicher Professor in
Berlin).
Lit.: Historische Aufsätze (FS), 1910; Krammer, M., Karl
Zeumer, ZRG GA 35 (1914), IX; Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 35
(1914), 646
Ziegenhain
Lit.: Brauer, F., Die Grafschaft Ziegenhain, 1934
Zigeuner ist die ältere, in der Gegenwart durch die Eigenbezeichung Roma oder Sinti ersetzte Benennung des Angehörigen eines im 10. Jh. aus Nordindien ausgewanderten, seit dem 15. Jh. im Heiligen römischen Reich (1399 Böhmen, 1407 Hildesheim, 1414 Hessen) erscheinenden indogermanischen Volkes. Der Ausdruck Z. wird politisch um 1860 soziographisch (Fehlen eines festen Wohnsitzes) geprägt wirksam. Der ausländische Z. wird nach 1871 des Deutschen Reichs verwiesen, der deutsche Z. seit 1886 polizeilicher Überwachung und Erfassung unterstellt. Im → Nationalsozialismus wird der Z. ohne totale Tötungsabsicht verfolgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Majer, D., Fremdvölkische im
Dritten Reich, 1981; Gronemeyer, R./Rakelmann, G., Die Zigeuner, 1988; Hohmann,
J. Neue deutsche Zigeunerbibliographie, 1992; Gilsenbach, R., Weltchronik der
Zigeuner, Bd. 1ff. 1994ff. z. T. 2. A. 1997; Lucassen, L, Zigeuner, 1996;
Rütten, W., „Lustig ist das Zigeunerleben“, ZRG GA 114 (1997), 233; Stichwort
Zigeuner, hg. v. Awosusi, A., 1998; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten
Reich, 2001; Lewy, G., Rückkehr nicht erwünscht, 2001; Bonillo, M.,
Zigeunerpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, 2001; Weyrauch, W., Das
Recht der Roma und Sinti, 2002; Albrecht, A., Zigeuner in Altbayern 1871-1914,
2002; Zwischen Erziehung und Vernichtung, hg. v. Zimmermann, M., 2006; Fremde
Arme – arme Fremde, hg. v. Patrut, I. u. a. 2007; Zigeuner und Nation, hg. v.
Uerlings, H. u. a., 2008
Zimbrisch ist
die Bezeichnung für in Oberitalien seit dem Mittelalter bestehende deutsche
Dialekte.
Lit.: Schweizer, B., Zimbrische Gesamtgrammatik, 2008
Zins (lat. [F.] usura) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals (um 50 v. Chr. Höchstzinssatz von 12 Prozent) grundsätzlich durch Vereinbarung (anders bei Verzug), im allgemeineren Sinn die Abgabe. Der Z. wird in der Naturalwirtschaft in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld erbracht. Ist der Z. wirtschaftlich bedeutungslos, dient er der bloßen Anerkennung eines Rechtsverhältnisses etwa bezüglich eines Grundstücks (Anerkennungszins, Rekognitionszins). Das kanonische → Zinsverbot verbietet Christen das entgeltliche Darlehen. Seit 1530 wird im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) der Z. auf 5% festgelegt (1654 6%). Seit 1804 (Code civil) bzw. 1848 setzt sich die Zinsfreiheit durch, doch bildet das Verbot des → Wuchers eine Schranke.
Lit.: Kaser §§ 33 III, 34 IV, 37 II 2b, 39 I, 41 III 2;
Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 125, 127, 241; Mentz, F., Nasenzins
im Elsass?, ZRG GA 47 (1927), 669; Jecklin, F., Zinsbuch der Galluskirche in
Fideris, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von
Graubünden 56 (1927); Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig,
1929; Gutbrod, W., Die Brechung der Zinsknechtschaft, (in) Das Grundeigentum
1937, 135; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA
61 (1941), 150; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Brand,
O., Das internationale Zinsrecht Englands, 2002; Dilcher, J., Die
Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Gómez Rojo,
M., Historia jurídica del anatocismo, 2003
Zinsverbot ist das
Verbot, einen → Zins für eine Leistung zu nehmen. Es wird in der Kirche
zuerst für Geistliche, seit dem 5. Jh. n. Chr. auch für Laien entwickelt. Im
Mittelalter verbietet die Kirche wegen Lukas 6,35 Christen grundsätzlich das
Nehmen von Zins für → Darlehen, weshalb Umgehungsgeschäfte (z. B.
contractus mohatrae, Rentenkauf) entwickelt werden und im Übrigen das entgeltliche
Darlehensgeschäft von den → Juden (und Lombarden )durchgeführt wird. Seit
der frühen Neuzeit wird das kanonische Zinsverbot von Höchstzinssätzen
(Heiliges römisches Reich 1654 6%) abgelöst. Dem folgt im 19. Jh. durch den
Liberalismus die nur durch das Wucherverbot geschützte Freigabe des Zinses.
1983 gibt auch die katholische Kirche das W. auf. Auch der Islam kennt eine
ähnliche Einrichtung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 166; Funk, F.,
Geschichte des kirchlichen Zinsverbots, 1876; Lange, H., Das kanonische
Zinsverbot, FS J. Bärmann, 1975, 99; Blomeyer, A., Die Consilienpraxis zum
kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317; Horn, N., Zinsforderung und
Zinsverbot, FS H. Lange, 1992
Zips ist die unter
der Hohen Tatra gelegene Landschaft. 1370 erscheint das Landrecht der Zipser,
das durch 14 Handschriften des 15.-18. Jh.s überliefert wird. Es umfasst
anfangs 93 Artikel (Familie, Erbe, Vermögen, Handel, Verfahren, Verwaltung).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 54; Piirainen, I./Papsonova, M., Das Recht der Spis, 1992
Zisleithanien ist
das diesseits (westlich) der Leitha gelegene Gebiet Österreich-Ungarns.
Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher
Zisterzienser ist
der Angehörige des nach dem 1098 von Robert von Molesme und dem heiligen Alberich
gegründeten Kloster Citeaux in Burgund benannten benediktinischen
Reformordens. Wichtige deutsche Niederlassungen sind Kamp, Ebrach und
Heiligenkreuz (um 1500 fast 150 Niederlassungen im deutschen Sprachraum).
Lit.: Croix Bouton, J. de la, Histoire de l’Ordre de
Citeaux, 1959ff.; Die Zisterzienser, hg. v. Elm, K. u. a. 1980; Toepfer, M.,
Die Konversen der Zisterzienser, 1983; Die Zisterzienser, hg. v. Sydow, J. u.
a., 1989; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A.
2004; Kinder, T., Die Welt der Zisterzienser, 1997; Zisterzienser zwischen
Zentralisierung und Regionalisierung, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1998; Rüffer,
J., Orbis Cisterciensis, 1998; Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland,
hg. v. Rück, P. u. a., 1999; Von Cîteaux nach Bebenhausen, hg. v. Scholkmann,
B. u. a., 2000; Berman, C., The Cistercian Evolution, 2000; Zisterzienser, hg.
v. Knefelkamp, U., 2001; Eberl, I. Die Zisterzienser, 2002; Haarländer, S., Die
Zisterzienser, 2006; Rüffer, J., Die Zisterzienser und ihre Klöster, 2007
Zitelmann, Ernst
(Stettin 7. 8. 1852-Bonn 25. 11. 1923), Juristensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg, Leipzig und Bonn 1879 Professor in Rostock, 1881
in Halle und 1884 in Bonn. Er befasst sich vor allem mit dem Privatrecht (→
Willenserklärung, → Irrtum).
Lit.: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann, 1923; Repgen,
T., Die Kritik Zitelmanns, ZRG GA 114 (1997), 73
Zitiergesetz ist
(nach Gustav → Hugo) das 426 von den römischen Kaisern Theodosius II. und
Valentinian III. erlassene Gesetz (Codex Theodosianus 1. 4. 3), das →
Papinian, → Paulus, → Ulpian, → Modestin und → Gaius
als maßgebliche Rechtskundige benennt und bei Verschiedenheit der von ihnen
vorgetragenen Ansichten formale Entscheidungsregeln (Mehrheit, bei Stimmengleichheit
Papinian) für die Richtigkeit einer Lösung festlegt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz//Waldstein; Söllner § 19; Köbler,
DRG 52; Teipel, G., Zitiergesetze, ZRG RA 72 (1955), 245; Pringsheim, F., Zur
Textgeschichte des Zitiergesetzes, SDHI 27 (1961), 235
Zittau
Lit.: Zittauer
Urkundenbuch, hg. v. Prochno, J., 1939
zivil (Adj.) in Rom den römischen
Bürger betreffend, quiritisch, nichtmilitärisch, nichtkirchlich, nichtprätorisch,
nichtbonitarisch (z. B. Eigentum, bei dem bonitarisches, durch bloße traditio
einer res mancipi übertragenes Eigentum erst durch Ersitzung ziviles Eigentum
wird)
Zivilehe ist die durch weltliche Formen (Abgabe der Willenserkärung vor einer nichtkirchlichen Stelle) zustandekommende → Ehe der Neuzeit. Sie erscheint nach der Reformation Martin Luthers (1517) bereits im 16. Jh. (1580) in den Niederlanden als Möglichkeit (fakultative Z.), in England 1653 kurzzeitig unter Oliver Cromwell sogar als einzige Möglichkeit (obligatorische Z.). In Frankreich wird sie durch Gesetz vom 20. 9. 1792 (und den Code civil von 1804), im Deutschen Reich 1875 und in Österreich mit dem Ehegesetz von 1938 verwirklicht.
Lit.: Köbler, DRG 161, 209; Conrad, H., Die Grundlegung der
modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Woopen,
A., Die Zivilehe, 1956; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen
Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung
des englischen Eherechts, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der Nachmärzzeit, ZRG GA 104
(1987), 216; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1991; Fuhrmann,
I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998
Zivilgesetzbuch ist
die in mehreren Ländern verwendete Bezeichnung für ein Privatrechtsgesetzbuch
(Schweiz 1907/12, Deutsche Demokratische Republik 19. 6. 1975 [Vorarbeiten seit
September 1952], ohne Privatautonomie, ohne besonderes Schuldrecht und ohne
besonderes Sachenrecht, 1990 durch das Bürgerliche Gesetzbuch der
Bundesrepublik Deutschland garundsätzlich wieder aufgehoben). Das
Zivilgesetzbuch der Schweiz ist seit 1. 1. 1912 in Kraft (Person, Familie,
Erbe, Sache [, Obligationenrecht]). Eine Zusammenstellung der Veränderungen
bietet http://www.admin.ch/ch/d/gg/cr/1907/19070042.html
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 184, 255;
Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert, 1948; Marti, H.,
Wortregister zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1922; Sontis, J., Das
griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Gauye, O., Inventar zur
Dokumentation, Schweizerische Z. f. Gesch. 13 (1963); Gmür, R., Das
schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch,
1965; Peter, V., Vergleich einiger grundlegender Rechtsinstitute, Z. f.
vergleich. Rechtswiss. 77 (1978), 277; Schnyder, P., Siebzig Jahre
Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Göhring, J. u. a., Erfahrungen bei der
Verwirklichung des Zivilgesetzbuches, 1986; Das Zivilgesetzbuch der Deutschen
Demokratischen Republik, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Eichler, H.,
Zivilgesetzbücher im deutschsprachigen Rechtskreis, 1996; Flinder, M., Die
Entstehungsgeschichte des Zivilgesetzbuches der DDR, 1999; ZGB gestern - heute
- morgen, hg. v. Girsberger, D. u. a., 2007; Materialien zum Zivilgesetzbuch,
hg. v. Hurni, C. u. a., Bd. 1f. 2008f.
Zivilliste (F.)
Ausgaben eines Staates für die Hofhaltung (England 1689)
Lit.: Gneist, R., Das englische Verwaltungsrecht, Bd. 1f.
3. A. 1883f.
Zivilprozess (Zivilverfahren)
ist das öffentliche Gerichtsverfahren (Prozess) zwischen einem Kläger und
einem Beklagten in privaten (zivilen) Rechtsstreitigkeiten. Es wird bereits in
Rom vom Strafprozess unterschieden und erfolgt im altrömischen Recht als Legisaktionenverfahren
(→ legisactio), danach als → Formularverfahren und seit der
Zeitwende als → Kognitionsverfahren (→ cognitio). Im Mittelalter
spaltet sich das wohl zunächst weitgehend einheitliche, anfangs vermutlich in
der Volksversammlung unter einem Vorsitzenden durchgeführte Verfahren, in dem
seit der zweiten Hälfte des 11. Jh.s das Vorgehen in sog. (lat.) ordines
(M.Pl.) iudiciarii (Gerichtsordnungen) erörtert wird, erst im Hochmittelalter
(13. Jh.) vermutlich aus rationalen, wirtschaftlichen Gründen in bürgerliche
Sachen (Z., lat. causae civiles) und peinliche Sachen (→ Strafprozess,
lat. causae criminales) auf (str.). Bei den bürgerlichen Klagen werden als
verschiedene Arten die Klage um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe
unterschieden. Dabei leitet auf Antrag des Klägers der Richter das Verfahren
ein, das im Ding stattfindet. Der Beklagte kann sich, wenn er sich dem Begehren
des Klägers widersetzt, durch Eid von der Klage reinigen, sofern ihm der Kläger
nicht unter bestimmten Voraussetzungen den Eid verlegt. Dann entscheidet das →
Gericht durch → Urteil der Schöffen, wer das bessere Recht glaubhaft
macht oder das stärkere Beweismittel anbietet und damit näher zum →
Beweis ist (Beweisrecht). Wegen des Urteils können seit dem Spätmittelalter
die Akten an eine als sachkundiger eingeschätzte Stelle (z. B. Oberhof)
versendet werden. In Oberitalien bildet sich während des Mittelalters auf der
Grundlage des justinianischen Rechts das römisch-kanonische Verfahren aus, das
allmählich vor allem in den geistlichen Gerichten üblich wird. Es beginnt mit
der vom Kläger bei dem gelehrten Richter erwirkten Ladung des Beklagten zu
einem Termin. Hier überreicht der Kläger dem Beklagten die Klageschrift mit
seiner Rechtsbehauptung. In einem nächsten Termin hat der Beklagte alle
verfahrensablehnenden Verteidigungsgründe vorzubringen. Beide Parteien können
sich vor Gericht durch Prokuratoren vertreten und außerhalb des Gerichts durch
Advokaten beraten lassen. Nach der Leistung eines Gefährdeeids und der Streitbefestigung
ist der Stoff vom Kläger artikuliert vorzutragen und vom Beklagten ebenso zu
beantworten. Die geheime Beurteilung der Beweisergebnisse durch den selbst in →
Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand entscheidenden → Richter
ist an feste Beweisregeln gebunden. Der gesamte Verfahrensstoff wird
aufgezeichnet. Der Vollstreckung des kirchengerichtlichen Urteils dient die
Exkommunikation. Gegen das Urteil ist → Appellation und seit dem 12./13.
Jh. in bestimmten Fällen auch Nichtigkeitsklage zulässig. Vor allem über das →
Reichskammergericht setzt sich der gelehrte Z. als gemeiner Z. in der Neuzeit
weitgehend durch. Allgemein kann man deshalb nicht von einem Wandel eines
formgebundenen Prozesses oder Verfahrens zu einem formfreien Prozess oder
Verfahren am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit sprechen. Der Allgemeinen Gerichtsordnung
Preußens von 1793/1795 liegt nach überwiegender Ansicht die Inquisitionsmaxime
zu Grunde (mit dem Richter im Mittelpunkt), von der aber Novellen der Jahre
1833/1846 einigen Abstand nehmen. Der Liberalismus kehrt dagegen nach dem
Vorbild des auch Beschleunigung anstrebenden französischen → Code de
procédure civile von 1806 im 19. Jh. zu → Mündlichkeit und →
Öffentlichkeit zurück (Genf 1819, Baden 1831, Hannover 1850, Preußen Entwurf
1864). Im Deutschen Reich wird auf diesen Grundlagen 1877/1879 der Z. in der →
Zivilprozessordnung geregelt (mit dem Bürger im Mittelpunkt, Österreich 1. 8.
1895, Franz Klein [1854-1926], unter Ablösung der Allgemeinen Gerichtsordnung
von 1781 und der Westgalizischen Gerichtsordnung von 1796 in Kraft 1898, mit
Öffentlichkeit, Mündlichkeit, freier Beweiswürdigung, Unmittelbarkeit der
Beweisaufnahme und Verständnis von Rechtsdurchsetzung als Gemeinschaftsaufgabe
zur Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt und daraus folgender starker Stellung
des Richters statt unebschränkten Verhandlungsgrundsatzes, weitgehender
Übergang zum Einzelrichter 1914) mit deutlicher Abkehr von der Verhandlungsmaxime
in späteren Novellen von 1924 und 2001. Seit dem ausgehenden 18. Jh. ist im
Übrigen anscheinend in Abhängigkeit von der Ausdehnung des Kreditverkehrs die
Zahl der Zivilprozesse so sehr gestiegen, dass durch zahlreiche Novellen eine
Vereinfachung und Beschleunigung (ohne überzeugenden Erfolg) angestrebt wird.
Lit.: Kaser 80ff.; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 18, 30, 31, 55, 116, 155, 181, 201, 235, 262; Bethmann Hollweg, M.
v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959;
Bülow, O., Gemeines deutsches Zivilprozessrecht, hg. v. Braun, J., 2003;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973;
Kühtmann, A., Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891;
Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Leiser, W., Der gemeine
Zivilprozess, 1961; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von
materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Schubert, W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung und
Verfahrensgliederung im Zivilprozessrecht des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 85
(1968), 127; Wedekind, W.-, Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de
procesgang in civiele zaken, 1971; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess nach bayerischen Quellen, 1971; Dahlmanns, G., Der Strukturwandel
des deutschen Zivilprozesses, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und
Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Steins, A., Der ordentliche
Zivilprozess, Diss. jur. Bonn 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess,
1974; Nörr, K., Hauptthemen legislatorischer Zivilprozessreform, ZZP 87 (1974),
274; König, B., Konformität, Aktenwidrigkeit und offenbare Gesetzeswidrigkeit
im zivilgerichtlichen Verfahren, 1975; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner
Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Schubert,
W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Wollschläger, C.,
Zivilprozessstatistik und Wirtschaftsentwicklung, ZNR 1981, 16; Ebel, F., 200
Jahre preußischer Zivilprozess, 1982; Dannreuther, D., Der Zivilprozess, 1987;
Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen Zivilverfahrensrechts, 1987;
Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988; Faber, R., Die
Bemühungen im Herzogtum Nassau, 1990; Wege zu einem europäischen
Zivilprozessrecht, hg. v. Grunsky, W. u. a., 1994; Köster, A., Die
Beschleunigung der Zivilprozesse, 1995; Wollschläger, C., Streitgegenstände und
Parteien am Friedensgericht Xanten 1826-1830, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler,
G. u. a., 1997; Metzger, E., A new outline of the Roman civil trial, 1997;
Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines
iudiciarii, 1999; Rhee, C. van, Litigation and legislation – civil procedure at
first instance in the Great Council for the Netherlands in Malines (1522-1559),
1997; Mölling, A., Der Zivilprozess vor dem rheinischen Friedensgericht, 2000;
Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von
1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004; The law’s delay, hg.
v. Van Rhee, C., 2004; Unger, D., Adolf Wach (1843-1926) und das liberale
Zivilprozessrecht, 2005; European Traditions in Civil Procedure, hg. v. Van
Rhee, C., 2005; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt
am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136; Zivilprozessreform in der
Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2006; Adler, S., Das Verhältnis von Richter
und Parteien, 2006; 1806 . 1976 – 2006 De
la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006; Ahrens,
M., Prozessreform und einheitlicher Zivilprozess, 2007; Schlinker, S.,
Litis contestatio, 2008; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann,
P., 2009
Zivilprozessordnung → Zivilprozess
Lit.: Köbler, DRG 183, 201, 262, 264; Hahn, C., Die
gesammten Materialien zur CPO, 1880; Dahlmanns, G., Neudrucke zivilprozessualer
Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, 1971; Protokolle der
Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozessordnung für die deutschen
Bundesstaaten, hg. v. Schubert, W., 1985; Schubert, W., Entstehung und Quellen
der Civilprozessordnung von 1877, 1987; Entwurf und Motive einer Prozessordnung
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat (von 1864), hg.
v. Schubert, W., 1994; Langer, A., Männer um die österreichische Zivilprozessordnung
1895, 1995; Die Civilprozessordnung
für das Königreich Württemberg von 1868, hg. v. Schubert, W., 1997;
Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Großherzogtum
Baden von 1851 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; Entwürfe zu einer
bürgerlichen Prozessordnung für das Königreich Sachsen von 1864 und 1865, hg.
v. Schubert, W., 1997; 100 Jahre österreichische Zivilprozessordnung, hg. v.
Mayr, P., 1998; 100 Jahre ZPO, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 1998;
Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; 100
Jahre österreichische Zivilprozessgesetze, hg. v. Mayr, P., 2000;
Schöniger-Hekele, B., Die österreichische Zivilprozessreform 1895, 2000; Biebl,
G., Bayerns Justizminister v. Fäustle und die deutschen Reichsjustizgesetze,
2003
Zivilrecht ist das
Privatrecht oder in etwas engerem Sinn das bürgerliche Recht. Das Z. nimmt
seinen sprachlichen Ausgangspunkt von (lat.) → ius (N.) civile, dem für
die Römer geltenden Recht im Gegensatz zu (lat.) ius (N.) gentium. Sachlich ist
es daneben zumindest aus heutiger Sicht vom öffentlichen Recht zu trennen. Im
Mittelalter ist ziviles Recht vor allem das weltliche Recht im Gegensatz zum
kirchlichen Recht, aber auch das besondere Stadtrecht im Gegensatz zum
Landrecht. Mit dem Hervortreten der Bürger als bedeutsame politische Kraft im
18. Jh. wird das Z. vorrangig auf sie bezogen. Deswegen enthalten der Code
civil, Zivilgesetzbuch oder Bürgerliches Gesetzbuch hauptsächlich das für den
Bürger wichtige → Privatrecht.
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Teil
1f. 1910ff., Neudruck 1968; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts,
1950; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Peter, H., Vom
Einfluss des deutschen Zivilrechts, FS K. Bader 1965, 321; Kiefner, H., Der
Einfluss Kants, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Markovits,
I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N.,
Kodifikation und Reform des russischen Zivilrechts, Ius commune 3 (1970), 152;
Die Entwicklung des Zivilrechts in Mitteleuropa, hg. v. Csizmadia, A. u. a.,
1970; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in
Japan, 1970; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Das neue
Zivilrecht der DDR, hg. v. Westen, K., 1977; Fellner, C., Die Reform der
bayerischen Zivilrechtspflege, Diss. jur. Kiel 1986; Zivilrechtslehrer
deutscher Sprache, hg. v. Kim, H. u. a., 1988; Schröder, R., „... aber im
Zivilrecht“, 1988; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach der Verkündung des
BGB, hg. v. Willigmann, A. u. a., 1997; Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935,
hg. v. Hadding, W., 1999; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001;
Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer
Schüler, hg. v. Grundmann, S. u. a., Bd. 1 2007, Bd. 2 2009
Zivilsache ist das
Verfahren in einer privatrechtlichen Angelegenheit im Wege des →
Zivilprozesses.
Lit.: Daut, (Vorname unbekannt), Untersuchung über den
Einfluss nationalsozialistischer Anschauungen, Diss. jur. Göttingen 1965
Znaim ist der 1048
erstmals erwähnte, 1226 mit Stadtrecht begabte Ort an der mittleren Thaya, aus
dem ein Stadtrechtsbuch von 1523 überliefert ist.
Lit.: Bornemann, H., Znaim, das Stadtrechtsbuch von 1523,
1992
Zölibat ist im
katholischen Kirchenrecht die Ehelosigkeit des Geistlichen seit der Synode von
Elvira (um 306). Seit 1139 sind alle Inhaber höherer Weihen zu einem ehelosen
Leben verpflichtet.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Leinweber, W., Der Streit um das Zölibat im 19. Jahrhundert, 1978; Denzler, G.,
Die Geschichte des Zölibats, 1993; Hattenhauer, H., Europäische
Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Heid, S., Zölibat in der frühen
Kirche, 1997; Flüchter, A., Der Zölibat zwischen Devianz und Norm, 2006
Zoll ist die meist
an der Grenze eines Staates erhobene, bereits dem römischen Altertum bekannte →
Steuer auf die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren. Das entsprechende Zollregal geht
vom mittelalterlichen König meist auf die Landesherren über. Im 19. Jh. bemüht
sich der Deutsche → Zollverein von 1834, im 20. Jh. die Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft im Interesse des Handels um Beseitigung von Zöllen
innerhalb des Gebietes der zusammengeschlossenen Staaten (Zollunion).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 84, 98, 113, 134, 198, 233; Böhmer, J., Das Zollwesen in
Deutschland, 1832; Wetzel, E., Das Zollrecht des deutschen Königs, 1893; Haff,
K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428,
ZRG GA 31 (1910), 424; Ashley, P., Modern tariff history, 1920; Clausnitzer,
M., Deutsche Zollgeschichte, 1933; Grams, W., Der deutsche Zoll, 1954;
Hassinger, H., Die Bedeutung des Zollregals, FS H. Aubin Bd. 1 1965, 151;
Scholz-Babisch, M., Quellen zur Geschichte des klevischen Rheinzollwesens vom
11. bis 18. Jahrhundert, 1971; Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584,
bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1978ff.; Eichstaedt, A., Der Zöllner, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1981; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und
Zollgeschichte, 1992; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Adam, H., Das
Zollwesen im fränkischen Reich, 1996; Badian, E., Zöllner und Sünder, 1997;
Pfeiffer, F., Rheinische Transitzölle, 1997; Hackenberg, M., Die Verpachtung
von Zöllen und Steuern, 2002; Linke, H., Das Zollkriminalamt, 2004
Zollverein ist der
Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet. 1828
vereinbaren Bayern und Württemberg, Preußen und Hessen sowie mitteldeutsche
Staaten je einen Z., zum 1. 1. 1834 die deutschen Staaten (unter gleichzeitigen
Umgehung einer vorgesehenen Bundesregelung ohne das wegen des Widerstands
Preußens erst 1865 nur die Meistbegünstigung erreichende Österreich) einen
deutschen Z. Er ist eine wichtige Vorstufe zur Ausbildung des Deutschen Reiches
von 1871 im Sinne der kleindeutschen Lösung), wobei die höheren
Zollvereinsbeamtenfür die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft
eintreten und dem politischen Liberalismus zuneigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 176; Hahn, H.,
Geschichte des deutschen Zollvereins, 1984; Wadle, E., Der Zollverein und die
deutsche Rechtseinheit, ZRG GA 102 (1985), 99; Kreutzmann, M., Bürokratische
Funktionseliten und politische Integration im Deutschen Zollverein (1834-1871).
HAT 288 (2009), 561
Zone ist ein Teil
eines größeren Gebietes (z. B. Besatzungszone).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Zöpfl, Heinrich
(Bamberg 1807-Heidelberg 1877) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg 1839
außerordentlicher Professor und 1842 ordentlicher Professor in Heidelberg.
Seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte ist ein Institutionenlehrbuch des
gemeinen deutschen Privatrechts. Bedeutsam sind seine Grundsätze des
allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1841, 5. A. 1863.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 92
Zubehör ist die
bewegliche Sache, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, nach der
Verkehrsanschauung dem wirtschaftlichen Zweck einer Hauptsache zu dienen
bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen
Verhältnis steht (z. B. Zugtiere auf Bauernhof). Wem das Eigentum am Z.
zusteht, hängt nach römischem Recht von den Einzelumständen ab.
Lit.: Kaser § 18 II; Köbler, DRG 39; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Zuchthaus ist das der
zwangsweisen Erziehung von Erwachsenen dienende Gebäude. Die zwangsweise
Erziehung (vor allem zu Arbeitsamkeit) in einem Z. wird seit der frühen Neuzeit
wohl als Ergebnis religiöser Überlegungen als sinnvoll angesehen (Bridewell bei
London 1555 house of correction, Amsterdam 1595, Bremen, Hamburg, Lübeck,
Anfang 17. Jh., Breslau 1668, Wien 1671, Waldheim/Sachsen 1716, Graz 1724,
Innsbruck 1725, Torgau 1730, Nürnberg 1769, Zwickau 1775). In solche wohl
Klöstern und Spitälern nachgebildeten Häuser werden neben Armen (Bettlern),
Alten, Geistesgestörten und Kindern auch Diebe und andere Straftäter
aufgenommen. Versuche, die Häuser wirtschaftlich zu betreiben, scheitern.
Außerdem erweisen sich die Häuser eher als Verschlechterungsanstalten, in
denen es den Inhaftierten auch sehr schlecht geht. Später setzt sich Z. als
Bezeichnung für eine Freiheitsstrafe durch, wird aber am 1. 4. 1969 wegen der
mit dem Z. auch verbundenen schädlichen Folgen aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 205; Quanter, R.,
Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Radbruch, G.,
Elegantiae iuris criminalis, 1950; Schlue, H., Die Geschichte des Bonner
Zuchthauses, Diss. jur. Bonn 1957; Nöldeke, W., Die Kölner Zuchthauspläne von
1609, ZRG GA 79 (1962), 288; Sothmann, M., Das Armen-, Arbeits-, Zucht- und
Werkhaus in Nürnberg, 1970; Stekl, H., Österreichische Zucht- und
Arbeitshäuser, 1978; Fumasoli, G., Ursprünge und Anfänge der Schellenwerke,
1981; Stier, B., Fürsorge und Disziplinierung im Zeitalter des Absolutismus,
1988; Eisenbach, U., Zuchthäuser, Armenanstalten und Waisenhäuser in Nassau,
1994; Viebig, M., Das Zuchthaus Halle/Saale, 1998; Elling-Ruhwinkel, E.,
Sichern und Strafen, 2005; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v. Ammerer, G.,
2006
Züchtigungsrecht ist
das Recht eines Menschen, einem anderen Menschen zum Zweck der Erziehung ein
schmerzliches Übel zuzufügen. In frühen Zeiten steht vor allem dem Hausvater in
weitem Umfang ein Z. zu. Das Z. des Ehemannes gegenüber der Ehefrau
verschwindet im 19. Jh. (Preußen 28. 2. 1812, im kanonischen Recht mit der
Ersetzung des Corpus iuris canonici durch den Codex iuris canonici 1917/1918),
das Z. der Eltern gegenüber den Kindern ist noch durch das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) nicht ausgeschlossen, tritt aber im 20. Jh. mehr und mehr
zurück. Ein Z. gegenüber Gesinde endet in Preußen 1860, das Z. des Lehrers
gegenüber Schülern in Deutschland durch Gesetz von 1951.
Lit.: Köbler, DRG 18; Kober, Die körperliche Züchtigung,
Theolog. Quartalsschr. 57 (1875); Wiens, W., Das Züchtigungsrecht des
Ehemannes, 1909; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1980; Gebhardt, J.,
Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994; Priester, J., Das Ende des
Züchtigungsrechts, 2000; Behnke, J., Forschungen und Forschungsdesiderate zur
körperlichen Züchtigung, 2002
Zufall ist das
Ergebnis, für das keine Gesetzmäßigkeit zu erkennen ist (z. B. Hagel). Der
durch Z. eintretende Schaden fällt bereits im römischen Recht grundsätzlich dem
zur Last, dem die Sache oder Leistung gebührt.
Lit.: Kaser §§ 36 III 5, 37 II 2b; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 44; Hentig, H. v., Sinnvoller Zufall, eine alte Rechtsanschauung,
ZRG GA 80 (1963), 344; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Zug am Zuger See
ist der um 1200 von den Grafen von Kiburg gegründete, 1273 an König Rudolf I.
von Habsburg gelangte Ort. 1352 wird Z. von den umgebenden Orten der
Eidgenossenschaft der → Schweiz zum Eintritt in die Eidgenossenschaft
gezwungen. 1814 erhält der kleinste Kanton der Schweiz eine Verfassung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwerzmann, J., Das
Zuger Schuldbetreibungsrecht, 1962; Die Rechtsquellen des Kantons Zug, hg. v.
Gruber, E., Bd. 1 1971; Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Zwicky,
M., Prozess und Recht im alten Zug, 2003
Zug auf den Gewähren → Gewährschaft
Zugabe
Lit.:
Götting, H., Die neuere Entwicklung des Zugaberechts, 1986; Matz, J., Die
Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005
Zugewinn ist die
Vermehrung des Vermögens des Menschen in der Zeit.
Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland durch das deutsche Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 geschaffene, 2009 abgeänderte Regelgüterstand von Eheleuten. Er bedeutet Gütertrennung mit Zugewinnausgleich zwischen dem größreren Zugewinn und dem kleineren Zugewinn nach Auflösung der Ehe. Er kann vertraglich ausgeschlossen werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, 267; Offen, J., Von der
Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994;
Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht der Ehegatten nach § 1368 BGB,
2009
Zugrecht → Näherrecht
Zunft ist der
Zusammenschluss von Gewerbetreibenden eines Gewerbes in der hochmittelalterlichen
Stadt (Genossenschaft, z. B. Metzger, Bäcker, Fischer). Die von den
Zunftmitgliedern geschaffene Zunftverfassung enthält viele Zwangselemente. Sie
wird im 19. Jh. durch die Einführung der Gewerbefreiheit (Frankreich 1791,
England 1814, Preußen 1807/1810/1811/1845, Österreich 1859) seitens des
Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 97; Köbler, WAS;
Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in
Paris, 1911; Hegi, F., Geschichte der Zunft zur Schmiden in Zürich, 1914;
Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände
des Mittelalters, 2. A. 1915; Akkerman, J., Het ontstaan der ambachtsgilden,
1919; Dieling, F., Zunftrecht, 1932; Lentze, H., Der Kaiser und die
Zunftverfassung, 1933, Neudruck 1954; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der
Zünfte, 1936; Klapper, H., Das Zunftwesen der Stadt Guhrau, 1936; Siemsen, R.,
Germanengut im Zunftbrauch, 1942; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der
Grafschaft Saarbrücken, Diss. jur. Saarbrücken 1957; Johanni, O., Zünfte und
Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, 1957; Holland, W., Die
schmalkaldischen Handwerkerzünfte, Diss. jur. Jena 1957; Naujoks, E.,
Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Eckhardt, A.,
Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Luther, R., Gab es
eine Zunftdemokratie?, 1968; Klinger, H., Das Weberamt in Preetz, 1971; Ennen,
R., Zünfte und Wettbewerb, 1971; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 5. A. 1980; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973; Göttmann,
F., Die Frankfurter Bäckerzunft, 1975; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979;
Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Obst, K., Der Wandel in den
Bezeichnungen für gewerbliche Zusammenschlüsse, 1983; Peitsch, D.,
Zunftgesetzgebung, 1985; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985;
Henkel, M., Zunftmissbräuche, 1989; Decker, K., Bürger, Kurfürst und Regierung,
1990; Ebstein, S., Wage, Labor and Guilds, 1991; Das Ende der Zünfte, hg. v.
Haupt, H., 2002; Oestmann, P., Zunftzwang und Handelsfreiheit im frühen 19.
Jahrhundert, ZNR 2004, 246; Kluge, A., Die Zünfte, 2007
Zurechnungsfähigkeit ist
die Möglichkeit, einem Menschen unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten einen
Unrechtserfolg zuzurechnen und allgemeiner die Fähigkeit, zusammengehörige
Umstände einander überzeugend zuzuordnen. Die moderne Zurechnungslehre im
Strafrecht beginnt mit Samuel Pufendorf (1632-1694). → Unzurechnungsfähigkeit
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lubbers, F., Die Geschichte der
Zurechnungsfähigkeit, 1938; Larenz, K., Hegels Zurechnungslehre, 1927;
Gschwend, L., Zur Geschichte der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit, 1996
Zürich am Zürichsee
bzw. der Limmat erscheint im Altertum als römisches Turicum. 1218 ist es
reichsunmittelbar. 1351 verbündet es sich mit den Eidgenossen der →
Schweiz. Ab 1383 ist es für wenige Jahre Sitz eines kaiserlichen Hofgerichts.
1833 erhält es eine Universität. Von 1853 bis 1855 schafft Johann Kaspar
Bluntschli ein Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich in fünf
Büchern (Personenrecht, Sachenrecht, Obligationenrecht, Familienrecht und
Erbrecht).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,466, 3,2,1939; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg.
v. einer Kommission der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 1ff.
1889ff.; Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Huber, M., Das
Staatsrecht der Republik Zürich vor dem Jahre 1798, 1904; Fecht, O., Die
Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Hoppeler, R., Die Rechtsquellen des Kantons
Zürich, Teil 1, Bd. 1ff., 1910ff.; Glitsch, H., Zum Strafrecht des Zürcher
Richtebriefs, ZRG GA 38 (1917), 203; Rippmann, F., Die Landeshoheit der Stadt
Zürich über Stadt und Kloster Stein, Zeitschrift für schweizerisches Recht N.
F. 37 (1917); Nabholz, H. u. a., Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft
Zürich, Bd. 1f. 1918ff.; Largiadèr, A., Untersuchungen zur zürcherischen
Landeshoheit, 1920; Schultheß, H., Politische, soziale und wirtschaftliche
Miszellen aus dem alten Zürich, 1921; Schoch, F., Das letzte Kloster im Kanton
Zürich, 1921; Vetter, F., Der Übergang der Stadt Stein am Rhein an Zürich,
1923; Eichholzer, E., Zur Geschichte und Rechtsstellung des zürcherischen
Untervogtes, ZRG GA 44 (1924), 197; Guggenbühl, P., Die Entstehung des
zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Zürich 1924; Schnyder,
W., Die Bevölkerung der Stadt und Landschaft Zürich, 1925; Schultheß, H., Die politische
Bedeutung der Zünfte, 1926; Bauhofer, A., Entstehung und Bedeutung des
zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches von 1853-1855, Z. f. schw. R. n F.
46 (1927), 1; Huber, W., Das gesetzliche Erbrecht des Kantons Zürich, 1929;
Wege, E., Die Zünfte als Träger wirtschaftlicher Kollektivmaßnahmen, 1930;
Weisz, L., Aus dem Leben des Bürgermeisters Salomon Hirzel 1580-1652, 1930;
Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1930; Largiadèr, A., Die
Anfänge der zürcherischen Landschaftsverwaltung, Zeitschrift für schweizerische
Geschichte 12 (1932): Fritzsche, H., Begründung und Ausbau der neuzeitlichen
Rechtspflege des Kantons Zürich, 1931; Largiadèr, A., Hundert Jahre
antiquarische Gesellschaft in Zürich, 1932; Schmid, A., Winterthur unter zürcherischer
Landeshoheit, 1934; Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte, bearb. v.
Schnyder, W., 1934ff.; Weisz, L., Die zürcherische Exportindustrie, 1936;
Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1935; Usteri, P.,
Gerichtsorganisation und Zivilprozess im Kanton Zürich während der Helvetik,
1935; Largiadèr, A., Bürgermeister Rudolf Brun und die Zürcher Revolution von
1336, 1936; Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, hg. v. Schnyder, W., 1936;
Largiadèr, A., Die Entwicklung des Zürcher Siegels, ZRG GA 58 (1938), 367;
Schwarz, A., Das römische Recht an der Universität Zürich, 1938; Geilinger, E.,
Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1938; Schwarz, D.,
Münz- und Geldgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1940; Ruoff, W., Die Zürcher
Räte als Strafgericht, 1941; Herzog, H., Beiträge zur Geschichte des ehelichen
Güterrechts der Stadt Zürich, 1942; Zimmermann, D., Das persönliche Eherecht
des zürcherischen Matrimonialgesetzes von 1804, 1942; Guyer, P.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Zürich, 1943; Largiadèr, A., Zürichs Bund mit
den Waldstätten, 1953; Schoop, R., Rechtsstellung, politische und
wirtschaftliche Bedeutung der Zürcher Zünfte, Diss. jur. Zürich 1958; Usteri,
E., Die Schildner zum Schneggen, 1960; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im
allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Zürcher, M., Die Behandlung
jugendlicher Delinquenten, 1960; Steiger, E., Geschichte der Frauenarbeit in
Zürich, 1964; Züsli-Niscosi, F., Beiträge zur Geschichte der
Polizeiorganisation der Republik Zürich, 1967; Plattner, A., Die Herrschaft
Weinfelden, 1969; Kramer, S., Hans Caspar Hirzel, 1974; Weibel, T., Erbrecht
und Familie, 1988; Richner, F., David von Wyss (1763-1839), 1988; Burghartz,
S., Leib, Ehre und Gut, 1990; Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich,
1991; Landert-Scheuber, M., Das politische Institut in Zürich 1807-1833, 1992;
Gabathuler, M., Die Kanoniker, 1998; Malamud, S./Sutter, P., Die Betreibungs-
und Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich, ZRG GA 116 (1999), 87; Zürich 650
Jahre eidgenössisch, 2001; Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte, hg. v.
Staatsarchiv des Kantons Zürich, 2000; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen,
2003; Müller, M., Gesellschaftlicher Wandel und Rechtsordnung, 2005;
Repertorium der Policeyordnungen 7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Casanova,
C., Nacht-Leben, 2007; Senn, M., Das mittelalterliche Zürich, 2007; Jäger, C.,
Die Gutachtertätigkeit der Juristenfakultät Zürich, 2008
Zurückbehaltungsrecht (lat. [F.] retentio) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Recht
im Austauschvertrag, die Leistung so lange zurückzuhalten, bis die
Gegenleistung angeboten wird.
Lit.: Kaser § 38 IV; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.
Zusicherung
Lit.:
Böckler, R., Die Entwicklung der Zusicherung in der Rechtsprechung, 1987
Zuständigkeit ist die Berechtigung und Verpflichtung der Wahrnehmung einer Aufgabe. In einer Rechtsordnung muss die jeweilige Z. festgelegt werden. Dies muss umso genauer geschehen, je komplexer die betreffende Gesellschaft gestaltet ist.
Lit.: Kaser § 82 II 3b, c; Sellert, W., Über die
Zuständigkeitsabgrenzung, 1965; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, 1972; Weitzel, J., Die Zuständigkeit des Reichskammergerichtes,
ZRG GA 90 (1973), 213; Fricke, M., Die autonome Anerkennungszuständigkeitsregel
im deutschen Recht des 19. Jahrhunderts, 1993
Zustellung ist der
in bestimmter, gesetzlich vorgeschriebener Form vorzunehmende und zu
beurkundende Vorgang der Verschaffung der Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstückes.
1877/1879 übernimmt die amtliche Z. der Klage die meisten Wirkungen der
aufgegebenen Streitbefestigung (lat. → litis contestatio [F.]).
Lit.: Köbler, DRG 202
Zutphen
Lit.: Vries, W. de, De
opkomst van Zutphen, 1960
Zwang (lat. [F.] vis) ist die Einwirkung mit Gewalt auf einen Menschen oder eine Sache. Jedes auf Z. beruhende Verhalten verletzt bereits im römischen Recht ohne weiteres die gute Treue. Der Prätor (um 71 v. Chr.) und später das unter Kaiser Hadrian entstandene Edikt gewähren bei einem in Furcht (lat. metus) geschlossenen Rechtsgeschäft die Wiederherstellung in den früheren Zustand (lat. restitutio [F.] in integrum).
Lit.: Kaser §§ 8 IV, 33 IV, 51 V 1; Köbler, DRG 42, 43;
Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25
(1904), 172; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1913; Wießner, H.,
Twing und Bann, 1935; Hartkamp, A., Der Zwang im römischen Privatrecht, 1971;
Kranig, A., Lockung und Zwang, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Zwangsarbeit ist
die unter äußerem Zwang geleistete Arbeit (z. B. im Dritten Reich).
Lit.: Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001;
Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung - Das Wirtschaftsimperium der SS,
2001; Hammermann, G., Zwangsarbeit für den Verbündeten, 2002; Zwangsarbeit im
Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002; Freund, F. u. a., Zwangsarbeiter und
Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939-1945, 2004;
Rawe, K., … wir werden sie schon zur Arbeit bringen, 2005; Urban, T.,
Zwangsarbeit im Tagebau, 2006; Levin, A., Erinnerung? Verantwortung? Zukunft?,
2007; Hitlers Sklaven, hg. v. Plato, A. v. 2008; Zwangsarbeit im
Nationalsozialismus, hg. v. Kramer, H. u. a., 2008
Zwangsversteigerung ist
die in Deutschland 1897 in einem besonderen Gesetz geregelte Versteigerung
eines → Grundstücks im Wege der → Zwangsvollstreckung.
Lit.: Köbler, DRG 184
Zwangsvollstreckung ist
die Durchsetzung eines dem Gläubiger gegen den Schuldner im Vollstreckungstitel
(z. B. → Urteil) verbrieften Anspruches. Sie steht meist am Ende eines
Zivilprozesses. Im Deutschen Reich wird die Personalexekution durch Gesetz vom
16. April 1871 abgeschafft und durch die Realexekution ersetzt. Ihr Ablauf wird
im Deutschen Reich 1877/1879 in der Zivilprozessordnung ausführlich geregelt. →
Vollstreckung.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 184, 240; Schönke, A.,
Zwangsvollstreckungsrecht, 1940; Staehelin, A., Zwangsvollstreckung in älteren
Schweizer Stadtrechten, ZRG GA 93 (1976), 184; Die Beratung des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht 4, 1983; Schubert, W.,
Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931,
ZRG GA 121 (2004), 350; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004;
Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004; Ausschüsse für
Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008
Zweck (M.) Sinn, Ziel
Zweckverband
Lit.: Vom Städtebund
zum Zweckverband, hg. v. Kirchgässner, B., 1994
Zweibrücken
Lit.: Pöhlmann, C.,
Regesten der Grafen von Zweibrücken, bearb. v. Doll, A., 1962; 150 Jahre
pfälzisches Oberlandesgericht, hg. v. Reinheimer, W., 1965; Festschrift zum
150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969
Zweigewaltenlehre ist die von Papst Gelasius I. (1. 3. 492–19. 11. 496) an Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung entwickelte Lehre von zwei gleichberechtigten Gewalten. → Zweischwerterlehre
Zweikammersystem ist
das durch die Teilung des Parlaments in zwei Kammern gekennzeichnete
politische System (z. B. Österreich seit 1848). Ursprünglich entsprechen die
beiden Kammern z. B. in England (seit dem 14. Jh.) verschiedenen Ständen (Adel
im Oberhaus, Nichtadlige im Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch
föderalistische Interessen sichern (z. B. Bundestag Deutschlands, Bundesrat
Österreichs, Senat der Vereinigten Staaten von Amerika). In Österreich war
1861 das Herrenhaus die Vertretung der höheren Stände, das Abgeordnetenhaus die
Vertretung der Länder.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Zweikampf ist der
verabredete Kampf zweier Menschen mit Waffen. Er wird im Mittelalter
verschiedentlich zur Entscheidung eines Streites (z. B. über das Eintrittsrecht
von Enkeln) auch im Gericht verwendet. Seit dem Hochmittelalter tritt er hinter
dem Urteil zurück. Sein später Ausläufer ist (vom 16. Jh.) bis zum 19. Jh. das →
Duell.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Gál, A., Der
Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Fehr, H., Der
Zweikampf, 1908; Coulin, A., Der gerichtliche Zweikampf im altfranzösischen
Prozess, 1906; Coulin A., Verfassung des offiziellen und Entstehung des
privaten Zweikampfes in Frankreich, 1909; Fehr, H., Zur Geschichte des
Zweikampfes, ZRG GA 34 (1913), 422; Bruun, H., Om Tvekampens Stilling i
oldgermansk Rettergang, 1930; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932; Wierschin,
M., Meister Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens, 1965; Hils, H., Der da
sigelos wirt dem sleht man die hant ab, ZRG GA 102 (1985), 328; Baumgarten, R.,
Zweikampf §§ 201-210 a. F. StGB, 2002
Zweiplusvierverhandlungen sind die Verhandlungen der Vereinigten Staaten von
Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs mit der
Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über den
Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland
im Jahre 1990. Sie enden mit dem Zweiplusviervertrag.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 247; Müller, R., Der
„2+4“-Vertrag, 1997
Zweischwerterlehre (Zweigewaltenlehre) ist (12./13. Jh.) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas
22,38 (Herr [Jesu Christ], siehe, hier sind zwei Schwerter [zur Verteidigung])
anknüpfende Lehre von zwei Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen
irdischer Herrschaftsgewalt gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B.
Sachsenspiegel 1221-1224) stehen das geistliche Schwert des Papstes und das
weltliche Schwert des Königs gleichberechtigt nebeneinander. Nach
kurialistischer Ansicht (11. Jh., z. B. Bernhard von Clairvaux, Gregor IX.,
Innozenz IV., Bonifaz VIII., Schwabenspiegel um 1275, str.) gibt Gott dem Papst
zwei Schwerter, von denen der Papst eines dem Kaiser weitergibt. →
Zweigewaltenlehre des Papstes
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109
zweiseitg (Adj.) zwei Seiten betreffend (z. B.
Rechtsgeschäft)
Zweiter Weltkrieg ist der am 1.
9. 1939 auf Grund der Ansprüche Adolf Hitlers auf mehr Lebensraum für die
Deutschen entstehende Krieg Deutschlands, Italiens und Japans gegen die
Alliierten (Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich). Das Deutsche Reich
greift nach einem Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion Polen, Dänemark,
Norwegen, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg an, 1941
Jugoslawien, Griechenland, Bulgarien, Norafrika und die Sowjetunion. Japan
greift am 7. 12. 1941 die Vereinigten Staaten von Amerika in Pearl Harbour an,
worauf die Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg eintreten. Danach kommt
der deutsche Vormarsch zum Stillstand (Stalingrad). In Italien wird 1943 Benito
Mussolini gestürzt, worauf Italien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt. Im
Luftkrieg werden die deutsche Industrie und die deutsche Infrastruktur schwer
beschädigt. 1944 landen Truppen der Alliierten in Frankreich. Am 8. 5. 1945
kapituliert das Deutsche Reich. Japan kapituliert nach dem Abwurf zweier
Atombomben auf Nagasaki und Hiroshiuma durch die Vereinigten Staaten von
Amerika am 2. 9. 1945. Insgesamt verursacht der zweite Weltkrieg den Tod von
schätzungsweise 55-60 Millionen Menschen, darunter 5,3 Millionen Soldaten des
Deutschen Reiches und 6 Millionen Juden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Das deutsche
Reich und der zweite Weltkrieg Bd. 1ff. 1979; Gruchmann, L., Der zweite
Weltkrieg, 9. A. 1999; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E.
u. a., 1985
Zweizüngiges Urteil
ist das mittelalterliche Urteil, das den Ausgang des Verfahrens sowohl für den
Fall des Gelingens des einem der Beteiligten aufgegebenen Beweises wie auch für
den Fall des Misslingens festlegt. Der Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der
Ausgang der Beweisführung entscheidet darüber, welche der beiden um Urteil
enthaltenen Möglichkeiten sich verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 70
Zwickau
Lit.: Das Zwickauer
Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Die Zwickauer Stadtrechtsreformation
1539/69, hg. v. Berthold, H. u. a., 1935; Schultze, A., Zur Zwickauer
Stadtrechtsreformation, ZRG GA 58 (1938), 709; Zwickauer Rechtsbuch, hg. v.
Ullrich, G., 1941, Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche,
Diss. jur. Leipzig 1941 (masch.schr.); Das älteste Zwickauer Stadtbuch (1375-1481)
und seine Sprache, hg. v. Protze, H., 2008
Zwing
Lit.: Stutz, U., Zur
Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289
Zwingli
Lit.: Köhler, W., Das
Buch der Reformation Huldrych Zwinglis, 1926; Pribnow, V., Die Rechtfertigung
obrigkeitlicher Steuer- und kirchlicher Zehnterhebung bei Huldrich Zwingli,
1996
Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.] legum bzw. lex [F.] duodecimarum legum) ist das am Beginn der römischen Gesetzgebungsgeschichte (auf zwölf Tafeln) stehende, wohl für den Ausgleich zwischen patriziern und Plebejern bestimmte Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in Bruchstücken in Gesetzesform hauptsächlich durch Varro, Cicero, Gellius und Festus überliefert und danach von der neuzeitlichen Wissenschaft (in etwa 120 teilweise fragmentarischen Sätzen mit weniger als 500 lateinischen Wörtern) wiederhergestellt (rekonstruiert). Nach den Vorbildern → Lykurgs (Sparta 8. Jh. v. Chr.), → Drakons und → Solons (Athen 621, 594) (oder süditalienischer griechischer Tochterorte) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die eine Zehnmännerkommission (lat. [M.Pl.] decemviri) zur Annahme als Gesetz (lat. [F.] → lex) vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für alle erkennbar fest. Es wird in Bronze(, Holz oder Elfenbein) auf dem Forum (Markt) Roms aufgestellt. Seine Auslegung (lat. [F.] interpretatio) betreibt die Priesterschaft als eine Geheimwissenschaft, aus der sich später die → Jurisprudenz (Rechtsklugheit) entwickelt. Vielleicht werden die Taflen von Kelten um 390 v. Chr. zerstört. Das Z. wird niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch unvollkommenen Rekonstruktionsversuch veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius).
Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII-Tafeln, (in) Studi in onore di
E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg.
v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik,
1994, 109; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Flach, D., 2004; Flach, A., Fortgeltung
des Zwölftafelrechts, 2004
Zypern ist die
drittgrößte, im Nordosten gelegene Insel des Mittelmeeres. Sie wird im
ausgehenden 2. Jt. v. Chr. von Griechen besiedelt und 58 v. Chr. von den
Römern erobert. Zwischen 688 und 965 steht es unter gemeinsamer Herrschaft
Ostroms (→ Byzanz) und der → Araber. Über Venedig (1489) gelangt es
an die Türken (1573) bzw. Osmanen. 1878 übernimmt Großbritannien die Verwaltung
und annektiert 1923 Z. 1959 wird Z. unabhängig. 1974 besetzt die Türkei 40% des
Gebietes im Norden und Nordosten (1985 Türkische Republik Nordzypern). Das
Recht Zyperns ist dementsprechend nacheinander griechisch, römisch, arabisch,
türkisch und westlich geprägt. 2004 tritt Zypern (in seinem griechischen Teil)
der Europäischen Union bei.
Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C., Cyprus, 1984; Shermann, A., Zypern. Insel des Leids, 1998; Südosteuropahandbuch, Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998; Anstötz, S., Perspektiven zur staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003; Cyprus, hg. v. Nicolaou-Konari, A. u. a., 2005; Tezcan, T., Der Zypernkonflikt vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, 2006; Stöwsand, H., Zyperns Beitritt zur Europäischen Union, 2007