Köbler, Gerhard, Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte, 5. Auflage, 2009042020100101. Fassung 20090320

A

 

A. A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für den abstrakt Aulus Agerius genannten Kläger des römischen → Formularprozesses.

Lit.: Söllner § 9

Aachen ist der ohne nachweisbare Kon­tinuität zu einer römischen Siedlung an den Ausläufern des Hohen Venn 765/766 als fränkische königliche → Pfalz erscheinende Ort, der nach der Reichsteilung 843/877 in eine Randlage gerät. Von 936 (Otto I.) bis 1531 (Ferdinand I.) ist es Krönungsstätte der deutschen Könige (mit Thronsetzung auf einen Marmorthron). 1071 wird A. (lat. [N.]) oppidum genannt, 1087 werden [lat. M. Pl.) cives erwähnt. 1166 erhält A. besondere Rechte. Die 1192 neben der Gesamtheit der Bürger nachweisbaren → Schöffen ent­wickeln sich seit 1134 (?) zu einem bedeutenden → Oberhof für teilweise bis zu 200 meist aus Reichsgut stammende Gerichte. Bis 1254 wird A. freie → Reichsstadt (Reichslandstadt) bis zur Besetzung durch Frankreich (1794). Über Preußen (1815) gelangt es 1946 zu Nordrhein-Westfalen.

Lit.: Loersch, H., Achener Rechtsdenkmäler, 1871; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Schwabe, W., Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 47 (1925), 48/49 (1926/1927); Herkens, R., Der Anspruch Aachens auf Krönung der deutschen Könige nach 1531, Diss. jur. Bonn 1959; Regesten der Reichsstadt Aachen, bearb. v. Mummenhoff, W. u. a., 1961ff.; Falkenstein, L., Der „Lateran“ der karolingischen Pfalz zu Aachen, 1966; Aachener Urkunden, bearb. v. Meuthen, E., 1979; Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1988; Die Aachener Stadtrechungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004

Aargau ist das um die Aare gelegene Land, das als A. 763 erstmals erscheint. 1415 erobert die Eidgenossenschaft der → Schweiz Teile des Gebiets. 1798/1803 wird daraus der Kanton A., der 1831 eine liberale Verfassung erhält.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merz, W. u. a., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau, Teil 1ff. 1898ff.; Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Nabholz, H., Der Aargau nach dem habsburgischen Urbar, Argovia 33 (1909); Dubler, H., Der Kanton Aargau und das Bistum Basel, 1921; Merz, W., Die Jahrzeitbücher der Stadt Aarau, Teil 1f. 1924ff.; Merz, W., Geschichte der Stadt Aarau im Mittelalter, 1925; Aargauer Urkunden, Teil 1f. 1931ff.; Strebel, K., Die Verwaltung der freien Ämter im 18. Jahrhundert, 1940; Werder, M., Die Gerichtsverfassung des aargauischen Eigenamtes, 1941; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,440; Geissmann, H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Aargau (1847-1855), 1991

Abandon ist die wohl im spätmittelalterlichen italienisch-französischen Seerecht entstehende Möglichkeit der Aufgabe der Rechte an einem Gegenstand, um Haftungsfreiheit bzw. später Versicherungsleistung zu erlangen. Der A. erscheint erstmals in einem Statut der Stadt Kampen vom 14. 2. 1372. Im 19. Jh. findet der A. Eingang in das Recht der juristischen Personen des Gesellschaftsrechts.

Lit.: Hantke, G., Der Abandon, 1912; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Helberg, O., Der Abandon in der Seeversicherung, 1925; Martin, L., L’abandon, 1957; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595

Abecedarium (bzw. Promptuarium, Remissorium, Vocabularium) ist das auf Grund antiker Gedankengänge seit dem 13. Jh. entstehen­de alphabetisch geordnete Sammelwerk eines Rechtsgebiets (römisches Recht, kirchliches Recht, um 1400 Greifswalder A. für → Sachsenspiegel und Sachsenspiegelglosse mit 7 Handschriften, 1402 Preetzer A., 1414ff. A. von Achte bis Wunden, vor 1421ff. Schlüssel des Landrechts, 1. H. 15. Jh. Rechtsabecedarium der 2200 Artikel, E. 15. Jh. Erlanger Promptuarium mit etwa 1400 Artikeln, 1490-1493 Remissorium Kaspar Popplaus).

Lit.: Steffenhagen, E., Das Preetzer Abecedarium mit dem Richtsteig Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauen­burgische Gesch. 22 (1892), 297; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980, 143ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 77

Abendmahlsprobe ist die an das christliche Abendmahl anknüpfende Form des → Gottesurteils.

Aberacht ist die seit dem Hochmittelalter belegte, nach fruchtlosem Verstreichenlassen einer Frist von → Jahr und Tag eintretende Verstärkung der → Acht.

Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959

Aberdeen am Don in Schottland wird um 1130 Sitz eines Bischofs und 1494/5 Sitz einer Universität.

Lit.: Keith, A., A thousand Years of Aberdeen, 1972; The Aberdeen Stylebook 1722, hg. v. Meston, M./Forte, A., 2000

Aberglaube (15. Jh. in Glosse zum Sankt Trudperter Hohenlied) ist der von der einem herrschenden Glauben als abwegig verwor­fene Glaube (lat. [F.] superstitio).

Lit.: Feine, J., Der Aberglaube, 1857; Schefold, K. u. a., Der Aberglaube im Rechtsleben, 1912; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. v. Bächtold-Stäubli, H., Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1987, digitalisierte Fassung 2006; Freytag, N., Aberglauben im 19. Jahrhundert, 2003; Hersperger, P., Kirche, Magie und Aberglaube, 2009

Abfall ist der nach Nutzung einer Sache verbleibende, nicht mehr genutzte oder nutz­bare Rest.

Lit.: Abfall, hg. v. Rusterholz, P./Moser, R., 2004

Abgabe ist die Leistung von Gegenständen an die Allgemeinheit, an eine besondere Ein­richtung oder an besondere Einzelne. Die rechtliche Grundlage der A. ist verschieden. Meist beruht die A. auf einer Pflicht zur Unterstützung als Gegenleistung für einen Schutz oder eine Gebrauchsmöglichkeit. In der Naturalwirtschaft besteht die A. in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld. 1919 fasst das Deutsche Reich das Recht der Abgaben in der Reichsabgabenordnung zusammen, die 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die Abgaben erneuert wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Pöhlmann, C., Was ist Seltertum, ZRG GA 55 (1935), 243; Becker, A., Was ist Seltertum, ZRG GA 56 (1936), 398; Löning, G., Muntepenninge, ZRG GA 59 (1939), 273; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998

Abgeordneter ist allgemein der durch eine Anordnung an eine Stelle Gesetzte, insbeson­dere der Volksvertreter im Parlament. Er ist nach dem vorzugswürdigen Grundsatz des freien Mandats nicht an den Willen der ihn Abordnenden gebunden (so aber DDR 1968), sondern in seiner Entscheidung nur seinem Gewissen und der Verantwortung für die Gesamtheit unterworfen. In Österreich führt die Februarverfassung des Jahres 1861 ein von den Landtagen besetztes Abgeordneten­haus als zweite Kammer des Reichsrats neben dem Herrenhaus ein (1873 direkte Wahl, wegen des Nationalitäten­konflikts zeitweise handlungsunfähig, 12. 11. 1918 letzte Sitzung).

Lit.: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, bearb. v. Best, H. u. a., 1996

Abkürzung ist die aus Zweckmässigkeits­gründen gekürzte Form einer Gegebenheit (z. B. eines Wortes oder Weges).

Lit.: Kirchner, H., Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. A. 2008; Schuler, P., Abkürzungs­lexikon, 2007 (vom Verlag zurückgezogen)

Ablass ist die im 11. Jh. (u. a. Clermont 1095 Ablass für Teilnahme am Kreuzzug, 1187 für geldliche Förderung eines Kreuzzugs, um 1300 von Verbindung zu Kreuzzügen gelöst) in der christlichen → Kirche aus der Bitte um Vergebung und Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott verbindliche Befreiung von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe begnügen sich mit einem Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und artmäßige Erweiterung führt bereits im 13. Jh. zu scharf gerügten Missständen. Der Kauf von A. (auch für Verstorbene) wird ein wichtiger Anlass für die reformatorischen Ziele (John Wyclifs, Johannes Hus’ und) Martin → Luthers. Nach gegenwärtigem Verständnis der katholischen Kirche ist A. Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott für Sünden, deren Schuld bereits getilgt ist (can. 992 CodIurCan 1983).

Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im Mittelalter, Bd. 1f. 1922f.; Köhler, W., Dokumente zum Ablassstreit von 1517, 2. A. 1934; Poschmann, B., Der Ablass, 1948; Bornkamm, H., Thesen, 1967; Ehlers, A., Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007

Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetz­gebung des 19. Jh.s zur Beseitigung grund­herrschaftlicher Rechte bzw. aufgespalteten Eigentums mit oder ohne Entschädigung zwecks Förderung wirtschaftlicher Entwick­lung und aufgeklärter Gedanken. Dazu erlässt nach der Aufhebung aller Frondienste, Zehnten und anderen Feudalrechte durch die Nationalversammlung Frankreichs am 4. 8. 1789 der Staat → Preußen am 9. 10. 1807 das Edikt betreffend den erleichterten Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, das die persönliche Ab­hängigkeit der → Bauern von den → Grund­herren entschädigungslos auf­hebt. Dem fol­gen am 14. 9. 1811 zwecks Aufhebung der auf privatrechtlichen Titeln beruhenden dinglichen Abhängigkeit das Edikt, die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und das Edikt zur Beförderung der Landeskultur (Landeskulturedikt), nach denen der Bauer auf Antrag eines Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof erhält, wofür er als erblicher Besitzer ein Drittel, als nicht­erblicher Besitzer die Hälfte des Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde Rente zahlen muss. Dadurch werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr neues Eigentum aufgeben müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und Kurhessen (1832) öffentliche → Renten­banken ein, die dem Grundherrn den Ablösungsbetrag in Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung der Ablöseschuld in 40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auf Grund wirtschaftlicher Überlegungen auch die Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder grundherrschaftlichen Wäldern (Hessen 1814, Preußen 1821).

Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887

Abmeiern ist das (vorzeitige) Beendigen des grundherrschaftlichen → Meierrechts durch den Grundherrn in Niedersachsen und Ost­westfalen seit dem 14. Jh. Seit 1597 (Salzduhmscher Landtagsabschied) wird das A. vor allem aus fiskalischen Überlegungen verrechtlicht (Meierordnungen, z. B. Calen­berg 1772), mit der → Bauernbefreiung durch Ersetzung des Meierrechts durch Eigentum beseitigt.

Lit.: Pfeiffer, B., Das deutsche Meierrecht, 1855; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwest­deutsch­land, 1896; Mohr, W., Die Abmeierung, 1942; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1961

Abschichtung ist die (dem römischen Recht unbekannte) vermögensrechtliche Verselb­ständigung eines Kindes bei (tatsächlichem) Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft im Mittelalter fast nur Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er „zu seinen Jahren kommt“ (d. h. mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn er bei Eheschließung einen selb­ständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt die väterliche Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungs­quote ist unterschiedlich (z. B. Kopfteil vom Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte). Die A. wird in Österreich durch (den Codex Theresianus von 1766 und) das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (vollständig 1919), im deutschen Reich durch das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 und im Schweizer Recht durch das Zivilgesetzbuch von 1807/1911 durch das Erreichen der Vogtbarkeit bzw. der Großjährigkeit bzw. der Volljährigkeit ersetzt

Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1980; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999

Absetzung ist die Entfernung eines Menschen aus einer Tätigkeit und eines Wertes aus einem Vermögen. Die A. eines Amtsträgers begegnet schon früh (z. B. Vertreibung des römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit verrechtlicht.

Lit.: Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987; Rexroth, F., Tyrannen und Taugenichtse, HZ 278 (2004), 27; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004; Schubert, E., Königsabsetzung im deutschen Mittelalter, 2005

Absicht ist der unmittelbar auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille des Täters. Das römische Recht kennt den (lat. [M.]) dolus als Bezeichnung eines Verschuldens. Im Mittelalter wird der auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille oft durch (lat.) animo deliberato, cum deliberato consilio, contumaciter, dolose und (mhd.) geverlich oder mutwillig beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das im Bewusstsein der Rechts­widrigkeit gewollte Unrecht nach sich. Im 20. Jh. wird die für den deliktischen Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit verlangen­de Vorsatztheorie (Binding 1877) im Straf­recht durch die als subjektive Voraussetzung der Rechtswidrigkeit bereits die Möglichkeit der Einsicht in das Verbotensein der Tat ge­nügen lassende Schuldtheorie (Kohlrausch 1903, Carl Schmitt 1910) verdrängt.

Lit.: Mayer, M., Die schuldhafte Handlung und ihre Arten im Strafrecht, 1901; Schmitt, C., Über Schuld und Schuldarten, 1910 His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964, 68ff.; Beul, C., Si mensor falsum modum dixerit, 1998

absolut vollständig, unbedingt, uneinge­schränkt, gegen jedermann wirkend (Ge­gensatz relativ)

absolutio (F.) ab instantia → Instanzentbindung

Absolutismus ist die im Einzelnen sehr vielfältige Regierungsform, bei welcher der Inhaber der Herrschaftsgewalt (Monarch) dem Untertanen gegenüber grundsätzlich unbe­dingte (absolute, unbeschränkte) Macht hat. Der frühe A. entwickelt sich in Spanien, Frankreich und England bis zum Ende des 15. Jh.s. Unterstützt wird der A. durch theoretische Ansichten, welche die Ent­theologisierung der Herrschaft und die Unteilbarkeit der Staatsgewalt fordern (→ Machiavelli, Nicolò [1469-1527], Il principe, 1513, → Bodin, Jean [1529-1596], Les six livres de la République, 1576, [lat.] maiestas est summa in cives ac subditos legibusque soluta potestas, die maiestas ist die [zeitlich unbegrenzt] gegenüber den Bürgern und Untertanen bestehende höchste und von den Gesetzen [nicht aber von göttlichem Recht, Naturrecht, Fundamentalgesetzen] losgelöste Gewalt). Begünstigt wird der A. dadurch, dass die Stände vielfach konfessionell gespalten sind und deswegen den Frieden in einem Land nicht sichern können. Mittel zur Durchsetzung der absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines stehenden Heeres, der Aufbau einer allein vom Herrscher abhängigen Beamtenschaft und die Einführung eines Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung des A. ist die Entmachtung des → Adels hinsichtlich der Mitwirkung (bzw. formaler Mitspracherechte [Ersetzung durch informale Verständigung]) bei der → Landesherrschaft (in der Regel ohne Änderung der förmlichen Rechtsgrundlage der Herrschaft, z. B. Habsburg bzw. Österreich seit 1620). Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig XIV. (1643-1715) in → Frankreich erreicht. Im Reich eifern dem viele Landesfürsten nach (z. B. Friedrich Wilhelm [1620-1688] von Brandenburg bzw. Preußen, August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen, Maria Theresia in Österreich). In der Mitte des 18. Jh.s (Friedrich II. in Preußen, Joseph II. in Österreich, Anna Amalia und Carl August in Sachsen-Weimar, Peter Leopold in Toskana, Gustav III. in Schweden, Katharina II. in Russland) setzt im aufgeklärten A. (Reformabsolutismus) der Fürst als erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche Änderungen in Gang (Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichts­organisation). In Frankreich beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen, als Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Bodin, J., Les six livres de la république, 1576; Hobbes, T., Leviathan 1651; Feine, H., Einwirkungen des absoluten Staats­gedankens auf das deutsche Kaisertum, ZRG GA 42 (1921), 474; Fehr, H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Sturmberger, H., Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus, 1957; Carsten, F., Princes and parliament in Germany, 1959; Conrad, H., Rechtsstaatliche Bestrebungen, 1961; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus, 1962; Oestreich, G., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, 1969; Conrad, H., Staatsgedanke und Staatspraxis, 1971; Dreitzel, H., Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat, 1970; Absolutismus, hg. v. Hubatsch, E., 1973, 2. A; 1988; Der aufgeklärte Absolutismus, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1974; Anderson, P., Lineages of the Absolutist State, 1974; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W., Das Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, 4. A. 1975; Anderson, P., Die Entstehung des absolutistischen Staates, 1979; Aspekte des europäischen Absolutismus, hg. v. Patze, H., 1979; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Mousnier, R., La monarchie absolue en Europe, 1982; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Henshall, N., The Myth of Absolutism, 1992; Dreitzel, H., Absolutismus und ständische Verfassung in Deutschland, 1992; Der Absolutismus – ein Mythos?, hg. v. Duchhardt, H., 1996; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat, 1998; Reformabsolutismus und ständige Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G. u. a., 1998; Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998 (mit rund 1400 Literaturnachweisen); Cornette, J., Absolutisme et Lumières, 2. A. 2000; Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2002; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Reinalter, H., Lexikon zzum aufgeklärten Absolutismus, 2005; Schilling, L., Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept?, 2008; Müßig, U., Recht und Justizhoheit, 2. A. 2009

Abstimmung ist das durch Abgabe einzelner Entscheidungen (Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung) erfolgende Verfahren zur Ermittlung des Willens (Gemeinwillens) einer Gesamtheit von zu einer Entscheidung zugelassenen Personen hinsichtlich einer bestimmten Frage. Als eine besondere Form der A. ist bereits im antiken Athen der Ostrazismus bekannt, bei dem der Angehörige des Volks mittels je eines Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein Bürger, der die politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust des Vermögens und seiner sonstigen Rechts­stellung verbannt werden soll. Im Einzelnen erfolgen dann Abstimmungen nach ziemlich unterschiedlichen Regeln (z. B. Stimm­zählung und Mehrheitsentscheidung in der Goldenen Bulle 1356, Willensbildung nach Kurien im Reichstag des Heiligen römischen Reichs), bis in der Mitte des 19. Jh.s sich die Einheitlichkeit des Abstimmungskörpers mit grundsätzlich gleichem Stimmrecht (Verfas­sung des deutschen Reiches von 1848) durchzusetzen beginnt. Im 20. Jh. ist die A. des Volkes über eine politische Frage ein Entscheidungs­verfahren unmittelbarer Demo­kratie. Eine Sonderform der A. stellt die → Wahl dar.

Lit.: Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49 (1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip, 1973; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 2000

Abstraktion ist die Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden Umstandes von einzelnen Erscheinungsformen. Im 19. Jh. setzt die → Pandektistik auf der Grundlage einer Entscheidung des römischen Juristen Julian/Iulianus (Hadrumetum um 100-um 170) die Trennung des → Verfügungsge­schäftes (→ Übereignung, → Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen → Verpflichtungsgeschäft und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) vom Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch (Abstraktionsprinzip).

Lit.: Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, (in) Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52

Abt (Lehnwort lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jh., „Abt, Vater“, Lehnwort gr. ábba, aram. abba, „Vater“, Lallwort) ist seit dem 4. Jh. der Leiter einer rechtlich selbständigen Nieder­lassung eines christlichen → Ordens des weströmischen Gebiets. Er wird als geist­licher Vater (lat. pater [M.] spiritualis) verstanden. Die auf den Kirchenvater Augustinus (354-430) zurückgehende Ordensregel Benedikts von Nursia (480-547) legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert die Weihe zum anfangs vom Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians von sämtlichen Mönchen gewählten A. vorbild­liche Lebensführung und Weisheit. Der A. hat gegenüber den Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern. Deshalb schulden die Mönche Gehorsam und Ehrerbietung. Im fränkischen Reich tritt neben das freie Wahlrecht der Mönche das Einsetzungsrecht eines jeweiligen Herrn (einer Gründerfamilie). Seit karolingischer Zeit wird der A. auch mit weltlichen Aufgaben betraut. Synoden von Rom (826) und Poitiers (1078) sowie das Konzil von Vienne (1311/2) legen die Voraussetzung der Weihe zum Priester für den A. fest. Im 11. und 12. Jh. dringt der Grundsatz der freien Wahl für kurze Zeit wieder vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Seibert, H., Abtserhebungen, 1995; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999

Abtei (lat. [F.] abbatia) ist seit der frühen Neuzeit die von der Stellung und Tätigkeit eines Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem → Abt geleitete, rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens. Die A. kann → Reichsabtei, landsässige A. oder der römischen Kirche unterstellte freie A. sein.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919; Wehlt, H., Reichsabtei und König, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Brandstetter, A., Die Abtei, 1999

Äbtissin ist die Leiterin einer rechtlich selb­ständigen Nieder­lassung eines christlichen Frauenordens (des weströmischen Gebietes). → Abt

Abtreibung ist der künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der (beseelten) menschlichen Leibes­frucht aus dem Mutterleib. Die A. ist nach römischem Recht zeitweise zulässig. Die → Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als → Mord, Gratian (um 1140) beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf Grund von Exodus 21,22-23 milder. Die Aufklärung lehnt die kirchliche Lehre ab. Seit etwa 1970 (z. B. Österreich 1974) wird die kirchliche Auffassung im weltlichen Recht zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach gewordene Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft als (nach einer Beratung in Deutschland seit 1995 zwar rechtswidrig, aber) straffrei zugelassen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser, R., The Crime of Abortion, Diss. Washington 1942; Noonan, J., The Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988; Gante, M., § 218 in der Diskussuion, 1991; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Diss. jur. Münster 1996; Müller, P., Die Abtreibung, 2000; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002; Bett, J., Die Beurteilung der embryopathischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch, Diss. jur. Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit, 2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004; Behren, D. v., Die Geschichte des § 218 StGB, 2004

Abtretung (lat. [F.] cessio) ist die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen → Gläubiger (Zedenten) auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird. Sie ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandates (Geltendmachung der Forderung des Gläubigers durch einen Beauftragten) und der Novation in Form einer Stipulation zwischen Schuldner und Neugläubiger wenigstens die Übertragung eines selbstän­digen Rechtes zu, eine fremde Forderung auszuüben. Im Gegensatz hierzu entwickelt sich wohl in den mittelalterlichen Städten die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen, die zunächst grundsätzlich der Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung gegenüber dem bisherigen Gläubiger oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen Gläubiger be­darf (ausgenommen gerichtlich festgestellte Forderungen). Ver­einzelt bestehen auch Verbote von Ab­tretungen. Das Zustim­mungser­fordernis ent­fällt seit dem Spätmittel­alter (letztlich) unter dem Einfluss des ge­mei­nen Rechts, in dem das deutschrechtliche Ge­dankengut die Übertragung der Forderung auch der Substanz nach eröffnet, so dass be­reits der → Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 (II 3 § 8) die A. aufnimmt (ALR I 11 §§ 376ff., Code civil Art. 1689ff., ABGB §§ 1392ff.). Im 19. Jh. unterliegt die einschränkende Lehre Christian Mühlen­bruchs (1817) der durch Windscheid und Bähr geprägten Vorstellung von der Abtre­tung als einem abstrakten Verfügungsgeschäft (§§ 398ff. BGB, Art. 183ff. bzw. 164ff. Obligationen­recht der Schweiz). In England gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht übertragbar.

Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Mühlenbruch, C., Die Lehre von der Zession, 1817; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die Forderungsabtretung im deutschen, französischen und englischen Recht, 1924; Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Huwiler, B., Der Begriff der Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht, 1975; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifikationsgeschichtliche Zusammenhänge des Ab­tretungsverbotes, 1992

Abtriebsrecht ist das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug eines Fremden zu verhindern. Es ist im Titel XLV (De migrantibus) des fränkischen Volks­rechtes (507-511) bezeugt und besteht bis in das 19. Jh. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg ge­währen.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Abzahlungsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 5. 1894, das außerhalb des 1896/1900 geschaffenenen Bürgerlichen Gesetzbuches die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit etwa 1835 vom Handel umworbenen mittellosen Käufer beweglicher Sachen, die aus wirtschaftlichen Gründen etwa Nähma­schinen, Möbel oder Kleidung nur gegen Zahlung des Preises in Raten kaufen können, vor Benachteiligung (z. B. durch Verfall d. h. Rücknahme der Kaufsache bei Zahlungs­versäumnis und Fortbestehen der Zahlungs­pflicht) schützen will. Es wird mit Wirkung vom 1. 1. 1991 durch das Ver­braucher­kreditgesetz abgelöst, das zum 1. 1. 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet wird. In Österreich wird 1896 ein Raten­gesetz, 1979 ein Konsumentenschutz­ge­setz erlassen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumenten­schutz vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von 1894, ZRG GA 102 (1985), 130; Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag, 1991

Abzahlungskauf → Abzahlungsgesetz

Abzugsrecht ist das Recht zum Abzug des Einzelnen aus seinen bisherigen unfreien Rechts­verhältnissen, gegebenenfalls unter einer Geldleistung. Der Abzug findet sich in vielen spätmittelalterlichen Weistümern mit unter­schiedlichen Regelungen. Mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s wird das A. überflüssig.

L.: Möhlenbruch, R., Freier Zug, ius emigrandi, Auswanderungsfrieheit, Diss. jur. Bonn 1977

acceptatio (lat. [F.]) Annahme

acceptilatio (lat. [F.]) Empfangnahme → stipulatio

accessio (lat. [F.]) Hinzutreten, Zuwachs

accessio cedit principali (lat) - Zuwachs­ folgt rechtlich der Hauptsache. Verbindung

Accursius (Bagnolo [Certaldo] bei Florenz 1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263) wird in einer bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechts in Bologna (Azo, Jacobus Balduinus) und der Promotion seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er (in Bearbeitung eines unvollendeten Werkes Azos?) fünfbändige, durch etwa 1200 Handschriften überlieferte Erklärungen (Kommentare) zu allen Teilen der justinianischen Kompilation in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen (22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Infortiatum, 22243 zum Digestum novum 17814 zum Codex, 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum und 680 zu den libri feudorum) vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher Verwertung der voran­gehenden Literatur bietet. Außerdem sind 8 seiner Gutachten (Konsilien) erhalten, während eine bezeugte Summe nicht überliefert ist. Zu seinen Schülern zählen Odofredus und Papst Innozenz IV.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 335; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006

Achilleisches Hausgesetz → Dispositio Achillea

Achramire (lat.-afrk.), adchramire, ist die frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen (Geloben), einen Gerichtstag wahrzuneh­men, einen Eid zu leisten oder einen Bürgen oder Zeugen zu stellen (Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt unter Übergeben oder Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] → festuca, vielleicht ursprünglich mit der framea).

Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, M., Adhramire und die germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229

Acht ist im mittelalterlichen deutschen Recht die als Unrechtsfolge (Strafmittel oder Verfahrensmittel) mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene Taten, die eine niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird der Täter in der Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen bedarf es eines besonderen Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der Geächtete steht außerhalb des Rechts, ist Feind aller und kann von jedem folgenlos getötet werden. Das beweg­liche Vermögen des Geächteten wird verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem Ablauf einer damit verbundenen Gestellungsfrist (Ungehorsams­acht) verfällt der Betreffende in → Aberacht. Die vom König oder seinem Gericht verhängte A. gilt als → Reichsacht im ge­samten Reich. Lösung aus der A. ist möglich. Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten Rechts­figur, die mit Erstarkung der staatlichen Gerichts­herrschaft verschwindet (wegen der Vollstreckungsschwäche des Reiches vom Reichskammergericht zuletzt noch 1698, vom Reichshofrat zuletzt noch 1709 ausgespro­chen).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959; Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M., Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992; Weber, M., Zur Bedeutung der Reichsacht in der frühen Neuzeit, ZHF Beiheft 19 (1997), 55

Achtbuch ist das über die von einem Gericht ausgesprochene → Acht (und dadurch Geächteten) geführte Buch (Register), wie es anscheinend erstmals der Reichslandfriede des Jahres 1235 vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg ob der Tauber 1274, Nürnberg 1285, Achtbuch der Reichshofgerichtsschreiber Petrus Wacker und Johann Geisler zwischen 1417 und 1445 mit fast 600 Einträgen u. a.).

Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960, 16; Battenberg, F., Das Achtbuch der Könige Sigmund und Friedrich III., 1986

Achtklausel ist die in mittelalterlichen Verträgen enthaltende Vereinbarung, sich für den Fall der Vertragsverletzung der Acht zu unterwerfen.

Lit.: Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1987´6, 288

acta (lat. [N.Pl.]) → Akten

acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeindea­kten

Actio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht (Klaganspruch). Im → For­mularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des Beklagten das Begehren vor dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Er­teilung einer bestimmten a. Ergibt sich, dass der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt keine bereits anerkannte a. rechtfertigt, ent­fällt der Antrag. Allerdings kann der Gerichts­magistrat, wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet, eine a. in factum in Aussicht stellen. Die zugelassenen actiones, von denen jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem im 4. Buch der Institutionen Justinians im Titel (lat.) De actionibus (Von den Klagan­sprüchen) zusammengestellt. Im Hochmittel­alter anerkennt beispielsweise Johannes Bassianus 169 verschiedene actiones. Im 19. Jh. (Windscheid 1856) wird aus der römischrechtlichen a. der materiellrechtliche → Anspruch.

Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Bethmann Hollweg, C. v., Der Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ, 1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002

Actio (F.) ad exhibendum (lat.), Klaganspruch auf Vorlegung, Vorweisung (vor dem Prätor), Herausgabe, Exhibi­tionsklage (vgl. § 809 BGB, Klage auf Besichtigung) ist eine (lat.) actio in personam, durch die der bei einer (lat.) actio in rem feh­lende Einlassungszwang umgangen werden kann.

Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3

actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klag­anspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene

Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280

actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung (aus Trödelvertrag)

Lit.: Köbler, DRG 48

actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung bzw. zum Ermessen

Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II

Actio (F.) auctoritatis (lat.), Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den Verkäufer, Gewährschaftsklage, ist im rö­mischen Recht der Klaganspruch eines wegen einer durch Manzipation erworbenen Sache von einem Dritten angegriffenenen und vom Veräußerer nicht geschützten oder unter­liegenden Käufers auf den doppelten Kauf­preis.

Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner § 8

Actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld.

Lit.: Kaser §§ 39, 83

actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht

actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus Leihvertrag

Lit.: Kaser § 39 II

Actio (F.) communi dividundo (lat.) ist im römischen Recht der wohl im 3./2. Jh. v. Chr. durch eine (lat.) lex (F.) Licinnia geschaffene Teilungs­klaganspruch mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft.

Lit.: Kaser §§ 23 IV 83

actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters usw.

Lit.: Kaser §§ 42, 83

actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklag­anspruch, Nießbrauchsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 28, 29

actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch (bei unvollkommen zweiseitig verpflich­ten­den Verträgen z. B. Aufwandsersatzkla­gean­spruch des Entleihers, Verwahreres, Beauf­trag­ten oder Pfandgläubigers)

Lit.: Kaser § 38 IV 2

Actio (F.) de deiectis vel effusis (lat.), Klageanspruch wegen hinausgeworfener oder ausgeschütteter (Sachen), ist im römischen Recht der gegen den Inhaber von Räumen wegen eines durch Hinauswerfen oder Ausgießen von Sachen aus den Räumen entstandenen Schadens gerichtete, verschul­densunabhängige Scha­dens­ersatzanspruch ei­nes Verletzten auf das Doppelte des Schadens (Quasidelikt, Erfolgshaftung?).

Actio (F.) de dolo (lat.), Klaganspruch wegen Arglist, ist im römischen Recht der auf Anregung des C. Aquilius Gallus im 1. Jh. v. Chr. vom Prätor bei Fehlen einer anderweitigen actio gewährte, binnen Jahresfrist geltend zu machende Klag­anspruch des durch einen Betrug Ge­schädigten gegen den Täter auf Ersatz des Schadens, der durch Wiedergutmachung abgewendet werden kann, andernfalls Infamie nach sich zieht.

Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9

Actio (F.) de in rem verso (lat.), Klage wegen des auf eine Sache Verwendeten, Klaganspruch wegen eingetretener Bereicherung, ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Gewalthaber auf Herausgabe des Wertes, den ein Gewalt­unterworfener aus einem Ver­pflich­tungs­geschäft erlangt und zu einer Bereicherung des Vermögens des Gewalt­habers verwendet. Das nachklassische römi­sche Recht erweitert den Anwen­dungsbereich auf Geschäftsfüh­rung durch Freie, das gemeine Recht entwickelt die a. zu einem allgemeinen Bereiche­rungs­anspruch wegen nützlicher Verwendung.

Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12; Chiusi, T., Die actio de in rem verso, 2001

actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch wegen Minderung durch Schaden seitens eines vierfüßigen Nutztiers, den der Ei­gen­tümer durch Herausgabe des Tieres ab­wenden kann

Lit.: Kaser § 50 II 4

actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch über das Sondergut eines Gewaltunterworfenen gegen den Gewalthaber wegen vom Gewaltunterworfenen begründeter Geschäfts­verbindlichkeiten bis zur Höhe des Wertes des Sonderguts im Verurteilungszeitpunkt

Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner § 12

Actio (F.) depositi (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des Hinterlegers auf Rückgabe der hinterlegten Sache gegen den Verwahrer.

Lit.: Kaser §§ 39, 83

actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch aus Garantieerklärung

Lit.: Kaser § 46 III 3

actio (F.) de tigno iuncto (lat.) (schon im Zwölftafelgesetz enthaltener) Klaganspruch des römischen Rechts über den bei einem Hausbau rechtswidrig verwendeten Balken oder später eines anderen Gegenstand eines andern, den der Verwender nicht lostrennen, sondern nur mit dem doppelten Wert ersetzen muss

Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG 25; Hinker, H., Tignum iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41

actio (F.) empti (lat.) Kaufklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9

actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den Reeder für Geschäfte des Kapitäns bei dem Betrieb eines Schiffes

Lit.: Kaser § 49 II 3; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280

Actio (F.) ex stipulatu (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, der in der einseitig verpflicht­enden Stipulation eine unbestimmte Leistung versprochen hat.

Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9, 24

actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus Testament

Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II

actio (F.) familiae erciscundae (lat.) Erbteilungsklaganspruch

Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner §§ 8, 9

actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus Sicherungsübereignung

Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner § 9

actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenz­feststellungsklaganspruch

Lit.: Kaser § 23

Actio (F.) furti non manifesti (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den nicht handhaften Dieb auf das Doppelte des Wertes der entzogenen Sache, während die actio furti manifesti auf das Vierfache des Sachwerts gerichtet ist.

Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio furti, ZRG RA 96 (1979), 89

actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klag­anspruch

Lit.: Kaser § 4 II 1

actio (F.) in factum (lat.) auf den Sachverhalt zugeschnittener Klaganspruch des Prätors bei Fehlen einer actio im Edikt und Anerkennung eines Rechtsschutzbedürfnisses (z. B. bei von der lex Aquilia nicht erfassten mittelbaren Schädigungen)

Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002

actio (F.) iniuriarum (lat.) Schadensersatz­klaganspruch

Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer, T., Die actio iniuriarum aestimatoria, 1998; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht, 2006

actio (F.) in personam (lat.) persönlicher Klaganspruch (wegen Forderungen aus einem Schuldverhältnis auf Leistung, wobei Ein­lassungszwang des Gegners besteht)

Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner § 9

actio (F.) in rem (lat.) sachverfolgender Klaganspruch (zur Durchsetzung von absoluten Rechten auf eine [ursprünglich in der Gerichtsstätte vorhandene] Sache ge­genüber einem sich in Widerspruch zu den Rechten des Klägers Setzenden, wobei kein Einlassungszwang des Gegners besteht)

Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9

Actio (F.) institoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Unter­nehmer aus einer von seinem Angestellten ein­ge­gangenen Verbindlichkeit.

Lit.: Kaser § 49; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280

actio (F.) iudicati (lat.) Vollstreckungs­klag­anspruch

Lit.: Kaser §§ 32, 85

actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch

Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958

actio (F.) locati (lat.) Klaganspruch des Ver­mieters usw.

Lit.: Kaser §§ 42, 83 II

actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus Auftrag

Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83

actio (F.) mixta (lat.) gemischter Klag­anspruch (zugleich sachverfolgender und pönaler Klaganspruch)

Actio (F.) negatoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch, mit dem der zivile Eigentümer sich dagegen wehren kann, dass ein anderer sich ein nicht bestehendes Recht zur Einwirkung auf die Sache (z. B. Dienstbarkeit, Recht auf Immission) anmaßt.

Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Thier, A., Zwischen actio negatoria und Aufopferungsanspruch, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001

actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus Geschäftsführung

Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83

actio (F.) noxalis (lat.) Schadensersatz­klaganspruch wegen Noxalhaftung des Ge­walt­habers

Lit.: Köbler, DRG 27

Actio (F.) nullitatis (lat.) ist der mittel­alter­liche Nichtigkeitsklaganspruch

Lit.: Köbler, DRG 117

actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf ver­sprochene Dienste

Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II

Actio (F.) Pauliana (lat.) ist die unter Justinian (527-565) die (lat.) restitutio in integrum und das (lat.) interdictum frau­datorium aufnehmende Gläubigeranfech­tungs­­klage gegen den unentgeltlichen oder wis­sen­den Erwerber aus gläubigerbenach­teiligenden Rechtsgeschäften des Schuldners.

actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklag­anspruch (in rem oder in personam)

Lit.: Kaser §§ 31, 39

actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch

actio (F.) popularis (lat.) Popularklagan­spruch, von jedermann aus dem Volk erhebbarer Klaganspruch (z. B. actio de de­iectis verl effusis), bei dem die Buße an den Kläger, die Gemeinekasse bzw. Staatskasse oder an beide fällt

Lit.: Kaser § 50 I 1

actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klagan­spruch der (vom Prätor in der Klaganspruchsformel genau) vorgeschrie­be­nen Worte (z. B. bei Innominatkontrakt)

Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio praescriptis verbis, ZRG RA 106 (1989), 434; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002

actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klag­an­spruch

Lit.: Kaser § 4 II

actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch gegen den Gesellschafter

Lit.: Kaser § 43 I

Actio (F.) Publiciana (lat.) ist im römischen Recht der wohl im letzten vorchristlichen Jahrhundert vom Prätor geschaffene sachverfolgende Klag­anspruch des besseren Besitzers (z. B. Ersitzungsbesitzers, bo­nitarischen Eigentümers) gegen den schlech­teren Besitzer (also nicht gegen den zivilen Eigentümer) auf Herausgabe der Sache (vgl. § 1007 BGB, 372 ABGB).

Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9; Apathy, P., Die publizianische Klage, 1981

actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungs­klaganspruch (binnen einem Jahr geltend zu machen)

Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9

Actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den durch Geheiß (iussum) zu Rechtsgeschäften ermächtigenden Hausvater bzw. Gewalthaber wegen des Geschäfts eines Haussohnes bzw. Gewaltunterworfenen.

Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod iussu, Diss. jur. Köln 1996

actio (F.) redhibitoria Wandelungsklag­an­spruch (binnen sechs Monaten geltend zu machen)

Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9

actio (F.) rei uxoriae (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe des Heiratsgutes der Frau

Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner, A, Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969

actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch des Pfandgläubigers (anfangs nur des Verpachtenden) auf Herausgabe der Pfandsache von jedem Besitzer

Lit.: Kaser § 31 III

actio (F.) stricti iuris (lat.) strengrechtlicher Klaganspruch

Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I

actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den Vormund

Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3

actio (F.) utilis (lat.) (vom Präter im Einzelfall) brauchbar (anwendbar) gemachter allgemeiner Klaganspruch (z. B. Anwendbarmachung der actio legis Aquiliae des Eigentümers auf andere dinglich Berechtigte oder auf den Hausvater eines verletzten Hauskinds)

Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der actio utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992

actio (F.) venditi (lat.) Kaufpreisklag­anspruch des Verkäufers

Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3

actus (lat. [N.]) Trift → Dienstbarkeit

actus (M.) iuridicus (lat.) → Rechtsgeschäft

Lit.: Köbler, DRG 164

actus (M.) legitimus (lat.) bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft

Lit.: Kaser §§ 34, 41

Additio (F.) sapientium (lat.) ist die innerhalb der → Lex Frisionum überlieferte Niederschrift über Rechtsmitteilungen zweier Männer namens Wlemarus und Saxmundus.

Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980

Adel ist die Gesamtheit der erblich bevor­rechtigten Familien einer Gesellschaft. Derar­tige Erscheinungen treten in verschiedenen Kulturen auf. Sie sind Wandlungen unterwor­fen. Die Herkunft des mittelalterlichen deutschen Adels ist ungeklärt. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten (ererbter Boden?) spielt wohl auch die Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher feststellbar ist die Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behauptung göttlicher Abkunft). Die germanischen (lat. [M.Pl.]) principes (Ersten, Anführer) lassen sich nicht als A. sichern. Das salfränkische Volksrecht (507-511?) kennt noch keine rechtliche Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass der aus der spät­römischen Reichsbeamtenschaft hervorge­gangene römische Senatorenadel vergleich­bare fränkische Strukturen als Gegenstück findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger über die Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heirats­ver­bindungen und militärischen Erfolgen ent­wickelt sich ein engerer Kreis bedeutender Familien, denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden (Reichsadel). Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jh.s erblich werden, festigt sich ihre örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. Diese oberste Schicht des bereits in den karolingischen Volksrechten durch ein beson­deres → Wergeld sowie im Übrigen durch → Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und später → Pairsgericht gekennzeichneten Adels wird seit dem Hochmittelalter zu den → Landesherren bzw. → Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit entstammende, durch Herrendienst entstandene → niedere Adel in den Dienst der Landesherren ein. Seit 1346 kann der A. (vom König) durch Urkunde an Bürger verliehen werden (Briefadel). Mit dem Absolutismus wird die politische Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Me­diatisierung, Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des 1789 in Frankreich revolutionär verwirklichten Gleichheits­grund­satzes wird der rechtliche Vorrang des Adels (im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918) beseitigt (Österreich 3. 4. 1919 Gesetz über die Aufhebung des Adels, Führung verwaltungsstrafbar). Mit der Bo­denreform in der sowjetischen Besatzungs­zone (1945-1949) werden ihm dort auch die wirtschaft­lichen Grundlagen entzogen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111, 120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhermoz, P., Essai sur l’origine de la noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des Uradels in Niedersachen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschafts­geschichte 1906; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1; Mayer, E., Zur Lehre vom germanischen Uradel, ZRG GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927, Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels, 1937; Bader, K., Zur Lage und Haltung des schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. LG. 5 (1941), 335; Tellenbach, G., Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen Reichsfürstenstand, 1943; Hiesel, R., Die staats­rechtliche und soziologische Stellung des Stadtadels, 1952; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Kläui, P., Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau, 1960; Deutscher Adel 1430-1555, hg. v. Rößler, H., 1965; Deutscher Adel 1555-1740, hg. v. Rößler, H., 1965; Störmer, W., Früher Adel, 1973; La noblesse, hg. v. Contamine, P., 1976; Fleckenstein, J., Die Entstehung des niederen Adels und das Rittertum, 1977; Sablonier, R., Adel im Wandel, 1979; Lemmel, H., Die genetische Kontinuität des mittelalterlichen Adels, 1980; Werner, M., Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger, 1982; Barbero, A., L’aristocrazia, 1987; Europäischer Adel 1750-1950, hg. v. Wehler, H. u. a., 1990; Althoff, G., Verwandte, Freunde und Getreue, 1990; Ritterorden und Adels­gesellschaft im spätmittel­alterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991; Hoyningen-Huene, I. Frfr. v., Adel in der Weimarer Republik, 1992; Adel in der frühen Neuzeit, hg. v. Endres, W., 1993; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen Vormärz, HZ-258 (1994), 1; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, Bd. 2 1995, 2. A. 2007; Geschichte des sächsischen Adels, hg. v. Keller, K. u. a., 1997; Contamine, P., La noblesse au royaume de France, 1997; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Rösener, W., Adelsherrschaft als kulturhistorisches Phänomen, HZ 268 (1998), 1; Werner, K., Naissance de la noblesse, 1998; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Reif, H., Adel im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Baudisch, S., Lokaler Adel in Nordwestsachsen, 1999; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht 1868-1918/19, 2000; Nobles and Nobility in Medieval Europe, hg. v. Duggan, A., 2000; La noblesse dans les territoires angevins, hg. v. Coulet, N. u. a., 2000; Conze, E., Vom deutschen Adel – Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, 2000; Stockert, H., Adel im Übergang, 2000; Der europäische Adel im Ancien Régime, hg. v. Asch, R., 2001; Schmilewski, U., Der schlesische Adel, 2001; Janse, A., Ridderschap in Holland, 2001; Zwischen Nicht-Adel und Adel, hg. v. Andermann, K. u. a., 2001; Mauerer, E., Südwest­deutscher Reichsadel im 17. und 18. Jahrhundert, 2001; Pečar, A., Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711-1740), 2003; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Adel und Moderne, hg. v. Conze, E./Wienfort, M., 2004; Schneider, J., Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel, 2003; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Funck, J., Feudales Kriegertum und militärische Professionalität, 2004; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005; Crouch, D., The Birth of Nobility, 2005; Kleines Lexikon des Adels, hg. v. Conze, E., 2005; Dendorfer, J., Adelige Gruppenbildung und Königsherrschaft, 2005; Barth, T., Adelige Lebens­wege im alten Reich, 2005; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1; Hochmittelalterliche Adelsfamilien in Altbayern, Franken und Schwaben, hg. v. Kramer, F. u. a., 2006; Adel im Wandel, hg. v. Bumiller, C., 2006; Adel im Wandel, hg. v. Hengerer, M. u. a., 2006; Ruppel, S., Verbündete Rivalen, 2006; Matzerath, J., Adelsprobe an der Moderne, 2006; Adel in Sachsen-Anhalt, hg. v. Labouvie, E., 2007; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Adel und Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u. a., 2007; Adel in Bayern, hg. v. Haus der bayerischen Geschichte, 2008; Sikora, M., Der Adel in der frühen Neuzeit, 2008; Adel in Schlesien, hg. v. Harasimowicz, J. u. a., 2009

Ädile sind im römischen Recht zunächst die beiden Vorsteher des plebejischen Sonderheiligtums (lat. [F.] aedes [sacra], Tempel), die auch die Aufsicht über die dort stattfindenden Märkte haben. Im Jahre 367 v. Chr. wird ihnen die allgemeine Polizeigewalt übertragen. Ihnen werden zwei weitere Ä. zur Seite gestellt, die abwechselnd aus Patriziern und Plebejern gewählt werden sollen. Sie erhalten die Marktgerichtsbarkeit, in deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es Ä. später auch in anderen Gemeinden.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 8, 15; Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

aditio (lat. [F.]) Antritt

adiudicatio (lat. [F.]) Zuspruch

adjektizisch (hinzukommend, erstreckend) z. B. im römischen Recht Klagansprüche gegen den Gewalthaber auf Grund von Geschäften Gewaltunterworfener (z. B. actio de in rem verso, actio de peculio, actio quod iussu, actio tributoria) oder gegen den Geschäftsherrn auf Grund von Geschäften von Geschäftsführern (z. B. actio institutoria, actio exercitoria), die keine selbständigen Verbindlichkeiten be­grün­den, sondern die Ver­bindlichkeiten des Schuldners (Gewaltun­terworfenen, Geschäfts­führers) nur auf einen anderen (z. B. Gewalthaber, Geschäftsherrn) erstrecken

Adler ist der Vogel, der als König der Vögel bereits im Altertum als Begleitzeichen des höchsten Gottes (Zeus, Jupiter) erscheint und bald als Zeichen der römischen Weltherr­schaft verwendet wird. Diese Symbolik übernimmt anscheinend Karl der Große. Unter Friedrich I. Barbarossa wird der goldene A. auf farblosem Grund zum Reichs­wappen, das im 13. Jh. schwarz auf goldenem Grund gestaltet wird. Am Ende des 12. Jh.s tritt der ebenfalls schon antike Doppeladler in Siegeln von Reichsstädten neben den einfachen A. Um 1230 geben die Reichs­fürsten den bis dahin wegen ihrer königlichen Lehen geführten A. fast durchweg auf. Unter Kaiser Sigismund wird 1433 der schwarze Doppeladler im goldenen Feld Reichswappen, neben dem der König bis zum Ende des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) den einfachen A. führt. 1848 erklärt die Bundesversammlung den Doppeladler zum Wappen des geplanten Deutschen Reiches, 1871 das Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem preu­ßischem Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950 von der Bundesrepublik Deutschland über­nommen wird. Österreich verwendet 1804 den Doppel­adler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und führt 1919 den ein­köpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen ein, der von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler ersetzt, 1945 aber mit einer zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preu­ßen führt seit 1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber ge­staltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in Silber Wappen des König­reichs.

Lit.: Gritzner, E., Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und Doppeladler, Diss. phil. Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 1984; Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen Nationalsymbole, 2. A. 1990; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 3. A. 1998; Reichel, P., Schwarz Rot Gold, 2005

admallatio (lat. [F.]) Ladung

administratio (lat. [F.]) Verwaltung

Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Busch, J., Vom Amtswalten zum Königsdienst, 2007

Administrativjustiz (F.) durch die Verwaltung wahrgenommene Gerichtsbarkeit in Verwaltungsangelegenheiten(im 19. Jh.)

Lit.: Pahlow, L., Administrativjustiz versus Justizstaat, ZNR 2000, 11

Administrator ist seit dem Ende des 13. Jh.s der Verwalter eines Bistums.

Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 43

admonitio (lat. [F.]) Ermahnung (z. B. Kapitular admonitio generalis vom 23. 3. 789)

Lit.: Buck, T., Admonitio und Praedicatio, 1997

adoptio (lat. [F.]) Annahme an Kindes Statt → Adoption

Adoption ist die Annahme eines Menschen als Kind unabhängig von der tatsächlichen Verwandtschaft. Das römische Recht kennt in diesem Zusammenhang neben der (lat. [F.]) adrogatio eines Menschen sui iuris und verschiedenen testamentarischen Geschäften in Anknüpfung an die Zwölftafelgesetzge­bung die (lat. [F.]) adoptio eines Menschen alieni iuris, bei der ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine Tochter oder einen Enkel einmal) dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen durch → Manzipation (lat. [F.] → mancipatio) überträgt, dieser ihn dreimal (bzw. einmal) freilässt, der Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat behauptet, dass das Kind das seine sei, der Vater nicht widerspricht und der Magistrat den Menschen dem Adoptivvater zuteilt. Das frühmittel­alterliche Recht nimmt mit ähnlicher Ziel­setzung die → Affatomie bzw. das Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die römischrechtliche A. in einge­schränkter Form an einzelnen Stellen aufgenommen (Freiburg im Breisgau 1520) und findet erst danach allgemein (entweder als adoptio plena d. h. volle Verwandtschaft oder als adoptio minus plena Erbberechtigung des Adoptierten nach dem Adoptierenden) Eingang in die ver­nunftrechtlichen Kodifikationen (CMBC 1756 I, 4, § 5; I, 5 § 12, ABGB 1811 §§ 181ff., Code civil Art. 343ff., Bad LR Art. 343ff.). Wie schon im römischen Recht, so sollte auch im Allgemeinen Landrecht (II 2 §§ 666ff. Preußens die A. vor allem Kinderlosen einen Erben verschaffen. In Deutschland wird sie 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen und 1976 neu gefasst, in Großbritannien 1926 eingeführt. Sie dient zunehmend der Kinderfürsorge und der Befriedigung ideeller Wünsche.

Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25; Hübner; Köbler, DRG 21, 268; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Pitzorno, B., L’adozione privata, 1914; Eichmann, E., Die Adoption des deutschen Königs durch den Papst, ZRG GA 37 (1916), 291; Kuhn, H., Philologisches zur Adoption bei den Germanen, ZRG GA 56 (1947), 1; Wackernagel, W., Die rechtliche Stellung der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel 1953; Diederichsen, U., Wandlungen des Adoptionsrechts, StAZ 1977, 301; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Jussen, B., Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im römischen Recht, (in) Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3; Schoenenberger, M., Histoire du droit de l’adoption, (Diss. jur. Freiburg i. Ü.) 1995; Sturm, F., Die Aufnahme der Adoption in den Code civil, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 1305ff.; L’adoption dans le droit savant, hg. v. Roumy, F. u. a., 1998; Neukirchen, C. Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2004; Kurtz, D., Das Institut der Adoption im preußischen Allgemeinen Landrecht und im französischen Code civil, 2006; Wesener, G., Adoptio, (in) FS Wilhelm Brauneder, 2008, 699

advocatus (lat. [M.]) Herbeigerufener (Rechtsbeistand) → Advokat, (mlat.) → Vogt

Advokat (lat. [M.] advocatus) ist seit dem 5. Jahrhundert in der christlichen Kirche ein Funktionsträger. Im 8. Jh. schreibt die Kirche die Zuziehung solcher (lat.) advocati (M.Pl.) in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340 wird ihr Aufgabenkreis durch päpstliche Dekrete näher bestimmt. Am Ende des 14. Jh.s findet das Wort als Fremdwort Eingang in das Deutsche. Im Prozess verfasst der A. als Bera­ter und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere Stellungnahmen und trägt sie in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit der Rezeption übernimmt zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der → Prokurator den Vortrag vor Gericht. In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur abgeschafft. 1878 wird der Ausdruck A. im Deutschen Reich durch → Rechtsanwalt ersetzt.

Lit.: Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les officialités au Moyen Age, 1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators, 1941; Hermesdorf, B., Licht en schaduw in de advocatuur der Lage Landen, 1951; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur, 1993; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Officium advocati, hg. v. Mayali, L., 2000; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006

aedilis (lat. [Adj.]) Haus.. s. Ädil

AEIOU ist die von dem der Buchstabenmagie zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-1493) von Habsburg seit 1437 verwendete Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche Erklärungen (z. B. [lat.] Austriae est imperare orbi universo, Alles Erdreich ist Österreich untertan, [lat.] Austria est inter omnes universa, Österreich ist unter allen das vielseitigste) erst später erscheinen.

aequitas (lat. [F.]) Billigkeit, Gerechtigkeit

Lit.: Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 52 (1932), 53

Aequitas (F.) canonica (lat.) ist die aus den Umständen des Einzelfalles eine Abweichung vom geltenden Recht begründende kano­nische Billigkeit. Auf Grund von antiken Vorläufern (griech. epicheia, lat. supraiustitia) und kir­chenrechtlichen Sammlungen des 10. und 11. Jh.s wird sie von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist die praktische Verwirk­lichung des Ge­rech­tig­keits­ideals. Hauptsäch­lich dient die a. c. der Auslegung und Er­gänzung rechtlicher Regeln.

Lit.: Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die aequitas bei Gratian, (in) Studia Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Caron, P., „Aequitas“ romana, „misericordia“ patristica ed „epicheia“ aristotelica nella dottrina dell’ „aequitas canonica“, 1971; Equity in the World’s Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld, J., Die aequitas bei L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechts, (in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991, 39; Wesener, G., Aequitas naturalis, (in) Der Gerechtig­keits­anspruch des Rechts, 1996, 82

aequus (lat. [Adj.] eben, gleich, billig, ge­recht

aerarium (lat. [N.]) Staatskasse, Staatsschatz

aestimatum (lat. [N.]) Trödelvertrag

Affatomie ([F.] „Indenschoßsetzung“) ist das förmliche Verfahren des altfränkischen Rechtes (fränkische Volksrechte, Kapi­tu­larien, Formeln), durch das Güter eines kinderlosen Erblassers in drei zeitlich ge­trennten Handlungen im Ding, im Haus und im Königsding Dritten zugewendet werden können.

Lit.: Hübner; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, Tit. 46, §§ 1-6, Tit. 105, § 1; Schmidt, R., Die Affatomie der lex Salica, 1891; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993, 162; Schmidt-Recla, A., Mancipatio familiae und Affatomie, (in) Leges – Gentes – Regna, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006, 461

Africanus ist der als Schüler des → Julian bekannte römische Rechtskundige des 2. Jh.s n. Chr. († 175?), von dem Epistulae und Quae­stiones bezeugt sind.

Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961

Afrika ist der südlich Europas gelegene Kontinent, dessen günstige klimatische Gegebenheiten die Entwicklung des modernen Menschen ermöglichen, dessen Nordrand schon dem römischen Reich an­gehört, dessen südliche Teile aber erst mit dem Beginn der Neuzeit in das europäische Gesichtsfeld treten und dann als Kolonien durch Portugal, England, Frankreich, Belgien und Deutschland in Besitz genommen werden, bis sie sich nach der Mitte des 20. Jh.s zu verhältnismäßig selbständigen Staaten befreien können.

Lit.: Davidson, B., Old Africa rediscovered, 1959; Davidson, B., Urzeit und Geschichte Afrikas, 1961; Strauch, H., Afrikas Weg zur Einheit, Diss. jur. Zürich (um 1965); Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168; Davidson, B., The Black Man’s Burden, 1992; Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 2. A. 2003; Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Hazdra, P., Afrikanisches Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v. Mabe, J., 2001; Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R., Kurze Geschichte Afrikas, 2002; Giliomee, H., The Afrikaners, 2003; Kleines Afrika-Lexikon, hg. v. Hofmeier, R. u. a., 2004; Marx, C., Geschichte Afrikas, 2004; Guérivière, J. de la, Die Entdeckung Afrikas, 2004; Koloniale und postkoloniale Konstruktionen von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft in der deutschen Alltagskultur, hg. v. Bechhaus-Gerst, M. u. a., 2006

Afterlehen ist die seit dem Anfang des 14. Jh.s entstandene Bezeichnung für das von einem Lehnsmann in einem weiteren, von ihm begründeten Lehnsverhältnis an einen (Unter-)Lehnsmann (Aftervassallen) weitergegebene Lehen. Im Gegensatz zu England und der Normandie ist in Deutschland und Frankreich der Empfänger des Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn nicht zu Dienst und Treue verpflichtet.

Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969

Agnat ist der über Männer Verwandte. Im römischen Recht sind adgnati (M.Pl.) alle freien Menschen, die in demselben Haus­verband (oder in manus) stehen oder noch ständen, wenn ihr gemeinsamer Stammvater noch lebte. Im germanisch-deutschen Sprachbereich sind die Agnaten die Verwandten, die sich in rein männlicher Linie auf einen gemeinsamen Stammvater zurückführen lassen (→ Schwert­magen). Der verschiedentlich behauptete Vor­rang des agnatischen Prinzips vor dem kognatischen Prinzip ist nicht nachweisbar.

Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957), 1; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958

Agrarverfassung ist die (rechtliche) Grundordnung der landwirtschaftlich ge­nutzten Grundstücke einer Allgemeinheit. Die römische A. ist zunächst durch klein­bäuerliche naturale Hauswirtschaft gekenn­zeichnet, doch bewirkt die Entwicklung Roms zu einer Weltmacht den Übergang der römischen Kleinbauern in das Proletariat, während die Patrizier durch Sklaven Plantagenwirtschaft betreiben können. Die A. der Germanen ist umstritten. Eher un­wahrscheinlich ist die durch Berichte Caesars und Tacitus’ nahegelegte urkommunistische A. mit jährlicher Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und umliegendes Ackerland oder Weideland bereits familienmäßig zuge­ordnet gewesen sein. Vielleicht als Folge der Landnahme in der Völkerwanderung und der Begegnung mit provinzialrömischen Zustän­den entsteht die → Grundherrschaft als überwiegende Form des Betriebs der → Landwirtschaft. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft im Hochmittelalter werden Naturalabgaben der abhängigen bäuerlichen Hintersassen in Geldleistungen umgewandelt. Östlich von Elbe und Saale setzt sich vor allem seit der frühen Neuzeit die Gutsherr­schaft durch, die abhängige Bauern zu Tagelöhnern macht. An die Stelle von Ren­tengrund­herrschaft und Gutsherrschaft tritt nach der von der Aufklärung verursachten franzö­sischen Revolution von 1789 im 19. Jh. (1807-1848) das → Eigentum des einzelnen (befreiten) Bauern. Im 20. Jh. führt die politische, wirtschaftliche und technische Entwicklung zur Zerschlagung des Großgrundeigentums einerseits und zur Not­wendigkeit der Bildung größerer Wirt­schaftseinheiten (landwirtschaftliche Produk­tionsgenossenschaf­ten in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht) andererseits. Nach dem zweiten Weltkrieg wird die A. von Industrialisierung, Europäi­sierung und Globalisierung geprägt, die das Ende des kleinbäuerlichen Familienbetriebs einleiten. Gleichwohl gilt noch zu Beginn des 21. Jh.s Sonderrecht für das landwirtschaft­liche Grundeigentum.

Lit.: Köbler, DRG 133, 174; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; We­ber, M., Agrarrecht, Agrargeschichte, Agrarpolitik - Vorlesungen 1894-1899, hg. v. Aldenhoff-Hübinger, R., 2007; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der Karolin­gerzeit, 2. A. 1921; Weber, M., Wirtschaftsge­schich­te, 1923; Kötzschke, R., Allgemeine Wirtschaftsge­schichte des Mittelalters, 1924; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Lütge, F., Geschichte der deutschen Agrarverfassung, 1963; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsge­schichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Wege und Forschungen der Agrargeschichte (FS Günther Franz), hg. v. Haushofer, H. u. a., 1967; Groß, R., Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen, 1968; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der preußischen Agrarreformen, 1985; Brakensiek, S., Agrarreform und ländliche Gesellschaft, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschadt, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Achilles, W., Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der Industrialisierung, 1993; Corni, G. u. a., Blut und Boden, 1996; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998; Kluge, U., Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert, 2005; Agrarreformen und ethnodemographische Veränderungen - Süd­ost­eu­ro­pa vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Ge­gen­wart, hg. v. Krauss, K., 2008

Agustín, Antonio (Saragossa 1516-Rom 1586) schafft nach Studien in Alcala, Salamanca, Padua und Bologna (Alciat) im päpstlichen Dienst die Grundlage für die geschichtliche Bearbeitung der Quellen des kirchlichen Rechts.

Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio Agustín y su „Recollecta in iure canonico“, (in) Revista española de derecho canonico 45 (1988), 487

Ägypten ist das sich längs des unteren Nils erstreckende Gebiet Ägyptens, in dem seit dem Ende des 4. Jt. v. Chr. eine Hochkultur erkennbar ist, deren Rechtssätze nur wenig bekannt sind. 30 v. Chr. fällt Ä. an die Römer, später wird es rasch vom → Islam erfasst. Aus dem Erbe des osmanischen Reiches wird es 1882 von Großbritanien besetzt, zwischen 1922 und 1946 aber schrittweise verselbständigt.

Lit.: Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., Einführung in die ägyptische Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Seidl, E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A. 1968; Goedicke, H., Die privaten Rechtsinschriften, 1970; Lurje, M., Studien zum altägyptischen Recht, 1971; Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer Provinz, 1973; Wolff, H., Das Recht der griechischen Ppyri Ägyptens, Bd. 2 1978; Vercoutter, J., L´Egypte, Bd. 1 1992; Hölbl, G., Geschichte des Ptolemäerreiches, 1994; Assmann, J., Ägypten, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a., 1998; Boochs, W., Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in hellenistischer Zeit, 2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002; Hölbl, G., Altägypten im römischen Reich, 2005; Capponi, L., Augustan Egypt, 2005; Langner, U., Forschungsarbeiten zur frühen Kultur der Menschhheit, 2007; Bingen, J., Hellenistic Egypt, 2007; Hornung, E., Einführung in die Ägyptologie, 6. A. 2008; Booth, C., Das alte Ägypten, 2009

Ahnengrab

Lit.: Meier, J., Ahnengrab und Brautstein, 1944; Meier, J., Ahnengrab und Rechtsstein, 1950

Ahnenprobe ist der Nachweis der (adeligen) Abkunft vom 12. bis 19. Jh.

Lit.: Langer, C., Die Ahnen- und Adelsprobe, 1862; Klocke, F. v., Westdeutsche Ahnenproben, 1940; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K., 2003, 139ff.

Ahrweiler

Lit.: Krahforst, P., Stadtverfassung und Gerichtswesen im mittelalterlichen Ahrweiler, Diss. jur. Bonn 1962; Inventar des Archivs der Stadt Ahrweiler 1228-1795, bearb. v. Zimmer, T., 1965

Akademie ist die 529 n. Chr. vom oströmischen Kaiser Justinian verbotene Philosophenschule, deren Grundgedanke 1454 in Italien (Terranuova/Florenz) wieder­belebt wird. Seitdem versammeln sich nach dem Kooptationsprinzip bedeutende univer­sitäre Gelehrte in außeruniversitären Aka­demien (Accademia dei Lincei 1603, Accademia del Cimento 1657, Leopoldina Schweinfurt 1652) vor allem zwecks Netzwerkbildung. Der entscheidende Anteil an der Entwicklung der modernen Welt kann aber eher den Uni­ver­sitäten (z. B. Halle 1694, Göttingen 1737, Berlin 1810) als den Akademien (Preußen 1700, Österreich 1847) als Wis­senschafts­netzwerken zugesprochen wer­den.

Lit.: Electoralis academiae scientiarum Boicae primordia, Briefe aus der Gründungszeit, 1959; Lepper, H., Die Einheit der Wissenschaften, 1987; Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. v. Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945, hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001; Hammerstein, N., Innovation und Tradition, HZ 278 (2004), 591; Kopetz, H., Die österreichische Akademie der Wissenschaften, 2006; Die Gründung der Leopoldina, hg. v. Toellner, R. u. a., 2008

Akademie für deutsches Recht ist die außeruniversitäre wissenschaftliche Einrich­tung der nationalsozialistischen Zeit (1933-1945) zur weltanschaulichen Umgestaltung des Rechts. Die A. f. d. R. wird mit ver­schiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a. Volksgesetzbuch). Ihr wissenschaftlicher Er­trag bleibt vor allem aus zeitlichen Gründen notwendigerweise eher gering.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Pichinot, H., Die Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für Deutsches Recht, 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd. 1ff. 1986ff.; Anderson, D., The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuss, 1997

akademisch (Adj.) die Akademie oder Universität betreffend (z. B. akademische Gerichtsbarkeit der Universität über Pro­fes­soren, Studenten, Angehöri­ge, Bedien­stete bis zum 19. Jh.)

Akklamation (F.) Zuruf, Zustimmung

Akkreszenz(F.) → Anwachsung

Akkusation (F.) Anklage

Akkusationsprozess ist der durch Akku­sation (Anklage) seitens eines (privaten) Anklägers begründete, seit dem 4. Jh. (Konstantin) aus dem römischen Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jh.) übernommene Prozess. Er erfordert eine → Anklage (lat. [F.] accusatio). Kenn­zeichnend sind die dem Ankla­geschriftsatz beizufügende Verpflich­tung des Anklägers zum → Talion für den Fall der Falschanklage und der → Kalum­nieneid. Im Hochmittelalter wird der A. auf den → Strafprozess einge­schränkt. Die Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche Gerichts­ordnung Kaiser Karls V.) von 1532 behandelt den A. in Art. 6 noch, doch hat er bereits zu dieser Zeit keine wirkliche Bedeutung mehr. Ein Gegensatz zum A. ist der → Inquisitionsprozess. Seit dem 19. Jh. (1848) ist öffentlicher Ankläger der Staats­anwalt. → Anklagepro­zess

Lit.: Köbler, DRG 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899; Herde, P., Audientia litte­rarum contradictarum, Bd. 1 1970; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971

Akten ist die seit dem 15. Jh. (1500 acten) gelegentlich erscheinende Bezeichnung der in Gericht und Verwaltung in einer Ange­legenheit entstehenden Schriftstücke. Solche A. kennt schon die Antike (59 v. Chr. [lat. N. Pl.] acta senatus). Nach dem frühmittel­alterlichen Rückgang des Schriftwesens wer­den sie erst im 14. Jh. wieder bedeutsamer.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145; Neuss, E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen in der Gegenwart, 1961; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichs­kammergerichts, ZNR 1999, 408; Prozessakten als Quellen, hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte unter der Schere politischer Zensur, 2001; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u. a., 2007; Hochedlinger, M., Aktenkunde, 2009

Aktenversendung (lat. transmissio [F.] actorum) ist die in der frühen Neuzeit ver­breitete Übung der Gerichte, in einem anhängigen Verfahren (auf Antrag oder von Amts wegen) die Akten mit der Bitte um ein(en) Urteil(svorschlag) an eine rechts­kundige Stelle zu versenden, um danach die Antwort als eigenes Urteil zu verkünden. Sie baut auf dem mittelalterlichen → Oberhof auf, bezieht aber nach itali­enischem Vorbild Juristen und deren → Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219 CCC). Seit der Mitte des 18. Jh.s schränken staatliche Gesetze die A. ein (Preußen 1746, Bayern 1753). Mit den Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879 (§ 16 GVG) endet die der Unmittelbarkeit des Richters widersprechende A. im Deutschen Reich.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 155, 201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts, 1881; Löning, G., Spätes Lob der Aktenversendung, ZRG GA 63 (1943), 333; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1962; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983

Aktenwesen → Akten

Aktie ist der Anteil an der → Aktien­gesellschaft. Im 15. Jh. ist A. in Amsterdam und Brügge der klagbare Anspruch und das diesen verbriefende Papier, in Zeugnissen von 1606/1607 (niederländisch-ostindische Han­delscompagnie) vielleicht der Anspruch auf Dividende (aus dem Anteilsschein des Kapitalgebers) und im Code de commerce Frankreichs von 1807 ein Teil des Kapitals einer Handelsgesellschaft.

Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995;; Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007

Aktiengesellschaft ist die Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person), die ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat und für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet (nicht auch der Gesellschafter mit ihrem sonstigen Ver­mögen). Auf der Grundlage erster Durch­brechungen des Grundsatzes der persönlichen Haftung des handelnden Kaufmanns infolge des wachsenden Kapitalbedarfs in Bergbau und Fernhandel im 15. Jh. entsteht die A. aus den Bedürfnissen der Beschaffung hohen Kapitals und der Streuung großen Risikos im Kolonialhandel am Beginn des 17. Jh.s (English East India Company 1600 zunächst als Rahmen für auf einzelne Unternehmungen beschränkte terminated stock companies, Niederländische ostindische Handelscom­pagnie VOC 1602, Schweden 1615, Dänemark 1616, Branden­burgisch-Ostin­di­sche Com­pagnie 1651, Nieder­lande Öster­reichs 1719). Sie wird mehr und mehr als Zusam­menschluss mit eigenem Vermögen angesehen. Sie beruht zunächst auf einem einzelnen Privileg (Oktroisystem). Gesetz­lich wird die A. im französischen Code de commerce (1807, 14 Artikel, „anonyme Gesellschaft“), (im Eisenbahngesetz Preußens von 1838,) im Gesetz über die Aktien­gesellschaften für die königlich preußischen Staaaten vom 9. November 1843 (Konzession als Verwaltungsakt auf der Grundlage eines Gesetzes [Konzessionssystem], Vorstand und Generalver­sammlung) und im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861, Konzessionssys­tem 1870 durch System der Normativbestimmungen mit Anspruch auf Erteilung bei Vorliegen der Voraussetzungen ersetzt), danach in Deutschland (nach zwei Notverordnungen von 1930 und 1931) 1937 in einem eigenen, 1938 auf Österreich erstreckten, 1945 geringfügig entnazifizierten, 1965 und 1994 novellierten Aktiengesetz geregelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 167, 217, 242, 272; Gesetz über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843, hg. v. Baums, T., 1981; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895; Cohn, G., Die Aktiengesellschaft, Bd. 1 1921; Schumacher, H., Die Entwickelung der inneren Organisation der Aktien­gesellschaft, 1937; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des sociétés de commerce en France, 1938; Bösselmann, K., Die Entwicklung des deutschen Aktien­wesens, 1939; Rauch, K., Die Aktienvereine in der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts, ZRG GA 69 (1952), 238; Reich, N., Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts, Ius commune 2 (1969), 239; Gmür, R., Die Emder Handelscompagnien, FS H. Westermann 1974, 167; Großfeld, B., Die rechts­politische Bedeutung der Aktiengesellschaft im 19. Jahrhundert, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 236ff.; Baums-Stammberger, B., Der Ver­such einer Aktiengesetzgebung in Sachsen 1836/37, 1989; Landwehr, G., Die Organisationsstruktur der Aktienunternehmen, (in) Vom Gewerbe zum Unternehmen, 1982, 251; Land­wehr, G., Die Verfassung der Aktiengesellschaft, ZRG GA 99 (1982), 1; 100 Jahre modernes Aktienrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1984; Schubert, W., Die Entwürfe der Weimarer Republik zur Reform des Aktienrechts, ZRG GA 103 (1986), 140; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 1 Ausschuss für Aktienrecht, hg. v. Schubert, W., 1986; Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik. Die Protokolle der Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss des vorläufigen Reichswirt­schaftsrats, hg. v. Schubert, W. u. a., 1987; Gaastra, F., De geschiedenis van de VOC, 1991; Nörr, K., Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts, ZHR 150 (1986), 155; Frey, M., Die spanische Aktien­gesellschaft, 1999; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000; Bahrenfuss, D., Die Entstehung des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss, S./Burger, C./Eckert, G., Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts. Geschichte und Materialien, 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungs­voraussetzungen, 2005; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v. Gepken-Jager, E. u. a., 2005; Thiäner, F., Das Verhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern, 2007; Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007

Aktiengesetz ist das die Aktie bzw. Aktiengesellschaft betreffende Gesetz. (z. B. Deutsches Reich 1937)

Aktionär ist der Gesellschafter der Aktiengesellschaft.

Aktionensystem ist das auf die (lat. [F.]) actio (z. B. im römischen Recht die Rechtsschutzverheißung im edictum perpe­tuum) als Klaganspruch ausgerichtete Rechts­system, das den Sachverhalt nicht unter einen Tatbestand subsumiert, sondern auf seine Klagbarkeit untersucht. Bernhard Windscheid (1817-1892) trennt den materiellen Anspruch von der verfahrensrechtlichen (lat.) actio. Damit endet im deutschen Recht das A.

Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis

Akzeptation (Annahme, Anerkennung) ist die meist durch Überleitungsgesetz umge­setzte weltliche Anerkennung (Trans­formation) kirchlichen Rechts im Spätmittelalter (z. B. Pragmatische Sanktion von Bourges 1438, Mainzer Akzeptation 1439).

Lit.: Hürten, H., Die Mainzer Akzeptation, 1955

Akzessorietät (F.) Abhängigkeit eines rechtlichen Umstandes von einem anderen

Akzise (zu lat. accidere, auferlegen, cisa, Einschnitt [auf dem Kerbholz]) ist die im 11. Jh. in Spanien (1001) und Venedig, im 13. Jh. im deutschen Reich (Köln 1206, Standal 1314 Bierziese) bezeugte, ursprünglich städtische, meist am Stadttor erhobene → Verbrauch­steuer (auf z. B. Wein, Bier, ausgedehnt auf Salz, Getreide, Fleisch). In den zusätzliche Einkünfte benötigenden Ländern wird die auf die reine Warenbewegung abstellende A. nach niederländischem Vorbild im 17. Jh. bedeutsam (Württemberg 1633, Sachsen 1641, Brandenburg 1641, Kurpfalz 1699), deren Einführung die Landstände noch bewilligen. Im 19. Jh. tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück (abgeschafft in Bayern 1808, im Wesentlichen in Preußen 1820, in Sachsen 1834), wird aber in der Form der alle Bereiche des Warenumsatzes erfassenden Umsatzsteuer (oder später der auf den jeweils erzielten Mehrwert beschränkten Mehrwertsteuer) im 20. Jh. (1916 bzw. 1918) wieder belebt.

Lit.: Köbler, DRG 113; Der Akzisenstreit, hg. v. Blesgen, D. u. a., 1717, Neudruck 2006; Knipping, R., Die Kölner Stadtrechnungen des Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005

Alarich Breviarium Alarici

Albanien ist der südosteuropäische, nördlich Griechenlands an der Adria gelegene Staat mit einer Fläche von 28748 qkm und rund 3,1 Millionen überwiegend muslimischer Einwohner (Skipetaren oder Albaner), deren seit dem 15. Jh. schriftlich bezeugte Sprache zum albanischen Zweig der indo­germanischen Sprachenfamilie zählt. Das Gebiet wird im 1. Jt. v. Chr. griechisch beeinflusst und gerät 168 v. Chr. unter römische Herrschaft, unter der es 395 n. Chr. Ostrom zugeteilt wird. Am Ende des Mittel­alters wird das von 1392 bis 1479 Venedig unterstehende A. von den Osmanen erobert. Am 28. 11. 1912 erklärt sich A. für unab­hängig, 1928 zum von 1939 bis September 1943 in Personalunion mit Italien ver­bundenen Königreich. Am 11. 1. 1946 ent­steht die Volks­republik A., die sich zu­nehmend abschließt. Im Dezember 1990 endet die kommunistische Einparteien­herrschaft. Seit freien Wahlen vom März 1991 bemüht sich A. um eine Öffnung. Das albanische Recht ist dementsprechend im Wandel der Zeiten griechisch, römisch, osmanisch (Geltung der → Megelle [1869-1876] bis 1928), westlich, sozialistisch und demokratisch geprägt.

Lit.: Frasheri, K., The History of Albania, 1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening, 1967; Ruß, W., Der Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame Albanien, 1985; Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v. Neuwirth, H. u. a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v., Albanien, 1998; Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001; Kohl, C. v., Albanien, 2. A. 2003; Albanien, hg. v. Jordan, P. u. a., 2003; Schubert, P., Albanische Identitätssuche, 2005; Köbler, G., Rechtsalbanisch, 2008 (Internet); Ordolli, S., Histoire constitutionelle de l’Albanie, 2008; Albanische Geschichte, hg. v. Schmitt, O., 2009

Albericus (de porta Ravennate) ist ein zwischen 1165 und 1194 bezeugter Glossator (Glossen, Summula de testibus).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 200

Albericus de Rosate ist ein in Rosciate bei Bergamo aus vornehmer Familie um 1290 geborener, in Padua ausgebildeter, praktisch tätiger, im September 1360 verstorbener Jurist (Kom­mentare zu Codex und Digesten, alphabetum bzw. dictionarium utriusque iuris, opus statutorum, kleinere Schriften).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 665; Albericus de Rosate, Dictionarium, per Decianum, F., 1581, Neudruck 2008 (372 Blätter)

Albertiner → Wettin

Albertus Gandinus s. Gandinus, Albertus

Albigenser

Lit.: La Croisade albigeoise, hg. v. Roquebert, M., 2004

Albrecht, Wilhelm Eduard (Elbing 4. 3. 1800-Leipzig 22. 5. 1876) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Königs­berg und Göttingen und der Promotion (1822) und Habilitation (1824) in Königsberg 1829 Professor für deutsches Recht. 1830 wird er Nachfolger seines Lehrers Karl Friedrich Eichhorn in Göttingen, wo er in einer Rezension den Staat als juristische Person erklärt und 1837 (als einer der Göttinger Sieben) entlassen wird. Ab 1838 wirkt er in Leipzig, ist Vertreter Oldenburgs, Schwarz­burgs und Anhalts im Bundestag des Deut­schen Bundes und nimmt für Harburg an der deutschen Nationalversammlung von 1848 teil.

Lit.: Albrecht, W., Die Gewere als Grundlage des älteren deutschen Sachenrechts, 1828; Küc k, H., Die Göttinger Sieben, 1935; Borsdorff, A., W. E: Albrecht, 1993

Alcala de Henares ist die östlich Madrids in Spanien gelegene Stadt, die auf römische Grundlagen zurückgeht und 1118 den Mauren wieder abgewonnen wird. 1348 wird dort durch die Cortes ein bedeutendes Rechtsbuch verkündet. 1498/1508 wird eine 1836 nach Madrid verlegte Universität gegründet.

Alciat, Andreas (Alzate bei Como 1492-Pavia 1550), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (Latein, Griechisch, 1507 Rechts­wissenschaft) in Pavia und Bologna(, 1516 Promotion Universität Ferrara, Advokat Mailand,) 1518 nach Avignon berufen, (1522 Advokat Mailand, 1527 an die Universität Avignon zurückgekehrt,) und 1529 nach Bourges sowie 1533 nach Pavia berufen, (1541-1546 Ferrara). Er begründet mit Budé und Zasius die vom → Humanismus geprägte Rechtswissenschaft ([lat.] Paradoxa [N.Pl.] iuris civilis, 1518, De verborum significatione, 1530), die im (lat.) → mos (M.) Gallicus zum Ausdruck kommt. Zeitlebens ist er auch ein geschätzter Gutachter.

Lit.: Köbler, DRG 143; Omnia … opera, 1557, Neudruck 2004; Moeller, E. v., Andreas Alciat, 1907; Viard, P., André Alciat, 1926; Osler, D., Development in the text of Alciatus’ Dispunctiones, Ius commune 19 (1992), 219; Troje, H., Humanistische Jurisprudenz, 1993; Belloni, A., L’amministrazione della giustizia a Milano, (in) Cunabula iuris, 2002, 1ff.

Aldermann (ae. ealdorman) ist seit dem Mittelalter an verschiedenen Stellen (z. B. Hamburg 1266, London 13. Jh.) ein Funktionsträger mit unterschiedlichen Befug­nissen.

Lit.: Dollinger, P., Die Hanse, 5.A. 1998; Wormald, P., The making of English law, Bd. 1 1999

Aldricus ist ein zwischen 1154 und 1177 bezeugter Glossator, von dem vielleicht eine Schrift über anwendbares Ortsrecht stammt.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 202

Alemanne ist der Angehörige eines wohl am Ende des 2. Jh.s n. Chr. vor allem aus elbgermanischen Sueben gebildeten, im 3. Jh. erstmals erwähnten germa­nischen Stammes, der 259/260 den römischen Limes durchbricht und das Gebiet am oberen Rhein besiedelt (am Anfang des 4. Jh.s im Breisgau). 496/497 unterliegen die von einem König geführten Alemannen den → Franken. Etwa zu dieser Zeit setzt die sich über Jahrhunderte hinziehende Christianisierung ein. Zu Beginn des 7. Jh.s zeichnen die Alemannen ihr Recht im → Pactus Alamannorum und zu Beginn des 8. Jh.s in der → Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum vom fränkischen König endgültig beseitigt. Im fränkisch-deutschen Reich gehen die Alemannen in Schwaben (Baden, Württemberg), Elsässern, Schweizern und Vorarlbergern auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cramer, J., Die Geschichte der Alamannen, 1899; Grundfragen der alemannischen Geschichte, hg. vom Institut für geschichtliche Landesforschung, 1955; Die Alemannen in der Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur Frühgeschichte der Alemannen, hg. v. Müller, W., 1975; Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Borgolte, M., Die Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit, 1984; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Geuenich, D., Geschichte der Alemannen, 1997, 2. A. 2004; Die Alamannen, hg. v. archäologischen Landesmuseum, 1997; Hellmuth, D., Frau und Besitz, 1998; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C., Frühe Alemannen im Breisgau, 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Hartung, W., Die Alamannen, 2003; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Krapp, K., Die Alamannen, 2007; Alamannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau, hg. v. Ade, D. u. a., 2008

Alemannien → Alemanne, → Schwabe

Alexander III., der (um 1120?) als Roland (Bandinelli?) in Siena geboren wird und in Bologna (vor 1142) Theologie und die Rechte lehrt (wohl verschieden von dem Dekretisten magister Rolandus), veranlasst als Papst (1159-1181) und Gegner Friedrichs I. Barbarossa bedeutsame → Dekretalen (insge­samt mehr als 700, u. a. zur Papstwahl [Zweidrittelmehrheit der wäh­lenden Kardi­näle] und zur Eheschließung).

Lit.: Pacaut, M., Alexandre III, 1956; Baldwin, M., Alexandre III and the XIIth century, 1968; Weigand, R., Magister Rolandus und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980), 3; Laudage, J., Alexander III. und Friedrich Barbarossa, 1997

Alexander von Roes (2. H. d. 13. Jh.s, um 1225-vor 1300) ist Kanoniker in Köln und weilt nach 1280 mehrfach in Italien. Er verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich zugunsten des deutschen Königs gegen Ansprüche des französischen Königs ein ([lat.] Memoriale [N.] de prerogativa Romani imperii, 1281).

Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910; Alexander von Roes, Schriften, hg. v. Grundmann, H. u. a., 1958; Horst, H., Weltamt und Weltende bei Alexander von Roes, 2002

Aller guten Dinge sind drei (d. h. der Kläger muss dem Beklagten in drei Gerichtsterminen die Möglichkeit zur Gegenwehr geben).

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616)

Allgäu

Lit.: Wiedemann, R., Der „Allgäuische Gebrauch einer Gerichtsbarkeit nach Personalitätsprinzip, 1932; Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290-1505, bearb. v. Bilgeri, B., 1940

Allgemeine Deutsche Civilprozessordnung ist das 1866 Entwurf gebliebene zivilprozessuale Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die Bürgerliche Prozessordnung (1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf Leonhardt zugrun­de liegt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Protocolle der Commission zur Beratung einer allgemeinen Civilprozessordnung, 1862ff., Neudruck 1985

Allgemeine Deutsche Wechselordnung ist das auf Grund eines 1847 von allen Mitgliedstaaten des → Deutschen Bundes ausgearbeiteten Entwurfes von der Frankfurter verfassungsgebenden National­versammlung angenom­mene, am 27. 11. 1848 verkündete Gesetz zur Vereinheitlichung des partikularen Wechsel­rechts, das nach Schei­tern der Einigungs­bestrebungen des Jahres 1848 in den einzelnen Mitgliedstaaten durch Landesgesetz (als gleichlautendes allgemeines deutsches Recht) in Kraft gesetzt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in der Zeit vom 20. October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484; Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998; http://www.­koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeineDeutscheWechselordnung1848.pdf

Allgemeine Gerichtsordnung (Österreichs) ist das (nach ersten Ansätzen der Jahr 1709 und 1753 vor allem von April 1774 bis September 1775 von Joseph Hyazinth Froidevo [Arlesheim 1735-Weidling 15. 8. 1811] in Fortschreibung des vom gemeinen Recht stark geprägten Prozessrechts Böhmens ausgearbeitete,) 1781 in Österreich zwecks Rechtsvereinheitlichung kompilatorisch ge­schaffene Gesetz (Publikation 1. Mai 1781, JGS 13, Einführung mit Patent vom 9. 4. 1782) zur Regelung des gemeinrechtlichen Zivilpro­zesses (geheimes Aktenverfahren mit Ver­­handlungsmaxime, Eventualmaxime, grund­­sätzlicher An­waltszwang, mittelbarer Beweis­aufnahme und gebundener Beweis­regel), das 1796 abgeändert in Westgalizien (Westga­lizische Gerichtsord­nung), später in Ostgali­zien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien in Kraft tritt und erst durch die ältere Allgemeine Ge­richtsordnung und erweiterte Westgali­zische Gerichtsordnung vereinheitli­chende öster­reich­ische Zivilprozess­ordnung von 1895 abgelöst wird.

Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978

Allgemeine Gerichtsordnung (Preußens) ist die 1793 für Preußen geschaffene Zivilprozessordnung, die in vernunftrechtlicher Prägung (Erforschung der Wahrheit) eine Abkehr vom gemein­rechtlichen, als zu langwierig empfundenen Zivilprozess versucht, ohne ihre Ziele wirk­lich erreichen zu können.

Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Nörr, K., Reinhardt und die Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1975; Eckert, J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, (in) Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preusßischen Staaten, 1999

Allgemeine Geschäftsbedingung ist die allgemein verwendete Geschäftsbedingung. Allgemeine Geschäftsbedingungen entstehen (nach Vorläufern in (mittelalterlichen For­melsammlungen und) Policen von Versi­cherungen im ersten Drittel des 18. Jh.s) als Folge der Massengeschäfte nach der indus­triellen Revolution am Ende des 19. Jh.s (Eisenbahnbetriebsreglements, Postordnun­gen, 1919 Berliner Spediteurbedingungen), werden trotz der erkennbaren Vorteilssiche­rung der Verwender mittels Haftungsbe­schränkungen, Beweislastumkehrungen, Ge­richtsstandsklauseln, Rücktrittsvorbehalten und Verfallklauseln) zunächst nur vorsichtig im Einzelfall gerichtlich kontrolliert, am 9. 12. 1976 in Deutschland aber in einem eigenen Gesetz über das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen gesetzlich geregelt, das 2002 als §§ 305ff. in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Raiser, L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, 2. A. 1961; Pohlhausen, R., Zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1978; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des ADHGB, FS E. Brandner, 1996, 219; Prang, T., Der Schutz der Versicherungsnehmer, 2003; Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006

Allgemeine Gütergemeinschaft → Gütergemeinschaft

Allgemeiner Teil ist der die allgemeinen Erscheinungen besonderer Teile zusammenfassende (und voranstellende) Teil einer Gesamtheit. Eine Unterscheidung zwischen Gattung ([lat.] genus, Geburt, Geschlecht, Gattung) und Art ([lat.] species, Sehen, Anblick, Gestalt, Bild, Stück) sowie zwischen (lat.) generalis (zum Geschlecht gehörig, zur Gattung gehörig, allgemein) und (lat.) specialis (besondere) ist bereits dem lateinischen Altertum bekannt. Allgemeine Einführungen in das Recht werden in den Versuchen des Franciscus Connanus (1508-1551) und Hugo Donellus (1527-1591), sich von der wenig sys­tematischen Reihenfolge der Bestimmun­gen der justinianischen Kom­pilation(en) zu lösen, sichtbar. Johannes Althusius (Diedenshausen 1557-Emden 1638) überschreibt im Index capitum seiner Dicaelogicae (1618) den ersten Teil des ersten Buches mit (lat.) agit de generalibus (handelt von den allgemeinen [Angelegen­heiten]), doch wird dies nicht weiter beachtet. Im Gefolge naturrechtlicher Sys­te­matisierungs­ansätze (Erhard → Weigel [1625-1699], Samuel → Pufen­dorf [1632-1694], allgemeine Einleitung in das Recht und seine Anwendung sowie Auslegung in Jean Domats [1625-1695] Loix civiles dans leur ordre naturel [1689-1695], Christian Wolff [1679-1754] 1711 [Jus naturae, Band 1 De obligatione et iure hominum universali]) veröffentlicht Christian Wolffs Schüler Georg Darjes 1740 (lat.) Institutiones jurisprudentiae universalis (Einrichtungen der universellen Jurisprudenz), in denen er in einer pars generalis (einem allgemeinen Teil) de iurium atque obligationum objecto (von der Rechte und Verbindlichkeiten Gegenstand), de iurium atque obligationum diversitate (von der Rechte und Verbindlichkeiten Ver­schiedenheit) und de acquisitione iurium et obligationum generatim (vom Erwerb der Rechte und Verbindlichkeiten im Allge­meinen) handelt. 1749 legt Christian Wolffs weiterer Schüler Daniel Nettelbladt (Rostock 1719-Halle 1791) ohnvorgreifliche Gedan­cken, den heutigen Zustand der bürgerlichen und natürlichen Rechtsgelehrtheit in Teutschland, deren nöthige Verbesserung und dazu dienliche Mittel betreffend vor, in denen er eine vom Demonstrieren der Rechtssätze nach Gründen ausgehende straffe Defini­tionen verwendende Darstellung des positiven Rechts verlangt, in der alles systematisch so geordnet werden soll, dass das Allgemeine vor dem Besonderen und das Zusammen­gehörige beieinander steht. Nach erfolg­reichen Elementarsystemen des gleichen Jahres verfasst er 1761 eine (lat.) Introductio (F.) in jurisprudentiam positivam Germa­norum com­munem (Einleitung in die allgemeine positive Jurisprudenz der Deutschen), die neben einem allgemeinen Teil eine kurze Enzyklopädie und Methologie sowie eine straffe Rechts- und Lite­rärgeschichte enthält. 1767 entsteht Johann Stephan Pütters Versuch einer juristischen Enzyklopädie und Methodologie, die eine systematische, durch einen allge­meinen Teil grundgelegte Darstellung des römischen Rechts verlangt. 1772 bietet Daniel Net­telbladt in seiner (lat.) Nova introductio in jurisprudentiam positivam Germanorum com­munem wohl erstmals einen ausgeführten allgemeinen Teil in zwei Büchern mit 7 bzw. 5 Sektionen über allgemeine rechtliche Fach­wörter, Personen, Tat­sachen, Sachen, Rechts­handlungen, Be­grün­den, Auflösen, Bestätigen von Verbind­lichkeiten, Stellver­tretung, An­fech­tung, Erwerb, Verlust und Bewahrung von Rech­ten, Eigentum, Schadensersatz, Sicherheits­leistung, Arrest, Sequestration, Protest, Besitz und Rechtsmittel. Nach weiteren ähnlichen Werken (Hofacker 1773, Habernickel 1776) ordnet (der Hallenser Schüler Daniel Nettelbladts) Gustav → Hugo in seinen (lat.) Institutionen des heutigen römischen Rechts, 1789 das Privatrecht noch klarer ([Einleitung in 7 Paragraphen über Gegenstand der bürgerlichen Rechts­pflege, Entscheidungs­grund­lagen des Rich­ters, Un­möglichkeit der Vorausbestimmtheit der Entscheidung, römi­sches Recht in Deutsch­land, Justinians Leistung, teilweise Un­brauchbarkeit durch Änderung der Verhält­nisse, Vereinfachung durch Vorausschickung des Allgemeinen,] Realrechte, persönliche Obliga­tionen, Familienrechte, Verlassen­schaften, Prozess). Christoph Christian Dabelow (Neu-Buckow 1767-Dorpat 1830), ebenfalls Schüler Net­telbladts in Halle, bietet 1793 eine Einleitung in die deutsche positive Rechtswissenschaft und 1794 ein System der heutigen Civilrechtsgelahrtheit, die beide 1796 eine zweite Auflage erfahren, wobei das System des gesamten heutigen Zivilrechts von 1796 in seinem allgemeinen Teil Personen, Sachen, Handlungen, Zeit, rechtliche Geschäfte, Eide, Wahrheit, Rechte, Verbind­lichkeiten, Si­cherheiten, Besitz, Verjährung, Rechtsmit­tel, Schaden, Schadensersatz, Ver­waltung frem­der Sachen und Wieder­einsetzung in den vorigen Stand erfasst. Hugos Erkenntnisse vertieft sein Göttinger Schüler Georg Arnold Heise in seinem Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandekten­vorlesungen (1807, allgemeine Lehren [Von den Quellen des Rechts, Von den Rechten im Allgemeinen, Von Verfolgung und Schützung der Rechte, Von den Subjecten und Objecten des Rechts], dingliche Rechte, Obligationen-Recht, jura potestatis, das gesamte Erbrecht, Restitutio in integrum) zu einem allgemeinen Teil des Privatrechts. Durch → Savigny erlangt diese Vorstellung allgemeine Verbreitung und erfasst später über das Privatrecht hinaus auch Strafrecht und Verwaltungsrecht und andere Rechtsgebiete.

Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Jakobs, H./Schubert, W., Materialien zur Entstehungs­geschichte des BGB - Allgemeiner Teil, 1985; Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer eines allgemeinen Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Hollstein, T., Die Verfassung als „Allgemeiner Teil“, 2007

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die →Kodifikation des Privatrechts in → Österreich. Sie wird mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung der verschiedenen habsburgischen Herrschaftsge­biete schon von Leibniz als Codex Leopoldinus Leopolds I. angeregt. 1709 setzt Joseph I. (erfolglos) Kompilationskom­missionen in Prag und Brünn ein, (nach der 1749 die österreichische Monarchie mit Ausnahme der ungarischen Länder von einer Länderunion in eine Einheit umwandelnden Reform Maria Theresias) 1753 Maria Theresia eine Kommission (Kompilations­kommission [Joseph von Azzoni], 1756 Aufgabe auf die 1755 gebildete Revisions­kommission übertragen) zur Abfassung ([einer allgemeinen Gerichtsordnung und] eines gleichen Landrechts in allen benachbarten österreichisch-deutschen Erb­landen bzw.) eines (lat.) → Codex (M.) The­resianus, der Provinzialrechte, das gemeine Recht, die Gesetze anderer Staaten und das allgemeine Recht der Vernunft berücksich­tigen soll. Der umfangreiche, in drei Teilen 1766 fertiggestellte, vor allem auf dem gemeinen Recht beruhende Entwurf (ein vierter Teil sollte das Zivilprozessrecht enthalten) wird lediglich als brauchbare Materialsammlung angesehen (und deswegen 1770 von Maria Theresia nicht sanktioniert und 1772/1773 von der geplanten Verbindung mit dem Zivilprozessrecht gelöst). Der bis 1774 auf etwa die Hälfte gekürzte Entwurf Johann Bernhard Hortens wird 1776 nicht weiter beraten, (nach Ehepatenten vom 16. 1. 1783 und 3. 5. 1786) in seinem die gesetzliche Erbfolge betreffenden Teil 1786 aber als Erbfolge­patent vom 11. 5. 1786 und in seinem personenrechtlichen Teil am 1. 11. 1786 zum 1. 1. 1787 als Allgemeines Bür­gerliches Gesetz­buch, ErsterTeil (bzw. [später so genanntes] → Josephi­nisches Gesetzbuch) Josephs II. in den deutschen Erblanden (Österreichs bzw. Habsburgs) in Kraft gesetzt, doch verzögern sich die Arbeiten an den übrigen Teilen durch die nunmehr geplante Einbeziehung Ungarns und unterbricht der Tod Josephs II. (20. 2. 1790) den weiteren Fortgang. Ab 1793 bzw. 1794 arbeitet Karl Anton von → Martini an Hand der Benützung des Entwurfes Hortens und des (1794) in Kraft gesetzten Allgemeinen Landrechts Preußens einen neuen, etwas stärker naturrechtlich geprägten Entwurf (1796 Entwurf Martini) aus, der (nach Inkraftsetzung der Zivil­prozessordnung und des Strafgesetzes 1796 und geringer Umarbeitung) durch Patent vom 13. 2. 1797 als Bürgerliches Gesetzbuch für Westgalizien (→ Westgalizisches Gesetz­buch) für das aus der dritten Teilung Polens 1795 erworbene Erbland Westgalizien und durch Patent vom 18. 9. 1797 auch für das 1772 erlangte Ostgalizien kundgemacht wird (Bürgerliches Gesetzbuch für Galizien [und Bukowina] 1. 1. 1798). Dieses Bür­gerliche Gesetzbuch für Galizien wird als sog. Urentwurf unter der Leitung Franz von → Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei Lesungen (unter Abbau der naturrechtlichen Prägung wegen der französischen Revolution) beraten und nach kaiserlicher Sanktion vom 7. Juli 1810 (ohne Dar­lehensbestimmungen) bzw. 29. 4. 1811 (Darlehensbestimmungen) als Anlage zum kaiserlichen Patent vom 1. 6. 1811 (JGS 94) zum 1. 1. 1812 unter Aufhebung des gemeinen Rechts und grundsätzlich der Privatrechtsgesetze (als allgemeines, d. h. für den gesamten Bereich der Rechtsver­einheitlichung geltendes, als neuständisches Gesetzbuch ständische Unter­schiede nur formal nicht berücksichtigendes und damit verdeckendes) für die gesamten deutschen Erblande des ös­terreichischen Kaisers (Niederösterreich, Ober­österreich [ohne Innkreis], Böhmen [ein­schließlich Marktredwitz und sog. Fraisch­bezirk in der Oberpfalz, in Geltung bis 31. 12. 1899], Mähren, Schlesien, Galizien [z. T.], Bukowina, Teile des Hausruckkreises, Steiermark, Kärnten, Militärgrenze, nicht aber Ungarn, Kroatien-Slawonien, Siebenbürgen) als reines Privatgesetzbuch (mit drei Teilen und 1512 Paragraphen) in Kraft gesetzt (1815 Lombardo-Venetien, 1878 partiell-subsidär Bosnien-Herzegowina). Der (vielleicht durch Abstände des Wappens auf dem Titelblatt im Ausmaß von 47 bzw. 7. bzw 9 Millimeter erkennbare, anscheinend in § 591 die Zeichenfolge … Ordens; Jünglinge unter 18 Jahren, Frauenspersonen, Sinnlose, Blinde, Taube, oder Stumme … aufweisende) Erst­druck wird dem Kaiser am 24. Juni 1811 überreicht (amtlich publizierter Text in Justizgesetzsammlung 1817, Nr. 946). Inhaltlich beruht es auf dem römisch-gemeinen Recht (Schuldrecht, gewillkürtes Erbrecht), einheimischen Recht (Sachenrecht, Erbvertrag), kirchlichen Recht (Eherecht) und dem Naturrecht (Systematik, Auslegungsre­geln, Parentelenordnung). Von Savigny wird es als misslungen bewertet. Durch Patent vom 29. 11. 1812 bzw. 1846 (Erbrecht) wird es von Liechtenstein übernommen (, wo der Text um zwei Fünftel gekürzt und seit dem 20. Jh. an das Recht der Schweiz angeglichen wird). In Moldau wird es 1817 im Wesentlichen in den Codex Callimachus übersetzt. 1852 wird es (mit Anpassungen vor allem im Eherecht) in Ungarn (1853-1861), Kroatien und Slawonien (bis 1918), in der Woiwodschaft Serbien und im Temescher Banat, durch Patent vom 29. 5. 1853 in Siebenbürgen eingeführt. Bern (1824/1830, Luzern (1831/­1839), Solothurn (1841/1847) und Aargau (1847/1855), Serbien (1844) und Montenegro (1888 Code Bogisic) dient es als Vorbild. (1855 Ehegesetz für Katholiken 1856-1868,) 1914 (Personenrecht, Familienrecht, Vor­mundschaftsrecht, gesetzli­ches Erbrecht), 1915 (Grenzberichti­gung), 1916 (Eigentums­vor­be­halt, Belastungsverbot, Schuldüber­nahme, Auslobung, Schadenser­satz, Verjährung) wird das ABGB unter dem vor allem durch Joseph Unger (1818-1913) vermittelten Einfluss der deutschen historischen Rechts­schule in drei Teilnovellen pandektistisch novelliert (rund 15 Prozent der nun 1511 Paragraphen). 1938 wird das Eherecht durch das Ehegesetz des Deutschen Reiches  geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jh.s durch mehrfache Novellierung das gesamte Familienrecht. Seit 1896 (Ratengesetz, Mietengesetz 1923, Konsumen­tenschutz­gesetz 1979) wird es durch Nebengesetze ergänzt. Nach 1945 ist es im sozialistischen Rechtskreis außer Kraft gesetzt. Vielleicht steht bzw. stehen in der Gegenwart noch die Hälfte oder zwei Drittel (Brauneder) der ursprünglichen Paragraphen in Geltung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205; Banniza, J. Gründliche Anleitung zu dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuche, Bd. 1 1787; Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetz­buches, 1843; Harras von Harrasowsky, P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen Civilrechtes, 1868; Ofner, J., Der Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Festschrift zur Jahrhundertfeier des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, 1911; Slapnicka, H., Österreichs Recht außerhalb Österreichs, 1945; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen von 1914, 1915 und 1916, Ius commune 6 (1977), 274; Ogris, W., 175 Jahre ABGB, 1986/7; Caroni, P., Der unverstandene Meister, FS H. Baltl, 1978, 107; Seemann, O., Die mit „1811“ datierten Drucke des ABGB, 1995; Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn und seinen Nebenländern von 1853 bis 1861, ZRG GA 113 (1996), 362; Frohnecke, E., Die Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, 2001; http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/ABGB1811.htm

Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse ist das seit 1863 von den Mitgliedstaaten des → Deutschen Bundes beratene Gesetz, dessen (→Dresdener) Ent­wurf im Jahre 1866 gerade der Bundes­versammlung zugeleitet ist, als der Deutsche Bund am Gegensatz zwischen Österreich und Preußen zerbricht, so dass der Entwurf dieses Gesetzes nicht weiter behandelt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, 1866, 1984

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch ist das auf Grund des Vorbildes des französischen → Code de commerce (1808) nach Scheitern eines 1848 auf Anregung der deutschen Nationalversammlung (Frankfurter Paulskirchenversammlung eingesetzten Ge­setz­gebungsausschusses seit 1856 von einer Kommission des Deutschen Bundes vorbe­reitete, nach preußischer (1850-1856) und österreichischer (1842, 1853, 1857) Vorlage(n) 1861 im (Nürnberger) Entwurf entstandene Handelsgesetzbuch, das die Mitgliedstaaten des → Deutschen Bundes auf Empfehlung der Bundesversammlung vom 31. 5. 1861 durch überein­stimmende Ein­zel­staatsgesetze (u. a. Öster­reich 1862 Allgemeines Handelsgesetz­buch, Anlage zum Gesetz 17. 12. 1862 RGBl. 1863, 1, (ohne Seerecht) in Geltung bis 1938) als allgemeines deutsches Recht in Kraft setzen. An seine Stelle tritt im Deutschen Reich 1897 das → Handelsgesetzbuch (Österreich 24. 12. 1938).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl, H., Zur Geschichte des Entwurfes eines allgemeinen deutschen Handels­gesetzbuches, 1861; Goldschmidt, L., Der Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 5 (1862), 204ff.; Lindau, L., Register zu dem Allgemeinen Deutschen Handels­gesetzbuch, 1867; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wild, P., Der Einfluss des All­gemein­en deutschen Handelsgesetzbuchs auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm

Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jh.s durch Parallelgesetzgebung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes entstandene Recht. → Allgemeine Deutsche Wechselordnung, → Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

Lit.: Köbler, DRG 182

Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1791) ist eine älteren gescheiterten Versuchen folgende Vorstufe für die Kodifikation → Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (1794). Vorausgeht eine Kabinettsordre des Königs vom 14. 4. 1780, nach der „alle Gesetze für unsere Staaten und Untertanen in ihrer eigenen Sprache abgefasst, genau bestimmt und vollständig gesammelt werden“, „nur das Wesentliche mit dem Natur-Gesetz und der heutigen Verfassung Übereinstimmende aus dem römischen Recht abstrahirt, das Unnütze weggelassen, Unsere eigene Landes-Gesetze am gehörigen Ort eingeschaltet und solcher­gestalt ein subsidiarisches Gesetz-Buch, zu welchem der Richter beim Mangel der Provinzial-Gesetze recurriren kann, ange­fertigt werden soll. Eine Kabinettsordre vom 27. 7. 1780 konkretisiert den Auftrag, dem das Corpus iuris Justinians zu Grund gelegt werden soll. Der unter Leitung Johann Casimir von Carmers hauptsächlich von Carl Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein auf der Grundlage von Auszügen aus dem Corpus iuris civilis Justinians nach einer systematischen natürlichen Ordnung erar­beitete Entwurf eines allgemeinen Gesetz­buches für die preußischen Staaten wird seit 1784 in sechs Abteilungen gedruckt (Erster Teil, erste Abteilung 1784, zweite Abteilung 1785, dritte Abteilung 1786, zweiter Teil, erste Abteilung 1787, zweite Abteilung 1787, dritte Abteilung 1788). Die nach der Veröffentlichung eingereichten Vorschläge (Monita) werden verwertet und in einer Svarezschen Revision 1790/1791 genutzt. Am 20. 3. 1791 reicht von Carmer das Publi­kationspatent für das Allgemeine Gesetzbuch für die preußischen Staaten ein, dessen Inkrafttreten zum 1. 6. 1792 geplant wird. Am 18. 4. 1792 verschiebt der König die Geltung aus politischen Gründen bis auf Weiteres. Wegen des Gebietsgewinns Preußens aus der zweiten Teilung Polens (1793) wird das im Privat­recht einem abgewandelten Instituti­onen­system folgende Werk am 1. 6. 1794 als Allgemeines Landrecht für alle preußischen Staaten in Kraft gesetzt.

Lit.: Svarez, Carl Gottlieb, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Register zum allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1792), hg. v. Krause, P., 2004; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG 113 (1995), 40; Barzen, C., Die Entstehung des „Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten“, 2000

Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ist das unter Joseph II. gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende Strafgesetzbuch Österreichs von 1787, das noch vom Strafzweck der Abschreckung ausgeht.

Lit.: Baltl/Kocher;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­Strafgesetz1787.pdf

Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) ist das als → Kodifikation zum 1. 6. 1794 in Kraft gesetzte umfassende Vernunftrechtsgesetzbuch → Preußens. Ihm gehen als ältere, im Ergebnis erfolglose Ver­suche der Rechtsvereinheitlichung der recht­lich ganz verschieden geordneten Teile Brandenburg-Preußens ein Ersuchen Friedrich Wilhelms I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität Halle an der Saale (1714) und das von Samuel von → Cocceji bearbeitete Projekt eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen (Teilentwürfe 1749, 1751) voraus. Als Folge des sog. → Müller-Arnold-Prozesses (1. 1. 1780) erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des Großen (14. 4. 1780 betreffend die Verbesserung des Justizwesens bezüglich der Gerichtsverfassung, des Prozessrechts und des materiellen Rechts) der neu berufene Großkanzler Johann Heinrich Casimir von → Carmer und Carl Gottlieb → Svarez (außer dem Corpus juris Fridericianum von 1781 für das Verfahrensrecht und einer Hypotheken­ordnung von 1783) an Hand des römischen Rechtes nach natürlicher Ordnung und der Sonderrechte der einzelnen Provinzen einen vom König (1785) als zu weitläufig zu­rückgewiesenen Entwurf aus (1783-1788, zwischen 1784 und 1788 in sechs Bänden veröffentlicht). Nach Überarbeitung an Hand zahlreicher eingegangener Monita und Denk­schriften wird 1791 ein Entwurf eines → allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen Staaten vorgelegt, (nach Einreichen  des Publikationspatents am 20. 3. 1791) sein Inkrafttreten zum 1. 6. 1792 verfügt, aber nach nicht mehr vollständig aufklärbaren Vorgängen am 18. 4. 1792 auf unbestimmte Zeit suspendiert. 1794 wird das Gesetzbuch nach dem 1793 bei der zweiten Teilung Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete (Südpreußen, Neu-Ostpreußen) unter geringer Umarbeitung (Aufhebung des Verbots der Machtsprüche und einiger Bestimmungen über die Ehe zur linken Hand) als A. L. R. erlassen (Anlage zum königlich preußischen Patent vom 5. 2. 1794). Das Gesetz umfasst in zwei Teilen („Eigentum“, „Gesellschaft“) mit 23 und 20 Titeln sowie 19194 Paragraphen (fast) das gesamte private und öffentliche Recht (Privatrecht, Gemeinde­recht, Beamten­recht, Staatsrecht, Kirchen­recht, Lehnrecht, Strafrecht), das es fürsorglich und kasuistisch abhandelt. Sein vom Einzelnen (über Ehe, Familie und Stände) zum Staat fortschreit­ender Aufbau ist vernunftrechtlich. Anknüpf­ungspunkt ist (noch) nicht der Mensch als ohne weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der Mensch, soweit er nach Geburt, per­sönlichen Verhältnissen und Stand Rechte und Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl einen Ausgleich zwischen altständischer Gesell­schaft und aufgeklärter Freiheit dar, der die fortschrittlichen Ideen des Bürgertums nur eingeschränkt verwirklicht. Im Privatrecht folgt es einem abgewandelten Institu­tionensystem. Von Savigny wird es abgelehnt (1816 „Sudeley“), aber ab 1819 in Vorlesungen an der Universität vorgetra­gen. In den 1815 auf dem Wiener Kongress gewonnenen Rheinlanden, in denen Frankreich 1806/1807 seinen 1804 geschaf­fenen Code civil in Kraft setzt, und in den 1866 bei Auflösung des Deutschen Bundes erlangten Gebieten wird es nicht eingeführt. Durch das Strafgesetzbuch von 1851, das Allgemeine Deutsche Handels­gesetzbuch von 1861 und schließlich durch das → Bürgerliche Gesetz­buch (1896/1. 1. 1900) wird es Stück für Stück abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151, 160, 198; Eggers, C. v., Lehrbuch des Natur- und allgemeinen Privatrechts und gemeinen preußischen Rechts, 1797; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 355; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Conrad, H., Die geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 1970, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, Register 1973; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1975; Das nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Mühleisen, H., Zur Ord­nung der Akten und Materialien des Allgemeinen Land­rechts, ZRG GA 108 (1991), 194; Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny, Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl - Freiheit - Vernunft - Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1995; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine „Sudeley“?, Diss. jur. Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des preußischen Allgemeinen Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999; Dilcher, G., Forschungen zum ALR-Jubiläum, ZNR 2001, 285; Steinbeck, J., Die Anwendung des allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis, 2004; Benöhr, H., Die Urheber des ALR, ZRG GA 121 (2004), 493; Register zum allgemeinen Gesetzbuch, hg. v. Krause, P., 2004; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; http://www.­koeb­lergerhard.de/Fontes/ALR1fuerdiepreussischenStaaten1794teil1.htm;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR2fuerdiepreussischenStaaten1794Teil2.htm; Hilgen­stock, C., Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis, 2009

Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer Persönlichkeit insgesamt zustehende Recht. Erste Ansätze hierfür finden sich bei Donellus (Doneau 1527-1591), Pufendorf, Thomasius und Wolff (vgl. § 83 Einl. ALR, § 16 ABGB), doch lehnt Friedrich Carl von Savigny ein a. P. ab, weil Inju­rienstrafenklage und Strafrecht genü­genden Schutz bieten. Demgegenüber treten später Otto von Gierke und Josef Kohler für ein a. P. ein. Bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird auf ein a. P. bewusst verzichtet, nur der Namens­schutz in § 12 geregelt und der Schadensersatz bei imma­teriellen Schäden eingeschränkt (§ 253 BGB, anders Art. 28 ZGB Schweiz 1907/­1911). Seit 1954 wird ein a. P. in Deutschland durch die Recht­sprechung (BGHZ 13, 334, 1958 BGHZ 26, 349, 1974 BVerfGE 34, 269, vgl. 1956 BGHZ 20, 345 pönale Geldentschä­digung) anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 Iff. GG angesehen (vgl. BGHZ 128,1). Beachte auch § 201a StGB.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 1 1910, 58; Irmscher, K., Der privatrechtliche Schutz der Persönlichkeit in der Praxis des gemeinen und partikularen Rechts, 1953; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts im 19. Jh., AcP 158 (1959/1960), 503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jh. 1962; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerb­lichen Erscheinungsformen, 1981; Gottwald, S., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1996; Goebel, J., Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 2004; Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004; Martin, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2007

Allgemeines Vermögensgesetzbuch für das Fürstentum Montenegro ist das vor allem unter der Mitarbeit Baltazar → Bogisics (1834-1908) 1888 in Kraft gesetzte Privatrechtsgesetzbuch Montenegros (ohne Familienrecht und Erbrecht).

Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908), 1962

Alliierte → Alliierte Hohe Kommandantur

Alliierte hohe Kommandantur Berlin ist das gemeinsame Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für Berlin seit Juli 1945. Nach dem Auszug des sowjetischen Stadtkom­mandanten am 16. Juni 1948 tagen die drei westlichen Stadt­kommandanten allein. Die Hoheitsge­walt über → Berlin (West) wird bis zur Ver­einigung Berlins (1990) von den drei Westalliierten ausgeübt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant, H., Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, 1985

Alliierte hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik Deutschland einschließlich der westlichen Sektoren Berlins vom 21. 9. 1949 bis 5. 5. 1955. Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter. Sie besteht aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte.

Lit.: Vogt, H., Wächter der Bonner Republik, 2004

Alliierter Kontrollrat ist das am 30. 7. 1945 errichtete Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für die Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere die Entscheidung aller Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Der Alliierte Kontrollrat erlässt auch Gesetze. Am 20. 3. 1948 stellt er wegen der gegensätzlichen Ansichten der westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion andererseits seine Tätigkeit ein. In Österreich werden nach dem ersten alliierten Kontrollabkommen vom 4. 7. 1945 ein aus den vier militärischen Kom­missaren der vier Besatzungsmächte ge­bildeter Alliierter Rat und ein Exeku­tivkomitee mit Stäben (insgesamt als Alliierte Kommission bezeichnet) einge­richtet, deren oberste Gewalt durch das zweite alliierte Kontrollabkommen vom 28. 6. 1946 abge­schwächt wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung, 1952; Etzel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G., Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995

Alliiertes Recht ist das von den alliierten Besatzungsmächten (in Deutschland nach 1945) geschaffene oder veranlassete Besat­zungsrecht.

Allmende (mhd. almende) ist die mehreren zur allgemeinen Nutzung zustehende Wirtschaftsfläche (einer Gemeinde oder ähnlichen Körperschaft). Es ist mehr als zweifelhaft, ob die Anfänge der vor allem im Hochmittelalter bezeugten A. in die germanische Landnahme zurückreichen. Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern, Weide und Ödland. Nutzungsberechtigt sind regel­mäßig die Inhaber von (nahe liegender) Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen). Schon früh versucht der König und später auch der Landesherr, ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19. Jh. strebt nach Beseitigung der A. zugunsten von Alleineigentum. → Alm

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Weiss, J., Die Hackwaldallmende der Stadt Eberbach, ZRG GA 17 (1896), 77; Rüttimann, K., Die zugerischen Allmendkorporationen, 1904; Rennefahrt, H., Die Allmend im Berner Jura, 1905; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Omlin, H., Die Allmendkorporationen der Gemeinde Sarnen, 1913; Litscher, M., Die Alpkorporationen des Bezirkes Werdenberg, 1919; Meyer, E., Die Nutzungs­korpora­tionen im Freiamt, 1919; Haff, K., Überbleibsel strenger Feldgemeinschaft auf friesischen und skandinavischen Inseln, ZRG GA 46 (1926), 378; Haff, K., Die alten Feld- und Wiesengemeinschaften der Insel Föhr und ihre Erbbücher, ZRG GA 47 (1927), 673; Bergdolt, W., Badische Allmenden, ZRG GA 48 (1928), 466; Weber, K., Zur Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften der Hallig Hooge, 1931; Plett, E., Zur Rechtsgeschichte des Spätlandes auf Oster­landföhr, 1931; Kirchner, R., Die Allmende und ihre Schicksale in Unterfranken, Diss. jur. Würzburg 1931; Mantel, K., Der Gemeindewald in Bayern, Diss. jur. Würzburg 1933; Rynning, L., Bidrag til norsk almenningsrett I, 1934; Brinkmann, O., Die Bedeutung der Allmende im neuen Deutschland, 1935; Grass, N., Beiträge zur Rechts­geschichte der Alpwirtschaft, 1948; Fischer, H., Zum Gebietsrecht der Stadtallmende, ZRG GA 71 (1954), 209; Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeind­korporation, Diss. jur. Zürich 1956; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Wehrenberg, D., Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Allmendrechten und Gemeindefronverpflichtungen, 1969; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Below, S. v. u. a., Wald, 1998; Zückert, H., Allmende und Allmendaufhebung, 2003; Schmidt-Wiegand, R., Allmende, (in) Worte des Rechts, 2007, 347

Allod ist das keinen zusätzlichen Beschrän­kungen unterliegende Familiengut (19. Jh., vgl. Lex Salica 59). Es steht insbesondere im Gegensatz zu → Lehen. In Deutschland gibt es immer A., während in Frankreich (wegen der Vermutung nulle terre sans seigneur) A. eher selten und in England A. seit 1066 (Domesdaybook) verschwunden ist. A. kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A. verwandelt werden. Mit dem 19. Jh. geht A. in → Eigentum auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E., Étude sur l’histoire des alleux en France, 1888; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Spieß, K., Das Lehnswesen, 2002

Allodifikation ist die (ausdrückliche oder stillschweigende) Umwandlung von Lehen in → Allod. Tatsächlich findet in der Neuzeit eine allmähliche A. der deutschen Landesfürstentümer statt (bis 1806). Innerhalb der Landesfürstentümer erfolgt (nicht zuletzt aus steuerlichen Überlegungen) eine A. der Lehen von 1702 (Preußen) bis 1919 (Mecklenburg).

Lit.: Köbler, DRG 211; Loewe, V., Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I., (in) Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898

Allthing ist die vielleicht 930 eingerichtete politische Versammlung der seit der 2. Hälfte des 9. Jh.s vor allem von Westnorwegen aus besiedelten Insel → Island. Das A. wird in der zweiten Junihälfte jedes Jahres im Südwesten abgehalten. Teilnahmeberechtigt ist jeder thingsteuerfähige Freie, teilnahmeverpflichtet jeder Häuptling (Gode) und jeder neunte Mann. Auf dem A. hat der Gesetzessprecher oder Rechtssprecher (lögsögumadr) das Recht vorzutragen, ist Recht zu setzen und zu klären und müssen Urteile gefällt werden. 1271/81 endet diese ältere Gestaltung. 1798 wird das A. aufgelöst.

Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971

Alm → Almrecht

Almrecht ist das Recht der Alp oder (aus alben kontrahiert) Alm als der hochgelegenen, vielleicht seit 3000 Jahren in den Sommermonaten bewirtschafteten Weideflä­che (vor allem des Alpenraums). Diese gehört teils Genossen­schaften, teils Grundherren. Das Eigentum an den Grundstücken ist oft durch besondere Rechte und Dienstbarkeiten eingeschränkt (z. B. Schneefluchtrecht auf unteren Almen).

Lit.: Weiß, R., Das Alpwesen Graubündens, 1941; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Moritz, A., Die Almwirtschaft im Stanzertal, 1956; Grass, N., Forschungen zur Alpwirt­schaft, ZRG GA 81 (1964), 368; Ramseyer. R., Das altbernische Küherwesen, 1961; Gietzen, H., Die Almen des Stubaitales, 1964; Schweizerischer Alpkataster, hg. v. d. Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsde­partements in Bern, 1962ff.; Hägele, E., Die Hinterriss, Diss. staatswiss. Innsbruck 1967; Edelmann, M., Die Almen im Tegernseer Tal, 1966; Werner, K., Die Almwirtschaft des Schnalstales, 1969; Starz, R., Die Almwirtschaft in der Wildschönau, Diss. staatswiss. Innsbruck 1970; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schenk, P., Die Almwirtschaft im Alpbachtal (Tirol), 1974; Zwittkovits, F., Die Almen Österreichs, 1974; Grass, N., Oswald von Wolkenstein und die Almwirtschaft, ZRG GA 92 (1975), 105; Tremel, F., Zur Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass Bd. 2 1975, 3; Untersuchungen zur eiszeitlichen und frühmittelalterlichen Flur, hg. v. Beck, H., 1980; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Grass, N., Alm und Wein, 1990 (Aufsätze)

alodis (lat.-afränk.) → Allod

Alp Alm

Alpen ist der Name des Italien von Frankreich und Deutschland trennenden euro­päischen Gebirges.

Lit.: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, 1965; Die Alpen, hg. v. Mathieu, J. u. a., 2005; Wege über die Alpen, hg. v. Oster, U., 2006

Altar ist der in der christlichen Kirche für geistliche Handlungen verwendete Tisch, mit dem auch Rechtshandlungen (z. B. Stif­tungen, Eide, Gottesurteile) verbunden werden können.

Lit.: Carlen, L., Orte, Gegenstände, Symbole kirchlichen Rechtslebens, 1999; Viek, S., Der mittelalterliche Altar als Rechts­stätte, Mediävistik 17 (2004)

Alsfeld in Oberhessen übernimmt nach 1556 weitgehend wörtlich das Frankenberger Stadtrechtsbuch.

Lit.: Gerhardt, H., Das Alsfelder Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993

Altdorf bei Nürnberg, 1504 von der Pfalz an Nürnberg gelangt, 1553 sehr zerstört, ist von 1575 an Sitz des 1526 nach Vorschlägen Melanchthons im Egidienkloster Nürnbergs eingerichteten Gymnasiums und von 1622 bis 1809 Sitz einer Universität (Donellus, Rittershusius, 1599 Wallenstein, 1667 Leibniz).

Lit.: Will, G., Geschichte und Beschreibung der nürn­bergischen Universität Altdorf 1796, Neudruck 1975; Die Matrikel der Universität Altdorf, hg. v. Steinmeyer, E. v., 1812, Neudruck 1980; Mummen­hoff, G., Die Juristenfakultät Altdorf in den ersten fünf Jahrzehnten ihres Bestehens, Diss. jur. Erlangen 1957; Loiermann, H., Die Altdorfer Juristen, FS K. S. Bader 1965, 267; Mährle, W., Academia Norica (1575-1623), 2000

alte Kulm → Kulm

Altena

Lit.: Lappe, J., Die Freiheit Altena, 1929

Altenteil ist die einem Bauern und seinem überlebenden Ehegatten nach Übergabe seines Hofes an seinen Nachfolger zustehende Versorgung. Das seit der Mitte des 14. Jh. nachweisbare A. wird bei freien Bauern durch (seit dem 16. Jh. nachweisbaren) Vertrag vereinbart (und in neuerer Zeit im Grundbuch dinglich gesichert), bei grundherrschaftlichen Bauern auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet am Hofgrundstück. Die Anerbengesetz­gebung des 19. Jh.s kennt eine gesetzliche Regelung, deren Ausgestaltung der Vereinbarung überlassen ist. Art. 96 EGBGB verweist für den schuldrechtlichen Vertrag auf das Landesrecht.

Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils oder der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung des bäuerlichen Altenteils, 1940; Weber, H., Der deutsche bäuerliche Übergabevertrag, 1941; Czerannowski, B., Das bäuerliche Altenteil in Holstein, Lauenburg und Angeln 1650-1850, 1988; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil, Diss. jur. Bonn 1994

Alter ist die für das Recht in verschiedener Hinsicht bedeutsame, durch die dem Menschen vorgegebene Dimension Zeit bedingte Erscheinung menschlichen Lebens. Schon das römische Recht unterscheidet zwischen Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes), Nochnichtgeschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] impuberes) und Geschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] puberes), wobei der Eintritt der Reife bei Männern mit vollendetem 14., bei Frauen mit vollendetem 12. Lebensjahr angenommen wird und volle Geschäftsfähigkeit bedeutet. Allerdings besteht (wohl schon früh) bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften. Nach den frühmittelalter­lichen Volksrechten tritt Mündigkeit zunächst nach der jeweiligen einzelnen Geschlechts­reife ein, später mit der Vollendung des 10. Lebensjahrs (angel­sächsisches Recht vor 1000) oder 12. Lebensjahrs (Edictus Rothari [643] 155, Leges Liutprandi [721] 18). Der Unmündige kann bestimmte Handlungen nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen. Die väterliche Gewalt dauert aber bis zur → Abschichtung fort. Nach dem Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zum Ablauf des 21. Lebensjahres und nach dem 60. Lebensjahr fortgeführt werden. Mit der Rezeption seit dem späteren Mittelalter dringt die römische Regelung der (lat. [F.]) infantia (Kindheit) ein (Geschäftsunfähig­keit). Wer älter als sieben Jahre alt ist, kann zwar Rechte erwerben, aber bis zur Geschlechtsreife keine Pflichten begründen bzw. bis zur Volljährigkeit (meist 25 Jahre) das Vermögen nicht ohne Zustimmung eines Kurators verringern, allerdings auf Antrag diese Rechtsstellung bereits mit 20 bzw. für Frauen mit 18 Jahren erreichen (lat. sog. [F.] venia aetatis, Erlaubnis des Alters). Nach dem österreichischen Codex Theresianus von 1766 (V § IV 98), dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II 18 § 696) und dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811/1812 (§ 21) tritt die Volljährigkeit mit 24 Jahren ein, im Deutschen Reich seit 1875 mit 21 Jahren, in der Deutschen Demokratischen Republik und in der Bundesrepublik Deutschland (1975) mit 18, in Österreich (1919) mit 21, dann (1973) mit 19 und danach (2001) auch mit 18 Jahren. Daneben gibt es die Schulpflicht mit 6 Jahren, die Religionsmün­digkeit mit 14 Jahren, die beschränkte Ehe­mündigkeit, Testierfähigkeit und Eidesfähig­keit mit 16 Jahren und den Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren im Strafrecht bzw. Ju­gendstrafrecht.

Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Wackernagel, W., Die Lebensalter, 1862; Eckhardt, K., Die Volljährig­keits­grenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1; Helfen­stein, U., Beiträge zur Problematik des Lebensalters in der mittleren Geschichte, 1952; Luther, G., Ehemündigkeit, Volljährigkeit, Strafmündigkeit, 1961; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages, hg. v. Sheehan, M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995; Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Schlegel-Voß, L., Alter in der Volksgemein­schaft, 2005; Generationengerechtigkeit?, hg. v. Bra­kensiek, S. u. a., 2006

Alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man sich nichts versprechen (bzw. sich versprechen lassen).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian 170-223)

Alternativentwurf zur Strafrechtsreform ist der 1966 von reformfreudigen deutschen Strafrechtsprofessoren vorgelegte Entwurf, der die Liberalisierung des deutschen Straf­rechts in der anschließenden Novellierung maßgeblich mitbestimmt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Altershilfe für Landwirte ist eine durch Gesetz vom 27. 7. 1957 (zum 1. 10. 1957) in Deutschland errichtete Abteilung der Sozialversicherung, die von Alterskassen bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossen­schaften betrieben wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Altersversicherung → Sozialversicherung

Altertum ist der mit den ersten schriftlichen Aufzeichnungen (3000-2800 v. Chr.) bzw. dem 11. Jh. v. Chr. beginnende, vor allem die Völker der Gegend vom Mittelmeer (Griechen, Römer) bis zum Zweistromland erfassende und mit der Völkerwanderung (476 Eroberung Westroms durch die Germanen) allmählich endende geschichtliche Abschnitt der menschlichen Kulturent­wick­lung. → Antike

Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1975ff.; Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon grie­chischer und lateinischer Autoren, 3. A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissen­schaft, Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM); Ott, M., Die Entdeckung des Altertums, 2002; Piepenbrink, K., Das Altertum, 2006

Althochdeutsch ist die normalisierende Bezeichnung der zwischen (500 bzw.) 750 und 1050 als der alten deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen) Deutschland (Alemannen, Bayern, Franken) gesprochenen, dem Germanischen folgenden und dem → Mittelhochdeutschen voraus­gehenden Sprachen (z. B. althochdeutsches Lex-Salica-Bruchstück).

Lit.: Baesecke, G., Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums (2, 1), 1950; Schützeichel, R., Die Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen, 1961; Schützeichel, R., Althochdeutsches Wörterbuch 1969, 6. A. 2004; Sonderegger, S., Althochdeutsch als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des althoch­deutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Taschen­wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994; Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in das Althochdeutsche, 2001; http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html

Althusius (Althaus), Johannes (Diedenshau­sen bei Berleburg 1557 [oder um 1563]-Emden 12. 8. 1638), Hofpredigerssohn, wird nach dem Studium in Marburg (Pädagogium), Köln (1581) Basel (Amerbach, 1586 Promotion) und Genf (D. Gothofredus) nach Herborn (1588) berufen (1592-1596 Steinfurt). Von 1604 bis 1638 wirkt er in Emden als Ratssyndikus. Sein Hauptwerk (lat. [F.] Politica methodice digesta, Politik methodisch behandelt, 1603) ist der erste deutsche Versuch einer systematischen Staatslehre, den A. zu einer allgemeinen, mit noch mittelalterlicher Naturrechtsvorstellung behafteten Rechtslehre ausbaut, der aber im beginnenden Absolutismus letztlich von beschränkter Wirkung bleibt.

Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v., Johannes Althusius, 1880, 2. A. 102, 3. A. 1913, 4. A. 1929, 5. A. 1958, 6. A. 1968, Neudruck 1980, 7. A. 1981; Reibstein, E., Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von Salamanca, 1955; Winters, P., Die „Politik“ des Johannes Althusius und ihre zeitgenössischen Quellen, 1961; Althusius-Bibliographie, hg. v. Scupin, H. u. a., Bd. 1f. 1973; Friedrich, C., Johannes Althusius und sein Werk, 1975; Politische Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a., 1988; Wyduckel, D., J. Althusius - Die deutsche Literatur zwischen 1450 und 1620, 1991; Politische Begriffe und historisches Umfeld in der Politica methodice digesta, hg. v. Bonfatti, E. u. a., 2002; Althusius, J., Politik, übers. v. Janssen, H., hg. v. Wyduckel, D., 2003; Jurisprudenz, politische Theorie und politische Theologie. Beiträge des Herborner Symposions zum 400. Jahrestag der Politica des Johannes Althusisus 1603-2003, hg. v. Carney, F. u. a., 2004

Altmärkische Glosse zum Sachsenspiegel → Stendaler Glosse

Altniederfränkisch ist die im Nordwesten des fränkischen Reiches in der altdeutschen Zeit des Frühmittelalters gesprochene Sprache, aus der sich das Mittel­nieder­ländische und das Niederländische ent­wick­eln.

Lit.: Köbler, G., Sammlung altniederfränkischer Tradition – Texte – Glossen, 2002

Altsächsisch ist die zwischen (500 bzw.) 750 und 1200 als der alten deutschen Sprach­periode von den Sachsen gesprochene, dem Mittelniederdeutschen vorausgehende Spra­che (z. B. → Heliand).

Altzelle

Lit.: Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1 1162-1249, bearb. v. Graber, T., 2006; Die Zisterzienser und ihre Bibliotheken, hg. v. Graber, T. u. a., 2008

Alzey

Lit.: 1750 Jahre Alzey, hg. v. Becker, K., 1973

Amberg in der Oberpfalz wird erstmals 1034 in einer Gabe Konrads II. an das Hochstift Bamberg erwähnt. Spätestens 1242 ist es Stadt. Die älteste erhaltene (deutsche) Bestätigung des Stadtrechts stammt von 1294.

Lit.: Denkmäler des Amberger Stadtrechts, hg. v. Laschinger, J., 1994ff.

Amerbach, Bonifacius (Basel 1495-1562), Schüler Zasius’ und Alciats, Freund des Erasmus von Rotterdam, Professor der Pandekten in Basel und Anwalt (Familie aus Amorbach, ursprünglicher Name Welcker).

Lit.: Die Amerbachkorrespondenz, hg. v. Hartmann, A. u. a., Bd. 1ff. 1942ff.; Kisch, G., Humanismus und Jursprudenz, 1955; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Hagemann, H., Die Rechts­gut­achten des Bonifacius Amerbach, 1997; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach, 2001

Amerika ist der frühgeschichtlich von Sibirien aus (von Mongolen/Indianern) be­siedel­te, um die erste Jahrtausendwende von Wikingern und 1492 von Kolumbus auf der von Europa aus nach Westen gerichteten Suche nach Indien (nochmals) entdeckte, von Amerigo Vespucci als verschieden von Indien erkannte, im Süden von Spanien und Portugal und im Norden vor allem von England (und Frankreich) in Besitz genommene Kontinent, dessen verschiedene Kolonien bzw. Staaten sich seit dem 18. Jahrhundert von den Kolonial­mächten lösen, aber im 20. Jahr­hundert von den 1776 von Großbritannien gelösten → Vereinigten Staaten von A. stark geprägt werden.

Lit.: Bravo Lira, B., Beziehungen zwischen den europäischen und ibero-amerikanischen Kodifi­kationen, ZRG GA 103 (1986), 294; Die neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001; Semper, F., Die Rechte der indigenen Völker in Kolumbien, 2003; Weber, K., Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680-1830, 2004; Arens, W./Braun; H., Die Indianer Nordamerikas, 2004; Depkat, V., Geschichte Nord­amerikas, 2004; König, H., Kleine Geschichte Lateinamerikas, 2006; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007; Klemke, U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007; Taladoire, E./Courau, J., Die Maya, 2007; Winfield, A., Eugenics and Education in America, 2007; Place and Native American Indian History and Culture, hg. v. Porter, J., 2007; Borge, F., A New World for a New Nation, 2007; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007

Amira, Karl von (Aschaffenburg 8. 3. 1848-München 22. 6. 1930), Richterssohn, wird nach dem Studium in München (Konrad Maurer) 1875 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1892 in München. Seine Hauptwerke betreffen Nordgermani­sches Obligationenrecht (1882ff., unvollen­det), die Dresdener Sachsenspiegelbilderhand­schrift (1902, 1925/6) und die germanischen Todesstrafen (1922).

Lit.: Amira, K., Über Zweck und Mittel der germanischen Rechtsgeschichte, 1876; Amira, K. v., Grundriss des germanischen Rechts, 1890, 2. A. 1897, 3. A. 1913; Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum Gedächtnis, hg. v. Landau, P. u. a., 1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2001, 313ff.

Amnestie (griech. amnestia, F., Nicht­erinnerung) ist im Strafrecht die Begnadigung einer Mehrheit von Straftätern (in Griechen­land seit dem 6. Jh. belegt, Athen 403 v. Chr., erstmals 196 v. Chr. A. benannt). Im 16./17. Jh. wird die Bezeichnung in das Deutsche aufgenommen. Im 19. Jh. wird im deutschen Sprachraum für eine A. ein formelles Gesetz erforderlich. A. kann Rechtssicherheit und Rechtsstaat gefährden.

Lit.: Usteri, P., Ächtung und Verbannung im griechischen Recht, 1903; Waldstein, W., Untersu­chungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Hammel, F., Innerstaatliche Amnestien, 1993; Süß, F., Studien zur Amnestiegesetzgebung, 2001

Amortisation (F.) Tilgung

Amortisationsgesetz ist das weltliche Gesetz, das die Freiheit des kirchlichen (oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des abgabenfreien Kirchengutes einschränkt (z. B. Lübeck 1220/1226, Judenburg 1269, Österreich 1303, vgl. Ssp LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199) (, weil die tote Hand das einmal Ergriffene nicht mehr hergibt). Das österreichische Konkordat von 1855 und Art. 137 III WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen endgültig.

Lit.: Moshamm, F. v., Über die Amortisationsgesetze überhaupt, 1798; Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879; Lea, H., The Dead Hand, 1900; Borries, A. v., Die Erwerbsbeschränkungen der manus mortua in Preußen, Diss. jur. Leipzig 1904; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 2. A. 1951, 483f.; Haegele, K., Die Beschränkungen des Grundstücksverkehrs, 3. A. 1970; Schmidt, P., Die Privatisierung des Besitzes der toten Hand in Spanien, 1990

Amsterdam an der Mündung der Amstel in das Ijsselmeer entsteht um 1270 und erhält um 1300 Stadtrecht. 1632 wird eine Universität eingerichtet.

Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977

Amt ist die Aufgabe oder der Dienst. Im römischen Recht hat nach dem Sturz des Königs vom Jahr 510 v. Chr. der Höchst­magistrat (lat. consules [M. Pl.] Berater) das höchste A. der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer Magistraturen ein nach Zustän­digkeiten gegliedertes System der Träger herrschaft­licher Gewalt (mit einem vielleicht seit dem 2. J. v. Chr. regelmäßigen cursus honorum). Dieses wird durch die Einführung des Prinzipats abgeändert (Res­sortbezogenheit, auf den Kaiser ausgerichtete Hierarchie, Rangklassen, Qualifikationskri­terien, Besol­dung). Zu den leitenden Ämtern treten zahlreiche nachgeordnete Dienststellen hinzu. Bereits bei Caesar ist dabei keltisch-lat. (M.) ambactus als Bezeichnung für die gallische Adlige umgebenden Männer bezeugt (Commentarii de bello Gallico VI, 15). In der fränkischen Zeit wird das System der Römer zwar grundsätzlich übernommen, aber erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine verstärkte personelle Bindung durch die Belehnung. Insbesondere das A. (Dienst, Dienstverhältnis, Herrschaft, lat. [N.] ministerium) des Grafen wird als Lehen übertragen. Bald danach werden die dem Adel verliehenen Ämter vielfach durch ihre Inhaber dem König entzogen und zu eigenem Recht behauptet. In den seit dem 12. Jh. dementsprechend entstandenen Ländern ersetzt der Landesherr die Lehnsmannen durch festbesoldete absetzbare Amtsträger und macht das A. wieder zur staatlichen Einrichtung. Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird zum A. im räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist, ist Beamteter und wird zum → Beamten. Seit dem 17. Jh. entstehen Verzeichnisse der Ämter (Amtskalender z. B. in England, Frankreich, dem Kirchenstaat um 1670, in Österreich um 1690 [1692], in Kursachsen 1702, in Preußen 1704 oder in Nürnberg 1705). Seit dem ausgehenden 19. Jh. ist das öffentliche A. ein Kernbegriff der Verwaltung. Das A. im öffentlichen Dienst wird bestimmt durch seine Bezeichnung, die Laufbahn und die damit verbundene Besol­dung.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 30 (1909), 326; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Lappe, J., Geschichte des Amtes Waltrop, 1938; Beyerle, D., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Banngewalt, 1960; Richardson, H./Sayles, G., The Governance of Medieval England, 1963; Forsthoff, E., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A. 1973; Bauer, V., Repertorium territorialer Amtskalender, Bd. 1f. 1997ff.; Brommer, P., Die Ämter Kurtriers, 2003; Beck, H., Karriere und Hierarchie, 2005; Löffler, U., Dörfliche Amtsträger im Staatswerdungsprozess, 2005

Ämtertraktat → Decurio de gradus

Amtmann ist der Inhaber eines Amtes. Im Mittelalter ist A. (ahd. ambahtman als Wiedergabe von lat. villicus, officialis, procurator) vor allem der Verwalter eines grundherrlichen Hofverbandes (im Südwesten auch der Dorfvorsteher) und danach der Leiter eines landesherrlichen Amtsbezirks. Seit 1921 ist A. (unter Lösung von einem bestimmten Amtsgebiet) ein Beamter des gehobenen Dienstes.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Agena, K., Der Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der Amtmann, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0201­kroeschell.htm; Klingebiel, T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit, 2002

Amtsanwalt ist der Vertreter des Staates vor dem Amtsgericht.

Lit.: Rüping, H., Polizeianwalt - Amtsanwalt - Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland, FS Wolfgang Sellert, 2000, 537

Amtsbuch (19. Jh.) ist das aus Lagen zusammengesetzte Buch (oder die Rolle), das (bzw. die) zur Ausübung eines → Amtes gehörige Eintragungen enthält. Solche Amtsbücher sind seit dem Ende der römischen Republik die (lat. [M.Pl.]) commentarii der Magistrate und Priester sowie später des Kaisers. Im Mittelalter entsteht im 9. Jh. das Traditionsbuch und werden seit dem 12. Jh. viele Amtsbücher (Grundbuch, Lagerbuch, Schreinsbuch, Stadt­buch, Kopialbuch, Register, Imbreviaturbuch) eingerichtet. → Stadtbuch

Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1 1986, 1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver. f. hamburg. Gesch. 44 (1958), 95; Pätzold, S., Amtsbücher des Mittelalters, Archivali­sche Zeitschrift 81 (1998), 87; Kreter, K., Stadtbücher und Register 1289-1533, Hannoversche Geschichts­blätter 48 (1994), 47

Amtsgericht ist das seit der frühen Neuzeit partikular für den Umfang eines → Amtes (Verwaltungsbezirkes) eingerichtete, bei­spielsweise in Baden durch Verordnung vom 22. Juli 1857 zum 1. September 1857 an die Stelle der Ämter gesetzte → Gericht, das durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz 1877/1879 zum einheitlichen Eingangsgericht (1893 im Deutschen Reich 1924 Amtsgerichte mit 4409 Richtern, 42% Einmannamtsge­richte) der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestimmt wird.

Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982; 150 Jahre Amtsgericht Diepholz, hg. v. Kruthaup, E. u. a., 2002; 150 Jahre Amtsgericht Soltau, hg. v. Rundt, S., 2002; 150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover, 2002; 125 Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A. u. a., 2003; Fischer, D., 150 Jahre badische Amtsgerichte, 2007; Dee Gerichtsbarkeit wird ausgeübt durch Amtsgerichte - 150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp, J., 2008

Amtshaftung ist die neben den Ersatzan­sprüchen des Einzelnen für die Aufopferung seiner Rechtsgüter für das allgemeine Wohl stehende Art der → Staatshaftung. Ihr geht vor allem die spätmittelalter­liche Syndikats­klage gegen einen absichtlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Urteil fällenden Richter voraus. Im späten 18. und im 19. Jh. wird allgemeiner eine Haftung jedes Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten anerkannt (II 10 § 89 ALR für jede Fahr­lässigkeit), wobei jede den Dienstvertrag verletzende Handlung dem Herrscher bzw. dem Staat nicht zugerechnet werden kann und deshalb eine private Ersatzpflicht des Beamten auslösen muss. Seit 1831 wird vereinzelt eine Ersatzpflicht des Staates geschaffen (Sachsen-Altenburg, 1852 Sach­sen-Coburg-Gotha). Das Bürgerliche Gesetz­buch des deutschen Reiches von 1900 hat für eine öffentlichrechtliche Ersatzpflicht des Staates keine Zuständigkeit und bestimmt deshalb in § 839 nur eine deliktische Ersatzpflicht des Beamten. Demgegenüber sehen Bayern 1899, Preußen 1909 und § 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes vom 22. 5. 1910 eine zwar mittelbare, aber primäre Haf­tung des Staats vor. Art. 131 WRV leitet die Haftung reichseinheitlich vom Beamten auf den Staat über. Dem schließt sich Art. 34 GG an. Das eine unmittelbare, verschuldens­unab­hängige Staatshaftung für Amtspflicht­verletzung festlegende Staatshaftungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist wegen (seinerzeit) fehlender (, inzwischen in Art. 74 I Nr. 25 GG geschaffener) Zuständigkeit nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. 10. 1982 nichtig. Die 1969 im Staatshaftungsgesetz der ehemaligen Deut­schen Demokratischen Republik geschaffene un­mittelbare, vom Verschulden unabhängige Staats­haftung für rechtswidriges hoheitliches Handeln ist zwar im Einigungsvertrag von 1990 aufrechterhalten, aber inzwischen durch Landesgesetz abgeschafft oder eingeschränkt. Das Recht Österreichs kennt eine ver­gleichbare A., das Recht der Schweiz eine mittelbare, meist verschuldensunabhängige Haftung des Staates.

Lit.: Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsunfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995

Amtsherzogtum ist das als königliches Amt vergebene → Herzogtum (9. Jh.) im Gegensatz zu dem aus der Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden → Herzogtum.

Lit.: Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1974

Amtshilfe ist die auf Ersuchen einer Behörde von einer anderen Behörde geleistete ergänzende Hilfe. Sie entwickelt sich im 19. Jh. und wird von der Rechtshilfe durch Gerichte erst in der 2. H. des 20. Jh.s abgegrenzt. Sie beruht anfangs auf Übung, Vertrag oder Einzelgesetz. Im späteren 20. Jh. ist sie durch Verwaltungsverfahrensgesetze allgemein geregelt.

Lit.: Dreher, M., Die Amtshilfe, 1959; Schlink, B., Die Amtshilfe, 1982

Amtskalender → Amt

Amtspflichtverletzung ist die Verletzung einer einem Amtsträger gegenüber einem Dritten obliegenden Pflicht. Sie begründet nach § 839 BGB (1900) einen Schadens­ersatzanspruch (Amtshaftung, Staatshaftung).

Lit.: Köbler, DRG 217

Amtsrecht ist im römischen Recht das vom Amtsträger geschaffene Recht (lat. → ius [N.] honorarium).

Lit.: Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Amtssasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem örtlichen Amt zugeordnete → Landsasse.

Amtsverfolgung ist die Verfolgung eines Unrechtserfolgs durch die Allgemeinheit bzw. den Staat von Amts wegen ohne Antrag des Verletzten. Sie findet sich bereits in Rom und erscheint seit dem Frühmittelalter. → Offizialmaxime

Amtsvergehen ist das in einem → Amt begangene Vergehen. Als gedankliche Einheit werden die A. erst gegen Ende des 17. Jh.s erkannt. Noch das preußische Allgemeine Landrecht (1794) behandelt im Abschnitt Verbrechen der Diener des Staates straf­rechtliche und disziplinare Sanktionen nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird danach das Standesdisziplinarrecht der Beamten vom Strafrecht geschieden (in Preußen 1849 zwei Verordnungen über das Disziplinarrecht). Im preußischen Strafge­setzbuch von 1851 werden Verbrechen und Vergehen im Amt als Sonderdeliktsgruppe zusammengefasst (§§ 309-331).

Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der Amtsverbrechen, 1932; Sturm, W., Die Entwicklung der Sonderverbrechen, 1939; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Lüpkes, H., Die Verbrechen der Diener des Staats, 2004

Amtsvormundschaft ist die durch den Staat von Amts wegen übernommene Vormundschaft.

Analogie ist der bereits der griechischen Philosophie bekannte Schluss von der (eigentlichen) Gleichheit mindestens zweier zunächst verschieden behandelter Tatbestände auf die (wegen der Gleichheit notwendige) Ausdehnung der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestandes auf den zweiten oder weiteren Tatbestand. Der Begriff analogisch taucht in der juristischen Literatur im 16./17. Jh. auf, wobei man unter analogischer Interpretation die Beseitigung von Widersprüchen versteht. Im frühen 19. Jh. wird auf Grund von Immanuel Kants Überlegungen zur Systematisierbarkeit des empirischen Wissens die alte Verbindung von ausdehnender Auslegung und Ähnlich­keits­schluss aufgelöst und die A. als „rein logische“ Ergänzung des Rechts aus dem – nur noch positiven und sich geschlossenen – Rechtssytem verstanden (Feuerbach, Hufe­land, Savigny). Zwischen Gesetzesanlogie und Rechtsanalogie wird seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unterschieden.

Lit.: Falk, J., Die Analogie im Recht. Eine Studie zur neueren Rechtsgeschichte, Diss. jur. Gießen, 1906; Diedenhofen, P., Die Artikel 104/105 der peinlichen Gerichtsordnung, 1938; Steinwenter, A., Prolegomena zu einer Geschichte der Analogie, FS F. Schulz 2 (1951), 345; Langhein, A., Das Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Raisch, P., Juristische Methoden, 1995, 78; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1; Höltl, J., Die Lückenfüllung der klassisch europäischen Kodi­fikationen - Zur Analogie im ALR, Code civil und ABGB, 2006

Analogieverbot ist das Verbot für alle im Strafverfahren beteiligten staatlichen Stellen, → Analogie eines Strafgesetzes zu Ungunsten des Handelnden vorzunehmen und damit die strenge Bindung des Richters an den Wortlaut des Gesetzes. Seit dem späten 18. Jh. wird Analogie zu Ungunsten Handelnder verboten (Österreich 1787). Im Dritten Reich wird am 28. 6. 1935 das A. aufgehoben, nach seinem Ende (1945) aber wieder hergestellt. → Nullum crimen, nulla poena sine lege.

Lit.: Köbler, DRG; Schottlaender, A., Die geschichtliche Entwicklung, 1911; Kleinheyer, G., Vom Wesen der Strafgesetze, 1968; Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998

Analytical jurisprudence ist die von John → Austin (1790-1859) begründete Strömung der englischen Rechtswissenschaft.

Anarchie (F.) Herrschaftslosigkeit

Lit.: Der Anarchismus, hg. v. Oberländer, E, 1972; Lösche, P., Anarchismus 1977; Anarchismus, hg. v. Diefenbacher, H., 1996

Ancien régime ist die Bezeichnung für die monarchisch-feudale Regierungsform (in Frankreich vor der französischen Revolution des Jahres 1789 bzw. allgemein) zwischen etwa 1650 und 1800.

Lit.: Köbler, DRG 129, 132; Fehrenbach, E., Vom ancien régime zum Wiener Kongress, 5. A. 2008

Andelang ist der bei der Übereignung von Grundstücken im fränkisch-alemannischen Gebiet bis zum Ende des 11. Jh.s verwendete, nicht sicher bekannte Gegenstand (Hand­schuh?).

Lit.: Goldmann, E., Der andelang, 1912; Frommhold, G., Das andelang-Rätsel, ZRG GA 35 (1914), 426; Balon, J., L’andelangus, ZRG GA 79 (1962), 32

Andernach am Rhein führt von 1173 bis 1256 einen den Schreinskarten von Köln ähnlichen Rotulus (→ Grundbuch).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Inventar des Archivs der Stadt Andernach, Bd. 1ff., bearb. v. Heyen, F., 1965ff.

Andlau → Peter von

Andorra ist die aus sechs Tälern zu politischer Einheit (Principat d’Andorra) zusammengefasste Tallandschaft im Südosten der ibero-baskisch besiedelten Pyrenäen. Seit dem späten 9. Jh. lassen sich dort Abgabenrechte der Grafen von Urgel und der Bischöfe von Urgel feststellen. Im 11. Jh. treten die verschiedenen Täler zu einer Einheit zusammen. Am 8. 9. 1278 werden durch Schiedsspruch (Paréage) Unklarheiten beseitigt. Die Rechte der Grafen fallen über Zwischenstufen 1607 bzw. 1620 an Frankreich. Das ursprüngliche Recht Andorras nimmt römische und katalanische Sätze auf. 1748 wird das Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der Gegenwart ist A. ein Fürstentum, dessen von den Souveränen (Staatspräsident Frankreichs, Bischof von [La Seu d’] Urgel) delegierte Rechte durch einen französischen Departementspräfekten und einen spanischen Provinzzivilgouverneur bzw. ihre Vikare (Viguier, Viguer) wahr­genommen werden (Kondominium). Die Verfassung vom 14. 3. 1993 schafft einen Consell General (Generalrat, Parlament) mit je 7 Abgeordneten aus jeder der vier Gemeinden, dem der Ministerpräsident verantwortlich ist, dem gegenüber aber die beiden coprínceps noch Einspruchsrechte haben. Seit 1. 7. 1991 besteht ein Han­delsabkommen mit der Europäischen Ge­meinschaft, seit 28. 7. 1993 ist A. Mitglied der Vereinten Nationen und seit November 1994 Mitglied des Europarats.

Lit.: Guilera, J., Una història d’Andorra, 1960; Engels, O., Schutzgedanke und Landesherrschaft, 1970; Belinguier, B., La condition juridique des vallées d’Andorre, 1970; Ourliac, P., La juris­prudence civile d’Andorre, 1972; Valls Taberner, F., Privilegis i ordinacions de les valls d’Andorra, 1990; Gergen, T., Sprachengesetzgebung in Katalonien, 2000 ; Consell General, Die Verfassung des Fürstentums Andorra, 2002

Andreas de Isernia ist ein in Isernia im Süden der Apenninen wohl nach 1220 geborener, in Neapel ausgebildeter und lehrender, vielleicht 1316 verstorbener Jurist (commentaria in usus feudorum, lectura zu den sizilianischen Konstitutionen, ritus regiae summariae regni Neapolitani bzw. de iure Dohanarum).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 507

Anefang ist das rechtsförmliche Anfassen einer abhandengekommenen und vom Verfolger wiedergefundenen beweglichen (, durch Kennzeichen erkennbaren) Sache unter der Behauptung des besseren Rechts an ihr (lat. [F.] intertiatio). Der (z. B. in der Lex Ribvaria 37, 1 [7. Jh.] schon und im Sachsenspiegel, Landrecht II, 36 [1221-1224] noch belegte) A. bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer, der sich im nachfolgenden Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der Besitzer sich insbesondere dadurch vor dem Diebstahls­vorwurf befreien, dass er die Sache dem übergibt, von dem er sie erhalten hat. Führt dies zur Entdeckung des Diebes, so muss dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten. Kann der Ange­griffene sein besseres Recht darlegen, muss der Angreifer eine Buße wegen unrechten Anefangs leisten. Seit dem Hochmittelalter geht der A. allmählich in die Herausgabeklage (bzw. den → Herausgabeanspruch) bzw. für alle auf freiem Markt erworbene Sachen in einen Lösungsanspruch über.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91; Köbler, WAS; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 824ff.; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68 (1951), 1; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971

ane geværde (mhd.) ohne Gefährdung, aufrichtig

Aneignung ist der (originäre) Erwerb des Eigentums an einer herrenlosen (eigentümerlosen) Sache durch Inbesitznah­me (lat. [F.) occupatio]). Die ersten Aneignungen fallen in die Anfangszeit des Rechtes überhaupt. Im römischen Recht wird an aufgegebenen (lat. [F. Pl.]) res mancipi mit Inbesitznahme nur bonitarisches Eigentum erworben, während der zivile Eigentums­erwerb Ersitzung verlangt. Im Laufe der Geschichte wird die A. vom abgeleiteten Eigentumserwerb (→ Übereignung) zurück­gedrängt, so dass A. ziemlich selten wird.

Lit.: Kaser § 26 I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73, 90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Anerbe ist der durch das → Anerbenrecht begünstigte → Erbe.

Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210

Anerbenrecht ist das Recht des Übergangs eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen einzelnen von mehreren vorhandenen Erben. Eine derartige Gestaltung fehlt noch in den frühmittelalterlichen Volksrechten, bildet sich aber spätestens im spätmittelalterlichen deutschen Reich aus, wobei grundherr­schaftlicher Einfluss (Interesse an einem einzigen Ver­pflichteten) gestaltend gewesen sein kann. Daneben ist aber (freiere) Real­teilung in Mitteldeutschland und Süd­deutsch­land verbreitet. Der Liberalismus lehnt das A. als freiheitsfeindlich ab, weshalb die Verfassung Preußens die Teilbarkeit des Grundeigentums sichert. Aus wirt­schaft­lichen Gründen sehen partikulare Gesetze aber seit dem späteren 19. Jh. A. vor, das dann zur Anwendung kommt, wenn der Hofinhaber (bestimmter großer oder eingetragener Höfe) nicht durch letztwillige Verfügung einen Hoferben auswählt (Österreich 1. 4. 1889, Tirol Höfegesetz 12. 6. 1900, Kärnten Erbhofgesetz). Das Reichserbhofgesetz des Jahres 1933 verallgemeinert die Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes Hannovers (1909). 1947 treten in der französischen und ameri­kanischen Be­satzungs­­zone die alten Anerben­gesetze wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone wird eine Höfeordnung erlassen, die das Bundesver­fassungs­gericht, wegen der Bevorzugung der Söhne, 1963 als verfassungswidrig ansieht, worauf eine verfassungsgemäße gesetzliche Regelung am 24. 8. 1964 erfolgt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Miaskowski, A. v., Das Erbrecht und die Grundeigentumsverteilung im deutschen Reiche, 1882ff.; Hagmeister Meyer zu Rahden, G., Die Entwicklung des ravensbergischen Anerbenrechts, 1936; Mauß, H., Anerbenrecht im niederrheinisch-westfälischen Grenzgebiet, 1938; Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerben­recht und Güterschluss in Kurhessen, 1942; Gebb, J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts, Diss. jur. Greifswald 1955; Bischoff, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Kroeschell, K., Geschichtliche Grundlagen des Ane­rben­rechts, Agrarrecht 6 (1978), 147; Deutsches Agrarrecht, hg. v. Kroeschell, K., 1983; Brauneder, W., Studien II 1994, 357ff.; Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht, 2004; Wöhrmann, H., Das Landwirtschaftserbrecht, 9. A. 2007

Anerkenntnis → Schuldanerkenntnis

Anerkennungszins ist der wegen seiner geringen Höhe wirtschaftlich bedeutungslose, aber als erkennbares Zeichen eines be­stehenden Abhängigkeitsverhältnisses recht­­lich bedeutsame Zins (z. B. Freigelassen­er, Erbbauberechtigter usw.).

Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966

Anfechtung ist die nachträgliche Beseitigung einer eingetretenen Rechtswirkung durch Willenserklärung und bzw. oder Verfahrens­handlung des durch die Rechtswirkung Be­troffenen. In diesem Sinne ermöglicht bereits die → (lat.) querela [F.] inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testa­mentes) des klassischen römischen Rechtes die Entkräftung eines Testamentes, das bestimmte nahe Angehörige des Erblassers übergeht. Im spätantiken Recht werden auch die Fälle der (lat.) → in integrum restitutio (F.) so verstanden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ordnet die A. im allgemeinen Teil ein.

Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 209; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Harder, M., Die historische Entwicklung der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209; Düwel, L., Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006

Anfechtungsklage ist die Klage, die auf die nachträgliche Beseitigung bestimmter Rechtsfolgen durch Urteil gerichtet ist. Im 19. Jh. gibt es eine A. gegen den Beschluss auf Eröffnung des Konkurses oder gegen polizeiliche Verfügungen. In Deutschland ist seit 1960 eine A. gegen einen (rechts­widrigen) Verwaltungsakt statthaft.

Lit.: Köbler, DRG 263

angariae (lat. [F.Pl.], aus dem Persischen, Abgaben an reisende Boten des Königs Persiens) Spanndienste, Beherbergungspflich­ten in Antike und Frühmittelalter, seit 1789 weitgehend abgeschafft

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. Bd. 2 1928, 308

Angebot ist die auf den Abschluss eines → Vertrages gerichtete → Willenserklärung. Das im Wesentlichen im Naturrecht seit Hugo Grotius als allgemeine Erscheinung herausgearbeitete A. ist im älteren gemeinen Recht und im angloamerikanischen Recht nicht bindend, nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900) aber verbindlich. Wird das Angebot von dem Empfänger angenommen, so entsteht ein Vertrag unter den Beteiligten. Dem Gläubiger vom Schuldner angeboten wird auch die Leistung.

Lit.: Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1996

Angelsachse ist der Angehörige der im 5./6. Jh. unter den sagenhaften Führern Hengist und Horsa von Norddeutschland auf die britischen Inseln auswandernden, seit etwa 775 (Beda, Paulus Diaconus) mit der Sammelbezeichnung Angelsachsen (lat. [M.l.]Angli Saxones) benannten → Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und Jüten. Die Angelsachsen bilden unter Verdrängung der einheimischen → Kelten mehrere Klein­königreiche (Kent, Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia, Northumbria), in denen sie von römischen und von schottischen Missionaren zum Christentum bekehrt wer­den. Den Königen von Wessex gelingt im 9. Jh. die Einigung, doch werden die Angel­sachsen 1016-1042 von den Dänen beherrscht und 1066 bei Hastings von dem → Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen. Aus der Zeit bis 1066 ist mit insgesamt rund 1500-1800 Urkunden zu rechnen, von denen mehr als 1150 vom Herrscher ausgestllt sind (von etwa 670 bis 900 rund 450 Urkunden, davon 2-3 Originale aus dem 7. Jh., 17-18 aus dem 8. Jh. und etwa 55 aus dem 9. Jh.).

Lit.: Köbler, DRG 81; Schmid, R., Die Gesetze der Angelsachsen, 1858; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1ff. 1898ff., Neudruck 1960; Attenbourgh, F., Laws of the Earliest Englisch Kings, 1922; Robertson, A., Laws of the Kings of England, 1925; Braude, J., Die Familiengemeinschaften der Angelsachsen, 1932; Wilson, D., The Anglo-Saxons, 2. A. 1970; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Wallace-Hadrill, J., Early Germanic Kingship, 1971; Torkar, R., Eine altenglische Übersetzung von Alcuins de virtute et vitiis Kap. 20, 1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997

Angelsächsisches Recht ist das Recht der → Angelsachsen (zwischen der Mitte des 5. Jh.s und etwa 1066). Es ist überliefert durch Rechtsbücher (lat. [F.Pl.] leges, Gesetz­bücher) der angelsächsischen Könige des 7. bis 11. Jh.s, durch allgemeine Rechtsauf­zeichnungen unbekannter Verfasser und durch Urkunden und allgemeine Geschichtsquellen. Den Beginn bilden die in der Volkssprache niedergeschriebenen Rechtssätze Aethelberhts von Kent (597-616) und in jüngerer Überlieferung Ines von Wessex (688-694). Von Alfred dem Großen von Wessex stammt ein (ae.) domboc (887-899), von König Knut eine weitere umfangreiche Sammlung (1018-1023). Nichtoffizielle Kompilationen stellen der → Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12. Jh.), die Consiliatio Cnuti (12. Jh.) und die → Leges Henrici Primi (1114-1118) dar, mit denen das angelsächsische Recht noch weit in die normannische Zeit Englands reicht. Die Überlieferung ist auf wenige Handschriften beschränkt, so dass mit deutlichen Verlusten zu rechnen ist. Christlicher Einfluss ist unübersehbar. Die Abgrenzung von aufge­zeich­netem Gewohnheitsrecht und neuem, ge­mein­sam mit Bischöfen und Adel gesetztem Recht (z. B. Todesstrafe für Diebstahl 925-939) bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegen­stand der Rechtsbücher („Ge­setzbücher“) ist zunächst der Ausgleich von Unrechtserfolgen durch Buße an den Verletzten. Unter König Alfred nehmen kirchlicher Einfluss und königliche Anordnung zu. Ein Bezug auf geschriebenes Recht findet sich in den überlieferten Rechtsfällen, die vor dem vom reeve, ealdorman oder scirman des Königs geleiteten örtlichen Gericht verhandelt werden, nicht.

Lit.: Schmid, R., Gesetze der Anggelsachsen, 1858; Liebermann, F., Zu den Gesetzen der Angelsachsen, ZRG GA 5 (1884), 198; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1998ff., Neudruck 1960; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriss, 1909; Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913; Attenborough, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Bechert, R., Die Einleitung des Rechtsgangs nach angelsächsischem Recht, ZRG GA 47 (1927), 1; Würdinger, H., Einwirkungen des Christentums auf das angelsächsische Recht, ZRG GA 55 (1935), 105; Goebel, J., Felony and Misdemeanour, 1937; English Historical Documents I, hg. v. Whitelock, D., 1955; Sawyer, P., Anglo-Saxon Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of medieval England, 1973; Korte, D., Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angel­sächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6.-12. Jahr­hunderts, 1974; Rivers, T., A Reevaluation of Aethelberht 31, ZRG GA 93 (1976), 315; Scharer, A., Untersuchungen zu den angelsächsischen Königs­urkunden des 7. und 8. Jahrhunderts, Diss. phil. Wien 1978 (masch.schr.); Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Wormald, P., The Making of English Law, 1999; Scharer, A., Herrschaft und Repräsentation, 2000; Oliver, L., The Beginnings of English Law, 2002

Anger

Lit.: Brednich, R., Tie und Anger, 2007

Angers

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 138

Angestellter ist der Arbeitnehmer, der vor­wiegend geistige Arbeit leistet. Die Gruppe der Angestellten wird im 19. Jh. als be­sonderer Teil der Arbeitnehmer erkannt.

Lit.: Dittrich, M., Die Entstehung der Angestelltenschaft in Deutschland, 1939; Hromadka, W., Das Recht der leitenden Angestellten, 1979; Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997; Schulz, G., Die deutschen Angestellten, 2000

Anhalt über dem Selketal ist die vielleicht um 1050 errichtete Burg (in der Gegenwart Ruine), nach der sich ein seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (→ Askanier) benennt (1215 [lat.] princeps [Fürst] in Anahalt), dessen Angehörige als einzige Grafen seit 1218 dem Reichs­fürstenstand angehören. Nach vielen Tei­lungen kommen die Güter 1863 im Herzogtum A. (1807) der Linie Anhalt-Dessau wieder zusammen, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird (Verfassung 18. 7. 1919). Am 9. 7. 1945 wird A. innerhalb der sowjetischen Besatzungs­zone mit der Provinz Sachsen → Preußens ver­einigt und 1947 dem neugebildeten Land → Sachsen-Anhalt eingegliedert (1990-2003 Regie­rungs­bezirk Dessau).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schrecker, U., Das landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, 1906; Schröder, A., Grundzüge der Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2 (1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Die Fürsten von Anhalt, hg. v. Freitag, W. u. a., 2003; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007

animo (lat.) durch Beherrschungswillen, → possessio, → animus

animus (lat. [M.]) → Wille

animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille

animus (M.) donandi (lat.) Schenkungswille → Schenkung

animus (M.) novandi (lat.) Abänderungswille → Novation

Anjou ist die Seitenlinie der → Kapetinger (erstes Haus begründet von vicecomes Fulco dem Roten um 898, Verlust der Grafschaft 1214/1259 an den König von Frankreich, 1154 Königtum in England mindestens bis 1399, 1499 Hinrichtung des letzten männ­lichen Plantagenet Earl Eduard von Warwick, zweites Haus 1246-1328/1351 als Apanage nach Übernahme der Grafschaft durch den König von Frankreich, drittes Haus 1351-1480), welche die Grafschaft Provence, Sizilien (1265-1282, Sizilien-Trinakria), Neapel (1265-1435, Sizilien-Neapel), Ungarn (1308-1386) und Polen (1370-1386) sowie in einer jüngeren Linie Lothringen (1431-1473) beherrscht. Die Landschaft A. (der keltischen Andekaver) um Angers zählt von 1154 bis 1204 unter dem Haus → Plantagenet zu → England. 1480/1481 fallen A. und Provence an den König von → Frankreich.

Lit.: Guillot, O., Le comte d’Anjou et son entourage au 11e siècle, 1972; Gillingham, J., The Angevin Empire, 1984; Michalsky, T., Memoria und Repräsentation, 1999; Kiesewetter, A., Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999; Berg, D., Die Anjou-Plantagenets, 2003; La justice temporelle dans les territoires angevins, hg. v. Boyer, J. u. a., 2005

Anklage ist die vor Gericht gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Straftat erhobene Anschuldigung. Sie tritt erst mit der Entstehung allgemeiner Streitbe­endigungseinrichtungen auf. In Rom erfolgt der Übergang zu einer allgemeinen staatlichen Strafverfolgung seit dem 2. vorchristlichen Jh. Danach erscheint eine Popularanklage bei Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder Bür­ger kann durch Anzeige die A. vorbringen und erhält im Falle des Erfolges einen Lohn. Im deutschen Mittelalter bildet die A. die Voraussetzung für den besonderen, seit dem 14. Jh. sichtbaren → Anklageprozess, bei dem der Betreiber Sicherheit stellen und im Fall des Unterliegens die Kosten tragen und den Angeklagten entschädigen muss. Im mehr und mehr vorherrschenden Inquisitionspro­zess erfolgt die A. durch den Richter auf dem endlichen Rechtstag. Im 19. Jh. wird nach dem Vorbild Frankreichs die öffentliche A. durch eine vom Gericht unabhängige Behörde eingeführt (Baden 1832 und Württemberg 1843 für Pressevergehen, Preußen 1846 für Kammergericht, 1849 allgemein). Seitdem gibt es eine private A. nur noch bei (wenigen) Privatklagedelikten.

Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920; Grossmann, S., Masken des Anklägers – Geschichte des Anklägers im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur. Frankfurt am Main 2000

Anklagegrundsatz ist der Grundsatz, dass ein Strafverfahren nur auf Grund einer Anklage betrieben werden kann.

Anklageprozess ist der Strafprozess, der eine → Anklage (insbesondere seit dem 19. Jh. eine Anklage durch eine besondere öffentliche Anklagebehörde) (→ Staatsan­walt­schaft) vor­aussetzt. Er ist in Frankreich eine unmittelbare Folge der französischen Revo­lution von 1789. In Deutschland setzt Baden 1832 erstmals Staatsanwälte ein. 1848 wird der A. von der (gescheiterten) Verfassung der Frankfurter Paulskirche vorgesehen. → Akkusations­prozess

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kern, E., Geschichte des Gerichts­verfassungsrechts, 1954

Anklam ist die am Unterlauf der Peene vor 1243 von deutschen Siedlern angelegte Stadt, die vor 1283 der Hanse beitritt und spätestens 1292 Lübecker Stadtrecht übernimmt. Sie überliefert ein bedeutsames → Stadtbuch.

Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.

Anleite ist seit dem Hochmittelalter im deutschen Rechth die Einweisung in ein fremdes Gut, insbesondere die Einweisung des Klä­gers in die Güter eines wegen Prozess­ungehorsams geächteten Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren vor dem Reichshofgericht (Reichskammergericht und Reichshofrat bis 1654) oder einem kaiserlichen Landgericht vor 1784. Sachlich wird es durch das Versäumnisverfahren ersetzt.

Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984

Annahme → Vertrag

Annahmeverzug (M.) Gläubigerverzug, Verzug des Gläubigers mit der Annahme der Leistung des Schuldners

Annalen (Jahrbücher) sind in möglicher Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jh. erscheinende, chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begeben­heiten (z. B. Quedlinburger Annalen Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab Schöpfung]).

Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R. van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977; Die Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004

Annaten (14. Jh.) sind gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13. Jh.s bei der Verleihung freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den Papst geleistete Abgaben in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrages, die seit dem Konzil von Basel (1435) abkommen und seit 1917 grundsätzlich untersagt sind.

Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg, H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.; Denzel, M., Kurialer Zahlungsverkehr, 1991; Camera apostolica, hg. v. Ansani, M., 1994

Anschluss ist die von dem in Braunau gebürtigen Österreicher Adolf → Hitler 1938 nach mehrjähriger Vorbereitung durch poli­tischen Druck herbeigeführte Vereinigung → Österreichs mit dem Deutschen Reich. Dem A. geht 1918 der von den alliierten Sieger­mächten des ersten Weltkriegs verhinderte Versuch der aus den meisten deutsch­sprachigen Gebieten Österreich-Ungarns ge­bildeten Republik → Deutschösterreich vor­aus, sich mit dem → Deutschen Reich zu ver­einigen, wofür sich in Tirol 98,8 und in Salz­burg 99,1 Prozent der Abstimmungsbe­rechtig­ten aussprechen. Nach seiner Bestellung zum Reichskanzler im Deutschen Reich will Hitler dieses Ziel politisch erreichen. Am 12. 2. 1938 zwingt Hitler den österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (im Berchtesgadener Abkom­men), den national­sozialistischen Sym­pa­thisanten Seyss-Inquart als Sicherheits­minister zu bestellen, die freie Betätigung der Nationalsozi­alistischen deutschen Arbeiter­partei innerhalb der vaterländischen Front zuzulassen und alle Nationalsozialisten zu amnestieren. Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg angesetzte Volksab­stimmung für ein „freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges Österreich“ unterbleibt wegen des am 11. 3. 1938 von Hitler erzwun­genen Rück­tritts des Bundeskanzlers Schuschnigg. Auf An­forderung (Bitte um „Hilfe“) Seyss-Inquarts an Hitler kommen deutsche Truppen. Danach bestellt der Bundes­präsident Österreichs (Miklas) Seyss-Inquart zum Bundeskanz­ler und tritt am 13. 3. 1938 zurück. Die Bundesregierung Österreichs beschließt auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes von 1934 ein Bundesverfas­sungsgesetz über die Wieder­vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (BGBl. 1938, 75), auf Grund dessen Österreich ein Land des Deutschen Reiches wird. Eine Volksab­stimmung vom 10. 4. 1938 bejaht den A. zu 99,73%, doch wird dies nach 1945 verdrängt.

Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter, F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Botz, G., Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, 1972, 3. A. 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995; Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss. phil.. Hannover 2003

Anschütz, Gerhard (Halle an der Saale 10. 1. 1867-Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908) und Heidel­berg (1916) und 1933 auf Antrag emeritiert. Er ist Verfechter des demokratischen Gedankens und verfasst auf gesetzespositiv­istischer Grundlage den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose mitgestalteten Verfassung der → Weimarer Republik.

Lit.: Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard Anschütz, Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v. Pauly, W., 1993, 2. A. 2008; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998)

Ansegis (bei St. Rambert bei Lyon um 770-St. Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist der fränkische Benediktinerabt (823) von St. Wandrille bzw. Fontenelle in der Erzdiözese Rouen, der 827 in seinem vier Bücher (Karl der Große, Ludwig der Fromme, Weltliches, Kirchliches) umfassenden (lat.) Legiloquus liber (M.) in einfacher Ordnung 29 (von etwa 90 heute bekannten) → Kapitularien Karls d. Großen und Ludwigs des Frommen zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch mehr als 60 (63), in vier Gruppen einteilbare Hand­schriften überliefert werden.

Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die Kapitulariensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996

Anselm von Lucca verfasst zwischen 1081 und 1083 eine Sammlung (lat. [F.) Collectio) von Papstbriefen, Canones, patristischen Texten und römischen Rechtsquellen.

Lit.: Szuromi, S., Anselm von Lucca as Canonist, 2006

Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB) bzw. die von einem Kläger an einen Beklagten gerichtete Behauptung eines Rechts mit einem bestimmten Inhalt. Im römischen Recht ist beides in der (lat. [F.]) actio (Klaganspruch) enthalten, wobei im Legisaktionenverfahren die Beachtung eines genauen Wortlauts erforderlich ist und im Formularverfahren nur verfahrensrechtlich durch­setzbare Rechte anerkannt werden (ak­tionenrechtliches Denken), wovon sich das spätantike Verfahren je nach Zweckmäßigkeit löst. Im Spätmittelalter werden die Anforde­rungen an die Geltendmachung von Ansprü­chen eher abgeschwächt. Der (lat.) usus modernus begnügt sich mit der Erkennbarkeit einer (lat.) actio. Savigny versteht die (lat.) actio als Klagerecht, das aus der Verletzung eines subjektiven Rechts erwächst, als ein Recht im Zustand der Verteidigung. Nach Bernhard Windscheid (1856) ist dagegen der A. unabhängig von der jeweiligen Ent­scheidung eines Gerichts ein Recht.

Lit.: Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Nörr, K., Das Aktionrenrecht bei Savigny, Ius commune 8 (1879), 110; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996

Anstalt ist die von einem Träger öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jh. zur Erfüllung einer besonderen Verwaltungsaufgabe er­richtete, verwaltungsorganisatorisch oder recht­lich ver­selbständigte Verwaltungseinheit von persön­lichen oder sachlichen Mitteln.

Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht, 2003

Anstiftung ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat (Versuch genügt). Als allgemeine Grundfigur des → Strafrechts wird die A. unter Herauslösung aus der Urheberschaft (intellektuelle Urheberschaft, so noch Feuerbach 1801) des (lat. [M.]) auctor erst im 19. Jh. ausgebildet (§ 34 I StGB Preußens 1851).

Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006

Anthropologie (F.) Menschenkunde

Lit.: Dülmen, R. van, Historische Anthropologie, 3. A. 2001; Hoßfeld, U., Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland, 2005

Antichrese ist das aus dem hellenistischen Bereich in das klassische römische Recht eingeführte Nutzpfand, bei dem der Pfandgläubiger mit Erlaubnis des Verpfänders die Früchte der Pfandsache ziehen darf.

Lit.: Kaser § 31; Hübner

Antike ([3000/2800 v. Chr. bzw.] 11. Jh. v. Chr.-4./6. Jh. n. Chr.) ist der vor allem durch die Kultur der (Sumerer, Assyrer, Ägypter, Juden,) Griechen und Römer gekenn­zeichnete, durch die Eroberung Westroms durch Germanen im Jahre 476 abgeschlossene geschichtliche Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. → Altertum

Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1986; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; The Cambridge Ancient History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A. 2002; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Gehrke, H., Kleine Geschichte der Antike, 1999; Metzler Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B., 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999; Nickel, R., Lexikon der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2000; Brandt, H., Das Ende der Antike, 2001; Grziwotz, H./Döbertin, W., Spaziergang durch die Antike, 2002; Die Rechtskulturen der Antike, hg. v. Manthe, U., 2003; Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters, hg. v. Kern, M. u. a., 2003; Pöhlmann, E., Einführung in die Über­lieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1 2. A. 2003; Personen der Antike, hg. v. Brodersen, K. u. a., 2004; Herrscherchronologien der antiken Welt, 2004; Höhepunkte der Antike, hg. v. Brodersen, K., 2006; Erinnerungsorte der Antike, hg. v. Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2006; Troianer sind wir gewesen, hg. v. Olshausen, E. u. a., 2006; Sonnabend, H., Die Grenzen der Welt, 2007; Geschichte der Antike – Quellenband, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2007; Geschichte der antiken Texte – Autoren- und Werklexikon, hg. v. Egger, B., 2007; Historischer Atlas der antiken Welt, hg. v. Wittke, A. u. a., 2007; Baltrusch, E., Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, 2008; Mann, C., Antike, 2008;  Stangl, G., Antike Populationen in Zahlen, 2008

Antiochia (Kreuzfahrerfürstentum)

Lit.: Mayer, H., Varia Antiochena, 1993

Antisemitismus ist die die Juden (Semiten) ablehnende Haltung. Sie entsteht nach antiken, mittelalterlichen und frühneu­zeitlichen Vorläufern in der 2. Hälfte des 19. Jh.s (in Österreich um 1885) neu. In dieser Zeit gelten Juden als Modernisie­rungs­gewinner des Libe­ralismus, wobei auch die katholische Kirche ihr Unbehagen über die gesellschaftlichen Veränderungen am steigen­den Einfluss der Juden zum Ausdruck bringt.→ Jude

Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997; Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999; Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blaschke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus, 2002; Ferrari Zumbini, M., Die Wurzeln des Bösen - Gründerjahre des Antisemitismus, 2002; Haury, T., Antisemitismus von links, 2002; El olivo y la espada, hg. v. Joan i Tous, P. u. a., 2003; Ley, M., Kleine Geschichte des Antisemitismus, 2003; Der Berliner Antisemitismusstreit 1879-1881, bearb. v. Krieger, K., 2003; Benz, W., Was ist Antisemitismus?, 2004; Wladika, M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Terwey, S., Moderner Antisemitismus in Großbritannien 1899-1919, 2006; Mittmann, T., Vom Günstling zurm Urfeind der Juden, 2006; Volkov, S., Germans, Jews and Antisemites, 2006; Sieg, U., Deutschlands Prophet - Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, 2007; Nonn, C., Antisemitismus, 2008

Antitribonianus ist das 1603 posthum erschienene Werk François → Hotmans, das im Angriff auf → Tribonian die Anwendbarkeit des Corpus iuris civilis in der Neuzeit bestreitet und die Schaffung eigener Gesetzbücher empfiehlt.

Lit.: Baron, J., Franz Hotmans Antitribonian, 1888

Antrag ist das Angebot auf Abschluss eines → Vertrags.

Antrustio (lat. [M.], zu afrk. druht, lat.-afrk. trustis, M., bewaffnete Schar) ist der im Volksrecht der → Franken durch dreifaches Wergeld des Freien ausgezeichnete, auch in Kapitularien und Formeln erwähnte freie Königsmann.

Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Olberg, G. v., Die Bezeich­nungen für soziale Stände, 1991

Antwerpen an der Schelde wird 726 erstmals urkundlich erwähnt. 1291 erhält es Stadtrecht. 1852 wird eine Universität eingerichtet.

Anwachsung ist die Erhöhung der Anteile anderer Berechtigter an einer (gesamt­händerischen) Gesamtheit im Wege der Gesamtnachfolge bei Wegfall eines Mitberechtigten. Sie hat wohl in alten gesamt­händerischen Gesamtheiten (z. B. Hausge­mein­schaft, Akkreszenz im klassisch­en römischen Erbrecht) Bedeutung und wird später eher zurückgedrängt (z. B. durch Eintrittsrechte, Realteilung). Durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ge­winnt sie mit dem Gesamthandsprinzip an Gewicht.

Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner; Breuel, F., Geschichte des Anwachsrechts in Ostfriesland, 1954; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333

Anwalt ist der Vertreter eines anderen (im Recht). Im römischen Recht ist Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen. Im deutschen Bereich begegnen die ersten Anfänge im fränkischen Reich. Zum Hochmittelalter hin erscheinen Vertreter für Bischöfe (Vögte), Äbte, Gemeinden oder Genossenschaften. Bis zur zweiten Hälfte des 15. Jh.s setzt sich neben dem Fürsprecher als Vertreter im Wort (Mund der Partei) die inhaltliche Vertretung der Partei im bürgerlichen Rechtsstreit durch. Mit der Rezeption des römisch-kanonischen Prozessrechts wird am Ende des 15. Jh.s der meist rechtsgelehrte, praktisch geschulte → Prokurator zum Vertreter der Partei vor Gericht, der rechtsgelehrte → Advokat zum außer­gericht­lichen Berater (1495 am Reichskammergericht acht Prokuratoren, zwei Advokaten, seit 1500 bzw. 1530 Prüfungen), doch verwischen sich in Deutschland die Unter­schiede trotz Fortführung der verschiedenen Benennungen schon seit dem 16. Jh. wieder. Bedeutung hat der A. vor allem im Zivilprozess. In Preußen wird 1725 die Prokuratur abgeschafft und 1780 die Advokatur als freier Beruf beseitigt (Assistenzrat, Justizkommissar). Im 19. Jh. werden auch in Preußen wieder frei wählbare Prozessvertreter zugelassen, die seit 1849 (1878 im Deutschen Reich) Rechtsanwälte heißen (Österreich Advokatenordnungen von 1849 und 1868). Neben ihnen dürfen in Deutschland seit 2008 auch Nichtjuristen eingeschränkt Rechtsberatung durchführen.

Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Kübl, F., Geschichte der österreichischen Advokatur, 1925; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Böhm, O., Die nürnbergische Anwaltschaft um 1500 bis 1806, 1949; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichts­verfassungsrechts, 1954; Schlosser, H., Spätmittel­alterlicher Zivilprozess, 1971; Failenschmid, H., Anwalt und Fürsprech, 1981; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Krach, T., Jüdische Rechtsanwälte in Preußen, 1991; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur unter Friedrich dem Großen, 1994; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Krug, G., Die Advokat-Anwälte, Diss. jur. Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen Anwaltvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die Entwicklung der Anwalt­schaft, NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve, W., Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998; Klas, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A., 2003

Anwaltszwang ist die (tatsächliche oder) rechtliche Verpflichtung im → Prozess einen → Anwalt zu verwenden.

Anwartschaft ist die einer bestimmten Person zustehende rein tatsächliche Aussicht auf ein später zu erwartendes Amt oder Recht. Im deutschen Mittelalter hat der nahe Verwandte ein Anrecht auf den Nachlass (→ Erbenwartrecht). Im 20. Jh. setzt sich die A. als werdendes Recht, das dem Vollrecht wesens­gleich ist, beim Kauf unter Eigen­tumsvorbehalt durch.

Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984

Anweisung ist die schriftliche Aufforderung eines Teiles (Anweisender) an einen anderen Teil (Angewiesener) (Deckungsverhältnis), Geld, Wertpapiere oder andere Sachen an einen die Anweisung dem Angewiesenen vorlegenden Dritten (Anweisungs­empfänger) zu leisten (lat. [F.] delegatio zwischen Delegant, Delegat und Delegatar, Verhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungs­empfänger Valutaverhältnis). Sie gehört in die Frühzeit des → Wertpapiers (13./14. Jh.). Sie kann Zahlungsanweisung oder Verpflich­tungsan­weisung sein.

Anwenderecht ist das in die Anfänge des dichteren Ackerbaues zurückreichende, seit dem 13. Jh. vielfach schriftlich bezeugte Recht, zur Bestellung des eigenen Feldes kurzzeitig ein Nachbargrundstück zu betreten. Das Bürger­liche Gesetzbuch (1900) lässt das landesrecht­lich vorhandene A. als Teil des Nachbarrechts bestehen.

Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925; Schmidt-Wiegand, Anwende, Text und Sprachbezug in der Rechtssprachgeographie, 1985, 146

Anzeige ist die Mitteilung eines rechtlich erheblichen Vorganges oder Zustandes. Sie ist in verschiedenen Formen dem römischen Recht bekannt. Eine Verpflichtung zu einer A. bestimmter Handlungen stellt die Rüge­pflicht dar. Der hochmittelalterliche kano­nische Prozess unterscheidet im 12. Jh. die A. von der (lat. [F.]) accusatio. In der frühen Neuzeit genügt im Strafverfahren statt der Klage eines einzelnen Klägers die A. beim Richter zur Ingangsetzung des Verfahrens.

Lit.: Köbler, DRG 157; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten - §§ 138, 139 StGB, 2002

Aostatal

Lit.: Roddi, G., Il Coutumier Valdostano (1588), 1994 (Diss. jur. Freiburg im Üchtland)

Apanage ist die Ausstattung eines nachge­borenen Sohnes, Bruders oder sonstigen Mitgliedes eines landesherrlichen Hauses zur Sicherung des standesgemäßen Unterhalts. Sie entwickelt sich nach älteren Vorläufern (Bretagne 990?, Dreux 1137?) im 13. Jh. in Frankreich. Einen Rechtsanspruch auf A. gibt es nur bei Vorliegen eines entsprechenden Hausgesetzes. Die meist bei Eintritt der Volljährigkeit fällige A. kann auf eine Person oder auf eine Linie bezogen sein.

Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Wood, C., The French Apanages, 1966

Apel, Johann (Nürnberg 1486-27. 4. 1536) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg 1524 Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534 Rechtsberater in Nürnberg. 1535 schlägt er eine dialektische Lehrmethode für die Rechtswissenschaft vor. Außerdem bietet er erste systematische Ansätze.

Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann Apell, 1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423

Apokalypse

Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001

Apostasie (F.) ist der von der Spätantike bis zur Aufklärung geahndete Abfall vom Glau­ben.

Lit.: Hinschius, P., System des katholischen Kircherechts, 1888ff.; Schauf, H., Einführung in das kirchliche Strafrecht, 1952

Apostelbrief ist im gelehrten Verfahrensrecht des Mittelalters der Bericht, den der untere Richter (lat. iudex [M.] a quo) auf die Bitte einer Partei, die → Appellation gegen seine Entscheidung erhebt, an den oberen Richter (iudex ad quem) sendet. Er enthält eine Schilderung des bisherigen Verfahrens­ablaufes und eine Beurteilung der Berechtig­ung der Appellation sowie später auch die bisherigen Prozessakten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342

Apotheke ist das Unternehmen des wissenschaftlich ausgebildeten, staatlich zu Herstellung und Verkauf von Arzneimitteln Berechtigten (Apothekers). 1935 wird eine deutsche Apothekerschaft gegründet, 1937 eine Reichsapothekenkammer eingerichtet. 1961 ergeht ein Arzneimittelgesetz.

Lit.: Schröder, G., NS-Pharmazie - Gleichschaltung des deutschen Apothekerwesens im Dritten Reich, 1988; Schlick, C., Apotheken im totalitären Staat, 2008

Apothekenurteil ist die in drei Stufen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Einschränkung von Grundrechten (z. B. Berufsfreiheit) ordnende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 11. 6. 1958 über die Zulassung eines Apo­thekers in Traunreut.

Lit.: Henne, T., Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2004

appellatio (lat. [F.]) Anrufung, Berufung, → Appellation

Appellation ist im spätrömischen Verfah­rensrecht das aufschiebend wirkende Rechtsmittel zur Überprüfung der Ent­scheidung eines unteren Richters durch einen höheren Richter, das mit einem Urteil endet (Berufung). Die A. ist bei dem unteren Richter mündlich oder binnen 10 Tagen schriftlich einzubringen. Die A. wird im frühen Mittelalter in vereinfachter Form in der Kirche und in Oberitalien bewahrt. Im hohen Mittelalter wird die A. (mittels → Apostelbriefs), die seit dem 12. Jh. im kirchlichen Prozessrecht erscheint, aus dem oberitalienisch-kano­nischen Prozessrecht in Deutschland zuerst in geistlichen Gerichten aufgenommen. In Italien und Frankreich dringt sie rascher vor. Im Heiligen römischen Reich, in dem zwischen 1200 und 1450 (lat. [F.]) appellatio sehr unterschiedliche Einrichtungen benennen kann, ersetzt die A., die sich vor 1451 nur in einzelnen besonderen Fällen vor dem um 1450 grundsätzlich noch unmittelbar angerufenen, aber auch im älteren Rechtszugverfahren kaum eine nennenswerte Rolle spielenden König findet, in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s allmählich die ältere Urteilsschelte in weltlichen Verfahren. Die Appellations­verfahren verdrängen bald die erstinstanzlichen Rechtszugverfahren. Das 1495 eingerichtete Reichskammergericht ist vielfach Appellationsgericht (am Ende des 15. Jh.s zu 80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme von 50 Gulden festgelegt, die über 150 (1570) und 300 (1600) Gulden bis 1654 auf 600 Gulden bzw. 400 Reichs­taler steigt, und wird 1530 dem Reichskammer­gericht die Annahme einer A. in Strafsachen verboten. In die gleiche Richtung wirken die Nichtappellations­privilegien. 1879 wird die teuere und schwierige A. im Deutschen Reich durch die → Berufung ersetzt, in England erst 1875 wirklich zugelassen. → Konzil

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114, 117, 152; Köbler, LAW; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivilegien für Brandenburg-Preußen, 1908; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hof­gericht und Räte, 1912; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Blaschke, K., Das kur­sächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichs­kammergerichts als Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichts­ordnung von 1495, 1973; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Die kaiserlichen privilegia de non appellando, hg. v. Eisenhardt, U., 1980; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1988; Kern, B., Die Appellation in Kurpfälzer und verwandten Rechts­quellen des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 106 (1989), 115; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1993; Morhard, A., Die gerichtliche Berufung, 1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung des Rechtsmittels der Appellation, 1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation in Strafsachen, 2002; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110

Appellationsgericht (N.) Berufungsgericht (z. B. Österreich 1782 Erhebung der von den Gubernien getrennten Justizsenaten zu Ap­pellationsgerichten durch Joseph II., 1852 Oberlandesgerichte)

Appellationsprivileg ist das Privileg des deutschen Königs an Landesherren, das eine → Appellation aus dem jeweiligen Gebiet an den König ausschließt (Nichtappellations­privileg). Es betrifft anfangs wohl nur den Rechtszug nach einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s die eigentliche Appellation. 1356 verleiht die → Goldene Bulle den Kurfürsten ein unbe­schränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten ist, weil die Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z. B. in Sachsen erst seit dem 16. Jh.).

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsver­fassungsrechts, 1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammer­gerichts­ordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen privilegia de non appellando, 1980

Appenzell erscheint 1071 erstmals als Abba­cella. Das zunächst unter der Herrschaft der Abtei Sankt Gallen stehende Gebiet gewinnt zwischen 1377 und 1429 Selbständigkeit. Seit 1411 ist A. zugewandter Ort der Eidgenos­senschaft der → Schweiz, seit 17. 12. 1513 dreizehntes Mitglied. A. besteht aus einem evangelischen Halbkanton (Außer­rhoden) und einem katholischen Halbkanton (Inner­rhoden).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Benz, R., Die rechtlichen Zustände im Lande Appenzell, Appenzellische Jahrbücher 46 (1918), 1; Wirz, H., Die Grundlagen der Appenzeller Freiheit, Appenzellische Jahrbücher 56 (1929); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Land- und Alpwirtschaft in Außerrhoden, 1974; Blickle, P., Verfassung und Religion – Voraussetzungen und Folgen der Landteilung des Appenzell 1597, ZRG GA 115 (1998), 339; Die Appenzellerkriege, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006

Approbation (F.) Billigung, Bestätigung (z. B. einer klösterlichen Genossenschaft, einer Verehrung oder einer Königswahl)

Lit.: Deußen, W., Die Approbation der deutschen Königswahl, 1879; Unverhau, D., Approbatio - Reprobatio, 1973;

Aprilverfassung ist die am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. erteilte, vom Innen­minister Franz Xaver von → Pillersdorff geformte, nach dem 15. 5. 1848 zurückgezogene, erste formelle Verfassung Österreichs mit Gewaltenteilung, Reichstag und Grundrechten.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher

apud iudicem (lat.) vor dem Richter, → Prozess, Verfahren

Apulien im Süden Italiens gerät seit dem 9. Jh. v. Chr. unter den Einfluss der Griechen, wird 317 v. Chr. von Rom erobert und gehört nach dem Untergang Westroms über die Herrschaft von Ostgoten und Oströmern im Norden seit 570 zum Herzogtum Benevent der Lango­barden. In der Mitte des 11. Jh.s fällt es an die Normannen (1130 Sizilien), 1282 an das Königreich Neapel.

Lit.: Palumbo, P., Medio evo meridionale, 1978

aquae ductus (lat. [M.]) Wasserleitungsrecht, → Dienstbarkeit

aquae haustus (lat. [M.]) Wasserschöpf­recht,→ Dienstbarkeit

Aquileia nahe der Adria wird 181 v. Chr. als römische Kolonie (lat. [F.] colonia) gegrün­det. Der seit spätestens 314 nachweisbare Bischof bean­sprucht seit 558/68 den Titel eines Patriar­chen. 1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit 1418 gelangt A. an Venedig, im 16. Jh. an Österreich und mit Venetien (1866) an Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das Patriarchat Aquileja, 1987

Aquilius → lex Aquilia

Aquitanien ist das Gebiet nördlich der Pyrenäen. Es wird seit 71 v. Chr. römisch, 418 westgotisch und 507 fränkisch. Im 7. Jh. entsteht ein fast selbständiges Herzogtum (bis 768), das im 9. Jh. erneuert wird. Durch Heirat der Erbtochter mit Heinrich II. → Plantagenet (1152) gelangt A. beim Thronantritt Heinrichs II. in England in eine Personalunion mit → England. Am Ende des hundertjährigen Krieges (1453/75) fällt A. von England an → Frankreich.

Lit.: Histoire de l’Aquitaine, hg. v. Higounet, C., 1971; Trabut-Cussac, J., L’administration anglaise en Gascogne, 1972

Äquivalenzprinzip ist der im 20. Jh. ausgebildete Grundsatz, dass zwischen dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und der für diese geforderten Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.

Araber ist der Angehörige des in den mittelalterlichen lateinischen Quellen meist als (lat. [M.Pl.]) Saraceni bezeichneten semitischen Volkes, das zunächst auf der arabischen Halbinsel siedelt. Die A. erobern nach der Bekehrung zum → Islam im frühen Kalifat (632-692) Ägypten, (638 Jerusalem,) Syrien, Irak und Persien. 711 wird Gibraltar erreicht, 716/717 Konstantinopel belagert und 732 ein Spanien einnehmender Vorstoß erst bei Tours und Poitiers von den Franken zurückgeschlagen. Im 9. Jh. setzt der Zerfall des bald auf Bagdad (762, um 1000 Kalifenbibliotheken mit vielleicht 100000 Bänden) ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein. 1260 können die Mongolen abgewehrt werden. Das im 15. Jh. unter muslimisch gewordenen Osmanen gebildete osmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht 1492 mit Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden im 19. Jh. die arabischen Länder mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Gegenstand der Kolonialpolitik euro­päischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A. auf das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht in Sizilien, lat. contractus [M.] mohatrae). Im Übrigen geben die A. allgemein auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das europäische Mittelalter weiter.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M., Storia dei Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt, hg. v. Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa, 1992; Halm, H., Die Araber, 2004; Walther, W., Kleine Geschichte der arabischen Literatur, 2004; Steinberg, G., Saudi-Arabien, 2004; Katzer, A., Araber in deutschen Augen, 2008; Schlicht, A., Die Araber und Europa, 2008

Aragonien (Aragón) im Nordosten Spaniens gelangt am Ende des 3. Jh.s v. Chr. von den Puniern an die Römer, im 5. Jh. n. Chr. an die Westgoten und 713 an die Araber. Kurz nach 800 wird es eine Grafschaft der Franken, die eine eigene (lat. [F.]) convenientia (958) hat und sich im Zuge der Rückeroberung der von den Arabern beherrschten Gebiete 1035 und 1134 zum Königreich entwickelt, in dem der → Fuero von → Jaca (1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit Katalonien und 1238 mit Valencia verbunden. Seit dem 13. Jh. dringt römisches Recht ein. 1247 werden die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht auf Vidal de Cañellas zurückgehenden, ausschließliche Geltung be­an­spruchenden Fueros de Aragón (Fori Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft Aragoniens gelangen auch Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442). Seit 1469 tritt A. hinter → Kastilien (1474 Personalunion) zurück und verliert die 1707 zunächst noch gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der selbständigen Verwaltung (1833) wird erst 1982 wieder aufgehoben. Das überlieferte besondere Privatrecht gilt seit 1889 im Rahmen des Código Civil Español fort.

Lit.: Fori Aragonum 1476/1477, Neudruck 1979; Schwarz, K., Aragonische Hofordnungen, 1914; Klüpfel, L., Verwaltungsgeschichte des Königreichs Aragon, 1915; Vidal mayor, hg. v. Tilander, G., 1956; Lalinde Abadía, J., Virreyes y lugartenientes, Cuadernos de historia de España 1960, 98; Lalinde Abadía, J., La gobernación general en la corona de Aragón, 1963; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J./Fairen Guillen, V., Die aragonesischen Verfassungsprozesse, ZRG GA 91 (1974), 116; Los Fueros de Aragón, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258

Arba ‘at ha-Turim → Jakob Ben Ascher

Arbeit ist die auf Schaffung von Werten gerichtete körperliche oder geistige Tätigkeit. Steht ursprünglich die damit verbundene Mühe im Mittelpunkt, so verlagert sich der Bedeutungskern besonders seit dem 19. Jh. auf die Unselbständigkeit und Fremd­be­stimmt­heit der Tätigkeit. Hinsichtlich der A. treten deshalb, obwohl bereits im Mittelalter das dauernde Vorkommen vertraglich verein­barter Arbeitsverhältnisse in Stadt und Land und die beständige Sorge der Obrigkeit für Reglementierung der Entlohnung bezeugt sind, erst seit etwa 1840 Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander gegenüber. Bezüglich der A. schließen sie den → Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des → Arbeitsrechts ist, für das sich das besondere → Arbeits­gericht ausbildet. Bereits im 19. Jh. wird auch die Sicherung eines Rechtes des Einzelnen auf A. verlangt.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Arbeit und Rhythmus im Rechtsleben, ZRG GA 41 (1920), 370; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 154; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Le travail au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H., Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G., Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U., Die Arbeiter­schaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka, J. u. a., 2000; Fossier, R., Le travail au moyen âge, 2000; Schaller, K., Einmal kommt die Zeit, 2001; Guinand, C., Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), 2003; Steinfeld, R., Free Wage Labor and the Suffrage in Nineteenth Century England, ZRG GA 123 (2006), 267

Arbeiter ist der körperliche Arbeit verrichtende Arbeitnehmer.

Lit.: Lorenz, A., Kleine Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland von 1948 bis heute, 2009

Arbeiterkammer ist die in Österreich ab 1872 geplante, mit Gesetz vom 26. 2. 1920 eingerichtete, 1938 aufgelöste, durch Gesetz vom 20. 7. 1945 wiedererrichtete Vertretung der Arbeitnehmer (Arbeiter und Ange­stellten), die maßgeblich bei der Entwicklung des kollektiven Arbeitsrechts mitgewirkt hat.

Arbeitnehmer ist der im Arbeitsverhältnis die Arbeit ausführende Beteiligte.

Lit.: Pflaume, H., Organisation und Vertretung der Arbeitnehmer in der Bewegung von 1848/1849, 1934

Arbeitsgericht ist das im Deutschen Reich 1926 für die erste Instanz (RGBl. 1926, 507, Inkrafttreten am 23. 12. 1926 bzw. 1. 7. 1927) geschaffene Eingangsgericht der vor allem auf Wunsch der Arbeitnehmerseite für Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen zu­ständigen, 1946/1953 gänzlich von der ordentlichen Gerichtsbarkeit verselbstän­digten Arbeitsgerichtsbarkeit (1927 Reichsar­beitsgericht). Vorläufer des Arbeitsgerichts ist ein besonderes, mit Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmerbeisitzern besetztes Gewerbege­richt (1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in Frankreich (Lyon 1806) von Napoleon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten Conseil de prud’hommes zurück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid) und später in Preußen (1845) und im Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird. Noch früher gibt es in Preußen im 18. Jh. Fabrikdeputationen und im Mittelalter allgemein auch Entscheidungen innerhalb der Zünfte.

Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die Arbeitsgerichtsbarkeit 1929; Globig, K., Gerichts­barkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichts­barkeit, Bd. 1 1990; Schöttler, P., Zur Mikrogeschichte der Arbeits­gerichtsbarkeit, Rechtshistorisches Journal 9 (1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994; 50 Jahre saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, 1997; 50 Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeits­gerichtsbarkeit in Deutschland, Bd. 2 2002, Bd. 3 2008; Bachem-Rehm, M., Die katholischen Arbeitervereine im Ruhrgebiet 1870-1914, 2004; Zimmermann, U., Die Entwicklung der Gewerbege­richts­barkeit in Deutschland, 2005

Arbeitsgesetzbuch ist das für das → Arbeitsrecht geschaffene Gesetzbuch (z. B. Deutsche Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23. 11. 1966, 1977).

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Arbeitskampf (nach Kittner erster bekannter Arbeitskampf auf deutschem Boden Breslau 1329) → Aussperrung, Streik

Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v. Pohl, H., 1980; Sieg’l, C., Arbeitskämpfe seit dem Spätmittelalter, 1993; Schröder, R., Der gewerbliche Kampf, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 533; Dallmann, C., Die Anfänge des französischen Arbeitskampfrechts, Diss. jur. Würzburg 2002; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005 (61 Fallschilderungen zwischen 1155 v. Chr. und 2003 n. Chr.)

Arbeitslosenversicherung ist die bescheidenen gemeindlichen Anfängen (1913 in 13 deutschen Gemeinden eine Arbeits­losen­unterstützung vorhanden) folgend von 1918 an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd im Ar­beitsförde­rungsgesetz geregelte und zum 1. 1. 1998 in das Sozialgesetzbuch (III) überführte → Sozialversicherung gegen die wirtschaft­lichen Folgen des Mangels einer Erwerbs­tätigkeit.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241; Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, hg. v. Benöhr, H., 1991; Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung, 1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosen­ver­sich­erung, 1992; Dorn, U., Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche Arbeitslosenunter­stützung in der Weimarer Republik, 1995; Raithel, T. u. a., Die Rück­kehr der Arbeitslosiegkeit, 2009

Arbeitslosigkeit → Arbeitslosenversicherung

Arbeitsmündigkeit → Mündigkeit

Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der Arbeitsmündigkeit, 1968

Arbeitsrecht ist das die → Arbeit betreffende Recht. Es wird trotz der bereits im Hochmittelalter vorhandenen und seit dem 16. Jh. auch von den Landesherren geordneten Tätigkeiten als Gesinde, Seemann, Bergmann, Kaufmannsdiener oder Handwerksgeselle als Rechtsgebiet erst am Beginn des 20. Jh.s verselbständigt (Sinzheimer 1907f./1914, Potthoff 1925), nachdem sich im 19. Jh. die obrigkeitlichen und genossenschaftlichen Bindungen infolge des Liberalismus lösen (z. B. Bauernbefreiung) und → Arbeit zum Gegenstand freier vertraglicher Vereinbarung wird. Als erste gesetzliche Regelungen erscheinen Arbeits­schutzbestimmungen (Eng­land 1802, Preußen 1839, Truckverbot 1849/1869, Frauenschutz 1878, Gewerbe­aufsicht 1878), die das deut­sche Ar­bei­ter­schutzgesetz von 1891 verall­gemeinert. Flankierend wirkt die → Sozialversicherung. Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich entwickelte Kollektivierung des Arbeitsrechts (1891 Arbeiterausschüsse, 1916 Hilfsdienstgesetz) findet einen ersten Ab­schluss in der → Tarifvertragsverordnung (1918) und der zugehörigen Schlichtungs­verordnung (1923). Durch die nationalso­zialistische Regierung wird dann das kollek­tive A. durch eine autoritäre Arbeits­verfassung (1934 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit) ersetzt, die nach 1945 wieder beseitigt wird. 1949 wird das Ta­rifvertragsrecht neu gestaltet, 1951 die Mitbestimmung in der Montanindustrie ausgedehnt, in den Folgejahren eine Reihe weiterer Gesetze erlassen bzw. neu gefasst. Wo der Gesetzgeber nicht tätig zu werden vermag, tritt ersatzweise die Arbeitsgerichts­barkeit mit Richterrecht ein. In der Deutschen Demokratischen Republik wird 1961 ein Gesetzbuch der Arbeit erlassen, 1978 ein Arbeitsgesetzbuch. In der Europäischen Wirt­schaftsgemeinschaft, Europäischen Gemein­schaft bzw. Europäischen Union gewinnt das europäische Recht an Bedeutung (z. B. Rechtsprechung des Europäischen Gerichts­hofs, Europäische Sozialcharta 1961). Erste Dar­stellungen des Arbeitsrechts stammen von P. Lotmar (1902/1908) und H. Sinzheimer (1907f./1914). Als Besonderheit des Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungs­einschränkung bei → gefahrge­neig­ter Tä­tigkeit angesehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241; Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Siebert, W., Die Entwicklung der staatlichen Arbeitsverwaltung, 1943; Anton, G., Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1953; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Teuteberg, H., Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Ebel, W., Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1849, 1964; Mampel, S., Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mittel­deutschland, 1966; Wedderburn, K., Cases and materials on labour law, 1967; Weidmann, P., Die soziale Entwicklung des zürcherischen Arbeitsrechts von 1815-1870, Diss. jur. Zürich 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung des Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung der Weimarer Republik, (in) In memoriam Sir Kahn-Freund, 1980; Umlauf, J., Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB, 1988; Bohle, T., Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990; Wahsner, R., Arbeitsrecht unter’m Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende Bibliographie zur Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung des Rechts der Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Benöhr, H., Fast vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Sellier, U., Die Arbeiter­schutzgesetz­gebung im 19. Jahrhundert, 1998; Die Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H., 1998; Rudischhauser, S., Vertrag, Tarif, Gesetz. Der politische Liberalismus und die Anfänge des Arbeitsrechts in Frankreich 1890-1902, 1999; Thiele, M., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor Gericht, 2001; Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des Reichskommissariats in den Niederlanden, 2002; Böhm, A., Arthur Philipp Nikisch, 2003; Hermel, M., Karl Flesch, 2004; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Arbeitsverfassung → Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag ist der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die entgeltliche Leistung von → Arbeit geschlossene → Ver­trag. Anfangs individuell ausgehandelt wird sein Inhalt unter Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit zunehmend kollektiv gestaltet (Tarifvertrag). Seit 1995 wird grundsätzlich die Schriftform angestrebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der Arbeitsvertrag, 2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Europäisches Arbeitsvertragsrecht, hg. v. Molitor, E. u. a., 1928ff.; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertrags­recht im deutschen Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikar­beiter im 18. Jahrhundert, 1939; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschafts­ordnung während des 19. Jahrhunderts, ins­bes­on­dere in den Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag in der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Vietinghoff-Scheel, E. v., Gewerbliche Arbeits­verhältnisse in Preußen, Diss. jur. Göttingen 1972; Ebert, K., Der industrielle Arbeits­vertrag in der österreichischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 92 (1975), 143; Söllner, A., Entwicklungslinien im Recht des Arbeitsver­hältnisses, (in) NS-Recht in historischer Perspektive, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, 1981, 135; Alonso Olea, M., Von der Hörigkeit zum Arbeitsvertrag, 1981; Wild, T., Die Entwicklung des Gesamtarbeitsver­tragsrechts, 1984; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphi­losophie, (in) Geschicht­liche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990; Entwürfe zu einem deutschen Arbeitsver­trags­gesetz mit dem Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1990 und dem österreichischen Entwurf einer Teilkodifi­kation des Arbeitsrechts von 1960, hg. v. Ramm, T, 1992; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsver­hältnis, 1995; Thiele, A., Die Auflösung von Arbeitsver­hältnissen, 2000; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsver­hältnis während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, 2005; Bausback, M., Der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses, 2007

Arbeitszeit ist die für → Arbeit aufzu­wendende Zeit des Arbeitnehmers. Ihre Be­stimmung ist Ausfluss der Verrechtlichung des Arbeitsverhältnisses. Im Zug der Indus­triali­sierung verlängert sich die A. durch Wegfall von Feiertagen erkennbar (um 20 Prozent?). Am 23. 11. 1918 wird im → Deutschen Reich der Achtstundentag ange­ordnet und am 21. 12. 1923 die A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das Arbeitszeitrechtsgesetz allgemein geregelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S., Arbeitszeitrecht in der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner Arbeitszeitübereinkommen von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England 1750-1830, 2000

arbiter (lat. [M.]) Schiedsrichter, → Schiedsgericht

Lit.: Kampmann, C., Arbiter und Friedensstiftung, 2001

arbiträr (Adj.) willkürlich, nach Ermessen (z. B. Strafe [lat. poena arbitraria], möglich nach der Constitutio Criminalis Carolina 1532, ausgedehnt durch Benedikt Carpzov 1595-1666, eingeschränkt durch das Straf­gesetzbuch Josephs II. von 1787, bzw. das Strafgesetzbuch Bayerns von 1813).

Arbitrium (lat. [N.]) Ermessen, Gutachten, Entscheid, Schiedsspruch

Lit.: Meccarelli, M., Arbitrium iudicis und officialis im ius commune, ZRG GA 115 (1998), 552

archaisch (Adj.) altertümlich (anschaulich, einfach, mündlich)

Archäologie (Altertumskunde) ist die Wissenschaft von den gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B. Bauwerke, Geräte, Münzen, Knochen) von Menschen, die bei günstigen Voraussetzungen auch ethnische Unterschiede (z. B. im Frühmittelalter) wahr­scheinlich machen kann.

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A. 1983; Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Fehring, G., Die Archäologie des Mittelalters, 3. A. 2000; Sinn, U., Einführung in die klassische Archäologie, 2000; Halle, U., Die Externsteine sind bis auf weiteres germanisch!, 2002; Martini, W., Sachwörterbuch der klassischen Archäologie, 2003; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Die Aktualität des Archäologischen, hg. v. Ebeling, K. u. a., 2004; Frommer, S., Historische Archäologie, 2007

Archidiakon ist seit etwa 365 der Leiter der → Diakone einer Bischofskirche, der sich zum Stellvertreter des → Bischofs entwickelt, ehe er bis zum 19. Jh. weitgehend verschwindet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84

Archipresbyter ist der seit Anfang des 5. Jh.s nachweisbare Stellvertreter des → Bischofs bei Messfeier und Spendung der Sakramente, im frühen Mittelalter der Leiter der Priester einer Taufkirche.

Lit.: Faure, J., L’archiprêtre, 1911

Archiv ist die Einrichtung zur (geordneten) Sammlung und Aufbewahrung sowie Verwertung von Schriftgut (z. B. Akten, Urkunden, Karten, Pläne, Bilder, Dateien, Programme). Archive sind bereits in der Antike dort vorhanden, wo (umfangreiches) Schriftgut anfällt. Hieran schließt sich seit dem 3. Jh. die christliche Kirche an, deren frühmittelalterliches Schriftgut gleichwohl zu großen Teilen verloren ist. Im weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jh. sichtbar. Für das Heilige römische Reich setzt eine dauerhafte zentrale Archivierung erst mit König bzw. Kaiser Maximilian am Übergang zur Neuzeit ein. Das Hauptproblem der Gegenwart ist die große Menge des Schriftguts, das nach dem Grundsatz der Archivwürdigkeit von wissenschaftlich ausge­bildeten Archivaren (München 1821, Marburg 1894) gesichtet werden muss.

Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Goldinger, W., Geschichte des österreichischen Archivwesens, 1957; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen, 1961; Kleinau, H., Übersicht über die Bestände des niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel, 1963; Meisner, H., Archivalienkunde, 1969; Papritz, J., Archivwissenschaft, 1976; Gesamtarchiv Schenk von Stauffenberg, Herrschaft Wilflingen, hg. v. Becker, O., 1981; Archiv der Freiherren von Woellwarth. Urkundenregesten 1359-1840, bearb. v. Hofmann, N., 1991; Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 7 Spezialakten der badischen Ortschaften (229), bearb. v. Rupp, R., 1992; Franz, E., Einführung in die Archivkunde, 4. A. 1993, 5. A. 1999; Gaisberg-Schöckingensches Archiv, bearb. v. Müller, P., 1993; Füchtner, J., Quellen rheinischer Archive zur neuzeit­lichen Personen- und Familiengeschichte, 1995; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, red. Liess, A., 1996; Musial, T., Staatsarchive im Dritten Reich, 1996; Strauch, D., Das Archivalieneigentum, 1998; Weiser, J., Geschichte der preußischen Archivverwaltung, 2000; Handbuch der bayerischen Archive, hg. v. bayerischen Archivtag, 2001; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 2002, 4. A. 2004; Brenner-Wilczek, S. u. a., Einführung in die moderne Archivarbeit, 2006; Schoch, F. u. a., Archivgesetz, 2007; Schenk, D., Kleine Theorie des Archivs, 2008; Schreyer, H., Das staatliche Archivwesen der DDR, 2008

Arco

Lit.: Waldstein-Wartenberg, B., Geschichte der Grafen von Arco, 1971

Arelat (N.) Gebiet bzw. Reich um Arles in Burgund im Mittelalter

Arenga ist die der spätrömischen Rhetorik entstammende Einleitungsformel mittelalterli­cher Urkunden, die mit meist sehr allge­meinem Inhalt vom Protokoll (Urheber, Empfänger usw.) zum Text (Inhalt) überleitet.

Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957

argentarius (lat. [M.]) Bankier, → receptum (argentarii)

Ärgere Hand (lat. conditio [F.] vilior) ist die Kurzfassung des aus dem Grundsatz der Ebenburt (→ Ebenbürtigkeit) an manchen Stellen folgenden mittelalterlichen Rechts­satzes, dass Kinder aus Ehen von Ange­hörigen unterschiedlicher Stände dem Stand des schlechter geborenen Elternteiles ange­hören. Dieser Grundsatz nimmt vielleicht seinen Ausgang bei Ehen zwischen Unfreien und Freien. Mit der Durchsetzung der Gleichheitsidee (1789) verliert er seine Bedeutung.

Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht, 2000

Arglist ist die hinterhältige Gesinnung. Im klassischen römischen Schuldrecht verletzt jedes auf A. (lat. dolus [M.] malus) beruhende Verhalten ohne weiteres die Vertragstreue, so dass die Einrede (lat. [F.] exceptio) der A. auch ohne besondere Vereinbarung offensteht. In der Neuzeit bewirkt A. bei Täuschung die Anfechtbarkeit der dadurch beeinflussten Willenserklärung und kann arglistige Täuschung Strafbarkeit wegen Betrugs nach sich ziehen.

Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49; Braun, F., Ohne Arglist, ZRG GA 54 (1934), 246; Raschke, M., Der Betrug im Zivilrecht, 1900

Arianer ist der Angehörige der 325 auf dem Konzil von Nizäa verworfenen Lehre des alexandrinischen Priesters Arius, nach der Christus Gott nicht wesensgleich ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind bis ins 6. Jh. A., die Franken dagegen von Anfang an Athanasianer.

Lit.: Courtois, C., Les Vandales et L’Afrique, 1955; Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Arier ist der Angehörige eines arisch (indoiranisch) sprechenden, seit der Mitte des 2. Jt. v. Chr. geschichtlich nachweisbaren, auf die → Indogermanen zurückführbaren Vol­kes. Seit dem 19. Jh. wird zunächst A. mit Indogermane gleichgesetzt und dann allmählich A. als Angehöriger der nordischen → Rasse verstanden. Im Dritten Reich bedeutet A. in antijüdischer Verengung den Nichtjuden.

Lit.: Bajohr, F., „Arisierung“ in Hamburg, 1997

Arimanne (Heermann, lat. [M.] exercitalis) ist bei den Langobarden im Frühmittelalter der vollfreie Krieger, insbesondere möglicherweise der auf Königsland angesiedelte, dem König ver­pflichtete Krieger. Unklar sind die Bezüge zu einer vom 10. bis zum 13. Jh. belegten Abgabe ari­mannia.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cavanna, A., Fara sala arimannia, 1967; Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1; Jarnut, J., Prosopographische und sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Italien, 1972; Strukturen und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2000

Arisierung ist im Dritten Reich (Adolf → Hitlers) die überwiegend rechtswidrige Verdrängung der → Juden aus dem Berufsleben und der Wirtschaftstätigkeit des Deutschen Reiches (u. a. Verordnungen vom 26. 4. 1938, 25. 11. 1941), die nach 1945 nur teilweise ausgeglichen wird.

Aristokratie (F.) Adelsherrschaft, Adel (im Gegensatz zu Monarchie und Demokratie sowie auch zu Oligarchie)

Armenier ist der Angehörige des armenisch sprechenden, indogermanischen Volkes (10,4 Millionen).

Lit.: Der Genozid an den Armeniern, hg. v. Kieser, H. u. a., 2006

Armenrecht ist die einstweilige Befreiung einer armen (unbemittelten) Partei von den Kosten eines Rechtsstreits. Sie ist eine besondere Ausprägung der Bevorzugung wegen Armut, wie sie bereits von der mittelalterlichen Kirche gefordert wird. Sie findet sich etwa in der Reichskammerge­richtsordnungen von 1471 (§ 7), 1495 (§ 27), 1555 (1, 41) oder in der Constitutio Criminalis Carolina (Art. 47 CCC). In Deutschland wird 1980 das A. durch die → Prozesskostenhilfe (1981 §§ 114ff. ZPO) ersetzt.

Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Schott, C., Armenfürsorge, Bettelwesen und Vagantenbe­kämpf­ung in der Reichsabtei Salem, 1978; Mollat du Jourdin, M., Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Krauß, M., Armenwesen und Gesundheitsfürsorge in Mannheim vor der Industrialisierung, 1993; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hippel, W. v., Armut, Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit, 1995; Eser, S., Verwaltet und verwahrt, 1996; Hudemann-Simon, C., L’État et les pauvres, 1997; Hartlief, E., Die Düsseldorfer Armenversor­gungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998; Wohlrab, K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u. a., Ge­schichte der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Humborg, M., Das Armenrecht, Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und Armenpflege in der Stadt Zwickau, 1999; Jütte, R., Arme, Bettler, Beutelschneider, 2000; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002; Armut im Mittelalter, hg. v. Oexle, O., 2004; Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur, hg. v. Helas, P. u. a., 2006; Being poor in modern Europe, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2006; Norm und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Schmidt, S. u. a., 2006; Armenfürsorge und Wohltätigkeit - Ländliche Gesellschaften in Europa 1850-1930, hg. v. Brandes, I. u. a. , 2008

Armesünder ist ursprünglich der in der Kirche bemitleidenswerte Sünder (lat. miser peccator), in der frühen Neuzeit der dem peinlichen Gericht überantwortete Täter, insbesondere wenn er bereits (zum Tod) verurteilt ist.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 2. A. 1950, 163

Arnstein

Lit.: Heinrich, G., Die Grafen von Arnstein, 1961

Arnulfinger ist der Angehörige der nach Bischof Arnulf von Metz benannten Familie der Pippiniden oder späteren Karolinger. Von den Arnulfingern sind (ab etwa 650) 34 Urkunden und ein Brief überliefert (davon elf Fälschungen oder starke Verfälschungen), zu denen 56 verlorene Urkunden hinzuzrechnen sind (90 Privaturkunden).

Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2001, vgl. http://www.igh.histsem.uni-bonn.de

arra (lat. [F.]) Angeld, → arrha

Arras

Lit.: Kéry, L., Die Errichtung des Bistums Arras 1093/1094, 1994

Arrest ist die Verhaftung (eines Menschen oder einer Sache) oder Beschlag­nahme und insbesondere das Eilverfahren des Zivil­prozesses zur Sicherung der Zwangsvoll­streckung wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergeht. Im römischen Recht fehlt eine solche Einrichtung. Die Bezeich­nung A. erscheint seit dem Anfang des 13. Jh.s in französischen Quellen und wenig später auch in lateinischen Texten (arrestare, arrestum, Frankfurt am Main 1297, Liber Sextus 1298, Sachsenspiegelvulgatfassung um 1340, wissenschaftlich erörtert von Andreas Gail 1586, David Mevius 1674). Seit dem 17. Jh. verdrängen arrestieren und Arrest allmählich die ältere deutsche Bezeichnung Kummer für ein wohl schon seit dem frühen Mittelalter bekanntes, (nach Hans Planitz aus einem Handhaftverfahren erwachsenes,) seit dem späteren 12. Jh. (Köln 1178, be­schleunigtes gerichtliches Verfahren Hagenau 1164) durch Privilegien und Verträge urkundlich bezeugtes Verfahren, bei dem vielleicht anfangs der Personalarrest als außergerichtliche Selbsthilfemaßnahme des Gläubigers im Vordergrund steht, aber schon seit dem 13. Jh. von dem Sacharrest zurück­gedrängt wird. Seit dem Ende des 13. Jh.s macht der Gläubiger bei Gericht seinen Anspruch glaubhaft und der Richter ordnet die Anlegung des Arrests (meist bei Gericht) an., wobei erst nach Durchführung eines ordentlichen Verfahrens eine Zwangsvoll­streckung erfolgen kann.

Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Briegleb, H., Arrest und Kummer - Vermischte Abhandlungen I 1868, 1; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses, ZRG GA 34 (1913), 49; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses – Der Fremdenarrest, ZRG GA 39 (1918), 223, 40 (1919), 87; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996

Arrha (lat. [F.] arra, arrabon) ist die nach semitischem Vorbild („altorientalischer Arrhalvertrag“) im hellenistischen Recht bekannte, im entwickelten römischen Recht entbehrliche Draufgabe (Angeld) bei einem Vertragsschluss. Wer abredeuntreu wird, verwirkt im spätantiken Recht als Geber die a. an den Gegner und muss sie als Nehmer in doppelter Höhe zurückgeben. Im Früh­mittelalter (Codex Euricianus 297, Lex Baiwariorum 16, 10, Lex Visigothorum 3, 1, 3-4 [für Verlobung]) soll mit der Hingabe einer Teil­leistung ein Vertrag geschlossen worden sein, der vielleicht anfangs nur den Empfänger verpflichtet. Vielfach wird die a. nur als Symbol gegeben, das von den Beteiligten sofort verschenkt oder vertrunken wird. Seit dem Spätmittelalter verliert die auch als Weinkauf (Worms 1498), Angeld (ABGB § 908 [1811]) oder Draufgabe (ALR I 5 § 207 [1794], BGB § 337 [1896/1900]) bezeichnete a. außerhalb des Gesinderechts (Handgeld) ihre schuldbegründende Bedeutung und nähert sich dem → Reugeld. In jedem Fall hat die a. eine gewisse Beweisfunktion.

Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91, 127; Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Gastreich, F., Die Draufgabe, 1933; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992

Arrhalvertrag ist der aus dem Orient in das spätrömische Recht eindringende, unter notwendiger Verwendung einer → arrha (Hingabe unter An­rechnung auf die Ge­samtleistung oder oh­ne Anrechnung) entstehende, vom Formalver­trag und vom Realvertrag zu trennende → Vertrag.

Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164

Ars (F.) dictandi (lat.) ist die seit dem 12. Jh. auftretende Bezeichnung für die Lehre vom Abfassen von Briefen und Urkunden, die auf Grund der antiken Rhetorik und Grammatik am Anfang des 12. Jh.s in Oberitalien ausgebildet wird ([lat.] Praecepta [N.Pl.] dictamina 1111?).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über Briefsteller und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars dictandi, DA 13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979)

Ars (F.) notaria (lat.) ist die auf Grund antiker Vorläufer am Beginn des 13. Jh.s (ars notaria 1221) in Oberitalien (Bologna) ver­selbständigte Lehre von der Beurkundung von Rechtshandlungen ([lat.] Formularium [N.] tabellionum 1200/5, Rainerius Perusinus 1226-1233, Rolandus Passagerii [Summa Rolandina, 1255ff.]).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di notariato in Italia, 1926

Artes (F.Pl.) liberales (lat., Sg. ars liberalis) sind die in der römischen Antike auf der Grundlage der griechischen Philosophie von Bürgern gepflegten Wissenschaftsfächer (Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog. Trivium, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die im Mittelalter den Gegenstand der artistischen Fakultät der Universität bilden (schätzungs­weise 200000 Studierende in Deutschland im Mittelalter ohne späteren Übertritt in eine der drei höheren Fakultäten, 50-70 Prozent ohne Graduierung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien Künste im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des arts et ses maîtres aux XIIIe siècle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999; Haage, B./Wegner, W., Deutsche Fachliteratur der artes in Mittelalter und früher Neuzeit, 2007

Articuli (M.Pl.) reprobati (lat., Sg. articulus reprobatus) sind die von Papst Gregor XI. am 8.. 4. 1374 auf Betreiben des Augustinermönchs Johannes → Klenkok (Dekadikon, Magdeburg 1369) ohne wesentliche Auswirkung für nichtig erklärten 14 Artikel des → Sachsenspiegels, die kirchliches Verfassungsrecht (Landrecht I 3 § 3, III 57 § 1, III 63 § 2), Verfahrens­recht (Landrecht I 18 §§ 2, 3, I 39, I 63 § 3, I 64, II 12 § 10) und Privatrecht (Landrecht I 6 § 2, I 37, I 52 §§ 1, 2) betreffen.

Lit.: Köbler, DRG 117; Homeyer, C., Johannes Klenkok wider den Sachsenspiegel, Abh. d. Ak. d. Wiss. Berlin, phil.-hist. Kl. 1855, 1856, 377; Böhlau, H., Zur Chronologie der Angriffe Klenkoks, ZRG GA 4 (1883), 118; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der articuli reprobati im Ermlande, ZRG GA 31 (1910), 426; Kirche und Staat, hg. v. Eichmann, E., Bd. 2 1914, Neudruck 1968, 159ff.; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, K., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28; Der Sachsenspiegel als Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Ocker, C., Johannes Klenkok, 1993

articulus (lat. [M.]) Artikel

Artikel (M.) Gliedchen, Abschnitt

Artikelbrief ist der in Abschnitte gegliederte Brief (z. B. Dienstvertrag für Söldner, Kriegsartikel, Zunftbrief, Forderungen der Bauern 1525).

Lit.: Pelz, S., Die preußischen und reichsdeutschen Kriegsartikel, Diss. jur. Hamburg 1979; Seebass, G., Bundesordnung und Verfassungsentwurf, 1988

Artikelprozess ist der im Spätmittelalter entwickelte römisch-kanonische Zivilprozess, bei dem der Kläger nach der Erhebung der Klage und nach Durchführung der Streit­befestigung seinen Vortrag in scharf abge­grenzte Behauptungen einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.] positiones [bzw. articuli]) zerlegen (wahr, dass) und der Beklagte dazu einzeln Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones, glaubt wahr bzw. glaubt nicht wahr) geben muss, so dass sich (aus diesen auch als Artikel bezeichneten Positionen und Responsionen) leicht(er) das Bestrittene und vom Kläger zu Beweisende ermitteln lässt. Der A. wird bereits von der Reichskammergerichts­ordnung des Jahres 1496 (Art. 12, ähnlich 1555, 1570) übernommen, wegen seiner Schwerfälligkeit unter dem Einfluss des sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied von 1654 aber bis auf die noch im 19. Jh. erlaubten Beweisartikel wieder aufgegeben (vgl. aber Obliegenheit der Darlegung der Bestrittenheit oder Nichtbestrittenheit von Tatsachen für den Beklagten der Gegenwart).

Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen Zivilprozesses, 7. A. 1850; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. A. 1878; Budischin, J., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003

Artushof ist das von dem sagenhaften britischen König Artus (um 500) abgeleitete gesellschaftliche Bürgernetzwerk in Hanse­städten (z. B. Danzig 1350) bzw. das ihm dienende Gebäude.

Lit.: Selzer, S., Artushöfe im Ostseeraum, 1996

Arumaeus (van Arum), Dominikus (Leeuwarden 1579-Jena 24. 2. 1637) wird nach Studien in Franeker, Oxford, Rostock und Jena dort 1600 promoviert und 1602 zum außerordentlichen Professor (1605 ordent­licher Professor) ernannt. Er begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende, methodisch gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechtslehre, innerhalb deren er das Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht.

Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis Romano-Germanici Imperii, 1630; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988; Friedrich, M., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997

Arzt ist der wissenschaftlich vorgebildete Heilkundige.

Lit.: Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, 1983; Täterschaft, Straf­verfolgung, Schuldentlastung, hg. v. Böhm, B. 2007; Laufs, A./Katzenmeier, C./Lipp, V., Arztrecht, 6. A. 2009

As (lat. [N.]) ist eine römische Geldeinheit.

Asega ist eine Figur der (hoch)mittelalterlichen altfriesischen (Hunsigoer, Emsigoer, Fivel­goer, Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechtsquellen (17 Küren und 24 Landrechte), deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung (Gesetzessprecher?, Urteilsfinder?, Rechtskenner) umstritten sind.

Lit.: Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114; Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93

Asien ist der von Europa bis zum Pazifik reichende, u. A. Indogermanen, Mongolen, Chinesen und Japaner beherbergende Konti­nent.

Lit.: Krieger, M., Geschichte Asiens, 2003

Askanier ist der Angehörige eines ursprünglich alemannisch-fränkischen Ge­schlechts, das um 1000 am Harz erscheint. Unter Albrecht dem Bären († 1170) betreibt es die Ostsiedlung und erwirbt 1180 das Herzogtum Sachsen (Gebiet um Wittenberg). Die brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die → Wittelsbacher, die wittenbergischen 1422 (mit der 1356 in der Goldenen Bulle gesicherten Kurfürstenwürde) an die → Wettiner und die lauenburgischen 1689 an die → Welfen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär, 2001

assecuratio (lat. [F.]) → Versicherung

Assekuranz ist die wohl im 17. Jh. aus Italien übernommene, im 19. Jh. verdrängte Bezeichnung für die → Versicherung.

Assessor ist in der Spätantike der Rechtsberater hoher Amtsträger, seit dem 15. Jh. (?) der rechtsgelehrte Beisitzer eines Gerichts (z. B. des königlichen Kammerge­richts oder seit 1495 des Reichskammer­gerichts), seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s der Anwärter auf eine feste Anstellung im höheren Staatsdienst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 153; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter, Bd. 1f. 2003ff.; Mader, E., Die letzten Priester der Gerechtigkeit, 2005

Assise (mlat. [F.] assisa) ist die Versammlung und die Gesamtheit der dort beschlossenen Rechtssätze vor allem in Frankreich und England (z. B. Assise regum regni Sicilie [von Ariano] 1140, Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon 1166 Assize of novel disseisin, Assize of Northampton 1176, Grand Assize 1179, Assize of Woodstock 1184,). In England entwickelt sich daraus die Laienjury, die in Frankreich nach 1789 übernommen wird. Demgegenüber sind die Assisen von Jerusalem private Sammlungen von Abhandlungen über das Recht des Königreichs Jerusalem und Zyperns in französischer Sprache des 13. Jh.s.

Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, D., The Earliest Northamptonshire Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Etude critique sur les livres des Assizes de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und römisches Recht, 1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Jenks, S., Die Assisen von Clarendon (1166) und Northampton (1176), Ius commune 21 (1994), 149

Asso y del Río, Ignacio (1742-1804) begründet 1771 mit den (span.) Instituciones (F.Pl.) del derecho civil de Castilla ein aus partikularer Rechtssatzung schöpfendes, neben das römische Recht tretendes gemeines spanisches (kastilisches) Privatrecht, das begrifflich und systematisch noch röm­ischrechtlich geprägt ist.

Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don Ignacio de Asso y del Río, 1972

Assyrer ist der Angehörige des vom 2. Jahrtausend v. Chr. an im vorderen Orient bedeutenden, im späten 7. Jh. v. Chr. den Medern und Persern unterliegenden Volks.

Lit.: Cancik-Kirschbaum, E., Die Assyrer, 2003

Asyl (N.) unverletzlich(er Ort), Zuflucht Asylrecht

Asylrecht ist das Recht der geschützten Zuflucht (politisch) Verfolgter. In griechischer und späterer römischer Zeit besteht das sakral-magisch geprägte Recht, einem Täter an einem heiligen Ort vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von dort im 5. Jh. auf christliche → Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche Einrichtung auch den Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die wohl durch römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt das A. auf noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich wird später die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus, Richterhaus usw. erweitert. Der neuzeitliche Staat schafft das A. bis zum Ende des 18. Jh.s als geordneter Rechtspflege entbehrlich bzw. entgegenste­hend ab (Frankreich 1539, England 1625, Österreich 1787). Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten Schutz vor Verfolgung in einem Verfolger­staat (Art. 16 GG 1949).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259; Bindschedler, R., Kirchliches Asylrecht (Immunitas ecclesiarum localis) und Freistätten in der Schweiz, 1906; Mittermaier, H., Die geschichtliche Entwicklung des Asylrechts, Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Kimminich, O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems, H., Zur Entwicklung des Kirchenasyls, (in) Libertas, 1991, 139; Reiter, H., Politisches Asyl im 19. Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz, 1995; Gamauf, R., Ad statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das Asylrecht in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, 2003; Bammann, K., Im Bannkreis des Heiligen, 2002; Das antike Asyl, hg. v. Dreher, M., 2003; Derlien, J., Die religiöse und rechtliche Begründung der Flucht zu sakralen Orten, 2003; Traulsen, C., Das sakrale Asyl in der alten Welt, 2004

Aszendent (M.) Verwandter in aufsteigender Linie (z. B. Vater, Großmutter, Urgroßtante), Gegensatz Deszendent

Athen ist der griechische, seit dem 7. Jh. erkennbare Stadtstaat in Attika, in dem Drakon (624) und Solon (594) gesetzgeberisch tätig werden. 508/507 geht A. zur → Demokratie über. Im 4. Jh. könnte A. rund 30000 erwachsene Bürger gehabt haben. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86 v. Chr. fällt es unter Sulla an die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach dem griechischen Befreiungskampf wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und erhält 1837 eine Universität.

Lit.: Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Meyer-Laurin, H., Gesetz und Billigkeit im attischen Prozess, 1965; Wolff, H., „Normenkontrolle“ und Gesetzesbegriff, 1970; Mac Dowell, D., The Law in Classical Athens, 1978, 4. A. 1995; Bötig, K., Athen, 3. A. 1981; Rhodes, P., The Athenian Boule, 2. A. 1985; Welwei, K., Athen, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 2. A. 1994; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Habicht, C., Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and individual rights in Athens, ZRG RA 114 (1997), 27; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Lehmann, G., Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen, 1997; Figueira, T., The Power of Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian Acropolis, 1999; Welwei, K., Das klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in klassischer Zeit, 1999; Dreyer, B., Untersuchungen zur Geschichte des spätklassischen Athen, 1999; Knell, H., Athen im 4. Jahrhundert, 2000; Große Prozesse im antiken Athen, hg. v. Burckhardt, L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000; Law and Social Status in Classical Athens, hg. v. Hunter, V. u. a., 2000; Cohen, E., The Athenian Nation, 2000; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Wilson, P., The Athenian Institution of the Khoregia, 2002; Tießler-Marenda, E., Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius, 2002; Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen, hg. v. Cohen, D., 2002; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003; Pabst, A., Die athenische Demokratie, 2003; Schubert, C., Athen und Sparta, 2003; Goette, H./Hammerstaedt, J., Das antike Athen, 2004; Sinn, U., Athen, 2004; Flaig, E., Der verlorene Gründungsmythos der athenischen Demokratie, HZ 279 (2004), 36; Karakostas, I., König Otto, die Otto-Universität von Athen und ihre juristische Fakultät, 2007

Atlantikcharta ist die am 14. 8. 1941 von dem amerikanischen Präsidenten Wilson und dem britischen Premierminister Churchill auf einem Schiff im Atlantik vereinbarte Erklärung über die Grundsätze der Politik (Verzicht auf Aggression, Entwaffnung von Aggressions­staaten, Selbstbestimmungsrecht der Völker, Gleichberechtigung im Welt­handel, Freiheit der Meere), die von den Vereinten Nationen übernommen wird.

Atomrecht ist die Gesamtheit der Atome besonders betreffenden Rechtssätze (z. B. Deutschland 1959 Atomgesetz).

Lit.: Winters, K., Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978

Attentat ist der gewaltsame Angriff Einzelner auf einen Staat aus politischen Gründen.

Lit.: Kellerhoff, S., Attentäter, 2003

Aubry, Charles (1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in Straßburg zusammen mit Frédéric Charles Rau die vierte Auflage von Karl-Salomon Zachariäs Handbuch des französischen Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins Französische und entwickelt hieraus in der Folge die führende Darstellung des französischen Privatrechts des 19. Jh.s.

Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E., Inauguration d’un moment à la mémoire de Aubry et Rau, 1923

Auctor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Vormann eines Gewalthabers einer Sache, auf den sich dieser berufen kann, wenn ein anderer als Eigentümer von ihm die Sache verlangt. Scheitert die Verteidigung durch den a., kann der angegriffene Gewalthaber vom a. den doppelten Kaufpreis verlangen.

Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler, DRG 24; Köbler, LAW

auctoritas (lat. [F.]) Ansehen, Zustimmung, (z. B. eines [lat., M.] tutor zu einem Geschäft eines [lat., M.] pupillus bei Vornahme des Geschäfts)

Auctor (M.) vetus de beneficiis (lat.) ist das in lateinischer Reimprosa abgefasste Rechtsbuch mit Grundsätzen des Lehnrechts, das (in wortgetreuer Übersetzung) in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) die Grundlage des mitteldeutschen → Görlitzer Rechtsbuches bildet. Es ist streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts des Sachsen­spiegels (oder eine im frühen 14. Jh. aus einer deutschen Fassung entstandene lateinische Übersetzung) darstellt oder auf sie unmit­telbar zurückgeht. Alle Handschriften sind verschollen. Die Überlieferung besteht in Drucken von 1569 (Havichorst), 1692 (Aus­züge, Freher) und 1708 (Thomasius). Möglicherweise enthält der A. v. ursprünglich auch Landrecht in lateinischer Fassung. Der A. v. kennt ein Volljährigkeitsalter von 24 Jahren (I 65), während der Sachsenspiegel im Landrecht eine Volljährigkeit von 21 Jahren aufweist (I 42 § 1). Ihm fehlen Sätze späterer Ergänzungen des Sachsenspiegels in jüngeren Bearbeitungsstufen.

Lit.: Köbler, DRG 103; Moeller, R., Noch einmal der Vetus auctor de beneficiis und der Sachsenspiegel, ZRG GA 38 (1917), 309; Eckhardt, K., Die Volljährig­keitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4; Auctor vetus de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittel­alters, Bd. 1 1990, 27; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1 1998

Audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere Seite muss (gerechterweise stets) gehört werden (vorrömisch, belegt 1580).

Lit.: Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, 1976; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Coenraad, L., Het beginsel van hoor en wederhoor in het Romeinse procesrecht, 2000; Zur Erhaltung guter Ordnung, hg. v. Hausmann, J. u. a., 2000

Auditor (M.) Zuhörer, Hörer

Lit.: Hülle, W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971

Aufgebot ist allgemein die öffentliche Aufforderung zu einem Verhalten (z. B. A. zum Heeresdienst), insbesondere die (mehr­fache) öffentliche, vielfach gerichtliche Aufforderung an unbekannte oder an unbe­kanntem Ort weilende Beteiligte, zwecks Verhinderung eines Rechtsverlusts vor einer beabsichtigten Änderung der Rechtslage Tatsachen anzugeben oder Rechte geltend zu machen. Ähnliche Vorgangsweisen erschei­nen bereits in fränkischer Zeit (z. B. bei Vollstreckung in Grundstücke). Im Mittelalter finden sie vermehrt Anwendung (z. B. bei Aneignung gefundener beweglicher Sachen oder bei der Suche nach unbekannten Erben). Ein A. vor einer Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte Laterankonzil 1215. Mit der Rezeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt sich die → Ediktalzitation, bei der jemand binnen einer Frist Klage zu erheben hat, wenn er sein Recht nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird das A. in der preußischen → Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der deutschen Zivilprozess­ordnung (1877/1879). Das A. vor einer weltlichen Eheschließung wird in Deutschland und Österreich am Ende des 20. Jh.s beseitigt bzw. eingeschränkt.

Lit.: Haase, E., Über Ediktalladungen und Ediktal­prozess, 1871; Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII

Aufklärung ist allgemein die Aufhellung eines dunkleren Zustands. Unter Bezugnahme auf einen auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten Erkenntnisvorgang durch selb­ständiges unvoreingenommenes Denken wird die gesellschaftskritische Geistesbewegung des 17./18. Jh.s A. genannt (frühe Anfänge im letzten Drittel des 17. Jh.s). Vorbereitend hierfür wirken Renaissance, Humanismus und Reformation. Als Denkverfahren werden → Empirismus und → Rationalismus verwendet. Bewusst wird die Einbeziehung immer breiterer Kreise (des Publikums) gesucht. Im Recht entspricht dem Gedankengang der A. die Anerkennung eines weltlichen → Naturrechts (→ Ver­nunftrechts), das in die Kodifikationen des → Allgemeinen Land­rechts Preußens (1794), des → Code civil Frankreichs (1804) und des → Allgemeinen Bürgerlichen Ge­setzbuchs Österreichs (1811/

­1812) Eingang findet, und die Ab­lehnung von Folter, Hexenprozess, Leibes­strafen einerseits und das Verlangen nach Gewaltenteilung, Teilhabe an der Macht, Grundrechten, Verfassung und Volkssouverä­nität ande­rerseits. In der Verwaltung entsteht aus der A. die Funktionalität anstrebende Kameral­wissen­schaft. In der Wirtschaft geht es in der A. um größtmöglichen Wohlstand. Politisch führt die A. zum aufgeklärten → Absolutismus (Friedrich der Große in Preußen, Joseph II. in Österreich, Großherzog Leopold in Toskana) bzw. zur Revolution in Frankreich vom 14. 7. 1789. Die vollständige Umsetzung aller Ziele in politische Handlung gelingt nicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161, 206; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Valjavec, F., Geschichte der abendländischen Aufklärung, 1961; Schulze, R., Policey und Gesetz­gebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982; Bosshard, H., Pestalozzis Staats- und Rechtsverständnis und seine Stellung in der Aufklärung, 1983; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Im Hof, U., Das Europa der Aufklärung, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995; Vierhaus, R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997; Aufklärung-Vormärz-Revolution, hg. v. Reinalter, H., 1997; Der Illuminatenorden (1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M., Aufklärung und Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The Enlightenment and the Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v. Williams, D., 1999; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Aufklärung – Vormärz – Revolution, hg. v. Reinalter, H., 2000; Böning, H./Siegert, R., Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001; The Enlightenment in Europe, hg. v. Schneiders, W., 2003; Bürgerliche Freiheit und christliche Verantwortung, hg. v. De Wall, H., 2003; Les Lumières et leur combat, hg. v. Mondot, J., 2004; Borgstedt, A., Das Zeitalter der Aufklärung, 2004; Goldenbaum, U., Appell an das Publikum, 2004; Asbach, O., Staat und Politik zwischen Absolutismus und Aufklärung, 2005; Fichte und die Aufklärung, hg. v. De Pascale, C., 2005; Körber, E., Die Zeit der Aufklärung, 2006; Israel, J., Enlightenment Contested, 2006

Auflassung ist die Öffnung eines Grund­stücks für einen Erwerber. Sie erfolgt zunächst durch tatsächliches, möglicherweise rechtsförmliches Eröffnen des Grundstücks, später durch eine Erklärung vielleicht unter notwendiger Wahrung bestimmter Formen (außerhalb des Grundstücks, wissenschaftlich als zweiter Teil der Investitur eingeordnet, Besitzaufgabe). Seit dem 13. Jh. wird A. zur Bezeichnung für die Grund­stücksübereignung insgesamt. Häufig erfolgt sie gerichtlich. Während der Aufnahme des römischen Rechts in der frühen Neuzeit wird die A. zurückgedrängt. Im 19. Jh. dringt sie wieder vor. Im deutschen bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist sie die Bezeichnung für den von Savigny (1779-1861) ent­wickelten dinglichen Vertrag über den Eigen­tumsübergang an Grundstücken, zu dem die Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch hinzukommen muss, wobei die gesamte Übereignung bei Fehlen eines Grundgeschäfts als ungerechtfertigte Berei­cherung rückgängig gemacht werden kann.

Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2; Stobbe, O., Die Auflassung des deutschen Rechts, Jh. Jb. 22 (1873), 137; Lehmann, K., Die altnordische (altnorwegisch-altisländische) Auflassung, ZRG GA 5 (1884), 84; Lehmann, K., Zur nordgermanischen Auflassung, ZRG GA 11 (1890), 255; Schmidt, W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932; Voser, P., Die altdeutsche Leigenschaftsüber­eigung, 1952; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Steppan, M., Das bäuerliche Recht an der Liegenschaft, 1995; Wieling, H., Wie Kaiser Konstantin die germanische Auflassung erfand, ZRG GA 124 (2007), 287

Aufnehmen des Kindes (in die Familie) ist der in frühmittelalterlichen Volksrechten er­kennbare, nach der Geburt vielleicht notwen­dige förmliche Rechtsakt, durch den ein neugeborenes Kind Mitglied der Rechtsge­meinschaft wird und deshalb danach nicht mehr ausgesetzt werden kann. Unter dem Einfluss des Christentums verschwindet dieses besondere A.

Lit.: Hübner 52f., 699; Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA 31 (1910), 131

Aufopferung ist die Beseitigung eines einzelnen Rechtes zugunsten der Allgemeinheit oder eines begünstigten Dritten, für die seit der Aufklärung Ersatz zu leisten ist (vgl. § 75 Einl. ALR).

Lit.: Köbler, DRG 259; Niesler, A., Aufopferung und Enteignung vom ALR bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.

Aufrechnung ist die schon der römischen klassischen Jurisprudenz als prozessual geltend zu machende (lat. [F.]) → compensatio bekannte, wechselseitige Til­gung zweier sich gegenüberstehender gleich­artiger Forderungen durch Verrechnung (Verurteilung nur auf einen vorhandenen Überschuss bzw. [lat.] exceptio [F.] doli zur Überprüfung der Gegenforderung). Das ältere deutsche Recht kennt anscheinend einen besonderen Aufrechnungsvertrag. Eine A. durch ein­seit­ige Erklärung entsteht wohl unter römisch­rechtlichem Einfluss im Spätmittelalter. Später genügt auf Grund eines Ansatzes des Glossators Martinus eine bloße Aufrech­nungslage für das Erlöschen der gegen­überstehenden Ansprüche (ALR I 16 § 301, Cc 1290, ABGB § 1348). Seit dem späteren 19. Jh. wird die A. als einseitiges Rechts­geschäft eingeordnet und wieder eine Auf­rechnungserklä­rung verlangt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielemeier, K., Das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Halbwachs, V., Ipso iure compensatur, hg. v. Thier, A. u. a., 1999; Pichonnaz, P., La compensation, 2001

Auftrag ist im römischen Recht die als (lat. [N.]) → mandatum bezeichnete Übernahme der unentgeltlichen Besorgung eines fremden Geschäfts (eines Auftraggebers oder Man­danten durch einen Auftragnehmer oder Mandatar), die wohl auf sittliche Pflichten zum Tätigwerden für einen Nachbarn zurückgeht, wobei diesem A. mangels der Möglichkeit unmittelbarer Stellvertretung keine Vollmacht entspricht (höchstper­sönlicher Konsensualkontrakt). Im deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere Rolle gespielt zu haben. Nach der Rezeption des römisch­rechtlichen Mandats wird am Ende des 19. Jh.s zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als Rechts­macht gegenüber Dritten (Außenverhältnis) unterschieden (§ 788 SächsBGB 1863, § 662 BGB 1896).

Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag, Werkver­trag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Bielefeld 1987; Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004

Aufwertung ist die Erhöhung eines Wechselkurses einer Währung im Verhältnis zum Goldwert oder zu anderen Währungen. Daneben wird auch die Erhöhung des Nennbetrages einer Geldschuld, die in Einheiten einer entwerteten Währung aus­gedrückt ist, entsprechend der Kaufkraft bei der Begründung des Schuldverhältnisses als A. bezeichnet (z. B. Aufwertungs­ent­schei­dung des Reichsgerichts vom 28. 11. 1923, 3. Steuernotverordnung vom Februar 1924 auf Grund der Inflation, Aufwertungs­gesetz vom Juli 1925) im Deutschen Reich.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 50; Mügel, O., Die Entwicklung der Aufwertungslehre des Reichsgerichts, DJZ 1928, 29ff.; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit in den Entscheidungen des Reichs­gerichts in Zivilsachen, 1996; Scholz, R., Analyse der Entstehungsbedingungen der reichsgerichtlichen Auf­wertungsrechtsprechung, 2001; Chlosta, C., Nur dem Gesetz unterworfen?, 2005

Aufzeichnung ist die Umwandlung von Gedachtem oder Gesprochenem in Schrift oder andere weniger schnell vergängliche Mittel. → Schriftlichkeit

Auge ist das dem Sehen dienende Sinnesorgan von Tieren und Menschen, das auch als Zeichen der alles sehenden Gerechtigkeit verwendet werden kann.

Lit.: Deonna, W., Le symbolisme de l’oeil, 1965; Jaeger, W., Augenvotive, 1979; Schleusener-Eichholz, G., Das Auge im Mittelalter, 1980; Geissmar, C., Das Auge Gottes, 1993; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004

Augenschein ist die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Der A. ist als Beweismittel be­reits dem römischen Prozessrecht bekannt und findet auch im mittelalterlichen deutschen Prozess (insbesondere im Inquisitionsprozess) Verwendung (mhd. blickender schin, lat. evidentia ocularis). Seit dem 17. Jh. wird der A. wissenschaftlich erörtert.

Lit.: Kaser § 84; Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1879; Holde­fleiß, E., Der Augenscheinbeweis im mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933

Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837)

Augen auf, Kauf ist Kauf ist wohl ein erst im 19. Jh. geschaffenes Rechtssprichwort, das der Begründung des Ausschlusses der Sach­mangelhaftung im deutschen Recht dient.

Lit.: Vgl. Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprich­wörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 2002, 38f.

Augsburg geht auf den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach gegründeten Vorort Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück (um 121 n. Chr. [lat. N.] municipium). Vielleicht ist es seit dem 4. Jh. (oder 5. Jh.) trotz Zerstörung durch Germanen (5. Jh. Alemannen) Sitz eines seit dem 7. Jh. bzw. 738 nachweisbaren Bischofs. 1156 grenzt eine Urkunde Kaiser Friedrichs I. Barbarossa die Rechte des Bischofs und die Rechte der Bürger voneinander ab. 1167/1168 lässt sich der Kaiser die Hochstiftsvogtei und die Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei an das Reich. 1276 zeichnet die Stadt ein eigenes, vom König bestätigtes Stadtrecht in mittelhochdeutscher Sprache auf. Zu dieser Zeit entsteht wohl in A. eine mittelhochdeutsche Fassung des Sachsenspiegels, die zu Deutschenspiegel und sog. Schwabenspiegel weiterbearbeitet wird. 1294 erhält A. ein Nichtevokationsprivileg König Adolfs von Nassau. An der Wende des Mittelalters zu Neuzeit wirkt von A. aus die Kaufmannsfamilie Fugger. 1555 wird in A. der Augsburger Religionsfriede geschlossen. Bis 1805 bleibt das zu einem europäischen Handelsmittelpunkt aufsteigende A. danach Reichsstadt, bis es am 26. 12. 1805 durch den Vertrag von Pressburg  an Bayern fällt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Stadtbuch von Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1872; Urkundenbuch der Stadt Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1874ff.; Berner, E., Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Augsburg, 1876; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Wolff, A., Gerichtsverfassung und Prozess im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit, Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129; Steiger, H., Geschichte der Stadt Augsburg, 1941; Augusta 955-1955, 1955; Liedl, E., Gerichtsverfassung und Zivilprozess der freien Reichsstadt Augsburg, 1958; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969; Zorn, W., Augsburg, 2. A. 1972, 4. A. 2001; Schröder, D., Stadt Augsburg 1975; Geschichte der Stadt Augsburg, hg. v. Gottlieb, G., 2. A. 1985; Fassl, P., Konfession, Wirtschaft und Politik, 1988; Roeck, P., Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989; Dietrich, R., Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat, 1993; Hecker, H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg, ZRG GA 113 (1996), 391; Augsburger Buchdruck und Verlagswesen, hg. v. Gier, H. u. a., 1997; Künast, H., Getruckt zu Augspurg, 1997; Müller, F., Bürgerliche Herrschaft in Augsburg, 1998; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2001; Roeck, B., Geschichte Augsburgs, 2005

Augsburger Konfession (Bekenntnis) ist die von Philipp Melanchthon für den Reichstag zu Augsburg verfasste, am 25. 6. 1530 verlesene Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln (im Gegensatz zum Helvetischen Bekenntnis).

Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der Augustana, Z. f. systemat. Theologie 15 (1938), 419

Augsburger Religionsfriede ist der im Reichsabschied des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) vom 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I. (für Karl V.) und den deutschen Reichsständen in Bezug auf die Religion nach dem Stand vom 2. 8. 1552 ge­schlossene Friede, der die freie Reli­gionsausübung für Katholiken und Lutheraner gewährleistet. Er sichert den Reichsständen (nicht aber ihren Untertanen) die Freiheit der Bekenntniswahl zu ([lat.] → cuius regio, eius religio). Gibt ein geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben auf, verliert er Gebiet und Kirchenamt ([lat.] → reservatum [N.] ecclesiasticum). Das Auswanderungsrecht von Untertanen bereitet die Religionsfreiheit vor. Der lückenhafte, widersprüchliche und auch mehrdeutige A. R. kann weder die geistliche Einheit herstellen noch den Frieden dauerhaft sichern, bildet aber die Grundlage des paritätischen Reichskirchenrechts bis 1806.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K., Der Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger Religionsfriede, 1955; Walder, E., Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts, 3. A. 1974; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammer­gericht 1550-1600, 1976; Heckel, M., Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 2. A. 2001; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfrieden, 2004; Heckel, M., Konfessionalisierung in Koexistenznöten, HZ 280 (2005), 647; Heckel, M., Politischer Friede, HZ 282 (2006), 391

Augsburger Vertrag (Augsburger Transaktion) → Niederlande

Augustiner ist der Anhänger des nach der im 8. Jh. entstandenen sog. Regel Augustins (354-430) lebenden kirchlichen Ordens. Zu den Augustinern gehören die Augustiner-Eremiten (Orden zwischen 1244 und 1256), während Augustinerchor­herren (11. Jh.), Prämonstratenser und Dominikaner nur auch nach der Regel Augustins leben.

Lit.: Verheijen, L., La règle de St. Augustin, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Gutiérrez, D. u. a., Geschichte des Augustinerordens, 1975ff.; Cremona, C., Augustinus, 2. A. 1995; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003

Augustinus (354-430)

Lit.: Fuhrer, T., Augustinus, 2004; Augustin Handbuch, hg. v. Drecoll, V., 2007

Augustus (Rom 23. 9. 63 v. Chr.–Nola bei Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer Nichte Caesars, 44 n. Chr. Adoptivsohn Caesars (ursprünglich Gaius Octavius, seit Adoption Gaius Iulius Caesar, Ehrenname griech. sebastos, lat. augustus, Erhabener) verfolgt die Mörder Caesars und wird 36 v. Chr. Herrscher im westlichen und 30 v. Chr. Herrscher auch im östlichen Teil des römischen Reiches. Äußer­lich stellt er die republikanischen Zustände wieder her. Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.) mit seinem Prinzipat den Übergang zum Kaisertum ein. Seine Herrschaft wird als (lat.) pax (F.) Augusta (augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe erlässt er gesetzliche Ge­bote und Verbote.

Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982, 3. A. 1999; Eck, W., Augustus und seine Zeit, 1998; Bleicken, J., Augustus, 1998; Bringmann, K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums, 2002; Schlange-Schöningen, H., Augustus, 2005; Bringmann, K., Augustus, 2007

Auktion ist die schon der Antike bekannte, dort rechtlich nicht besonders beachtete Veräußerung einer (beweglichen) Sache an den Meistbietenden durch öffentlichen Aufruf. Sie erhält sich in der Form der Vergabe von Steuern, Ämtern und Nutzungen an den Meistbietenden in den romanischen Ländern. Im 13. Jh. dringt die A. gepfändeter Güter eines nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein. Daneben findet sich seit dem 14. Jh. die A. von Waren durch Groß­händler, seit der Mitte des 17. Jh.s die A. fremdländischer Waren durch Kolonialge­sellschaften. Wegen der damit möglichen Missstände entstehen Ordnungsvorschriften, die mit Einführung der Gewerbefreiheit im 19. Jh. wieder aufgegeben werden. Wegen der damit wieder möglichen Missstände greift der Gesetzeber seit 1883 wieder ein (in Deutsch­land u. a. 1960 § 34b GewO).

Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900; Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960; Thielmann, G., Die römische Privatauktion, 1961; Marx, H./Arens, H., Der Auktionator, 1992; Schneider, A., Auktionsrecht, 1999; Spindler, G./Wiebe, A., Internet-Auktion, 2001

Aurich

Lit.: Conring, W., Die Stadt- und Gerichtsverfassung der ostfriesischen Residenzstadt Aurich, Diss. jur. Göttingen 1965

Ausbildung

Lit.: Elementarbildung und Berufsbildung zwischen 1450 und 1750, hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005

Ausbildungsförderung ist die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung durch Geldleistungen seitens der Allgemeinheit. Sie ist eine Folge des Sozialstaatsgrundsatzes. Sie ist auf Herstellung der Chancengleichheit im Ausbildungsbereich gerichtet (in Deutschland 1957-1971 Honnefer Modell, 1971ff. Bundes­ausbildungsförderungsgesetz).

Lit.: Köbler, DRG 261

Ausbluten(lassen)

Lit.: Rau, K., Augsburger Kinderhexenprozesse, Diss. jur. Zürich 2003

Ausbürger ist der außerhalb der → Stadt lebende → Bürger.

Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger, 1973

Auschwitz ist der Ort eines Konzentrationslagers des Dritten Reichs. Ab 1963 werden in der Bundesrepublik Deutschland Strafverfahren wegen dort verübter Verbrechen durchgeführt. Dabei werden 22 Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt, 3 freigesprochen.

Lit.: Langbein, H., Der Auschwitzprozess, 1995; Werle, G./Wandres, T., Auschwitz vor Gericht, 1995

Ausdärmen ist das gelegentlich angedrohte, kaum tatsächlich ausgeführte Töten eines Menschen durch Herausziehen des Darmes aus dem Körper als Strafe.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920ff.; Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsge­schichte, 1942

Ausgleich ist die 1867 unter maßgeblicher Beteiligung Franz Deáks (Söjtör 17. 10. 1803-Budapest 28. 1. 1876) für die Selbständig­keitsbestrebungen → Ungarns innerhalb der österreichisch-ungarischen Doppel­monarchie gefundene Lösung (ungarischer Gesetzesartikel XII:1867, österreichisches Delegationsgesetz vom 21. 12. 1867, RGBl. 1867, 146, betreffend die allen Ländern der österreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Be­handlung, Umwandlung des Kaisertums Österreich in die österreichisch-ungarische Monarchie). Auf der Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit Ungarns und der ungarischen Anerkennung der → Prag­matischen Sanktion (1723) wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen Ländern der Herrscher, die auswärtigen Ange­legenheiten, die Armee und das Finanzwesen (mit gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen Ministerium gemeinsam sein sollen (gemeinsame pragmatische Angelegenheiten und dualistische Angelegenheiten, Trennung in kaiserlich und königliche k. u. k., kaiserlich-königliche k. k. und königlich ungarische k. ung. Organe). Das daraus erwachsende staatsrecht­liche Verhältnis zu → Österreich wird teils als Gesamtreich oder Personalunion, teils als Realunion erklärt. 1918 wird Ungarn souverän.

Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, 1967; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001

Aushebung (F.) Auswahl von Soldaten bei Wehrpflicht

Lit.: Schulze, W., Landesdefension und Staatsbildung, 1973

ausheischen (V.) herausverlangen, verlangen, dass ein Streit von einem Gericht vor einem Oberhof (z. B. Ingelheim) zur Sprache ge­bracht wird

Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation an das Reichskammergericht, 1976

Ausländer ist der aus einem anderen Land kommende und deswegen einem anderen Land angehörige → Fremde. Der A. erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder im 13. Jh. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A. (18. 4. 1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen Gemein­schaften).

Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G., Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland, 2001

Auslegung ist die Ermittlung und Klarlegung des Bedeutungsgehaltes eines Umstandes, insbesondere einer Erklärung. Sie ist bereits Bestandteil der römischen Rechts­wissenschaft, die das Zwölftafelgesetz ebenso auslegt wie einzelne Verträge oder Erklärungen. Justininian verbietet 529/530/­533 die A. seiner Kompilation (Const. 1, 14, 12, Deo auctore 12, Const. Tanta 21). Nach der vorkritischen Hermeneutik der Aufklärung und des Ver­nunftsrechts ist Verstehen die Regel und Missverstehen die Ausnahme, weswegen die A. klarer und eindeutiger Rechtssätze ausge­schlossen ist. Zulässig ist vor allem die erklärende Aus­legung, während ausdehnende und ein­schränkende A. ausgeschlossen sein können (z. B. Forster, V., Interpres, 1613, 2, 4). In der Neuzeit, vor allem seit dem 18. Jh. erscheinen vermehrt Verbote der A. (Stadtrechts­re­formation Nürnberg 1479/1484, Land­rechts­reformation Bayern 1518, Papst Pius IV. Benedictus Deus 1654, Ordonnance Frankreichs 1667, Preußen 1746, 1794, ähnlich Österreich Codex Theresianus 1758 fertiggestellter Teil, Frankreich Gesetze von 1790/1793). Nach der modernen Hermeneutik ist Missverstehen die Regel, so dass auch scheinbar klare und eindeutige Rechtssätze der A. bedürfen. In seinen methodologischen Darlegungen unterscheidet am Beginn des 19. Jh.s Savigny vier Arten von A. (grammatisch, historisch, systematisch und teleologisch).

Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Müller, H., Zur Geschichte der bindenden Gesetzesauslegung, 1939; Schumacher, D., Das rheinische Recht in der Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Conrad, H., Richter und Gesetz, 1971; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005; Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesum­gehung, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, Neudruck 2007; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des Reichsober­handelsgerichts und des Reichsgerichts zur Auslegung von Rechtsgeschäften, (in) Das Bürgerliche Gesetz­buch und seine Richter, 2000, 625; Miersch, M., Der sog. référé législatif, 2000; Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, 2001; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Haspl, R., Die Kontrolle der tatrichterlichen Auslegung von individuellen Willenserklärungen durch die Rechtsmittelinstanz, 2008; Baldus, C., Historische Auslegung in Rom?, Seminarium Complutense 20/21 (2007/2008), 85

Auslieferung ist die Beförderung von Sachen oder Menschen von einem Ort an einen anderen Ort oder die Überlassung an andere, meist gefährlichere Gegebenheiten. Das römische Recht kennt die A. von Tieren oder Sklaven in der Form der Preisgabe zwecks Haftungsfreiheit des Berechtigten oder Herren ([lat.] noxae datio [F.]). In der Neuzeit ist vor allem die A. eines Straftäters von einem Staat an einen anderen Staat zwecks Straf­verfolgung oder Strafvollzug bedeutsam.

Lit,: His, R., Das Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1920

Auslobung ist das durch öffentliche Be­kanntmachung erfolgende (seit dem 18. Jh.) einseitige Ver­sprech­en einer Belohnung für die Vornahme einer Handlung, das im 18. Jh. so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als Angebot an unbestimmte Personen angesehen.

Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslobung, Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Ausmärker ist der außerhalb einer → Mark Wohnende, der nur ausnahmsweise an einer Mark berechtigt ist. Seit dem Spätmittelalter wird eine Verfügung über Allmendrechte ohne Zustimmung der anderen Berechtigten möglich. Dadurch wird die Allmendberech­tigung verkehrsfähig.

Lit.: Hübner 137f.; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf, 1957ff.

Ausnahmegericht ist das besonders gebildete und zur Entscheidung besonderer Fälle be­stimmte Gericht. Es findet sich beispielsweise als Star Chamber oder Court of High Com­mission in England, als Justizkom­mission im Absolutismus in Frankreich oder als Zentral­untersuchungskommission im Deutschen Bund. Ausgehend von England (Bill of Rights 1689) wird das A. in den Verfassungen verboten (Frankreich 1791, Deutsches Reich 1849).

Lit.: Pollard, A., Council, Star Chamber and Privy Council under the Tudors, EHR 37 (1922), 516; Menzel, W., Ausnahmegericht und gesetzlicher Richter, 1925; Schmidt, J., Rechtssprüche und Machtsprüche der preußischen Könige des 18. Jahrhunderts, 1943; Andrieux, C., Les Commissions Extraordinaires, 1955 (Diss. Paris); Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003

Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jh.s als solcher erkannte Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage, in der grundsätzlich die Regel gilt Not kennt kein Gebot. Nach rechtsstaatlichem Ver­ständnis bedarf auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung (z. B. Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. 6. 1851 Preußen, Reichstagsbrandverordnung vom 28. 2. 1933 Deutsches Reich, Art. 87a, 91, 115aff. GG). Im Zweifel entscheidet der souveräne Staat über das anzuwendende Mittel.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Heidelberg, 1997

Außenerbe (lat. heres [M.] extraneus) ist im altrömischen Recht der bei Fehlen von Haus­erben (lat. sui heredes [M.Pl.]) eintretende Erbe (Agnat, Gentile, Patron, beliebiger Haus­fremder), der die Vermögensrechte durch eine besondere Handlung ergreifen muss.

Lit.: Kaser § 65

Ausschlagung ist die bereits dem römischen Recht bekannte Willenserklärung des vor­läufigen Erben, die Erbschaft nicht anzu­neh­men (lat. repudiare).

Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Ausschuss ist allgemein das aus einer Gesamtheit Ausgesonderte wie z. B. eine Untergliederung einer Einrichtung zur einfacheren Erfüllung einer Aufgabe (z. B. Untersuchungsausschuss).

Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre 1928; Schönberger, C., Parlament im Anstaltsstaat, 1997

Außenminister - > Minister

Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt in wilhelmini­scher Zeit, 2001

Außerstreitverfahren → freiwillige Ge­richtsbarkeit

Aussetzung ist die bewusste Verbringung einer Person in eine Lage, in der ihr eine besondere Gefahr für das Leben droht. Nach dem römischen Zwölftafelgesetz ist die A. einer Missgeburt geboten, nach späterem römischem Recht und nach einzelnen frühmittelalterlichen Volksrechten ist die A. eines neugeborenen Kindes anscheinend erlaubt, doch lehnt die christliche Kirche die A. ab. Ob es A. als Strafe gegeben hat, ist streitig. Im Übrigen ist A. eine Straftat.

Lit.: Kaser § 60; Hübner 52; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Schwarz, H., Der Schutz des Kindes im Recht des frühen Mittelalters, 1993

Aussperrung ist die von Arbeitgeberseite seit dem 19. Jh. unter Verweigerung der Lohn­zahlung planmäßig vorgenommene Nichtzu­lassung einer Gruppe von Arbeitnehmern zur Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des Arbeits­kampfes. Ihre Zulässigkeit ist nicht unbe­stritten.

Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. phil. Bochum 1972

Ausstattung ist die über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgehende, mit Rücksicht auf die Verheiratung oder die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung erfolgende Zuwendung der Eltern an ein Kind. Sie geschieht im Wesentlichen als → Ab­schichtung bei Verheiratung oder sonstiger Verselbständigung. Einen eindeutigen Rechts­anspruch auf A. gewähren das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.) und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 1220, 1231).

Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000

Ausstäupen ist das mittels Rute, Stock oder Peitsche erfolgende Schlagen (an einem Pfahl [Staupe]?). Es findet sich als Rechtsfolge einer Tat früh für Unfreie, seit dem Hoch­mittelalter als Strafe des Diebstahls von geringerem Wert. Die Aufklärung erreicht bis 1848 die Beseitigung des Ausstäupens.

Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938

Aussteuer ist die in weitem Umfang übliche Zuwendung der zur angemessenen Ein­richtung eines Haushaltes gehörenden Gegen­stände (an eine Tochter durch die Eltern oder näheren Verwandten), die auch als Heim­steuer, Brautschatz und Mitgift bezeichnet wer­den kann. Sie ist wohl nur ausnahmsweise rechtlich notwendig (z. B. § 1220 ABGB, §§ 1620ff. BGB [1957 aufgehoben], nicht II 2 §§ 231ff. ALR). In der Gegenwart wird die A. vor allem durch die Gewährung einer Ausbildung verdrängt.

Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000

Austin, John (1790-1859), von 1826 bis 1832 Professor in London, ist als Begründer der englischen analytischen Jurisprudenz (Recht als eine Form des Befehls) einer der bedeutendsten englischen Rechtstheoretiker (The Province of Jurisprudence, 1832).

Lit.: Löwenhaupt, W., Politischer Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken, 1972; Morison, W., John Austin, 1982

Austrägalinstanz (Austrägal latinisiert aus Austrag) ist seit dem 13./14. Jh. ein zunächst einzeln vereinbartes, und durch die Reichs­kammergerichtsordnung von 1495 für Gefürs­tete, seit 1521 auch für den übrigen reichsun­mittelbaren Adel anerkanntes Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Reichsfürsten. Gegen die Entscheidungen der bis 1806 bestehenden A. ist die Appellation an das → Reichs­kammergericht zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI der Deutschen Bundesakte bzw. Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine A. für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw. Streit­sachen der Bundesglieder. Für die Vollstreckung der Urteile dieser 1866 endenden A. ist die Bundesversammlung zuständig. Vergleichba­re Einrichtungen im Deutschen Reich (1871-1918) und in Österreich (bis 1918) sind von geringer Bedeutung.

Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff.; Stein, A., Die Austragsgerichtsbarkeit des deutschen Bundes, 1950; Frühauf, G., Die Austrä­galgerichtsbarkeit im Deutschen Reich und im Deutschen Bund, Diss. jur. Mainz 1976; Meurer, N., Die Entwicklung der Austrägalgerichtsbarkeit bis zur Reichskammerge­richtsordnung von 1495, (in) Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005

Austrasien ist zeitweise ein besonderer (östlicher) Teil des fränkischen Reichs.

Lit.: Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990

Austria ist die am Ende des Frühmittelalters in Parallele zu → Austrien erscheinende Bezeichnung für ein Gebiet im Osten (des fränkischen oder deutschen Reiches z. B. 996 → ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich → Österreich entwickelt).

Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U., Regnum Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78

Austrien ist vom 6. bis 8. Jh. eine Bezeichnung für östliche Teile des Reiches der Franken.

Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990

Austrofaschismus ist eine Bezeichnung für das Herrschaftssystem Österreichs zwischen 1933/1934 und 1938.

Auswanderung ist das Verlassen eines Landes auf Dauer (durch einen Freien). 1555 erlaubt der → Augsburger Religionsfriede die A. (lat. [F.) emigratio) bei Religionswechsel des Landesherrn. Der absolute Staat schränkt die Freiheit der A. aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überlegungen ein. Nach dem Vorbild Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedstaaten des → Deutschen Bundes 1815 die A. in einen anderen Mitgliedstaat und um 1848 die A. überhaupt zu (§ 136 der gescheiterten Reichsverfassung), wobei zwischen 1816 und 1914 5,5 Millionen Deutsche vor allem nach Amerika auswandern (1897 gesetzliche Regelung). Teilweise wird bei A. eine → Steuer verlangt (u. a. 1931 Reichsfluchtsteuer, 1953 aufgehoben).

Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma, 1950, 199ff.; Vom Reichskommissar für das Auswanderungswesen zum Bundesverwaltungsamt, 1989; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Straten, A. v. d., Die Rechtsordnung des zweiten Kaiserreiches und die deutsche Auswanderung nach Übersee 1871-1914, 1997; Migration in der euro­päischen Geschichte, hg. v. Bade, K., 2002; Migration steuern, hg. v. Oltmer, J., 2003

Ausweis s. Pass

Ausweisung ist die Anordnung zum Verlassen eines Gebietes (Landes, Stadt). Wegen ihrer geringen Kosten und ihrer befreienden Wirkung verbreitet sich die A. seit dem späten Mittelalter rasch. Von der Aufklärung wird die A. von Straftätern seit dem 17. Jh. zugunsten des Zuchthauses zu­rückgedrängt.

Lit.: Grenzen und Raumvorstellungen, hg. v. Marchal, G., 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben, 2000

Authenticae (lat. [F.Pl.]) sind die vielleicht von oder seit → Irnernius wahrscheinlich unter Verwendung der Epitome Juliani geschaffenen, im 13. Jh. in den ersten neun Büchern des → Codex → Justinians eingefügten (362 bzw. 212) Auszüge aus der → Authenticum genannten Sammlung der → Novellen sowie (seit dem 14. Jh.) die (2) Konstitutionen Sacramenta puberum (nach C 2. 27 bzw. 28. 1) und Habita (nach C 4. 13. 5) Friedrichs I. Barbarossa und die (durch Aufteilung eines umfang­reichen Gesetzes entstehenden 11) Konsti­tutionen (Navigia, Omnes peregrini, Agricultores usw.) Friedrichs II. (Ad decus), die bis zu → Accursius (um 1230) in den Codex aufge­nommen werden. Eine Konstitution Heinrichs VII. von 1312 (Ad reprimendum) und der Friede von Konstanz sind nicht in den Codex, sondern als Extravaganten hinter die (lat. [M.Pl.]) libri feudorum (Lehnbücher) eingefügt. Nicht glossiert werden die A. zu den letzten drei Büchern des Codex. Erst am Beginn der Neuzeit werden alle Novellen wieder zu einer Einheit verbunden.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Authenticum (lat. [N.]) ist die Bezeichnung für eine um 1100 in Bologna erscheinende, 134 in das Lateinische übersetzte Stücke umfassende, in neun (lat. [F. Pl.]) collationes geteilte Sammlung unbekannter Herkunft der seit 535 n. Chr. unter dem oströmischen Kaiser → Justinian ergangenen (168 griechisch gehaltenen) → Novellen, die der Zeit als authentische Fassung gilt. → Authenticae

Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Autobahn ist die nur für den Automobil­verkehr zugelassene, vierspurige, kreuz­ungsfrei ausgebaute Straße. In Berlin wird 1921 die Avus eröffnet, der oberitalienische Autobahnen und im August 1932 die Strecke Köln-Bonn folgen. Nach Plänen Fritz Todts (1891-1942) entscheidet sich Adolf Hitler für Reichsautobahnen, von denen mittels gewag­ter Kredit­aufnahmen (viereinhalb Milliarden Reichsmark Schulden) zwischen 1933 und 1945 rund 3860 Kilo­meter errichtet werden.

Lit.: Hartmannsgruber, F., …ungeachtet der noch ungeklärten Finanzierung, HZ 278 (2004), 625

Autograph (N.) vom Autor selbst ge­schriebenes Schriftstück (kein Werk der an­tiken Literatur als A. erhalten)

Lit.: Hoffmann, H., Autographa im früheren Mittelalter, DA 57 (2001), 1

Automat ist die mechanische, nach Aufheben einer Hemmung einen Vorgang selbsttätig ausführende Einrichtung. Größere tatsächliche Bedeutung gewinnt der A. mit dem Vor­dringen der elektronischen Datenver­arbeitung am Ende des 20. Jh.s. Für Rechts­folgen wird dessenungeachtet auf das hinter dem A. stehende menschliche Verhalten abgestellt.

Autonomie ist das (vom Staat gewährte) Recht zur Selbstgesetzgebung innerhalb einer anderweitigen Gesetzgebungshoheit. Die A. gewinnt mit der Entstehung des staatlichen Gesetzgebungsmonopols im Absolutismus an Bedeutung. A. haben beispielsweise Städte, Universitäten, Religionsgemeinschaften, Sozialversicherungsträger, Vereine usw.

Lit.: Wicki, A., Zur Dogmengeschichte der Partei­autonomie im internationalen Privatrecht, 1965; Steffen, W., Die studentische Autonomie im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002

Autor → Urheber

Auvergne ist die durch Cäsar ins römische Reich gelangte Landschaft um das Zentralmassiv in Frankreich. Sie wird 507 fränkisch (Mitte 8. Jh. [lat.] Formulae [F.Pl.] Arvernenses) und kommt 955 an Poitou. Seit 1189 geht sie vom König zu Lehen. Ein Teil fällt 1527/1531 an den König, der gräfliche Rest 1609. Der Advokat Jean Masuer († 1450) zeichnet in seiner (lat.) Practica (F.) forensis (Gerichtliche Praxis) das zuvor ganz zersplitterte Recht erstmals umfassender auf. 1510 wird die Coutume d’Auvergne wirksam.

Lit.: Massé, E., La coutume d’Auvergne, Diss. jur. Toulouse 1913; Histoire d’Auvergne, hg. v. Manry, A., 1974

Averani, Giuseppe (1662-1738), seit 1685 Professor des römischen Rechts in Pisa, übernimmt die humanistischen Gedanken des (lat.) → mos (M.) Gallicus in die Rechts­wissenschaft Italiens und bereitet dadurch den Boden für die Aufklärung (in Toskana) vor ([lat.] Interpretationum iuris libri [M.Pl.] duo usw., 1713).

Lit.: Dizionario Biographico degli Italiani, 1960ff., 4, 658f.

Avignon in Südfrankreich ist von 1309 bis 1378 Sitz des von Frankreich gefangen gehaltenen Papstes und von 1378 bis 1417 Sitz eines Gegenpapstes.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 149

Aware, Avare, ist der Angehörige eines um 460 aus Zentralasien nach Westen vor­stoßenden, um 566 an Donau und Theiß siedelnden, 822 aus der Überlieferung verschwindenden Steppenvolks.

Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002

Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) (1490?-1560), Sohn eines (lat.) legum doctor (M.) und Richters, wird nach dem Rechtsstudium in Avignon und Pavia (Mayno, Alciat?) 1521 königlicher Rat im Parlament von Grenoble. Mit Druckerprivileg vom 8. 8. 1515 veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri (M.Pl.) de historia iuris civilis et pontificii mit 129 numerierten und 19 unnumerierten Blättern, welche die erste umfassende Rechtsgeschichte (des römischen und kirchlichen Rechts) darstellen.

Lit.: Moeller, E. v., Aymar du Rivail, 1907; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220

Aytta, Wigle (Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden 1507-Brüssel 1577) wird nach dem Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler → Alciats in Bourges und 1532 Professor des römischen Rechts in Padua, 1537-1542 in Ingolstadt. Er verwertet in seinen Veröffentlichungen auch byzantinische Rechts­quellen.

Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988

Azo (Bologna 1150?-1220 [vor 1190-1220/1230]) lehrt nach dem Studium in Bologna (u. a. Johannes Bassianus) spätestens seit 1190 dort weltliches Recht. Seine bedeutendsten Leistungen bestehen in der Herstellung von (weitgehend ungedruckten) Glossenapparaten zu allen Teilen der justinianischen Gesetzgebung (die glossa ordinaria verweist auf ihn 3600mal) sowie in (lat.) Summae (F.Pl.) Codicis (1208-1210), Lectura Codicis (durch Vorlesungsnachschrift erhalten), Summae Institutionum und Summae Digestorum (str.) (daneben Quästionen, Distinktionen, Brocardica, Consilia und Definitionen). Insbesondere im 16. Jh. erfahren seine Werke weiteste Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des → Accursius, Jacobus Balduini, (Martinus de Fano,) Roffredus Epiphanii, Jacobus de Ardizone, (Goffredus de Trano,) und Johannes Teutonicus. Seine Arbeiten werden u. a. verwendet von Henry de Bracton (vielleicht nach 1230), vom Klagspiegel ([Conrad Heyden] um 1436) und wohl auch vom (lat. [M.]) Vocabularius utriusque iuris (Wörterbuch beider Rechte) des Jodocus aus Erfurt (1452).

Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 255

 

 

B

 

Baar ist die in Urkunden des 8. und 9. Jh.s bezeugte, bisher nicht sicher erklärte Bezeichnung des Gebietes an der obersten Donau bei Donaueschingen (z. B. Adal­hartespara). Nach den Herzögen von Zähringen erscheint 1264 Konrad von War­tenberg als Landgraf in der B., 1304 eine Landgrafschaft B., die denen von Fürstenberg zukommt.

Lit.: Bader, K., Zur politischen und rechtlichen Entwicklung der Baar, 1937; Bader, K., Kloster Amtenhausen in der Baar, 1940; Beyerle, F., Zum Problem der alamannischen Baaren, ZRG GA 62 (1942), 305; Bohnenberger, K., Zu den Baaren, ZRG GA 63 (1943), 319; Bader, K., Die Landgrafschaft Baar, 1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969; Banse, H., Ein neuer Ansatz, Alemann. Jb. 1997/1998, 27

Babelsberger Konferenz ist die in Babels­berg am 2./3. 4. 1958 tagende Konferenz, in der Walter Ulbricht von der Rechts­wissen­schaft der → Deutschen Demo­kratischen Republik eine stärkere marxistisch-lenin­istische Durch­dringung sowie eine bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen Aufbaus fordert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mollnau, K., Imple­mentationsmechanismen der Babelsberger Konferenz, (in) Staat und Recht in den neuen Bundesländern, Sonderheft Oktober 1991, 175; Güpping, S., Die Bedeutung der „Babelsberger Konferenz“, 1997; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J., 1993

Babenberger ist der Angehörige eines in der Mitte des 11. Jh.s nach der Burg Babenberg (Bamberg) benannten, vor allem in Ost­franken begüterten, 945 letztmalig bezeugten Adelsgeschlechtes (Popponen, Adalbert von Bamberg bei Haßfeld am 9. 9. 906 enthauptet). Als erster, wohl mit ihnen verwandter jüngerer B. erscheint 976 ein Markgraf Liutpald der Mark an der Donau. 1156 erreichen die B. (Leopold I. 976-994, Heinrich I. 994-1018, Adalbert 1018-1055, Ernst 1055-1075, Leopold II. 1075-1095, Leopold III 1095-1136, Leopold IV. 1136-1141, Heinrich II. Jasomirgott 1141-1177) im sog. (lat. [N.]) privilegium minus als Ausgleich für die Rückgabe des 1138 von den Staufern den Welfen entzogenen und 1139 den Babenbergern übertragenen Herzogtums → Bayern die Erhebung ihrer Mark zum selbständigen, von Bayern gelösten Herzog­tum → Österreich des deutschen Reiches. Die (nach Leopold V. 1177-1194, Friedrich I. 1195-1198, Leopold VI. 1198-1230 und Friedrich II. 1230-1246) zunächst an Baden (1248-1251) und dann an Böhmen gelangten Güter des 1246 im Mannesstamm erloschenen Geschlechts verlehnt König Rudolf von Habsburg nach dem → Interregnum (1282) innerfamiliär an die → Habsburger. Die Benennung als B. wird erst im 15. Jh. allgemein üblich.

Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich, Bd. 1ff. 1950ff.; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977; Lechner, K., Die Babenberger, 4. A. 1985, 6. A. 1996; Tausend Jahre Babenberger in Österreich, 1976; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Dienst, H., Die Babenberger 976-1246, 2005; Brunner, K., Leopold der Heilige, 2009

Babylon

Lit.: Jursa, M., Die Baylonier, 2004

Baccalaureus (9. Jh. baccalarius, [lat., M.], Knecht) ist seit dem 13. Jh. (1231) der unterste akademische Grad (vgl. angloam. bachelor).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in the 13th and 14th Centuries, 1968; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 63

Bacharach

Lit.: Wagner, F., Stadt Bacharach und Samtgemeinde der Viertäler, 1956

Bachofen, Johann Jakob (Basel 22. 12. 1815-Basel 25. 11. 1887), Seidenbandfabrikanten­sohn, wird nach dem Studium von Philologie, Geschichte und Recht in Basel, Berlin (Savigny) und Göttingen 1841-1844 Professor für römisches Recht in Basel und 1842 Richter (1844 Appellationsrat). Auf rechts­ethnologischer Grundlage entwickelt er die Vorstellung eines ursprünglichen Mutter­rechts (Über das Weiberrecht, 1856, Das Mutter­recht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet er hierfür kein Verständnis.

Lit.: Bachofen, J., Eine Selbstbiographie, Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 34 (1917); Bernoulli, C., Johann Jakob Bachofen und das Natursymbol, 1924; Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als Rechtshistoriker, ZRG GA 105 (1988), 17

Bacon, Francis (London 22. 1. 1561- High­gate bei London 9. 4. 1626), Sohn des engli­schen Lordsiegelbewahrers, wird nach dem Studium in Cambridge und der Berufsaus­bildung in Gray’s Inn 1583 Anwalt, 1607 Kronanwalt, 1613 Justizminister, 1617 Lord­siegelbewahrer und 1618 Lordkanzler. Wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verliert er 1621 alle öffentlichen Ämter. Als Jurist bemüht er sich besonders um Klarheit und Wissenschaftlichkeit. Außerrechtliche Be­kanntheit gewinnt er durch die Forderung, dass die Wissenschaft nur aus einzelnen Erfahrungen allgemeine Folgerungen ziehen dürfe (→ Empirismus, → Locke).

Lit.: Köbler, DRG 136; Bock, H., Staat und Gesellschaft bei Francis Bacon, 1937; Anderson, F., Francis Bacon, 1962; Krohn, W., Francis Bacon, 1988; Wormald, B., Francis Bacon, 1993; Zagorin, P., Francis Bacon, 1998; Keller, S., Experiment versus Dogma, 2005

Baculus (M.) iudicii secularis (lat.) in Frankenford ist das in 88 Artikeln gegliederte Werk über Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt am Main, das zwischen 1400 und 1430 von einem unbekannten Stadtschreiber verfasst worden sein könnte.

Lit.: Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 1939, 15

Bad

Lit.: Gail, W., Die Rechtsverfassung der öffentlichen Badstuben, 1940

Baden im Oostal erscheint nach einem römischen Aquae Aureliae 987. Nach ihm benennt sich seit 1112 eine mit Markgraf Hermann († 1074) erkennbare, von den Herzögen von → Zähringen abstammende Familie. Sie gewinnt umfangreiche Güter, die nach Vervierfachung unter Napoleon am Beginn des 19. Jh.s (1806) bis zur Abdankung am 22. 11. 1918 gehalten werden können. 1951/1952 geht B. in Baden-Württemberg auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201, 156; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, E., Badisches Volksleben im neunzehnten Jahrhundert, 1900; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f. 1906ff.; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG GA 31 (1910), 182; Lenel, P., Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter Markgraf Karl Friedrich (1738-1803), 1913; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungs­organisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Windelband, W., Die Verwaltung der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs, 1916; Krieger, A., Badische Geschichte, 1921; Strobel, E., Neuaufbau der Verwaltung und Wirtschaft der Markgrafschaft Baden-Durlach, 1935; Hofmann, K., Die germanische Besiedelung Nordbadens, 1937; Wahle, E., Vorzeit am Oberrhein, 1937; Beinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1937; Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1948ff.; Rheinbaben, G. v., Die erste Kammer in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1949; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 1950; Armbruster, F., Die Freiburger Talvogtei, 1950; Arndt, E., Vom markgräflichen Patrimonialstaat zum groß­herzoglichen Verfassungsstaat Baden, Diss. jur. Freiburg 1952 = ZGO 101 (1953), 157, 436; Haebler, R., Badische Geschichte, 1951, Neudruck 1987; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Rummer, J., Die Pforzheimer Prob, 1963; Sütterlin, B., Geschichte Badens, 1967; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970; Blickle, P., Landschaften im alten Reich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2626, 3,3,2855,3696; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden-Baden, 1974; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Theil, B., Das älteste Lehnbuch der Markgrafen von Baden, 1974; Krimm, K., Baden und Habsburg, 1976; Stiefel, K., Baden 1648-1952, 1978; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Badische Biographien, neue Folge, Bd. 1ff. 1982ff.; Real, W., Die Revolution in Baden 1848/49, 1983; Das Großherzogtum Baden zwischen Revolution und Restauration 1849-1851, hg. v. Real, W., 1983; Pforzheim in der frühen Neuzeit, hg. v. Becht, H., 1989; Gross, N., Der Code civil in Baden, 1993; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1993; Die badische Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a., 1996; Handbuch der baden-württem­bergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H. u. a., Bd. 1ff. 1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches, 1999; Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v. Feuchte, P., 1999; Kißener, M., Richter zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Festschrift 200 Jahre Badisches Oberhofgericht – Oberlandesgericht Karlsruhe, hg. v. Münchbach, W., 2003; Würtz, C., Johann Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), 2005; Schwarzmaier, H., Baden, 2005; Engehausen, F., Kleine Geschichte des Großherzogtums Baden 1806-1918, 2005; Die Protokolle der Regierung von Baden, Bd. 1 bearb. v. Hochstuhl, K., 2006; Kohnle, A., Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, 2007; Pätzold, S., Kleine Geschichte der Stadt Pforzheim, 2007; Laufs, A. u. a. Das Eigentum an badischen Kulturgütern, 2008

Baden-Württemberg ist das 1951/1952 (25. April 1952) aus Württemberg-Baden (Nordbaden, Nordwürttemberg), Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern (Südwürttem­berg, Hohenzollern) gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutsches Städtebuch, Baden-Württemberg 1959; Landes­geschichtliche Vereinigungen in Baden-Württemberg, bearb. v. Gönner, E., 1987; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württem­berg, Bd. 1ff. 1990ff.; Weber, R./Wehling, H., Geschichte Baden-Württembergs, 2007; Wilhelm, B., Das Land Baden-Württemberg, 2007; Meier-Braun, K. u. a., Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, 2008

Bader, Karl Siegfried (Waldau/Schwarzwald 27. 8. 1907-Zürich 13. 9. 1998, Vater Haupt­lehrer) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Wien, Heidelberg und Freiburg im Breisgau 1931 in Notariat und Staatsanwalt­schaft in Freiburg im Breisgau tätig, aber zum 1. 10. 1933 trotz Beitritts zur NSDAP wegen nicht vollarischer Abstammung seiner in Wien kennengelernten Ehefrau (Grete Weiss) entlassen und deswegen Rechtsanwalt und Leiter des fürstenbergischen Archivs in Do­naueschingen. 1945 wird er Generalstaats­anwalt und außerordentlicher Professor für Rechtsgeschichte und Kirchenrecht in Frei­burg in Breisgau, 1951 ordentlicher Professor in Mainz und 1953 als Nachfolger Heinrich Mitteis‘ in Zürich (1975 emeritiert). Sein bekanntestes Werk seiner rund 1200 Ver­öffentlichungen sind dreibändige Studien zur Rechtsge­schichte des mittelalterlichen Dorfes (1957-1973).

Lit.: Zwei Jahrzehnte Rechtsgeschichte an der Universität Zürich, 1975; Bader, K., Ausgewählte Schriften, 1983; Schott, C., Karl Siegfried Bader, ZRG GA 119 (2002), 1

Badisches Landrecht von 1588 ist das von Markgraf Philipp II. am 2. 1. 1588 erlassene, 1805 erstmals gedruckte, bis Ende 1809 bzw. bis 1810 geltende Landrecht für die Markgrafschaft Baden-Baden (Landesord­nung), das in seinen drei ersten Teilen (Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamen­te) auf dem württem­bergischen Landrecht von 1567 beruht, im vierten Teil das Intestat­erbrecht selbständig behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht) (über das Kurpfälzer Landrecht von 1580 bzw. 1582) auf die kursächsischen Konstitutionen (1572) zurück­geht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961, 86

Badisches Landrecht von 1654 ist das seit 1604 vorbereitete, für 1619 geplante, 1622 (und 1710, 1715 sowie 1773) gedruckte, ursprünglich für ganz Baden (Baden-Baden und Baden-Durlach) gedachte, aber wegen der (bis 1771 dauernden) Landesteilung nur in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige Landrecht, das auf der Grundlage älterer Einzelgesetze sowie des kurpfälzischen Landrechts und des württembergischen Land­rechts in sieben Teilen (Untergerichtsord­nung, Hofgerichtsordnung, Ehe- und Ehege­richtsordnung, Verträge, Testamente, Intes­taterbrecht, Strafrecht und Strafprozessrecht) fast das gesamte Recht ordnet (ausgenommen das Verwaltungsrecht).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20

Badisches Landrecht von 1809 ist der zum 1. 1. 1810 als Landrecht für das Großherzog­tum Baden eingeführte, durch Johann Nikolaus Friedrich Brauer unter Ausschluss von Fremdwörtern wortnah in die deutsche Sprache übersetzte Code Napoléon (→ Code civil, 2281 Artikel) Frankreichs mit (270) Zusätzen und Handelsgesetzen, dessen Geltung (revidierte Fassungen von 1846, 1874 und 1899) durch die Inkraftsetzung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. 1. 1900 endet.

Lit.: Brauer, J., Erläuterungen über den Code Napoléon, 1809ff.; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 3. A. 1983; Gross, N., Der Code Napoléon in Baden und sein Verleger C. F: Müller, 1997; Code Napoleon - Badisches Landrecht, (hg. v. Müller-Wirth, C.,) 1997; http://www.koeblergerhard.­de­/Fon­tes/CodeNapoleonBaden1809.pdf

Bagarottus ist ein zwischen 1170 und 1180 geborener, wohl in Piacenza anässiger Jurist.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 297

Bähr, Otto (Fulda 2. 6. 1817-Kassel 17. 2. 1895) wird nach dem Rechtsstudium in Marburg, Göttingen und Heidelberg Richter in Kassel (1849), Fulda, Kassel und (1866) Berlin (1879-1881 Reichsgericht). Als natio­nalliberaler Rechtspolitiker setzt er sich für die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwal­tungshandelns ein (Der Rechtsstaat, 1864). In der Untersuchung Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund entwickelt er den selbständig (abstrakt) verpflichtenden Schuld­vertrag.

Lit.: Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983

Bahrprobe ist das wohl erst seit dem 12./13. Jh. in literarischen Texten (Nibelungenlied) bezeugte, zunächst außergerichtliche, in dem Rechtsbuch Ruprechts von Freising von 1328 (Art. 278) auch für gerichtliche Verwendung nachgewiesene Verfahren, bei dem bei Fehlen anderer Beweismöglichkeiten ein einer Tötung Be­schuldigter an die Totenbahre des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss oder auch darf. Verän­derungen der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die Täterschaft des Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.] vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines Bruders ruft zu mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der Aufklärung verschwindet die in der Neuzeit als Indiz für die Anwendbarkeit der Folter gebrauchte B., mit dem 19. Jh. der Glaube an sie.

Lit.: Christensen, C., Baareprøven, 1900; Kolb, F., Das alte Bahrrecht in Tirol, Tiroler Heimat 13/14 (1949/1950), 7; Ewers, H., Die Bahrprobe, Diss. jur. Bonn 1951; Fehr, H., Das Bahrrecht, Dt. Jb. f. Volkskunde 6 (1960), 85

Balduinus → Baudoin

Baldus de Ubaldis (Perugia 2. 10. 1327-Pavia 28. 4. 1400), Sohn eines adligen Professors der Medizin, wird nach dem Studium in Perugia (Bartolus) Professor des römischen Rechts in Perugia (1347-1357), Pisa (1357/1358), Florenz (1358-1364), Perugia (1364-1376), Padua (1376-1379), Perugia (1379-1390) und Pavia (1390-1400). Auf Grund der vollständigen Beherrschung des gesamten geltenden Rechtes gelingt ihm die selbständige Weiterbildung vieler Einzel­heiten (Wechselrecht, Gesellschaftsrecht, internationales Privatrecht, Prozessrecht, Staatsrecht, Strafrecht, Privatrecht) in rund 2800 (d. h. fast 70 je Jahr) Gutachten (lat. [N.Pl.] consilia) und verschiedenen (lücken­haften) Kommentaren (lectura Codicis, Kommentar zum digestum vetus, lectura trium librorum Codicis, lectura super usibus feudorum, Kommentar zu acta pacis Constantiae, Kommentar zum liber extra) und Traktaten.

Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die Consilien des Baldus, 1974; Maffei, D., Giuristi medievali, 1979; Danusso, C., Ricerche sulla lectura feudorum di Baldo, 1991; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 749

Balkan (Berg in Bulgarien) ist die aus dem Türkischen kommende, zusammenfassende Bezeichnung für die südosteuropäische Halbinsel. → Griechenland, Albanien, Bulga­rien, Jugoslawien.

Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E., Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997; Der Balkan, hg. v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Mennel, R., Der Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des Balkans, 1999; Hösch, E., Geschichte des Balkans, 2004; Europe and the Historical Legacies in the Balkans, hg. v. Detrez, R. u. a., 2008; Am Rande Europas?, hg. v. Chiari, B. u. a., 2009

Ballei (zu mlat. [M.] ballivus) ist seit dem 14. Jh. nach sizilianischem Vorbild die Be­zeichnung für die Provinz des → Deutschen Ordens (außerhalb des Preußenlandes) mit dem Landkomtur (als Vertreter des Hochmeisters) an der Spitze (z. B. Utrecht, Alten-Biesen, Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz, Elsass-Schwaben-Burgund, Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge, Lamparten, Apulien, Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J., Geschichte des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff.; Militzer, K., Die Entstehung der Deutschordensballeien im deutschen Reich, 2. A. 1981; Militzer, K., Von Akkon zur Marienburg, 1999

Ballivus (zu lat. baiulus [M.] Lastträger) ist ein herrschaftlicher Amtsträger im mittel­alterlichen Frankreich (um 1150) sowie später in Süd­italien und als bailiff im hochmittel­alterlichen England mit meist auch nieder­gerichtlichen Aufgaben.

Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929; Rompaey, J. v., Het grafelijk baljuwsambt in vlaanderen, 1967

Balte ist der Angehörige eines baltisch sprechenden indogermanischen Volkes (Preußen, Kuren, Letten, Litauer).

Baltikum ist die neuzeitliche Sam­melbezeichnung (seit dem 16. Jh. sind baltische Länder Estland, Livland mit Lett­gallen im Südosten, Semgallen und Kurland, während Litauen erst seit dem 19. Jh. zu dem B. gezählt wird) für die spätestens seit dem ausgehenden Früh­mittelalter von ugro-finnischen und balto-slawischen Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete am östlichen Rand der südlichen Ostsee. Das B. wird seit dem Ende des 12. Jh.s von Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von Riga (1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel, Kurland und Reval sowie der Deutschordensmeister von Livland erlangen die Stellung von Fürsten des Heiligen römischen Reiches. Sie finden sich im 15. Jh. in einer altlivländischen Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen. Das aufgezeichnete, neben ungeschriebenen Gewohnheitsrechten der Bauern bestehende Recht ist (von Dänemark und) vom Heiligen römischen Reich beeinflusst (1315 waldemar-erichsches Lehnrecht [beeinflusst vom Dienstrecht des Hochstifts Hildesheim], ältestes livländisches Ritterrecht, livländischer Spiegel [als Über­arbeitung des → Sachsenspiegels], [kompiliert als] wiek-öselsches Lehnrecht, mittleres livländisches Ritterrecht [15. Jh.], umgearbeitetes Ritter­recht [systematisiert], Bauernrechte [mit Bußbestimmungen], lübisches Stadtrecht [Reval] und hamburgisches Stadtrecht [Riga, Dorpat, Libau]). Das römische Recht wirkt sich nur wenig aus. 1561 kommt das Gebiet an Polen (Livland, Kurland) und Schweden (Estland, 1621 auch Livland), 1710 fallen Estland und (mittleres) Livland (sowie das seit 1559 dänische Ösel), 1772 bei der ersten Teilung Polens Lettgallen und 1795 bei der dritten Teilung Polens Kurland an Russland, wobei augsburgische Konfession, deutsches Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache zugesichert bleiben. 1816/1819 erfolgt (innerhalb Russlands) die Bauernbefreiung, danach die Festlegung des Provinzialrechts (1864 Zivilgesetzbuch [mit etwa 4600 Artikeln], liv-, est- und kurländisches Privatrecht, wobei der Kern des inhaltlichen baltischen Privatrechts als aus deutschen [40 Prozent livländisches, estländisches, lübi­sches, russisches Recht, kurländische Sta­tu­ten, baltische Bauernverordnungen, Gewohn­heitsrecht] und römischen Wurzeln [57 % römisch-rechtlichen Ursprungs] er­wach­senen gemeinen Rechts örtlicher Prä­gung erhalten bleibt), 1877 die Einführung der Städte­ordnung Russlands von 1870, 1889 die Einführung des russischen Gerichtsver­fassungsrechts und Prozessrechts. 1918 werden Estland (24. 2. 1918) und Lettland von Russland bzw. der Sowjetunion unabhängig und selbständig, am 6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940 der Sowjetunion unter Aussiedlung der Deutschen auf Grund des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 gewaltsam eingegliedert und am 6. 9. 1991 wieder unabhängig.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ziegenhorn, C. v., Staatsrecht der Herzogtümer Curland und Semgallen, 1772, Neudruck 1973; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, T. v., Der baltische Civilprozess nach der Justizreform vom Jahre 1889, 1890f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Schilling, C., Die lehn- und erbrechtlichen Satzungen des waldemar-erich’schen Rechtes, (o. J.); Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Blaese, H., Einflüsse des römischen Rechts in den baltischen Gebieten, 1964; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Hehn, J. v., Die Umsiedlung der baltischen Deutschen, 1984; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Schmidt, A., Geschichte des Baltikums, 1992; Baltische Länder, hg. v. Pistohlkors, G. v., 1994; Die baltischen Sprachen, hg. v. Eckert, R., 1994; Der Aufbau der freiheitlich-demokratischen Ordnung in den baltischen Staaten, hg. v. Meissner, C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The Baltic States after Independence, 1996; Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz, F. u. a., 1997; Baltistik, hg. v. Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum heute, hg. v. Graf, H. u. a., 1998; Die Deutschbalten und der National­sozialismus, Bd. 1, hg. v. Garleff, M., 2000; Roth, M., Der Einfluss des Europarats auf die demokratische und menschenrechtliche Transformation der baltischen Staaten, 2004; Tuchtenhagen, R., Geschichte der baltischen Länder, 2005; Garber, K., Schatzhäuser des Geistes, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 982; Baltisch-europäische Rechtsgeschichte und Lexikographie, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2009

Baluze, Etienne (Tulle 24. 11. 1630-Paris 28. 7. 1718) veröffentlicht nach dem Rechts­studium in Toulouse als Bibliothekar Colberts 1677 die erste große Ausgabe der früh­mittel­alterlichen → Kapitularien (ein­schließlich der Volksrechte) des fränkischen Reiches (Capitularia regum Francorum).

Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961

Bamberg ist der als Burg Babenberg (→ Babenberger) erstmals zum Jahre 902 genannte Ort am oberen Main, der 973 von Kaiser Otto II. an den verwandten Herzog von Bayern gegeben und 1007 unter dessen Erben König Heinrich II. Sitz eines Bistums wird. Um 1060 erfolgt eine Aufzeichnung des Dienstrechts der Dienstmannen. 1507 schafft der bischöfliche Hofmeister Johann von → Schwarzenberg die Bamberger Halsgerichts­ordnung (Constitutio Criminalis Bamber­gensis). 1735 wird für kurze Zeit eine juristische Fakultät (Gönner) an der von 1648 bis 1803 bestehenden Universität eingerichtet. 1769 wird ein Landrecht erlassen (nur Teil 1 Civil- oder bürgerliche Sachen betreffend). 1803 fällt das Fürstbistum B. an Bayern. Kirchlich wird das seit dem 13. Jh. von Mainz exemte Bistum 1818/1821 Erzbistum mit den Bistümern Eichstätt, Speyer und Würzburg. Seit 1923 besteht eine philosophisch-theologische Hochschule mit (1946) rechts­wissenschaftlichem Studiengang, seit 1972 eine Gesamthochschule (1979 Universität) mit einer wirtschaftswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fakultät.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler, Historisches Lexikon; Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P., Monumenta Bambergensia, 1869; Güterbock, C., Zur Redaktion der Bambergensis, 1910; Ament, W., Bamberg, 1929; Das (exemte) Bistum Bamberg, hg. v. Guttenberg, E. v. u. a., 1937ff.; Weiß, H., Stadt- und Landkreis Bamberg, 1974; Hoffmann, H., Bamberger Handschriften, 1995; Moser, P., Bamberg, 1998; Pflefka, S., Das Bistum Bamberg, 2005; Das Bistum Bamberg um 1007, hg. v. Urban, J., 2006; Festschrift 200 Jahre Appel­lations­gericht/Oberlandesgericht Bamberg, hg. v. Meisenberg, M., 2009

Bamberger Halsgerichtsordnung → Bamberg

Bank ist allgemein die breite Sitzgelegenheit und rechtlich das Unternehmen, dessen Inhaber mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise einge­richteten Geschäftsbetrieb erfordert. Nach antiken Vorläufern in Ägypten, Griechenland und Rom (lat. [M.Pl.] argentarii, mensarii) entwickeln sich seit dem 12. Jh. berufs­mäßige, jeweils auf einer hölzernen oder steinernen Bank tätige Geldwechsler zuerst in Italien (Lombarden), wobei wegen der Nähe von Geldwechsel und Darlehen auf Grund des kanonischen Zinsverbotes Juden geschäftliche Vorteile erwachsen. Seit dem 15. Jh. entstehen halböffentliche Banken und danach öffentliche Banken (Barcelona 1401, Genua 1409, Amsterdam 1609, Hamburg 1619, Nürnberg 1621, Bank of England 1694). Seit etwa 1835 beginnen die Banken mit der Finanzierung von industriellen Unternehmen, die bereit sind, Fremdkapital aufzunehmen (Paris 1852 Aktienbank). Seit dem ausgehenden 19. Jh. werden die (zu etwa der Hälfte von jüdischen Inhabern betriebenen rund 1000 deutschen) Privatbanken (Sal. Oppenheim in Köln, M. Warburg in Hamburg) von den von ihnen zur Gefahrenverringerung entwickelten Aktien­ban­ken allmählich zurückgedrängt, zwischen 1933 und 1945 auch geschlossen oder enteignet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Banken zu bedeutenden Dienst­leistungsunternehmen, deren Recht zuneh­mend europäisiert wird. Im Herbst 2008 entsteht auf Grund ungesicherter Darlehens­vergabe weltweit eine Bankenkrise.

Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Born, K., Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, 1976; Poeschel, H., Die Statuten der Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Hamburg und Altona von 1710-1889; Wissenschaft und Kodifikation Bd. 5 1980; Klein, E., Deutsche Bankengeschichte, 1982; L’alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon, hg. v. Grill, W. u. a., 11. A. 1995, 13. A. 2002; Lane, F./Mueller, R., Money and Banking, 1985; Ruland, A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur. Münster 1987; Wandel, E., Banken und Versicher­ungen, 1997; Europäische Bankgeschichte, hg. v. Pohl, H., 1997; Banking, Trade and Industry, hg. v. Teichova, A., 1997; Fuchs, R., Die Wiener Stadtbank, 1998; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; A History of European Banking, hg. v. Kurgan, G. u. a., 2000; James, H., Verbandspolitik im National­sozialismus, 2001; Kahmann, H., Die Bankiers von Jacquier & Securius 1933-1945, 2002; Distel, J., Die Errichtung des westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank deutscher Länder, 2003; Der Privatbankier, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung, 2003; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Die Commerzbank und die Juden, hg. v. Herbst, L. u. a., 2004; Linder, N., Die Berner Bankenkrise von 1720, 2004; Liedtke, R., N M Rothschild & Sons, 2006; Deutsche Bankiers des 20. Jahrhunderts, hg. v. Pohl, H., 2008

Bankert (mhd. Banchart [M.] auf der Bank Gezeugter) ist die ältere deutsche Bezeich­nung für das seit dem 8. Jh. von der Kirche abgelehnte → nichteheliche Kind.

Bankrott ist das vollständige Scheitern des Unternehmers, das im Spätmittelalter bei den Bankinhabern zum Zerstören ihrer Bank (ital. banca rotta [F.] zerbrochene Bank) führt, wobei die Bezeichnung über das Nieder­ländische und das Französische im 16. Jh. in das Neuhochdeutsche eindringt. Für die Abwicklung des Bankrotts setzt sich seit dem späteren 16. Jh. das Verfahren des Konkurses durch. Der betrügerische B. ist Straftatbestand.

Lit.: Meier, A., Die Geschichte des deutschen Konkursrechts, 2003

Bann ist die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und Verbote unter Anordnung gewichtiger Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung auszusprechen (lat. bannus Gregor von Tours [538/539-594], Historiae 5, 26). In diesem Sinn kann bereits der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zum Heiden erklären (vgl. Matthäus 18,15-17). Dementsprechend schließt das Christentum (Elvira 306) Sünder in bestimmten Fällen aus der kirchlichen Gemeinschaft (lat. [F.] excommunicatio Ausschluss aus der Gemein­schaft im 4./5. Jh. gebildet) aus (nicht auch aus der Kirche insgesamt). In Fällen geringerer Sünde wer­den nur der Empfang der Sakramente und das kirchliche Amt abgesprochen. Vom kirch­lichen B. kann der Papst lösen. Im weltlichen Bereich kennt das fränkische Recht den B. des Königs oder Grafen. Wer dagegen verstößt, muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem Hochmittelalter gehen die Bann­rechte des Königs auf den Landesherrn über und werden dann durch das Hoheitsrecht des Landesherrn bzw. später des Staates ersetzt. Der kirchliche B. wird unter dem Einfluss der Aufklärung im 18. Jh. vielfach verboten, im 19. Jh. aber häufig wieder eingeführt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel, W., Zur Geschichte des Bannes, 1886; Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichmann, E., Acht und Bann, 1909; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1914; Voltelini, H. v., Königsbann­leihe und Blutbannleihe, ZRG GA 36 (1915), 290; Heck, P., Die Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Ganahl, K., Der Fürbann im bayerischen Rechtsgebiet, ZRG GA 54 (1934), 257; Fehr, H., Zur Geschichte des Bannes, ZRG GA 55 (1935), 237; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289; Siuts, H., Bann und Acht, 1959 (Diss. phil. Kiel 1956); Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche, 1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973; Vodola, E., Excom­munication in the Middle Ages, 1986; Schneider, J./Erb, T., Bannus, Archivum latinitatis medii aevi 64 (2006), 57

Banner ist die vielleicht schon in germanischer Zeit als Zeichen dienende Fahne (Heerfahne, Gerichtsfahne). Seit dem 11. Jh. werden Fahnen mit einem Fahnen­wagen in die Schlacht gefahren. Seit Friedrich I. Barbarossa (1122-1190, König 1152) führt der König ein B. mit schwarzem Adler auf gelbem Grund mit sich.

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz - Rot - Gold, red. v. Grimm, U., 1999

bannitio (lat. [F.]) öffentliche Ladung

Bannleihe ist die Vergabe (Leihe) eines Bannes durch den König. Sie wird 1149 zu Gunsten der Kirche sichtbar. Im Sachsen­spiegel ist die B. eine grundlegende Er­scheinung der Gerichtsbarkeit, doch verliert die königliche B. mit dem Übergang der Gerichtsbarkeit auf die Landesherren ihre Bedeutung.

Lit.: Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994

Bannmeile ist die örtlich auf eine (oder auch mehrere) Meilen festgelegte Reichweite eines → Bannes oder einer Herrschaftsgewalt. Seit dem Hochmittelalter werden insbesondere Burgen, Städte (z. B. Lechenich 1279 banmile sive bivanc), Märkte, Mühlen oder Brauhäuser mit einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines Staats­organs den räumlichen Bereich, in dem keine Versammlungen abgehalten werden dürfen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hirsch, H., Die Klosterimmu­nität seit dem Investiturstreit, 1913; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht, 1964

Bannwald ist der durch Bann des Königs oder sonstigen Herren der allgemeinen Nutzung entzogene Wald (7. Jh. lat. [F.] silva regis, forestis, 1251 banholz, 1280 banforst).

Lit.: Mantel, K., Wald und Forst in der Geschichte, 1990; Dasler, C., Forst und Wildbann, 2001

barbarus (lat. [M.]) plappernder (Nichtrömer)

Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den spätrömischen Gesetzen, 1992

Barbeyrac, Jean de (1674-1744), 1697-1710 Professor für alte Sprachen in Berlin, 1711-1717 für Geschichte und Naturrecht in Lausanne, 1717-1744 für öffentliches und privates Recht in Groningen, verbreitet natur­rechtliches Gedankengut durch fran­zösische Übersetzungen von Werken Pufendorfs, Grotius’ und Cumberlands.

Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970

Bargilde → Biergelde

Barock

Lit.: Methoden und Probleme der Alltagsforschung im Zeitalter des Barock, hg. v. Pickl, O. u. a., 1992

Baron ist die über das Mittellateinische und Mittelfranzösische von ahd. (M.) baro Mann abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe Adliger (1595 für Freiherr).

Barrister ist der vor Gericht ([engl.] bar) auftretende Anwalt des englischen Rechts.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

Barschalk ist eine Bezeichnung für bestimmte Halbfreie im frühmittelalterlichen Bayern (8./9. Jh., auch 13. Jh.).

Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926; Mayer, T., Baar und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143

Bartholomäus de Capua ist ein in Capua am 12. 8. 1248 als Sohn eines Juristen geborener, in Neapel ausgebildeter und 1278 promovierter, 1328 verstorbener neapoli­tanisch­er Jurist (Glossen, Quästionen, Reden).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 499

Bartholomäusnacht ist die Nacht zum 24. August (1572), in der nach der Hochzeit (Bluthochzeit) des Protestanten Heinrich von Navarra mit Margareta von Valois in Paris und Umgebung mehr als 3000 Menschen (meistens Hugenotten) getötet werden.

Bartolus de Saxoferrato (aus bäuerlicher Familie, Venatura bei Sassoferrato/Saxofer­rato nahe Ancona 1313? oder 1314?-Perugia 13. 7. 1357) lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de Sighibuldis) und Bologna (1330?, 1333?) betriebenen Rechtsstudium und der nach der Disputation von 1333 (baccalaureus) am 10. 11. 1334 in Bologna erlangten Promotion zum (lat.) doctor (M.) iuris civilis und einer Tätigkeit als Assessor des Podestà in Todi, Cagli und Pisa seit Winter 1338/1339 in Pisa und Perugia (1342) weltliches Recht. Neben vielleicht mehr als 400 gedruckten und weiteren rund 200 ungedruckten Gutachten verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie Glossen, additiones, 22 gedruckte quaestiones und etwa 45 (28 gedruckte) wichtige Traktate (z. B. zum Markenrecht und Wappenrecht) in klarer, aber trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik ausgerichteter Denkweise. Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista, nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist). Sein wohl bekanntester Schüler ist Baldus de Ubaldis.

Lit.: Söllner § 25; Bartolus, Opera omnia, Drucke seit 1525; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3ff. 1834ff.; Woolf, C., Bartolus of Sassoferrato, 1913; Bartolo da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962; Merzbacher, F., Bartolo de Sassoferrato, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 559; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Cavallar, O. u. a., A Grammar of Signs, 1994; Lepsius, S., Der Richter und die Zeuge, 2003; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 682

Basel am Rhein (Basilia 374 n. Chr.) wird auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage (kelti­sche Rauriker 1. Jh. v. Chr., römisches Kastell um 15 v. Chr.) nach dem Übergang an die Alemannen (6./7. Jh.) vielleicht im 7. Jh. Sitz eines Bischofs (zunächst von Augst und B.). Seit 1362 zählt es sich nach dem Kauf wichtiger Rechte des Bischofs zu den freien Städten im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) und erwirbt Gebiete zum Jura hin. 1431-1437 ist es Tagungsort eines Konzils. 1459 (4. 4. 1460) erlangt es eine (bald verbaselete) Universität (mit rund 2200 Promotionen zwischen 1558 und 1818 d. h. jährlich etwa 9). Am 13. 7. 1501 schließt sich B. als neunter Ort der Eidgenossenschaft der → Schweiz an und löst sich 1648 förmlich vom Heiligen römischen Reich. Die Stadtgerichtsordnung von 1719 schöpft hauptsächlich aus dem württembergischen Landrecht von 1555. 1832/1833 trennt sich Basel-Land von Basel-Stadt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Concilium Basiliense, hg. v. Haller, J., Bd. 1ff. 1896ff.; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1ff. 1907ff.; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel, 1909; Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Festschrift zur Feier des 450jährigen Bestehens der Universität Basel, 1910; His, E., Geschichte des Basler Grundbuchs, 1915; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1f. 1907ff.; Heusler, A., Geschichte der Stadt Basel, 1917; Ribeaud, A., Le moulin féodal, 1920; Heusler, A., Basels Gerichtswesen im Mittelalter, 1922; His, E., Zur Geschichte des Basler Notariats, Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 20 (1922), 1; Saxer, E., Das Zollwesen der Stadt Basel, 1923; Roth, P., Die Organisation der Basler Landvogteien, 1922; His, E., Eine historische Staatsteilung, GF Fritz Fleiner 1927; Membrez, A., Die Burgvogtei Binzen, 1928; Metzger, K., Die Verbrechen und ihre Straffolgen im Basler Recht des späteren Mittelalters, 1931; Koelner, P., Die Safranzunft zu Basel, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Zur Territorial­bildung der Bischöfe von Basel, ZGO 52 (1938), 226; Die Matrikel der Universität Basel, hg. v. Wackernagel, H., Bd. 1f. 1951ff.; Staehelin, A., Geschichte der Universität Basel 1632 bis 1818, 1957; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Hagemann, H., Basler Stadtrecht im Spätmittelalter, ZRG GA 78 (1961), 140; Professoren der Universität Basel, 1960; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel 1459-1529, 1962; Baerlocher, R., Das Rechtsmittelsystem des baselstädtischen Zivilprozess­rechts, 1964; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung 1860-1870, 1963; Staehelin, A., Sittenzucht und Sittengerichtsbarkeit in Basel, ZRG GA 85 (1968), 78; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, 1969; Abplanalp, F., Zur Wirtschaftspolitik des Fürstbistums Basel, 1971; Bühler, T., Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft im ehemal­igen Fürstbistum Basel, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen Disputationen 1558-1818, 1978; Simon, C., Untertanenverhalten und obrigkeitliche Moral­politik, 1981; Hagemann, H., Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.; Kern, B., Die juristische Gesellschaft zu Basel, ZRG GA 100 (1983), 145; Röthlin, N., Die Basler Handelspolitik, 1986; Münch, P., Aus der Geschichte des Basler Privatrechts im 19. Jahrhundert, 1991; Basel, hg. v. Kreis, G. u. a., 2000; Hirsch, V., Der Hof des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 2004; Hagemann, H., Laiengericht und gelehrtes Recht am Beispiel des Basler Stadtgerichts, ZNR 27 (2005), 1; Gröbli, F., Bibliographie von Basel, 2005; Suter, S., Die strafrechtlichen Bedenckhen, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege – Lebenswege, 2007; Steinbrink, M., Ulrich Meltinger, 2008; Berner, H. u. a., Kleine Geschichte der Stadt Basel, 2008

Basiliken (griech. [ta[] basilika [nomima], kaiserliche [Bücher bzw. Gesetze]) ist der Name für die (von Kaiser Basilius I. 867-886 geplanten) 60 Bücher, in denen unter Kaiser Leon VI. (886-912) in → Byzanz die la­teinischen Rechtstexte (Codex und Di­gesten) Kaiser → Justinians (528-534) auf der Grundlage wohl alter griechischer Para­phra­sen ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht werden (Digesten­para­phrase des Anonymus, Codex­paraphrase des Thaleleios). Später kommen Randbemer­kungen (Scholien) hinzu. Um 1345 bearbeitet → Harmenopoulos die B. im → Hexabiblos. Die unmittelbare Geltung der B. endet mit der Einnahme Ostroms durch die Türken 1453 n. Chr., doch bleiben die B. in Zusammen­fassungen und Auszügen für Griechenland bis zum Zivilgesetzbuch des Jahres 1946 bedeutsam.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum libri LX, hg. v. Scheltema, J., u.a, Bd. 1ff. 1953ff.

Baske ist der Angehörige eines vorindogermanischen, um die Pyrenäen siedelnden Volkes. Im 10. Jh. deckt sich das Land der Basken mit dem Königreich → Navarra. 1939 beseitigt der spanische Diktator Franco die Vorrechte der ihm ablehnend gegenüberstehenden Basken. 1979 erhalten die Basken (wieder) Autonomie.

Lit.: Ortots, H., Die Basken, 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997, 2. A. 2008; Kurlansky, M., Die Basken, 2000

Baudoin (Balduinus), François (Arras 1520-Paris 1573), Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium in Löwen (Mudaeus) kurz in Paris (Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555 in Straßburg, seit 1556 in Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in Besançon und seit 1569 in Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht er sich um die von der einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende Behandlung verschiedener Textschichten (z. B. der Codex­fragmente Konstantins).

Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978

Bauer ist der Angehörige des die Landwirtschaft betreibenden Berufsstands. Sachlich entsteht der B. mit der Sesshaft­werdung, mit welcher der Ackerbau neben die Viehzucht tritt. Im Frühmittelalter gerät der B. vielfach in grundherrschaftliche Abhängig­keit. Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter etwa im 11. Jh. bilden die ver­bleibenden Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der Bauern. Namengebend wird das bloße Nebeneinanderwohnen (ahd. būan). Möglich ist unter bestimmten Umständen der Erwerb von Freiheit (z. B. Rodungsfreiheit). Zu Beginn des 16. Jh.s lehnen sich die Bauern erfolglos gegen ihre Herren auf (→ Bauernkrieg). Im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird vielleicht die Hälfte der Bauern getötet. Im 19. Jh. erlangen die Bauern Freiheit und Eigentum (→ Bauernbefreiung) und werden den (anderen) Bürgern grundsätzlich gleichgestellt. Seit der 2. Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der Bauern wegen der günstigeren Lebensbedin­gungen in anderen Erwerbszweigen sehr stark ab und verliert die Landwirtschaft überhaupt ihre wesentliche wirtschaftliche Bedeutung an die Dienst­leistung.

Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Heusler, A., Der Bauer als Fürstengenoss, ZRG GA 7 (1886), 235; Wittich, W., Die Frage der Freibauern, ZRG GA 22 (1901), 245; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern im Mittelalter, ZRG GA 35 (1914), 111; Urkunden zur deutschen Agrar­geschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Barth, F., Der baaremer Bauer, Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 17 (1928); Weller, K., Die freien Bauern in Schwaben, ZRG GA 54 (1934), 178; Bader, K., Die freien Bauern im Breisgau, 1936; Mayer, T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Bader, K., Das Freiamt im Breisgau und die freien Bauern am Oberrhein, 1936; Veltzke, G., Der gebundene bäuerliche Besitz, 1938; Arbusow, L., Das Bauernrecht des sog. budberg-schraderschen Landrechtsentwurfs von 1740, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 25 (1937), 377; Huppertz, B., Räume und Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, 1939; Höffner, J., Bauer und Kirche 1939; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 1939; Deutsches Bauerntum, Bd. 1f. hg. v. Franz, G., 1939f.; Möller, K., Das Vierländer Bauernrecht, 1940; Lütge, F., Die landesherrlichen Urbarsbauern in Ober- und Niederbayern, 1943; Adel und Bauern im Staat des deutschen Mittelalters, hg. v. Mayer, T., 1943; Grass, N., Zur Kontinuität im bäuerlichen Rechte der Alpenländer, ZRG GA 66 (1948), 516; Haff, K., Der freie Bergbauer als Staatsgründer, ZRG GA 67 (1950), 394; Dollinger, P., L’évolution des classes rurales en Bavière, 1949; Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte, 1955; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Lehmann, R., Die Verhältnisse der niederlausitzischen Herrschafts- und Gutsbauern, 1956; Hofmann, H., Freibauern, Freidörfer, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 23 (1960), 195; Wopfner, H., Bergbauernbuch, 1951ff.; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Achilles, W., Vermögensverhältnisse braunschweigi­scher Bauern­höfe im 17. und 18. Jahrhundert, 1965; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Bauer, Wort und Begriff, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975; Deutsches Bauerntum im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1976; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesell­schaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Dollinger, P., Der bayerische Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, 1982 (franz. 1949); Fossier, R., Paysans d’Occident, 1984; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985, 4. A. 1987; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Trossbach, W., Bauern 1648–1806, 1993; Rösener, W., Die Bauern in der europäischen Geschichte, 1993; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Epperlein, S., Bäuerliches Leben im Mittelalter, 2003; Wiese, M., Leibeigene Bauern und römisches Recht im 17. Jahrhundert, 2006; Kissling, P., Freie Bauern und bäuerliche Bürger, 2006

Bauerbrief → Dorfordnung

Bauergericht ist unter verschiedenen Namen das unter Vorsitz eines Bauermeisters in Flursachen tagende Gericht des mittel­alterlich-frühneuzeitlichen Dorfes.

Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen, 1962

Bauernbefreiung (F. Knapp 1887) ist die Befreiung der gebietsmäßig durchaus verschieden gestellten Bauern aus der grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18. Jh.s zum 19. Jh., die von Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten Bürgern auch zwecks Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt nach Verbesserungen des Bauernschutzes in Preußen (1749) und Österreich (1751) in Savoyen (1761, 1771). Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von der Aufhebung der Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird 1787 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805 50000 Domänen­bauern persönliche Freiheit und freies Eigentum. Im Oktober 1807 verschafft ein preußisches Edikt bis zum Martinitag 1810 allen Bauern persönliche Freiheit, das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen Entschädigung. Im Laufe des 19. Jh.s dringt die B. vor allem seit 1848 (Österreich Aufhebung der Robot, Grundentlastung) allgemein durch (z. B. Russland 1861). Entgegen den Zielsetzungen bewirkt die B. keine allge­meine Verbesserung der Lage der Bauern.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und Schlesien, Bd. 1f. 1893; Darmstädter, P., Die Befreiung der Leibeigenen (Mainmortables) in Savoyen, 1897; Vogt, G., Die Bauernbefreiung in Mecklenburg, 1937; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen Hannovers im 19. Jahrhundert, 1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der Bauernbefreiung, 1957; Engels, W., Ablösungen und Gemeinheitsteilungen in der Rheinprovinz, 1957; Schremmer, E., Die Bauern­befreiung in Hohenlohe, 1963; Winkel, H., Die Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und Süddeutschland, 1968; Hippel, W. v., Die Bauernbefreiung im Königreich Württemberg, Bd. 1f. 1977; Dipper, C., Die Bauernbefreiung in Deutschland 1790-1850, 1980; Kreutzkamp, F., Bauernbefreiung auf Cappenberg, 2003

Bauernkrieg ist der (zwischen 1300 und 1800) von den → Bauern gegen die → Grundherrn geführte (einzelne) Krieg. Der B. von 1525 gründet sich auf eine als Folge der Pest am Ende des Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von Martin Luther (Von der Freiheit eines Christenmenschen) genährte Hoffnung auf Besserung der Lage der Unterdrückten. Nicht zuletzt wegen Luthers baldiger Stellung­nahme gegen die mörderischen Rotten der Bauern enden die Bauernkriege mit Niederlagen (bei Fran­kenhausen, Zabern, Böblingen und Würz­burg) der Bauern (etwa 100000 Tote), ohne dass diese sich jedoch vollständig entrechten lassen.

Lit.: Zimmermann, W., Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges, 1841ff.; Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 1933, Aktenband 1935, 14. A. 1984; Blickle, P., Die Revolution von 1525, 1975; Struck, W., Der Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen, 1975; Waas, A., Der Bauernkrieg, 1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998, 2.A. 2002; Strunz-Happe, A., Wandel der Agrarverfassung, 2003; Fink, B., Die Böhmenkircher Bauernrevolte 1580-1582/83, 2004; Hohn, M., Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525, 2004; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004; Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald, hg. v. Vogler, G., 2008

Bauernlegen ist das im Hochmittelalter bei Orden (z. B. Zisterziensern) und dann in England im 15. Jh. beginnende Einziehen wüst liegender Bauernhöfe und Aufkaufen freier Bauernhöfe durch Grundherren zwecks Vergrößerung von Grundherrschaften (z. B. Rittergütern in Mecklenburg und Vorpommern), das seit 1709 bzw. 1749 in Preußen verboten wird.

Lit.: Nichtweiß, J., Das Bauernlegen in Mecklenburg, 1954; Zientara, B., Die Agrarkrise in der Uckermark, 1867

Bauernlehen ist das vereinzelt an einen Bauern gelangte kleine Lehen, das zwischen Lehen und Leihe steht und in das Lehensrecht nur in einzelnen Hinsichten einbezogen wird.

Bauermeister (1159 mnd. burmester) ist vom Hochmittelalter (bis zum Ausgang der frühen Neuzeit) der (gebietlich auch anders bezeich­nete) Leiter örtlicher, meist bäuerlicher Gemeinden mit auch gerichtlichen Aufgaben.

Lit.: Schildt, B., Bauer Gemeinde Nachbarschaft, 1996

Bauerschaft ist die als Einheit verstandene Nachbarschaft, vor allem auf dem Land, aber zeitweise auch in niederdeutschen Städten.

Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften der Stadt Geseke, 1908; Lappe, J., Eine „untergegangene“ Bauerschaft, ZRG GA 32 (1911), 229; Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912

Bauersprache (mnd. bursprake) ist die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Dorf, in der das geltende Recht verkündet wird und bei Bedarf allgemeine Angelegenheiten beraten werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Baulast ist im späten 20. Jh. in Deutschland das sich nicht bereits aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergebende, also freiwillig gegen­über der Bauaufsichtsbehörde über­nommene, ein Grundstück betreffende Tun, Dulden oder Unterlassen eines Eigentümers. → Kirchen­baulast

Lit.: Döring, C., Die öffentliche Baulast, 1994

Baurecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die sich auf die Zulässigkeit und die Grenzen bzw. die Ordnung und die Förderung der Errichtung und wesentlichen Veränderung von baulichen Anlagen sowie auf deren bestimmungsgemäße Nutzung beziehen. Ursprünglich gilt für das B. der Grundsatz der Baufreiheit des Grundstücks­berechtigten (so noch das preußische Allgemeine Landrecht von 1794). Seit dem Hochmittelalter finden sich erste Ein­schränkungen in den verdichtet besiedelten Städten. Dem folgen allmählich zahlreiche einzelne Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen der Landesherren. Sie werden in der Mitte des 19. Jh.s durch allgemeine Regelungen ersetzt (München 1863, Bayern 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/1869, Preußen 1871, Württemberg 1872), die mit zunehmender Besied­lungsdichte immer stär­kere Beschränkungen aufnehmen, so dass der Grundsatz der Baufreiheit in erheblichem Umfang zum bloßen Grundsatz eingeengt wird. Als B. wird in Österreich das → Erbbaurecht bezeichnet.

Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F., Baurecht nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter, A., Das Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O., Die Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das Baurecht des fürstlichen Absolutismus im hohenzollerischen Franken, 1961; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Ries, P., Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; 100 Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a., 2000; Binding, G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter, 2002; Kocken, E., Van bouwen, 2004: Untermann, M., Architektur im frühen Mittelalter, 2006

Bausparkasse ist die genossenschaftlich organisierte → Sparkasse, die Darlehen zu Bauzwecken an Genossen vergibt. Die erste B. wird 1775 in Birmingham gegründet (Ketley’s Building Society, 1831 Oxford Provident Building Association in Frankfort/­Pennsylvania). In Deutschland stammt die älteste B. von 1885 (Bielefeld, B. für jedermann, 1924 Bausparkasse Wüstenrot).

Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse, 5. A. 1977

Bautzen

Lit.: Eide, Statuten und Prozesse, hg. v. Schwerhoff, G. u. a., 2002

Bayer ist der Angehörige des aus streitigen Grundlagen (Bojern, Ale­man­nen, Walchen) erwachsenden, zum 6. Jh. (Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und Donau siedelnden Volkes. Die Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der → Franken. Um 740 werden für die Bayern von Bonifatius Bistümer eingerichtet (Passau, Salzburg, Freising, Regensburg, Eichstätt). Vielleicht vor 743 zeichnen die Bayern nach dem Vorbild der Alemannen ihr Recht auf (→ Lex Baiwariorum). Ihr dem bereits im 6. Jh. nachweisbaren Geschlecht der Agilolfinger angehörender König Tassilo III. wird 788 von Karl dem Großen abgesetzt. Später gelangen die Bayern (bzw. gelangt das Gebiet der Bayern als Herzogtum) nacheinander an die Luitpoldinger (Anfang 10. Jh.), das säch­sische und salische Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die Welfen (1070-1138), die Babenberger (1139-1156), die Welfen (1156) und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an die → Wittelsbacher.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1f. 1889ff.; Gutmann, F., Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, 1906; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Stowasser, O., Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925; Spindler, M., Die Anfänge des bayrischen Landesfürstentums, 1937; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z. T. 3. A.ff. 1995ff.; Schmid, A., Das Bild des Bayernherzogs Arnulf (907-937), 1976; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1989; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 1992; Wolf, G., Bemerk­ungen zur Geschichte Herzog Tassilos III. von Bayern (748-788), ZRG GA 109 (1992), 353; Prinz, F., Die Geschichte Bayerns, 1997; Liebhart, W., Bayerns Könige, 2. A. 1997; Fait, B., Demokratische Erneuerung, 1998; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzog­tum Bayern, 2000; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W., Die Baiuwaren, 2002; Bayerische Verfassungsurkunden, bearb. v. Wenzel, A., 4. A. 2002; Schauplätze der Geschichte der Bayern, hg. v. Schmid, A. u. a., 2003; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 3. A. 2004; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004

Bayerisches Landrecht von 1616 ist das von Herzog Maximilian (1597-1651) seinem Land → Bayern gegebene einheitliche → Landrecht.

Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im bayerischen Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975

Bayerisches Oberstes Landesgericht ist das in Wahrung der Erinnerung an Bayern als unabhängigen deutschen Staat (1806-1871) beibehaltene, über mehreren bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg) stehende oberste Gericht (Ober­appellationsgericht) der ordentlichen Ge­richts­barkeit in Bayern. Es geht auf das auf Grund eines kaiserlichen, vom Reichs­kammer­gericht befreienden Privilegs am 18. 4. 1625 verfügte Revisorium (Revisions­gericht) Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungs­gesetz vom 23. 2. 1879. Vom 1. April 1935 bis 1948 war es auf­gehoben. Ab 1. Januar 2005 ist es für Neu­eingänge durch die Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg ersetzt, zum 30. 6. 2006 auch für anhängige Sachen aufgehoben.

Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509; Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J., 375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154; Hettler, F., Das bayerische oberste Landesgericht, (in ) Bayern und Europa, 2005; Hirsch, G., Die Auflösung des bayerischen obersten Landesgerichts, NJW 2006, 3255

Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von → Feuerbach erarbeitete Straf­gesetzbuch → Bayerns, das unter der Theorie des psychologischen Zwanges die wechsel­seitige Freiheit aller Bürger dadurch schützen will, dass es den Straftatbestand möglichst genau festlegt.

Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978

Bayerische Zivilprozessordnung vom 29. 4. 1869 ist das am 1. 7. 1870 den älteren (lat.) → Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (von 1753) ablösende, bis 1879 geltende Zivilprozessgesetz → Bayerns.

Bayern ist das von den Bayern (→ Bayer) bewohnte Gebiet. Seit 1255 wird das mit dem (lat. [N.]) privilegium minus von 1156 bei der Abteilung Österreichs als eigenes Terri­torialherzogtum erkennbare, 1180 an die Wittelsbacher verlehnte, 1214 um die Pfalzgrafschaft bei Rhein erweiterte, durch die Ausbildung der Hochstifte Augsburg, Passau, Freising, Regensburg und Salzburg aber geschmälerte Land B. mehrfach geteilt (1255 Oberbayern mit Pfalzgrafschaft, Nie­derbayern, bis 1346). 1329 werden im Haus­ver­trag von Pavia (aus Oberbayern) Oberpfalz (im Nordgau) und Pfalz einer eigenen Linie überantwortet (mit Kurwürde seit 1356). 1335/1346 gibt Kaiser Ludwig der Bayer dem Teil Oberbayern ein Landrecht. Nach seinem Tode (1347) wird das um Holland und Brandenburg vergrößerte Land erneut geteilt. 1474 gibt Herzog Ludwig der Reiche, der Gründer der Universität Ingolstadt (1472, 1800 Landshut, 1826 München), Nieder­bayern eine Lan­desord­nung, die 1501 ergänzt wird (vgl. auch das Landgebot von Bayern-München von 1500). Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg wird nach Schaffung des Fürstentums Pfalz-Neuburg (junge Pfalz) 1506 die Unteilbarkeit des wiederver­einigten Landes festgelegt, 1516 eine Landesfrei­heitserklärung, 1516/1520 eine (vielleicht von Augustin Köllner endredi­gierte, 1520 um 20 Seiten gekürzte) Landes­ordnung, 1518 eine Landrechtsreformation (zum Landrecht von 1335/1346), 1520 eine Gerichtsordnung, 1553 eine Landesordnung und 1616 durch den die Landstände weiter zurück­drängenden, aber nicht entmachtenden Herzog Maximilian (1598-1651) ein einheit­liches Landrecht geschaffen. 1623 wird B. Kurfürstentum. 1669 findet der letzte Landtag in B. statt. In der Mitte des 18. Jh.s wird das Recht unter Wiguläus von Kreittmayr im (lat.) → Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (1751), im → Codex iuris Bavarici iudiciarii (1753) und im → Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756) zusammengefasst. 1777 kom­men Pfalz (abgesehen von der Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken) und Bayern in der Pfälzer Linie (Carl Theodor aus der Nebenlinie Sulzbach-Hilpoltstein, der 1742 Jülich und Berg erhei­ratet und zudem Bergen op Zoom, Pfalz-Sulzbach, Neuburg und die Kurpfalz erbt) wieder zusammen. 1799 erbt die Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken (Max Joseph) alle Güter Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das zum 1. 1. 1806 zum Königreich aufge­stiegene, dem Rheinbund angeschlos­sene und zum 6. 8. 1806 souverän gewordene Bayern große schwäbische und fränkische Gebiete (Würz­burg, Bamberg, Augsburg, Freising, Teile von Eichstätt und Passau, 1806 Ansbach, Bay­reuth). Am 1. 5. 1808 entsteht zwecks Verhinderung einer zetralistischen Gestaltung des Rheinbundstatuts und einer Einmischung Napoleons in die inneren Angelegenheiten Bayerns eine Verwaltung und Gerichtsbarkeit umfassend modernisierende, von 23 Edikten und Verordnungen ergänzte Konsti­tution, 1813 ein Strafgesetzbuch, am 26. 5. 1818 eine Verfassung (mit Kammer der Reichsräte und Kammer der Abgeordneten). 1871 wird B. Teil des deutschen Reiches. 1918 wird das Königreich zum Freistaat, an den 1920 Coburg angegliedert wird, der aber 1945 alle linksrheinischen Gebiete (Pfalz) an das neue Rheinland-Pfalz verliert. Am 1. 12. 1946 wird innerhalb der Besatzungszone der Vereinigten Staaten von Amerika eine neue Verfassung für B angenommen. 1949 wird B. ein Teil der Bundesrepublik Deutschland.

Lit.: Riezler, S. v. Geschichte Bayerns, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1964; Gengler, H., Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns, 1889; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsver­fassung Bayerns, 1929; Wüstendörfer, M., Das baierische Strafrecht des 13. und 14. Jahrhunderts, 1942; Historischer Atlas von Bayern, hg. v. d. Kommission für bayerische Landesgeschichte, Teil Altbayern Heft 1ff. 1950ff., Teil Franken 1951ff., Teil Schwaben 1952ff.; Rall, H., Kurbayern in der letzten Epoche der alten Reichsverfassung, 1952; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit in Bayern, ZRG GA 71 (1954), 243; Wilhelm, R., Rechtspflege und Dorfverfassung nach niederbayrischen Ehehaftsordnungen, 1954; Fried, P., Herrschaftsge­schichte der altbayerischen Landgerichte Dachau und Kranzberg, 1962; Grasser, W., Johann Freiherr von Lutz 1826-1890, 1967; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 1967ff.; Dollinger, H., Studien zur Finanzreform Maximilians I. von Bayern in den Jahren 1598-1618, 1968; Peitzsch, Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Ostadal, H., Die Kammer der Reichsräte in Bayern von 1819-1848, 1968; Hüttl, L., Caspar von Schmid (1622-1693), 1971; Weis, E., Montgelas, 1971; Mößle, W., Bayern auf den Dresdener Konferenzen 1850/51, 1972; Repräsentation und Parlamentarismus in Bayern, Bd. 1 1974; Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, hg. v. Bosl, K. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Rankl, H., Staatshaushalt, Stände und „gemeiner Nutzen“ in Bayern 1500 bis 1516, 1976; Was früher in Bayern alles Recht war, v. Eberle, R., 1976; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 1983; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W. u. a., 1983; Demel, W., Der bayerische Staatsabsolutismus 1806/1808-1817, 1983; Kraus, A., Grundzüge der Geschichte Bayerns, 1984; Sandberger, A., Altbayerische Studien zur Geschichte von Siedlung, Recht und Landwirtschaft, 1985; Christoffer af Bayerns breve 1440-1448, hg. v. Olesen, J., 1986; Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern von 1811, hg. v. Demel, W. u. a., 1986; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Fischer, S., Der geheime Rat und die geheime Konferenz unter Kurfürst Karl Albrecht von Bayern 1726-1745, 1987; Rall, H., Kurfürst Karl Theodor, 1993; Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Leeb, J., Wahlrecht und Wahlen zur zweiten Kammer, 1996; Regierungsakten des Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799-1815, bearb. v. Schimke, M., 1996; Treml, M., Geschichte des modernen Bayern, 2. A. 2000; Heydenreuter, R., Kriminalgeschichte Bayerns, 2003; Biebl, G., Bayerns Justizminister v(on) Fäustle und die Reichsjustizgesetze, 2003; Franz, M., Die Landesordnung von 1516/1520, 2003; Die Protokolle des bayerischen Ministerrates, hg. v. d. historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1ff. 2003ff.; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 2004; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 3. A. 2004; Schlosser, H., Agnes Bernauerin (1410-1435), ZRG GA 122 (2005), 263; Weis, E., Montgelas, 2005; Bayern mitten in Europa, hg. v. Schmid, A. u. a., 2005; Krey, H., Herrschaftskrisen und Landeseinheit, 2005; Kummer, K., Landstände und Landschaftsverordnung unter Maximilian I. von Bayern (1598-1651), 2005; Tassilo III. von Bayern, hg. v. Kolmer, L., 2005; Körner, H., Geschichte des Königreichs Bayern, 2006; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, 2. A. neubearb. v. Wild, J. u. a., 2006; Schwertmann, M., Gesetzgebung und Repräsentation im frühkonstitutionellen Bayern, 2006; Handbuch der historischen Stätten, Bayern, 3. A., Bd. 1f., hg. v. Körner, H. u. a., 2006; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 3. A. 2007; Bayern – Böhmen – 1500 Jahre Nachbarschaft, 2007; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007; Deutsches Verfassungsrecht, hg. v. Kotulla, M., Bd. 2 2007 (rund 340 Dokumente); Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Die bayerische Konstitution von 1808, hg. v. Schmid, A., 2009

Beamtenrecht ist die sich als Rechtsgebiet seit dem 19. Jh. entwickelnde Gesamtheit der → Beamten betreffenden Rechtssätze (Ansätze im 17. Jh. und in einem Reichs­hofratsprozess von 1776, in dem der Reichshofrat seinen Schutz einem ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos und unehrenhaft entlassenen Beamten gewährt).

Lit.: Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrats und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Dold, I., Die Entwicklung des Beamtenverhältnisses im Fürstentum Fürstenberg, 1961; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht, 1973

Beamter im beamtenrechtlichen Sinn ist, wer unter Aushändigung einer Urkunde bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in das Beamtenverhältnis als ein öffentliches Dienstverhältnis und Treueverhältnis berufen worden ist. Insofern gibt es vor dem im Mittelalter entstehenden Territorialstaat keine eigentlichen Beamten, sondern nur Amtsträger. Für diese setzt sich im fränkischen Reich das Lehnsprinzip durch. Vielleicht seit dem 13. Jh. (bzw. der ausgehenden Stauferzeit) wird der belehnte Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und zunehmend fachlich geschulten Beamten ersetzt. Schon im 17. Jh. kann dieser wegen seiner wohlerworbenen Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos seines Amtes enthoben werden. Im 18. Jh. werden Beamte in Preußen zu Pflichtbe­wusstsein, Sachkenntnis, Pünktlichkeit und Unbestechlichkeit erzogen. Allgemeine Re­geln über die als Zivilbediente bezeichneten Beamten enthält das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 10 §§ 68ff.). Dort ist der Beamte nicht länger Fürstendiener, sondern Staatsdiener. 1850 schreibt die preußische Verfassungsurkunde in den Arti­keln 87ff. für die richterlichen Beamten mo­derne Grundsätze fest, welche die Weimarer Reichsverfassung in den Artikeln 128ff. auf alle Beamten erweitert. In Österreich wird die dienstrechtliche Stellung allgemein erst durch die Dienstpragmatik vom 25. 1. 1914 geregelt (RGBl. 1914, 15). Im Deut­schen Reich werden die Beamten 1933 auf die national­sozialistische Ideologie ausge­richtet (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeam­ten­tums vom 7. April 1933, maßregelt durch­schnittlich 6-8 % der Beamten). 1949 werden die hergebrachten Grundsätze des (wieder­hergestellten) Beam­ten­tums in Art. 33 GG aufgenommen., während die Deutsche Demokratische Repu­blik den Beamten zum öffentlichen Arbeit­nehmer macht. Wichtigste Beamtengesetze der Bundesrepublik Deutsch­land sind das Bundesbeamtengesetz und das Beamten­rechts­rahmengesetz. Österreich schafft am 2. 6. 1977 ein Beamtendienst­rechtsgesetz. Wegen der hohen Personal­kosten ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von Beamten ausgeübt werden muss.

Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst, 1808; Isaacsohn, S., Geschichte des preußischen Beamtentums, Bd. 1ff. 1874ff.; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Wyluda, E., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Rejewski, H., Die Pflicht der politischen Treue im preußischen Beamtenrecht (1850-1918). 1973; Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980, 2. A. 1993; Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Megner, K., Beamte, 1985; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Kittel, E., From Ad Hoc to Routine, 1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der NS-Diktatur, 1996; Wunder, B., Die badische Beamtenschaft, 1998; Heyen, E., Pastorale Beamtenethik 1650-1700, HZ 280 (2005) 345; Hesse, C., Amtsträger der Fürsten im spätmittelalterlichen Reich, 2005 (7468 Kurz­bio­graphien); Krause, F., Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008; Herlemann, H., Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (BBG), ZRG GA 126 (2009), 296

Beati possidentes (lat. [M.Pl.]) die glücklichen Besitzenden (sind im Rechtsstreit im Vorteil).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Euripides 485/480-406 v. Chr.)

Beaumanoir, Philippe de Rémi, Herr (Seigneur) von (um 1247-7. 1. 1296), nachgeborener Sohn des bailli (Amtmanns) des Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechts in Orléans und vielleicht Bologna 1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in Beauvaisis. Zwischen 1280 und 1283 verfasst er Li livres des coustumes et des usages de Beauvoisins (Coutumes de Beauvaisis), die teils das Bestehende be­wahren, teils aber auch verändern. Später erhält er hohe königliche Ämter.

Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir, Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899, Neudruck 1970; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis, 1283-1983, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983

Beaumont bei Reims ist die freie Siedlung, mit deren Recht viele Orte im Westen des deutschen Reiches bewidmet werden. → Loi de Beaumont

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221; Bonvalot, E., Le tiers état d’après la charte de Beaumont, 1884

Bebenburg, Lupold von (Bebenburg in Württemberg um 1297-Bamberg 28. 10. 1363), Reichsministerialensohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechts in Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und nach der Lösung (1351) des 1338 vom Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof in Bamberg. In seinem kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1340) entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in der er einem Reichs­kaisertum ein auf göttliches Recht gegrün­detes Weltkaisertum gegenüberstellt.

Lit.: Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 30

Beccaria, Graf Cesare Bonesana von (Mailand 15. 3. 1738-28. 11. 1794), nach dem Rechtsstudium (1754-1758) 1760-1771 Professor in Mailand, danach im Dienst der österreichischen Lombardei, verfasst 1764 zunächst anonym (it.) Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und Strafen). Darin verlangt er die Durchsetzung des Grundsatzes (lat.) nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz), die regelmäßige Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslängliche Zwangsar­beit, die Abschaffung der Folter, die Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung, das Verbot der Willkür bei Strafverfolgung, die Beachtung der Nützlichkeit gegenüber der bloßen Vergeltung sowie die Bekämpfung des Verbrechens durch aufgeklärte Bildung. Dies hat Auswirkungen auf das Erzherzogtum Toskana des Habsburgers Leopolds II. Gegner Beccarias ist Immanuel Kant.

Lit.: Köbler, DRG 158; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Weis, E., Cesare Beccaria (1738-1794), 1992; Beccaria et la culture juridique des lumières, hg. v. Porret, M., 1998

Bede ist im deutschen Mittelalter (13.-15. Jh. die im Hinblick auf eine bestimmte Notlage von einem Herrn erbetene und von den Betroffenen durch Zustimmung bewilligte, in ihrer Höhe vermögensabhängige → Abgabe in Geld seit etwa dem 11. Jh. Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen Stadt trifft die B. als Umlage den Bürger. Später wird die B. von der Steuer verdrängt (z. B. Bayern 1292, 1295, 1304, 1309).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Waas, A., Vogtei und Bede, 1919; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992

Bedingung ist das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt die Folgen einer menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist aufschiebend oder auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt (lat. [F.] → condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit dem Mittelalter aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) folgt dem von Windscheid (Die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1851) eingenommenen Stand­punkt, dass die erfüllte aufschiebende Be­dingung regelmäßig keine rückwirkende Kraft hat und während der Schwebezeit eine Gebundenheit des bedingt Verpflichteten zu Gunsten des bedingt Berechtigten für den Fall des Eintritts der Bedingung besteht

Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Scheltema, A., De goederechtelijke werking van de ontbindende voorwarde, 2003

beerbt (mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)

Beeskow

Lit.: Urkunden der Stadt Beeskow, bearb. v. Beck, F., 2003

Befangenheit ist das Fehlen der Unvorein­genommenheit bzw. der sachlichen Ein­stellung unabhängig von persönlichen Nei­gungen. Insbesondere von Richtern wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B. erst im 18. Jh. erfasst.

Befestigung ist die künstliche Schutzvor­richtung (z. B. durch Mauern) eines Ortes gegenüber anderen.

Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König beanspruchte Recht, einen Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der Entstehung des → Landes geht das B. vom König auf den Landesherrn über (1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B.

Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland, 1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911; Isenburg, G., Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, 1997

Begnadigung ist der auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlass der Strafe eines einzelnen Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen Herrn. Sie ist so alt wie die Strafe selbst. Im 20. Jh. wird sie zunehmend verrechtlicht.

Lit.: Bauer, A., Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege, 1996; Rehse, B., Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008

Begräbnis ist das Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen Zeiten an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein anderweitiges Fortwirken mitgegeben. Im Anschluss an die jüdische Bibel begraben die Christen ihre Toten im Hinblick auf die künftige Auferstehung des verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der Kirchhof zum wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung wird das B. verrechtlicht. Die vom Christentum abgelehnte Verbrennung wird seit dem Ende des 18. Jh.s bedeutsamer.

Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992, 9. A. 2004; Ili, M., Wohin die Toten gingen, 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996; Bestattungs­befunde in ethnoarchäologischer Perspektive, hg. v. Noll, E. u. a., Ethnograph.-archäolog. Zs. 38 (1997), 287ff.; Engels, J., Funerorum sepulcrorumque magni­ficentia, 1998; Hassenpflug, E., Das Laienbegräbnis in der Kirche, 1999

Begriff ist die von Sache und Wort zu trennende Vorstellung des Menschen von einer Gegegebenheit.

Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002; Koselleck, R., Begriffsgeschichten, 2006

Begriffsjurisprudenz (Jhering 1884) ist die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass die Rechtsordnung nicht eine zusammenhanglose Anhäufung einzelner Vorschriften ist, sondern ein sinnvolles, zusammenhängendes Ganzes und damit aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen (Begriffspyramide) besteht, aus dem vor allem unter Ausschluss aller außer­rechtlichen politischen und gesellschaft­lichen Wertungen durch einen logischen Denk­vorgang eine Lösung des gesetzlich nicht ein­deutig geregelten Einzelfalls ermittelt werden könne und Lücken durch Begriffe und Grundsätze geschlossen werden, die aus dem Gesetz oder Gewohnheitsrecht (z. B. aus den Regeln des römischen Rechts über den Irrtum bei dem Kauf) durch Abstraktion gewonnen werden (z. B. der Grundsatz, dass ein Irrtum eine Willenserklärung nichtig macht). Sie beruht geschichtlich auf der → historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch auf dem → Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg Friedrich → Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesell­schaftlichen Wirklichkeit (wie der Ge­schichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener, den Naturwis­senschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage konstruktiv die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass freilich auf der Suche nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig ausgeschlossen sind. Die B. wird in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s vor allem von Rudolf von Ihering angezweifelt und danach allmählich von der → Interessenjurisprudenz verdrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Savigny, F. v., Vorlesungen über juristische Methodo­logie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Puchta, G., Cursus der Institutionen, 1841, Bd. 1, 9 A. 1881; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhun­dert, 1958; Krawietz, W., Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 10. A. 2005, § 4; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004; Henkel, T., Begriffsjurisprudenz und Billigkeit, 2004

Begründung → Urteilsbegründung

Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G., Die Begründung in Schöffenspüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Begründungen des Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die Begründung von Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler, G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69; Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang, 2002; Ratio decidendi. Guiding Principles of Judicial Decisions, hg. v. Bryson, W. u. a., 2006

Begünstigung ist die Hilfeleistung an einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Sie wird erst in der Neuzeit als solche verselbständigt.

Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Behörde ist die organisatorisch selbständige Stelle, die (als unselbständiges Organ des Staates oder sonstigen selbständigen Verwaltungsträgers) Aufgaben öffentlicher → Verwaltung wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung eine gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung des modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Frühe Ansatzpunkte sind Kanzlei, Hofgericht, und Raitkammer. Im 19. Jh. erfolgt ein rati­o­nal-bürokratischer Aufbau aller Behörden, wobei monokratische und kolle­giale Behörden möglich sind. → Bürokratie

Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch. Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenor­ganisation in Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behörden­organisation im Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973; Histoire comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. Bd. 1ff.1983ff.

Beichtstuhljurisprudenz ist die sich auf die spätantike Ohrenbeichte (lat. [F.] paenitentia privata, private Beichte) gründende, in Westeuropa seit dem 6. Jh. (Toledo 589, Irland E. 6. Jh., Châlon-sur-Saône 644-656) sichtbare, seit dem 12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom Verhalten des christlichen Beichtvaters ge­genüber einem Sünder hinsichtlich der Entscheidung für und gegen die Los­sprechung. Hierzu entstehen im Frühmittelalter besondere Bußbücher (Colum­ban, Liber paenitentiarum mensura taxanda [Luxueil um 573], Iudicia Theodori Cantuariensis [Canterbury? Ende 7. Jh.]) und im Hochmittelalter Beichtsummen (lat. Sum­mae [F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von Peñafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor 1290?). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog. (lat.) → forum (N.) internum werden dabei nach den Regeln des Rechts bzw. der gelehrten Rechte behandelt. Am päpstlichen Hof entwickelt sich die apostolische Poe­nitentiarie als für Gewissenssachen und Gnadensachen zuständige Behörde. Während die Reformation dem Beichtvater die Ent­scheidungsgewalt abspricht, stellt die katholische Kirche die Entscheidung der Beichtväter (1551) einem Urteil gleich. Nach 1558 wird das Beichtverfahren in die geistliche Gerichtsbarkeit überführt.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen forum internum und externum für die spätmittelalterliche Gesellschaft, ZRG KA 76 (1991), 254ff.; Prosperi, A., Tribunali della coscienza, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Reinhard, W., 2001; Alle origini del pensiero giuridico moderno, hg. v. Cavina, M., 2004

Beichtsumme → Beichtstuhljurisprudenz

Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828

Beigeordneter ist in einigen Bundesländern Deutschlands der vom zuständigen Organ einer kommunalen Körperschaft auf Zeit gewählte führende →Beamte.

Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978

Beihilfe ist die Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer Straftat oder hinsichtlich einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen wird erst im Spät­mittelalter gelegentlich unter­schieden. Danach wird die B. als allgemeine Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem Ausbau des Rechts der → Beamten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche Verwaltungs­geschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.

Beil ist das aus metallener Klinge und höl­zernem Griff zusammengesetzte, hauptsäch­lich einhändig dem Zerkleinern von Holz dienende Gerät. Es ist in Altertum und Mit­telalter auch ein Kennzeichen für herr­schaftliche Gewalt und wird zum Vollzug von Todesstrafen und Lei­besstrafen verwendet. Seit dem 14. Jh. erscheint das Fallbeil, das in Frankreich 1792 nach Vorschlag des Arztes J. Guillotin zur Guillotine weiterentwickelt wird.

Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992

Beilager ist der Beischlaf bzw. die öffentliche Beschreitung des Ehebetts als Voraussetzung für die vollzogene → Eheschließung, deren rechtliche Notwendigkeit in der germanischen Zeit streitig ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310; Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961), 298

Beirut → Berytos

Beisasse ist (vor allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner (Bürger).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 275ff.; Vits, B., Hüfner, Kötter und Beisassen, 1993

Beisitz ist eine mindere Form einer Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht bleibt nach dem Tode eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögens­gemeinschaft auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B., bis dieser durch Abschichtung, Wieder­verheiratung oder Tod beendet wird. Mit der Entwicklung des → Ehegattenerbrechts schwindet der noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 1 § 645) enthaltene B.

Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973

Beisitzer → Assessor

Beispruch ist im älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers eines Gutes zur Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht auf der ur­sprünglichen Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rück­rufsrecht), schwindet im Laufe des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers.

Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952

Beispruchsrecht → Beispruch

Belagerungszustand ist der seit dem 19. Jh. verrechtlichte Zustand der (ursprünglich tatsächlichen) Belagerung (z. B. einer Stadt) durch einen Feind, in dem bestimmte Rechte eingeschränkt und die Zuständigkeit von Ge­richten abgeändert werden kann.

Lit.: Schudnagies, C., Der Kriegs- oder Belagerungs­zu­stand während des ersten Weltkriegs, 1994

Beleidigung ist die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen. Sie ist im altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten, die im klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst. Im Mittelalter hat die B. eher tatsächliche als rechtliche Folgen. Die peinliche Gerichts­ordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Bei Thomasius (1655-1728) werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander geschieden. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die Verleumdung von der B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble Nachrede als B. in weiterem Sinn an.

Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung, 1886; Thieme, K., Iniuria und Beleidigung, 1905; Bartels, K., Die Dogmatik der Ehrverletzung in der Wissenschaft des gemeinen Rechts, Diss. jur. Göttingen 1959; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998

Belgien ist das Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein Name geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene keltisch-germanische Mischstämme zurück, die zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet werden. Sie geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss der vom Niederrhein einströmenden → Franken, die den nördlichen Teil sprach­lich assimilieren (altniederfränkisch, flä­misch). 843/877 gelangt ein Teil an den Westen (Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte Gebiet an → Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für das Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheits­rechte (coutumes) binnen sechs Monaten anordnet ([1750] 691). Bei der Teilung im Hause Habsburg (1521/1522/1526) fällt der Raum an → Spanien, ohne im Freiheitskampf der → Niederlande mit diesen sich (tat­sächlich 1571-1581 und rechtlich 1648) aus der spanischen Herrschaft lösen zu können (spanische Niederlande). Nach dem spanischen Erbfolgekrieg (1713) wird das Gebiet an das habsburgische → Österreich gegeben (österreichische Niederlande), nach der Be­setzung durch das bald seine Kodi­fika­tionen von 1804ff. unter Aufhebung älterer Gewohnheitsrechte und Gesetze einführende Frankreich (1793, 1795 Batavische Republik, 1797 Teil Frankreichs) 1815 aber Österreich auch rechtlich entzogen und mit den Niederlanden zum Königreich der Nieder­lande vereint. Unter der Ein­wirkung der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische (romanische) Gebiet (im Südosten um [Brüssel,] Charleroi, Namur, Bastogne, 40 Prozent), teils flämische (niederländisch­sprachige) Gebiet (im Nordwesten um Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen, Mechelen, 60 Prozent) am 18. 11. 1830 seine Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle Monarchie fest (Einheits­staat). Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt. Die 1831/1839 garantierte Neutralität ist seit 1914/1919 beendet bzw. aufgehoben. Seit 1951/1952 ist B., in dem die sog. flä­mische Revolution die Vorherrschaft französischer Kultur mehr und mehr durchbricht, Kernland europäischer Einigung (1951/1952 Montan­union, 1957 Euratom, Europäische Wirt­schafts­ge­meinschaft), entwickelt sich als Folge des inneren sprach­lichen Gegensatzes aber 1993 zu einem Bundesstaat. → Europäische Union

Lit.: Recueil des anciennes ordonnances de la Belgique; Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H., Histoire de Belgique, Bd. 1ff. 1899ff., Neudruck 1975; Errera, P., Das Staatsrecht des Königreichs Belgien, 1909; Marez, G. des, Le droit privé à Ypres, 1927; Vercauteren, F., Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires publiés par l’académie royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen over Luikse en Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 1949ff.; Standen en Landen, Bd. 1ff. 1950ff.; Génicot, L., L’économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst, A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,­3794,3892,3973,4091; Ordonnances et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977; Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a., Chronologische Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J., Historische Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de officialiteit van Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982; Cossart, A. v., Belgien, 1985; Dumont, G., Histoire de la Belgique, 1985; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Costumen van de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2 1989; Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 3. A. 2002ff.; Delpérée, F., Le droit constitutionnel de la Belgique, 2000; Zedinger, R., Die Verwaltung der österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795), 2000; Uyttendaele, M., Précis de droit constitutionnel belge, 2001; Geschiedenis van de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003; Koll, J., Die belgische Nation, 2003; Politieke en sociale geschiedenis van justitie in Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; La Belgique, les petits Ètats et la construction européenne, hg. v. Dumoulin, M. u. a., 2003; Napoleons nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005; Heirbaut, D., Hadden/hebben de Belgische ministers van Justitie een civielrechtelijk beleid?, 2005; Schaepdrijver, S. de, La Belgique et la première guerre mondiale, 2005; Heirbaut, D., Privaatrechts­geschiedenis van de Romeinen tot heden, 2005; Vesentini, F., Pratiques pénales et structures sociales, 2005; Lejeune, C., Die Säuberung, Bd. 1ff. 2005ff.; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006; Dupont-Bouchat, M. u. a., La Belgique criminelle, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Deferme, J., Uit de ketens van de vrijheid, 2007; Verfassungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Heirbaut, D., Een beknopte geschiedenis van het sociaal, het economisch en het fiscaal recht in Belgie, 2009; Horvat, S., De vervolging van militairrechtelijke delicten tijdens Wereldoorlog I, 2009

Belial (hebr. Bosheit, Widersacher Christi) ist in der Bibel (2. Kor. 6, 15) ein Teufel und im Spätmittelalter eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra Jesum coram iudice Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter Salomo) des kanonistisch geschulten Archidiakons Jacobus (Paladinus) de Theramo (Teramo, 1382 Archidiakon in Aversa, 1391 Bischof von Monopoli, später von Florenz) von 1382. Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die Rezeption der gelehrten Rechte beschleunigender Literatur.

Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig, 1960, 55; Ott, N., Rechtspraxis und Heilsgeschichte, 1983

Beliebung → Dorfordnung, Siebenhardenbeliebung

Bellapertica → Petrus de

Bello, Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges Rechtsstudium in London betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen Kodifikationsgedanken und dem spanisch-römischen Sachmaterial eigen­ständig aufgebauten (span.) Codigo civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de Chile von 1855.

Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988

Bellot, Pierre François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der Redaktor des Zivilgesetzbuches und Schöpfer des Prozessrechts in → Genf.

Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446

bellum (lat. [N.]) Krieg

Benedictus de Isernia ist ein in Benevent kurz vor 1200 geborener, 1252 in Neapel noch bezeugter Jurist (Glossen, Summen).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 496

Benedictus Levita ist der selbstgewählte Name des (unbekannten) Verfassers einer in drei Bücher mit 405, 436 und 478 (bzw. insgesamt 1721) Kapiteln gegliederten, um 850 (vor 852?) wohl in der Erzdiözese Reims (nach eigenen Angaben im Archiv der Kirche von Mainz) entstandenen, zum Teil (mehr als drei Vierteln?) gefälschten oder verfälschten, zu einem beträchtlichen Teil aber echten, auf sehr guten Vorlagnen beruhenden, vollständig nur durch zwei Handschriften überlieferten, nur mäßig erfolgreichen Rechts­sammlung, die Kapitu­larien aus der Sammlung des → Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen kirchlichen wie weltlichen Rechts (von den Volksrechten nur die [lat.] Lex Baiwariorum, Volksrecht der Bayern) ohne jede erkennbare Ordnung aneinander­reiht.

Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.; Schmitz, G., Die Reformkonzilien von 813 und die Sammlung des Benedictus Levita, DA 56 (2000), 1; Fortschritt durch Fälschungen?, 2002; Lukas, V., Eine Sammlung von Kapitularien Karls des Großen bei Benedictus Levita, ZRG KA 90 (2004), 1

Benedikt XIV. (Prospero Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines Werkes (lat.) De synodo dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste Vertreter einer geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft.

Lit.: Haynes, R., Philosopher King. The Humanist Pope Benedict XIV, 1970

Benediktiner ist der Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und nach 529 in Montecassino (bei Neapel) geleiteten ältesten abendländischen Mönchsordens, der nach der von Benedikt verfassten, sich im fränkischen Reich durchsetzenden Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben Montecassino vor allem Luxeuil, Cluny, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy, Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm, Hirsau, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im Elsass, Lorsch, Maria Laach, Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron, Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten, Sankt Emmeram und Göttweig. Als Zweig­orden der B. lassen sich Kamaldulenser, Vallumbrosaner, Zisterzienser, Silvestriner, Cölestiner und Olivetaner verstehen. In Frankreich werden alle Klöster der B. 1789 aufgehoben, im Heiligen Reich alle Klöster 1803 säkularisiert, doch werden im 19. Jh. viele wiederbegründet. Seit 1893 gibt es einen weltweiten Zusammenschluss mit derzeit 21 Kongregationen und rund 200 Klöstern.→ regula Benedicti

Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen Mönchtums, 1929; Schmitz, P., Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 1ff. 1947ff.; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986; Engelbert, P., Geschichte des Benediktinerkollegs Sankt Anselm in Rom, 1988

Benediktinerregel → regula Benedicti

Benediktion

Lit.: Franz, A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 1909

Beneficium (lat. [N.] Wohltat, gute Tat) ist im römischen Recht jede (, vor allem kaiserliche) Gunst (z. B. Übertragung des Rechts an einer Sache [u. a. b. excussionis si­ve ordinis, b. divisionis, b. cedendarum actio­num, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b. inventarii, b. separationis bonorum, b. ces­sionis bonorum, b. competentiae]), im Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte → Leihe. Als solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe (z. B. säkularisierten Kirchenguts) gegen Leistung von Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter (Amts­pfründen) verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des 9. Jh.s auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von → Lehen. Im 13. Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im Rahmen des römischen Rechtes wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder verwendet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsge­walt, 1933; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983, 7. A. 1989; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994 ; Mönchtum - Kirche - Herrschaft, hg. v. Bauer, D. u. a., 1998 ; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007

beneficium (N.) cedendarum actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden Ansprüche

Beneficium (N.) competentiae (lat.) (Rechtswohltat des Notbedarfs) heißt seit dem 16. Jh. die schon im klassischen römischen Recht vorhandene Möglichkeit, gewisse nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zum Geldwert eines zur Urteilszeit vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit der Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c. genießt auch der Klerus, dem das zum standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu belassen ist.

Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im klassischen römischen Recht, 1986

beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung

Beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung) ist die nach der Reformation Martin → Luthers von Lan­desherren und durch den Augsburger Reli­gionsfrieden vom 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte Freiheit, in ein Land auszuwandern, in dem die vom eigenen Landesherrn nicht geteilte Religion eines auswanderungs­willigen Untertanen gilt. Voraussetzung ist der Verkauf der Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer möglichen Be­freiungsabgabe.

Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1949, 55

beneficium (N.) excussionis (lat.) Wohltat (Einrede) der Vorausklage

beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der Inventarerrichtung

Beneš-Dekrete sind die von Edvard Beneš (28. 5. 1884-3. 9. 1948) als dem Präsidenten der zweiten tschechoslowa­kischen Republik verfügten (insgesamt 143) Dekrete (Dekret des Prä­sidenten vom 19. Mai 1945 über die nationale Verwaltung [Enteignung) der Vermögenswerte von Deutschen und Madjaren, Verrätern und Kollaborateuren, Dekret vom 19. Juni 1945 über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher, Verräter und ihrer Helfershelfer durch außer­ordentliche Volksgerichte, Dekret vom 21. Juni 1945 über die Konfiskation und Aufteilung des landwirtschaftlichen Ver­mögens der Deutschen, Madjaren usw., [Bekannt­­machung des Finanzministers vom 22. Juni 1945 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens,] Dekret vom 20. Juli 1945 über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, Madjaren und anderen Staatsfeinde durch Tschechen und Slowaken, Verfassungsdekret vom 2. August 1945 über den Verlust der Staatsbürgerschaft der Deutschen und Madjaren, Dekret vom 19. September 1945 über die Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen (ohne Entlohnung und Lebensmittel), Dekret vom 18. Oktober 1945 über die Auflösung der deutschen Universität Prag und der deutschen technischen Hochschulen von Prag und Brünn, Dekret vom 25. Oktober 1945 über die Konfiskation des feindlichen Vermögens, Dekret vom 27. Oktober 1945 über die Einrichtung von Zwangsarbeitssonderabtei­lungen und Verfas­sungsdekret vom 27. Oktober 1945 über die Sicherstellung der als unzuverlässig ange­sehenen Menschen (sowie Erlass des Innenministeriums vom 26. November 1945 über die Aussiedlung der deutschen Antif­aschisten in die sowjetische Besatzungs­zone Deutschlands und Gesetz vom 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammen­hängenden Handlungen [oder Straftaten]). Die B. entfalten noch in der Gegenwart Wirksamkeit.

Lit.: Dokumente zur Diskussion über die Beneš-Dekrete, hg. v. Slapnicka, H., 1999; Beneš, E., Benesovy dekrety, 2002; Mandler, E., Benesovy dekrety, 2002; Die Deutschen und Magyaren in den Dekreten des Präsidenten der Republik. Studien und Dokumente 1940-1945, hg. v. Jech, K., 2003; Perzi, N., Die Beneš-Dekrete, 2003; Bühler, K./Schusterschitz, G./Wimmer, M., The Beneš-Decrees, Austrian Review of International and European Law 9 (2004), 1

Bentham, Jeremy (London 15. 2. 1748-6. 6. 1832), Anwaltssohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn (1763) für kurze Zeit Anwalt. 1789 veröffentlicht er als Privatgelehrter (engl.) The Introduction of the Principles of Morals and Legislation (Einführung in die Grundsätze von Moral und Gesetzgebung), welcher der Gedanke zugrunde liegt, dass eine Handlung dann richtig und ein Gesetz dann gerecht ist, wenn es das größte Glück der größten Zahl von Menschen fördere (→ Utilitarismus). Dazu strebt er eine Kodifikation an. 1817 tritt er in (engl.) A Catechism on Parliamentary Reform (Bekenntnis zur Reform des Parlaments) für jährliche Wahlen, einheitliche Wahlbezirke, Ausdehnung des Wahlrechts und Geheimheit der Wahl ein. Er beeinflusst John → Austins analytische Rechtswissenschaft. Die histo­rische Rechtsschule nimmt ihn nicht zur Kenntnis, doch gibt es einzelne Auswir­kungen seiner Vorstellungen im Prozess, Gefängniswesen und den Zinsen.

Lit.: Köbler, DRG 139, 179; Bentham, J., A Comment on the Commentaries, hg. v. Everett, C., 1928; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1974); Campos Boralevi, L., Bentham and the oppressed, 1984; Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986; Luik, S., Die Rezeption Jeremy Benthams, 2003; Kramer-McInnis, G., Der „Gesetzgeber der Welt“, 2008

Bentheim

Lit.: Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Länder, 7. A. 2007; Finkemeyer, E., Verfassung und Verwaltung der Grafschaft Bentheim zur Zeit der hannoverschen Pfandschaft 1753-1804, 1967; Veddeler, P., Die territoriale Entwicklung der Grafschaft Bentheim bis zum Ende des Mittelalters, 1970; Marra, S., Allianzen des Adels, 2006

Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang zur Benutzung einer öffentlich­rechtlichen Einrichtung, wie er im 19. Jh. durch die → Leistungsverwaltung durchge­setzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich der öffentlichen Schlachthäuser).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwal­tungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f.

Beratungshilfe ist die in Deutschland zusammen mit der Prozesskostenhilfe das → Armenrecht 1980 ablösende Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens durch Rechtsanwälte.

Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungs­hilfegesetz/Prozesskostenhilfe, 1990

Berber ist der Angehörige eines eine Berbersprache sprechenden Volkes in Nordafrika (z. B. Tuareg, Kabyle, Wort vielleicht von gr. barbaros?)

Lit.: Brandes, J., Geschichte der Berber, 2004

Bereicherung ist die Vermehrung eines Vermögens. Sie ist dann herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem Sinn kann bereits im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der → Kondiktion (lat. [F.] condictio) zurück­verlangt werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für Fälle nicht eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes. Herauszu­geben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In nachklassischer Zeit wird im Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung mit der allgemein phi­losophisch-christlichen Überlegung gerecht­fertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher (lat. locupletior) werden dürfe. Im Mittelalter versuchen die Glossatoren erstmals, die Kondiktion mit dem Grundsatz der Beschränkung der Heraus­gabepflicht auf die noch vorhandene B. zu verbinden. Dem folgt → Duaren (1509-1559). Von Hugo → Grotius wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die vernunftrechtlichen Kodifi­kationen aufge­nommen. Im 19. Jh. setzt sich wohl auf Grund der von Glück übernommen­en Vorstellung die Ansicht durch, dass nur die noch vorhandene B. herauszugeben ist. Otto von Gierke bewirkt, dass im deutschen Bürger­lich­en Gesetzbuch (1900) die Grundlosig­keit des Habens als Leitgedanke der Ansprüche auf Herausgabe der B. vorangestellt wird.

Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215, 271; Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, ZRG RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungs­ansprüche, 1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung in dogmenge­schichtlicher Sicht, (in) Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi Dergise 29 (1972), 289; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten, 1974; Schubert, W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA 92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex negotiatione, 1993; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J., The Concept of unjust enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Wernecke, F., Abwehr und Ausgleich aufgedrängter Bereicherungen, 2004; Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v. Zimmermann, R., 2005

Berg an der Dhün am Niederrhein ist im 11. Jh. der Sitz eines Geschlechts von Grafen, deren Land 1614/1666 an Pfalz-Neuburg und 1777 mit der Pfalz an Bayern gelangt. 1805/1806 formt Napoleon hieraus und aus anderen Gebieten das Großherzogtum Berg mit Verfassung und Verwaltung nach fran­zösischem Vorbild. 1813/1814 werden die französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815 fällt B. an Preußen, über das sein Gebiet (1946) zu → Nordrhein-Westfalen kommt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Land im Mittelpunkt der Mächte, 3. A. 1985; Kraus, T., Die Entstehung der Landesherrschaft der Grafen von Berg, 1981; Francksen, M., Staatsrat und Gesetzgebung im Großherzogtum Berg 1806-1813, 1982; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte, 1995; Schmidt, C., Das Großherzogtum Berg, 1999; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Modell und Wirklichkeit, hg. v. Dethlefs, G. u. a., 2008; Severin-Barboutie, B., Französische Herrschaftspolitik und Modernisierung, 2008

Berg, Günther Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27. 11. 1765-9. 9. 1843), Amt­mannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1793 außerordentlicher Professor in Göttingen und danach Hofrat (1800), Regie­rungspräsident, Bundestagsgesandter, Obera­p­pellations­gerichtspräsident und Staatsminis­ter. Sein bekanntestes Werk ist ein sieben­bändiges Handbuch des → Polizeirechts (1799ff.).

Lit.: Köbler, DRG 152

Bergbau Bergrecht

Lit: Bader, K., Zur Geschichte des Eisenerzabbaues und des Hüttenwerks zu Blumberg, 1938; Schmidtill, E., Zur Geschichte des Eisenerzbergbaues im südlichen Fichtelgebirge, 1963; Valentinitsch, H., Das landesfürstliche Quecksilberbergwerk Idria 1575-1659, 1981; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Paul, R., Vorstudien für ein Wörterbuch zur Bergmannssprache in den sieben niederungarischen Bergstädten, 1987; Wiesemann, J., Steinkohlenbergbau in den Territorien um Aachen 1334-1794, 1995; Krenz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000

Bergelohn ist die bei der Bergung eines in Seenot und zugleich aus der Verfügungs­gewalt der Schiffsbesatzung geratenen Schiffes geschuldete Vergütung. Ursprünglich herrscht hier der Grundsatz des Strandraubs, dem der Grundsatz des Strandregals des Landesherrn folgt. Seit dem frühen Mittelalter (Rhodos 600-800 n. Chr., Hamburg 1270, Ordonnance de la Marine 1681) wird dem Berger ein Anteil zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird für den Berger wie den Hilfeleistenden ein gemäß den Umständen nach billigem Ermessen zu bestimmender B. für richtig gehalten (Strandungsordnung 1874, §§ 740ff. HGB, Brüsseler Übereinkommen 1910).

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957

Bergen („Bergweide“) am Byfjord wird 1070 gegründet. Es ist seit dem 12. Jh. → Norwegens Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet dort die → Hanse eine Niederlassung.

Lit.: Bruns, F., Die Lübecker Bergenfahrer, 1900; Bergen, hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu Lübeck, bearb. v. Asmussen, G. u. a., 2002; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008

Berggericht

Lit.: Huffmann, F., Über die sächsische Berggerichts­bar­keit, 1935

Bergrecht ist das Berge betreffende Recht, insbesondere das Recht des Bergbaus und damit der Gewinnung von Bodenschätzen zunächst vor allem aus Bergen. Der dem antiken folgende, mittelalterliche Bergbau beginnt um Goslar (Silber) im 9. Jh., an der Südseite des Erzgebirges um 1140 und im Mansfelder Gebiet (Kupfer) um 1190. Ausgangspunkt ist die Bergbaufreiheit des Grundeigentümers. Wohl bereits im Früh­mittelalter beansprucht aber der König die Herrschaft über den Bergbau, durch welche die Stellung des Grundeigentümers be­schränkt wird. 1158 verkündet Friedrich I. Barbarossa zunächst für Italien in Roncaglia ([lat.] Constitutio [F.] de regalibus, Gesetz über die königlichen Rechte) das Silberregal und das Salzregal des Königs ([lat.] argentariae … et salinarum reditus, Abgaben aus Silber­werken? und Salinen). Wenig später wird das B. erstmals ausführlicher festgehalten (Trient 1185/1208, Iglau 1249, Goslar 1271, Freiberg 14. Jh., Schladming 1408). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers an jedem geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit, Bergbaufreiheit, Goldberg 1342), wobei der Finder Anspruch (Finderrecht) auf Verleihung der Schürfrechte hat (Kulmer Handfeste 1233). 1356 geht das Bergregal des Königs urkundlich auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf andere Reichsfürsten über. Die Landesherren erlassen Berg­ordnung­en (Kuttenberg 1300-1305 als Vorläuferin, Schneeberg 1492, Annaberg 1509, Joachimsthal 1518, Jülich-Berg 1542, Henneberg 1566). Die Berg­bauunternehmer arbeiten als bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft) mit Kuxen als Anteilen. Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine allmählich in verschieden­en Hinsichten geschützten Arbeiter (Knappe). In der Mitte des 18. Jh.s wandelt sich der Bergbau zur Industrie. Der Staat greift durch Gesetze ein (Loi relative aux mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810, Österreich 1854, Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865), wobei an die Stelle des fürstlichen Bergregals die staatliche Berghoheit tritt.

Lit.: Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Agricola, G. v., De re metallica libri XII, 1556; Die Henneberger Bergordnung von 1566, hg. v. Lingelbach, G., 2002; Achenbach, H., Das gemeine deutsche Bergrecht, 1871; Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887; Abignente, G., La proprietà del sottosuolo, 1888; Zycha, A., Das Recht des ältesten deutschen Bergbaues, 1899; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, 1900; Arndt, A., Noch einmal der Sachsenspiegel und das Bergregal, ZRG GA 23 (1902), 112; Arndt, A., Einige Bemerkungen zur Geschichte des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 59; Zycha, A., Über den Ursprung der deutschen Bergbaufreiheit, ZRG GA 24 (1903), 338; Arndt, A., Zur Frage des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 465; Arndt, A., Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. A. 1916; Möllenberg, W., Das Mansfelder Bergrecht und seine Geschichte, 1914; Müller-Erzbach, Das Bergrecht, 1917; Stolz, O., Die Anfänge des Bergbaues und Bergrechtes in Tirol, ZRG GA 48 (1928), 207; Schönbauer, E., Beiträge zur Geschichte des Bergbaurechts, 1929; Weizsäcker, W., Das alte Zinnbergrecht von Graupen im Erzgebirge, ZRG GA 50 (1930), 233; Weizsäcker, W., Sächsisches Bergrecht in Böhmen, 1929; Sehm, J., Der Silberbergbau zu Annaberg, (1934); Silberschmidt, W., Zur Geschichte der Bergfreiheiten, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 260; Silberschmidt, W., Das schwedische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 442, Krzyżanowski, J., Die Bergbaufreiheit in Polen, 1935 (polnisch); Sehm, J., Die Schreckenberger Berg­ordnung 1499/1500, 1936; Büchsel, H., Rechts- und Sozialgeschichte des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens 1750 bis 1806, 1941, Thieme, H., Die Funktion der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Löscher, H., Die erste Annaberger Bergordnung vom 11. Februar 1493, ZRG GA 68 (1951), 435; Schneider, H., Zur Geschichte des Bergrechts und der Bergverfassung im Siegerland, Diss. jur. Bonn 1954; Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnung in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schneider, H., Das ältere Siegerländer Bergrecht, 1956; Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178; Löscher, H., Vom Bergregal im sächsischen Erzgebirge, Freiberger Forschungshefte D 22, 1957; Ebel, W., Über das landesherrliche Bergregal, Zs. f. Bergrecht 109 (1968), 146; Löscher, H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343; Willecke, R./Turner, G., Grundriss des Bergrechts, 2. A. 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches Abbaurecht, FS N. Grass, 1974, 533; Willecke, R., Die deutsche Berggesetzgebung, 1977; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Tubbesing, G., Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer, H./Zettler, A., Der mittelalterliche Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg, 1996; Ecker, F., Die Entwicklung des Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner, M., Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale montanorum, 2002; Thür, G., Gedanken zu Bergregal und Bergbaufreiheit in der griechisch-römischen Antike, (in) Festschrift für Gernot Kocher, 2002, 317ff.; Löscher, H., Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts, Bd. 1f. 2003ff.; Stadt und Bergbau, hg. v. Kaufhold, K. u. a., 2004

Bergregal → Bergrecht

Berlich(ius), Matthias (Schkölen bei Weißen­feld 9. 10. 1586-Leipzig 8. 8. 1638), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Jena und Marburg (Promotion 1610) 1611 in Leipzig Anwalt. In seinen (lat.) Conclusiones (F.Pl.) practicabiles (Praktische Schlüsse) (1615ff.) stellt er das gemeine Recht nach der Ordnung der kursächsischen Konstitutionen von 1572 dar. Auf seinem im Strafrecht eine genauere Beschreibung der Straftatbestände anstrebenden Werk baut Benedikt Carpzov auf.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736

Berlin erwächst aus zwei älteren (um 1200 geplanten?), beiderseits eines Übergangs über die untere Spree liegenden Siedlungen (Cölln [dendrologische Daten um oder nach 1171, Ersterwähnung 1237], Berlin [Sumpfort], slawische Besiedlung Berlins bis ins 10. Jh. nachweisbar?, Ersterwähnung 1244), die um 1235 (Berlin um 1230?, 1253 an Frankfurt an der Oder übertragen) Stadtrecht erhalten und 1307 organisatorisch (zu einer Union) vereinigt werden. Am Ende des 14. Jh.s (1397) entsteht das Berliner Stadtbuch (Berlin, Stadtarchiv, ohne Signatur), dessen Schöffenrecht hauptsächlich auf dem → Sachsenspiegel aufbaut und durch die Glosse Johanns von Buch, durch den Richtsteig Landrechts und durch das Sächsische Weichbildrecht beeinflusst ist, aber auch brandenburgische Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht erkennen lässt. Unter den 1442/1448 den Widerstand der Stadt B. brechenden Hohenzollern (1415) wird B. 1470 Residenz der Markgrafen von Brandenburg, die hier 1516 das → Kam­mergericht einrichten und sich seit 1701 Könige in Preußen nennen. 1709 wird aus B., Cölln, Friedrichswerder, Dorotheen­stadt, Fried­richstadt und einigen Vorstädten die einheitliche Königsstadt B. mit einem Magistrat gebildet. 1810 erhält B. eine Universität. 1871 wird B. Hauptstadt des Deutschen Reiches. 1878 findet dort ein internationaler Kongress über die Staatsver­hältnisse auf dem Balkan statt. 1912 wird der Zweck­verband Groß-Berlin geschaffen. Am 27. 4. 1920 wird aus 8 Städten, 59 Land­gemeinden und 27 Gutsbezirken die zwei­stufig ge­gliederte, in 20 Bezirke geteilte Einheits­gemeinde B. gebildet. 1945 wird B. in vier Sektoren der Besatzungsmächte aufgeteilt, 1948 in Westberlin und Ostberlin gespalten, von 1961 bis 1989 durch eine Mauer mit Schießbefehl getrennt, 1990 aber wieder vereinigt und 1991 (mit rund 890 Quadratkilometern Fläche und etwa 3,5 Millionen Einwohnern) statt Bonn zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland bestimmt. Der Versuch der Vereinigung mit Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 245; Berlinisches Stadtbuch, hg. v. Clauswitz, P., 1883; Das Stadtbuch des alten Köln an der Spree, hg.v. Clauswitz, P., 1921; Gebhardt, P. v., Das älteste Berliner Bürgerbuch 1453-1700, 1927; Seeboth, J., Das Privatrecht des Berliner Stadtbuches, 1928; Die Bürgerbücher von Cölln an der Spree, hg. v. Gebhardt, P. v., 1930; Latendorf, O., Die Entwicklung der städtischen Kassenorganisation Berlins, 1931; Berliner Häuserbuch, bearb. v. Lüdicke, R., Bd. 1 1933; Steffen, K., Das Berliner Stadtverfassungsrecht, 1936; Asen, J., Gesamtverzeichnis des Lehrkörpers der Universität Berlin, Bd. 1 (1810-1945), 1955; Berlin-Bibliographie, Bd. 1ff. 1965ff.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Festschrift zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, hg. v. Wilke, D., 1984; Geschichte Berlins, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1f. 1987, 3. A. 2002; Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a., 1988; Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61; Schultz, H., Berlin 1650-1800, 2. A. 1992; Fijal, A., Die Geschichte der juristischen Gesellschaft zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, 1991; Schubert, W., Die Vorträge von Reinhold Johow in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft (1881-1897), ZRG GA 110 (1993), 458; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der juridischen Fakultät, Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel, J. u. a., 1998; Raiser, T., Schicksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A. Gräfin v., Der nackte Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W., 2000; Fritze, W./Schich, W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Städtebuch Brandenburg und Berlin, hg. v. Engel, E. u. a., 2000; Ribbe, W., Die historische Kommission zu Berlin, 2000; Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001; Ziolkowski, T., Berlin, 2002; Large, D., Berlin, 2002; Engler, H., Die Finanzierung der Reichshauptstadt, 2004; Die Berliner Universität in der NS-Zeit, hg. v. Bruch, R. vom u. a., 2005; Thies, R., Ethnograph des dunklen Berlin, 2006

Bern wird wohl unter Bezugnahme auf Verona 1191 vom Herzog von Zähringen auf ursprünglichem Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das Reich zurück (Berner Handfeste Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit umstritten) und wird 1274 Reichsstadt. Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet sich 1353 mit der → Eidgenossenschaft der Schweiz und entwickelt sich (1458 4500 Einwohner) zum größten Stadtstaat nördlich der Alpen, der mit 130000 qkm rund ein Drittel der heutigen Schweiz umfasst. Seit 1848 ist B. Hauptstadt der Schweiz. Am 9. 9. 1886 wird in B. die völkerrechtliche Berner Übereinkunft des Urheberrechts geschlossen, die alle Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte Staaten von Amerika) zur Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit Inländern verpflichtet.

Lit.: Mutach, A. v., Revolutionsgeschichte der Republik Bern 1789-1815, hg. v. Wirz, H., 1934; Die Rechtsquellen des Kantons Bern (Teil 1 Stadtrechte, Teil 2 Rechte der Landschaft), hg. v. Welti, E. u. a. 1902ff.; Welti, F. u. a., Das Stadrecht von Bern, Bd. 1ff. 1902ff., Bd. 1f. 2. A. bearb. v. Rennefahrt, H., 1971; Stürler, R. v., Die vier Berner Landgerichte Seftigen, Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, Diss. jur. Bern 1920; Die historische Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern, Diss. staatswiss. Bern 1920; Audétat, E., Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns (Diss. phil. Bern), 1921; Rennefahrt, H., Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs II., Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 46 (1927); Rennefahrt, H., Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928ff.; Däppen, O., Verfassungsgeschichte der Berner Landstädte, Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern 30 (1929), 1; Strahm, H., Studien zur Gründungs­geschichte der Stadt Bern, 1935; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil 2, Bd. 2 1937; Schmid, B., War Bern in staufischer Zeit Reichsstadt?, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 20 (1940), 161; Feller, R., Geschichte Berns, 1946; Roth, U., Samuel Ludwig Schnell und das Zivilgesetzbuch für den Kanton Bern von 1824-1830, 1948; Bader, K., Um Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste, ZRG GA 72 (1955), 194; Sechshundert Jahre Inselspital (1354-1954), verf. v. Rennefahrt, H. u. a., 1954; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Rennefahrt, H., Nochmals um die Echtheit der Berner Handfeste, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 6 (1956), 145; Häusler, F., Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1f. 1958ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Soliva, C., Zur Berner Stadtrechts­reformation von 1614, ZRG GA 92 (1975), 117; Bierbrauer, P., Freiheit und Gemeinde im Berner Oberland 1300-1700, 1991; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat (1191-1798), ZRG GA 112 (1995), 366; Gerber, R., Gott ist Burger zu Bern, 2001; Berns mutige Zeit, hg. v. Schwinges, R. 2003 Repertorium der Policeyordnungen 7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Rieder, K., Netzwerke des Konser­va­tivis­mus, 2008

Bernardus Dorna ist ein aus der Provence stammender, zeitweise in Bologna tätiger, 1222-1234 in Montpellier nachweisbarer Jurist (Summula de libellis et eorum compositione).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 302

Bernardus Papiensis (Pavia vor 1150-1213) wird nach dem Studium in Bologna Lehrer des geistlichen Rechts und 1187 Propst, 1198 Bischof von Pavia. Seine in fünf Bücher geteilte systematische Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.) extravagantium (Kurzfassung der zusätzlichen [Dekretalen]) (1188/1190) wird (als [lat.] compilatio [F.] prima, erste Sammlung) zum Vorbild aller späteren Gesetzessammlungen (Dekretalen­sammlungen) des kanonischen Rechts, das seit seiner Zeit als sich ständig erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils neuesten Stand auf den Universitäten gelehrt wird.

Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120

Berner, Albert Friedrich (Straßburg/­Uckermark 30. 11. 1818-Berlin 13. 1. 1907), Justizratssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Berlin (Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher Professor und 1861 ordentlicher Professor in Berlin. Sein vom Vergeltungszweck geprägtes Lehrbuch des → Strafrechts erfährt 18 Auflagen.

Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965

Berthold von Henneberg → Henneberg

Beruf ist die auf Dauer angelegte, die Arbeitskraft und Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nehmende Betätigung, die im allgemeinen mit dem Ziel betrieben wird, daraus den Lebensunterhalt zu gewinnen, und die zugleich einen Beitrag zur gesell­schaftlichen Gesamtleistung erbringt (bloße gelegentliche Betrauung mit einer gutachter­lichen Tätigkeit ist kein B.). Der B. entwickelt sich mit der Entstehung besonderer Tätigkeitsfelder. Bedeutsam ist er bereits in der mittelalterlichen Stadt. Verfassungs­rechtlich geschützt wird der B. im späteren 20. Jh.

Lit.: Lange, H., Das Verbot der Berufsausübung im Mittelalter, 1940; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996

Berufsfreiheit ist die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s grundrechtliche Bedeutung erlangt.

Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, 1977

Berufsrichter ist der Richter, der seine Tätigkeit als Beruf ausübt. Er tritt als gelehrter Offizial des Bischofs vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allge­meiner seit 1246 als ständiger, ordentlicher und selbst entscheidender Einzelrichter der kirchlichen Gerichtsbarkeit auf. Bis zum 19. Jh. setzt er sich unter Verdrängung des ungelehrten, ehrenamtlich tätigen Schöffen auch im weltlichen Gericht durch, ehe ihm dann durch den Liberalismus nach englischem (bzw. französischem) Vorbild erneut ehren­amtliche Laienrichter zur Seite gestellt werden.

Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den braunschweig-wolfenbüttelschen Landen, 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Horn, N., Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3 (1976), 221

Berufsschule ist die in Deutschland im 19. Jh. zur Verbesserung der beruflichen Ausbil­dung entwickelte öffentliche Schule.

Lit.: Fischbach, R., Von der Sonntags- und Fortbildungsschule zur Berufsschule, 2004

Berufsverbot (seit 1933) ist das Verbot, einen bestimmten Beruf auszuüben. Ihm geht die nach Einführug der Gewerbefreiheit im 19. Jh. geschaffene Möglichkeit voraus, ein aufgenommenes Gewerbe nachträglich zu untersagen (Preußen Gewerbeordnung 1845, Norddeutscher Bund 1869, Reich 1872). Das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsver­brecher vom 24. 11. 1933 führt daneben als Maßregel der Sicherung und Besserung eine Untersagung einer Gewerbeausübung im Rah­men eines Strafverfahrens bei Begehung einer Straftat unter Missbrauch des Berufs ein (§ 42l StGB). Sie wird bald als B. bezeichnet. Seit etwa 1970 wird auch das ablehnende Ergebnis einer politischen Überprüfung von Bewerbern für die Einstellung in den öffentlichen Dienst B. genannt.

Lit.: Reinhard, E., Die Entwicklung der Untersagung gewerblicher Unternhemen seit 1869, Diss. jur. Heidel­berg 1940

Berufung ist das seit 1877/1879 grundsätzlich gegen Urteile des ersten Rechtzuges in Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es kommt sachlich mit der Aufnahme des römisch-kanonischen Prozessrechts im Spätmittelalter als → Appellation an einen höheren Richter ins Reich und verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit dem Ende des 13. Jh.s aber schon in einem ziemlich allgemeinen Sinn B. genannt werden kann. Gleichzeitig wird B. allmählich das allgemeine deutsche Wort für die bis 1877/1879 als Rechtsmittel verwendete Appellation.

Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235; Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976

Berytos (Beirut) ist der Sitz einer bereits vor 238 n. Chr. berühmten Rechtsschule. Hier wie später in Konstantinopel lehren besoldete Professoren (lat. [M.Pl.] antecessores) in einem festen Studienplan in fünf Jahreskursen. Im ersten Jahr beginnt man (als dupondius) mit den Institutionen des Gaius (Privatrecht, Prozessrecht). Es folgen vier Teile (lat. libri singulares) zivilrechtlicher Schriften ([vielleicht aus Ulpians Ad Sabinum libri] Mitgiftrecht, Vormundschaftsrecht, Tes­tamentsrecht, Vermächtnisrecht). Im zweiten und dritten Jahr (edictalis, Papinianista) wird der Stoff des Jurisdiktionsedikts der römi­schen Privatrechtsmagistrate (Stadtprätor, Pro­vinz­gouverneur bzw. Legat) behandelt. Im zweiten Jahr studiert man wahrscheinlich nach Ulpians Ad edictum praetoris libri aus dem Edikt (Buch 1-14) das Gerichtsverfas­sungsrecht und Anfänge des Zivilprozess­rechts (Allgemeines, Zuständigkeiten, Einlei­tung des Verfahrens, Wiedereinsetzung, Haf­tung für Garantiezu­sagen, Sicherheits­leistung, danach in der zweiten Jahreshälfte (Buch 15-25) Prozesseid, parteiliche Richter, wichtige dingliche Ansprüche, einige delik­tische An­sprüche), im dritten Jahr (Ediktsstoff Buch 26-32) Kreditverträge, Leihe, Verpfändung, Gehilfenge­schäftehaftung, Verwahrung, Treu­hand, Auftrag, Gesellschaft, Kauf, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag), in der zwei­ten Hälfte des dritten Jahrs die (ersten 8 der 19) Responsen (Rechtsbescheide) Papi­nians. Im vierten Jahr (lytes) und fünften Jahr (prolytes) beschäftigt man sich im Selbst­studium mit den Responsen des Paulus und den Konstitutionen der Kaiser (ein­schließlich des Strafrechts und des sonstigen öffentlichen Rechts), wobei bewusst die klassischen Traditionen aufgegriffen werden. Erzeugnisse der Arbeit der Lehrer sind nur vereinzelt überliefert. Justinian setzt 533 n. Chr. in erster Linie an die Stelle der bisherigen Studientexte seine Institutiones und Digesten sowie seinen Codex (im ersten Jahr Institutionen, Digesten 1-4 mit Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Rechts­quellen, Grundbegriffe, Staatsrecht, Ver­wal­tungsrecht, Zivilprozessrecht, im zwei­ten Jahr Digesten 5-11 oder 12-19, Mitgift D. 23-29, Vormundschaft D. 26-27, Testament D. 28-29, Vermächtnis D. 30-36, im dritten Jahr vertragliches Schuldrecht D. 12-19 oder Gerichtsverfassung, Einleitung eines Zivil­prozesses, Sachenrecht aus Buch 5-11 der Digesten, dann Hypotheken D. 20, Sach- und Rechtsmängel bei Marktkauf D. 21, Ver­zinsung, Seedarlehen, Beweis und Irrtum D. 22, im vierten Jahr Mitgift, Vor­mundschaft, Testament, Vermächtnis aus D. 24, 25, 27, 29 und 31-36 und im fünften Jahr den Codex einschließlich von Wirtschaft, Verwaltung und Kirche).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Wieacker, F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215

Besançon wird 1691 Sitz einer Universität (bis 1793).

Besatzung ist die zeitweise Übernahme der Herrschaftsgewalt in einem fremden Gebiet durch einen an sich nicht zuständigen Staat beispielsweise als Ergebnis eines Krieges (z. B. nach 1945 insgesamt 15 Millionen Sol­daten und Angehörige der Vereinigten Staaten von Amerika im Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland).

Lit.: Marx, T., Zwischen Schwert und Schild, 2004; Die besetzte res publica, hg. v. Meumann, M. u. a., 2006

Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des Ver­hältnisses ihrer Hoheitsgewalt zu jener der Bundesrepublik Deutschland, die dieser grundsätzlich die volle gesetzgebende, voll­ziehende und rechtsprechende Gewalt über­trägt. 1951 überarbeitet, wird es am 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten der Pariser Verträge beseitigt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pollock, J., Besatzung und Staatsaufbau nach 1945, hg. v. Krüger-Bulcke, I., 1994; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999

Besatzungsrecht → Besatzungszone

Lit.: Handbuch des Besatzungsrechts, hg. v. Schmoller, G. v. u. a., 1957; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, D., 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Die volle Macht eines souveränen Staates, hg. v. Haftendorn, H. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Walton-Jordan, U., Die britische Gerichtsbarkeit in Nordwestdeutschland 1945-1949, ZRG GA 117 (2000), 362; Rensmann, M., Besatzungsrecht im wiedervereinigten Deutschland, 2002; Zentz, F., Das amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik, 2005

Besatzungszone ist das Gebiet (Zone), das einer von mehreren Besatzungsmächten zugeteilt ist. 1945 werden das → Deutsche Reich (und das davon wieder verselbständigte → Österreich) in je eine B. der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs aufgeteilt (Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945). Am 5. 5. 1955 erklären die westlichen Besatz­ungsmächte die Bundesrepublik Deutschland für souverän, am 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik. Das in den Besatzungszonen von den alliierten Stellen unmittelbar oder durch deutsche Stellen mittelbar gemeinsam oder einzeln in fünf unterscheidbaren Phasen (1941-8. 5. 1945, 5. 6. 1945-30. 3. 1948, 30. 3. 1948-1951, 1951-1955, 1955-1990ff., ab­schließende Regelung in Bezug auf Deutschland 12. 9. 1990) erlassene (deutsche) Recht (Besatzungsrecht zur Sicherung der Interessen der Besatzungs­mächte, zur Ent­militarisierung, Entnazifi­zierung und Bestra­fung von Kriegsverbre­chern sowie zum allmählichen Wiederaufbau) gilt auch über die Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu seiner Aufhebung oder Abänderung.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Overesch, M., Das besetzte Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue Deutschland, 2000; Mußgnug, D., Alliierte Militärmissionen in Deutschland 1946-1900, 2001; Kriegsende und Neubeginn, hg. v. Hoser, P. u. a., 2003; Behling, K., Spione in Uniform, 2004; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer Besatzung 1945-1949, 2007

Beschlagnahme (Anfang 19. Jh.) ist die zwangsweise Sicherstellung von Gegen­ständen zur Sicherung öffentlicher oder privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle dieser Art sind bereits in älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio [F.] in bona, Gütereinweisung). Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird die B. an gesetzlich geregelte Voraussetzungen gebunden.

Lit.: Kaser §§ 85, 86; Mothes, R., Die Beschlagnahme nach Wesen, Arten und Wirkungen, 1903; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Freyberg, R., Über die Beschlagnahme, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971

Beschreien der Wände ist die wahrnehmbare Lautgebung eines neugeborenen Menschen. Das B. ist vom Sachsenspiegel (1221-1224) bis zum preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) bezeugt. Nach vielen Rechtsquellen ist es ausreichende Voraussetzung der Rechts­fähigkeit.

Lit.: Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes, ZRG GA 16 (1896), 63; Kuyk, I. van, Het schreiend Kind, TRG 2 (1920/1921), 63ff.

Beschwerde (lat. [N.] gravamen) ist die Belastung, aus der sich ein verfahrensmäßiger Rechtsbehelf entwickelt (z. B. Italien 12. Jh.). Im Verhältnis zu Rechtsmitteln wie Appellation bezieht sich die B. in der jüngeren Vergangenheit auf Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue Sonderform ist die → Verfassungsbeschwerde in Deutschland. → Nichtigkeitsbeschwerde

Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner, H., Zur Divergenzjudikatur des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 585; Suppliche e <<gravamina>>, hg. v. Nubola, C., 2002

Beseitigung ist die Entfernung eines Umstands, insbesondere die Entfernung einer Störung. Auf sie kann ein Anspruch bestehen. Er ist von einem möglichen Schadens­ersatzanspruch unabhängig.

Lit.: Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001

Beseler, Georg (Rödemis bei Husum 2. 11. 1809-Bad Harzburg 28. 8. 1888), Kammer­ratssohn, wird nach dem Studium in Kiel, München, Göttingen und Heidelberg mit der streng geschichtlich die Einrichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart verfolgenden, auch Urkunden berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen in Heidelberg 1835 habi­litiert und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin (1859) berufen. Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts (1847ff.) versucht ein dem gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches System (allen nicht rein römischen Rechts) zu entwickeln, in dem die Genossenschaft besonders bedeutsam ist. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch politisch (rechtsliberal).

Lit.: Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Gierke, O., Georg Beseler, ZRG GA 10 (1889), 1; Kern, B., Georg Beseler, 1982 (mit Schriftenverzeichnis, 77 Titel); Kern, B., Georg Beselers Mitgliedschaft in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft, ZRG GA 113 (1996), 279

Besitz ist die tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache. Das römische Recht bezeichnet dies als (lat. [F.]) possessio, die auf die tatsächliche Gewalt (lat. [M.] usus) und auf das Sitzen auf Land zurückgeht. Notwendig sind Gewalt über eine Sache ([lat.] corpus) und (nicht notwendig rechts­geschäftlicher) Wille zur Herrschaft ([lat.] animus). Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.] civile) muss die tatsächliche Gewalt auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem Amtsrecht (lat. ius [N.] praetorium) wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch bestimmte Klagen gegen Entziehung oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer [Besitzer mit <lat.> animus <M.> domini, Eigen­besitz­willen wie Eigentümer oder Ersitzungs­besitzer] und gewisse Fremdbesitzer [unter Anerkennung eines fremden Besitzrechts besitzende Besitzer] wie Erbpächter, Pre­karist, Pfandgläubiger oder Sequester). Nicht B. (im rechtlichen Sinne, sondern nur [lat.] possessio [F.] naturalis, natürlichen B.) hat der bloße Innehaber (z. B. Mieter). Vom B. streng geschieden ist das Eigentum. Justinian schränkt den B. auf den rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert diesen B. aber einem Recht an. Im deutschen Recht steht ursprünglich das schlichte Haben (ahd. haben, aigan) im Vordergrund. Später entwickelt sich die besondere Figur der → Gewere. Vielleicht aus dem kirchlichen Recht stammt die Anerkennung des Besitzes auch bestimmter Innehaber (z. B. Mieter, Pächter usw.). Mit der Aufnahme des römischen Rechts verdrängt das Wort B. (Lehn­übertragung?) das Wort Gewere. Sachlich kommt es zu einer gegenseitigen, ziemlich verwirrenden Beein­flussung. In den natur­rechtlichen Kodifika­tionen ist B. grundsätz­lich der Eigenbesitz, doch gewährt das preußische Allgemeine Landrecht (1794) auch dem Mieter, Pächter oder Pfandgläubiger Besitzschutz (nicht dem Prekaristen). Savigny versteht (1803) den B. als Tatsache, stellt ihn dem Eigentum (Recht) gegenüber, ordnet ihn in das Deliktsrecht ein und verrätselt das Recht des Besitzes hinsichtlich der Folgen als das Recht eines Faktums. Das (tatsächliche Gewalt und in § 309 Eigenbesitzwillen verlangende, von einem sehr weiten Begriff der Sache ausgehende) Allge­mei­ne Bürgerliche Gesetz­buch Öster­reichs (1811/1812) kennt den Tabularbesitz des im Grundbuch Einge­tragenen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist unter Bruch mit dem gemeinen Recht der un­mittelbare B. die tatsächliche Herrschaft über eine Sache (z. B. des Mieters oder Diebs), neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut) vermittelte mittelbare B. (z. B. des Vermieters) steht. Die Innehabung ist grundsätzlich beseitigt, der Gegensatz zum Eigentum betont.

Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes, 1803, 7. A. 1875, Neudruck 1990; Bruns, K., Das Recht des Besitzes, 1848; Randa, A., Der Besitz nach österreichischem Recht, 4. A. 1895; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Benöhr, H., Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige, 1972; Wacke, A., Das Besitzkonstitut, 1974; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs, 1977; Diurni, G., Le situazioni possessorie nel Medioevo, età langobardo-franca, 1988; Schnatenberg, P., Die Entstehung der Regeln des BGB über den mittelbaren Besitz, Diss. jur. Köln 1994; Ernst, W., Eigenbesitz und Mobiliarerwerb, 1992; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des common law, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003

Besitzdiener ist der die tatsächliche Gewalt für einen anderen (d. h. einen Besitzer) in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen weisungsgeprägten Verhält­nis Ausübende (z. B. Chauffeur). Er ist nicht Besitzer. Er dient der Überbrückung der Verschiedenheit von tatsächlichen Gegeben­heiten und rechtlicher Bewertung.

Besitzerwerb ist der Erwerb des Besitzes. Er erfordert im römischen Recht die Begründung der tasächlichen Gewalt über eine Sache und den Willen, diese für sich zu beherrschen. Er kann ursprünglich (originär) oder abgeleitet (derivativ) erfolgen.

Besitzkonstitut (Besitzmittlungsverhältnis, § 868 BGB) ist das Verhältnis zwischen einem unmittelbaren Besitzer (nach dem Bürger­lichen Gesetzbuch z. B. Mieter) und einem mittelbaren Besitzer (z. B. Vermieter), in dem bzw. durch das der ursprüngliche Besitzer (z. B. Vermieter) seinen Eigenbesitz­willen be­züg­lich einer Sache durch Fremdbesitzwillen (für den Erwerber) ersetzt und der neue Besitzer (z. B. Mieter) Eigen­besitzwillen begründet.→ Besitz

Besitzrecht → Besitz

Besitzschutz ist der dem zunächst rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnis (Besitz) zugeordnete Schutz der Rechtsordnung gegen unrechtmäßige Entziehung oder Störung. Hierzu gewährt das römische Recht besondere → Interdikte gegen unerlaubte Eigenmacht (lat. vi [gewaltsam], clam [heimlich], precario [Zurückbehaltung bei bloßer Bittleihe]) zu Gunsten des verhältnismäßig rechtmäßigen Besitzers (Verbot der Gewaltanwendung und Gebot zur richterlich überwachten Rück­stellung zu Gunsten von Eigenbesitzer, Erb­pächter, Prekarist, Faustpfandgläubiger und Sequester). Das kanonische Recht des Mittelalters entwickelt dies zu einem vorläufigen Besitzschutz weiter. Hierauf baut auch das Reichskammer­gericht (1495-1806) auf, das aber bereits bei der vor­läufigen Entscheidung nach einem bestands­kräftigen Ergebnis strebt. Die historische Rechtsschule erarbeitet einen rein pos­sessorischen Schutz der besonderen Be­sitzklagen, bei dem wie in Rom eine Einrede aus dem Recht zum Besitz (z. B. Eigentum) ausgeschlossen ist. Er ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) übernommen.

Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.; Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v. Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J., Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998; Beermann, C., Besitzschutz, 2000

Besold, Christoph (Tübingen 22. 9. 1577-Ingolstadt 15. 9. 1638), aus einer Juris­tenfamilie (Hofgerichtsadvokatensohn), nach dem Rechtsstudium (1599 Tübingen Promotion) 1610 Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt als Reichspublizist innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen im Bereich des neuen öffentlichen Rechts (Vorbereitung der Lehre vom Bundesstaat).

Lit.: Meyer, F., Christoph Besonld als Staatsrechtler, Diss. jur. Erlangen 1957; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 120; Synopse der Politik, hg. v. Boehm, L., 2000, 291ff.

Besonderes Gewaltverhältnis ist das Verhältnis, das, im Gegensatz zum allgemeinen Verhältnis des Inhabers von Hoheits­gewalt über den Bürger, zusätzliche Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B. Staat - Strafgefangener). Diese im 19. Jh. entwickelte Vorstellung wird im letzten Drittel des 20. Jh.s zunehmend abgelehnt.

Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982

Bessarabien (östlicher Teil der Moldau zwischen Pruth und Dnjestr, in dem ab 1814 von Zar Alexander I. Deutsche angesiedelt wurden, 1918 Rumänien, 1940 umgesiedelt, 1945 vertrieben)→ Rumänien, Sowjetunion, Moldawien

Lit.: King, C., The Moldovans, 2000; Schmidt, U., Die Deutschen aus Bessarabien, 2. A. 2004, 3. A. 2006

Besserung ist allgemein die Vermehrung der Güte eines Zustands. Hierzu kann auch die wertsteigernde Aufwendung auf zur Leihe überlassenem Land gezählt werden. Sie ist teilweise eigenständiges, veräußerliches Gut.

Lit.: Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den Städten, 1861; Wolf, M., Der Bau auf fremden Gut, 1900; Stingel, M., Die bäuerliche Leihe im Recht des Würzburger Benediktinerklosters Sankt Stephan in Würzburg, Diss. jur. Erlangen 1962

Bestechung ist die Gewährung eines Vorteiles an einen Amtsträger für eine Dienst­pflichtverletzung. Sie ist als Wahlbestechung bereits dem römischen Recht bekannt. Besondere Bedeutung erlangt sie mit der Entwicklung des Beamtentums.

Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen Leben Athens, 1995

Besthaupt ist das beim Tode eines Bauern besonders in Grundherrschaften an einen Herrn abzuliefernde beste Stück Vieh. Das B. begegnet in Flandern und Lothringen im 9. Jh. und ist im Hochmittelalter weit verbreitet. Bereits zu dieser Zeit schwindet es aber in den Städten, wird allgemein aber erst am Beginn des 19. Jh.s aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bodmann, F., Historisch-juristische Abhandlung vom Besthaupte, 1794; Schultze, A., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Stutz, U., Zweitbesthaupt, ZRG GA 40 (1919), 282; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei Sankt Gallen, 1961

Bestimmtheitsgebot ist das Gebot (an den Gesetzgeber), einen Rechtssatz insbesondere im Strafrecht so bestimmt zu fassen, dass der Betroffene Tragweite und Anwendungsbe­reich erkennen kann. Es erwächst aus der Aufklärung. Es setzt sich seit dem 19. Jh. durch.

Lit.: Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983; Müller-Dietz, H., Abschied vom Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht? (in) FS T. Lenckner, 1998, 179

Bet, Josef → Karo

Betäubungsmittel ist das der Betäubung der menschlichen Sinne dienende Mittel (z. B. Opium, Morphium, Heroin, Kokain, Cannabis und synthetische B.) Seit dem 16./17. Jh. wird die Sucht nach Betäubungsmitteln als Krankheit erkannt, seit etwa 1850 breitet sich die Sucht allmählich, seit etwa 1965 rasch aus. Mit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s begint die gesetzliche Bekämpfung (Preußen, kaiserliche Verordnung vom 25. 3. 1872, Opiumkonferenz von Schanghai 1909, Den Haag, Ausführungsgesetz von 1921, Opium­gesetz vom 1. 1. 1930, Betäubungs­mittel­gesetz 1972).

Lit.: Wriedt, J., Von den Anfängen der Drogengesetzge­bung bis zum Betäubungsmittelgesetz vom 1. 1. 1972, 2006

Betreibung

Lit.: Malamud, S. u. a., Die Betreibungs- oder Einge­winnungsverfahren der Stadt Zürich im Spätmittelalter, ZRG GA 116 (1999), 87

Betreuung ist in Deutschland seit 1. 1. 1992 die staatliche Fürsorge für die Person und das Vermögen eines volljährigen Menschen, soweit er infolge einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, durch einen vom zuständigen Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer. Die B. ersetzt die Entmündigung

Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W., Betreuungsgesetz, 1991; Müller, B., Rechtliche und gesellschaftliche Stellung von Menschen mit einer geistigen Behinderung, 2001

Betriebsrat ist das Organ der Arbeitnehmer einer Betriebs, das in bestimmten Ange­legenheiten eines Betriebs mitwirkt und mitbestimmt. Der B. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (1905 Bergbau, 1916 Kriegs­wirtschaft). Nach dem Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 ist in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ein B. zu bilden (Österreich 1919). Im Dritten Reich wird der B. beseitigt, 1946 (in Österreich 1947) aber wieder eingeführt und danach gestärkt (11. 10. 1952, 15. 1. 1972).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 241, 273; Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat, 1973, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von Betriebsräten, 1999

Betriebsrisiko ist im Arbeitsrecht die im 20. Jahrhundert verrechtlichte Gefahr des Erliegens bzw. Stillstands eines Betriebs ohne Verschulden eines Beteiligten.

Lit.: Tamm, M., Die Entwicklung der Betriebs­risikolehre, 2001

Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln, welche die Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe im Betrieb in Bezug auf das Betriebsgeschehen ordnen. Die B. wird in Deutschland nach einzelnen Vorläufern des späten 19. Jh.s durch das Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 eingerichtet und durch Gesetz vom 17. 4. 1946 wiederhergestellt.

Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, G., Quellensammlung zur Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H., Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996

Betriebswirtschaft ist die Wirtschaft des einzelnen Betriebs (im Gegensatz zur Wirtschaft des gesamten Volks oder Staats), die seit 1898 wissenschaftlich gelehrt wird.

Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg. v. Gaugler, E./Köhler, R., 2002

Betrug ist die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung (z. B. der Univer­sitätsassistent I. lässt sich im öffentlichen Dienst jahrelang krank schreiben und betreibt in dieser Zeit privatwirtschaftlich einen Verlag für Lügenbarone). Im römischen Recht erfassen (lat. [N.]) falsum (Fälschung), stellionatus (M.) (Hinterhältigkeit) und (N.) furtum (Wegnahme) einzelne Fälle des nicht als solcher zusammengefassten Betrugs. Ähnlich verfährt auch das Mittelalter. Die durch Täuschung verursachte Vermögens­schädigung findet sich seit dem 16. Jh., ohne dass sie aber von der Fälschung bereits eindeutig geschieden werden kann. Erst in der Mitte des 19. Jh.s bzw. 1871 gelingt unter dem Einfluss des Code pénal (1810) Frankreichs eine klare Abgrenzung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Köstlin, C., System des deutschen Strafrechts, Bd. 2 1858, Neudruck 1978, 124ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1955; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 318ff.; Naucke, W., Zur Lehre vom strafbaren Betrug, 1964; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus im römischen und germanischen Recht bis zur Rezeption, Diss. jur. Marburg 1967; Kausch, W., Die Entwicklung des falsum, Diss. jur. Göttingen 1971; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner, Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001

Betteln ist das Bitten um unentgeltliche Leistungen zum Lebensunterhalt. Es wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. Zeitweise wird es mit polizeilichen Mitteln entschieden bekämpft (u. a. z. B. Graz 1996).

Lit.: Stamm, R., Theodor Konrad Hartleben (1770-1827) und seine Allgemeine deutsche Justiz- und Polizey-Fama, ZGO 113 (1965), 45; Goglin, J., Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist Betteln rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., .. und hat seit hero gebetlet, 1996; Bettler in der europäischen Stadt der Moderne, hg. v. Althammer, B., 2007

Betti, Emilio (Camerino 1890-1968), nach juristischen Studien in Parma und philosophischen Studien in Bologna seit 1917 Professor für römisches Recht in Camerino und in Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand und Rom, bemüht sich unter Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um ein neues Verständnis der → Auslegung und der Hermeneutik insgesamt.

Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Metho­dik der Geisteswissenschaften, 1962; L’ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg. v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994

Beunde (963 ahd. piunta) ist das dorfnahe, durch Einzäunung („Bewindung“?) aus der Allmende ausgeschiedene landwirtschaftliche Grundstück.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, Bd. 3 1973

Beutellehen ist das an einen Bürger oder Bauern gelangende → Lehen (Bayern E. 13. Jh.), bei dem statt Kriegsdienst bei Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe in den Beutel des Herrn zu leisten ist. Im 18. Jh. gibt es auch ritterliche B. Durch Gesetz vom 17. 12. 1862 wird in Österreich das B. in Eigentum umgewandelt.

Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil. d. Ges. f. Salzburger Landesk. 80 (1940), 87ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2002

Beuterecht ist das Recht auf Aneignung feindlichen Gutes im Krieg. Es besteht ur­sprünglich gegenüber der gesamten gegnerischen Bevölkerung, wenn auch 1179 durch das dritte Laterankonzil unter Christen die Versklavung verboten wird. Im 19. Jh. setzt sich für den Landkrieg die Beschränkung auf das für Kriegszwecke verwendbare Staats­eigentum des Feindes durch (Haager Landkriegsordnung 1907).

Lit.: Redlich, F., De praeda militari, 1956; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

bewegliche Sache → Sache

Beweis ist die Darlegung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Vorstellung durch ein Ver­halten. Besondere Bedeutung hat der B. in einem Streit zweier Personen. Im alt­römischen und im klassischen römischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.]) iudex (Richter) frei die mit beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche. Demgegen­über dringt im spätantiken römischen Recht die Bindung an feste Beweisregeln und Beweislastregeln vor. Bei den Germanen erfolgt wahrscheinlich meist außerhalb der Versammlung ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei der Angegriffene ein Recht zum B. vor allem durch Eid (mit Eidhelfern) hat. Im Frühmittelalter kann der in einem zweizüngigen Urteil auferlegte B. auch im Gericht erbracht werden, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahr­schein­lich unter christlichem Einfluss gewinnt zeitweise das Gottesurteil dann Bedeutung, wenn ein anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das Beweisrecht dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den Eid anbietet. Möglich wird der Gegen­beweis. Im spätmittelalter­lichen Straf­verfah­ren bemüht sich der Richter von sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als sicherstes Beweismittel gilt dabei das Geständnis (lat. [F.] confessio). Zu seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen bestimmter Indizien (z. B. Aufenthalt in Tatnähe) gestat­tet wird. Hinzu kommen feste Beweisregeln. Das Gottesurteil verschwindet. Mit dem über die Kirche schon seit dem Spätmittelalter eindringenden gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene Tatsachen als zugestanden. Bestrittene Tatsachen sind vom Kläger durch Zeugen, Parteieid, Urkun­den, Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweislast, s. [lat.] onus [N.] pro­bationis reo non incumbit, Die Beweislast trifft nicht den Beklagten, Gratian um 1140), wobei feste Beweisregeln gelten. Nach franzö­sischem Vorbild (1791) setzt sich im 19. Jh. die freie richterliche Beweiswürdigung wieder allgemein durch (Berlin 1846, Preußen 1849), wobei es auf die Überzeugung des Richters ankommt. Die Beweis­last im Zivilprozess trägt grundsätzlich jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155, 167; Savigny, C., Über Schwurgerichte und Beweistheorie, GA 6 (1858), 469; Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis im Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahr­scheinlichkeit nach älterem deutschem Recht, 1921; Stutz, U., Die Beweisrolle im altdeutschen Rechtsgang, ZRG GA 49 (1929), 1; Bechert, R., Recht oder Pflicht zur Beweisführung?, ZRG GA 49 (1929), 26; La preuve, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nagel, H., Die Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess, 1967; Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters und ihre rechtliche Funktion, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1972; Walter, G., Freie Beweiswürdigung, 1979; Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1986; Schmitt, B., Die richterliche Beweiswürdigung im Strafprozess, 1992; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England, 1997; Wißgott, V., Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Geschichtliche Grundlinien des europäischen Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Nehlsen-von Stryk, K., Die Krise des irrationalen Beweises im Hoch- und Spätmittelalter, ZRG GA 117 (2000), 1; Sauer, M., Die Entwicklung des Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung, Diss. jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung - Der Zeugenbeweis im gelehrten Recht, 2003; Deppenkemper, G., Beweiswürdigung als Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis, 2004; Bausteine eines europäischen Beweisrechts, hg. v. Marauhn, T., 2007

Beweisinterlokut ist im gemeinen deutschen Zivilprozessrecht eine gerichtliche Zwischen­entscheidung über Beweislast, Beweisthema und Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei Teile und bildet den Beginn des besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis bindet den Richter. Besonders ausgestaltet ist das B. im sog. sächsischen Prozess (so noch Hannover 1850). Im 18. Jh. dringt das B. allgemein in den gemeinen Prozess ein. Die preußische allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt aber schon kein B. mehr, ebensowenig das französische Zivilprozess­recht (1806) und die davon beeinflusste deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879.

Lit.: Planck, J., Die Lehre vom Beweisurteil, 1848

Beweislast → Beweis

Beweismittel → Beweis

Beweisurteil ist das → Urteil über eine Beweisfrage. → Beweisinterlokut

Beyer, Georg (Leipzig 10. 9. 1665-Wittenberg 21. 8. 1714), Aktuarssohn, wird nach den Studien von Philosophie und Recht in Leipzig (Thomasius), Frankfurt an der Oder und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg. Dort hält er als einer der ersten eine Vorlesung über deutsches Recht, die als Leitfaden des deutschen Rechts ([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718) nach seinem Tod veröffentlicht wird.

Lit.: Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechts­wissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III, 1 137f.

Beyerle, Franz (Konstanz 30. 1. 1885-Wangen 22. 10. 1977), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Austritt aus der katholischen Kirche und dem Studium in Freiburg im Breisgau, Breslau (Konrad Beyerle) und Göttingen (Promotion 1910, Frensdorff) sowie der Habilitation in Jena (1913, Rauch) 1918 Professor in Basel, 1929 Greifswald, 1930 in Frankfurt am Main, 1934 in Leipzig und 1938 in Freiburg im Breisgau (bis 1953). Seine Arbeiten betreffen das Stadtrecht Freiburgs, den Entwicklungs­gang im Recht, die Treuhand und Volksrech­te.

Lit.: Dürselen, F., Franz Beyerle, 2005

Beyerle, Konrad (Konstanz 14. 09. 1882-München 26. 4. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, der Promotion bei Richard Schröder (1895) und der Habilitation bei Ulrich Stutz (1899) Professor in Freiburg im Breisgau (1900), Breslau (1903), Göttingen (1906) und Mün­chen (1918). Als Abgeordneter der bayeri­schen Volkspartei wirkt er in der verfassung­gebenden Nationalversammlung (1919) und im Reichstag. (bis 1924). Einzelne Arbeiten betreffen die Grundeigentumsver­hältnisse in Konstanz, die Lex Baiwariorum und die Kultur der Abtei Reichenau.

Lit.: Hense, T., Konrad Beyerle, 2002

Bezirk ist das abgegrenzte Gebiet. Preußen wird zwischen 1808 und 1816 in (Provinzen und) Regie­rungsbezirke geteilt. Mit österrei­chisch-kaiserlicher Entschließung vom 26. 6. 1849 (RGBl. 295) wird die Einteilung der Kronländer in Kreise und darunter in Bezirke bestimmt, wobei an der Spitze des Bezirks ein Bezirkshauptmann steht (1852-1868 Vereini­gung der Bezirkshaupt­mann­schaften mit den Bezirksgerichten zu gemischten Bezirksäm­tern) und der B. 1925 von einer Zentralstaats­behörde zu einer Landesbehörde umgestaltet wird. Die Deutsche Demokratische Republik ersetzt 1952 die Länder durch 15 Bezirke.

Bibel ([griech.] Buch] ist die Sammlung der für Juden und Christen das Wort (ihres) Gottes enthaltenden Schriften. Diese sind zwischen 1200 v. Chr. (10. Jh. v. Chr.) und dem 2. Jh. n. Chr. (50-120 n. Chr.) ent­standen. Die jüdische B. gliedert sich in Tora (Weisung), Propheten und Schriften, die christliche B, ergänzt dieses alte, um die Zeitenwende in seinem Bestand abge­schlossene Testament um das nach­christliche, im 4. Jh. weitgehend abge­schlos­sene neue Testament. Die Über­tragung der ursprünglich aramäischen bzw. hebräischen Texte in das Griechische erfolgt zwischen 250 v. Chr. und 100 n. Chr. (Septuaginta), die Übersetzung in das Latei­nische im 4. Jh. n. Chr., die Über­setzung in germanistische Volks­sprachen seit dem ausgehenden 4. Jh. n. Chr. Das älteste erhaltene Handschriften­bruchstück stammt von etwa 125 n. Chr. Die christliche B. ist das am weitesten verbreitete und am häufigsten gedruckte Buch der Welt. Die B. enthält umfangreiches biblisches Recht.

Lit.: Klauck, H., Die apokryphe Bibel, 2008; The Biblical Models of Power and Law, hg. v. Biliarsky, I. u. a., 2008; Bibel und Exegese der Abtei Saint Victor zu Paris, hg. v. Berndt, R., 2009

Bibliothek ist die Sammlung von Büchern und das ihr dienende Gebäude.

Lit.: Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände); Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2008; Jochum, U., Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 2009; Zur Erforschung mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2009

Biblisches Recht ist das aus den in der jüdisch-christlichen → Bibel (vor allem in den Büchern Moses) enthaltenen zahl­reichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Am bekanntesten hiervon sind die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die grundsätzliche Beschreibung des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes des Rechts, der die Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht verbietet. Dieser Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in nachhaltiger Weise.

Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, (in) Fontes iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v., Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd. 1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in Practice and Study throughout the Ages, 1959; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Welch, J., A biblical law bibliography, 1990; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Calvocoressi, P., Who´s who in der Bibel, 5. A. 1994; Brand, J., Bibel und altes Recht im Bauernkrieg, 1996; Campenhausen, H. v., Die Entstehung der christlichen Bibel, Neudruck 2003; Ohler, A., dtv-Atlas Bibel, 2004

Bielefeld

Lit.: Urkundenbuch der Stadt und des Stiftes Bielefeld, hg. v. Vollmer, B., 1937; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990

Bienenrecht ist das die Bienen betreffende Recht. Dabei darf der (unverzüglich) verfolgende Eigentümer (s)einen mit dem Schwärmen herrenlos werdenden Bienen­schwarm auch auf einem fremden Grundstück einfangen (Aneignungsrecht). Im deutschen → Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) gelten für das B. die §§ 961ff.

Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht, 1910; Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; Haff, K., Zum Bienenrecht in den schwedischen und dänischen Landschaftsgesetzen, ZRG GA 60 (1940), 253; Schulz, S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990

Biener, Friedrich August (Leipzig 5. 2. 1787-Dresden 1861) wird nach Rechtsstudien in Leipzig und Göttingen 1810 Professor in Berlin.

Bier (vielleicht zu lat. bibere trinken) ist das aus stärkehaltiger Substanz (z. B. Gerste, Weizen) durch alkoholische Gärung ge­wonnene (gebraute) Getränk. Im Früh­mittel­alter wird es von Frauen hergestellt, später entsteht in den Städten eine gewerbliche Produktion, die seit etwa 1300 Hopfen als die Haltbarkeit erhöhenden Zusatz verwendet. In der frühen Neuzeit setzt sich in Bayern ein auf das Jahr 1516 zurückgeführtes Reinheitsgebot (Malz, Hopfen, Hefe, Wasser) durch.

Lit.: Moldehauer, G., Das Göttinger Braurecht, Diss. jur. Göttingen 1956; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981; Unger, R., A History of Brewing in Holland 900-1900, 2001; Blanckenbuerg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001

Biergelde oder Bargilde ist der im 8./9. Jh. erscheinende (freie, aber trotzdem pflichtige) Mensch, der von der Forschung teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung verbunden wird. Der Inhalt des Wortes ist nicht völlig klar („Ab­gabenleister“?), obgleich die Biergelden noch im → Sachsenspiegel (1221-1224) als besonderer Stand erfasst sind.

Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der Bargilden, ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Springer, M., Die Sachsen, 2004

Bifang ist (im Mittelalter) das von einem Berechtigten durch tatsächlichen Zugriff neu (stärker) genutzte, meist eingefriedete Grundstück.

Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20 (1928), 139ff.; Sorhagen, I., Die karolingischen Koloniosationsprivilegien, 1976

Bigamie ist die weitere Eheschließung eines bereits verheirateten Menschen in einer nur die Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft ist die B. seit Diokletian strafbar und als Folge der Christianisierung der Germanen wird die bei ihnen erlaubte, tatsächlich aber wohl seltene Mehrehe von der Kirche abgelehnt. Im Früh­mittelalter ist die B. eine zunächst rein kirchliche Frage, für die nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem Hochmittelalter sehen aber vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken als peinliche Strafe vor. Die → Constitutio Criminalis Bambergensis (1507, Art. 146) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die → Constitutio Criminalis Carolina (1532, Art. 121) ordnet die B. stets als qualifizierten Ehebruch ein. Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II, 20 §§ 1066ff.) und nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB, 5 Jahre Zuchthaus). Privatrechtlich ist die B. Ehehindernis.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts, 1928, 150f.; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht des 17. Jh.s, 1952; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Siebenhüner, K., Bigamie und Inquisition in Italien 1600-1750, 2006

Bilanz ist die zusammengefasste Gegenüber­stellung der aktiven und passiven Vermögens­werte einer Person. Sie entwickelt sich im spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Be­sonders seit dem ausgehenden 20. Jh. werden die rechtlichen Vorschriften be­treffend eine B. angesichts der wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937 Richtlinien zur Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft, § 266 HGB).

Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 9. A. 1991

Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstandes (durch menschliches Tun).

Lit.: Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Historische Bildkunde 2, 1935; Beyerle, F., Sinnbild und Bildgewalt im älteren deutschen Recht, ZRG GA 58 (1938), 788; Troescher, G., Weltgerichtsbilder, Westdt. Jb. f. Kunstgeschichte 11 (1939), 139; Kisch, G., Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst, 1955; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Ebel, F. u. a., Römisches Rechtsleben im Mittelalter, 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Bild und Abbild, hg. v. Vavra, E., 1999; Schmoeckel, M., Auf der Suche nach der verlorenen Ordnung, 2004; Zitzlsperger, P., Dürers Pelz und das Recht im Bild, 2008; Poeschel, S., Handbuch der Ikonographie, 2. A. 2008

Bilderhandschrift ist die mit sachlich auf den Text bezogenen Bildern ausgestattete Handschrift. Die umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen zum Sachsenspiegel überliefert (Vorbild eine bebilderte Willehalmhand­schrift?, 1270?/vor E. 13. Jh. Harzvor­land?, Stammhandschrift verloren, Anfang 14. Jh./um 1300 Heidelberger B. [nur zu einem Drittel erhalten, Druck 1971], vielleicht Meißen wohl 1347-1363/M. 14. Jh. Dresdener B. [Druck 1902, 2002], drittes Viertel 14. Jh. Wolfenbütteler B. [Tochterhandschrift der Dresdener Bilderhandschrift?, Druck 1993], 1336 Oldenburger B. [mittelniederdeutsch, nur Landrecht bebildert, vielfach nur Vorzeichnungen, Druck 1995]). Die Bedeutung der Bilder ist streitig.

Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspie­gels, 1970; Text – Bild – Interpretation, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 24; Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters, hg. v. Ott, N., 1991ff.; Got ist selber Recht. Die vier Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg, Wolfenbüttel, Dresden, hg. durch Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F., die sal man alle radebrechen, 1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Bloh, U. v., Die illustrierten Historienbibeln, 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1995; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999; Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999, 2. A. 2005; Brunschwig, C., Visualisierung von Rechtsnormen, 2001; Die Dres­dener Bilderhandschrift des Sachsenpiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, H., 2002; Der Dresdener Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002; Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435ff.

Bildnisstrafe ist die am Bild vollzogene Strafe. Sie findet sich für die Majestäts­beleidigung beispielweise in Frankreich 1670 in Dänemark und Norwegen 1683 und 1687, in Brandenburg 1688 und 1717, in Sachsen 1712, in Peußen 1721 und 1794, in Österreich 1768 und in Baden 1809, wird aber nach 1848 beseitigt. Daneben bestehen verschiedene von der B. im engeren Sinn verschiedene Einrich­tungen.

Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 320

Bildung

Lit.: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989, Bd. 2 18. Jahrhundert 2005

Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit vor allem im einzelnen Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten Klagen oder Schuld­verhältnissen (lat. → bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). Im frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat. → aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B. auf. Die B. steht grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zur Gleichheit und zur Rechtssicherheit.

Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P., Über die angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Köngs, ZRG GA 47 (1927), 115; Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 53 (1932), 53; Lange, H., Ius aequum und ius strictum bei den Glossatoren, ZRG RA 71 (1954), 319; Erler, A., Aequitas in Sprüchen des Ingelheimer Oberhofes (in) FS G. Kisch, 1955, 53; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schott, C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745; Wesener, G., Aequitas naturalis, natürliche Billigkeit (in) Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 1996, 81ff.; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Schröder, J., Aequitas und rechtswissenschaftliches System, ZNR 21 (1999), 29ff.; Schmidt, R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 82; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009

Bill of Rights ist das englische Gesetz, das 1689 vom König angenommen und von einem ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet es katholische Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des Parlaments sowie geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Pe­titionsrecht und das grundsätzliche regel­mäßige Geschworenengericht. In den Ver­einig­ten Staaten von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung von 1787 hinzugefügt werden. → Virginia Bill of Rights

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The complete Bill of Rights, hg. v. Cogan, N., 1997

Binding, Karl (Frankfurt am Main 4. 6. 1841-Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Studium in Göttingen (1860-1863) Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel, Freiburg im Breisgau, Straßburg und Leipzig (1913 emeritiert). Er vertritt auf liberaler Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht zwecks Aufrechterhaltung staatlicher und gesetzlicher Autorität und bekämpft abweichende Auffas­sungen (z. B. Franz von Liszt) entschieden. Nach seiner Normentheorie geht der Rechtsregel eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet, so dass er durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt werden muss (Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und befürwortet die Vernichtung lebensunwerten Lebens (Binding, K./Hoche, A. Die Freigabe der Ver­nichtung lebensunwerten Lebens, 1920, posthum).

Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Geschichte des burgundisch-romanischen Königreichs, 1868; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954; Westphalen, D., Karl Binding, 1989; Jerouschek, G., Carl Binding, JZ 2005, 514

Binnenmarkt ist der innere Markt, insbesondere der Markt innerhalb der sich aus der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (seit 1957) entwickelnden Europäischen Ge­mein­schaft und Europäischen Union. In ihm gibt es keine Grenzen und Binnenzölle, während der Außenhandel mit Drittstaaten gemeinsam geregelt wird. In der Euro­päischen Union gelten Warenver­kehrs­freiheit, Personenverkehrsfreiheit, Kapitalver­kehrs­frei­heit und Dienstleistungsverkehrsfrei­heit.

Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den schiffbaren Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück, wobei nach römischem Recht alle größeren Flüsse als öffentliche Sachen (lat. [F.Pl.] res publicae) von jedem Bürger zur Schifffahrt benutzt werden dürfen. Im Mittelalter ist die B. durch Zölle stark belastet. Im 19. Jh. sichern nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und dem Wiener Kongress (1815) besondere Schifffahrtsakten die freie Schifffahrt (1821 Elbe, 1823 Weser, 1831/1868 Rhein, 1857/1948 Donau). In Deutschland ist die B. in der Gegenwart in einem besonderen Gesetz (1896) geregelt.

Lit.: Eckert, C., Rheinschifffahrt im 19. Jahrhundert, 1900; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1949; Wettstein, L., Die Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein, Diss. jur. Mainz 1963; Gerber, S., Die Ordnung auf den Wasserwegen, Diss. jur. Würzburg 1975; Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O., Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991; Scherner, K., Handel, Wirtschaft und Recht in Europa, 1999

Biographie ist die Lebensbeschreibung eines Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien) begegnen in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates, Platon, Augustinus), wobei die Zeit um 300 v. Chr. für die griechische B. besonders wichtig ist. Im deutschen Sprachraum entsteht seit der Mitte des 14. Jh.s eine umfangreiche weltliche Auto­biographik (z. B. Ulman Stromer, Nikolaus Muffel, Anton Tucher, Elias Holl, Karl IV.).

Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K., Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987; Rüthers, B., Geschönte Geschichten – geschonte Biographien, 2001; Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte, hg. v. Danckelmann, O., 2001; Sonnabend, H., Geschichte der antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt, hg. v. Grabner-Haider u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik, bearb. v. Jahn, B., Bd. 1ff. 2004; Antike Autobio­gra­phien, hg. v. Reichel, M., 2005; Schmid, B., Schreiben für Status und Herrschaft, 2006; Hageneier, L., Jenseits der Topik, 2004; The Limits of Ancient Biography, hg. v. McGing, B. u. a., 2006

Birkarecht (biaerkeraett, bjärköarätt) → Schonen, → Schweden

Bischof (griech. episkopos [M.] Aufseher) ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien aus allmählich durch und hat im 3. Jh. auch das Amt als Richter inne, wobei zu innerge­meindlichen Aufgaben auch weltliche Aufga­ben kommen (lat. [F.] episcopalis audientia). Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich eine Stadt (lat. [F.] civitas). Ausgewählt wird er an sich durch Klerus und Volk, tatsächlich aber im Einzelfall vom Vorgänger, durch das Priesterkollegium der Bischofskirche, durch die Gemeinde oder durch den Erzbischof. Im fränkischen Früh­mittelalter wird der B. wichtiger Berater des Königs, wird deshalb das Interesse des Adels an dieser Stellung geweckt und beginnt der König allmählich mit der Einbeziehung der Bischöfe in sein Herrschaftssystem durch Beauftragung der Bischöfe mit weltlichen Aufgaben, weshalb neben die Wahl durch Klerus und Volk die Einsetzung durch den König tritt (ottonisch-salisches Reichskir­chensystem). Im Investiturstreit (ab 1073) setzt die Kirche (1122) die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zum Wahlgremium. Danach tritt neben den B. der vor allem mit geistlichen Aufgaben betraute Weihbischof. Im Reich, für dessen Gebiet sich zwischen 1198 und 2001 rund 5500 Diözesanbischöfe (und seit der frühen Neuzeit Weihbischöfe und Generalvikare) nachweisen lassen, wird der B. (seit dem Investiturstreit) geistlicher Reichsfürst (bis zur Säkularisation 1803). Im evangelischen Kirchenwesen verdrängt der Superintendent bis 1918 (teilweise) den B. Seit dem 19. Jh. sind Staat und Kirche grund­sätzlich getrennt, doch gewähren Konkordate (z. B. Österreich 1855, 1933) der Kirche noch verschiedene Einflussmög­lichkeiten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152; Stutz, U., Der neuste Stand des deutschen Bischofswahlrechts, 1909; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA 80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Ganzer, K., Papsttum und Bischofsbesetzungen, 1968; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z. f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004; Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im heiligen römischen Reich 1648-1803, hg. v. Glatz, E., 2007

Bismarck, Otto von (Schönhausen/Altmark 1. 4. 1815-Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft (1832-1835) in Göttingen und Berlin und Tätigkeit im Staatsdienst Landwirt (1839) und 1849 für die Konservative Partei Mitglied der zweiten preußischen Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund (1851), Gesandter in Sankt Petersburg (1859) und Paris (1862) und am 23. 9./8. 10. 1862 preußischer Ministerpräsident. Im Deutschen Bund setzt er sich für Preußen und damit gegen Österreich ein. Nach der Gründung des → Norddeutschen Bundes (1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 20. 3. 1890 Reichskanzler (meist gleich­zeitig Ministerpräsident und Außenminister Preußens) und betreibt eine Bündnispolitik (1879 Zweibund mit Österreich-Ungarn, 1882 zum Dreibund mit Italien erweitert, 1915 von Italien gekündigt). Besondere recht­liche Verdienste gewinnt er durch die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland und durch die Einführung der → Sozialversicherung. Im Mittelpunkt seines Denkens und Handelns steht der von einem Erbmonarchen mit starker Bürokratie gelenkte Staat, nicht die Nationsidee.

Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183, 194; Meyer, A., Bismarcks Kampf mit Österreich, 1927; Kober, H., Studien zur Rechtsanschauung Bismarcks, 1961; Weh­ler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L., Bismarck, 1980; Engelberg, E., Bismarck, 1985; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.; Krobckow, C., Graf v., Bismarck, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck (1815-1898), 2004; Brunck, H., Bismarck und das preußische Staatsministerium 1862-1890, 2004; Otto von Bismarck im Spiegel Europas, hg. v. Hildebrand, K. u. a., 2006; Gall, L., Bismarck, Preußen und die nationale Einigung, HZ 285 (2007), 355; Althammer, B., Das Bismarckreich 1871-1890, 2008

Bistum ist der kirchliche Herrschaftsbezirk des → Bischofs. Seit dem 12. Jh. tritt ihm im Heiligen römischen Reich das weltliche Hochstift bis 1803/1806 zur Seite. Neben dem Bischof steht im B. der Kathedralklerus (mit Archidiakon, Archipresbyter, Propst, Offi­zial, Generalvikar).

Lit.: Hinschius, P., Das System des katholischen Kirchenrechts, 1878; Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen römischen Reiches, 2003; Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, hg. v. Gatz, E., 2005; Bistümer und Bistumgsgrenzen, hg. v. Klueting, E. u. a., 2006

Bittleihe (lat. [N.] precarium) ist im römischen Recht die unentgeltliche, wider­ruf­liche Gebrauchsüberlassung einer Sache. Sie ist kein Rechtsverhältnis und begründet keinen für eine Ersitzung ausreichenden Besitz, wohl aber Schutz gegenüber Dritten.

Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss von amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8. 4. 1949).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, T., Das bizonale Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der Bizone, 1996

Bjärköarätt (N.) → Birkarecht, → Schonen, → Schweden

Blackstone, Sir William (London 10. 7. 1723-14. 2. 1780) wird nach Studien in Oxford (1738-1741) und einer Rechtsausbildung im Middle Temple in London 1746 Anwalt (barrister) in London, 1753 Dozent und 1758 Professor für englisches Recht in Oxford, (1761 Unterhaus,) 1763 solicitor general to the Queen, 1766 Anwalt in London und 1770 Richter (Court of common pleas). Seine vier Bände Commentaries on the Laws of England (1765ff.) bieten (beeinflusst von Matthew → Hale, Burlamaquis, Pufendorf, Locke und Montesquieu) eine umfassende knappe Dar­stellung des englischen Verfassungsrechts, Vermögensrechts, Schuldrechts und Straf­rechts bzw. Privatrechts, Staatsrechts, Pro­zessrechts und Strafrechts (common law und equity), die sich in Anlehnung an ein Werk Hales in Personen, Sachen, Delikte und Straftaten gliedert.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Benser, R., Die Systematik des Privatrechts, 1938; Warden, L., The Life of Blackstone, 1938; Simmonds, N., Reason, History an Privilege – Blackstone’s Debt to Natural Law, ZRG GA 105 (1988), 200; Harman, C., Critical Commentaries on Blackstone, 2002

Blasius de Morcono (in Morcone vielleicht zwischen 1283 und 1293 geboren, 1350 an Pest gestorben) ist der letzte Erläuterer des langobardischen Rechts als eines lebenden Rechtes (Tractatus de differentiis inter ius Longobardorum et Romanorum) vielleicht zwischen 1323 und 1332 entstanden).

Lit.: Dom. Blasii de Morcono de differentiis inter ius Longobardorum et ius Romanorum tractatus, cura Abignente, J., 1912; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 513

Blasphemie ist die Lästerung des christlichen Gottes. Seit dem 13. Jh. erscheint die B. auch in weltlichen Strafrechtstexten. Kirchliche wie weltliche Folgen sind vielfältig. Im 20. Jh. schwindet die Bedeutung.

Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy, 1928; Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt von Wilczek, B.); Schwerhoff, G., Zungen wie Schwerter, 2005

Bleichgericht

Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345

Blendung (F.) ist das Ausstechen oder Ausbrennen eines Auges oder beider Augen. B. ist eine Leibesstrafe in Altertum und Mittelalter. Mit der Aufklärung wird sie be­seitigt.

blickender Schein → Augenschein

Blijde Inkomst → Brabant

Blinder

Lit.: Laske, W., Zur Stellung des Blinden im Recht des Mittelalters, ZRG GA 97 (1980), 27; Krüger, J., Blindheit und Königtum, 1992

Blockade ist die Absperrung eines Gebietes von anderen Gebieten vor allem im Seekrieg (aus it. [F.] bloccata). 1584 verwenden die Holländer die B. als Kriegsmittel im Freiheitskampf gegen Spanien. Die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. 4. 1856 und die nicht ratifizierte Londoner Deklaration vom 26. 2. 1909 legen das Recht der B. fest, die Charta der Vereinten Nationen lässt die B als kollektive Zwangsmaßnahme zu.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hogan, A., Pacific blockade, 1908; Schenk, R., Seekrieg und Völkerrecht, 1958; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, §§ 42, 48

Blume des Sachsenspiegels (Di blume ubir der Sachsen spigel …) ist die in 8 bzw. 10 Handschriften überlieferte ungedruckte, ein Abecedar (Incipiunt regulae juris Ad decus …) enthaltende Bearbeitung der → Blume von Magdeburg durch Nikolaus → Wurm (um 1397).

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 67; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Blume von Magdeburg ist das von Nikolaus → Wurm am Ende des 14. Jh.s (um 1390) nach dem Vorbild des Richtsteig Landrechts unter Benutzung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Weichbildes verfasste, in zwei Teile gegliederte, in einer Handschrift überlieferte Werk, das Sachsenrecht (Weichbildrecht) und gelehrtes gemeines Recht (lat. [FPl.] leges und canones) verbinden will.

Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Bluntschli, Johann Kaspar (Zürich 7. 3. 1808-Karlsruhe 21. 10. 1881) wird nach dem Studium in Zürich, Berlin (1827-1829) und Bonn Gerichtsschreiber in Zürich (1830), dann Professor in Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg (1861). Auf der Grundlage seiner Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft → Zürich (1838/1839, 2. A. 1856) führt er das in Personenrecht, Sachenrecht, Obligationen­recht, Familienrecht und Erbrecht gegliederte Privatrechtliche Gesetzbuch für den Kanton Zürich zum Abschluss (1853-1855), das bis 1911 (auch in Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt.

Lit.: Briefwechsel Johann Kaspar Bluntschlis mit Savigny, Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und Ferdinand Meyer, hg. v. Oechsli, W., 1915; Vontobel, J., Die liberal-konservative organische Rechts- und Staatslehre Joh(ann) Caspar Bluntschlis, Diss. jur. Zürich 1954; Schmidt, S., Die allgemeine Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Affentranger, M., Besitz und Besitzschutz im Züricher Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987; Senn, M., Rassistische und antisemitische Elemente im Rechtsdenken von Johann Caspar Bluntschli, ZRG GA 110 (1993), 372; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Cavallar, G., Johann Caspar Bluntschlis europäischer Staatenbund in seinem historischen Kontext, ZRG GA 121 (2004), 504

Blut ist die das Leben von Wirbeltieren sichernde Körperflüssigkeit, auf die einzelne Rechtswörter (z. B. Blutbann, Blutrache, Blutschande) und Rechtsregeln (Das Gut fließt wie das B.) Bezug nehmen.

Lit.: Strack, H., Das Blut im Glauben und Aberglauben, 7. A. 1900; Schenda, R., Gut bei Leibe, 1998; Schury, G., Lebensflut, 2001

Blutbann ist die Zuständigkeit zur Verhängung der Todesstrafe. → Hochgerichtsbarkeit

Blutrache ist die im älteren Recht erlaubte eigenmächtige Vergeltung einer Verletzung (Tötung) durch eine neue Verletzung (Tötung). Recht und Pflicht zur B. bzw. Fehde oder Selbsthilfe verschwinden bis zur Neuzeit. Das Wort Bluträcher begenet erstmals bei Martin Luther in der ersten Hälfte des 16. Jh.s.

Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Vlavianos, B., Zur Lehre der Blutrache, Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im deutschen Mittelalter, Z. f. d. A. 91 (1962), 167 (Diss. phil. Kiel 1961); Miller, W., Bloodtaking and peacemaking, 1990; Diesselhorst, M., Die Fehde von Sichar und Chramnesind (in) FS F. Wieacker, 1991, 187ff.

Blutschande (Inzest) ist der Geschlechtsverkehr zwischen nahen leiblichen Verwandten, der sowohl im Alten Testament wie auch bei den Römern verboten ist. Vom christlichen Einfluss wird das Frühmittelalter erfasst, das als Folge die Tötung, die Verknechtung, das Exil oder das Gefängnis kennt. Häufiger erscheint die B. am Ende des Mittelalters wohl unter dem Einfluss des römischen Rechts (1507 [Constitutio Criminalis Bambergensis] Ent­hauptung). Eine Ein­schränkung auf die Verwandten und Verschwägerten aufstei­gender und absteigender Linie bringt das preußische Strafgesetzbuch von 1851.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1997

Bocksdorf, Dietrich (Theoderich) von (Zinnitz bei Calau um 1405-Zeitz 9. 3. 1466) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1425, 1426 baccalaureus) und Perugia (1436/1437, Dr. iur. utr.) Professor des kirchlichen Rechts in Leipzig (1443-1463) und 1463 Bischof von Naumburg. Er verfasst wissenschaftliche Arbeiten zum → Sachsenspiegel (Informaciones 1433, 1451, Sippschaftsregeln, Erbschaftsregeln, Remis­sorium, Weise des Lehnrechts), nicht dagegen die sog. Bocksdorfsche Erweiterung der Glosse zum Sachsenspiegel.

Lit.: Köbler, DRG 103; Distel, T., Eine Rechtsunterweisung Dittrich von Bocksdorfs, ZRG GA 4 (1833), 234; Kisch, G., Zur sächsischen Rechtsliteratur der Rezeptionszeit, Bd. 1 Dietrich von Bocksdorfs „Informaciones“, 1923; Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (H. Ulmschneider)

Bocksdorfsche Glosse ist die wohl von Tammo von → Bocksdorf nur in einzelnen Besserungen veränderte Erweiterung der buchschen Glosse des Sachsenspiegels.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Bocksdorf, Tammo von (um 1385-nach 1460), verfasst nach dem Rechtsstudium in Prag als Domherr in Magdeburg 1426 ein → Remissorium zum Sachsenspiegel und vielleicht die Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones (Zusätze) zur Sachsenspiegelglos­se.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Bodenreform ist die Umwandlung von Großgrundeigentum in bäuerliche Betriebe im Anschluss an staatliche Umwälzungen teils liberalistischer, teils sozialistischer Zielset­zung (z. B. Sowjetunion 1929, 1945 sowjetische Besatzungs­zone).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 121; Damaschke, A., Die Bodenreform, 1902; Hedemann, J., Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2 1930; Kippes, O., Die Bestrebungen der Bodenreform, 1933; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J., 1988; Werner, J., Die Bodenreform, 1997; Oppenheimer, F., Großgrundeigentum und soziale Frage, 1998; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen Besatzungszone, 2000; Kempen, B./Dorf, Y., Bodenreform 1945-1949, 2004; Die rechtsstaatliche Bewältigung der demokratischen Bodenreform, hg. v. Kempen, B., 2005

Bodenregal ist das vom König im Früh­mittelalter grundsätzlich geltend gemachte → Regal an herrenlosem Grund und Boden, das sich in Frankreich erhalten (domaine public) und in Deutschland zum Aneignungsrecht des Staates (Fiskus) entwickelt hat.

Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 27

Bodensee

Lit.: Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Gönnenwein, O., Die Rechtsgeschichte des Bodensees, Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 69 (1950); Der Bodensee, hg. v. Maurer, H., 1982

Bodin, Jean (Angers 1530?-Laon 1596), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechts­studium (1548) und einer Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat am Parlament von Paris, 1571 Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576 Staatsanwalt in Laon und schließlich königlicher Prokurator. In seinem empirisch entwickelten, für die politische Festigung Frankreichs gedachten Hauptwerk (Les six livres de la République, 1576, Die sechs Bücher über die Republik) beschreibt er rationalistisch das auf der von Gott gegebenen Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränkt­heit, Ständigkeit) aufbauende moderne Staats­wesen, in dem der Souverän zum Erlass des Gesetzes (lat. [F.] lex) befugt ist, aber den göttlichen und natürlichen Gesetzen (lat. [N.] ius) unterliegt. Die Monarchie kann für B. den Religionsfrieden und die Staatsordnung am besten wieder herstellen. Hexerei ist B. das schwerste Verbrechen (De la démonomanie des sorciers, 1580). Streitig ist, inwieweit B. den → Absolutismus begründet.

Lit.: Köbler, DRG 148f.; Fickel, G., Der Staat bei Bodin, 1934; Schmitz, A., Staat und Kirche bei Jean Bodin, 1939; Bodin, Jean, hg. v. Denzer, H., 1973; Goyard-Fabre, S., Jean Bodin et le droit de la république, 1989; Spitz, J., Bodin et la souverainieté, 1998; Couzinet, M., Jean Bodin, 2001

Bodman

Lit.: Bodman. Dorf, Kaiserpfalz, Adel, hg. v. Berner, H., 1977

Bodmann, Franz Josef (Groß-Aura 3. 5. 1754-Mainz 21. 10. 1820) wird nach dem Studium des Rechts in Würzburg und Göttingen (Johann Stephan Pütter) 1780 außerordentlicher und 1783 ordentlicher Professor in Mainz und von 1807 bis 1814 Konservator der ehemals kurfürstlichen Bi­bliothek und Archivar. Er fälscht Quellen durch Änderung von Ort, Zeit und Namen (z. B. sog. Rheingauer Landrecht). Wegen dieser seit 1903 aufgedeckten Fälschungen sind alle nur durch ihn überlieferten Quellen verdäch­tig.

Lit.: Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen Franz Josef Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74ff., 77 (1960), 345ff.; Büttner, H., Zum Bodmann-Problem, HJB 74 (1955), 363ff.

Bodmerei ist die hochverzinste Beleihung eines Schiffes in der Form, dass mit seinem Verlust die Zahlungspflicht entfällt und die Rückzahlung von der sicheren Ankunft des Schiffes abhängt (seerechtliches Darlehen mit Gefahrtragung durch den Darlehensgeber, reine Sachhaftung). Der B. geht das griechisch-römische Seedarlehen voraus (lat. fenus [N.] nauticum), das möglicherweise durch indische oder babylonische Vorläufer beeinflusst ist. Im Hochmittelalter wird auf Grund unbekannter Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr ausgesetzten Schiffes oder Schiffsteils (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles d’Oléron 2. H. 13. Jh., Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse, 1591 Zulassung). Später wird sie durch die Seeversicherung verdrängt und auf die Notbodmerei des Schiffes (durch den Kapitän in Notfällen) eingeschränkt (HGB 1897). Als Folge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung wird die B. durch Gesetz vom 21. 6. 1972 im Handelsgesetz­buch Deutschlands ganz aufgehoben.

Lit.: Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entwicklung der Bodmerei, 1881; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005

Böhmen ist das nach den keltischen Boiern (latinisiert Boiohaemum) benannte Land östlich des Bayerischen Waldes, in das seit dem 6. Jh. Slawen eindringen. Seit 800 wird es christianisiert, wobei um 890 Herzog Boriwoi aus dem Geschlecht der → Przemysliden getauft wird. Vom ottonischen König Heinrich I. wird B. unterworfen. Im 10. Jh. wird der bisher nicht sicher gedeutete Name Čechy (Tschechen) erwähnt. 973 wird für das zunächst kirchlich Regensburg unterstellte Gebiet das Bistum Prag, 975 das Bistum Olmütz gegründet und Mainz unterstellt. B. entwickelt sich zum Herzogtum (1085 Königstitel) im deutschen Reich (1114 Schenk, Reichserzschenk). Seit dem 12. Jh. wandern deutsche Siedler in den Randgebieten und in den Städten ein. 1198/1212 wird B. als Königreich ähnlich wie → Österreich im Reich verhältnismäßig verselbständigt. Der Sachsenspiegel (1221-1224) zählt den König von B. zu den Kurfürsten. Nach dem Aussterben der Baben­berger in männlicher Linie in Österreich (1246) wird Ottokar II. aus der Familie der Przemysliden (um 1232-26. 8. 1278) 1251 mit Zustimmung der Stände Herzog von Öster­reich (1252 Heirat mit der mehr als 30 Jahre älteren Margarete von Babenberg, 1261 annulliert zwecks Heirat mit möglicher Erbin Ungarns) und 1253 als Nachfolger seines Vaters König von Böhmen. 1260 erzwingt er von Ungarn die Übergabe der Steiermark. 1269 erwirbt er nach einem Erbvertrag die Herzogtümer Kärnten und Krain. 1273 unterliegt er Rudolf von Habsburg bei der Wahl zum deutschen König. 1276 muss er auf seine Erwerbungen verzichten und Böhmen und Mähren von Rudolf von Habsburg als Reichslehen nehmen. Am 26. 8. 1278 wird er bei dem Versuch der gewaltsamen Rückge­winnung dieser Güter im Zuge der Schlacht von Dürnkrut (Marchfeld) getötet, wodurch Österreich als Reichslehen wieder frei wird. 1306 sterben die Przemys­liden aus (1307 Habsburg, 1311 Luxemburg, 1438-1457 Habsburg). 1314 gewinnt Johann von Luxemburg als König von B. das Nicht­ap­pellationsprivileg. Die Markgrafschaft Mäh­­ren und Fürstentümer in Schlesien wer­den angegliedert. 1344 wird Prag Erzbistum. 1348 erhält die Stadt eine Universität. Kaiser Karls IV. Plan eines böhmischen Landrechts (→ Maiestas Ca­rolina) scheitert 1355. !356 betrifft die Goldene Bulle auch das Kurfürstentum B. 1415 wird der tschechische Religions­erneuerer Jan Hus hingerichtet. Im 15. Jh. wird B. zur Adelsherrschaft. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über die Rechtsordnung des Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen spätmittelalterlichen Rechts­wissenschaft. 1526 ernennt der Adel Ferdinand I. von Österreich auf Grund von Erbansprüchen zum König. 1527 gründet Ferdinand I. auf Drängen der böhmischen Stände eine böhmische Hofkanzlei. 1547 wird das Königreich B. für Habsburg erblich und verselbständigt sich danach mehr und mehr vom Reich. 1564 wird eine nach Nie­derschlagung der mit dem Prager Fenstersturz (1618) verbundenen Reforma­tions­bewegung (1620, Winterkrieg, Schlacht am Weißen Berg, Verlegung der böhmischen Hofkanzlei nach Wien) 1627 absolutisierend (v)erneuerte Landesordnung erlassen. In beachtlichem Umfang wird römisch-kanonisches Recht aufgenommen. Im 17. Jh. versucht Österreich eine Zentralisierung. 1707 wird Böhmen in die Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707 einbezogen. Maria Theresia hebt die böhmische Hofkanzlei 1748/1749 auf (Directorium in publicis et cameralibus). 1761 entsteht die böhmisch-österreichische Hof­kanzlei für die innere Verwaltung der böhmischen und österreichischen Erbländer. Joseph II. beseitigt die Leibeigenschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien. 1812 wird das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Öster­reichs auch in B. in Kraft gesetzt. Am 8. 4. 1848 verspricht der österreichische Kaiser Ferdinand I. eine eigene Verfassung (Böh­mische Charte), bezieht B. aber tatsächlich in die Geltung der pillersdorfschen Aprilver­fassung ein. Die böhmisch-österreichische Hofkanzlei wird zum Innenministerium. 1918 löst sich das Kronland (Cisleithaniens) B., wie seit 1848 gefordert, in der → Tschechoslowakei von Österreich. 1993 teilt sich die im zweiten Weltkrieg aufgeteilte, danach wiederhergestellte Tschecho­slowakei in die Tschechische Republik (Tschechien) und in die Slowakei auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 109, 129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.; Rössler, E., Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren, 1845ff.; Schmidt von Ber­genhold, J., Geschichte der Privatrechtsgesetzgebung und Gerichtsverfassung, 1866; Codex juris municipalis regni Bohemiae, 1886; Werunsky, E., Die Maiestas karolina, ZRG GA 9 (1888), 64; Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Lippert, J., Sozialgeschichte Böhmens in vorhus­sitischer Zeit, 1896ff.; Schreuer, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, 1901; Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohe­miae, hg. v. Friedrich, G. u. a., Bd. 1ff. 1904ff.; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, 1912; Köster, A., Die staatlichen Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen Kaisern, 1912; Stieber, M., Böhmische Staatsverträge, 1912; Zycha, A., Über den Ursprung der Städte in Böhmen, 1914; Peterka, O., Rechtsgeschichte der böhmischen Länder, Bd. 1f. 1923ff., Neudruck 1965; Perels, E., Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; Weizsäcker, W., Nárok und sok im böhmisch-mährischen Landrecht, ZRG GA 53 (1933), 300; Stanka, R., Die böhmischen Konföderationsakte von 1619, 1932; Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Die Ver­breitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Wegener, W., Die Přemysliden, 1957; Klabouch, J., (Die Rechtslehren des Aufklärungs­zeitalters in den böhmischen Ländern), 1958; Wegener, W., Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Das böhmische Staatsrecht in den deutsch-tschechischen Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Birke, E. u. a., 1960; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 144; Cultus pacis, hg. v. Vaněček, V., 1966; Siedlung und Verfassung Böhmens in der Frühzeit, hg. v. Graus, F./Ludat, H., 1967; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1967ff.; Russocki, S., Protoparlamentaryzm Czech do początku XV wieku (Der Protoparlamentarismus Böhmens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts), 1973; Procházka, R. Frhr. v., Genealogisches Handbuch erloschener böhmischer Herrenstandsfamilien, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Hlavaček, I. u. a. Nichtbohemikale Originalur­kunden in den böhmischen Ländern, 1977; Eberhard, W., Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, 1981; Sasse, B., Die Sozialstruktur Böhmens in der Frühzeit, 1982, Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen und die böhmischen Stände, 1982; Prinz, F., Böhmen im mittelalterlichen Europa, 1984; Eberhard, W., Monarchie und Widerstand, 1985; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 3. A. 1997; Seltenreich, R., Das römische Recht in Böhmen, ZRG GA 110 (1993), 496; Čechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Rentzow, L., Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten Landesordnung für das Königreich Böhmen von 1627, 1998; Kadlecová, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, 2003; Himl, P., Die armben Leüte und die Macht, 2003; Malý, K., Die böhmische Konföderationsakte und die verneuerte Landesordnung, ZRG GA 122 (2005), 285; Untertanen, Herrschaft und Staat in Böhmen und im alten Reich, hg. v. Cerman, M. u. a., 2005; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 973; Kejř, J., Die mittelalterlichen Städte in den böhmischen Ländern, 2009; Schelle, K., Recht und Verwaltung im Protektorat Böhmen und Mähren, 2009; Böhmen und das Deutsche Reich, hg. v. Schlotheuber, E. u. a., 2009

Böhmer, Johann Friedrich (Frankfurt am Main 22. 4. 1795-Frankfurt am Main 22. 10. 1863), begüterter Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Heidelberg und Göttingen (1817 Promotion), Privatge­lehrter, Stadtarchivar und Stadtbibliothekar in Frankfurt am Main, als welcher er das Urkun­denbuch Frankfurts (Codex Diplomaticus Moeno-Francofurtanus), deutsche Kaiser­urkunden und die (lat. [N.Pl.] Regesta imperii (1831ff.) herausgibt.

Lit.: Jansen, J., Böhmers Leben, 1863; Kleinstück, E., Johann Friedrich Böhmer, 1959; Frankfurter Biographie 1, 1994, 84ff.

Böhmer, Justus Henning (Hannover 29. 1. 1674-Halle 23. 8. 1749) wird nach dem Studium in Jena (1693-1695) Anwalt in Hannover und Hofmeister, seit 1698 Lizentiat in Halle, dann 1701 außerordentlicher und 1711 ordentlicher Professor. Hier verfasst er 1704 das beste Lehrbuch des römischen Rechts im 18. Jh. ([lat.] Introductio [F.] in ius digestorum, Einführung in das Recht der Digesten, 14. A. 1791), 1710 eine Einführung in das allgemeine öffentliche Recht bzw. Staatsrecht (lat. Introductio [F.] in ius publicum universale) und 1714-1737 eine umfassende geschichtlich-dogmatische Ge­samtdarstellung des protestantischen Kirchen­rechts ([lat.] Ius [N.] ecclesiasticum protestantium, z. T. 5. A. 1756ff.). Er präsidiert 139 Dissertationen, die mit der Einschränkung des Vorrangs protestantischer Bekenntnisschriften auch der Übertragung des (lat.) modernus usus (M.) pandectarum auf das Kirchenrecht dienen.

Lit.: Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche Werk Justus Henning Böhmers, 1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer, (in) Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994, 317; Wall, H. de, Zum kirchenrechtlichen Werk Justus Henning Böhmers, ZRG G`KA 87 (2001), 455ff.; Schulze, R., Justus Henning Böhmer und due Dissertationen seiner Schüler, 2009

Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach dem Rechtsstudium seit 1864 Lehrer des römischen Rechts in Grenoble und 1867 Paris, wechselt 1873 nach → Japan, wo er als Berater der Regierung französisches Recht lehrt und 1880 ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung sowie 1890 einen nicht Gesetz gewordenen Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches erarbeitet.

Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade et la réception du droit français au Japon, Revue internationale du droit comparé 43 (1991), 327

Bologna ist die auf etruskischen und römischen Grundlagen ruhende Hauptstadt der oberitalienischen Landschaft Emilia am südöstlichen Rand der Po-Ebene, die sich seit 1115 von den vom deutschen König eingesetzten Grafen von B. zu lösen vermag (und aus der für das elfte Jh. 478 Urkunden und für die Zeit bis 1150 etwa 1300 städtische Urkunden erhalten sind). In B. wird vielleicht auf der Grundlage einer im 11. Jh. bezeugten Artistenschule und wegen des Wissensbedarfs zahlreicher Notare und Investitoren (1057) als Rechtsschule (lat. [N.] studium) eine der ältesten Universitäten Europas gegründet. Ihr bekanntester Lehrer ist (nach Albertus [1067], Arianus, Geminianus und Pepo) zunächst → Irnerius mit der von ihm geprägten Schule der → Glossatoren (Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und viele andere bis Accursius). Um 1140 kommt das Studium des kirchlichen Rechts hinzu. Die fremden Studenten gründen am Ende des 12. Jh.s als Mehrheit aus zwei (lat. [F.Pl.]) universitates eine → universitas. Ihre Zahl wird zu dieser Zeit auf etwa 1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten der Universität sind aus dem Jahre 1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425 lassen sich rund 3600 deutsche, fast ausschließlich geistliche Rechtsstudenten in B. nachweisen (durch­schnitt­lich 23 Erstnennungen im Jahr mit rückläufiger Tendenz).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159; Fitting, H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Dallari, U., I Rotuli dei lettori, legisti e artisti dello studio bolognese dal 1384 al 1799, 1888ff.; Knod, G., Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), 1899; Schelb, W., Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39; Zanella, G., Bibliografia (in) Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna N. S. 5, 1985; Wandruszka, N., Die Oberschichten Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Le carte bolognesi del secolo XI, a cura di Feo, G., 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Le carte bolognesi del secolo XI, Appendice hg. v. Modesti, M., 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 32; Behle, T., Der Magister Walfred von Bologna, 2008

Bolschewismus ist die bis etwa 1953 übliche Bezeichnung des Kommunismus in der Sowjetunion (zu Bolschewiki, russ., Mehr­heitler).

Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus im Urteil der deutschen Sozialdemokratie, 1967

Bonae-fidei-iudicium (lat. [N.], Klage nach Treu und Glauben) ist im klassischen römischen Recht die nach der → Billigkeit beurteilte freiere Klage bzw. das freier beurteilte Schuldverhältnis (z. B. Kauf, Miete, Leihe, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft, Auftrag, Geschäfts­führung ohne Auftrag, Verwahrung, Bruchteilsgemein­schaft [lat. fiducia], Vormundschaft bzw. Tutel, Treuhandschaft, Mitgiftrückgabe, Pfand, Innominatkontrakt). Bei einem b. ist zu leisten, was nach guter Treue (lat. ex fide bona) ge­schuldet wird. Für die diesbezügliche Feststellung hat der (lat.) iudex (Richter) auf Grund der Klagformel des Gerichtsmagistrats einen Ermessensspielraum. Er muss Neben­pflichten aus Abreden, Schutzpflichten und Treuepflichten beachten und Arglist auch ohne Einrede des Beklagten berücksichtigen. Der Gegensatz zum b. ist das (lat.) iudicium (N.) stricti iuris (strengrechtliche Klage).

Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der bonae-fidei-iudicia, ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im bonae-fidei-iudicium, 1969

Bona fides (lat. [F.] gute Treue) ist im klassischen römischen Recht zunächst die Pflicht zum Worthalten und danach ein Maßstab, nach dem der Richter das betreffende Rechtsverhältnis zu beurteilen hat. Für den Inhalt des Schuldverhältnisses findet dabei neben der formlosen Verein­barung auch die Verkehrssitte Anwen­dung. Bei der Ersitzung ist b. f. (Gutgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Erwerbs) des Erwerbers ([lat.] bonae fidei possessor [M.]) im Zeitpunkt des Erwerbs nötig ([lat.] mala fides superveniens non nocet, nachträgliche Bösgläubigkeit schadet nicht).

Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Köbler, DRG 40, 42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides, 1961; Hausmaninger, H., Die bona fides des Ersitzungsbesitzers im klassischen römischen Recht, 1965

Bonaparte (Buonaparte) s. Napoleon

Bonellus de Barulo, Andreas ist ein wohl vor 1250 in Barletta bei Bari geborener, vor oder nach 1291 verstorbener neapolitanischer Jurist (Commentaria super postremis libris codicis, commentaria in leges Longobar­dorum, Glossen zu den constitutiones Siculae).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 502

Bönhase ist seit dem 15. Jh. die im Mittel­niederdeutschen entstandene Bezeichnung für den unzünftigen, bereits vereinzelt seit dem 14. Jh. von den Zünften bekämpften Hand­werker (wie ein Hase auf dem Boden arbeitend?, heimlich auf dem Dachboden arbeitend?, außerhalb der „Hanse“ arbeitend?).

Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 1928, 2. A. 1981; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971

Boni homines (lat. [M.Pl.], Sg. bonus homo) oder auch (lat.) probi homines (M.Pl., frz. prud’hommes) sind (in Frankreich, Spanien, Italien, dem Alpenraum und dem Heiligen römischen Reich im Frühmittelalter (seit Anfang des 7. Jh.s) und bis ins 13. Jh. Zeugen, Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit, guten Leumund sowie meist Grundeigentum und Ansässigkeit als Voraussetzung ihrer jeweiligen Tätigkeit erfüllen, aber sich nicht einem bestimmten Stand zuweisen lassen und kein bestimmtes Amt haben. Seit Ende des 12. Jh.s treten sie in den oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf.

Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines des frühen Mittelalters, 1981

Bonifatius bzw. Wynfreth (Wessex 672/675-bei Dokkum 5. 6. 754), aus niederem Adel, im Kloster Exeter erzogen, wird zunächst Lehrer und 718 Missionar im fränkischen Reich. In Rom am 30. 11. 722 zum Bischof geweiht, missioniert er unter einem Schutzbrief Karl Martells von 723 bis 732 in Thüringen und Hessen (u. a. Fällung der Donareiche bei Geismar und Gründung der Zelle Fritzlar). 732 wird er Erzbischof ohne besonderen Sitz, 737/738 Legat für Ger­manien. 738/739 erneuert er die Bistümer Regensburg, Passau, Salzburg und Freising. 741/742 gründet er die Bistümer Würzburg, Büraburg und Erfurt (später Eichstätt), 744 das Kloster Fulda. 754 wird er in Friesland erschlagen.

Lit.: Schieffer, T., Winfrid-Bonifatius, 2. A. 1972; Schipperges, S., Bonifatius ac socii sui, 1996; Padberg, L. v., Bonifatius, 2003

Bonifatius VIII (Benedetto Caetani, Anagni um 1235-Rom 11. 10. 1303) wird nach dem Studium vermutlich des kirchlichen Rechts in Todi, Spoleto und Bologna am 23. 1. 1295 Papst. 1298 lässt er die päpstlichen Dekretalen ab 1234 im (lat.) Liber (M.) sextus decretalium (sechsten Buch der Dekretalen) zusammenfassen. In der Dekretale (lat.) Unam sanctam (eine heilige) vom 18. 11. 1302 fordert er die Unterordnung der weltlichen Gewalt unter den Papst, wird aber am 7. 9. 1303 in Anagni verhaftet.

Lit.: Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Schmidt, T., Der Bonifaz-Prozess, 1989; Politische Reflexion der Welt des späten Mittelalters, hg. v. Kaufhold, M., 2004, 129ff.

bonitarisch auf (lat.) in bonis esse, „in den Gütern sein“ beruhend, im Gegensatz zu zivil (z. B. die im römischen Recht durch bloße Übergabe einer mancipium-Sache statt Manzipation seitens des Eigentümers erlangte, vom Prätor geschützte Stellung des Erwerbers)

Bonn (Bonna 12-9 v. Chr.) am Rhein ge­genüber der Einmündung der Sieg ist ein auf keltisch-römischer Grundlage entstan­dener Ort, der im 11. Jh. (von den Ezzonen) an das Erzstift → Köln gelangt. Im 16. Jh. wird er dessen Hauptort und erhält 1777/1786 eine 1797 aufgehobene, 1815/1816 jedoch wiedererrichtete Universität, in der 1928 die Staatswissenschaften fast vollständig aus der philosophischen Fakultät in die juristische Fakultät übergeführt werden. Vom 1. 9. 1948 bis 23. 5. 1949 tagt in B. der Parlamentarische Rat zur Vorbereitung der Bundesrepublik Deutschland, weshalb das → Grundgesetz auch als Bonner Grundgesetz bezeichnet wird. 1949 wird B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland (1990) vorläu­fige Hauptstadt der Bundes­republik Deutsch­land.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wiedemann, A., Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Niessen, J./Ennen, E., Geschichte der Stadt Bonn, 1956ff.; Eisenhardt, U., Die weltliche Gerichtsbarkeit der Offizialate, 1966; Hübinger, P., Das historische Seminar, 1963; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818 bis 1960, 1969; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; Geschichte der Stadt Bonn, hg. v. Höroldt, D. u. a., 1989ff.; 150 Jahre Landgericht Bonn, hg. v. Fassbender, H., 2000; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004; 75-Jahr-Feier der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, 2004; Schmoeckel, M. u. a., Stätten des Rechts in Bonn, 2004

Bonorum possessio (lat. [F.] Güterbesitz, Nachlassbesitz) ist im klassischen römischen Erbrecht die Stellung, die der → Prätor auf Antrag dem zuweist, den er im Fall des Todes eines Erblassers am ehesten für berechtigt hält. Der damit erreichte Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen Rechts können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln.

Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155

bonum (N.) commune (lat) gemeines Wohl, Allgemeinwohl

bonus homo → boni homines

Boppard

Lit.: Heyen, F., Reichsgut im Rheinland, 1956

Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. → nordisches Recht

Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942

Börse (zu lat. [F.] bursa, Beutel, Kasse?) ist die regelmäßig an einem bestimmten Ort stattfindende, nur von Kaufleuten besuchte Veranstaltung zum Zweck des Abschlusses von Gattungskäufen vertretbarer Sachen. Geldbörsen entstehen seit dem 12. Jh. in Oberitalien und Südfrankreich, eine Wa­renbörse ohne anwesende Waren ist in Antwerpen um 1500 bezeugt. Wichtige Bör­sen bestehen in Antwerpen, Lyon, Amster­dam, Paris. London, Frankfurt am Main, Berlin und Wien, später auch in New York oder Tokio.

Lit.: Deutsche Börsengeschichte, hg. v. Pohl, H., 1992; Blumentritt, J., Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003

Börsengesetz ist das am 22. 6. 1896 geschaffene, das Recht des Wertpapierhandels an der Börse (Vorformen im 15. Jh. in Sevilla, Cadiz und Lissabon [16. Jh.]) regelnde deutsche Gesetz.

Lit.: Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992; Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994

Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen rechtlich bedeutsamen Umstand. → guter Glaube

Bosnien ist die östlich der mittleren Adria gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den Römern erobert wird (Dalmatia) und bei der Reichsteilung an Ostrom gelangt. Zu Beginn des 7. Jh.s siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende Königreich (1377) gerät mit Herzegowina 1463/1482 durch Eroberung unter die Herrschaft der Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem Einfluss (Besetzung und Verwaltung) Österreichs (1883 HGB, ZPO, Wechsel­gesetz u. a.) einen Aufschwung. 1908 wird B. von → Österreich-Ungarn annektiert und als weitere pragmatische Angelegenheit von Österreich und Ungarn gemeinsam verwaltet (1909 von der Türkei anerkannt). 1918 wird es Teil → Jugoslawiens (1941-1945 Kroa­tiens). Nach der Erklärung der Souveränität (1992) und einem Bürgerkrieg wird es 1995/1996 als Bosnien-Herzegowina (zwi­schen Kroatien, Serbien, Monenegro und Adria, 4,3 Millionen Einwohner, 51129 Quadratkilometer, bosniakisch-kroatische Fö­de­ration und serbische Republik) verselb­ständigt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S., Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna, A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H., Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina, 2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005

Bote (lat. [M.] nuntius) ist ein Mensch, der für einen anderen ohne eigene Willensbildung eine Erklärung empfängt oder abgibt.

Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2

Bourbone ist der nach Bourbon-l’Archambault im heutigen Departement Allier benannte Angehörige einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von Bourbon) begründeten Seitenlinie der → Kapetinger. Die jüngere Linie Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830 bzw. in der 1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das Königtum in → Frankreich. In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-1814, 1868-1875, 1931-1975). Sie herrscht auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802 und von 1847 bis 1859/1860 in Parma-Piacenza.

Lit.: Legual, A., Histoire du Bourbonnais, 1960; Malettke, K., Die Bourbonen 1589-1848, Bd. 1ff. 2008f.

Bourges ist die auf keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt am Zusammenfluss von Yèvre und Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s Ausgangspunkt des → mos Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der Rechtswissenschaft. → Budé

Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du Berry, 1980

Boutillier, Jehan (Pernes/Pas-de-Calais vor 1350-Tournai [vor?] 24. 1. 1396) verfasst als Berater des französischen Königs in Nordfrankreich (Tournai) wohl kurz vor 1396 das (französische) Rechtsbuch → Somme rural.

Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951

Boykott ist die nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte Ablehnung aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem dadurch die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr abgeschnitten wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Bozen

Lit.: Die Bozner Handelskammer vom Merkantil­magistrat bis zur Gegenwart, 1981; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Obermair, H., Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung, Bd. 1 2005

Brabant ist das aus dem fränkischen Gau Bracbantum im Nordwesten (um Brüssel) unter den Grafen von Löwen (um 1188 Herzöge von B.) entstandene, sich vom Reich ver­selbständigende (1349 Goldene Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des Fürsten begrenzende Herzogtum, das nach Johanna von B. (1355-1406) 1390/1430 an → Burgund und nach Maria von Burgund 1477 an → Habsburg (Spanien) kommt. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg gelangt es 1723 an Österreich. Nach Ende der 1775 erfolgten Annexion durch Frankreich wird es 1815 Teil der → Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil → Belgiens.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Moll, W., De rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les deux chartes romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission royale d’histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l’Angleterre, 1936; Willem van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van Brabant, hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe rechtsbronnen van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f. 1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Geschiedenis van Noord-Brabant, hg. v. Van den Eerenbeemt, H., Bd. 1ff. 1996f; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Geschiedenis van Brabant, hg. v. Van Uytven, R. u. a.,2004; Tigelaar, J., Brabants historie ontvouwd, 2006

bracchium (N.) saeculare (lat.) (der Staat als) weltlicher Arm (der Kirche) (kirchlicher Anspruch auf staatliche Unterstützung 1983 aufgegeben)

Bracton, Henry de (Bratton Fleming 1210-Exeter 1268) ist nach dem Studium des weltlichen und kirchlichen Rechts wohl an der Domschule von Exeter seit etwa 1229 Schreiber (clerk) eines Richters, seit 1245 reisender Richter, von 1247 bis 1257 Richter am Gericht Coram rege (Court of King’s Bench) und seit 1264 Domkanzler in Exeter. Sein vielleicht nach 1230 verfasstes oder auch von ihm nur überarbeitetes, durch 48 Handschriften überliefertes, unvollendetes Werk (lat.) → De legibus et consuetudinibus Angliae (Über Gesetze und Gewohnheiten Englands) bietet auf Grund einer Sammlung von etwa 2000 Urteilen (precedents) des Königsgerichts die beste Darstellung des englischen → common law des Mittelalters. Der Traktat gliedert sich nach Personen, Sachen und Klagansprüchen. Im dritten Teil behandelt er an Hand der verschiedenen Klageformeln (writs) das Privatrecht, Strafrecht und Lehnrecht. Eine gezielte Romanisierung des englischen Rechts durch B. ist nicht erweislich.

Lit.: Bractons Note Book, hg. v. Maitland, F., 1887; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H., Actio and writ, 1957; Fesefeldt, W., Englische Staatstheorie des 13. Jahrhunderts, 1962; Richardson, H., Bracton, the problem of his text, 1965; Bracton, hg. v. Woodbine, G., übers. v. Thorne, S., 1968; Thorne, S., Henry de Bracton 1268-1968, 1970

Brand von Tzerstede (Lüneburg um 1400-Lünenburg 3. 10. 1451), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Leipzig (1414, 1417 baccdalaureus) Ratsherr in Lüneburg. Er verfasst die in zwei Hand­schriften und einem Fragment überlieferte, 1442 abgeschlossene Glosse zur Vorrede des Sachsenspiegels von der Herren Geburt und nach eigener Angabe weitere Glossierungen.

Lit.: Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht Buch’sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002, 124ff.

Brandenburg ist die nach der slawischen Brennaburg (928/929, 948 Bistum, 983 Slawenaufstand) benannte Mark ([3. 10.] 1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134-1319, 1165 Wiederbegründung des Bistums), Wittelsbachern, Luxemburgern (1375 Landbuch der Mark Brandenburg) gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die Hohenzollern (1411/1417). 1473 legt die → Dispositio Achillea des Markgrafen Albrecht Achilles die Unteilbarkeit fest (1506 Universität Frankfurt an der Oder, 1516 Kammergericht in Berlin). 1614 fallen Kleve, Mark und Ravensberg an, 1618 → Preußen als Lehen Polens. Seit 1701 tritt B. hinter den Namen Preußen zurück. 1947 wird Preußen aufgelöst. Der 1945 unter Verwaltung Polens gestellte Teil Brandenburgs östlich der Oder und Neiße wird 1990 Polen zugeteilt. Der Versuch der Vereinigung des Bundeslandes B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H., Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888; Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hg. v. Stölzel, A., 1901; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, 1901f.; Spangenberg, H., Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter, 1908; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivlegien für Brandenburg-Preußen, 1908; Altmann, W., Ausgewählte Urkunden zur brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Ver­waltungsgeschichte, 2. A. 1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfüsten von Brandenburg, 1915; Luck, W., Die Prignitz, 1917; Werminghoff, A., Ludwig von Eyb der Ältere (1417-1502), 1919; Gley, W., Die Besiedlung der Mittelmark, 1926; Acta Brandenburgica, Bd. 1ff. 1927ff.; Tschirch, O., Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an der Havel, 1928; Schulze, B., Brandenburgische Landesteilungen, 1928; Schulze, B., Die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg und Pommern 1809-1918, 1931; Erläuterungen zur brandenbur­gischen Kreiskarte von 1815, v. Schulze, B., 1933; Die alten und neuen brandenburgischen Kreise nach dem Stande von 1815, bearb. v. Curschmann, F. u. a., 1933; Brandenburgische Ämterkarte, bearb. v. Schulze, B., 1935; Schulze, B., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik der brandenburgischen Ämter und Städte, 1935; Das Landregister der Herrschaft Sorau von 1381, hg. v. Schultze, J., 1936; Oestreich, G., Der bran­denburgisch-preußische geheime Rat, 1937; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, hg. v. Schultze, J., 1940; Buchda, G., Über die verlorenen hallischen Konstitutionen zum Landrecht der Kurmark Brandenburg (1714), ZRG GA 69 (1952), 385; Schultze, J., Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 1964 (Aufsätze); Hoppe, W., Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg, 1965 (Aufsätze); Engel, E./Zientara, B., Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterli­chen Brandenburg, 1967; Geschichte von Brandenburg und Berlin, Bd. 3, hg. v. Herzfeld, H., 1968; Harnisch, H., Die Herrschaft Boitzenburg, 1968; Schmidt, E., Markgraf Otto I. von Brandenburg, ZRG GA 90 (1973), 1; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973; Podehl, W., Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg, 1975; Die Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 2. A. 1989; Ein sonderbares Licht in Teutschland, hg. v. Heinrich, G., 1990; Branden­burgische Geschichte, hg. v. Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land Brandenburg, hg. v. Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen Landtage, hg. v. Adamy, K. u. a., 1998; Pohl, D., Justiz in Brandenburg 1945-1955, 2001; Das Domstift Brandenburg und seine Archivbestände, bearb. v. Schößler, W., hg. v. Neitmann, K., 2005; Beck, F., Regesten der Urkunden Kurmärkische Stände (Rep. 23 A), 2006; Partenheimer, L., Die Entstehung der Mark Brandenburg, 2007; Scheffczyk, F., Der Provinzialverband der preußischen Provinz Brendenburg 1933-1945, 2008; Baumgart, P., Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F., 2009

brandenburgischer Landrechtsentwurf → Köppen

Brandileone, Francesco (Buonabitacolo 1858-Neapel 1929) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Neapel Professor für italienische Rechtsgeschichte in Macerata, Sassari, Parma, Bologna und Rom.

Brandmarken ist das schon den Römern (für Sklaven und Abhängige, Verbot der B. ins Gesicht durch Kaiser Konstantin) bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen auf die Hand oder in das Gesicht (oder Verstümmeln), das sich 726 bei den Langobarden (für rückfällige Diebe) und trotz Ablehnung durch die Aufklärung noch 1787 in Österreich, 1813 in Bayern und 1810 und 1832 in Frankreich findet (Verbot in England 1829, Frankreich 1834, Frankfurter Paulskirchenverfassung 1849 § 139).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Chen, Y., Probleme der Strafe der Brandmarkung, 1948; Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954; Cate, C. ten, Tot glorie der gerechtigheit, 1975; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das Gesicht, 1994

Brandstiftung ist das Inbrandsetzen einer (fremden) Sache. Die B. ist in Rom eine Straftat, auf die der Feuertod steht. Im Mittelalter wird sie wegen ihrer Bedeutung in der → Fehde eher gering gebüßt. Gottesfrieden (z. B. 1083) und Landfrieden lehnen sie ab. Der Sachsenspiegel (1221-1224) kennt Enthauptung oder (bei Mordbrand) Rädern als ihre Strafen (ähnlich sog. Treuga He[i]nrici von 1224), die (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532, Art. 126) Feuertod (bei boshaftiger B.), das preußische Allgemeine Landrecht (1794) Enthauptung und Feuertod. Die fahrlässige B. wird schon früh gesondert behandelt. Seit dem 19. Jh. werden allgemein unterschied­liche Begehungsformen unterschieden.

Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2; Osenbrüggen, E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 348; Geerds, F., Die Brandstiftungsdelikte, 1962; Timcke, G., Der Straftatbestand der Brandstiftung, Diss. jur. Göttingen 1965; Spicker-Beck, M., Räuber, Mordbrenner, umschweifendes Gesind, 1995

Brant, Sebastian (Straßburg 1457/1458-Straßburg 10. 5. 1521), Gastwirtssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1477) in Basel Professor (1489 Dr. iur. utr.), lehrt seit 1483 römisches Recht, kirchliches Recht und Poetik, wechselt aber als Folge der Annäherung Basels an die Eidgenossen 1501 als Syndicus (bzw. 1503 Stadtschreiber) nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.]) Expositiones [1490, Ausstellungen, ein Anfängerlehrbuch], 36 Auflagen) veröffentlicht er im Rahmen der populären Literatur eine Bearbeitung von Tenglers → Laienspiegel von 1495 (1509) und des → Klagspiegels (Conrad Heydens, † 1443/1444) (Neuausgabe 1516) sowie die Satire Narrenschiff (1494).

Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant, (in) Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 127; Knape, J., Dichtung, Recht und Freiheit, 1992; Sebastian Brant, hg. v. Wilhelmi, T., 2002

Brauchtum ist die Gesamtheit der tatsächlich innerhalb einer Personenmehrheit geübten sozialverträglichen Verhaltensweisen. Das B. weist viele Beziehungen zum Recht auf (z. B. Weistümer). Insbesondere kann das Recht das B. beeinflussen.

Lit.: Köbler, DRG 5; Sartori, P., Sitte und Brauch, 1910; Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsbrauch und Kinderspiel, 1920 (SB Heidelberg), 2. A. 1952; Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker, A., Frühlingsbrauch und Sonnenkult, 1937; Fehrle, E., Deutsche Hochzeitsbräuche, 1937; Zipperer, F., Das Haberfeldtreiben, 1938; Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939; Müller, G., Der Umritt, 1941; Dörrer, A., Brotspenden als Verlöbnis und Gemeinschaftsbrauch, ZRG GA 74 (1957), 266; Erler, A., Burschenbrauchtum vor den Schranken des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 79 (1962), 254; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, (um 1976); Schieder, E., Das Haberfeldtreiben, 1983; Deimling, B., Ad rufam ianuam, ZRG GA 115 (1988), 498; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003; Rechtssymbole und Wertevermittlung, hg. v. Schulze, R., 2004

Brauen ist das Herstellen von Bier aus Getreide und Wasser(, 12. Jh. Hopfen und in der Neuzeit Hefe). Es ist bereits dem Altertum bekannt und findet sich in den Grundherrschaften seit dem Frühmittelalter (1040 Bischof von Freising für Weihen­stephan). In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt es sich zum verrechtlichten Gewerbe. Die Herzöge von Bayern be­schränken die Bierherstellung auf Gerste, Hopfen und Wasser (1493/1516, Reinheits­gebot, vgl. 1906 Biersteuergesetz § 9 I). Seit der Einführung der Gewerbefreiheit im frühen 19. Jh. entstehen Bierfabriken, die als Groß­brauereien die Hausbrauereien ver­drängen.

Lit.: Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981; Heckel-Stehr, K., Brauwesen in Bayern, 1988; Blanckenberg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001

Braunschweig an der Oker wird 1031 erstmals erwähnt und wächst aus fünf älteren Siedlungen (Altstadt, Neustadt E. 12. Jh., Sack 2. H. 13. Jh., Hagen um 1160, Altenwiek) zusammen. Schon früh steht der Ort unter der Herrschaft der Welfen, deren Reichsfürstentum von 1235 nach B. und Lüneburg benannt wird. Die zeitweise ziemlich selbständige Stadt, die 1227 das Hagenrecht und das sog. Ottonianum (mnd.) aufzeichnet, 1402 den Rechtsstoff neu ordnet und 1532 ihre Statuten einer 1675 aufgehobenen Reformation unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel über und gelangt, wirtschaftlich mehr und mehr von Hannover und Magdeburg überholt, 1946 mit dem Land B. an Niedersachsen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, bearb. v. Dolle, J. u. a., Bd. 1ff. 1874ff. (Bd. 5 1994); Hanselmann, L., Die ältesten Stadtrechte Braun­schweigs, Hans. Geschbll. 1892, 3; Frensdorff, F., Das braunschweigische Stadtrecht bis zur Rezeption, ZRG GA 26 (1905), 195; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Fahlbusch, O., Die Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig, 1913; Busch, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, 1921; Hüttebräuker, L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Wolters, G., Das Amt Friedland und das Gericht Leineberg, 1927; Meier, P., Der Streit Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Reichsstadt Goslar, 1928; Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Timme, F., Die wirtschafts- und verfassungsgeschicht­lichen Anfänge der Stadt Braunschweig, 1931; Germer, H., Die Landgebietspolitik der Stadt Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Heerstraßen auf Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 1940; Querfurth, H., Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahre 1671, 1953; Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, hg. v. Spieß, W., 1954; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes wegen, 1960; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Moderhack, R., Hundert Jahre Stadtarchiv und Stadtbibliothek, 1961; Spieß, W., Geschichte der Stadt Braunschweig im Nachmittelalter, 1966; Kleinau, H., Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, 1967, 1968 (2425 Namen); Pitz, E., Landeskulturtechnik, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschich­te, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2903; Garzmann, M., Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig, 1976; Lockert, M., Die nieder­sächsi­schen Stadtrechte, 1978; Petersen, W., Verzeichnis der Einblattdrucke und Handschriften, 1984, Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Bringmann, W., Die braunschweigische Thronfolgefra­ge, 1988; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Hanse - Städte - Bünde, hg. v. Puhle, M., 1996; Hackel, C., Der Untergang des Landes Braunschweig, 2000; Die braunschweigische Landesgeschichte, hg. v. Jarck, H. u. a., 2000; Ohm, M., Das Braunschweiger Altstadtrathaus, 2002; Justiz und Anwaltschaft in Braunschweig, hg. v. Isermann, E. u. a., 2004; Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Leuschner, J. u. a., 2008

Braurecht ist das das Brauen betreffende Recht.

Lit.: Peterka, O., Die bürgerlichen Braugerechtigkeiten in Böhmen, 1917; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981

Braut (8./9. Jh.) ist zunächst die neuver­mählte junge Frau und erst in jüngerer Zeit die durch ein Heiratsversprechen erst zur Eheschließung verpflichtete Frau.

Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch, 1910; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985

Brautkind ist das Kind einer (unverhei­rate­ten) Braut. Es ist unehelich, kann aber in­nerhalb der unehelichen Kinder eine bessere Rechtsstellung haben.

Brautlauf ist die im 13. Jh. im Deutschen erloschene Bezeichnung für die Hochzeit.

Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und Sachen 16 (1934), 81

Bregenz

Lit.: Helbok, A., Die Bevölkerung der Stadt Bregenz, 1912

Breisach

Lit.: Beyerle, Franz, Das älteste Breisacher Stadtrecht, ZRG GA 39 (1918), 318; Haselier, G., Geschichte der Stadt Breisach am Rhein, 1969

Bremen (782) südlich der Wesermündung wird 787/789 Sitz eines Bischofs bzw. 845/864 eines Erzbischofs. Im 13. Jh. löst sich B. von der Herrschaft des Bischofs. Wahrzeichen wird der Roland. B. wird Mitglied der Hanse. 1303/1304 wird das Recht aufgezeichnet. 1541/1646 wird die Reichs­freiheit erlangt, die sich in der Stellung als Mitglied des Deutschen Bundes (1815) und als Land im Deutschen Reich (1871) und in der Bundesrepublik Deutschland (1949) fortsetzt. 1970 entsteht in B. eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bremisches Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1873ff.; Kühtmann, A., Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Kühtmann, A., Geschichte der bremischen Stadtvogtei, 1900; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Eckhardt, K., Die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, 1931; Das bremische Stadtrecht von 1303/08, hg. v. Eckhardt, K., 1931; Haase, C., Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Hinte, P., Die hannoversche Gerichtsbarkeit in der Stadt Bremen von 1720-1803, Diss. jur. Göttingen 1957; Merker, O., Die Ritterschaft des Erzstifts Bremen im Spätmittelalter, 196ich, 1969; 2; Lorenz, G., Das Erzstift Bremen und der Administrator Friedrich, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2905; Schwarzwälder, H., Geschichte der freien Hansestadt Bremen, Bd. 1ff. 1975ff.; Barkhausen, W., Erzbischof Adaldag und König Harald Gormsson, ZRG GA 111 (1994), 363; Kessler, A., Die Entstehung der Landesverfassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten, bearb. v. Gerstenberger, H., 1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon, 2000; 700 Jahre Bremer Recht 1303-2003, hg. v. Elmhäuser, K., 2003; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Elmshäuser, K., Geschichte Bremens, 2007

Bremgarten

Lit.: Bürgisser, E., Geschichte der Stadt Bremgarten, 1937

Breslau an der Oder erscheint im 10. Jh. als befestigte Siedlung und wird 1000 Sitz eines Bischofs. Seit 1163 ist es in Niederschlesien Sitz eines Herzogs aus der Familie der Piasten. 1225 erhält es eine Marktsiedlung nach deutschem Recht, 1241 deutsches Recht. (1261 Magdeburger Recht). 1335 gelangt B. an Böhmen. In der Mitte des 14. Jh. wird ein zunächst unsystematisches, gegen 1370 sys­tematisiertes Stadtrechtsbuch zusammenge­stellt. Am Ende des 15. Jh. entstehen die Rechtsbücher Der rechte Weg und Remissorium. B. wird Oberhof für mindestens 65 Städte. 1526 fällt B. mit Böhmen an Österreich. 1702 wird eine Universität eingerichtet (bis 1811). 1741 wird B. von Preußen erobert. Über Preußen gelangt B. nach 1945 an Polen. → Breslauer Landrecht

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer systematische Schöffenrecht, 1863; Breslauer Urkundenbuch, hg. v. Korn, G., 1870; Goerlitz, T., Die Übertragung liegenden Gutes, 1906; Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Pfitzner, J., Besiedlungs-, Verfassungs- und Verwaltungs­geschichte des Breslauer Bistumslandes, 1926; Pfeiffer, G., Das Bres­lauer Patriziat, 1929; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts, ZRG GA 59 (1939), 136; Lindgren, E., Die Breslauer Strafrechtspflege, 1939; Hermann, E., Das Abgabenrecht der Stadt Breslau, 1941, Goerlitz, T., Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau, hg. v. Petry, L., 1962; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999; Encyklopedia Wroclawia (Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000; Der rechte Weg, hg. v. Ebel, F., 2000; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N., 2002; Davies, N. u. a., Die Blume Europas, 2002; Eschenloer, P., Geschichte der Stadt Breslau, hg. v. Roth, G., 2003; Thum, G., Die fremde Stadt, 2003; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N. u. a., 2004

Breslauer Landrecht ist die durch König Johann von Böhmen veranlasste, in 351 Kapitel mit 13 Anhangskapiteln gegliederte, im Fürstentum Breslau und Teschen gebrauchte Bearbeitung des Landrechts des →Sachsenspiegels (1346/1356).

Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische Landrecht, 1828, Neudruck 1966; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG 59 (1934), 155; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30

Bretagne ist die schon früh von Kelten besiedelte westliche Halbinsel Westeuropas, die 56 v. Chr. von Caesar unter die Herrschaft der Römer gebracht wird. Vom 5. Jh. n. Chr. an wandern keltische Briten von Britannien aus ein, die unter die Herrschaft der Franken geraten. Um 845/846 wird die B. vom fränkischen Reich unabhängig, steht bald aber wieder unter französischer und seit 1113 englischer Lehnsherrschaft. Zwischen 1312 und 1325 wird die (franz.) Très ancienne coutume de B. (Sehr alte Gewohnheit der B.) aufgezeichnet. 1515 wird die B. Krondomäne Frankreichs.

Lit.: La très ancienne coutume de Bretagne, hg. v. Planiol, M., 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966; Fleuriot, L., Les origines de la Bretagne, 1980

Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die vom Westgotenkönig Alarich II. vor 507 geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen Rechts, die für die Romanen im westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter Bedeutung behält. → Lex Romana Visigothorum

Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 82; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

Brevium exempla (lat. [N.Pl.]) ist die moderne Bezeichnung eines frühmittelalterlichen Güterverzeichnisses (825-850) für königliche Güter in Staffelsee, Weißenburg und bei Lille.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960, 18

Briand-Kellogg-Pakt → Kellogg-Pakt

Brief (aus lat. breve, kurze [Mitteilung]) ist die (kurze) schriftliche, später durch einen Umschlag verschlossene Mitteilung.

Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts, hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002; Furger, C., Briefsteller, 2009

Briefadel ist der durch Urkunde erlangte Adelsstand und die Gesamtheit der durch Urkunde in den → Adel erhobenen Menschen. B. ist seit 1346 unter französischem Einfluss möglich (bis 1918).

Lit.: Köbler, DRG 98

Briefgeheimnis ist die Geheimheit der in einem Brief (Schriftstück) nieder­geschriebenen Gedanken eines Menschen. Bereits im römischen Recht (Lex Cornelia) ist das unbefugte Öffnen von Urkunden mit Strafe bedroht. Mittelalterliche Botenord­nungen und frühneuzeitliche Landesord­nungen (Tirol 1532) schützen Briefe. II 10 § 1370 ALR (1794) stellt das unerlaubte Er­öffnen von Briefen überhaupt unter Strafe. Der verfassungsrechtliche Schutz des Briefgeheimnisses ist eine Errungenschaft des 19. Jh.s (Kurhessen 1831 § 38).

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Geschichte der deutschen Post, hg. v. Sautter, K., Teil 1ff. 1928ff.; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Vellusig, R., Geschichte des Briefes, 2000

Bringschuld ist die am Wohnsitz des Gläubigers zu erbringende Schuld. Da Abgaben in der Regel beim Berechtigten abzuliefern sind, ist die B. schon im Frühmittelalter weit verbreitet. Ihre Bedeutung wächst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 28

Brinz, Alois Ritter von (Weiler im Allgäu 25. 2. 1820-München 13. 9. 1887), Sohn eines Landgerichtsaktuars, wird nach dem Studium von Sprachen und Recht in München und Berlin 1851 außerordentlicher Professor und 1854 ordentlicher Professor in Erlangen, Prag (1857), Tübingen (1866) und München (1871). Sein wichtigstes Werk ist ein Pandek­tenlehrbuch (1857ff.), in dem er die juristische Person als Zweckvermögen ver­steht.

Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von Brinz, 1975

Britannien → Brite

Brite ist der Angehörige eines keltischen, die britischen Inseln bewohnenden Volkes, das 409 n. Chr. von römischer Herrschaft frei wird, aber wenig später von der Bedrohung durch Angeln, Sachsen und Jüten in die → Bretagne bzw. nach Wales, Cornwall und Schottland zurück­weicht.

Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain, 2. A. 1974; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; A Companion to Roman Britain, hg. v. Todd, M., 2004; Birley, A., The Roman Government of Britain, 2005; Creighton, J., Britannia, 2006

Brite → England, Großbritannien, Kelte

Britische Zone ist die 1945 Großbritannien zugeteilte → Besatzungszone Deutschlands. Sie geht am 1. 1. 1947 in der → Bizone auf. Von 1948 bis 1950 kennt sie einen Obersten Gerichtshof.

Lit.: Trittel, G., Die Bodenreform in der britischen Zone 1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158

Brixen

Lit.: Fajkmajer, K., Studien zur Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes Brixen im Mittelalter, Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 6 (1909); Schwüppe, H., Das Bürger- und Inwohnerbuch der Stadt Brixen 1500-1709, Diss. phil. Innsbruck 1955 (masch.schr.); Kustatscher, E., Die Städte des Hochstifts Brixen im Spätmittelalter, 2007

Brocarda oder Brocardica (lat. [F.], Herkunft streitig, zu Burchard?, zu pro - contra?, zu mlat. broccus, Adj., hervorstehend, roman. Spieß?) ist im Hochmittelalter die in der Kompilation Justinians noch nicht enthaltene, gelehrte Rechtsregel, aus der man durch logisches Schließen Rechtsfolgen ableiten kann (Pilius, Damasus Boemus um 1215).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E., Brocardica, ZRG KA 69 (1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Brücke ist die auf Dauer angelegte Verbindung zweier Landgebiete über ein Gewässer durch ein überirdisches Bauwerk. Sie ersetzt die natürliche Furt und die nach Bedarf verkehrende Fähre. Bereits die Römer hatten eine hoch entwickelte Brückenbau­kunst.

Lit: Cooper, A., Bridges, Law and Power in Medieval England, 2006

Bruderschaft (F., ahd.) ist der dem Verhältnis von Brüdern nachgebildete Verband von Priestern oder Handwerkern

Lit.: Hinojosa, E. de., La fraternidad artificial en España, Revista de Archivos 1905; Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften 1906; Le mouvement confraternel, 1987; Einungen und Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Johanek, P., 1993; Rosenplenter, K., Saeculum pium, 2003; Mittelalterliche Bruderschaften in europäischen Städten, hg. v. Escher-Apsner, M., 2009

Brügge in Flandern wird trotz römischer Vorläufersiedlung erst im 11. Jh. als Sitz flämischer Grafen bedeutsam. 1127 erhält es Stadtrechte. Im Hochmittelalter wird es durch Handel reich. Trotz wirtschaftlichen Nieder­gangs wird es 1559 Bischofssitz.

Lit.: Van Houtte, J., De geschiedenis van Brugge, 1982; Murray, J., Bruges, Cradle of Capitalism, 2005

Brünn in Südmähren ist der seit 800 erscheinende, im Hochmittelalter von Deutschen aufgesiedelte Ort, der 1243 das Stadtrecht von → Iglau erhält. Brünner Schöffenbuch ist ein von einem Stadtschreiber Johann(es) (1343-1387) in Brünn verfasstes, sachlich-alphabetisch von (lat. [F.Pl.]) actiones (Klagansprüche) bis vulnera (Wunden) geordnetes → Rechtsbuch in 730 Artikeln, das (etwa mit der Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das einheimische deutsche Recht einzelne römisch-rechtliche Zutaten einfügt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bretholz, B., Geschichte der Stadt Brünn, 1911, Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1 (1937), 457; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Flódr, M., Právni kniha města Brna z poloviny 14. století 1 (Das Rechtsbuch der Stadt Brünn aus der Mitte des 14. Jahrhunderts 1), 1990ff.; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg. v. Hertl, H. u. a., 1998; Lexikon bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige, C. u. a., 2000; Pfeifer, C., Jus regale Montanorum, 2002; Sulitková, L., Vyvoj mestskych knih v Brne, 2004

Brunnemann, Johann (Cölln bei Berlin 7. 4. 1608-Frankfurt an der Oder 15. 12. 1672), Pfarrerssohn wird nach dem Studium der Theologie in Wittenberg (1627) und in Frankfurt an der Oder (1632) dort 1636 ordentlicher Professor der Logik. 1638 promoviert er zum Dr. iur. utr. und wird 1640 Professor der Institutionen, dann der Pandekten, des Codex und der Dekretalen und 1653 Ordinarius. Bedeutsam ist sein Pan­dek­tenkommentar (1670). Kennzeichnend ist sein Übergang von der exegetischen zur synthe­tisch-praktischen Stoffdarstellung. Nach­hal­tige Wirkung erzielt er mit seinem (lat.) Tractatus (M.) iuridicus de inquisitionis processu (Rechtlicher Traktat über den Inquisitionsprozess) von 1648.

Lit.: Hornung-Grove, M., Beweisregeln im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Göttingen 1974

Brunnen ist die meist eingefasste Stelle zur Entnahme (möglichst reinen) Wassers. An Brunnen können unterschiedliche Rechte bestehen. Seit dem 19. Jh. sind die einzelnen B. allmählich weitgehend durch öffentlich verwaltete Wasserleitungen ersetzt.

Lit.: Spindler, H., Der Brunnen im Recht, Diss. jur. Heidelberg 1938

Brunner, Heinrich (Wels 21. 6. 1840-Bad Kissingen 11. 8. 1915) wird nach dem Rechts­studium in Wien (1864 Institutsprüfungsarbeit über das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger, 1865 Habilitation über Zeugen und Inquisitionsbeweis der karolingischen Zeit) Professor in Lemberg (ao. 1866, o.1868), Prag (1870), Straßburg (1872) und Berlin (1873, Nachfolge Homeyer). Unter genauer Quellenkenntnis durchdringt er den geschichtlichen Stoff juristisch und legt nach zahlreichen Einzelarbeiten (z. B. über Schwurgericht, Urkunde, Landschenkung) 1887 den ersten Band seiner die germanische und fränkische Zeit umfassenden deutschen Rechtsgeschichte vor.

Lit.: Köbler, DRG 221; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechtes, 1894; Festschrift Heinrich Brunner, 1910; Brunner, H., Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 8. A. 1930; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., 1931; Stutz, U., Heinrich Brunner, ZRG GA 36 (1915), IX

Brunner, Otto (Mödling/Niederösterreich 21. 4. 1898-Hamburg 12. 6. 1982) wird nach dem Studium der Geographie und Geschichte in Wien 1931 Professor und nach Erscheinen seines die Bedeutung des geltenden Staatsrechts für das Mittelalter zurück­drängenden, auf Quellenbegriffe setzenden Werkes Land und Herrschaft (1939, 5. A. 1965) von 1942 bis 1945 Leiter des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. 1954 wechselt er nach Hamburg. Gemeinsam mit W. Conze und R. Koselleck veröffentlicht er seit 1972 Geschichtliche Grundbegriffe.

Lit.: Algazi, G., Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter, 1996; Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Schulze, W. u. a., 1999 ; Alteuropa oder frühe Moderne?, hg. v. Schorn-Schüttte, L., 1999

Brüssel an der Zenne erscheint am Ende des 7. Jh.s. Es entwickelt sich zum Vorort der burgundischen Niederlande. 1830 wird es Hauptstadt des neuen Königreichs → Belgien. 1834 erhält es eine Universität. Innerhalb der europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union ist die mehrheitlich frankophone Stadt Sitz der Europäischen Kommission.

Lit.: Favresse, F., Le conseil de Bruxelles 1282-1521, Revue Belge de Philologie 9 (1930), 139; Godding, P., Le droit foncier á Bruxelles, 1960; Histoire de Bruxelles, hg. v. Martens, M., 2. A. 1979; Majerus, B., Occupations et logiques policières, 2008

buccellarius (lat. [M.]) „Bissennehmer“, freier [grundsätzlich erblicher] Anhänger eines Herrn (Codex Euricianus [um 475?] 310, Lex Visigothorum [7. Jh.?] V, 3. 1)

Lit.: Claude, D., Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, 1971; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001

Buch ist das zu einem Band zusammengefasste Schriftstück. Sein Inhalt kann alle Lebensbereiche erfassen. Rechtlich bedeutsam sind etwa Achtbuch, Gesetzbuch, Grundbuch, Lehrbuch, Rechtsbuch oder Stadtbuch. Bereits in der Antike entstehen Buchsammlungen oder Bibliotheken mit bis zu einer halben Million katalogisierter Schriftrollen (Alexandria um 300 v. Chr., um 350 n. Chr. vielleicht 30 öffentliche Bibliotheken in Rom). Mit dem Übergang (von der vielfach in ausgeliehenen Lagen oder [lat.] peciis) abgeschriebenen Handschrift zur Drucktechnik mit beweglichen Lettern (Johannes Gensfleisch genannt Gutenberg [Mainz um 1400-Mainz 3. Februar 1468] in Mainz zwischen 1440 und 1454, 1448?, Beginn mit Kalenderblättern und Sibyllen­weissagungen, ab 1451 42zeilige Bibel mit 48 erhaltenen von ursprünglich 180 mit Hilfe 20er Mitarbeiter gedruckten Exemplaren zu je 1282 Seiten in Mons, Kopenhagen, Aschaffenburg, Berlin, Frankfurt am Main, Fulda, Göttingen, Kassel, Leipzig, Mainz, Mainz, München, Rendsburg, Schweinfurt, Stuttgart, Trier, Paris, Paris, Paris, Saint Omer, Cambridge, Edinburgh, Eton, London, London, London, Manchester, Oxford, Vatikan, Vatikan, Tokio, Wien, Pelplin/Polen, Lissabon, Moskau, Moskau, Cologny/­Schweiz, Burgos, Sevilla, Austin/­Texas, Cambridge/Massachusetts, New Haven/Con­necticut, New York, New York, New York, New York, Princeton, San Mari­no/Kalifornien, Washinghton D. C.) wird es (nach Erstdrucken der Clementinae Mainz 1460, des Liber Sextus Mainz 1465, der Institutiones Mainz 1468, des Liber Extra Straßburg 1468/1471, des Decretum Straß­burg 1471, des Sachsenspiegels Landrecht Basel 1474, des Codex Mainz 1475, des Digestum vetus Rom 1476 und des Infortiatum, Digestum novum 1476) zur Massenware (um 1500 im deutschen Reich 62 Druckorte, 27000-30000 Titel in Europa, darunter viele Nachdrucke und Neuauflagen), wobei seit 1473 Bücherverzeich­nisse ge­schaffen werden (Vocabularius juris utriusque [1473], Bertachinus, J., Repertori­um, 1481), seit etwa 1500 Auflagen sich im Inhalt unterscheiden (sog. Inkunabeln, Wiegen­drucke) und im 16. Jahrhundert (um 1525 Schwerpunktverlagerung nach Lyon, Paris, 1550 Basel, 1570 Frankfurt am Main, Venedig) bereits 70 bis 90 Millionen einzelne Bücher (d. h. fast eine Million einzelne Bücher im Jahr) im deutschen Sprachraum (durch [im 16. und 17. Jahrhundert] mehr als 2662 Buchdrucker in 381 Druckorten, seit 1530 Titelblatt mit Drucker und Druckort durch den Augsburger Reichstag vorgeschrieben, seit 1548 Angabe des Verfassers) hergestellt werden. Zur Sicherung gegen (billigere) Nachdrucke erstreben die Drucker Privilegien von Landesherren mit strafbewehrten Verboten gegen den uner­laubten Nachdruck. Der große Erfolg des Buches verstärkt seit der Reformation (1517) Martin Luthers (1521) die im 13. Jh. beginnende Zensur (Vorzensur, im Heiligen römischen Reich durch einen Bücherkom­missar, in Frankfurt am Main 1579, ab etwa 1700 in Leipzig). 1871 werden im Deutschen Reich etwa 10750 Bücher und Karten verlegt. Die Zahl allein der rechtswissenschaftlichen Monographien steigt zwischen 1952 und 2002 von 667 auf 3634 pro Jahr.

Lit.: Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Bieber, H., Die Befugnisse und Konzessionierungen der Münchner Druckereien und Buchhandlungen, Diss. jur. München 1956; Fischel, L., Bilderfolgen im frühen Buchdruck, 1963; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Holthöfer, E., Funktionsweisen gemeinrechtlicher Kommunika­tion, 1972; Presser, H., Buch und Druck, 1978; Eisenstein, E., The Printing Press as an Agent of Change, Bd. 1f. 1979; Lexikon des gesamten Buchwesens, hg. v. Corsten, S., 2. A. 1987; Hoffmann, H., Buchkunst und Königtum, 1986; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Giesecke, M., Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, 1991; Rationalisierung der Buchherstellung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, 1994; Janzin, M./Güntner, J., Das Buch vom Buch, 1995; Laienlektüre und Buchmarkt im späten Mittelalter, hg. v. Kock, T. u. a., 1997; Neddermeyer, U., Von der Handschrift zum gedruckten Buch, 1998; Geschichte der Buchkultur, Bd. 1ff., hg. v. Mazal, O. u. a., 1999; Füssel, S., Gutenberg und seine Wirkung, 1999; Zimmer, D., Die Bibliothek der Zukunft, 2000; Osler, D., Catalogue of Books printed, 2000; Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Jäger, G. u. a., 2001ff.; Haegen, P. van der, Der frühe Basler Buchdruck, 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Casson, L., Bibliotheken in der Antike, 2002; Antike Bibliotheken, hg. v. Hoepfner, W., 2002; Hiller, H./Füssel, S., Wörterbuch des Buches, 6. A. 2002, 7. A. 2007; Juristische Buchproduktion im Mittelalter, hg. v. Colli, V., 2002; Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich, Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa, 1992ff., CD-ROM-Edition 2003; Agati, M., Il libro manoscritto, 2003; Darnton, R., Die Wissenschaft des Raubdrucks, 2003; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Wadle, E., Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz, ZRG GA 122 (2005) 301; Reclams Sachlexikon des Buches, hg. v. Rautenberg, U., 2. A. 2003; Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006; Verbergen – Überschreiben – Zerreißen, hg. v. Körte, M. u. a., 2007; Reske, C., Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2007; Koppitz, H., Die kaiserlichen Druckprivilegien, 2007; Röhring, H. Wie ein Buch entsteht, 8. A. 2008; Empell, H., Gutenberg vor Gericht, 2008

Buch, Johann von (um 1290 -nach 1356), aus einer seit 1194 als Herren von Buch (bei Tangermünde) bezeugten altmärkischen ritterlichen Familie, ist nach dem Studium in Bologna (1305) Ratgeber und Richter des Markgrafen von Brandenburg (1332 Haupt­mann der Mark, 1336 [lat.] capitaneus [M.] generalis, Generalhauptmann, zwischen 1321 und 1356 in zahlreichen Urkunden belegt). Er teilt das Landrecht des →Sachsenspiegels in drei Teile, versieht es mit einer die Übereinstimmung mit dem römischen und kirchlichen Recht darlegenden Glossierung (buchsche Glosse, Konkordanzliteratur) und verfasst um 1335 den → Richtsteig Landrechts.

Lit.: Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, SB. d. Akad. Wien 114 (1887), 309; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 29; Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110

Buchda, Gerhard ([Stadt]Roda/Thüringen 22. 10. 1901-Stadtroda/Thüringen 20. 12. 1977), Verwaltungsamtmannssohn, wird nach kauf­männischer Lehre und Studium der Rechts­wissenschaft in Jena (1923-1926) 1930 promoviert (Das Privatrecht Immanuel Kants) und 1934 habilitiert (Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandslehre, betreut von Rudolf Hübner). 1937 wird er zum außer­ordentlichen Professor an die Universität Halle-Wittenberg berufen und 1939 zum ordentlichen Professor ernannt, 1945 entlas­sen. 1949 wird er nach Jena berufen, wo er 1967 emeritiert wird.

Lit.: Lieberwirth, R., Nachruf ZRG GA 95 (1978), 492; Gedächtnisschrift für Gerhard Buchda, hg. v. Krahner, L. u. a., 1997

Bücherkommissar ist der mit der Bücherzensur beauftragte Amtsträger (Universität Köln 1479), dem päpstliche Beauftragte seit dem 13. Jh. (Paris 1323) vorausgehen. 1579 wird für das Reich ein ständiges Bücherkommissariat (Reichsfiskal­prokurator am Reichskammergericht) in Frankfurt am Main eingerichtet (um 1725 dem Reichshofrat angegliedert), das ohne geringe tatsächliche Bedeutung bis 1792 wirkt.

Lit.: Widmann, F., Geschichte des Buchhandels, 1952; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970

Buchführung Buchhaltung

Buchhaltung ist die Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen eines Unternehmers in Büchern zur Erlangung von Übersicht. Älteste Versuche in dieser Richtung finden sich bereits im 3. vorchristlichen Jahrtausend im vorderen Orient. Im Mittelalter erscheinen die ersten Anfänge unter byzantinisch-arabischem Einfluss in Venedig im 10. Jh. (Genua 1157, Bologna, Lübeck 13. Jh., Regensburg 14. Jh.). Das älteste erhaltene Kaufmannsbuch Oberdeutschlands ist das Schuldbuch der Familie Holzschuher (Nürnberg 1304). Im 14. Jh. entwickelt sich die doppelte Buchführung mit doppelter Eintragung unter Soll und Haben (Genua 1327). Lehrwerke der B. erscheinen seit 1494 (Pacioli, Luca in Venedig). In Frankreich schreiben Ordonnance du commerce (1673) und Code de commerce (1807) Art und Weise der B. vor. Im 19. Jh. führt die Industrialisierung zur technischen Verfeinerung und greift der Staat ordnend ein. Hinter dem privaten Kaufmann bleibt dabei die öffentliche Verwaltung (kameralistische B., Österreich 18. Jh.) je­weils deutlich zurück. Auf Grund Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften wird in Deutschland mit dem Bilanz­richtliniengesetz ein eigenes Buch des Han­delsgesetzbuches für das Buchführungsrecht und Bilanzrecht geschaffen. Daneben finden internationale Grundsätze vielfache Anerkennung (Gene­rally accepted accounting principles, Inter­national Accounting Standards, International Financial Reporting Standards).

Lit.: Jäger, E., Beiträge zur Geschichte der Doppelbuchführung, 1874; Penndorf, B., Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, 1913; Sykora, G., System und Methoden der Buchführung, 1952; Melis, F., Aspetti della vita economica medievale, 1962; Thomson, H. u. a., Foreign Books in Bookkeeping and Accounts, 1968; Edwards, J., A History of Financial Accounting, 1989; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003

Bückler, Johannes Schinderhannes

Budaeus → Budé

Budapest an der Donau entsteht 1872 durch Zusammenlegung der auf antiken Grundlagen ruhenden, 1148 erstmals erwähnten Städte Buda (Ofen) und Pest (kurz nach 1230 deutsche Gründung), die 1526 bzw. 1541 von den Osmanen erobert werden (bis 1686). 1635 wird eine Universität eingerichtet. 1872 wird B. Hauptstadt der transleithanischen Reichs­hälfte Österreich-Ungarns, 1918 Hauptstadt Ungarns.

Lit.: Das Ofner Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959; Mesterházi, L., Tausendjähriges Budapest, 1970; Blazovich, L. u. a., Buda város jogkönyve, 2001; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Budé (Budaeus), Guillaume (Paris 26. 1. 1468-23. 8. 1540) tritt nach dem Rechts­studium in Orléans (1483-86) in die Dienste des Königs von Frankreich. Nach einer Plutarch­übersetzung aus dem Spanischen (1503) legt er 1508 (lat.) Annotationes (F.Pl.) in pandectas (Anmerkungen zu den Pandekten) vor, in denen er die Pandekten philologisch-historisch unter­sucht und das erste Beispiel des (lat.) → mos (M.) Gallicus (gallische Art) gibt. Die Anwendbarkeit der in sich uneinheitlichen Rechtssammlung auf seine Gegenwart verneint er.

Lit.: Köbler, DRG 143; Delaruelle, L., Guillaume Budé, 1970

Budgetrecht ist das Recht, Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt durch Gesetz festzulegen. Es geht im 19. Jh. vom Landesherrn an das → Parlament über (Preußen 1850).

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Büdingen

Lit.: Philippi, H., Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen, 1954

Bugenhagen, Johannes (Wollin/Pommern 24. 6. 1485-Wittenberg 19. 4. 1558) wird nach artistischem Studium in Greifswald 1504 Rektor der Ratsschule in Treptow an der Rega, wird zum Priester geweiht und amtet als Notar. 1517/1518 verfasst er die erste auf Quellen gestützte Geschichte Pommerns. 1521 schließt er sich der Reformation Martin Luthers in Wittenberg an und verfasst von Brauschweig (1528) aus Kirchenordnungen für Hamburg (1528/1529), Lübeck (1530/­1532), Pommern (1534/1535), Dänemark (1537/1539), Holstein, Braunschweig-Wol­fen­­büttel und Hildesheim (1542).

Lit.: Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen, 1911ff.; Johannes Bugen­hagen, hg. v. Leder, H., 1984; Leder, H., Johannes Bugenhagen, 2002; Lorentzen, T., Johannes Bugenhagen als Reformator der öffentlichen Fürsorge, 2008; Leder, H., Johannes Bugenhagen Pomeranus, hg. v. Gummelt, V., 2002

Bukarest erscheint auf antiken Siedlungs­spuren im 13. Jh. als Marktflecken. 1862 wird es Hauptstadt Rumäniens. 1864 erhält B. eine Universität.

Bukowina (Buchenland) am Osthang der Karpaten ist im Alterum von Dakern und Bastarnen, seit dem 7. Jh. von Slawen besiedelt. Über das Reich von Kiew, und das Fürstentum Halitsch-Wolhynien kommt das Gebiet seit dem 14. Jh. zum Fürstentum Moldau, das ab 1512 unter den Einfluss des osmanischen Reiches gerät. 1775 gelangt die B. nach Besetzung (1774) durch Vertrag an → Österreich (Teil Galiziens), wo sie 1849 eigenes Kronland wird. 1919 fällt B. an → Rumänien, 1940 im Norden an die Sowjetunion, nach deren Auflösung 1991 an die Ukraine.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Scharr, K., Die Bukowina, 2007

Bulgarien südlich der unteren Donau ist anfangs von Thrakern besiedelt, die im 5. Jh. v. Chr. unter die Herrschaft der Makedonier, im 2. Jh. v. Chr. der Römer kommen. Im 7. Jh. entsteht aus Slawen, Thrakern, Awaren und Turkvölkern das Volk der Bulgaren, das 681 und 1185 zu einem eigenen Reich findet. 1393/1396 fällt B. an die Osmanen (Türken). 1877/1878 löst sich B. teilweise, 1908 als eigenes Zarenreich vollständig von der türkischen Herrschaft. 1892 wird eine juristische Fakultät in Sofia gegründet. 1945 wird B. kommunistisch. Sein Recht ist entsprechend dieser Entwicklung römisch, slawisch, osmanisch, westlich (französisch, deutsch, aber auch russisch), sozialistisch (1951 Außerkraftsetzung aller vor 1944 verabschiedeten Gesetze) und nach 1990 demokratisch geprägt. 2007 wird B. Mitglied der Europäischen Union.

Lit.: Angelov, D. u. a., Istorija na bulgarskata feodalna darzhava i pravo, 1972; Stefanov, I. u. a., Bulgarien, 1975; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,243; Revolution auf Raten – Bulgariens Weg zur Demokratie, hg. v. Höpken, W., 1996; Knaus, G., Bulgarien, 1997; Crampton, R., A Concise History of Bulgaria, 1997; Härtel, H. u. a., Bulgarien, 1998; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998; Manolova, M., Istorija na darzhvata i pravoto, 2001; Tokuschev, D., Istorija na novobulgarskata darzhava i pravo, 2001; Öffentlichkeit ohne Tradition, hg. v. Heppner, H., 2003; Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht, 2006; Köbler, G., Rechtsbulgarisch, 2006; Brunnbauer, U., Die sozialistische Lebensweise, 2007

Bulgarus (Bologna? vor 1100?-1. 1. 1166?) ist ein Glossen zu allen Teilen der justinianischen Kompilation, einen Apparat zu De regulis iuris, einen Tractatus de iudiciis, Quaestiones, Summulae, Distink­tionen, Casus Codicis und anderes verfassender Glossator.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 162

Bulle ist die ein Siegel umschließende Kapsel, das (vorwiegend päpstliche) Siegel (meist aus Gold oder Blei) sowie die mit ihm versehene Urkunde (zwischen [lat. F.Pl.] litterae und [N.] privilegium bzw. einfachem Brief und feierlichem Privileg). Aus Byzanz kommt die Bleibulle im 6. Jh. in die päpstliche Kanzlei und von dort am Ende des 8. Jh.s an den fränkischen Hof (1226 Goldene Bulle von Rimini, 1356 → Goldene Bulle Karls IV.). In der B. Unam sanctam begründet Papst Bonifaz VIIII. einen Anspruch des Papstes auf Universalherrschaft auch in weltlichen Angelegenheiten (Es ist zum Heile für jedes menschliche Wesen durchaus unerlässlich, dem römischen Papst unterworfen zu sein).

Lit.: Eitel, A., Über Blei- und Goldbullen im Mittelalter, 1912; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970; Frenz, T., Papsturkunden, 2. A. 2000; Stieldorf, A., Basiswissen Siegelkunde, 2004

Bund ist die (gewollte) Verbindung von Menschen zu einer übergeordneten Einheit. Politisch bedeutsam ist beispielsweise der → Deutsche B. Im Bundesstaat kann auch der Gesamtstaat als B. bezeichnet werden.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 582

Bundesakte → Deutsche Bundesakte

Bundesarbeitsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in arbeits­rechtlichen Streitigkeiten mit Sitz in Kassel bzw. Erfurt (1996).

Lit.: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Gamillscheg, F. u. a., 1975; Grunsky, W., Arbeitsgerichtsgesetz, 6. A. 1990; 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Oetker, H. u. a., 2004

Bundesexekution ist im Deutschen Bund die Ausführung der Bundesakte, der Bundes­beschlüsse und gerichtlicher und gerichts­ähnlicher Entscheidungen durch den Deutschen Bund gegenüber einem Bundes­glied (z. B. 1830 gegen Braunschweig, 1834 gegen Frankfurt, 1864 gegen Dänemark sowie formlos 1866 gegen Preußen).

Bundesfinanzhof ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Finanz­streitigkeiten mit Sitz in München. Der B. ist Nachfolger des zum 1. 10. 1918 eingerichteten Reichsfinanzhofes.

Lit.: Offerhaus, K., Der Bundesfinanzhof, 3. A. 1993

Bundesgerichtshof ist seit 1. 10. 1950 als Nachfolger des Reichsgerichts das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbar­keit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz (nicht wie von der Regierung Konrad Adenauer gewünscht in Köln, sondern) in Karlsruhe (Präsidenten 1950 Hermann Weinkauff, [zwischen 1954 und 1964 mehr als 70 Prozent aus der Zeit vor 1945 übernommene Richter und Staatsanwälte,] 1960 Bruno Heusinger, 1968 Robert Fischer, 1977 Gerd Pfeiffer, 1988 Walter Odersky 1996 Karlmann Geiß, 2000 Günther Hirsch. 2008 Klaus Tolksdorf). Wichtige Ent­scheidungen betreffen die Strafbarkeit der Kuppelei, die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die Anerkennung der finalen Handlungslehre, die Anerkennung des Anwartschaftsrechts und des Sicherungsei­gentums, die Anerkennung der Produ­zentenhaftung).

Lit.: Möhring, P., 25 Jahre Bundesgerichtshof, NJW 1975, 1820; 25 Jahre Bundesgerichtshof, hg. v. Krüger-Nieland, G., 1975; Otto, J., Bibliothek des Bundes­gerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände); Pieper, K., Palais im Park, 1999; Medicus, D., Entscheidungen des BGH als Marksteine für die Entwicklung des allgemeinen Zivilrechts, NJW 2000, 2921; Die Praxis des Bundesgerichtshofes im deutschen Rechtsleben, hg. v. Canaris, C. u. a., Bd. 1ff. 2000; Schubert, W./Glöckner, H., Vom Reichsgericht zum Bundesgerichtshof, NJW 2000, 2971; Fortitudo temperantia - Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Geiß, K., Fünfzig Jahre Bundesgerichtshof, 2001

Bundesgerichtshof (in Österreich) ist das ab 15. 7. 1934 den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof ersetzende Ge­richt, das 1938 durch den Anschluss seine verfassungsgerichtliche Zuständigkeit verliert, durch Verordnung vom 11. 1. 1940 in Ver­waltungsgerichtshof in Wien umbenannt wird und 1941 im Reichsverwaltungsgericht (bis 1945) auf­geht.

Bundesgesetzblatt ist das Gesetzblatt für Bundesgesetze (z. B. in Deutschland oder in Österreich).

Bundesintervention ist im Deutschen Bund (1815-1866) die Möglichkeit des Eingreifens des Bundes in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaats zur Wahrung der inneren Sicherheit auf Ersuchen oder bei Handlungs­unfähigkeit der Regierung.

Bundeskanzler ist der politische Führer der Regierung in Deutschland (1949, Richtlinienkompetenz) und Österreich (1920, seit 1929 durch Bundespräsidenten ernannt) sowie die Amtsbezeichnung Otto von Bismarcks im Nordeutschen Bund (von 1867 bis 1870/1871).

Lit.: Die Bundeskanzler und ihre Ämter, hg. v. d. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland u. a., 2006

Bundeskartellamt ist das 1957 in Deutschland gegründete Bundesamt für Kartellangelegenheiten.

Lit.: 50 Jahre Bundeskartellamt, 2007

Bundesoberhandelsgericht ist das für Handelssachen durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 12. 6. 1869 gegründete und in Leipzig eingerichtete, nationalliberal besetzte Gericht (Präsident Heinrich Eduard Pape 1816-1888). 1871 wird es zum auch die süddeutschen Staaten erfassenden Reichsoberhandelsgericht, das 1879 im → Reichsgericht aufgeht.

Lit.: Köbler, DRG 195; Behrend, J., Das Bundesoberhandelsgericht, Z. f. Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 3, 200; Müller, K., Der Hüter des Rechts, 1997; Weiss, A., Die Entscheidungen des Reichsoberhnadelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das Bundesoberhandelsgericht und das spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001; Henne, T., Rechtsharmonisierung durch das „Reichsgericht“ in den 1870er Jahren, 2005

Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt in Deutschland (1949, Wahl durch besondere Bundesversammlung) und Österreich (1920, Wahl durch den Nationalrat, seit 1929 Wahl durch das Volk).

Bundesrat ist (von 1867 bis 1870/1871 im → Norddeutschen Bund [eigentlich eher ein Fürstenhaus] und) im Deutschen Reich von 1871 das die Mitwirkung der Einzelstaaten am Bundes­geschehen ermöglichende Organ, das als Träger der obersten Gewalt den Gesamtstaat als Einheit repräsentiert (Staatenhaus der gescheiterten Reichsver­fassung von 1848/1849). Von seinen 58 Stimmen entfallen 17 auf Preußen (Möglichkeit der Verhinderung jeder Ver­fassungsänderung), 24 auf 7 mittlere Staaten und je eine auf die übrigen 17 Länder. Mit dem → Reichstag erlässt der B. Gesetze. Im Februar 1919 wird dieser B. durch den Staatenausschuss und vom August 1919 an durch den Reichsrat ersetzt, der 1934 aufgelöst wird. Auch die Bundesrepublik Deutschland kennt einen B. als (weisungsgebundene) Vertretung der (11 bzw. 1990) 16 Länder, ebenso Österreich (Art. 24 Bundes-Verfassungsgesetz, mindestens drei Mitglieder für jedes Bundesland, Abstim­mung regelmäßig nach Parteizugehörigkeit, bei Berührung von Länderinteressen absolutes Vetrorecht gegenüber Beschlüssen des Natio­nalrats).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 174, 195, 220, 248, 257; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Maunz, T., Der Bundesrat in Vergangenheit und Gegenwart, Hist. Jb. 74 (1955), 446; Ziller, G. u. a., Der Bundesrat, 10. A. 1998; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974; Scholl, Udo, Der Bundesrat in der deutschen Verfassungsentwicklung, 1982; Vierzig Jahre Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1989; Klein, E., Die Rolle des Bundesrates und der Länder, 1998

Bundesrecht ist das vom Bund der Bundesrepublik Deutschland geschaffene bzw. übernommene Recht, im weiteren Sinn das Recht jeden Bundes.

Lit.: Zachariä, H., Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 1f. 3. A. 1867; Bluntschli, J., Geschichte des schweizerischen Bundesrechts, 1875

Bundesregierung ist die Regierung eines Bundesstaates.

Lit.: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg. v. Booms, H., 1953ff.; Die Mitglieder der Bundesregierungen, hg. v. Kempf, U. u. a., 2000; Kanzler und Minister 1949-1998, hg. v. Kempf, U., 2001

Bundesrepublik ist die föderalistische Republik (z. B. Österreich, Deutschland).

Bundesrepublik Deutschland ist der nach der Niederlage der Achsenmächte Deutsches Reich, Italien und Japan gegen die Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjet­union, Großbritannien und Frankreich) im zweiten Weltkrieg (8. Mai 1945 Kapitulation des deutschen Reiches), nach der Verselb­ständigung des sich 1938 an das Deutsche Reich anschließenden Österreich und nach der Einteilung des Deutschen Reichs in vier Besatzungszonen aus den Besatzungszonen der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs über die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens (1946 bzw. 1. 1. 1947) und die Trizone (einschließlich der Besatzungszone Frank­reichs 8. 4. 1948) auf Grund einer Londoner Konferenz 1949 gebildete deutsche Bundesstaat mit (1948) den Ländern Baden (bis 1951/1952), Württemberg (bis 1951/1952, dann Baden-Württemberg), Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Nie­dersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und (West-Berlin sowie ab 1. 1. 1957) Saarland und (ab 1990) (Berlin,) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sach­sen-Anhalt sowie Thüringen. Seine Ver­fassung ist das auf Aufforderung der westlichen Besatzungs­mächte (über die Ministerpräsidenten der westlichen Länder) von einem Verfassungs­konvent in Herren­chiem­see (1948) und einem parla­men­tarischen Rat (ab 1. 9. 1948) erar­beitete, am 23. 5. 1949 verkündete Grundgesetz., dem gegenüber ein Besatzungs­statut wichtige Bereiche den Besatzungs­mächten vorbehält (eingeschränkt durch Deutschlandvertrag von 1955, beendet 1990). Auf Grund des Gewichts des Ver­hältniswahlrechts im ge­mischeten Wahl­rechtssystem stehen sich Bundesregierung und Koaltionsparteien einer­seits und Oppo­sitionsparteien ande­rerseits gegenüber. Jedes Gesetz kann vom Bun­desverfassungsgericht auf seine Verfas­sungs­mäßigkeit überprüft werden. Seit 1951 verbindet sich die B. mit Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg sowie später weiteren europäischen Staaten zu europäischen Ge­mein­schaften (für Kohle und Stahl, 1957 für Atom­wesen und Wirtschaft), zur Europäischen Gemeinschaft bzw. zur Euro­päischen Union. Nach dem Grundl­agenvertrag vom 21. 12. 1972 treten B. D. und Deutsche Demokratische Republik 1973 den Vereinten Nationen bei. Am 3. 10 1990 tritt die.Deutsche Demo­kratische Republik auf Grund des Einigungsvertrags vom 31. 8. 1990 der B. bei. Innerhalb der B. wird das Recht vielfach verändert.

Lit.: Schwarz, H., Vom Reich zur Bundesrepublik, 1966; Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1ff. 1976ff.; Bewegt von der Hoffnung aller Deutschen, hg. v. Benz, W., 1979; Roßnagel, A., Die Änderungen des Grundgesetzes, 1981; Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Bracher, K., Bd. 1ff. 1982ff.; Benz, W., Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, 1984; Morsey, R., Die Bundesrepublik Deutschland, 4. A. 2000; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik im freiheit­lichen Rechtsstaat, 1989; 40 Jahre Bundesrepublik, hg. v. Nörr, K, 1990; Thränhardt, D., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1996; Kröger, K., Einführung in die Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1993; Geschichte der deutschen Einheit, Bd. 1ff. 1997ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schäfer, J., Deutsche Geschichte (CD-ROM), 1998; ZEIT-Geschichte der Bonner Republik, hg. v. Dönhoff, M. u. a., 1999; Görtemaker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1999; Nörr, K., Die Republik der Wirtschaft, Teil 1 1999, Teil 2 2007; Fünfzig Jahre Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Conze, E. u. a., 1999; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 1999; Baring, A., Es lebe die Republik, 1999; Dippel, H., Die Konstitutionalisierung des Bundesstaats, (in) Der Staat, 1999, 221; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999; Rupp, K., Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 3. A. 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Recker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2002; Utz, F., Preuße, Protestant, Pragmatiker - Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, 2003; Rödder, A., Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990, 2004; Die Bundesrepublik Deutschland. Staatshandbuch, 2003; Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Lappenküper, U., Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1990, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte, 2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009

Bundessozialgericht ist das oberste Gericht der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Kassel.

Bundessozialhilfegesetz s. Sozialhilfe

Bundesstaat ist der Zusammenschluss von Staaten zu einem neuen Staat (z. B. [Vorformen Städtebünde, Heiliges römisches Reich, holländische Generalstaaten, theo­retische Begründung durch Althusius [1563-1638], Leibniz [1646-1717], Vereinigte Staaten von Amerika 1787, Norddeutscher Bund 1867, Deutsches Reich 1871, Schweiz 1848, Österreich 1920, Russland). Die staatlichen Aufgaben, Rechte und Pflichten sind jeweils zwischen Gesamtstaat (Oberstaat) und Gliedstaaten (z. B. Bun­desland, Kanton, Land) aufgeteilt. Nach dem Subsidiaritäts­prinzip hat die kleinere Einheit grundsätzlich den Vorrang vor der größern Einheit. Die Gliedstaaten sind zwar Staaten, haben aber nur in den von der Verfassung eingeräumten Ausnahmefällen Souveränität. Gegen­satz des Bundesstaates ist der Ein­heitsstaat (z. B. Frankreich, Ungarn, Österreich 1862-1918, Deutsches Reich 1933-1945), doch nähern sich beide in der Wirklichkeit einander an (z. B. Österreich stärker zentralisiert).

Lit.: Grzeszick, B., Vom Reich zur Bundesstaatsidee, 1996; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2002; Baier, C., Bundesstat und eu­ropä­ische Integration, 2006

Bundestag ist allgemein die Versammlung der Mitglieder eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-1866 in Frankfurt am Main), insbesondere das Parlament der Bundesrepublik Deutsch­land (1949ff.), aber auch Österreichs zwischen 1934 und 1938.

Lit.: Schäfer, W., Der Bundestag, 4. A. 1982; Vierzig Jahre Deutscher Bundestag, hg. v. Neske, G., 1989; Ismayr, W., Der deutsche Bundestag, 1992; Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998; Der Deutsche Bundestag 1949-1999, hg. v. Deutschen Bundestag, 1999; Schindler, P., Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949–1999, 1999; Reker, S., der Deutsche Bundestag, 1999; M. d. B. Volksvertretung im Wiederaufbau 1946-1961, hg. v. Schumacher, M., 2000; Biographisches Handbuch der Mitglieder des deutschen Bundestages 1949-2002, hg. v. Vierhaus, R. u. a., 2002f.; Becker, M., Max von Seydel und die Bundesstaatstheorie des Kaiserreichs, 2009

Bundesverfassungsgericht ist das am 7. 9. 1951 mit Sitz in Karlsruhe errichtete Verfassungsgericht (des Bundes) der Bundesrepublik Deutschland (bis 2001 132000 Verfahren, davon 127000 Verfassungsbeschwerden).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257, 261; Schlaich, K./Korioth, S., Das Bundes­verfassungsgericht, 6. A. 2004, 7. A. 2007; Haltern, U., Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Misstrauen, 1998; Das Bundes­verfassungsgericht, hg. v. Limbach, J., 2000; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht, 2001; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht und der Grundrechtsschutz in Europa, NJW 2001, 2913; Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, hg. v. Badura, P. u. a., 2001; Grigoleit, K., Bundesver­fassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Wesel, U., Der Gang nach Karlsruhe, 2004; Das Bundesverfassungsgericht im politischen System, hg. v. Ooyen, R. van u. a., 2006; Lembcke, O., Hüter der Verfassung, 2007

Bundes-Verfassungsgesetz (1920) ist das von Hans Kelsen wesentlich geprägte, von der konstituierenden Nationalversammlung be­schlos­sene Gesetz zur Einrichtung der Republik Österreich als Bundesstaat vom 1. Oktober 1920 (B-VG, Staatsgesetzblatt 1920, 450, authentisch kundgemacht unter BGl. 1920, 1, ohne Präambel, Staatszielbe­stim­mungen oder Grundrechte). 1925 wird die mittelbare Bundesverwaltung eingeführt und werden Zuständigkeiten des Bundes erweitert. 1929 wird die unmittelbare Volkswahl des Bundespräsidenten festgelegt. Danach wird das B. in der Fassung von 1929 kundgemacht (BGBl. 1930, 1). !934 wird es durch Verord­nung der Regierung Dollfuß außer Kraft gesetzt und eine neue Verfassung (Mai­verfassung) erlassen. Auf Grund des zweiten Ver­fassungs-Überleitungsgesetzes von 1945 (StGBl, 1945, 232) tritt es nach dem Stand vom 5. 3. 1933 wieder in Kraft. 1981 wird die Volksanwaltschaft eingefügt, 1988 der unabhängige Verwaltungssenat. 1994 wird das Bundes-Verfassungsgesetz neu gefasst.

Lit.: Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in der ersten Republik, 1992

Bundesversammlung ist die Versammlung von Mitgliedern eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-1866 mit Sitz in Frankfurt am Main, Art. 38ff. Bundes-Verfassungsgesetz Österreich, Maiverfassung 1934 Österreich in jeweils besonderer Zusammensetzung mit jeweils besonderer Zuständigkeit). In der Bundesrepublik Deutschland wählt eine B. den Bundespräsi­denten.

Lit.: Dublin-Honegger, J., Die Anfänge der schwei­zerischen Bundesversammlung, Diss. jur. Basel 1978; Moldenhauer, R., Aktenbestand und Geschäftsverfah­ren der deutschen Bundesversammlung, Archival. Z. 1978, 35

Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Verwaltungsstreitigkeiten mit Sitz in (Berlin  [1952] bzw. seit 1997) Leipzig.

Lit.: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg. v. Schmidt-Aßmann, E., 2003

Bundeswehr ist das (rund 13000 Offiziere der Wehrmacht des Deutschen Reiches übernehmende) Heer der Bundesrepublik Deutschland seit 1955.

Lit.: 50 Jahre Bundeswehr, hg. v. Clement, R. u. a., 2005; Die Bundeswehr 1955 bis 2005, hg. v. Nägler, Frank, 2007; Loch, T., Das Gesicht der Bundeswehr, 2008; Pauli, F., Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr, 2009; Bundeswehr und Gedenkstätten des NS-Unrechts, hg. v. Wrochem, O. v. u. a., 2009

Bündnis ist der politische Zusammenschluss.

Lit.: Rauch, G., Die Bündnisse deutscher Herrscher mit Reichsangehörigen, 1966; Verosta, S., Theorie und Realität von Bündnissen, 1971

Bündnisrecht ist das Recht, Bündnisse mit anderen einzugehen. Ursprünglich jedem Inhaber herrschaftlicher Gewalt offen, wird es in England und Frankreich durch den Staat beseitigt. Im deutschen Reich eröffnen es die Goldene Bulle (1356) und der Westfälische Friede von Münster und Osnabrück (1648) für die Reichsstände, sofern es sich nicht gegen Kaiser und Reich richtet. Im → Deutschen Bund ist es nur durch die Verpflichtung beschränkt, die Sicherheit des Bundes oder einzelner seiner Glieder nicht zu be­einträchtigen. Allmählich engt sich in der späteren Neuzeit das B. auf souveräne Staaten ein.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bezold, F. v., Das Bünd­nisrecht, 1904; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der Reichsstände, Der Staat 8 (1969) 449

Bundschuh Bauernkrieg

Bunge, Friedrich Georg von (Kiew 13. 3.1802-Wiesbaden 9. 4. 1897) begründet als Professor für Provinzialrecht in Dorpat (1831, 1840 entlassen, Stadtsyndikus Revals, 1864 Gotha) die baltische Rechtsgeschichte und bearbeitet den 1864 veröffentlichten, zu mehr als der Hälfte römischrechtlich geprägten Band 3 des Provinzialrechts der Ostseegou­vernements Russlands (Liv-, Est- und Curländisches Privatrecht), der in Lettland bis 1937 und in Estland bis 1945 als Zivilgesetzbuch gilt.

Lit.: Recke, J./Napiersky, C., Allgemeines Schrift­steller- und Gelehrtenlexikon, 1827, 303, 1859, 112; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005

Burchard von Ursberg

Lit.: Wulz, W., Der spätstaufische Geschichtsschreiber Burchard von Ursberg, 1982

Burchard von Worms (965-Worms 20. 8. 1025), aus dem Hause der Grafen von Reichenbach-Ziegenhain (Güter bei Fritzlar und Frankenberg?), wird nach seiner Erziehung in Koblenz aus der Nähe Erzbischof Willigis’ von Mainz durch Kaiser Otto III. 1000 Bischof von Worms. Sein wohl zwischen 1008 und 1012 verfasstes, eigenständige Ansätze enthaltendes Handbuch ([lat., N.] Decretum) in 20 Büchern und 1785 Kapiteln (davon 163 noch herkunftmäßig ungeklärt) ist die wichtigste vorgratianische Kanonessammlung. Sie beruht auf der (lat.) Collectio (F.) Anselmo dedicata (dem Anselm gewidmete Samm­lung), dem (lat.) Liber (M.) de synodalibus causis (Buch über Synodalsachen) des → Regino von Prüm und einzelnen Kanones und Dekretalen sowie Bußbüchern und Kirchenschriften. Burchards (lat.) Lex (F.) familiae Sancti Petri (1023-1025) ist ein frühes Beispiel eines grundherrschaftlichen Hofrechts.

Lit.: Meyer, G., Überlieferung und Verbreitung des Dekrets des Bischofs Burchard von Worms, ZRG KA 55 (1935), 141; Theuerkauf, G., Frühmittelalterliche Studien, Bd. 2, 1968; Metz, W., Zur Herkunft und Verwandtschaft, Hess. Jb. f. Landesgeschichte 26 (1976), 27ff.; Kerner, M., Studien zum Dekret des Bischofs Burchard von Worms, Diss. phil. Aachen 1971; Hoffmann, H./Pokorny, R., Das Dekret, 1991; Bischof Burchard von Worms 1000-1025, hg. v. Hartmann, W., 2000; Corbet, P., Autour de Burchard de Worms, 2001; Bischof Burchard I, in seiner Zeit, hg. v. Müller, T. u. a., 2001; Austin, G., Law, Theology and „Forgery“ around the year 1000, 2005

Burg ist der befestigte Ort, der anfangs wohl nur der Zuflucht dient (Fluchtburg). Im Frühmittelalter wird auch die antike Stadt oder das Kastell als B. bezeichnet. Vielleicht nach deren Vorbild entstehen an vielen Stellen (vor allem im 12. und 13. Jh.) Burgen, von denen nur ein Teil auch urkundlich belegt ist. Wohl seit dem 11. Jh. sondern sich B. (mit Graben, Wall, Ringmauer, Turm, Tor und Wohnbauten wie Kemenate oder Palas) und Stadt. Seit dem 15. Jh. bzw. in der Neuzeit ersetzt der Adel die B. durch das Schloss oder auch die Festung. In der Gegenwart sind 50 Prozent aller namentlich bekannten mitteleuropä­ischen Burgen verschwunden, vom Restbestand drei Viertel nur noch Ruinen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 79, 96; Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Koehne, C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Fischer, H., Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, (1956); Burgen, Schlösser und Burgherrengeschlechter der Ostschweiz, hg. v. Meili, H., 1970; Jäschke, K., Burgenbau und Landes­verteidigung um 900, 1975; Die Burgen im deutschen Sprachraum, hg. v. Patze, H., 1976; Binding, G. u. a., Burg, Lexikon des Mittelalters, Bd. 2 1983, 927; Streich, G., Burg und Kirche, 1984; Allen Brown, R., Castles, Conquest & Charters, 1989; Biller, T., Die Adelsburg in Deutschland, 1993, 2. A. 1998; Burg – Burgstadt - Stadt, 1994; Burgen im Spiegel der Überlieferung, hg. v. Ehmer, H., 1998; Burgen in Mitteleuropa, hg. v. Böhme, H. u. a., 1999; Spazier, I., Mittelalterliche Burgen zwischen mittlerer Elbe und Bober, 1999; Pfälzisches Burgenlexikon, hg. v. Keddigkeit, J. u. a., Bd. 1 1999; Krahe, F., Burgen und Wohntürme, 2002; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen, 2004

Burg (Stadt nordwestlich Magdeburgs, bäuerlich-ländliches Landrecht [burges lant­recht, Erbrecht, Ehegüterrecht, Sachenrecht, Friedensrecht, Verfahrensrecht] auf elf Seiten in einer mittelniederdeutsch-elbost­fälisch gehaltenen Sammelhandschrift des frühen 15. Jahr­hunderts [1310-1330] über­liefert, vielleicht auf flämischen Siedlern des 12. Jh.s beruhend)

Lit.: Das Burger Landrecht hg. v. Markmann F. u. a., 1938; Zimmer, K., Das Burger Landrecht, 2003

Bürge ist, wer sich durch Vertrag mit einem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Das Rechtssprichwort Bürgen muss man würgen, aber nicht an den Leib reden, bringt zum Ausdruck, dass nach römischem Recht der Bürge zwar haften muss, aber bei Nichtleistung von Strafen verschont bleiben soll. → Bürgschaft

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128

Burgenland ist das ursprünglich meist zu Ungarn gehörige, seit dem 11. Jh. zunehmend von Deutschen besiedelte, durch viele Burgen gekennzeichnete Gebiet (Deutsch-Westungarn mit Pressburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg) an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn, das 1919 (trotz Widerstands Ungarns) (ohne Ödenburg/­Sopron [Mehrheit von 64 Prozent für Verbleib]) → Österreich als Bundes­land zu­ge­­sprochen, im November von Ungarn1921 besetzt, aber dann kampflos zurückgegeben wird (1939-1945 zwischen Nieder­do­nau/­Niederösterreich und Steiermark aufge­teilt).

Lit.: Urkundenbuch des Burgenlandes, Bd. 1ff. 1955ff.; Burgenland 1938, 1988; Ernst, A., Geschichte des Burgenlandes, 2. A. 1991

Bürger ist der Bewohner der → Stadt. Ihm entspricht lateinisch vor allem civis (M.), das ursprünglich hauptsächlich den Angehörigen des römischen Volkes im Gegensatz zum Nichtrömer und zum Sklaven meint. Im deutschen Frühmittelalter engt sich der weitere Begriff des ahd. burgari, Burgbe­wohner, wohl seit dem 11. Jh. auf den B. ein. Er hat → Bürgerrecht und ist trotz unter­schiedlicher ständischer Herkunft meist oder grundsätzlich frei (Stadtluft macht frei), wenn auch seiner Stadt verpflichtet. In der Neuzeit wird B. dagegen jeder, der nicht zum Adel oder zu den Bauern gezählt wird (Preußen 1794, II, 8, § 1). Er ist der Vorläufer des modernen Staatsbürgers.

Lit.: Maurer, G., Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, Bd. 2 1879, 191ff.; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 (1936), 150; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 251ff.; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Struck, W., Die Neubürger von Großalsleben 1604-1874, 1962; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 672; Felser, R., Herkunft und soziale Schichtung der Bürgerschaft obersteirischer Städte und Märkte, 1977; Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter, hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Res publica, Bürgerschaft in Stadt und Staat, hg. v. Dilcher, G., 1988; Bürgertum im 19. Jahrhundert, hg. v. Kocka, J., 1995; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996; Bürgertum und bürgerlich-liberale Bewegung, hg. v. Gall, L., 1997; Ruppert, K., Bürgertum und staatliche Macht in Deutschland zwischen französischer und deutscher Revolution, 1997; Haupt, H./Crossick, G., Die Klein­bürger, 1998; Reidegeld, E., Bürgerschaftsre­gelungen, Freizügigkeit, Gewerbe­ordnung und Armen­pflege, ZRG 116 (1999), 87; Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums, hg. v. Lundgreen, P., 2001; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2002; Bürgertum in Thüringen, hg. v. Hahn, H. u. a., 2001; Lässig, S., Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004; Schulz, A., Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert, 2005

Bürgerbuch ist das die → Bürger der mittelalterlichen Stadt verzeichnende, älteren Listen folgende → Buch (z. B. Köln 1130-1140, Rostock 1258, Lübeck 1259, insgesamt 228 Bürgerbücher aus dem deutschen Reich bekannt, dazu 82 Bürgerlisten).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Andernacht, D./Stamm, O., Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt, 1955; Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest, hg. v. Rothert, H., 1958; Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung, hg. v. Ribbe, W., 12. A. 2001, 186ff.; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R., 2002; Morita, N., Wie wurde man Stadtbürger?, 2008

Bürgerlehen ist das → Lehen eines → Bürgers. Es entsteht meist durch Verkauf durch den Adel. Der älteste Beleg für das B. reicht bis in das 11. Jh. (Regensburg 1072/1073). Bis in das 15. Jh. nimmt die Zahl der B. zu, dann infolge des Widerstands des landständigen Adels ab. Zumindest im Nordosten des Heiligen Römischen Reiches scheint das B. dem ritterlichen Lehen nicht völlig gleichwertig gestellt zu sein. Die in der Neuzeit noch bestehenden B. gleichen sich an Miete und Pacht an.

Lit.: Frensdorff, F., Die Lehnsfähigkeit der Bürger, 1895; Grabscheid, D., Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979; Schwarz, U., Bürgerlehen und adlige Lehen der Herzöge von Braunschweig-Gruben­hagen, Braunschweigisches Jahrbuch 66 (1985), 9ff.

Bürgerlicher Tod ist der rechtliche Tod (zivile Tod, fingierte Tod, lat. mors ([F.] civilis, Johannes Teutonicus, Glosse mortuus zu C 16 q. 1 c. 8) im Gegensatz zum natürlichen Tod. Er bewirkt den Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, Eigentümer zu sein, eine Ehe einzugehen oder aufrechtzuerhalten, zu schenken, zu testieren, Vormund zu sein, Zeuge zu sein usw.). Er ist wohl aus unterschiedlichen Wurzeln (Acht, Exkommunikation, Infamie) entstanden (16. Jh. mort civile als Bezeichnung bestimmter Kapitalstrafen mit Bürgerrechtsver­lust). Im 17. Jh. ist er die Folge des Gerichts­ungehorsams, im 18. Jh. die Folge jedes Urteils auf Todesstrafe und vieler lebenslänglicher Strafen (vgl. § 7 StGB Bayern 1813). In der Mitte des 19. Jh.s tritt der bürgerliche Tod zurück (Bayern 1849, Preußen 1850, Frankreich 1854). Ähnliche Folgen wie der bürgerliche Tod zieht zeitweise auch die Ablegung des klösterlichen Armutsgelübdes (Klostertod) nach sich.

Lit.: Hübner 56; Weithase, F., Über den bürgerlichen Tod als Straffolge, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Borgmann, B., Mors civilis, 1969; Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81; Hubmann, V., L’image de la mort, 1990

Bürgerliches Gesetzbuch ist allgemein das vom politischen Bürgertum im 18. Jh. zur gesetzlichen Regelung des Privatrechts geforderte Gesetzbuch. Es wird in Frankreich 1804 (Code civil), in Österreich 1811/2 (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) und in Sachsen 1863 (Bürgerliches Gesetzbuch) verwirklicht, während es andernorts nur zu Entwürfen kommt (Preußen 1842, Hessen-Darmstadt 1842, Bayern 1861/1864). In Deutschland erreichen nach vergeblichen Gesetzgebungsanträgen der Jahre 1867-1872 die nationalliberalen Abgeordneten Miquel und Lasker am 20. 12. 1873 ([lat.] lex Miquel-Lasker), dass die Gesetzgebungs­zuständigkeit des Deutschen Reiches vom Schuldrecht auf das gesamte bürgerliche Recht (sowie das gerichtliche Verfahren) ausgedehnt wird. Auf ein Gutachten des Handelsrechtlers Goldschmidt und den Vorschlag einer später sog. Vorkommission (28. 2. 1874, Levin Goldschmidt, Franz Philipp von Kübel, Anton von Weber, Hermann von Schelling) vom 15. 4. 1874 wird eine (erste) Kommission (17. 9. 1874) mit 11 Mitgliedern (Eduard Pape Vor­sitzender, Albert Gebhard Allgemeiner Teil, Franz von Kübel Schuldrecht, Reinhold Johow Sachenrecht, Gottfried Planck Familienrecht, Gottfried von Schmitt Erb­recht, Gustav Derscheid, Karl Kurlbaum, Anton von Weber, Paul von Roth, Bernhard Windscheid [bis 1883]) eingesetzt. Seit 1. 10. 1881 berät sie Teilentwürfe. Ihr am 27. 12. 1887 mit Motiven vorgelegter, 1888 veröffentlichter Entwurf wird von verschiedenen Seiten (u. a. Anton Menger, Otto von Gierke) vor allem als zu wenig volkstümlich und zu wenig sozial angegriffen (insgesamt rund 700 Beiträge). Daraufhin wird nach Vorbereitung durch eine interne Vorkommission des Reichsjustizamts 1890 eine zweite Kom­mission (25 Juristen, u. a. Gottlieb Planck, Karl von Jacubezky, Alexander Achilles, Heinrich Börner, Hermann Struckmann, Arbeitsbeginn 1. 4. 1891) mit der Umar­beitung beauftragt, die nach einigen Veränderungen 1895 den zweiten Entwurf mit Protokollen dem Bundesrat vorlegt. Der nach Umarbeitung durch das Reichsjustizamt 1896 im Reichstag mit einer Denkschrift eingebrachte dritte Entwurf wird nach drei Lesungen am 1. 7. 1896 (u. a. mit 53 der 97 Stimmen der ihre gesell­schaftspolititsch relevanten Grundlagen wah­renden konservativen Parteien) beschlos­sen, am 14. 7. 1896 vom Bundesrat gebilligt, am 18. 8. 1896 ausgefertigt, am 24. 8. 1896 verkündet und zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt (2385 Paragraphen mit etwa 130000 Wörtern), wobei flankierend das Handelsge­setzbuch, die Reichsjustizgesetze, die Grund­buchordnung und das Zwangsverstei­gerungsgesetz angepasst bzw. erlassen werden. Das die Geltung des preußischen Allgemeinen Landrechts, des Code civil und des gemeinen Rechts in Deutschland beendende Gesetzbuch ist ein für neue Anforderungen durchaus offenes, recht begriffliches, ziemlich abstraktes, nach den Erscheinungsformen des subjektiven Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend in fünf Bücher nach dem sog. Pandektensystem gegliedertes Erzeugnis technisch geschulter Juristen, unter denen eine überragende schöpferische Persönlichkeit fehlt. Inhaltlich überwiegen die den bürgerlichen Kreisen angemessenen und vorteilhaften liberalen Züge, zu denen patriarchalisch-konservative und soziale, dem Schutz des Schwächeren dienende Elemente hinzukommen. Das Bürgerliche Gesetzbuch beeinflusst das Privatrecht vieler Länder (Japan 1898, Schweiz 1907, Österreich 1914, 1915, 1916, China 1912, Brasilien 1916, Thailand 1925, (Türkei 1926,) Peru 1936, Griechenland 1940/1946, Italien 1942, Frankreich, Portugal 1966). Sein Inhalt ist inzwischen vor allem im Familienrecht er­heblich verändert (Erbbaurechtsverordnung vom 15. 1. 1919, Ehegesetz vom 6. 7. 1938, positive Vertrags­verletzung, Wegfall der Ge­schäftsgrundlage, Arbeitsrecht, Wohnungs­mietrecht, Verbraucherschutz, Schuldrechts­re­form 2001/2002, allgemeines Persönlich­keits­recht, Verkehrssicherungspflichten, Woh­­­­­­nungs­eigentum, Gleichberechtigungs­ge­setz 18. 6. 1957, Mietrechtsänderungen, 1969 Dienstvertragsrecht, Nichtehelichen­gesetz 19. 8. 1969, Eherechtsreformgesetz vom 14. 6. 1976 mit Zerrüttungsprinzip, allgemeine Geschäftsbedingungen, Reisever­trag, Betreu­ungs­recht, Namensrecht, Kindschaftsrechts­reform, 1. 1. 2002 Aufnah­me des Gesetzes über die allgemeinen Geschöftsbedingungen, des Haustürge­schäftswiderrufsrechts, des Verbrau­cherkreditgesetzes, des Teilzeit-Wohn­rechte­gesetzes und des Fernabsatz­ge­setzes sowie Änderung des Leistungsstö­rungsrechts durch das von Richtlinien der Europäischen Union veranlasste Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 2001/2002).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBDR­18­961900.htm; Söllner §§ 1, 16, 25; Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 182, 207, 212; Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das deutsche Reich, Bd. 1ff. 1888; Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, gefertigt im Reichsjustizamt, Bd. 1ff., 1890f.; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags .. 1895/1996; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1ff. 1897ff.; Gradenwitz, O., Wörterverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Wieacker, F., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Brandt, D., Die politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1975 (Diss.); Die Beratung des BGB in systematischer Zusammenstellung der unveröffent­lichten Quellen, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, hg. v. Schubert, W., 1980ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., 1981ff.; Behn, M., Der Generalbericht der badischen Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich, ZRG GA 99 (1982), 113; Caroni, P., Liberale Verfassung und bürgerliches Gesetzbuch im 19. Jahrhundert, 1988; John, M., Politics and the Law in the late nineteenth century Germany. The Origins of the Civil Code, 1989; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 152; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1993; Schmoeckel, M., 100 Jahre BGB, NJW 1996, 1697; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1995; Schulte-Nölke, H., Die schwere Geburt des Bürgerlichen Gesetzbuches, NJW 1996, 1784; Knieper, R., Gesetz und Geschichte, 1996; Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 1996; Bürgerliches Gesetzbuch 1896-1996, hg. v. Schlosser, H., 1997; Schubert, W., Das Bürgerliche Gesetzbuch im Urteil französischer Juristen bis zum ersten Weltkrieg, ZRG GA 114 (1997), 128; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach Verkündung des BGB, 1997; Kern, B., Der preußische BGB-Entwurf von 1842, 1998; BGB-Synopse 1896-1998, hg. v. Strätz, H., 1998; Eiffler, S., Die Feuertaufe des BGB, ZNR 1998, 238; Horn, N., Ein Jahrhundert Bürgerliches Gesetzbuch, NJW 2000, 40; Schwab, D., Das BGB und seine Kritiker, ZNR 22 (2000), 325ff.; Gast, B., Der Allgemeine Teil und das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches im Urteil von Raymond Saleilles, 2000; Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, hg. v. Falk, U. u. a., 2000; Kramer, E., Der Einfluss des BGB auf das schweizerische und österreichische Privatrecht, AcP 200 (2000), 365; Wolters, M., Die Zentrumspartei und die Entstehung des BGB, 2000; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche. Mitwirkung der Zentrumspartei, 2001; Dittmann, M., Das Bürgerliche Gesetzbuch aus der Sicht des Common Law, 2001; Repgen, T., Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001; Depping, A., Das BGB als Durchgangspunkt. Privatrechtsmethode und Privatrechtsleitbilder bei Heinrich Lehmann (1876-1963), 2002; Das BGB im Wandel der Epochen, hg. v. Sellert, W. u. a., 2002; Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. v. Schmoeckel, M./Rückert, J./Zimmermann, R., Bd. 1 2003; Thiessen, J., Das unsoziale BGB, 2003; Die soziale Dimension des Zivilrechts, hg. v. Peer, G. u. a., 2004; Staudinger, J. v., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Eckpfeiler des Zivilrechts, 2005; Symposion Hundert Jahre BGB, hg. v. Hamza, G., 2006; Hensel, R., Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008; Zrenner, P., Die konservativen Parteien und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008

Bürgerliches Recht ist das von den Bürgern in der Französischen Revolution (1789) als Recht einer egalitären Gesellschaft errungene Privatrecht. Es leitet sich sprachlich von (lat.) ius (N.) civile ab. Neben ihm steht beispielsweise das Handelsrecht (wie in Frankreich neben dem Code civil der Code de commerce).

Bürgermeister ist seit der Mitte des 13. Jh.s (Köln 1258, Basel 1261) der Vorsitzende des kollegialen Verwaltungsorgans und Reprä­sentant der Gemeinschaft zunächst in der → Stadt, dem ein etwas älterer lateinischer → magister (M.) civium (Köln) bzw. magister civilis (Hildesheim-Dammstadt 1196) vorausgehen. Der B. wird teils gewählt, teils eingesetzt. Er hat sowohl verwaltende wie auch richterliche Aufgaben und Befugnisse. An vielen Orten gelingt ihm ein allmählicher Ausbau seiner Stellung. Oft finden sich mehrere B. nebeneinander. → Selbstverwal­tung

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 41; Köbler, DRG 111, 198; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 323; Rabus, K., Der Ulmer Bürgermeister bis 1548, Diss. jur. Tübingen 1952; Rörig, W., Die Entwicklung der rheinischen Bürgermeisterei­verfassung, Diss. jur. Mainz 1957; Stemmler, G., Die Amtskette des Bürgermeisters, 2002; Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004

Bürgerrecht ist die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der → Bürger. Schon in Rom vermittelt die in erster Linie durch Geburt erlangbare Stellung als civis (M.) Romanus ([lat.] römischer Bürger) ein Bündel von Rechten (Stimmrecht in der Volksver­sammlung, passives Wahlrecht für Ämter, Berufungsrecht gegen Todesstrafe, gültige Ehe, Rechtsgeschäfte nach Zivilrecht, Legisaktionenverfahren) und Pflichten (Steuer­pflicht, Wehrdienstpflicht), weil nur für den civis Romanus das römische (lat.) → ius (N.) civile gilt. In gleicher Weise sondert das B. den Bürger zunächst der → Stadt (seit dem Hochmittelalter) aus der Allge­meinheit aus. Der Erwerb des Bürgerrechts erfolgt dabei meist durch Geburt, daneben durch einen besonderen Akt der Aufnahme. → Grundrecht, Menschen­recht

Lit.: Kaser §§ 3, 13, 58; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Hartung, F./Commichau, G., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 5. A. 1985; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Deeters, J., Das Bür­gerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996

Burgfriede ist im Hochmittelalter der in der Burg zu wahrende Friede.

Burggraf (seit 10./11. Jh.) ist der eine Burg (und damit anfangs auch eine Stadt) verwaltende Graf (z. B. Regensburg 970, Köln, Mainz, Trier, Straßburg, Worms, Speyer, Utrecht, Toul, Cambrai, Augsburg, Würzburg, Magdeburg, B. von Nürnberg).

Lit.: Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Peterka, O., Das Burggrafentum in Böhmen, 1906; Brünneck, W. v., Das Burggrafenamt und Schultheißentum in Magdeburg und Halle, 1908; Sander, P., Stadtfestungen und Burggrafenamt im früheren Mittelalter, HV 13 (1910), 70ff.; Eckhardt, K., Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1955, 204

Burghausen

Lit.: Leidl, G., Rechtsgeschichte der Stadt Burghausen an der Salzach, 1960

Burglehen ist das eine Burg betreffende Lehen, das den Burgmann zur Burghut verpflichtet. Es findet sich vom 12. bis zum 15. Jh. Der sich festigende Territorialstaat drängt das B. zurück.

Lit.: Klebel, E., Studien zum mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Spiess, K., Lehnsrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978

Burgrecht erscheint seit der ersten Jahrtausendwende als Lehnübersetzung (ahd. burgreht) des lateinischen ius (N.) civile. In Süddeutschland bezeichnet es seit 1167 eine Landleihe zu freiem Erbzins (und in Österreich auch den Rentenkauf). Daneben findet es sich etwas später als Benennung des → Stadtrechts und des → Bürgerrechts.

Lit.: Köbler, DRG 104; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich im Mittelalter, 1906; Fischer, H., Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, 1956; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Illichmann, E., Recht und Besitz der Bauern und Hintersassen des Mittelalters in Österreich, 1983

Bürgschaft ist der einseitig verpflichtende Vertrag zwischen einem Gläubiger eines Dritten und einem → Bürgen, in dem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Dritten verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Bei den Römern ist die B. das wichtigste Mittel zur Sicherung einer Forderung. Vermutlich verbürgen sich dabei (lat. [M.]) vas bzw. praes zunächst noch nicht für die Leistung des Schuldners, sondern übernehmen nur eine Haftung dafür, den Schuldner (oder eine Sache) zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zu stellen (Gestellungsbürge). Erst aus der Verschmelzung dieser Einrichtung mit einem Leistungsversprechen (lat. [F.] sponsio) erwächst der (Leistungs-)Bürge (lat. [M.] adpromissor, sponsor, fidepromissor, fideiussor [1. Jh. v. Chr.]). Die Verpflichtung des Bürgen als eines Nebenschuldners ist vom Bestand der Hauptschuld abhängig. Für das deutsche Recht steht ebenfalls die Herkunft der B. nicht sicher fest (Pfandrecht?, Gestellung zwecks Vermeidung der Festnahme des Schuldners?). Im späten Mittelalter tritt die B. gegenüber dinglichen Sicherheiten zurück. Teils haftet der Bürge dem Gläubiger ausschließlich, teils haftet auch der Schuldner. Verschiedentlich haften beide gesamt­schuldnerisch. Zuerst begegnet die heutige Gestaltung, dass der Schuldner primär und der Bürge grundsätzlich nur subsidiär haftet (Einrede der Vorausklage), in Nord­deutsch­land. Während nach dem Code civil Frankreichs von 1804 und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 die Bürgschafterklärung keiner Form bedarf, verlangen das All­gemeine Landrecht Preußens (1794), das Obligationenrecht der Schweiz (1881) und das Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands (1900, vgl. §§ 1346ff. ABGB) Schriftform der Bürgschaftserklärung. Aus dem Recht des leistenden Bürgen gegen den Gläubiger auf Abtretung der Hauptforderung im gemeinen Recht (lat. beneficium [N.] cedendarum ac­tionum, Wohltat der abzu­tretenden Klag­ansprüche) entsteht ein gesetzlicher For­derungsübergang (Legalzession).

Lit.: Kaser §§ 50, 57; Hübner 508; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128; Beyerle, F., Der Ursprung der Bürgschaft, ZRG GA 47 (1927), 567; Kaufmann, E., Die Bürgschaft im Recht des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 74 (1957), 199; Martin, R., Das Bürgschaftsrecht Nord- und Ostdeutschlands, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Eggert, R., Die Bürgschaft im süddeutschen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Mückenheim, U., Die Bürgschaft in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Hamburg 1964; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140ff.; Reimer, K., Treu­handbürgschaft und Sicherungsbürgschaft, ZRG GA 85 (1968), 194; Les sûretés personelles, 1971; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht in historischer Sicht, 1974; Feenstra, R., Die Bürgschaft, Rec. Soc. J. Bodin 28 (1974), 295; Walliser, P., Die Amtsbürgschaft im schweizerischen Recht, ZRG GA 96 (1979), 100; Maier, K., Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern des 16.-18. Jahr­hunderts, 1980; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Jenks, S., Die Bürgschaft im mittelalterlichen englischen Strafrecht, Diss. phil., Berlin 1998; Kowolik, Y., Interzessionen von Nahbereichspersonen, 2008

Burgund (franz. Bourgogne) ist zunächst die von den → Burgundern in der Völker­wanderung besiedelte Landschaft (zwischen 400 und 436 Mainz bis Worms, nach 436 [Niederlage gegen Römer oder Hunnen?] bzw. 443 um Genf und Lyon). 534 gelangt B. an die Franken und ist zweitweise ein fränkisches Teilreich. 843 wird das Gebiet entlang der Saône zwischen westfränkischem Reich und lotharischem Reich geteilt. 879 entsteht ein Königreich B. (Niederburgund), das von dem 888 errichteten Königreich B. (Hochburgund) um 931/933 bzw. 950 aufgesogen wird und mit diesem einschließlich der Grafschaft B. (Franche-Comté) 1032/1033 an das Deutsche Reich fällt. Das westlich der Saône entwickelte, 963 an die → Kapetinger gelangte Herzogtum B. gewinnt im 14. und 15. Jh. große Bedeutung (1363 Philipp der Kühne, Erweiterung um Flandern, Artois, Rethel, Nevers, Frei­grafschaft, Brabant, Limburg, Hennegau, Holland, See­land), bis es über Maria von B. 1477/1482 großteils (Niederlande, Franche-Comté) an die → Habsburger kommt (und dort von 1512 bis 1806 den burgundischen Reichskreis bildet), in seinem Kern (Herzogtum B. und Pikardie) aber 1493 → Frankreich zugeschlagen wird. Das übrige B. wird zwischen 1674 und 1678 (Freigraf­schaft) von Frankreich erobert. 1459 werden die Coutumes générales du Comté de Bourgogne aufgezeichnet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 76, 129; Köbler, Historisches Lexikon; Seignobos, C., Le régime féodal en Bourgogne, 1882; Stouff, L., Les origines de l’anne­xion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901; Poupardin, R., Le royaume de Bourgogne (888-1038), 1907; Walther, A., Die burgundischen Zentral­behörden, 1909; Chaume, M., Les origines du duché de Bourgogne, Bd. 1ff. 1925ff.; Richard, J., Les ducs de Bourgogne, 1954; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106; Vaughan, R., Philip the Bold, 1962, 2. A. 1979, 3. A. 2002; Vaughan, R., Philip the Good, 1970, 2. A. 2002; Boehm, L., Geschichte Burgunds, 1971, 2. A. 1979 bzw. 1998; Vaughan, R., Charles the Bold, 1973, 2. A. 2002; Rompaey, J. van, De grote raad van de hertogen van Borgondië, 1973; Die Urkunden der burgundischen Rudolfinger, bearb. v. Schieffer, T., 1977; Jeanclos, Y., L’arbitrage en Bourgogne et en Champagne, 1977; Bart, J., La liberté ou la terre, 1984; Pridat, H., Nicolas Rolin, 1995; Esders, D., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Schnerb, B., L’état bourguignon 1363-1477, 1999; Ehm, P., Burgund und das Reich, 2002; Gresser, P./Richard, J., La gruerie du comté de Bourgogne aux XIV et XVe siècles, 2004; Hofordnungen der Herzöge von Burgund, hg. v. Kruse, H. u. a., Bd. 1 2005; Godding, P., La législation ducale en Brabant sous le règne de Philippe le Bon, 2006; Oschema, K., Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund, 2006; Kamp, H., Burgund, 2007

Burgunder oder Burgunde ist der Angehörige eines (vielleicht) von der Ostsee (vielleicht Bornholm) über die Oder und Weichsel (um 57 n. Chr. bei Plinius dem Älteren und um 150-170 n. Chr. bei Ptolemäus erwähnt) an den mittleren Rhein gelangten ostgermanischen Volkes. Das Recht der B. ist in der → Lex Burgundionum bzw. → Lex Romana Burgundionum überliefert. Von der vielleicht im 7. oder 8. Jahrhundert unterge­gangenen Sprache ist möglicherweise außer dem Namen nichts sicher bekannt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 57, 75, 86; Jahn, A., Geschichte der Burgundionen und Burgunder, 1874; Saleilles, R., De l’établissement des Burgundes, 1891; Kienast, W., Studien über die französischen Volksstämme des Frühmittelalters, 1968, 23; Perrin, O., Les Borgondes, 1968; Favrod, J., Les Burgondes, 2002; Kaiser, R., Die Burgunder, 2004

Burgundio von Pisa ist ein seit 1136 erwähnter Übersetzer griechisch geschrie­bener Digestenstellen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 242

Burgus (M.) bezeichnet als lateinisches Lehnwort wohl aus dem Germanischen (str.) seit dem 2. Jh. n. Chr. ein kleines Kastell, danach (5. Jh.) allgemeiner eine Siedlung. Im frühen Mittelalter ist es teils die an eine (lat. [F.]) civitas angelehnte, teils unabhängige Siedlung. Im Reich erscheint b. 1120 (Mühldorf am Inn). Der Bewohner heißt (lat. [M.]) burgensis (Frankreich 10. Jh., Spanien 11. Jh., Freiburg im Breisgau 1120). Streitig ist, inwieweit b. oder burgum die Marktsiedlung und burgensis eine besondere Art von → Bürger anzeigt. Im 14. Jh. schwindet b. wieder.

Lit.: Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtver­fassung, ZRG GA 50 (1930), 1ff,.; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt, 1953, 3. A. 1981; Schlesinger, W., Burg und Stadt, (in) Mittel­deutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs­geschich­te, Bd. 2 1963, 124; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Werveke, H. van, Burgus, 1965

Burgward (lat. burgward[i]um, 961) ist vor allem in der frühhochmittelalterlichen Zeit der Ostsiedlung das Gebiet um die befestigte Siedlung (→ Burg) als Verteidigungsbereich und Verwaltungsbereich (z. B. Biederitz, Möckern, Magdeburg, Frohse, Barby, Calbe an der Saale, Haldensleben, Wanzleben, Unseburg, 1. H. 11. Jh. Merseburg, Ritteburg, Wallhausen, Sulza).

Lit.: Knüll, B., Die Burgwarde, Diss. phil. Tübingen 1895; Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke, (in) Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs­geschichte, 1961, 158; Billig, C., Die Burgwardorga­nisation im obersächsisch-meißnischen Raum, 1989

Burgwerk ist im Frühmittelalter die Verpflichtung zur Unterhaltung von Burgen und ähnlichen Befestigungsanlagen. Im Hochmittelalter begegnet hauptsächlich die Befreiung hiervon.

Lit.: Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke (in Mit­teldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsge­schichte des Mittelalters, 1961, 158ff.

Bürokratie (F.) ist die durch hauptberuflich tätiges, fachlich ausgebildetes Personal bzw. durch Trennung von Amt und Person bzw. durch Regelgebundenheit und durch Schriftlichkeit aller wesentlichen Amtsvor­gänge gekennzeichnete Verwaltungsgestal­tung. Sie wird gedanklich in der Mitte des 18. Jh.s erfasst. Der frühe Liberalismus lehnt die B. ab, Max Weber versachlicht die Bedeutung des Wortes.

Lit.: Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 5. A. 1986; Wunder, B., Geschichte der Bürokratie in Deutschland, 1986; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Treichel, E., Der Primat der Bürokratie, 1991; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991

Burschenschaft (1791) ist der im frühen 19. Jh. (1813/1815) neben die älteren Landsmannschaften tretende, national und liberal ausgerichtete Zusammenschluss (Ver­bindung) der Studenten (1811 Jahn, F./Friesen, K., Ordnung zur Einrichtung von Burschenschaften, 12. 6. 1815 Jena Urbur­schenschaft, 1819 Verbot der Burschen­schaften, geheime Wirksamkeit, 1848/1849 150 Abgeordnete der Frankfurter Nationalver­sammlung Burschenschaftler, 1935 erzwun­gene Selbstauflösung der Deutschen B., 1950 wie­der begründet).

Lit.: Bayer, E., Die Entstehung der deutschen Burschenschaft, 1883; Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft, hg. v. Haupt, H., Bd. 1ff. 1910ff.; Brunck, H., Die deutsche Burschenschaft, 1999; Roeseling, S., Burschenehre und Bürgerrecht, 1999

Bursprake ist in Nordeutschland im Hochmittelalter und Spätmittelalter (im Mittelniederdeutschen) die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Land. B. kann auch das dort verlesene oder geschaffene Recht bezeichnen (z. B. Lübeck, Wismar). Ver­schiedent­lich gewinnt die B. gerichtliche Befugnisse.

Lit.: Bolland, J., Zur städtischen Bursprake im hansischen Raum, ZLGA 36 (1956), 96

Bußbuch ist das ein System kirchlicher → Bußen für Sünden enthaltende Buch ([→lat.] → Paenitentiale, liber paenitentialis). Es erscheint seit dem 6. Jh. in Irland und England ([lat.] Iudicia [N.Pl.] Cummeani, Kolumban, (lat.) Liber [M.] de poenitentiarum mensura taxantium, Theodor von Canterbury, [lat.] Canones [M.Pl.]), bald danach mit der irischen Mission auf dem Festland (rund 400 Handschriften, u. a. Buch 19 von → Burchard von Worms, Decretum). Im 13. Jh. tritt an die Stelle des Bußbuchs die (lat.) Summa (F.) confessorum (Summe der Bekenner) der → Beichtstuhljurisprudenz.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wasserschleben, E., Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Schmitz, H., Die Bußbücher und die Bußdisziplin der Kirche, 1888; Schmitz, H., Die Bußbücher und das kanonische Bußverfahren, 1898; Finsterwalder, P., Die Canones Theodori Cantuariensies, 1929; Spindler, E., Das altenglische Bußbuch, 1934; Bieler, L., The Irish Penitential, 1963; Vogel, C., Les libri poenitentiales, 1978; Kottje, R., Die Bußbücher Halitgars von Cambrai und des Hrabanus Maurus, 1980; Körntgen, L., Studien zu den Quellen der frühmittelalterlichen Bußbücher, 1993; Kottje, R., Bußbücher in mittelalterlichen Bibliotheksverzeichnissen, Sacris erudiri 45 (2006), 305ff.

Buße ist ursprünglich der Ausgleich eines Unrechtserfolges durch eine Leistung an den Verletzten zum Zweck der Besserung seiner Lage. Sie ist dem römischen Recht als die Geldsumme bekannt, mit der anfangs (in festen Sätzen) das vergeltende Racherecht des Verletzten etwa bei Körperverletzung oder Sachbeschädigung abgelöst wird (lat. [F.] poena). Die (lat. [F.] lex Aquilia stellt auf den Wert der beschädigten Sache ab. In der jüdisch-christlichen Kirche ist die Buße die Abwendung von einer sündhaften Vergangenheit. Tacitus bezeugt sie für die Germanen, bei denen ein Teil der B. auch an die Allgemeinheit fällt. In den → Volksrechten des Frühmittelalters wird ein ganzes System von mehreren Zielen dienenden Bußen (lat. compositiones) festgehalten (→ Kompositionensystem), zu dem insbesondere auch das → Wergeld gehört. Ihnen entsprechen die Bußen der → Bußbücher. Dieses Bußensystem wird seit dem Hochmittelalter durch die → Strafe zurückgedrängt (vgl. noch § 1497 sächsisches BGB von 1863). Die Leistung an den Verletzten wird mehr und mehr als → Schadensersatz verstanden. B. wird aber teils als an den Verletzten, teils als an den Staat (für Ordnungswidrigkeiten) zu erbringende Geldleistung weiter fortgeführt, wobei eine an eine Gemeinschaft zu leistende B. öfter gemeinsam vertrunken wird. Das Reichs­strafgesetzbuch des deutschen Reiches von 1871 kennt (neben der Strafe) die Zahlung einer B. für Beleidigungen und Körper­verletzungen in den §§ 188, 231 StGB (in der Deutschen Demokratischen Republik bis 1968, in der Bundesrepublik Deutschland bis 1974). Ähnliche Regeln enthalten das Urhe­bergesetz, das Patentgesetz und das Markenschutzgesetz bis 1965/1974.

Lit.: Kaser §§ 35, 50; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 43ff., 2, 207ff.; Waechter, C. v., Die Buße bei Beleidigungen und Körperverletzungen, 1874; Dochow, A., Die Buße im Strafrecht und Strafprozess, 1875; Dohna, A. zu, Die Stellung der Buße im reichsrechtlichen System des Immaterialgüterschutzes, 1902; Pappenheim, M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 95; Weisweiler, J., Buße, ZRG GA 51 (1931), 541; Vogel, C., Le pécheur et la pénitence, 1969; Rüping, H., Geldstrafe und Buße, Z. f. s. ges. StW 85 (1973), 672; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe, ZRG GA 100 (1983), 53; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1ff.; Hamilton, S., The Practice of Penance, 2001; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, 2003 (ungedr. Habilitationsschrift); Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004

Bußgeld ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die an den Staat zu erbringende Geldleistung für eine Ordnungswidrigkeit.

Bussi, Emilio (13. 4. 1904-Rom 14. 11. 1997) wird nach dem Studium des Rechts 1940 Professor in Cagliari, 1958 in Modena und widmet sich zunächst dem gemeinen Recht (La formazione dei dogmi di diritto nel diritto comune, Bd. 1f. 1937ff.), danach dem Hei­ligen Römischen Reich der frühen Neuzeit (Il diritto pubblico del Sacro Romano Impero, Bd. 1f. 1957ff.

Lit.: Dilcher, G., Nachruf ZRG GA 116 (1999), 707ff.

Buteil ist im Frühmittelalter die grundherrschaftliche Abgabe beim Erbfall. Sie besteht teils in der Hälfte des Viehs, teils im → Besthaupt. Sie schwindet schon am Ende des Frühmittelalters.

Lit.: Hübner 676; Kroeschell, DRG 1, 2

Büttel ist der gebietende Mensch, ins­besondere der Gerichtsdiener. Er lädt, verhaftet, pfändet und vollstreckt häufig auch eine Strafe. Wegen des niedrigen Ansehens wird die Bezeichnung im 19. Jh. aufgegeben. → Gerichtsvollzieher

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991; Metzke, H., Zur lokalen und sozialen Mobilität der Amts- und Gerichtsdiener im 17./18. Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 412; Pauser, J., Der Zwettler Gerichtsdiener, 2002

Bützow ist von 1760 bis 1789 Sitz einer von Rostock abgeteilten Universität.

Lit.: Asche, M., Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008

Buxtehude

Lit.: Schindler, M., Buxtehude, 1959

Bynkershoek (Bijnkershoeck), Cornelis van (Middelburg/Seeland 29. 5. 1673-Den Haag 16. 4. 1743) wird nach dem Rechtsstudium in Franeker Anwalt in Den Haag und 1704 Richter des Hoge Raad van Holland en Zeeland (1723 Präsident). In seiner Dissertation (lat.) De dominio maris (1703, Über das Eigentum am Meer) begründet er für den Landesherrn das Eigentum vor der jeweiligen Küste, soweit es mit Waffen beherrscht wird. Seine (lat.) Observationes (F.Pl., Beobachtungen) zu vielen Verfahren sind seit 1923 veröffentlicht.

Lit.: Star Numan, O., Cornelis van Bankershoek, 1869; Krikke, A./Faber, S., Cornelis van Bynkershoek, (in) Zestig juristen, 1987, 141; Bergh, C. van den, Der Präsident Cornelis van Bijnkershoek, Zs. f. europ. Privatrecht 3 (1995), 423

Byzantinisches Recht ist das in Ostrom (Byzanz) gepflegte römische Recht in griechischer Sprache auf der Grundlage der Kompilationstätigkeit Kaiser Justinians (527-565). Wichtigste Werke sind Theophils Paraphrase der Institutionen, Nomos georgikos, Nomos nautikos (Ende 9. Jh.s), Eisagoge, Prochiron 907, eparchikon biblion (nach 907), Ekloge ton nomon (941), 113 Novellen Kaiser Leon VI., Basiliken (888?) mit Scholien (11. Jh.) und Kurzfassungen (z. B. synopsis Basilicorum 10. Jh.), Peira (M. 11. Jh.), Nomokanones, Tipukitos (12. Jh.), Hexabiblos (14. Jh., endgültig erst durch das Zivilgesetzbuch Griechenlands von 1946 abgelöst).

Lit.: Ius Graeco-Romanum, hg. v. Zachariae von Lingenthal, H. v., Bd. 1ff. 1856ff.; Zachariae von Lingenthal, H. v., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892; Jus Graeco-Romanum, hg. v. Zepos, J. u. a., Bd. 1ff. 1931ff.; Wenger. L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Simon, D., Rechtsfindung am byzantinischen Reichsgericht, 1973; Beck, H., Nomos, Kanon und Staatsräson in Byzanz, 1981; Van der Wal, N. u. a., Historiae iuris graeco-romani delineatio, 1985; Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986; Simon, D., Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73ff.; Das Eparchenbuch Leons des Weisen, hg. v. Koder, J., 1991; Burgmann, L. u. a., Repertorium der Handschriften des byzantinischen Rechts, Bd. 1f. 1995ff.; Letsios, D., Nomos Rhodiôn nautikos, 1996; Burgmann, L., Das byzantinische Recht und seine Einwirkung auf die Rechtsvorstellung der Bachbarvölker, Südosteuropa-Jahrbuch 26 (1996), 277ff.

Byzanz ist die 326/330 von dem römischen Kaiser Konstantin von Byzantion in Kon­stantinopel umbenannte Stadt am Bosporus, die 395 Hauptstadt des östlichen Teiles des römischen Weltreichs wird und damit zugleich für das von hier aus beherrschte (oströmische) Reich. Der von Kaiser Justinian (527-565) unternommene Versuch, die weströmischen Gebiete zurückzugewinnen, bleibt ohne nachhaltige Wirkung in dem seit Herakleios (610-41) verstärkt griechisch geprägten Land. Vielmehr wird das byzantinische Reich in der Folge von Persern, Arabern und Bulgaren nachhaltig bedroht und verliert nach der kirchlichen Trennung der griechisch-orthodoxen Kirche von der katholischen Kirche (1054) 1176 im Kampf gegen die Rum-Seldschuken seine Stellung als Großmacht. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (1203/4) wird das byzantinische Reich unter die Venezianer und die übrigen Kreuzfahrer aufgeteilt. Osmanen, Serben und Bulgaren bedrohen den verbleibenden Rest von mehreren Seiten. Mit der Eroberung Kon­stantinopels am 29. 5. 1453 durch die Osmanen endet B. bzw. das Byzantinische Reich.

Lit.: Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892; Neudruck 1955; Karajannis, C., Die Zentralverwaltung des mittelbyzantinischen Reiches, 1949; Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter, 1947; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Pieler, P., Byzantinische Rechtsliteratur, (in) Handbuch der Altertumswissenschaft, XII, 5, 2, 1978, 343; Ohnsorge, W., Abendland und Byzanz, 1979 (Aufsätze); Beck, H., Das byzantinische Jahrtausend, 2. A. 1994; Winkemann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985; Simon, D., Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Schreiner, P., Byzanz, 2. A. 1994, 3. A. 2007; Simon, D., Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Wirth, P., Grundzüge der byzantinischen Geschichte, 2. A. 1989; Ostrogorsky, G., Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, 3. A. 1996; Cutler, A./Spieser, J., Das mittelalterliche Byzanz, 1997; Haldon, J., Byzantium in the Seventh Century, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Norwich, J., Byznanz, 1998; Lilie, R., Byzanz, 1999; Avenarius, A., Die byzantinische Kultur und die Slawen, 2000; Matschke, K./Tinnefeld, F., Die Gesellschaft im späten Byzanz, 2000; Matschke, K. u. a., Die Gesellschaft im späten Byzanz, 2001; Haldon, J., Das byzantinische Reich, 2002; Brandes, W., Finanzverwaltung in Krisenzeiten, 2002; Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565-1453, bearb. v. Dölger, F., 2. A. 2003; Lilje, R., Byzanz, 2003; Lilie, R., Byzanz und die Kreuzzüge, 2004; Der Beitrag der byzantinischen Gelehrten zur abendländischen Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Konstantinou, E., 2006; Lilie, R., Einführung in die byzantinische Geschichte, 2007; Meier, N., Anastasios I. Die Entstehung des byzantinischen Reiches, 2009

 

 

C

 

Caccialupus, Johann Baptista ist ein in San Severino in der Mark Ancona um 1420 geborener, in Perugia ausgebildeter, seit 1452 in Siena lehrender Jurist (Tractatus de modo studendi in utroque iure, De modis arguendi, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 849

Caemmerer, Ernst von (Berlin 17. 1. 1908-Freiburg im Breisgau 23. 6. 1985), Historikerssohn, wird nach dem Studium des Rechts in München und Berlin und der Promotion (1931, Martin Wolff) Assistent und Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und inter­nationales Privatrecht in Berlin (Ernst Rabel) sowie nach der Habilitation in Frankfurt am Main (1946 Walter Hallstein) 1947 Professor in Freiburg im Breisgau. Er wird sehr bedeutsam für die Rechtsvergleichung.

Lit.: Festschrift Ernst von Caemmerer, 1978

Caepolla, Bartholomäus ist ein in Verona um 1420 geborener, in Bologna und Padua ausgebildeter, 1445 promovierter, in Padua, Ferrara, Verona und Padua lehrender, 1475 oder 1477 verstorbener Jurist (De ser­vitutibus, cautelae Caepollae, De contractibus emptionum et locationum, De imperatore militum deligendo, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 843

Caesar (Cäsar), Gaius Iulius (Rom 13. 7. 100–Rom 15. 3. 44 v. Chr.), Neffe des Marius, wird nacheinander Quästor, Ädil, Prätor und Konsul. Zwischen 58 und 51 v. Chr. erobert er Gallien, wobei er auch den Rhein überschreitet und auf die britischen Inseln übersetzt. Nach einem erfolgreichen Bürgerkrieg wird er im Februar 44 Diktator auf Lebenszeit. An den Iden des März wird er ermordet. Durch ihn endet die römische Republik. Literarisch bedeutsam sind seine Kommentare über den gallischen Krieg, die auch über die Germanen berichten.

Lit.: Köbler, DRG 32, 66; Gelzer, M., Caesar, 1921, Neudruck 1983, m. Einführung v. Baltrusch, E., 2008; Walser, G., Caesar und die Germanen, ZRG GA 57 (1974), 275; Meier, C., Caesar, 1982; Julius Caesar, 1992; Christ, K., Caesar, 1994; Jehne, M., Caesar, 1997; Etienne, R., Jules César, 1997; Canfora, L., Caesar, 2001; Zecchini, C., Cesare e il mos maiorum, 2001; Baltrusch, E., Caesar und Pompeius, 2004; Dahlheim, W., Julius Cäsar, 2005; Caesar, hg. v. Baltrusch, E., 2007; Will, W., Veni, vidi, vici. Caesar und die Kunst der Selbstdarstellung, 2008; Will, W., Caesar, 2009

Cahier (M.) de doléances ist das vielleicht schon auf hochmittelalterliche Ansatzpunkte zurückgehende, seit 1427 in ersten Anfängen, 1484 in gedruckter Form erkennbare „Beschwerdeheft“ der ständischen Dele­gierten der Generalstände (états généraux) in Frankreich.

Lit.: Marion, M., Dictionnaire des institutions de la France, 1923, 66

Calenberg ist ein sächsisch-welfisches Teilfürstentum Braunschweig-Lüneburgs, das in verwickelten Nachfolgen im Land → Hannover und damit über Preußen in Niedersachsen (1946) aufgeht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Spieß, W., Die Großvogtei Calenberg, 1933; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Das Calenberger Hausbuch von 1592, bearb. v. Lathwesen, H., 1980

Calonius → Turku

Calvin, Johannes (Jean) (Noyon 10. 7. 1509-Genf 27. 5. 1564) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans und Bourges (1528-1532) und dem Lizentiat in Paris Anhänger der Reformation Martin → Luthers (1533 Flucht aus Frankreich) und beeinflusst von Genf aus Europa von Schottland bis Siebenbürgen. Sein Hauptwerk ist die (lat.) Institutio (F.) religionis christianae (Einrichtung der christlichen Religion, 1536, Endfassung 1559). Der von ihm begründete Calvinismus wirkt sich auf die Gedanken der → Demokratie und des → Widerstandsrechts bedeutsam aus.

Lit.: Köbler, DRG 153; Schulthess-Rechberg, G. v., Luther, Zwingli und Calvin in ihren Ansichten über das Verhältnis von Staat und Kirche, 1909; Bohatec, J., Calvin und das Recht, 1934; Müller, W., Church and State in Luther and Calvin, 1954; Pfisterer, E., Calvins Wirken in Genf, 1957; Staedtke, J., Johannes Calvin, 1969; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Die Schüler Calvins in der Diaspora, hg. v. Lüthi, K. u. a., 1989; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Naphy, W., Calvin, 1994; Spijker, W. v., Calvin, 2001; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004; Persecution and Pluralism, hg. v. Bonney, R. u. a., 2006; Strohm, C., Calvinismus und Recht, 2007; Calvin Handbuch, hg. v. Selderhuis, H., 2008

Cambacérès, Jean-Jacques-Regis de (Mont­pellier 1753-1824), Bürgermeisterssohn, legt nach Tätigkeiten als Anwalt und Richter im Zuge seiner Mitgliedschaft im Konvent (1792) bzw. im Wohlfahrtsausschuss (1794) der französischen Revolution drei Entwürfe (1793, 1794, 1796/1797) für einen → Code civil vor, die sich auch wegen seiner engen Verbindung zu Napoleon maßgeblich auf den 1804 entstandenen Code civil Frankreichs auswirken.

Lit.: Papillard, F., Cambacérès, 1961

cambium (lat. [N.]) → Wechsel

Cambrai

Lit.: Meijers, E./Blécourt, A., Le droit coutumier de Cambrai, Bd. 1f. 1932ff.; Hüttebräuker, Cambrai, Deutschland und Frankreich 1308-1378, ZRG GA 59 (1939), 88

Cambridge am Fluss Cam ist seit 1066 Vorort einer Grafschaft. Seit 1209 erwächst in C. aus der Abwanderung von Lehrern und Studenten aus → Oxford eine Universität. In ihr entstehen 1284 weltliche Studien. Kenn­zeichnend für den Grundsatz der Bildung durch persönlichen Umgang sind die zahlreichen Colleges (1997 27, ca. 12000 Studenten).

Lit.: Emden, A., A biographical register of the University of Cambridge, 1963; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; A History of the University of Cambridge, hg. v. Leader, D. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Sager, P., Oxford and Cambridge, 2003

camerarius (lat. [M.]) → Kämmerer

Canon (lat.-griech. [M.], Regel, Richtschnur, Norm) ist die einzelne Vorschrift in kirchlichen Rechtsquellen. Hiervon leitet sich die Bezeichnung → kanonisches Recht ab.

Lit.: Köbler, LAW; Zechiel-Eckes, K., Die Concordia canonum des Cresconius, 1992; Fowler-Magerl, L., Kanones. Ausgewählte Kanonessammlungen außerhalb Italiens zwischen 1000 und 1140, 1998 (CD)

Canossa Investiturstreit

Lit.: Weinfurter, S., Canossa, 2006; Canossa 1077, hg. v. Stiegemann, C., 2006

Cantiuncula (Chansonette), Claudius (Metz um 1490-Ensisheim 1549) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen und Basel von 1518 bis 1524 in Basel Professor des weltlichen Rechts und übernimmt danach verschiedene Verwaltungsaufgaben und Gerichtstätig­keiten. Seine Schrift (lat.) De ratione studii legalis paraenesis (1522) bietet erstmals einen Plan zur Verbesserung des Rechts in Deutschland nach den Grundsätzen des → Humanismus.

Lit.: Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 44; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962, 355; Kisch G., Claudius Cantiuncula, 1970

Capella (F.) regia (lat. Hofkapelle) ist zunächst die seit etwa 650 den Merowinger­königen eigene Reliquie des Mantels des heiligen Martin, danach der Gebetsraum der Königspfalz und schließlich die Gesamtheit der mit dem König ziehenden Geistlichen (capellani [M.Pl.] Kapellane, bald auch bei anderen Großen). Im ostfränkischen Teilreich wird 965 der Erzbischof von Mainz Erzkaplan und die Hofkapelle zum personalen Aus­gangspunkt des ottonischen → Reichs­kirchen­systems. Mit dem → Inves­titurstreit verliert die c. r. ihre darauf gegründete Bedeutung, bleibt aber als solche bis 1806 bestehen.

Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, Bd. 1f. 1959ff.

Capitaneus (lat. [M.], zu lat. [N.] caput, Haupt) ist allgemein eine Bezeichnung für eine hervorragende Person, die z. B. in Oberitalien (Lombardei bis Toskana) am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) für höhere (städtische) Adlige Verwendung findet (daneben auch in Schwaben, Friesland oder Brandenburg).

Lit.: Köbler, LAW; Meyer, K., Die capitanei von Locarno im Mittelalter, 1916; Stahl, B., Adel und Volk im Florentiner Dugento, 1968; Kamp, N., Konsuln und Podestà, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Drüppel, H., Iudex civitaits, 1981; La vassallità maggiore del Regno Italico, hg. v. Castagnetti, A., 2001

capitis deminutio (lat. [F.]) Herabsetzung der Rechtspersönlichkeit abgestuft bezüglich der Freiheit, des römischen Bürgerrechts oder der Familienzugehörigkeit im römischen Recht

capitula (lat. [N.Pl.]) Kapitel

Capitula (N. Pl.) Angilramni sind die mit mehr als 230 Zitaten in zwei Dutzend der wichtigsten Kirchenrechtssammlungen zwi­schen etwa 850 und 1150 am stärksten rezipierte Fälschung Pseudoisidors und bilden eine wichtige Grundlage für das kirchliche Strafprozessrecht bis zur Gegenwart.

Lit.: Schon, K., Die Capitula Angilramni. Eine prozessrechtliche Fälschung Pseudoisidors, 2006; Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die Collectio Danieliana, 2006

Capitula (N.Pl.) Remedii (lat.) sind die im Südwesten des fränkischen Reiches um 800 erfolgte verkürzende Aufzeichnung des spätrömischen Rechts.

Lit.: Köbler, DRG 81; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

capitulare → Kapitular

Capitulare (N.) de villis (lat.), Kapitular über Königshöfe, ist das in einer Handschrift des zweiten Viertels des 9. Jh.s abschriftlich überlieferte, in 70 Kapitel eingeteilte (berühmteste) Kapitular Karls des Großen aus dem letzten Jahrzehnt des 8. Jh.s, das zur Beseitigung von Missständen die Verwaltung der Königshöfe des gesamten fränkischen Reiches ordnen will (Forst, Ackerbau, Viehzucht, Weinbau, Gärten, Handwerk, Haushaltung, Rechnungslegung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dopsch, A., Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Mayer, T., Das Capitulare de villis, ZRG GA 79 (1962), 1; Brühl, C., Capitulare de villis, 1971; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971; Tautscher, A., Betriebsführung und Buchhaltung in den karolingischen Königsgütern, Vierteljahrschrift f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 61 (1974), 1ff.

Capitulare (N.) Haristallense (lat., Kapitular von Herstal bei Lüttich) ist das im März 779 auf einer Reichsversammlung geschaffene, in vielen jüngeren Abschriften überlieferte sich erstmals als (lat.) Capitulare (N.) bezeich­nende Kapitular. Es enthält kirchliche und weltliche Bestimmungen. Es versucht die Einschränkung der Fehde.

Lit.: Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte, DA 23 (1967), 273; Mordek, H., Karls des Großen zweites Kapitular von Herstal, DA 61 (2005), 1

Capitulare (N.) Saxonicum (lat., sächsisches Kapitular) ist das nach streitiger Ansicht die → Capitulatio de partibus Saxoniae mildernde, in zwei Handschriften überlieferte Kapitular Karls des Großen für Sachsen vom 28. 10.  797.

L.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulareSa­xonicum.htm; Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968; Springer, M., Die Sachsen, 2004

Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (lat.) ist die in einer Handschrift überlieferte, in Kapitel gegliederte, (nach?) 782 entstandene Anordnung Karls des Großen gegenüber den unterworfenen, noch heidnischen Bräuchen (Verbrennen der Hexe, Verbrennen der Leiche [archäologisch für das 8. Jh. kaum nachgewiesen], Menschenopfer [nicht nachgewiesen]) anhängenden → Sachsen, die auffälligerweise sehr häufig die → Todesstrafe androht. Vielleicht ist ihr zweiter Teil erst 803 entstanden.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Capitulatio­departibusSaxoniae.htm; Die Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich, hg. v. Lammers, W., 1970; Schubert, E., Die Capitulatio pro partibus Saxoniae (in) Geschichte in der Region, 1993, 3ff.; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Häßler, H., 1999; Springer, M., Die Sachsen, 2004

Cappenberg

Lit.: Die Viten Gottfrieds von Cappenberg, hg. v. Niemeyer, G. u. a., 2005

Capua

Lit.: Le pergamene di Capua, hg. v. Mazzoleni, J, Bd. 1f. 1957ff.

Carbonaria silva (lat. [F.] Kohlenwald, Erstbeleg 388 n. Chr. bei Sulpicius Alexander) ist der im Frühmittelalter als Grenze bedeutsame Wald von südlich der Sambre bis etwa der Gegend von Löwen. Aus den im (lat.) Pactus (M.) legis Salicae (Tit. 47) genannten unterschiedlichen Fristen wird geschlossen, dass die Aufzeichnung erst nach 507 erfolgt ist, weil erst zu dieser Zeit das Gebiet jenseits der Loire Teil des Reichs der Franken wird. Im 8. Jh. verliert der Wald auch durch Rodungen seine Bedeutung.

Lit.: Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1997

Cardiff am Taff ist 75 n. Chr. Sitz eines römischen Lagers. 1350 gewinnt es Stadtrecht. 1883 erhält es eine Universität.

Carmer, Johann Heinrich Casimir von (Bad Kreuznach 29. 12. 1721-Gut Rützen im Kreis Guhrau 23. 5. 1801), reformierter Hofrats­sohn aus ursprünglich niederländischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Halle 1749 Kammergerichtsreferendar in Preußen, 1763 Präsident der Oberamts­regierung Breslau, 1768 Chefpräsident sämtlicher Oberamtsregierungen in Schlesien und 1779 als Folge der Müller-Arnold-Prozesse Großkanzler und Erster Minister des Justizdepartements (bis 1795). Infolge seines Wirkens wird 1781 das Prozessrecht im (lat.) → Corpus (N.) iuris Fridericianum ([Friedrichsches Rechtskorpus,] Erstes Buch, 1793 überarbeitet in der Form der Allgemeinen Gerichtsordnung) neu geordnet und vor allem durch Svarez die Entstehung des → Allgemeinen Landrechts entscheidend gefördert.

Lit.: Köbler, DRG 140; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 362; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Houwald, G. Frhr. v., Ahnen und Enkel des Johann Heinrich Casimir Graf von Carmer, 1977

Carolina (lat. [F.]) → Constitutio Criminalis Carolina

Carpzov, Benedikt (Wittenberg 27. 5. 1595-Leipzig 30. oder 31. 8. 1666), Sohn eines gleich­namigen Professors der Rechte in Wittenberg, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Leipzig und Wittenberg (Wittenberg 1618 Promotion) 1620 Mitglied des Leipziger Schöffenstuhles, 1644 Hofrat in Dresden, 1644/1645 Professor in Leipzig und 1653 Geheimer Rat in Dresden. In seiner auf sächsische Urteile wie gemeinrechtliche Lehre gegründeten (lat.) Practica (F.) nova imperialis Saxonica rerum criminalium (1635, 9. A. 1695, 12. A. 1751, Neue kaiserlich-sächsische Praxis) bietet er die erste systematische Darstellung des (deutschen) Strafrechts unter Bemühung um Abgrenzung der harten ordentlichen Strafen von den im Ermessen des Gerichts stehenden arbiträren Strafen. Die (lat.) Iuris­prudentia (F.) Romano Saxonica secundum ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae (1638, 8. A. 1721, Römisch-sächsi­sche Rechtswissen­schaft nach den kur­sächsischen Konsti­tutionen) erklärt die kursächsischen Konsti­tutionen an Hand der entschiedenen Fälle. Die (lat.) Iurisprudentia (F.) ecclesiastica consistorialis (1649, 8. A. 1721, konsistorial­kirchliche Rechtswissen­schaft) ordnet einheitlich erstmals das Recht der protestantischen Kirche.

Lit.: Köbler, DRG 144; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Schieckel, H., Benedict I. Carpzov (1565-1624) und die Juristen unter seinen Nachkommen, ZRG GA 83 (1966), 310; Schiekel, H., Alexander Graf zu Dohna als Nachkomme von Benedikt I. Carpzov, ZRG GA 89 (1972), 212; Benedikt Carpzov, hg. v. Schild, W., 1997; Benedict Carpzov, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003

Carta, charta (lat. [F.] Blatt, Urkunde) ist die Urkunde, vor allem die (vom Veräußerer) subjektiv gefasste (und unterschriebene) Geschäftsurkunde (Verfügungsurkunde) des frühmittelalterli­chen Rechtsverkehrs (z. B. des Klosters Sankt Gallen) im Gegensatz zur (lat. [F.] notitia) Beweisurkunde. Seit dem 9. Jh. schwindet die c. Ihre Aufgabe übernimmt im 12. Jh. die Siegelurkunde.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW; Brunner, H., Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880, Neudruck 1961; Zeumer, K., Cartam levare, ZRG GA 4 (1883), 113; Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1951; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977, 190; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977

cartularius (lat. [M.]) mittels Urkunde (lat. carta) Freigelassener

Lit.: Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges Barbarorum, 1991

case-law (engl. [N.]) → Fallrecht

Cassiodor, Flavius Magnus Aurelius Senator (Bruttium vor 490-nach 580), aus in Kalabrien begüterter Familie senatorischen Ranges, 507 (lat.) quaestor, 514 (lat.) consul, 523-527 (lat.) magister officiorum, 533-537 (lat.) praefectus praetorio, ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Spätantike, der auf Grund seiner vorangehenden Verwaltungstätigkeit in seinen Variae (lat. [F.Pl.] [epistulae] verschiedene [Briefe]) die ostgotische Herrschaftspraxis in Italien bis 537 erkennen lässt (um 555 Rückzug in das von ihm gegründete Kloster Vivarium).

Lit.: O`Donnell, J., Cassiodor, 1979; Krautschick, S., Cassiodor und die Politik seiner Zeit, 1983; Meyer-Flügel, B., Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor, 1992; Stüven, A., Rechtliche Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich, 1995; Kakridi, C., Cassiodors Variae, 2005

Cassius, Longinus (1. Jh.), aus alter senatorischer Familie, wird als Schüler des → Sabinus Haupt der römischen Rechtsschule der Sabinianer oder Cassianer. Seine (mindestens 10 Bücher umfassenden) Libri (M.Pl.) iuris civilis (Bücher des römischen Rechts) sind nur mittelbar durch Auszüge überliefert.

Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 130

casum sentit dominus (lat.). Den (Fall bzw.) Zufall fühlt der Eigentümer.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

casus (lat. [M.] Fall, Zufall

caupo (lat. [M.]) Schankwirt

causa (lat. [F.]) Grund, Ursache, Fall

Lit.: Kaser §§ 19, 24, 25, 27, 33, 40, 48; Söllner § 8; Köbler, DRG 44, 61; Fuchs, J., Justa causa traditionis, 1952; Bremkamp, T., Causa. Der Zweck als Grundpfeiler des Privatrechts, 2008

causae (F.Pl.) civiles (lat.) bürgerliche Sachen

causae (F.Pl.) criminales (lat.) Strafsachen

causae (F.Pl.) maiores (lat.) wichtigere Angelegenheiten

causae (F.Pl.) minores (lat.) mindere Angelegenheiten

Cautela (lat. [F.], Vorsicht) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld 1350 deutsch (mit lateinischen Zitaten) verfasste, handschriftlich seit 1382 belegte (8 Handschriften bis 1483) kleine Sammlung von Anweisungen zum vorsichtigen Verhalten vor Gericht (14 Zeilen Vorrede, 97 Zeilen Text, 11 Zeilen Nachrede). → Premis

Lit.: Unger, F., Des Richtes Stig, 1847; Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Ovesfelde, H. v., Die Cautela, 1939; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66

cautio (lat. [F.]) Sicherheitsleistung bzw. das als Stipulation für den Fall eines künftigen Schadens aus einem bestimmten Umstand (z. B. Einsturz eines Gebäudes) abgegebene Leistungsversprechen des römischen Rechts

Lit.: Kaser § 7; Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Köbler, LAW; Salmen-Everinghoff, C., Zur cautio damni infecti, 2009

cautio (F.) Muciana (lat.) mucianische → Sicherheitsleistung, → Mucius Scaevola

Celle

Lit.: Figge, R., Altes Recht in Celle, 1938; Jessen, P., Der Einfluss von Reichshofrat und Reichskammergericht auf die Entstehung und Entwicklung des Oberappellationsgerichts Celle, 1986; Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk Celle, 2006

Celsus, Iuventius (pater) (1. Jh.) ist der als ein Haupt der Prokulianer und als Vater des → Celsus (filius) bekannte klassisch-römische Rechtskundige.

Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 137

Celsus, Iuventius Publius (filius) (2. Jh.), Sohn des Iuventius Celsus (pater), ist der bedeutende Vertreter des hochklassischen römischen Rechts (u. a. [lat.] Libri [M.Pl.] digestorum, Bücher der Digesten) der Zeit Kaiser Hadrians (117-138 n. Chr.), von dem etwa die lateinischen Wendungen Ius est ars boni et aequi (Das Recht ist die Kunst des Guten und Gerechten) und Scire leges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatem (Gesetze kennen bedeutet nicht, ihre Worte zu wahren, sondern ihren Sinn und Zweck) und das (lat.) Senatusconsultum (N.) Iuventianum (129) mit einer Bevorzugung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners im Erbrecht stammen.

Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 146; Hausmaninger, H., Publius Iuventus Celsus, (in) Prescriptive formality, 1994

Centena (lat. [F.]) ist im frühmittelalterlichen Franken und Alemannien eine Verwal­tungseinheit streitigen Inhalts (Erstbeleg 511/558).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Dannenbauer, H., Hundertschaft, centena und huntari, Hist. Jb. 62-69 (1949), 155; Metz, W., Zur Geschichte der fränkischen centena, ZRG GA 74 (1957), 234; Schulze, K., Die Grafschaftsverfassung in den Gebieten östlich des Rheins, 1974; Murray, A., From Roman to Frankish Gaul, Traditio 44 (1988), 59ff.

Centenarius (lat. [M.]) ist in der römischen Spätantike der kaiserliche Beamte mit 100000 Sesterzen Jahresgehalt, im Frühmittelalter bei Westgoten, Langobarden, Bayern, Franken und Alemannen ein niederer königlicher Amtsträger.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des centenarius - Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29 (Diss. phil. Wien 1968); Murray, A., From Roman to Frankish Gaul, Traditio 33 (1988), 59ff.

Cessante ratione legis cessat ipsa lex (lat.). Fällt der Sinn eines Gesetzes weg, fällt das Gesetz selbst weg.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Glosse zu Digesten 35, 1, 72, §6); Krause, H., Cessante causa cessat lex, ZRG KA 46 (1960), 81

cessio (lat. [F.]) Abtretung (einer Forderung) → Zession

Chamave → Ewa Chamavorum

Chambéry in den Voralpen gelangt 1232 an Savoyen. 1761 erhält es eine Universität.

Champagne ist die südwestlich vor den Ardennen liegende Landschaft. Sie fällt 486 n. Chr. von den Römern an die Franken und wird 814 Grafschaft. Diese wird 1314/1361 Krondomäne Frankreichs. Unter Rückgriff auf eine um 1253 entstandene Sammlung der Usages de C. und Einfügung verschiedener höchstgerichtlicher Urteile der Jahre 1270 bis 1295 verfasst wahrscheinlich Guillaume de Châtelet zwischen 1295 und 1300 den Ancien coutumier de C.

Lit.: Portejoie, P., L’ancien coutumier de Champagne, 1956; Bur, M., La formation du comté de Champagne, 1977

Chancengleichheit ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus dem Gleichheits­grundsatz entwickelte Vorstellung, dass in bestimmten Wettbewerbslagen C. hergestellt werden müsse.

Lit.: Bender, R./Schumacher, R., Erfolgsbarrieren vor Gericht, 1980

Charisma (N.) Heil, Ausstrahlungskraft

Charivari (N.) Durcheinander, Wirrwarr, Katzenmusik (Volksbrauch)

Charta der Vereinten Nationen → Vereinte Nationen

Charte constitutionelle (frz. [F.] Verfassungsurkunde) ist die oktroyierte(, bis Juli 1830 geltende) Verfassung des Jahres 1814 in Frankreich.

Chartepartie (aus [lat.] carta [F.] partita, geteilte Urkunde) ist im Seehandelsrecht seit dem Hochmittelalter die Urkunde über die (teilweise) Befrachtung eines Schiffes (vgl. ADHGB von 1861).

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lewis, W., Das deutsche Seerecht, 1883; Wattenbach, W., Das Schiffswesen im Mittelalter, 1896, Neudruck 1958; Scrutton, T., The contract of affreightment, 1939; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine von 1681, 1996; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003

checks and balances Kontrollen und Aus­gleiche durch Gewaltenteilung in der Verfassung

Chemnitz → Hippolithus a Lapide

Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345; Schlesinger, W., Die Anfänge der Stadt Chemnitz, 1952

China (u. a. 1983/1984 in Zhangjiashan im Grab M 247 mehr als 1000 Bambusleisten aus dem 2. Jh. v. Chr. entdeckt mit 70 Prozent Rechtstexten und 227 Bambusleisten mit einem Textkorpus Zouyanshu) (um 1900 starker Einfluss des deutschen Rechts) (1978 offizielle Übernahme westeuropäischen Rechts begonnen, anfangs angloamerikanisch, später auch deutsch)

Lit.: Senger, H. v., Kaufverträge im traditionellen China, Diss. jur. Zürich 1970; Köbler, G., Rechtschinesisch, 2001; Recht und Rechtsgeschichte Chinas, 2002; Lexikon der chinesischen Literatur, hg. v. Klöpsch, V. u. a., 2004; Seyock, B., Auf den Spuren der Ostbarbaren, 2004; Kim, C., Deutscher Kulturimperialismus in China, 2004; Yangwen, Z., The Social Life of Opium in China, 2005; Dabringhaus, S., Geschichte Chinas 1279-1949, 2. A. 2009; Schoettli, U., China, 2007; China, hg. v. Staiger, B. u. a., 2006; Schmidt-Glintzer, H., Kleine Geschichte Chinas, 2008; Schmieder, F., Marco Polo (1254-1324), 2009

Chirographum (lat.-gr. [N.] Handgeschrie­benes) ist in der römischen Antike die (eigenhändig geschriebene, subjektiv gefasste) Papyrusurkunde. Von England (Mitte 9. Jh.) aus wird c. später zur Bezeichnung für die in zwei Ausfertigungen auf einem danach zer­schnittenen Blatt hergestellte Urkunde über ein mehrseitiges Rechtsgeschäft (854/855?, Saint Bertin 944, Trier 967). Seit dem 14. Jh. wird das c. bei siegelführenden Beteiligten durch die Siegelurkunde, im Übrigen durch die Urkunde öffentlicher Notare zurückgedrängt, bleibt aber bis zum 18. Jh. in Gebrauch. → Chartepartie

Lit.: Kaser §§ 7, 40; Köbler, DRG 43; Köbler, LAW; Redlich, O., Die Privaturkunde des Mittelalters, 1911; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1, 2. A. 1912, 699; Trusen, W., Chirographum und Teilurkunde im Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 233; Parisse, M., Remarques sur les chirographes, AD 32 (1986), 546ff.; Anglo-Saxon Manuscripts and their Heritage, hg. v. Pulsiano, P. u. a., 1998

Chlodwig (Chlodowech, 466-511), merowingischer König der Franken (482-511)

Lit.: Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 3. A. 1997

Chorbischof (Landbischof) ist im oströmischen Reichsteil der ursprünglich gleichberechtigte Gehilfe des städtischen Bischofs für das Landgebiet der Diözese. Seit der Mitte des 8. Jh.s erscheint unter angelsächsischem Einfluss ein C. im Westen, der seit dem 9. Jh. aber wieder schwindet (Konzil von Metz 888).

Lit.: Gottlob, T., Der abendländische Chorepiskopat, 1928, Neudruck 1963; Müller, J., Gedanken zum Institut der Chorbischöfe (in) FS K. Pennington, 2006, 77ff.

Chorherr ist der (Kanoniker bzw.) Kleriker, der Mitglied eines an einer Kirche bestehenden Kapitels (mit Sitz im Chor) ist. Ansätze zu einer solchen Gemeinschaft zeigen sich schon bei Bischof Eusebius von Vercelli (um 283-371). Das Frühmittelalter entwickelt hierfür besondere Regeln bzw. canones (z. B. Chrodegang von Metz um 755 regula canonicorum, Konzil von Aachen 816). Die frühhochmittelalterliche Kirchenreform führt zur stärkeren Regulierung (grego­rianische Reform). Im 12. Jh. werden Empfehlungen des heiligen Augustinus besonders aufgegriffen (Augustinerchorherr).

Lit.: Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland, 1976; Lawrence, C., Medieval Monasticism, 2. A. 1989, 163; Crusius, I., Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, 1985; Die Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003

Chrenecruda (afrk. „reine Erde“?) ist die in Titel 58 des salfränkischen Volksrechts (Pactus legis Salicae) erwähnte, den leistungsunfähigen Wergeldschuldner betref­fende → malbergische Glosse, die sich auf ein vielleicht neu geschaffenes, nur kurze Zeit bezeugtes oder vielleicht auch aus einer magischen Zauberhandlung übernommenes Formalverhalten bezieht.

Lit.: Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Goldmann, E., Chrenecruda-Studien zum Titel 58 der Lex Salica, 1931; Schmidt-Wiegand, R., Chrenecruda, FS G. Schmelzeisen, 1980, 252

Christentum ist die Gesamtheit des christlichen Glaubens und seiner Anhänger. Unter Fortführung jüdischer Vorstellungen des alten Testamentes geht das C. davon aus, dass sein Stifter Jesus Christus als Sohn Gottes durch seinen Tod am Kreuz die Menschen von ihrer Sündigkeit erlöst hat. Die daran anknüpfenden Gedanken breiten sich im römischen Reich so rasch aus, dass der Staat seit der Mitte des 3. Jh.s das C. entschieden verfolgt. Durch das Toleranzedikt Kaiser Konstantins (311) wird das C. gleich­berechtigter Kult, durch Theodosius I. 380 Staatsreligion. Seit dem Ausgang des Altertums greift das C. vor allem auf die germanischen Völker über. Spaltungen (1054 und 1517) führen zu den besonderen Bekenntnissen der Katholiken, Orthodoxen und Protestanten. In der Neuzeit verbreitet sich das C. mit der Entdeckung neuer Länder und der Gewinnung von Kolonien über die ganze Erde. Bereits kurz nach seiner Entstehung entwickelt das C. ausgeprägte rechtliche Regeln (→ kirchliches Recht), die in vielen Hinsichten das weltliche Recht mitgestalten.

Lit.: Söllner §§ 19, 20, 21; Köbler, DRG 51, 68, 99, 146; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 772; Bultmann, R., Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, 4. A. 1976; Biondi, B., Il diritto romano cristiano, 1952ff.; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Deschner, K., Kriminal­geschichte des Christentums, 1988ff.; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Mayeur, J. u. a., Bd. 8 1992, Bd. 10 1999; Geschichte des Christentums, hg. v. McManners, J., 1993; Andresen, C./Ritter, A., Geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1993ff.; Crossan, J., Der historische Jesus, 1994; Fontes christiani, hg. v. Brox, N. u. a., 1995ff.; Winkelmann, F., Geschichte des frühen Christentums, 1996; Glaser, F., Frühes Christentum im Alpenraum, 1997; Barton, P., Geschichte des Christentums in Österreich und Südostmitteleuropa, 1997; Padberg, L. v., Die Christianisierung Europas, 1998; Lang, B., Heiliges Spiel, 1998; Gnilka, J., Die frühen Orden, 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Bauer, J. u. a., 1999; Metzler Lexikon christlicher Denker, hg. v. Vinzent, M., 2000; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Pietri, L., Bd. 3 2000; Lee, A., Pagans and Christians in Late Antiquity, 2000; Mission und Christianisierung am Hoch- und Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a. 2000; Lüdemann, G., Das Urchristentum, 2002; Jensen, A., Frauen im frühen Christentum, 2002; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Koch, S., Rechtliche Regelung von Konflikten im frühen Christentum, 2003; Tamcke, M., Das orthodoxe Christentum, 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004; Moeller, B., Geschichte des Christentums in Grundzügen, 8. A. 2004; Zschoch, H., Die Christenheit im Hoch- und Spätmittelalter, 2004; Drobner, H., Lehrbuch der Patrologie, 2. A. 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004; Bonifatius, hg. v. Felten, F., 2004; The Spread of Christianity in the first four Centuries, hg. v. Harris, W., 2005; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Markschies, C., Das antike Christentum, 2006; Seebaß, G., Geschichte des Christentums, Bd. 3 2006; Engberg, J., Impulsore Chresto, 2007; Judge, E., The First Christians in the Roman World, 2008 (Aufsätze); Habermas, R., Mission im 19. Jahrhundert, HZ 287 (2008), 629

Chronik (F.) zeitlich geordnete Aufzeichnung (Eusebius [um 325], Hieronymus [um 378], Paulus Orosius [417], Isidor von Sevilla [um 627], Regino von Prüm, Frutolf von Michelsberg, Kaiserchronik [1140/1150], Otto von Freising, sächsische Weltchronik [um 1230?], Magdeburger Weichbildchronik [1235-1250], Martin von Troppau)

Lit.: Schmidt, H., Die deutschen Städtechroniken, 1958; Krüger, K., Die Universalchronik, 1976ff.; Schwäbische Chroniken der Stauferzeit, 1978; Schmale, F., Funktion und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung, 1985; Sprandel, R., Chronisten als Zeitzeugen, 1994; Van Houts, E., Local and Regional Chronicles, 1995; Naß, K., Die Reichschronik des Annalista Saxo, 1996; Hauptwerke der Geschichtsschreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichts­bewusstsein im hohen Mittelalter, 1999; Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, 2000; Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz 1054-1100, hg. v. Robinson, I., 2003; Hessische Chroniken zur Landes- und Stadtgeschichte, hg. v. Menk, G., 2003; Ebendorfer, Thomas, Chronica regum Romanorum, hg. v. Zimmermann, H., 2003; Von Fakten und Fiktionen, hg. v. Laudage, J., 2003; Die Reichschronik des Anna­lista Saxo, hg. v. Naß, K., 2006

Chronologie (F.) ist das geordnete Wissen um die Zeit (Zeitkunde). In der C. wird die Zeit der Jahre vielfach von einem mythischen Beginn an gezählt (z. B. von der Schöpfung an oder vom angeblichen Gründungsdatum Roms [753 v. Chr.]). Julius Caesar geht dabei (46 v. Chr.) von drei Jahren zu 365 Tagen und einem Jahr von 366 Tagen, einem Jahresbeginn am 1. Januar und 12 Monaten aus. Die Rechnung der Jahre nach Christi Geburt leitet sich von den Ostertafeln des Dionysius Exiguus (525) her, die sich zu Beginn des 8. Jh.s in England durchsetzt und von dort auf das Reich der Franken übergreift. Regino von Prüm datiert ab Christi Geburt und wendet damit als erster in der Weltgeschichtsschreibung die durch­gehende Zählung nach Inkarnationsjahren an. Wegen der 11 Minuten und 14 Sekunden das Sonnenjahr überschreitenden tropischen Jahres des julianischen Kalenders (ein Tag in 128 Jahren), folgt in der Reform des Jahres 1582 (gregorianische Kalenderreform mit einer fehlerhaften Abweichung von einem Tag in 3323 Jahren) auf den 4. Oktober der 15. Oktober. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden auch die vorchristlichen Jahre nach Christi Geburt gezählt. Eine internationale Standaridiserung geht in der Gegenwart von der Schreibweise Jahr, Monat, Tag (z. B. 2008-02-21) aus.

Lit.: Grotefend, H., Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 1891ff., Neudruck 1970; Grotefend, H., Taschenbuch der Zeitrechnung, 1898, 14. A. 2007; Rühl, F., Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit, 1897; Mahler, E., Handbuch der jüdischen Chronologie, 1919, Neudruck 1967; Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Brincken, A. v. d., Historische Chronologie des Abendlandes, 2000

Chur

Lit.: Casparis, H., Der Bischof von Chur als Grundherr, 1910; Jecklin, F., Die Churer Waisenpflege, 1920; Deplazes, L., Reichsdienste und Kaiserprivilegien, 1973

Cicero, Marcus Tullius (106-43 v. Chr.), Schüler des Mucius augur und des Mucius Scae­vola, ist der bedeutendste Gerichtsredner und politische Schriftsteller der römischen Antike, der vor allem das griechische Rechtsdenken aufgreift und weitergibt. Insbesondere der Schrift De officiis (Von Pflichten) gelingt die Vermittlung der Natur­rechtsidee an die spätere Zeit.

Lit.: Söllner §§ 7, 9, 11, 12; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Cicero als Advokat, 1965; Mitchell, T., Cicero, 1991; Fuhrmann, M., Cicero und die römische Republik, 4. A. 1997; Marcus Tullius Cicero, Die Prozessreden, hg. v. Fuhrmann, M., 1997; Kurczyk, S., Cicero und die Inszenierung der eigenen Vergangenheit, 2006; Res publica und Demokratie, hg. v. Richter, E. u. a., 2007; Fox, M., Cicero’s Philosophy of History, 2007

Cinus (de Sighibuldis) da Pistoia (Pistoia 1270-1336/1337), Sohn eines Notars, wird nach dem Studium des weltlichen Rechts in Bologna Anhänger Heinrichs VII. Nach der Promotion (1314) schließt er sich der päpstlichen Partei an und wird Professor in Siena (1321-1323, 1324-1326), Perugia (1326-1330, 1332-1333), Neapel (1330-1331) und Bologna (1333-1334). Sein Hauptwerk ist der um 1312 bis 1314 verfasste Kommentar zum Codex, neben dem Glossen, quaestiones, consilia und ein Traktat De successione ab intestato stehen.

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. 1834ff., 6, 7; Chiapelli, L., Vita e opere, 1881; Libertini, V., Cino da Pistoia, 1974; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 633

Cisleithanien ist die nichtamtliche Be­zeichnung der Länder Österreichs diesseits des Flusses Leitha (Niederösterreich, Ober­österreich, Steiermark, Kärnten, Krain, Küstenland, Dalmatien, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien und Bukowina [im Gegensatz zu Transleithanien]), die bis 1915 als die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Län­der umschrieben und dann als Kaisertum Österreich benannt werden.

Lit.: Zöllner, E., Der Österreichbegriff, 1988

Civilian ist im englischen Recht die Bezeichnung für den im römischen Recht (civil law) ausgebildeten Juristen.

Lit.: The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997

civis (lat. [M.]) Bürger

Lit.: Kaser; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964

civis (M.) Romanus (lat.) römischer → Bürger

civitas (lat. [F.]) Völkerschaft, Bürgerschaft

Lit.: Rietschel, S., Die civitas auf deutschem Boden, 1894, Neudruck 1978; Brühl, C., Palatium und civitas, 1975

civitas [F.] imperii (mlat.) Reichsstadt

clam (lat.) heimlich

clausula (lat. [F.]) Klausel

clausula (lat. [F.]) arbitraria Ermessenklausel des römischen Rechts (z. B. auf Herausgabe einer Sache) in der Klageformel

Clausula (F.) rebus sic stantibus (lat.) ist die Vorbehaltsklausel der unveränderten Sachlage (Augustin von Leyser [1683-1752] omne pactum rebus sic stantibus intelligendum est, jeder Vertrag muss unter gleichbleibenden Voraussetzungen betrachtet werden). Sie geht im 20. Jh. in der Lehre vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dießelhorst, M., Die Geschäftsgrundlage, (in) Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, 1980, 153; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsge­schichte, 4. A. 1985; Köbler, R., Die clausula rebus sic stantibus, 1991

Clementinen (Clementinae) sind die von Papst Clemens V. (1305-1314) unter Verzicht auf Ausschließ­lichkeit gesammelten, meist auch von ihm erlassenen, von Papst Johannes XXII. (1316-1334) am 23. 10. 1317 (Bulle Quoniam nulla) in 106 Kapiteln herausgegebenen → Dekretalen, die den letzten Teil des (lat.) → corpus (N.) iuris canonici bilden (Zitierweise Clem. 2. 11. 2). Die 1326 abgeschlossene Bearbeitung durch Johannes Andreae wird zur (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentlichen Glosse).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 102; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Tarrant, J., Constitutiones Clementinae, ZRG KA 70 (1984), 67ff., 71 (1985), 76ff.

clientes (lat. [M.Pl.]) Klientel, geschützte Abhängige, Anhänger, Dienstleute

Lit.: Patronage in Ancient Society, hg. v. Wallace-Hadrill, A., 1990

Cluny (nordwestlich Mâcons) in Burgund ist die vom Herzog von Aquitanien am 11. 9. 910 gegründete Benediktinerabtei, die im 10. Jh. zum Mittelpunkt einer kirchlichen Reformbewegung (kluniazensische Kirchen­reform) mit rund 300 angeschlossenen Männerklöstern und Frauenklöstern wird. Das Kloster wird 1790 aufgehoben. Die Kirche wird anschließend bis auf einen Querhausarm abgerissen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hallinger, K., Gorze-Kluny, Bd. 1f. 1950, Neudruck 1971; Cluny im 10. und 11. Jahrhundert, hg. v. Wollasch, J., 1970; Kohnle, A., Abt Hugo von Cluny (1049-1100), 1993; Wollasch, J., Cluny, 1996; Les plus anciens documents originaux, hg. v. Atsma, H. u. a., 1997ff.; Racinet, P., Crises et renouveau, 1997; Poeck, D., Cluniacensis ecclesia, 1998; Die Cluniazenser in ihrem politisch-sozialen Umfeld, hg. v. Constable, G. u. a., 1998; Prat, D., Études clunisiennes, 2002; Baud, A., Cluny, 2003; Barret, S., La mémoire et l’écrit, 2004

Coburg

Lit.: Das älteste Coburger Stadtbuch 1388-1453, bearb. v. Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977

Cocceji, Samuel von (Heidelberg 20. 10. 1679-Berlin 4. 10. 1755), Sohn des Völker­rechtsprofessors Heinrich von Cocceji (Bremen 25. 3. 1644-Frankfurt an der Oder 18. 8. 1719), wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder dort (1702) Professor, tritt aber wenig später in den Justiz- und Verwaltungsdienst Preußens (1711-1713 Delegierter Preußens am Reichskammer­gericht in Wetzlar, 1713 Präsident des Kammergerichts in Brandenburg, 1727 Etatminister, 1731 Präsident des Oberap­pellationsgerichts, 1. Juni 1738 chef de justice, Justizminister), wo er 1747 Großkanzler wird. Auf ihn gehen die 1747/1748 erschienenen Gerichtsordnungen (Projekt des Codicis Fridericiani Pomeranici, Projekt des Codicis Fridericiani Marchici) zurück (1746 Abschaffung der Akten­versendung), während der Versuch einer Neuordnung des materiellen Rechts auf der Grundlage der dem römischen Recht entnommenen naturrechtlichen Grundsätze (Projekt des Corpus juris Fridericiani, Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, Obligationenrecht 1753 bei Versendung verloren) im Ergebnis scheitert. Von beachtlichem Erfolg gekrönt ist die praktische Vereinheitlichung der bestehenden Gerichts­verfassung (u. a. feste Richterbesoldung, 1755 Justizprüfungskommission, Verbot der Aktenversendung, geordneter dreistufiger Instanzenzug).

Lit.: Köbler, DRG 140; Codex Fridericianus Marchicus, 2000 (Einführung durch Mohnhaupt, H.); Trendelenburg, F., Friedrich der Große und sein Großkanzler Samuel von Cocceju, 1964; Neufeld, H., Die fridericianische Justizreform, Diss. jur. Göttingen 1910; Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Weill, H., Frederick the Great and Samuel von Cocceji, 1961

Code civil ist das (am 24. 3.) 1804 geschaffene Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs. Nach ersten vergeblichen Versuchen unter König Heinrich III. (1574-1589), das hinsichtlich einer Linie Bordeaux-Lyon-Genf südliche droit écrit (Schriftrecht römischer bzw. westgotischer bzw. bur­gundischer Herkunft) mit dem nördlichen droit coutumier (Gewohnheitsrecht über­wiegend fränkischer Herkunft) zu verbinden,  greift die französische Revolutionsbewegung trotz Fehlens von Vorarbeiten auch die Forderung nach bürgerlicher Neuordnung des Rechts auf und bestimmt in der Verfassung des Jahres 1791, dass ein Code des lois civiles communes à tout le royaume (Buch der dem gesamten Königreich gemeinsamen bürger­lichen Gesetze) geschaffen werden soll (il sera fait). Nach vier erfolglosen Entwürfen (1793 [Gleichberechtigung der Ehegatten, einfache Scheidung, Zersplitterung der Erbschaft durch gesetzliche Erbfolgeteilung, Adoption], 1794 und 1796 durch Cambacérès, 1798-1799 durch Target) wird hierfür am 12. 8. 1800 eine von der Regierung abhängige Kommission (vier ehemalige Rechtsanwälte Tronchet, Portalis, Bigot de Préameneu, Maleville) eingesetzt, die in vier Monaten einen Entwurf anfertigt. Napoleon selbst nimmt an 59 bzw. 55 von 102 bzw. 107 Sitzungen des Staatsrats teil, bezieht zu 89 Themenbereichen Stellung und setzt sich in 59 Fragen durch. Die nach Beratung seit 1803 erscheinenden 36 Einzelgesetze (Ver­ordnungen) fasst ein Gesetz vom 21. 3. 1804 (unter Abschaffung des alten Rechts) als Code civil des Français zusammen (1807 Code Napoléon, 1816 Code civil, 1852 Code Napoléon, 1870 Code civil). Der C. c. umfasst 2281 Artikel, die in (einen Titre préliminaire und) drei Bücher (Personen, Güter und Eigentumsabwandlungen, Eigentumserwerbs­gründe) geteilt sind. Die Bestimmungen verwirklichen antifeudalistische, egalitäre und zentralistische Grundsätze der Revolution, bewahren aber auch in gewissem Umfang fränkisches bzw. germanisches Gedankengut (Grundwerte Rechtseinheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Laizität, kennzeichnend sind Säkularisierung des Zivilstands und der Ehe, beschränkte Scheidungsfreiheit, starke väter­liche Gewalt, ungleiche Stellung unehelicher Kinder, Verbot der Vaterschaftsuntersuchung, Eigentum, Vertragsfreiheit, Deliktshaftungs­generalklausel, Gleichheit der Erbschaft, großer Pflichtteil). Sie treten außer in Belgien, Genf, Piemont, Italien (bis 1813) und Holland sowie im Großherzogtum Warschau (später Königreich Polen) und kurzfristig im Villacher Kreis und in Osttirol auch in den links­rheinischen Annexionsgebieten in Kraft, sowie überwiegend nur kurzzeitig 1810 (13. 12. 1810/29. 5. 1811-1. 10. 1814 [Oldenburg], 27. 5. 1814 [Hamburg], 4. 5. 1814 [Lübeck], 13. 8. 1814 [Bremen]) im Lippe-Departement und im Hansischen Departement, 1808 im Königreich Westphalen (1. 1. 1808-9. 9. 1814), 1810 im Großherzogtum Berg (1. 1. 1810), 1808 in Aremberg (1. 7. 1808-11. 9. 1814), 1810 in Baden (1. 1. 1810), 1811 in Frankfurt am Main (1. 10. 1811-1. 2. 1814) und Anhalt-Köthen (1. 3. 1811-1. 1. 1812), 1812 in Nassau (1. 1. 1812-1. 1. 1814) und 1808 in Danzig (21. 7. 1808-1815). Bis zum 31. 12. 1899 bleibt der C. c. in Geltung (linksrheinisch) in der preußischen Rheinprovinz, in Rheinhessen, Birkenfeld, Rheinbayern, (rechts­rheinisch) in Berg und in Baden (1/6 des Reichsgebietes mit ca. 8 Millionen Einwohnern). Darüber hinaus beeinflusst der C. c. mehr oder weniger stark die gesamte spätere privatrechtliche Gesetz­gebung vieler Länder (Luxemburg, Belgien 1830, Niederlande bis 1838, Italien 1865-1940, Schweiz, Spanien 1889, Portugal 1867, Südamerika und Mittelamerika (Haiti 1825, Mexiko-Oaxaca 1828, Bolivien 1830, Costa Rica 1841, Peru 1852, Chile 1855, Mexiko 1870, Argentinien 1871, Brasilien 1916, Peru 1936), Louisiana 1808, 1825, Rumänien 1863/1865, Ägypten 1865, Quebec 1866, französische Kolonien in Afrika). Durch Novellen ist der C. c. an geänderte Vorstellungen angepasst (z. B. 1807 Majorat, 1816 Verzicht auf die Scheidung, 1819 Streichung des Erbverbots für Ausländer, dann Aufhebung des bürgerlichen Todes und des körperlichen Zwanges, 1884 Ehe­scheidung, 1896 und 1912 Verbesserung der Rechtsstellung unehelicher Kinder, 1907 Recht der Ehefrau auf Arbeitslohn, 1938 Geschäftsfähigkeit und Prozessfähigkeit der Ehefrau, Familienrecht, Gleichheitsgrundsatz, 1999 pacte civil de solidarité, 200 Jahre nach Inkrafttreten noch etwa die Hälfte des ursprünglichen Textes in manchmal destruk­turierter Fassung in Kraft), durch neue Codes (z. B. Code de la propriété intellectuelle, Code de consommation, Code de assurances) in seiner Bedeutng geschwächt.

Lit.: Söllner §§ 1, 16; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 180, 184, 205; Zachariae von Lingenthal, K., Handbuch des französischen Civilrechts, 1808, 8. A. 1894; Fenet, P., Recueil complet des travaux préparatoires du Code civil, 1827; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechts, ZRG GA 69 (1943), 137; Böhmer, G., Der Einfluss des Code civil auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, AcP 151 (1950/1), 289; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967), 241; Arnaud, A., Les origines doctrinales du Code civil français, 1969; Arnaud, A., Essai d’analyse structurale du Code civil français, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977; Theewen, E., Napoleons Anteil am Code civil, 1991; Gross, N., Der Code Civil in Baden, 1993; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Code Napoléon. Badisches Landrecht, bearb. v. Müller-Wirth, C. u. a., 1997; Caroni, P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998; Halpérin, J., Le Code civil, 2. A. 2003; Bürge, A., Zweihundert Jahre Code civil des Français, ZeuP 2004, 5; Le Code civil 1804-2004. Livre du bicentenaire, 2004; Le code civil 1804-2004. Un passé, un présent, un avenir, hg. v. Lequette, Y., 2004; Les Français et leur Code civil. Bicentenaire du Code civil 1804-2004, 2004 ; Code civil (Text imprimé). Les défis d’un nouveau siècle, 2004; Witz, C. u. a., Der französische Code civil, NJW 2004, 3757; Le Code Napoléon, hg. v. Beauthier, R., 2004; Richterliche Anwendung des Code civil in seinen europäischen Geltungsbereichen außerhalb Frankreichs, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 2006 (S. 21 Angabe der Übersetzungen ins Deutsche); Zweihundert (200) Jahre Code civil, hg. v. Schubert, W. u. a., 2006; Le Bicentenaire du Code civil, hg. v. Witz, C., 2006 ; Geyer, S., Den Code civil richtiger auslegen, 2008

Code de commerce ist das 1807 geschaffene Handelsgesetzbuch Frankreichs.

Code de procédure civile ist das die ersten den gemeinsamen römisch-kanonischen Pro­zess seit 1667 durch mündliche Verfahren und integriertes Beweisverfahren reform­ierenden königlichen Gesetze (ordon­nances) verstärkende Zivilprozess­gesetzbuch Frank­reichs von 1806 (öffentliches, mündliches Verfahren, Verhandlungsmaxime, passive Rolle des Richters, unmittelbare Beweis­aufnahme, Anwaltszwang, Prinzip zweier Instanzen, obligatorischer Vergleichs­versuch, Notwendigkeit der Urteilsbegrün­dung), das 1958 tiefgreifend verändert und 1976/1981 durch einen Nouveau Code de procédure civile mit erheblichen Erwei­terungen der richterlichen Befugnisse ersetzt wird.

Lit.: Köbler, DRG 141; Boncenne, P., Théorie de la procédure civile 1828; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985; Conod, P., Le Code de procedure civile vaudois, Diss. jur. Lausanne 1986; 1806 - 1976 – 2006; De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006

Code Napoléon ist der zu Ehren Napoleons vergebene, kurzzeitig (1807-1811, 1852-1870) gültige Name des → Code civil.

Lit.: Köbler, DRG 141; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG 31 (1910), 182; Astuti, G., Il „Code Napoléon“ in Italia, ASD 14-17 (1970-3), 1; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 1973; Cabanis, A./Cabanis, D., Code Napoléon et Code Civil vaudois, (in) Mélanges dédiés à Marty, G., 1978; Gross, N., Der Code Napoléon in Baden, 1997

Code pénal ist das Strafgesetzbuch Frank­reichs von 1810, das seit 1989 erneuert wird.

Lit.: Köbler, DRG 141; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002

codex (lat. [M.] Klotz, Scheit Holz, von Holzbrettchen umschlossener Beschreibstoff, Beschriftungstafel für Schriftrollen, Tafel, verbundene Mehrheit von Tafeln oder Pergamentstücken, Buch (als günstiger Alternative zur Schriftrolle, bereits im 2. Jh. n. Chr. in der christlichen Literatur ziemlich verbreitet, für Texte von Rechtskundigen vielleicht seit Anfang des 4. Jh.s)

Codex (lat. [M.]) ist allgemein das umfassende Buch von Gesestezn bzw. Konstitutionen (Gesetzbuch) im Gegensatz zum Einzelgesetz (lat. [F.] constitutio). Im Besonderen ist C. das kompilatorische, (römischrechtliche) Buch der Gesetze (Konstitutionen) (Gesetzbuch) des oströ­mischen Kaisers → Justinian (527-565). Dieser lässt ab 13. 2. 538 (Konstitution [lat.] De novo codice componendo, Über den neu zusammenzustellenden C.) von einer zehnköpfigen Kommission unter der Leitung Tribonians aus dem Codex Gregorianus, dem Codex Hermogenianus und dem Codex Theodosianus die als noch brauchbar angesehenen Konstitutionen (Gesetze) der römischen Kaiser (ab Hadrian) unter Tilgung von Widersprüchen in einem nur im Index der Titelrubriken und Inskriptionen von Buch 1, 11-16 (im Papyrus Oxy 15, 1814) und im Übrigen nicht erhaltenen Codex (Iustinianus) (vetus) (veröffentlicht unter dem 7. 4. 529) zusammenstellen und 534 durch Tribonian, Dorotheus und drei Anwälte überarbeiten (Codex repetitae praelectionis, Gesetzbuch der wiederholten Vorlesung, 16. 11. 534). Dieser durch Bruchstücke eines Palimpsestes des 6. oder 7. Jh.s und jüngere, ebenfalls jeweils unvollständige Handschriften (Ende 11. Jh.) fast vollständig handschriftlich überlieferte C. enthält, eingeteilt in 12 Bücher (Buch 1 Kirche, Staat, Verfahren, Bücher 2-8 Privatrecht, Buch 9 Strafe, Bücher 10-12 Verwaltung) und (insgesamt 763 bzw. 765) Titel (zitiert als C. nach Buch, Titel [in Ediktsordnung] und Konstitution sowie gegebenenfalls Paragraph, z. B. C. 6, 30, 1) in chronologischer Reihenfolge ungefähr 4600 Konstitutionen hauptsächlich Diokletians (284-305, 1200, Severerkaiser 880, Konstantin 200, Theodosius I. und Theodosius II. 550, Justinian 400) mit insgesamt etwa 400000 (407860?) Wörtern. Im Mittelalter werden als C. nur die ersten neun Bücher gezählt, während das übrige zum → Volumen (parvum) gerechnet wird.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner § 15; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Codex (M.) Austriacus (lat.) (1704, 1748, 1752, 1777) ist die erste noch private und unvollständige Gesetzessammlung für → Österreich (unter und ob der Enns).

Lit.: Köbler, DRG 145; Baltl/Kocher; Guarient, F. v., Codex Austriacus, Bd. 1f. 1704

Codex (M.) Euricianus (lat.) ist das möglicherweise nach älteren Einzelgesetzen um 475/476 unter dem westgotischen König Eurich entstandene, in einer Palim­psesthandschrift erhaltene Gesetzbuch der Westgoten, das formal wie inhaltlich vom römischen Recht beeinflusst ist. → Lex Visigothorum

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Gaudenzi, A., Nuovi frammenti, Rivista italiana per le scienze giuridiche 6 (1888); Schiller, F., Das erste Fragment des Codex Euricianus, ZRG GA 30 (1909), 18; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; El codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960

Codex (M.) Fridericianus Marchicus s. Project des Codicis Fridericiani Marchici

Codex (M.) Gregorianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger Gregorius (Leiter der Kanzlei a libellis von 284 bis 287 und von 289 bis 290?) privat erstellte, in Bücher und Titel gegliederte, dort chronologisch gereihte, nur bruchstückweise (in den fragmenta Vaticana und in Auszügen in der Lex Romana Visigothorum) erhaltene, bis Mai 291 reichende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) der römischen Kaiser von Hadrian (117-138) bis Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. → Codex [Justinians]) verwertet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80

Codex (M.) Hammurapi → Hammurapi

Codex (M.) Hermogenianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger (Leiter der Kanzlei a libellis im Osten von 293 bis 295 und vielleicht auch im Westen 291 und von 295 bis 298) und bekannten Rechtskundigen namens → Hermogenian privat erstellte, in Titel gegliederte, später ergänzte, nur bruch­stückweise erhaltene, die Jahre 293 und 294 erfassende Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) des römischen Kaisers Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. → Codex) verwertet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80

Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (lat.) ist das von → Kreittmayr geschaffene, am 7. 10. 1751 für → Bayern veröffentlichte Gesetzbuch des Strafrechts (Teil 1) und Strafprozessrechts (Teil 2). Der C. beseitigt zwar die Rechtszersplitterung, hält aber an Ketzerei, Zauberei, Hexerei und Aberglauben als Straftaten, an grausamen Strafen und an der Folter fest. Er gilt bis 1813.

Lit.: Pfeitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988

Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (lat.) ist das von → Kreittmayr aus bayerischem Recht (meist von 1616) und gemeinem Recht (z. B. über Klage, Provokationsprozess, Wirkungen der Ladung, Urheberbenennung, Rechtskraft, Restitution, Syndikatsklage, Immission) ge­schaffene, gegenüber einem Entwurf deutlich veränderte, 1753 in Kraft gesetzte, klare und fast lückenlose, Prozesse erfolgreich abkür­zende Zivilprozessgesetzbuch → Bayerns, das sich um eine Abkürzung des gemeinen Zivilprozesses bemüht und bis 1. 7. 1870 gilt.

Lit.: Schwartz, J., 400 Jahre deutsche Civilprozessgesetzgebung, 1898, 254; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schöll, W., Der Codex iuris bavarici iudiciarii, Diss. jur. München 1965; Codex iuris Bavarici judiciarii, hg. v. Schubert, W., 1993; Seuffert, J. u. a., Kommentar über die bayerische Gerichtsordnung, Bd. 1ff. 2. A. 1853ff., Neudruck 1993

Codex (M.) iuris canonici (lat.) ist das im 20. Jh. geschaffene Gesetzbuch der katholischen Kirche. Von Papst Pius X. 1904 durch → Gasparri in die Wege geleitet und von einer Kommission ausgearbeitet, wird es am 27. 5. 1917 zum 18./19. 5. 1918 in fünf Büchern (allgemeiner Teil, Personenrecht, Sachen­recht, Prozessrecht, Strafrecht) in Kraft gesetzt. Hieran schließt sich (25. 1. 1983 promulgiert, 27. 11. 1983 in Kraft) 1983 eine seit 1959 vorbereitete Neufassung an (allgemeine Normen, Kirchenverfassung, Verkündigungsdienst der Kirche, Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen, Prozess). Daneben steht für 29 katholische Ostkirchen der am 18. 10. 1990 promulgierte und am 1. 10. 1991 in Kraft getretene (lat.) Codex (M.) canonum ecclesiarum orientalium (Gesetzbuch der Bestimmungen der östlichen Kirchen).

Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 205, 266; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, P., 1917; Stutz, U., Der Geist des Codex iuris canonici, 1918; Codicis iuris canonici fontes, cura Gasparri, P., Bd. 1ff. 1923ff.; Le droit et les institutions de l’église catholique latine de la fin du XVIIIe siècle a 1878, 1981; Codex des kanonischen Rechtes, hg. im Auftrag der deutschen und Berliner Bischofskonferenz, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici, Stichwortverzeichnis, 1986

Codex (M.) Iustinianus → Codex

Codex (M.) Maximilianeus Bavaricus civilis (lat.) ist das von → Kreittmayr auf der Grundlage des vorangehenden Landrechts Bayerns und des gemeinen Rechts in Zusammenwirken mit der Ständevertretung und den Justizbehörden in München, Lands­hut, Burghausen, Straubing und Amberg in deutscher Sprache geschaffene, am 2. 1. 1756 ver­öffentlichte, alle zur bürger­lichen Rechts­gelehrsamkeit gehörigen Ma­terien samt Jagdrecht, Fischereirecht, Forstrecht und Gewerberecht nach gemeinrechtlichen und statutarischen Rechts­grundsätzen zusammen­fassende Gesetzbuch („neu verbessertes und ergänztes kurbayerisches Landrecht“, Kompilation). Der C. gliedert sich nach Personen, Sachen und Ansprüchen in vier Teile (Personenrecht, Sachenrecht, Erbrecht, Vertragsrecht). Er löst das bayerische Landrecht von 1616 ab, lässt das gemeine Recht subsidiär fortgelten, wird auf die 1815 erworbenen Gebiete (außer Rheinpfalz) erstreckt und wird zum 31. 12. 1899 durch das → Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; (Kreittmayr, W. Frhr. v.,) Anmerkungen zum Codex civilis Maximilianeus Bavaricus, Bd. 1ff. 1758ff., Neudruck; Friedl, H., Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, Diss. jur. Erlangen 1934; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Pöppel, P., Quellen und System des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 1967 ; Zimmermann, K., Die Monita zum Entwurf des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 2008

Codex (M.) Theodosianus (lat.) ist das 429 in einem umfassenden, nur teilweise verwirklichten Plan (eines C. T. aus Kon­stitutionen und Schriften von Rechts­kun­digen) in Angriff genommene, 435 begonnene, am 15. 2. 438 veröffentlichte und am 1. 1. 439 in der östlichen Hälfte des römischen Reiches in Kraft gesetzte sowie von Kaiser Valentinian am 25. 12. 439 auch für die westliche Hälfte verkündete (amtliche) Buch der Gesetze (Gesetzbuch) Kaiser Theodosius’ II. (408-450) mit vielleicht 294054 Wörtern. Der dem Vorbild des (lat.) Codex (M.) Gregorianus und Codex Hermoge­nianuns folgende C. enthält ungefähr 2500 kaiserliche Konstitutionen (Gesetze) von 313 (Konstantin) bis 437 (Theodosius II.) aufgeteilt in etwa 3250 Stücke. Er gliedert sich in der Ordnung des Edikts in 16 Bücher (1,1-4 Rechts­quellen, 1,5-35 Staatsverfassung Gerichtsver­fassung, 1,1-18a Verfahren, 1, 19-5 Privat­recht, 6 Standesrecht, 7 Militärrecht, 8,1-11 Subalternbeamte, 8,12-19 unentgelt­licher Erwerb, 9 Strafrecht mit Strafverfahren und Strafvollstreckung, 10 Fiskalrecht, 11,1-28 Steuerrecht, 11,29-39 Verfahren, 12 Gemeinderecht, 13 Berufskörperschaften, 14 Sozialleistungen in Großstädten, 15 Lust­barkeiten, 16 Kirchenrecht bzw. 1, 6-8,11, 10-15 Verwaltung, 2-5 und 8,12-19 Privatrecht, 9 Strafe, 16 Kirche) sowie insgesamt rund 450 (systematisch angeordnete?) Titel und ist innerhalb dieser Titeleinteilung zeitlich geordnet. Die Bücher 1 bis 5 sind mit etwa 400 Konstitutionen hauptsächlich durch das (lat.)→ Breviarium (M.) Alaricianum (506, Kurzbuch des Alarich) auszugsweise über­liefert (ein Drittel?), die Bücher 6-16 durch zwei frühe Handschriften (Rom, Biblioteca Vaticana, Vat. reg. 886, Paris, Bibliothèque Nationale Cod. 9643) und Papyri (P. Oxy 15, 1913 u. a.). Der C. T. wird in Ostrom ab 527-534 von den Kompilationen Kaiser Justinians (Codex) verdrängt, in den westgotischen Gebieten durch das Breviar Alarichs II.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 21, 22; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 80; Theodosiani libri XVI, ed. Mommsen, T., 1905; Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts, 2. A. 1912; Seeck, O., Regesten der Kaiser und Päpste für die Jahre 311 bis 476 n. Chr., 1919; Codex Theodosianus, hg. v. Krüger, P., 1923 (etwas vollständiger durch im Codex Justinians übernommene, veränderte Stellen); Gradenwitz, O., Heidelberger Index zum Theodosianus, 1925, Ergänzungsband 1929; The Theodosian Code and novels, and the Sirmondian constitutions, übers. v. Pharr, C., 1952; Gaudemet, J., La formation du droit séculier et du droit de l’Eglise aux IVe et Ve siècles, 2. A. 1979; Dilger, A., Herkunft und Rechtsnatur einer Handschrift aus dem theodosianischen Gesetzbuch, ZRG GA 94 (1977), 184; Archi, G., Theodosio II e il suo tempo, 1978; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; Voß, W., Recht und Rhetorik in den Kaisergesetzen der Spätantike, 1982; Moscati, L., Nuovi studi sul codice teodosiano, 1983; The Theodosian Code, hg. v. Harries, J. u. a., 1993; Dovere, E., Ius principale e catholica lex, 1995; Matthews, J., Laying down the law, 2000; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Sirks, A., The Theodosian code, 2007

Codex (M.) Theresianus (lat.) ist der Entwurf eines einheitlichen österreichischen Gesetzbuches (Privatrecht, Zivilprozessrecht, ohne Strafrecht) unter Maria Theresia (vom 25. 11. 1766 mit mehr als 8000 Bestimmungen). Er beruht auf der Arbeit einer zum 14. 2. 1753 eingesetzten Kompilations­kom­mission, die ein auf natürliche Billigkeit gegründetes volkstümliches Recht schaffen und dabei die einzelnen Provinzialrechte, das gemeine Recht und die Gesetze anderer Staaten heranziehen soll. Das von Josef Azzoni (1712-1760) und Johann Bernhard von Zencker geförderte, hauptsächlich 1766 in Brünn tätige Unternehmen endet 1776 wegen seiner Dickleibigkeit, erleichtert aber als wertvolle Vorarbeit das → Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/12.

Lit.: Codex Theresianus, hg. v. Harras von Harrasowsky, P., Bd. 1ff. 1883ff.; Höslinger, R., Die gemeinrechtlichen Quellen des Codex Theresianus, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 1 (1950), 72; Wesener, G., Die Rolle des usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex Theresianus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexTheresianus.htm

Codex Urnammu ist der 1948 entdeckte sumerische Rechtstext des Königs Urnammu von Lagusch (Ur) (um 2100 v. Chr.), von dem wenigstens 40 Bestimmungen (über Mord, Raub, falsche Anschuldigung, Ehebruch, Ver­gewaltigung, Ehe, Scheidung, Hexerei, Kör­perverletzung, Miete, Arztbehandlung, Darle­hen, Erbe, Sklaven, Wasserdiebstahl und Vernachlässigung von Land) in fünf Ab­schriften in Nippur, Ur und Sippar erhalten sind..

Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006

Codice civile → Italienisches Recht

Codicillus (lat. [M.] Büchlein, grundsätzlich Plural codicilli verwendet) ist im klassischen römischen Recht die letztwillige Verfügung, die entweder als Bestandteil eines → Testaments zählt oder (außerhalb eines Testaments) nur Fideikommisse und fidei­kommissarische Freilassungen  (nicht dage­gen Erbeinsetzungen und Enterbungen) ent­halten darf. Durch die so genannte Kodizillarklausel eines Testaments kann der  Erblasser bestim­men, dass eine als Testament unwirksame Erklärung wenigstens als c. gelten soll.

Lit.: Kaser § 68; Söllner §§ 15, 17; Köbler, DRG 38

Código (M.) civil (span.) ist das spanische Zivilgesetzbuch von 1888/1889, das maßgeblich von Manuel Alonso Martínez (1827-1891) geprägt wird. Es vereinheitlicht das Privatrecht, belässt aber mit dem Mittel seiner Subsidiarität landschaftliche, auf den Foralrechten (fueros) beruhende Unterschiede im Verhältnis zu → Kastilien.

Código (M.) de comercio (span.) → Handels­gesetzbuch

Código (M.) do processo civil (portug.) ist das portugiesische Zivilprozessgesetzbuch des Jahres 1939, das maßgeblich von José Alberto dos Reis geprägt wird.

Coemptio (lat. [F.]), Zukauf, ist im römischen Recht eine der (lat. [F.]) Manzipation nachgeformte Handlung zur Begründung der Hausgewalt (lat. [F.] manus) des Hausvaters über die Frau unter Zahlung eines symbolischen Kaufpreises zwecks Ehe­schließung.

Coercitio (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die allgemeine, Unrechtstaten verfolgende magistratische Zuchtgewalt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 6; Köbler, DRG 18, 20

cognati (lat. [M.Pl.]) Blutsverwandte, → Verwandte

cognitio (F.) Erkenntnis → cognitio (F.) extra ordinem

Cognitio (F.) extra ordinem (lat., Erkenntnis außer der Ordnung) ist im klassischen römischen Recht das außerordentliche Verfahren, das durch allmähliche behördliche Verfestigung die altrömische Gerichtsver­fassung und das zugehörige Formular­ver­fah­ren ersetzt. → Kognitionsverfahren

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 34; Köbler, LAW

cognitor (lat. [M.]) Prozessvertreter → Stellvertreter

Coimbra am Mondego beruht auf römischer Grundlage (Conimbriga bzw. Aeminium). 878/1064 wird es den Mauren entzogen (im 12./13. Jh. Hauptstadt → Portugals). Die 1290 in Lissabon gegründete Universität wird 1308 nach C. verlegt (1338-1354, 1377-1537 nochmals Lissabon).

Lit.: Almeida, A./Brandao, M., A Universidade de Coimbra, 1937; Merêa, P., Sôbre as origens do concelho de Coimbra, Revista Portuguesa de história 1 (1940), 49

Coing, Helmut (Celle 28. 02. 1912-Kronberg im Taunus 15. 08. 2000) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Kiel, München, Göttingen und Lille in Göttingen 1935 promoviert (Wolfgang Kinkel) und in Frankfurt am Main 1938 habilitiert (Erich Genzmer). 1940 wird er außerordentlicher Professor in Frankfurt am Main, nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft 1948 ordentlicher Professor. Von 1964 bis 1980 ist er Direktor des von Erich Genzmer (für das Mittelalter) geplanten Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main.

Lit.: Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 1939; Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Wilhelm, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­ge­schicht, hg. v. Coing, H., 1973ff.; Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Helmut Coing, (in) Juristen im Portrait, 1988, 215ff.; Simon, D., Zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik, NJW 2001, 1029ff.

Coke, Sir Edward (Mileham/Norfolk 1. 2. 1552-Stoke Poges 3. 9. 1634), Norfolker Landadligensohn, wird nach dem Rechts­studium in Cambridge (Trinity College) und der praktischen Ausbildung in Clifford’s Inn und Inner Temple in London 1578 Anwalt, 1589 Parlamentsmitglied, 1592 Kronanwalt und 1594 Justizminister (Attorney General, Generalstaatsanwalt). Zunächst entschiedener Anhänger des Königs, behauptet er seit 1606 als Chief Justice of the Court of Common Pleas (1613 Privy Councillor, Vorsitzender von King’s Bench) die Unterordnung des Monarchen (bzw. dessen Chancery, Star Chamber und High Commission) unter das (von der Vernunftkonzeption geprägte) common law und wird deswegen schließlich 1616 entlassen. Seit 1620 verstärkt er aus dem Parlament heraus den Widerstand gegen den König (1622/1623 in Haft, am 7. 6. 1628 An­nahme der Beschwerden des Parlaments we­gen rechtswidriger Besteuerungen, Zwangs­anleihen und Verhaftungen durch den König). Daneben veröffentlicht er nach einer umfas­senden Sammlung von Entscheidungen (Reports, 1600-1615, Ausgangspunkt der doctrine of precedent) und einer Sammlung von Einträgen (A Book of Entries, 1614) seit 1628 seine vierbändigen Institutes, die das erste Lehrbuch des neuzeitlichen → common law bilden. Davon stellt das als Commentary upon Littleton(´s Tenures) gestaltete erste Buch (Coke upon Littleton) eine Rechts­grund­legung (Enzyklopädie) dar. Die wei­teren drei Bücher (1641) begründen ver­fassungsmäßig den Vorrang von Parlament und Recht im Staat (im Wege der Politiserung des Rechts und der Verrechtlichung der Politik). Im Ergebnis verdrängen Cokes Reports und Institutes in kurzer Zeit die in Law French abgefassten älteren Year Books (Jahrbücher) und Rechtsdarstellungen.

Lit.: Johnson, C., Life of Sir E. Coke, 1837; Block, H., E. Coke, 1929, Neudruck 1992; Mosse, G., The Struggle for Sovereignty in England, 1950; Thorne, S., Sir Edward Coke, 1957; Bowen, C., The Lion and the Throne, 1957; Beauté, J., Un grande juriste anglais, 1975; Hostettler, J., Sir E. Coke, 1997; Boyer, A., Sir E. Coke and the Elizabethean Age, 2003

Collatio (F.) bonorum (lat., Vergleich der Güter) ist im klassischen römischen Recht die Verrechnung des Vorausempfanges (Abfin­dung, Mitgift) eines Hauserben mit seinem Erbteil vor dem Prätor.

Lit.: Kaser § 65, 73; Köbler, DRG 37, 59

Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum (lat.) ist die spätantike, unter dem Titel (lat.) lex (F.) Dei quam praecepit Dominus ad Moysen (Gesetz Gottes, das der Herr Moses gebot,) überlieferte Schrift eines unbekannten Verfassers, die Stellen der Bibel mit Stücken des → Gaius, der Spätklassiker, des → Codex Gregorianus und des → Codex Hermogenianus mit dem Ziel des Nachweises der Übereinstimmung vergleicht.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Söllner §§ 5, 16; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswis­senschaft, 1961, 394

Collectio (F.) Anselmo dedicata ist die vielleicht in Mailand (oder Reims) um 900 von einem unbekannten Verfasser geschaf­fene, fast 2000 Kapitel (vor allem aus den pseudoisidorichen Dekretalen) enthaltende, systematische Sammlung von Kirchenrecht.

Lit.: Zechiel-Eckes, K., Quellenkritische Anmerkungen zur Collectio Anselmo deidicata, (in) Recht und Gericht in der Kirche und Welt, hg. v. Hartmann, W., 2007

Collectio (F.) Danieliana ist eine in einer Berner, früher François Daniel gehörigen Handschrift überlieferte Kirchenrechtssamm­lung, die eine Frühform der Capitula Angilramni enthält.

Lit.: Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die Collectio Danieliana, 2006

Collectio (F.) vetus Gallica ist eine in Lyon um 600 entstandene kirchenrechtliche Sammlung, die bis in die Zeit um 800 auf Einteilung und Themen kirchenrechtlicher Werke einwirkt.

Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform im Frankenreich, 1975

Collegantia

Lit.: Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937

colonia (lat. [F.]) gegründete, später auch erhobene römische Stadt außerhalb Roms (z. B. colonia Agrippinensis, Köln)

Colonus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der erblich an die Scholle gebundene Landpächter.

Lit.: Kaser § 16; Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 50, 57; Köbler, LAW

Comecon (engl. Council for Mutual Economic Assistance) ist die am 25. 1. 1949 in Moskau von der Union der sozialistischen Sowjetrepu­bliken, Polen, der Tschecho­slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien gegründete, mehrfach erweiterte Organisation zur wirtschaftlichen Verei­nigung Osteuropas innerhalb der inter­nationalen sozialistischen Arbeitsteilung (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe).

Lit.: Ribi, R., Das Comecon, 1970; Uschakow, A., Integration im RGW, 1983

comenda (lat. [F.]) → commenda

Comes (lat. [M.]) ist in der Spätantike der Begleiter und Amtsträger des Kaisers und im Frühmittelalter der → Graf.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 84; Köbler, LAW; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Scharf, R., Comites, 1994; Comitatus, hg. v. Winterling, A., 1998

Comitia (lat. [N.Pl.]) ist im altrömischen Recht die unterschiedlich gegliederte Volksversammlung.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18

Comitia (N.Pl.) curiata (lat.) ist die nach Kurien gegliederte römische Volksver­sammlung.

Comitatus (lat. [M.]) Begleitung → comes, (mlat.) Grafschaft

Lit.: Wagner, G., Comitate um den Harz, Harzzeitschrift 1 (1948), 1; Wagner, G., Comitate im karolingischen Reich, 1952; Wagner, G., Comitate in Franken, Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 6 (1954), 3; Wagner, G., Comitate im Bistum Paderborn, Westfälische Zeitschrift 103/104 (1954), 221; Wagner, G., Comitate zwischen Rhein, Main und Neckar, ZGO 103 (1955), 1; Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Claude, D., Untersuchungen zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 81 (1964), 1; Sprandel, R., Bemerkungen zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 82 (1965), 288; Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994

Commenda (lat. [F.]), comenda, ist eine mittelalterliche Vorform der Kommanditgesellschaft.

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Silberschmidt, W., Die italienische Commendaforschung der jüngsten Zeit, Studi in memoria di Aldo Ekbertoni 3, 1936; Pryor, J., The Origins of the commenda contract, Speculum 52 (1977), 5

Commendatio (lat. [F.]) ist im Mittelalter die Handlung, mit der sich der Lehnsmann dem Lehnsherrn anvertraut.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW

Commentaries on the Laws of England (1765ff.) ist die auch naturrechtlich beeinflusste Zusammenfassung des → englischen Rechts durch → Blackstone (1723-1780).

Commercium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Verkehrsrecht.

Lit.: Kaser § 3, 68; Söllner § 12; Köbler, DRG 21

commixtio (lat. [F.]) Vermengung

Commodatum (lat. [N.]) ist die im jüngeren klassischen römischen Recht anerkannte → Leihe (Realkontrakt).

Lit.: Kaser § 39 II; Köbler, DRG 45, 63; Berndt, B., Das commodatum, 2005

Common law (engl., gemeines Recht) ist in England das für alle einheitlich geltende Recht im Gegensatz zum örtlich oder persönlich unterschiedlichen Recht bzw. das in England seit dem Hochmittelalter ent­wickelte Recht im Gegensatz zu dem aus dem römischen Recht entwickelten Recht bzw. das von Gerichten in England geschaffene Recht im Gegensatz zum gesetzten Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Plucknett, T., Concise History of Common Law, 5. A. 1956; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973; Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The Reception of Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Martinez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Baker, J., The Common Law Tradition. Lawyers, Books and the Law. 2000

Commonwealth (engl.) gemeinsamer Reichtum, Weltreich

Communio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die → Gemeinschaft (z. B. mehrerer Erben), in der jeder Gemeinschafter einen rechnerischen Anteil hat, über den er verfügen kann.

Lit.: Kaser § 23; Kroeschell, DRG 1

communis opinio (lat. [F.]) gemeinsame Meinung, öffentliche Meinung (z. B. c. o. doctorum [der Rechtslehrer] vor allem vom 16.-18. Jh. als Argument für die Wahr­scheinlichkeit der Richtigkeit einer Auffas­sung)

Lit.: Schröder, J., Communis opinio, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,G., 1987, 404

Como

Lit.: Campiche, C., Die Comunalverfassung von Como, 1929

compendium (N.) iuris (lat.) Rechtshandbuch

Lit.: Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968

Compensatio (lat. [F.]) ist die im klassischen römischen Recht grundsätzlich nur im Verfahren oder bei Einverständnis wirksame Verrechnung mit einer Gegenforderung. → Aufrechnung

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 62; Dernburg, H., Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Compilación de Leyes (Ordenanzas reales de Castilla) ist die erste, 1480 von Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) zusammengestellte Sammlung kas­tilischer Vorschriften in 8 Büchern (ordenamiento von 1484). Ihr folgen Sammlungen von (1485,) 1567 und 1805. →Libro do Leyes

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,558,674

Compilatio (F.) maior (lat.) ist die nach justinianischem Vorbild in neun Bücher ge­gliederte Sammlung des aragonesischen Rechts durch Vidal de Canellas († 1252) in aragonesischer Sprache.

Lit.: Pérez Martìn, A., Einleitung zu Fori Aragonum, 1979, 1

Compositio (lat. [F.]) ist in den lateinischen Texten des Frühmittelalters die → Buße. → Kompositionensystem

Lit.: Köbler, DRG 65, 91; Köbler, LAW; Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 107

Conchyleus → Coquille

concilium (lat. [N.]) Zusammenrufung?, Vereinigung, Versammlung (z. B. der Plebejer in Rom),   Konzil

conclusio (lat. [F.]), Schluss, Folgerung

Conclusum (N.) imperii (lat., Reichsschluss) ist seit dem Spätmittelalter das vom Kaiser des Heiligen römischen Reichs angenommene Reichsgutachten der Reichsstände, das noch der Verkündung bedarf, um Gesetz zu werden.

Lit.: Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905

Concordia (F.) discordantium canonum (lat.) ist der Titel des → Decretum Gratiani (Dekret Gratians).

concussio (lat. [F.]) → Erpressung

condemnatio (lat. [F.]) Verurteilung (im römischen Recht grundsätzlich auf Leistung von Geld, bei der Noxalhaftung wahlweise auf Geld oder Preisgabe des Schädigers)

Condicio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die → Bedingung.

Lit.: Kaser §10; Willvonseder, R., Die Verwendung der Denkfigur der condicio sine qua non, 1984; Effer-Uhe, D., Die Wirkung der condicio im römischen Recht, 2008

Condictio (lat. [F.]) ist im Formularverfahren des klassischen römischen Rechtes die strengrechtliche Klagformel (lat. actio in personam) auf Übereignung einer bestimmten Sache oder Geldsumme (z. B. aus Darlehen, Litteralkontrakt, Diebstahl), die im spät­antiken römischen Recht besonders mit dem Fall grundloser Vorenthaltung (z. B. des auf eine Nichtschuld Geleisteten) verbunden wird. → Kondiktion

Lit.: Kaser §§ 32, 33, 38, 39, 40, 48, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 45, 67; Koschembahr-Lyskowsky, I. v., Die condictio als Bereicherungsklage, Bd. 1f. 1903ff.; Schwarz, F., Die Grundlage der condictio, 1952

condictio (F.) causa data causa non secuta (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht (geschuldeter, erwarteter und nicht) erbrachter Gegenleistung, → Bereicherung

condictio (F.) ex lege (lat.) Berei­cherungsanspruch aus gesetzlicher Obli­gation, → Bereicherung

condictio (F.) furtiva (lat.) Bereiche­rungsanspruch gegen den Dieb auf einfachen Sachwert, → Bereicherung

condictio (F.) indebiti (lat.) Berei­cherungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld, → Bereicherung

condictio (F.) ob causam datorum (lat.) Be­reicherungsanspruch wegen nicht entstandenen Rechtsgrundes, → Bereicherung

condictio (F.) ob causam finitam (lat.) Be­reicherungsanspruch wegen weggefallenen Rechtsgrundes, → Bereicherung

condictio (F.) ob turpem vel iniustam causam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen eines sittenwidrigen oder unzulässigen Rechts­grundes, → Bereicherung

condictio (F.) sine causa (lat.) Be­reicherungsanspruch wegen rechtsgrundloser Leistung, → Bereicherung

conditio (lat. [F.]) Bedingung (z. B. c sine qua [non], Bedingung ohne die nicht wie z. B. Schaden für Schadensersatzanspruch)

condominium (lat. [N.] Miteigentum, Mit­herrschaft (z. B. condominium plurium in so­lidum [17. h.] ohne ideellen Anteil am Gesamtgut, Verfügung nur durch Gesamtheit)

conductio (lat. [F.]) Miet-, Pacht-, Dienst- und Werkvertrag, s. locatio conductio

Lit.: Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956

Confarreatio (lat. [F.]) ist die altrömische Eheschließung unter Speltbrotopferung (für Patrizier?).

Confessio est regina probationum (lat.). Das Geständnis ist die Königin der Beweise (als Grundsatz des Beweisrechts des Inquisitionsprozesses in den Quellen nicht wirklich belegt).

Lit.: Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses (in Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 367ff.; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

confin → Militärgrenze

Confoederatio (lat. [F.]) cum principibus ecclesiasticis (Bündnis mit den geistlichen Fürsten) ist die im 19. Jh. aufgekommene lateinische Bezeichnung für das 11 Artikel umfassende, wohl nur die bereits eingetretene Rechtswirklichkeit anerkennende Privileg König Friedrichs II. für die geistlichen Reichsfürsten vom 26. 4. 1220 als Gegen­leistung für die Wahl Heinrichs (VII.) zum König (z. B. Verzicht auf den Nachlass, Verzicht auf neue Zollstätten, Testierfreiheit, Verfügungsfreiheit über Kirchenlehen, Verstär­kung des Kirchen­bannes durch Reichsacht).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982, 420

confusio (lat.[f.]) Zusammengießung, Ver­mischung z. B. zweier gleichartiger Flüssig­keiten verschiedener Eigentümer, von Gläubi­gerstellung und Schuldnerstellung in einer Person oder von Eigentum und Inhaber­schaft an einem beschränkten dinglichen Recht in einer Person.

Lit.: Kiess, P., Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995

coniuratio (lat. [F.]) gemeinschaftlicher Schwur, Verschwörung, Schwurgemeinschaft, usurpatorische Verbrüderung (z. B. Cambrai 1076, Köln 1114)

Lit.: Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Dilcher, G., Die Entstehung der lombarischen Stadtkommune, 1967; Körner, T., Juramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Kolmer, L., Promissorische Eide im Mittelalter, 1989; Distler, E., Städtebünde, 2006

Connan, François (Paris 1508-Paris 1. 9. 1551), Sohn eines maître des comptes, wird nach dem Studium in Paris und dem Rechtsstudium (1529) in Orléans und Bourges (mit Bekanntschaft zu Calvin) um 1533 Parlamentsadvokat und 1539 königlicher Rat. In einer Gesamtdarstellung des geltenden Rechts in zehn Büchern ([lat.] Commentariorum iuris civilis libri [M.Pl.] X, 1553ff. Zehn Bücher Kommentare des weltlichen Rechts) versucht er die tatsächliche Ordnung der Rechtsquellen durch ein wissenschaftliches System (lat. [F.] ars) zu ersetzen. Bei diesem wenig erfolgreichen Bemühen deutet er die römischrechtliche (lat. [F.]) → actio als ein rechtserhebliches Verhalten und legt damit einen ersten Grund für den Gedanken der → Willenserklärung.

Lit.: Bergfeld, C., Franciscus Connanus, 1968

Conrad, Hermann (Köln 21. 10. 1904-Bonn 18. 3. 1972) wird nach dem Studium des Rechts in Köln promoviert (F. Gescher, Kanonist) und habilitiert (Hans Planitz). Nach Lehraufträgen in Rostock, Köln, Freiburg im Breisgau, Lausanne, Genf und Breslau wird er 1941 nach Marburg und 1948 nach Bonn berufen. Er versucht eine unvollendet geblie­bene Gesamtdarstellung deutscher Rechtsge­schichte.

Lit.: Kleinheyer, G., In memoriam, ZRG GA 90 (1973), 487ff.; Gedächtnisschrift Hermann Conrad, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 1979 (Schriftenverzeichnis 621-634)

Conring, Hermann (Norden 9. 11. 1606-Helmstedt 12. 12. 1681), aus gelehrter ostfriesischer Familie, geboren und aufgewachsen in einem Pfarrhaus, wird nach dem 1620 begonnenen Studium von Medizin und Politik in Helmstedt und Leiden (seit 1625) 1632 Professor für Naturphilosophie (Physik und Rhetorik) bzw. Medizin (1637) und Politik (1650) in Helmstedt. Er hält auch juristische Vorlesungen und erstattet Rechtsgutachten. In seinem im Ergebnis bereits 1635 fest­stehenden Buch (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt er die Ansicht, dass das römische Recht in Deutschland 1135 durch ein Gesetz Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg in Kraft gesetzt worden sei (sog. → lotharische Legen­de) und erfasst im Blick auf Erkenntnis der Gegenwart damit deutsche Rechtsgeschichte.

Lit.: Köbler, DRG 139, 142, 186; Dahl, F., Zu den Beziehungen Conrings zu Dänemark, ZRG GA 37 (1916), 507; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Conring, H., De origine iuris germanici (deutsche Übersetzung), hg. v. Stolleis, M., 1994; Oestmann, P., Kontinuität oder Zäsur, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 191; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004; Jori, A., Hermann Conring (1606-1681), 2006

Consensus (lat. [M.] Zustimmung, Willens­übereinstimmung) ist seit dem klassischen römischen Recht Voraussetzung des Konsensualvertrages.

Lit.: Kaser §§ 8, 38, 58; Köbler, LAW; Hannig, J., Consensu fidelium, 1982

Consensus (M.) facit nuptias (lat.). Die Willensübereinstimmung bewirkt die Eheschließung(, gilt als Grundsatz bereits in Rom, kann aber gegenüber den vom Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam aus­ge­henden Vorstellungen der Germanen und germanistischen Nachfolgevölker erst im Frühmittelalter von der Kirche durchgesetzt werden, wobei bei Be­schränkung auf die bloße Willensübereinstimmung Beweispro­bleme bestehen, denen die katho­lische Kirche 1563 auf dem Konzil von Trient (Decretum Tametsi) mit Formvorschriften in Gestalt der notwendigen Mitwirkung eines Geist­lichen und zweier Zeugen begegnet).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Julian um 100-um 170 n. Chr.); Freisen, J., Geschichte des kanonischen Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963; Schwab, D., Grund­lagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society in Medieval Europe, 1987; Weigand, R., Liebe und Ehe im Mittelalter, 1993; Weber, I., Consensus facit nuptias, ZRG KA 118 (2001), 31

consilium (lat. [N.]) Rat, Gutachten, span. consejo, it. consiglio, als c. principis (Rat des Prinzeps) fallweise beratendes Gremium in Rom seit Kaiser Augustus (31 v. Chr.-14 n. Chr,

Lit.: Kaser § 2; Söllner §§ 6, 9, 12, 15; Köbler, DRG 18, 106; Kisch, G., Consilium, 1970; Consilia im späten Mittelalter, hg. v. Baumgärtner, I., 1995; Falk, U., Consilia. Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 395

Consolat del Mar (Llibre del C. d. M.) ist die nach dem Seekonsulat von Barcelona (1282 consules del mar) benannte, mittelalterliche, in Barcelona zwischen 1266 und 1268 begonnene, später andernorts erweiterte und 1348 vom Seekonsulat in Barcelona eingeführte Zusam­menfassung des mittel­meerischen Seege­wohnheitsrechts. → See­recht

Lit.: Wagner, R., Beiträge zur Geschichte des Seerechts, ZHR 29 (1884), 413; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Valls i Taberner, F., Consolat de Mar, 1930ff.; García, A., Llibre del Consolat, Bd. 1ff. 1981ff.; Hernández Izal, S., Els costums marítims de Barcelona, Bd. 1f. 1986ff.

Consortium (lat. [N.] Gemeinschaft) ist im altrömischen Recht der Zusammenschluss von Erben nach der Nachlassteilung zu einer vereinbarten → Gemeinschaft.

Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 22, 47

constitutio (lat. [F.]) Beschluss, Gesetz

Constitutio (F.) Antoniniana (lat.) ist das in einem stark zerstörten, in Gießen aufbewahrten Papyrus überlieferte Gesetz (constitutio) Kaiser (Marcus Aurelius) Antoninus Caracallas aus dem Jahre 212, in dem er zur Ausdehnung der Steuerpflicht allen freien Bewohnern des römischen Reiches das römische Bürgerrecht gibt.

Lit.: Kaser § 3; Söllner §§ 14, 18; Köbler, DRG 35; Sasse, C., Die Constitutio Antoniniana, 1958; Wolff, H., Die Constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis 40 I, Diss. jur. Köln 1976

Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (lat.) → Bamberger Halsgerichtsordnung (1507)

Constitutio (F.) Criminalis Carolina (lat., Des Kaisers Karl V. und des Heiligen Römischen Reiches Gerichtsordnung, Straf­gesetz[buch] Karls V.) ist die (deutsch verfasste) reichseinheitliche Peinliche Ge­richtsordnung Karls V. von 1532 (31. 7. 1532). Sie geht auf in einem Gutachten des 1495 errichteten Reichskammergerichts festgehaltene Missstände und Beschwerden über die sich häu­fenden ungerechten Strafverfahren, die ihrerseits die Antwort auf die im Mittelalter vor allem infolge des Bevölkerungswachs­tums, der Urbanisierung und Emanzipierung von der herkömmlichen Ordnung sowie wohl auch der Verstärkung der Staatlichkeit anschwellende Kriminalität sind, vor dem Reichstag (von Lindau 1496/1497) zurück. Dieser setzt in Freiburg im Breisgau 1497/1498 (Reichsabschied § 34) zum Zweck der Besserung des Straf­verfahrens (eine) von 1503 bis 1517 untätige, danach vier Entwürfe (Worms 1521, Nürnberg 1524, Speyer 1529, Augsburg 1530) vorlegende Kommission(en) ein (u. a. Reichsregiment). Sie übernimmt im We­sentlichen den Inhalt der vom Vorsitzenden des Hofgerichts des Bischofs von Bamberg, Johann Freiherr von → Schwarzenberg, auf Grund seiner Kenntnisse der praktischen Probleme und unter Einarbeitung des aus Oberitalien kommenden römisch-kanonischen Strafprozessrechts ge­schaffenen (lat.) Consti­tutio (F.) Criminalis Bambergensis (→ Bamberger Halsgerichts­ordnung) von 1507 in ihre 219 Artikel. Sie will wegen des Widerstands einzelner Reichs­glieder (z. B. Sachsen, Brandenburg, Pfalz) grundsätzlich nur subsidiär gegenüber den alten wohlhergebrachten, rechtmäßigen und billi­gen Gebräuchen gelten (sog. salvatorische Klausel), kommt aber tatsächlich allgemein zur Anwendung. Sie beherrscht das gesamte Strafverfahrensrecht und Strafrecht (Art. 104-180) des Reiches bis in das von der Aufklärung bestimmte 18. Jh., in dem noch die (lat.) Constitutio (F.) criminalis Theresiana Maria Theresias für die deutschen (d. h. nichtungarischen) Erbländer Österreichs einschließlich Böhmens (1768) von der C. beeinfusst ist. Die C. geht vom Anklage­prozess (Akku­sationsprozess aus (Art. 11ff.), demgegenüber der Inquisitions­prozess (Art. 6ff.) die Aus­nahme darstellt, doch setzt sich wegen der hohen Belastungen des möglichen Anklägers praktisch der In­quisitionsprozess durch, in dem der Richter Ankläger und Entscheider (Art. 81) zugleich ist. Der geheimen In­quisititon (Untersuchung) folgt der endliche Rechtstag als öffentliche, aber inhaltich fast bedeutungslose Formal­handlung. Besonders bedeutsam sind die Lehre von den für die Anwendung der → Folter von nun an gegenüber einem Tatverdächtigen erfor­derlichen → Indizien (Anzeichen, z. B. blutige Kleider, sog. Indizienlehre) und die Ansätze zu allgemeinen Lehren (Schuld, Teilnahmefor­men, Notwehr, Versuch).

Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PeinlicheGerichtsordnungKarlsV.pdf; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 136, 156; Güterbock, Die Entstehungsgeschichte der Carolina, 1878; Dargun, L., Die Rezeption der peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. in Polen, ZRG GA 10 (1889), 168; Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg, 1904; Kantorowicz, H., Goblers Karolinen-Kommentar, 1904; Saueracker, K., Wortschatz der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929; Schmidt, E., Die Carolina, ZRG GA 53 (1933), 1; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Kusch, G., Der Indizienbeweis des Vorsatzes im gemeinen Strafverfahrensrecht, Diss. jur. Hamburg 1963; Schmidt, G., Sinn und Bedeutung der Constitutio Criminalis Carolina, ZRG GA 83 (1966), 239; Dreisbach, H., Der Einfluss der Carolina auf die Rechtsprechung norddeutscher Oberhöfe, Diss. jur. Marburg 1969; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnises im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1969, 367ff.; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a. 1984

Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (lat.) ist das unter Maria Theresia am 31. 12. 1768 (zum 1. 7. 1770) zwecks Vereinheitlichung für die österreichischen Erbländer außer Ungarn) erlassene, 1082 Paragraphen umfas­sende (deutsch gefasste) Strafgesetz­buch (und Strafverfahrensgesetz­buch) (Allge­meine peinliche Gerichtsord­nung) mit etwas verbesserter Stellung des Beschuldigten, Inquisitionsverbot, freier richterlicher Be­weiswürdigung, festen Tatbestandsbeschrei­bungen (u. a. Zauberei, Hexerei), Möglichkeit der Analogie von Straftat­beständen und Folter (bis 1796), das aber bereits am 13. 1. 1787 durch ein Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung ersetzt wird (für das Militärstrafrecht 1855). Die auch als (lat.-griech.) nemesis Theresiana (Rache Maria Theresias) bezeichnete C. C. T. beruht auf einer von der → Constitutio Criminalis Carolina von 1532 geprägten Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707.

Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Constitutio%20Criminalis%20Theresiana1768_komplett.pdf; Kroe­schell, DRG 3; Köbler, DRG 142, 157; Baltl/Kocher; Maasburg, M. v., Zur Entstehungsgeschichte der theresianischen Halsgerichtsordnung, 1880; Kwiatkowski, E. v., Constitutio Criminalis Theresiana, 1903; Moos, R., Der Verbrechensbegriff in Österreich, 1968; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; ; Grundlegende Strafrechtsquellen, hg. v. Reiter, I., 1996; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Constitutio (F.) de expeditione Romana (lat.), Gesetz über den Romzug, ist eine um 1158 als Gesetz König Karls des Großen von 790 ausgegebene, auf der Reichenau entstan­dene Fälschung (Privatarbeit). Sie beschreibt Rechte und Pflichten von Reichsfürsten auf dem Romzug des Königs. Sie begünstigt die Reichsfürsten gegenüber dem König.

Lit.: Constitutiones, Bd. 1, hg. v. Weiland, L., 1893, 661, Nr. 447 (MGH); Klapeer, G., Zur Überlieferung der Constitutio de expeditione Romana, MIÖG 35 (1914), 725ff.

Constitutio (F.) Joachimica (lat.), Joachimi­sches Gesetz, ist die verhältnismäßig kurze, auf Erbrecht beschränkte, römisches Recht zu Lasten sächsischen Rechts übernehmende „Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen“ des Markgrafen Joachim I. von Brandenburg (1499-1535) vom 9. 10. 1527 (Reformation des Landrechts, Erstdruck Frankfurt an der Oder 1528).

Lit.: Heydemann, L., Die Elemente der Joachimischen Konstitution von 1527, 1841, Neudruck 1972; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Constitu­tio­Joachimica1527.htm

Constitution (N., zu lat. [F.] constitutio, Festsetzung, Gesetz) wird in England seit dem 17. Jh. zur Bezeichnung des Zustands eines Staates (bodie politique), im 18. Jh. zur Be­zeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand herstellen oder festlegen.

Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen (1527) s. Constitutio Joachimica

constitutum (lat. [N.]) → Beschluss, Fest­setzung

constitutum (N.) debiti (lat.) Schuldzusage

constitutum (N.) possessorium (lat.) → Besitz­konstitut

Consuetudo (lat. [F.]) ist die Gewohnheit. In der römischen Spätantike wird sie zur Rechtsquelle erklärt. Die gute c. ist auch im späten ius commune Italiens eine beliebte und praktisch-relevante Rechtsquelle. → Gewohnheitsrecht

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 52; Köbler, LAW; Garré, R., Consuetudo, 2005

Consul (lat. [M.]) ist im altrömischen Recht der Republik der Höchstmagistrat. Zwei gleichzeitige Konsuln (consules, Kolle­gialität) erlangen die Führung des Gemeinwesens durch eine Wahl auf Vorschlag ihrer Vorgänger hin für jeweils ein Jahr (Annuität), wobei seit 367 v. Chr. (lex Licinia) auch Plebejer c. werden können. Einzelne Aufgaben (z. B. Gerichtsbarkeit) sind anderen Magistraten (z. B. Prätoren) zugeteilt. Mit dem Ende der Republik (27 v. Chr.) gehen die Aufgaben der Konsuln auf den Prinzeps bzw. Kaiser über, doch werden consules bis 534 im Westen und bis 541 im Osten fortgeführt. Seit dem ausgehenden 11. Jh. (1090) ist c. der städtische Ratsherr.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner §§ 6, 11, 14, 23; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 111; Köbler, LAW; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81

Consultatio (F.) cuiusdam veteris iuris consulti (lat.) ist die am Ende des 5. Jh.s oder im 6. Jh. vermutlich in Gallien entstandene, durch einen Druck des 16. Jh.s überlieferte Sammlung von Rechtsgutachten mit Zitaten aus den Paulussentenzen, dem → Codex Gregorianus, dem → Codex Hermogenianus und dem → Codex Theodosianus.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 408

Contempt of court (engl., Missachtung des Gerichts) ist im angloamerikanischen Recht die gewohnheitsrechtlich als rechtswidrig (crime bzw. tort) anerkannte Störung der Gerichtstätigkeit.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Contius → Le Conte

Contractus (lat. [M.], Zusammengezogenes) ist im klassischen römischen Recht der Vertrag, aus dem eine Obligation (Schuld) entsteht. Er kann Realkontrakt, Verbalkon­trakt, Litteralkontrakt oder Konsensualkon­trakt sein. Dagegen ist das für sich allein unverbindliche (lat. [N.] pactum kein c. Seit dem Hochmittelalter wird in der Kirche auch das bloße (lat. [N.]) pactum klagbar (pacta sunt servanda), so dass sich ein allgemeiner Begriff des Kontrakts ocer Vertrags entwickelt.

Lit.: Kaser §§ 5, 38; Kroeschell, DRG 1; Wunner, S., Contractus, 1964; Wieacker, F., Contractus und obligatio im Naturrecht zwischen Spätscholastik und Aufklärung, (in) Scolastica 1973, 223; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998

Contractus mohatrae (lat. [M.] Wagnisvertrag, zu arab.muchâtarah, Gefahr, Wagnis) ist der Vertrag, bei dem eine (meist unvertretbare) Sache zum Verkauf übergeben wird und der Empfänger bei Verkauf den erhaltenen Preis als Darlehen haben soll. Der c. m. dient im Mittelalter der Umgehenung des kanonischen Zinsverbots.

contrarius consensus (lat. [M.]) Aufhebungs­vertrag

Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968

contrat (M.) social (franz.) Gesellschaftsver­trag

Contumacia (lat. [F.]) ist im klassisch­römischen Kognitionsverfahren die Prozess­weigerung (Ladungsungehorsam), die in einem Versäumnis­verfahren dazu führen kann, dass der Geladene gemäß dem Klagebegehren verur­teilt wird.

Lit.: Kaser § 87; Kroeschell, DRG 1, 2

Conubium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die (allen Römern  untereinander zuste­hende,) dem Fremden (Nichtrömer) durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Eherecht.

Lit.: Kaser §§ 3, 58, 60

conventio (lat. [F.]) Zusammenkunft, Verein­barung, Willensübereinstimmung, Einigung über den Zweck einer Sachhingabe, stillschweigend (tacitus) möglich

copula (lat. [F.]) Verbindung, Band, Vereinigung z. B. copula carnalis, fleischliche bzw. körperliche Ereinigung der Ehegatten

copy right → Urheberrecht

Coquille (Conchyleus), Guy (Decize 1523-1603), Sohn eines adligen Salzrichters, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1539) und Orléans (Du Moulin) Anwalt. In posthum veröffentlichten Schriften stellt er das Ge­wohn­heitsrecht (franz. droit coutumier) nach dem Vorbild der Institutionen Justinians dar (Institutions au droit des François, 1607).

Lit.: Maumigny, J., Étude sur Guy Coquille, 1910, Neudruck 1971

Cork im Südosten Irlands wird im 9. Jahrhundert von Normannen bei einem Kloster des 6. Jahrhunderts gegründet. 1172 wird es unter der Herrschaft Englands Stadt. 1845 erhält es eine Universität.

corpore (lat.) durch tatsächliche Sachherrschaft, → Besitz, → corpus, → possessio

corpus (lat. [N.]) Körper

Corpus (N.) catholicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der katho­li­schen → Reichsstände. → corpus evangelico­rum

Corpus (N.) delicti (lat.) ist der Gegenstand der Straftat, mit dem sich die gemeine Prozessrechtswissenschaft allgemein befasst.

Lit.: Hall, A., Die Lehre vom corpus delicti, 1933

Corpus (N.) evangelicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der evangelischen → Reichsstände. → corpus ca­tholicorum

Lit.: Schauroth, E., Vollständige Sammlung aller conclusorum des corpus evangelicorum, Bd. 1ff. 1751ff.; Belstler, U., Die Stellung des corpus evangelicorum, Diss. jur. Tübingen 1968

Corpus (N.) iuris (lat.) Körper des Rechts, Gesamtheit der Rechtsordnung, s. Codex Justinians 5. 13. 1)

Corpus (N.) iuris canonici (lat.) ist die um 1500 von dem Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis erstmals benützte und von Papst Gregor XIII. (1572-1585) am 1. 7. 1580 (Cum pro munere pastorali) amtlich verwendete Bezeichnung für die anerkannten, 1582 gemeinsam herausgegebenen 4 (bzw. 6) Rechts­quellen der (katholischen) Kirche. Das c. i. c. besteht aus dem Decretum Gratiani (Dekret Gratians, Condordantia discordantium canonum, um 1140), den auf Antrag Papst Gregors IX. von seinem Kaplan Raymundus de Penyafort von 1230 bis 1234 in 5 Büchern gesammelten, alle nicht aufgenommenen Stücke ausschließenden päpstlichen  → Dekretalen (→ Liber [decretalium] extra [decretum]), den auf Veranlassung Papst Bonifaz’ VIII. 1298 zusammengestellten Dekretalen (→ Liber sextus [in Bezug auf die fünf Bücher des Liber extra]) und den → Clementinen (Texte Papst Clemens V., vorgelegt 1317) (sowie privat gesammelten Extravaganten Papst Johannes XXII. und Extravagantes com­munes). Es gilt - in der 1582 veröffentlichten Gestalt der sog. (lat.) editio (F.) Romana (römischen Ausgabe) - bis zum Inkrafttreten des → Codex iuris canonici am 19. 5. 1918.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Corpus iuris canonici, ed. Friedberg, E., Bd. 1f. 1879ff., Neudruck 1955, 1959, 2. A. 1995; Stickler, A., Historia iuris canonici latini, 1950; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Gagnèr, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Gaudement, J., Les sources du droit canonique, 1993; Bellomo, M., The Common Legal Past of Europe, 1995; Brundage, J., Medieval canon law, 1995; Dickehof-Borello, E., Ein Liber septimus für das corpus iuris canonici, 2002; Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2006

Corpus (N.) iuris civilis (lat.) ist die Gesamtheit der von dem oströmischen Kaiser Justinian (527-565) zwischen 527 und 534 in Kraft gesetzten Rechtsquellen einschließlich seiner nachfolgenden Novellen. Er besteht aus dem → Codex (repetitae praelectionis) von 534, den → Digesten oder → Pandekten (533) und den → Institutionen von 533 sowie den privat gesammelten → Novellen. In Byzanz wird um 900 n. Chr. die Hauptmasse dieser Texte in die griechische Sprache übersetzt (Basilika, Basiliken), wobei seit dem 11. Jh. Handschriften hergestellt werden, die am Rand Ausschnitte aus Lehrbüchern und Vorlesungsschriften enthalten (Scholien). Die Bezeichnung c. entspricht dem Namen (lat.) → corpus (N.) iuris canonici für die kirchlichen Rechtsquellen. Sie wird seit der Gesamtausgabe der justinianischen Gesetz­gebungswerke durch Dionysius Gothofredus (1583) üblich. Auf dem c. i. c. beruhen der Universitätsunterricht im römischen Recht und die Rezeption des römischen Rechts, wobei sich ein (lat. [M.] ) usus modernus (moderner Gebrauch) pandectarum (der Pandekten) durchsetzt. Mit den Kodifikati­onen Allgemeines Landrecht (Preußen 1794), Code civil (Frankreich 1804) und Allgemei­nes Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich 1811) wird das c. i. c. grundsätzlich abgelöst.

Lit.: Kaser § 1; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 137, 142; Corpus iuris civilis, hg. v. Krüger, P. u. a., Bd. 1ff. z. T. 22. A. 1973; Corpus iuris civilis Iustinianei, hg. v. Fehus, J., Bd. 1ff. 1672ff., Neudruck 1966 (mit Glosse); Spangenberg, E., Einleitung in das römisch-justinianische Rechtsbuch, 1817, Neudruck 1970 (mit Bibliographie der älteren Ausgaben); Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953, 562; Ochoa, X./Diez, A., Indices titulorum et legum corporis iuris civilis, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Thilo, R., Drucke des Corpus iuris civilis im deutschen Sprachraum, Gutenberg-Jahrbuch 59 (1984), 52

Corpus (N.) iuris feudalis (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des Lehnsrechts im 18. Jh.

Lit.: Lünig, J., Corpus iuris feudalis Germanici, Bd. 1ff. 3. A. 1727

Corpus (N.) juris Fridericiani ist der gescheiterte Versuch einer materiellrecht­lichen Gesetzgebung Preußens (Kabinettsor­dre vom 31. Dezember 1746 für ein Teutsches Allgemeines Landrecht) unter Samuel von Cocceji. Der König will ein Werk, das sich „bloß auf die Vernunft und Landesver­fassungen gründet, damit einmal ein gewisses Recht im Lande etabliret und die unzähligen Edikte aufgehoben werden mögen“. 1749 erscheint ein Entwurf des Personenrechts, 1751 ein Entwurf des Sachenrechts. Das Manuskript des dritten Teils (Obligationen­recht) geht (1753) im Postversand verloren. Der Tod Samuel von Coccejis (1755) und die Wirren des sieben­jährigen Krieges beenden die Arbeiten. Das zweite und dritte Buch des ersten Teiles über das Eherecht und das Vormundschaftsrecht erlangen in einigen Landesteilen Gesetzes­kraft, obwohl sie sehr dem römischen Recht verhaftet sind.

Lit.: Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der Spruchpraxis des preußischen Kammergerichts von 17841810,2006;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani1-1749.pdf

Corpus (N.) iuris Fridericianum (lat.), Erstes Buch, ist das nach dem Müller-Arnold-Prozess (1779) und einer Kabinettsordre vom 14. 4. 1780 am 26. April 1781 in Preußen in Kraft gesetzte Prozess­rechts­gesetzbuch Friedrichs des Großen bzw. seines Groß­kanzlers Johann Casimir von → Carmer, das den Unter­suchungs­grundsatz in den Zivilprozess ein­führt, die Advokaten durch Assistenzräte ersetzt und die Beendigung aller Prozesse innerhalb eines Jahres anstrebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982

Corpus (N.) iuris militaris (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen militärrechtlicher Vorschriften zwischen 1632 und 1723.

Lit.: Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891; Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, hg. v. militärgeschichtlichen For­schungsamt, Bd. 1 1979

Corpus (N.) iuris publici (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des öffentlichen Rechtes des Heiligen römischen Reiches im 18. Jh.

Lit.: Schmauss, J., Corpus iuris publici Sancti Romani imperii academicum, 1722

Corpus (N.) iuris Saxonici (lat.) ist die Bezeichnung für eine private Sammlung des sächsischen Rechts.

Lit.: Lünig, J., Codex Augusteus oder neuvermehrtes corpus iuris Saxonici, Bd. 1f. 1724

corpus (lat. [N.]) possidendi) Herrschafts­gewalt über eine Sache durch Übergabe einer beweglichen Sache oder Betreten einer unbe­weglichen Sache oder bei originärem Erwerb durch deutliche Kundgabe

Corrigere (lat.) ist ein Ausdruck, der unter Kaiser Trajan (98-117) in das römische Strafverfahren eindringt. Danach geht es dort darum, Unrecht wieder recht zu machen. Diese Vorstellung steckt auch hinter dem germanistischen „richten“.

Lit.: Köbler, DRG 34, 46; Köbler, G., Richten, Richter und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 59

Cortes ist die den König beratende Ver­sammlung der Geistlichen, Adligen und Städtevertreter in Kastilien, León, Portugal, Aragón und Navarra seit der 2. Hälfte des 12. Jh.s.

Lit.: Gonzáles Antón, L., Las Cortes de Aragón, 1978; Procter, E., Curia and cortes, 1980

Corvey

Lit.: Krüger, H., Höxter und Corvey, 1931; Prinz, J., Die Corveyer Annalen, 1982; Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey, 1992

Court of Chancery ist das Gericht des Kanzlers (chancellor) des → englischen Rechts. Es geht darauf zurück, dass der zunächst geistliche Kanzler schon im 13. Jh. Bitten hilfesuchender Engländer an den König hinsichtlich der Möglichkeit der Bildung neuer Klageformeln begutachtet und im 15. Jh. in Einzelfällen Rechtsschutz gewährt, wenn das → common law zu unan­gemessenen Ergeb­nissen führt. Die seit 1529 tätigen weltlichen Kanzler führen das fort und begründen bald ein System anerkannter Sätze des positiven Rechts, das an der Billigkeit (→ equity) ausgerichtet ist.

Lit.: Jones, W., The Elizabethan Court of Chancery, 1967; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Court of Common Pleas ist das seit 1234 sicher belegte, für Zivilsachen zuständige königliche Gericht des → englischen Rechts in Westminster mit einem Oberrichter und 3 nachgeordneten Richtern.

Lit.: Hastings, M., The Court of Common Pleas, 1947

Court of Exchequer ist das für Verwaltungsangelegenheiten und Finanzsachen zuständige königliche Gericht des → englischen Rechts in Westminster.

Court of King`s Bench ist das für Strafsachen und Appellationen zuständige königliche Gericht des → englischen Rechts in Westminster.

Coutume (franz. [F.] Gewohnheit) ist die rechtlich bedeutsame Gewohnheit (lat. [F.] consuetudo), die auch in einer Abgabe oder Leistung bestehen kann. Die c. als eine Mehrheit von rechtlich bedeutsamen Gewohnheiten erlangt in Frankreich seit dem 10./11. Jh. Gewicht und wird im Norden seit Beginn des 13. Jh.s mit örtlichen Bezügen auf Grund der Aussagen von Sachkennern in Rechtsbüchern (nichtamtliche coutume, amtliche coutumiers) schriftlich aufgezeich­net, wobei sich eine Trennung in das nördliche Gebiet des droit (M.) coutumier (Nordfrankreich, Belgien, Niederlande, Genf, Waadt, Neuenburg, Fürstbistum Basel) und das südliche Gebiet des (römischen) droit (M.) écrit (Südfrankreich) bildet und wobei Entscheidungen, Gesetze (Ordonnanzen) und teilweise auch römisches Recht und kirchliches Recht in die coutumiers einbezogen werden (ursprünglich lateinisch] Très ancien coutume (bzw. coutumier) de Normandie [lat. Statuta et consuetudines Normanniae] 1199/1200 bzw. 1220 bzw. 1200/1204 [nach 1220 in das Französische übersetzt], Grand coutumier de Normandie 1254-1258 [Summa de legibus Normanniae in curia laicali], Conseil à un ami [im Vermandois] des Pierre de Fontaine für Philipp III. 1253 bzw. 1254-1258, Livre de justice et de plet [um] 1260 [Gegend von Orléans], Facet von Saint Armand-en-Prévèlet/Belgien 1265, Etablisse­ments de Saint Louis um 1270 [Tourraine-Anjou, Orléanais], Coutumes de Beauvaisis [nördlich von Paris] 1283 des Philippe de Beaumanoir [Philippe de Remi Beaumanoir], Ancien coutumier de Champagne des Guillaume du Châtelet 1295-1300 [auf der Grundlage von Usages de Champagne von etwa 1253], Recht von Uccle/Brüssel/Belgien 1300, Très ancienne coutume de Bretagne 1312/1316-1325, Stilus curie Parlamenti des Guillaume du Breuil um 1330, Grand coutumier [de France bzw. Ile de France] des Jacques d’Ableiges um 1388, Somme rural des Jehan Boutillier vor 1395, Vieux coutumier de Poitou/Poictou 1417). 1454 befiehlt König Karl VII. wegen zahlreicher Streitigkeiten hinsichtlich des Bestehens behaupteter Rechtssätze in der Ordonnance von Montil-les-Tours die amtliche Aufzeichnung aller coutumes jeder bailliage mit anschließender Inkraftsetzung, was bis 1545 zu 20 redigierten coutumes und bis 1750 zu 681 coutumes, von denen 88 vom König gebilligt sind, führt. Auf der Grundlage der Coutume de Paris (1510 bzw. 1580) entwickelt sich (hieraus) mit Hilfe der vom König dem Parlement de Paris übertragenen Prüfungszuständigkeit ein gemeines Gewohn­heitsrecht (franz. droit commun coutumier).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nouveau coutumier général, hg. v. Bourdot de Richebourg, C., Bd. 1ff. 1724ff.; Brunner, H., Die coutumiers der Hamiltonsammlung, ZRG GA 4 (1883), 232; Favey, J., Le coutumier de Moudon de 1577, 1924; Declareuil, J., Histoire générale du droit français, 1925, 851; Filhol, R., Le premier président Christoffe de Thou et la réformation des coutumes, 1937; Olivier-Martin, F., Le roi de France et les mauvaises coutumes au moyen âge, ZRG GA 58 (1938), 108; La rédaction des coutumes, 1962; Poudret, J., Enquêtes sur la coutume du pays de Vaud, 1967; La coutume de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1970; Le style de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1972; Gräfe, R., Das Eherecht in den coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,633,2,2,200; Gouron, A./Terrin, O., Bibliographie des coutumes de France, 1975; Les coutumes de l’Agenais, hg. v. Ourliac, P./Gilles, M., 1976; La coutume, hg. v. Gilissen, J., 1982; Walkens, L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1992; Gouron, A., Droit et coutume en France aux XIIe et Xiiie siècles, 1993; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998

Coutumes de Beauvaisis sind das bedeutendste Rechtsbuch des mittelalterlichen Frankreich. Die C. d. B. stammen von Philippe de → Beaumanoir. Er bemüht sich um eine Darstellung des Gewohnheitsrechts in Beauvaisis, verwendet dazu aber auch Sätze der Coutumes von Champagne, Vermandois, Artois, Normandie und Paris, die Rechtsprechung des Parlaments de Paris, königliche Verordnungen, römisches Recht und kirchliches Recht. Die systematisierende, vor eigenen Lösungen nicht zurück­schreckende Privatarbeit, die der Rechts­wirklich­keit nicht vollständig entspricht, bleibt trotz hohen gedanklichen Wertes von geringem Einfluss auf die Rechtspraxis.

Lit.: Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899f., Neudruck 1970, Bd. 3; Commentaire historique, hg. v. Hubrecht, G., 1974; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis 1283-1293, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983

Coutumier (franz. [M.]) ist die private Aufzeichnung der → coutume im mittelalterlichen Frankreich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Le vieux coustumier de Poictou, hg. v. Filhol, R., 1956; Petitjean, M. u. a., Le coutumier bourguignon glosé, 1982; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998

Covarubias y Leyva, Diego de (1512-1577) wird nach dem Rechtsstudium 1533 Professor für kirchliches Recht in Salamanca, 1565 Bischof von Segovia und 1574 Präsident des Staatsrates. Auf ihn geht die strafrechtliche Vorstellung des bedingten Vorsatzes (lat. dolus [M.] indirectus) zurück.

Lit.: Merzbacher, F., Azpilcueta und Covarruvias, (in) Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 275; Peressa, V., Diego de Covarubias, 1957

Cowell, John (1554-1611), nach dem Studium des römischen Rechts in Cambridge 1594 Professor in Cambridge, versucht 1605 eine erfolglose Darstellung des englischen Rechts nach dem Aufbau der Institutionen Justinians ([lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris Anglicani, Einrichtungen des englischen Rechts) und muss wegen seiner in seinem erfolgreichen Wörterbuch The Interpreter (1607) vertretenen absolutismusfreundlichen und parlamentsfeind­lichen Haltung 1611 seine Professur aufgeben.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., Bd. 5, 20

creditor (lat. [M.]) → Gläubiger

Crimen (lat. [N.]) ist im römischen Recht das Verbrechen im Gegensatz zu (lat.) delictum (N.). Für die crimina (N.Pl.) entwickelt sich das besondere Strafrecht und Strafprozess­recht. Schon früh wird dabei das c. (publicum) mit der von der Allgemeinheit (mit dem Beil) vollstreckten Todesstrafe geahndet. Zu den lange noch durch den Verletzten mittels Strafe zu vergeltenden crimina zählen Mord (lat. [N.] parricidium), Brandstiftung, handhafter Dieb­stahl, nächtliches Abweiden eines fremden Feldes und falsches Zeugnis.

Lit.: Kaser §§ 32, 41, 50; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12; Köbler, DRG 65; Köbler, LAW

Crimen (N.) laesae maiestatis (lat.) ist im älteren römischen Recht die Verletzung des Ansehens zunächst der plebejischen Magistrate. Seit Augustus geht die (lat. [F.]) maiestas vom römischen Volk und seinen Magistraten auf den Prinzeps und damit später den Kaiser über. Seit den Kaisern Arcadius und Honorius kann zum Schutz des Kaisers und seiner Günstlinge jeder politische Vorwurf mit der Todesstrafe und der Vermögensentziehung verfolgt werden. Diese Vorstellung übernimmt das Frühmittel­alter allmählich mit gewissen Abwandlungen. Im weiteren Verlauf findet das c. l. m. Eingang in den → Mainzer Reichslandfrieden von 1235, die → Goldene Bulle (1356), die → Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und die → Constitutio Criminalis Carolina (1532). Erst Carpzov (1635) schränkt differenzierend ein. Danach wird Inhalt des c. l. m. die Beleidigung des Monarchen als Regenten, die 1918 ihren Bezugspunkt verliert.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 20; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967 113; Kellner, O., Das Majestätsverbrechen, Diss. phil. Halle 1911; Tietz, K., Perduellio und maiestas, Diss. jur. Halle 1935; Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983

Crimen (N.) magiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit das Verbrechen der Zauberei. → Hexerei

Lit.: Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902

Criminal Code (1879) ist der an dem 1860 verfassten indischen Strafgesetzbuch (Indian Penal Code) ausgerichtete Entwurf eines englischen Strafgesetzbuches, der vom Parlament nicht angenommen wird.

Criminal Law Consolidation Acts (1861) ist die das Strafrecht betreffende Zusammen­fassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im → englischen Recht.

Cui bono? (lat.) Wem zum Guten? Wem nützte die Tat? ist ein von Cicero (106-43 v. Chr.) geprägtes lateinisches Rechtssprichwort.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Cuius regio eius religio (lat., wessen Gebiet, dessen Religion) ist die von dem Greifswalder protestantischen Kirchenrechtler J. Stephani (1544-1623) (in seinen [lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris canonici von 1599 mit dem Satz [lat.] ut cuius sit regio, hoc est ducatus, principatus seu ius territorii, eius etiam sit religio, hoc est ius episcopale seu iurisdictio spiritualis) geschaffene Formulierung für die der Sache nach bereits im → Augsburger Religionsfrieden von 1555 angewandte geistliche Gerichtsbarkeit des reichsun­mittelbaren Landesherrn im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) ([lat.] ubi unus dominus, ibi una religio, wo ein Herr, da eine Religion). Der ihr zugrunde liegende Gedanke wird danach von den protestantischen Reichsständen bean­sprucht, in der Gegenreformation auch von den katholischen Reichsständen. Insgesamt fördert und ermöglicht der dann auf das Normaljahr 1624 abstellende Satz zu Lasten der Untertanen die Wahrung der Reichseinheit und der monarchisch-aristokratischen Verfassung sowie die Ausbildung des Territorialstaatskirchenrechts und damit des → Absolutismus und der → Souveränität.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Heckel, M., Staat und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands, ZRG KA 42 (1956), 117, 43 (1957), 202; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Schneider, B., Der Westfälische Friede in der Deutung der Aufklärung, 1989; Schneider, B., Ius reformandi, 2001

Cujas, Jacques (Toulouse 1522-Bourges 4. 10. 1590) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse zunächst dort Rechtslehrer (1547-1554), danach in Cahors, Bourges (1555-1557, 1559-1566, 1575-1590), Valence (1567-1575) und Turin (1566-1567). Er vertieft die Verwendung humanistischer Methoden im Recht in seinen Textausgaben (J. Pauli receptae sententiae, 1559, Institutiones Justiniani, 1585) und seinen zahlreichen exegetischen Einzelarbeiten. In seinen (lat.) Paratitla (N.Pl.) in libros digestorum (1570, kurze Erklärungen zu den Büchern der Digesten) stellt er eine gegliederte Ordnung von Klagen und Rechtsbehelfen dar.

Lit.: Spangenberg, E., Jacob Cujas und seine Zeitgenossen, 1822, Neudruck 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Troje, H., Graeca leguntur, 1971, 108

Culpa (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Schuld oder Nachlässigkeit, die vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln erfasst. C. ist ausgeschlossen bei Geisteskran­ken (furiosi) oder Kindern (infantes). Bei c. des Geschädigten wird die c. des Schädigers aufgehoben (Kulpakompensation).

Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Köbler, DRG 44, 49, 61, 216; Köbler, LAW

culpa (lat. [F.]) in concreto, Verletzung der Sorgfalt, die in eigenen Angelegenheiten beachtet würde, durch den Schuldner

Culpa (F.) in contrahendo (lat.) ist das von Rudolf von Ihering (Jhering, 1818-1892) als Haf­tungsgrund herausgearbeitete, vom Bürger­lichen Gesetz­buch des Deutschen Reiches (1900) nicht besonders berücksichtigte Verschulden bei Vertragsschluss (2002 § 311 II BGB).

Lit.: Ihering, R., Culpa in contrahendo, Jb. f. d. Dog­ma­tik 4 (1861) 1; Medicus, D., Zur Entdeckungs­ge­schichte der culpa in contrahendo, FS M. Kaser 1986, 189; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Ihering, 1988; Giaro, T., Culpa in contrahendo, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 113; Keller, M., Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007

culpa (F.) in eligendo (lat.) Auswahlverschulden

culpa (F.) lata (lat.) grobe → Fahrlässigkeit

culpa (F.) levis (lat.) leichte → Fahrlässigkeit

culpa (F.) levissima (lat.) leichteste → Fahrlässigkeit

Lit.: Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968

Cura (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die bei Geisteskranken (furiosi), Verschwendern (prodigi), Tauben, Stummen, Altersschwachen, (Leibesfrüchten bzw. nascituri) sowie gegebenenfalls Unmündigen und Frauen, auf Antrag auch bei Mündigen unter 25 Jahren (minores XXV annis), mög­liche → Pflegschaft, bei welcher der Pflegling für eigene Handlungen der Zustimmung des Pflegers (lat. [M.] curator) bedarf.

Lit.: Kaser §§ 4, 11, 44, 58, 62, 64, 82; Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 57

curator (lat. [M.]) Pfleger → cura

curia (lat. [F.]) Hof, Herrscherhof, Hofrat

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1965; Lalinde Abadía, J., El curia o cort, Anuario de estudios medievales 4 (1967), 169; Bournazel, E., Le gouvernement capétien, 1975; Loyn, H., The Governance of Anglo-Saxon-England, 1984; Hillen, C., Curia regis, 1999

curtis (lat. [F.]) Hof, Herrenhof

Lit.: Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesiner, W., Nd. 2 1975; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983

curtis (F.) dominica (mlat.) Herrenhof

curtis (F.) indominicata (mlat.) Herrenhof

curtis (F.) salica (mlat.) Herrenhof

cursus honorum (lat. [M.]) Ämterlaufbahn der römischen Rpublik (Quästor, Ädil, Prätor, Konsul

Cusanus → Nikolaus von Kues

Custodia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Aufsicht. Wer eine Sache eines Gläubigers in Händen hat (z. B. Verwahrer, Entleiher, Mieter, Werkunter­nehmer, Pfandgläubiger, möglicherweise Verkäufer)), haftet danach für das Abhandenkommen der Sache (z. B. durch Diebstahl) und solche Schäden, die gerade bei unzureichender Aufsicht üblicherweise entstehen können. Nur in bestimmten Sonderfällen (höhere Gewalt) wird er von der Haftung frei.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 45, 63; Köbler, LAW

Cyprianus ist ein in Florenz geborener, am Ende des 12. Jh.s verstorbener Glossator mit Glossen zu allen Teilen der justinianischen Kompilation.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 236

Czernowitz am Pruth wird 1408 als Zollstätte des Fürstentums Moldau erstmals erwähnt. Über die Osmanen gelangt es 1774/1775 an Österreich (Galizien, Bukowina), wo es 1875 eine Universität erhält (u. a. Eugen Ehrlich). 1918 fällt es an Rumänien, 1940 an die Sowjetunion bzw. danach an die Ukraine.

Lit.: Jüdisches Städtebild Czernowitz, hg. v. Corbea-Hoisie, A., 1998; Czernowitz, hg. v. Heppner, H., 2000; Yavetz, Z., Erinnerungen an Czernowitz, 2007

 

 

D

 

Dabelow, Christoph Christian Frhr. v. (Neubuckow bei Wismar 19. 7. 1768–Dorpat 27. 4. 1830), Justizratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock und Jena 1787 Advokat, 1791 außerordentlicher Professor, 1792 ordentlicher Professor in Halle (bis 1806 bzw. 1809), 1811 Staatsrat in Anhalt-Köthen (bis 1813) und 1819 Hofrat und Professor in Dorpat.

Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4 685

Dacheriana ist die nach ihrem ersten Herausgeber (d’Achery † 1685) benannte, um 800 in Lyon entstandene systematische Kirchenrechtssammlung mit etwa 400 canones.

Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975, 259

Dahn, Felix (Hamburg 9. 2. 1834-Breslau 3. 1.1912), Sohn eines deutsch-französischen Schauspielerehepaars, wird nach dem Studium der Philosophie und des Rechts in München und Berlin 1857 mit Studien zur Geschichte der germanischen Gottesurteile in München habilitiert. 1863 wird er Professor in Würzburg, 1872 in Königsberg und 1888 in Breslau. Sein größter literarischer Erfolg ist der in 30 Auflagen (1900) veröffentliche Roman Ein Kampf um Rom (1876ff.), während das zwölfbändige Hauptwerk Die Könige der Germanen (1861ff.) weniger Anerkennung findet.

Lit.: Meyer, H., Friedrich Dahn, 1913; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 3 1957, 285

Dalloz, Désiré (1795-1869) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt und 1814 Mitarbeiter am (franz.) Journal des audiences de la cour de cassation et des cours d`appel (1824 Jurisprudence générale du royaume). Danach veröffentlicht er bis 1832 in einem Répertoire de jurisprudence générale (allgemeinen rechtswissenschaftlichen Repertorium) nach Materien geordnet in alphabetischer Reihen­folge wichtige Entscheidungen mit Anmerkungen. Dieses Werk legt er von 1845 bis 1870 in verbesserter und erweiterter Fassung neu auf. Sein Name lebt in dem Verlagshaus fort, das als den „Dalloz“ eine fortlaufende Sammlung von Entscheidungen, Gesetzen und wissenschaftlichen Stellung­nahmen vertreibt.

Lit.: Papillard, F., Désiré Dalloz (1795-1869), 1964

Dalmatien ist das zunächst von Dalmatern besiedelte Ostufer der Adria mit den davorliegenden Inseln, das 9. n. Chr. zur römischen Provinz Dalmatia wird. Seit dem Ende des 6. Jh.s dringen Slawen und Awaren ein, seit dem 11. Jh. bemüht sich Venedig um die 1420 erreichte Herrschaft. Im 16. Jh. fällt ein Teil Dalmatiens an die Türken. Über Venedig (Auflösung der Republik 1797) bzw. (nach Auflösung der illyrischen Priovinzen Napoleons) über den Wiener Kongress (1815) erlangt → Österreich das 1816 zum Königreich erhobene D. 1920 wird es → Jugoslawien zugeteilt, aus dem es 1991 vor allem an → Kroatien fällt.

Lit.: Mayer, E., Die dalmatisch-istrische Munizipalverfassung im Mittelalter und ihre römischen Grundlagen, ZRG GA 24 (1903), 211; Stanic, M., Dalmatien, 1984; Steindorf, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Clewing, C., Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, 2000; Cetnarowicz, A., Die Nationalbewegung in Dalmatien im 19. Jahrhundert, 2008

Da mihi factum, dabo tibi ius (lat.). Gib mir den Tatbestand, ich werde dir das Recht geben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Alexander III. 1100-1181, Dekretalen 2, 1, 6)

Dalberg, Karl Theodor Reichsfreiherr von (Herrnsheim bei Womrs 10. 2. 1744-Regensburg 8. 2. 1817) wird nach dem Stu­dium des Rechts in Heidelberg 1768 Priester, 1772 Statthalter des Erzbischofs von Mainz in Erfurt, 1780 Rektor der Universität Würzburg, 1787 Koadjutor in Mainz, 1788 Koadjutor in Konstanz, 1800 Bischof von Konstanz, 1802 Erzbischof von Mainz und 1806 Fürstprimas von Deutschland (im Rheinbund). Im Reichsdeputationshaupt­schluss erhält er 1803 Regensburg, Aschaf­fenburg und Wetzlar, 1806 Frankfurt am Main und 1810 Fulda und Hanau. 1803 muss er abdanken, bleibt aber Erzbischof von Regensburg.

Lit.: Färber, K., Kaiser und Erzkanzler, 1988; Carl von Dalberg, hg. v. Färber, K. u. a., 1994; Carl von Dal­berg, hg. v. Hausberger, K., 1995; Hein, N., Der Staat Karl Theodor von Dalbergs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1996

Damasus ist ein um 1210 bis 1220 in Bologna wirkender Lehrer des kirchlichen Rechts.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 300

Damme → Vonnisse von Damme

Damnationslegat ist das bereits dem jüngeren altrömischen Recht bekannte Vermächtnis, bei dem vielleicht der treu­händerische Vermö­genskäufer (lat. familiae emptor [M.]) dem oder den Bedachten für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften soll.

Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23

Damnum (lat. [N.]) (iniuria datum) ist im klassischen römischen Recht der rechtswidrig zugefügte Schaden, zu dessen Ausgleich bereits 286 v. Chr. die (lat.) lex (F.) Aquilia de damno (aquilisches Gesetz über den Schaden) ergeht.

Lit.: Kaser § 51; Köbler, DRG 65

Danelaw ist eine Bezeichnung für das vom späten 9. Jh. bis 1066 vom Recht der Dänen beherrschte Gebiet → Englands (z. B. Northumbria, Ostanglien).

Lit.: Loyn, H., The Vikings in Britain, 1977

Däne → Dänemark

Dänemark ist der im Norden an Deutschland grenzende skandinavische Staat. Die Festi­gung einer eigenständigen Herrschaft über die Dänen (6. Jh.) durch einen König gelingt in der ersten Hälfte des 10. Jh.s unter Gorm dem Alten (ab etwa 940 ununterbrochene Königsreihe). Wenig später setzt sich das Christentum in D. durch. Zeitweise herrschen die Könige Dänemarks über große Teile Englands (Knut der Große 1018-1035), der Ostsee (Waldemar der Große 1157-1182) und → Norwegen, → Schweden sowie → Finnland (Margarete I. 1387/1389-1412). Um 1200 wird erstmals das Recht (für Schonen [kurz nach 1200, dänisch, lateinisch als Liber legis Scaniae, Rechtsbuch Schonens Erzbischof Andreas Sunesens], Seeland [Waldemar, Erik] und Jütland [März 1241 unter König Waldemar II.] erhalten) schriftlich aufgezeichnet, wobei kirchlicher Einfluss nachweisbar ist. 1479 wird in Kopenhagen eine Universität gegründet. 1536 wird unter dem Hause Oldenburg (1448-1863) die lutherische Reformation durchge­führt. Vom Einfluss der katholischen Kirche befreit beherrscht der König zusammen mit dem Adel das Land. Im Gefolge des Dreißigjährigen Kriegs wird D. von Schweden zurückgedrängt, wobei die Ostge­biete an Schweden fallen. 1660 erzwingen Bürger und Bauern gegen den Adel die Umwandlung Dänemarks in eine Erb­monarchie (mit einem 1661 eingerichteten Höchstgericht), die sich 1665 (durch lat. [F.] lex regia, königliches Gesetz) dem Grundsatz des Absolutismus zuwendet und 1683 unter Christian V. das dänische Recht (Danske Lov 15. 4. 1683, Prozessrecht, Kirchenrecht, Stän­derecht mit Eherecht und Unmündigen­recht, Seerecht, Schuldrecht, und Sachenrecht, Strafrecht, 6 Bücher, ersetzen jütisches, see­ländisches und schonisches Recht, im 19. Jh. weitgehend aufgehoben, eine Reihe von Grundnormen aber noch in Kraft, ähnlich 1687 für das von 1380 bis 1814 mit D. verbundene Norwegen) in einem Buch (Gesetzbuch?) zusammenfasst. Im 18. Jh., in dem 1736 eine juristische Prüfung eingeführt wird und innerhalb der erwachsenden Rechtswissenschaft die Rechtsgeschichte erfasst wird (Peder Kofod Ancher, En Dansk Lov-Histoire 1789ff.), dringt mit Aufklärung und Naturrecht die Lehre von der Gewaltenteilung ein und wird das Strafrecht gesetzlich geändert. 1788 beginnt die Befrei­ung der Bauern. 1814 gelangt Norwegen an Schweden. 1849 wird die absolute Monarchie unter Einführung einer Verfassung nach dem Vorbild Belgiens bis 1866 durch eine konstitutionelle Monarchie abgelöst. 1864 gehen Schleswig, Holstein und Lauenburg an den → Deutschen Bund bzw. Preußen verloren. 1866 wird die Verfassung verändert. Seit 1872 arbeitet D. mit den anderen nordischen Ländern trotz Sonderung des Westnordischen vom Ostnordischen verein­heitlichend zusam­men. 1866/1930 wird das Strafrecht, 1916/1919 das Prozessrecht geändert. Ab 1891 wird die Sozial­versicherung eingeführt. 1901 setzt sich der Gedanke der parlamentarischen Kontrolle durch. 1915 wird erneut die Verfassung verändert. 1920 kehrt nach einer Volks­abstimmung Nordschleswig zu D. zurück. 1953 ermöglicht ein Thronfolgegesetz die weibliche Erbfolge in der Erbmonarchie mit demokratisch-parlamentarischer Regie­rungs­form, die sich zum Sozialstaat wandelt. Das Einkammersystem wird eingeführt. 1960 tritt D. der Europäischen Freihandels­zone bei, 1973 der Europäischen Gemein­schaft (bzw. 1993 Europäischen Union). 1979 erhält → Grönland Autonomie.

Lit.: Hasse, P., Die Quellen des Ripener Stadtrechts, 1883; Repertorium diplomaticum regni Danici mediaevalis, hg. v. Christensen, W. u. a., 1894ff.; Haandværksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Danske vider og vegtægter eller gamle landsbylove, hg. v. Bjerge, P. u. a., 1904ff.; Haff, K., Die Theorie des dänischen Grundregals, ZRG GA 30 (1909), 290; Haff, K., Die dänischen Gemeinderechte, 1909; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Scriptores minores historiae danicae medii aevi, rec. Gertz, M., 1917ff.; Dahl, F., Juridiske profiler, 1920; Danemarks gamle lanskabslove med kirkelovene, hg. v. Brøndum-Nielsen, J., 1920f.; Annales Danici medii aevi, neu hg. v. Jørgensen, E., 1920; Dahl, F., Frederik VI og Anders Sandøe Ørsted, 1929; Dahl, F., Hovedpunkter af den danske retsvidenskabs historie, 1937; Dänische Rechte, übers. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1938; Juul, S., Fællig og hovedlod, 1940; Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940; Jørgensen, P., Dansk Retshistorie, 1940, 2. A. 1947; Fussing, H., Herremand og Fæstebonde, 1942, Olsen, G., Traehesten, hundehullet og den spanske kappe, 1960; Højesteret 1661-1961, 1961; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,506,1005, 3,4,21; Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolge­ordnung in Dänemark, 1976; Sprandel-Krafft, L., Rechtsverhältnisse in spätmittelalterlichen Städten am Beispiel Viborgs (Dänemark), ZRG GA 93 (1976), 257, 94 (1977), 20; Tamm, D., Fran lovkyndighed til retsvidenskab, 1976; Kroman, E., Dänemarks alte Rechte – Ihr Alter und ihre Verwandtschaft, ZRG GA 94 (1977), 1; Riis, T., Les Institutions Politiques Centrales du Danemark 1100-1332, 1977; Danmarks historie, Bd. 1ff. 1977ff.; Dübeck, I., Købekoner og konkurrence, 1978; Ekbom, C., Ledung och tidig jordtaxering i Danmark, 1979; Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1983; Tamm, D., Retsopgøret efter besættelsen, 1984; Thygesen, F., Das Verhältnis zwischen dänischem und deutschem Recht, ZRG GA 105 (1988), 289; Den Danske rigslovgivning 1397-1513, hg. v. Andersen, A., 1989; Tamm, D., Laerebog i Dansk retshistorie, 1989; Tamm, D., Retshistorie 1 Dansk retshistorie, 1990; Tamm, D., Med lov skal land bygges, 1990 (Aufsätze); Den Danske rigslovgivnning 1513-1523, hg. v. Andersen A,. 1991, Jyske Lov i 750 år, 1991; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992; Danmark i senmidelalderen, hg. v. Ingesman, P. u. a., 1994; Stevnsborg, H., Besaßen die dänischen Könige der vorchristlichen Zeit Gesetzgebungsgewalt, ZRG GA 112 (1995), 423; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn, R., Dänische Geschichte, 2001; Hammerslev, O., Danish judges in the 20th century, 2003; Andersen, S., Danmark I det tyske Storrum, 2003; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation, hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Geiger, T., Die dänische Intelligenz von der Reformationszeit bis zur Gegenwart, 2005; Tamm, D., Retshistorie, 2005; Bellamy, M., Christian IV and his Navy, 2006; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und Schleswig-Holstein, hg. v. Tamm, D., 2008; Quellen zur dänischen Rechts- und Verfassungsgeschichte (12.-20. Jahrhundert), hg. v. Tamm, D. u. a., 2008

Daniels, Heinrich Gottfried Wilhelm (Köln 25. 12. 1754-Köln 28. 3. 1827), wird nach dem Studium der Mathematik und des Rechts in Köln 1770 in der Philosophie und 1775 in der Rechtswissenschaft promoviert. 1776 wird er Advokat bei dem Hofrat des Erzbischofs von Köln, 1783 ordentlicher Professor der Universität Bonn und 1792 Richter am kurkölnischen Appellationsge­richtshof in Bonn. Nach dem Verlust aller Ämter infolge des Einmarschs Frankreichs lehrt er seit 1798 Gesetzgebung an der neuen Zentralschule in Köln, wird aber 1804 Substitut de Procureur Général am Kas­sationshof in Paris, 1813 Generalprokura­tor am Appellationshof in Brüssel, 1817 geheimer Staatsrat in Berlin und 1819 erster Präsident des rheinischen Appellationsge­richtshofs in Köln.

Lit.: Weisweiler, W., Geschichte des rheinpreußischen Notariats, Bd. 2 1925; Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Reisinger-Selk, N., Heinrich Gottfried Daniels, 2008; Daniels, H., Vorlesungen, hg. v. Becker, C., 2009

Dank

Lit.: His, R., Dank, ZRG GA 57 (1937), 474

Danzig an der Weichselmündung in die Ostsee wird am Ende des 10. Jh.s (997) als (pommerellische) Burg genannt. Seit dem ausgehenden 12. Jh. bringen deutsche Zuwanderer, die sich hauptsächlich beider­seits der Langgasse niederlassen, → lübisches Recht (1263) mit. Nach Zerstörung der Stadt (1236 civitas Danczik) durch den Deutschen Orden in Kämpfen um die Erbfolge im Herzogtum Pommerellen im Jahre 1308 erhält D. vom Hochmeister des Deutschen Ordens 1342/1343 → Kulmer Recht. 1454 löst sich das in vier Teile gegliederte D. vom Deutschen Orden und unterstellt sich Polen, wofür es verschiedene Vorrechte erhält.1792 kommt D. bei der zweiten Teilung Polens an Preußen, Nach dem Versailler Vertrag vom 20. 6. 1919 wird es, um Polen einen Ostseehafen zu sichern, am 15. 11. 1920 Freie Stadt (400000 Einwohner, 5 Prozent Polen, 1966 qkm), in der weiter deutsche Gesetze gelten. Diese freie Stadt D. ist ein Staatsgebilde mit beschränkter Souveränität ohne Staatsoberhaupt, aber mit Regierungs­oberhaupt. Am 1. 9. 1939 wird D. in das Deutsche Reich eingegliedert. 1945/1990 fällt es an Polen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Simson, P., Geschichte der Danziger Willkür, 1904; Keyser, E., Geschichte Danzigs, 1921; Keyser, E., Die Entstehung von Danzig, 1924; Loening, O., Untersuchungen zum ältesten Recht von Danzig, ZRG GA 46 (1926), 206; Keyser, E., Der Streit um ein Danziger Aufwertungsgesetz am Ende des 18. Jahrhunderts, ZRG GA 46 (1926), 383; Keyser, E., Das älteste Danziger Stadtrecht, ZRG GA 48 (1928), 194; Methner, A., Zwei alte Danziger Rechtssymbole, ZRG GA 57 (1937) 456; Hahlweg, W., Das Kriegswesen der Stadt Danzig, 1937; Gierke, J. v., Danzigs deutsches Recht, ZHR 107 (1940), 161; Samsonowicz, H., Untersuchungen über das Danziger Bürgerkapital in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1969; Ruhnau, R., Danzig, 1971; Lingenberg, H., Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen Stadt Danzig, 1982; Ruhnau, R., Die Freie Stadt Danzig, 2. A. 1988; Wittreck, F., Die Anfänge der verfassungsge­richtlichen Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA 121 (2004), 415

dare (lat.) geben

Darjes, Joachim Georg (1714-1791), Schüler Christian Wolffs, bemüht sich in Jena und Frankfurt an der Oder um eine systematische Gliederung des Privatrechts und entwickelt auf römischrechtlicher Grundlage systema­tisch (1740) das erbrechtliche Parentelen­system. → Parentel

Lit.: Köbler, DRG 159, 162; Gärtner, F., Joachim Georg Darjes und die preußische Gesetzesreform, 2007

Darlehen ist ein je nach Gestaltung entweder einseitig verpflichtender Vertrag oder ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine Teil (Darlehensnehmer) verpflichtet, Geld oder andere vertretbare Sachen in gleicher Art, Güte und Menge, wie er sie von dem anderen Teil (Darleiher) (zu Eigentum) erhält, zurückzuerstatten. Das D. ist in der Form des (lat. [N.]) → nexum wohl bereits dem altrömischen Recht bekannt (Selbstver­pfändung für ein D.). Daneben besteht das formfreie (lat. [N.]), grundsätzlich unentgeltliche → mutuum als → Real­kontrakt, aus dem der Gläubiger die (lat. [F.]) → condictio als abstrakte Klage erhält, wobei Zinsen besonders vereinbart werden müssen. Im frühmittel­alterlichen Recht ist D. nur ein Fall der allgemeineren → Leihe. Gegen das Nehmen eines Entgelts für das D. wendet sich schon in karolingischer Zeit die christliche Kirche (Lukas 6,35 [lat.] mutuum date nihil inde sperantes, gebt D. ohne etwas davon zu erhoffen). Gegen den Widerstand der Kirche setzt sich aber mit der Geldwirtschaft das D. durch. Es wird zunächst für Juden, dann auch für andere insofern bevorrechtigte Personen, schließlich 1654 durch den jüngsten Rechtsabschied auch allgemein erlaubt, wobei römisches Recht des Darlehens (lat. [N.] mutuum) unter Abänderung aufgenommen wird. Allerdings werden Höchstzinssätze (oft 6%) festgesetzt und wird die Berechnung von Zinseszinsen verboten. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) trennt das D. eindeutig von der Leihe (lat. [N.] commodatum). Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811) versteht das D. als Realvertrag, doch entwickelt sich daneben auch ein konsensauler Darlehensvertrag. Im Gefolge des Liberalismus fallen im 19. Jh. die Zinsschranken (ADHGB, 1861), doch bewirkt ein wuchermäßiges Verhalten Unwirksamkeit einer Vereinbarung. 2002 wird in Deutschland das D. (Gelddarlehen, 488 BGB) vom D. anderer vertretbarer Sachen (Sachdarlehen) getrennt.

Lit.: Kaser §§ 6, 31, 32, 38, 39; Söllner §§ 9, 16, 18; Hübner 591; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 45, 125, 127, 166, 213, 120, 241; Lübtow, U. v., Die Entwicklung des Darlehensbegriffs, 1965; Schulz, H., Darlehen und Leihe, Diss. jur. Göttingen 1922; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Dehesselles, T., Policey, Handel und Kredit im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, 1999

Daseinsvorsorge (Forsthoff, E., Der totale Staat, 1933, Die Verwaltung als Leistungs­träger, 1938) ist die vorausplanende Ge­staltung menschlichen Seins. Sie wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s zunehmend Gegenstand der öffentlichen Verwaltung.→ Leistungsverwaltung

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Scheidemann, E., Der Begriff Daseinsvorsorge, 1991; Hermes, G., Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998; Laak, D. van, Der Begriff Infrastruktur, Archiv für Begriffs­geschichte 41 (1999), 280; Kersten, J., Die Entwicklung des Konzepts Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der Staat 44 (2005); Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, 2006; Ringwald. R., Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, 2008

Datenschutz ist der Schutz der Daten einer Person vor Missbrauch durch eine andere Person. Er entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s als Folge der Verbreitung der elektronischen Datenverarbeitung. Zu seiner Ausführung sind besondere staatliche Daten­schutzbeauftragte bestellt.

Lit.: Köbler, DRG 260

datio (lat. [F.]) Habe, Hingabe (z. B. bei Leihe, Verwahrung, Pfand)

Datio (F.) in solutum (lat.) ist die Leistung an Erfüllungs Statt. Bei ihr wird schon im klassischen römischen Recht der Schuldner nur befreit, wenn sie der Gläubiger als Erfüllung anerkennt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 62

Dauer

Lit.: Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206

DDR (Deutsche Demokratische Republik)

Decemviri (lat. [M.Pl.]) ist im altrömischen Recht ein Ausschuss von 10 Männern zur Erledigung allgemeiner Angelegenheiten (z. B. → Zwölftafelgesetz).

Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 17, 19

De Chasseneuz, Bartholomaeus (1480-1541) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Dôle, Poitiers, Turin (1497) und Pavia (1499-1502) als Kronanwalt in Autun 1517 (lat.) Commentaria (N.Pl.) in consuetudines ducatus Burgundiae, den ersten großen Kommentar zum partikularen Gewohn­heitsrecht (franz. droit coutumier) in Frankreich.

Lit.: Pignot, J., Bartholomaeus de Chasseneuz, 1880, Neudruck 1970; Dugas della Boissony, C., Bartholomaeus de Chasseneuz, Diss. jur. Dijon 1977

Deciani, Tiberio (Udine 1509-Padua 1582), Patriziersohn, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1523-1529) Anwalt in Udine und Venedig (1544). In seinem posthum veröffentlichten (lat.) Tractatus (M.) criminalis (1590, Straftraktat) entwickelt er ansatzweise einen allgemeinen Teil des Strafrechts mit einem allgemeinen Straftatbestand.

Lit.: Schaffstein, F., Tiberio Deciani, Dt. Recht 3 (1938), 121

Decius, Philippus ist ein in Mailand 1454 geborener, in Pavia und Pisa ausgebildeter, 1475 promovierter, dort, 1484 in Pisa, 1487 in Siena, 1487 in Pisa, 1502 in Padua und später in Pavia und Pisa lehrender, vielleicht in Siena 1536 verstorbener Jurist (lectura zu Digesten 50, 17, commentaria zu den Digesten, consilia).

L.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 875

Déclaration (F.) des droits de l`homme et du citoyen (franz.) ist die von der Nationalversammlung in Frankreich 1789 angenommene Erklärung der Menschenrechte bzw. Bürgerrechte, die 1791 der Verfassung vorangestellt wird.

Lit.: Zur Geschichte der Erklärung der Menschen­rechte, hg. v. Schnur, R., 1964

Declaratio (F.) voluntatis (lat.) ist die in der frühen Neuzeit (seit Connan 1508-1551) allmählich ausgebildete allgemeine Grundfigur der → Willenserklärung.

Lit.: Köbler, DRG 164; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

decreta (lat. [N.Pl.]) (z. B. sog. decreta Tassi­lonis oder decretum Tassilonis von 756?-772? (45 bayerische Synodal­bestimmungen aus Aschheim, Dingolfing und Neuching), Entscheidungen → Dekret, decre­tum

Lit.: Hartmann, W., Die Synoden der Karolingerzeit, 1989

Decretio (F.) Childeberti (lat., auch decretus, decretum) ist ein spätestens am 1. 3. 596 verkündetes, vielleicht in verschiedenen Teilen aus verschiedenen Jahren stammendes, in 24 Textzeugen durch 21 noch greifbare Handschriften überliefertes Dekret (Kapitular) des fränkischen Königs Childebert II. für Austrasien mit gemischten Inhalten (z. B. Eintrittsrecht der Enkel, mehrfach Todesstrafe), das überwiegend mit der für Neustrien bezeugten Lex Salica überliefert ist.

Lit.: Eckhardt, W., Die Decretio Childeberti und ihre Überlieferung, ZRG GA 83 (1966), 1; Woll, I., Untersuchungen zu Überlieferung und Eigenart der merowingischen Kapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, 1995; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Kölzer, T., Die merowingischen Kapitularien in diplomatischer Sicht (in) Scientia veritatis, 2004, 16ff.

Decretum (lat. [N.]) ist im römischen Prinzipat die Entscheidung (Urteil) des Prinzeps, mit der er unmittelbar Recht setzt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32

Decretum (N.) Burchardi (lat.) ist die wohl zwischen 1008 und 1012 verfasste Kanonessammlung → Burchards von Worms.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Decretum (N.) Gratiani (lat.) ist die zwischen 1125 und 1140 (erste, durch vier bzw. fünf Handschriften überlieferte, eher lehrbuchartige Fassung um 1140 [1139?] mit 1860 canones, zweite, stärker quellen­sammelnde, aber keine Texte aus bisher nicht verwendeten Sammlungen aufnehmende oder Ergänzungen aus schon benutzten Quellen einfügende Fassung um 1144/1145?, erste gesicherte Benutzung 1158, insgesamt mehr als 600 mittelalterliche Handschriften, noch ältere Vorstufe möglicherweise in Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS 673) in Bologna von dem (Kamaldulenser-)Mönch → Gratian auf Grund zahlreicher älterer Sammlungen zusammen­­gestellte Concordia discordantium canonum (Übereinstimmung widersprüch­licher Regeln). Das Quellensammlung und Lehrbuch in sich vereinende D. G. stellt ohne strenge Systematik die bis zum dritten lateranischen Konzil (1139) entstandenen kirchlichen Rechtssätze (Konsilscanones, päpstliche Dekretalen, Texte von Kirchen­vätern [ca. 25%], Auszüge aus Bußbüchern, römische Rechtssätze sowie biblische Sätze, insgesamt 3945 [lat. M.Pl.] canones oder [lat. N.Pl.] capitula) zusammen. Sein erster Teil enthält 101 in Kapitel (c.) geteilte Distinktionen (D.) oder allgemeine Bestimmungen und beginnt mit einer allgemeinen Rechtslehre. Der zweite Teil befasst sich mit 36 in Untersuchungen (lat. [F.Pl.] quaestiones) und Kapitel (lat. [N.Pl.] capitula) gegliederten (fiktiven) Fällen oder (lat.) causae (C.), die beispielsweise das Eherecht (C. 27ff.) oder die Buße (C. 33, quaestio 3 als Traktat ausgestaltet) betreffen. Der dritte, wohl erst in der zweiten Fassung eingefügte Teil stellt in 5 Distinktionen (und Kapiteln) unter der Überschrift (lat.) De consecratione (Von der Weihe) das Recht der Weihe und anderer Sakramente dar. Eine wichtige Quelle sind die Sammlungen des Ivo von Chartres (Panormia, nach 1095), ein bedeutsames Vorbild Alger von Lüttichs (lat.) De misericordia et iustitia (Von Barm­herzigkeit und Gerechtigkeit). An das D. G. schließt sich bald (vor 1150?) eine wissenschaftliche Behandlung (Dekretistik in der Form von Glossen und Summen z. B. Huguccio von Pisa) an, deren Glossen → Johannes Teutonicus um 1215 zu einer (lat.) glossa (F.) ordinaria zum D. G. zusammenfasst (um 1245 von Bartholomaeus Brixiensis überarbeitet). Später bildet das D. G. den ersten Teil des (lat.) → corpus (N.) iuris canonici. Vielleicht stammt die Gliederung in Distinktionen von dem auch Zusätze verfassenden Schüler Paucapalea. Zitier­weisen sind seit der Nummerierung der Kapitel in der Ausgabe Charles Dumoulins von 1553/1554 (nicht mehr die lateinischen Textanfänge der Stellen, sondern) z. B. für den ersten Teil D. (Distinktion) 20. C. (Kapitel) 2 oder für den zweiten Teil C. (Causa) 9 q. (quaestio) 3 c. (capitulum) 11 oder für den dritten Teil De cons. D. (Distinktion) 1 c. (Kapitel) 5.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Studia Gratiana, Bd. 1ff. 1953ff.; Gaudemet, J., Das römische Recht in Gratians Dekret, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 12 (1961), 177; Landau, P., Forschungen zu vorgratianischen Kanonessammlungen und den Quellen des gratianischen Dekrets, Ius commune 11 (1984), 81; Winroth, A., The Two Recensions of Gratian’s Decretum, ZRG KA 83 (1997); Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Beyer, A., Lokale Abbreviationen des Decretum Gratiani, 1998; Larrainzar, C., El borrador de la „Concordia“ de Graciano – Sankt Gallen Stiftsbibliothek MS 673, Ius Ecclesiae 11 (1999), 593; Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum, 2000

decretum (lat. [N.]) principis Entscheidung des (römischen) Kaisers in Zivilprozessen und Strafprozessen

Decretum (N.) Tassilonis (lat.) ist die Bezeichnung für die Beschlüsse der Synoden (Versammlungen) von Aschheim, Dingolfing und Neuching, die unter Herzog Tassilo III. von Bayern (748-788) um 756, um 770 und 771 zur Regelung kirchenrechtlicher Fragen stattfinden.

Lit.: Barion, H., Die Verfassung der bayerischen Synoden des 8. Jahrhunderts, Röm. Quartalschrift 38 (1930), 90; Hartmann, W., Die Synoden der Karolingerzeit, 1989; Landau, P., Kanonessammlungen in Bayern, (in) FS K. Reindel, 1995, 137

Decurio (M.) de gradus (lat.) ist eine spätantike (6./7. Jh.?), systematische, an unbekanntem Ort geschaffene, relativ reich und erheblich unterschiedlich überlieferte, etwa eine Seite umfassende Übersicht über ein staatliches Ämterwesen (Kommandos, Staatsämter und Herrscher, Hofämter und städtische Ämter, soziale Klassen und grundherrliche Amtsträger [Ämtertraktat]), die vielleicht nur Lehrzwecken dient und keiner bekannten Wirklichkeit vollständig entspricht.

Lit.: Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Beyerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Barnwell, P., Epistula Hieronimi de gradus Romanorum, Historical Research 64 (1991), 77

Dediticius (lat. [M.]) ist im römischen Recht der gewaltunterworfene Reichsangehörige (str.).

Lit.: Kaser §§ 3, 13, 16; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 30; Köbler, DRG 35, 57

Defensor (M.) pacis (lat. Verteidiger des Friedens) (1324) ist die wichtigste staatsrechtliche Schrift des → Marsilius von Padua, in der er von der Herrschaft des Kaisers über die christliche Kirche ausgeht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Segall, H., Der „Defensor pacis“ des Marsilius von Padua, 1959

Definition (F.) ist die Inhaltsbestimmung eines (zu bestimmenden und insofern als ver­hältnismäßig unbekannt angesehenen) Begriffs. Sie erfolgt durch (bestimmende) Angabe des übergeordneten Gattungsbegriffs und des innerhalb der Gattung aussondernden oder kennzeichnenden Einzelmerkmals (z. B. Frau ist [innerhalb]der [Gattung] Mensch, der [welcher der Art nach] weiblich ist, F = Mw). Insbesondere seit dem 18. Jh. werden diese Anforderungen präzisiert.

Lit.: Schröder, J., Definition und Deskription, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Forgó, N., Omnis definitio in iure civili periculosa est, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 23

Deichrecht ist die Gesamtheit der den Deich (als die gegen Fluten vorgenommene Erd­aufschüttung) betreffenden Rechtssätze, wie sie sich seit dem 10. oder 11. Jh. vor allem an der Nordsee entwickeln. Dazu bildet sich zunächst teils freiwillig, teils herrschaftlich ein Deichverband als Zwangsgenossenschaft der durch den Deich unmittelbar geschützten Grund­stücksbe­rechtigten. Der Deichverband ist Eigentümer des Deiches und verwaltet ihn durch eigene Organe (Deichgraf, Deich­schöffe, Deichgericht), sofern hierfür nicht die Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist in Teile (Kabeln, Pfänder, Lose) zerlegt, für die ein jeweiliges Grundstück (d. h. sein Nutzer oder Eigentümer) zu sorgen hat (Deichlast als Art Reallast). Wer sein Kabel nicht ord­nungsgemäß unterhält, muss mit dem Verlust seines Grundeigentums rechnen (Wer nicht kann deichen, muss weichen bzw. wer nicht will deichen, darf weichen). Seit dem 16. Jh. wird der Deichverband zur Staatsanstalt, die Deichbaupflicht zur öffentlichen Last gegen­über dem Deichregalträger. Es werden Deichordnungen aufgezeichnet oder auch erlassen (Kleve 1448, Eiderstedt 1592, Hamburg 1639, Wursten 1661, Braun­schweig-Lüneburg 1664, Bremen 1693). Das 19. Jh. kehrt zur Selbstverwaltung der Deichverbände zurück (Preußen Deich­gesetz 1848). Bei der Schaffung der deut­schen Rechtseinheit durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) wird das D. dem Landesgesetzgeber überlassen. Seit dem preußischen Wassergesetz des Jahres 1913 werden die Deichverbände als Wassergenos­senschaften behandelt.

Lit.: Schrader, C., Systematische Übersicht über das Deichrecht, 1805; Harnisch, R., Deichgesetzgebung, 1886; Gierke, J. v., Die Geschichte des deutschen Deichrechts, Teil 1f. 1901ff., Neudruck 1967; Beckmann, A., Dijk- en Waterschapsrecht, Bd. 1f. 1905ff.; Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Bochalli, A., Wassergenossenschafts- und Deichrecht nach dem preußischen Wassergesetz, 2. A. 1925; Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Felkes, E., Die geschichtliche Entwicklung der Deichlast in Nordfriesland, 1937; Albers, E., Das Deichrecht im Amt Ritzebüttel, 1938; Römer, H., Die Rechtsgeschichte der Koogs- und Deichverbände, 1938; Winsemius, J., De historische ontwikkeling van het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden, H. van der, De Cope, 1955; Obreen, H., Dijkplicht en Waterschappen aan Frieslands Westkust, (1956); Buijtenen, M. u. a., Westergo’s Ysselmeerdijken, 1956; Djuren, H., Das Deichrecht im Lande Wursten, Diss. jur. Göttingen (um 1960); Ostfriesland im Schutze des Deiches, hg. v. Ohling, J., 1969; Blok, D., Wie alt sind die ältesten niederländischen Deiche, (in) Probleme der Küstenforschung 15 (1984), 1; Gottschalck, M., Deich- und Wasserbau, 1985; Petersen, S., Deutsches Küstenrecht, 1989; Ehrhardt, M., Ein guldten Bandt des Landes, 2003; Fischer, N., Wassersnot und Marschengesellschaft, 2003; Nawotki, K., Die schleswigsche Deichstavengerechtigkeit, 2004

Dei gratia (lat. [F.]) ist eine von Karl dem Großen 768 nach biblischem und auch kirchlichem Vorbild (6. Jh.) aufgegriffene, zunächst nur religiös zu verstehende Formel, mit welcher der irdische Herrscher zum Ausdruck bringen will, dass seine Stellung von Gottes Gnade herrührt. Ob die Vermittlung durch den Papst erfolgen muss, ist zeitweise streitig.

Lit.: Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000

Dekalog sind die zehn Gebote, die Moses auf dem Sinai (von Gott) empfängt (2. Moses 20,2-17, 5. Moses 5,6-21). Der D. enthält klare Regeln für wichtige gesellschaftliche Stö­rungen. Die zugehörigen, den Nichtjuden durch das Christentum vermittelten Lösungen beeinflussen das weltliche Recht großer Teile der gesamten Menschheit bis in die Gegenwart.

Lit.: Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982

Dekan (M.) ist ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Dekret ist allgemein die obrigkeitliche Entscheidung. Im Kirchenrecht ist D. das (lat.) → Decretum (N.) Gratiani.

Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.

Dekretale ist die seit dem 4. Jh. n. Chr. (385 n. Chr. [lat.] Directa ad decessorem, Siricius an Bischof Himerius von Tarragona) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr häufige Entscheidung des Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie verkündende feier­li­che Erlass. Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise die Sammlung des Dionysius Exiguus, die pseudo­isi­dorischen Fälschungen, die (lat.) Collectio (F.) Wigorniensis (um 1173/1174, noch unsystematisch), der (lat.) Appendix (M.) concilii Lateranensis III (England um 1183, bereits systematisch nach Titeln geordnet und teilweise auch in einzelne Blöcke zerlegt), die Collectio Britannica oder die zwischen 1187 und 1226 (bzw. 1188/1190 und 1226) entstandenen sog. compilationes antiquae (lat. [F.Pl.] alte Sammlungen, später sog. compilatio prima [= Breviarum extravagantium, geteilt in fünf Bücher iudex, iudicium, clerus, conubia, crimen h. h. Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen] 1188-1191 bzw. um 1188/1190 Bernardus Balbi von Pavia bzw. Bernardus Papiensis [vor allem Dekretalen Alexanders III.] in 5 Büchern, compilatio secunda des Johannes Galensis 1210-1212 [Dekretalen zwischen 1191 und 1198], compilatio tertia 1209/1210 [Papst Innozenz III. durch] Petrus Beneventanus bzw. Petrus Collivaccinus [erste authentische Sammlung, Dekretalen Papst Innozenz’ III.], compilatio quarta 1216 Johannes Teutonicus (mit Texten insbesondere des vierten Laterankonzils, von Papst Innozenz III. zurückgewiesen), compilatio quinta 1226 [Papst Honorius III. 1216-1227 durch] Tancred bzw. Tancredus Bononienis). Sie werden auf Grund eines von Papst Gregor IX. (1227-1241) 1230 erteilten Auftrags von dem spanischen Kirchenrechtler → Raymundus de Penyafort (1180-1275) zu einer neuen ergänzten Dekretalen­samm­lung (mit 2139 Kapiteln zwischen 1140 und 1234) vereinigt, die am 5. 9. 1234 als (lat.) Liber (M.) (decretalium) extra (Decretum Gratiani) veröffentlicht wird. Sie gliedert sich in fünf Bücher (Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen). Sie ersetzt alle älteren Sammlungen der Dekretalen. Eine zugehörige (lat.) glossa (F.) ordinaria stammt von Bernardus Parmensis († 1266) bzw. → Johannes Andreae († 1348). Die bedeutendste Summe ist die 1253 abgeschlossene, seit 1477 so bezeichnete (lat. [F.]) Summa aurea (goldene Summe), die wichtigste Kommentierung die zwischen 1262 und 1265 entstandene(lat.) Lectura (F.), Lesung, des Hostiensis (Heinrich von Segusia, Susa vor 1200-Lyon 1270). Zitiert wird dieser Liber extra z. B. als X 1. 2. 13.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Landau, P., Die Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120; Kuttner, S., Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P., Kanones und Dekretalen, 1997; Landau, P., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG KA 117 (2000), 86; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the early middle ages, 2001

Dekretalist ist der die → Dekretalen (1234 nach Erscheinen des Liber extra) bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Johannes Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis [Summa aurea, goldene Summe, Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de Tudeschis [Panormitanus]). Die Gesamtheit wie die Tätigkeiten der Dekretalisten werden als Dekretalistik bezeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983

Dekretist ist der das → Dekret Gratians bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Pau­capalea, Rufinus, Stephan von Tournai, Huguccio, Johannes Teutonicus).

Lit.: Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983

delatura (lat. [F.], Anzeigelohn?) dilatura

De laudibus legum Angliae (lat., Über die Vorzüge des englischen Rechts) ist eine 1470 vom Richter Sir John → Fortescue verfasste Darstellung des → englischen Rechts im Vergleich zum festländischen Recht.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

delegatio (lat. [F.]) Anweisung

Delegation ist die Übertragung einer Aufgabe oder Zuständigkeit auf einen oder mehrere andere. Sie ist bereits der römischen Kaiserzeit bekannt. Im Mittelalter erfolgt die D. weltlicher oder geistlicher Gerichtsbarkeit seit dem 11./12. Jh. (lat. iurisdictio [F.] delegata). Im Heiligen römischen Reich wird die D. wegen des damit verbundenen Zuständigkeitsverlusts des Delegierenden seit der Errichtung des Reichs­kammergerichts eingeschränkt, in der Kirche seit den Konzilen von Konstanz, Basel und Trient, in den deutschen Ländern seit dem 18. Jh. Trotzdem ist die D. als Übertragung einer Zuständigkeit eines staatlichen Organs auf ein anderes, das danach die Zuständigkeit neben dem oder statt des Delegierenden ausübt, möglich. In Österreich sind die Delegationen 1867 ein 120 Mitglieder umfassendes Gesetzgebungs­organ für die pragmatischen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie, das rechtstatsächlich auf die Erstellung des entsprechenden Haushaltsplans beschränkt ist.

Lit.: Kaempfe, W., Die Begriffe der Jurisdictio Ordinaria, Quasiordinaria, Mandata und Delegata, 1876; Canstein, R.? v., Jurisdictio delegata und mandata im justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG 13 (1878), 491; Kümpel, J., Begriff und Abstufung der iurisdictio ordinaria und delegata, 1922; Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, Neudruck 1995; Endemann, W., Der Begriff der delegatio, 1959; Müller, H., Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie, 1997; Reichard, I., Delegation und Novation im klassischen römischen Recht, 1998; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001

De legibus et consuetudinibus regni Angliae (lat.) (Treatise on the Laws and Customs of England, Über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) ist eine kurze, in lateinischer Sprache abgefasste Darstellung des englischen Rechtes (common law) des 12. Jh.s (1187-1189?) auf der Grundlage der Recht­sprechung der königlichen Gerichte (aus­genommen das siebente, Erbrecht behandelnde Buch). Als Verfasser gilt Ranulf de Glanvill. Ein Einfluss des römischen Rechts ist nur in terminologischer Hinsicht zweifelsfrei.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Delictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die den Einzelnen, seine Familie oder sein Vermögen verletzende Tat (zu lat. delinquere, V., zurücklassen ausgehen, fehlen, sich verge­hen, z. B. Diebstahl, Sachbeschädigung, Persönlichkeitsverletzung). Voraussetzung ist Rechtswidrigkeit und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist anfangs die Vergeltung am Täter selbst (z. B. Tötung, Körperverletzung), später die an die Stelle des Racherechts tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), die entweder in einem bestimmten Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des betroffenen Gegenstandes bestehen kann. Hinzukommen können sachverfolgende Klagen. In der Spätantike wird im Westen seit dem 4. Jh. zwischen Verbrechen und → Delikt begrifflich nicht mehr unterschieden und das Ziel des nichtkriminellen Verfahrens mehr und mehr als Schadensersatz verstanden. Justinian hält demgegenüber strenger am klassischen Gedankengut fest, setzt aber je nach Nützlichkeit der Angelegenheit für den Handelnden für die Ersatzpflicht meist einen der verschiedenen Grade von Schuld voraus.

Lit.: Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Delikts­rechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49

Delikt ist die rechtswidrige schuldhafte Tat. Ihr folgt teils → Strafe, teils Buße. Dabei wird mit der Aufnahme des römischen Rechts auch die Figur des (lat. [N.]) → delictum übernommen. Im Strafrecht ist D. die mit öffentlicher Strafe bedrohte Handlung, im Privatrecht die unerlaubte, zu Schadensersatz verpflichtende Handlung (§§ 823ff. BGB).

Lit.: Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 1976, 9. A. 2001, 10. A. 2006; Bar, C. v., Gemein­europäisches Deliktsrecht, 1996; Zimmermann, R./Verse, D., Die Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation des deutschen Deliktsrechts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 319; Mohnhaupt-Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006

Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, für eine unerlaubte Handlung zur Verantwortung gezogen werden zu können. Sie fehlt schon im römischen Recht den Geisteskrnken (furiosi) und Kindern (infantes). Für das ältere deutsche Recht ist die tatsächliche Hand­habung im Einzelfall eher unklar. Mit der Rezeption  wird die Mündigkeit (Vollendung des 14. Lebensjahrs) maßgeblich für die D.

Demagoge (M.) Volksführer, Volksverführer

Demagogenverfolgung ist die staatliche Verfolgung „revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen“ durch den → Deutschen Bund auf Grund der am 20. 9. 1819 vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen → Karlsbader Beschlüsse mit Hilfe einer in Mainz eingesetzten Zentral­untersuchungskommission. Die D. besteht beispielsweise in der Aufhebung der Zensurfreiheit von Universitätsprofessoren, in der Beseitigung von Rechtshindernissen für die Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Entfernung von Studenten von der Universität. In diesem Zusammenhang werden in Preußen 1836 192 Studenten verurteilt, davon einige zur Todesstrafe. Bekannte Verfolgte sind Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt, Joseph von Görres, Karl Friedrich Eichhorn, Friedrich Schlei­er­macher oder E. T. A. Hoffmann.

Lit.: Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, 1979; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991

Demokratie (demokratia, griech., Volksherr­schaft) ist die erstmals in → Athen unter Kleisthenes (508 v. Chr.) in gewisser Weise verwirklichte Herrschaft des Volkes in einem Gemeinwesen, die von Aristoteles als Entar­tung der Herrschaftsform Politie angesehen wird. Nach der Antike gewinnt die D. trotz Erwähnung bei Martin Luther (1539 für Schweiz und Dithmarschen), Samuel Pufendorf (1667 als Gegensatz zum Reichstag) oder Johann Stephan Pütter (1787 für Reichsstädte) erst wieder seit der französischen Revolution des Jahres 1789 tatsächliche Bedeutung. Dabei wird teils auf die vollständige Gleichheit und Beteiligung aller an der Herrschaft abgestellt, teils auf die Volkssouveränität, teils auf Gewaltenteilung, Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Repräsentativsystem. Im Einzelnen sind die Formen der verwirklichten D. dementsprechend verschieden (z. B. 1919 im Deutschen Reich eine mit plebiszitären Merkmalen angereicherte parlamentarische D. mit vom Volk gewähltem Reichspräsidenten, 1949 Volksdemokratie der Deutschen Demo­kratischen Republik).

Lit.: Köbler, DRG 256; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 821; Blumer, J., Staats- und Rechts­geschichte der schweizerischen Demokratien, 1850ff.; Schmitt, C., Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 2. A. 1926; Kelsen, H., Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. A. 1929; Schefold, D., Volkssouveränität und reprä­sentative Demokratie, 1966; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Tormen, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie im Weimarer Regierungssystem, 1971; Biographisches Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa, hg. v. Reinalter, H. u. a., Bd. 1 1992; Kurz, A., Demokratische Diktatur?, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Lepsius, M., Demokratie in Deutschland, 1993; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Demokratie in Rom?, hg. v. Jehne, M., 1995; Rudolph, K., Bibliographie zur Geschichte der Demokratiebewegung, 1997; Kirchgässner, G. u. a., Die direkte Demokratie, 1999; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Riethmüller, J., Die Anfänge des demokratischen Denkens in Deutschland, 2001; Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Fisahn, A., Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2002; Wegbereiter der Demokratie, hg. v. Asendorf, M., 2006; Canfora, L., Eine kurze Geschichte der Demokratie, 2006; Raaflaub, K. u. a., Origins of Democracy, 2007; Verachtet, verfolgt, verdrängt - Deutsche Demokraten, hg. v. Bockhofer, R., 2007

Demolombe, Jean Charles Florent (1804-1887) verfasst als Zivilrechtslehrer in Caen einen 31bändigen, unvollendeten Kommentar (Cours) zum → Code civil (1845ff.).

Lit.: Jouen, L., Demolombe et ses œuvres, 1888

Demonstration (F.) Aufzeigung, Protestzug

Lit.: Dostal, C., 1968 – Demonstranten vor Gericht, 2006

Demoskopie (F.) Volksbefragung, Meinungs­forschung

Lit.: Kruke, A., Demoskopie in der Bundesrepublik Deutschland, 2007

Denarius (lat. (M.) Zehner, zehn As) ist eine römische, im Mittelalter sprachlich weiter­geführte Münze.

Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910; Reverchon, A., Metzer Denare, 2006

denegatio actionis (lat.) Verneinung des Klaganspruchs

Denkmalsrecht ist die Gesamtheit der über­lieferten Zeugnisse eines Vorgangs oder einer Erscheinung betreffenden Rechtssätze. Vorformen des modernen Denkmalrechts gibt es vereinzelt bereits im Altertum und im Mittelalter. Die eigentliche Denkmalpflege beginnt wohl erst mit der Einsetzung Raffaels (1483-1520) als Leiter der Ausgrabungen Roms durch Papst Leo X. (1513-1521) 1516 und umfassende gesetzliche Regelungen gehören erst der jüngeren Neuzeit an.

Lit.: Hammer, F., Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, 1995; Wolf Di Cecca, C., Belege für denkmalpflegeriche Gesetze und Maßnahmen in Antike und Mittelalter, ZRG GA 112 (1995), 440; Denkmalpflege, hg. v. Huse, N., 1996; Speitkamp, W., Die Verwaltung der Geschichte, 1996; Mieth, S., Die Entwicklung des Denkmalrechts in Preußen, 2005

Denuntiatio (F.) evangelica (lat.) ist die lateinische Bezeichnung des auf Matthäus 18,15-17 zurückgehenden kirchlichen Anzeigeverfahrens über ein Fehlverhalten. Dieses setzt seit Innozenz III. (1160/1161-1216, 1199/1209) ein Verhalten gegen die Interessen der Kirche voraus, das der Vorgesetzte nach vergeblichen Ermahnungen anzeigen darf, wobei der Anzeigende weder nachweisen noch Kosten tragen muss. Die Auferlegung einer Buße erfolgt in einem freien Verfahren. Gegen Ende des 17. Jh.s verliert die d. e. als besonderes Verfahren ihre Bedeutung wieder.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 439; Sauerland, K., 30 (Dreißig) Silberlinge, 2000

Denunziation ist allgemein die Mitteilung, Anzeige. Ausgehend von der (lat.) denuntiatio (F.) evangelica wird im gemeinen Strafrecht (Clarus, Practica criminalis, 1578) darunter die Strafanzeige mit dem Ziel der Wahrheitsermittlung verstanden, wobei Vorteile und Gefahren der D. durchaus gesehen und erörtert werden. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s, verstärkt in der ersten Hälfte des 19. Jh.s entwickelt sich unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus die Bedeutung der böswilligen, hinterlistigen und verräterischen Anzeige an die Polizei.

Lit.: Denunziation, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 1997; Sauerland, K., 30 Silberlinge, 2000; Koch, A., Denunciatio, 2006; Nolte, J., Demagogen und Denunzianten, 2007; Böske, S., Denunziationen in der Zeit des Nationalsozialismus, Diss. jur. Bielefeld 2008

Depositio (lat. [F.]) ist die → Hinterlegung an einer bestimmten öffentlichen Stelle, die bereits im klassischen römischen Recht bei Gläubigerverzug dem Schuldner bestimmte Erleichterungen verschafft.

Lit.: Kaser § 53 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Depositum (lat. [N.] Verwahrung) ist im römischen Recht die → Hinterlegung einer beweglichen Sache, die der Verwahrer zurückzugeben hat, sobald es der Hinterleger verlangt. Gibt der Ver­wahrer nicht zurück, so hat nach dem Zwölftafelgesetz der Hinterleger eine Klage wegen Unter­schlagung auf das Doppelte. Später entwickelt sich hieraus eine Klage aus Vertrag auf grundsätzlich nur den einfachen Wert. Depositum irregulare (unregelmäßige Ver­wahrung) ist die Verwahrung, bei welcher der Verwahrer das verwahrte Geld gebrauchen darf, aber zur Rückzhalung desselben Betrags und gegebenenfalls vereinbarter Zinsen ver­pflichtet ist.

Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 45

Depot (N.) (Verwahrung, Verwahrungsort)

Depotgesetz ist das für Deutschland 1896 geschaffene Gesetz über die Verwahrung von Wertpapieren.

Lit.: Buxbaum, C., Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, 2002

Deputat (N.) Zugeschriebenes, Arbeitsentgelt in Sachleistung

Derby (ae. Northworthige) am Derwent geht auf das römische Lager Derventio zurück. 1204 erlangt es Stadtrecht. 1841 wird es Sitz einer Universität.

Lit.: Wright, S., The Derbyshire Gentry, 1983

Derelictio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Aufgabe von → Eigentum und → Besitz durch einen bisherigen Eigentümer ohne Zuwendung an einen neuen Eigentümer. Das Eigentum erlischt nach den Sabinianern mit der Preisgabe, nach den Prokulianern mit der Aneignung durch einen anderen. Nachfolgender ursprünglicher  Erwerb von Eigentum und Besitz durch jedermann sind grundsätzlich rechtmäßig.

Lit.: Kaser § 26; Meyer-Collings, J., Derelictio, 1932; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985; Hoyer, H., Die Dereliktion von Liegenschaften (in) FS Wilhelm Brauneder, 2008, 181

Dereliktion (F.) Eigentumsaufgabe und Besitzaufgabe ohne Eigentumsererwerb und Besitzerwerb eines andern

Der Ältere teilt, der Jüngere wählt ist ein bereits bei Seneca (1-65 n. Chr.), Controv. 6, 3 ([lat.] maior frater dividat patrimonium, minor eligat, der größere Bruder soll das Vatergut teilen, der kleinere aus den Teilen auswählen), Augustinus (354-430), De civitate Dei cap. 20 ([lat.] quando terrenorum aliquid partiendum est, maior dividat, minor eligat, wenn etwas Irdisches zu teilen ist, soll der Größere teilen und der Kleinere wählen) und im Sachsenspiegel Eike von Repgows (1221-1224, Wo zwei zur Erbschaft kommen, soll der Ältere teilen und der Jüngere wählen) Satz. Hinter ihm steht die Einsicht, dass der Teilende nur dann so gut wie möglich teilen wird, wenn er befürchten muss, dass eine ungleiche Teilung durch das Wahlrecht des anderen sich gegen ihn wenden kann. Dementsprechend wird nur ein skrupelloser Betrüger als Jüngerer z. B. eine Zahl von Prüflingen absichtlich ungleich teilen, wahrheitswidrig die Gleichheit der offen­sichtlich grob ungleichen Teile behaupten und sich selbst den größeren Teil nehmen.

Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478

Der Hehler ist nicht besser als der Stehler.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 170 (Graf/Dietherr 1864)

derivativ (abgeleitet)

derivativer Erwerb, abgeleiteter → Eigentumserwerb (im römischen Recht z. B. durch mancipatio, in iure cessio oder traditito, in der Gegenwart durch Übereignung)

Der König ist gemeiner Richter überall.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 211 (Sachsenspie­gel, 1221-1224, Landrecht III 26 § 1)

Dernburg, Heinrich (Mainz 3. 3. 1829-Berlin 23. 11. 1907), Sohn eines jüdischen, 1841 getauften Gießener Rechtsprofessors, wird nach dem Studium in Gießen und der Habilitation in Heidelberg (1852, Vangerow) Professor in Zürich, Halle (1862) und Berlin (1872) und Mitglied des Herrenhauses Preußens. 1871 veröffentlicht er ein dreibändiges Lehrbuch des preußischen Privatrechts, 1884 ein dreibändiges Lehrbuch des Pandekten­rechts und 1898 ein dreibändiges Lehrbuch des bürgerlichen Rechts des Deutschen Reiches und Preußens.

Lit.: Süss, W., Heinrich Dernburg, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 231

Der rechte Weg

Lit.: Der rechte Weg. Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F., 2000

Der Schlüssel des sächsischen Landrechts ist eine (in 17 Handschriften und Fragmenten überlieferte), 1421 vorliegende Gesamtverar­beitung des in Sachsenspiegel, Sachsen­spiegel­­glosse und Schwabenspiegel enthalten­en Rechtsstoffs in alphabetischer Reihenfolge durch einen unbekannten Verfasser.

Lit.: Sinauer, E., Der Schlüssel des sächsischen Landrechts, 1928

Descartes (Cartesius), René (La Haye 31. 3. 1596–Stockholm 11. 2. 1650), wird nach dem Besuch der Jesuitenschule La Flèche Mathe­matiker und Philosoph. Als einzige Gewissheit gilt ihm die Selbstgewissheit im Denken (lat. cogito, ergo sum, ich denke, also bin ich). Hieraus entwickelt er durch vernunftbezogene Ableitung (deduktiv) das systematische Gedankengebäude des Rationalismus, der die Aufklärung fördert.

Lit.: Röd, W., Die Genese des Cartesianischen Rationalismus, 3. A. 1995; Schütt, H., Die Adoption des Vaters der modernen Philosophie, 1998; Descartes im Diskurs der Neuzeit, hg. v. Niebel, W. u. a., 1999; Schultz, U., Descartes, 2001; Descartes und Deutschland, hg. v. Ferrari, J. u. a., 2009

Desertion (F.) Fahnenflucht

Lit.: Fritsche, M., Entziehungen, 2004; Salisch, M. v., Treue Deserteure, 2008

Designation (Bezeichnung) ist die (während einer Amtszeit erfolgende) Berufung eines Menschen in ein Amt oder eine Herrschaft (als Nachfolger). Sie kann dort stattfinden, wo Erblichkeit nicht gilt oder grundsätzlich mehrere Erben nebeneinander berechtigt sind. Bedeutung erlangt die D. in der Form der Einigung des Königs mit den Großen insbesondere für das Königtum im fränkisch-deutschen Reich zwischen dem 9. und 13. Jh. (z. B. Bestimmung Ludwigs des Frommen zum Mitkaiser Karls des Großen 813, Bestimmung Lothars I. zum Mitkaiser Ludwigs des Frommen 817).

Lit.: Heinze, O., Designation, Diss. phil. Göttingen 1913; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 36; Schreyer, B., Zum Begriff der Designation bei Widukind, ZRG GA 67 (1950), 407; Wolf, G., Designation und designare bei Widukind von Corvey, ZRG GA 73 (1956), 372; Wolf, G., Über die Wort- und Rechtsbedeutung von „designare“, ZRG GA 75 (1958), 367; Giese, W., Zu den Designationen, ZRG GA 92 (1975), 174; Giese, W., Designative Nachfolgeregelungen in germanischen Reichen der Völkerwanderungszeit, ZRG GA 117 (2000), 39; Giese, W., Untersuchungen zur Herr­schaftsnachfolge in langobardischen Herzogtümern und Fürstentümern, ZRG GA 119 (2002), 44; Giese, W., Die designativen Nachfolgeregelungen der Karolinger, DA 64 (2008), 437

Deszendent (M.) Abkömmling, Verwandter in absteigender Linie wie z. B. Tochter, Enkel, Gegensatz Aszendent

detentio (lat. [F.]) → Innehabung

detentor (lat. [M.]) Inhaber, → Innehabung

Deutsch ist ein zu ahd. diot, F., Volk (bzw. vielleicht schon in der Völkerwanderungszeit zu germ. *theuda, F., Volk, idg. *teuto, F., Volk) gebildetes Adjektiv (diotisk), das zunächst in seinen ältesten Belegen (8. Jh.) den sprachlichen Gegensatz der Volkssprache zum Lateinischen zum Ausdruck zu bringen scheint und erst gegen Ende des Früh­mittelalters auf ein neues einheitliches Volk bezogen wird. Die deutsche Sprache gliedert sich in hochdeutsch im Süden und nieder­deutsch im Norden und in die zeitlichen Abschnitte Altdeutsch (Althochdeutsch 500-1065, daneben Altsächsisch, Altnieder­fränkisch), Mitteldeutsch (Mittel­hochdeutsch 1065-1500, Mittelniederdeutsch) und Neu­deutsch (Neuhochdeutsch ab 1500 bzw. 1350). Seit dem 18. Jahrhundert löst es in seinem Bereich Latein als Wissen­schafts­sprache ab. Nach dem ersten Weltkrieg (1918) wird D. als internationale Wissen­schafts­sprache auf Betreiben der alliierten Siegermächte boykottiert, nach dem zweiten Weltkrieg verliert es sein bisheriges Gebiet nahezu vollständig an das Angloame­rikanische.

Lit.: Köbler, DRG 76; Köbler, WAS; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Kaindl, R., Geschichte der Deutschen in Galizien bis 1772, 1907; Aubin, H., Von Raum und Grenzen des deutschen Volkes, 1938; Deutsch als Wissenschaftssprache, hg. v. Kal­verkämper, H. u. a., 1986; Thomas, H., Der Ursprung des Wortes theodiscus, HZ 247 (1988), 295; Ammon, U., Die internationale Stellung der deutschen Sprache, 1991; Jarnut, J., Teotischiis homines (a. 816), MIÖG 104 (1996), 26; Jacobs, H., Theodisk im Frankenreich, 1998; Goblirsch, K., Laut­verschiebungen in den germanischen Sprachen, 2005; Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, 10. A. 2006; Rein­bothe, R., Deutsch als internationale Wissenschafts­sprache, 2006; Schneider, R., Die Anfänge der deutschen Geschichte, ZRG GA 124 (2007), 1

Deutschböhmen s. Böhmen

Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Unternehmer und Lohnabhängigen ist die 1933 die Gewerkschaft ersetzende national­sozialistische Einrichtung des Arbeitswesens, die 1936 rund 20 000 000 (freiwillige) Mit­glie­der hat.

Lit.: Köbler, DRG 242

Deutsche Bank ist die führende Ak­tiengesellschaft des Bankwesens in Deutsch­land.

Lit.: Gall, L. u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995, 1995; James, H., Die Deutsche Bank und die Arisierung, 2001; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Bakrai, A., Oscar Wassermann und die Deutsche Bank, 2005

Deutsche Bundesakte (8. 6. 1815) ist die auf völkerrechtlicher Vereinbarung beruhende Verfassung des → Deutschen Bundes.

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­DeutscheBundesakte1815.htm

Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist der am 7. 10. 1949 durch Beschluss des Volkskongresses aus der sowjetisch besetzten Ostzone des Deutschen Reiches als Volksrepublik nach sowjetischem Muster entstandene, von der Sowjetunion gegen einen Volksaufstand vom 17. 6. 1953 gewaltsam gesicherte, mit der Deklaration der Regierung der Sowjetunion vom 25. 3. 1954 formell aus dem Besatzungsstatus in die Souveränität entlassene, vertraglich und tatsächlich aber an die Sowjetunion gebundene, nach dem Mauerbau seit 13. 8. 1961 künstlich abgeschlossene, nach Protesten des Volkes durch Öffnung der Mauer am 9. 11. 1989 wieder frei zugängliche, (nach Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990) zum 3. 10. 1990 durch Beitritt in der Bundesrepublik Deutschland aufge­gangene deutsche Staat. Die DDR ist von der 1946 aus Kommunistischer Partei und Sozialdemo­kratischer Partei hervorgegan­genen Sozia­listischen Einheitspartei Deutschlands (SED) beherrscht (24. 1. 1950 Beschluss zur Gründung eines eigenen Kabinettsressorts für Staatssicherheit, 1989 91000 Mitarbeiter, 173000 informelle Mitarbeiter, 110000 politische Häftlinge). Die Wirtschaft ist (anfangs noch nicht vollständig) zentralistische Planwirtschaft (1970 noch 15 Prozent mittlere und kleinere Privat­unternehmen, 1972 noch 11400 zumindest teilweise private Betriebe), die Gesellschaft egalitär und die Geisteshaltung materialistisch ausgerichtet. Die äußerlich konservative, an die → Weimarer Reichsverfassung von 1919 angelehnte, gesamtdeutsch geplante, aber weder Gewaltenteilung (stattdessen Gewal­teneinheit) noch Opposition (stattdessen Blocksystem der Parteien) kennende, einen Einparteienstaat ohne freie Wahlen be­wirkende Verfassung vom 7. 10. 1949 wird durch eine zweite, die sozialistischen Errungenschaften absichernde, am 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation preisgebende Verfassung abgelöst. Wichtigste Staatsorgane sind (seit 1960) Staatsrat (9 Mitglieder), Ministerrat (7 Mitglieder), Volkskammer (sowie Sekretariat des Zen­tralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Politbüro des Zentral­komitees der Sozialistischen Einheits­partei Deutschlands mit den zusätzlichen Ein­richtungen Natio­naler Verteidigungsrat, Frei­er Deutscher Gewerkschaftsbund, Ge­sellschaft für deutsch-sowjetische Freund­schaft und Präsidium des Nationalrates der Nationalen Front). Die Verwaltung kennt weder Föderalismus noch kommunale Selbst­verwaltung noch Berufsbeamtentum. Die in das Oberste Gericht, Bezirksgerichte und Kreisgerichte gegliederte Gerichtsbarkeit ent­behrt einer Verfassungsgerichtsbarkeit und einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist aber von besonderen gesellschaftlichen Gerichten er­gänzt. In den ersten zehn Jahren des Bestandes des Staates fliehen 2,7 Millionen Einwohner in den Westen. Das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 wird von einem eigenen Strafgesetzbuch (12. 1. 1968) abgelöst, das bis 1987 an der 1981 letzmals vollstreckten Todesstrafe festhält. Das Bürgerliche Ge­setzbuch, dessen Bedeutung durch die Aussonderung des Vertragsrechts und des Wirtschaftsrechts ver­ringert wird, wird zum 1. 1. 1976 durch ein vereinfachendes, nur 480 Paragraphen umfassendes Zivilgesetzbuch (19. 6. 1975, ohne allgemeinen Teil und ohne Abstrak­tionsprinzip) ersetzt, in dem Vertrag, Eigentum und Erbrecht von geringer Bedeutung sind (Versorgungsrecht für die Bürger). Das Familienrecht ist durch ein Familien­gesetzbuch vom 20. 12. 1965 geordnet, das Arbeitsrecht durch ein Arbeitsgesetzbuch (12. 4. 1961). Für den Zivilprozess wird 1975 eine neue Zivilpro­zessordnung geschaffen (Amtsermitt­lungs­grund­satz). Aus rechtsstaatlicher Sicht­weise wird die D. insgesamt sehr kritisch, wenn auch günstiger als die nationalsozialistisch beherrschte Zeit zwischen 1933 und 1945 beurteilt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245, 250, 261ff., 271ff.; Martin, M., Zivilrecht der DDR Sachenrecht, 1956; Wiedemann, H., Das sozialistische Eigentum in Mitteldeutschland, 1964; Geschichte der Rechtspflege der DDR, hg. v. Benjamin, H., Bd. 1f. 1968ff.; Markovits, I. Sozialismus und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reiland, W., Die gesellschaftlichen Gerichte der DDR, 1971; Suermann, W., Verwaltungsrechtsschutz in der DDR, Diss. jur. Göttingen 1971; Ortslexikon der Deutschen Demokratischen Republik, 2. A. 1974; Brunner, G., Einführung in das Recht der DDR, 1975, 2. A. 1979; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Schuller, W., Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts in der DDR bis 1968, 1980; BRD und DDR. Die beiden deutschen Staaten im Vergleich, hg. v. Jesse, E., 1981; Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, hg. v. d. Humboldt-Universität, 1983; Schroeder, F., Das Strafrecht des realen Sozialismus, 1983; Staritz, D., Die Gründung der DDR, 1985; Autorenkollektiv Wirtschaftsrecht, 1986; Autorenkollektiv Strafrecht der DDR, 1988; Wolle, S., Die heile Welt der Diktatur, 1988; Weber, H., Die DDR 1945-1990, 3. A. 2000; Das Oberste Gericht der DDR - Rechtsprechung im Dienste des Volkes, 1989; Fricke, K., Politik und Justiz in der DDR, 2. A. 1990; Haase, H., Das Wirtschaftssystem der DDR, 1990; Sommer, H., Gesellschaftsformen der DDR, NJW 1990, 676ff.; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Fricke, K., MfS intern, 1991; Brunner, G., Was bleibt übrig vom DDR-Recht nach der Wiedervereinigung?, JuS 1991, 353; Weber, H., DDR, 1991; Markovits, I., Die Abwicklung, 1992; Wer war wer in der DDR?, hg. v. Müller-Enbergs, H. u. a., 1992, 2. A. 1995, 3. A. 2000, 4. A. 2006 (3213 Biogramme); Eisert, W., Die Waldheimer Prozesse, 1993; Steuerung der Justiz in der DDR, hg. v. Rottleuthner, H., 1994; Hagemann, F., Der Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen 1949-1969, 1994; Entnazifizierungspolitik der KPD/SED 1945-1948, hg. v. Rösler, R., 1994; Eine Diktatur vor Ge­richt, hg. v. Weber, J. u. a., 1995; Das Zivil­gesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Werkentin, F., Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, 1995; Die Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995; Beckert, R., Die erste und letzte Instanz, 1995; Mielke, H., Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR, 1995; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirt­schaft in Ostdeutschland, 1996; Die Vertriebenen in der SBZ/DDR, hg. v. Wille, M., Bd. 1ff. 1996ff.; Rechtswissenschaft in der DDR 1949-1971, hg. v. Dreier, R. u. a., 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Mampel, Die sozialistische Verfassung, 3. A. 1996; Wendel, E., Ulbricht als Richter und Henker, 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Johmann, U., Die Entwicklung des Sozialrechts in der DDR, 1996; Liwinska, M., Die juristische Ausbildung in der DDR, 1997; Haerendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Rechtserfahrung DDR, hg. v. Dilcher, G., 1997; Feth, A., Hilde Benjamin, 1997; Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“, 1997; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Heitmann, S., Die Revolution in der Spur des Rechts, 1997; Kaiser, M., Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker, 1997; Harendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Trute, H., Die Überleitung des Personals, 1997; Lexikon des DDR-Sozialismus, hg. v. Eppelmann, R., 2. A. 1997; Walter, M., Die Freie Deutsche Jugend, 1997; Kraut, G., Rechtsbeugung?, 1997; Kluge, U. u. a., Willfährige Propagandisten, 1997; Schwan, H., Erich Mielke, 1997; Volksrichter in der SBZ/DDR 1945-1952, hg. v. Wentker, H., 1997; Mählert, U. Kleine Geschichte der DDR, 1998; Offenberg, U., Seid vorsichtig gegen die Machthaber, 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Handloik, V./Hauswald, H., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Die Strafrechtsjustiz der DDR, hg. v. Drobnig, U., 1998; Hoffmann, H., Die Betriebe mit staatlicher Beteiligung, 1998; Laufs, A., Recht und Unrecht in der DDR, 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Grote, M., Die DDR-Justiz vor Gericht, Diss. jur. Hannover 1998; Harder, G., Das verliehene Nutzungsrecht, 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Drommer, G., 1999; Maier, C., Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Zum Stand der Deutschen Einheit: Recht und innere Sicherheit, NJW 1999, 1450; Widerstand und Opposition in der DDR, hg. v. Henke, K., 1999; Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit, hg. v. Deutschen Bundestag, Bd. 1ff. 1999; Papier, H./Möller, J., Die rechtsstaatliche Bewältigung von Regime-Unrecht, NJW 1999, 3289; Wagner, H., Hilde Benjamin und die Stalinisierung der DDR-Justiz, 1999; Zivilrechtskultur der DDR, hg. v. Schröder, R., 1999ff.; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration in Deutschland, 1999; Schäfer, B., Staat und katholische Kirche in der DDR, 2. A. 1999; Kloth, H., Vom Zettelfalten zum freien Wählen, 2000; Raschka, J., Justizpolitik im SED-Staat, 2000; Grün, B., Vom Teilungsunrecht zum Wiederver­einigungsrecht, 2000; Rössler, R., Justizpolitik in der SBZ/DDR, 2000 (nicht erschienen); Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, hg. v. Veen, H., 2000; Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1ff. Wahlfälschung u. a., 2000ff.; Schroeder, F., Zehn Jahre strafrechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, NJW 2000, 3017; Rummler, T., Die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, 2000; Fahnenschmidt, W., DDR-Funktionäre vor Gericht, 2000; Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Hohoff, U., An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestandes, 2000; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2000; Die DDR – Recht und Justiz als politisches Instrument, hg. v. Timmermann, H., 2000; Werkentin, F., Recht und Justiz im SED-Staat, 2. A. 2000; Die DDR und der Westen, hg. v. Pfeil, U., 2001; Mollnau, M., Die Boden­rechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Gieseke, J., Mielke-Konzern, 2001; Eine Revolution und ihre Folgen, hg. v. Jesse, E., 2001; Raschka, J., Zwischen Überwachung und Repression, 2001; Wulf, M., Erich Honecker, 2001; Rüthers, B., Geschönte Geschichten, 2001; Wentker, H., Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953, 2001; Zehn Jahre deutsche Rechtseinheit, hg. v. Koch, E., 2001; Schönfeldt, H., Vom Schiedsmann zur Schiedskommission, 2002; Ihme-Tuchel, B., Die DDR, 2002; Holzweißig, G., Die schärfste Waffe der Partei – Eine Mediengeschichte der DDR, 2002; Armee ohne Zukunft, hg. v. Ehlert, H., 2002, Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Heuer, U., Im Streit, 2002; Blümmel, R., Der Opferaspekt bei der strafrechtlichen Vergangen­heitsbewältigung, 2002; Soziale Ungleich­heit in der DDR, hg. v. Mertens, L., 2002; Howe, M., Karl Polak, 2002; Horstmann, T., Logik der Willkür. Die zentrale Kommission für staatliche Kontrolle, 2002; Strafjustiz und DDR-Unrecht, Bd. 2 Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, hg. v. Marxen, K. u. a., 2002; Reichhelm, N., Die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie Karl Polaks, 2003; Knabe, H., 17. Juni 1953, 2003; Staat und Kirchen in der DDR, hg. v. Dähn, H. u. a., 2003; Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung, hg. v. Eppelmann, R. u. a., 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Alltag in der DDR, 2003; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungs­rechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Bauer, T., Blockpartei und Agrarrevolution von oben. Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands 1948-1963, 2003; Leupolt, S., Die rechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003; Heydemann, G., Die Innenpolitik der DDR, 2003; Scholtysek, J., Die Außenpolitik der DDR, 2003; Glees, A., The Stasi Files, 2003; Kowalczuk, I., Geist im Dienst der Macht, 2003; Rechtsprobleme der Restrukturierung land­wirtschaftlicher Unternehmen in den neuen Bundesländern nach 1989, hg. v. Bayer, W., 2003; Ebbinghaus, F., Ausnutzung und Verdrängung, 2003; Mollnau, K., Recht und Juristen im Spiegel der Beschlüsse des Politbüros und Sekretariats der SED, 2003; Reichhelm, N., Die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie Karl Polaks, 2003; Schneider, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Grafe, R., Deutsche Gerechtigkeit, 2004; Korzilius, S., Asoziale und Parasiten im Recht der SBZ/DDR, 2005; Grütz, R., Katholizismus in der DDR-Gesellschaft 1960-1990, 2004; Peterson, E., The Limits of Secret Police Power, 2004; Digutsch, G., Das Ende der nationalen Volksarmee, 2004; Baumgarten, K./Freitag, P., Die Grenzen der DDR, 2004; Osterburg, D., Das Notariat in der DDR, 2004; Korzilius, S., Asoziale und Parasiten im Recht der SBZ/DDR, 2005; Thiemrodt, P., Die Entstehung des Staatshaf­tungsgesetzes der DDR, 2005; Arp, A., VEB. Vaters ehemaliger Betrieb, 2005; Weinreich, B., Strafjustiz und ihre Politsierung in SBZ und DDR bis 1961, 2005; Wolff, F., Einigkeit und Recht, 2005, 2. A. 2005; Seibel, W., Verwaltete Illusionen – Die Privatisierung der DDR-Wirtschaft durch die Treuhandanstalt, 2005; Bauerkämper, A., Die Sozialgeschichte der DDR, 2005; Kurze, D., Sozialistische Betriebe und Institutionen als Verklagte im DDR-Zivilprozess, 2005; Sozialstaatlichkeit in der DDR, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2005; Schöne, J., Frühling auf dem Lande? Die Kollektivierung, 2005; Ritter, G., Der Preis der Einheit, 2006; Markovits, I., Gerechtigkeit in Lüritz, 2006; Windmüller, J., Ohne Zwang kann der Humanismus nicht existieren, 2006; Inszenierungen des Rechts, hg. v. Marxen, K. u. a., 2006; Republik­flucht, hg. v. Melis, D. van u. a., 2006; Fischer-Langosch, P., Die Entstehung des Familienge­setzbuches der DDR von 1965, 2007; Johannsen, L., Die rechtliche Behandlung ausreise­williger Staats­bürger in der DDR, 2007; Behling, K./Eik, J., Vertuschte Verbrechen – Kriminalität in der Stasi, 2007; Rickmers, E., Aufgaben und Struktur der Bezirkstage und Räte der Bezirke in der DDR 1952-1990/91 am Beispiel des Bezirkes Cottbus, 2007; Rohrer, F., Strafjustiz im Dritten Reich und in der SBZ/DDR, 2007; Riegel, P., Der tiefe Fall des Professors Pchalek, 2007; Müller, S., Das administrative Element im Zivilrecht der DDR. Diss. jur. Jena 2007; Fulbrook, M., Das ganz normale Leben, 2008; Sperlich, P., The East German social courts, 2007; Wuttke, J., Konfliktvermeidung und Streitbei­legung in Familienrechtssachen in der DDR, 2008; Willing, M., Sozialistische Wohlfahrt, 2008; Wolfrum, E., Die DDR, 2008; Segert, D., Das 41. Jahr 2009; Rogg, M., Armee des Volkes, 2008; Vinke, H., Die DDR, 2008; Hirsch, S., Der Typus des sozial desintegrierten Straftäters, 2008; Schulz, G., Mitteldeutsches Tagebuch, 2009; Die demokratische Revolution 1989 in der DDR, hg. v. Conze, E. u. a., 2009; Kowalczuk, I., Endspiel, 2009; Koritsch, H., Die verspielte Chance, 2009; Erinnerungsorte der DDR, hg. v. Sabrow, M., 2009; Krenz, E., Gefänbgnis-Notizen. 2009; Eisenhardt, U., War die DDR ein Unrechtsstaat?, Journal der juristischen Zeitgeschichte 3 (2009), 45

Deutsche Nationalgesetzgebung → Kodifikationsstreit, → Allgemeine Deutsche Wechselordnung, → Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

Deutschenspiegel ist das durch eine einzige vollständige, aus dem frühen 14. Jh. stammende, aus Neustift bei Brixen kommende Handschrift (Universitätsbibli­o­thek Innsbruck cod. 922) und einige verstreute Artikel (in 18 Handschriften des sog. Schwabenspiegels) überlieferte, mittel­bayerische Rechtsbuch, das sich selbst als spiegel aller tiuscher liute benennt. Der (von Julius Ficker so genannte) D. beruht wahrscheinlich auf einer mitteloberdeutschen Übersetzung einer Handschrift der Klasse Ib des → Sachsenspiegels (und vielleicht einer weiteren, wohl im mit Magdeburg eng verbundenen Minoritenkonvent in Augsburg erfolgten Bearbeitung des Sachsenspiegels), wobei die Artikel 1 bis 109 des Landrechts unter Verwendung der Kaiserchronik, des Buchs der Könige und zweier Gedichte des Strickers, der (römischrechtlichen) Insti­tutionen, der (kirchenrechtlichen) Summa Raymundi (von Penyafort) und des Mainzer Reichsland­friedens, zweier Reichsgesetze vom 19. 2. 1274 sowie vor allem Augsburger Gewohnheitsrechts umgestaltet sind, die Art. 110ff. und das Lehnrecht dagegen im Wesentlichen unbearbeitet ihre Vorlage(n) übernehmen, aber jeweils Sachsen durch deutsche Lande oder deutsche Leute ersetzen. Als Quelle werden statt der guten Vorfahren die Könige mit weiser Meister Lehre genannt. Vermutlich ist der D. 1275/1276 in Augsburg als Privatarbeit (eines Minoriten) entstanden. Das Verhältnis zwischen D. und Schwabenspiegel ist streitig geworden. → Schwabenspiegel

Lit.: Köbler, DRG 103; Der Spiegel deutscher Leute, hg. v. Ficker, J., 1859; Müller, E. Frhr. v., Der Deutschenspiegel, 1908; Pfalz, A., Die Überlieferung des Deutschenspiegels, 1919; Eckhardt, K., Heimat und Alter des Deutschenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 13; Eckhardt, K., Der Deutschenspiegel, 1924; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien 1, 1927; Eckhardt, K., Zur Schulausgabe des Deutschenspiegels, ZRG GA 50 (1930), 115; Deutschenspiegel mit Augsburger Sachsenspiegel und ausgewählten Artikeln der oberdeutschen Sachsenspiegelübersetzung, hg. v. Eckhardt, K./Hübner, A., 1930; Schwerin, C. Frhr. v., Zum Problem des Deutschenspiegels, ZRG GA 53 (1932), 260; Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen); Deutschenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1971; Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrrecht, ZRG GA 102 (1985), 12ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 33

Deutsche Rechtsgeschichte ist allgemein die Geschichte des in Deutschland geltenden Rechtes einschließlich der Geschichte seiner Wurzeln (oder bei engerer Betrachtungsweise die Geschichte des aus germanistischer Wurzel stammenden Rechtes) (in Deutsch­land).

Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992

Deutscher Bund ist der als unauflöslich geplante völkerrechtliche Zusammenschluss (Verein, Staatenbund, aber mit einigen bundesstaatlichen Zügen) von (nach der Deutschen Bundesakte vom 8. 6. 1815 38) souveränen deutschen Einzelstaaten (34 Fürstentümer, 4 freie Städte mit einem Gebiet von 630100 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von 29,2 Millionen, Österreich etwa 31 Prozent, Preußen etwa 26 Prozent) auf der Grundlage der → Deutschen Bundesakte (8. 6. 1815, Wiener Kongressakte 9. 6. 1815) und der Wiener Schlussakte (15. 5. 1820). Er folgt auf die Erkenntnis, dass mit der Niederlegung der Krone des → Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) durch Kaiser Franz II. am 6. 8. 1806 das Reich auch rechtlich untergegangen ist und eine Restauration wegen der egoistischen Interessen der damit souverän gewordenen deutschen Fürsten (vor allem Österreich, Preußen, Sachsen, Hannover, Baden, Würt­temberg, Bayern) und der außerdeutschen Staaten Europas (Frankreich, England, Russland) ebensowenig Aussicht auf Erfolg hat wie das Streben der überwiegend bürgerlichen deutschen Nationalbewegung nach einem national-deutschen Einheitsstaat. Deswegen schließen sich 38 (1817 39 [Hessen-Homburg], dann 41, 1863 35, 1864 nur noch 34) weltliche Mitgliedstaaten (Österreich und Preußen mit ihren 1803 zum Reich gehörigen Gebieten, Bayern, Sachsen, England wegen Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Dänemark wegen Holstein, Niederlande wegen Luxemburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen, Braun­schweig, Nassau, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Holstein-Oldenburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Kö­then, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarz­burg-Rudolstadt, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und die 4 selbständig gebliebenen Städte (Reichsstädte bzw. freien Städte) Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg) in einer Art Zwischenstufe auf dem Weg zu einem für Europa annehmbaren deutschen Bundesstaat zum Deutschen Bund als einem Staatenbund mit bundesstaatlichen Merk­malen zusammen. Als seine Ziele sind festgelegt die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutsch­lands und der Unabhängigkeit und Un­verletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten. Sein Organ ist der selbständige Bundestag (Bundesversamm­lung, Gesandten­kongress) in Frankfurt am Main (Palais Thurn und Taxis) (vom 12. 7. 1848 bis September 1850 ohne Befugnisse). In dessen selten zusam­men­tretendem Plenum hat jeder Staat mindestens eine, höchstens aber vier Stimmen, im engeren Rat führen die elf größten Staaten je eine Stimme, die übrigen 27 Staaten die übrigen 6 Stimmen. Den Vorsitz übt → Österreich aus. Der Deutsche Bund hat grundsätzlich nur sehr geringe gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt, doch wirken seine Mitglieder doch vereinzelt in Gesetzgebung (Urheberrecht, Wechselrecht, Handelsrecht, gescheitert im Schuldrecht, Patentrecht und Verfahrens­recht), Vollzug (z. B. Karlsbader Beschlüsse) und Rechtsprechung (Austrägalgerichtsbar­keit, Dreistufigkeit der Gerichtsbarkeit) zusammen. Nach den revolutionären Unruhen um 1848 geraten Österreich und Preußen 1850/1851 in verstärkten Gegensatz, doch einigt man sich auf den Dresdener Kon­ferenzen (23. 12. 1850-15. 5. 1851) auf eine Fortführung des Deutschen Bundes. An der Verwaltung des durch Bundesexekution vom 1. 2.-1. 8. 1864 Dänemark abgewon­nenen Schleswig-Holsteins entzün­det sich dann wegen der Einberufung des holstei­nischen Landtags (am 8. 4. 1866) ein Streit, der damit endet, dass Preußen Holstein am 9. 6. 1866 besetzt, Österreich ohne förmliche Bundesexekution die Mobilmachung des Bundesheeres gegen Preußen erwirkt, Preußen den Deutschen Bund für erloschen erklärt, Österreich nach militärischer Niederlage des Deutschen Bundes (Öster­reichs und Sachsens) gegen Preußen bei Königgrätz bzw. Sadowa (3. 7. 1866) am 26. 7. 1866 die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennt und auf Holstein (und gegenüber Italien auf Venetien) verzichtet und die Bundesversammlung am 24. 8. 1866 letztmals tagt. Allgemein an­erkannt wird die friedensichernde Wirkung des Deutschen Bundes.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 169, 192, 196; Acten des Wiener Kongresses, hg. v. Klüber, J., Bd. 1ff., 1815ff.; Protocolle der deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1850-1866; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1ff. 1957ff.; Heßler, R., Das Durchzugsrecht innerhalb des Deutschen Bundes, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Darmstadt, R., Der Deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Gruner, W., Der Deutsche Bund, 1982; Deutscher Bund und deutsche Frage, hg. v. Rumpler, H., 1990; Fehrenbach, E., Verfassungsstaat und Nationsbildung 1815-1871, 1992; Die Dresdener Konferenz und die Wiederherstellung des Deutschen Bundes 1850/1851, bearb. v. Müller, J., 1996; Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes, Bd. 1ff. 1996ff.; Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und Reform 1851-1858, bearb. v. Müller, J., 1998; Die Entstehung des Deutschen Bundes 1813-1815, hg. v. Treichel, E., 2000; Kotulla, M., Die Entstehung der Kriegsverfassung des Deutschen Bundes, ZRG GA 117 (2000), 122; Steinmetz, C., Deutscher Bund und europäische Friedensordnung, 2002; Angelow, J., Der Deutsche Bund, 2003; Bieker, E., Die Interventionen Frankreichs und Groß­britanniens anlässlich des Frankfurter Wachensturms 1833, 2003; Ham, R., Bundesintervention und Verfassungsrevision, 2004; Müller, J., Deutscher Bund und deutsche Nation 1848-1866, 2005; Müller, J., Der Deutsche Bund 1815-1866, 2006

Deutscher Juristentag ist der 1860 auf Vorschlag der juristischen Gesellschaft zu Berlin gegründete, früh Nationsbildung durch Rechtsvereinheitlichung und Rechtsverein­heit­li­chung durch Nationsbildung anstrebende Verein deutscher Juristen mit dem Zweck, auf wissenschaftlicher Grundlage die Notwen­digkeit von Ände­rungen und Ergänzungen der deutschen Rechtsordnung (bürgerliches Recht, Handels­recht, Wechselrecht, Straf­recht, Prozessrecht, 1906 Verwaltungsrecht, 1921 Verfassungs­recht) zu untersuchen bzw. seit 1921 das Recht parteipolitisch unabhän­gig fortzubil­den. An seine Stelle tritt 1933 der 1928 gegründete Bund nationalsozialistischer deutscher Juristen, 1936 der nationalso­zialistische Rechtswahrerbund. 1949 wird der deutsche Jurstentag wieder tätig. Seit 2001 führen deutscher Juristentag, österreichischer Juristentag und Schweizer Juristenverein einen europäischen Juristentag (in Nürnberg, Athen, Wien, Budapest usw.) durch.

Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960 bis 1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen und der nationalsozialistische Juristentag 1933, 1996; Conrad, H. u. a., Der Deutsche Juristentag 1860-1994, 1997

Deutscher Orden ist die im Februar 1199 (durch Papst Innozenz III. unter Verleihung der Johanniterregel für die karitativen Aufgaben und der Templerregel für die militärischen Tätigkeiten) aus einer Lübeck-Bremer Spitalsbruderschaft (1190 Hospital vor Akkon, September 1190 Privileg König Guidos von Jerusalem, Februar 1191 päpstlicher Schutz, Juli 1191 Hospital in der rückeroberten Stadt) zu einem geistlichen (Ritter-)Orden mit Sitz in Montfort bei Akkon umgeformte Vereinigung. Von 1211 bis 1225 wirkt der Deutsche Orden auf Anforderung König Andreas’ II. von Ungarn in Siebenbürgen (Burzenland). 1225/1226 ruft Herzog Konrad von Masowien den Deutschen Orden gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe und überlässt ihm dafür 1230 das Kulmer Land. Der 1226 mit reichsfürstlichen Rechten begabte Deutsche Orden, der nach dem Verlust Akkons 1291 seinen Sitz nach Venedig, 1309 nach Marienburg in Westpreußen und (nach der Niederlage bei Tannenberg/Grunwald 1410) 1457 nach Königsberg verlegt, erreicht durch umfangreiche Eroberungen zu Beginn des 15. Jh.s die größte Ausdehnung, muss aber 1466 durch seinen Hochmeister die Schirm­herrschaft des Königs von → Polen anerkennen. Die Güter im Mittelmeerrum gehen verloren. 1525/1561 wird das Deutsch­ordensgebiet in Preußen in das Herzogtum Preußen und Kurland umgewandelt, das 1618/1619 mit Brandenburg in Personalunion vereinigt und 1657/1660 vertraglich von der Lehnshoheit Polens befreit wird. 1803 bleibt der Deutsche Orden im Reich, wo er durch zahlreiche einzelne Gaben zu beträchtlichen, vom Deutschmeister (1494 Reichsfürst) verwalteten Gütern gekommen war, bestehen. 1809 wird das 1805 aus dem Deutschen Orden geschaffene Fürstentum Mergentheim von Napoleon beseitigt, so dass dem Deutschen Orden unter dem Hochmeister Anton Viktor von Österreich nur die Häuser im Habsburgerreich verbleiben. 1834 wird in Österreich der Deutsche Orden unter Erzherzögen als Hoch- und Deutschmeistern wiederbelebt. Nach Ende der Herrschaft der Habsburger in Österreich (1918) wird 1923 der Ritterbruderzweig abgeschafft, während die geistliche und karitative Tätigkeit fort­geführt wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches Lexikon; Müller, G., Die Ursachen der Vertreibung des deutschen Ordens aus dem Burzenlande und Kumanien, Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 48 (1925), 41; Stengel, E., Hochmeister und Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Milthaler, F., Die Großgebietiger des deutschen Ritterordens bis 1440, 1940; Schmidt, G., Die Handhabung der Strafgewalt gegen Angehörige des deutschen Ordens, 1954; Hofmann, H., Der Staat des Deutschmeisters, 1964; Forstreuter, K., Der Deutsche Orden am Mittelmeer, 1967; Wunder, H., Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg, 1968, Kisch, G., Forschungen und Quellen zur Rechts- und Sozialgeschichte des Deutschordenslandes, 1973; Boockmann, H., Johannes Falkenberg, 1975; Tumler, M./Arnold, U., Der Deutsche Orden, 4. A. 1986; Boockmann, H., Der Deutsche Orden, 4. A. 1994; Sperling, F., Gerichtsorganisation und Prozesspraxis des Mergentheimer Stadtgerichts unter dem Deutschen Orden von 1780-1801, 1981; Neitmann, K., Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen 1230-1449, 1986; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold, U., 1998; Militzer, K., Von Akkon zur Marienburg, 1999; Zimmermann, H., Der Deutsche Orden im Burzenland, 2000; Demel, B., Der Deutsche Orden im Spiegel seiner Besitzungen und Beziehungen in Europa, 2004; Militzer, K., Die Geschichte des Deutschen Ordens, 2005; Demel, B., Unbekannte Aspekte der Geschichte des Deutschen Ordens, 2006

Deutscher Rechtshistorikertag ist die auf Anregung Heinrich Mitteis‘ in Heidelberg 1927 erstmals zusammengetrene Versamm­lung der deutschsprachigen oder an der Rechtsgeschichte Deutschlands interessierten Rechtshistoriker. Diesem Treffen folgen Tagungen in Göttingen 1929, Jena 1932, Köln 1934, Tübingen 1936, (Marburg 1947,) Heidelberg 1949, Wien 1951, Würzburg 1952, Hamburg 1954, Freiburg im Breisgau 1956, München 1958, Saarbrücken 1960, Mainz 1962, Wien 1964, Basel 1966, Münster 1968, Salzburg 1970, Nürnberg-Erlangen 1972, Tübingen 1974, Linz 1976, Berlin 1978, Augsburg 1980, Zürich 1982, Graz 1984, Frankfurt am Main 1986, Bielefeld 1988, Nimwegen/­Nijmegen 1990, Köln 1992, Bern 1994, Wien 1996, Regensburg 1998, Jena 2000, Würzburg 2002, Bonn 2004, Halle 2006 und Passau 2008. Seit 1994 gibt es auch ein jährlich tagendes europaweites Forum junger Rechtshistoriker zwecks wissenschaft­lichen Austausches.

Deutscher Richterbund ist eine privatrechtliche Vereinigung der deutschen Richter.

Lit.: Wrobel, H., Der Deutsche Richterbund im Jahre 1933, Krit. Justiz 1982, 323

Deutsches Privatrecht ist allgemein das in Deutschland geltende Privatrecht und herkömmlicherweise eingeengt das ältere aus germanistischer, also nicht aus römischrecht­licher oder kirchenrechtlicher Wurzel stam­mende, vor Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) auch ohne gesetz­geberischen Akt unmittelbar geltende Privatrecht in Deutschland. In diesem engeren Sinn wird es als wissenschaftlich erfassbare Einheit vielleicht seit dem Spätmittelalter (z. B. Lüneburg 1401) gesehen, jedoch insgesamt erst anerkannt, als Hermann → Conring (1635/1643) den Ursprung des deutschen Rechts (De origine iuris Germanici) erörtert und 1649 eine geschlossene Darstellung des gesamten tatsächlich im Heiligen römischen Reich geltenden Rechtes fordert, wie sie etwa Georg Adam Struves Iurisprudentia Romano-Germanica (Römisch-deutsche Rechtswissen­schaft, 1670) oder Joachim Hoppes Commen­tatio succincta zu den Institutionen Justinians (1715) bieten. In Gegenüberstellung zu dem durch gewohnheitsrecht­lichen Vorgang aufge­nommenen gemeinen römischen (Privat-)­Recht wird das gemeine deutsche Privatrecht zuerst 1675 durch Johann → Schilter (1632-1705) erfasst und seit 1701 bzw. 1705 durch Christian → Thomasius (1655-1728), der in seinen 1713 erschienenen (lat. [F.Pl.]) Notae ad singulos Institutionum et Pandectarum titulos (Bemerkungen zu den einzelnen Titeln der Institutionen und Pandekten) alles nichtrezipierte römische Recht ausscheidet, auf Grund der Reichsgesetze und deutschen Gewohnheiten behandelt und vorgetragen (lat. [F.Pl.] Institutiones iuris Germanici, Ein­richtungen des deutschen Rechts) und nach Vorlesungen seit 1707  erstmals von Georg → Beyer (1665-1714) in einem posthum von Michael Heinrich Gribner veröffentlichten Leitfaden (nach der romanistischen Syste­matik der Institutionen) dargestellt (z. B. Recht des Adels, der Kaufleute und Hand­werker, Detraktsrecht, Leibeigene, morganati­sche Ehe, Einkindschaft, Hand muss Hand wahren, Erbvertrag, Gerade, Morgengabe, Musteil, Leibgedinge, Versicherungsvertrag, Retraktsrecht, Verlobung, Ehe, Adoption, Emanzipation, Einlager, Majorat, Fideikom­miss, Ganerbschaft, Gesellschaft, Emphyteu­se, Überbau, Schenkung). Danach wird es im 18. Jh. teils antiquarisch, teils praktisch ausgerichtet (vgl. z. B. Heineccius, Johann Gottlieb [1681-1741], Elementa iuris Germanici 1735ff., Pütter, Johann Stephan [1725-1807], Elementa iuris Germanici privati hodierni, Elemente des heutigen deutschen Privatrechts, 1756, Runde, Justius Friedrich [1741-1807] 1791, weiter später Eichhorn, Mittermaier, Reyscher, Beseler, Gerber, Stobbe, Gierke u. a.) Als wissen­schaftliches Prinzip des deutschen Privat­rechts gilt dabei zunächst die (unge­fähre) Übereinstimmung (unterschied­lichster) parti­kulärer Rechtssätze (z. B. Pütter), dann die aus den Rechtsverhältnissen vermöge der natürlichen Vernünftigkeit abstrahierte Regel (Natur der Sache, z. B. Runde) und danach die gemeinsame Nationaleigen­tümlichkeit und Volkssitte (z. B. Eichhorn). Der Ansicht Carl Friedrich → Gerbers (1846), dass das auf Freiheit und Fehderecht zu gründende deutsche Privatrecht nur eine wissenschaftlich gewonnene, nicht unmittelbar anwendbare Summe von Rechtssätzen sei, widersprechen Georg → Beseler (Volksrecht) und Otto von → Gierke (gemeindeutsche Gewohnheiten). Mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetz­buches (1900) hat diese, nicht durch einen überzeugenden Nachweis einer einheit­lichen Quelle eines gemeinen deutschen Privatrechts entschiedene Streitfrage ihre praktische Bedeutung verloren. Mehr und mehr wird das geschichtliche Privatrecht in seiner tatsäch­lichen Vielfalt sinnvollerweise insgesamt in die allgemeine Rechtsgeschichte eingefügt.

Lit.: Köbler, DRG 205; Gerber, C., Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, 1846; Gierke, O. v., Deutsches Privatrecht, Bd. 1ff. 1895ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius Commune 1 (1967), 195; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems aus römisch-deutschem Rechts­stoff, (in) Wissenschaft und Kodifikation, 1974, 217; Kroschell, K., Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, (in) Wissenschaft und Kodifikation 1974, 249; Rückert, J. A. L. Reyschers Leben und Rechtstheorie 1801-1880, 1974; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Kroeschell, K., Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte, Der Staat Beiheft 6 1983, 47; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die Fachtradition der deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Luig, K., Die sozialethischen Werte des römischen und germanischen Rechts in der Privatrechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, (in) Wege europäischer Rechts­geschichte, 1987, 281; Luig, K., Begriff und Aufgabe des deutschen Privatrechts in der Sicht von Heinrich Mitteis, (in) Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, 1991, 91; Scherner, K., Das deutsche Privatrecht und seine Darstellbarkeit, ZRG GA 118 (2001), 346; Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003; Christian Thomasius (1655-1728), hg. v. Lück, H., 2006; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008

Deutsches Recht ist allgemein das in Deutschland geltende Recht (Gesetzesrecht, Richterrecht, Gewohnheitsrecht) und in einem engeren Sinn das aus germanistischer Wurzel stammende Recht in Deutschland (vor allem in Gegensatz zu dem aus römischer Wurzel stammenden Recht in Deutschland), wobei mit Savigny teilweise das rezipierte römische Recht nach seiner Rezeption (im Sinne eines entlehnten Rechts) (auf Grund des natürlichen Rechtsgefühls und der analogen Heranzie­hung römischrechtlicher Quellen) als d. R. angesehen wird. Wissenschaftsgeschichtlich haben sich um d. R. besonders Hermann Conring (1643), Johann Schilter (1672), Christian Thomasius (1701), Johann Heinrich Christian von Selchow und Johann Stephan Pütter (1770) verdient gemacht.

Lit.: Deutsches Recht, 1934; Halban, A. v., Zur Geschichte des deutschen Rechtes in den Gebieten von Tschernigow und Poltawa, ZRG GA 19 (1898), 1; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40 (1919), 275; Merk, W., Vom Werden und Wesen des deutschen Rechts, 3. A. 1935; Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Kötzschke, R., Die Anfänge des deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius teutonicum), 1941 (SB Leipzig); Dahm, G., Deutsches Recht, 1951; Ebel, W., Deutsches Recht im Osten, 1952; Getz, H., Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert als rechtspolitisches Problem, 1966; Fließ, W., Die Begriffe germanisches Recht und deutsches Recht bei den Rechtshistorikern des 19. und 20. Jahrhunderts, Diss. Freiburg im Breisgau 1968 (masch.schr.); Krause, H., Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS 1970, 313; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG GA 89 (1972), 215

Deutsches Rechtswörterbuch ist das 1896 von einer Kommission der preußischen Akademie der Wissenschaften (Amira, Heinrich Brunner, Frensdorff, Gierke, Richard Schröder, Ernst Dümmler, Karl Weinhold) vorgeschlagene, alphabetisch ge­ordnete Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache (der vor 1815 belegten Grundwörter und der vor 1700 belegten Zusammensetzungen), das von Heidelberg (Richard Schröder) aus seit 1914 erscheint, seit kurzem digitalisiert ist und in 16 Bänden mit 120000 Stichwörtern bis 2036 abge­schlossen sein soll (2007 Band 11 Rat bis R/S).

Lit.: Wissenschaftliches Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, ZRG GA 18 (1897), 211; Lemberg, I./Speer, H., Bericht über das deutsche Rechtswörter­buch, ZRG GA 114 (1997), 679; Speer, H., Rechts­sprachlexikographie und neue Medien, (in) Das Wort, 2002, 89; http;//www.deutsches-rechtswoerterbuch.de

Deutsches Reich ist eine Bezeichnung für verschiedene verfassungsrechtliche Organisa­tionsformen der Deutschen. Dabei wird als erstes D. R. das aus dem fränkischen Reich im Laufe des 10. Jh.s erwachsene ostfränkische Königreich verstanden, das gegen die Jahrtausendwende anscheinend von Italien (Chronicon Venetum Brixener Urkunde Heinrichs II. von 1020, Miracula Severi) ausgehend (lat.) regnum (N.) Teutonicum (D. R.) genannt wird. Es wird seit der Mitte des 12. Jahrhunderts (Lothar III., Konrad III.) hauptsächlich als römisches Reich, alsbald auch als heiliges Reich und 1474 als → Heiliges römisches Reich (deutscher Nation) bezeichnet und führt diesen Namen 1512 erstmals auch offiziell. Demgegenüber wird die frühere Benennung als D. R. erst wieder gegen sein Ende (1806) hin allgemein üblich. (Zweites) D. R. nennt sich danach ebenfalls der 1848/1849 vergeb­lich angestrebte, am Widerstand der partikularen Fürsten gescheiterte deutsche Nationalstaat. Für den Namen (zweites) D. R. entscheiden sich dann auch im Dezember 1870 die Staaten des Norddeutschen Bundes bei der Benennung des nach dem Sieg des Norddeutschen Bundes über Frankreich im deutsch-französischen Krieg vom 19. 7. 1870 bis 26. 2. 1871 (Kriegserklärung Frankreichs am 19. 7. 1870 wegen der Ablehung eines öffentlichen Verzichts auf eine Thronfolge in Spanien für die Zukunft durch Preußen) auf Betreiben Otto von Bismarcks am 15., 23. und 25. 11. 1870 mit Bayern, Württemberg, Baden und Hessen(-Darmstadt) auf neuen Grundlagen vereinbarten, am 1. 1. 1871 ins Leben tretenden bzw. erweiterten (str.) Bundesstaates (, dem Österreich, Luxemburg, Limburg und Liechtenstein fernbleiben). Dieses Deutsche Reich (540742 qkm, 56,37 Mill. Einwohner) umfasst (die 22 mo­narchischen Staaten) Preußen (2/3 des Reichs­gebietes, 3/5 der Reichsbevölkerung, tat­sächliche Vorrangstellung), Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-­Strelitz, Sachsen-Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Schaumburg-Lippe, Lippe, Sachsen-Mei­ningen, Sach­sen-Altenburg, Sachsen-Co­burg-Gotha, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarz­burg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, (die drei Stadtrepubliken) Bremen, Hamburg, Lübeck sowie (das am 10. 5. 1871 von Frankreich gewonnene, durch Gesetz vom 9. 6. 1871 vereinigte Reichsland) Elsass-Lothringen und seit 1884 als Nebenländer die überseeischen deutschen → Schutzgebiete (Kolonien) Südwestafrika, Togo, Kamerun usw. Nach seiner am 16. 4. 1871 in Kraft tretenden Verfassung ist (in dieser eingeschränkten Monarchie) der Kaiser (König von Preußen) der (erbliche) Inhaber der Präsidialrechte. Träger der Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte. Der Kaiser regiert durch den von ihm frei ernannten und entlassenen Reichskanzler (1871-1890 Otto von Bismarck), der jedoch alle Anordnungen gegen­zeichnen muss und dadurch die Verantwor­tung übernimmt (und dem die obersten Reichsbehörden bzw. Reichsämter untergeordnet sind). (Nach Ländergröße gewichteter) Bundesrat und Reichstag (all­gemeine, unmit­telbare, geheime Wahl) beschließen (gleichrangig) die Gesetze, die dann der Kaiser ausfertigt und verkündet. Höchstes Gericht ist das Reichsgericht in Leipzig. Am 9. 11. 1918 wird am Ende des ersten Weltkriegs ein Verzicht des Kaisers auf dessen Thron bekanntgegeben und von Philipp Scheide­mann im Rahmen des bestehenbleibenden Deutschen Reiches die Republik (Weimarer Republik) ausgerufen, die Adolf Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (30. 1. 1933) rasch in das nationalsozialistische, totalitäre → Dritte (Deutsche) Reich (zentra­listischer Einheits­staat, nach dem Anschluss Öster­reichs 1938 inoffiziell, 1943 offiziell Groß­deutsches Reich) umge­staltet. Am 8. 5. 1945 bricht dieses Deutsche Reich mit der vollständigen Kapitulation gegenüber den alliierten Siegermächten des zweiten Weltkrieges zu­sammen. Nach herrschender Ansicht setzt die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Reich fort, ist also mit ihm rechtlich identisch.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 76, 172, 196, 220, 256; Jahrbücher des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 1862ff.; Acta imperii, hg. v. Kern, F., 1911; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, 5. A. 1911ff.; Brandenburg, E., Die Reichsgründung, 2. A. 1924, Neudruck 2005; Handbuch des deutschen Staatsrechts, hg. v. Anschütz, G. u. a., 1930; Anschütz, G., Die Verfassung des deuschen Reiches vom 11. August 1919, 14. A. 1933; Herding, O., Das römisch-deutsche Reich in deutscher und italienischer Beurteilung, 1937; Tellenbach, G., Die Entstehung des deutschen Reiches, 1940, 2. A. 1942; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3 1963; Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970; Brühl, C., Die Anfänge der deutschen Geschichte, 1972; Dokumente zur Geschichte des deutschen Reiches und seiner Verfassung 1349, hg. v. d. Akad. d. Wiss. d. DDR, 1974ff.; Eggert, W., Das ostfränkisch-deutsche Reich, 1975; Töpfer, B./Engel, E., Vom staufischen Imperium zum Hausmacht­königtum, 1976; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Hanisch, W., Als weit das Römische reiche in allen den egenanten Tewtschen landen begriffen ist, ZRG GA 101 (1984), 47; Schilling, Heinz, Höfe und Allianzen. Deutschland 1648-1763, 1989; Duchhardt, H., Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1990; Ehlers, J., Die Entstehung des deutschen Reiches, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Das Deutsche Reich im Urteil der großen Mächte, hg. v. Hildebrand, K., 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Reitemeier, A., Außenpolitik im Spätmittelalter, 1999; Berghahn, V., Das Kaiserreich 1871-1914, 2003; Frie, E., Das deutsche Kaiserreich, 2004; Müller-Frotscher, W./Pieroth, B., Verfassungsgeschichte, 7. A. 2008; Mertens, E., Römisches Reich im Besitz der Deutschen, HZ 282 (2006), 1; Zachau, P., Die Kanzlerschaft des Fürsten Hohenhlohe 1894-1900, 2007; Hildebrand, K., Das vergangene Reich, 2008

Deutschland ist eine wohl im 14. Jh. durch Zusammenziehung aus (mhd.) daz diutsche lant entstandene allgemeine Bezeichnung für das Gebiet des → Deutschen Reiches bzw. das von Deutschen überwiegend besiedelte Gebiet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gebhardt, B., Handbuch der deutschen Geschichte, 1891f., 3. A. 1906, 4. A. 1910, 5. A. 1913, 6. A. 1922f., 7. A. 1930, 8. A. 1954ff., 9. A., hg. v. Grundmann, H., 1970; Andreas, W., Deutschland vor der Reformation, 1932; Keyser, E., Bevölkerungsgeschichte Deutschlands, 1938; Kienast, W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900-1270), 1974f.; Raumer, K. v. u. a., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1980; Deutschlands Grenzen, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Haverkamp, A., Aufbruch und Gestaltung, Deutschland 1056-1273, 1984; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990), 19; Nipperdey, T., Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 1f. 1990ff.; Brühl, C., Deutschland – Frankreich, 1990; Baum, W., Reichs- und Territorialgewalt, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Steininger, R., Deutsche Geschichte seit 1945, 1996ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schulze, H., Kleine deutsche Geschichte, 1998; Staatliche Vereinigung – fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, hg. v. Brauneder, W., 1998; Reich oder Nation?, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1998; Nationalatlas Bundes­republik Deutschland, hg. v. Institut für Länderkunde, Bd. 1ff. 1999ff.; Stürmer, M., Das Jahrhundert Deutschlands, 1999; Dirlmeier, U. u. a., Deutsche Geschichte, 1999; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt, JuS 2000, 1; Winkler, H., Der lange Weg nach Westen, Bd. 1f. 2000; Seibt, F., Das alte böse Lied, 2000; Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Langewiesche, D. u. a., 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Küsters, H., Der Integrationsfriede, 2000; Green, A., Fatherlands – State Building and Nationhood in Nineteenth Century Germany, 2001; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2001; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt – Rechtsentwicklungen in Deutschland im 20. Jahrhundert, ZRG GA 118 (2001), 1; Kocka, J., Das lange 19. Jahrhundert, 2001; Köhler, H., Deutschland auf dem Weg zu sich selbst, 2002; Fenske, H., Deutsche Geschichte, 2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002; Plato, A. v., Die Vereinigung Deutschlands, 2002; Lexikon der deutschen Geschichte von 1945 bis 1990, hg. v. Behnen, M., 2002; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel, 2002; Deutschland 1949-1989, hg. v. Elvert, J. u. a., 2003; Wolfrum, E., Die Deutschen im 20. Jahrhundert, 2004; Goertz, H., Deutschland 1500-1648, 2004; Grigoleit, K., Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Ehmer, J., Bevölkerungsge­schichte und historische Demographie 1800-2000, 2004; Weichlein, S., Nation und Region, 2004; Rexroth, F., Deutsche Geschichte im Mittelalter, 2005; Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, hg. v. Schildt, A., 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Helm, I. u. a., Die Geschichte Norddeutschlands, 2005; Driftmann, M., Die Bonner Deutschlandpolitik 1989/1990, 2005; Weber-Fas, R., Epochen deutscher Staatlichkeit, 2006; Kühne, J., Zu Veränderungs­möglichkeiten der Oder-Neiße-Linie nach 1945, 2006, 2. A. 2008; Glaser, R. u. a., Geographie Deutschlands, 2007; Wagner, A., Die Entwicklung des Lebens­standards in Deutschland zwischen 1920 und 1960, 2008; Ritter, G., Wir sind das Volk, 2009; Weizsäcker, R., Der Weg zur Einheit, 2009

Deutschlandvertrag ist der das Besatzungsstatut der westlichen alliierten Siegermächte für ihre Besatzungszonen aufhebende Vertrag der Westmächte mit der Bundesrepublik Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955. Er löst die → Alliierte Hohe Kommission auf und schreibt der Bundes­republik Deutschland die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten zu.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung Deutschlands, hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands Einheit, 1996

Deutschösterreich ist (im 19. Jh. die inoffizielle Bezeichnung für die deutsch­sprachigen Gebiete Österreich-Ungarns und danach) die am 30. Oktober 1918 (str., Staatsgründungsbeschluss) ent­standene, am 12. 11. 1918 (Beschluss über die republi­kanische Regierungs- und Staatsform) von der provisorischen Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile → Österreichs ausgerufene Republik, die ein Bestandteil der Deutschen Republik sein und nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der bisher im Reichsrat Österreichs vertretenen Königreiche und Länder umfassen soll (einschließlich Deutschsüdmähren, Deutsch­südböhmen, Sudetenland, Brünn, Iglau, Olmütz). Der am 10. 9. 1919 zwischen Österreich und den alliierten Mächten geschlossene Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye schließt dies auf Grund der Interessen der nichtdeutschen Mächte in Art. 88 aus bzw. macht es von der Zustimmung des Völkerbunds abhängig. Das Deutsche Reich anerkennt im Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919 notwendigerweise die Unabhängigkeit Öster­reichs. Mit Gesetz vom 21. 10. 1919 ändert Österreich seinen Namen in Republik Österreich und lehnt die Rechtsnachfolge nach der Monarchie (nochmals) ab.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Brauneder, W., Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland, Diss. phil. Hannover 2003

Deutschtirol ist im Gegensatz zu Welschtirol der deutschsprachige Teil der ver­schiedensprachige Gebiete unter einer Herrschaft zusammenfassenden Grafschaft Tirol. D. reicht südlich bis zur Salurner Klause.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 2. A. 1988, 3. A. 2001

Devestierung ist im kirchlichen Recht die das Gegenstück zur sichtbar gemachten Bekleidung (Investierung oder Investitur) mit einem Amt bei dessen Übertragung bildende, ebenfalls sichtbar gemachte Entkleidung von dem Amt bei dessen Entzug (z. B. Papst Formosus 897, Petrus Leonis 1139, Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil 1414-1418, Alfred Dreyfus Frankreich 1894). In der Gegenwart wird die D. nicht mehr durchgeführt.

Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867

Devolution ist der Übergang eines Rechtes von einer Person auf eine andere, insbesondere in der Kirche der Übergang des Rechtes zur Verleihung eines Amtes auf den nächsthöheren Oberen, wenn der an sich zuständige Berechtigte sein Recht nicht oder nicht rechtmäßig ausübt. Die D. findet sich bereits bei Justinian. Seit dem 13. Jh. schränkt die Kirche den Anwendungsbereich ein.

Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck 1965; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 343

Dezemberverfassung ist in → Österreich eine Gesamtheit von sechs am 21. 12. 1867 erlassenen Gesetzen (Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung [Novellierung des Grundgesetzes der Februarverfassung von 1861 mit Herrenhaus, Abgeordnetenhaus, kaiserlichem Vetorecht und Notverordnungs­recht], Staatsgrundgesetz über die allge­meinen Rechte der Staatsbürger [übernimmt Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit und Gesetz zum Schutz des Hausrechts aus dem Jahr 1862], Staatsgrundsetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts [verfas­sungsgerichtliche und verwaltungsgericht­liche Zuständigkeiten des Reichsgerichts), Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt [Trennung von Rechtspflege und Verwaltung, Unabhän­gig­keit des Richters, Mündlichkeit, Öffent­lichkeit, Anklagever­fahren, Geschwo­re­nen­gerichte, Ankündigung eines Verwaltungsge­richtshofs] , Staatsgrund­gesetz über die Ausü­bung der Regierungs- und Vollzugsgewalt [z. B. Bindung an die Gesetze], Delegationsgesetz über das Verhältnis zwischen der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte und deren Beziehung zum gemeinsamen Monarchen), die einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grund­rechte in 19 Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungs­gerichtshof, Trennung von Ver­waltung und Justiz u. a. vorsehen.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Haider, B., Die Protokolle des Verfassungsausschusses des Reichsrates von 1867, 1997

Dezennalrezess ist der zehn Jahre laufende Steuerbewilligungsbeschluss der Landstände, den Maria Theresia seit 1749 (außer in Kärn­ten) in ihren Ländern politisch erzwingt.

Dezision (F.) Entscheidung, Urteil

Diakon ist in der Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener oder Gehilfe, danach eine Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur Priesterschaft. In der protestan­tischen Kirche gewinnt der D. seit dem 19. Jh., in der katholischen Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil an Bedeutung. Hier ist der D., der auch verheiratet sein kann, ermächtigt, viele liturgische Handlungen selbständig vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und Bußsakramenterteilung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Reynolds, R., The Ordinals of Christ, 1978; Der Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980; Landau, P., Officium und libertas christiana, 1991; Will, J., Die Rechtsverhältnisse zwischen Bischof und Klerus im Dekret des Bischofs Burchard von Woms, 1992; Handbuch Geschichte der deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J., 2000

Dialogus (M.) de scaccario (lat.) des Schatzmeisters Richard von Ely (um 1178) ist ein Lehrgespräch (Dialog) zwischen Lehrer und Schüler über die vom Schatzamt (lat. [N.] scaccarium, engl. exchequer) in Finanz­angelegenheiten angewandten Rechtssätze des englischen Rechts.

Lit.: Busz, H., Zur Entstehungsgeschichte des Scaccarium, ZRG GA 35 (1914), 437; Richard von Ely, Dialog über das Schatzamt, übers. v. Siegrist, M., 1963; Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a., 1983

Diät ist ursprünglich die geregelte Lebens­weise oder der Aufenthaltsort. Diäten sind seit dem 20. Jahrhundert die Entschädigung des Ab­geordneten für die von ihm für politische Arbeit aufgewandte Zeit (Gesetz des Deutschen Reiches vom 21. 5. 1906).

Lit.: Butzer, H., Diäten und Freifahrt, 1999; Urban, N., Die Diätenfrage, 2003

Dichterkrönung ist die von 1315 (Albertino Mussato Universität Padua) bis 1804 (Karl Reinhard) nachweisbare Ehrung von Dichtern durch Krönung seitens der Päpste und Fürsten.

Lit.: Broadus, E., The Laureateship, 1921; Konrad Celtis und Nürnberg, hg. v. Fuchs, F., 2004

Dictatus (M.) papae (lat.) sind fünf im ersten und zweiten Buch des Registers der Briefe Papst Gregors VII. als D. p. bezeichnete Stücke bzw. genauer 27 undatierte Sätze Gregors VII. (1073-1085), die zwischen zwei Briefen vom 3. und 4. März 1075 in das Register eingetragen sind und ohne erkennbare Ordnung Vorrang und Vorrechte der römischen Kirche und des Papstes betonen, jedoch keine zeitgenössische Wirk­sam­keit entfalten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors VII., (in) Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201; Hofmann, K., Der Dictatus papae, 1933; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hoffmann, H., Zum Register und zu den Briefen Papst Gregors VII., DA 32 (1976), 86; Fuhrmann, H., Papst Gregor VII. und das Kirchenrecht, Studi Gregoriani 13 (1898), 123

Dieb ist der Täter des → Diebstahls.

Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001

Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, sich (oder einem Dritten) dieselbe rechtswidrig zuzu­eignen (bzw. ganz allgemein eine Form von Vermögensschädigung). Im altrömischen Recht hat die Sachentziehung (lat. [N.] furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des Wertes und die Infamie zur Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird der D. zunehmend öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont daneben den Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D., dessen Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer → Buße geahndet. Mit der Landfriedensgesetzgebung wird der große D. mit der → Todesstrafe (Hängen), der kleine D. mit der → Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht, wobei die Grenze zwischen groß und klein an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten verschieden gesetzt wird. Die → Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und Unterschla­gung, doch setzt sich dies nicht vollständig durch und werden D. und rezipiertes (lat. [N.]) futum vielfach vermengt. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird der D. endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich beseitigt. 1851 wird in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D. aufgegeben.

Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Hälschner, H., System des preußischen Strafrechts, 1868, 2, 388ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 459ff.; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Janßen, H., Der Diebstahl, Diss. jur. Göttingen 1969; Hagemann, H., Vom Diebstahl im altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1; Wirtz, H., Versuch und Vollendung beim einfachen Diebstahl in Rechtsprechung und Dogmatik der Partikularrechte, Diss. jur. Kiel 1976; Stackmann, N., Die Recht­sprechung des preußischen Obertribunales zum Diebstahl, Diss. jur. München 1989

Dienst ist die Tätigkeit eines Menschen für einen anderen. Die Grundlage hierfür ist ver­schieden, kann aber in einem → Dienstvertrag bestehen.

Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg. v. Auswärtigen Amt, Bd. 1 1999; Concepts and Patterns of Service in the Later Middle Ages, hg. v. Curry, A. u. a., 2000

Dienstadel ist der durch Dienst für einen Herren entstehende Adel z. B. der zunächst unfreien Dienstmannen aber auch ursprüng­lich Freier im ausgehenden Frühmit­telalter.

Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1; Witzel, W., Die fuldischen Ministerialen, 1989; Derschka, H., Die Ministerialen des Hochstiftes Konstanz, 1999; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005

Dienstbarkeit (Servitut) ist das beschränkte dingliche Recht an einer Sache, das den Eigentümer in einzelnen Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der Ausübung seiner Rechte zu Gunsten eines anderen oder des Berechtigten eines anderen Sache beschränkt. In dieser Beziehung kennt das altrömische Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad), (M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und (M.) aquaeductus (Wasserleitung), die als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.] res mancipi) behandelt werden. Dabei werden eine in einem Tun bestehende D., eine D. an einer eigenen Sache und die Ersitzung einer D. abgelehnt. Spätestens Justinian (527-565) lässt auch die Personalservitut zu. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden sich verschiedene beschränkte dingliche Nut­zungsrechte vor allem an Liegenschaften seit dem Hochmittelalter auf unterschiedlicher Grund­lage. Seit dem Spätmittelalter werden die römischen Regeln über Servituten in abgeänderter Form aufgenommen. Danach kann jede Nutzung beliebiger Art Gegenstand einer D. sein, auch ein Tun (sog. deutschrechtliche D.). Sie kann sogar dem Eigentümer der Sache zustehen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Öster­reichs (1811) folgt weitgehend dem römischen Recht.

Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grund­dienstbarkeiten, 1900; Birzer, B., Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998

Dienstleistung ist die Leistung einesw Dienstes für einen anderen durch einen.

Lit.: Dienstleistungen, hg. v. Gilomen, H. u. a., 2007

Dienstmann ist im Mittelalter der durch Dienst allmählich in den Adel aufsteigende Unfreie. Dies ist sowohl im Dienst des Königs (Reichsdienstmann) wie auch im Dienst eines anderen Herrn möglich. Im 19. Jh. ist D. die Bezeichnung eines amtlich angestellten Gepäckträgers.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loesch, H. v., Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1977; Jendorff, A., Verwandte, Teilhaber und Dienstleute, 2003

Dienstrecht ist das für eine Diensttätigkeit geltende Recht. Im Mittelalter gibt es für die Dienstmannen eines Herrn verschiedentlich ein besonderes, manchmal schriftlich nie­dergelegtes Recht (z. B. Limburg 1035, Bischof von Bamberg [1057-64], St. Maximin bei Trier, Grafen von Ahr, Erzbischof von Köln [um 1154], Bischof von Basel, Grafen von Tecklenburg), das mit dem Aufstieg der Dienstmannen in den niederen Adel im allgemeinen Lehnrecht aufgeht. In der jüngeren Neuzeit ist unter D. vor allem das Recht des öffentlichen d. h. staatlichen Dienstes zu verstehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Loesch, H. v., Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Stech, L., Die Dienstrechte von Magdeburg und Hildesheim, Diss. jur. Göttingen 1965

Dienstvertrag ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Dienstverpflichteter) zur Leistung vereinbarter Dienste irgendeiner Art, der andere Teil (Dienstberechtigter) zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Im klassischen römischen Recht gehört dieser Vertrag zu der Gruppe von Verhältnissen, die in dem in seiner Vorgeschichte unklaren Konsensualkontrakt (lat. )→ locatio conductio ([F.] Hinstellung - Mitführung) zusammengefasst sind (→ locatio conductio operarum, locator ist Dienst­nehmer, conductor ist Dienstgeber, grundsätzlich auf bestimmte Zeit gegen Ent­gelt). Er hat deswegen nur einen geringen Anwendungsbereich, weil die häufigen Dienste der Sklaven auf Grund des Sklavenstatus erbracht werden und höhere Dienste (lat. artes [F.Pl.] liberales) nicht durch Entgelt entlohnt, sondern durch Ehrengaben (lat. [N.] honorarium) anerkannt werden. Auch im Frühmittelalter werden Dienste am ehesten auf Grund grundherrschaftlicher Abhängigkeit oder lehnsrechtlicher Verbin­dung geleistet. Diese personen­recht­lichen Abhängigkeitsver­hältnisse werden nur in der hochmittelalterlichen Stadt durch den D. ersetzt (Gesinde, Gesellen). In der frühen Neuzeit werden auch höhere Dienste entgeltlich. Das 19. Jh. hebt die personen­rechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse auf, regelt den D. im Wesentlichen römisch­rechtlich und erhofft sich vom freien Spiel der Kräfte den gerechten Ausgleich (z. B. §§ 611ff. BGB). Da dieser wegen der ungleichen Gewichtigkeit von Dienstgeber und Dienstnehmer ausbleibt, entwickelt sich der besondere → Arbeitsvertrag für das abhän­gige, fremdbestimmte Dienstverhältnis, so dass der D. sich auf wenige Anwen­dungs­fälle beschränkt.

Lit.: Kaser § 42; Söllner §§ 10, 17; Hübner; Köbler, DRG 45, 127, 166, 215, 240, 271; Gierke, O., Die Wurzeln des Dienstvertrages, FS H. Brunner, 1914, 37; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934; Schmelzeisen, G., Die Ar­beitsordnungen in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schröder, R., Zur Arbeitsver­fassung des Spätmittelalters, 1984; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienst­vertrag, Werkvertrag und Auftrag in der Ent­steh­ungs­­geschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Diss. jur. Bielefeld 1987

Diepholz

Lit.: Moormeyer, W., Die Grafschaft Diepholz, 1938

Dies interpellat pro homine (lat., der Termin mahnt für den Menschen) ist eine Regel des Rechts des Verzugs, die sich für das klassische römische Recht nicht nachweisen lässt. Nach mittelalterlichem deutschem Recht muss der Schuldner eine Verbindlichkeit, deren Fälligkeit durch eine Zeitangabe bestimmt ist, an diesem Zeitpunkt erfüllen. Hieraus bildet der (lat.) → usus (M.) modernus pandectarum den Satz d. i. p. h., der jedoch nicht überall anerkannt wird. Der Code civil (1804) lehnt ihn ab.

Lit.: Kaser § 37 II; Hübner 556ff.; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gregor IX. um 1170-1241, Dekretalen 3, 18, 4, am Ende)

Die Tat tötet den Mann (d. h. der äußere Erfolg entscheidet, nicht die innere Ein­stellung).

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380

Dietrich von Bern → Theoderich

Dietrich von Bocksdorf → Bocksdorf, Dietrich von

Dietrich von Nieheim

Lit.: Dietrich von Nieheim, Viridarium imperatorum et regum Romanorum, hg. v. Lhotsky, A. u. a., 1956

Differentienliteratur ist die ansatzweise schon in der Spätantike vorhandene, dann von den Glossatoren verbreitete Vergleichslitera­tur zwischen den unterschiedlichen, gleichen Gerechtigkeitsgehalt ermöglichenden Lösun­gen verschiedener Rechte. Dabei wird insbesondere das römisch-weltliche Recht mit dem kirchlichen Recht oder mit den einheimischen Partikularrechten verglichen (z. B. Berhard Walther 1516-1584, Johann Baptist Suttinger 1662 [Consuetudines Austriacae], Nikolaus Beckmann 1634-1689, Johann Weingärtler 1674, Benedikt Finsterwalder).

Lit.: Köbler, DRG 143; Fontana, A., Amphitheatrum legale, 1688, Neudruck 1961, Teil III, 13; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,345

Differenzgeschäft ist das auf der Preis­dif­ferenz zweier zu unterschiedlicher Zeit ge­schlossener Rechtsgeschädfte beruht,

Lit.: Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenz­geschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007

Digesten (Durchgearbeitetes) (oder Pandek­ten) sind (allgemein Gesatmdarstellungen [des römischen Rechts] und besonders) die (9142 bzw. 9950 Fragmente) Auszüge aus (mehr als 200 von fast 2000 noch vorhandenen) Schriften bzw. 1528 Büchern (wahrscheinlich 39) klassischer Rechtskundiger des römischen Rechts, die (im Umfang von vielleicht 1000354 Wörtern) der oströmische Kaiser Justinian 530/533 unter Beseitigung der unmittelbaren Geltung aller nicht erfassten Texte zum als Kompilation entstandenen Gesetz erhebt (16. 12. 533 [Constitutio Tanta] bzw. 30. 12. 533). Sie werden von einer Kom­mission vorbereitet, welcher der Rechts­kundige und Justizminister Tribonian vorsitzt und welcher die vier Professoren Dorotheus und Anatolius aus Berytos (Beirut) sowie Theophilus und Cratinus aus Konstantinopel, der magister officiorum und elf Anwälte angehören. Über die erstaunlich rasche Arbeitsweise besteht keine völlige Klarheit, doch wird seit Bluhme (1820) davon ausgegangen, dass die Kommission in (4) Untergruppen einzelne Stoffmassen (Sabinusmasse aus den Kommentaren zum ius civile, Ediktmasse aus den Edikts­kommen­taren, Papinianmasse aus den Werken der Spätklassiker, Appendix­masse) vielleicht auf Grund schon vorhandener vergleichender Literatur verwertet und dabei mehr als 2000 Schriften (mit 3000000 versus [Zeilen]) zumindest mittelbar berücksichtigt. Im Vordergrund stehen Rechtskundige der klassischen Zeit (Ulpian [2/5], Paulus [1/5], Papinianus, Gaius und Modestinus [zusammen 1/5]). Vermutlich sind etwa 5-7% (bzw. 5-10%) dessen aufgenommen, was zur Zeit Justinians von den Schriften der Rechtskundigen noch vorhanden ist. Die Reihenfolge schließt sich an das prätorische Edikt an. Das Gesamtwerk ist in 50 Bücher (mit 432 Titeln und 150000 versus) gegliedert (Buch 1 Rechtsquellen, Bücher 2 bis 46 das Privatrecht, Bücher 47, 48 Strafrecht, Buch 49 Appellation Buch 50 Verwaltungsrecht und Bedeutung von Wörtern). Die sachlichen, teilweise allerdings schon vor Justinian erfolgten Eingriffe in die Schriften werden in der Neu­zeit als → Interpolationen bezeichnet, deren Umfang streitig ist. Die wohl wegen ihrer Schwierigkeit zwischen 603 und 1076 (erste Wiedererwähnung) im Westen kaum erwähnten D. sind in (zwei) Handschriften des 6. oder frühen 7. Jh.s (907 Blätter umfassende, in zwei Bände 1-29 und 30-50 getrennte, vermutlich in Kon­stantinopel/Byzanz im 6. oder frühen 7. Jahrhundert zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, im späteren 11. Jh. in Süditalien wieder­entdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa – littera Pisana –, 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte (Codex Florentinus) und 1553 erstmals gedruckte Handschrift) und 11. Jh.s (verlorene, von der Florentina abhängige, aber nach einer von dieser unabhängigen Vorlage durch­korrigierte, vielleicht in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s möglicherweise in Süd­italien geschaffene Stammform [Codex Secundus] der in drei Teile geteilten Vulgat­handschriften) sowie drei Fragmenten des 7./8. Jh.s und zwei Fragmenten des 9. Jh.s (insgesamt dreigeteilt in Digestum vetus 1-24,2, Digestum infortiatum 24,3-38,2 und Digestum novum 39-50) überliefert. Diese Quellen ermöglichen die Aufnahme (Rezep­tion) der Gedankenwelt der römischen Rechtskundigen im Mittelalter. Zitiert werden die D. nach Buch, (meist) Titel, Fragment (oder Gesetz) (lat. [F.] lex) und Anfang (lat. [N.] principium = eigentlich Paragraph 1) bzw. Paragraph (der zweite Abschnitt wird als § 1 gezählt) (z. B. D. 8,3,23,2, früher [als ff.] nach Titelrubrik und Anfangsworten der Fragmente).

Lit.: Kaser §§ 1, 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner §§ 22, 23; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 50, 53, 105; Digestorum seu pandectarum libri quinquaginta, hg. v. Haloander, G., 1529, Neudruck 2004; Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta, 1553, Neudruck 2004; Digesta et Institutiones, rec. Gebauer, G./Spangenberg, G., 1776, Neudruck 2004; Bluhme, F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, ZRG 4 (1818), 257; Kantorowicz, H., Über die Entstehung der Digestenvulgata, ZRG RA 30 (1909), 183ff., 31 (1910), 14ff.; Schulz, F., Einführung in das Studium der Digesten, 1916; Krüger, H., Die Herstellung der Digesten Justinians, 1922; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Honoré, T., Tribonian, 1978; Kaser, M., Ein Jahrhundert Inter­polationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979; Digesten 1-10, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Digesten 11 – 20, hg. v. Behrends, O. u. a., 1999; Digesten 21-27 2005

Digestum (N.) infortiatum (lat., gestärktes bzw. geschwächtes bzw. unter Verschluss gehaltenes bzw. in Kraft gesetztes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 24,3 bis 38 der Vulgatafassung der → Digesten, wobei das in D. 38, 2, 82 beginnende Schlussstück tres partes (lat. [F.Pl.] drei Teile) heißt.

Lit.: Accursii Glossa in Digestum vetus, in Digestum infortiatum, in Digestum novum, in Codicem, in Volumen, 1487ff.; Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231; Whitman, J., A Note on the medival Division, TRG 59 (1991), 269

Digestum (N.) novum (lat., neues Durchgearbeitetes) sind die Bücher 39-50 der Vulgatafassung der → Digesten.

Digestum (N.) vetus (lat., altes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 1-24,2 der Vulgatafassung der → Digesten.

Dijon ist als gallorömisches Divio im 2. Jh. n. Chr. nachweisbar. 1182 erlangt es unter den Herzögen von Burgund Stadtrecht. 1477 gelangt es an Frankreich und erhält 1737 eine Universität.

Lit.: Humbert, F., Les finances municipales de Dijon, 1961; Didier, P., Les statuts de métier à Dijon aux 14e et 15e siècles, ZRG GA 94 (1977), 63; Histoire de Dijon, hg. v. Gras, P., 1981

Diktatur ist im altrömischen Recht das Amt eines von einem → Konsul in einer Notlage für eine streng befristete Zeit ernannten außerordentlichen Magistrats (Diktators) (ohne kontrollierenden Kollegen, z. B. T. Larcius 501 v. Chr., von Sulla und Caesar ohne zeitliche Beschränkung ausgeübt, 44 v. Chr. abgeschafft). Im Anschluss hieran entwickeln sich verschiedene Formen unbeschränkter Herrschaft eines Einzelnen oder einer Personengruppe. Diese D. zeigt vielfach totalitäre Züge (z. B. unter Adolf → Hitler, Josef Stalin). Der Begriff D. wird in der Renaissance wiederbelebt.

Lit.: Söllner §§ 6, 13; Köbler, DRG 222; Kautsky, Z., Die Diktatur des Proletariats, 1918; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 900; Schmitt, C., Die Diktatur, 6. A. 1994; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Arendt, H., Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 11. A. 2006; Korporativismus in den südosteuropäischen Diktaturen, hg. v. Mazzacane, A. u. a., 2005

Dilatura (lat. [F.], delatura, zu mlat. dilatura, F., Verzögerung, Aufschub) ist eine besondere frühmittelalterliche Buße bei Vermögensverletzung (Weigerungsbuße?).

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H./Schwerin, C., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 2. A. 1928, § 138; Goldmann, E., Zum Problem der dilatura, ZRG GA 53 (1932), 43

Diligentia (lat. [F.]) ist im spätrömischen Recht die dem sorgsamen Familienvater angemessene Sorgfalt, deren Einhaltung Schuld ausschließt, deren schuldhafte Verletzung aber eine Nachlässigkeit bedeutet.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW

diligentia quam in suis (rebus) (lat.) (Beachtung der) Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten (schließt Verschulden etwa bei unentgeltlicher Ver­wahrung, Gesellschaft oder Miteigentum aus)

Dillingen an der Donau ist von 1549/1554 bis 1804 Sitz einer Universität.

Ding (älter thing, zu idg. *tenkos, Zeit) ist im Mittelalter und vielleicht schon vorher die (zu einer bestimmten Zeit stattfindende) Ver­sammlung (der erwachsenen freien Männer ursprünglich eines Stammes, im fränkischen Reich wohl bald nur noch kleinerer Gebiete), in der über verschiedene Angelegenheiten gesprochen und verhandelt werden kann. Dementsprechend ist D. die wichtigste Bezeichnung für das Gericht. Unterschieden werden dabei (bei Franken und Sachsen) echtes (ungebotenes, an festen Zeitpunkten in einer Grafschaft alle sechs Wochen und damit an jeder der 3 oder vier Gerichtsstätten einer Grafschaft zweimal oder dreimal im Jahr stattfindendes) D. und (je nach Bedarf beson­ders) gebotenes D. Das durch die besondere Hegung eröffnete D. wird (unter freiem Him­mel auf Hügeln oder Malbergen oder auch bei großen Bäumen oder Steinen am Tag) vom König, Grafen oder von sonstigen (zunächst Thunginen, seit karolingischer Zeit) Richtern geleitet. Die inhaltlichen Entscheidungen werden vom Umstand (Dinggenossenschaft) oder be­sonderen Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) gefällt. Diese Aufgabenteilung wird auch von den kirchlichen Sendgerichten übernommen. Dagegen erscheint seit dem 13. Jh. in der Kirche der berufsmäßige Einzel­richter, der seit dem frühen 15. Jh. die Laienurteiler verdrängt. Im 16. Jh. tritt dementsprechend die Verwendung von D. im Sinne von Gericht zurück, hält sich aber in ländlichen Weistümern bis in das 18. Jh. In der Umgangssprache bleibt D. in blasser, allgemeiner Bedeutung (Sache, Angelgenheit) erhalten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 116; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 28 (1907), 437, 29 (1908), 337; Buchwald, G., Das thüringische Hegemahl, ZRG GA 28 (1907), 444; Loening, O., Die Gerichtstermine im Magdeburger Stadtrecht, ZRG GA 30 (1909), 37; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 30 (1909), 310; Rietschel, S., Nochmals die Dingzeiten des Magdeburger Schultheißen, ZRG GA 30 (1909), 313; Stölzel, A., Geding und Appellation, 1911: Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1921; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungs­rechts, 1954; Karg-Gasterstädt, E., Althochdeutsch Thing - neuhochdeutsch Ding, Verh. d. Sächs. Akad. d. Wiss. 104,2, 1958; Landwehr, G., Urteilfragen und Urteilfinden, ZRG GA 96 (1979), 1; Weitzel, J., Über Oberhöfe, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Dingfriede ist der im → Ding einzuhaltende → Friede.

Dinglicher Vertrag ist der im 19. Jh. von Friedrich Carl von Savigny entwickelte, 1872 im preußischen Eigentumserwerbsgesetz an­erkannte, sachenrechtliche Rechtsverände­rungen betreffende Vertrag (Einigung über den Rechtsübergang oder die Rechts­entstehung an einem Gegenstand z. B. bei Über­eig­nung oder Verpfändung) im Gegensatz zum schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kauf, Schenkung).

Lit.: Köbler, DRG 212; Felgenträger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927

Dingliches Recht ist (seit dem 16. Jh., bisheriger Erstbeleg kurmärkische Ständeak­ten 1551) das eine Sache (körperlichen Ge­genstand) betref­fende, gegen jedermann wirkende Recht (z. B. [Besitz,] Eigentum, Pfand, Dienstbarkeit[, Reallast, Bergwerkseigentum, Erbbaurecht, früher vielleicht auch Bodenleihe, Lehen, Un­tereigentum]) im Gegensatz zum (persönli­chen Sachenrecht bzw. zum) schuldrecht­lichen. nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner wirkenden Recht (z. B. Kaufpreisforderung).

Lit.: Köbler, DRG 212; Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623

Dingpflicht ist die Anwesenheitspflicht im mittelalterlichen → Ding. In welchem Um­fang sie jeweils bestanden hat, lässt sich nicht sicher bestimmen. Jedenfalls verringert Karl der Große in seiner zwischen 770 und 780 vorgenommenen Reform ihren Umfang auf jährlich drei Dinge und sind verfolgte Fälle ihrer Verletzung nicht bekannt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Dinus de Rossonis Mugellanus ist ein bei Florenz um 1250 geborener Jurist in Bologna (commentaria, additiones, glossae contrariae, tractatus z. B. de successionibus ab intestato, de modis arguendi, ordo iudiciorum, erste erhaltene umfangreiche – 53 – Sammlung von consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 445

Dionysius Exiguus (Skythien um 475?-Rom um 545) ist ein skythischer Mönch, der in Rom nach dem 21. 11. 496 als Übersetzer griechische Kultur dem lateinischen Westen vermittelt und eine klar geordnete lateinische Sammlung der griechischen Quellen des Kirchenrechts (lat. [M.Pl.] canones) und der Konzilsakten (lat. [N.Pl.] decreta) herstellt ([lat.] Liber [M.] canonum und Liber decretorum). Seine vielfach abgeänderte Sammlung ist durch zahlreiche Handschriften überliefert. 774 überreicht Papst Hadrian Karl dem Großen die sog. Dionysio-Hadriana. Bei der Übernahme der alexandrinischen Berechnung des Osterdatums führt D. E. erstmals die Jahreszählung von Christi Geburt an (um 5 bzw. 4 Jahre zu spät) ein.

Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Strewe, A., Die Canones-Sammlung des Dionysius Exiguus, 1931; Wurm, H., Studien und Texte zur Dekretalensammlung des Dionysius Exiguus, 1939; Peitz, W., Dionysius Exiguus als Kanonist, 1945; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mordek, H., Kirchen­recht und Reform, 1975

Diözese (F.) Amtsgebiet eines Bischofs (der katholischen Kirche)

 Diplom (lat. [N.] diploma, Verdoppeltes) ist im römischen Altertum zunächst die durch Falten doppelt gelegte Urkunde, danach die vom Senat, einem höheren Magistrat oder vom Kaiser ausgestellte Urkunde. Das Mittelalter nennt Urkunden (lat.) charta, instrumentum, litterae, pagina, testamentum usw. Seit dem 17. Jh. (Jean Mabillon 1632-1707) ist D. die Herrscherurkunde, die nach dem Ausstellerwillen dauernde Rechtskraft haben soll. In der Gegenwart ist D. der Abschluss einer höheren Ausbildung und die darüber erteilte Urkunde.

Lit.: Monumenta Germaniae Historiaca, Diplomata; Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, 181, 238; Classen, W., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Kölzer, D., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.

Diplomat ist der (durch Diplom ausge­wiesene, geschickt handelnde) Vertreter des Staates in politischen Angelegenheiten.

Lit.: Le diplomate au travail, hg. v. Babel, R., 2005

Diplomatik ([im 17. Jh. entwickelte] Urkundenlehre [zwecks Unterscheidung ech­ter und gefälschter Urkunden an Hand äußerer und innerer Merkmale]) → Diplom, Urkunde

Lit.: Mabillon, J., De re diplomatica, 1681; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, 1889, 2. A. 1912ff.; Rosenmund, R., Die Fortschritte der Diplomatik seit Mabillon, 1897; Diplomatik im 21. Jahrhundert, A. f. Diplomatik 52 (2006), 233; Digitale Diplomatik, hg. v. Vogeler, G., 2009

Diplomjurist ist in der Gegenwart der seine wissenschaftliche Berufsvorbildung mit ei­nem Diplom abschließende Jurist (z. B. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Repu­blik, an Fachhochschulen oder seit 2001 auch an einigen juristischen Fakultäten der Bundes­republik Deutschland).

Lit.: Kutschke, T., Diplom-Jurist für jedermann, JuS 2003, 205

Diplovatacio, Tommaso (Korfu 25. 5. 1468-Pesaro 29. 5. 1541) verfasst nach dem Studium in Salerno, Neapel, Padua (Jason de Mayno), Perugia und Ferrara (1490) bis 1511 einen unvollständig geschriebenen (lat.) Tractatus (M.) de praestantia doctorum (Abhandlung über den Vorrang der Doktoren), in dem er die bedeutendsten Rechtskundigen des Altertums und Juristen des Mittelalters beschreibt (De claris iuris consultis).

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 172

Directorium (N.) in publicis et cameralibus ist die nach Vorstufen (seit 1744 Repräsentationen und Kammern, 1748 dem Herrscher unmittelbar unterstellt) 1749 unter Maria Theresia für Österreich geschaffenene Behörde, in der unter Ausschluss der Stände die innere Verwaltung und die Finanzverwaltung für alle Erbländer vereinigt werden. Zugleich werden die Hofkanzleien aufgelöst und ihre verblie­benen Zuständigkeiten der obersten Justiz­stelle ü­bertragen. 1761 wird das D. zerschlagen (z. B. Verwaltungsrechtspflege an oberste Justiz­stelle, Anderes an Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei), von 1792 bis 1797 unter anderem Namen nochmals kurzfristig herge­stellt.

Lit.: Walter, F., Die österreichische Zentralverwltung, 1938

direkt, Adj., unmittelbar (z. B. direkte, ohne abgeordnete, repräsentierende Organe beste­hende Demokratie)

Dispens (M. bzw. auch F., zu lat. [F.] dispensatio, Abwiegen, Zuteilen) ist die Befreiung, insbesondere im katholischen Kir­chenrecht die durch die zuständige Autorität auf Grund Billigkeit erteilte Befreiung von der Geltung eines Rechtssatzes im begrün­deten Sonderfall.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hove, A. van, De privilegiis et dispensationibus, 1939; Bindschedler, U., Die Dis­pensation, 1958; Mussgnug, R., Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften, 1964; Erler, A., Kir­chenrecht, 5. A. 1983; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; May, G., Die Auseinandersetzungen zwischen den Mainzer Erzbischöfen und dem Heiligen Stuhl um die Dispens­befugnis im 18. Jahrhundert, 2007

Dispensehe ist die auf Grund eines (evtl. weltlichen) Dispenses von einem kirchen­rechtlichen Ehehindernis (z. B. bestehende Ehe) geschlossene Ehe (z. B. seit 1919 Dispense einzelner sozialistischer Länder­re­gierungen österreichischer Bundes­länder [z. B. Niederösterreich] vom Ehe­hindernis der bestehenden unauflöslichen Ehe, woraufhin bis 1938 mehr als 50000 Dispensehen entstehen).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Dispositio (lat. [F.]) Anordnung, Verfügung

Dispositio (F.) Achillea (lat., achillische Verfügung) ist die Verfügung bzw. das Hausgesetz (str.) des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg (1414-1486) vom 24. 2. 1473, das nur noch höchstens drei regierende Linien (Brandenburg, Franken, Obergebirg um Kulmbach) zulässt und 1791 zum Rückfall der Fürsten­tümer Ansbach und Bayreuth an die Hauptlinie Preußen der Hohenzollern führt.

Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstentümer, Bd. 3 1883; Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfürsten von Brandenburg, 1915; Ulshöfer, W., Das Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969

Dispositionsmaxime ist der Grundsatz der Verfügungsfreiheit der Parteien im Zivilprozess. Die D. stammt aus dem kirch­lichen Prozessrecht, aus dem sie in den Pro­zess vor dem Reichskammergericht übergeht.

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975

Disputation (F.) Erörterung

Lit.: Horn, E., Disputationen und Promotionen an den deutschen Universitäten, 1893; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen Disputationen 1558-1818, hg. v. Kundert, W., 1978; Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, Programme und Reden, hg. v. Kundert, W., 1984; Die Kunst der Disputation, hg. v. Bellomo, M., 1997; Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 1998; Leinsle, U., Dilinganae Disputationes, 2006

disseisin (mengl.) Besitzentzug → novel disseisin

Dissens ist die fehlende Übereinstimmung zweier Willenserklärungen bei einem Vertragsschluss. Schon im klassischen römischen Recht kommt dabei ein Vertrag dann nicht zustande, wenn der Vertragsinhalt mehrdeutig ist oder wenn er zwar eindeutig ist, aber ein Teil ihn nachweislich einseitig missdeutet hat. Zwischen Irrtum und D. wird dann dabei auch im älteren gemeinen Recht nicht unterschieden.

Lit.: Kaser § 8 II; Hübner; Wesenberg, G./Wesener, G., Neue deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 § 18; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Dissertation ist die wissenschaftliche Erör­terung einer Frage, die seit dem Mittelalter Prüfungsverfahren wissenschaft­licher Befä­higung wird. Die Zahl juristischer Dis­sertationen in Deutschland steigt dabei im 17./18. Jh. auf durchschnittlich mindestens 500 im Jahr (120000 zwischen 1600 und 1800 nachweisbar, abzüglich Doubletten usw. möglicherweise 40000, davon rund 40 % Zivilrecht, 20 % Verfassungsrecht und Verwal­tungsrecht, 15 % Verfahrensrecht, 5 % Strafrecht, 5 % Lehnrecht, 3% Kirchenrecht, 12 % Gemischtes, Grundherrschaft, Rechts­philosophie, Rechtsgeschichte, Rechts­quel­len). Später nimmt sie infolge der Einführung der Staatsprüfung im Verhältnis zur Zahl der Studierenden ab. Vermutlich wirkt sich auch die Entstehung juristischer Fachzeitschriften nachteilig aus, weil die Professoren damit neue Veröffentlichungs­möglichkeiten erlan­gen­. Am Ende des 20. Jh.s gewinnt sie wegen der schwierigen Arbeitsmarktlage für Juristen wieder an Bedeutung (fast 2000 pro Jahr).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Horn, E., Die Disputationen und Promotionen an den deutschen Universitäten, 1893, Neudruck 1968; Bibliographi­sches Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrucken, hg. v. Wickert, K., Bd. 1ff. 1936ff.; Schubart-Fikentscher, G., Untersuchungen zur Autorschaft von Dissertationen im Zeitalter der Aufklärung, 1970; Dissertationen in Wissenschaft und Bibliotheken, hg. v. Jung, R. u. a., 1979; Juristische Dissertationen deutscher Universitäten 17.-18. Jahrhundert, zusammengestellt von Ranieri, F., 1986; Katalog juristischer Dissertationen, hg. v. Tsuno, R., 1988; Härter, K., Ius publicum und Reichsrecht in den juristischen Dissertationen mitteleuropäischer Univer­si­täten der frühen Neuzeit (in) Science politique et droit public dans les facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008, 485

Distinktion (F.) (Unterscheidung, Aufteilung, Unterschied, Auszeichnung) ist die schon der Antike bekannte, als Ergebnis eines An­eignungsvorgangs antiker Bildung in Nutzung von Kenntnissen des Triviums im 12. Jh. zum Kennzeichen der Wissenschaften, insbe­sondere der Kanonistik, werdende Unter­suchungs­weise.

Lit.: Söllner §§ 3, 16; Lange H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Die Distinktions­technik in der Kanonistik des 12. Jahrhun­derts, 2000

Disziplinarverfahren ist das außerstraf­recht­liche Verfahren bei fehlerhaftem Verhalten eines Beamten(, Soldaten, Klerikers, Studen­ten, Schülers oder Vereinsmitglieds). Es wird im 19. Jh. vom Strafrecht geschieden (Preußen 1841). 1850 sieht die Verfassung Preußens bei D. in der Justiz eine gerichtliche Entscheidung vor, seit 1873 können auch D. gegen andere Beamte des deutschenReiches disziplinagerichtlich überprüft werden. Die Disziplinarmaßnahmen reichen vom Verweis bis zur Entfernung aus dem Dienst. Deswegen muss das Verfahren rechtsstaatlichen An­forderungen genügen und darf nicht von Rechtsbrechern zur Unterdrückung der Auf­deckung ihrer Miss­stände missbraucht werden. Das 1967 errichtete Bundesdiszipli­nargericht Deutsch­lands in Frankfurt am Main ist unter Übertragung seiner Aufgaben auf die Verwaltungsgerichte der Länder zum 31. 12. 2003 wieder aufgelöst.

Lit.: Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978

Dithmarschen ist die zwischen Nordsee, Elbemündung und Eidermündung gelegene Landschaft, deren Recht erstmals 1447 nach einer Landesversammlung aus dem Gewohn­heitsrecht (mit Wergeldern, ohne Strafen für Tötungen) aufgezeichnet, 1483 gedruckt und 1539 revidiert sowie 1567 wissenschaftlich gefasst wird (Dithmarscher Landrecht).

Lit.: Sammlung altdithmarscher Rechtsquellen, hg. v. Michelsen, A., 1842, Neudruck 1969; Hoppe, J., Das Strafensystem des Dithmarscher Rechts im Mittelalter, 1933; Boie, K., Die mittelalterlichen Geschlechter Dithmarschens, 1937; Carstens, C., Bündnispolitik und Verfassungsent­wicklung in Dithmarschen, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 66 (1938), 1; Carstens, W., Geschlecht und Beweisrecht in den Dith­marscher Landrechten, Zs. d. Gesellschaft f. schleswig-holsteinische Geschichte 60 (1941), 1; Stoob, H., Die dithmarsischen Geschlechter­verbände, 1951; Das Dithmarscher Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 1960; Eickmeyer, G., Das Strafverfahren in Dithmarschen von 1447 bis 1559, 1963; Witt, R., Die Privilegien der Landschaft Norderdithmarschen, 1975; Alberts, K., Friede und Friedlosigkeit nach den Dithmarscher Landrechten von 1447 und 1539, 1978; Eggers, P., Das Prozessrecht nach dem Dithmarscher Landrecht von 1567, 1986

Divisio regnorum (lat.[ F.] Teilung der Reiche) ist die in Diedenhofen am 6. 2. 806 auf einem Reichstag festgelegte, in vier Handschriften und einem Erstdruck überlie­ferte Nachfolgeordnung Karls des Großen für seine drei ehelichen Söhne, die infolge des Todes Pippins (810) und des ältesten Sohns Karl (811) keine unmittelbare Wirkung entfal­tet.

Lit.: Capitularia, hg. v. Boretius, A. u. a., Bd. 1 1883, 126; Schieffer, R., Die Karolinger, 1992

Divortium (lat. [N.]) ist die im altrömischen Recht noch nicht rechtlich geregelte Schei­dung der Ehe, für die der Wille des Mannes oder beider Eheleute (die Ehe zu beenden) und ein dies begründender Anlass (Ehebruch der Frau, Kinderlosigkeit) bestehen muss. → Ehescheidung

Lit.: Kaser § 58; Köbler, DRG 22

Doctor (lat. [M.]) ist seit dem 12. Jh. der auch als (lat. [M.]) magister oder professor bezeichnete Lehrer, insbesondere der wissenschaftlich gebildete Lehrer an der Universität (z. B. quattuor doctores 1158). Im Recht ist der d. dabei meist doctor legum (Lehrer des weltlichen Rechts) oder doctor decretalium (Lehrer des kirchlichen Rechts). Seit dem späten 13. Jh. erscheint in Orléans und Italien der doctor utriusque iuris (Doktor beider Rechte d. h. des → ius civile und des → ius canonicum). Der Titel folgt auf das Lizentiat und wird in einer kostspieligen Feier verliehen. Der Grad berechtigt grundsätzlich zum Abhalten von Lehrveranstaltungen und sichert gesellschaftliche Wertschätzung. Am Ende des Mittelalters gerät er in Verfall. Seit dem 18./19. Jh. wird deswegen die Habilitation als Voraussetzung der Lehrbe­fugnis entwickelt, deren regelmäßige Notwendigkeit am Beginn des 21. Jh. gesetzlich beseitigt wird. Zwischen 1933 und 1945 wird im Deutschen Reich in rund 2000 Fällen der Doktorgrad aberkannt (davon etwa 70 Prozent jüdische oder jüdisch versippte Emigranten, häufig aber auch wegen Straftaten, in München nur wenige Juristen).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, LAW; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Fischer, A., Das österreichische Doktorat der Rechtswissenschaften und die Rechtsanwaltschaft, 1974; Horn, N., Bologneser Doctores und Judices, ZHF 3 (1976); Lange, H., Vom Adel des doctor, (in) Das Profil des Juristen, 1980, 279; Lemberg, M., … eines deutschen akademischen Grades unwürdig, 2002; Harrecker, S., Degradierte Doktoren, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65

doctor (M.) iuris (lat.) → Rechtsgelehrter

doctor (M.) iuris utriusque (lat.) Doktor beider Rechte

doctor (M.) legum (lat.) Doktor des welt­lichen Rechts

Dogma (N.) Lehrsatz, Lehrmeinung, Grund­satz

Lit.: Parent, J., La notion de dogme, 1932; Piano-Mortari, V., Dogmatica e interpretazione, 1976; Herberger, M., Dogmatik, 1981

Doktor → doctor

Doktorgrad → doctor

Doktrin (F.) Lehre, Festlegung

Dolmen (zu bret. tol, Tisch, men, Stein) ist die Bezeichnung für das in Europa zwischen 4000 v. Chr. und dem Frühmittelalter nach­weisbare, bis zu 168 Meter lange, mittels Steinen gebildete Grab.

Lit.: Körn, W., Megalithkulturen, 2005

Dolo facit, qui petit, quod restiturus est bzw. quod restituere oportet eundem (lat.). Arglistig handelt, wer fordert, was er demnächst zurückgibt bzw. was er selbst zurückerstatten muss.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 44, 4, 8, pr.)

Dolus (lat. [M.]) ist im römischen Recht die Arglist, nach Anerkennung einer Haftung für fahrlässiges Verhalten der → Vorsatz, dolus malus. Das durch Arglist herbeigeführte oder beeinflusste Rechtsgeschäft ist zwar an sich gültig. Auf Anregung des Rechtskundigen Gaius Aquilius Gallus gibt der Prätor im 1. Jh. v. Chr. aber dem, der durch Arglist beeinträchtigt ist, dann, wenn keine andere Klage gegeben ist, einen Klaganspruch (lat. actio [F.] de dolo) auf den einfachen Schadensbetrag. Gegenüber einer möglichen Verpflichtung (stricti iuris) kann der Verpflichtete eine Einrede erheben (lat. exceptio [F.] doli).

Lit.: Kaser §§ 8 V, 33, 36, 37; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 42f., 61, 63, 65; Köbler, LAW

Dom (zu lat. [F.] domus, Haus) ist meist die Hauptkirche des Bistums.

Lit.: Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln, 1976

Domäne (im 16./17. Jh. aus dem Fran­zösischen aufgenommen) ist in der Spätantike das kaiserliche Grundeigentum. Die D. ist Vermögen des Kaisers und geht auf den jeweiligen Nachfolger über. Sie wird getrennt von den Staatseinkünften (vom (lat. M.] comes rerum privatarum) verwaltet. Mit dem Untergang des weströmischen Kaisertums fällt die D. vor allem im Herrschaftsbereich der Franken an den König (→Königsgut). Infolge umfangreicher Vergabungen gelangt dieses Gut bis zum 13. Jh. in großem Ausmaß an die Landesherren. In Preußen umfassen die Domänen dabei schließlich etwa ein Drittel des Landes. Seit dem 18. Jh. wird im Land das Staatsgut vom fürstlichen Hausgut getrennt, wobei die Domänen überwiegend dem Staatsgut und nur in geringerem Maß dem Hausgut zugeteilt werden, der Landesherr aber die Nutzungen der D. als Einkunft erhält. Der Höhe nach betragen die Einkünfte dabei fast die Hälfte der gesamten Staatseinkünfte. Im 19. Jh. erlangen vor allem die deutschen Fürstentümer Rechtspersön­lichkeit, die staatliches Domäneneigentum kennen. In den Fürstentümern ohne staat­liches Domäneneigentum haben die Stände das Steuerbewilligungsrecht und gelegentlich bereits vor 1848 ein Ausgabenbewilligungs­recht hinsichtlich der aus Steuern zu tätigenden Ausgaben im Gegensatz zu den Ausgaben der fürstlichen Kammer. Seit dem Ende der Monarchie (Deutschland 1918) fließen die Einkünfte aus den Domänen dem Staat zu. 1945 werden in der sowjetischen Besatzungszone die Domänen fast ganz aufgeteilt. In der Bundesrepublik Deutschland (vor allem In Niedersachsen) umfassen sie nur noch weniger als 0,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wendt, E., Die staatliche Selbstbewirtschaftung von Domänen, 1925; Corsten, S., Das Domanialgut im Amt Heinsberg, 1953; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirt­schaft, 1962; Hoffmann, R., Die Domänenfrage in Thü­ringen, 2006; Klein, W., Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts, 2007

Domat, Jean (Clermont-Ferrand 30. 11. 1625-Paris 14. 3. 1696), Notarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges 1645 Anwalt, 1655 Kronanwalt und 1683 Privatgelehrter. Sein 1689 veröffentlichtes, → Grotius ver­pflichtetes Hauptwerk ([franz.] Les lois civiles dans leur ordre naturel, Die weltlichen Gesetze in ihrer natürlichen Ordnung) ordnet das römische Recht und das dieses ergänzende französische Recht in der Art eines Lehrbuches des Naturrechts nach den grundlegenden Sätzen.

Lit.: Voeltzel, R., Jean Domat (1625-1696), 1936; Baudelot, B., Un grand jurisconsulte du 17e siècle, 1938

Domesdaybook ist eine zweibändige, unvollständige Landesaufnahme Englands (Bd. 1 31 Grafschaften, Bd. 2 Essex, Norfolk, Suffolk) auf der Grundlage von Angaben der Grundstücksberechtigten von 1066 und 1086. Das D. dient dem König als Grundlage seiner Herrschaft. Von 596 im D. genannten Fami­lien sind im Jahre 1166 noch 437 in den Cartae baronum erwähnt.

Lit.: Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Galbraith, V., The Making of Domesday Book, 1961; Darby, H., Domesday England, 1978; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Domesday names, compiled by Keats-Rohan, K. u. a., 1997; Fleming, R., Domesday Book and the Law, 1998; Keats-Rohan, K., Domesday People, 1999; Roffe, D., Domesday, 2000; Keats-Rohan, K., Domesday Descendants, 2002

Dominat ist (nach Mommsen) die vom Kai­ser als absolutem Herrn und Gott (lat. [M.] dominus et deus) bestimmte Herrschaftsform der römischen Spätantike seit Diokletian (284-313/316).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG 55; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978

Dominikalland (N.) Herrenland, vom Grundherrn selbst bewirtschaftetes Land

Lit.: Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherr­schaft, 1964, 2. A. 1998

Dominikaner ist (seit dem 15. Jh.) der Angehörige des von dem Spanier Dominikus (Caleruega nach 1170-Bologna 1221, aus dem Geschlecht der Guzmán) in Toulouse 1215 begründeten, am 22. 12. 1216 vom Papst unter seinen Schutz gestellten (Bettel-)Ordens (lat. [M.] ordo praedicatorum, in Frankreich Jakobinerorden) der Prediger, dem von Papst Gregor IX. 1232 die Inquisition übertragen wird und dem 1990 677 Klöster mit 6775 Mitgliedern bzw. 226 Dominikanerinnenklö­ster mit 4225 Schwestern (2004 626 Klöster, 6262 Mitglieder, 227 Frauenköster, 3488 Mit­glieder) angehören.

Lit.: Altaner, B., Der heilige Dominikus, 1922; Walz, A., Wahrheitskünder, 1960; Hinnebusch, W., The History of the Dominican Order, 1966ff.; Hertz, A., Domenikus und die Dominikaner, 1981; Vicaire, M., Histoire de Saint Dominique, 1982; Springer, K., Die deutschen Dominikaner in Widerstand und Anpassung, 1999; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003, 156

Dominium (lat. [N.]) ist im römischen Recht (wie proprietas) das Eigentum, wobei das (lat.) d. ex iure Quiritium (quiritisches Eigentum) römischen Bürgern vorbehalten und nur an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken möglich ist (d. dormiens, ruhendes Eigentum z. B. an einem fremden Balken während des Bestands des ihn aufnehmenden Gebäudes). Nach Ernst Levy verfällt dieses klassische d. in der Spätantike, doch ist diese Ansicht inzwischen wieder streitig geworden. Im Mittelalter bezeichnet d. (ahd. giwaltida, herskaf, hertuom) die Herrschaft (oder Gewalt über ein Gebiet einerseits und die Herrschaft über einzelne Sachen andererseits). Zugleich wird von Italien ausgehend ein (lat.) d. directum (Obereigentum z. B. des Lehnsherrn) von ei­nem d. utile (Untereigentum z. B. des Lehns­manns) geschieden. Mit der Aufnahme des römischen Rechts dringen römischrechtliche Vorstellungen durch und werden insbeson­dere gewisse ältere Bindungen des Eigentums (z. B. gegenüber Erben oder Nachbarn) aufge­geben und D., beschränkte dingliche Rechte sowie Besitz von einander klar geschieden, wird freilich im 20. Jh. das Eigentum auch wieder einer sozialen Bindung unterworfen.

Lit.: Kaser § 22 II; Hübner 241ff.; Köbler, LAW; Schmidt, C., Der prinzipielle Unterschied zwischen dem römischen und germanischen Recht, Bd. 1 1853, 223; Lautz, K., Entwicklungsgeschichte des dominium utile, Diss. jur. Göttingen 1916; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Willoweit, D., Dominium und proprietas, Hist. Jb. 94 (1974), 131; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Mayer-Maly, T., Das Eigentumsverständnis der Gegenwart, FS H. Hübner, 1984, 145; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Diestelkamp, B., Frühe urkund­liche Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13. Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts = FS P. Landau, 2000, 391ff.; Vandendriessche, S., Pos­sessio und Dominium im postklassischen römischen Recht, 2006

dominium (N.) directum (lat.) Obereigentum → dominium, Eigentum

dominium (N.) plurium in solidum (lat.) Gesamteigentum → Miteigentum

dominium (N.) utile (lat.) (vielleicht erstmals bei Johannes Bassianus am Ende des 12. Jh.s belegt, 1204 Bischof Huguccio von Ferrara) Nutzungseigentum → dominium, Eigentum

dominus (lat. [M.]) Herr (über jemanden oder etwas), Eigentümer

dominus (M.) terrae (lat.) → Landesherr

Dominus imperator in territorio suo (lat.). Der Landesherr ist Kaiser in seinem Land.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Eyben 1660)

Domkapitel (Wort neuzeitlich) ist das seit der zweiten Hälfte des 8. Jh.s aus dem verpflichtend werdenden gemeinschaftlichen klösterlichen Leben der Geistlichen einer Domkirche erwachsene, seit der Mitte des 9. Jh.s gegenüber dem Bischof autonom werdende Gremium von Geistlichen, das den Bischof unterstützt und nach seinem Tod das Bistum vorübergehend verwaltet und den neuen Bischöf wählt (lat. [N.] capitulum [10. Jh.] in domo episcopi). Es erlangt seit dem 9. Jh. Güter (z. B. Bamberg 1007) und wird im Hochmittelalter Verbandsperson. Es enthält eine Reihe von Ämtern (Dompropst, Domdekan, Domscholaster, Kantor, Kustos). Der Sicherung des Unterhalts dient das in Pfründen geteilte Kapitelsgut. Das D. steht bis in das 19. Jh. grundsätzlich nur Adligen offen. In den Hochstiften erlangen die D. vielfach die Stellung von Landständen. Die Säkula­risation von 1802/1803 bewirkt einen deutlichen Einschnitt. Danach wird das D. zu einem kirchlichen, vom Staat dotierten Gre­mium mit geringeren Rechten und Aufgaben, wobei das Erfordernis des Adels abgeschafft wird. Nach dem geltenden Kirchenrecht haben die D. der Diözesen Deutschlands, Salzburgs, Churs, Sankt Gallens und Basels gegenüber dem Bischofsernennungsrecht des Papstes ein Beteiligungsrecht.

Lit.: Gehring, G., Die katholischen Domkapitel Deutschlands als juristische Personen, 1851; Kisky, W., Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten, 1906; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiat­stifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Trippen, N., Das Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland, 1976; Hersche, P., Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1984; Maier, K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Haas, R., Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen in Münster 1813.1846, 1991; Jüsten, E., Das Domkapitel nach dem Codex Iuris Canonici von 1983, 1993; Miele, M., Sui capitoli cattedrali in Italia, 1999; Burkhard, D., Staatskirche, Papstkirche, Bischofskirche, 2000

Domscholaster (M.) Leiter der Domschule (seit 816, seit der Neuzeit allmählich, z. B. Österrreich 1787, aufgegeben)

Donatio (lat. [F.] → Schenkung) ist im römi­schen Recht die unentgeltliche Zuwendung. Sie ist zunächst nur ein Rechtsgrund, der einen Zuwendungsvorgang rechtfertigt. Erst unter Kaiser Konstantin (337-361) wird die d. zu einem eigenen Geschäft. Besondere Fälle sind die d. mortis causa (Schenkung von Todes wegen), die d. post obitum (Gabe nach dem Tod), die d. propter nuptias (Ehegabe, Widerlage) und die d. reservato usufructu (Gabe unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts).

Lit.: Kaser § 47; Köbler, DRG 41, 37; Köbler, LAW; Cappon, C., Eine donatio post obitum mit Treuhändern – die Schenkung von Dietrich von Ulft zugunsten des Klosters Camp (um 1138), ZRG GA 112 (1995), 245; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001

Donau ist der auf fast 3000 Kilometern vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer fließende Fluss, der für die Römer einen Teil ihrer Nordgrenze bildet und seit dem 19. Jh. zunehmend europäischen Rechtsregeln (Pariser Friede 1856, internationale Donau­kommission 1922, NAIDES-Aktions­pro­gramm der Europäischen Kommission) unter­worfen ist.

Lit.: Wegener, W., Die internationale Donau, 1951; Neweklowsky, E., Die Schifffahrt und Flößerei im Raume der oberen Donau, 1952ff.; Weithmann, M., Die Donau, 2000

Donaumonarchie (F.) die dem Einzugsbereich der Donau weitgehend entsprechende Monarchie Österreich-Ungarn

Doneau (Donellus), Hugo (Chalons-sur-Saône 23. 12. 1527-Altdorf 4. 5. 1591), aus patrizischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (1544) und Bourges (1546) dort Professor (1551). Als Calvinist flieht er 1572 nach Genf, geht 1572 nach Heidelberg, 1579 nach Leiden und 1588 nach Altdorf. In seinem Hauptwerk (lat. [M.Pl.] Commentarii de iure civili, Kommentare zum weltlichen Recht, 1589ff.) ordnet er das überlieferte römische Recht losgelöst von der Reihenfolge der Digesten nach einem aus ihm selbst gewonnenen System, um durch die innere Ordnung die verstreuten Einzelsätze besser zu verstehen, wobei er als einer der ersten das Recht der Obligationen im Allgemeinen zu erfassen sucht und vielleicht das Erfordernis der Kau­salität von Verpflichtungen begründet.. Dabei gelingen über die Darstellung hinaus weiterführende Erkenntnisse (z. B. Ausdeh­nung des Satzes [lat.] impossibilium nulla est obligatio, zu Unmöglichem besteht keine Pflicht, Beiträge zur Entwicklung des subjektiven Rechts, des Besitzrechts, des Vertragsrechts und des Persönlichkeitsrechts).

Lit.: Eyssell, A., Donellus, 1860; Bergfeld, C., Savigny und Donellus, Ius commune 8 (1980), 24; Cannata, C., Systématique et dogmatique dans le Commentarii iuris civilis des Hugo Doneau, (in) Jacques Godefroy, 1991, 217; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums, 2000, 102f.; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004

Donellus → Doneau

Dorf ist die aus einer nicht ganz geringen Zahl von beieinander liegenden Häusern gebildete, landwirtschaftlich geprägte Sied­lung. Das D. setzt die Sesshaftwerdung vor­aus. Sein zeitliches Verhältnis zu Einzelhaus bzw. kleiner Hausgruppe (Weiler, Drubbel) steht nicht sicher fest. Örtlich findet sich das D. in Deutschland im gesamten Gebiet, aus­ge­nommen den Nordwesten, den Schwarz­wald und das Alpengebiet. Vorherrschend ist das Haufendorf, doch prägen auch Marschhufendorf und Wald­hufendorf kleinere Räume. Das D. kann vor allem Nutzungsverband oder auch Gerichts­verband (mit Richter und Schöffen) sein, wobei am Nutzungsverband meist nur die Inhaber vollbäuerlicher Hof­stellen berechtigt sind. Der Dorfvorsteher und evtl. neben ihm stehende Gremien sind unterschiedlich strukturiert und bezeichnet, die juristische Persönlichkeit lange Zeit nur undeutlich ausgeprägt. Seit dem 19. Jh. werden D. und Stadt grundsätzlich einheitlich als → Gemeinde im Sinne eines staatlichen Verwal­tungsbezirkes (1935 Deutsche Ge­mein­deord­nung) angesehen, zu dem allerdings örtliche Selbstverwaltungszüge hinzutreten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; Frey, K., Wollmatingen, 1910; Mayer, E., Dorf-Geschlechtsverband, ZRG GA 41 (1920), 375; Bolleter, E., Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich), 1921; Maßberg, K., Die Dörfer der Vogtei Groß-Denkte, 1930; Steinemann, H., Geschichte der Dorfverfassungen im Kanton Zürich, 1932; Dinklage, K., Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1935; Ganahl, K., Langen-Erchingen (Langdorf), ZRG GA 58 (1938), 389; Bader, K., Entstehung und Bedeutung der oberdeutschen Dorfgemeinde, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 1 (1937), 265; Frölich, K., Rechts­denkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Zimmermann, F., Die Rechtsnatur der altbayerischen Dorfgemeinde und ihrer Gemeindenutzungsrechte, 1950; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. (Bd. 2 Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, 1962, Bd. 3 Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung im mittelalterlichen Dorf, 1973); Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Lippert, W., Geschichte der 110 Bauerndörfer in der nördlichen Uckermark, 1968; Ardelt, R., Das Dorf Edelbruck im Mühlviertel, 1972; Ossfeld, W., Obergrombach und Untergrombach, 1975; Zeller, G., Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung, 1975; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, hg. v. Jankuhn, H., 1977; Donat, P., Haus, Hof und Dorf, 1980; Arnold, K., Niklashausen 1476, 1980; Wunder, H., Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996; Troßbach, W. u. a., Die Geschichte des Dorfes, 2006

Dorfgericht ist das in einem → Dorf und häufig auch nur für Angelegenheiten des Dorfes meist unter der Linde (Gerichtslinde, Dorflinde) tätige Gericht. Es ist in vielen Fällen ein Gericht des Grundherrn und grund­sätzlich nur Niedergericht. Spätestens in der Mitte des 19. Jh.s verschwindet es zugunsten des Amtsgerichts oder Bezirksgerichts.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Müller, K., Das Gericht zu Ottendorf, ZRG GA 44 (1924), 168; Mitter, F., Die Grundlagen der Gerichtsverfassung und das Eheding der Zittauer Ratsdörfer, 1928; Frölich, K., Alte Dorfplätze, 1938; Herrmann, W./Schründer, H., Greven an der Ems, 1938; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Fried, P., Grundherrschaft und Dorfgericht im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, (in) Vorträge und Forschungen 27 (1983), 277; Kroeschell, K., Dorfgerichtsplätze, FS K. Bader, 1986, 1

Dorfordnung ist die das Dorf betreffende Ordnung, wie sie als Rechtsquelle seit dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit erscheint. S. Dorfrecht, Weistum

Lit.: Stöhr, K., Erläuterungen und Anlagen zur Altenburger Dorfordnung vom 13. Juni 1876, 1885; Robert, H., Als sich die Eberstädter eine Dorfordnung gaben, 1982; Kunz, R., Die Dorfordnung von Schwanheim, 1985; Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, 1999

Dorfrecht ist das besondere Recht eines → Dorfes bzw. subjektiv die besondere Mitgliedschaft in einer Dorfgemeinde. Das beispielsweise durch den → Sachsenspiegel (Landrecht III, 79, 2) bezeugte besondere D. entsteht teils durch Gewohnheit, teils durch An­ordnung oder Satzung mit der Ter­ritorialisierung bzw. Lokalisierung des Rechts im Hochmittelalter und verschwindet mit der staatlichen Vereinheitlichung in der Neuzeit, in der es freilich auch vielfach erst aufgezeichnet wird (zeitlicher Schwerpunkt in Schleswig-Holstein 1675-1774). Überliefert ist es hauptsächlich im → Weistum.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch von 1643, 1913; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1917; Schildt, B., Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, 1996; Rheinheimer, M., Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG 115 (1998), 529; Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, Bd. 1f. 1999

Dorpat (estnisch 1918 Tartu) wird 1030 erstmals erwähnt, 1224 als (lat. [N.] castrum tarbatum) durch den Deutschen Orden erobert, gelangt 1558 an Russland, 1582 an Polen, 1625 an Schweden, erhält 1632 durch König Gustav Adolf von Schweden eine Universität (Akademie mit deutsch-lateinischer Unterrichtssprache und schwe­disch-finnischen Lehrern) (1656 geschlossen, 1690-1710 als deutschbaltische Anstalt in Pernau), die 1802 (nach der Angliederung Livlands an Russland im Jahre 1721) als einzige deutschsprachigae Univer­sität Russlands von Deutschbalten neu gegründet, ab 1867 allmählich und 1893 entschieden russifiziert (Jurév) und unter Besatzungs­regime des Deutschen Reiches erfolglos regermanisiert wird (Rechtslehrer Johann Ludwig von Müthel, Karl Friedrich Meyer, Christian Daniel Rosenmüller, Friedrich Kasimir Kleinenberg, Johann Georg Neumann, Karl Schröter, Walter Friedrich Clossius, Friedrich von Bunge, Gustav Bröcker, Otto Karl von Madai, Karl Eduard von Otto, Eduard Osenbrüggen, Alexander von Reutz, Ewald Tobien, Johannes Engelmann, Karl von Rum­mel, Viktor Ziegler, August von Bulmerincq, Karl Bergbohm, Ottomar Meykov, Karl Erd­mann, Woldemar von Rohland, Alexander [Axel] Baron von Freytagh-Loringhoven, Vladimir Grabar, Michail Djakonov, Aleksej Guljaev, Evgenij Passek, Peter Pustoroslev, Ivan Ditjatin, Alexander Filip­pov, Lev Schalland, Alexander Nevzorov) und erhält 1919 in Estland den Namen Tartu.

Lit.: Gernet, A. v., Verfassungsgeschichte des Bistums Dorpat, 1896; Lemm, R., Dorpater Ratslinie, 1960; Luts, M., Eine Universität für unser Reich, ZRG GA 117 (2000), 607; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Donnert, E., Die Universität Dorpat-Jurév 1802-1918, 2007

Dortmund wird 880-884 (Throtmanni, Siedlung am gurgelnden Wasser?) erstmals erwähnt, erhält im 10. Jh. eine königliche Pfalz, wird Reichsstadt (Privilegien Konrads III., Friedrichs I., Friedrichs II. [1236 bzw. 1220]) und Mitglied der Hanse und kommt mit etwa 4000 Einwohnern 1802 an die Fürsten von Oranien-Nassau und 1815 an Preußen, in dem es zur industriell geprägten Großstadt heranwächst.

Lit.: Rübel, K., Dortmunder Urkundenbuch, Bd.1ff. 1881ff.; Frensdorff, F., Dortmunder Statuten und Urtheile, 1882; Meininghaus, A., Die Grafen von Dortmund, 1905; Meininghaus, A., Die Dortmunder Freistühle und ihre Freigrafen, Beiträge zur Geschichte Dortmunds 19 (1910); Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Rübel, K., Geschichte der Grafschaft und der freien Reichsstadt Dortmund, Bd. 1 1917; Winterfeld, L. v., Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in Dortmund, 1917; Meininghaus, A., Die Entstehung von Stadt und Grafschaft Dortmund, 1920; Berken, R. von den, Dortmunder Häuserbuch von 1700 bis 1850, 1927; Winterfeld, L. v., Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, 1934; Luntowski, G. u. a., Geschichte der Stadt Dortmund, 1994; Ferne Welten, freie Stadt. Dortmund im Mittelalter, hg. v. Ohm, M. u. a., 2006

Dos (lat. [F.], zu lat. dare, geben) ist bereits im altrömischen Recht die vom Hausvater der Frau dem Ehemann grundsätzlich gegebene, der Unterhaltssicherung dienende → Mitgift, die nach dem Tod der Frau oder einer auf ihrer Seite schuldlosen Scheidung aus dem Vermögen des Mannes an den ursprünglichen Geber zurückfällt. Im Jahre 18 v. Chr. verbietet die (lat.) lex (F.) Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über Grundstücks­mitgift) die Ver­äußerung eines Mitgiftgrund­stücks ohne Zustimmung der Frau. In der Spätantike wird die Bestellung einer d. durch den Brautvater zu einer Rechtspflicht. Das Recht der d. wird im Mittelalter und in der Neuzeit (nur) teilweise aufgenommen (Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Pom­mern, Teile Mecklenburgs, Dotalsystem). Nach dem ger­manischen Recht gibt der Mann (bzw. seine Familie) der Frau (bzw. ihrer Familie) eine Gabe (vielleicht als Gegenleistung für die Personalgewalt des Mannes über die Frau).

Lit.: Kaser § 59; Söllner §§ 8, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Köbler, LAW; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Teil 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Brunner, H., Die fränkisch-romanische dos, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1894, 545; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Stagl, J., Favor dotis, 2009

Dotalitium (lat. [N.]) ist meist die → Leibzucht oder das → Wittum.

Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 1 1885, 370; Bellomo, M., Ricerche sui rapporti patrimoniali, 1961

Dotalsystem (19. Jh.) ist das auf der römisch­rechtlichen → dos aufbauende Ehegüterrecht, das von der Gütertrennung ausgeht, bei der die Lasten der Ehe das Vermögen des Ehemannes treffen, die Ehefrau aber mit ihrer in das Eigentum des Ehemannes überge­henden dos die Ehelasten mittragen soll. Die Rezeption ändert das römische D. ab, soweit es überhaupt aufgenommen wird. Mit den Kodifikationen geht das im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) bereits nicht mehr erwähnte D. unter (BGB 1900, ZGB der Schweiz 1907).

Lit.: Söllner §§ 5, 9, 12, 18, 24; Hübner 664, 694,

Dotation (F.) Ausstattung, Zuwendung, Aussteuer

Lit.: Landau, P., Ius patronatus, 1975; Dröge, M., Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften, 2004

Dou de Bassols, Ramón Llàtzer de (1742-1832) verfasst nach dem Rechtsstudium in Cervara (1760-1764) und einer anwaltlichen Tätigkeit als Professor in Cervara die erste systematische Darstellung des spanischen öffentlichen Rechts (Instituciones del derecho público general en España, 1800ff.), die sich in die drei Bücher Person, Sache, Gericht und jeweils einen allgemeinen und besonderen Teil gliedert.

Lit.: Elias de Molins, A., Diccionario biográfico, Bd. 1 1889, 532

Do ut des (lat.). Ich gebe, damit du gibst.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 19, 5, 5, §1)

Douai

Lit.: Espinas, G., La vie urbaine de Douai, Bd. 1ff. 1913

Drakon ist der athenische Gesetzgeber (Thesmothet), der 624 (bzw. 621/620) v. Chr. (?) das geltende Recht veröffentlicht, in dem die Selbsthilfe (Blutrache) durch strenge Strafen (drakonische Strenge) für Verbrechen ersetzt und die gewollte Tötung von der ungewollten Tötung und der gerechtfertigten Tötung unterschieden ist.

Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Stroud, R., Drakon´s Law on Homicide, 1968; Gagarin, M., Drakon and Early Athenian Homicide Law, 1981; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Carawan, E., Rhetoric and the Law of Draco, 1998

Draufgabe (lat. [F.] → arrha) ist eine Leistung bei Eingehung eines Vertrags, die als Zeichen des Abschlusses des Vertrags gilt und im Zweifel auf die geschuldete Leistung anzurechnen oder bei Erfüllung zurückzugeben ist. Sie besteht im gemeinen Recht, ist in der Gegenwart aber nur von geringer Bedeutung.

Lit.: Kaser § 41; Hübner 543; Jagemann, E. v., Die Draufgabe (arrha), 1873; Gastreich, F., Die Draufgabe, Diss. jur. Erlangen 1932

Drei ist eine im Recht häufiger verwendete Zahl (z. B. aller guten Dinge [Gerichte] sind drei).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 285; Usener, H., Die Dreiheit, 2. A. 1922; Meyer, H./Suntrup, R., Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, 1987, Neudruck 1999; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995

Dreibund (N.) den 1879 zwischen dem Deut­schen Reich und Österreich-Ungarn geschlos­senen Bund 1882 um Italien erweiternder Bund (1883 Beitritt Rumäniens, im ersten Weltkrieg Kündigung durch Italien, das 1915 den Alliierten beitritt, Rumänien 1916)

Dreifelderwirtschaft ist die vom 8. bis zum 19. Jh. verbreitete Form der Landwirtschaft, bei der jeweils ein Drittel des Ackerlandes mit Winterfrucht oder mit Sommerfrucht bebaut oder als Brache gelassen wird. Bei der Dreizelgenwirtschaft ist dabei die gesamte Flur eines Dorfes in drei etwa gleich große im Wechsel bewirtschaftete Teile aufgegliedert.

Lit.: Köbler, DRG 77, 174; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 46; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985; Brakensiek, S., Agrarreform, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992

Dreiklassenwahlrecht ist das die Wähler in drei Klassen einteilende Wahlrecht (kopfzahl­bezogenes D. erstmals im Gemeindegesetz Badens vom 23. 8. 1821). Es widerspricht dem Grundsatz der Stimmengleichheit, indem es bei dem steueranteilbezogenen D. z. B. Wählern mit höherem Steueraufkommen mehr politischen Einfluss in einem zu wählenden Gremium gewährt (z. B. wählen in Preußen 1849 bis 1918 etwa 4,7%, 12,6% und 82,6% der Wähler mittelbar je ein Drittel der Abgeordneten). 1918 wird es spästetens aufgegeben (Preußen, Braunschweig, Lippe, Sachsen-Altenburg, Waldeck). In Österreich besteht von 1849 bis 1918 ein D. für das Gemeindewahlrecht, bei dem ein Zensus den Kreis der Wahlberechtigten einengt und die Wahlkörper eine unterschiedliche Zahl von Gemeinderäten wählen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Gerlach, D., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Boberach, H., Wahlrechtsfragen im Vormärz, 1959 Kühne, T., Dreiklassenwahlrecht, 1994; Gerhards, J./Rössel, J., Interessen und Ideen im Konflikt um das Wahlrecht, 1999

Dreiliniensytem ist eine Erbfolgeordnung in den drei Linien Abkömmlinge, Aszendenten, Seitenverwandte.

Dreißigjähriger Krieg ist der von 1618 (Prager Fenstersturz, 8. 11. 1620 Schlacht am Weißen Berg mit Niederlage der aufständi­schen prostestantischen Landstände Böh­mens, 10. 5. 1627 Verneuerte Landesordnung für Böhmen) bis 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, → Westfälischer Friede) unter protestantenfreundlicher Beteiligung europäi­scher Mächte (Dänemark 1625, Schweden 1630, Frankreich 1635) währende Religions­krieg im Heiligen römischen Reich.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Franz, G., Der dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Schormann, G., Der Dreißigjährige Krieg, 1985; Burkhardt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1991; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Arbeit, 1993; Wedgwood, C., Der 30jäh­rige Krieg, 8. A. 1995; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 6. A. 2004; Oschmann, A., Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650, 1991; Englund, P., Die Verwüstung Deutschlands, 1998; Findeisen, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1998; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 4. A. 1999; Zwischen Alltag und Katastrophe, hg. v. Krusenstjern, B. v. u. a., 1999; Bedürftig, F., Der Dreißigjährige Krieg, 2006; Kampmann, C., Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, 2007; Sack, H., Der Krieg in den Köpfen, 2008; Fuchs, R., Ein Medium zum Frieden, 2008; Brockmann, T., Dynastie, Kaiseramt und Konfession, 2009

Dreißigster ist der dreißigste Tag nach dem Tod eines Menschen und die als gesetzliches Vermächtnis daraus grundsätzlich sich ergebende Verpflichtung der → Erben, bestimmten Familienangehörigen des → Erblassers während der ersten 30 Tage nach dem selten genau vorherbestimmten Erbfall Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Eine dreißig­tägige Beweinung kennt bereits das alte Testament (5. Moses 34,8). Danach erscheint der D. beispielsweise im → Sachsenspiegel (1221-1224). In der Zeit des Dreißigsten ist der Erbe zwar schon Eigentümer, darf aber nicht im Widerspruch zum Dreißigsten verfügen. Teilweise setzt das gemeine Recht den bis zum Dreißigsten ruhenden Nachlass der römischrechtlichen (lat.) hereditas (F.) iacens (ruhenden Erbschaft) gleich. Der D. ist noch geltendes Recht (§ 1969 BGB).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hübner 676f.; Hennecke, G., Das Recht des Dreißigsten, Diss. jur. Heidelberg 1909

Dresden an der Elbe (sorb., Sumpfgebiet, steinzeitliche Besiedlungsspuren, Erster­wähnung 1206, 1201?) erhält vielleicht um 1150 eine Burg der wettinischen Markgrafen von Meißen. 1299 wird ihm das Stadtrecht von Magdeburg bestätigt. Stadtbücher sind seit 1404 erhalten.Seit 1485 wird es Vorort der albertinischen Linie der Herzöge von Sachsen. 1828 wird eine Technische Universität eingerichtet, an der 1991 eine juristische Fakultät entsteht, deren Auflösung 2004 beschlossen wird.

Lit.: Richter, O., Verfassungs- und Verwaltungs­geschichte der Stadt Dresden, Bd. 1ff. 1885ff.; Butte, H., Geschichte Dresdens, 1967; Streifzüge durch die Dresdener Justiz, 1999; Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, bearb. v. Petschel, D., 2003; Pommerin, R., Geschichte der TU Dresden 1828-2003, 2003; Hädecke, W., Dresden, 2006; Geschichte der Stadt Dresden, hg. v. Blaschke, K. u. a., Bd. 1-3, 2005f.; Meinhardt, M., Dresden im Wandel, 2008; Die Stadtbücher Dresdens, hg. v. Kübler, T. u. a., Bd. 1ff. 2007ff.

Dresdener Entwurf ist der - der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung von 1847/1848 und dem Allgemeinen Deutschen Handelsge­setzbuch von 1861 folgende - in → Dresden in Sachsen auf Grund der nach dreijährigen Beratungen 1862 beschlossenen Schaffung eines einheitlichen Obligationenrechts (→ Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse) der Staaten des → Deutschen Bundes in einer Kommission beratene, 1866 noch der Bundesversammlung zugeleitete, dort aber nicht mehr behandelte, Ent­wurf, der infolge der Auflösung des Deutschen Bundes (1866) nicht Gesetz bzw. allgemeines deutsches Recht wird, sich aber auf das Obligationenrecht der Schweiz (1881) und den Allgemeinen Teil und das Schuld­recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896/­1900) auswirkt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; http://www.koeblergerhard.­de/Fontes/DRE1866-Entwurfeinesallgemeinendeut­schen­GesetzesueberSchuldverhaeltnisse.pdf; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Benöhr, H., Der Dresdener Entwurf von 1866 und das Schweizerische Obligationenrecht von 1881, (in) Hundert Jahre Schweizerisches Obligati­onenrecht, 1982, 57

Drews, Bill (Drews, Wilhelm Arnold, Berlin 11. 02. 1870-Berlin 17. 02. 1938) wird 1917 Minister des Innern in Preußen, 1919 Staatskommissar für die Vorbereitung einer Verwaltungsreform Preußens und 1921 Prä­sident des Oberverwaltungsgerichts Preußens (bis 1937). 1927 legt er ein Preußisches Poli­zeirecht vor. Er nimmt maßgeblichen Einfluss auf das Polizeiverwaltungsge­setz Preußens von 1931.

Lit.: Naas, S., Die Entstehung des preußischen Polizei­verwaltungsgesetzes von 1931, 2003

Dritter ist die an einem Verhältnis zweier Personen mittelbar beteiligte weitere Person.

Lit.: Barnert, E., Der eingebildete Dritte, 2008

Drittes Reich ist die problematische Bezeichnung des → Deutschen Reiches in der vom → Nationalsozialismus Adolf → Hitlers beherrschten Zeit zwischen dem 30. 1. 1933 und dem 8. 5. 1945. Sie geht in möglichen Anfängen auf Joachim von Fiore (Celico um 1130-Fiore 1202), der Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes unterscheidet, zurück. 1923 weist A. Moeller van den Bruck (1876-1925) auf ein dem Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) und dem Reich Bismarcks folgendes D. R. hin. Dieses entwickelt sich in der Wirklichkeit zu einer totalitären Diktatur, in der das Recht an vielen Stellen zum Instru­ment der Durchsetzung des Nationalso­zia­lismus wird. In ihm wird in einer Pres­seanweisung vom 10. 7. 1939 der Ausdruck D. R. verboten, weil die darin zwecks Sinn­stiftung für das Ungewisse verwendete Tra­dition inzwischen als ent­behrlich angesehen wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234, 242; Wust, N., Das Dritte Reich, 1905; Mutius, G. v., Die drei Reiche, 1916; Neurohr, J., Der Mythos vom Dritten Reich, (1933, veröff. 1957); Hertel, H., Das Dritte Reich in der Geistesgeschichte, 1934; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.; Kobé, E., Die Idee eines Dritten Reiches im deutschen Idealismus, Diss. phil. Wien 1939; Fraenkel, E., The Dual State, 1941; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971; Mähl, H., Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des Novalis, 1965; Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966; Scheffler, W., Judenverfolgung im Dritten Reich, 1966; Adam, U., Judenpolitik im Dritten Reich, 1972, Neudruck 1979; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Justiz im Dritten Reich, hg. v. Staff, I., 1979; Schönbaum, D., Die braune Revolution, 1980; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Broszat, M./Möller, H., Das Dritte Reich, 1983; Wistrich, R., Wer war wer im Dritten Reich, 1983; Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Tröger, J., 1984; Shirer, W., Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, 1984; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Das große Lexikon des Dritten Reiches, hg. v. Zentner, C. u. a., 1985; Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Lundgren, P., 1985; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Staatsrecht und Staatslehre im Dritten Reich, hg. v. Böckenförde, E., 1985; Koenen, A., Der Fall Carl Schmitt, 1995; Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2001; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Kropat, W., Kristallnacht in Hessen, 1988; Puppo, R., Die wirtschaftliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Schröder, R., .. aber im Zivilrecht sind die Richter standhaft geblieben!, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 2. A. 1989; Michelberger, H., Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1989; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Werle, G., Justiz - Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989; Rebentisch, D., Führerstaat und Verwaltung im zweiten Weltkrieg, 1989; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 6. A. 2003, 7. A. 2009; Schmoeckel, M., Die Groß­raumtheorie, 1994; Fürst, M., Politisches Strafrecht im Dritten Reich, 1995; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Schindler, F., Paulus van Husen im Kreisauer Kreis, 1996; Nunweiler, A., Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit und seiner Aktualisierung im Dritten Reich, 1996; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern, hg. v. Bohn, R., 1997; Bedürftig, F., Lexikon Drittes Reich, 1997; Kroll, F., Geschichtsdenken und politisches Handeln im Dritten Reich, 1997; Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Friedländer, S., Das Dritte Reich und die Juden, 1998; Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, hg. v. Weiß, H., 1998; Michelberger, H. Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1998; Hummel, K., Deutsche Ge­schichte 1933-1945, 1998; Die juristische Aufarbeitung des Unrechtsstaats, hg. v. d. Redaktion Kritische Justiz, 1998; Klaus, M., Mädchen im Dritten Reich, 1998; Perels, J., Das juristische Erbe des Dritten Reiches, 1999; Wendt, B., Das Dritte Reich, 1999; Schwerin, F. Graf v., Helmuth James Graf von Moltke, 1999; Benz, W., Geschichte des Dritten Reiches, 2000; Ellmann, M., Hans Lukaschek im Kreisauer Kreis, 2000; Die tödliche Utopie, hg. v. Dahm, V. u. a., 3. A. 2001; Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Science in the Third Reich, hg. v. Szöllösi-Janze, M., 2001; Schott, A., Adam Trott zu Solz, 2001; Studt, C., Das Dritte Reich in Daten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002; Rauh-Kühne, C., Hitlers Hehler?, HZ 275 (2002), 54; Beevor, A., Berlin 1945, 2002; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im Dritten Reich, 2003; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 6. A. 2003; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003; Unschuld, P., Chronik des Rotary Clubs München, 2003; Klee, E., Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2003; Tofahrn, K., Chronologie des Dritten Reiches, 2003; Pohl, D., Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933-1945, 2003; Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003; Angrick, A., Besatzungspolitik und Massenmord, 2003; Ciernoch-Kujas, C., Ministerialrat Franz Massfeller (1902-1966), 2003; Regimekritik, Widerstand und Verfolgung in Deutschland und den besetzten Gebieten, hg. v. Boberach. H. Erschlie­ßungsband zur Mikroficheedition 2003; Stufen zum Galgen, hg. v. Pätzold, K. u. a., 2004; Kater, M., Hitler-Jugend, 2004; Evans, R., Das Dritte Reich, Bd. 1 2004; Mühlberger, D., Hitler’s Voice, 2004; Bartels, U., Die Wochenschau im Dritten Reich, 2004; Hayes, P., Die Degussa im Dritten Reich, 2004; Ley, A., Zwangssterilisation und Ärzteschaft, 2004; Gall, L., Elitenkontinuität in Wirtschaft und Wissenschaft, HZ 279 (2004) 659; Huppuch, W., Eugen-Rosenstock-Huessy (1888-1973), 2004; Frei, N., 1945 und wir, 2005; Das Europa des Dritten Reichs, hg. v. Bähr, J./Banken, R., 2005; Finger, T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hamburg im Dritten Reich, hg. v. d. Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, 2005; Lindner, S., Hoechst, 2005; Bastian, T., High Tech unterm Hakenkreuz, 2005; Stürickow, R., Kriminalfälle im Dritten Reich. Berlin, 2005; Werner, C., Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW, 2005; Braun, K., Dr. Otto Thierack (1889-1946), 2005; Confront! Resistance in Nazi Germany, hg. v. Michalczyk, J., 2. A. 2005; Köhler, I., Die Arisierung der Privatbanken, 2005; Kißener, M., Das Dritte Reich, 2005; Olick, J., In the House of the Hangman, 2005; Gesche, K., Kultur als Instrument der Außenpolitik totalitärer Staaten, 2006; Voß, R., Johannes Popitz, 2006; Einhaus, C., Zwangs­sterilisation in Bonn (1934-1945), 2006; Winstel, T., Verhandelte Gerechtigkeit, Rückerstattung und Entschädigung für jüdische NS-Opfer, 2006; Schenk, D., Hans Frank, 2006; Schäfer, K., Werner von Blomberg, 2006; Zwicker, S., Nationale Märtyrer - Albert Leo Schlageter und Julius Fučik, 2006; Tent, J., Im Schatten des Holocaust. Schicksale deutsch-jüdischer „Mischlinge“, 2007; Die NS-Gaue -regionale Mittelinstanzen, hg. v. John, J., 2007; Rohrer, F., Strafjustiz im Dritten Reich und in der SBZ/DDR, 2007; Hürter, J., Hitlers Heerführer, 2007; Lübbe, H., Vom Parteigenossen zum Bundesbürger, 2007; Schmerbach, F., Das Gemein­schaftslager Hanns Kerrl für Referendare in Jüterbog 1933-1939, 2008 (rund 20000 Referendare, systemstabilisierende Wirkung); Bähr, J. u. a., Der Flick-Konzern im Dritten Reich, 2008; Stirken, H., Der Kölner Justizalltag im zweiten Weltkrieg, 2008; Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933, hg. v. Schoeps, J. u. a., 2008 (ab März 1933 94 Bücherverbrennungen in 62 Städten); Ribbentrop, R. v., Mein Vater Joachim von Rib­bentrop, 2008; Universitäten und Studenten im Dritten Reich, hg. v. Scholtyseck, J. u. a., 2008; Kontinuitäten und Zäsuren. Rechtswissenschaft und Justiz im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit, hg. v. Schumann, E., 2008; Harris, W., Tyrannen vor Gericht, 2008; Longerich, P., Heinrich Himmler, 2008; Schlick, C., Apotheken im totalitären Staat, 2008; Drecoll, A., Der Fiskus als Verfolger, 2009; Tofahrn, K., Das dritte Reich und der Holocaust, 2008; Koop, V., Himmlers letztes Aufgebot, 2008; Schleusener, J., Eigentums­poli­tik im NS-Staat, 2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009; Gathmann, P. u. a., Narziss Goebbels, 2009

Drittschadensliquidation ist die Ersetzung eines einem Dritten entstandenen Schadens durch den Schuldner eines Schuld­verhältnisses. Sie ist dem römischen Recht und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) an sich fremd, für bestimmte Fallgestaltungen seit einer Entscheidung in Lübeck vom 20. 1. 1855 und einer dog­matischen Erörterung Zimmermanns (1858) aber gewohnheitsrechtlich anerkannt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 184; Reichard, I., Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, 1992; Schroeter, H., Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten, 1995; Neuner, J., Die Entwicklung der Haftung für Drittschäden, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 193

Drittschutz ist der Schutz eines Dritten durch eine Verhältnis zwischen zwei anderen,

Lit.: Hofer, S., Drittschutz und Zeitgeist, ZRG GA 117 (2000), 377

Drittwiderspruchsklage ist die als Inter­ventionsklage entwickelte Klage des angeblichen oder wirklichen Inhabers eines die Veräußerung hindernden Rechts an einem Gegenstand (z. B. Eigentum) gegen die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand.

Lit.: Picker, E., Die Drittwiderspruchsklage, 1981

Drittwirkung ist die Wirkung gegenüber Dritten. Grundsätzlich wirken sich Rechte in einem Schuldverhältnis nur zwischen Gläu­biger und Schuldner (relativ) aus, so dass im römischen Recht sogar Stellvertretung, Abtretung und Schuldübernahme Schwierig­keiten bereiten. Dagegen wirken Sachenrechte gegenüber jedermann (absolut). Die D. von Grundrechten wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erörtert (z. B. Nipperdey), aber überwiegend verneint.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

droit (M.) commun (franz.) gemeines Recht

Lit.: Bourjon, F., Le droit commun de la France et la coutume de Paris reduits en principes, 1747; Petot, P., Le droit commun en France selon les coutumiers, RH 38 (1960), 412

Droit (M.) coutumier (franz.) ist das in → coutumiers aufgezeichnete Gewohnheitsrecht (coutume) (im Norden Frankreichs).

droit (M.) écrit (franz.), Schriftrecht, römisches Recht (im Süden Frankreichs)

droit (M.) intermédiaire (franz.) das zwischen französischer Revolution von 1789 und den Kodifikationen Napoleons (1804ff.)  durch Einzelgesetze geschafffene französi­sche Recht

Drost (M.) aus mnd, drossete (Truchsess) gebildete Bezeichnung eines örtlichen Ver­waltungsamtsträgers in Norddeutschland und Westdeutschland vom 13. bis zum 19. bzw. 20. Jh.

Lit.: Bornhak, C., Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002; Blazek, M., Von der Landdrostey zur Bezirksregierung, 2004

Druck ist das Einwirken auf einen Gegenstand mit Gewicht oder Kraft. Seit etwa 1440 (1454?) werden Texte durch Buchdruck vervielfältigt (z. B. Bibel in 42 Zeilen je Seite). Einblattdrucke (z. B. Ablassbriefe, Gebete, Mahnschreiben) werden ab 1475 häufig.

Lit.: Eisermann, F., Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke im Heiligen römischen Reich deutscher Nation, Bd. 1ff. 2004; Westphal, J., Die Darstellung von Unrecht in Flugblättern der frühen Neuzeit, 2008

Druckprivileg ist das seit Erfindung des Buchdruckes (1440-1454) auf Grund des vom Kaiser beanspruchten Buchregals in Übung kommende herrscherliche, meist zeitlich begrenzte, mit Strafgeldern und Vermögens­einziehung bewehrte Privileg, zum Schutz vor allem der Drucker und auch Verleger sowie Urheber ein bestimmtes Buch aus­schließlich zu drucken und dementsprechend Nachdrucke Nicht­privilegierter zu bekämpfen (Venedig 1469 auf fünf Jahre befristetes, aus­schließliches Privileg Bücher zu drucken für Johan von Speyer [† 1470]], Herzog von Mailand 1481 Nachdrucks­verbotsprivileg, im Heiligen römischen Reich 1501 Nach­druckprivileg für Conrad Celtis, Frankreich 1507, England 1518). Das vielfach erteilte und meist im jeweiligen Werk auch abgedruckte D. wird auf Drängen der Buchhändler und Verleger seit dem 19. Jh. durch das sie und die Urheber vollkommener schützende →Ur­heberrecht (Preußen 11. 6. 1837 Gesetz zum Schutze des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck) abgelöst.

Lit.: Pütter, J., Der Büchernachdruck, 1774; Bluntschli, J., Deutsches Privatrecht Bd. 1, 1853; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Gieseke, L., Vom Privi­leg zum Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Ei­gentum, 1996; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegien­praxis Württtembergs im 19. Jahrhundert, 2007

Dualismus ist grundsätzlich jede Lehre, die von zwei voneinander unabhängigen meist gegensätzlichen Gegebenheiten ausgeht. In diesem Sinne besteht seit dem 14. Jh. ein (durch gegenseitige vertragliche Treuebin­dung befriedeter) ständisch-monarchischer D. (Otto von Gierke 1868) zwischen Landesherr und Landständen, der im Absolutismus zu Lasten der Landstände (vor allem in Öster­reich und Preußen) weitgehend verschwindet. In Österreich sind nach 1867 dualistische Angelegenheiten die in übereinstimmenden Beschlüssen des österreichischen Reichsrats und des ungarischen Reichstags geregelten Angelegenheiten (Münzwesen, Zollgesetzge­bung, Eisenbahnlinien, Wehrsystem), deren Verwaltung in Österreich und Unganr jeweils eigenständig erfolgt.

Lit.: Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Thouzellier, C., Livre de deux principes, 1973; Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Vormünder des Volkes?, 1999 ; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegen­heiten der österreichisch-ungarischen Mo­narchie, 2001

Duaren, François (Bourges 1509-1559), adliger Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und nach weiteren Studien bei Budé Advokat am Parlament von Paris und 1538 Nachfolger Alciats in Bourges. 1544 setzt er sich in der Schrift (lat.) De ratione docendi discendi iuris (Von der richtigen Art Recht zu lehren und zu lernen) für eine moderne Studiengestaltung (lat. → mos [M.] Gallicus) mit Einführungslehr­veranstaltungen, guten Sprachkenntnissen und neuer Methodik ein. Sein gleichzeitig erscheinender Kommen­tar über Verträge beeinflusst die Entwicklung des Schuldrechts (u. a. Grundsatz der Beschränkung der Herausgabe des ungerechtfertigt Erlangtem auf die noch vorhandene Bereicherung).

Lit.: Vogt, W., Franciscus Duarenus, 1971

Dublin in Irland erscheint im 3. Jh. 1171 erhält es das Stadtrecht von Bristol. 1591 bzw. 1909 werden Universitäten gegründet. Seit 1922 ist D. Hauptstadt Irlands.

Lit.: Stewig, R., Dublin, 1959

Duell ist der geordnete Waffenkampf zweier Streitender (zur Sühnung einer Ehr­ver­letzung). Wurzeln des Duells reichen vielleicht in die Vorzeit zurück. Im Früh­mittelalter durchaus allgemein häufig, tritt im Hochmittelalter der ritterliche Zweikampf zu Ross mit Schild und Lanze in den Vordergrund. Im engeren Sinn entwickelt sich das D. erst in der Neuzeit. Vom 17. Jh. an wird es unter strenger Strafandrohung ohne besonderen Erfolg verboten. Erst nach Ende der adelsgeprägten Gesellschaft (1918) ver­schwindet das ernsthafte D. gänzlich. Seit 1969 gelten die allgemeinen Strafrechtsnor­men, wovon freilich rechtstatsächlich die studentische Mensur noch nicht erfasst wird.

Lit.: Below, G. v., Das Duell in Deutschland, 1896; Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Prokowsky, D., Die Geschichte der Duellbekämpfung, Diss. jur. Bonn 1965; Slawig, J., Der Kampf gegen das Duellwesen, Diss. jur. Münster 1986; Kiernan, V., The Duel in European history, 1988; Dieners, P., Das Duell, 1992; MacAleer, K., Dueling, 1994; Bringmann, T., Reichstag und Zweikampf, 1997; Schmiedel, H., Berüchtigte Duelle, 2000; Schlink, B., Das Duell im 19. Jahrhundert, NJW 2002, 537; Walter, W., Das Duell in Bayern, 2002; Baumgarten, R., Zweikampf, 2002

Duguit, Léon (Libourne/Frankreich 1859-Bordeaux 1928), Professor des öffentliches Rechtes in Caen und Bordeaux (1892), sieht den Staat positivistisch-realistisch als bloße Gruppe von an einer Aufgabe arbeitenden, von Regierenden gelenkten und kontrollierten Menschen an.

Lit.: Dumas, u. a., A la mémoire de Léon Duguit, 1929; Grimm, D., Solidarität als Rechtsprinzip, 1973

Duisburg an der Mündung der Ruhr in den Rhein ist (883/884) Pfalz (Dispargum) des fränkischen Königs, wird 1129 (?) Stadt (regia villa) und kommt 1290 als Pfand vom König an Kleve und damit 1614 an Brandenburg. Von 1655 bis 1818 (dann Bonn) ist es Sitz einer Universität, seit 1972 Sitz einer Gesamthochschule (1980 Uni­versität).

Lit.: Geschichte der Universität Duisburg, hg. v. Ering, W., 1920; Ahrens, T., Aus der Lehr- und Spruch­tätigkeit der alten Duisburger Juristenfakultät, 1962; Ro­den, G. v./Jedin, H., Die Universität Duisburg, 1968; Roden, G. v., Geschichte der Stadt Duisburg, 1970ff.; Komorowski, M., Bibliographie der Duis­burger Universitätsschriften (1652-1817), 1984; Born, G./Kropatschek, F., Die alte Universität Duisburg, 1992; Die Protokolle des Duisburger Notgerichts 1537-1545, hg. v. Mihm, M., 1994; Zur Geschichte der Universität, hg. v. Hantsche, I., 1997; Jägers, R., Duisburg im 18. Jahrhundert, 2001; Mihm, M. u. a., Mittelalterliche Stadtrechungen im historischen Pro­zess, Bd. 1f. 2007f.

Du Moulin (Molinaeus), Charles (1500-1566), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Sprachstudium bei Budé und dem Rechtsstudium in Poitiers und Orléans 1522 Advokat in Paris und gelangt nach seiner Vertreibung wegen seiner Zugehörigkeit zum Calvinismus über Basel, Genf und Straßburg 1553-1555 als Rechtslehrer nach Tübingen. 1539 kommentiert er die Coutume von Paris, 1567 zahlreiche französische Gewohnheits­rechte (Le grand coutumier).

Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Du Moulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Thireau, J., Charles Du Moulin, 1980

Dundee wird 1200 erwähnt. 1883/1967 erlangt es eine Universität. Seit 1889 ist es Stadt.

Lit.: Maxwell, A., Old Dundee, 1891

Duoviri (lat. [M.Pl.] Zweimänner) sind im altrömischen Recht ein Organ des Straf­verfahrens, im spätantiken römischen Recht ein gemeindliches Verwaltungsorgan.

Lit.: Kaser § 80; Köbler, DRG 20, 55

duplum (lat. [N.]) Doppeltes

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 65

Durantis (Duranti), Guilelmus der Ältere (Speculator) (Puimoisson/Languedoc (1230?) 1237-Rom 1. 11. 1296) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon? und Bologna (1255, doctor decretorum) Rechtslehrer in Modena und vielfältiger päpstlicher Amtsträger (1271 Richter, 1279 Dekan in Chartres, 1286 Bischof von Mende/Südfrankreich). Sein vierbändiges, in mindestens 130 Hand­schriften überliefertes Hauptwerk (lat. → Speculum [N.] iudiciale, Gerichtsspiegel, vor 1276, 2. A. 1289-1291, Druck Straßburg 1473, Neudruck 1975) behandelt, dem Ablauf eines Prozesses folgend, in vier Teilen (Personen, Zivilsachen, Kriminalsachen, einzelne Klagen) in erschöpfender Sammlung und Verwaltung der prozessrechtlichen Literatur das gesamte geistliche Gerichtsrecht unter Berücksichtigung vieler Formulare.

Lit.: Köbler, DRG 107; Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 5 1850, 571; Guillaume Durand, hg. v. Gy, P., 1992; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 478

Durchgangserwerb ist der nur durchgangsweise erfolgende Erwerb eines Rechts.

Lit.: Weyand, S., Der Durchgangserwerb, 1989

Durch zweier Zeugen Mund wird die Wahrheit kund.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 360 (Simrock 1846)

dux (lat. [M.]) Feldherr, Führer, Herzog (z. B. im westfränkischen Reich dux Britonum 860, dux Aquitanorum 909, dux Burgundiae 918, dux Francorum 937, dux Normannorum 1006, dux Gasconum 1022, dux Narbonae 1088)

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Kienast, W., Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Gasparri, S., I duchi longobardi, 1978; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003

Dynastie (Herrschergeschlecht) → Merowin­ger, → Karolinger, → Ottonen, → Salier, → Staufer, → Welfen, → Babenberger, → Wittels­bacher, Luxemburger, → Wettiner, → Hohenzollern, → Habsburger, Kapetinger, Bourbonen, Stuart u. a.

Lit.: Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957); Sokop, B., Stammtafeln europäischer Herrscherhäuser, 1976; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscher­familien des mittelalterlichen Europa, 1985; Sokop, B., Stammtafeln europäischer Herrscherhäuser, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Durschmied, E., Der Untergang großer Dynastien, 2000

 

 

E

 

Ebel, Wilhelm (Garsuche/Schlesien 7. 6. 1908-Göttingen 22. 6. 1980) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Geschichte und Sprachen in Königsberg, Heidelberg und Bonn 1933 bei Adolf Zycha in Bonn pro­moviert, 1936 habilitiert und 1938 nach Rostock berufen. 1939 wechselt er als Nachfolger Herbert Meyers nach Göttingen (bis 1945, ab 1954), wo er 1965 vorzeitig emeritiert wird. Besonders verdient macht er sich durch Arbeiten zum lübischen Recht und durch Quelleneditionen.

Lit.: Landwehr, G., Wilhelm Ebel, ZRG GA 98 (1981), 467; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995

Ebenburt Ebenbürtigkeit

Ebenbürtigkeit (Ebenburt) ist die von der Gleichheit des (Geburts-)Standes abhängige rechtliche Gleichheit. Ihr ähnelt im römischen Recht das → conubium. Wann im Mittelalter E. eine Voraussetzung einer Rechtsfolge wird, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Immerhin ist erkennbar, dass seit der karolingischen Zeit der Hochadel nahezu ausnahmslos unter sich heiratet. Später zeigen sich Auswirkungen auch im Verfahrensrecht (E. der Urteiler, der Zeugen, des kampflich Ansprechberechtigten). Mit dem Verlust der Vorrangstellung des Adels verschwindet (spätestens 1918) auch die rechtliche Bedeu­tung der E. weitgehend.

Lit.: Köbler, DRG 120; Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten und Grafen, 1796; Göhrum, C., Geschichtliche Darstellung der Lehre von der Ebenbürtigkeit, 1846; Dungern, O. v., Das Problem der Ebenbürtigkeit, 1905; Anschütz, G., Das Reichskammergericht und die Ebenbürtigkeit, ZRG GA 27 (1906), 172; Minnigerode, H. v., Ebenburt und Echtheit, 1912; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Willoweit, D., Standesungleiche Ehen des regierenden hohen Adels in der neuzeitlichen deutschen Rechtsge­schichte, 2004

Ebenteuer (N.) Sicherstellung (z. B. des Erwerbers eines ohne Erbenlaub veräußerten Gutes unmündiger Kinder) durch gleichen Wert (z. B. Pfand)

Lit.: Mayer-Maly, T., Ebenteuer, ZRG GA 72 (1955), 216

Ebstorf

Lit.: Urkundenbuch des Klosters Ebstorf, hg. v. Jaitner, K., 1985; Die Ebstorfer Weltkarte, hg. v. Kugler, H., 2007

ecclesia (lat. [F.]) Kirche

Ecclesia non sitit sanguinem (lat., die Kirche dürstet nicht nach Blut) ist eine mittelalterliche Rechtsregel unbekannter Her­kunft, die begründet, weshalb Geistliche nicht an Verfahren teilnehmen dürfen, die zu einer → Todesstrafe oder Verstümmelungsstrafe führen können. Sie wird im Hochmittelalter sichtbar (Westminster 1173, Rouen 1190, Dublin 1214). Sie hat zur Folge, dass die Kirche in ihren weltlichen Herrschafts­gebieten Gerichtshalter (Vögte) einsetzen muss, die für sie das Blutgericht ausführen. Zumindest inhaltlich nicht an ihre Selbstbeschränkung hält sich die Kirche gegenüber Ketzern, Zauberern und Hexen. Auch bei Kreuzzügen scheut die Kirche vor dem Blutvergießen nicht zurück.

Lit.: Stickler, A., Il gladius negli Atti dei concili, Salesianum 13 (1951), 414; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Ecclesia vivit lege Romana (lat., die Kirche lebt nach römischem Recht) ist eine beispielsweise in der (lat.) → Lex (F.) Ribvaria (61) des 7. Jh.s bezeugte mittel­alterliche Rechtsregel, die zum Ausdruck bringt, dass die christliche Kirche grundsätzlich römische Rechtsgedanken angenommen hat und ihre Geltung für ihre Angehörigen einfordert. Stellenweise grenzt sich die Kirche aber auch bewusst vom römischen Recht ab.

Lit.: Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, 1952ff.; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Fürst, C., Ecclesia vivit lege Romana?, ZRG KA 92(1975), 17; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Lex Ribvaria 763/4)

Echte Not ist die von der mittelalterlichen Rechtsordnung als Ausnahmetatbestand einer Rechtsregel anerkannte besondere Lage (z. B. ist Säumnis im Verfahren bei echter Not [z. B. Krankheit, Haft, Unwetter, Krieg, Kreuz­zug] entschuldigt), deren Wirkung in dem Satz Echte Not kennt kein Gebot zum Aus­druck kommt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schmidt, A., Echte Not, 1888; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in kaorlingischen Kapitularien, 1993, 151

Echtes Ding ist das nicht besonders gebotene, regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindende → Ding.

Eckhardt, Karl August (Witzenhausen 5. 3. 1901-Witzenhausen 29. 1. 1979); Rechtsan­waltssohn, wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Marburg 1922 vier Wochen nach der ersten juristischen Staatsprüfung bei Walther Merk mit einer Dissertation über die Witzenhäuser Schwabenspiegelhandschrift promoviert und 1924 mit 23 Jahren in Göttingen bei Herbert Meyer mit einer Schrift über den Deutschenspiegel für deutsches Recht habi­litiert. 1928 wird er ordentlicher Pro­fessor in Kiel, 1932 (mit bereits mehr als 70 Veröffentlichungen) an der Handelshoch­schule Berlin, dann in Bonn, 1933 in Kiel, 1934 für Geschichte in Berlin und Hauptreferent für Recht, Staat, Politik, Wirtschaft und Geschichte der Hochschul­abteilung des Reichs- und preußischen Minis­teriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Eckhardtsche juristische Studienreform). 1936 wechselt er an die juristische Fakultät, 1937 nach Bonn, zeitweise ist er in Paris. 1945 wird er als entschiedener Anhänger der Nationalsozi­alistischen Deutschen Arbeiterpartei (Oktober 1933 Mitglied der SS, 1935 zum persönlichen Stab des Reichsführers SS abkommandiert) (mit 44 Jahren) seines Amtes enthoben, 1948 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, eine Emeritierung wird von seiner Fakultät ver­hindert. Als Privatgelehrter führt er seine Editionstätigkeit mittelalterlicher Rechtsquel­len mit starkem persön­lichem Einsatz fort.

Lit.: Festschrift zum 60. Geburtstag von Karl August Eckhardt, hg. v. Perst, O., 1961; Werksverzeichnis Karl August Eckhardt, zusammengestellt v. Eckhardt, A., 1979; Krause, H., Karl August Eckhardt, DA 35 (1979), 1; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004, 160

Edda (an. Urgroßmutter?) ist der Name für eine in einer um 1270 (anonym) verfassten isländischen Handschrift (lat. [M.) Codex regius) überlieferten altnordischen Lieder­sammlung (Götterlieder und Heldenlieder) in Stabreimen (Liederedda, mit der noch weitere Texte anderer Handschriften als [lat. N. Pl.] Eddica minora verbunden werden,) und vor allem für ein überwiegend in Prosa gehal­tenes, um 1225 entstandenes altnordisches Werk des Isländers Snorri Sturluson (1179-1241) über altnordische Dichtung und Mythologie (Snorra Edda.), von denen die möglicherweise erheblich ältere Geschehnisse verarbeitende Liederedda auch als rechtsge­schichtlich ertragreich angesehen wird.

Lit.: Snorra Edda, hg. v. Jónsson, F., 1900; Eddica minora, hg. v. Heusler, A. u. a., 1903, Neudruck 1974); Edda - Die Lieder des Codex regius nebst verwandten Denkmälern, hg. v. Neckel, G., 5. A. 1936; Kommentar zu den Liedern der Edda. hg. v. See, K. v. u. a., Bd. 2ff. 1997ff.; Fidjestøl, B., The Dating of Eddic Poetry, 1999; Krause, A., Die Götter- und Heldenlieder der älteren Edda, 2004

Eddach (mnd.) Eidtag

Lit.: Ebel, W., Bursprake, echteding, eddach, FS H. Niedermeyer, 1953, 53

edictum (lat. [N.]) Ausgesagtes, Ankündi­gung, Festlegung, Edikt (z. B. e. des römi­schen Prätors, in dem er angibt, nach welchen Grundsätzen er in seinem Amt Recht sprechen wird, oder der kurulischen Ädilen über die Folgen eines Mangels bestimmter Sachen wie Sklaven, Zugtieren und Lasttieren)

Edictum Chilperici ist das von dem merowingischen König Chilperich I. (561-584, Reichsteil um Soissons) verfasste, in einer karolingischen Handschrift überlieferte Edikt bzw. Kapitular.

Lit.: Beyerle, F., Das legislative Werk Chilperichs I., ZRG GA 78 (1961), 1; Pactus legis Saliacae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, Tit. 106-116

Edictum Theoderici ist der nur durch einen frühneuzeitlichen Druck (Pierre Pithous [1579] aus zwei seitdem verschollenen Handschriften) überlieferte Rechtstext der ausgehenden Spätantike (2. H. 5. Jh.?), der in 154 bzw. 155 kurzen, zeitlich geordneten Kapiteln unter Verwendung des (vulgar umgeformten römischen) Codex Theodosi­anus, des Codex Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der sog. Paulussenten­zen und der Responsen des Paulus verschie­denste Gegenstände behandelt und dabei in 26 Kapiteln die Todesstrafe androht. Streitig ist, ob das E. T. dem Gotenkönig → Theoderich dem Großen (493-526) und der Zeit um 500 zugeschrieben werden kann (oder älter ist).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 80; Bluhme, F., MGH LL (in folio) 5, 1, 145-168, 176-179; Gau­denzi, A., Die Entstehungszeit ZRG GA 7 (1886), 29; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, Ius Romanum Medii Aevi I 2 b aa α, dazu Nehlsen, H., ZRG GA 86 (1969), 246; Stelzer, W., Gelehrtes Recht, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung Theo­derichs des Großen, 1995

Edictum (N.) tralaticium (lat.) ist das überlieferte → Edikt des römischen Prätors. Um 130 n. Chr. beauftragt Kaiser Hadrian den Rechtskundigen Julian mit der Festlegung des bis dahin jährlich neu angenommeneen Edikts in einem (lat.) edictum (N.) perpetuum (dauernden, unveränderlichen Edikt), wonach die kaiserlichen Konstitutionen die Aufgabe der Rechtsfortbildung übernehmen..

Lit.: Köbler, DRG 30

Edictus Rothari ist das unter der Herrschaft König Rotharis 643 in 388 Kapiteln lateinisch aufgezeichnete Recht der Langobarden (→Volksrecht). Es berücksichtigt neben den hergebrachten Gewohnheiten (langobardisch cawarfide) römisches Recht, biblische Ge­danken und vielleicht westgotisches, bayerisches, alemannisches und fränkisches Recht. Die Nachfolger Rotharis fügen Ergänzungen an (→ Leges Langobardorum).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Edictus ceteraeque Langobardorum leges, ed. Bluhme, F., 1869; Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 64; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Dold, A., Zur ältesten Handschrift des Edictus Rothari, 1955; Cavanna, A., Nuovi problemi intorno alle fonti, Studia et documenta 34 (1968), 269; Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978; Vismara, G., Il diritto in Italia nell’ alto medioevo, 1981

Edikt ist allgemein die Bekanntmachung oder der Erlass. In der römischen Rechtsgeschichte ist das Edikt des Gerichtsmagistrats (Prätors) die Bekanntmachung vor allem der Grund­sätze, die der Gerichtsmagistrat während der gesamten Dauer seiner Amtszeit beachten will (lat. edictum [N.] perpetuum, dauerhafte Bekanntmachung z. B. einer Prozessformel, einer Rechtsschutzverheißung). Kaiser Ha­drian lässt um 130 n. Chr. das Edikt der Prätoren (lat. praetor [M.] urbanus und prae­tor peregrinus) und der kurulischen Ädilen durch den Rechtskundigen Salvius → Iulianus in eine endgültige, nur mehr durch den Kaiser ab­änderbare oder ergänzbare Fassung bringen.

Lit.: Kaser §§ 2, 80; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Söllner §§ 9, 15, 16, 23; Köbler, DRG 31, 161; Lenel, O., Das Edictum perpetuum, 3. A. 1927, Neudruck 1956; Selb, W., Das prätorische Edikt, FS M. Kaser, 1986, 259

Ediktalzitation ist die durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende Ladung eines Beklagten, den eine persönliche Ladung nicht oder schwer erreicht (z. B. durch Anschlag an einem öffentlichen Gebäude wie einem Rathaus oder einer Kirche). Sie stammt aus dem römischen Recht. Sie erscheint im 13. Jh. auch im deutschen Reich (Reichsabschied vom 19. 11. 1274) und wird danach im Kameralprozess als subsidiäre Einrichtung aufgenommen. Sie ist in der öffentlichen Zustellung der Gegenwart erhalten (§§ 186 II 1, 187 ZPO, § 40 I StPO). Von der E. zu unterscheiden ist die Feststellung, dass der Beklagte vor Gericht nicht erschienen ist.

Lit.: Haase, C., Über Edictalladungen und Edictalprozeß, 1817; Meyer, H., Das Strafverfahren gegen Abwesende, 1869; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 111; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 339; Opet, O., Geschichte der Prozesseinleitungsformen, 1891; Sel­lert, W., Die Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84(1967), 202; Rein­schmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges und des Versäumnisverfahrens im salfränkischen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968; Kaser, M./Hackl, K., Das römische Zivilprozessrecht, 2. A. 1996, § 71

Edikt von Nantes ist das am 13. 4. 1598 von König Heinrich IV. von Frankreich erlassene Edikt, welches das katholische Bekenntnis als Staatsreligion bestätigt, den Hugenotten (fran­zösische Protestanten) Gewissensfreiheit und ungefähr 100 sichere Orte gewährt.

Edinburgh am Firth of Forth entwickelt sich unterhalb einer seit dem 6. Jh. nachgewiesenen Burg, in der seit dem Ende des 11. Jh.s die schottischen Könige sitzen (um 1470-1707 Hauptstadt). 1583 erlangt es eine Universität.

Lit.: Arnot, H., The History of Edinburgh, 1779

Edition (F.) Ausgabe, Herausgabe, Bekannt­gabe von Klagemitteilung und Beweisurkun­de im römischen unf frühneuzeitlichen Zivilprozess

Lit.: Bresslau, H., Geschichte der Monumenta Germa­niae Historica, 1921; Richtlinien für die Edition landes­geschichtlicher Quellen, hg. v. Heinemeyer, W., 2. A. 2000; Vom Nutzen des Edierens, hg. v. Merta, B. u. a., 2005

Eferding

Lit.: Die Rechtsquellen der Stadt Eferding, hg. v. Wutzel, O., 1954

Eger

Lit.: Siegl, K., Alt-Eger, 1927; Sturm, H., Eger, (1951), Šimek, E., Chebsko (Das Egerland), 1955; Das Egerer Urgichtenbuch, hg. v. Skála, E., 1972; Sturm, H., Districtus Egranus, 1981

Ehaft (zu dem Adj. ehaft, echt, rechtmäßig) ist vor allem in Bayern die örtlich verbreitete Bezeichnung für → Weistum.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, C., Ehaften des Klosters Heidenheim, ZRG GA 14 (1894), 168; Eisenbrand, T., Ehehaftsordnungen im Hochstift Eichstätt, 1938; Trauchburg, G. v., Ehehaften und Dorfordnungen, 1995

Ehalt ist die örtlich verbreitete Bezeichnung für → Gesinde.

Ehe ist die mit Eheschließungswillen eingegangene anerkannte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Bei den Indogermanen gibt vermutlich der Vater die Tochter dem Mann, der sie (in das eigene Haus) führt, aber zu den Eltern der Frau in keine verwandtschaftliche Beziehung tritt. Im altrömischen Recht, in dem die E. ein hauptsächlich sozial geordnetes Verhältnis (gewollte tatsächliche Lebensgemeinschaft mit Rechtsfolgen) ist, verspricht der Gewalthaber der Braut diese dem Bräutigam. Daneben kann der Bräutigam seinerseits die Heimführung zusagen. Beides kann durch Geldversprechen gesichert werden und wird regelmäßig danach erfüllt. Die Eheschließung selbst erfordert den überein­stimmenden Willen, die E. einzugehen. Kaiser Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) stellt Eheverbote und Ehegebote auf (lex Iulia de maritandis ordinibus 18 v. Chr. Eheverbote, Lex Iulia de adulteriis 18 v. Chr. Ehebruchsstrafen, lex Papia Poppaea 9 n. Chr. Ehegebote). Viel­leicht schon im klas­sischen römischen Recht, jedenfalls in der Spätantike wird die E. unter vorwiegend christlichem Einfluss ein stärker rechtlich geprägtes Verhältnis, wobei die Kirche ihrerseits die Gegensätze zwischen alttestamentarischem Eheverständnis (Mehr­ehe, Ehescheidung) und neutestamentarischen Eheverständnis (Einehe auf Lebenszeit) aus­gleichen muss. Für den Eheschluss der mündigen Brautleute genügt der jetzt rechtlich eingeordnete Konsens, der aber in der Regel nur durch Urkunden über eine Mitgiftbestellung bewiesen wird. Im Frühmittelalter setzen sich die kirchlichen Vorstellungen gegenüber den germanischen Gestaltungen (Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam [Muntehe, daneben vielleicht Entführungsehe], Möglichkeit der Mehrehe) durch. Wohl seit dem 12. Jh. gilt der bereits den Kirchenvätern des Altertums bekannte Satz, dass allein die Vereinbarung die E. begründet ([lat.] solus consensus facit nuptias). Seit dem 12./13. Jh. soll aus Gründen der Rechtssicherheit ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester erfolgen. Die E., die im 13. Jh. unter Einengung einer ursprünglich weiteren Bedeutung (ahd. ewa, Recht) ihren Namen E. erhält und die vor kirchlichen Gerichten hauptsächlich von Frauen eingeklagt wird, wird christliches Sakrament. Die durch Martin Luthers Refor­mation von 1517 begründete protestantische Kirche lehnt dies ab und sieht die E. als Vertrag. In der frühen Neuzeit wendet sich die Aufklärung überhaupt gegen das kirchliche Wesen der E. Es wird die Schließung der E. vor einer staatlichen Stelle zugelassen oder vorgeschrieben (England 1653, Frankreich 1792). Im Kulturkampf wird im deutschen Reich die obligatorische Zivilehe in der Form gegenseitiger Willenserklärungen vor dem Standesbeamten festgesetzt (Preußen 1874, 6. 2. 1875 Personenstandsgesetz des Reiches). Daneben besteht die Möglichkeit der (zusätzlichen) kirchenrechtlichen E. fort. Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 geht von der auf Lebenszeit von den Eheleuten vor dem Standesbeamten geschlossenen E. aus, sieht aber die Möglichkeit der Ehescheidung durch gerichtliches Urteil bei Vorliegen be­stimmter Gründe vor. Am Ende des 20. Jh.s wird die Ehe rechtstatsächlich durch viele nichteheliche Lebensgemeinschaften und ge­setzlich durch die Zulässigkeit der einge­tragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspart­nerschaft ergänzt bzw. ersetzt.

Lit.: Kaser § 58; Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 12, 14, 18, 23; Hübner 624ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 15, 22, 36, 58, 114, 120, 161, 209, 238, 267; Baltl/Kocher; Schulte, J. v., Handbuch des katholi­schen Eherechts nach dem gemeinen katholischen Kirchenrecht, 1855; Friedberg, E., Das Recht der Ehe­schließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865, Neudruck 1965; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Kawerau, W., Die Reformation und die Ehe, 1892; Köstler, R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Schlatter, A., Der Schutz der ehelichen Gemeinschaft, 1920; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926; Preisker, H., Christentum und Ehe in den ersten drei Jahrhunderten, 1926, Neudruck 1979; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratian, 1935; Vaccari, P., Il matrimonio germanico, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Goern, H., Das Ehebild im deutschen Mittelalter, 1936; Köhler, W., Die Anfänge des protestantischen Eherechts, ZRG KA 61 (1941), 271; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1952; Ziegler, J., Die Ehelehre der Poenitentialsummen, 1956; Lettmann, R., Die Diskussion über die klandestinen Ehen, 1966; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Tietz, G., Verlobung, Trauung und Hochzeit in den evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 1969; Schulze-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Dufour, A., Le mariage dans l’Ecole allemande du droit naturel moderne, 1972; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Mikat, P., Dotierte Ehe – rechte Ehe, 1978; Die nichteheliche Lebens­gemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Fricke, F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1978; Raiser, B., Die Rechtsprechung zum deutschen internationalen Eherecht im Dritten Reich, 1980; Hauser, H., Die geistigen Grundlagen des Eherechts an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, 1980; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Marriage, property and succession, ed. by Bonfield, L., 1992; Krüger, J., Die Ehegesetzgebung des Kaisers Augustus, 1994; Seehase, H., Ehesachen vor dem Reichskammergericht, Diss. jur. Münster 1998; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe in Deutschland und Österreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts, 1998; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Göwer, K., Wilde Ehen, 1999; Blümel, K., Die Aufhebung der sog. Rassenmischehe, Diss. jur. Regensburg 1999; Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2000; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schiek, S. u. a., 2000; Matrimoni in dubbio a cura di Seidel Menchi S. u. a., 2001; Schwab, C., Das Augs­burger Offizialatsregister 1348-1352, 2001; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Saar, S., Ehe – Scheidung - Wieder­verheiratung, 2002; Mammeri-Latzel, M., Justizpraxis in Ehesachen im Dritten Reich, 2002; Eisenring, G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2002; Fischer, G., Die Problematik der Ehe, 2003; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Arni, C., Entzweiungen, 2004; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Arni, C., Entzweiungen, 2004; Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von Bologna, 2004; Karl, A., Castitas temporum meorum, 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004; Lang, M., Das Eheverbot wegen Glaubensverschiedenheit, 2004; D’Avray, D., Medieval Marriage, 2005; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005; Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Lumpp, S., Die Scheinehenproblematik, 2007; Kaiser, D., Die elterliche Eheeinwilligung, 2007; Westphal, S., Ehen vor Gericht, 2008

Ehebruch ist der zumindest bedingt vorsätzliche Vollzug des Beischlafs eines Ehegatten mit einer dritten Person anderen Geschlechts. Der wohl zunächst privat geahndete E. (der Frau), dem nach der Bibel die Steinigung folgt (1. Moses 38,24), wird seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) strafbar. Bei den Germanen darf der Mann die Frau nackt und geschoren durch die Siedlung treiben und damit dem Untergang preisgeben oder überhaupt töten. Ihr männlicher Partner darf in handhafter Tat bußlos getötet werden und unterliegt im Übrigen der Rache und später der Buße. Die christliche Kirche verlangt die Gleichbehandlung von Mann und Frau (unter Ausschluss der Wiederheirat), setzt sie aber erst seit dem 14. Jh. in den Städten durch. Dem folgt im Gegensatz zum Sachsenspiegel (1221-1224) und zur Consti­tutio Criminalis Bambergensis (1507) die Constitutio Criminalis Carolina (1532), äußert sich aber zur Strafe selbst nicht. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) bestraft die Ehebrecher nur im Fall der Eheschließung auf Antrag des beleidigten Ehegatten mit höchstens einjähriger Gefängnisstrafe. Je nach dem Religions­bekenntnis ist im Josephinischen Gesetzbuch (1787) und im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) der E. Ehe­scheidungsgrund. 1969 wird in Deutschland die Strafbarkeit beseitigt (Öster­reich 1996, aber schwere Eheverfehlung). Mit dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip (1976) ist E. als solcher auch kein Grund mehr zur Ehescheidung (in Österreich seit 1999 kein absolouter Ehescheidungsgrund mehr).

Lit.: Söllner §§ 10, 14; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 35, 119, 264; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch, Gerichtssaal 22 (1870), 401; Bennecke, H., Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch, 1884; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 691; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 424; Bruns, B., Ehescheidung und Wiederheirat im Fall von Ehebruch, 1976; Bullough, V./Brundage, J., Sexual Practices, 1982; Graf, W., Der Ehebruch im fränkischen und deutschen Mittelalter, Diss. jur. Würzburg, 1983; Schmitz, W., Der nomos moicheias, ZRG RA 114 (1997), 233; Kossak, W., Ehebruch, 2000; Melchior-Bonnet, S./Tocqueville, A. de, In flagranti, 2000; Mader, K., Ehebruch als Scheidungstatbestand, 2002; Trasgressioni, hg. v. Seidel Menchi, S., 2004; Kümper, H., Ein spätmittelalterlicher Kurztraktatüber die Tötung der Ehebrecherin, ZRG GA 126 (2009), 223

Ehefrau → Frau

Ehegattenerbrecht ist das Erbrecht eines Ehegatten beim Tode des anderen Ehegatten. In Rom führt die wachsende Häufigkeit der gewaltfreien Ehe schließlich zur Einführung einer (allen Verwandten nachgeordneten) Erb­folge zwischen Ehegatten. Justinian spricht der bedürftigen undotierten Witwe neben Kindern ein Viertel des Erbes ihres Mannes zu (Novellen 53). Im deutschen Reich fehlt anfangs ebenfalls ein E., doch erkennen Stadtrechte im Hochmittelalter als Folge der Güterge­meinschaft allmählich ein E. an. In der Neuzueit wird vielerorts unabhängig vom Güterstand ein bestimmter Anteil am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten gewährt. Teilweise wird das justinianische Recht aufgenommen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält der Ehegatte mindestens ein Viertel des Nachlasses (Österreich 1914). Dieser Erbteil erhöht sich im Falle der Zugewinn­gemeinschaft (1957) um ein Viertel. Seit 2004 erbt der hinterbliebene Ehegatte in Österreich bereits neben Neffen oder Nichten den gesamten Nachlass

Lit.: Kaser §§ 65, 66; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 123, 210, 269; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit der Rezeption, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Fröschle, T., Die Entwick­lung der gesetzlichen Rechte des überlebenden Ehegatten, 1996; Heyse, G., Mulier non debet abire nuda, 1994

Ehegattenschenkung ist die Schenkung von Gütern unter Hausverbänden von Ehegatten. Sie wird im römischen Recht (vielleicht im 3. Jh. v. Chr. unter dem Einfluss der Stoa ent­wickelt und) unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) verboten.

Lit.: Köbler, DRG 37; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Schenkungen unter Ehegatten, (in) Familie und Recht, 1995, 177; Kemner, D., Schenkungen unter Ehegatten, 1998; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001

Ehegesetz ist ein die → Ehe betreffendes Gesetz, insbesondere das am 6. 7. 1938 auf Grund des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich erlassene, zum 1. 8. 1938 in Kraft gesetzte Gesetz (zur Verein­heitlichung des Rechts der Eheschließung und Ehe­scheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet), welches das Recht der Eheschließung und Ehescheidung aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (unter Beendigung des konfes­sionell gegliederten Eherechts Österreichs, des Konkordatsrechts von 1933 und des Sonderrechts des Burgenlands) herausführt und u. a. die Ehe­scheidung erleichtert. 1946 wird das E. durch Gesetz des Alliierten Kontrollrats von national­sozialistischem Gedankengut gerei­nigt (ähnlich in Öster­reich), 1976 das Ehescheidungsrecht und (nach Wiedererlangung der vollständigen Souve­ränität im Jahre 1990) bis 1. 7. 1998 in Deutschland das gesamte Eherecht wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239, 254; Baltl/Kocher; Grachl, P., Die geschichtliche Entwicklung des § 48 Ehegesetzes, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip im Ehescheidungsrecht und die Nationalsozialisten, FamRZ 1988, 1271; Gruchmann, L., Das Ehegesetz, ZNR 11 (1989), 63; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999

Ehegüterrecht ist das die Güter der Ehegatten betreffende Recht. Im altrömischen Recht gibt der Hausvater der Frau dem Ehemann in der Regel eine → dos, die nach ihrem Tod grundsätzlich aus dem Vermögen des Mannes an den Geber zurückfällt. Bei den später immer häufiger werdenden gewalt­freien Ehen bleibt das Vermögen der Ehe­gatten rechtlich getrennt, wird aber tatsächlich weiter (wohl unter unter der Verwaltung des Ehemannes) gemeinsam genützt. Die Schenkung unter Ehegatten (bei gewaltfreier Ehe) ist verboten.Bei den Germanen wird wohl ein eingebrachtes Gut vom Ehemann verwaltet. Im Frühmittelalter wird neben dieser grund­sätzlichen → Gütertrennung mit Verwal­tungseinheit bei Franken und Westfalen eine Gemeinschaft an dem in der Ehe gewonnenen Gut sichtbar (→ Errungenschaftsgemeinschaft). Im Hochmit­telalter dringt im weltlich bleibenden E. die → Gütergemeinschaft in verschiedenen Formen weiter vor (allgemeine Güterge­meinschaft, Fahrnisgemeinschaft), wobei die örtlichen Regeln sehr unterschiedlich sind und vertragliche Gestaltungen häufig werden. In der frühen Neuzeit wird das römische → Dotal­system abgewandelt in einzelnen Gebieten aufgenommen (Braunschweig, Kurhessen). Die naturrechtlichen Kodifika­tionen sehen nur gewisse Regelgüterstände vor (ALR grundsätzliche Verwaltung und Nutzung des gesamten Vermögens der Frau durch den Mann, § 1237 ABGB Güter­trennung mit Verwaltungsgemein­schaft). Die fünf noch im Bürgerlichen Ge­setzbuch (1900) enthaltenen Güterstände (Regelgüterstand Ver­waltungsgemeinschaft) werden später auf Zugewinngemeinschaft (18. 6. 1957) als gesetzlicher Güterstand, Gütertrennung und Gütergemeinschaft als durch Ehevertrag vereinbare Wahlgüterstände verringert. Ge­setzlicher Güterstand des Zivil­gesetzbuchs der Schweiz (1907/1911) ist die Güterve­bindung.

Lit.: Kaser § 59; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 161, 209; Baltl/Kocher; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Adler, S., Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Mottloch, T., Traktat über das eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns, ZRG GA 23 (1902), 275; Behre, E., Die Eigentumsverhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Arnold, H., Das eheliche Güterrecht von Mülhausen im Elsass, 1906; Hradil, P., Beiträge zur Geschichte des süddeutschen Ehegüterrechts, ZRG GA 30 (1909), 304; Hradil, P., Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Ehegüterrechtsbildung nach bayrisch-österreichischen Rechtsquellen, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Merz, H., Die historische Entwicklung des aargauischen ehelichen Güterrechts, 1923; Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Winter, G., Das eheliche Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 3,2, Familien­rechtsausschuss, Unterausschuss für eheliches Güter­recht, hg. v. Schubert, W., 1989; Schmid, K., Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch, 1990; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2002; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Lehmann, J., Die Ehefrau und ihr Vermögen, 2006; Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht der Ehegatten nach § 1368 BGB, 2009

Ehehindernis ist der einer Eheschließung entgegenstehende Umstand. Anscheinend können bei den Germanen Kinder von (im gleichen Haus lebenden) Brüdern nicht heiraten. Im altrömischen Recht ist die Ehe ausgeschlossen unter Verwandten bis zum sechsten Grad, mit einem Verheirateten sowie beim Fehlen des → conubium. Witwen sollen zur Vermeidung von Unklarheiten über die Vaterschaft von Kindern 10 Monate nach dem Tod des Mannes nicht heiraten. Im spät­antiken römischen Recht sind christliche Ehe­hinder­nisse zu beachten. Seit dem 6. Jh. wirkt sich dies auf das fränkische Recht aus, das ursprünglich wohl nur wenige tatsächliche Ehehindernisse kennt. Danach setzt die Kirche ihr Recht der Ehehindernisse durch. Ein staatliches Recht der Ehehindernisse begegnet ansatzweise im Verlauf der frühen Neuzeit (Frankreich 1629 Entwurf, Österreich 1783, Frankreich 1804) und wird danach allgemein aufgegriffen. Verboten ist die Ehe nach § 4 Ehegesetz von 1938 auch zwischen Staatsangehörigen deutschen oder artver­wand­ten Blutes mit Personen artfremden Blu­tes (1945 aufgehoben).

Lit.: Kaser § 58; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 58, 88, 122, 161, 209, 239

Ehemakler ist der gegen (nicht einklagbares) Entgelt tätige Vermittler von Ehen.

Lit.: Jung, K., Der Ehemaklerlohn, 1991

Ehepatent ist die am 16. 1. 1783 von Joseph II. für Österreich veröffentlichte Regelung, welche die Ehe als bürgerlichrechtlichen Vertrag (vor dem Geistlichen [als Staatsbeamten]) ansieht, die Ehescheidung erleichtert und für Ehestreitigkeiten die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte anordnet.

Lit.: Köbler, DRG 142, 161; Baltl/Kocher; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Mühlsteiger, J., Der Geist des josephinischen Eherechts, 1967

Eherecht ist das Recht der → Ehe. Es betrifft vor allem die Eheschließung, die Ehehinder­nisse, die Ehewirkungen, die Ehescheidung und das Ehegüterrecht. Nach M. Schmoeckel entsteht das kirchliche Eherecht im 9. Jh. gelegentlich des Ehestreits Lothars II.

Lit.: Söllner §§ 8, 14; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Fricke, F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1898; Emge, C., Das Eherecht Immanuel Kants, Kant-Studien 29 (1924), 243ff.; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Pappe, H., Methodische Strömungen in der eherechtsgeschicht­lichen Forschung, 1934; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Schönsteiner, F., Grundriss des kirchlichen Ehe­rechts, 2. A. 1937; Schultze, A., Das Eherecht in den älteren angelsächsischen Königs­gesetzen, 1941 (SB Leipzig); Dieterich, H., Das protestantische Eherecht, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunders, 1972; Ramm, T., Eherecht und Nationalsozialismus, FS Fraen­kel, 1973; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Schäfer, J., Die Entstehung der Vorschriften über das persönliche Eherecht, 1983; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Eherecht und Familiengut, hg. v. Simon, D., 1992; Gmür, R., Betrachtungen zur Entwicklung des Eherechts, FS W. Stree/J. Wessels, 1993, 1227; Sibeth, U., Eherecht und Staatsbildung, 1994; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; Schwab, D., 20 Jahre „Erstes Eherechtsreformgesetz“, JuS 1997, 587; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005; Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005; Aspecten van het Middeleeuwse Ro­meinse Recht, hg. v. Waelkens, L.,, 2008, 109ff.

Ehering ist der als Zeichen eines Ehe­schließungswillens gegebene Fingerring. Er geht wohl auf den (lat.) anulus (M.) pronubus (Verlobungsring) der Römer zurück, den das Christentum als Symbol der Treue fördert. Er ist im Frühmittelalter zuerst im Volksrecht der Westgoten und Langobarden belegt. Unter kirchlichem Einfluss entwickelt sich die einseitige Gabe des Bräutigams an die Braut bei der Verlobung und dann auch bei der Trauung seit dem Mittelalter allmählich zum gegenseitigen Ringwechsel. Der E. ist bis in das 19. Jh. aber nur in einer dünnen Ober­schicht tatsächlich üblich.

Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 53 (1933), 1; Mühl, M., Anulus pronubus, 1961; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981; Schott, C., Trauung und Jawort, 1992

Ehescheidung ist die Auflösung der Ehe aus nach der Eheschließung eingetretenen Gründen. Sie ist bei den Römern (lat. [N.] → divortium) einseitig wie einvernehmlich zunächst ebenso möglich wie bei den Germanen, ohne dass sie in der Rechtswirk­lichkeit allzu häufig gewesen sein dürfte. In der Spätantike führen die christ­lichen Vorstel­lungen zur allmählichen Einschränkung der freien E. Im Früh­mittelalter wird die E. von der Kirche auf Grund von 1. Korinther 7,39ff. seit dem 8. Jh., verstärkt seit 829, bekämpft und bald gänzlich ausgeschlossen. Demgegenüber lässt die protestantische Religion seit 1517, in der die Ehe kein Sakrament mehr ist, allmählich die E. aus bestimmten Gründen (Matthäus 5,31ff., 19,3, 1. Korinther 7,15), die Stadtgericht oder Landpfarrer sowie später die Konsistorien in einem Verfahren überprüfen, zu. Die Aufklärung versucht dies auszudehnen (Preußen 1749, Frankreich 1792, Österreich 1783 für Protestanten). Im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Code civil Frankreichs (1804) ist die E. auf Grund Vereinbarung möglich. In England wird 1857 erstmals die E. mit gerichtlicher Mitwirkung möglich. In Deutsch­land lässt das Personen­standsgesetz vom 6. 2. 1875 die E. durch ein staatliches Gericht aus bestimmten Gründen zu, doch wird zur Verhinderung von Ehe­scheidungen ein Verschulden als Eheschei­dungsgrund gefordert. 1976 wird das grund­sätzlich erforderliche Verschulden durch die Zerrüttung ersetzt. Bei der E. erfolgt nunmehr auch ein Ausgleich der Versorgungsan­sprüche. Am Ende des 20. Jh.s wird im Durchschnitt jede dritte Ehe geschieden. In Österreich lassen das josephinische Ehepatent (1783) und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811) nur die E. von Protstanten und Juden zu. Im Gegensatz hierzu dis­pensiert Albert Sever (1867-1942) als Landeshauptmann Niederösterreichs von dem Ehehindernis des bestehenden Ehebandes, um Ehescheidungen von Katho­liken tatsächlich zu ermöglichen (Sever-Ehen). 1938 gestattet das nach dem Anschluss im gesamten Deutschen Reich eingeführte Ehegesetz die E.  und wird 1978 die ein­vernehmliche E. vor dem Außerstreitgericht eingeführt (§ 55a EheG).

Lit.: Kaser § 58 II 2a; Söllner §§ 5, 8, 12, 23; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 58, 72, 88, 122, 161, 219, 239, 267; Baltl/Kocher; Richter, Ä., Beiträge zur Geschichte des Ehescheidungsrechts in der evan­gelischen Kirche, 1858; Hubrich, E., Das Recht der Ehescheidung in Deutschland, 1891; Geffcken, H., Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian, 1894; Damas, P., Les origines du divorce en France, 1897; Wehrli, P. Die Ehescheidung zur Zeit Zwinglis, Zürcher Taschenbuch, 1934, 61; Rost, S., Die Einführung der Ehescheidung in Zürich, 1935; Wolf, E. u. a., Scheidung und Scheidungsrecht, 1959; Hesse, H., Evangelisches Ehescheidungsrecht in Deutschland, 1960; Escher, K., Die Entwicklung des Ehe­schei­dungsrechts in Kleve und Mark 1532-1874, 1967; Hecker, A., Die historische Entwicklung des Ehe­scheidungsprozessrechts, 1967; Schwab, D., Grund­lagen und Gestalt der staatlichen Ehege­setzgebung in der Neuzeit, 1967; Dieterich, H., Das protestantische eherecht, 1970; Mikat, P., Zur Be­deutung Friedrich Carl von Savignys für die Ent­wicklung des deutschen Scheidungsrechts, FS W. Bosch, 1976, 671; Schnell, R., Praesumpta mors, ZRG GA 100 (1983), 181; Jensen, H., Die Ehescheidung des Bischofs Hans von Lübeck von Prinzessin Julia Felicitas von Württemberg-Weiltingen, 1984; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik, 1986; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschland 1784-1945, 1987; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271ff.; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschl­and im 19. und 20. Jahrhundert, 1992; Wadle, E., Ehescheidung vor dem Standesbeamten, FS H. Herrmann, 1995, 291; Roß­deutscher, G., Privatautonomie im Scheidungsrecht, 1995; Horn, C., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Ehesachen, 1997; Nahmacher, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Hamburger Gerichte, 1999; Hoffmann-Steudtner, V., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu dem Scheidungsgrund, 1999; Harmat, U., Ehe auf Wider­ruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Saar, S., Ehe, Scheidung, Wiederver­heiratung, 2003; Schubert, W., Die Abkehr vom Ver­schul­­densprinzip im Ehescheidungsrecht, ZRG GA 120 (2003), 280; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2004; Humphrey, M., Die Weimarer Reformdiskussion über das Ehescheidungsrecht, 2006; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Köhler, A., Die Sorgerechtsregelung bei Ehescheidung seit 1945, 2006, Försch, H., Die Scheidungsgründe im Wandel der Zeit, 2006; Die Reform des Ehescheidungsrechts von 1976, hg. v. Schubert, W., 2007; Mund, W., Das preußische Ehe­scheidungsrecht, 2008

Eheschließung ist die Eingehung der → Ehe. Sie erfordert geschichtlich unterschiedliche Voraussetzungen und erfolgt in verschiedenen Formen. Im Mittelalter wird sie allmählich vom kirchlichen Recht ([lat.] consensus facit nuptias, die Willensübereinstimmung der Ehe­leute bewirkt die Ehe, seit 1563 Gegen­wart des Priesters und zweier Zeugen nötig) bestimmt, in der Neuzeit setzt sich vor allem im 19. Jahrhundert (Kulturkampf) das staatliche Recht wieder durch.

Lit.: Kaser §§ 6, 58; Söllner §§ 5, 8, 12, 18; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 122, 161, 209; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Scheurl, C., Die Entwicklung des kirchlichen Eheschließungsrechts, 1877; Opet, O., Braut­tradition und Konsensgespräch in mittel­alterlichen Trauungsritualen, 1910; Zallinger, O., Die Eheschließung im Nibelungenlied, 1923; Schwerin, C. Frhr. v., Quellen zur Geschichte der Eheschließung, Bd. 1ff. 1925ff.; Frölich, K., Die Eheschließung des deutschen Mittelalters, Hess. Bll. f. Volkskunde 1928, 144; Meyer, H., Die Eheschließung im Ruodlieb und das Eheschwert, ZRG GA 52 (1932), 276; Melicher, T., Die germanischen Formen der Eheschließung im westgotisch-spanischen Recht, 1940; Weltliche und kirchliche Eheschließung, hg. v. Dombois, H. u. a., 1952; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Ehe­schließung, 1962, 2. A. 1981; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511; Schröter, M., Wo zwei zusammenkommen in rechter Ehe, 1990; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998; Fassbender, M., Das Eheschließungsrecht im Herzog­tum Berg, 1998 (Diss. jur. Köln 1998); Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004; Scholz Löhnig, C., Bayerisches Eherecht von 1756 bi1 1875, 2004

Ehevertrag (Ehepakt) ist der zur besonderen Gestaltung der abänderbaren ehelichen Rechtsver­hältnisse geschlossene, vielfach formbedürftige Vertrag zwischen den Ehe­leuten. Er betrifft hauptsächlich das Ehegüterrecht. Er wird schon in den hoch­mittelalterlichen Städten häufiger, bleibt aber insgesamt auf vermögende Menschen be­schränkt.

Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hillenbrand, M., Fürstliche Eheverträge, 1996

Ehre ist der Wert eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Die Verletzung der E. kann schon im altrömischen Recht eine Folge nach sich ziehen (bei [lat.] iniuria [F.] sind 25 Pfund Kupfer zu leisten). Ihr Schutz bleibt weitgehend der Selbsthilfe und dem Strafrecht überlassen. Bestimmtes Verhalten führt zum rechtlichen Verlust der E. (Ehrlosigkeit, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte). Im Mittelalter ist die E. durch den Stand bestimmt. In der Neuzeit dient der Ver­teidigung verletzter Ehre besonders das Duell. Nach Art. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar.

Lit.: Kaser § 13; Köbler, DRG 216; Marezoll, T., Bürgerliche Ehre, 1824; Osenbrüggen, E., Ehre im Spiegel der Zeit, 1872; Binding, K., Die Ehre im Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit, 1890; Kisch, G., Ehrenschelte und Schandgemälde, ZRG GA 51 (1931), 514; Brauer, G., Die ehrenwörtliche Bekräftigungsform, ZRG GA 54 (1934), 117; Reiner, H., Die Ehre, 1956; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987; Müller-Burgherr, T., Die Ehrverletzung, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Polay, E., Der Schutz der Ehre, ZRG RA 106 (1989), 502; Verletzte Ehre, hg. v. Schreiner, K. u. a., 1995; Backmann, S. u. a., Das Konzept der Ehre, 1997; Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit, hg. v. Backmann, S. u. a., 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998; Hagemann, M., Iniuria bis zur justinianischen Kodifikation, 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1999; Dülmen, R. van, Der ehrlose Mensch, 1999; Beher, K. u. a., Strukturwandel des Ehrenamts, 1999; Bastl, B., Tugend, Liebe, Ehre, 2000; Waldow, J., Der strafrechtliche Ehrenschutz in der NS-Zeit, 2000; Görich, K., Die Ehre Friedrich Barbarossas, 2001; Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003; Lentz, M., Konflikt, Ehre, Ordnung – Untersuchungen zu den Schmähbriefen und Schandbildern, 2004; Burkhart, D., Geschichte der Ehre, 2001; Burkhart, D., Eine Geschichte der Ehre, 2006; Brüggenbrock, C., Die Ehre in den Zeiten der Demokratie, 2006

Ehrengericht ist das Gericht zur Entschei­dung von Fragen der Ehre. In Preußen wird nach längeren Erörterungen 1808 ein E. zur Übherwachung des Verhaltens der Offiziere eingerichtet, in Bayern und Österreich wenig später, doch erklärt die Reichsver­fassung des deutschen Reiches von 1919 die Ehrengerich­te für aufgehoben. E. ist auch das seit dem Mittelalter geführte Standesgericht der Zünf­te, das im 19. Jh. geschaffene E. studentischer Verbindungen (Burschenschaften) und das E. sonstiger Verbände. oder Personengruppen.

Lit.: Dietz, H., Die Ehrengerichtsverordnungen, 3. A. 1912; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der Rechtsanwälte, 1989; Voigt, E., Die Gesetzge­bungsgeschichte der militärischen Ehrenstrafen und der Offizierehrengerichtsbarkeit im preußischen und deut­schen Heer von 1806 bi1 1918, 2004

Ehrenstrafe ist die die → Ehre betreffende Strafe. Bereits das römische Recht lässt die Aberkennung bürgerlicher Vorrechte vor allem als Nebenfolge einer Verurteilung auf Grund bestimmter Straftaten zu. Im Mittel­alter sind als Ehrenstrafen beispielsweise anzusehen das Ausstellen am → Pranger, das Scheren der Haare oder das Tragen einer Schandmaske. In der frühen Neuzeit versucht man die E. gesetzlich festzulegen. Im 19. Jh. werden ältere Formen der E. wie Zurschau­stellung am Pranger in Sachsen 1838 und in Preußen 1851 beseitigt, doch wird in Anleh­nung an das römische Recht nach dem Vorbild des Code pénal (Strafgesetzbuchs) Frankreichs von 1810 die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte als zeitlich begrenz­te Nebenstrafe aufgenommen. In der 2. Hälfte des 20. Jh.s (deutsches StGB 1969) wird ihre Bedeutung gering, doch dürfen Amtsfähig­keit, Wählbarkeit und Stimmrecht auf bis zu fünf Jahre aberkannt werden (§ 45 StGB).

Lit.: Marcuse, O., Die Ehrenstrafe, 1899; Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen in der deutschen Rechtspflege, 1901, Neudruck 1970; Künßberg, E. Frhr. v., Über die Strafe des Steintragens, 1907; Kühne, E., Die Ehrenstrafe, 1931; Rannacher, H., Der Ehrenschutz in der Geschichte des deutschen Strafrechts mit besonderer Berücksichtigung der Eh­renstrafen, 1938; Voigt, E., Die Gesetzgebungsge­schichte der militärischen Ehrenstrafen, 2004; Lidman, S., Zum Spektakel und Abscheu, 2008

Ehrenwort ist das die Ehre als Siche­rungsmittel der Wahrheit oder der Ver­wirklichung einer Erklärung einsetzende Wort (18. Jh. aus franz. parole d’honneur). Seine rechtliche Bedeutung ist gering.

Ehrlich, Eugen (Czernowitz/Bukowina 14. 9. 1862-Wien 2. 5. 1922), Sohn eines Advoka­ten, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Advokat und 1896 Professor für römisches Recht in Czernowitz. Schon seine frühe Schrift über Lücken im Recht (1888) wendet sich gegen die herrschende Vorstellung von der Unangreifbarkeit des staatlichen Rechts. Der Vortrag Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft (1903) folgert daraus, dass im Falle einer Lücke eine freie Rechtsfindung erforderlich sei, die sich auf überkommene Gerechtigkeitsvorstellungen und im Zweifel auf soziologische Über­legungen stützen müsse. 1909 richtet E. ein Seminar für lebendes Recht ein und 1913 bietet E. mit seinem Hauptwerk Grundlegung der Soziologie des Rechts eine der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der Rechtssoziologie. Eigentlicher Sitz der Rechtsentwicklung ist ihm die Gesellschaft, während Juristenrecht und staatliches Recht nur zu dieser Grundlage hinzukommen.

Lit.: Köbler, DRG 189, 228; Rehbinder, M., Die Begründung der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, 2. A. 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 469; Vogl, S., Soziale Gesetzgebungspolitik, freie Rechtsfindung und soziologische Rechtswissenschaft, 2003; Ehrlich, E., Politische Schriften, hg. v. Rehbinder, M., 2007

Ehrlichkeit → unehrlich

Ehrlosigkeit ist der ohne Ehre bestehende Zustand eines Menschen. Die im Mittelalter bestehende E. ist wohl auch auf die von der Kirche vermittelte römischrechtliche Figur der (lat. [F.) infamia zurückzuführen. E. besteht z. B. für Diebe, Räuber, Henker, mancherorts für Müller, Spielleute u. a. Seit der Neuzeit wird die E. zurückgedrängt und allmählich rechtlich beseitigt.

Lit.: Dülmen, R. v., Der ehrlose Mensch, 1999

Eichhorn, Karl-Friedrich (Jena 20. 11. 1781-Köln 4. 7. 1854), Theologensohn, wird nach dem Rechtsstudium (seit 1797) in Göttingen (Hugo, Pütter, 1801 Promotion, 1803 Habi­litation) 1805 Professor in Frankfurt an der Oder, 1811 in Berlin, 1817-1829 in Göttingen sowie nach krankheitsbedingter Unterbre­chung seit 1832-1834 in Berlin. 1808 veröffentlicht er ganz aus den Quellen geschrieben die erste Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte), seit 1823 die Einleitung in das deutsche Privatrecht, die das geltende deutsche Privatrecht systematisch-dogmatisch gegliedert (als innere Rechts­geschichte) aussondert. Die Einheit des deutschen Rechts wird dabei auf die Gemeinsamkeiten der mittelalterlichen Land­rechte, sein System auf die ihnen angeblich zugrunde liegenden gemeinsamen Grundsätze gegründet. 1831-1835 folgen noch die zweibändigen Grundsätze des Kirchenrechts.

Lit.: Köbler, DRG 188; Frensdorff, F., Karl Friedrich Eichhorn, 1881; Kerler, H.?, Zur Lebensgeschichte Karl Friedrich Eichhorns, ZRG GA 3 (1882), 177; Schulte, J. v., Karl Friedrich Eichhorn, 1884; Jelusic, K., Die historische Methode Karl Friedrich Eichhorns, 1936; Erler, A., Eine unbekannte Niederschrift nach Eichhorns Vorlesung „Deutsche Geschichte und Rechtsaltertümer“, ZRG GA 66 (1948), 537; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 166ff.; Dopke, F., Eichhorn als Rechtsgutachter, Diss. jur. Kiel 1992

Eichmann, Eduard (Hagenbach/Pfalz 14. 2. 1870-München 26. 4. 1946) wird nach dem Studium der Theologie (1888) und der Rechtswissenschaft (1898) in Würzburg, Straßburg und München (1904 Promotion Dr. iur., Freiburg 1909 Promotion theol.) 1905 Professor für Kirchenrecht in Prag, Wien (1913) und München (1918-1936, 1946 Vertretung) und veröffentlicht 1923 das führende Lehrbuch des Kirchenrechts seiner Zeit (13. A. 1991).

Lit.: Festschrift für Eichmann, hg. v. Laforet, W. u. a., 1940; Hofmann, K., Eduard Eichmann, ZRG KA 65 (1947), VII

Eichstätt ist die Stadt an der mittleren Altmühl, an der ein von Bonifatius um die Mitte des 8. Jh.s gestiftetes Bistum liegt.

Lit.: Das Bistum Eichstätt - Die Bischofsreihe bis 1535, hg. v. Wendehorst, A., 2006; Zürcher, P., Die Bischofswahlen im Fürstbistum Eichstätt von 1636 bis 1790, 2008

Eichwesen ist die Sicherstellung redlicher Verwendung von Maßen (z. B. Längenmaßen, Hohlmaßen, Gewichten). Ansätze des Eichwesens finden sich bereits in der hochmittelalterlichen Stadt (z. B. Stadtelle). Mit verstärkter Genauigkeit wird die Eichung auf der Grundlage technisch-wissenschaftlich definierter Maße seit dem 19. Jh. vorge­schrieben (1869 Normal-Eichungskommis­sion, 1875 Pariser Meterkonvention, 1887 Phsyiklaisch-Technische Reichsanstalt).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006

Eid ist die Anrufung einer (übermenschlichen) Macht (z. B. Gott, Feuer?) als Zeugen für die Wahrheit einer Aussage oder die Gültigkeit eines Versprechens. Der E. ist weit verbreitet, aber z. B. in Matthäus 5,33ff. verboten. Er verbindet meist Worte mit besonderen Formen (z. B. Handerheben, Be­rühren der Bibel, eines Kreuzes, einer Waffe usw.). Er ist ein wichtiges Beweismittel im Verfahren (z. B. Reinigungseid des Beschuldigten [vielfach nicht als Eineid möglich, sondern Eidhelfer nötig], Zeugeneid). Strafbar ist der → Meineid. Eine umfassende Untersuchung des Eides fehlt bislang.

Lit.: Kaser §§ 84 I, 87; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 114, 116, 155, 202, 216, 235; Köbler, WAS; Strippelmann, F., Der Gerichtseid, 1855ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879; Loening, R., Der Reinigungseid, 1880; Göpfert, F., Der Eid, 1883; Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894; His, R., Der Gleichheitseid, ZRG GA 27 (1906), 331; Thudichum, F. v., Geschichte des Eides, 1911; Pedersen, J., Der Eid bei den Semiten, 1914; Hirzel, T., Der Eid, 1922; Friesenhahn, E., Die politischen Eide, 1928; Gottlob, T., Der kirchliche Amtseid, 1936, Neudruck 1963; David, M., Le serment du sacre, 1951; Koller, F., Der Eid im Münchener Stadtrecht des Mittelalters, 1953; Bauernfeind, O., Eid und Frieden, 1956; Hofmeister, P., Die christlichen Eidesformen, 1957; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Ebel, W., Das Ende der bürgerlichen coniuratio reiterata, ZRG GA 78 (1961), 319; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Giesey, R., If Not, Not, 1968; Lea, H., The Duel and the Oath, 1974; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueidleistung im merowingischen Frankenreich, 1976; Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990; Prodi, P., Il sacramento del potere, 1992 (deutsch 1997); Prodi, P., Das Sakrament der Herrschaft: Der politische Eid, 1997; Czeguhn, I., Der Herrschereid am Beispiel des Eides und der Eidesbekräftigung des spanischen Königs, ZRG GA 115 (1998), 589; Eid und Wahrheitssuche, hg. v. Esders, S. u. a., 1999; Esders, S./Mierau, H., Der althochdeutsche Klerikereid, 2000; Lange, S., Der Fahneneid, 2001

Eidgenossenschaft (14. Jh., Eidgenosse 13. Jh.) ist allgemein das eidlich bekräftigte genossenschaftliche Bündnis. Die wichtigste besondere E. ist die → Schweiz. Hier schließen die Länder → Uri und → Schwyz zwischen 1240 und 1273 einen ersten Bund, dem 1291 und 1315 sowie 1351ff. (Zürich, Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Glarus, Zug) weitere folgen und zu dem danach zusätzliche Orte hinzutreten. Von einer Schweizerischen E. wird dabei aber erst seit dem späten 18. Jh. gesprochen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hilty, C., Die Bundes­verfassung der schweizerischen Eidgenossen­schaft, 1891; Meyer, K., Italienische Einflüsse bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jahrbuch für schweizerische Geschichte 45 (1920), 1; Fehr, H., Die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1929; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Schieß, T. u. a., Bd. 1ff. 1933ff.; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG GA 60 (1940), 1; Meyer, K., Der Ursprung der Eidgenossenschaft, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 21 (1941), 285; Pappard, W., Die Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft 1848-1948, 1948; Claussen, H., Der Zusammenschluss der schweizerischen Eidgenossen als Beispiel für die Ausübung des Widerstandsrechts, Diss. jur. Hamburg 1951; Abegg, R., Die alte Eidgenossenschaft, 1964; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Meyer, B., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Braun, B., Die Eidgenossen, 1997; Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008

Eidhelfer (Wissenschaftsbegriff), Eideshel­fer, ist im (früh)mittelalterlichen deutschen Recht der Mensch, der schwört, dass der Eid eines Eidesleistenden rein und nicht mein (falsch) sei. Häufig soll dabei ein Beschuldigter mit sechs oder 12 (oder auch 72) Eidhelfern sich durch Eid von einer Beschuldigung reinigen. Der E. ist vom Zeugen grundsätzlich zu trennen, doch ist die Buße für einen Meineid eines E. mit der für den Meineid eines Zeugen gleich. Im Heiligen römischen Reich schwindet der E. im Spätmittelalter. In England wird der Eidhel­fereid erst 1833 aufgegeben.

Lit.: Cosack, K., Die Eidhelfer des Beklagten, 1885; Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg); Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922, Neudruck 1973; Loschiavo, L., Figure di testimoni, 2004

Eidsivathingslög ist das Recht des ostnorwegischen Gebietes um Eid (Eidsvoll), das in seinem weltlichen Teil bruchstückhaft, in seinem kirchenrechtlichen Teil (Christen­recht) in vier Handschriften des frühen 14. Jh.s über­liefert ist (Eidsivathingsbok).

Lit.: Meißner, R., Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, 1942

Eigen ist im deutschen Mittelalter das einem Menschen (uneingeschränkt) gehörige Gut. Es bildet meist den Gegensatz zum Gemeinland (→ Allmende) und zum → Lehen als einem geliehenen Gut. Häufig wird neben E. auch das → Erbe besonders genannt. In den schriftlichen Zeugnissen betrifft das E. überwiegend die Liegenschaft. Seit dem 13. Jh. wird E. durch das vermutlich lateinisch beeinflusste → Eigentum (lat. [F.] proprietas) abgelöst.

Lit.: Hübner 241; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 116, 124; Puntschart, P., Das „Inwärts-Eigen“ im österreichischen Dienstrecht des Mittelalters, ZRG GA 43 (1922), 66; Buchda, G., Dursal (dursal eigen), ZRG GA 59 (1939), 194; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1

Eigener Herd ist Goldes wert.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 175 (Franck 1541)

Eigenhändiges Testament ist das mit der eigenen Hand geschriebene und unter­schriebene → Testament.

Eigenkirche (lat. ecclesia [F.] propria) ist (nach Ulrich Stutz) die einem Einzelnen (auch hinsichtlich der vollen geistlichen Lei­tungsgewalt) gehörende Kirche. Sie hat ihren Ursprung darin, dass in der christlichen Frühzeit der Gottesdienst häufig in einem privaten Haus abgehalten wird (Unter­scheidung zwischen [lat.] ecclesia [F.] publica und ecclesia privata, öffentlicher Kirche und privater Kirche, im Osten 388, im 5. Jh. im weströmischen Reich, 441 in Orléans, 546 in Lérida/Spanien), und darin, dass auf dem Land oft der Grundherr am leichtesten in der Lage ist, ein Kirchengebäude zu errichten. In der Folge wählt der Gebäudeeigner vielfach den dort tätigen Geistlichen aus, verlangt die Teilhabe an den Einkünften und kann die Kirche übertragen, während der Bischof auf die bloße Weihe beschränkt wird. Im → Investiturstreit wird die E. als Form der Simonie bekämpft und danach seit dem 12. Jh. durch Patronat und Inkorporation ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 90; Stutz, U., Die Eigenkirche, 1895, Neudruck 1955; Stutz, U., Ausgewählte Kapitel aus der Geschichte der Eigenkirche, ZRG KA 57 (1937), 1; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Petke, W., Von der klösterlichen Eigenkirche zur Inkorporation, RHE 87 (1993), 34ff., 375ff.; Oberholzer, P., Vom Eigenkirchenwesen zum Patronatsrecht, 2002

Eigenleute (lat. homines [M.Pl.] proprii) sind im Mittelalter die einem anderen gehörenden und damit eigenen Menschen. Sie bilden keine in sich einheitliche Gruppe (z. B. Sachsenspiegel Landrecht III 44,3 Laten, Südwesten des Heiligen römischen Reichs 15. Jh., Westfalen bis in das 18. Jh.). Teils schulden sie Abgaben, teils Dienste. Im Gegensatz zu den → Sklaven haltenden Gesellschaften lässt das Mittelalter einen lebhaften Handel mit Eigenleuten nicht erkennen. → Hörige

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926); Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg, Mitteilungen d. Ges. f. salzburg. Landeskunde 73 (1933),109, 74 (1934),1; Demade, J./Morsel, J., Les eigenleute aux XIIIe-XVe siècles, (in) Forms of servitude in Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005, 75ff.

Eigentum (§ 903 BGB) ist das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von einer Einwirkung auf die Sache auszuschließen. In altrömischer Zeit ist E. die Gewalt des Hausvaters über Sachgüter unter Einschluss der Vorläufer der beschränkten dinglichen Rechte (z. B. Servituten) und ohne scharfe Grenze gegenüber dem → Besitz. Im klassischen römischen Recht entwickelt sich das E. als (lat.) → dominium (N.) ex iure Quiritium an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken, neben dem das E. nach prätorischem Recht (lat. → in bonis esse) steht. Einschränkungen bestehen auch hier (z. B. Baurecht, Nachbarrecht). Erworben werden kann E. ursprünglich (Aneignung, Fruchtwerwerb, Verbindung, Vermischung, Vermengung, Verarbeitung und, Ersitzung oder abgeleitet von einem Berchtigten durch Rechtsgeschäft). Gleich­bedeutend mit dominium ist die Bezeichnung (lat. [F.]) → proprietas. Im nachklassischen römischen Recht wird die damit geschaffene Trennung von E. und Besitz bzw. beschränkten dinglichen Rechten vielleicht weniger streng gehandhabt, doch verwendet Justinian unter Vereinheitlichung des Eigentums für jedermann an allen Sachen die begriffliche Schärfe des klassischen römischen Rechts. Im germanischen Bereich bildet das bloße Haben (germ. *aigan, *haben) den Ausgangspunkt des Eigentums. Dementsprechend ist im Mittelalter Eigen die Bezeichnung der Herrschaft über eine Sache, wobei die Herrschaft durch Zeichen (Eigentumsmarke, Hausmarke, Hofmarke, Ohrenmarke) dargestellt sein kann. Diesem Eigen stehen vor allem → Allmende und → Lehen gegenüber, während die → Ge­were die äußere (sichtbare) Erscheinungsform („Kleid“) aller (wegen ihres gedanklichen Wesens notwendigerweise unsichtbaren) Sachenrechte und damit auch des Eigens ist. Im 13. Jh. erscheinen mhd. eigenschaft und mnd.(?) egendom (Köln 1230 hegindum) wohl als Lehnübersetzungen von lat. proprietas. Das E. hat aber keinen eindeutigen Inhalt. Es kann zeitlich und inhaltlich beschränkt sein. Neben einem (lat. dominium [N.] directum) Obereigentum (etwa des Lehnsherrn) kann selbst nach gelehrtem Recht (z. B. Wilhelmus de Cabriano, Pilius [† 1213, Azo [zuerst nur bei der Emphyteuse], Accursius) in An­knüpfung an eine dem einstigen bonitarischen Berechtigten des römischen Rechts gewährte (lat.) rei vin­dicatio (F.) utilis ein Unter­eigentum (lat. dominium [N.] utile) (etwa des Er­sitzungsbesitzers, Erbpächters, Erbbau­berech­tigten oder des Lehnsmanns) stehen. Nach Bartolus, der Eigentum im Kern als das umfassende Recht der Verfügung über einen körperlichen Gegenstand (lat. ius de re corporali perfecte disponendi n. 4 ad D. 41. 2. 17) erfasst, kann E. (dominium) im weiteren Sinn auch auf unkörperliche Gegenstände bezogen (und zwischen mehreren Berechtigten aufgeteilt) werden. Dies wird mit der Aufnahme des gelehrten Rechts fortgeführt, wobei das Untereigentum zur Aufzehrung des Obereigentums neigt. Erst unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus wird das E. (über Kant) zu einem völlig freien, von Einschränkungen gelösten Recht einer Person an einer körperlichen Sache (Thibaut, A., Über do­minium directum und utile, 1801 [Aufsatz]). Am entschiedensten zeigt sich dies (nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens von 1863) in § 903 BGB (trotz Otto von Gierkes vergeblichen Versuchs der Entwicklung eines besonderen deutschrecht­lichen Eigentumsbe­griffs). Die fragwürdigen Folgen schranken­loser Freiheit haben seitdem zur Anerkennung der Sozialbindung des Eigentums geführt. Außerdem hat sich im öffentlichen Recht die Ansicht durchgesetzt, die unter dem von der Verfassung garantierten E. jede schützens­werte Vermögensposition versteht. Das sozialistische E. der Deutschen Demokati­schen Republik (1949ff.) ist mit deren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland (1990) wieder aufgegeben.

Lit.: Kaser § 22; Söllner §§ 8, 23; Hübner 241ff., 453ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 40, 124, 163, 174, 211, 269; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 65; Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861; Felix, L., Entwicklungsgeschichte des Eigentums, Teil 1ff. 1883ff.; Landsberg, E., Die Glosse des Accursius, 1883; Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentums­teilrechte in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Hedemann, W., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2, 1 1930; Dungern, O. Frhr. v., Über die Freiheit des Eigentums im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 287; Keller, R. v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933, Wieacker, F., Wandlungen in der Eigentumsverfassung, 1935; Wagner, H., Das geteilte Eigentum, 1938; Eichler, H., Wandlungen des Eigentumsbegriffes in der deutschen Rechtsauffassung, 1938; Coing, H., Zur Eigentumslehre des Bartolus, ZRG RA 70 (1953), 348; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1964; Feenstra, R., Les origines du dominium utile, (in) Flores legum, 1971, 49; Eigentum und Verfassung, hg. v. Vierhaus, R., 1972; Brandt, R., Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Rittsteig, H., Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und Bodenordnung im historischen Wandel, 1976; Kroeschell, K., Die Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff, FS H. Thieme, 1977, 34; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Zenati, M., La nature juridique de la propriété, 1981; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Klemm, P., Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus pandectarum, 1984; Kühl, K., Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eigentum, hg. v. Köhn, J., 1987; Kroeschell, K., Die national­sozialistische Eigentumslehre, (in) Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, 1989, 43; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Hecker, D., Eigentum als Sachherrschaft, 1990; Property and Power in the Early Middle Ages, hg. v. Davies, W. u. a., 1995; Penner, J., The idea of property in law, 1997; Eigentum im internationalen Vergleich, hg. v. Siegrist, H. u. a., 1999; Eigentum im internationalen Vergleich 18.-20. Jahrhundert, hg. v. Siegrist, H. u. a., 2000; Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundeigentums, 2000; Finkenauer, T., Eigentum und Zeitablauf, 2000; Diestelkamp, B., Frühe urkundliche Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13. Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts, 2000, 391ff.; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003; Hoppe, K, Eigentum, Erbrecht und Vertragsrecht, 2003; Gottschalk, K., Eigentum, Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung, 2004; Keiser, T., Eigentumsrecht im Nationalsozialismus und Fascismo, 2005

Eigentumserwerb ist der Erwerb des → Eigentums. Er erfolgt anfangs originär (ursprünglich) durch Aneignung. Später verdrängt der (abgeleitete) E. durch Rechtsgeschäft (→ Übergabe auf Grund eines Titels, → Einigung und Übergabe) den ursprünglichen E., der im Übrigen auch durch Fruchterwerb, Verbindung, Vermischung, Vermengung und Verarbeitung möglich ist. Daneben steht der E. durch Hoheitsakt. Gegründet auf Grotius’ Verständnis von Institutionen 2. 1. 40 lässt der Code civil (1804) Frankreichs das Eigentum mit dem Vertragsabschluss (z. B. Kaufvertrag) über­gehen (Konsensprin­zip).

Lit.: Kaser §§ 24ff.; Köbler, DRG 40, 61, 163; Brandt, H., Eigentumserwerb und Austauschgeschäft, 1940; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 201; Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Klinck, F., Erwerb durch Übergabe an Dritte nach klassischem römischem Recht, 2004; Damler, D., Wildes Recht. Zur Patho­genese des Effektivitätsprinzips in der neuzeitlichen Eigen­tumslehre, 2008

Eigentumsübertragung ist die Übertragung des → Eigentums von einem bisherigen Eigentümer auf einen neuen Eigentümer. Ihr geht im römischen Recht die Vorstellung voraus, dass dem Untergang eines Rechts eines bisherigen Eigentümers die Entstehung des Eigentums als neues bei einem neuen Berechtigten folgt, doch kennt bereits das klassische römische Recht den Gedanken der Übertragung. Die wichtigsten Wege hierfür sind die (lat. [F.]) → mancipatio, die (lat.) → in iure cessio (F.) und die formfreie Übergabe (lat. [F.] → traditio) bei Vorliegen eines Rechts­grundes. Für die Germanen ist ein einfaches Handgeschäft zu vermuten. Im Frühmittelalter stehen Einigung oder Übergabe (ahd. → sala, lat. traditio) und Besitzeinräumung oder Bekleidung (ahd. giwerida, lat. → investitura) in nicht völlig klarer Weise nebeneinander. Mit dem Beginn der Geldwirtschaft wird die E. sehr häufig. Sie erfolgt bei Liegenschaften vielfach vor Gericht und unter Verwendung von Schriftakten ( → Schreinskarten). Mit der Aufnahme des römischen Rechts setzt sich die Lehre vom vorausgesetzten (lat.) titulus (M.) acquirendi und vom erfüllenden (lat.) modus (M.) acquirendi weitgehend durch. Im 19. Jh. entwickelt Savigny die Rechtsfigur des dinglichen, neben dem schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) stehenden Vertra­ges (abstrakte → Einigung). Sie findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900). Danach erfolgt die E. durch Einigung und Übergabe oder Übergabesurrogat sowie bei Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und → Eintragung in das Grundbuch. In den übrigen europäischen Ländern ist die E. ein kausales Geschäft.

Lit.: Kaser § 24; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 28; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1961; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Transfer of Title Concerning Movables, Teil 1ff., hg. v. Rainer, J. u. a., Bd. 1ff. 2006 ff.

Eigentumsvorbehalt ist der Vorbehalt des Verbleibens des Eigentums bei einem bisherigen Eigentümer trotz einer Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der bereits dem klassischen römischen Recht (Ulpian D. 43, 26, 20 bekannte), im mittelalterlichen Italien durch die Glosse zu C. 4, 54, 3 übernommene, in Deutschland durch die Rente vertretene, aber zu Anfang des 17. Jh.s zunächst in Kursachsen und der Oberlausitz bei Kauf von Grundstücken ausdrücklich erwähnte und verbreitete E. gewinnt mit dem Vordringen des Abzahlungskaufs im ausgehenden 19. Jh. Bedeutung. Der Eigentumsvorbehaltskäufer erlangt eine An­wart­schaft, die zum Vollrecht erstarken soll.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitz­loses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Misera, K., Eigentumsvorbehalt im klassischen römischen Recht, FS R. Serick, 1992, 275; Maaß, M., Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts, 2000

Eike von Repgow (um 1180?-nach 1233?) ist der wahrscheinlich aus einer ostfälisch-säch­sischen, im 12. Jh. in das sorbische Gebiet Serimunt eingewanderten Familie stammende Verfasser des (zunächst lateinisch verfassten und dann) mittelniederdeutschen Rechts­buchs → Sachsenspiegel. Er benennt sich selbst (in den Versen 261-266 der Reimvorrede) nach dem Dorf Repchowe (Reppichau westlich Dessaus im Anhaltinischen). Er tritt in sechs Urkunden 1209 (Mettine), 1215 (Lippehna), 1218 (Grimma), 1219, 1224 (Delitzsch) und 1233 (Salbke) an unterschiedlichen Orten in der Nähe bedeutender Fürsten als Zeuge auf. Er ist schöffenbarfrei und bezeichnet Graf Hoyer von Falkenstein, den Stiftsvogt von Quedlinburg, als seinen Herrn. Da er den Sachsenspiegel zunächst in Latein schreibt und danach übersetzt, gehört er zur dünnen Bildungsschicht der hochmittelalterlichen Gesellschaft. Sonstige Einzelheiten über ihn stehen nicht sicher fest.

Lit.: Köbler, DRG 102; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow, ZRG GA 37 (1915), 131; Voltelini, H. v., Der Verfasser der sächsischen Weltchronik, 1924; Möllenberg, W., Eike von Repgow und seine Zeit, 1934; Heck, P., Eike von Repgow, 1939; Lieberwirth, R., Eike von Repchow und der Sachsenspiegel, 1982; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes, 1984; Johannek, P., Eike von Repgow, Hoyer von Falkenstein und die Entstehung des Sachsenspiegels, (in) Civitatum communitas 2, 1984, 716ff.; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, (in) Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, 1991, 232; Schroeder, K., Eike von Repgow, JuS 1998, 776; Landau, P., Der Entste­hungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73ff.; Lück, H., Magdeburg, Eike von Repgow und der Sach­senspiegel, (in) Magdeburg, hg. v. Puhle, M. u. a., 2005, 155ff.

Einantwortung ist die Übertragung einer Gesamtheit von Rechten an einen Erwerber z. B. eines Landes (1317) oder eines Nachlasses (in den Besitz des Erben durch Gerichts­be­schluss, § 797 ABGBG 1811) oder früher auch eines Mündels im Verhältnis zum Vormund.

Lit.: Wesener, G., Einantwortung, FS Kocher, G., 2006, 485

Einbenennung ist die Erteilung des Ehenamens der Mutter und ihres Ehemannes oder die Erteilung des Namens des Vaters an das nichteheliche Kind.

Lit.: Engler, H., Der Familienname des nichtehelichen Kindes, FamRZ 1971, 76

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 121 (Gruter 1612)

Einforstung ist die Beanspruchung eines Waldes als andere auschließenden Forstes seit dem 7. Jh. bis in die Neuzeit.

Lit.: Hasel, K., Forstgeschichte, 1985, 2. A. 2002; Günther, R., Der Arnsberger Wald im Mittelalter, 1994; Kieß, R., Forst-Namen und kleine Forsten, Forstliche Forschungsberichte München 161 (1997), 66ff.; Dasler, C., Forst- und Wildbann im frühen deut­schen Reich, 2001

Eingriffsverwaltung ist der Teil der öffentlichen → Verwaltung, der in die Rechte (z. B. Freiheit, Eigentum) des Untertanen bzw. Staatsbürgers eingreift. Er ist der Kernbestand der Verwaltung, dem seit dem 19. Jh. die → Leistungsverwaltung gegen­übertritt.

Einheitliche Europäische Akte ist die am 17. 2. 1986 von den Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaften beschlossene, am 1. 7. 1987 in Kraft getretene Abänderung der römischen Gemeinschaftsverträge von 1957. Sie legt die schrittweise Vollendung des Binnenmarkts bis 1992 und eine Wirtschafts- und Währungsunion fest, stellt die Europä­ische Politische Zusammenarbeit auf eine vertragliche Grundlage und richtet den Euro­päischen Rat ein.

Einigung ist allgemein die Übereinkunft mehrerer Beteiligter. Im 19. Jh. wird die E. als Vereinbarung (dinglicher Vertrag) über den Eigentumsübergang von → Savigny entwickelt. Unterstützt von seit der Mitte des 19. Jh.s spürbaren Bestrebungen, die um­ständlichen Formen des älteren Rechts (z. B. Hypothekenordnung Preußens von 1783) zu vereinfachen, wird diese Vorstellung in Preußen 1872 und im deutschen Reich 1897/1900 gesetzlich anerkannt.

Lit.: Köbler, DRG 212; Felgentraeger, C., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966

Einigungsvertrag ist der am 31. 8. 1990 zwischen der Bundesrepublik → Deutschland und der → Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossene Vertrag über die – von Margaret Thatcher eisern bekämpfte - Herstellung der Einheit Deutschlands, auf dessen Grund am 3. 10. 1990 die Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland beitritt.

Lit.: Köbler, DRG 247; Jackisch, K., Eisern gegen die Einheit, 2004

Einkammersystem ist das politische System, in dem das Gesetzgebungsorgan (→ Parlament) bzw. die Volksvertretung nur aus einer Kammer besteht (z. B. Sachsen-Weimar 1816, Schwarzburg-Rudolstadt 1816, Sach­sen-­Hildburghausen 1818, Sachsen-Mei­ningen 1824, Sachsen-Altenburg 1831, Kurhessen 1831, Braunschweig 1832). Es bildet den Gegensatz zum Zweikam­mersystem.

Lit.: Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 2 1979, 451ff.

Einkindschaft (Ingelheim 1419) ist die vertraglich vereinbarte erbrechtliche Gleichstellung von Kindern aus zwei Ehen eines Elters (lat. unio [F.] prolium). Sie findet sich in einer österreichischen Urkunde von 1275, in einem Stadtbucheintrag in Wismar von 1324, in Ingelheim 1378, Frankfurt am Main 1399, Wetzlar 1475, Worms 1498, Freiburg im Breisgau 1520 und Solms 1571. Dabei vereinbaren die Ehegatten der zweiten Ehe zwecks Abdingung des im Hoch­mittelalter entstehenden Ehegüterrechts (Verfangenschaftsrechts, Teilungsrechts, Teil­rechts) meist bei oder kurz nach der Eingehung einer neuen Ehe vor Zeugen oder vor Gericht mit den Kindern einer voran­gehenden Ehe, dass diese Kinder (Vorkinder) unter Verzicht auf ihr Erbrecht (Ver­fangenschaftsrecht, Teilungsrecht, Teil­recht) am Vermögen der verstorbenen ersten Ehegatten zugunsten der oder des neuen Ehegatten (wie die Kinder der neuen Ehe, Nachkinder) ein Erbrecht gegen diesen bzw. diese erhalten. Die E. ist noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 2 §§ 717-752) enthalten, verschwindet danach jedoch.

Lit.: Hübner 509f.; Hertel, C., Über die Einkindschaft, 1818; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, 2, 1, 1868, Neudruck 1967; Mittelstein, M., Die Einkindschaft nach hambur­gischem Recht, 1886; Meyer, H., Die Einkindschaft, Diss. jur. Breslau 1900; Meyer, H., ZRG GA 34 (1913), 610ff. (Besprechung); Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und des Neustädter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977, 203ff.; Schartl, R., Zur Entstehung der fränkischen Einkindschaft, Ius commune 16 (1989), 264

Einkommensteuer ist die vom Einkommen natürlicher Personen als Steuerobjekt zu entrichtende Steuer. Sie wird in England (income tax zur Finanzierung des Krieges gegen Napoleon) 1799, in Ostpreußen 1808 und in Preußen 1851 eingeführt. 1878 beträgt sie in Sachsen bis 5%. Im 20. Jh. wird sie (unter Verselbständigung der Körperschaft­steuer für juristische Personen 1920) zu einer der wichtigsten staatlichen Einnahmequellen.

Lit.: Köbler, DRG 198, 233, 251; Großfeld, B., Die Einkommensteuer, 1981; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Greim-Kuczewski, P., Die preußische Klassen- und Einkommensteuergesetzgebung, 1990; Mathiak, W., Die erste Einkommensteuer in Deutschland, (in) Steuer und Wirtschaft, 1995, 352

Einlager ist die seit dem 12. Jh. (mangels besserer Erfüllungsverwirklichungsmög­lich­kei­ten) entstehende bzw. bekannte Form der Schuldsicherung, bei der sich der → Bürge oder → Schuldner (z. B. Adliger, Stadt vielfach gegenüber Juden) verpflichtet, bei Fälligkeit der Schuld einen festgelegten Ort (z. B. ein Gasthaus) aufzusuchen und ohne Einwilligung des Gläubigers nicht wieder zu verlassen, was als Folge der entstehenden Kosten den Schuldner oder Bürgen zur baldigen Leistung bewegen sollte. Die Kosten der Unter­bringung fallen je nach Vereinbarung dem Hauptschuldner oder dem Bürgen zur Last. 1572 verbietet Sachsen (Kursachsen), 1577 eine Reichspolizeiord­nung das E., doch hat es zumindest örtlich bis in das 19. Jh. tatsächlich Bestand. Im Übrigen wird es durch die → Schuldhaft abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128; Friedlaender, E., Das Einlager, 1868; Lechner, A., Das Obstagium, 1906; Rintelen, M., Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Kisch, G., Das Einlager, 1912; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004; Lentz, M., Konflikt, Ehere, Ordnung, 2004

Einlassung ist die Bereitschaftserklärung eines Beklagten, mit dem Kläger über die Klage streiten zu wollen. Sie ist der Sache nach bereits Bestandteil des römischen Formularprozesses (förmliche Verneinung des Begehrens des Klägers, nicht Anerkenntnis oder Untätigkeit des Beklagten), wobei ein Zwang zur E. bei einer (lat.) actio in personam besteht, während bei einer (lat.) actio in rem der Gerichtsmagistrat erst Rechtsschutz (lat.) in personam gewähren muss. Im Heiligen römischen Reich wird die E. mit der Aufnahme des gelehrten Prozesses ein Teil der Streitbefestigung (lat. litis contestatio [F.]). Eine klare Bestimmung der E. im gemeinrechtlichen Verfahren des Reichskam­mergerichts ist nicht möglich, weil sowohl die Litis­kontestations­begründung wie auch die Einrede oder Antwort des Beklagten als E. bezeichnet werden., obwohl die Reichskam­mergerichtsordnung von 1500 beides trennt. Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 sieht in jeder Klageerwiderung eine Litiskon­testation. Der jüngste Reichsabschied von 1654 übernimmt aus dem sächsischen Verfahren die besondere Litiskontestation und lässt die E. als zusammenhängende Klage­erwiderung in einem einfachen Klaglibell erfolgen. In der Gegenwart ist im Zivilprozess das Verhandeln zur Hauptsache eine Zustän­dig­keits­vereinbarung (§§ 39, 504 ZPO). Im Strafprozess ist E. jede Äußerung des Beschuldigten zur Sache.

Lit.: Kaser § 82; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. A. 1878, § 14; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 2. A. 1996; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus curiae am Reichs­hofrat, 1973; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralpro­zesses, 1981

Einmal ist keinmal.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechts­sprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 88 (Hertius 1737, lat. unus actus nullus actus)

Ein Mann, ein Wort.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 235 (Sachße 1856)

Einmanngesellschaft ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die zunächst bei einer bereits bestehenden Gesellschaft und danach auch für die Entstehung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugelassene, nur aus einem Gesellschafter bestehende Gesellschaft.

Einmauern ist im Altertum eine Todesstrafe und seit dem Mittelalter eine Art Frei­heitsstrafe, die mit der Aufklärung aufgege­ben wird.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920

Einrede ist das nicht im bloßen Leugnen bestehende, gegen den Klaganspruch gerich­tete Vorbringen des Beklagten. Die E. ist schon dem römischen Zivilprozessrecht als (lat.) exceptio (F.) bekannt. Dementsprechend erscheint sie bei der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts in Deutschland. Bereits im Hochmittelalter werden in Urkunden um­fängliche romanistische Verzichtsformeln für Einreden aufgenommen.

Lit.: Kaser § 4 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 155; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichts­formeln (renuntiationes), 1963; Wesener, G., Nichtediktale Einreden, ZRG GA 112 (1995), 109; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000

Einstweilige Anordnung ist die vorläufige Anordnung des Gerichts in einem Rechtsstreit. Sie findet sich sachlich not­wendig­erweise seit dem Beginn von Verfahren. Sie wird aber erst spät grundsätzlich geregelt.

Lit.: Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung im Verwaltungsprozess, Diss. jur. Hamburg 1967

einstweilige Verfügung → Mandatsprozess

Eintragung ist die Aufnahme in ein Register. Sie ist an unterschiedlichen Stellen Voraus­setzung für eine Rechtsfolge. Im 19. Jh. wird in Deutschland die E. in das Grundbuch grundsätzlich Voraussetzung für das Entstehen eines dinglichen Rechts oder die E. einer Gesellschaft in das Handelsregister Voraussetzung für ihre Entstehung (Eintragungsgrundsatz, Intabulationsprinzip). In Österreich ist E. (lat.) modus des Rechtsübergangs für unbewegliche Sachen (auf Grund Eintragungsbewilligung bzw. Aufsandungserklärung).

Lit.: Köbler, DRG 125, 212; Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung in den Kölner Schreinsurkunden, FS A. Schultze, 1934, 175; Grolle, N., Die Eintragungsbewilligung, Diss. jur. Münster 1989

Eintritt ist das Hineintreten in eine Lage oder einen Raum (z. B. auch in ein Haus oder in eine Gesellschaft).

Eintrittsrecht ist das Recht zum Eintritt in einen Raum oder in eine Rechtslage. Im Erbrecht ist insbesondere das E. (Repräsentationsrecht) von Enkeln an Stelle vorverstorbener Kinder bedeutsam. Es findet sich im römischen Recht (Gaius, Institutionen 3,7, 3,8, I. 3. 1. 6, Nov. 118, 1). Dort kenn Justinian (527-565) nur das E. der Geschisterkinder. Das E. wird bereits spätestens 596 vom fränkischen König in der (lat.) Decretio (F.) Chil­deberti bestimmt und 942 auf Grund eines Zweikampfes für Sachsen zugunsten von Sohnessöhnen bejaht (eingeschränkt nach Söhnen im Sachsenspiegel 1221-1224, abgelehnt in Augsburg 1276/1420). Mit der Aufnahme des römischen Rechts findet es allgemeine Anerkennung im Heiligen römischen Reich (Reichsabschied 1500, 1521, Jülich-Berg 1555/1564, Solms 1571, Kurköln 1663, Kurtrier 1668/1713, ALR 1794, Code civil 1804, ABGB 1811, ABGB Aargau 1856, BGB Sachsen 1863, PRG Schaffhausen 1864). In Österreich folgt der Entwurf Neue Satz- und Ordnung (1720) weitgehend, der Codex Theresianus (1766) Justinian

Lit.: Hübner 766ff.; Kroeschell, DRG 1; Wesener, G., Zum Weiterleben römischen Rechts im Frühmittelalter ,(in) Cinquante anni della Corte costituzionale della Repubblica italiana, 2006, 1751

Einung ist die Vereinbarung unter mehreren Menschen und auch deren dsdurch geschaffener Zusammenschluss (z. B. Innung). Die E. kann bindende Wirkung für eine Gesamtheit entfalten. Insofern werden etwa hochmittelalterliche Landfriedenseinun­gen als Gesetze eingeordnet.

Lit.: Köbler, WAS; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Vogel, O., Die ländliche Einung, Diss. jur. Zürich 1953; Bader, K., Die städtische Einung, Arch. d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1958), 159; Kulenkampff, A., Einungen mindermächtiger Stände, Diss. phil. Frankfurt am Main 1967; Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft fränkischer Grafen und Herren, 1971; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Einungen und Bruderschaften, hg. v. Johanek, P., 1993; Moraw, P., Die Funktion von Einungen und Bünden, (in) Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press, V., 1995, 1; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001

Einwerfung oder Ausgleichung ist die Berücksichtigung eines einem von mehreren Erben zu Lebzeiten des Erblassers von diesem zugeflossenen Vermögenswerts bei der Aus­ei­nan­dersetzung des Nachlasses (Teil der gesetzlichen Ausgestaltung der Erbauseinan­dersetzung). Sie ist dem römischen Recht als (lat.) → collatio (F.) bonorum bekannt. Sie findet sich im langobardischen Volksrecht (Edictus Rothari [643] 199) und westgotischen Volksrecht (L. Vis. [7. Jh.] IV, 5, 3) sowie im → Sachsenspiegel ([1221-1224] Landrecht I 10, 13) und im → Schwabenspiegel ([um 1275] 148a). Ausführlich ist die E. oder Aus­gleichung in den neuzeitlichen Gesetzbüchern behandelt (ALR [1794] II 2 §§ 303ff., Code civil [1804] Art. 843ff., ABGB [1811] §§ 788, 790ff., BGB Sachsen [1863] §§ 2354ff., BGB [1900] §§ 2050ff., ZGB [1907/1911] Art. 626ff.).

Lit.: Kaser § 73 IV; Hübner 750ff.; Reinhardt, K., Die Lehre von der Einwerfung, 1818; Rummel, C. v., Zur Lehre von der Einwerfung, 1843; Staudinger, J./Kipp, T./Coing, H., Erbrecht, 12. A. 1965, § 120; Eberl-Borges, C., Die Erbauseinandersetzung, 2000; Werbik, K., Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers, 2004

Einwilligung ist die vorherige Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft oder sonstigen Verhalten.

Lit.: Kaiser, D., Die elterliche Einwilligung, 2008

Eisenach am nordwestlichen Fuß des Thüringer Waldes erhält 1283 Stadtrecht. Eisenacher Rechtsbuch ist ein in verschiedenen Fassungen überliefertes Rechtsbuch der Stadt E. Das bruchstückweise in einer einzigen in Kassel befindlichen Handschrift des ersten Viertels des 15. Jh.s überliefert erhaltene ältere Eisenacher Rechtsbuch des Stadtschreibers Johannes → Rothe (Creuzburg 1350/60-Eisenach 1434) von 1384-1387 verbindet Teile des Meißener Rechtsbuches, des glossierten Sachsen­spiegels, des Schwabenspiegels und des Decretum Gratiani, der Digesten, der Dekretalen, des Liber Sextus und anderer gelehrter Quellen mit dem Eisenacher Stadtspiegel von 1283 und Eisenacher Gerichtsgewohnheiten des 14. Jh.s (Buch 1 Erbrecht, Buch 2 Heergewäte, Leibgeding, Morgengabe [, Vormundschaft], Buch 3 Häuser, Äcker, Vieh). Quelle ist das an 20 Stellen in Bezug genommene Eisenacher Kettenbuch, das landgräfliche Privilegien und städtische Willküren verarbeitet. Von Rothe stammt ein weiteres, zehn Bücher umfassendes Rechtsbuch, das 1503/1504 der Stadtschreiber Johann → Purgold unter Einbeziehung der Institutionen und des Codex in den 8 wenig geordneten Büchern seines jüngeren Eisenacher Rechtsbuches überarbeitet.

Lit.: Das Rechtsbuch nach Distinktionen. Ein Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Ortloff, F., 1836, 625-756; Die Stadtrechte von Eisenach, Gotha und Waltershausen, hg. v. Strenge, K. u. a., 1909; Helmoldt, H., Geschichte der Stadt Eisenach, 1936; Rondi, P., Eisenacher Rechtsbuch, 1950; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57

Eisenbahn - nach einer berühmten Begriffs­bestimmung des Reichsgerichts (RGZ 1, 247, 252) ein Unter­nehmen, gerichtet auf wiederholte Fortbe­wegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtmassen bzw. die Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Natur­kräften (Dampf, Electrizität, thierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere der Transportgefäße und deren Ladung, u.s.w.) bei dem Betriebe des Unter­nehmens auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige (je nach den Umständen nur in bezweckter Weise nützliche, oder auch Menschenleben vernichtende und die menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist - ist das im 19. Jh. auf der Grundlage älterer Ansätze entwickelte, auf Schienen laufende, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienende Transportmittel. Die erste Eisen­bahnstrecke wird 1830 zwischen Manchester und Liverpool, die erste deutsche Eisenbahnstrecke 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet. Bereits am 3. 11. 1838 sieht Preußen auf Grund eines schriftlichen Votums des Staatsrats­mitglieds (1817-1848) Friedrich Carl von Savigny im Gesetz über Eisenbahnunternehmungen (§ 25) für die E. eine (abdingbare) → Gefährdungshaftung vor. Zu Gunsten der E. werden vielfach Grundstücks­eigentümer enteignet. Häufig erweisen sich übergeordnete Einheiten und Verinbarungen als sinnvoll (Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen 1847, Reichseisen­bahnamt 1873, internationale Vereinbarung über die technische Einheit im Eisenbahn­wesen 1887, Union für den Eisenbahn­frachtverkehr 1890, Staatsvertrag zur Gründung der deutschen Reichsbahngesell­schaft 1920, Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr 1980). Die aus militärischen Gründen (ab 1879 auch in Preußen) überwiegend verstaatlichten Eisen­bahnen wirtschaften vor allem nach Erfindung des nicht an Schienen gebundenen Automobils (Kraftfahrzeugs) grundsätzlich mit Verlusten, weshalb seit der Mitte des 20. Jahrhunderts Streckenstilllegungen erforder­lich sind. Wegen der für den Staatshaushalt infolge hoher Ausgaben und geriner Einnahmen zunehmend untragbaren Verluste ist die auf Kernstrecken beschränkte Bun­desbahn Deutschlands seit 1994 privatisiert (Deutsche Bahn AG).

Lit.: Köbler, DRG 176; Camphausen, L., Versuch eines Beitrags zur Eisenbahngesetzgebung, 1838; Endemann, W., Das Recht der Eisenbahnen, 1886; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Ziegler, D., Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, 1996; Then, V., Eisenbahnen und Eisenbahnunternehmer, 1997; Bracht, C., Der Bau der ersten Eisenbahnen in Preußen, 1998; Julitz, L., Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, 1998; Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG GA 116 (1999), 152; Die Eisenbahn in Deutschland, hg. v. Gall, L. u. a., 1999; Thomas, W., Lawyering for the railroads, 1999; Wachtel, R./Marxmüller, H./Heide, H., Eisenbahn­unfälle, 2000; Mitchell, A., The Great Train Race, 2000; Delbanco, H., Ursprünge des europäischen Eisenbahnrechts, (in) Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts 5 (2000), 215; Ely, jr., J., Railroads and American law, 2001; Prêtre, A., Eisenbahnverkehr als Ordnungs- und Gestaltungsaufgabe des jungen Bundesstaats, 2002; Usselman, S., Regulating railroad innovation, 2002; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Bremm, K., Von der Chaussee zur Schiene, 2005

Eisenbahnrecht ist die Gesamtheit der die auf Schienen laufenden, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienenden Transportmittel betreffenden Rechtssätze. Rechtlich wirkt sich die Herrschaft über Raum und Zeit erleichternde → Eisenbahn vor allem auf die Bildung von Aktiengesellschaften, die Enteignung von Grundstücken und die Entwicklung der Gefährdungshaftung (Preußen 1838) aus. 1920 übernimmt in Deutschland das Reich (bis 1924 und von 1937 an) die Eisenbahnverwaltung. Nach 1993 wird die verlustreiche Deutsche Bahn teilweise privatisiert.

Lit.: Loth, W., Verkehrsentwicklung in Deutschland seit 1800, 1920; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahn­gesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Küper, N., Entlastung des Straßengüterverkehrs durch den Schienengüterverkehr, 1997; Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG 116 (1999), 152; Roth, R., Das Jahrhundert der Eisenbahn, 2005; Sonderzüge in den Tod, hg. v. Kill, S. u. a., 2009

Ekenberger, Blasius

Lit.: Elucubratio Blasii Ekenbergers auer dat erste undt ander Koning Waldemari Lohbuch anno 1595, hg. v. Haff, K., 1932

Ekloge ([F.] Auswahl) ist das vor allem das römische Strafrecht abändernde byzantinische Gesetz Kaiser Leos III. des Jahres 726, das erstmals ausdrücklich auf Generalprävention abzielt. Es ordnet viele verstümmelnde Körperstrafen an und weitet den Bereich der Straftaten gegen die Sittlichkeit aus.

Lit.: Sinogowitz, B., Studien zum Strafrecht der Ekloge, 1956 (F.) ist der vom Riesengebirge in Böhmen auf 1100 Kilometern bei Hamburg in die Nordsee fließende Strom, der im frühen Mittelalter teilweise fränkisch-deutsches Reich und Slawen voneinander abgrenzt. 1821 wird von den Anrainerstaaten eine Elbschifffahrtsakte unterzeichnet (1844 Ad­ditionalakte). Von 1945 bis 1990 bildet die E. eine innerdeutsche Grenze.

Lit.: Schröder, D., Die Elb-Grenze, 1986, Jüngel, K., Die Elbe, 1993; Johne, K., Die Römer aqn der Elbe, 2006

Elbing ist die 1237 im Land des Deutschen Ordens gegründete, 1466 an Polen, 1772 an Preußen (1905 94065 Einwohner deutsch­sprachig, 280 polnischsprachig), 1945/1990 wieder an Polen gefallene Stadt. Das Elbinger Rechtsbuch ist ein in einer 1825 in E. aufgetauchten, derzeit verschollenen Hand­schrift des frühen 15. Jh.s überliefert. Es enthält in mittelmitteldeutscher Sprache von einem unbekannten Verfasser aufgezeichnetes polnisches Recht von wahrscheinlich zwischen 1270 und 1320 in 27 Artikeln. Quellen sind der Schwabenspiegel, das Meißener Rechtsbuch, ein Magdeburger Schöffenbrief an Kulm und Magdeburger Recht. Mit der vom lübischen Recht geprägten Rechtsentwicklung Elbings besteht kein Zusammenhang.

Lit.: Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, 1875, 118ff.; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung Elbings, ZRG 36 (1915), 24; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Grekow, B., Polskaja prawda, 1957; Najstarszy zwód prawa polskiego, hg. v. Matuszewski, J., 1959; Tischer, K., Das älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Maisel, W., Die Rätsel des Elbinger Rechtsbuchs, (in) Deutsches Recht zwischen Sachsenspiegel und Aufklärung 1991, 47ff.; Najstarszy zwód prawa polskiego, hg. v. Thieme, H./Matuszewski, J., 1995

Elegante Jurisprudenz ist die aus dem französischen (lat.) → mos (M.) Gallicus entwickelte niederländische Rechtswissen­schaft des 17./18. Jh.s.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canoy-Olthoff/Nève, P., Holländische Eleganz, 1990; Van den Bergh, G., Die holländische elegante Schule, 2001

Elektriziät ist das zuerst an der Reibung von Bernstein erkannte Spannungs­verhältnis zwischen einem geladenen Teilchen und seiner Umgebung. Im 19. Jh. wird die E. wirt­schaftlich nutzbar gemacht. Seitdem wird sie auch rechtlich erfasst.

Lit.: Stier, B., Staat und Strom, 1997; Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts in Deutschland, 1997

Elisabeth von Thüringen (Ungarn 1207-Marburg 16./17. 11. 1231) Hospitalheilige

Lit.: Sankt Elisabeth, hg. v. d. Philipps-Universität Marburg, 1981; Elisabeth, hg. v. Blume, D. u. a., 2007

Elsass ist die Landschaft zwischen Oberrhein und Vogesen, die seit 269 n. Chr. von Alemannen besetzt wird. Im 7. Jh. entsteht unter der Familie der Etichonen ein Herzogtum, das in der Mitte des 8. Jh.s unter Teilung in die Grafschaften Nordgau und Sundgau beseitigt wird. Das E. kommt 870 zum ostfränkischen Reich. Im Hochmittelalter erringen neben den Staufern die Grafen von → Habsburg wichtige Rechte (z. B. Landgrafen im Sundgau), verpfänden ihre Güter 1469 aber an Burgund. 1648/1697 gelangt das E. an Frankreich, das es seit 1789/1790 zunehmend integriert. Von 1871 bis 1918 bildet das E. einen Teil des deutschen Reichslandes Elsass-Lothringen. 1940-1945 wird nochmals eine deutsche Zivilverwaltung errichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Stouff, L., Les origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogtei im Elsass, 1905; Hessel, A., Elsässische Urkunden, 1915; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne, 1935; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Colmarer Stadtrechte, bearb. v. Finsterwalder, P., 1938; Büttner, H., Geschichte des Elsass, Bd. 1 1939; Atlas de villes médiévales d’Alsace, hg. v. Himly, F., 1970; Seidel, K., Das Oberelsass, 1980; Dollinger, P., Histoire d’Alsace, 4. A. 1984; Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, 1982ff.; Das Elsass, hg. v. Erbe, M., 2002; Hummer, H., Politics and Power in Early Medieval Europe, 2005; Igersheim, F., L’Alsace et ses historiens 1680-1914, 2006; Sütterle, H., Die Salier und das Elsass, 2009

Elsass-Lothringen → Elsass, → Lothringen

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jacob, K., Das Reichsland Elsass-Lothringen, Bd. 1ff. 1898ff.; Hamburger, G., Die staatsrechtlichen Besonderheiten der Stellung des Reichslandes Elsass-Lothringen, 1901; Preibusch, S., Verfassungsentwicklungen im Reichsland Elsass-Lothringen 1871-1918, 2006

elterliche Gewalt → Eltern, → Kind

elterliche Sorge → Eltern, → Kind

Lit.: Schlüter, W., Elterliches Sorgerecht, 1985; Liebler-Fechner, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Andermann, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts im Dritten Reich und in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Köhler, A., Die Sorgerechtsregelungen bei Ehescheidung seit 1945, 2006

Eltern sind Vater und Mutter eines Kindes. Von ihnen hat im römischen Recht der Hausvater (lat. [M.] pater familias) bis zu seinem Tode die fast unbeschränkte väterliche Gewalt (lat. patria potestas [F.]) über die Haussöhne und Haustöchter, die nur allmählich gemäßigt wird. In gleicher Weise untersteht bei den Germanen das Kind der Personalgewalt (germ. *mundiz) des Familienvaters. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) stehen die ehelichen Kinder bis zur Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt, die in erster Linie dem Vater und nur daneben der Mutter obliegt. Österreich  führt ab 1970 die elterliche Obsorge statt der elterlichen Gewalt ein. Am 18. 7. 1979 wird die elterliche Gewalt in Deutschland durch die elterliche Sorge ersetzt, bei der Kinder in gewissem Umfang an wichtigen Entschei­dungen beteiligt und die Eltern stärker auf das Wohl der Kinder verpflichtet sind.

Lit.: Kaser § 60; Hübner; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern, 1982; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000

Emancipatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die rechtsgeschäftliche Entlassung des Hauskindes aus der väterlichen Gewalt. Bei ihr werden Söhne dreimal, Töchter und Enkel einmal, vom Hausvater an einen Vertrauens­mann übertragen. Von diesem werden sie danach jeweils freigelassen, wodurch sie an den Hausvater zurückfallen. Nach der letzten, für die Beendigung der väterlichen Gewalt erforderlichen Übertragung wird das Haus­kind vom Vertrauensmann an den leiblichen Vater zurückübertragen, damit es von diesem endgültig freigelassen wird, ohne durch die Freilassung in die Patronatsgewalt des Ver­trauensmannes zu fallen.

Lit.: Kaser § 60 IV; Köbler, DRG 21

Emancipatio (lat. [F.]) Saxonica ist die in der frühen Neuzeit im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) geübte Lösung des Haussohns aus der väterlichen Gewalt durch wirtschaftliche Verselbständigung (→ Abschichtung).

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 160

Emanzipation ist die Befreiung aus einem Zustand der Beschränkung oder Abhängig­keit. Sie nimmt ihren Ausgang bei der römischrechtlichen → emancipatio. Seit dem 19. Jh. richtet sich die E. hauptsächlich auf die Befreiung der Frau von der Vorherrschaft des Mannes, deren Auswirkungen sich im Familienrecht der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erkennen lassen.

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 178, 252; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 153; Theurer, A., Emanzipation, 1996; Jenni, R., Die Emanzipation der mehrjährigen (!) Frauenzimmer, 1997; Grimme, M., Die Entwicklung der Emanzipation der Frau, 2003; Revolution und Emanzipation, hg. v. Rennhak, K. u. a., 2004

Emden

Lit.: Fritzschen, G., Die Entwicklung des Emder Stadtrechts, Diss. jur. Göttingen 1958

Emendatio (lat. [F.]) ist die lateinische Bezeichnung für die frühmittelalterliche → Buße.

Lit.: Köbler, DRG 91

Emigration (F.) Auswanderung

Emilia Romagna ist die zwischen Po, Apennin und Adria gelegene, ursprünglich von Etruskern besiedelte, nach der Konsularstraße des M. Aemilius Lepidus (187 v. Chr.) benannte Landschaft. Im Mittelalter steht sie teils unter der Herrschaft der Langobarden, teils Byzanz‘ bzw. des Kirchenstaats. Die sich danach entwickelnden Herzogtümer Modena und Reggio sowie Parma und Piacenza kommen 1860 zu → Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Modena, Parma); Storia della Emilia Romagna, hg. v. Berselli, A., 1976

Emmingersche Justizreform ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich Emminger (1880-1951) benannte Verein­fachung des Verfahrensrechts. Zwei Verord­nungen vom 4. 1. 1924 (Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege, RGBl. I, 15, gesetzliche Grundlage Ermäch­tigungsgesetz vom 8. 12. 1923) und 13. 2. 1924 schränken die Herrschaft der Partei über das Zivilverfahren zugunsten der Leitungsbe­fugnis des Richters ein und wandeln das im 19. Jh. errichtete → Schwurgericht (mit 12 Geschworenen) unter Beibehaltung des Namens in ein großes → Schöffengericht (3 Berufsrichter, 6 Geschworene [Laien]) um.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Vormbaum, T., Die Lex Emminger vom 4. Januar 1924, 1988; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, Abteilung I Weimarer Republik, hg. v. Schubert, W., Bd. 4 1999; Zivilprozess­reform in der Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2005; Koch, A., Das bayerische Schwurgericht der Nachkriegszeit, ZRG GA 122 (2005), 242

Emphytheusis (lat. [F.]) ist die Erbpacht des spätrömischen Rechts, die auch im Wege der Rezeption Auswirkungen hat.

Lit.: Kaser § 30; Köbler, DRG 61; Cencetti, G., Il contratto di enfiteusi, 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Theisen, F., Studien zur Emphyteuse, 2003

Empirismus ist die von Francis → Bacon (1561-1626) in Fortführung des mittelalterlichen Nomina­lismus, dem Allgemeinbegriffe nur Sammelnamen für einzelne wirkliche Erscheinungen sind, begründete, neue, von kirchlicher Dogmatik befreite Erkenntnis­methode (Begriff von Kant [1724-1804] eingeführt), die von der vorurteilslosen Beobachtung von Einzelvorgängen als Begreifen der Welt an Hand von messbaren und zählbaren Größen induktiv zu allgemeinen Erkenntnissen führen soll. Die Erkenntnistheorie des E. entwickelt John Locke (1632-1704).

Lit.: Köbler, DRG 136; Moody, E., Empiricism and Metaphysics, Philosphical Revue 67 (1958), 145; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus, 1996

Emptio venditio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der → Kauf (Verkauf). Er ist ur­sprünglich wohl ein Handgeschäft, bei dem Abschluss und Ausführung des Austausches einer Sache gegen einen in Geld bestehenden Preis zeitlich zusammenfallen, unabhängig davon, ob eine (lat. [F.]) → mancipatio erforderlich ist oder ein formfreies Geschäft (über eine [lat.] res nec mancipi oder mit einem Nichtrömer) zur Sicherung des Erwerbers vor Diebstahl­verdacht ausgeführt wird. Spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. werden Vereinbarung (Kon­sensual­kontrakt) und Erfüllung getrennt, so dass die e. v. den Verkäufer zur möglicherweise später erst erfolgenden Übertragung des Eigentums verpflichtet. In nachklassischer Zeit wird der Vertrags­abschluss vielfach beurkundet und geht das Eigentum mit dem Abschluss und der Zahlung des Kaufpreises über. Justinian trennt Kauf und Übereignung wieder, lässt aber die Schriftform als Wirksamkeitsvor­aussetzung zu. Möglich ist der Kauf einer Hoffnung (Chance) und einer erhofften Sache.

Lit.: Kaser §§ 38, 41; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 45

Emser Punktation ist die in Bad Ems im Jahre 1786 getroffene, nicht in Wirksamkeit getretene Vereinbarung der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und Salzburg mit dem Ziel, eine größere Selbständigkeit (der deutschen Kirche) vom Papst zu erreichen.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Emunitas (lat. [F.]) ist die Freiheit von der Abgabenpflicht der kirchlichen Güter und der Kleriker seit Kaiser Konstantin (306-337). → Immunität

Lit.: Köbler, DRG 30

Endlicher Rechtstag (Art. 91, 123 CCB, 78 [, 82] CCC ist vor allem im von der Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) → Constitutio Criminalis Carolina (1532) maßgeblich geprägten frühneuzeitlichen Strafverfahren der der heimlichen → Inquisition folgende Tag der öffentlichen Verhandlung, der angesichts des durch Folter erreichten Geständnisses für das Urteil weitgehend nur noch förmliche Bedeutung hat. Er entwickelt sich als Folge der Inquisition seit dem 14. Jh. und verschwindet endgültig erst im frühen 19. Jh. (e. R. noch in Dresden am 12. 7. 1821). An manchen Orten ist der endliche Rechtstag auf die Verkündung und Vollstreckung des Urteils beschränkt (Norditalien, Freiburg im Breisgau 1361, Worms 1498, Tirol 1499, Radolfzell 1506).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 118, 156; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in Schwaben, 1910; Ruoff, W., Der endliche Rechtstag in Zürich vor 1400, (in) Festschrift G. F. Pfenninger, 1956, 115ff.; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage im frühen 17. Jahrhundert, 1971; Leiser, W., Strafgerichtsbarkeit in Süddeutschland, 1971; Langbein, J., Prosecuting crime in the Renaissance, 1974; Alber, P., Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974; Plöger, R., Die Mitwirkungspflichten des Beschul­digten, 1982; Schild, W., Der entliche Rechtstag, (in) Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984; Kocher, G., Der endliche Rechtstag der steirischen Landgerichtsordnung 1574, (in) Recht und Geschichte, 1988, 361ff.; Ignor, A., Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002

Endlösung ist die vom Nationalsozialismus u. a. mittels der nur zweistündigen Wannseekonferenz am 20. 1. 1942 unter der Leitung Reinhard Heydrichs angestrebte und teilweise verwirklichte Ver­nichtung des Judentums (Holocaust) in besonderen Vernichtungslagern (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Dachau).

Lit.: Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E. u. a., 1985; Verbrechen erinnern, hg. v. Knigge, V. u. a., 2002

Energiewirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die seit dem 19. Jh. immer bedeutendere Energiewirtschaft betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts, 1997; Grunwald, J., Das Energierecht der Europäischen Gemeinschaften, 2003

Engadin ist die Tallandschaft des oberen Inn in → Graubünden, die seit dem 10. Jh. an den Bischof von Chur gelangt.

Lit.: Jecklin, F., Land und Leute des Unterengadins und Vintschgaus im 14. Jahrhundert, 1922; Stolz, O., Beiträge zur Geschichte des Unterengadis aus Tiroler Archiven, Jahresbericht der hist. ant. Gesellschaft von Graubünden 53 (1924); Valèr, P., Die Entwicklung der hohen Gerichtsbarkeit, Diss. jur. Zürich 1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol, ZRG GA 49 (1929), 439; Schwarzenbach, A., Beiträge zur Geschichte des Oberengadins, 1931; Planta, P. v., Die Rechtsgeschichte des Oberengadins, 1931

Engelbert (Poetsch bzw. Pötsch) von Admont (Steiermark um 1250-Admont 16.? 5. 1331) wird nach dem 1267 erfolgten Eintritt in das Benediktinerstift Admont in der Steiermark und dem Studium in Prag (1271-1274) und Padua (1278?-1287 u. a. Recht) 1297 Abt in Admont (bis 1327) und verfasst, beeinflusst von Aristoteles, Cicero, Seneca und Augustinus, (mindestens 39) verschie­dene staatspolitische Schriften (Tugendspie­gel, [lat.] De regimine principum [um 1300], [lat.] Speculum virtutum [um 1310], Über Fürstenherrschaft, [lat.] De ortu et fine Romani imperii [1312], Vom Anfang und Ende des römischen Reichs).

Lit.: Fowler, G., Engelbert of Admont and the Universal Idea, 1958; Hamm, M., Engelbert von Admont als Staatstheoretiker, Diss. phil. Würzburg 1973; Engelbert von Admont, hg. v. Baum, W., 1998; Ubl, K., Engelbert von Admont, 2000; Engelbert von Admont, hg. v. Ubl, K., 2004

Engels, Friedrich (Barmen/Wuppertal 28. 11. 1820-London 5. 8. 1895), Textilfabrikanten­sohn, wird nach kaufmännischer Lehre und dem Besuch von Philosophievorlesungen Mitbegründer des → Marxismus (Die Lage der arbeitenden Klasse, 1845).

Lit.: Hirsch, H., Friedrich Engels, 1968; Herferth, W., Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, 1983; Marx-Engels Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984

England ist die vereinfachende Bezeichnung für die zunächst (3. Jh. v. Chr.) von Kelten (Briten, Pikten) besiedelten, um die Zeitenwende (41-54 n. Chr.) zum Teil von Rom in sein Weltreich eingegliederten und gegen 470 n. Chr. von den Angeln, Sachsen und Jüten (→ Angelsachsen) eroberten nordwesteu­ro­päischen Inseln. 1066 geraten die erst am Ende des 9. Jh.s unter Wessex geeinten Angelsachsen unter die Herrschaft der → Normannen, woraus eine ziemlich unterschiedliche anglonormannische Ober­schicht entsteht. Überschaubares Gebiet und Streulage adliger Güter begünstigen an­scheinend die Durchsetzung königlicher Gewalt, der gegenüber der Adel zwar nicht Landesherrschaft errichten, aber die könig­liche Macht in der (lat.) Magna charta libertatum (1215) eingrenzen kann. Nacheinander regieren Könige aus den Häusern → Plantagenet (1154-1399, Verlust der meisten Güter in Frankreich in der Schlacht von Bouvines 1214 und im hundertjährigen Krieg zwischen 1337 und 1453), Lancaster (1399-1461), York (1461-1485), Tudor (1485-1603), → Stuart (1603-1649, 1660-1714), Hannover (1714-1901), Sachsen-Coburg (1901-1910) und Windsor (seit 1910), wobei 1536 Wales stärker mit E. verbunden wird und sich König Heinrich VIII. auch zum König Irlands erklärt. Bereits 1614 gelingt es dem seit dem 13. Jh. sichtbaren → Parlament, seine Stellung dauerhaft so zu stärken, dass es die Einberufung unabhängig vom Willen des Königs, die Zuständigkeit für alle Steuergesetze und die Beseitigung aller Sondergerichte erreicht. 1649 wird König Karl I. hingerichtet, die Monarchie abge­schafft und E. zum Commonwealth erklärt. 1660 wird der Sohn Karls I. als Karl II. zum König berufen, doch gelingt 1689 in der → Bill of Rights dem Parlament der Ausbau seiner Rechte. 1707 wird durch die Vereinigung des Parlamentes → Schottlands mit dem englischen Parlament aus der seit dem Beginn der Herrschaft der Stuarts bestehenden Personalunion die Realunion → Großbritannien (1801 United Kingdom of Great Britain and Ireland, 1921 The United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland). Danach wird das über ein durch seinen hohen Anteil indirekter Steuern ertragreiches Steuersystem verfügende Land allmählich Weltmacht. In ihm beginnt die wohl vom puritanischen Unernehmergeist begünstigte sog. industrielle Revolution. 1801 wird der Titel eines Königs von Frankreich aufgegeben. Das Unterhaus (→ House of Commons) (Wahl­rechtsänderungen 1832, 1867, 1884, 1918, 1948) setzt sich bis 1911 gegenüber dem Oberhaus (→ House of Lords) durch und gestaltet allmählich die Monarchie zur bloßen äußerlichen Staatsform. Mit dem zweiten Weltkrieg endet die Stellung als Weltmacht, doch erhält der Staat noch ein Vetorecht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die Kolonien (z. B. Indien) erlangen ganz überwiegend Selbständigkeit. 1973 tritt Großbritannien der Europäischen Gemein­schaft (1993 Europäischen Union) bei.

Lit.: Köbler, DRG 175; Maitland, F., Roman Canon Law in the Church of England, 1898; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,1047, 3,2,2217,3650,3927; A Bibliography of English History, hg. v. Graves, E., 1975; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Vinogradoff, P.,Villainage in England, 1892; Vinogradoff, P., English society in the eleventh century, 1908; Hatschek, J., Englische Verfassungs­geschichte, 1913; Cam, H., Studies in the Hundred Rolls, 1921; Jacob, E., Studies in the period of baronial reform and rebellion, 1258-1267, 1925; Stephenson, C., Borough and Town, 1933; Lenz, G., Demokratie und Diktatur in der englischen Revolution 1640-1660, 1933; Tait, J., The medieval English borough, 1936; Weinbaum, M., The incorporation of boroughs, 1937; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Sandberger, D., Studien über das Rittertum in England, 1937; Trautz, F., Literaturbericht über die Geschichte Englands im Mittelalter, HZ Sonderheft 2 (1965), 108; Hill, C., Intellectual origins of the English revolution, 1965; Gerlach, H., Der englische Bauernaufstand von 1381, 1969; Ziegenbein, U., Die Unterscheidung von Real und Personal Actions im Common Law, 1971; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Crime in England 1550-1800, hg. v. Cockburn, J., 1977; Wellenreuther, H., Repräsentation und Grundbesitz in England, 1979; Hyams, P., Kings, Lords and Peasants in Medieval England, 1980; Kluxen, K., Geschichte Englands, 5. A. 1998; Hahn, H./Krieger, K./Niedhart, G., Einführung in die englische Geschichte, 1982; Wende, P., Geschichte Englands, 1985, 2. A. 1995; Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987; Kleinhenz, R., Englische Institutionengeschichte – Perspektiven der Kabinetts­entwicklung zwischen dem ausgehenden 17. Jahrhundert und dem Jahre 1783, ZRG GA 105 (1988), 145; Kaeuper, R., War, Justice and Public Order, 1988; Wirsching, A., Parlament und Volkes Stimme, 1990; Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra, 1991; Kleinhenz, R., Königtum und parlamentarische Vertrauensfrage in England 1689-1841, 1991; Loyn, H., Anglo-Saxon England, 2. A. 1992; Mortimer, R., Angevin England, 1994; Chibnall, M., Anglo-Norman England, 1995; Schröder, H., Englische Geschichte, 1995; Maurer, M., Kleine Geschichte Englands, 1997; Verwaltung und Verwaltungsrecht in Frankreich und England, hg. v. Heyen, E., 1996; Krieger, K., Geschichte Englands, 3. A. 2002; Niedhart, G., Ge­schichte Englands, 2. A. 1996; Schwanitz, J., Englische Kulturgeschichte von 1500 bis 1914, 1996; Englische Könige und Königinnen, hg. v. Wende, P., 1998; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998; De Vries, K., The Norwegian Invasion of England in 1066, 1999; Tuck, A., Crown and Nobility, 2. A. 1999; Reitemeier, A., Außenpolitik im Spätmittelalter, 1999; Bartlett, R., England under the Norman and Angevin kings 1075-1225, 2000; Walker, I., Mercia and the Making of England, 2000; A Handbook of Dates, hg. v. Cheney, C., 2000; Maurer, M., Geschichte Englands, 2000; Sarnowsky, J., England im Mittelalter, 2002; Göllmann, U., Das Geld des Königs, 2002; Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt, 2002; Valente, C., The Theory and Practice of Revolt in Medieval England, 2003; Hyams, P., Rancor and Reconciliation in Medieval England, 2003; Lollards and their Influence in Late Medieval England, hg. v. Somerset, F. u. a., 2003; Brand, P., Barons and Justices, 2003; Tscherpel, G., The Importance of Being Noble, 2004; Die englischen Könige im Mittelalter, hg. v. Vollrath, H. u. a., 2004; English Government in the Thirteenth Century, hg. v. Jobson, A., 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004; Cross, Crown & Community, hg. v. Trim, D. u. a., 2004; Grassnick, U., Ratgeber des Königs, 2004; Vita Edwardi Secundi, hg. v. Childs, W., 2005; Charters of Malmesbury Abbey, hg. v. Kelly, S., 2005; Harriss, G., Shaping the Nation. England 1360-1461, 2005; Green, J., Henry I, 2006; Fischer, R., Richard I. Löwenherz 1157-1199, 2006; Curia Regis Rolls of the Reign of Henry III hg. v. Crook, D., Bd. 20-34, 2006; A Social History of England 1200-1500, hg. v. Horrox, R. u. a., 2006; Garnett, G., Conquered England, 2007; Hanawalt, B., The Wealth of Wives, 2007; Richard Scrope, hg. v. Goldberg, P., 2007; Dodd, G., Justice and Grace, 2007; Masschaele, J., Jury, State and Society in Medieval England, 2008; Crime, Law and Society in the Later Middle Ages, transl. and ed. by Musson, A., 2009

Englisch

Lit.: Wells, J., A Manual of the Writings in Middle English 1050-1400, Bd. 1ff. 1926ff.

Englisches Recht ist das in → England (seit 1330 auch in Wales, nicht dagegen ohne weiteres auch in Schottland und Irland) geltende Recht. Seinen Ausgangspunkt bilden die frühmittelalterlichen → Volksrechte (Gesetze) der → Angelsachsen. Mit dem Sieg der → Normannen unter Wilhelm dem Eroberer über die Angelsachsen (1066) wird das → angelsächsische Recht auf die örtlichen Gerichte beschränkt, während am Königsgericht (lat. curia [F.] regis, Königsrat, → Court of King`s Bench [E. 13. Jh.] für Delikte, Strafen, Appellationen, → Court of Common Pleas für alle gewöhnlichen Klagen [1178], → Court of Exchequer für Abgabenstreitigkeiten [E. 13. Jh.]) und bei den dieses bzw. diese unterstützenden Reiserichtern eine übergeordnete, französisch (Law French) gehaltene commune ley (lat. communis lex [F.], gemeines Recht) Anwendung findet (→ common law). Besondere Bedeutung erlangt hier der vom Kanzler des Königs dem Kläger ausgestellte, lateinisch abgefasste → writ (ver­fahrensrechtliche Weisung) an den Sheriff, von dem es bereits am Ende des 12. Jh.s etwa 75 bzw. 1227 56 verschiedene Arten gibt, die Ranulf de Glanvill († 1190) in dem (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consuetudinibus regni Angliae (Traktat über die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) und Henricus de Bracton († 1268) in seinem Werk (lat.) De legibus et consuetudinisbus Angliae (Über die Gesetze und Gewohnheiten Englands) ordnen und darstellen. Wegen des Gewichts des Königsgerichts und der grundlegenden Bedeutung der vor ihm durch den writ eröffneten Verfahrensarten rückt der praktisch geschulte, ab 1200 namentlich bekannt werdende, bis etwa 1300 professionalisierte Richter im Mittelalter in den Mittelpunkt des Rechts. Dieses wird (neben allgemeinen Bestimmungen wie der Magna Charta von 1215 oder den Provisions of Westminster von 1259 vor allem) durch Einzelurteile fortgebildet, in denen nur ausnahmsweise von einem Präjudiz abgewichen wird (amtliche Aufzeichnungen in Latein als records, nichtamtliche Aufzeichnungen durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536 in reports bzw. year books). Dabei kommt zum königlichen Gericht seit dem Spätmittelalter das Gericht des Kanzlers (→ Court of Chancery) hinzu, das nach Billigkeit (→ equity) urteilt (z. B. Anspruch auf vor­beugende Unterlassung, Anspruch auf Vertragserfüllung). In den Auseinanderset­zungen zwischen König und Parlament im 17. Jh. stellen sich die praktisch in den inns of court ausgebildeten englischen Rechtskun­digen (z. B. Edward Coke [1552-1643], der in seinen Institutes of the Laws of England eine erste umfassende Darstellung des common law bietet) auf die Seite des Parlaments und festigen dadurch ihre Stellung. Im 18. Jh. entwickelt William Blackstone (1723-1380) in seinen Commentaries on the laws of England erstmals eine nach materiellen Rechtssätzen geordnete Darstellung des englischen Rechts, das im Übrigen durch die Gewinnung von Kolonien auf viele Teile der gesamten Welt verbreitet wird (z. B. Vereinigte Staaten von Amerika, Kanada, Australien, Neuseeland, Afrika, Asien). Seit dem 19. Jh. gewinnt gegenüber den rich­terlichen Fallentscheidungen nicht zuletzt auch unter dem Einfluss Jeremy Benthams (1748-1832) das Gesetz (z. B. Judicature Act 1873/1875, Verbindung von courts of law und court of chancery zu einem supreme court of judicature mit high court of justice und court of appeal, Zusammenfassung der writs in einem einleitenden writ of summons) ein gewisses, mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Euro­päischen Union steigendes Gewicht.

Lit.: Placita Anglo-Normannica, hg. v. Bigelow, M., 1879; Bigelow, M., History of procedure in England, 1880; Gneist, R. v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holland, T., The Elements of Jurisprudence, 2. A. 1882; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1898; Wertheim, P., Wörterbuch des englischen Rechts, 1899; Maitland, F., English Law and the Renaissance, 1901; Year books Bd. 1ff. 1903ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Maitland, F., The Forms of Action at Common Law, 1909; Frommhold, G., Grundzüge der Entwickung der Einzelerbfolge in Familiengüter, ZRG GA 33 (1912), 86; Hatschek, J., Englische Verfassungsgeschichte, 1913; Essays in Legal History, hg. v. Vinogradoff, P., 1913; Güterbock, C., Studien und Skizzen zum englischen Strafprozess des 13. Jahrhunderts, 1914; Scott, L./Hildesley, A., The case of requisition, 1920; Ehrlich, L., Proceedings against the Crown (1216-1377), 1921; Winfield, P., The Chief Sources of English Legal History, 1922; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff.,1922ff.; Holdsworth, W., Sources and Literature of English Law, 1925; Bicknell, B., Cases on the law, 1926; Keir, D./Lawson, J., Cases in constitutional law, 1928; The collected papers of Paul Vinogradoff, hg. v. Fisher, H., 1928, Neudruck 1963f.; Tait, J., The borough community in England, The English Historical Review 45 (1930), 529; Anglo-Saxon Wills, hg. v. Whitelock, D., 1930; Turner, R., The Equity of Redemption, 1931; Bémont, C., Simon de Montfort, Earl of Leicester 1208-1265. 1930; Hallis, F., Corporate Personality, 1930; Würdinger, H., Geschichte der Stellvertretung (agency) in England, 1933; Rossi, M. de, Historical and comparative notes on the first origin of specific performance, 1936; Select Cases in the court of king’s bench under Edward I., hg. v. Sayles, G., Bd. 1ff. 1936ff.; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Jackson, R., The Machinery of Justice in England, 1940, 3. A. 1960, 4. A. 1964, 7. A. 1977; Radbruch, G., Der Geist des englischen Rechts, 1946, 2. A. 1947, 3. A. 1956, 4. A. 1958, 5. A. 1965; Radzinowicz, L., A History or English Criminal Law and its Administration from 1750, Bd. 1ff. 1948ff.; Noyes, C., The Institution of Property, 1936; Prerogativa regis, hg. v. Thorne, S., 1949; Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 7. A. 1956ff.; Buckland, W./McNair, A., Roman Law and Common Law, 2. A. 1952; Expedicio billarum antiquitus, hg. v. Strateman Sims, C., 1954; Cohn, E., Der englische Gerichtstag, 1956; Lord Nottingham’s Chancery Cases, hg. v. Yale, D., Bd. 1f. 1957ff.; Select Cases in the court of king’s bench under Edward II., hg. v. Sayles, G., 1957; Peter, H., Actio and writ, 1957; Select Cases in the Council of Henry VII., hg. v. Bayne, C., 1958; Select Cases in the Court of King’s Bench under Edward III., hg. v. Sayles, G., 1958ff.; Squibb, D., The High Court of Chivalry, 1959; Caenegem, R. van, Royal writs in England, 1959; Pension Book of Clement’s Inn, hg. v. Carr, C., 1960; Plucknett, T., Edward I and criminal law, 1960; Seldon Society General Guide, bearb. v. Kiralfy, A. u. a., 1960; Carr, C., The mission of the Selden Society, 1961; Fesefeld, W., Englische Staatstheorie des 13. Jahrhunderts, 1962; David, L., Die Bindung des Richters an das Präjudiz im englischen Recht, 1962; Storno, F., Conditions et warranties dans le droit anglais de la vente, 1963; Sheehan, M., The will in medieval England, 1963; Novae narrationes, hg. v. Shanks, E., 1963; Letwin, S., The pursuit of certainty, 1965; Lord Nottingham’s Manual of Chancery Practice and Prolegomena of Chancery and Equity, hg. v. Yale, D., 1965; Bland, D. S., A bibliography of the inns of court and chancery, 1965; Escudero López, J., La historiografía general del derecho inglés, Anuario de historia del derecho Español 35 (1965), 217; West, F., The justiciarship in England 1066-1232, 1966; Weimann, K., Der Friede im Altenglischen, 1966; Placita Corone, hg. v. Kaye, J., 1966; Pleas before the King or his Justices 1198-1212, Bd. 3, 4, hg. v. Stenton, D., 1967; Jones, W., The Elizabethan Court of Chancery, 1967; Wedderburn, K., Cases and materials on labour law, 1967; Cross, R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Pugh, R., Imprisonment in Medieval England, 1968; Hurnard, N., The King’s pardon for Homicide, 1969; Veall, D., The Popular Movement for Law Reform 1640-1660, 1970; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973, 2. A. 1988; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts in der Neuzeit, 1973; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Simpson, A., A History of the Common Law of Contract, 1975; Lyon, B., A Constitutional and Legal History of medieval England, 2. A. 1980; Manchester, A., A Modern Legal History of England and Wales 1750-1950, 1980; Englische und kontinentale Rechts­geschichte, hg. v. Coing, H. u. a., 1985; Scrutton, T., The Influence of the Roman Law on the Law of England, 1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechts­systeme der Gegenwart, 2. A. 1988; Jenkyns, D., The state of English law in the eighteenth century, (in) Das nachfriderizianische Preußen, 1988, 3; Powell, E., Kingship, law and society. Criminal justice in the reign of Henry V, 1989; Cornish, W./Clark, G., Law and Society in England 1750-1950, 1989; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; English Lawsuits from William I to Richard I, hg. v. Caenegem, R. van, Bd. 1f. 1991/1992; Brand, P., The Making of the Common Law, 1992; Palmer, R., English Law, 1993; Herman, S., Medieval usury and the commercialization of feudal bonds, 1993; Jäschke, K., Die neue Quellen­sammlung zum frühenglischen Fallrecht, ZRG GA 111 (1994), 550; Pöggeler, W., Die deutsche Wissenschaft vom englischen Staatsrecht, 1995; Graf, J., Die Auswirkungen der englischen Reformation auf das englische Recht, 1994; Köbler, G., Rechtsenglisch, 1996, 6. A. 2004, 7. A. 2007; Allison, J., A continental distinction in the common law, 1996; Kerber, K., Sprachwandel im englischen Recht, 1997; Schmidt, K., Der Abschied von der Mündlichkeit der Parteiherrschaft und dem Überraschungsprinzip, 1997; Blumenwitz, D., Einfüh­rung in das angloamerikanische Recht, 7. A. 2003; Martínez-Torrón, J., Anglo-American Law and Canon law, 1998; Polden, P., A History of the County Court, 1999; Musson, A./Ormrod, W., The Evolution of English Justice, 1999; Wormald, P., The Making of English Law, Bd. 1 1999, Neudruck 2001; Wormald, P., Legal Culture in the Early Medieval West, 1999; The moral world of the law, hg. v. Coss, P., 2000; Helmholtz, R., The ius commune in England, 2001; Musson, A., Medieval law in context, 2001; Simpson, A., Human Rights and the End of the Empire, 2001; Biancalana, J., The Fee tail and the Common Recovery in Medieval England 1176-1502, 2001; Oliver, L., The Beginnings of English Law, 2002; Judicial tribunals in England and Europe, 1200-1700, Bd. 1, hg. v. Mulholland, M. u. a., 2003; Brand, P., Kings, Barons and Justices, 2003; Milsom, S., A Natural History of the Common Law, 2003; The Letter of the Law, hg. v. Steiner, E. u. a., 2003; Stechern, D., Das Recht in den Romanen von Sir Walter Scott, 2003; The Oxford History of the Laws of England, Bd. 1ff. 2003ff.; Brooks, C., Pettyfoggers and vipers of the commonwealth, 2004; Schneider, N., Uberrima fides, 2004; Corèdon, C./Williams, A., A Dictionary of Medieval Terms and Phrases, 2004; Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004; Boundaries of the Law, hg. v. Musson, A., 2005; Reimann, M., Die Erosion der klassischen Formen, ZNR 28 (2006), 208ff.; Tucker, P., Law Courts and Lawyers in the City of London 1300-1550, 2007; Anglo-American Legal Tradition Project http://aalt.law.uh.edu; The Northumberland Eyre Roll for 1293, hg. v. Fraser, C., 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 967; http://www.oldbaileyonline.org; Bord, B., Das Erbrecht der Kanalinseln, 2009; Lacey, H., The Royal Pardon, 2009

Enkel ist das Kind eines Kindes. Der E. ist grundsätzlich von der Erbfolge nach seinen Großeltern durch seinen Vater oder seine Mutter ausgeschlossen. Ihm wird aber schon früh (z. B. 596 n. Chr.) ein → Eintrittsrecht zugesprochen.

Lit.: Hübner

Enklave (Einschlussgebiet) ist das vom Gebiet eines anderen Staates oder mehrerer anderer Staaten (aus deren Sicht) eingeschlossene Teilgebiet eines anderen Staats (aus der Sicht dieses Staates Exklave bzw. Ausschlussgebiet) (z. B. Büsingen innerhalb der Schweiz, Campione am Luganer See innerhalb der Schweiz, bis 1797 päpstliches Avignon in Frankreich, nicht Vatikan, San Marino, Monaco, Liechtenstein, Andorra, Ceuta, Königsberg/Kaliningrad, kleines Walsertal). Für die zahlreichen Enklaven der Länder des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) ist ein allgemeines Durch­zugsrecht anerkannt. Der Durchzug bewaffneter Kräfte bedarf grundsätzlich einer besonderen Erlaubnis. 1928 bestehen in Deutschland noch mehr als 200 Enklaven.

Lit.: Lancizolle, W. v., Übersicht der deutschen Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830; Ritter, E., Freie Reichsländer, 1927; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007

Enneccerus, Ludwig (Neustadt am Rübenberge 1. 4. 1843-Marburg 31. 5. 1928), Pastorensohn, wird nach dem Studium von Mathematik und Recht in Göttingen und Promotion (1868) und Habilitation (1870) 1872 außerordentlicher Professor für römisches Recht in Göttingen und 1873 ordentlicher Professor in Marburg, der von Bernhard Windscheid und Rudolf von Ihering beeinflusst ist (1921 emeritiert). Er verfasst 1898 ein während der ersten Hälfte des 20. Jh.s bedeutsames Lehrbuch des bürgerlichen Rechts (Allgemeiner Teil, 30.-34. A. bzw. 12. Bearbeitung 1928, Schuldrecht, 28.-30. A. bzw. zweiter Abdruck der 10. Bearbeitung 1928) in Deutschland. Von 1882 bis 1889 ist er Mitglied des Abgeordnetenhauses Preußens, von 1887 bis 1890 und 1893 bis 1898 als Vertreter der nationalliberalen Partei Mitglied des Reichstags.

Lit.: Köbler, DRG 184; Jacobi, A., Ludwig Enneccerus 1843-1928, 1999

Enteignung ist die Entziehung oder Belastung des Eigentums durch staatlichen Hoheitsakt zur Befriedigung öffentlicher Belange (z. B. zum Wohl der Allgemeinheit, zum allgemeinen Besten). Die E. wird bereits in der römischen Spätantike bezüglich Grundstücke oder Lebensmittel geübt und als Zwangskauf verstanden. Danach kann in der hochmittelalterlichen Stadt (Oberitalien 12. Jh., Kopenhagen 1254, Schaffhausen 1380) eine bauliche Beschränkung festgelegt oder sogar das → Eigen gänzlich entzogen werden. Das Naturrecht anerkennt wegen der Entstehung des Eigentums des Einzelnen aus dem Recht der Allgemeinheit grundsätzlich  die E. gegen Entschädigung (→ Grotius, Christian Wolff, Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756, §§ 74, 75 Einleitung zum ALR 1794, § 365 ABGB 1811, Zwangskauf). Seit der französischen Revolution (1789 [Art. 17 Menschenrechtserklärung]/1807/1810 Expro­priationsgesetze) werden als grund­legende Voraussetzungen der E. (franz. [F.] expropriation) ein öffentliches Bedürfnis, ein rechtmäßiges Verfahren sowie eine ausgleichende Entschädigung angesehen (Bayern 1818, Deutsches Reich 1848/1849, Preußen 1850). Die E. wird als öffentlichrechtlicher Eingriff in ein privates Recht verstanden. Im 20. Jh. bildet in Deutschland die Verfassung (Art. 153 WRV, 14 GG) die Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Eigentum.

Lit.: Kaser § 23 I 3; Hübner 272; Köbler, DRG 40, 124, 163, 212; Baltl/Kocher; Layer, M., Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 1 1930, 225; Giese, F., Enteignung und Entschädigung, 1950; Mann, F., Zur Geschichte des Enteignungsrechts, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 2 1960, 291; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1770; Rittstieg, H., Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Grimm, D., Die Entwick­lung des Enteignungsrechts, (in) Wissenschaft und Kodifi­kation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 121; Pennitz, M., Der Enteignungsfall, 1992; Schubert, W., Zur Entwicklung des Enteignungsrechts 1919-45, ZRG GA 111 (1994), 482; Jung, O., Volksgesetzgebung, Bd. 1f. 2. A. 1996; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Paffrath, C., Macht und Eigentum, 2004; Niesler, A., Aufopferung und Enteignung vom ALR bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.; Eigentumsrecht und Enteignungsunrecht, hg. v. Gornig, G. u. a., 2008

Enteignungsgleicher Eingriff ist der in Deutschland durch die Rechtsprechung 1952 als entschädigungspflichtig eingeordnete rechtswidrige, einer rechtmäßigen Enteignung in den Wirkungen gleichkommende Eingriff in eine vermögenswerte Rechtsposition.

Lit.: Köbler, DRG 259

Enterbung ist die bereits dem klassischen römischen Recht (lat. [F.] exheredatio) bekannte Entziehung einer Erbaussicht eines (gesetzlich) Erbberechtigten durch → letztwillige Verfügung. Sie erscheint überall, wo letztwillige Verfügungen unbeschränkt zulässig sind.

Lit.: Kaser §§ 65, 67, 69; Hübner; Köbler, DRG 38; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Merkel, J., Die justinianischen Enterbungsgründe, 1908; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Entführung ist die rechtswidrige Fortführung eines Menschen, insbesondere einer (ein­willigenden) Frau zur Erreichung sexueller Ziele. Im römischen Recht ist für Vergewaltigung, Frauenraub und E. Enthauptung angedroht (C. 9, 13, 1). Im Frühmittelalter begründet die E. eine → Fehde. Im Spätmittelalter wird für E. (ohne Einwilligung) wie für Frauenraub und Notzucht Enthauptung angedroht. Seit der Mitte des 18. Jh.s tritt an die Stelle der Todesstrafe eine zeitliche Freiheitsstrafe. Im 19. Jh. geht die E. in der allgemeineren Freiheitsberaubung auf.

Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 145; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931

Entgeltfortzahlungsgesetz ist das 1995 das Lohnfortzahlungsgesetz ersetzende deutsche Gesetz.

Lit.: Köbler, DRG 273

Enthauptung ist die durch Abtrennung des Haupts vom Rumpf mittels Schwert oder später mittels Guillotine vollzogene Tötung bzw. → Todesstrafe.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967

Entmannung (Kastration) ist die Entfernung der Keimdrüsen eines Mannes. Sie führt im Frühmittelalter als Körperverletzung zu einer Buße (Wergeld). Sie kann im hohen Mittelalter auch als Strafe (bei Vergehen gegen die Sittlichkeit) eingesetzt werden. Im Dritten Reich wurden in Umsetzung älterer Überlegungen rund 366000 Menschen zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sterili­siert.

Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Tuchel, S., Kastration im Mittelalter, 1998; Kramer, S., Ein ehrenhafter Verzicht auf Nachkommenschaft, 1999; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000

Entmündigung ist die Entziehung oder Beschränkung der dem Entmündigten dem Alter nach an sich zustehenden → Geschäftsfähigkeit. In Rom kann nach dem Zwölftafelgesetz (5, 7c) der Verschwender durch (lat. [F.]) interdictio (Untersagung) (des Prätors) von allen Verpflichtungsgeschäften und Verfügungsgeschäften ausgeschlossen werden, wobei für das Vermögen des Ver­schwenders eine → Pflegschaft (lat. [F.] cura) eingesetzt wird. Im Mittelalter wird die Familie tätig, welche die bei körperlichen und geistigen Gebrechen mögliche E. vor Gericht kundzugeben hat. Später greift die Obrigkeit ein. Im 16. Jh. kann der Verschwender für unmündig erklärt werden. Seit dem 18. Jh. ist die E. ein besonderer Rechtsakt auf Grund eines eigenen gerichtlichen Verfahrens (1775 preuß. AGO I, 38, 1794 ALR I, 2 §§ 27ff., 1804 Code civil Art. 490ff., Code de procédure civile Art. 890ff., 1877 ZPO §§ 593ff.) Der Entmündigte erhält einen Vormund. Zur Erhebung einer Entmündi­gungsklage sind Ehegatte und Verwandte berechtigt, später auch der Staatsanwalt und gegebenenfalls die Gemeinde. Trunksucht und Rauschgiftsucht werden Grund für die E., während körperliche Gebrechen die E. nicht mehr begründen können. 1971 stützt eine Resolutuin der Vereinten Nationen (2856/­XXVI die Rechte geistig behinderter Menschen. Österreich hebt die Entmündi­gungsordnung vom 28. 6. 1916 durch das Sachwaltergesetz vom 2. 2. 1983 auf. In Deutschland wird die E. 1992 (Gesetz vom 12. 9. 1990) durch die → Betreuung ersetzt.

Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Hübner; Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft, Bd. 1f. 1862ff.; Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, Diss. jur. Tübingen 1891; Ent, H., Das Sachwalterrecht für Behinderte, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996; Schmidt, T., Die Entmündigung, 1998

Entnazifizierung ist die Reinigung von nationalsozialistischem Gedankengut und die damit verbundene Entfernung von Anhängern des → Nationalsozialismus aus ihren beruflichen Stellungen (auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20. 12. 1945 und z. B. des Gesetzes zur Befreiung unseres Volkes vom Nationalsozialismus vom 5. 3. 1946). Sie erfasst im Gebiet der alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland 3,6 Millionen Fälle. Als Folge werden 486 Menschen hingerichtet, 1667 als Hauptschuldige, 23060 als Belastete, 150425 als Minderbelastete, 1500874 als Mitläufer und 1213873 als Entlastete eingestuft. Andererseits entsteht bald eine überparteiliche Überein­stimmung dahin, Belastete rasch in die demokratische Gesellschaft einzugliedern. 1948 werden die Entnazifizierungsmaßnah­men der Alliierten eingestellt. In Westberlin werden aber zwischen 1955 und 1979 mehr als 1000 Sühneverfahren mit Geldstrafen von insgesamt mehr als 1,5 Millionen DM durchgeführt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Fürstenau, J., Entnazifizierung, 1969; Niethammer, L., Ent­nazifizierung in Bayern, 1972; Lange, J., Ent­nazifizierung in Nordrhein-Westfalen, 1976; Henke, K., Politische Säuberung unter französischer Besatzung, 1981; Niethammer, L., Entnazifizierung in Bayern?, 1982; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Entnazifizierung, hg. v. Vollnhals, C., 1991; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 1996, 2. A. 1997; Kappelt, O., Die Entnazifizierung in der SBZ, 1997; Schuster, A., Die Entnazifizierung in Hessen, 1999; Borgstedt, A., Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951, 2001; Entnazifizierung im regionalen Vergleich, hg. v. Schuster, W. u. a., 2004; Deissler, D., Die entnazifizierte Sprache, 2004; Bedau, M., Entnazifizierung des Zivilrechts, 2004; Ent­nazifizierung, hg. v. Mesner, M., 2005; Hesse, H., Konstruktionen der Unschuld, 2005; Botor, S., Das Berliner Sühneverfahren, 2006

Entsippung ist das im Frühmittelalter verschiedentlich erkennbare (freiwillige oder unfreiwillige) Ausscheiden aus einem Verwandtschaftsverband (→ Sippe).

Lit.: Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, 129

Entwerung ist der (freiwillige oder unfreiwillige) Verlust der → Gewere an einer Sache. Der Käufer einer Sache kann sich bereits im römischen Recht erst dann (wegen Nichterlangung des Eigentums) an den Verkäufer halten, wenn ihm die Sache von einem Dritten abgestritten worden ist.

Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Meyer, H., Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902

Enzyklopädie (F.) → Rechtsenzyklopädie

Lit.: Vulgariser la science - les encyclopédies médiévales, hg. v. Ribémont, B., 1999; Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit, hg. v. Meier, C., 2002; Kiesow, R., Das Alphabet des Rechts, 2004; Blom, P., Das vernünftige Ungeheuer, 2005; Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der frühen Neuzeit, hg. v. Schneider, U., 2006

Episcopalis audientia (lat. [F.]) ist die in der römischen Spätantike einsetzende besondere Gerichtsbarkeit des → Bischofs.

Lit.: Köbler, DRG 56

Episkopalismus ist die im Gefolge des Konzils von Trient die Stellung der Bischöfe gegenüber dem Papst betonende Strömung in Deutschland im 16. und 17. Jh. (Nikolaus von Hontheim 1763, Emser Punktation 1786).

Lit.: Raab, H., Die Concordata nationis Germanicae, 1956

Epitome (gr. [F.]) Auszug (aus einem umfangreichen Text) (z. B. E. exactis regibus [Frankreich 12. Jh.], E. legum [Byzanz 920])

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Epitome Iuliani ist eine Einführungs­vorlesung in lateinischer Sprache zu einer Sammlung von 124 Novellen Kaiser Justi­nians, die im Westen im Frühmittelalter die Kenntnis der justinianischen Novellen vermit­telt und von François Pithou in Basel 1576 ediert wird.

Lit.: Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechts, hg. v. Avenarius, M., 2008, 300

eques (lat. [M.]) → Ritter

Lit.: Stemmler, M., Eques Romanus, 1997

Equity (engl.) ist allgemein die → Billigkeit und im besonderen die Gesamtheit der anerkannten Sätze, nach denen das Gericht des Kanzlers (→ Court of Chancery) des → englischen Rechtes unter Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles, aber ohne unberechenbare Freiheit des Ermessens, verfährt. → aequitas

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Barbour, W., The history of contract in early English Equity, 1914; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999

Erasmus von Rotterdam (Rotterdam 28. 10. 1466? [uneheliches Kind eines Geistlichen]-Basel 12. 7. 1536), Humanist

Lit.: Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Ribhegge, W., Erasmus von Rotterdam, 2009

Erbabfindung ist der vermögensmäßige Ausgleich für die Aufgabe einer Erbaussicht. → Abschichtung, → Aussteuer

Erbach ist Hauptort einer Grafschaft im Odenwald, die um 1165 erstmals genannte ursprünglich ministerialische Herren von E. im allmählichen Aufstieg in die Reichs­standschaft (1422) gewinnen. Sie gelangt 1806 hauptsächlich an Hessen-Darmstadt und damit ihr Gebiet 1945 an Hessen.

Lit.: Killinger, G., Die ländliche Verfassung der Grafschaft Erbach, 1912; Steiger, U., Die Schenken und Herren von Erbach, 2007

Erbauseinandersetzung ist die Aufteilung eines Erbes (N.) unter mehreren Erben (M.). Bereits im altrömischen Recht kann jeder Miterbe (lat. [M.] → coheres) die Aufhebung der ohne weiteres eintretenden Gemeinschaft am Erbe (lat. [N.] → consortium) jederzeit mit dem Erbteilungsklaganspruch (lat. → actio [F.] familiae erciscundae) fordern. Seit der jüngeren Republik erhält jeder Miterbe schon während bestehender Gemeinschaft ein quotenmäßig begrenztes Recht an den einzelnen Erbschaftsgegenständen, über das er jederzeit verfügen kann. Außerdem kann er uneingeschränkt die Erbteilung begehren. Eine Aufteilung ist wohl auch bei den Germanen möglich. Allerdings erben mehrere Erben vermutlich als Gemeinschaft zur gesamten Hand, so dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass nicht verfügen kann. Jeder kann aber Teilung verlangen. Im Hochmittelalter soll dabei nach einer auch schon bei Plutarch für das 8. Jh. v. Chr. sowie bei dem Kirchenvater Augustin (354-430) bezeugten Regel der (eher zu einer gleichmäßigen Teilung fähige) Ältere teilen und der Jüngere (den ihm günstiger erscheinenden Teil) wählen (→ maior dividat, minor eligat). Die gesamthänderische Gestal­tung wird 1900 auch in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, das allerdings die Verfügung über den gesamten Erbteil zulässt.

Lit.: Kaser § 73; Hübner; Kroeschell, DRG 2

Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter fremdem Grund und Boden ein Bauwerk zu haben. Ihm entspricht im römischen Recht schon früh die Bürgern vererblich, aber zunächst wohl nicht veräußerlich erteilte Befugnis, auf städtisch­em Boden gegen Bezahlung eines Bodenzinses (lat. [N.] vectigal) ein Gebäude zu haben. Um die Zeitenwende tritt zu diesem als Pacht verstandenen Verhältnis das Recht hinzu, auf einem privaten Grundstück ein Gebäude (lat. [F.] → superficies) zu haben. Justinian erfasst dieses veräußerlich, vererblich und belastbar gestaltete Recht teils als Recht eigener Art, teils als Servitut und teils als Emphyteuse. Im Mittelalter entsteht unabhängig hiervon die → Erbleihe städtischer Grundstücke, die dem Beliehenen gegen jährlichen Zins ein vererbliches, unveräußerliches Recht an einem Grundstück gewährt, das jedoch allmählich zum → Eigentum erstarkt. Danach wird das römische Recht der superficies aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und ausführlicher die insofern das Gesetz ersetzende Verordnung über das E. (15. 1. 1919) schaffen ein besonderes veräußerliches und vererbliches, grundsätzlich grundstücks­gleich bestehendes Nutzungsrecht auf Errichtung, Besitz und Benutzung eines Bauwerks am Grundstück, wobei ein Erbbauzins nicht unbedingt erforderlich ist. Der Erbbauberechtigte ist regelmäßig Eigen­tümer des einen wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts bildenden Gebäudes. Das E. darf sich nicht auf einen Gebäudeteil beschränken. Die tatsächliche Bedeutung des Erbbaurechts ist gering. Österreich folgt der Regelung Deutschlands durch das das Baurechtsgesetz von 1912, die Schweiz im Zivilgesetzbuch von 1907/1911. Die Deutsche Demokratische Republik kennt ein ver­gleichbares Recht im 1975 erlassenen Zivil­gesetzbuch.

Lit.: Kaser § 30 II; Hübner; Köbler, DRG 41, 61, 240; Schiwek, D., Das Erbbaurecht, Diss. jur. Kiel 1969

Erbbaurechtsverordnung → Erbbaurecht

Erbe (M.) ist der Vermögensnachfolger des Erblassers. Erben sind in den ältesten Zeiten die Kinder des Erblassers, die das eigentümerlos gewordene Gut ohne weiteres in ihrer Gewalt haben. Im ältesten römischen Recht treten mit dem Tod des Familienvaters seine Hauskinder und seine gewaltunter­worfene Ehefrau, die mit dem Tod des Familienvaters gewaltfrei werden, als Rechtsgemeinschaft (lat. [N.] → consortium) der (lat.) → sui heredes (M.Pl.) an seine Stelle. Fehlen Hauserben, gelangt das Gut an die Agnaten (z. B. Geschwister des Erblassers, Geschwister des Vaters des Erblassers usw.) oder hilfsweise auch an die Gentilen als sog. Außenerben ([lat.] extranei heredes). Möglich sind aber Abschichtung und Abänderung durch ein Testament. E. (lat. [M.] → heres) ist dabei nur der E. nach dem Recht der römischen Bürger (lat. ius [N.] civile), dessen Berufung auf Gesetzen, Senatuskonsulten oder auf dem vom Kaiser geschaffenen Recht beruht. Deswegen kann der Prätor auch keinen Erben schaffen, sondern nur den Güterbesitz (lat. bonorum possessio [F.]) bestimmter Menschen wie den eines Erben schützen. Justinian beseitigt die Unterscheidung zwischen zivilem Erbrecht und bonitarischem Erbrecht, stellt Männer und Frauen sowie Hauskinder und emanzipierte Abkömmlinge gleich und schließt die Agnaten 543/548 als solche von der Erbfolge aus. Er bildet vier neue Erbklassen (Abkömmlinge [wobwi die Kinder nach Stämmen teilen], dann Eltern [Tewnnung in väterlichen Stamm und müttelrichen Stamm], Vorfahren und vollbürtige Geschwister, dann halbbürtige Geschwister und Kinder, und schließlich übrige Seiten­verwandte), von denen jede frühere jede spätere verdrängt. Die christliche Kirche fordert vielleicht aus heidnischen Kult­bräuchen und philosophischen Gerechtig­keitsvorstellungen heraus allmählich einen Anteil an jedem Erbe (→ Freiteil). Bei den Germanen geht das einem Hausvater (während seines Lebens als Verwalter für die Familie oder den Verwandtschaftsverband) besonders zuste­hende Gut mit seinem Tod auf seine Kinder über, Grund und Boden vielleicht nur auf die Söhne. Mehreren gehört es bis zu seiner Aufteilung gemeinschaftlich. Fehlen Kinder, so gelangt das Gut, da der Vater des Verstorbenen meist vorverstorben ist, als Erbe an Brüder, sonst Onkel usw. Stirbt die Frau, so fällt das von ihr möglicherweise mitgebrachte wie das ihr gegebenenfalls vom Mann zugewandte Gut an die Kinder, bei deren Fehlen aber an den (ursprünglich) Berechtigten ihrer väterlichen Familie zurück. Auch im Frühmittelalter haben Möglichkeiten zur Veränderung dieser Regeln noch keine wirkliche Bedeutung. Erst im Hochmittelalter wird das → Testament aufgenommen. Seitdem stehen neben den gesetzlichen Erben die gewillkürten Erben. Die Erbfolge ist im Einzelnen von Recht zu Recht unterschiedlich. An vielen Stellen dringt die justinianische Ordnung allmählich ein. Im 18. Jh. wird hieraus das → Pa­rentelensystem entwickelt (Joachim Georg Darjes 1714-1791). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s verbessert sich die rechtliche Stellung der Ehegatten (Deutschland 1957). Das nichteheliche Kind erhält in Deutschland 1969 ein Erbrecht oder zumindest einen Erb­ersatzanspruch, 1998 wird es gleichgestellt.

Lit.: Kaser § 65; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 59, 73, 88, 116, 122, 162, 210, 239, 268; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine Erben“, ZRG GA 84 (1967), 236; Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters, 2001

Erbe (N.) (lat. [F.] hereditas) ist der Nachlass eines verstorbenen Menschen. Er umfasst anfangs nur Werte (Vermögen), später auch Schulden. Manche Gegenstände können dabei zeitweise einer → Sondererbfolge unterfallen (z. B. Gerade, Heergewäte, Erbhof, Gesellschaftsanteil).

Lit.: Kaser § 65 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2

Erbebuch, Erbbuch ist eine Art des Amtsbuchs seit dem 16. Jh. bzw. eine Art des Stadtbuchs seit dem 13. Jh.

Lit.: Homeyer, G., Die Stadtbücher des Mittelalters, 1860; Die Erbebücher der Stadt Riga 1384-1579, bearb. v. Napiersky, J., 1888; Thieme, A., Die kursächsischen Amtsbücher, Familie und Geschichte 6/16 (2007), 1ff.

Erbeinsetzung ist die besondere Bestimmung zum Erben. Vielleicht schon im altrömischen Recht ist die E. (lat. heredis institutio [F.]) das Kernstück jeden Testaments. Jedes Testament muss eine E. enthalten, die (bis zu Kaiser Konstantin [306-337]) am Anfang stehen muss (lat. z. B. Titius heres esto, Titius soll Erbe sein). Die E. schafft entweder einen einzigen Erben oder lautet auf einen Bruchteil der Erbschaft. Im mittelalterlichen Recht gibt es eine besondere E. des Enkels am Grabe oder an der Bahre eines vorverstorbenen Kindes, die ein fehlendes → Eintrittsrecht ersetzt. In der Neuzeit übernehmen Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756), Allgemeines Landrecht Preußens (1794) und Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs (1811) die Notwendigkeit der E. im Testament, während Code civil Frank­reichs (1804), Bürgerliches Gesetzbuch Sach­sens (1863), Bürgerliches Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900) und Zivil­gesetzbuch der Schweiz (1907/1911) hierauf verzichten.

Lit.: Kaser § 68; Köbler, DRG 23, 38; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968

Erbengemeinschaft ist die im Falle mehrerer Erben (Miterben) entstehende Gemeinschaft (lat. [N.] → consortium [ercto non cito]). Sie ist im klassischen römischen Recht sowie im neuzeitlich aufgenommenen römischen Recht Bruchteilsgemeinschaft, bei der Forderungen und Verbindlichkeiten anteilmäßig geteilt sind (z. B. § 555 ABGB Österreichs 1811), sonst meist Gesamt­handsgemeinschaft (BGB des deutschen Reiches 1896/1900 §§ 2032ff., ZGB Schweiz 1907/1911, ähnlich ALR Preußens 1794). Sie endet durch → Erbauseinandersetzung. Vorempfänge sind meist rechnerisch auszugleichen.

Lit.: Kaser § 73; Söllner § 8; Hübner 749ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 122, 162, 207; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts, 1962, 5. A. 2001

Erbenhaftung ist die Haftung des Erben für Schulden des Erblassers (und der Erbschaft). Wohl schon das römische → Zwölftafelgesetz (451/450 v. Chr.) lässt die Haftung für Schulden des Erblassers auf den übergehen, der die Rechte des Erblassers erwirbt. Teilbare Schulden zerfallen mit der Erbfolge von selbst nach dem Verhältnis der Erbteile in selb­ständige Schulden. Der Erbe haftet unbeschränkt. Er muss also notfalls auch sein vor dem Erbfall bestehendes Vermögen zur Tilgung der ererbten Schuld verwenden. Er kann sich aber als Hauserbe der Erbschaft enthalten oder als Außenerbe die Erbschaft ausschlagen. Dagegen können sich die Nachlassgläubiger gegen die Nachteile, die ihnen aus der Überschuldung des Erben drohen, durch Verlangen einer Sicher­heitsleistung oder durch eine Scheidung vom Nachlass und Erbenvermögen (lat. separatio [F.] bonorum) schützen. Justinian (527-565) gewährt dem Erben die Wohltat des → Inventars (lat. → beneficium [N.] inventarii), wonach er durch die Errichtung eines Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände die Haftung für Schulden des Erblassers auf die Gegenstände der Erbschaft beschränken kann Haftung cum viribus hereditatis). Im deutschen Recht haftet für Schulden des Erblassers noch im → Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl, Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen. In der Neuzeit wird die justinianische Rechtswohltat des Inventars übernommen. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) geht von der beschränkten Haftung des Erben aus, verwandelt diese aber in eine unbeschränkte Haftung, wenn der Erbe nicht fristgerecht ein Inventar errichtet. Das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863) sieht beschränkte Haftung vor. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900) ist die Haftung des Erben unbeschränkt, aber auf den Wert des Nachlasses beschränkbar (Haftung pro viribus hereditatis, Nachlassverwaltung, Nachlass­konkurs, Inventarerrichtung).

Lit.: Kaser § 74; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lewis, W., Die Succession des Erben, 1864; Freytagh-Loringhoven, A. v., Die Schuldenhaftung der Erben nach den livländischen Rechtsbüchern, ZRG GA 27 (1906), 92; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Enneper, C., Die Reform der Erbenhaftung im Erbrechtsausschuss, 1993; Peer, R., Die Vorschläge der Akademie für Deutsches Recht, Diss. jur. Mannheim 1995; Muscheler, K., Die Haftung der Erben im preußischen ALR, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Erbenlaub ist im mittelalterlichen deutschen Recht (z. B. → Sachsenspiegel) die (aus der Gebundenheit des Familienguts erwachsende Notwendigkeit der) Zustimmung (Erlaubnis) des (zur Zeit einer Verfügung) nächsten Erben zu einer Verfügung des (künftigen) Erblassers über ein Grundstück. Damit gibt der Erbe seine Erbaussicht auf Erbgut (im Gegensatz zu Kaufgut) auf. Fehlt das E., ist das Geschäft zwischen Erblasser und Dritten gegenüber dem Erben unwirksam. Dieser kann es angreifen und das veräußerte Gut teils ohne Gegenleistung, teils gegen Erstattung des Kaufpreises (→ Erbenlosung) verlangen. Der unmündige Erbe hat diese Rechte bis zu einer bestimmten Frist nach Erreichen der Mündigkeit. Zuerst in den Städten, dann auch allgemeiner schwindet das E., wird aber teilweise als Vorkaufsrecht fortgeführt.

Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1886, 54; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familienge­meinschaft im älteren Walliser Recht, 1955

Erbenlosung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Befugnis eines Erben, ein ohne seine Zustimmung abgeschlossenes Verfügungsge­schäft über ein Grundstück des Erblassers gegen Erstattung des Kaufpreises an den Erwerber rückgängig zu machen.

Lit.: Hübner 428; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853

Erbenwartrecht ist das Anrecht (Wartrecht) des nächsten künftigen Erben (z. B. der Söhne) auf das Vermögen eines künftigen Erblassers. Es ist eine Art Anwartschaft auf die in Aussicht stehende Erbschaft. Es beruht auf der Familiengebundenheit des Hausguts. Es wirkt sich (allmählich nur noch) im → Erbenlaub und der → Erbenlosung bzw. dem ausgleichsfreien Herausgabeanspruch (Revo­kationsrecht) aus. In der frühen Neuzeit wird es durch den Grundsatz der Testierfreiheit verdrängt.

Lit.: Hübner 328; Köbler, DRG 124; Schröder, R., Zur Geschichte des Warterechts der Erben, ZRG 9 (1870), 410; Adler, S., Über das Erbenwartrecht nach den ältesten bairischen Rechtsquellen, 1891; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 1931, 217

Erbfolge ist der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den Erben. Für die E. entwickeln sich bereits früh vor allem in der Hinsicht Regeln, wer der → Erbe (oder die gemeinschaftlichen Erben) innerhalb der Gesamtheit der Verwandtschaft des Erblassers ist (oder sind). Dabei unterscheidet das römische Recht zunächst zwischen von selbst erbenden Hauserben (lat. → sui heredes [M.Pl.) und nach Annahme erbenden Außenerben (lat. heredes extranei) und legt danach eine genauere Reihenfolge fest, die in der justinianischen Novelle 118 zu den vier einander sukzessive ausschließenden Klassen der Abkömmlinge (1), der Eltern und sonstigen Vorfahren sowie der vollbürtigen Geschwister (2), der halbbürtigen Geschwister und ihrer Kinder (3) und aller übrigen Seitenverwandten (4) führt. Das germanische Recht trennt zwischen Hausgemeinschaft und der (ansatzweise in Familienschaften gegliederten übrigen) Ver­wandtschaft. Der Sachsenspiegel (Landrecht I 3 § 3 [1221-1224]) verwendet hierfür das Bild des menschlichen Körpers, bei dem der Erblasser durch den Kopf, die Kinder, Eltern und Geschwister durch den Hals, die Enkel, Großeltern, Eltern­ge­schwister und Ge­schwisterkinder durch die Schulter, die Urenkel, Urgroßeltern, Groß­el­terngeschwis­ter, Elterngeschwisterkinder und Geschwis­terenkel durch die Ellenbeuge, die Ururenkel, Ururgroßeltern, Urgroßelterngeschwister, Großelterngeschwister­kin­der, Elterngeschwis­ter­en­kel und Geschwister­ur­enkel durch das Handgelenk usw. versinn­bildlicht werden und ausgenommen die Angehörigen des ersten Glieds die gleich nah Geborenen zu gleichen Teilen erben. Im Übrigen sind die Ordnungen der E. im Einzelnen landschaftlich und örtlich sehr unterschiedlich. Allgemein wird ein → Eintrittsrecht der Enkel zunehmend bejaht und die Schlechterstellung der Frau ver­ringert. In der Neuzeit dringen verschiedene Gedanken des römischen Rechtes in das deutsche Recht ein. Das Erbfolgepatent Kaiser Josphs II. vom 11. 5. 1786 legt eine einheitliche Intestaterbfolge für die öster­reichischen Erbländer nach dem Parentel­system fest, wobei bei Fehlen eine Verwandten der 6 Parentelen der Ehegatte erbt. Das Allgemeine Landrecht Preußens (17949 verbindet die Erbfolge nach Stämmen mit dem Eintrittsrecht der Abkömmlinge (II 2 §§ 348ff.). Der Code civil (1804) unterscheidet Deszendenten, Aszendenten und Seitenver­wandte (Art. 731ff.), so dass den Deszendenten die Eltern und Geschwister mit sämtlichen Abkömmlingen folgen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) wendet das Paren­telensystem durchgehend an (§§ 730ff., Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömm­linge, Großeltern und deren Abkömmlinge, Urgroßeltern) und knüpft den Erbgang an die gerichtliche Einantwortung in den Nachlass an. Im Bürgerlichen Gesetzbuch des deut­schen Reiches (1896/1900) geht die gewillkürte E. der gesetzlichen E. vor und werden (jeweils außer dem Ehegatten) fünf Ordnungen von gesetz­lichen Erben nach einem → Parentelensystem unterschieden (Abkömm­linge, Eltern und deren Ab­kömmlinge, Großeltern und deren Abkömm­linge usw.). Fehlen Verwandte und Ehegatte, so erbt der → Fiskus als gesetzlicher Erbe. Zusätzliche Beson­derheiten gelten für die E. in die Stellung eines Monarchen.

Lit.: Kaser § 66; Hübner 752; Danz, W., Versuch einer Entwicklung der gemeinrechtlichen Erbfolgeart in Lehen, 1793; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Wasserschleben, H., Das Prinzip der Successionsordnung nach deutschem und insbesondere sächsischem Rechte, 1860; Stobbe, O., Die Erbfolgeordnung nach den Magdeburger Schöffensprüchen, 1865; Wassersch­leben, H., Das Prinzip der Erbenfolge, 1870; Schanz, F., Das Erbfolgprinzip des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 1883; Gál, A., Der Ausschluss der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Freytagh-Loringhoven, A. Frhr. v., Der Sukzessionsmodus des deutschen Erbrechts, 1908; Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preußen, hg. v. Sering, M., Bd. 7 1908; Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts, ZRG GA 36 (1915), 137; Kühn, O., Die kaiserliche Konstitution von 1529 über die Erbfolge der Geschwisterkinder und Ulrich Zasius, ZRG GA 78 (1961), 310; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149ff.; Diestelkamp, B., Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme 1977, 1; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Buchholz, S., Erbfolge und Wiederverheiratung, 1986; Olzen, D., Vorweggenommene Erbfolge, 1988; Meuten, L., Die Erbfolgeordnung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 2000; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren Privatrechtsgeschichte, 2005

Erbfolgekrieg ist der aus Anlass eines Streites um die → Erbfolge in einem Erbfall entstehende Krieg (z. B. bayerischer E., schle­sischer E., spanischer E.). Er endet vielfach mit einer einvernehmlichen Güteraufteilung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Erbfolgepatent ist das die Erbfolge ordnende Patent wie z. B. das Patent Josephs II. vom 11. 5. 1786, mit dem eine einheitliche gesetzliche Erbfolge für die österreichischen Erbländer festgesetzt wird (6 Parentelen, subsidiäres Erbrecht des Ehegatten, der bis zur Wiederverheiratung außerdem ein Frucht­genussrecht an einem Viertel des Nachlasses erhält).

Erbgut ist im deutschen Mittelalter das durch Erbfolge erworbene Gut im Gegensatz zum durch Kauf erlangten Gut. Für das E. gelten bis in die Mitte des 19. Jh.s verschiedentlich besondere Regeln (z. B. → Erbenwartrecht).

Lit.: Hübner 747; Kroeschell, DRG 1f.

Erbhof ist allgemein der durch lange → Erbfolge im Eigentum einer Familie stehende bäuerliche Hof. Im Dritten Reich wird für den Eigentümer des vom → Reichserbhofgesetz (vom 29. 9. 1933, aufgehoben durch Art. I 1 Kontrollratsgesetz Nr. 45 zum 23. 4. 1947) erfassten Erbhofs (35 % der Höfe) (sog. Bauer im Gegensatz zu den sonstigen Landwirten) die → Testierfreiheit einge­schränkt.

Lit.: Köbler, DRG 239; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus konkretem Ordnungsdenken, ZNR 1992, 55ff.; Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht, 2004; Czeguhn, I., Das Reichserbhofgesetz (ungedruckt)

Erbhuldigung ist (vor allem in den österreichischen Erbländern) der besondere Akt der → Huldigung (der Landleute gegenüber dem Landesherrn), der in Niederösterreich auf das Jahr 1282, in der Steiermark auf das Jahr 1186 und in Kärnten auf die Herzogseinsetzung auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal zurückgeführt wird.

Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Brademann, J., Autonomie und Herrschaft, 2006

Erblande sind grundsätzlich die (seit alters) ererbten Länder gegenüber neueren Ländern. Zu den nach anderen älteren Zusam­menfassung von 1336 oder 1364 seit dem 15. Jh. so bezeichneten, sich im Lauf der Zeit wandelnden österreichischen Erb­landen oder Erbländern zählen zunächst die Stammlande Habsburgs in der Schweiz und in Schwaben (1380 obere lande, 1480 vordere Lande, 16. Jh. Vorderösterreich), das Herzog­tum Öster­reich einschließlich vor allem der Steiermark, Kärntens (1335, mit Krain) und Tirols (1363) sowie der Markgrafschaft Istrien und der windischen Mark (1374), Triests (1382) der Grafschaft Görz und der Herrschaft Gradiska (1500). Später kommen Burgund (selten) sowie Böhmen (und Ungarn selten) hinzu. Schließlich werden unter dem Begriff der E. alle österreichischen Gebiete einschließlich Böhmens von Ungarn, Galizien und den italienischen Ländern geschieden. Um 1800 erstrecken sich die deutschen E. der Habsburger auch auf Galizien, Bukowina, Dalmatien und Lombardo-Venetien. Der eher privatrecht­lichen Vorstellung der E. entspricht dann (1848) der öffentlichrechtliche der Kronländer, innerhalb deren zwischen öster­reichischen (mit Galizien) und ungarischen getrennt wird. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s werden österreichische E. und Länder der ungarischen Krone gegenübergestellt, aller­dings stark abnehmend, da die öster­reichischen E. bald inoffiziell und ab 1915 auch offiziell als Österreich bezeichnet werden.

Lit.: Baltl/Kocher; Hellbling, E., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956, 65, 267, 275; Zöllner, E., der Österreichbegriff, 1988; Brauneder, W., Die Habsburgermonarchie als zusammengesetzter Staat, (in) Zusammengesetzte Staatlichkeit, hg. v. Becker, H., 2006, 197ff.

Erblasser ist der Mensch, der bei seinem Tode ein Erbe (hinter)lässt.

Lit.: Immel, G., Die höchstpersönliche Willens­entscheidung des Erblassers, 1965; Tschäppeler, H., Die Testierfreiheit, 1983

Erbleihe ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die erbliche, vielfach veräußerbare, meist entgeltliche → Leihe von Grund­stücken. Sie entspricht in vielen Zügen der spätrömischen Emphyteuse (Erbpacht) und der Bittleihe (Prekarie). Sie entwickelt sich sowohl in der mittelalterlichen Stadt wie in der ländlichen Grundherrschaft. In der Stadt wird aus dem erblichen Zins allmählich eine privatrechtliche → Reallast an Eigentum. Auf dem Land treten zu dem privatrechtlichen Verhältnis die öffentlich­rechtlichen Elemente der Herrschaft des Grundherrn über den Hintersassen hinzu. Die E. endet hier mit der Beseitigung der → Grundherrschaft in der Mitte des 19. Jh.s, weshalb sie im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nicht mehr enthalten ist.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130; Schwind, E. v., Zur Entstehungsgeschichte der freien Erbleihen, 1891, Neudruck 1973; Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe, ZRG GA 22 (1901), 181; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Schreiber, O., Die Geschichte der Erbleihe in der Stadt Straßburg im Elsass, 1909; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten bis 1500, 1925; Beer, K., Beiträge zur Geschichte der Erbleihe in elsässischen Städten, 1933; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln, 1939

Erbmonarchie ist die durch das Erbrecht einer Dynastie auf die (staatliche) Herrschaft gekennzeichnete Monarchie. Das Heilige römische Reich (deutscher Nation) schwankt zwischen Erbrecht und Wahl, wobei der Versuch eines Erbreichsplans Heinrichs VI. im deutschen Reich 1196 scheitert. Tatsächlich kommen aber die Könige und Kaiser des Reiches seit 1438 fast durchweg aus der Familie der Habsburger bzw. dem Hause → Habsburg. In den Ländern setzt sich demgegenüber das Prinzip der Erblichkeit der Herrschaft durch, bis es 1918 beseitigt wird.

Lit.: Köbler, DRG 95; Perels, E., Der Erbreichsplan Heinrichs VI., 1927; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004

Erbpacht (z. B. § 1122 ABGB, vgl. § 1123 ABGB Erbzinsrecht, ab 1848 leerlaufend) → emphyteusis

Lit.: Brunner, H., Die Erbpacht der Formel­samm­lungen, ZRG GA 5 (1884), 69

Erbrecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die das → Erbe betreffen, subjektiv die im Erbfall entstehende Berechtigung des Erben am Nachlass. Es ist von den erkennbaren Anfängen des Rechts an ein wichtiger Bestandteil (des Privatrechts). Kennzeichnend ist zunächst die vorgegebene (gesetzliche) → Erbfolge (der Verwandten nach verwandtschaftlicher Nähe zum Erb­lasser unter teilweiser Bevorzugung von Männern), die schon im altrömischen Recht und danach erneut im hochmittelalterlichen Recht um die Möglichkeit ergänzt wird, die gesetzliche Erbfolge gewillkürt abzuändern (gewillkürte Erbfolge, → Erbvertrag, → Tes­tament). Seit dem Ende des 19. Jh.s wird das E. zunehmend durch die → Erbschaftsteuer (Deutsches Reich 1906/1911) beeinflusst.

Lit.: Kaser §§ 65ff.; Söllner §§ 8, 12, 18; Hübner 734; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 162, 206, 210; Baltl/Kocher; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Zachariä von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955, 133; Brunner, H., Der Totenteil in germanischen Rechten, ZRG GA 19 (1898), 107; Brunner, H., Kritische Bemerkungen zur Geschichte des germanischen Weibererbrechts, ZRG GA 21 (1900), 1; Dultzig, E. v., Das deutsche Grunderbrecht, 1899; Escher, A., Der Einfluss des Geschlechtsunterschiedes, 1899; Schultze, A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Ferrari, G., Ricerche sul diritto ereditario, 1914; Fischel, A. v., Erbrecht und Heimfall auf den Grundherrschaften Böhmens und Mährens, Archiv für österreichische Geschichte 106 (1915); Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928; Meyer, H., „Ligurisches Erbrecht“, ZRG GA 50 (1930), 354; Hegglin, G., Das gesetzliche Erbrecht der Rechtsquellen Unterwaldens, Diss. jur. Bern 1930; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 516; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Besta, E., Le successioni, 2. A. 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval England, 1963; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts, 1964; Arnold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Bart, J., Recherche sur l’histoire des successions, 1966; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine Erben“ in mittelalterlichen Schuldurkunden, ZRG GA 84 (1967), 236ff.; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Fedynskyj, J., Rechtstatsachen auf dem Gebiete des Erbrechts im Gerichtsbezirk Innsbruck 1937 bis 1941, 1968; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977; Schröder, R., Abschaffung oder Reform des Erbrechts, 1981; Müller-Eiselt, K., Divus Pius constituit, Diss. jur. Freiburg 1982; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Hattenhauer, H., Zur Dogmengeschichte des Erbrechts, Jura 1983, 9, 68; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Udina Abelló, A., La successió testado, 1984; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Erbrecht, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zur Geschichte des Familien- und Erbrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Waibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8. und 9. Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Baker, H., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993; Andres, I., Der Erbrechtsentwurf von Friedrich Mommsen, 1996; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht, 1997; Bühler, T., Die Methoden der Rezeption des römisch-gemeinen Rechts in die Erbrechte der Schweiz, ZRG GA 120 (2003); Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern, 2001; Heusen, F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002; Beckert, J., Unverdientes Vermögen, 2004; Seif, U., Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen Rechtsauf­zeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88

Erbschaft ist das aus Rechten und Pflichten bestehende Vermögen des Erblassers, das bei seinem Tod als Ganzes auf eine(n) oder mehrere Menschen bzw. Personen übergeht. Lateinisch heißt die E. → hereditas (F.). Die Zugehörigkeit der Grundstücke, Rechte und Verpflichtungen zur E. entwickelt sich erst allmählich.

Lit.: Kaser §§ 65 I, 66 IV; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002

Erbschaftsanfall ist der Übergang der Rechte und Pflichten des Erblassers (Erbschaft) auf den Erben (im Wege der Gesamtrechts­nachfolge). Er erfolgt z. B. bei den mit dem Tod des Hausvaters gewaltfrei werdenden römischen Hauserben (lat. sui heredes als necessarii heredes) grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers, wobei eine Enthal­tungsmöglichkeit ([lat.] beneficium abstinen­di) besteht. Dagegen müssen im römischen Recht die Außenerben (Agnaten, Gentilen) einen besonderen Erwerbsakt (Erbschafts­antritt, lat. [F.] aditio hereditatis) vornehmen, so dass zwischen dem Tod des Erblassers und dem Erbschaftsantritt eine sog. ruhende Erbschaft (lat. hereditas [F.] iacens) vorliegt. Dieses Ruhen der Erbschaft wird in der Neuzeit in einigen Rechten (für alle Erben) übernommen. Daneben ist verschie­dentlich eine Einweisung in die Erbschaft durch das zuständige Gericht erforderlich (§ 797 ABGB Österreichs [1811], vorher Erbantritts­erklä­rung). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900) und im schweizerischen Zivil­gesetzbuch (1907/1911) wird die Erbschaft unmittelbar erworben.

Lit.: Kaser § 71 II; Hübner 734; Köbler, DRG 210; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4 1893, 541; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Fischer, H., Vonselbsterwerb und Antrittserwerb, 1996; Bielefeld, C., Die Entwicklung des Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht, 1997; Heuser, F., Der Erb­schaftserwerb im Spätmittelalter, 2002

Erbschaftsanspruch ist bereits im klassischen römischen Recht der eine (lat. actio in rem bildende) Klaganspruch des Erben (nach zivilem Recht) gegen den, der einen Vermögensvorteil aus der Erbschaft erlangt hat, auf Herausgabe (lat. hereditatis petitio [F.]), wobei ein gutgläubiger Besitzer nach dem → Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) nur herauszugeben hat, worum er bereichert ist. Der Erbe nach prätorischem Recht (lat. bonorum possessor [M.] ) kann die Herausgabe auf Grund eines (lat.) interdictum (N.) quorum bonorum verlangen. Der E. wird in der frühen Neuzeit weitgehend übernommen (Erbschaftsklage).

Lit.: Köbler, DRG 37; Müller-Ehlen, M., Hereditatis petitio, 1998

Erbschaftsschuld ist die von einem Erblasser oder aus dem Erbfallsvorgang herrührende Schuld. Für sie haftet der Erbe nach römischem Recht mit der von Justinian gewährten Rechtswohltat des → Inventars. Im Hoch­mittelalter haftet noch im Sachsen­spiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl oder Spiel) überhaupt ausge­nommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen, doch wird die Rechtswohltat des Inventars aufgenommen. → Erbenhaftung

Lit.: Kaser § 74; Hübner; Köbler, DRG 59, 123

Erbschaftsteuer ist die den Übergang eines Vermögens durch → Erbfolge erfassende → Steuer. Ihr gehen bereits im Mittelalter Sterbefallsabgaben etwa an den Grundherrn (→ Besthaupt, Buteil) voraus. Im Deutschen Reich wird (3. 6.) 1906/1911 eine E. eingeführt. Ihre Höhe wird gestaffelt und führt bei sehr großen Vermögen zu sehr beachtlichen Steuern. Sie werden im Laufe der Zeit (z. B. 1997 bis 30%, 2008) noch erhöht.

Lit.: Köbler, DRG 210; Hübner, H., Erbschaft­steuer­reform 2009, 2009

Erbschein ist das amtliche, vom Nachlassgericht auf Antrag auszustellende Zeugnis des Erben über sein Erbrecht und bei mehreren Erben auch über die Größe des jeweiligen Erbteils. Ein entsprechendes Zeugnis kennen bereits neuzeitliche Partikularrechte, die es allerdings auf den Fall der gesetzlichen → Erbfolge beschränken. Aus den Erbbescheinigungen in Mecklenburg und Neuvorpommern sowie seit 1869 das ganze Preußen entwickelt sich der E. des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 211; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Hirsch, M., Von der Erbbescheinigung des preußischen Rechts zum Erbschein des BGB, 2004

Erbschulze ist der erbliche Leiter (Schulze) der bäuerlichen Gemeinde (und Beauftragter der Herrschaft) der mittelalterli­chen deut­schen Ostsiedlung vom 12. bis zum 19. Jh. Der E. hat meist einen besonderen Erb­schulzenhof und oft auch weitere Vorrechte.

Lit.: Riedel, L., Über die Dorfschulzen, 1834; Schwineköper, B., Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen, (in) Vorträge und Forschungen 8, 1964, Bd. 2 115

Erbteilung ist die Aufteilung des Erbes unter Erben. Für sie kennt im Streitfall bereits das römische Recht Klagansprüche ([lat.] actio familiae erciscundae).

Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478

Erbtochter ist die Tochter (evtl. auch eine weitere weibliche Verwandte) des letzten Mannes einer (adligen) Familie. Über sie werden vielfach bedeutende Güter vererbt (z. B. Maria Theresia in Österreich).

Lit.: Hübner; Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, A., Prinzipien der Thronfolge in Europa, (in) Vorträge und Forschungen, 1986

Erbunfähigkeit ist die Unfähigkeit, Erbe zu werden (z. B. im römischen Recht Perso­nenverbände, später Ordensangehörige mit Armutsgelübde).

Erbuntertänigkeit ist im neuzeitlichen deutschen Recht (in Preußen) die in Abschwächung der Leibeigenschaft ent­stehende grundherrschaftliche Abhängigkeit (Un­frei­heit).

Lit.: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Erbunwürdigkeit ist die im spätrömischen Recht aus Einzelfällen (z. T. Tötung des Erblassers, Verhinderung, Unterdrückung oder Fälschung des Testaments) entwickelte Unwür­digkeit, Erbe zu sein. Dem Erbunwürdigen wird das ererbte Gut vom Staat (lat. [N.] aerarium, später [M.] fiscus) entzogen. Die E. wird im neuzeitlichen Recht übernommen.

Lit.: Kaser § 71 V; Hempel, I., Erbunwürdigkeit, Diss. jur. Köln 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Erbverbrüderung → Erbvertrag

Lit.: Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867

Erbvertrag ist der Vertrag zwischen min­destens zwei Menschen, in dem mindestens einer der Vertragsschließenden (Erblasser) vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen (z. B. Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflage) trifft. Der E. ist im römischen Recht (als sittenwidrig) unzulässig (D. 45, 1, 61), den griechischen Rechten dagegen geläufig und deswegen in der oströmischen Rechtswirk­lichkeit im Gegen­satz zum gesetz­lichen Verbot verbreitet. Das Frühmittelalter kennt mit der fränkischen → Affatomie und dem langobardischen Speer­gedinge die Möglichkeit, den Nachlass einem nicht verwandten Menschen durch Rechts­geschäft zukommen zu lassen. Etwas später gewinnt die Gabe nach dem Tod (lat. donatio [F.] post obitum) an Bedeutung, für die es streitig ist, ob sie schon E. ist. Hierher gehört dann insbesondere die seit dem 14. Jh. vor­dringende Erbverbrüderung (adliger Familien) zwecks Gestaltung der künftigen Güter­zuordnung (z. B. 1373/1457 Braun­schweig, Sachsen, Hessen, 1442 Branden­burg, Mecklenburg, 1537 Liegnitz). In der frühen Neuzeit werden seit der Mitte des 17. Jh.s vom → usus modernus pandectarum bestimmte Arten von erwerbenden Erbverträ­gen auf deutschrechtlicher Grundlage bejaht. Eine allgemeine Anerkennung erfolgt im Naturrechtszeitalter bei Leyser (1683-1752), Böhmer (1674-1749) und Heineccius (1681-1741). Die Gesetzbücher seit dem 18. Jh. lassen den E. zu (Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756 III, 11, § 1, ALR Preußens 1794 I 12 §§ 617ff.), wobei ihn das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/­1812) auf Ehegatten und drei Viertel des Nachlasses beschränkt. Die strenge wissenschaftliche Ausformung des Erbvertrags erfolgt durch Hasse 1828.

Lit.: Kaser § 65; Hübner 788; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 38, 123, 162, 211; Hasse, J., Ueber Erbvertrag, Rhein. Museum für Jurisprudenz 2 (1828), Heft 2; Beseler, G., Die Lehre von den Erbverträgen, Bd. 1ff. 1835ff.; Hartmann, G., Zur Lehre von den Erbverträgen, 1860; Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867; Kugelmann, G., Gemein­rechtliche Begründung des partikulären Erbvertrages, 1875; Vismara, G., Storia dei patti successori, Bd. 1f. 1941; Vismara, G., I patti successori nella dottrina di Bartolo, (in) Bartolo di Sassoferrato, Bd. 2 1962, 755; Battes, R., Gemeinschaftliches Testament und Ehegattenerbrecht, 1974; Wesener, G., Zur Lehre vom Erbvertrag, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 607; Jaeckel, G., Die Liegnitzer Erbverbrüderung von 1537, 1988; Kuttig, W., Der brandenburgisch-schlesische Erbverbrüderungsvertrag, 1988; Weimar, P., Erbvertrag und gute Sitten, Misc. D. Maffei, Bd. 4 1995, 231; Christiansen, T., Die erbvertragliche Bindungswirkung in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts, 2004; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 2005

Erbverzicht ist der Verzicht auf das Erbe. Er ist im römischen Recht ausgeschlossen.

Erbzins (M.) erbliche Zinsverpflichtung, vielfach aus Erbleihe, vom Mittelalter bis ins 19. Jh.

Lit.: Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich im Mittelalter, 1906; Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003

Ercto non cito (lat.) ist die altrömische Erbengemeinschaft (lat. [N.] consortium).

Lit.: Kaser §§ 66 I 2

Erfindung ist die erstmalige Herstellung eines neuen Werkes. In Altertum und Mittelalter erfährt die E. keinen rechtlichen Schutz. Erst mit der E. des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Guten­berg (Mainz um 1450) entwickelt sich allgemeiner der Schutz der E. (z. B. durch Privilegien gegen den unerlaubten Nach­druck von Büchern). Hieraus entstehen im 19. Jh. Urheberrecht, Patentrecht und weitere Erfinderrechte.

Lit.: Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Zycha, A., Zur älteren Geschichte und vergleichsweisen Bedeutung des niederländischen Erfindungsschutzes, ZRG GA 62 (1942), 294; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, 2000; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im Rechtsverkehr, 2004; Schmidt, A., Erfinderprinzip und Erfinderpersönlichkeitsrecht im deutschen Patentrecht, 2009

Erfolgshaftung ist die beim bloßen Verursachen eines Erfolgs ohne Rücksicht auf die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens eintretende Haftung (wie sie in dem spätmittelalterlichen Rechtssprichwort → „Die Tat tötet den Mann“ zum Ausdruck gebracht wird). Im weiteren Sinn wird darunter auch die Strafbarkeit wegen eines bloßen verursachten Erfolges verstanden. E. in diesem Sinn ist für die Frühzeit in weitem Umfang wahr­scheinlich, weil (wie bei der Rache) ein Anknüpfen am verur­sachten sichtbaren Erfolg geringere Schwierigkeiten bereitet als die Prüfung eines inneren unsichtbaren Gedankenvorgangs und die Erfahrung zudem zeigt, dass bestimmte äußere Ergebnisse typischerweise bestimmten inneren Ziel­setzungen entsprechen. Abwei­chend hiervon unterscheidet bereits das altrömische Recht (→ Zwölftafelgesetz [451/0 v. Chr.] 8, 24a) zwischen gewolltem Erfolg und nicht gewolltem Erfolg. Hieraus entwickelt sich die grundsätzliche Be­schränkung auf die Haftung für ein verschuldetes Verhalten. Allerdings ist auch eine Haftung für das Verschulden eines Gehilfen (bei Werkvertrag) oder aus deliktischem Verhalten eines Gewalt­unterworfenen (→ Noxalhaftung) aner­kannt. Dieser Entwicklung entspricht es, dass das germanische Recht wohl zwar am äußeren Erfolg anknüpft, darin aber typisierend zugleich den schädigenden Willen erfassen will. Das frühmittelalterliche Recht unterscheidet zwi­schen vorsätzlicher Tat und sog. Ungefährwerk. Demgegenüber bedrohen hochmittelalterliche Strafrechtsquellen des öfteren Fälle von Ungefährwerk (ungewollte Tötung und Körperverletzung) mit peinlichen Strafen. Demnach entwickelt sich ein ausgeprägtes Schuldstrafrecht erst in der Neuzeit. Im Privatrecht setzt sich das Verschuldensprinzip unter dem Einfluss des Liberalismus im 19. Jh. (→ Ihering) durch. Gleichzeitig gewinnt aber gerade in und seit dieser Zeit die → Gefähr­dungshaftung (Eisenbahn usw.) an Bedeutung.

Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 71, 128; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 487; Kaufmann, E., Die Erfolgshaftung, 1958; Mikat, P., Erfolgshaftung und Schuldgedanke im Strafrecht der Angelsachsen, FS H. Weber, 1963, 9; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995) 1ff.; Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380ff; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, Habilitationsschrift 2003; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld, 2005; Der Strafgedanke, 2007

Erfüllung ist das Bewirken der geschuldeten Leistung durch den Schuldner. Die E. ist im römischen Recht als (lat. [F.]) → solutio bekannt. Mit der E. wird der Schuldner von seiner Verpflichtung frei.

Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 215; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 46; Heymann, E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen Erfüllung, 2004

Erfüllungsgehilfe ist die Person, die mit Wissen und Wollen des Schuldners tatsächlich in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Der E. wird als solcher besonders im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfasst. Nach § 278 BGB haftet der Schuldner für Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen Vertreter ohne eigenes Verschul­den.

Lit.: Köbler, DRG 214

Erfurt an der Gera (742 Erphesfurt), das im 8. Jh. durch Bonifatius kurzzeitig Bischofssitz ist und zu unbekannter Zeit (E. 10. Jh.) vom König an den Erzbischof von Mainz gelangt, ist von (1378/1389/)1392 bis 1816 Sitz einer Universität. 1802/1814 fällt es an Preußen. 1850 berät in E. ein Deutsches Parlament erfolglos über einen Bundesstaat „Deutsches Reich“. Eine von Preußen mit Sachsen und Hannover gegen Österreich gerichtetete Erfur­ter Union scheitert am Widerstand Österreichs und einiger Mittelstaaten (Olmützer Punk­tation). 1991 wird E. Hauptstadt Thüringens. 1994 wird die Universität wiederbegründet. → Johannes von E.

Lit.: Reuleaux, C., Das Erfurter Parlament, Diss. jur. Mainz 1953; Schubert, W., Die für das Reichsgericht der Erfurter Union bestimmten Organisations- und Verfahrensgesetze von 1849/50, ZRG GA 101 (1984), 169; Lorenz, S., Studium generale Erfordense, 1989; Erfurt 742-1992, hg. v. Weiß, U., 1992; Märker, A., Geschichte der Universität Erfurt, 1993; Moraw, P., Die ältere Universität Erfurt, (in) Erfurt. Geschichte und Gegenwart, hg. v. Weiß, U., 1995, 189; Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850, hg. v. Mai, G., 2000; Lengemann, J., Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850, 2000; Große Denker Erfurts und der Erfurter Universität, hg. v. Pfordten, D. v. d., 2002; Gramsch, R., Erfurter Juristen im Spätmittelalter, 2003; Wolf, S., Erfurt im 13. Jahrhundert, 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 169

Erholung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Rücknahme einer von einem → Fürsprecher durchgeführten fehlerhaften Rechtshandlung durch die Partei (→ Sachsenspiegel Landrecht I 60 § 1). Sie ist vielleicht vor 1200 gegen die Formenstrenge des Verfahrensrechts und zur inhaltlichen Verbesserung nachteiliger Äußerungen entwickelt und ver­schwindet im Spätmittelalter.

Lit.: Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, 1863; Oestmann, P., Erholung am Ingelheimer Oberhof, (in) Symbolische Kommunikation vor Gericht, 2006, 29ff.

Erkenntnisverfahren ist das mit einer Entscheidung über einen Rechtsstreit endende Verfahren. Ihm kann ein Vorverfahren vorangehen und ein Vollstreckungsverfahren folgen. Es bildet seit den Anfängen des Verfahrensrechts dessen Kern.

Lit.: Köbler, DRG 19, 202

Erlangen (1002 ersterwähnt, 1398 Stadtrecht) an der Regnitz wird am 4. 11. 1743 (in der Markgrafschaft Bayreuth) Sitz einer der Aufklärung verpflichteten Universität (1792 Preußen, 1810 Bayern), die 1961 mit einer Wirtschaftshochschule in Nürnberg (1919) verschmolzen wird.

Lit.: Kolde, T., Die Universität Erlangen, 1910; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1951, 2. A. 1962; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Beyer, A., Die Verfassungsentwicklung der Universität Erlangen, 1992; Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Wittern, R., Die Professoren und Dozenten, Bd. 1f. 1993ff.; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Schieber, M., Erlangen, 2002; Wachter, C./Hoffmann-Randall, C., Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2004

Erlass ist im Verwaltungsrecht eine innerdienstliche allgemeine Anweisung und im Schuldrecht ein Schuldaufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner. Der privatrechtliche E. ist bereits dem klassischen römischen Recht geläufig (lat. → solutio [F.] per aes et libram nummo uno, acceptilatio, ähnlich pactum de non petendo). Über die Aufnahme des römischen Rechtes findet er in das moderne Privatrecht Eingang.

Lit.: Kaser §§ 52, 52; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Erlaubnis ist im Verwaltungsrecht die Erklärung einer Behörde, dass sie ein bestimmtes Verhalten zulässt. Sie entsteht im Sinne von Regel und Ausnahme mit der Entwicklung obrigkeitlicher Verbote.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Becker, K., Die behördliche Erlaubnis, Diss. jur. Marburg 1970

Erler, Adalbert (Kiel 1. 1. 1904-Frankfurt am Main 19. 4. 1992), Admiralssohn, wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Heidelberg und Berlin (Hans Fehr, Ulrich Stutz, Promotion Greifswald 1929) während einer Tätigkeit als Finanzbeamter in Frankfurt am Main (Rudolf Ruth) 1939 habilitiert. Über Straßburg (1941) und Mainz (1946) wird er 1950 nach Frankfurt am Main berufen. Dort ediert er die Urteile des Ingelheimer Ober­hofes und begründet auf Anregung Wolfgang Stammlers das Hand­wörterbuch zur deut­schen Rechtsgeschichte.

Lit.: Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte, hg. v. Becker, H. u. a., 19776, Recht, Gericht, Genossen­schaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Dilcher, G., Nachruf, ZRG GA 110 (1993), 680ff.; In memoriam Adalbert Erler, hg. v. Hennle, K. u. a, 1994

Ermächtigungsgesetz ist das Gesetz, das ein Verfassungsorgan zu einem bislang nicht zulässigen Verhalten ermächtigt. Beispiels­weise erlaubt es das deutsche E. vom 4. 8. 1914 dem Bundesrat des Deutschen Reiches, (rund 1000) Notverordnungen zu erlassen. Zwischen 1919 und 1923 werden wegen der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage 7 Ermächtigungsgesetze (1919-1921 viermal Gesetzgebungsgewalt auf die Reichs­regierung übertragen) verabschiedet. Zwi­schen 1923 und 1932 wird stattdessen das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten verwendet. Am 23. 3. 1933 bzw. 24. 3. 1933 wird das (mit notwendiger Zweidrittelmehr­heit beschlossene) Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich erlassen bzw. verkündet, durch das der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung überträgt und diese damit zur Gesetzgebung ermächtigt. 1937, 1939 und 1943 (durch Erlass des Führers) wird die Geltungsdauer verlängert. Die auf seiner Grundlage erlassenen Gesetze sind wirksam. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 wird dieses E. aufgehoben. In Österreich erlässt der Kaiser 1914 gemäß § 14 des Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung eine Notver­ordnung, die zu notwendigen Verfügungen auf wirtschaftlichem Gebiet und zur Ver­sorgung der Bevölkerung ermächtigt und 1917 durch Beschluss der Reichsregierung zum kriegswirtschftlichen Emächtigungsge­setz wird. Nach Ausschaltung des Ver­fassungs­gerichtshofs durch Regierungs­ver­ordnung vom 23. Mai 1933 wird am 30. 4. 1934 das bis 1938 geltende Bundesverfas­sungsgesetz über außerordent­liche Maß­nahmen im Bereich der Verfassung die Bundesregierung zur Gesetzgebung und zur Wie­derverlautbarung der Maiverfassung 1934 beschlossen, das Nationalrat und Bundesrat auflöst und das Erfordernis einer Volksab­stimmung bei einer Gesamtänderung des Bundesver­fassungsgesetzes aufhebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 170, 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Schneider, H., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933, 1955, 2. A. 1961, Neudruck 1968; Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R., 1968; Huemer, P., Sektionschef Robert Hecht, 1975; Frehse, M., Ermächtigungsgesetzgebung im Deutschen Reich, 1985; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985, 2. A. 1988; Eilers, S., Ermächtigungsgesetz und militärischer Ausnahmezustand, Diss. jur. Köln 1988; Morsey, R., Das Ermächtigungsgesetz, 1992; Schnur, R., Die Ermächtigungsgesetze von Berlin 1933 und Vichy 1940, 1993; Mommsen, H., Entstehung und Bedeutung des Ermächtigungsgesetzes, 2003; Das Ermächtigungsgesetz, eingel. v. Laufs, A., 2003; Bickenbach, C., Vor 75 Jahren - Die entmächtigung, JuS 2008, 199

Ermessen ist der an der Vernünftigkeit des Ergebnisses ausgerichtete Maßstab für ein Verwaltungshandeln. Die dabei bestehende Entscheidungsfreiheit wird im Laufe des (19. und) 20. Jh.s zunehmend verrechtlicht.

Lit.: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Held-Daab, U., Das freie Ermessen, 1996

Ermittlungsverfahren ist das Verfahren zur Ermittlung eines Täters einer Straftat. Es entwickelt sich seit dem Hochmittelalter. Seit dem 19. Jh. wird es verrechtlicht.

Lit.: Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten 1850-1914, 1996; Weinke, A., Eine Gesellschaft ermittelt gegen sich selbst, 2. A. 2009

Ermland

Lit.: Perk, H., Verfassungs- und Rechtsgeschichte des Fürstbistums Ermland, 1931; Thimm, W., Die Ordnungen der ermländischen Kapitelsburgen, Zs. f. d. Gesch. und Altertumsunde Ermlands 33 (1969), 53

Ernestiner → Wettiner

Erpressung ist die Beschädigung des Vermögens eines anderen durch Nötigung dieser oder einer anderen Person in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern. Dem entspricht im klassischen römischen Recht die (lat. [F.]) → concussio. In der Neuzeit erscheint die E. im 18. Jh.

Lit.: Köbler, DRG 35; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Error (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Irrtum. Er wird zunächst bei den Konsensualkontrakten (z. B. Kauf) dann berücksichtigt, wenn er einen Konsens verhindert. Dies kann sich auf den Gegenstand (lat. [N.] corpus), den Preis, den Geschäftstyp oder (str.) eine wesentliche Eigenschaft (lat. [F.] substantia) beziehen, nicht dagegen auf die bloße Bezeichnung (lat. [N.] nomen).

Lit.: Kaser § 8 II; Köbler, DRG 43; Error iudicis. Juristische Wahrheit und justizieller Irrtum, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998

Errungenschaftsgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft zweier Ehegatten an den während der Ehe erworbenen Gütern (Gesamtgut im Gegensatz zum Sondergut jedes Ehegatten). Die E. erscheint im Frühmittelalter bei Franken und westfälischen Sachsen. Danach verbreitet sie sich besonders in Süddeutschland und bildet um 1900 für rund 10 Millionen Deutsche den Regel­güterstand. Beim Tod eines Ehegatten erwirbt der überlebende Ehegatte in beerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen, während bei unbeerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen an die Herkunftsseite zurück­fällt und das Gesamtgut zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten meist hälftig geteilt wird. Die noch im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) beibehaltene E. wird 1957 beseitigt. In Frankreich gilt die E. in Form der Fahrnisgemeinschaft.

Lit.: Hübner 667; Köbler, DRG 88, 210; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1f. 1863ff.; Hradil, P., Über eheliche Errungenschaftsgemeinschaft, ZRG GA 36 (1915), 459

Ersatzerbe ist der vom Erblasser für den Fall des Wegfalls des Erben vor oder nach Eintritt des Erbfalls eingesetzte Erbe. Die Einsetzung eines Ersatzerben (lat. [F.] substitutio) im Testament ist bereits im klassischen römischen Recht möglich und wird von dort mit der Aufnahme des römischen Rechts übernommen.

Lit.: Kaser § 68 II, V; Söllner § 11; Köbler, DRG 38; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985ff.

Ersitzung ist der Erwerb des Eigentums durch Zeitablauf. Bereits im altrömischen Recht kann der Gewaltinhaber über eine Sache seine Berechtigung auf Gebrauch­nahme (lat. [F.] usucapio) stützen, womit die Berufung auf einen Vormann (im Recht an der Sache) überflüssig wird. Damit ist jeder, der ein Grundstück 2 Jahre oder eine andere Sache 1 Jahr unangefochten gebraucht hat, gegen jedermann geschützt, sofern es sich nicht um eine gestohlene, geraubte oder von Unmün­digen und Frauen ohne Mitwirkung des Vormunds veräußerte handgreifbare Sache handelt. Später muss der Eigenbesitz, der ein fremdes Besitzrecht ausschließen will,  einen rechtsgültigen Erwerbsgrund haben und der Eigenbesitzer im Augenblick der Besitzerlangung gutgläubig sein (vgl. D. 41, 3, 1). Mit Ablauf der Ersitzungsfrist erwirbt der Ersitzungsbesitzer ziviles Eigentum. Im deutschen Recht hat die → Ver­schweigung (in einer Frist von Jahr und Tag) eine vergleichbare Wirkung. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird die E. in der Form übernommen, wie sie sie unter Justinian durch Verbindung von (lat. [F.]) usucapio mit (lat.) longi temporis praescriptio (F.) gefunden hat. Danach muss eine ersitzbare bewegliche Sache 3 Jahre (usucapio), ein ersitzbares Grundstück bei Anwesenheit in der gleichen Provinz 10 bzw. bei Abwesenheit 20 Jahre (longi temporis praescriptio) gutgläubig auf Grund eines rechtsgültigen Erwerbsgrundes oder wenigstens 30 Jahre (longissimi temporis praescriptio) gutgläubig besessen worden sein. Nach kanonischem Recht muss seit Papst Innozenz III. (X 2, 26, 20) guter Glaube noch am Ende der Ersitzungsfrist vorliegen. Vielfach wird dabei die E. mit der Verjährung in der (lat. [F.]) praescriptio zusammen­gefasst. Savigny trennt beides wieder. Die E. verliert wegen der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs und wegen der Einrichtung des Grundbuchs an tatsächlicher Bedeutung. Nach dem deutschen Bürger­lichen Gesetzbuch (1900) erfordert die E. bei beweglichen Sachen 10 Jahre gutgläubigen Eigenbesitz (§ 937 BGB, Österreich 1452 ABGB, 3 bzw. 30 Jahre), bei Grund­stücken 30 Jahre Besitz und Eintragung im Grundbuch (§ 900 BGB Tabularersitzung). Eine E. gegen das Grundbuch (Kontra­tabularersitzung) ist ausgeschlossen.

Lit.: Kaser § 25; Söllner §§ 8, 9; Hübner 271, 468; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 25, 40, 61, 163; Immerwahr, W., Die Verschweigung im deutschen Recht, 1895; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988

Erskine of Carnock, John (1695-1768), nach dem Studium in den Niederlanden 1719 Anwalt am Obergericht Schottlands und 1737 Professor für schottisches Recht in Edinburgh, veröffentlicht 1754 mit den systematisierenden (engl.) Principles of the Law of Scotland (Grundsätze des Rechts Schottlands) das bis in das 20. Jh. führende Lehrbuch des schottischen Rechts.

Lit.: Walker, D., The Scottish Legal System, 3. A. 1969, 171; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 202

Erstbittrecht (lat. ius [N.] primariarum precum) ist das wohl nach dem Investiturstreit entstandene, 1191 erstmals belegte, seit 1437 allmählich an die Zustimmung des Papstes gebundene Recht des deutschen Königs (und dann auch der Landesherren) auf einen verbindlichen Besetzungsvorschlag für die erste nach seiner Krönung bzw. ihrem Herrschaftsantritt freigewordene Pfründe jedes Stiftes oder Klosters. Das E. ist zum Panisbrief zu trennen.

Lit.: Bauer, H., Das Recht der ersten Bitte, 1919; Feine, H., Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers, ZRG KA 51 (1931), 1; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 387

Erstgeburt → Primogenitur

Ertränken ist die im gewaltsamen Untertauchen im Wasser bis zum Eintritt des Todes bestehende, vom Altertum bis in das 18. Jh. bekannte Form der Todesstrafe (ertränkt werden einerseits vor allem Frauen, andererseits die Täter von Diebstahl, Unter­schlagung, Notzucht, Doppelehe, Gottes­­lästerung usw.). Abgelehnt wird das E. von der Constitutio Criminalis Theresiana (Österreich 1768).

Lit.: Baltl/Kocher 127; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922

Erwählter römischer Kaiser (lat. electus Romanorum imperator [M.]) ist seit dem 4./8. 2. 1508 (dem Scheitern der angestrebten Krönung Maximilians I. folgend) der die Unabhängigkeit von der Krönung durch den Papst ausdrückende Titel des → Kaisers des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation).

Lit.: Rabe, H., Reich und Glaubensspaltung, 1989; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 III 1

Erzamt (14. Jh., lat. [N.] archiofficium) ist die aus dem frühmittelalterlichen Hofamt der Stammesherzöge im Laufe des Mittelalters (Erzkanzler 10. Jh.) entwickelte, 1356 den sieben Kurfürsten für die Kurländer zugeteilte und später zahlenmäßig noch erweiterte oberste Reichswürde (Erzkanzler für das Reich [Mainz], Italien [Köln], Burgund [Trier], Erztruchsess [Pfalzgraf bei Rhein, dann Bayern, dann Hannover], Erzmarschall [Sachsen], Erzkämmerer [Brandenburg], Erz[mund]schenk [Böhmen]).

Lit.: Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A. 2000; Erkens, F., Kurfürsten und Königswahl, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Ertl, T., Alte Thesen und neue Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZHF 30 (2003), 619ff.

Erzberger, Matthias (Buttenhausen/Württem­berg 20. 9. 1875-bei Bad Griesbach/Schwarz­wald 26. 8. 1921) wird 1903 für die (katholische) Zentrumspartei als jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt und unterzeichnet als Staatssekretär der Regierung Prinz Max von Baden am 11. 11. 1918 den Waffenstillstand zur Beendigung des ersten Weltkriegs für das deutsche Reich. Als Reichsfinanzminister (20. 6. 1919) setzt er eine umfassende Reichsfinanzreform durch, muss aber wegen nur teilweise entkräfteter Bereicherungsvorwürfe am 12. 3. 1920 zu­rücktreten. Bei einem Spaziergang wird er von Nationalisten erschossen.

Lit.: Epstein, K., Matthias Erzberger, 1962; Möller, A., Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, 1971; Huber-Stentrup, E., Der Mord an Matthias Erzberger, JuS 1981, 246ff.; Haehling von Lanzenauer, R., Der Mord an Matthias Erzberger, 2008

Erzbischof (lat. [M.] archiepiscopus) ist in der katholischen (seit dem 3. Jh. n. Chr.) (sowie in der anglikanischen, schwedischen und fin­nischen) Kirche der Titel des Leiters einer Kirchenprovinz (Erzbistum).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Erzherzog ist die durch das gefälschte lat. → privilegium (N.) maius entwickelte, 1442 von Friedrich III. bestätigte und 1453 von den Kurfürsten gebilligte Titulatur des Herzogs von → Österreich (1804 Kaiser).

Lit.: Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957

Erzkanzler ist der Inhaber der obersten, auf das Schreibwesen bezogenen Würde im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation). Dies ist seit dem 9./10. Jh. (für das Reich) der Erzbischof von Mainz (, für Italien seit 1031 der Erzbischof von Köln und für Burgund bzw. lat. [F.] Gallia seit 1308 der Erzbischof von Trier).

Lit.: Seeliger, G., Erzkanzler und Reichskanzler, 1889; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997

Eschwege

Lit.: Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Eckhardt, K., Eschwege, 1964; Heinemeyer, K., Der Königshof Eschwege in der Germar-Mark, 1970

Eselreiten ist die aus Ostrom über Italien in das Heilige römische Reich kommende, für die Neuzeit bezeugte, teils (für Frauen) auf einem lebenden Esel, teils (für Soldaten) auf einem hölzernen Gestell mit scharfer Oberkante ausgeführte → Ehrenstrafe.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 318; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920; Künßberg, R., Rechtliche Volkskunde, 1936; Lentz, M., Konflikt, Ehre und Ordnung, 2004

Esmein, Adhémar (Touvérac 1. 2. 1848-Paris 22. 7. 1913) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Lehrtätigkeiten in Douai und Paris 1890 Professor für Rechtsgeschichte Frank­reichs (1892 Cours élémentaire d’histoire du droit français, daneben weitere Grundrisse und Einzelarbeiten).

Lit.: Weiss, A., Notice sur la vie et les travaux de Adhémar Esmein, (in) Séances et travaux de l’Académie des sciences morales 87, 1917, 437

Essen

Lit.: Ribbeck, K., Geschichte der Stadt Essen, 1915; Vries, R. de, Die Landtage des Stiftes Essen, 1934; Stift Essen, die große Vogteirolle des Grafen Friedrich von Isenberg-Altena um 1220, hg. v. Bentheim-Tecklenburg-Rheda, M. Graf zu, 1955; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971); Gründerjahre, hg. v. Borsdorf, U. u. a., 2005

Esslingen

Lit.: Maier, K., Das Strafrecht der Reichsstadt Esslingen, Diss. jur. Tübingen 1960; Kirchgässner, B., Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstadt Esslingen im Spätmittelalter, 1964; Arold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Kittelberger G., Der Adelberger Freihof in Esslingen, 1970; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992

Estland ist der am Ostrand der mittleren Ostsee südlich Finnlands gelegene nordosteuropäische Staat mit der Hauptstadt Reval bzw. Talinn. E. geht auf ein von den finno-ugrischen Esten besiedeltes Gebiet am Finnischen und Rigaischen Meerbusen zurück, das 1207/1227 vom Schwertbrüder­orden und Dänemark erobert wird und bis 1346 an den → Deutschen Orden gelangt. 1315 entsteht unter dem Einfluss niederdeutscher Siedler das waldemar-erichsche Lehnrecht und das älteste livländische Ritterrecht. Das Recht der deutschen Herrschaftsschicht folgt dem Recht des Heiligen römischen Reichs, während die abhängigen Bauern nach ungeschriebenem Gewohnheitsrecht leben. 1561 (Norden)/1580 fällt das Gebiet an Schweden, das die Reformation einführt und in Dorpat eine Universität gründet. 1710/1721 kommt das Land (mit rund 430 Rittergütern etwa 160er landtagsfähiger Familien) an → Russland und wird dort im 19. Jh. verstärkt russifiziert. 1864 wird das liv-, est- und kurländische Privatrecht in einem von Friedrich Georg von → Bunge erarbeiteten, zu merh als der Hälfte römischrechtlich geprägten Gesetzbuch (Pro­vinzialrecht des Ostsee­gouvernements Russ­lands, rund 4600 Bestimmungen) nie­derge­legt, das dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nahesteht und in E. bis 1945 gilt. Das Gerichtswesen wird 1889 moder­nisiert. Die am 24. 2. 1918 aus­gerufene baltische Republik E. (Straf­gesetzbuch 1929/1935, Entwurf eines Zivilgesetzbuchs 1936), in der 1939 die Deutschbalten ausgesiedelt werden, wird am 6. 8. 1940 der das sowjetische Recht in Kraft setzenden Sowjetunion eingegliedert (1941-1944 vom deutschen Reich besetzt), am 6. 9. 1991 aber von der Sowjetunion wieder als unabhängig anerkannt. Das sowjetische Recht wird unter Verwendung deutscher Vorbilder vor allem im Privatrecht und Strafrecht durch eigenes Recht ersetzt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Kraus, H., Grundriss der Geschichte des estnischen Volkes, 1935; Wedel, H. v., Die estländische Ritterschaft, 1935; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, Nordeuropäische Studien Bd. 11, 1997; Ludwig, K., Estland, 1999; Deutsch-estnische Rechtsfragen, hg. v. Recker, N. v., 2003; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Modernisierung durch Transfer im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hg.v. Giaro, T., 2006; Modernisierung durch Transfer zwischen den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007; Luts-Sootak, M., Der Fall Estland, ZRG GA 125 (2008), 276; Donnert, E., Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008

Estoppel (Verschweigung) ist im englischen Verfahrensrecht die Unzulässigkeit der Rechtsausübung (aus einem übergeordneten Grund). Die älteste Erscheinungsform der von frz. étouffer (vertuschen, niederschlagen) abgeleiteten Einrichtung zeigt sich in den Leges des englischen Königs Heinrich I. (um 1118), nach denen der Inhalt von Eintragungen in die Urkundenrolle (ne. record) des Königsgerichts nicht bestritten werden kann. Um die Mitte des 15. Jh.s ist dann anerkannt, dass Urteile zuständiger Gerichte in ihren rechtserheblichen Feststel­lungen von den Parteien und ihren Rechtsnachfolgern nicht angegriffen werden können (e. by record). Daneben erscheint seit dem Ende des 13. Jh.s der Satz, dass eine Erklärung, die in einer unter Handsiegel abgegebenen Urkunde (ne. deed) enthalten ist, von dem nicht bestritten werden kann, dessen Handschrift und Siegel die Urkunde trägt, sofern die Urkunde rechtlich wirksam ist (e. by deed). Seit dem 15. Jh. ist die vielleicht hieraus abgeleitete Regel bezeugt, dass eine Partei, die eine im Lande (mengl. pays) weithin bekannt gewordene Rechtshandlung vorgenommen hat, eine ihr notwendig als Voraussetzung dienende Tatsache (z. B. Mietvertrag für Mietzahlung) nicht bestreiten darf (e. by in pais, daraus entwickelt e. by conduct, e. by representation). In der Folge wird das Prinzip des e. erheblich verfeinert und wirkt über das englische Recht hinaus. E. wird nicht vom Richter von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur auf Vortrag der Partei.

Lit.: Riezler, E., Venire contra factum proprium, 1912, 55; Holdsworth, W., History of English Law, 9 1926; Cohn, E., Die materielle Rechtskraft im englischen Recht, FS H. Nipperdey 1965, Bd. 1, 875

Estor, Johann Georg (Schweinsberg/Hessen 8. 6. 1699-Marburg 25. 10. 1773) wird nach dem Studium des Rechts und der alten Sprachen in Gießen, Jena (1719) und Halle (Johann Peter von Ludewig, Nikolaus Hiero­nymus Gundling) in Gießen 1726 außer­ordentlicher und 1728 ordentlicher Professor und promoviert. 1734 wechselt er nach Jena, 1742 nach Marburg. Seine dreibändige bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit der Teut­schen (1757) enthält erstmals eine sys­tematische Zusammenstellung des gesamten geltenden einheimischen deutschen Rechts und beeinflusst wie auch das übrige Werk Estors Schüler Johann Stephan Pütter.

Lit.: Sippel, C., J. G. Estor, 1874; 650 Jahre Stadt Schweinsberg, 1982; Buschmann, A., J. G. Estors System der bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 77ff.; Buschmann, A., Estor, Pütter, Hugo, (in) Festgabe Elmar Wadle, 2004, 75ff.

états généraux (franz.) Generalstände (1468)

Ethik (F.) Sittenlehre

Lit.: Lexikon der Ethik, hg. v. Höffe, O., 5. A. 1997; Hauskeller, M., Geschichte der Ethik, 1999

Ethnologie (F.) Völkerkunde (völkerkundliche Berichte antiker Autoren seit Hekataios von Milet 500 v. Chr., wissenschaftliche Ethnologie 19. Jh. mit Suche evolutionärer Gesetzmäßigkeiten, Feld­forschung einfacher Stammesgesellschaf­ten, Ethnographie traditioneller Streitschlich­tungsverfahren, Rechtspluralismus)

Lit.: Post, A., Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichender ethnologischer Basis, Bd. 1f. 1880f., Neudruck 1995; Thurnwald, R., Werden, Wandel und Gestaltung des Rechts, 1934; Pospisil, L., Anthropology of Law, 1971; Moore, S., Law as process, 1978; Newman, K., Law and economic organization, 1983; Kohl, K., Ethnologie, 1993; Rouland, N., Legal anthropology, 1994; Fikentscher, W., Modes of thought, 1995, 2. A. 2004; Streck, B., Vom Wissen der Ethnologie, 1997; Panoff, M./Perrin, M., Taschenwörterbuch der Ethnologie, 3. A. 1999; Wörterbuch der Ethnologie, hg. v. Streck, B., 2. A. 2000; Kaschuba, W., Einführung in die europäische Ethnologie, 2. A. 2003; Gingrich, A./Schweitzer, P., Geschichte der deutschsprachigen Ethnologie, 2004; Petermann, W., Die Geschichte der Ethnologie, 2004

Etrusker ist der Angehörige eines vielleich vior den Römern und neben den Römern in Mittelitaline (Toskana) ansässigen, hochste­henden, aber nicht näher bekannten Volkes.

Lit.: Pfiffig, A., Einführung in die Etruskologie, 4. A. 1991; Torelli, M., Die Etrusker, 1988; Heurgon, J., Die Etrusker, 1993; Cristofani, M., Die Etrusker, 1995; Aigner-Foresti, L., Die Integration der Etrusker, 1998; Briquel, E., La civilisation étrusque 1999; Falchetti, F. u. a., Die Etrusker, 2001; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker und das frühe Rom, 2003; Entstehung von Staat und Stadt bei den Etruskern, hg. v. Aigner-Foresti, L u. a., 2006

Etter ist der (aus lebenden Gewächsen geflochtene) Zaun, der im Mittelalter die dörfliche Wohnsiedlung oder die einzelne Hofstatt (tatsächlich bzw. rechtlich) vom Umland trennt.

Lit.: Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 74; Lieberich, H., Etterrecht und Ettergerichts­barkeit in Bayern, Z. f. bay. LG. 21 (1958), 472ff.

Etymologie ([F.] Wahrheitslehre) ist die seit dem 5. Jh. v. Chr. bei den Griechen erkennbare Lehre vom Ursprung (gr. etymon, Stammwort) eines Wortes, die bei der Aufklärung der Entwicklungs­geschichte der sprachlichen Ein­heiten hilfreich ist.

Lit.: Klinck, R., Die lateinische Etymologie des Mittelalters, 1970; Seebold, E., Etymologie, 1981; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995

Eugenik (F.) Erbgesundheitslehre

Lit.: Roth, A./Schlatmann, B., Eugenik im Recht, (in) Themen juristischer Zeitgeschichte (1) Schwer­punktthema- Recht und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998, 152; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000; Merkel, C., „Tod den Idioten“, 2006; Wie nationalsozialistisch ist die Eugenik? hg. v. Wecker, R. u. a., 2008

Euratom (F.) Europäische Atomgemein­schaft

Eurich (um 440?-484) ist der westgotische König (466) mit königlichem Vater (Theoderich I.), der große Gebiete erobert und dem der → Codex Euricianus (um 475) zugeschrieben wird. → Gote

Lit.: Köbler, DRG 80; Stroheker, K., Eurich, 1937; El Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960

Euro ist die seit 1. 1. 2002 in der seinerzeitigen Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende Währungs­einheit.

Lit.: Grosjean, R., Was passiert mit unserem Geld?, 2003

Europa ist (die von Zeus in der Gestalt eines Stieres entführte Frau der griechischen Mythologie und namensgleich) die tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens zwischen Atlantik und Ural (str., 10,5 Mill. qkm). In vielen Beziehungen entwickelt sich E. seit dem Altertum verhältnismäßig über­einstimmend. Insbesondere wird in zahlreichen Gebieten seit dem Mittelalter das römische Recht des Altertums wieder aufgegriffen (→ Rezeption). Auch Kirchenrecht, Aufklärung und Vernunftrecht wirken vereinheitlichend. 1923 begründet der Schriftsteller Richard Nikolaus Graf Couden­hove-Kalergi (Tokio 17. 11. 1894-Schruns 25. 7. 1972) eine Paneuropa-Bewegung (1947 Europäische Parlamentarier Union, später Reorganisation der Paneuropa-Bewegung). Zu einer festeren Ausbildung einheitlichen Rechts kommt es jedoch erst seit den zur Vermeidung weiterer Kriege (vor allem zwischen Frankreich und Deutschland geschaffenen) Europäischen Gemeinschaften der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1951/1952/1957, Europäische Union 1993, Verfassung 2003/2004/2007/2008).

Lit.: Coudenhove-Kalergi, R. Graf, Paneuropa 1923, 4. A. 1926; Dawson, C., The Making of Europe, 1932; Reynold, G. de, L’Europe tragique, 1934; Reynold, G. de, La formation de l’europe, 1942ff.; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 1947, 5. A. 1965; Ritter, G., Europa und die deutsche Frage, 1948; Ritter, G., Die Neugestaltung Europas im 16. Jahrhundert, 1950; Chabod, F., Storia dell’idea di Europa, 1961; Foerster, R., Die Idee Europas 1300–1946, 1963; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Bosl, K., Europa im Mittelalter, 1970; Wagner, W., Europa zwischen Aufbruch und Restauration, 2. A. 1972; Luig, K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; La formazione storica del diritto moderno in Europa, Bd. 1ff. 1977; Craig, G., Geschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1978; Schoenberger, Der gelbe Stern, 1978; Diritto Comune e diritti locali nella storia dell’Europa, 1980; Gerhard, D., Old Europe, 1981; Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Geschichte der Ver­waltungs­rechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, 1986; Lansky, R., Biblio­graphisches Handbuch der Rechts- und Verwaltungs­wissenschaften, Bd. 1 Allgemeines und Europa, 1987; Republiken und Republikanismus im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Königsberger, H., 1988; Verosta, S., Kollektivaktionen der Mächte des europäischen Konzerts (1866-1914), 1988; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen Verfassungs­geschichtsschreibung, 1990; Towards the United States of Europe, ed. by Ransome, P., 1991; Schulze, R., Die europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991; Propyläen Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1992f.; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Le Goff, J., Das alte Europa, 1994; Europaideen im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich und Zentraleuropa, hg. v. Reinalter, H., 1994; Fontana, J., Europa im Spiegel, 1995; Europa im Blick der Historiker, hg. v. Hudemann, R., 1995; Craig, G., Geschichte Europas, 1995; Europa im Umbruch 1750-1850, hg. v. Albrecht, D. u. a. 1995; Brown, P., Die Entstehung des christlichen Europa, 1996; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Bartett, R., Die Geburt Europas, 1996; Davies, N., Europe, 1996; Europäische Geschichte als historisches Problem, hg. v. Duchardt, H. u. a., 1997; Das europäische Geschichtsbuch, hg. v. Delouche, F., 1998; Siedler, Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1998ff.; Mieck, I., Europäische Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit, 1998; Möller, H., Europa zwischen den Weltkriegen, 1998; Neumann, T., Die europäischen Integrationsbestrebungen in der Zwischen­kriegszeit, 1999; Die Entstehung des modernen Europa, hg. v. Mörke, O. u. a., 1998; Schneider, R., Europas Einigung und das Problem Deutschland, 1999; Salewski, M., Geschichte Europas, 2000; Schümer, D., Das Gesicht Europas, 2000; Demel, W., Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts, 2000; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Schmale, W., Geschichte Europas, 2000; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Schulz, G., Europa und der Globus - Staaten und Imperien seit dem Altertum, 2001; Vom Mittelmeer zum Atlantik, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2001; Segl, P., Byzanz. Das andere Europa, 2001; Zimmermann, R., Roman Law, Contemporary Law, European Law, 2001; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Borgolte, M., Europa entdeckt seine Vielfalt, 2002; Fisch, J., Europa zwischen Wachstum und Gleichheit 1850-1914; Bernecker, W., Europa zwischen den Weltkriegen 1914-1945, 2002; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Caenegem, R. van, European law, 2002; Brunn, G., Die europäische Einigung, 2002; Mitterauer, M., Warum Europa? 2003; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1650, 2003; Duchhardt, H., Europa am Vorabend der Moderne 1650-1800, 2003; Reinhard, W., Lebensformen Europas, 2004; Le Goff, J., Die Geburt Europas im Mittelalter, 2004; James, H., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Altrichter, H. u. a., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Kleines Europa-Lexikon, hg. v. Gruner, W. u. a., 2004; Grabmayer, J., Europa im späten Mittelalter 1250-1500, 2004; Europa und seine Regionen. 2000 Jahre europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Bauer, A. u. a., 2004; Gruner, W./Woyke, W., Europa-Lexikon, 2004; Postel, V., Die Ursprünge Europas, 2004; Reale, G., Kulturelle und geistige Wurzeln Europas, 2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische Kulturge­schichte, 2004; Etappen auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, hg. v. Hummer, W., 2004; Der europäische Konvent und sein Ergebnis. Eine europäische Verfassung, hg. v. Busek, E. u. a., 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Der Konvent zur Zukunft der Europäischen Union, hg. v. Mantl, W. u. a., 2004; Ehlers, J., Das westliche Europa, 2004; Weiler, J., Ein christliches Europa, 2004; Schuller, W., Das erste Europa, 2004; Langewiesche, D., Europa zwischen Restauration und Revolution 1815-1849, 4. A. 2005; Blanning, T., Das alte Europa 1660-1789, 2005; Nolte, H., Weltgeschichte, 2005; Conze, V., Das Europa der Deutschen, 2005; Petersen, T., Europa – Eine Kulturgeschichte, 2006; Elvert, J., Die europäische Integration, 2006; Borgolte, M., Christen, Juden, Muselmanen, 2006; Wyrwa, U., Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, HZ 283 (2006), 102; Krüger, P., Das unberechenbare Europa, 2006; Europa im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2006; Gasteyger, C., Europa zwischen Spaltung und Einigung, 2006; Judt, T., Geschichte Europas, 2006; Boshof, E., Europa im 12. Jahrhundert, 2007; Chabert, G., L’idée euro­péenne, 2007; Blickle, P., Das alte Europa, 2008; Europa im Weltbild des Mittelalters. Kartographische Konzepte, hg. v. Baumgärtner, I. u. a., 2008; Gall, L., Europa auf dem Weg in die Moderne, 5. A. 2009; Liedtke, R., Geschichte Europas von 1800 bis zur Ge­genwart, 2009; Schorn-Schütte, L., Studienhandbuch frü­he Neuzeit Europäische Geschichte 1500-1789, 2009; Dirlmeier, U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2. A. 2009; Schulz, M., Normen und Praxis, 2009

Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) ist die (nach Scheitern einer europäischen politi­schen Gemeinschaft und einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft an der Ablehnung durch die Nationalver­samm­lung Frankreichs 1954) am 25. 3. 1957 zwecks gegenseitiger Kontrolle geschaffene Gemeinschaft europäischer Staat­en (zunächst Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg) in Angelegenheiten der Kernspaltung. → Europäische Gemein­schaft

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996; Blockmans, W., Geschichte der Macht in Europa, 1998

Europäische Freihandelsassoziation (EF­TA)­ (oder Europäische Freihandelszone) ist der am 4. 1. 1960 in Stockholm gegründete Zusam­menschluss siebener europäischer Staaten (Großbritannien, Irland, Dänemark [alle bis 1973], Portugal [bis 1985], Finnland [1961/1986], Schweden, Österreich [alle bis 1994], Schweiz, Island (1970), Norwegen, Liechtenstein [1991]). Die Bedeutung der Euro­päischen Freihandelsassoziation ist infolge des Eintritts der wichtigsten Mitglieder in die → Europäische(n) Gemein­schaft(en) bzw. Europäische Union und der Gründung eines europäischen Wirtschafts­raums (1994, Liechtenstein 1. 5. 1995) gering.

Europäische Gemeinschaft ist die 1993 (Vertrag von Maastricht 7. 2. 1992) durch Umbenennung aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entstehende europä­ische Gemeinschaft.

Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Geiger, R., EG-Vertrag, 2. A. 1995

Europäische Gemeinschaft(en) sind die Europäische Atomgemeinschaft (25. 3. 1957), die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (18. 4. 1951-2002) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3. 1957) mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit. Sie haben seit dem Abkommen über gemeinsame Organe der Europäischen Gemeinschaften vom 25. 3. 1957 ein gemeinsames Parlament und einen gemeinsamen Gerichtshof, und seit dem sie zu den Europäischen Gemeinschaften zusammenschließenden Fusi­ons­vertrag (8. 4. 1965 unterzeichnet, 1. 1.1967 in Kraft ge­treten) eine gemeinsame Kommission, einen gemeinsa­men Rat und einen gemein­samen Rechnungshof. 1973 werden die europäischen Gemeinschaften um Dänemark, Großbri­tannien und Irland er­weitert (Norderwei­terung), 1981 um Portugal, Spanien und Griechenland (Süderweiterung). Zum 7. 2. 1992 (Vertrag von Maastricht/Niederlande) werden sie zur → Europäischen Gemeinschaft zusammenge­schlossen, die 1993 in Europäische Union umbenannt wird (am 1. 11. 1993 in Kraft getretener Vertrag [von Maastricht] über die europäische Union).

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist die auf der Grundlage eines Plans Robert Schumans als Außenminister Frankreichs vom 9. 5. 1950 am 18. 4. 1951 zwecks Kontrolle der deutschen Rüstungs­industrie zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg unter Übertragung einzelstaatlicher Hoheitsrechte für die Montan­industrie (Kohle, Eisenerz) verein­barte und später um zusätzliche Mitglieder erweiterte internationale Gemein­schaft (Monta­nunion mit hoher Behörde, Rat, Versammlung und Gerichtshof). In ihrem Rahmen wird auf der Konferenz von Messina am 1./2. 6. 1955 die Einsetzung von Arbeits­gruppen zur Bildung weiterer europäischer Gemeinschaften beschlossen, deren Tätigkeit die Grundlage für die römischen Verträge vom 25. 3. 1957  über die europäische Atomgemeinschaft und die europäische Wirtschaftsgemeinschaft bildet. Der am 23. Juli 2002 ausgelaufene Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist nicht erneuert und der Kohle- und Stahlsektor dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft unterstellt.

Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist der auf der Grundlage der Menschenrechts­er­klärung der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948 vom → Europarat 1950 ausgearbeitete, in Rom am 4. 11. 1950 von 13 Staaten (Bel­gien, Dänemark, Deutschland, Frank­reich, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Türkei und Groß­britannien) unterzeichnete, 1952 von der Bundesrepublik Deutschland als Gesetz angenommene, am 3. 9. 1953 allgemein in Kraft getretene, 1957 von Österreich mit Verfassungsreang und inzwischen von allen Staaten Europas  anerkannte völkerrecht­liche, um (14) Zusatzprotokolle ergänzte Vertrag, der in allen der Herrschaft der angeschlossenen Staaten unterstehenden Län­dern die grundl­egenden menschlichen Freiheiten sichern will. Dazu sind (bis 1998) eine Europäische Kommission für Menschenrechte und ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in Straßburg gebildet.

Lit.: Seidel, P., Der Rang der Europäischen Men­schenrechtskonvention in den Mitgliedstaaten, DVBll. 1975, 747; Frowein, J./Peukert, W., Europäische Menschenrechtskonvention, 2. A. 1997; Grabenwarter, C., Europäische Menschrechtskonvention, 3. A. 2008

Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ist der gemeinsame Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bzw. → Europäischen Union, der die einheitliche Anwendung, Auslegung und Fortbildung des Europäischen Unionsrechts sichern soll.

Lit.: Kenke, U., Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 1989; Drewes, E., Entstehung und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ist das gemäß der → Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Straßburg errichtete Gericht, das über die Einhaltung der in der Konvention gewährleisteten Menschenrechte wacht und von den Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission für Menschen­rechte (, an die sich Bürger wenden müssen,) mit einem Fall befasst werden kann. 1998 wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ständiger Gerichtshof neu geordnet.

Lit.: Polakiewicz, J., Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1994; Haß, S., Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2006

Europäischer Rat ist das aus den Ministerpräsidenten der Mitgliedstaaten der → Europäischen Union gebildete, die Richtlinien der Politik der Europäischen Union bestimmende Organ.

Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ist der in Verhandlungen zwischen der → Europäischen Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen Freihandelszone verein­barte, 1994 mit Österreich, Schweden, Finnland (bis 31. 12. 1994), Norwegen und Island in Kraft getretene einheitliche europäische Wirtschaftsraum, dem die Staaten der Europäischen Union und Island, Norwegen und Liechtenstein angehören.

Lit.: Streit, A., Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555

Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das besondere, zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht angesiedelte Recht der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union. Es setzt sich zusammen aus dem zur Bildung der Europäischen Gemeinschaften geschaffenen Vertragsrecht (primäres E. G.) und dem von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Recht (sekundäres E. G.). Das Europäische Gemein­schaftsrecht gilt zum Teil unmittelbar in den einzelnen Mitgliedstaaten und hat dann Vorrang vor dem Recht des einzelnen Staates. Nicht E. G. ist das nationale, auf Grund gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedstaaten geschaffene Recht.

Lit.: Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Europäisches Parlament (Versammlung) in Straßburg ist das gemeinsame parlamen­tarische Hauptorgan der → Europäischen Gemein­schaften bzw. Europäischen Union.

Lit.: Thöne-Wille, E., Die Parlamente der EG, 1984

Europäisches Recht ist das in → Europa geltende Recht. Ein in ganz Europa einheitlich geltendes Recht gibt es bis zur Gegenwart nicht. Vielmehr gilt im Altertum selbst das römische Recht nur innerhalb des römischen Weltreiches. Im Frühmittelalter stehen zahlreiche Rechte einzelner Völker, im Hochmittelalter und im Spätmittelalter viele territoriale Landrechte und Stadtrechte nebeneinander. Mit der Aufnahme des römischen Rechts in andere Rechte kommt es zwar ebenso zu einer gewissen Euro­päisierung wie mit der Anwendung des einheitlichen kirchlichen Rechts im christianisierten Europa, doch gelten beide gelehrten Rechte grundsätzlich nur subsidiär zu partikularen Rechten. Deren Geltungs­gebiet erweitert sich mit der Bildung der europäischen Nationalstaaten. In sie finden zunehmend allgemeine Reformgedanken Eingang. Daneben wird e. R. erst im Rahmen der → Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union in größerem Ausmaß (für große Gebiete Europas einheitlich) geschaffen. → Europa­recht, Europäisches Gemeinschafts­recht

Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Kropholler, J., Europäisches Zivilprozessrecht, 1985, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Schwarze, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1 1988; Vers un droit privé commun? – Skizzen zum gemein­europäischen Privatrecht, 1994; Europas universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends, hg. v. Köbler, G. u. a., 2000; Jansen, N., Binnenmarkt, Privatrecht und europäische Identität, 2003; The need for a European contract law, hg. v. Smits, J., 2005; Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, hg. v. König, B. u. a., 2007; Metzger, A., Extra legem - intra ius, 2009

Europäisches Währungssystem ist das auf einer Entschließung des Rates der → Europäischen Gemeinschaften beruhende Währungssystem mit dem Ziel, bis zum Jahre 1999/2002 zu einer stabilen Währungszone in Europa zu gelangen (Währungseinheit Euro).

Lit.: Scharrer, H./Wessels, W., Das Europäische Währungssystem, 1983

Europäische Union ist die durch den Vertrag von Maastricht/Niederlande am 7. 2. 1992 gegründete, zum 1. 11. 1993 unter Ergänzung um die Politikbereiche gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres aus der Europäischen Gemeinschaft bzw. den Eu­ropäischen Gemeinschaften entwickelte Ver­bindung (Staatenverbund) der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Großbri­tannien, Irland, Dänemark, Griechenland, Spanien und Portugal, zu denen zum 1. 1. 1995 Österreich, Schweden und Finnland stoßen. Ihre (in der Form der Organleihe wirkenden [str.]) Organe sind Rat, Kommission, Versammlung und europäischer Gerichtshof. Zum 1. 5. 2004 wird die E. U. um Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern (Südzypern), zum 1. 1. 2007 um Rumänien und Bulgarien erweitert. Außerdem äußern die Türkei, Kroatien, Serbien, Albanien, Russland und andere Staaten einen Wunsch nach Mitgliedschaft. Die Staatsbürger der Mitgliedstaaten der europäischen Union (Unionsbürger 1993) dürfen sich der Freiheiten der Europäischen Union bedienen und sind im Wohnsitzstaat kommunal­wahlberechtigt.

Lit.: Sachwörterbuch zur Europäischen Union, hg. v. Monar, J. u. a., 1993; Kommentar zur Europäischen Union, hg. v. Grabitz, E. u. a., 2. A. 1994; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration, 1996; Dedman, M., The origins and development, 1996; Pfeil, W., Historische Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der „Vier Grundfreiheiten“, 1998; Die Europäische Union als Prozess, hg. v Hrbek, R. u. a., 1998; Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, hg. v. Schubert, K. u. a., 2000; Der Europäische Konvent und sein Ergebnis, hg. v. Busek, E. u. a., 2004; Butschek, F., Vom Staatsvertrag zur EU, 2004; Dinan, D., Europe Recast, 2004; Schönberger, C., Unionsbürger, 2006; Thurner, P., Die graduelle Konstitutionalisierung der Europäischen Union, 2006; Kristoferitsch, H., Vom Staatenbund zum Bundesstaat?, 2007; Vom gemeinsamen Markt zur Europäischen Unionsbildung, hg. v. Gehler, M., 2007; Fünfzig Jahre römische Verträge, hg. v. Schulze, R. u. a., 2008; Thiemeyer, G., Europäische Integration, 2009

Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist die durch Gründungsvertrag am 27. 5. 1952 beschlossene, auch die Schaffung einer euro­päischen politischen Gemeinschaft vorsehen­de, am 30. 8. 1954 an der blhenung durch die Nationalversammlung Frankreichs gescheiter­te Verteidigungsgemeinschaft Deutschlands, Frankreichs, Italiens, der Niederlande, Belgi­ens und Luxemburgs mit europäischer Ge­meinschaftsarmee), deren Zielsetzung am 23. 10. 1954 in der Westeuropäischen Union fortgeführt wird.

Europäische Wirtschaftliche Interessenver­einigung ist die durch Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 7. 1985 zur Verfügung gestellte Unternehmensform. Sie beruht auf dem in Frankreich am 23. 9. 1967 als neue Gesellschaftsform geschaffenen Groupement d’Intérêt Economique.

Lit.: Bott, R./Rosener, W., Das Groupement d´Intérêt Economique, NJW 1970, 364; Hatzig, C., Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, 1990

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg vereinbarte und später auf weitere Mitglieder ausgedehnte, eine allgemeine wirtschaftliche Untegration durch Herstellung eines gemeinsamen Marktes anstrebende eu­ropäische Gemeinschaft in Wirtschaftsangele­genheiten. Sie ist eine der → Europäischen Gemeinschaften. Nach Erweiterung ihrer Po­litiken (Aufgaben) durch die einheitliche Europäische Akte (1986) und den Vertrag von Maastricht (1992) wird sie in Europäische Gmeienschat umbenannt.

Lit.: Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. Grabitz, E., 1989; Thiemeyer, G., Vom „Pool Vert“ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1999

Europarat (Sitz in Straßburg) ist der am 5. 5. 1949 in London von 10 Staaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Vereinig­tes Königreich von Großbritannien) errichtete völkerrechtliche Zusammenschluss zunächst westeuropäischer, seit 1990 zunehmend auch osteuropäischer Länder (1999 41 Mitglieder, als erste Kaukasusrepublik wird Georgien am 27. 4. 1999 41. Mitgliedsland des Europarates, 2007 47 Mitglieder) mit dem Ziel, eine engere allgemeine und wirtschaftliche Verbindung der Mitglied­staaten herzustellen. Die Organe sind das Ministerkomitee (der Außen­minis­ter), die beratende Versammlung (von Vertre­tern der Parlamente der Mitgliedstaaten) und das Ständige Sekretariat. Sie wirken haupt­sächlich durch Empfehlungen und Konven­tionen. Auf den E. gehen die → Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grund­freiheiten und der → Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte zurück.

Lit.: Carstens, K., Das Recht des Europarates, 1956; Österreich im Europarat 1956-1986, hg. v. Hummer, W. u. a., 1988; Council of Europe, hg. v. Streinz, R., 2000; Winkler, G., Der Europarat und die Verfassungsautonomie seiner Mitgliedstaaten, 2005; Österreich im Europarat 1956-2006, hg. v. Hummer, W., 2008

Europarecht ist das gesamte, eine europäische Organisation betreffende Recht. Dement­sprechend wird zum E. im weiteren Sinn insbesondere das Recht des Nordatlantikpakts (NATO), der Westeuro­päischen Union (WEU), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des → Europarats, der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und das → europäische Gemeinschaftsrecht gezählt. Im engeren Sinn ist E. nur das europäische Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht).

Lit.: Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Streinz, R., Europarecht, 1994; Arndt, U., Europarecht, 1994; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Euthanasie ist die bereits dem griechisch-römischen Altertum bekannte Sterbehilfe durch Arzneimittel. Sie wird insbesondere im Dritten Reich planmäßig für gesellschafts­politische Ziele verwendet (Euthanasiebefehl Adolf Hitlers von Ende Oktober 1939 mit [bis 24. 8. 1941] rund 100000 vergasten oder ver­hungerten Menschen „lebensunwerten Le­bens“).

Lit.: Nowak, K., Euthanasie und Sterilisierung im Dritten Reich, 2. A. 1980; Klee, „Euthanasie“ im NS-Staat, 1983; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rainer, J., Zur Euthanasie, (in) Ethik und Recht, 1993, 19; NS-„Euthanasie“ vor Gericht, hg. v. Loewy, H. u. a., 1996; Bieber, E., Der Euthanasiebefehl Hitlers, 1996; Brass, C., Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Saarland 1935-1945, 2004; Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, hg. v. Riha, O., 2005

evangelisch (Adj.) die Evangelien betreffend, protestantisch, lutherisch

Evangelisches Kirchenrecht ist das Recht der seit 1517 entstandenen evangelischen bzw. protestantischen Kirchen. Es baut auf dem → kanonischen Recht auf. Es unter­scheidet sich aber von diesem durch zahlreiche eigenständige Entwicklungen.

Lit.: Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Eventualmaxime ist der Verfahrensgrundsatz, wonach eine Partei eines Zivilprozesses zur Vermeidung des Ausschlusses ihres gesamten Vortrages diesen einschließlich aller (denkbaren) Möglich­keiten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Prozess einzubringen hat. Durch die Notwendigkeit des gleichzeitigen Vorbrin­gens aller Klagetat­sachen soll das Verfahren beschleunigt werden. Die E. gehört dem frühneuzeitlichen sächsischen Prozess an, wird aber vom französischen Prozess des beginnenden 19. Jh.s abgelehnt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 201; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Schulte, J., Die Entwicklung der Eventualmaxime, 1980

Evers, Johann Gustav (1781-1830), Professor für Rechtsgeschichte in Dorpat, stellt unter dem Einfluss Hegels 1826 in dem Werk „Das älteste Recht der Russen“ die Entwicklung des Rechts in Russland vom patriarchalischen Zustand der bürgerlichen Gesellschaft bis zum Territorialstaat der Neuzeit dar.

Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961

Eviktion (→ Entwerung) ist die Wiederer­langung des Besitzes einer verkauften Sache durch den Berechtigten bzw. der Entzug des Besitzes auf Seiten eines Käufers. Im klassischen römischen Recht kann der Käufer einer dem Verkäufer nicht gehörigen (beweglichen) Sache gegen den Verkäufer grundsätzlich Schadensersatz wegen Nicht­er­füllung nur verlangen kann (lat. [F.] actio auctoritatis), wenn die Sache dem Käufer auf Grund eines dinglichen Rechts im Rechtsstreit entzogen wird. Diese Gestaltung ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.

Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 452

Evokationsrecht (lat. ius [N.] evocandi, zu lat. evocatio [F.] Amtsladung) ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die Befugnis des Königs, jeden noch nicht entschiedenen Rechtsstreit vor sein Hofgericht zu ziehen. Seit dem 13. Jh. streben die Landesherren nach einem (lat.) privilegium (N.) de non evocando. Dieses wird 1356 den Kurfürsten allgemein erteilt. In der Folge verlagert sich die Gerichtsbarkeit auf die Länder, 1487 wird das E. des Königs beseitigt.

Lit.: Kaser § 87; Köbler, DRG 114; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 97

Ewa (F.) ist die althochdeutsche Bezeichnung (8. Jh.) für das (objektive) Recht (lat. [F.] lex). Die Etymologie des nur westgermanisch (ahd., mhd., as., afries., ae.) verbreiteten Wortes ist streitig (zu aind. éva, Lauf, Gang, Gewohnheit, zu lat. aevum, Ewigkeit, zu lat. aequum, Billigkeit, zu lat. ius?). Der Bezug zum religiösen Kult könnte unter dem Einfluss des Christentums entstanden sein (altiu ewa, lat. testamentum vetus). Im 13. Jh. engt e. seine Bedeutung auf (rechtmäßige) → Ehe ein.

Lit.: Köbler, DRG 80; Köbler, WAS; Weisweiler, J., Bedeutungsgeschichte, Linguistik und Philologie, (in) Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft, 1924, 419; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Seebold, E., Etymologie, 1981, 89; Schmidt-Wiegand, R., Recht und ewa, (in) Althochdeutsch, hg. v. Bergmann, R. u. a., 1987, 937

Ewa Chamavorum ist das Volksrecht (lat. [F.] lex) des fränkischen Teilstamms der an der Zuidersee siedelnden Chamaven (Ewa quae se ad Amorem habet). Es ist in zwei Handschriften überliefert und in 48 knappe Kapitel gegliedert. Vielleicht wird es 802/3 in Aachen durch einen Königsboten erfragt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

Ewiger Landfriede ist der am 7. 8. 1495 in Worms von König Maximilian mit Rat der Reichstände auf der Grundlage von Land­frieden von 1486, 1474, 1471 und 1442 (sowie [1356 und] 1235) erlassene, dauerhafte Geltung beanspruchende und deswegen zwar nicht im Text, aber doch von den Zeitgenossen als ewig bezeichnete und tatsächlich bis 1806 geltende → Landfriede des Heiligen römischen Reiches. Er hebt das Fehderecht zugunsten der gerichtlichen Entscheidung jedes Rechtsstreits auf (Fehdeverbot unter Androhung der Reichsacht). Zugleich drängen damit die Stände den König in der Friedenswahrung zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Angermeier, H., Königtum und Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 15 II 4; 1495, 1995, 71ff.; Landfriede, hg. v. Buschmann, A. u. a., 2002; http://www.koeblerger­hard.de/Fontes/EwigerLandfriede1495.htm

Ewigrente ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer vereinbarte → Rente.

Lit.: Hübner

Ewigsatzung ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer gedachte → Satzung eines → Pfandes.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981

exactio (lat. [F.]) Eintreiben (von Forderungen)

Exceptio (lat. [F.] Ausnahme) ist die Einrede (als Verteidigung eines Beklagten gegen einen Klaganspruch [stricti iuris, strengen Rechts]). Sie ist im römischen Recht ursprünglich die dem Beklagten günstige Ausnahme von den Bedingungen, unter denen er dem Klaganspruch (lat. [F.] → actio) zufolge zu verurteilen wäre. Aus dieser ver­teidigenden Einrichtung des Verfahrensrechts, die auf Antrag des Beklagten in die Klagformel eingefügt wird (z. B. lat. exceptio doli, exceptio pacti), entwickelt sich allmählich ein selbständiges Recht des Beklagten, das Begehren des Klägers zu verweigern. Mit der Aufnahme des römischen Rechts im Heiligen römischen Reich im Spätmittelalter wird die e. aufgenommen (z. B. 1721 mehr als 150 exceptiones unterschieden). Im Laufe des 19. Jh.s wird die e. durch Einrede und Einwendung ersetzt.

Lit.: Kaser §§ 4, 80; Söllner § 9; Köbler, DRG 33f.; Köbler, LAW; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. A. 1878; Schlosser, H., Spätmittel­alterlicher Zivilprozess, 1971; Dick, B., Die Entwick­lung des Kameralprozesses, 1981; Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess, 1999

Exceptio (F.) doli (lat.) ist die Einrede der Arglist. Sie gilt im römischen Recht (bei den iudicia stricti iuris) grundsätzlich nur bei besonderer Aufnahme in die Klagformel des Prätors auf Verlangen des Beklagten, bei den sog. → bonae-fidei-iudicia aber auch ohne diese. Sie kann auf die Vergangenheit oder die Gegenwart bezogen sein.

Lit.: Kaser §§ 4, 8, 9, 22, 26, 27, 33, 36, 37, 40, 53, 62, 65, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 43, 45; Haferkamp, H., Die exceptio doli generalis in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 1

Exceptio (F.) iusti dominii (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des quiritischen Eigentümers gegen­über der (lat.) actio (F.) Publiciana des Er­sitzungsbesitzers.

Exceptio (F.) non adimpleti contractus (lat.) ist im römischen Recht (bei Kauf, Miete und Gesellschaft) die Einrede der Nichterfüllung.

Lit.: Kaser § 38

Exceptio (F.) non numeratae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des nichtgezahlten Entgeltes.

Lit.: Kaser §§ 40, 53; Litewski, W., Non numerata pecunia, SDHI 60 (1994)

Exceptio (F.) rei sibi (ante bzw. quoque) pigneratae (lat.) ist im römischen Recht bei einer Mehrfachverpfändung die Einrede eines vorrangigen oder besitzenden Pfandgläubigers gegen eine (lat.) actio (F.) Serviana eines nachrangigen oder anderen Pfandgläubigers.

Exceptio (F.) rei venditae et traditae (lat.) ist im römischen Recht die dem Käufer (einer nicht durch [lat.] mancipatio, sondern nur durch [lat.] traditio übertragenenen res man­cipi als bloßem bonitarischem Eigentümer) seit Einführung des Formularverfahrens vom Prätor gegenüber dem herausverlangenden Verkäufer und quiritischen Eigentümer gewährte Einrede der verkauften und übergebenen Kaufsache.

Lit.: Kaser §§ 22, 27

Exegese (F.) ist die Auslegung eines Textes (z. B. Digestenexegese, Sachsenspiegel­exegese, Bibelexegese). Sie ist notwendiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen juristi­schen Tätigkeit. Als eigene Lehrveranstaltung tritt die E. im ausgehenden 20. Jh. zurück.

Lit.: Köbler, DRG 11; Lubac, H. de, Exégèse médievale, 1959ff.; Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese, 2. A. 1993; Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1975; Waßmer, M./Wittemann, F., Die verfassungsgeschichtliche Exegese, 1999

exegetisch (auslegend) z. B. exegetische, eng an das Gesetz gebundene und dessen Fortbildung grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassende Schule zur Anwen­dung des Privatrechts nach gesetzlich [§§ 6, 7 ABGB] festgelegten Regeln in Österreich ab 1812 (tatsächlich Rechtsfortbildung z. B. durch verschämte Verwaltungsgemeinschaft und Gütergemeinschaft auf den Todesfall)

Exemption (F.) Herausnahme, Ausnahme (z. B. aus der Herrschaft eines kirchlichen Oberen, aus einer Gerichtszuständigkeit oder aus der Geltung des Rechts eines Staates zu Gunsten von Geschäftsträgern eines anderen Staates)

Exercitalis (lat. [M.]) Heermann, Arimanne

Lit.: Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1

exercitor (lat. [M.]) Reeder

Exekution (F.) → Vollstreckung, → Zwangs­vollstreckung

Lit.: Mally, A., Der österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967

Exekutive ist die ausführende Gewalt. Sie wird als solche von den Vertretern der Lehre von der → Gewaltentrennung (→ Locke 1680, → Montesquieu 1748) von der Legislative (und der Judikative) getrennt.

Lit.: Köbler, DRG 190, 191

Exil ist seit dem Altertum das (freiwillige oder zwangsweise) Ausscheiden eines oder mehrerer Menschen aus einem Staat. Seit dem 19. Jh. können im E. auch Regierungen beibehalten oder geschaffen werden.

Lit.: Die 48er, hg. v. Freitag, S., 1998; Auswanderung, Flucht, Vertreibung, Exil im 19. und 20. Jh., hg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 2003; Exile in the Middle Ages, hg. v. Napran, L. u. a., 2007

Exklave ist das Teilgebiet eines Staates (aus dessen Sicht), das von seinem übrigen Gebiet getrennt und vollständig vom Staatsgebiet anderer Staaten eingeschlossen ist (z. B. deutsche Exklave Büsingen in der Schweiz, Russlands Gebiet um Königsberg). S. Enklave.

Exkommunikation ist im (katholischen) Kirchenrecht ursprünglich der strafweise Ausschluss eines Mitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Seit der Wende zum 5. Jh. wird die E. auf den Entzug der mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte (ohne Entbindung von den Pflichten) einge­schränkt. Die Dekretisten entwickeln im Hochmittelalter ein differenziertes Regelwerk für die E. Wegen der starken Ausweitung verliert die E., abgesehen vom klerikalen Bereich, später ihre Bedeutung. In der Gegenwart kann die Mitgleidschaft in der katholischen Kirche nicht mehr verloren werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56; Morel, M., L’Excommunication, 1926; Hyland, F., Excommunicatio, 1928; Siuts, H., Bann und Acht, 1959; Elsener, F., Die Exkom­munikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern, 1968, 69; Logan, F., Excommunication, 1968; Weigand, R., Zur Exkommunikation bei den Glossatoren, ZRG KA 56 (1970), 396; Vodola, E., Excommunication, 1986; Murray, A., Excommunication, 1991; Pauler, R., Dum esset catholicus – Zur Frage der Gültigkeit von Regierungshandlungen exkommunizierter und abge­setzter Kaiser, ZRG GA 112 (1995), 344; Helmholtz, R., The Spirit of the Classical Canon Law, 1996; Magnúsardottir, L., Bannfoering og Kirkjuvald, 2007

Exlibris (lat. ex libris, aus den Büchern) ist das seit Erfindung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s zur Bezeichnung des Eigentümers des einzelnen Buches auf die Innenseite des vorderen Buchdeckels geklebte Blatt.

Lit.: Kretz, H., Exlibris für Juristen, 2003

Ex nihilo nihil (lat.). Aus nichts wird nichts.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Anaxagoras, um 500-428 v. Chr.)

Extrajudizialappellation ist die bereits dem römischen Recht bekannte Appellation au­ßerhalb gerichtlicher Endurteile. Sie ist in Lübeck 1296 bezeugt. Sie wird durch den Reichsabschied von 1594 für den Prozess des Reichskammergerichts in engen Grenzen eröffnet. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird sie eingeengt und durch die Reichsjustizgesetze des deutschen Reiches von 1877/1879 beseitigt.

Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivil­prozeses, 3. A. 1878, 768ff.; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; See­ger, T., Die Extrajudizialalppellation, 1992; Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht, 1997

Extranei heredes (lat. [M.Pl.], Sg. extraneus heres) sind im römischen Recht die im Gegensatz zu den (lat. [M.Pl.]) → sui heredes (Hauserben) stehenden Außenerben (Agnaten, Gentilen).

Lit.: Kaser §§ 66, 71

Extraordinaria cognitio (lat. [F.]) ist im römischen Recht das seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) das ältere zweigeteilte Verfahren vor Magistrat und ehrenamtlichem Richter ablösende einheitliche → Kognitionsverfahren eines einzigen öffentlichen Amtsträgers.

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16, 18

Extravagantes (lat. [M. Pl.] Herumschwei­fende) ist die Bezeichnung für die 20 (bereits 1325 in einer privaten Sammlung zusam­mengestellten) Dekretalen Papst Johannes’ XXII. (1314ff., Extravagantes Johannis XXII.) und die 70 eher zufällig ausgewählten Dekretalen der Päpste Bonifaz’ VIII. (1294-1303) bis Sixtus’ IV. (1471-1484) (Extravagantes communes, allgemeine Extravaganten), die der Pariser Kirchen­rechtler Jean Chappuis in seine Ausgabe des → corpus iuris canonici (1499ff., Korpus des kanonischen Rechts) ohne amtlichen Auftrag aufnimmt. Zitiert werden sie z. B. als Extr. Joann. XXII. 4. 2 bzw. Extrav. com. 1. 7. 1.

Lit.: Bickell, J., Über die Entstehung und den heutigen Gebrauch der beiden Extravagantensammlungen, 1825; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 276; Tarrant, J., Extravagantes Iohannis XXII, 1983;

Extremismus ist die inhaltlich am Rand stehend politische Strömung.

Lit.: Backes, U., Politische Extreme, 2006

Eyre (engl. [N.]) ist die von lat. (N.) iter (Reise, Weg) abgeleitete Bezeichnung für die Reise bzw. Sitzung der königlichen eng­lischen Reiserichter zwischen 1086 bzw. 1166 und 1294.

Lit.: Harding, A., Rolls of the Shropshire Eyre of 1256, 1981

 

 

F

 

Faber → Favre

Faber, Johannes ist der um 1270 geborene, in Montpellier und vielleicht Bologna ausgebildete, um 1340 verstorbene, praktisch tätige französische Jurist, der breviarium Codicis und Commentarius in institutiones verfasst.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 581

Fabrik ist das Gebäude, in dem industriemäßig aus Rohstoffen Erzeugnisse hergestellt werden. Die F. entwickelt sich seit dem 18. Jh. aus dem Verlagssystem. Kennzeichnend ist die Tätigkeit der Bediensteten außerhalb des eigenen Hauses. Im 19. Jh. wird die F. Gegenstand besonderer rechtlicher Regelungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 175; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 229; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Anton, G., Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung, 1891, Neudruck, 1953; Mises, L., Zur Geschichte der österreichischen Fabrikgesetzgebung, Z. f. Volkswirtschaft, Sozial­politik und Verwaltung 14 (1905), 230; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Worring, H., Das fürstenbergische Eisenwerk Hammereisenbach, 1954; Dällenbach, H., Kantone, Bund und Fabrikgesetzgebung, Diss. jur. Bern 1961; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, 1983; Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh., hg. v. Otruba, G., 1981, 84; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz, ZNR 8 (1986), 157; Ruppert, W., Die Fabrik, 2. A. 1993

Fabrikengericht ist das im späten 18. Jh. in Preußen für einige Zeit aus der Poli­zeijurisdiktion entwickelte und danach im Rheinland geschaffene besondere Gericht für Rechtsstreitigkeiten in einer Fabrik zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern.

Lit.: Willoweit, D., Die Entstehung der preußischen Fabrikengerichtsbarkeit, ZNR 4 (1982), 1; Schloßstein, K., Die westfälischen Fabrikengerichtsdeputationen, 1982; Schöttler, P., Die rheinischen Fabrikengerichte, ZNR 7 (1985), 160

facere (lat.) handeln, tun

facultas (F.) alternativa (lat.) Ersetzungs­befugnis

Fahndung ist die Verfolgung möglicher Straftäter durch die Allgemeinheit, die seit der frühen Neuzeit und besonders seit dem 19. Jh. ausgebaut und zur Staatsaufgabe erhoben wird..

Lit.: Blauert, A. u. a. Gauner- und Diebslisten, 2001; Benad, R., Geschichte der Fahndung, 2006

Faden ist das dünne, längliche, meist durch Drehen entstehende, meist dem Verbinden von Geweben oder Lederstücken dienende menschliche Erzeugnis (Gespinst). Der F. kann als Längenmaß verwendet werden (z. B. etwa 185 cm). Er ist auch Gegenstand der rechtlichen Volkskunde.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1994

Fahne ist das als Symbol verwendete, meist rechteckige Tuch. → Fahnenflucht, → Fahnenlehen, → Reichsfahne

Lit.: Meyer, H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930), 310; Meyer, H., Sturmfahne und Standarte, ZRG GA 51 (1931), 204; Meyer, H., Kaiserfahne und Blutfahne, ZRG GA 53 (1933), 291; Neubecker, O., Fahnen und Flaggen, (um 1940)

Fahnenflucht ist das eigenmächtige auf Dauer angelegte Verlassen des Heeres, das schon im Altertum gewichtige Folgen nach sich zieht. Das langobardische Volksrecht sieht die Tötung, das alemannische Volks­recht die Buße von 80 Schillingen vor. Auch später wird zumindest für schwere Fälle die Todesstrafe angedroht, während einfachere Fälle mit Gefängnis und Ehrenminderung bestraft werden. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s dringt die Bezeichnung Desertion ein. Im zweiten Weltkrieg werden etwa zwei Drittel der als fahnenflüchtig bezeichneten deutschen Soldaten zum Tode verurteilt. Die F. in der Unrechtsherrschaft (berechtigte Fahnen­flucht in verbrecherischen Regimen) kann gerechtfertigter Widerstand sein. Am 17. 5. 2002 beschließt der Bundestag Deutsch­lands die Aufhebung aller Urteile wegen F. (Desertion) im zweiten Weltkrieg.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 561; Sargmeister, M., Das Delikt der Fahnenflucht, Diss. jur. Erlangen 1908; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Haase, N., Gefahr für die Manneszucht, 1996; Armeen und ihre Deserteure, hg. v. Bröckling, U. u. a., 1998; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtsjustiz 1933-1945, 2005; Brümmer-Pauly, K., Desertion im Recht des Nationalsozialismus, 2006

Fahnenlehen, Fahnlehn, ist das mit einer Fahne als Symbol (einer besonderen Herrschaftsgewalt?) verliehene → Lehen. Nach verbreiteter hochmittelalterlicher An­sicht ist die königliche Belehnung mit einem F. Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Fürstenstand. Das F. darf weder geteilt noch vom König länger als Jahr und Tag einbehalten werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Bruckauf, J., Vom Fahnlehn, 1906; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 36

Fähre ist das dem planmäßigen Übersetzen über einen Strom oder See meist an fester Stelle dienende Fahrzeug. Seit dem Hochmittelalter wird das Recht zum Betrieb einer F. auf öffentlichem Gewässer als → Regal verstanden. Von ihm leitet sich das einzelne Fährenrecht ab. In Deutschland gelten (über Art. 73 EGBGB) die früheren landesrechtlichen Vorschriften, sofern in den Landeswassergesetzen keine andere Regelung enthalten ist.

Lit.: Nordegg zu Rabenau, L. v., Das Recht der Fähren mit besonderer Berücksichtigung des Regierungs­bezirks Danzig, Diss. jur. Leipzig 1910; Sandkaulen, J., Fährgerechtsame, Diss. jur. Köln 1925; Künßberg, E. v., Fährenrecht und Fährenfreiung, ZRG GA 45 (1925), 144; Riegler, B., Fährgerechtigkeiten, Diss. jur. Würzburg 1933; Elben, J., Die Deutz-Kölner Rheinfähre als Kurkölner Regal, 1933; Hahn, C., Das Fährenrecht am Niederrhein, 1949

Fahrende Habe Fahrnis

Fahrende Leute sind die in Ausnützung ursprünglich allgemein verwendeter Freiheit der Ortsveränderung ohne festen Wohnsitz umherziehenden Menschen (im Mittelalter schätzungsweise 5-10 Prozent der Bevöl­kerung). Seit dem Spätmittelalter werden sie als Störung der Ordnung angesehen. Seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird Umherziehen teilweise strafbar, wobei Rechtssätze und angedrohte Strafen nicht stets umgesetzt werden. Gegen f. L. werden Pass und Meldepflicht eingesetzt, ohne dass ein vollständiger Erfolg erreicht wird.

Lit.: Mylius, A./Barthel, D., Iura vagabundorum, 1679; Enklaar, D., Varende Luyden, 1957; Schubert, E., Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, 1983, 2. A. 1990; Jütte, R., Poverty and Deviance, 1994; Schubert, E., Fahrendes Volk im Mittelalter, 1995; Rheinheimer, M., Arme, Bettler und Vaganten, 2000; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005

Fahrhabe → Fahrnis

Fahrlässigkeit ist im Privatrecht die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, im Strafrecht für die wenigen auch fahrlässig begehbaren Straf­taten der Vorwurf, dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht nicht erkannt oder die daraus folgende Sorgfaltsanforderung nicht erfüllt hat, obwohl er dazu nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens imstande gewesen wäre. Im römischen Recht wird erst zu Beginn der klassischen Zeit an die an ein Handeln gebundene F. (lat. [F.] → culpa) die zunächst auf den Vorsatz beschränkte Folge angeknüpft. Dies gilt allmählich auch für Verträge. Bei Justinian hat der Schuldner eine allgemeine Pflicht zur Sorgfalt (lat. [F.] → diligentia), mit deren schuldhafter Verletzung er eine Nachlässigkeit (lat. [F.] → neglegentia) begeht. Innerhalb der (lat. [F.]) culpa wird die grobe F. dem Vorsatz gleichgehalten. Im Frühmittelalter kennen die Quellen eine Reihe von Tätigkeit-Erfolgs-Beziehungen, bei denen kein Vorsatz angenommen wird (Ungefährwerk). Die Folgen sind allerdings durchaus unterschiedlich, wobei am Ende des Mittelalters eine Tendenz zur schwächeren Folge für den nicht gewollten Erfolg überwiegt. Ziemlich klar unterscheidet die Constitutio Criminalis Carolina (1532) vorsätzliche Tötung, fahrlässige Tötung und zufällige Tötung. Daran knüpft die weitere Entwicklung an, in der seit dem 19. Jh. eine Legaldefinition der strafrechtlichen F. vermieden wird.

Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 158, 204; Bruck, F., Zur Lehre von der Fahrlässigkeit, 1885; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Hippel. R. v., Die Grenze von Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1903; Exner, F., Das Wesen der Fahrlässigkeit, 1910, 12; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 90, Neudruck 1964; Wiegand, H., Rechtspolitische Untersuchungen über die Stufen der Fahrlässigkeit, 1925; Engisch, K., Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1930, Neudruck 1964; Tobler, R., Fahrkässigkeit im Zivil- und Strafrecht, 1931; Plass, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur quali­fizierten Fahrlässigkeit, 1932; Ziegler, W., Fahr­lässigkeit und Gefährdung, 1935; Brehmer, I., Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1935; Nörr, D., Die Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, 1960; Deutsch, E., Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963; Jescheck, H., Aufbau und Behandlung der Fahrlässigkeit im modernen Strafrecht, 1965; Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Holl, T., Entwicklungen der Fahrlässigkeitsdogmatik im Strafrecht von Feuerbach bis Welzel, 1992; König, V., Die grobe Fahrlässigkeit, 1998; Rösler, H., Haftungsgründe und -grenzen für fahrlässiges Verhalten, 1999; Schrage, E., Negligence, 2001; Mikus, R., Die Verhaltensnorm des fahrlässigen Erfolgsdelikts, 2002; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004

Fahrnis (Fahrhabe) ist die bewegliche (mo­bile) Sache, die ohne Verletzung von einem Ort zu einem anderen Ort gefahren bzw. bewegt werden kann (z. B. Kleid, Tier, Marktbude). Auf die Beweglichkeit einer Sache stellt das römische Recht nur in wenigen Einzelheiten (z. B. Ersitzung, Besitzschutz, später besondere Form des Kaufs unbeweglicher Sachen) ab. Im mittelalterlichen deutschen Recht kann über F. schon früh frei verfügt werden, unterliegt F. in der Ehe vielfach anderen Regeln hin­sichtlich der Nutzung, Verwaltung und Verfügung und gibt es an F. keine mehrfache und keine ideelle Gewere. Möglich sind aber Entliegenschaftung und Verliegenschaftung einer Sache. In der Neuzeit verblassen die Unterschiede unter dem Einfluss des römischen Rechts, doch regelt beispielsweise noch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) den Erwerb von Rechten an beweg­lichen Sachen (z. B. Einigung und Übergabe) einleuchtenderweise anders als den Erwerb von Rechten an unbeweglichen Sachen (z. B. Auflassung und Eintragung).

Lit.: Kaser § 15 I; Hübner 182, 430; Kroeschell, DRG 2; Estlander, E., Bidrag till en undersökning om klander, 1900; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Hübner, H., Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955

Fahrnisgemeinschaft ist im Ehegüterrecht die → Errungenschaftsgemeinschaft (betref­fend Fahrnis und Liegenschaften), in der auch die voreheliche → Fahrnis den Eheleuten ge­meinschaftlich zusteht. Sie ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Seit 1. 7. 1958 kann die F. in Deutschland nicht mehr vereinbart werden.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 18

faida → Fehde

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schumann, E., Unrechts­aus­gleich im Frümittelalter, Habilitations­schrift Leipzig 2003

Faktorei ist seit dem Spätmittelalter die kaufmännische Niederlassung außerhalb des Hauptsitzes des Unternehmens (z. B. Kontore der Hanse im Nordseeraum und Ostseeraum, Fondaco dei Tedeschi in Venedig, Zweig­niederlassung), vor allem im Kolonialhandel.

Lit.: Bürger, R., Die Organisation der Fuggerschen Faktoreien, 1955; Wirtschaft und Handel der Kolonialreiche, hg. v. Schmitt, E., Bd. 4 1988

Fakultät ist die Fachabteilung der Universität. Im Mittelalter ist die Universität meist in die vier Fakultäten der Artisten, Theologen, Juristen und Mediziner gegliedert. Ihre Geschäfte leitet der Dekan. Seit dem 19. Jh. hat sich die Zahl der Fakultäten vermehrt. Seit 1970 sind in Deutschland die Fakultäten an vielen Orten in Fachbereiche umbenannt und teilweise aufgegliedert.

Lit.: Köbler, DRG 99, 143; Baltl/Kocher; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck, FS zum 27. Deutschen Juristentag 1904, 101; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Dickel, G., Die Heidelberger juristische Fakultät, 1961; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Schikora, A., Die Spruchpraxis der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Cobban, A., The medieval University, 1975; Festschrift der juristischen Fakultät Heidelberg, 1986; Artisten und Philosophen – Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät, hg. v. Schwinges, R., 1999; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena, Diss. jur. Jena 2007

fakultativ (Adj.) möglich, nicht zwingend (z. B. Zivilehe)

Falkenstein

Lit.: Codex Falkensteinensis, bearb. v. Noichl, E., 1978

Fall (lat. [M.] casus) ist die durch die Anziehungskraft der Erde bewirkte senkrechte ungewollte Ortsveränderung. Wegen der damit vielfach verbundenen nachteiligen Folgen wird als F. auch das einzelne rechtlich bedeutsame Geschehen bezeichnet. Einzelne Rechtsordnungen wer­den durch die gericht­lichen Entscheidungen der Fälle geprägt (z. B. Rom, angloamerika­nisches Recht). Als berühmte einzelne Fälle gelten etwa das Strafverfahren gegen Sokrates, die (lat. [F.]) causa Curiana (1. Jh. v. Chr.), der Prozess Jesu, der Prozess der Iusta, der Ehestreit Lothars II. (ab 859), der Prozess gegen Heinrich den Löwen (1180), der Prozess gegen Galileo Galilei (1633), die Prozesse des Müllers Arnold (um 1779), das Strafverfahren gegen Alfred Dreyfus (1894), das Strafverfahren wegen Entziehung elektri­schen Stromes (1896) u. a.

Lit.: Mit den Augen der Rechtsgeschichte - Rechtsfälle selbstkritisch kommentiert, hg. v. Luminati, M. u. a., 2008; Fälle aus der Rechtsgeschichte, hg. v. Falk, U. u. a., 2008

Fallrecht ist die auf richterlichen Entscheidungen beruhende Rechtsordnung. F. sind das klassische → römische Recht und das → englische Recht (case-law) sowie die päpstliche Rechtsprechung seit dem 12. Jh. Ansätze zu einem F. finden sich auch in Deutschland (mittelalterliche Schöffensprü­che, Entscheidungen des Reichskammerge­richts), können sich jedoch wegen der Aufnahme des römisch-justinianischen Gesetzesrechts, des Gesetzgebungsanspruchs der Landesherren und des Fehlens einer durchsetzungsfähigen Höchstgerichtsbarkeit nicht ausreichend entwickeln und durch­setzen. Dennoch besteht F. auch nach Erlass der Vernunftrechtsgesetzbücher in der Praxis in den Fallsammlungen der Höchstgerichte (z. B. Reichsgericht, Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Europäischer Gerichts­hof). Allerdings ist das F. auf dem euro­päischen Kontinent dem vor allem seit dem 18. Jh. kodifikativ ausgebauten Gesetzesrecht grundsätzlich untergeordnet, während in England das Parlament kein Rechtsetzungs­monopol beansprucht und sich die stare-decisis-Vorstellung 1898 zum (1966 aufge­hobenen) Prinzip verfestigt. Daneben ist F. auch das Rückfallrecht von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen an die Familie, aus der sie gekommen sind.

Lit.: Kaser § 2; Köbler, DRG 31; Gál, A., Der Ausschluss der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 298ff., 468ff.; Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974; Weller, H., Die Bedeutung der Präjudizien im Verständnis der deutschen Rechtswissenschaft, 1979; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat, 1986; Case-Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., 1997; Müßig, U., Geschichte des Richterrechts und der Präjudizienbildung auf dem europäischen Kontinent, ZNR 28 (2006), 79ff.; Reimann, M., Die Erosion der klassischen Formen, ZNR 28 (2006), 209ff.; Vogenauer, S., Zur Geschichte des Präjudizienrechts in England, ZNR 28 (2006), 48ff.

Falsa demonstratio non nocet (lat.). Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gaius, um 120-um 180, Digesten 35, 1, 17, pr.)

Falschaussage → Meineid

Lit.: Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990

Falsche Verdächtigung ist der 1871 in das Strafgesetzbuch Deutschlands eingefügte, die wahrheitswidrige Verdächtigung eines anderen betreffende Tatbestand des § 164 StGB.

Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003

Falschmünzer ist der Münzen fälschende Täter.

Fälschung ist die zu betrügerischem Zweck vorgenommene Veränderung oder Nachbildung eines Gegenstandes (z. B. Münze, Bild). Einzelne Fälschungshand­lungen erwähnt bereits das altrömische Zwölftafelgesetz (Falschaussage 8,23, Richterbestechung 9,3). Seit dem 1. Jh. v. Chr. bilden sich Fälschungsdelikte (lat. crimina [N.Pl.] falsi) als besondere Gruppe (falsum) aus (Testament, Urkunde, Grenze, Münze, Maß, Gewicht usw.), neben die um 200 n. Chr. der „Betrug“ (lat. [M.] stellionatus, D. 47, 20, 3, 1) tritt. Im Frühmittelalter verschmelzen die Tatbestände des römischen Rechts zu Deliktsfiguren, die nur noch wenige Ähnlichkeiten mit ihren Vorbildern haben. Im Hochmittelalter werden etwa falsche Maße und Gewichte oder der Verkauf verfälschter Waren wie Diebstahl behandelt. Dagegen fasst das spätmit­telalterliche gelehrte Recht (z. B. Klagspiegel 1436/1442) die Fälschungsdelikte zu einem einheitlichen (lat. [N.]) crimen falsi zusammen, zu dem (lat. [M.]) → stellionatus ein qualifizierter Sonderfall ist. Im 19. Jh. werden im Code pénal Frankreichs (1810) → Betrug und Fälschung voneinander getrennt. Dem folgen die deutschen Strafgesetzbücher (Bayern 1813, Baden 1845, Preußen 1852, Reich 1871) im Wesentlichen.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Binding, K., Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Teil 2, 2, 1901; Beyerle, K., Die Urkundenfälschungen des Kölner Burggrafen Heinrich III., 1913; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Fuhr, L., Zur Entstehung und rechtlichen Bedeutung der mittelalterlichen Formel ane argliste unde geverde, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Fuhrmann, H., Die Fälschungen im Mittelalter, HZ 197 (1963), 529; Kocher, E., Überlieferung und ursprünglicher Anwendungsbereich der Lex Cornelia de falsis, 1965; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1968; Kausch, W., Die Entwicklung des Falsum von der Carolina zur Aufklärung, 1971; Lorenz, W., Die Falschbeurkundung, 1976; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1987ff.; Fuld, W., Das Lexikon der Fälschungen, 1999; Topper, U., Fälschungen der Geschichte, 2001; Fortschritt durch Fälschungen? hg. v. Hartmann, W. u. a., 2002; Fezzi, L., Falsificazione di documenti pubblici nella Roma tardorepubblicana, 2003; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2006

Falsum (lat. [N.]) ist die im klassischen römischen Recht als Straftat erfasste → Fälschung, für die Sulla an der Wende vom 2. zum 1. Jh. eine eigene Untersuchungsbehörde einrichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962

Familia (lat. [F.]) ist im frühen Mittelalter nach antikem Vorbild vor allem der zu einer Grundherrschaft gehörige Personenverband.

Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Baltl/Kocher; Weizsäcker, W., Die familia des Klosters St. Emmeram in Regensburg, Verhandl. d. histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 92 (1951), 1; Bosl, K., Die „familia“, Z. f. bay. LG. 38 (1975), 403; Kuchenbach, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Scherner, K., Ut proprian familiam nutriat, ZRG 111 (1994), 330; Paludan, H., Familia og Familie, 1995; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993

familiae emptor (lat. [M.]) Erbschaftskäufer

Familie ist der Kreis der durch Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft verbundenen Menschen, insbesondere die Ehegatten und ihre Kinder. Im Altertum wird die F. als von der Natur des Menschen gegeben eingestuft. Vermutlich sind sich bereits die Indogermanen der F. bewusst. Vielleicht mit der Sesshaftwerdung bildet sich in Rom die auf dem Einzelhof lebende, aus Familienvater, Ehefrau und Kindern (sowie Gesinde) bestehende F. Dem dürfte auch die F. der Germanen entsprochen haben. Sie ist Wirtschaftsgemeinschaft. Die durch­schnitt­liche Zahl der Geburten einer Frau dürfte wegen der hohen Sterblichkeit und der längeren Stillzeiten fünf nicht über­schritten haben. Die F. steht meist unter der Personalgewalt (munt) des Hausvaters, die mit Emanzipation, Abschichtung oder Verheiratung endet. Mit der Christianisierung verbessert sich die Stellung der Frau in der F. Seit der Neuzeit entdeckt der Staat sein Interesse an der Kindererziehung. Mit der Industrialisierung wird die F. zur bloßen Verbrauchsgemeinschaft. Mit dem 19. Jh. lockern sich auch die familienrechtlichen Bindungen, so dass das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die F. eher als Summe rechtlicher Einzelbeziehungen versteht. Im 20. Jh. ändert sich vielleicht als Folge des allmählichen Zurücktretens der körperlichen Arbeit die F. grundlegend. Dementsprechend stellt Art. 199 I der Weimarer Reichsver­fassung fest, dass Grundlage der F. die auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beru­hende Ehe ist. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hebt alle den Gleichberechtigungsgrundsatz verletzenden Bestimmungen auf. In der Bundesrepublik entsteht infolge Nichterfüllung eines Auftrags des Grundgesetzes zum 1. 4. 1953 ein gesetzloser Zustand, den das Bundesverfas­sungsgericht am 18. 12. 1953 durch Aner­kennung der Gleichberechtigung hilfsweise schließt. Am 18. 6. 1957 verabschiedet der Bundestag ein am 1. 7. 1958 in Kraft tre­ten­des Gleichberechtigungsgesetz, das durch das Bundesverfassungsgericht am 29. 7. 1959 teilweise aufgehoben wird. Danach tritt in an die Stelle der väterlichen Gewalt die gemeinschaftliche Leitung der F. durch Mann und Frau. 1979 wird die gemeinsame → elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge ersetzt. Tatsächlich treten neben die durch die Ehe gekennzeichnete F. nichteheliche Lebens­gemeinschaft und gleichgeschlechtliche Part­nerschaft.

Lit.: Kaser § 12; Söllner §§ 4, 5, 8, 12, 18; Hübner 615; Köbler, DRG 129, 209, 238, 252, 267; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 253; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Schulz, W., Die germanische Familie der Vorzeit, 1925; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1; Möller, H., Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert, 1969; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Scheffler, E., Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der Rechtsordnung seit 1918, 1970; Weber-Kellermann, I., Die deutsche Familie, 1974; Montanos, E., La familia en la Alta Edad Media española, 1980; Maschke, E., Die Familie in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, 1980; Familie zwischen Tradition und Moderne, hg. v. Bulst, N., 1981; Gaunt, D., Familjelivi i Norden, 1983; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, 2002; Burguière, A. u. a., Histoire de la famille, 1986; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Rosenbaum, H., Formen der Familie, 5. A. 1990; Haushalt und Familie, hg. v. Ehlert, T., 1991; Dixon, S., The Roman Family, 1992; Rachel, C., Die Diskussion um den französischen Familienrat in Deutschland im 19. Jahrhundert, 1994; Geschichte der Familie, hg. v. Burguière, A. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Historische Familienforschung, hg. v. Ehmer, J. u. a., 1997; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; The Roman Family, hg. v. Rawson, B. u. a., 1997; Schumann, E., Die nichteheliche Familie, 1998; Gestrich, A., Geschichte der Familie, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Die jüdische Familie, hg. v. Keil, M. u. a., 1999; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandt­schafts­bilder, 1999; Gestrich, A. u. a., Geschichte der Familie, 2003; Heinemann, R., Familie zwischen Tradition und Emanzipation, 2004; Kuller, C., Familienpolitik im föderativen Sozialstaat, 2004; Schneiders, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Le médiéviste et la monographie familiale, hg. v. Aurell, M., 2004; Klippel, D., Familienpolizei, FS Dieter Schwab, 2005; Köbler, G., Familienrecht im geschichtlichen Wandel (in) Recht als Erbe und Aufgabe, 2005, 355ff; Bauszus, S., Der Topos von der Großfamilie, 2006; Familiensozialisation seit 1933, hg. v. Gebhardt, M. u. a., 2007; Gendering the Fertility Decline in the Western World, hg. v. Janssens, A., 2007; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2007

Familienfideikommiss ist die auf rechtsgeschäftlicher Stiftung beruhende Bindung des Vermögens (z. B. auch Grundstück, Haus, Bibliothek) einer Familie im Mannesstamm ohne Bildung einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Solche Stiftungen des niederen Adels, die dieselben Wirkungen wie die auf Rechtsetzungsgewalt beruhenden Hausgesetze der späteren Landesherren anstreben, sind in England seit dem 8. Jh., in Deutschland seit dem 11. Jh. bezeugt. Sie nehmen in der Neuzeit seit dem dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zu. Philipp Knipschild formuliert 1654 (De fideicommissis familiarum nobilium, Über die Fideikommisse der adligen Familien) die dafür aus dem römischrechtlichen (lat. [N.]) fideicommissum der justinianischen Novelle 159 und dem lehnrechtlichen Gedanken einer (lat.) successio (F.) ex pacto et providentia maiorum (Nachfolge aus Vertrag und Voraussicht der Vorfahren) entwickelte Theorie vorbildlich. Danach ist Eigentümer des durch schriftliche Willenserklärung errichteten Familienfideikommisses (evtl. Eintragung und staatliche Genehmigung notwendig) der oder gesamthänderisch die jeweiligen Inhaber. Veräußerungen und Belastungen sind nichtig. Meist folgt der älteste Sohn nach. Schon Montesquieu (1748) bekämpft den F. aus wirtschaftlichem Grund. 1804 wird der F. im Gebiet des französischen Rechts aufgehoben. Dem passt sich die (gescheiterte) deutsche Reichsverfassung von 1848/1849 an. In Preußen wird die 1850 verfügte Aufhebung später wieder beseitigt. Art. 155 II der Weimarer Reichsverfassung setzt die Auflösung fest, ein Reichsgesetz vom 6. 7. 1938 beschleunigt sie (erloschen zum 1. 1. 1939, vgl. das Bundesgesetz vom 28. 12. 1950/3. 8. 1967). Vielfach ist der F. in eine Stiftung überführt.

Lit.: Kaser § 77; Söllner § 17; Hübner 337; Köbler, DRG 123, 162, 210, 231; Lewis, W., Das Recht der Familienfideikommisse, 1868, Neudruck 1969; Bruckner, F., Zur Geschichte des Fideicommisses, 1893; Hager, P., Familienfideikommiss, 1897; Kunsemüller, E., Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Sautier, A., Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Meyer, H., Die Anfänge des Familien­fideikommisses in Deutschland, FG R. Sohm 1914, 225; Seelmann, W. u. a., Das Recht der Familienfideikommisse, 1920; Horsten, F., Die Familien-Fideikommiss-Politik in Preußen, 1924; Hausgeschichte und Diplomatarium der Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Klässel, O./Köhler, K., Die Zwangsauflösung der Familienfideikommisse, Bd. 1 1932; Koehler, K./Heinemann, E., Das Erlöschen der Familienfideikommisse, 1940; Söllner, A., Zur Rechtsgeschichte des Familienfideikommisses, FS M. Kaser, 1976, 657; Bar, C. v./Striewe, P., Die Auflösung der Familienfidei­kommisse, ZNR 3 (1981), 184; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Eckert, J., Use, Trust, strict Settlement, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bayer, B., Sukzession und Freiheit, 1999; Trott zu Solz, T. v., Erbrechtslose Sondervermögen, 1999; Brandner, B., Die Auflösung der Familienfideikommisse in Thüringen, 2000

Familiengericht ist die in Deutschland am 1. 7. 1977 geschaffene Gerichtsbarkeit in Familiensachen am → Amtsgericht. Das F. entwickelt sich am Beginn des 20. Jh.s aus dem Jugendgericht in den Vereinigten Staaten. Nach 1920 wird es in Japan aufgenommen.

Lit.: Röhl, Das Familiengericht in Japan, NJW 1957, 12; Erdsiek, G., Der Family Court in USA, NJW 1961, 1066; Peschel-Gutzeit, L., 25 Jahre Familiengerichte in Deutschland, NJW 2002, 2737

Familiengesetzbuch ist das am 20. 12. 1965 zur Neuordnung des Familienrechts in der → Deutschen Demokratischen Republik geschaf­fene Gesetzbuch (Egalisierung im Namens­recht, erleichterte Scheidung ohne Unterhalts­ansprüche, Errungenschaftsgemeinschaft, Er­ziehung der Kinder zu Erbauern des Sozialismus).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Douma, E., Die Entwicklung des Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Schneiders, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Fischer-Langosch, P., Die Entstehungsgeschichte des Familiengesetzbuches der DDR von 1965, 2006

Familienrecht ist die Gesamtheit der die → Familie betreffenden Rechtssätze. Sachlich erfasst sind davon in erster Linie das Verhältnis von Mann und → Frau in der Ehe, die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sowie die → Vormundschaft, → Pflegschaft und → Betreuung. Die Erfassung der gesellschaftlichen Gegebenheiten durch das Recht ist erst allmählich erfolgt. Einen bedeutsamen Anteil hieran hat die christliche Kirche mit ihrer sakramentalen Ehevorstellung. Als besonderes Rechtsgebiet erscheint das F. erst im späten 18. Jh. Seitdem wird es zunehmend geprägt von der Emanzipation der Frau. Tatsächlich bedeutsam wird seit etwa 1970 die medizinische Entdeckung der medikamen­tösen Empfängnisverhütung. Seit 1. 1. 2008 ist das F. in Deutschland nochmals erheblich verändert, das Familienverfaqhrensrecht seit 1. 9. 2009 (Abschaffung des Vormund­schafts­gerichts, Erweiterung der Zuständigkeit des Familiengerichts)..

Lit.: Kaser §§ 12, 58; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Dargun, L., Studien zum ältesten Familienrecht, 1892; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts, 1962; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts, 1964; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bextermöller, C., Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik, 1970; Dörner, H., Industrialisierung und Familienrecht, 1974; Buchholz, S., Savignys Stellungnahme zum Ehe- und Familienrecht, Ius commune 8 (1979), 148; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Familienrecht 3 Teile, 1983; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, (in) Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Zur Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993; Ramm, T., Familienrecht – Verfassung, Geschichte, Reform, 1996; Vaupel, H., Die Familienrechtsreform, 1999; Frank, R., 100 Jahre BGB, Familienrecht zwischen Rechtspolitik, Verfassung und Dogmatik, AcP 200 (2000), 400; Franzius, C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Wellenhofer, M., Das neue Familienrecht, JuS 2009,673

Familienstammgut ist das seit dem 13. Jh. kraft Hausgesetzes des Hochadels (meist mit Zustimmung des Kaisers des Heiligen römischen Reiches) einer besonderen Erb­folge (ungeteilte Ältestenerbfolge) unterwor­fene Gut. Ziel ist die Wahrung der Herrschaftsstellung. Wem dabei das Eigentum zusteht, ist noch im 19. Jh. streitig. Nach einem Gesetz des deutschen Reiches vom 6. 7. 1938 erlöschen alle bestehenden, nicht in Stiftungen umgewandelten Familienstamm­güter mit dem 1. 1. 1939.

Lit.: Zimmerle, L, Das deutsche Stammgutsystem, 1857; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der deut­schen Dynastien des Mittelalters, 1871; Nöthiger, R., Familienfideikommisse, Stammgüter und standesherr­liche Hausgüter, 1932; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse in Deutschland, 1992

Fara ist das langobardisch(-burgundisch)e Wort des 6./7. Jh.s für die Fahrtgenos­sen­schaft der Völkerwanderungszeit bzw. die Familie oder das Geschlecht.

Lit.: Köbler, WAS; Fasoli, G., I Langobardi in Italia, 1965, 50; Cavanna, A., Fara, 1967; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, 1982, 47; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges Barbarorum, 1991

Farbe ist der Eindruck, den der Mensch mit einem unbewegten Auge von einem im Licht befindlichen Gegenstand wahrnimmt. Mit dem Eindruck kann der Mensch Vorstel­lungen verbinden (z. B. Nationalfarben, Rubrum des Urteilskopfes, rote Robe). Mit ihnen befasst sich vor allem die rechtliche Volkskunde.

Lit.: Grumm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899; Meyer, H., die rote Fahne, ZRG Ga 50 (1930), 310ff.; Haupt, G., Die Farbe in der sakralen Kunst des abendländischen Mittelalters, 1941; Lauffer, O., Farbe im deutschen Volksbrauch, 1948; Gage, J., Kulturgeschichte der Farbe, 1994; Schwartzkopff, A., Die Schutzfähigkeit von Farben als Marken, 2002; Münch, I. v., Farben und Recht, 2006; Thurn, H., Farbwirkungen, 2007

Faschismus ist die politische Bewegung mit nationalistischer totalitärer Zielsetzung, die ihren historischen Ausgang von Benito Mussolini (Italien 23. 3. 1919 fasci di com­battimento) genommen hat. Ihr verbunden fühlen sich rasch Adolf → Hitler im Deutschen Reich, Frncisco Franco in Spanien und andere. Nach dem zweiten Weltkrieg (1939-1945) wird der F. weltweit geächtet.

Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 329; Nolte, E., Der Faschismus, 9. A. 1984; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus in Deutschland, 1972; Wippermann, W., Faschismustheorien, 6. A. 1995; Payne, S., The History of Facism, 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 40 I; Faschismus und Gesellschaft in Italien, hg. v. Petersen, J. u. a., 1998; Sternhell, Z. u. a., Die Entstehung der faschistischen Ideologie, 1999; Kühnl, R., Der deutsche Faschismus, 7. A. 2000; Nolte, E., Der Faschismus in seiner Epoche, 5. A. 2000; Payne, S., Geschichte des Faschismus, 2001; Reichardt, S., Faschistische Kampfbünde, 2002; Nietzsche, Godfather of Facism?, hg. v. Golomb, J. u. a., 2002; Classen, C., Faschismus und Antifaschismus, 2004; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus, 2005; Bauerkämper, A., Der Faschismus in Europa 1918-1945, 2006; Somma, S., Nicht einen Nagel habt ihr entfernt, ZRG 125 (2008), 314; Wippermann, W., Faschismus, 2009

Faustpfand ist das dem Pfandgläubiger zu unmittelbarem Besitz übergebene → Pfand, dessen Name sich von der unrichtigen Verbindung von (lat. [N.]) pignus, Pfand mit (lat. [M.]) pugnus, Faust ableitet. Im römischen Recht ist das Pfand teils Besitzpfand, teils besitzloses Pfand. Im deutschen Pfandrecht ist das Pfand zunächst F., doch entwickelt sich im Hochmittelalter an einigen für den Schuldner schwer ent­behrlichen Sachen auch ein besitzloses Pfand (neuere Satzung an Fahrnis). Trotz der Aufnahme des römischen Rechts bleibt das (dadurch zurückgedrängte) F. bestehen und wird in die Hypothec- und Concursordnung Preußens (1722), das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) und in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Die deutsche Rechtswirklich­keit des 20. Jh.s zieht die → Siche­rungsübereignung vor.

Lit.: Kaser § 31 III; Köbler, DRG 126, 164, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 39

Faustrecht (1467) ist die Bezeichnung für den Zustand der menschlichen Gesellschaft, in dem sich jeder sein Recht mit eigener Faust (Selbsthilfe) zu erkämpfen versucht. Insofern ist ein rechtsfreier Urzustand ein Zustand des Faustrechts, dem als Gegensatz der moderne, zunehmend besser bewertete Rechtsstaat gegenübersteht, in dem alle Verhältnisse rechtlich geordnet sind und grundsätzlich alle einzelnen Interessen im Streit der Durchsetzung durch den gewaltmonopolistischen Staat bedürfen.

Lit.: Wendt, O., Das Faustrecht, 1883; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007

favor (lat. [M.]) Gunst, Begünstigung (z. B. im Zweifel für Gültigkeit oder für Freiheit)

favor (M.) iuris (lat.) Rechtswohltat

Favor (M.) libertatis (lat.) ist im spätrömischen Recht die im Zweifel im Rechtsstreit um die Freiheit gewährte Begünstigung der Freiheit.

Lit.: Kaser §§ 13, 15; Söllner § 12; Köbler, DRG 57

Favor (M.) testamenti (lat.) ist im römischen Recht die bei mehreren Auslegungsmöglich­keiten im Zweifel gewährte Begünstigung des nur unentgeltliche Verfügungen enthaltenden Testamentes gegenüber Geschäften unter Lebenden.

Lit.: Kaser § 68 I; Köbler, DRG 60

Favre (Faber), Antoine (1557-1624) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Turin 1585 Mitglied und 1610 Präsident des Gerichtshofes von Savoyen, dessen Ent­scheidungen er in dem nach dem justinianischen Codex syste­matisierten Codex Fabrianus definitionum forensium (Faber­schen Buch der gerichtlichen Erklärungen) 1609 veröffentlicht.

Lit.: Chevalier, L., Le président Favre, TRG 20 (1952), 263, 456

FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [in der Deutschen Demokratischen Republik])

Febronius, Justinus ist das Pseudonym Johann Nikolaus von Hontheims (Trier 27. 1. 1701-Montquintin/Luxemburg 2. 9. 1790, Weihbischof von Trier), unter dem 1763 (lat.) De statu ecclesiae (Vom Zustand der Kirche) erscheint, in dem der Gedanke der den Papst beschränkenden Nationalkirchen unterstützt wird (Febronianismus).

Lit.: Mejer, O., Febronius, 2. A. 1885; Pitzer, V., Justinus Febronius, 1976

Februarpatent ist in → Österreich das dem → Oktoberdiplom folgende Patent vom 26. 2. 1861, das als Verfassung (Februarverfassung) des österreichischen Reiches einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion, Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der ungarischen Verfassung, Grundgesetz über die Reichs­vertretung, neue Landesordnungen für die cisleithanischen Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern (Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht (, wobei die Abgeordneten von den Landtagen zu entsenden sind, 1873 Direktwahl) und damit den → Neoabsolutismus formal beendet. Das F. schafft ein zentrales System und bildet die erste Grundlage für den mit der → Dezemberverfassung 1867 begründeten Konstitutionalismus. In Ungarn wird das Grundgesetz über die Reichsvertretung von liberalen Kräften abgelehnt.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Rottenbacher, B., Das Februarpatent in der Praxis, 2001 ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Zustand der rechtmäßigen, Verletzungen fremder Menschen und Sachen erlaubenden Feindschaft zwischen dem Verletzten (und seiner Verwandtschaft) und dem Rechtsbrecher (und seiner Verwandt­schaft) zwecks Durchsetzung eines be­stehenden oder behaupteten Rechts. Die F. lässt die Selbsthilfe zu und zwar auch in der Form der Blutrache. Neben ihr steht wohl schon früh die Möglichkeit des Erfolgsausgleichs durch Verhandlung bzw. Meinungsbildung oder Entscheidung Dritter. Im Frühmittelalter beginnen König und Kirche die F. wegen ihrer unbefriedigenden, in der Nähe des Unrechts stehenden Folgen zurückzudrängen. Deswegen enthalten die Volksrechte umfangreiche Bußkataloge (→ Kompositi­onensystem). Im Hochmittelalter wird in den Landfriedensbestimmungen das Mittel der peinlichen → Strafe gegen die F. eingesetzt. Die F. wird auf den Adel beschränkt. Dem römischen Recht und dem kanonischen Recht ist die F. unbekannt, so dass die Rezeption eher zur Ablehnung der F. führt. Landfrieden von 1467, 1486 und schließlich der ewige Landfriede von 1495 verbieten die F. umfassend. Gleichzeitig wird das Reichs­kammergericht als Streitentschei­dungsorgan verfügbar. Danach geht die wohl noch gewohnheitsrechtlich legitimierte oder zumindest gewohnheitsmäßig geübte F., wie sie beispielsweise auch der Berliner Kaufmann Hans Kohlhase von 1534 bis 1538/1540 führt, tatsächlich allmählich zurück. → Duell und → Selbsthilfe bleiben Überreste auch in der Neuzeit.

Lit.: Köbler, LAW; Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Beyerle, F., Das Entwicklungs­problem im germanischen Rechtsgang, 1915; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 263, Neudruck 1964; Blockmans, F., Een patricische veete te Gent, Bulletijn der koninkl. commissie van geschiedenis 99 (1935), 573; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 2. A. 1942, 3. A. 1943, 4. A. 1959, 5. A. 1965; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage, 1941; Asmus, H., Rechtsprobleme des mittelalterlichen Fehdewesens, 1951; Kaufmann, E., Die Fehde des Sichar, JusS 1 (1961), 85; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Orth, E., Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, 1973; Sendler, H., Über Michael Kohlhaas, 1985; Kaufmann, M., Fehde und Rechtshilfe, 1993; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994; Ritzmann, P., Plackerey in deutschen Landen, 1995; Müller-Tragin, C., Die Fehde des Hans Kohlhase, 1997; Zmora, H., State and Nobility in Early Modern Germany, 1996; Althoff, G. Spielregeln der Politik im Mittelalter, 1997; Vogel, T., Fehderecht und Fehdepraxis im Spätmittelalter, 1998; Dießelhorst, M./Duncker, A., Hans Kohlhase, 1999; Graf, K., Gewalt und Adel in Südwestdeutschland, 2000; Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Reinle, C., Bauernfehden, 2003; Hyams, P., Rancor and Reconciliation in Medieval England, 2003; Bechstein, E., Die Tierberger Fehde, 2004; Kortüm, H., Wissenschaft im Doppelpass? Carl Schmitt, Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282 (2006), 561ff.; Feud in Medieval and Early Modern Europe, hg. v. Netterström, J. u. a., 2007; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007; Bernoth, C., Die Fehde des Sichar, 2008

Fehmarn

Lit.: Thon, H., Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Insel Fehmarn, Zs. der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 117; Kramer, K., Fehmarner Volksleben, 1982,

Fehr, Hans (Sankt Gallen 9. 11. 1874-Muri bei Bern 21. 11. 1961) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Berlin (Heinrich Brunner, Otto von Gierke, Josef Kohler), Bern (Eugen Huber) und Leipzig (Rudolf Sohm, Gerhard Seeliger) Professor für deutsche Rechtsgeschichte in Jena (1907), Halle (1912), Heidelberg (1917, Nachfolge Richard Schröders) und Bern (1924-1944). Seine Hauptwerke betreffen das Recht im Bilde (1923), das Recht in der Dichtung (1933) und die Dichtung im Recht (1937).

Lit.: Kunst und Recht, hg. v. Beyerle, F./Bader, K., 1948; Bader, K., Hans Fehr, ZRG GA 80 (1963), XV; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998, 125f.

Feiertag ist der kraft Rechts arbeitsfreie Arbeitstag. Die Arbeitsfreiheit des siebenten Wochentages und der Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten geht auf die jüdisch-christliche Tradition zurück. 1642 schränkt Papst Urban VIII. die zu groß gewordene Zahl der katholischen Feiertage auf 34 jährlich ein. Seit dem 19. Jh. wird die staatliche Gesetzgebung entscheidend, auf die auch die an bezahlter Arbeitsfreiheit interessierten Gewerk­schaften (Tag der Arbeit) und die ihr ablehnend gegenüber­stehenden Arbeitgeber Einfluss nehmen. Im ausgehenden 20. Jh. verringern wirtschaft­liche Überlegungen (z. B. Maschinenauslas­tung, Konsumsteigerung, Freizeitmerkantili­sierung) die Bedeutung des Feiertags.

Lit.: Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 1953ff.; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Grube, A., Der Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003

Feigheit ist die Neigung des Menschen, sein Handeln von Furcht vor Gefahren bestimmen zu lassen. Im Militärstrafgesetzbuch Preu­ßens von 1845 wird F. Straftatbestand. Auch nach § 6 Wehrstrafgesetz von 1957 entschul­digt Furcht vor persönlicher Gefahr nicht.

Lit.: Brinkkötter, H., Feigheit, Diss, jur. Marburg 1983

Feine, Hans Erich (Göttingen 21. 3. 1890, Tübingen 6. 3. 1965), Theologensohn, wird 1913 in Halle bei Paul Rehme promoviert und nach Kriegsteilnahme und Assistentenzeit bei seinem Schwiegervater Ulrich Stutz 1920 bei Paul Rehme in Breslau habilitiert. 1922 wird er Professor in Rostock, 1931 in Tübingen, wo er wegen seiner Verbundenheit mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus 1946 amtsenthoben und 1952 emeritiert wird, 1955 aber seinen früheren Lehrstuhl wieder erhält. Seine Verfassungsgeschichte der Neuzeit ist im Nationalsozialismus erfolgreich, seine kirchliche Rechtsgeschichte unvollendet.

Lit.: Tausend Jahre deutsche Reichssehnsucht und Reichswirklichkeit, 1935; Bader, K., Hans Erich Feine, ZRG KA 51 (1965), XIff., Münchener rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H., 1996

Feld ist das dem Ackerbau unterworfene Grundstück (im Gegensatz zu Wiese und Wald).

Feldfrevel ist die ältere Sammelbezeichnung für die Beschädigung eines fremden Feldes (z. B. Reiten über fremdes Feld, Überpflügen, Übermähen). Der F. ist vor allem in Weistümern und Polizeiordnungen behandelt (vgl. auch Art. 167f. CCC). Rechtsfolgen sind vielfach Bußen und Schadenseratz.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 224ff.

Feldservitut (F.) s. Servitut, Dienstbarkeit

Felonie (11. Jh.) ist der Treuebruch (im mittelalterlichen Lehnswesen) durch Nichterfüllung der Lehnspflichten (z. B. heimlicher Verkauf des Lehens, Verwei­gerung der Einlassung in einen Lehnsprozess, Tötung des Lehnsherrn. Die F. des Lehns­manns berechtigt den Lehnsherrn zur Ein­ziehung des Lehens, doch wird diese Folge in der Neuzeit abgemildert. Bei F. des Lehns­herrn kann der Lehnsmann eine → Fehde beginnen oder eine Klage erheben.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 542, 679; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen, 1961; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969; Bellamy, J., The Law of Treason, 1970; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983, 104; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 400

Feme (Bund?, Strafe?), mhd. veme, ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf die Verbesserung der Rechtspflege durch Femegerichte abzielende Bewegung innerhalb der Gerichtsbarkeit (vemenoten 1227, 1306, 1311 belegt). Zu diesem Zweck entstehen seit dem (13. oder) 14. Jh. aus den westfälischen Freigerichten besondere Femegerichte, die mit einem Freigrafen und 7 Freischöffen besetzt sind. Die Angehörigen des Femegerichts sind in feierlicher Form in die Geheimnisse der F. eingeweiht. Jeder Freischöffe ist verpflichtet, todeswürdiges Unrecht zu rügen (Diebstahl, Raub, Gewalt gegen Kirchen, Mord, Meineid). Bei Bedarf können die Freischöffen überall ein Notgericht durchführen und nach Über­führung den Täter sofort mit dem Strang richten. Missachtet ein Beschuldigter eine Ladung, so wird das Verfahren in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt. Ohne dass er das Urteil kennt, muss er jederzeit mit der Vollstreckung rechnen, wenngleich anscheinend nur eine ziemlich geringe Zahl von Todesurteilen tatsächlich vollstreckt wird. Die allmählich mit teilweiser königlicher Unterstützung über das Reich (rund 15000-30000 Freischöffen) verbreitete F. wird wegen der auftretenden Missbräuche seit der Mitte des 15. Jh.s zurückgedrängt. Sie endet im 18. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wigand, P., Das Femgericht Westfalens, 1825, 2. A. 1893, Neudruck 1968; Tross, L., Sammlung merkwürdiger Urkunden für die Geschichte der Femgerichte, 1826; Usener, P., Die Frei- und heimlichen Gerichte Westphalens, 18323; Duncker, H., Kritische Besprechung der wichtigsten Quellen, ZRG GA 5 (1884), 116; Lindner, T., Die Veme, 1888, 2. A. 1896, Neudruck 1989; Schnettler, O., Die Veme, 1921, 2. A. 1933; Siedler, A., Geschichte des Niedergangs der westfälischen Femegerichte, 1935; Scherer, C., Die westfälischen Femegerichte und die Eidgenossenschaft, 1941; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955; Harnisch, W., Anmerkungen zu neueren Ansichten über die Feme, ZRG GA 102 (1985), 247; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main, 1990; Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002; Schwob, U., Spuren der Femgerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Tirol, 2009

Femegericht → Feme

Fememord (politischer Mord im 20. Jh.) z. B. an Matthias Erzberger (1921) oder Walter Rathenau (1923)

Fenus (N.) nauticum (lat.) ist im klassischen römischen Recht das aus dem griechischen Recht kommende, ohne weiteres in unbeschränkter Höhe verzinsliche → Darlehen im Seerecht. Gehen die auf dem Schiff verladenen Sachen unter, so wird der Darlehensnehmer frei.

Lit.: Kaser §§ 34 IV 2, 39 I 3; Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche Entstehung der Bodmerei, 1881; Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005

Ferdinand I. (Alcalá de Henares 10. 3. 1503-Wien 25. 7. 1564) ist der zweite Sohn Philipps von Burgund und Johannas von Kastilien. Er vertritt seit 1521 seinen älteren Bruder Kaiser Karl V. im Reich, erhält 1521/1522 die österrei­chischen Herzogtümer, wird über (Heirat mit) Anna Jagiello von Ungarn am 23. 10. 1526/17. 12. 1526 zum König von Böhmen bzw. Ungarn gewählt, wird am 5. 1. 1531 römischer König und am 14. 3. 1558 Kaiser des Heiligen römischen Reiches. Er begründet die österreichische Linie der Habsburger. Bei seinem Tod werden die österreichischen Länder in eine öster­reichische Linie, steirische Linie und Tiroler Linie geteilt.

Lit.: Buchholtz, F., Geschichte der Regierung Ferdinand des Ersten, Bd. 1ff. 1831ff.; Ferdinand I., hg. v. Fuchs, M. 2002; González Navarro, R., Fernando I., 2003; Kaiser Ferdinand I. 1503-1564, 2003

Fernhandel ist der weiträumige Handel in Altertum und Mittelalter. Im Frühmittelalter wird der F. vor allem von syrischen und jüdischen sowie auch friesischen, angelsächsischen und normannischen Händlern betrieben. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft dehnt sich der auch technisch verbesserte F. über weite Teile Europas aus und geht in der Neuzeit in einen erdumspannenden F., Außenhandel oder Welthandel über.

Lit.: Warnke, C., Die Anfänge des Fernhandels in Polen, 1964; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Teil 1ff. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1995; Fernhandel und Geldwirtschaft, hg. v. Kluge, B., 1993; Mercati e Mercanti nell’alto medioevo, 1993; Stoob, H., Die Hanse 1995; Nagel, J., Abenteuer Fernhandel, 2007

Ferrara

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007

Fertigung

Lit.: Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976

Fertigungsrecht

Lit.: Escher, A., Zur Geschichte des zürcherischen Fertigungsrechtes, Jb. f. schweiz. Geschichte 32 (1907), 89

Fest ist die gemeinschaftliche Feier eines Ereignisses. Verschiedentlich werden auch rechtliche bedeutsame Ereignisse durch ein F. hervorgehoben (z. B. Friedensschluss, Heirat).

Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Fest und Festhistorik, hg. v. Kopperschmidt, J. u. a., 1999; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Das Fest, hg. v. Maurer, M., 2004; Festrituale in der römischen Kaiserzeit, hg. v. Rüpke, J., 2008

Festkrönung ist im Mittelalter die (Wiederho­lung einer) Krönung an einem Fest.

Lit.: Klewitz, H., Die Festkrönung der deutschen Könige, ZRG KA 28 (1939), 48ff.; Brühl, C., Fränkischer Krönungsbrauch und das Problem der Festkrönung, HZ 194 (1962), 265ff.; Jäschke, K., Frühmittelalterliche Festkrönungen?, HZ 211 (1970), 556ff.

Festschrift

Lit.: Bibliographie juristischer Festschriften, bearb. v. Dau, H., Bd. 1ff. (1945-1961ff.), 1962ff.

Feststellungsklage ist die auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage.

Lit.: Weismann, J., Die Feststellungsklage, 1879

Festuca ist der seit dem Frühmittelalter (→ Lex Salica, → Lex Ribvaria) als Rechts­symbol verwendete Halm oder Stab. Eine f. wird etwa geworfen, wenn jemand einseitig eine Bindung aufsagt (Exfestukation). Eine f. wird überreicht, wenn ein Recht einver­ständlich übertragen werden soll. In der frühen Neuzeit verschwindet die f.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 23; Köbler, LAW; Michelsen, A., Über die festuca, 1856; Thévenin, M., Wadium et festuca, Nouvelle Revue historique du droit, 1880, 69; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909, 145; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1

Festung ist der zum Zweck der Verteidigung durch Bauwerke besonders (fest) gesicherte Ort in der frühen Neuzeit. Die F. entsteht im 14./15. Jh. in Italien, als die schweren Geschütze die bisherigen Befestigungen von Burg und Stadt entwerten. Führend im Festungsbau wird danach Frankreich (Vauban 1633-1707). 1820 gibt es in Preußen noch 24 Festungen. Spätestens die Erfindung der Luftwaffe lässt die nur horizontal gesicherten Festungen wertlos werden.

Lit.: Menne, P., Die Festung des norddeutschen Raumes, 1942; Huber, R./Rieth, R., Festungen, 1979; Neumann, H., Festungsbaukunst und Festungsbau­technik, 1988; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Bur­gen, Schlösser und Festungen, 2004

Festungsbaustrafe ist die in der zwangsweisen Mitwirkung im Bau einer → Festung bestehende Strafe der frühen Neuzeit (z. T. bis 1867).

Lit.: Kleinschrod, G., Über die Strafe der öffentlichen Arbeiten, 1789; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999; Ivanovic, I., Zwangsarbeit als Strafe, 2002

Festungshaft ist die in einer → Festung vollzogene Freiheitsstrafe der mittleren Neuzeit. Sie zieht keine Ehrenminderung nach sich. 1954 wird sie von den Alliierten verboten, nach Wiederbelebung als Einschließung 1969 mit Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe aufgegeben.

Lit.: Wächter, C., Lehrbuch des römisch-deutschen Strafrechts, Bd. 1 1825; Sonntag, K., Die Festungshaft 1872; Otto, W., Die Festungshaft, Diss. jur. Jena 1939; Uhl, K., Grundlagen der Festungshaft, Diss. jur. Tübingen 1840 (masch. schr.); Giesing, G., Entbehrlichkeit der Festungshaft?, Diss. jur. Tübingen 1948 (masch. schr.); Jennings, G., Die custodia honesta, Diss. jur. Köln 1965 (masch. schr.); Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999

Feudalismus (frz. feodalité 1722/1727) ist im Sinne eines idealtypischen Ordnungsbegriffs die soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung einer Gesellschaft, in der eine (adlige) Oberschicht mit Rechten an Land und anderen Gegenständen als Ausgleich für Kriegsdienste und andere Dienste ausgestattet wird, im engeren Sinn das Lehnswesen. In Europa entsteht der F. spätestens im Frühmittelalter. Er bleibt bis in das 19. Jh. (1848) bestimmend, wenn er auch seit dem ausgehenden 18. Jh. bekämpft wird. → Lehen

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 174; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 337; Beaudoin, E., Étude sur les origines du régime féodal, 1889; Bloch, M., La société féodale, Bd. 1f. 1939f.; Brunner, O., Feudalismus, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz, 1958, 10; Graus, F., Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus, Jb. f. Wirtschaftsge­schichte 1 (1961), 61; Feudalismus, hg. v. Wunder, H., 1974; Feudalismus, hg. v. Kuchenbuch, L. u. a., 1977; Guerreau, A., Le féodalisme, 1980; Duby, H., Die drei Ordnungen, 1981; Zum Problem des Feudalismus in Europa, 1981; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 1985; Feudalismus, hg. v. Müller-Mertens, E., 1985; Strukturen der Grundherr­schaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Kroeschell, K., Lehnrecht und Verfassung, 1997; Borgolte, M., Feudalismus, ZHF 25 (1998), 245ff.; Bloch, M., Die Feudalgesellschaft, 1999; Blickle, P., Kommunalismus, 2000; Die Gegenwart des Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a., 2002; Fiefs et féodalité, hg. v. Bonnassie, P., 2002

Feudistik (F.) Wissenschaft vom (mlat.) feudum (N.) bzw. vom Lehnswesen bzw. vom Lehnsrecht

feudum (mlat. [N.]) Lehen, wahrscheinlich zu ahd. fihu (N.) Vieh, Erstbeleg Sankt Gallen 786, im 13. Jh. häufiger als (lat.) beneficium (N.), f. extra curtem (sachlich seit dem hohen Mittelalter, Wort 18. Jh.) Lehen außerhalb der eigenen Landesherrschaft

Lit.: Köbler, LAW; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Krawinkel, H., Feudum, 1938; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 100ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2002

Feuerbach, Paul Johann Anselm von (Hainichen bei Jena 14. 11. 1775-Frankfurt am Main 29. 5. 1833), unehelich geborenes Kind eines späteren Anwalts, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena (1795 Dr. phil., 1799 Dr. iur.) außer­ordentlicher Professor in Jena, 1801 ordentlicher Professor, 1802 in Kiel und 1804 in Landshut sowie nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit 1805 Verwaltungsbeamter in München, 1814 Appellationsvizegerichts­prä­sident in Bamberg und 1817 Appel­lations­gerichtspräsident in Ansbach. Auf Grund des 1801 erschienenen Lehrbuchs des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts (Jede Zufügung einer Strafe setzt ein Strafgesetz voraus - die Zufügung einer Strafe ist bedingt durch das Dasein der bedrohten Handlung - die gesetzlich bedrohte Tat be­dingt die gesetzliche Strafe) wird ihm (1804) die Erarbeitung eines modernen → Strafgesetz­buchs (1813) in → Bayern über­tragen. Wegen seiner von der Aufklärung geprägten Theorie des psychologischen Zwangs will er mit genauen Tatbeständen ([lat.] → nullum crimen sine lege) jedermann von Verletzungen der Rechte anderer abschrecken (→ Generalprävention durch Furcht vor Strafe) und dadurch die wechselseitige Freiheit des Bürgers schützen. Im Verfahren setzt sich F. für Öffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Daneben entwickelt er auch kriminalsoziologische Vorstellungen.

Lit.: Köbler, DRG 181, 204; Feuerbach, L., Anselm Ritter von Feuerbachs Leben, 1852; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Radbruch, G., Paul Johann Anselm Feuerbach, 1934, 2. A. 1957, 3. A. 1969, 4. A. 1998 (auch in Radbruch-Gesamtausgabe); Blau, G., P. J. A. Feuerbach, 1948; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 543; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Gallas, W., P. J. A. Feuerbachs „Kritik des natürlichen Rechts“ 1964 (SB Heidelberg); Kipper, E., Johann Paul Anselm Feuerbach, 1969; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Feuerbach, Paul Johann Anselm – Savigny, Friedrich Carl von, 12 Stücke aus dem Briefwechsel, hg. v. Kadel, H., 1990; Neh, S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Feuerbach, P., Reflexionen, hg. v. Küper, W., 1993; Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs, hg. v. Haney, G., 2003

Feuerschau ist die im Spätmittelalter in den Städten und danach auch in den Dörfern entwickelte regelmäßige amtliche Über­prüfung aller Gebäude auf ihre Feuer­sicherheit, bei der auch Geldstrafe oder Gefängnis verhängt werden kann.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff., 2, 367ff.

Feuerstrafe ist das Verbrennen eines Täters. Die F. ist im Altertum bekannt. Sie ist im Frühmittelalter selten. Mit dem peinlichen Strafrecht wird sie für Brandstiftung, Ketzerei und Unzucht mit Tieren üblich (Sachsenspiegel Landrecht [1221-1224] II 13 § 7, CCC [1532] Art. 109, 111, 116, 125, 172). Bald werden insbesondere Hexen verbrannt. Als Folge der Aufklärung wird die F. seit dem 18. Jh. aufgegeben.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 639; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 502, Neudruck 1964; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tod, 1988

Feuerversicherung ist die Versicherung gegen Schäden an Sachen durch .Feuer. Erste Ansätze finden sich bereits im Mittelalter. In der Neuzeit wird die F. Zwangsversicherung.

Lit.: Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, Bd. 1f. 1925f.; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte und die Anfänge des deutschen Feuerversicherungsrechts, 1936

Feuerwehr ist die Abwehr von Gefahren des Feuers meist durch gemeinsame Anstrengung mehrerer Menschen. Sie beginnt als staatliche Leistung im Grunde mit der Schaffung von Wächtern ([lat.] vigiles [M.Pl.] Wächter) in Rom unter Kaiser Augustus (27. v. Chr.-14 n. Chr.). Im 19. Jh. treten freiwillige Feuerwehr in kleinen Gemeinden und berufsmäßige Feuerwehr in Großstädten einander gegen­über.

Lit.: Wallat, K., Sequitur clades – Die Vigiles im antiken Rom, 2004

Fiat iustitia et pereat mundus (lat.). Es muss Gerechtigkeit geübt werden und der Hochmut zu Fall kommen (bzw. es muss Gerechtigkeit geschehen, selbst wenn die Welt darüber zugrunde gehen sollte).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Anfang 16. Jh.)

Fichard, Johann (Frankfurt am Main 23. 6. 1512-Frankfurt am Main 7. 6. 1580) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (1528), Freiburg im Breisgau (Ulrich Zasius) und Basel (1530) sowie der Promotion in Freiburg im Breisgau am 28. 11. 1531 Advokat in Frankfurt am Main, 1532/1533 am Reichkammergericht in Speyer und dann Syndikus in Frankfurt am Main und nach dem Studium in Padua 1536/1537 Anwalt und Berater in Frankfurt am Main. Seine wichtigsten Leistungen sind neben den 1539 in Fortführung eines Werkes des Bernhard Rutilius veröffentlichten (lat.) Vitae (F.Pl.) iu­risconsultorum recentiorum (Lebensbeschrei­bungen neuerer Rechtsgelehrter) (stark romanisiert) die Gerichts- und Landesordnung der Grafschaften → Solms (1571) und die revidierte Reformation der Stadt → Frankfurt am Main (1578).

Lit.: Köbler, DRG 143; Jung, R., Dr. Johann Fichard, 1889; Rivier, A., Über die ars notariatus von Johann Fichard (1539), ZRG RA 13 (1892), 356

Fichte, Johann Gottlieb (Rammenau bei Bischofswerda 19. 5. 1762-Berlin 29. 1. 1814), Philosoph des deutschen Idealismus (Jena 1794-1799, Erlangen 1805-1806, Kö­nigsberg 1806-1807, Berlin 1810) bestimmt das Recht im Sinne eines Verhältnisses der wechselseitigen Freiheitsbeschränkungen, ge­nannt Rechtsverhältnis, wobei schon im Na­turzustand das Rechtsgesetz den Einzelnen verpflichtet und ein Urrecht auf Freiheit, Unantastbarkeit des Körpers und Eigentum verleiht.

Lit.: Verweyen, H., Recht und Sittlichkeit in Johann Gottlieb Fichtes Gesellschaftslehre, 1875; Fichtes Leh­re vom Rechtsverhältnis, hg. v. Kahlo, M., Pauly, W., Freiheit und Zwang in Fichtes Staatsphilosophie (in) Recht, Idee, Geschichte, 2000, 591ff.

Ficker, Julius (Paderborn 30. 4. 1826-Innsbruck 10. 7. 1902) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Münster, Berlin und Bonn 1852 (bis 1879) Professor für Geschichte und zeitweise (1863) Rechtsgeschichte in Innsbruck, wo er zahlreiche unterschiedliche Fragen an Hand vorwiegend urkundlicher Quellen und später auch vergleichender Zielsetzungen untersucht.

Lit.: Puntschart, P., Julius Ficker, ZRG GA 23 (1902), XIV; Jung, J., Julius Ficker, 1907; Brechenmacher, T., Julius Ficker, Geschichte und Region 5 (1996), 53ff.

fictus (lat. [Adj.]) erdacht, fingiert z. B. (lat.) fictus possessor, gingierter Besitzer

Fideicommissum (lat. [N.] der Treue Anvertrautes) ist im römischen Recht zu­nächst die formlose, nur sittlich verpflichtende Anordnung (Bitte), die der Erblasser dem in einem Testament eingesetzten Erben erteilt bzw. mitteilt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) wird das aus solchen Briefen entstehende Kodizill zusammen mit dem darin enthaltenen f. zu einer obligatorisch wirkenden Rechts­einrichtung, die der Bedachte vor dem Konsul, später vor einem besonderen (lat.) prae­or (M.) fideicommis­sarius (Fideikom­miss­prätor) geltend machen kann.. Justinian (527-565) stellt f. und (lat. [N.]) legatum, Vermächtnis gleich. Beschwert werden kann der Erbe, der Vermächnisnehmer, ein anderer Fideikommissar oder der erbende Fiskus, betroffen sein kann ein einzelner Gegenstand oder die ganze Erbschaft.

Lit.: Kaser § 68 V

Fideikommiss → fideicommissum, Familien­fideikommiss

Lit.: Kunsemüller, E., Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990

fideikommissarisch (Adj.) ein Fideikommiss betreffend

Fideiussio (lat. [F.]) ist im römischen Recht eine in der späten Republik für jede Schuld zulässige Form der → Bürgschaft.

Lit.: Kaser § 57 II 2

Fidelis (lat. [M.]) Getreuer, Gläubiger

Lit.: Gladiß, D. v., Fidelis regis, ZRG GA 57 (1937), 442; Hannig, J., Consensus fidelium, ZRG GA 102 (1985), 351

Fidepromissio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Nachbildung der nur unter römischen Bürgern und neben einer Stipulation möglichen (lat. [F.]) sponsio (→ Bürgschaft) für Nichtbürger.

Lit.: Kaser § 57 II 2; Köbler, DRG 44, 63

Fides (lat. [F.]) ist im römischen Recht die anfangs nur sittliche, dann aber auch rechtliche Verpflichtung, zu einem gegebenen Wort zu stehen. Bona f. ist die gute Treue, mala f. die schlechte Treue, durch die sich beispielsweise redlicher Besitzer und unredlicher Besitzer voneinander unterschei­den. Auf die f. stützt das römische Recht vor allem die Fälle des → bonae-fidei-iudicium (Klage aus den wichtigsten formfrei begründeten Schuldverhältnissen).

Lit.: Kaser §§ 3 III 3, 13 I 2, 63 I 3; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 45; Köbler, LAW; Lombardi, L., Della fides alla bona fides, 1961; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969; Nörr, D., Die fides im römischen Völkerrecht, 1991; Schneider, N., Uberrima fides, 2004

Fiducia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Sicherungsübereignung, bei der dem Gläubiger  (Fiduziar) als Sicherungsnehmer vom Schuldner (Fiduziant) als Sicherungsgeber das Eigentum an einer Sache unter der Treuabrede (f.) verschafft wird, dass die Sache nach Erreichung des Sicherungszwecks (z. B. Tilgung der gesicherten Schuld) zurück­zuübereignen sei. Im spätantiken römischen Recht stirbt die F. ab.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 24 II 2, 39 IV 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 62; Noordraven, B., Von der fiducia zur Treuhandschaft, Österreich. Notariatszeitung 1995, 256; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998; Noordraven, B., Die Fiduzia im römischen Recht, 1999

Fiktion ist der Rechtssatz, der eine in Wahrheit nicht bestehende Tatsache als bestehend behandelt (z. B. gilt lange Zeit das uneheliche Kind nicht als mit seinem Vater verwandt, obwohl es tatsächlich mit ihm verwandt ist). Die F. ist bereits dem römischen Recht an einzelnen Stellen bekannt (z. B. bei vereitelter Bedingung).

Lit.: Kaser § 10 I 1; Söllner § 9

Fiktionstheorie ist im 19. Jh. die von Savigny vertretene Ansicht, dass die → juristische Person nur eine → Fiktion sei.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

filia (lat. [F.]) Tochter

filius (lat. [M.]) Sohn

final zweckgerichtet

Finale Handlungslehre ist die von Hans Welzel in der Mitte des 20. Jh.s entwickelte Lehre vom zweckgerichteten Handeln des Straftäters, nach welcher der → Vorsatz als subjektiver Teil des Tatbestandes zu ver­stehen ist.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Finanz ist die vom mlat. Verb finare, festgesetzte Abgabe bezahlen abgeleitete Vermögenslage einschließlich des dafür notwendigen Rechnungswesens. Der Aus­druck Finanz(en) wird im 16. Jh. gebräuchlich, nachdem die Verfügbarkeit über Geldmittel als Grundlage von Herr­schaftsverwirklichung erkannt wird. Im 16. und 17. Jh. bestehen landesherrliche und land­ständische Finanzverwaltung nebeneinander, doch bricht die landständische Finanz­verwaltung im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) vielerorts zusammen. Danach dienen alle öffentlichen Einnahmen der Befriedigung aller öffentlichen Ausgaben. Im 19. Jh. setzt sich die Steuer als Einnahmequelle gegenüber den Einnahmen aus Domänen und Regalien durch. Nach dem ersten Weltkrieg wird unter dem Reichsfinanzminister Matthias Erzberger die progressive Einkommensteuer mit Lohn­steuerabzug bei dem Arbeitgeber eingeführt. Das ausgehende 20. Jh. ist von der zunehmenden Bedeutung der weniger deutlich erkennbaren indirekten Steuer (Mehrwertsteuer), das Haushaltsbewilli­gungsrecht des Parlaments, die öffentliche Haushaltsordnung, durch Kassenordnungen, Rechnungslegungsordungen und Prüfungsbe­hörden gekennzeichnet.

Lit.: Brunner, O., Die Finanzen der Stadt Wien, 1929; Schnee, H., Die Hoffinanz und der moderne Staat, Bd. 1ff. 1963ff.; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Witzleben, A. v., Staatsfinanznot und sozialer Wandel, 1985; Ullmann, H., Staatsschulden und Reformpolitik, 1986; Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und Finnazverwaltung, 1992; Schremmer, E., Über gerechte Steuern, 1994; Economic Systems and State Finance, hg. v. Bonney, R., 1995; Alpers, M., Das nachrepublikanische Finanzsystem, 1995; Buchholz, W., Geschichte der öffentlichen Finanzen in Europa, 1996; Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v. Bonney, R., 1999; Staatsfinanzen - Statsverschuldung - Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, hg. v. Lingelbach, G., 2000; Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegeung im deutschen Nordwesten, 2000; Finanzen und Herrschaft, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2003; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat -Eine Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005; Isenmann, M., Die Verwaltung der päpstlichen Staatsschuld, 2005; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., Bd. 1 2006

Finanzausgleich ist der finanzielle Ausgleich zwischen verschiedenen Personen, insbesondere zwischen Hoheitsträgern (z. B. Ländern, Gemeinden, Krankenkassen).

Lit.: Hidien, J., Der bundesstaatliche Finanzausgleich, 1998

Finanzgerichtsbarkeit ist der in Deutschland 1918 aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit gelöste (RGBl 1918, 959 Reichsfinanzhof, 13. 12. 1919 Finanzgericht, 28. 8. 1939 außer Tätigkeit gesetzt), vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s hauptsächlich für Steuerstreitigkeiten eingerichtete Zweig der → Gerichtsbarkeit.

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichts­verfassungs­rechts, 1954; Kumpf, J., Die Finanzgerichtsbarkeit, (in) Justizalltag im Dritten Reich, 1988, 81

Finanzverwaltung ist der die Einnahmen des Staates (und anderer öffentlichrechtlicher Körperschaften) betreffende Teil der Verwaltung. Die F. erfolgt in Rom durch Ver­pachtung der Staatseinkünfte an meistbietende private Unternehmer (Steuer­pächter). Im Mittelalter gelangen trotz des besonderen Hofamtes des → Kämmerers erst die Landesherren allmählich zu einer geordneten F. (z. B. Raitkammer König Maximilians in Tirol, im Reich 1495 Versuch des Gemeinen Pfennigs). Diese gewinnt mit dem Ausbau der gesamten Staatstätigkeit in der Neuzeit immer größere Bedeutung, wobei in Preußen seit 1713 ein genauer und regelmäßiger Haushaltsvoranschlag aufge­stellt und 1714 zur Prüfung eine Oberrech­nungskammer geschaffen wird. Im 19. Jh. wird das Finanzwesen weitgehend ver­rechtlicht. In Deutschland ist die F. in der Gegenwart in Finanzministerium, Oberfinanz­direktion und Finanzamt geglie­dert.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schmoller, G., Preußische Verfassungs-, Verwaltungs- und Finanzgeschichte, 1921; Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters 1200-1500, Z. f. d. ges. Staatswiss. 77 (1923), 168; Handbuch der Finanzwissenschaft, hg. v. Gerloff, W. u. a., Bd. 1 2. A. 1952; Kummer, J., Der Einfluss des Parlaments auf das Finanzwesen, 1964; Engelhardt, H., Landstände und Finanzwesen in Bayern im 15. und 16. Jahrhundert, 1967; Wolfe, M., The Fiscal System of Renaissance France, 1972; Küchler, W., Die Finanzen der Krone Aragón, 1983; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, hg. v. Dilcher, G., 1991; Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland, hg. v. Maddalena, A. de u. a., 1992; 75 Jahre Reichsfinanzhof - Bundesfinanzhof, 1993; Kanther, M., Finanzverwaltung zwischen Staat und Gesellschaft, 1993; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen, 1994; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v. Bonney, R., 1999; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006

Finch, Heneage (1611-1682) wird nach dem Studium am Christ Church College 1638 Mitglied der Inn of Court Inner Temple in London und 1673 als Lord Chancellor Vorsitzender des → Court of Chancery, wo er eine zusammenfassende Gestaltung der → equity (des englischen Rechts) bewirkt.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., 6, 539

Findebuch, Findbuch, ist das archivalische Hilfsmittel zum Auffinden von Daten (z. B. Akten) vor allem in Archiven.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberling, H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Stein-Stegemann, H., Findbuch der Reichskammergerichts­akten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987

Findelkind ist das ohne sicheren Hinweis auf seine Eltern gefundene Kind. Vielleicht anfangs rechtmäßig, wird die Aussetzung eines Kindes in Rom 374 n. Chr. mit Strafe bedroht. Ausgehend von Italien (Mailand 787, Siena 832) entstehen Findelhäuser. Um 1800 wird die Zahl der Findelkinder auf rund 100000 jährlich geschätzt.

Lit.: Hügel, F., Die Findelhäuser und das Findelwesen, 1863; Hunecke, V., Die Findelkinder von Mailand, 1987; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Gestrich, A. u. a., Geschichte der Familie, hg. v. 2003

Finnland ist der zwischen Schweden, Russ­land und Estland gelegene nordost­europäische, hauptsächlich von schon im 4. oder 3. Jt. v. Chr. aus Asien kommenden Finnen besiedelte Staat. Im Hochmittelalter (1150-1323) wird das von Schweden aus christianisierte Gebiet zu einem Teil → Schwedens erklärt. Im frühen 16. Jh. wird die Reformation eingeführt. 1809 muss Schweden zugunsten → Russlands auf F. (autonomes Großfürstentum) verzichten, doch bleibt das von Schweden geprägte Recht bestehen. Helsinki wird 1812 statt des westlicheren Turku Hauptstadt und erhält 1827 auch die 1640 in Turku gegründete Universität. 1863 wird Finnisch neben Schwedisch zweite Amtssprache. Seit 1872 arbeiten die nordischen Länder im Recht verstärkt zusammen. Unter dem Einfluss der deutschen Rechtswissenschaft entsteht eine finnische Rechtswissenschaft. 1889/1894 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. 1906 wird im Rahmen eines allgemeinen Wahlrechts das Frauenwahlrecht eingeführt. Nach der Oktoberrevolution vom (25. 10./)7. 11. 1917 in Russland ruft F. am 15. 11. 1917 die Selbständigkeit aus. 1920 erkennt Russland das am 21. 6. 1919 mit einer republikanischen Verfassung begabte F. an. Im zweiten Weltkrieg verliert das bis 1944 auf Seiten des Deutschen Reiches kämpfende Land Gebiete an die Sowjetunion und steht lange unter sowjetischem Einfluss. 1961 verbindet es sich mit der Europäischen Freihandelszone. 1975 findet in Helsinki eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa statt. 1991 ratifiziert F. die Europäische Menschenrechts­konvention. Zum 1. 1. 1995 tritt es aus der Europäischen Freihandelszone der → Europäischen Union bei. 2000 wird ein Grundgesetz angeommen.

Lit.: Jutikkala, E./Pirinen, K., Geschichte Finnlands, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,542,1027, 3,4,485; Klinge, M., A brief history of Finland, 1984; Vahtola, J., Keskiaika. Suomen historia pikkujättiläinen, 1987; Jodhatus Suomen oikeushistoriaan, hg. v. Letto-Vanamo. P., 1990; Albrecht, W./Kantola, M., Finnland, 1992; Finlands Historia, hg. v. Edgren, T. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Finnland und Deutschland, hg. v. Menger, M. u. a., 1996; Finnisch-deutsche Kulturbeziehungen, hg. v. Jäntti, A. u. a., 1998; Endemann, H., Das Regierungs­system Finnlands, 1999; Ettmayer, W., Finnland, 1999; Pesonen, P./Riihinen, O., Dynamic Finland, 2002; Kohler, M., Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2002; Björne, L., Den Nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 3 1871-1910, 2002; Nesemann, F., Ein Staat, kein Gouvernement, 2003; Kähönen, A., The Soviet Union, Finland and the Cold War, 2006; Meinander, H., Finlands historia, 2006

Firma ist der → Name des Kaufmanns, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt, im weiteren Sinn auch das → Unternehmen. Die F. entsteht aus dem mittelalterlichen Handel (Italien 12. Jh., in den deutschen Sprachraum am Anfang des 18. Jh.s entlehnt, ALR [1794] II, 8, 617). Sie kann mit dem Unternehmen übertragen werden.

Lit.: Erlanger, H., Über Ursprung und Wesen der Firma, Diss. jur. Tübingen 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Bokelmann, G., Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 1974, 5. A. 2000; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handels­gesell­schaften, 1976; Krause, O, Die Entwicklung des Firmenrechts im 19. Jahrhundert, 1995;

Fischereirecht ist das Recht, in einem Binnengewässer Fische, Krebse und andere nutzbare Wassertiere, die nicht Gegenstand des Jagdrechts sind, zu hegen und sich anzueignen. Die ursprünglich freie Fischerei wird schon im Frühmittelalter an kleinen Gewässern vom Anwohner als Eigentümer und an größeren Gewässern vom König als Regal beansprucht. Vom König geht das Regal seit dem Hochmittelalter auf den Landesherrn und damit später grundsätzlich auf den neuzeitlichen Staat als Eigentümer des Gewässers über. Der Inhaber des Fischereirechts kann das Fischereiausübungs­recht verpachten.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Zumbach, E., Die Fischereirechte des Aegerisees, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1922; Kisch, G., Das Fischereirecht im Deutschordensgebiete, 1932, 2. A. 1978; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Cahn, E., Das Recht der Binnenfischerei, hg. v. Kaufmann, E., 1956; Kunz, R., Fischereirechte im Untersee und Seerhein, 1984; Jahnke, C., Das Silber des Meeres, 2000; Lampen, A., Fischerei und Fischhandel im Mittelalter, 2000; Schütt, E., Geschichte des Fischereirechts und der Fischerei im deutschen Ostseeraum, 2001; Sahrhage, D., Die Schätze Neptuns, 2002

Fiscus (lat. [M.] Korb) (Caesaris) ist im römischen Recht die Bezeichnung für die Kasse (des Kaisers), in welche die Einnahmen der Kaiserprovinz aus Steuern, Zöllen, Gebühren und Domänen fließen. Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) fasst die verschiedenen fisci zu einem einzigen f. zusammen. Zumindest später herrscht die Vorstellung, dass der f. gleichsam Eigentum des Kaisers ist. Am Beginn des 4. Jh.s geht die (vom Senat verwaltete) Staatskasse (lat. aerarium [N.]) im f. auf., während das Privatvermögen des Kaisers (lat. [N.] patrimonium) getrennt bleibt. Der f. wird eine Art die Vermögensrechte des Staates im Privatrechtsverkehr wahrnehmender, vielfach privilegierter → juristischer Person.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 II B; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 36, 40, 57; Köbler, LAW; Alpers, M., Das nachrepublikanische Finanzsystem, 1995

Fiskal ist im spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Verwaltungsrecht der Interessenvertreter des (lat. fiscus [M.] bzw.) Staates. Er findet sich um 1225 in Sizilien unter Kaiser Friedrich II., von wo aus er nach Frankreich und Spanien ausstrahlt. 1421 ist Dr. Bartholus aus Pisa urkundlich als erster F. des Heiligen römischen Reiches nachweisbar. Aufgaben des Fiskals sind der Schutz der Kronrechte und die Vertretung des Königs bzw. Kaisers bei der gerichtlichen Verfolgung der Übertretungen der reichsrechtlichen Rechtssätze (z. B. Durchsetzung der An­sprüche gegenüber Reichsständen). Neben dem F. am königlichen Kammergericht des 15. Jh.s und am Reichskammergericht und Reichshofrat entsteht auch in Österreich, Bayern, Sachsen und Preußen ein F. (Landesfiskal). Am Reichskammergericht wird der F. im 16. Jh. von einem Vertreter der Interessen des Kaisers zu einem in gewisser Hinsicht privilegierten, in den Gerichtsbetrieb eingegliederten Angehörigen des Gerichts.→ Fiskalat

Lit.: Demel, H., Geschichte des Fiskalamtes in den böhmischen Ländern, 1909; Rautenberg, B., Der Fiskal am Reichskammergericht, 2008

Fiskalat ist die spätmittelalterlich-neuzeitliche, vielleicht an den römischen (lat.) advocatus (M.) fisci angelehnte Behörde, die von Amts wegen die Rechte des Herrschers wahrnimmt. Das F. entwickelt sich um 1225 unter Kaiser Friedrich II. in Sizilien und gelangt von dort noch im 13. Jh. nach Frankreich (ministère public) und Spanien sowie im frühen 15. Jh. in das Heilige römische Reich (1421 Dr. Bartholus aus Pisa). Unabhängig hiervon wird im 19. Jh. die Staatsanwaltschaft aus Frankreich übernom­men.

Lit.: Ortloff, H., Die öffentliche Anklage in Deutschland, 16 (1865), 254ff.; Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Knolle, U., Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1964

Fiskus ist der Träger öffentlicher Verwaltung, soweit er in privatrechtlichen Formen tätig wird. Der F. geht auf den römischen → fiscus zurück. Das lateinische Wort fiscus (M.) bezeichnet im Frühmittelalter (vereinzelt das herzogliche und) meist das königliche Vermögen (u. a. das einzelne Landgut). Bis zum 13. Jh. werden Hausgut und Reichsgut und damit Person des Königs und F. getrennt. In den Ländern entsteht ein F. des Landes. Dort wird als F. zunächst die landesherrliche Kasse als solche verstanden, danach das Finanzvermögen des Staates. Der F. wird zum Träger der staatlichen Vermögensrechte. Bis zum frühen 19. Jh. wird der Staat in die juristische Person des öffentlichen Rechtes „Staat“ und die juristische Person des privaten Rechtes „Fiskus“ aufgeteilt. Seit der Ein­führung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im späteren 19. Jh. wird der Staat als einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechtes verstanden, die Bereiche, in denen diese Person sich aber privatrechtlicher Formen bedient, weiterhin als F. bezeichnet.

Lit.: Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Machleidt, M., Stellung und Funktion des Fiskus im deutschrechtlichen Bereich, Diss. jur. Hamburg 1965; Lechner, W., Das deutsche Verwaltungsrecht in den Kategorien von Res publica, Civitas und Fiscus, Diss. jur. Würzburg 1969; Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Römermann, K., Der Rechtsschutz bei streitigen Polizei-, Kameral- und Fiskalsachen in Kurköln, Diss. jur. Bonn 1969; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971; Fiskus, Kirche und Staat, hg. v. Kellenbenz, H. u. a., 1994; Maletzky, M., Das Erbrecht des Fiskus, 2001

Flächenstaat ist der durch sein ausgedehntes Gebiet gekennzeichnete und vom Stadtstaat wie dem Personenverbandsstaat zu unter­schei­dende, seit dem Mittelalter entstehende → Staat.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111

Flame ist der fränkisch sprechende Bewohner der nordwestlichsten Gebiete (Flandern) des Heiligen römischen Reichs bzw. der Bürger Belgiens. Flämisches Recht ist das in Flandern ausgebidete Recht. Seit dem Hochmittelalter wird modernes flämisches (niederländisches) Recht im Zuge der Ostsiedlung verbreitet.

Lit.: Goerlitz, T., Das flämische und das fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht, ZRG GA 57 (1937), 138; Van Winter, J., Vlaams en Hollands recht bij de kolonisatie von Duitsland in de 12e en 13e eeuw, TRG 21 (1953), 205ff.; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung im MIttelalter, 1990; Lück, H., Flämische Siedlungen und flämisches Recht in Mitteldeutschland, (in) Sprachkontakte, hg. v. Stellmacher, D., 2004, 73ff.

Flandern ist das im frühen 8. Jh. erstmals unter diesem Namen bezeugte Flachland an der Schelde. 843 kommt es zum westfränkischen Reichsteil, 1384/1385 an das Herzogtum Burgund, 1477 mit Burgund an Habsburg und 1556 an die spanische Linie Habsburgs. Verkleinert gelangt F. 1714 an → Österreich, 1794 an Frankreich, 1814 an die → Niederlande und 1830 überwiegend an → Belgien. Dementsprechend ist sein Recht anfangs fränkisch und später französisch geprägt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929; Ganshof, F., Recherches sur les tribunaux de châtellenie en Flandre, 1932; Sproemberg, H., Die Entstehung der Grafschaft Flandern, 1935, Neudruck 1965; Ganshof, F., Die Rechtsprechung des gräflichen Hofgerichtes in Flandern vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938), 163; Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954, Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafprocesrecht in Vlaanderen, 1956; Ganshof, F., Einwohnergenossenschaft und Graf, ZRG GA 74 (1957), 98; Koch, A., Die flandrischen Burggrafschaften, ZRG GA 76 (1959), 153; Roosbroeck, R. van, Geschichte Flanderns, 1968; Grotte, W. v., Praecones und Magnus Praeco in Flandern, ZRG GA 90 (1973), 165; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Van Peteghem, P., De raad van Vlaanderen, 1990; Jacob, R., Les époux, le seigneur et la cité, 1990; Nicolas, D., Medieval Flanders, 1992; Opsommer, R., Omme dat leengoed es thoochste dinc van der weerelt het leenrecht in Vlanderen in de 14de en 15de eeuw, 1995; Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000

Flavius, Gnaeus, ist der Schreiber des römischen Zensors Appius Claudius Caecus, der 304 v. Chr. die zuvor nur den Priestern (lat. [M.Pl.] pontifices) vertrauten Prozess­formeln (Legisaktionen) veröffentlicht (sog. ius [N.] civile Flavianum, flavisches römisches Recht der Bürger).

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2

Flensburg ist die schleswig-holsteinische Stadt, die 1436 ihr → Grundbuch nach dem Realfoliensystem gestaltet.

Lit.: Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1, 49

Fleta ist das in lateinischer Sprache verfasste, bald nach 1290 vollendete, in einer mittelalterlichen Handschrift überlieferte englische Rechtsbuch eines unbekannten Ver­fassers, das den (lat.) Tractatus (M.) de legibus (Abhandlung von Gesetzen) → Bractons kommentierend fortführt.

Lit.: Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 265

Florentina (Codex Florentinus) ist die in zwei Bände (1-29, 30-50) getrennte, im 6. oder frühen 7. Jh. vermutlich in Konstanti­nopel/Byzanz zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, in Süditalien im späteren 11. Jh. wie­derentdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa (littera Pisana) und 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte, 1553 erstmals gedruckte Handschrift der → Digesten Justinians mit insgesamt 907 Blättern.

Lit.: Söllner § 22; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Florenz am Arno wird vermutlich im 2. Jh. v. Chr. von den Römern auf älteren Grundlagen als Florentina neu gegründet. 962 ist es Teil Reichsitaliens. 1138 weist F. eigene (lat. [M.Pl.]) consules auf und wird mit bedeutender Tuchherstellung im 13. und 14. Jh. führende Macht im mittleren Italien (Währung Florentiner bzw. Gulden). 1348 erlangt es erstmals eine Universität (1472 Pisa). 1354 erkennt es die Reichshoheit an. Seit dem 15. Jh. erringt die Familie Medici die Macht. 1531 wird F. Herzogtum. 1718 wird bei dem Aussterben der Medici der spanische Infant Karl als Erbe eingesetzt, zugleich aber die gesamte Toskana zum Reichslehen erklärt. 1737 fällt F. an Österreich. Im Frieden von Campo Formio (1797) verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reichs auf alle Reichsrechte in Italien und damit auch auf F. 1859 gelangt F. an Italien (1865-1871 Hauptstadt).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Davidsohn, R., Geschichte von Florenz, Bd. 1ff. 1896ff.; Doren, A., Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2 1908; Grote, A., Florenz, 2. A. 1968; Hale, J., Die Medici und Florenz, 1979; Firenze e la Toscana dei Medici nell’Europa, hg. v. Garfagnini, G., 1983; Panella, A., Storia di Firenze, 1984; Luzzati, M., Firenze e la Toscana nel Medioevo, 1986; Zorzi, A., L’amministrazione della giustizia penale nella republica fiorentina, 1988; Brucker, G., Florenz in der Renaissance, 1990; Turner, A., Renaissance in Florenz, 1997; Statuti della repubblica Fiorentina, hg. v. Pinto, G. u. a., Bd. 1f. 1999; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001; Dameron, G., Florence and Its Church, 2005; Najemy, J., A History of Florence 1200-1575, 2006; Höchli, D., Der Florentiner Republikanismus, 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 34

Floß ist das aus mehreren verbundenen Baumstämmen gebildete Wasserfahrzeug, das vor allem dem Transport von Holz dient. Seit dem 13. Jh. erscheint das F. häufiger in Quellen. Die Flößerei ist Regal. 1895 regelt ein Reichsgesetz des Deutschen Reiches die Flößerei (vgl. auch Art. 65 EGBGB), die mit der Verbreitung der Eisenbahn und der Lastkraftwagen aber ihre wirtschaftliche Bedeutung verliert.

Lit.: Sponeck, C. Graf v., Handbuch des Floßwesens, 1825; Jägerschmid, K., Handbuch für Holztransport und Floßwesen, 1827f.; Herold, H., Trift und Flößerei in Graubünden, 1982; Hasel, K./Schwartz, E., Forstgeschichte, 1985, 2.A. 2002

Flucht ist das Ausweichen vor einer Gefahr durch Ortsveränderung. Die F. ist ein Grund­verhaltensmuster von Lebewesen. Die F. eines Menschen kann je nach den Umständen unterschiedliche Rechtsfolgen haben. → Flüchtling

Lit.: Flucht, Vertreibung, Integration, red. v. Rösgen, P., 2. A. 2006

Flüchtling ist der Mensch, der aus seiner jeweiligen Umgebung flieht. Er ist grundsätzlich Feind, kann aber als Gast aufgenommen werden. Im 20. Jh. entwickeln sich allgemeine Regeln über die rechtliche Behandlung der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen.

Lit.: Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene usw., Bd. 1ff. 1958; Hathaway, J., The Rights of Refugees, 2005

Flumet

Lit.: Diestelkamp, B., Die Gründungsurkunde der Stadt Flumet (1228), ZRG GA 94 (1977), 204

Flur ist der vom Wald getrennte einzelne Teil des bäuerlichen Wirtschaftslands (Wiese, Feld).

Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952

Flurbereinigung ist die Zusammenlegung und Umgestaltung landwirtschaftlich ge­nutzter Grundstücke in einem öffentlich­rechtlichen Verfahren zum Zweck ertrag­reicherer Bewirtschaftung. Sie entwickelt sich in England und danach in Deutschland (19. Jh., Baden 1856, Hessen 1857, Bayern 1861) mit der Bauernbefreiung als Folge der Auflösung des Gemeinlandes (→ Allmende). Am 16. 6. 1937 wird sie im Deutschen Reich durch eine Reichsumlegungsordnung und am 14. 7. 1953 in der Bundesrepublik Deutschland durch ein Flurbereinigungsgesetz geordnet. Ihre Ergebnisse sind wegen der sich am Ende des 20. Jh.s rasch ändernden Betriebsstruktur der Landwirtschaft von bescheidener Bedeutung.

Lit.: Köbler, DRG 175, 250; Bornhak, C., Grundriss des deutschen Landwirtschaftsrechts, 1921; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962, 3. A. 1978; Berkenbusch, F., Die Rechtsgeschichte der Flurbereinigung, Diss. jur. Göttingen 1972; Tayama, T., Die Entwicklungsgeschichte der Landeskultur, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 524; Vergleichende Studien über die japanische und mitteleuropäische Flurbereinigung, hg. v. Tayama, T., 1998; Quellen zur Ent­stehungsgeschichte des Flurbereinigungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland von 1959, hg. v. Weiß, E., 2000

Flurname ist der besondere Name einer Flur oder eines Geländeteiles (Berg, Tal, Wasser, Wald, Feld). Der F. ist Ortsname im weiteren Sinn (z. B. Judenbühel, Lehfeld, Langgreid, Hungerwiese, Himmelreich, Paint, Kach, Hut, Füchsle, Holzacker). Er kann Rechtsvor­stellungen enthalten.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Flurnamen und Rechtsgeschichte, ZRG GA 51 (1931), 93ff.; Hänse, G., Die Flurnamen des Stadt- und Landkreises Weimar, 1970; Piirainen, E., Flurnamen in Vreden, 1984; Hessischer Flurnamenatlas, hg. v. Ramge, H. u. a., 1987

Flurschütz (Flurer, Flurknecht, Heye u. a.) ist der die Aufsicht über die Fluren führende niedere dörfliche Amtsträger.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996

Flurzwang ist die durch Zwang erreichte einheitliche Bewirtschaftung der Flur. Der F. könnte mit der mittelalterlichen → Drei­felderwirtschaft entstanden sein. Er verschwindet mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996

Föderalismus ist die auf dem Bündnisgedanken (lat. [N.] foedus, Bund) beruhende gesellschaftliche Vorstellung, die sich besonders in der machtmäßigenden, mehrstufigen, relative Eigenständigkeit Beteiligter wahrenden Gestaltung eines Staates auswirkt (Bundesstaat im Gegensatz zum Einheitsstaat). Als älteste geschichtliche Form des F. gilt der Stammesföderalismus (z. B. der 12 Stämme Israels). Eine völ­kerrechtliche Form des F. ist der Staatenbund, der verschiedentlich einem Bundesstaat voraus­geht.

Lit.: Baltl/Kocher; Hintze, H., Staatseinheit und Föderalismus im alten Frankreich, 1928, Neudruck 1989; Der österreichische Föderalismus, 1969; Rauch, H., Föderalismus und Parlamentarismus im Wilhelminischen Reich, 1972; Föderalismus, hg. v. Kisch, G., 1977; Héraud, G., Prinzipien des Föderalismus und die Europäische Föderation, 1979; Föderalismus in Deutschland, 1992; Föderalismus, hg. v. Kinsky, F., 1995; Konsens und Konsoziation, hg. v. Duso, G., 1997; Laufer, H./Münch, U., Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland, 1998; Föderative Nation, hg. v. Langewiesche, G. u. a., 2000; German federalism, hg. v. Umbach, M., 2002; Föderalismus in der griechischen und römischen Antike, hg. v. Siewert, P. u. a., 2005; Kaiser, A., Föderalismus, 2007

Fodrum (lat. [N.]) ist die frühmittelalterliche Abgabe (Aquileja 792) (für Futter) an den Grafen bzw. König. In norditalienischen Städten entwickelt sich das f. im 12. und 13. Jh. zum Namen der direkten → Steuer.

Lit.: Köbler, LAW; Post, B., Über das Fodrum, Diss. phil. Straßburg 1880; Brühl, C., Das fränkische fodrum, ZRG GA 76 (1959), 53; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Grüninger, S., Grundherrschaft im frühmittelalterlichen Churrätien, 2006

Foederati (lat. [M.Pl.], Sg. foederatus) sind im spätrömischen Recht die besoldeten Verbündeten (z. B. Goten 382 n. Chr.).

Lit.: Köbler, DRG 67; Horn, H., Foederati, 1930

foenus (N.) nauticum (lat.) Seedarlehen → fenus (N.) nauticum

folkland (ae. [858]) Allod?, verliehenes Königsland?

Folter ist die Zufügung oder Ausnutzung vermeidbarer, nicht ganz unerheblicher Schmerzen oder Leiden, die von einem Staat oder einem entsprechenden Machtorgan selbst bzw. mit dessen Bewilligung oder Duldung eingesetzt wird, um den Gefolterten oder einen Dritten zu einer Aussage zu zwingen oder einzuschüchtern. Sie wird bereits seit Kaiser Tiberius (14-42 n. Chr.) gegenüber Freien angewendet, um ein Geständnis zu erreichen. Vielleicht wird sie im Früh­mit­telalter gegenüber Unfreien ge­braucht. Im Hochmittelalter (Verona 1228, Recht der Wiener Neustadt [1221/1230 str.], kirchliche Inquisition 1215/1231/1252 [Bulle Ad exstirpanda], Augsburg 1321) darf der verdächtigte Beschuldigte der F. (zu spätlat. [5. Jh.] poledrus [M.] „Fohlen“) auf einem Holzbock bzw. durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte, Daumenschrauben, Strecken, Feuer u. a. ausgesetzt werden (str. ob Rezeptionsvorgang). Im 15. Jh. wird die F. auch ohne besondere Verdachtsgründe angewandt. Dagegen setzt die → Constitutio Criminalis Carolina (1532) das Vorliegen besonderer Indizien vor Anwendung der F. voraus. Die Aufklärung wendet sich erfolgreich gegen die F. (Juan Luis Vives 1522, Michel de Montaigne, Pierre Bayle, Schweden 1734, Preußen 1740, Österreich [Beschränkung auf mit der Todesstrafe bedrohte Tatbestände 1768] 1776, Polen, Litauen 1776, Schweiz 1798, Bayern 1806, Baden 1831). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s kämpft insbesondere die private Organisation Amnesty International gegen die nach wie vor (versteckt) gebrauchte F. Art. 3 der europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. 11. 1950 stuft die F. als Verletzung der Menschenrechte ein. Mit der am 10. 12. 1984 beschlossenen, am 31. 12. 1990 in Kraft getretenen Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ist die F. weltweit geächtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 34, 118, 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Folter in der deutschen Rechtspflege, 1900, Neudruck 1970; Heijnsbergen, P. van, De pijnbank in de Nederlanden, 1925; Fehr, H., Gottesurteil und Folter, FS R. Stammler, 1926; Helbin-Bauer, F., Die Tortur, 1926; Morschel, M., Der Kampf um die Abschaffung der Folter, Diss. jur. Gießen 1926; Fehr, H., Zur Lehre vom Folterprozess, ZRG 53 (1933), 317; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schünke, W., Die Folter im deutschen Strafverfahren, Diss. jur. Münster 1952; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto commune, Bd. 1f. 1953f.; Thomasius, C., Über die Folter (1705), hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1977; Ruthven, M., Torture, 1978; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Das Quälen des Körpers, hg. v. Burschel, P. u. a. 2000; Kramer, S., Die Folter in der Literatur, 2003; Baldauf, D., Die Folter, 2004; Hermann, H., Die Folter, 2004; Waltos, S., Die Abschaffung der Folter im Jahre 1776 in Polen und Litauen, 2004; Zagolla, R., Im Namen der Wahrheit, 2006; Gegen Folter und Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007; Möhlenbeck, M., Das absolute Folterverbot, 2008;

Fondaco ist die auswärtige Kaufmannsnie­derlassung im Mittelalter (gr. pandocheton, Herberge, arab. funduq, Unterkunft). In Italien begegnet der F. 1085 in Amalfi, 1191 in Genua, im 13. Jh. in Pisa und Venedig (F. dei Tedeschi, 1505 abgebrannt, bis 180 Handelshaus deutscher Kaufleute).

Lit.: Simonsfeld, H., Der Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1f. 1887, Neudruck 1968; Concina, E., Fondaci, 1997; Constable, O., Houisng the Stranger in the Medi­terranean World, 2003

Forderung ist das Recht des Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung. Die ältesten Forderungen entstehen vermutlich bei den Unrechtserfolgen. Später tritt die rechtsgeschäftliche F. hinzu. Streitig ist, ob die F. bereits von Anfang an durch ein Einstehenmüssen (→ Haftung) des Schuldners gesichert ist. Die F. erlischt grundsätzlich mit der Erfüllung.

Lit.: Kaser § 32; Hübner; Buch, G., Die Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Strohal, E., Schuldpflicht und Haftung, 1914; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im römischen Recht, 1999

Forensium institutionum summa (lat. [F.] Gesamtheit der gerichtlichen Einrichtungen) ist das von König Alfons VIII. (1158-1214) veranlasste höfische Werk über den → Fuero viejo de Castilla.

Form ist die sinnlich wahrnehmbare Gestalt eines Gegenstandes oder einer Vorstellung. Nach einem geflügelten Wort ist die F. die älteste Norm. Es ist aber fraglich, ob strenge Anforderungen an eine F. in die Anfänge einer Rechtseinrichtung (z. B. Frühmittelalter) oder erst in eine fortgeschrittenere Ent­wicklungsstufe gehören. Die Schriftform ist jedenfalls noch im ausgehenden 20. Jh. im Vordringen.

Lit.: Kaser § 6ff.; Hübner; Köbler, DRG 42, 126; Siegel, H., Erholung und Wandelung im gerichtlichen Verfahren, 1863; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Brunner, H., Wort und Form im altfranzösischen Prozess (1868) (in) Brunner, H., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Recgts, 1894, 260; Stutz, U., Das Stadtrecht gegen die Formstrenge im Strafverfahren, ZRG GA 38 (1917), 367; Henssler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1961; Ebel, W., Recht und Form, 1975; Gmür, R., Rechtswirkungsdenken in der Privatrechtsgeschichte, 1981; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Symbolische Kommunikation vor Gericht in der frühen Neuzeit, hg. v. Schulze, R., 2006; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009

Formalismus ist das Betonen einer Form. Nach überwiegender, aber nicht wirklich belegter Ansicht ist das ältere Recht durch F. gekennzeichnet (z. B. lat. mancipatio [F.] im römischen Recht) und setzt sich die → Formfreiheit erst allmählich durch. Im Gegensatz hierzu hält aber auch das Recht der Gegenwart in vielen Fällen an einer vorgeschriebenen Form fest. Ein Kennzeichen des modernen Totalitarismus ist es, uner­wünschte Form als bloßen F. abzustufen.

Lit.: Kaser §§ 6, 7, 8, 68; Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Wesen und Ursprung des Formalismus, 1898; Kaufmann, E., Formalismus, HRG Bd. 1 1968, 1166; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986

Formalvertrag ist der in seiner Entstehung von der Einhaltung einer vorgesehenen → Form abhängige Vertrag. Nach herkömm­licher Lehre ist im germanistischen Bereich der älteste Vertrag der F. (str.). Hier sind Eid, Wortformel und Gebärde die Vertragsform. Im Mittelalter sollen sich die Formen vereinfacht haben. Allmählich soll die Tendenz zur formlosen Beredung durchgedrungen sein.

Lit.: Köbler, DRG 74, 91, 126, 164; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981 Kap. 45; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875

Formel ist die förmlich festgelegte häufig wiederkehrende Aussage. Im altrömischen Recht beispielsweise bringen die Beteiligten eines Verfahrens vor dem Magistrat in einem ersten Verfahrensabschnitt regelmäßig in der jeweils erforderlichen Verfahrensform (lat. [F.] → legisactio), zu der genau vorge­schriebene Spruchformeln gehören, ihr Vorhaben vor. Das spätere Formularverfahren kennt statt der wenigen Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln. Die Verbalkontrakte des klassischen römischen Rechts erfordern für die Entstehung der Obligation bestimmte Worte. Außerdem entwickeln sich etwa für Eide, Gelöbnisse, Einsetzungen usw. häufig gewisse Formeln. Umfangreichere (lat. [F.] → formulae) werden in → Formel­sammlungen gesammelt.

Lit.: Köbler, DRG 5, 33, 81, 116; Dilcher, G., Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Selb, W., Formeln mit unbestimmter intentio, 1974; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der Formel „Habere fundatam intentionem“, FS H. Krause, 1976, 126

formell, Adj., die Form betreffend (im Gegensatz zum Inhalt bzw. der Materie)

Formelles Recht ist das das Verfahren betreffende Recht (Verfahrensrecht, Prozessrecht) im Gegensatz zum materiellen Recht (z. B. Privatrecht, Strafrecht, Verwal­tungsrecht).

Lit.: Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte, 1996

Formelsammlung ist die bereits im Altertum bekannte, besonders für das quellenarme Frühmittelalter bedeutsame Sammlung von allgemeinen Formularen für Urkunden, wie sie auch in der Gegenwart kautelarjuristisch gepflegt wird. Die bekanntesten früh­mittel­alter­lichen Formelsammlungen (31 Hand­schriften) sind die west­gotischen (lat. [F.Pl.]) formulae (Cordoba 616-620), die formulae Andecavenses (Angers um 600), die formulae Marculfi (um 650?, 721-735?), die formulae Bituricenses (Bourges 8. Jh.) und die formulae imperiales (vor 832), wobei das Fehlen von Formelsammlungen aus Italien bemerkens­wert ist. Danach finden sich vielleicht unter dem Einfluss italienischer Notarskunst seit dem 11. Jh. Formel­sammlungen innerhalb der (lat.) ars (F.) dictandi (z. B. Breviarium de dictamine des Alberich von Montecassino, um 1080) oder der (lat.) ars (F.) notariae (Rainerius Perusinus [1185-1245] vor 1234, Rolandinus Passageri Summa artis notariae, 1255/1256, insgesamt schätzungsweise 3000 Hand­schriften und Frühdrucke). Für das spätmit­telalterlich-frühneuzeitliche Heilige römische Reich haben besonderes Gewicht der (lat.) Formularius (M.) de modo prosandi (Baumgartenberg bei Linz A. 14. Jh., 240 Stücke, Formularbuch) und Perneder, Andreas, Summa Rolandina (vor 1540).

Lit.: Rockinger, L., Über Formelbücher, 1855; Rockinger, L., Briefsteller und Formelbücher des 11. bis 14. Jahrhuderts, 1863f.; Schröder, R., Über die fränkischen Formel­sammlungen, ZRG GA 4 (1883), 75; Collectarius perpetuarum formarum Iohannis de Geylnhusen, hg. v. Kaiser, H., 1900; Liber Diurnus, hg. v. Foerster, H.,, 1958; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Uddholm, A., Marculfi formularum libri duo, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964; Worstbrock, F./Klaes, M./Lütten, J., Repertorium der Artes dictandi des Mittelalters, Bd. 1 Von den Anfängen bis um 1200, 1992

Formfreiheit ist die Freiheit einer rechtlich bedeutsamen Handlung von einer besonderen → Form. Es ist streitig, inwieweit am Beginn rechtlicher Entwicklung F. besteht. Jedenfalls werden schon in den frühesten Quellen auch feste Formen sichtbar (z. B. lat. [F.] mancipatio). Im Spätmittelalter setzt sich die Kirche für die F. der Verträge ein. Auch der Liberalismus bejaht grundsätzlich die F. Dessenungeachtet entwickeln sich im 20. Jh. neue Formen (z. B. allgemeine Geschäfts­bedingungen, Verbraucherkreditverträge, Ar­beitsverträge).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Baltl/Kocher

formulae (lat. [F. Pl.]) → Formelsammlung

Formular ist das die allgemeinen Angaben eines Typs von Urkunden zwecks leichter in­diviueller Ergänzung enthaltende Schrift­stück.

Formularverfahren oder Formularprozess ist das dem älteren Legisaktionenverfahren (→ legisactio) im klassischen römischen Recht nachfolgende, dem späteren → Kognitions­verfahren vorausgehende Verfahren. Es ist vielleicht anfangs nur dem Fremden zugänglich und kennt statt weniger Legis­aktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln (Formulare). Sie werden auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor hin meist schriftlich in einer (lat. [F.]) formula (Schrift­formel) niedergelegt, woraufhin der (lat. [M.]) iudex (Richter) gemäß der Formel Beweis erhebt und sein Urteil spricht. 17 v. Chr. wird das Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste abgeschafft.

Lit.: Kaser §§ 80, 82ff.; Söllner § 9; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002

Foro ist die portugiesische Bezeichnung für → Fuero. 1111 wird ein F. an Coimbra verliehen, 1166 an Evora, um 1160 an Trancoso, 1179 an Lissabon (F. von Santarém). Seit dem 14. Jh. wird ein F. nur noch selten gewährt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 666

Forsman, Jaakko (1839-1899), aus einer schwedischen Theologenfamilie, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Helsinki 1879 Professor für Strafrecht und Rechtsgeschichte und verfasst 1896 eine Geschichte der finnischen Gesetzgebung (Suomen laindsäädännön historia).

Forst (Etymologie unklar) ist seit dem Frühmittelalter der vielleicht dem römischen (lat. [M.]) saltus nachgebildete, durch → Bann abgesonderte herrschaftliche Wald (meist des Königs, Austrasien 648, Neustrien 657/661). Im Hochmittelalter gehen die Forsten des Königs auf die Landesherren über. Örtlich unter­schiedlich greift der absolutistische Fürst entschiedener auf die damit verbundenen Rechte zu. Der Liberalismus verlangt die Aufhebung der staatlichen Forsthoheit, doch verfahren die Forstgesetze des 19. Jh.s unterschiedlich. Im 20. Jh. lebt trotz einer Rahmengesetzgebung durch das Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) in Deutschland der hergebrachte Föderalismus im Forstrecht fort.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, WAS; Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922; Goller, F., Die älteren Rechtsverhältnisse am Wald in Altbaiern, Diss. jur. München 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Rubner, H., Untersuchungen zur Forstverfassung des mittelalterlichen Frankreichs, 1965; Bothmer, H. v., Mirica, Forst und Gesellschaft, 1965; Rubner, H., Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, 1967; Young, C., The Royal Forests of Medieval England, 1979; Mantel, K., Forstgeschichte des 16. Jahrhunderts, 1980; Rubner, H., Deutsche Forstgeschichte 1933-1945, 1985, 2. A. 1997; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986, 2. A. 2006; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001; Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003

Forsthoff, Ernst (Laar bei Duisburg 13. 9. 1902-Heidelberg 13. 8. 1974) wird nach der Promotion bei Carl → Schmitt 1933 Professor für öffentliches Recht in Frankfurt am Main, Hamburg (1935), Königsberg (1936), Wien (1941) und Heidelberg (1943-1946, 1952-1967). Er setzt sich für den starken Staat ein, der allein die mit dem technischen Fortschritt eintretenden Probleme bewältigen könne, und steht einem Wertesystem, der Verfassungs­gerichtsbarkeit, der umfassenden Verwal­tungsgerichtsbarkeit und dem Sozialstaat zurückhaltend gegenüber. Trotz seines konservativen Verfassungsverständnisses ist sein Verwaltungsrechtsverständnis modern. Sein Lehrbuch des Verwaltungsrechts (1950, 10. A. 1973) ist längere Zeit in Deutschland führend.

Lit.: Storost, U., Staat und Verfassung bei Ernst Forsthoff, 1978; Doehring, K., Ernst Forsthoff, (in) Juristen im Portrait, 1988, 341; Ernst Forsthoff Kolloquium, hg. v. Blümel, W., 2003; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer Grundlage, 2006; Briefwechsel Ernst Forsthoff Carl Schmitt (1926-1974), hg. v. Mußgnug, D. u. a., 2007

Fortescue, Sir John (um 1385-um 1479), nach Ausbildung in Lincoln’s Inn 1442 oberster Richter am königlichen Gericht (King’s Bench), von 1463 bis 1471 im Exil in Frankreich, vergleicht in seinem in der Form eines Lehrgespräches an Prinz Eduard von Lancaster gerichteten Hauptwerk ([lat.] De laudibus legum Angliae, 1470, Über die Vorzüge des englischen Rechts) das englische Recht mit dem festländischen (französischen) Recht in einer für Laien verständlichen Weise. In (engl.) On the Governance of the Kingdom of England (Über die Beherrschung des Königreichs England) (1471/1473) stellt er den politischen Gesamtzustand seines Landes dar.

Lit.: The Works of Sir John Fortescue, hg. v. Clermont, T., 1869; Heymann, E., Fortescues Laudes legum Angliae, ZRG GA 58 (1938), 615; Kluxen K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987

Forum (lat. [N.]) ist im römischen Recht der Marktplatz und das dort öffentlich abgehaltene Gericht. Das mittelalterliche Kirchenrecht bildet von daher die Vorstellung eines (lat.) f. externum und eines f. internum. Daneben bezeichnet f. auch den Markt.

Lit.: Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 19; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs­geschichte des Mittelalters, Bd. 1 1961, 275; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980

Forum (N.) externum (lat.) oder (lat.) forum (N.) iudiciale ist seit dem Ende des 12. Jh.s (Glossenapparat [lat.] Animal est substantia [vor 1210], Wilhelm von Auvergne um 1225) bzw. seit Thomas von Aquin (1225-1274) (forum exterius) im mittelalterlichen Kirchenrecht der Bereich des menschlichen Bußwesens und Gerichtswesens (kirchliche Gerichtshöfe) im Gegensatz zum nur Gott einsehbaren inneren Gericht des Gewissens ([lat.] forum [N.] paenitentiale im Beicht­stuhl), das in der frühen Neuzeit (nach 1563) als (lat.) forum (N.) internum bezeichnet wird. Das Verfahren vor dem f. e. verläuft grund­sätzlich streitig. Der Angeklagte muss er­scheinen und die Wahrheit wird in einem von einem Richter (Archidiakon) geleiteten Ablauf erforscht.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG KA 76 (1990), 254ff.

Forum (N.) internum (lat.) ist seit der frühen Neuzeit (nach 1563) der neuere Name für das zunächst als (lat.) forum (N.) paenitentiale bezeichnete, im Beichtstuhl erforschte Gewissen im Gegensatz zum (lat.) → forum (N.) externum. Im f. i. zu erscheinen, steht in der (freiwilligen) Entscheidung des Betrof­fenen. Allein auf seinem Bekenntnis beruht das „Urteil“ des Beichtpriesters (Penitentiars).

Lit.: Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG KA 76 (1990), 254ff.; Goering, J., The Internal Forum and the Literature of Penance and Confession, Traditio 59 (2004), 175ff.

Fracht ist der Lohn für die Beförderung eines Gutes und das gegen Lohn beförderte Gut. Der die F. betreffende Vertrag entsteht im Hochmittelalter und ist Werkvertrag. Der Frachtführer ist Kaufmann. Seefrachtrecht wird vor allem im Libre del Consolat de Mar, in den Rôles d’Oléron, im Blackbook of the Admiralty oder im Schiffsrecht von Hamburg aufgezeichnet. Wichtige gesetzliche Regelun­gen finden sich im dänischen Seegesetz (1561), in Ordonnanzen Kaiser Karls V. und Philipps II. für die Niederlande von 1551 und 1563, in der Ordonnance de la Marine Frankreichs (1681), im Seerecht Preußens (1727), in den Ordonanzas von Bilbao, im Codice per la Veneta Mercantile di Marina Venedigs (1786) oder im Code de commerce Frankreichs (1807) und den ihm folgenden Handelsgesetzbüchern. Ausführlich erörtert C. E. Münster 1798 das Frachtfahrer-Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Universal­gechichte des Handelsrecht, 3. A. 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Pappenheim, M., Zur Entwicklung des Seefracht­vertrags, ZRG GA 51 (1931), 175ff.; Ohler, N., Reisen im Mittelalter, 1986; Basedow, J., Der Trans­portvertrag, 1987; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595; Lopez, R./Raymond, I., Medieval Trade in the Mediterranean World, 2001

Fragment (N.) Bruchstück (z. B. in den Di­gesten, dort weitere Unterteilung in [principium und] Paragraphen)

Fragmenta (N.Pl.) Gaudenziana (lat.) (Gaudenzische Fragmente) sind die von dem Bologneser Professor Augusto Gaudenzi (1858-1916) in einer (um 900 geschriebenen) Handschrift der Bibliothek von Lord Leicester (Codex Holkhamensis Nr. 210) entdeckten, bis dahin unbekannten 14 Kapitel des gotischen Rechtskreises des 6. Jh.s (?).

Lit.: Gaudenzi, A., Un’ antica compilazione di diritto romano e visigoto, 1886; Buchner, R., Die Rechts­quellen, 1953; Vismara, G., Fragmenta Gaudenziana, (in) Ius Romanum medi aevi I 2 b aa, 1967; Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004

Fragmenta (N. Pl.) Vaticana (vatikanische Fragmente) sind die auf einem Palimpsest in der vatikanischen Bibliothek in Rom 1821 von Angelo Mai entdeckten Bruchstücke einer Rechtssammlung wohl des 4. Jh.s mit Auszügen aus den Werken des Paulus, Pa­pinians und Ulpians sowie der kaiserlichen Konstitutionen des (lat.) Codex (M.) Gregorianus und des Codex Hermogeninus.

Fraktion ist das Bruchstück oder (seit 1848) die Vereinigung von Mitgliedern einer Partei im Parlament. In den Verfassungen erscheint die politische F. im Gegensatz zur Partei meist nicht, doch sind sie betreffende Grundsätze in Geschäftsordnungen geregelt. In Einparteiensystemen gibt es die F. rechtlich oder rechtstatsächlich nicht.

Lit.: Kramer, H., Fraktionsbindungen in den deutschen Volksvertretungen 1819-1849, 1968; Die Fraktion als Machtfaktor, hg. v. Schwarz, H., 2009

Franciscus de Accoltis ist der in Arezzo spätestens 1418 geborene, vielleicht in Bologna ausgebildetr und dort sowie in Ferrara, Siena, Ferrara, Mailand, Siena und Pisa lehrende, 1485, 1486 oder 1488 ver­storben­e Jurist, der commentaria zu den Digesten, commentaria zu einzelnen Titeln, commentaria zum Codex, casus, repetitiones und consilia verfasst..

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 854

Franche-Comté (Freigrafschaft) → Burgund

Lit.: Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106

Francia (lat. [F.]) fränkisches Gebiet, → Franken

Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia, 1960

Franckensteinsche Klausel ist die im Streit um die Verteilung der Finanzen zwischen Deutschem Reich und seinen Bundesstaaten am 12. 7. 1879 in zulässiger Verfassungs­durchbrechung verabschiedete, nach dem Abgeordneten der Zentrumspartei im Reichs­tag des Deutschen Reiches Georg Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein (2. 7. 1825-22. 1. 1890) als ihrem Urheber bezeichnete Klausel (§ 8 I 1 des Gesetzes betreffend den Zolltarif des deutschen Zollgebietes und den Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer), dass der Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer (des Reiches), der die Summe von 130 Millionen Mark in einem Jahr übersteigt, den Bundesstaaten entspre­chend ihren Bevölkerungszahlen zu überweisen ist. Am 14. 5. 1904 wird sie im Kern aufgehoben und der Ertrag aus Zöllen und Tabaksteuer ganz dem Reich zugeschla­gen.

Lit.: Kittel, J., Franckensteinsche Klausel und die deutsche Finanzreform, 1894; Thier, A., Steuergesetz­gebung, 1999; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005

Franeker in den Niederlanden (Friesland) ist von 1585 bis 1811 Sitz einer juristischen Fakultät (Ulrich Huber, Johann Gottlieb Heineccius).

Lit.: Universiteit te Franeker 1585-1811, hg. v. Jensma, G. u. a., 1985; Ahsmann, M., De juridische faculteit te Franeker, TRG 54 (1986), 39; Feenstra, R., Heineccius in den alten Niederlanden, TRG 74 (2004), 297ff.; Feenstra, R., Bibliografie van hoogleraren in de rechten aan de Franeker Universiteit tot 1811, 2003

Frank und frei ist diee in der frankophonen Schweiz 1461 (franc et libre de toutes taillés) erstmals nachweisbare Wendung (Paarfor­mel).

Franke („Kühner“) ist der Angehörige einer 258 n. Chr. am Niederrhein erstmals sichtbaren germanischen Völkerschaft, die im 5. Jh. allmählich in das südlich gelegene, römische Gallien zwischen Rhein und Somme eindringt. Die Franken besiegen unter ihrem sie gewaltsam einenden König Chlodwig ([* um 466,] 481/482-511) aus dem Hause der → Merowinger den römischen Statthalter in Nordgallien (Soissons) (486), die am oberen Rhein und an der oberen Donau sitzenden Alemannen (496) und die in Südgallien siedelnden Westgoten (Vouillé 507). Danach bringen ihre merowingischen Könige von dem Kernraum zwischen Rhein und Loire aus die Thüringer (531/534), Burgunder (532/534), die Provence (536) und Bayern (bis 545) in eine gewisse Abhängigkeit. Das Recht der Franken wird im (lat.) → Pactus (M.) legis Salicae (507/11?) und in der (lat.) → Lex (F.) Ribvaria sowie der → Ewa Chamavorum aufgezeichnet. Vielfach wird das Reich geteilt, kommt aber z. B. zwischen 558 und 561 unter Chlothar I. oder auch danach unter Chlothar II. wieder in eine Hand. Vielleicht erst in den dabei ausgelösten Wirren verfallen die römerzeitlichen Einrich­tungen Galliens weitgehend. Seit dem späteren 7. Jh. gewinnen die Hausmeier als der Familie der (Arnulfinger oder) Pippiniden (oder später Karolinger) an Bedeutung (Pip­pin der Mittlere 687-714, Karl Martell 714-741, Pippin der Jüngere 741-768(. 751 löst die Familie der Karolinger die Merowinger mit Unterstützung Papsts Zacharias durch Akklamation seitens der Großen im Königtum ab ([lat.] consecratio [F.] durch die Bischöfe, 754 Salbung durch Papst Stephan II.). Unter Karl dem Großen, der Weihnachten 800 vom Papst zum (west)römischen Kaiser gekrönt wird, gewinnt das Reich der Franken seine größte Ausdehnung (Sachsen, Italien 774). 843 wird es in Westreich, Lotharingien und (deutschsprachiges) Ostreich geteilt, woraus sich unter einstweiligem Ausscheiden Italiens und Burgunds 887 eine Zweiteilung entwickelt, die im deutschen Reich einerseits und in Frankreich andererseits endet. In Frankreich gehen die Franken bald in der unterworfenen gallorömischen Bevölkerung auf. Im deutschen Reich verlagert sich die Herr­schaftsgewalt 919 auf die Herzöge von Sachsen. Das Herzogtum der Franken (ebenso wie ein Territorialherzogtum Franken [1168]) verschwindet infolge seiner späteren Königs­nähe bald in vollständiger Zersplitterung und hinterlässt nur in den 1838 gebildeten bayeri­schen Regie­rungsbezirken Mittelfran­ken (Ansbach), Oberfranken (Bayreuth) und Unterfranken (Würzburg) eine blasse Erinne­rung. Auch das fränkische Recht ist nur im Frühmittelalter deutlich erkennbar (s. Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chama­vorum).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 3; Rübel, K., Die Franken, 1904; Petri, F., Germanisches Volkserbe in Wallonien und Nordfrankreich, 1937; Zöllner, E. Die politische Stellung der Völker im Frankenreich, 1950; Petri, F., Zum Stand der Diskussion über die fränkische Landnahme, 1954; Balon, J., Études franques 1, 1963; Zöllner, E., Geschichte der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 1970; Bosl, K., Franken um 800, 2. A. 1980; Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. v. Petri, F., 1973; Schneider R., Das Frankenreich 1982; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Périn, P./Feffer, C., Les Francs, 1987; James, E., The Francs, 1988; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Wood, I., The Merovingian Kingdoms, 1994; Franken, Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 9 1995, 373; Die Franken – Wegbereiter Europas, 1996; Clovis, hg. v. Rouche, M., 1997; Kasten, B., Königssöhne und Königsherrschaft, 1997; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Die Franken und die Alemannen, hg. v. Geuenich, D., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Semmler, J., Der Dynastiewechsel, 2003; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs, 2005; Collins, R., Die Fredegar-Chroniken, 2007

Franken ist das 531/vor 720 von den Thüringern an die Franken gefallenen Gebiet um Würzburg (Herzogtum der Hedene, 10. Jh. orientalis Francia) ausgehende Gebiet zwischen Rhön und Donau, das im Mittelalter in zahlreiche kleine Herrschaften zerfällt (Ansbach, Bayreuth, Hohenlohe, Würzburg, Bamberg, Eichstätt, Deutscher Orden, Reichs­städte, Reichsritter, insgesamt 43 Landes­herren im fränkischen Reichskreis), am Beginn des 19. Jh.s insgesamt aber an Bayern gelangt, das die drei Regierungs­bezirke Unterfranken (Würz­burg), Mittelfranken (Ansbach mit Nürnberg) und Oberfranken (Bay­reuth) bildet. → Franke

Lit.: Stein, F., Geschichte Frankens, Bd. 1f. 1885f.; Hartung, F., Geschichte des fränkischen Kreises I, 1910, Neudruck 1973; Schmidt, G., Das Herzogtum Franken, 1913; Schaumberg, O. Frhr. v. u. a., Regesten des fränkischen Geschlechts von Schaumberg, 1930ff.; Franken, hg. v. Scherzer, C., Bd. 1f. 1955ff.; Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken; Bog, I., Dorfgemeinde, Freiheit und Unfreiheit in Franken, 1956; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae. Das kaiserliche Landgericht des Herzogtums Franken im Spätmittelalter, 1956; Bosl, K., Franken um 800, 1959; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Schrader, E., Vom Werden und Wesen des würzburgischen Herzogtums Franken, ZRG GA 80 (1963), 27; Zimmermann, G., Vergebliche Ansätze zu Stammes- und Territorialherzogtümern in Franken, Jb. f. fränkische Landesforschung 23 (1963), 379ff.; Wöppel, G., Prichsenstadt, 1968; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. III/1, Franken, hg. v. Spindler, M. u. a., 3. A. 1997; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert Bd. 2, hg. v. Patze, H., 1971, 255ff.; Moraw, P., Franken als königsnahe Landschaft im späten Mittelalter, Bll. f. dt. Landesgeschichte 112 (1976), 123ff.; Andraschke, J., Arianische und fränkische Missionierung im Regnitz- und Obermaingebiet um 500 bis 800 n. Chr., Bericht des hist. Vereins Bamberg 135 (1999), 89; Franken von der Völkerwanderungszeit bis 1268, bearb. v. Störmer, W., 1999; Merz, J., Fürst und Herrschaft. Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470-1519, 2000; Riedenauer, E., Fränkische Landesgeschichte, hg. v. Wendehorst, A., 2001; Franken in Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte, hg. v. Blessing, W. u. a., 2003; Franken im Mittelalter, hg. v. Merz, J. u. a., 2004; Edel und Frei, hg. v. Jahn, W. u. a., 2004; Petersohn, J., Franken im Mittelalter, 2008; Blessing, W., Kleine Geschichte Frankens, 2008

Frankenberg ist die 1243 erstmals erwähnte Stadt an der oberen Eder, für die 1493 der in Erfurt (1454) und Leipzig (1457-1459) im­matrikulierte, bakkalaurierte Bürgermeisters­sohn und Schöffe Johannes Emmerich († 15. 11. 1494) ein Stadtrechtsbuch vollendet, das in seinem ersten Teil (Von den burgern) überwiegend auf Gewohnheitsrecht und (1476 verbrannten) Privilegien und in seinem zweiten Teil (Von dem gericht) vor allem auf dem (in etwa 190 Artikel geteilten) Schwa­benspiegel und dem Kleinen Kaiser­recht (Frankenspiegel) beruht und wohl aus dem Gedächtnis auch die Dekretalen Gregors IX. und die Institutionen Justinians einbezieht. Es wird 1556 abgeändert nach Alsfeld übernom­men.

Lit.: Diemar, H., Die Chroniken des Wigand Gersten­berg von Frankenberg, 1909; Spieß, W., Verfas­sungsgeschichte der Stadt Frankenberg, Diss. jur. Marburg 1922; Anhalt, E., Der Kreis Frankenberg, 1928; Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, 1930; Gerhardt, H., Das Alsfelder Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 82; Eckhardt, W., Das Stadtgericht als Oberhof, Zs. f. hess. Gesch. 110 (2005), 21ff.

Frankenspiegel ist die an Sachsenspiegel, Deutschenspiegel und Schwabenspiegel ausgerichtete Bezeichnung (Richard Schroe­ders) des zwischen 1344 und 1350 bei Frank­furt am Main verfassten, eng an den sog. Schwabenspiegel angelehnten → Kleinen Kaiserrechts.

Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt. K., Frankenspiegel-Studien, 1923; Stutz, U., Frankenspiegel-Studien, ZRG GA 44 (1924), 316; Hatzfeld, L., Frankenspiegel oder Kaiserrecht, TRG 26 (1958), 15; Ochsenbein, P. u. a., Neue Bruchstücke einer alemannischen Frankenspie­gelhandschrift, ZRG GA 95 (1978), 237; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003

Frankfurt am Main ist die 794 als Pfalz erstmals erwähnte Stadt am unteren Main. Seit 856 bzw. 1152 ist F. Ort der Königswahl (bis 1752 36 Könige in F. gewählt), wie dies die Goldene Bulle (1356) ausdrücklich festlegt, und seit 1562 auch Ort der Krönung. Um 1150 wird erstmals die Messe in F. erwähnt (seit Ende des 15. Jh.s auch für Bücher, Buchmesse). Bis 1372 (Erwerb des Pfandrechts am Schultheißenamt) wird F., dessen Recht erstmals in einem Weistum für Weilburg über Pfahlbürger (1297) aufge­zeichnet (und auch an Friedberg, Gelnhausen, Steinheim am Main, Hanau, Limburg und Wetzlar vermittelt) wird, tatsächlich reichsunmittelbar. 1509 reformiert die Stadt ihr Recht und erweitert diese Reformation 1578 durch Johann → Fichard noch. Die Zahl der danach in F. arbeitenden, häufig in Gießen ausgebildeten Rechtsanwälte ist überdurch­schnittlich groß. Nach dem Ende des Heiligen römischen Reiches 1806 wird F. Hauptstadt des Rheinbunds mit Residenz des Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg im Palais Thurn und Taxis (1810 Großherzog von F., 1811 Einführung des Code Napléon). Nach dem Sturz Napoleons wahrt Karl Freiherr vom Stein die auf dem Wiener Kongress 1815 gesicherte Selbständigkeit der (freien) Stadt. Von 1815 bis 1866 ist F. Sitz der Bundesversammlung des Deutschen Bundes (und vom 31. 3.-3. 4. 1848 des die Wahl einer Nationlversammlung vorbereiten­den Frank­furter Vorparlaments, dessen Be­schlüsse vom Deutschen Bund anerkannt werden, sowie ab 18. 5. 1848 bis 1849 Sitz der deutschen Nationalversammlung mit 812 Abgeordneten, davon 491 Juristen, viele mit Studien in Göttingen, Heidelberg oder Berlin). 1866 wird es von Preußen annektiert. Wirtschaftlich entwickelt es sich zur Großstadt. 1914 wird es auf der Grundlage einer Akademie für Sozial- und Handels­wissenschaften Sitz einer Stiftungsuniversität (1932 Johann Wolfgang Goethe-Universität), in der 1964 das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (Helmut Coing) gegründet wird. 1945 gelangt es zu Hessen.

Lit.: Köbler, DRG 171; Köbler, Historisches Lexikon; Böhmer, J., Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus - Urkundenbuch deer Reichsstadt Frankfurt am Main (794-1400), 1836; Thomas, J., Der Oberhof zu Frank­furt a. M., 1841; Hohenemser, P., Der Frankfurter Verfassungsstreit 1705 bis 1732, 1920; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Cellarius, H., Die Reichsstadt Frankfurt und die Gravamina der deutschen Nation, 1938; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 1939; Ziehen, E., Frankfurt, Reichsreform und Reichsgedanke 1486-1504, 1940; Lenhardt, H., Feste und Feiern des Frankfurter Handwerks, 1950; Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt 1311-1400, hg. v. Andernacht, D., 1955; Habich, W., Das Weinungsgeld der Reichsstadt Frankfurt am Main, 1967; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main, hg. v. Wolf, A., 1969; Schalles-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Jahns, S., Frankfurt, Reformation und schmalkaldischer Bund, 1976; Orth, E., Frankfurt, (in) Die deutschen Königspfalzen Bd. 1 Hessen, 1985, 131ff.; Reforma­cion der Stat Franckenfort am Meine, hg. v. Köbler, G., 1984; Hammerstein, N., Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. 1 1985; Zande, J. van der, Bürger und Beamter Johann Georg Schlosser 1739-1799, 1986; Bund, K., 1436-1986. 500 Jahre Stadtarchiv Frankfurt am Main, 1986; Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, hg. v. Koch, R., 1989; Die Frankfurter Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Juristen an der Universität Frankfurt am Main, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1989; Ein Jahrhundert Frankfurter Justiz, Gerichtsgebäude, hg. v. Henrichs, H. u. a., 1989; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main unter dem Einfluss der westfälischen Gerichtsbarkeit – Feme, 1990; Fischer, R., Frankfurts Beitrag für das heutige Hessen, 1990; Frankfurt am Main, hg. v. der Frankfurter historischen Kommission, 1991; Maly, K., Die Macht der Honoratioren, 1992; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Frankfurter Biographie, hg. v. Klötzer, W., 1994; Frankfurt, hg. v. d. Frankfurter historischen Kommission, 1994; Frankfurt am Main 1200, hg. v. Gall, L., 1994; Regierungsakten des Primatialstaates und des Großherzogtums Frankfurt 1806-1813, bearb. v. Rob, K., 1995; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996; Best, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, 1996; Roth, R., Stadt und Bürgertum in Frankfurt/Main, 1996; Weber, M., Verfassung und Reform in Vormärz und Revolutionszeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1996; Ribhegge, W., Das Parlament als Nation, 1998; Laufs, A., Die Frankfurter Nationalversammlung, JuS 1998, 385; Rothemann, M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Recht und Juristen in der deutschen Revolution 1848/49, hg. v. Düwell, F., 1998; Johann, A., Kontrolle mit Konsens, 2001; Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Körner, H., Frankfurter Patrizier, 2003; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit – Frankfurt am Main, hg. v. Halbleib, H. u. a., 2004; Ihrer Bürger Freiheit - Frankfurt im Mittelalter, hg. v. Müller, H., 2004; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Wintergerst, M., Franoconofurt, 2007; Die Reichsstadt Frankfurt am Main als Rechts- und Gerichtslandschaft, hg. v. Amend, A., 2008; Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse, hg. v. Seidel, R. u. a., 2010

Frankfurt an der Oder wird im frühen 13. Jh. als Handelssiedlung gegründet und erhält 1253 das Stadtrecht von Berlin (der Magdeburger Stadtrechtsfamilie). Ab 1506 ist es Sitz der ersten brandenburgischen, 1811 nach Breslau verlegten, 1991 erneuerten Univer­sität (Samuel Stryk, Johann Samuel Friedrich Böhmer, Johann Gottlieb Heineccius, Johann Brunnemann, Karl Friedrich Eichhorn).

Lit.: Haalck, J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt, (in) Heimatkunde und Landesgeschichte, 1958, 151ff.; Kliesch, G., Der Einfluss der Universität Frankfurt (Oder) auf die schlesische Bildungsgeschichte, 1961; Bardong, O., Die Breslauer an der Universität Frankfurt/Oder, 1970; Huth, E., Die Entstehung und Entwicklung der Stadt Frankfurt, 1975; Jajesniak-Quast, D./Stoklosa, K., Geteilte Städte an Oder und Neiße, 2000; Höhle, M., Universität und Reformation, 2002; Frankfurt an der Oder 1253-2003, hg. v. Knefelkamp, U. u. a., 2003; Kilian-Buchmann, M., Frankfurt im Mittelalter, 2005

Frankfurter Nationalversammlung → Frankfurt am Main

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Siemann, W., Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, 1976; Die Protokolle des volkswirtschaftlichen Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, hg. v. Konze, W. u. a., 1992

Fränkisches Recht ist das für → Franken geltende Recht. Dem fränkischen Recht untersteht der deutsche König, der auf fränkischem Boden gewählt und gekrönt wird (Frankfurt am Main, Aachen). Als besondere Einheit ist es trotz gelegentlicher hochmittel­alterlicher Bezugnahmen kaum fassbar (vielleicht Königsgericht, Königsbann, Königspfalz, Graf, Lehen, Kesselfang). → Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chamavorum, Decretio Childeberti, Pactus pro tenore pacis, Praeceptio Chlotharii, Kapitular

Lit.: Sohm, R., Fränkisches Recht und römisches Recht, ZRG GA 1 (1880), 1; Beaudoin, E., La participation des hommes libres au jugement dans le droit franc, 1888; Frommhold, G., Zur Geschichte des fränkischen Rechts in Schlesien, ZRG GA 13 (1892), 220; Schröder, R., Die Franken und ihr Recht, ZRG GA 2 (1881), 1; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts 1, 1924; Goldmann, E., Neue Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts, 1928; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Claude, D., Zu Fragen frühfränkischer Verfassungsgeschichte, ZRG GA 83 (1966), 273; Sizaret, L., Essai sur l’histoire de la dévolution successorale ab intestat, 1975; Mordek, H., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000

Frankreich ist der aus dem westlichen Teil des Reiches der → Franken seit 843 allmählich entstandene westeuropäische Staat, in dem sprachlich die zahlenmäßig unter­legenen Franken in der romanischen Mehrheit allmählich aufgehen. In ihm entwickeln sich unter den Karolingern zahlreiche ziemlich selbständige Herrschaften (Aquitanien, Nor­mandie, Burgund, Blois-Tours, Anjou, Flandern, Toulouse). Seit 888 ist das Königtum zwischen Karolingern und Rober­tinern umstritten. Als nach dem Aussterben der west­fränkischen → Karo­linger 987 der Robertiner Hugo Capet, Graf von Paris, zum König ([lat.] rex [M.] Francorum, König der Franken) gewählt wird, setzt er die Erblichkeit des Königtums durch. Danach tritt an die Stelle des westfränkischen Reiches F. (mit den Grenzflüssen Schelde, Maas, Saône, Rhône), das rasch kulturell führend wird. Der König ist zunächst auf die um 1180 nur ein Zehntel des Reichs ausmachende Krondo­mäne beschränkt und beherrscht neun Zehntel des Reichs nicht mehr selbst, drängt aber später die großen Lehnsträger (rund ein Dutzend Prinzipate) zurück (1328 zwei Drittel Frankreichs Krondomäne). Der seit 1154 aus dem Haus Anjou-Plantagenet stammende König von England muss bis 1214 (Schlacht von Bouvines) große Teile Frankreichs an den französischen König überlassen. Dazu kommen kleinere Erweiterungen (Toulouse nach 1213, Lyon 1312, Dauphiné 1349, Grafschaft Provence 1482). Zwar herrscht der König noch im Umherziehen durch sein Reich, doch bleiben ab der Herrschaft Philipps II. (1180-1233) Parlament und Kanzlei zunehmend in Paris. König Ludwig IX. (1226-1270, rex Franciae) gelingt die Schaffung wichtiger Verwaltungs­einrich­tungen (Staatsrat, Hofgericht, Rechen­kammer). Auch die Gesetzgebung wird früh als Herrschaftsmittel erkannt. 1303 kann der König von F. den Papst gefangennehmen und 1309 nach Avignon verbringen. Beim Aussterben der → Kapetinger (1328) kommt es 1337 zum hundertjährigen Krieg mit England (Plantagenet), während dessen Dauer sich (nach anfänglichen großen Erfolgen Englands) unter dem Haus Valois (1328-1589) die Erbmonarchie festigt. Durch das Eingreifen der Bauerntochter Jeanne d’Arc gelingt der nationale Sieg über das sein kontinentales Gut verlierende England, so dass F. 1453 trotz großer Verwüstungen gestärkt aus dem Krieg hervorgeht. Gegen 1440 wird das Steuerwesen zu einer festen Einrichtung, das Heer stehend. 1477 fallen die Lehen des Herzogs von Burgund zurück. 1481 umfasst die Krondomäne des Königs (mit Nevers, Picardie, Anjou, Maine und Provence) drei Viertel Frankreichs (1491 Bretagne). 1492 wird nach Italien (Neapel) ausgegriffen. Die religiöse Bewegung des Calvinismus wird durch die Hugenottenkriege bis 1598 zurückgedrängt (Nacht zum 24. 8. 1572 Bartholo­mäusnacht mit rund 12000 Toten in Paris und 20000 Toten in Frankreich). Unter dem zum Katholizismus zurückgekehrten König Heinrich IV. aus dem Hause Bourbon (1589-1792) (13. 4. 1598 Edikt von Nantes [an der Loire nahe dem Atlantik] zur Tolerierung der Hugenotten, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, politi­sche Gleichberechtigung, 1685 aufgehoben) beginnt der Aufbau einer absolutistischen Herrschaft, in der die Generalstände (états généraux) seit 1614 nicht mehr einbe­rufen werden, aber doch die Gesetzgebung des Königs nicht wirklich schrankenlos wird. Unter Kardinal Richelieu als erstem Minister Ludwigs XIII. wird F. führende Macht Europas. Am Ende des dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) erlangt F. von Habsburg Gebiete im → Elsass, 1659 Roussillon und Artois. Der mit vier Jahren auf den Thron gelangte König Ludwig XIV. (1643-1715) wird als Sonnenkönig (mit Schloss Versailles) merkantilistisch tätiges, Ordonnanzen erlassendes absolutistisches Vorbild in Euro­pa, muss aber am Ende des spanischen Erbfolgekrieges (1714) trotz sehr hoher Staatsverschuldung ein Gleichgewicht der Mächte anerkennen. Während des 18. Jh.s wendet sich die bürgerliche Aufklärung gegen die absolute Herrschaft und stürzt nach außenpolitischen Misserfolgen im siebenjäh­rigen Krieg und im amerikanischen Unabhän­gigkeitskrieg und innenpolitischen Wirt­schaftskrisen trotz Einberufung der General­stände (1788, 1789) als auf Betreiben des Abgeordneten Emmanuel Sieyès am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung erklärter (nichtadliger und nichtgeistlicher) dritter Stand (tiers, état, rund 96 Prozent der Bevölkerung)  am 14. 7. 1789 den König unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (27. 8. 1789 Erklärung der Menschenrechte, 3. 9. 1791 Verfassung, kon­stitutinonelle Monarchie, 1792 erste Re­publik). Nach langjährigen revolutionären Wirren (Schreckensherrschaft unter Marat und Robespierre) erreicht am 9. 11. 1799 Na­poleon Bonaparte (als einer von drei Konsuln) die Macht und bringt als selbstgekrönter Kaiser (2. 12. 1804) in kurzer Zeit große Teile Europas unter den Einfluss Frankreichs. Nach militärischen Niederlagen (Leipzig 16.-19. 10. 1813, Waterloo 18. 6. 1815) Napoleons wird F. konstitutionelle Monarchie (Bourbon, 1814-1830 Restauration, Juli 1830 Revolution, 1830-1848 Juli-Monar­chie, Bürgerkönig Louis Philippe, Zensuswahlrecht), 1848 (bis 1851) zweite Republik), 1853 (zweites) Kaiserreich), 1871 (dritte) Republik). 1871 verliert F. den wegen der Thronfolge in Spanien gegen Preußen und seine deutschen Verbündeten geführten Krieg. 1894 wird F. durch die Affäre Dreyfus (Offizier Alfred Dreyfus [1859-1535] aus anitsemitischen Gründen mit Hilfe gefälschter Beweise wegen Spionage zu lebenslanger Haft verurteilt, 1906 rehabi­litiert) erschüttert, wodurch die Trennung von Staat und Kirche beschleunigt wird. Das 1871 verlorene Elsass-Lothringen gewinnt es am Ende des ersten Weltkrieges (1918) zurück. Danach verliert es in blutigen Kämpfen allmählich die in der Neuzeit eroberten Kolonien. Trotz vorläufiger Kapitulation gegenüber dem deutschen Reich (1940) und Errichtung eines autoritären Regimes im nichtbesetzteb Teil (État Fran­çais, Vichyregime) wird es 1945 gleichberechtigte Besatzungsmacht Deutsch­lands und erhält einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Vetorecht. Rasch verliert es in Freiheitskämpfen die meisten seiner Kolonien (z. B. Indochina, Algerien). In der vierten Republik (1947-1958) schließt es sich seit 1952 mit Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg zwecks gegenseitiger Kontrolle (Frankreichs über Deutschland) zu Gemeinschaften (Staatenverbünden) der Montanindustrie (Montanunion), der Atom-wirtschaft (Euratom) und der Wirtschaft (EWG) (1957) zusammen (1958 fünfte Republik unter Charles de Gaulle), aus denen nach Zusammenfügung zu einer Europäischen Gemeinschaft 1993 insgesamt die → Europäische Union erwächst.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 76, 131, 141, 149, 186, 191, 223, 246, 256; Flach, J., Les origines de l’ancienne France, 1886ff.; Pouffin, H., Essay sur l’organisation et la juridiction municipales au moyen age, 1886; Beauchet, L., Histoire de l’organisation judiciaire en France, 1886; Viollet, P., Histoire des institutions politiques et administratives de la France, 1890ff.; Epinas, G., Les finances de la communauté de Douai, 1902; Viollet, P., Histoire du droit civil français, 1905, Neudruck 1966; Histoire de France, hg. v. Lavisse, E., Bd. 1ff. 1900ff.; Viollet, P., Le roi et ses ministres pendant les trois derniers siècles de la monarchie, 1912; Wartburg, W. v., Französisches etymologisches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1922ff.; Dillay, M., Les chartes de franchises de Poitou, 1927; Französisches etymologisches Wörterbuch; Diction­naire de biographie française, Bd. 1ff. 1933ff.; Thomas, P., Textes historiques sur Lille et le Nord de la France, 1936; Gallet, L., Les traités de pariage dans la France féodale, 1935; Puttkammer, E. v., Frankreich, Russland und der polnische Thron 1733, 1937; Olivier-Martin, F., Le roi de France et les mauvaises coutumes au moyen âge, ZRG GA 58 (1938), 108ff.; Schramm, P., Der König von Frankreich, Bd. 1f. 1939; Malmezat, J., Le bailli des montagnes d’Auvergne, 1941; Lot, F., La France, 4. A. 1941; Regnault, H., Le royaume de France et ses institutions, 1942; Turlan, J., La commune et le corps de ville de Sens (1146-1789), 1942; Kienast, W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit, 1943; Ganshof, F., Étude sur le développement des villes entre Loire et Rhin, 1943; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988; Benna, A., Der Kaiser und der König von Frankreich im Recht des späten Mittelalters, ZRG GA 68 (1951), 397; Lehoux, F., Le Bourg Saint-Germain-des-Prés, 1951; Koßmann, E., La fronde, 1954; Garçon, M., Histoire de la justice sous la 3e république, 1957; Campenhausen, A. Frhr. v., Staat und Kirche in Frankreich, 1961; La guerre de cent ans, par Timbal, P., 1961; Schnur, R., Die französischen Juristen, 1962; Lemarignier, J., Le gouvernement royal aux premiers temps capétiens, 1965; Endemann, T., Markturkunde und Markt in Frankreich und Burgund, 1964; Histoire économique et sociale de la France, hg. v. Braudel, F. u. a., Bd. 1ff. 1970ff.; Ganshof, F., Stämme als „Träger des Reiches“?, ZRG GA 89 (1972), 147; Lutz, H. u. a., Frankreich und das Reich im 16. und 17. Jahrhundert, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,56,238,902, 2,2,78,1223, 3,1,863, 3,2,­2489, 3,3,3152,3668,3769,3885,3966,4074; Kienast, W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit, 2. A. 1974f.; Trub, A. Haeuter v., Die Krönung der französischen Könige, 1975; Gaudemet, J., Les tendances a l’lunification, (in) La formazione storica, Bd. 1 1977, 281; Schneidmüller, B., Karolingische Tradition und frühes französisches Königtum, 1979; Laurent-Portemer, M., Études Mazarines, 1981; Decker, K., Frankreich und die Reichsstände 1672-1795, 1981; Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Beiträge zur Bildung der französischen Nation im Früh- und Hochmittelalter, hg. v. Beumann, H., 1983; Didier, P., L’apprentissage médiéval en France, ZRG GA 101 (1984), 200; Kelley, D., Historians and the law in postrevolutionary France, 1984; Beaune, C., Naissance de la nation France, 1985; Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Hartmann, P., Französische Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 1985, 2. A. 2003; Ehlers, J., Geschichte Frankreichs im Mittelalter, 1987; Kaeuper, R., War, Justice and Public Order, 1988; Wirtschaft und Gesellschaft in Frankreich, hg. v. Brandel, F. u. a., 1988; Sieburg, H., Geschichte Frankreichs, 4. A. 1989; Geschichte Frankreichs, hg. v. Favier, J., Bd. 1ff. 1989ff.; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Brühl, C., Deutschland – Frankreich, 1990; Benöhr, H., Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 178; Koziol, G., Begging Pardon and Favor, 1992; Haensch, G./Tümmers, H., Frankreich, 2. A. 1993; Histoire de la fonction publique en France, hg. v. Pinet, M., Bd. 1ff. 1993; Französische Könige und Kaiser der Neuzeit, hg. v. Hartmann, P., 1994; Guillot, O. u. a., Pouvoirs et institutions dans la France médiévale, 1994; Burdeau, F., Histoire de l`administration française, 2. A. 1994; Französisches Zivilrecht, hg. v. Schulze, R., 1994; Guillot, O. u. a., Pouvoirs et institutions, 1994; Malettke, K., Frankreich, Deutschland und Europa im 17. und 18. Jahrhundert, 1994; Guillot, O./Rigaudière, A./Sassier, Y., Pouvoirs et institutions, Bd. 1ff. 1994ff.; Haupt, H., Kleine Geschichte Frankreichs 1994, Neuauflage 2006; Bürge, A., Das französische Zivilrecht im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Brühl, C., Deutschland - Frankreich, 2. A. 1995; Frankreich im Staatensystem der frühen Neuzeit, hg. v. Babel, R., 1995; Royer, J., Histoire de la justice en France, 2. A. 1996; Die französischen Könige des Mittelalters, hg. v. Ehlers, J. u. a., 1996; Köbler, G., Rechtsfranzösisch, 4. A. 2004; Gläser, M., Lehre und Rechtsprechung im französischen Zivilrecht des 19. Jahrhunderts, 1996; Les constitutions de la France, hg. v. Debbasch, C. u. a., 3. A. 1996; Weisenfeld, E., Geschichte Frankreichs, 3. A. 1997; Bloch, M., Die wundertätigen Könige, 1998; Rigaudière, A., Pouvoirs et institutions dans la France médiévale, 2. A. 1998; Hartmann, P., Geschichte Frankreichs, 1999; Schmale, W., Geschichte Frankreichs, 2000; Rosanvallon, P., Der Staat in Frankreich, 2000; Altes Reich, Frankreich und Europa, hg. v. Asbach, O. u. a., 2001; Wechsel­seitige Beeinflussungen und Rezeptionen von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2001; Geschichte Frankreichs, hg. v. Hinrichs, E., 2002; Woll, C., Die Königinnen des hochmittelalterlichen Frankreich, 2002; Naegle, G., Stadt, Recht und Krone, 2002; Le Moyen Âge, hg. v. Contamine, P., 2002; Chatenet, M., La cour de France au XVIe siècle, 2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002; Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt, 2002; Baldinger, K., Dictionnaire étymologique de l’ancien français, 2003; Grüner, S./Wirsching, A., Frankreich, 2003; Goldsmith, J., Lordship in France, 2003; Müller, W., Der Prozess Jeanne d’Arc, 2004; Recueil des actes de Philippe Auguste Roi de France, hg. v. Favier, J. u. a., 2004; WBG Deutsch-französische Geschichte, hg. v. Paravicini, W. u. a. 2004ff.; Gauvard, C., La France au Moyen Âge, 2004; Schilling, L., Normsetzung in der Krise, 2005; Telliez, R., Per potentiam officii - Les officiers devant la justice, 2005; Schmidt, B. u. a., Frankreich-Lexikon, 2. A. 2006; Prutsch, M., Die Charte constitutionelle Ludwigs XVIII. in der Krise von 1830, 2006: Burguière, A., L’Ècole des Annales, 2006; Connelly, O., The Wars of the French Revolution and Napoleon 1792-1815, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 945; Regnum et imperium, hg. v. Weiß, S., 2008; Krause, S., Die souveräne Nation, 2008; ; In the embrace of France, hg. v. Jacobs, B., 2008Frankreich am Rhein, hg. v. Theis, K. u. a., 2009; Ehlers, J., Geschichte Frankreichs im Mittelalter, (2. A.) 2009

Franz I. (Franz Stephan, Nancy 8. 12. 1708-Innsbruck 18. 8. 1765), 1723 in Wien erzogen, 1729 Herzog von Lothringen, 1732 Statthalter Ungarns, 12. 2. 1736 Heirat mit Maria Theresia, nach Ländertausch 1737 Großherzog von Toskana, 1745 Kaiser des Heiligen römischen Reiches

Lit.: Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990, 232ff.

Franz II. (Florenz 12. 2. 1768-Wien 2. 3. 1835), Sohn Kaiser Leopolds II., in Toskana aufgewachsen, 1784 Wien, 1792 Kaiser des Heiligen römischen Reiches, 1797 Westgali­zisches Gesetzbuch, 1803 Strafgesetz, 1804 auch selbst verfassungswidrig ernannter (erblicher) Kaiser Österreichs, 6. 8. 1806 Niederlegung der Krone des Heiligen römischen Reiches, 1811 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

Lit.: Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990, 286ff.; Hattenhauer, C., Wahl und Krönung Franz II., 1995

Franz Joseph I. (Schönbrunn 18. 8. 1830-Schönbrunn 21. 11. 1916) folgt am2. 12. 1848 seinem Onkel Ferdinand I. als Kaiser Österreichs,.

Lit.: Conte Corti, E., Der alte Kaiser, 3. A. 1956

Franziskaner ist der Angehörige des von Franz von Assisi (1181/1182-1226) begründeten Ordens der Minoriten (Minderbrüder, einschließlich der Kapuziner). Bekannt sind Heinrich von Merseburg (um 1242 [lat.] Summa super V libros decretalium), Balduin von Brandenburg (um 1270 [lat.] Summa titulorum), Johannes von Erfurt (Ende 13. Jh. [lat.] Tabula iuris utriusque, Summa confessorum), Bonagratia von Bergamo, Wilhelm von Ockham, Anaklet Reiffenstuel (1700ff. [lat.] Ius caonicum universum) und Lucius Ferraris (1746ff. Prompta bibliotheca canonica). Vermutlich sind Deutschenspiegel und Schwabenspiegel von Franziskanern beeinflusst.

Lit.: Ertl, T., Religion und Disziplin, 2006

Französisch

Lit.: Tobler, A./Lommatzsch, E., Altfranzösisches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1954ff. (11.-14. Jh.)

Französische Revolution ist die revolutionäre Veränderung des politischen Systems (ancien régime) in → Frankreich 1789/1799. Sie erwächst aus der zuneh­menden Spannung zwischen dem durch Krieg und Hofhaltung die Staatsverschuldung mehrenden König und dem nach politischen Rechten strebenden, mit der wirtschaftlichen Lage und wohl auch der mangels eines Steuerkatasters willkürlichen Steuererhebung unzufriedenen dritten Stand (der → Bürger [16 Prozent, Bauern 82 Prozent]). Als nach sehr strengen Wintern (1787, 1788) die zum 1. 5. 1789 nach fast 175 Jahren vom König erstmals wieder zusammen­gerufenen Generalstände (états généraux, 300, 300 und 600 Mitglieder der drei Stände) nach ergebnislosen Beratungen über ein Stimmrecht nach Köpfen sich am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung (des dritten, hauptsächlich aus Verwaltungsbeamten, Juristen und Kaufleuten zusammengesetzten Standes) erklären, versucht der König erfolglos, sie aufzulösen. Nach dem Sturm des politischen Gefängnisses (Bastille, Stadtorburg im Osten von Paris) am 14. 7. 1789 muss er sie als verfassung­gebende Nationalversammlung bestätigen. Die feudalen Rechte des ancien régime werden aufgehoben (4./5. 8. 1789). Am 26. 8. 1789 werden von der Natio­nalversammlung Menschenrechte und Bürgerrechte verkündet. Am 2. 11. 1789 wird die Kirche enteignet. Am 3. 9. 1791 wird eine erste → Verfassung geschaffen (konstitutio­nelle Monarchie mit Zensuswahlrecht, König als Spitze der ausführenden Gewalt). Die Schulen werden verstaatlicht. Die zivile Eheschließung wird eingeführt. Der Staat wird in 83 Departements eingeteilt. 1792 wird eine neue National­versammlung gewählt (radikale Jakobiner, gemäßigte Girondisten). Gegenüber Öster­reich und Preußen wird der Krieg erklärt. Am 21. 9. 1792 wird die Republik ausgerufen. Der König wird wegen Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und die allgemeine Sicherheit des Staates zum Tode verurteilt und am 21. 1. 1793 hingerichtet. Am 10. 3. 1793 entsteht ein Revolutionstribunal. Die darauf folgende Schreckensherrschaft eines Sicherheits- und Wohlfahrtsausschusses (Robespierre, Marat, Danton) wird mit dem Sturz Robespierres am 27. 7. 1794 beendet. Am 22. 8. 1795 wird eine liberale Verfassung geschaffen. Am 9. 11. 1799 stürzt Napoléon Bonaparte das diktatorisch herrschende fünfköpfige Direktorium.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Redslob, R., Völkerrechtliche Ideen der französischen Revolution, FS Otto Mayer, 1916, 773; Stern, A., Der Einfluss der französischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, 1928; Göhring, M., Geschichte der großen Revolution, Bd. 1f. 1950f.; Garaud, M., La révolution et la propriété fonciere, 1959; Schmitt., E., Einführung in die Geschichte der französischen Revolution, 1976; Vovelle, M., Die französische Revolution, 1982; Die französische Revolution, hg. v. Günther, H., 1985; Vom alten Reich zu neuer Staatlichkeit, hg. v. Gerlich, A., 1982; Furet, F./Richet, D., Die französische Revolution, 1987; Schulin, E., Die französische Revolution, 4. A. 2004; Die französische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewusstseins, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1988; Soboll, A., Die große französische Revolution, 1988; Berteau, J., Alltagsleben während der französischen Revolution, 1989; Die französische Revolution, hg. v. Reinalter, H., 1991; Botsch, E., Eigentum in der französischen Revolution, 1992; Meinzer, M., Der französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Schmidt, U., Südwestdeutschland im Zeichen der französischen Revolution, 1993; Stone, B., The Genesis, 1994; Die französische Revolution und das Projekt der Moderne, hg. v. Pelinka, A. u. a., 2002; Thamer, H., Die französische Revolution, 2004; Kuhn, A./Schweigard, J., Freiheit oder Tod!, 2005

Französisches Recht ist das in Frankreich geltende Recht bzw. das in Frankreich geschaffene Recht. Es ist aus zwei großen Teilgebieten erwachsen. Im Süden Frankreichs gilt seit dem Untergang des weströmischen Reiches (476) das in vereinfachter Form (→ Breviarium Alaricianum) fortgeführte römische Recht als Schriftrecht fort (frz. droit [M.] écrit). Nördlich der Loire bilden sich auf der Grundlage der fränkischen Volksrechte (→ Pactus legis Salicae) viele örtliche oder gebietliche Gewohnheiten (frz. [F.Pl.] → Coutumes). Sie werden seit dem 13. Jh. nichtamtlich aufgezeichnet. Am bekanntesten sind die → coutumes de Beauvaisis des Philippe de → Beaumanoir (1283). 1454 wird die amtliche Aufzeichnung vom König geboten. Im 16. Jh. entsteht eine glanzvolle französische Rechtswissenschaft (lat. → mos [M.] Gallicus) mit dem Mittelpunkt in Bourges. Gewicht gewinnen einzelne königliche ordonnances (1510, 1539, 1566, 1579, 1667, 1673, 1681, 1731, 1735, 1745). Mit dem Edikt von Saint-Germain (1679) erhält jede juristische Fakultät eine Professor für französisches Zivilrecht. Die Aufklärung erweckt ein Streben nach allgemeinen Rechtsregeln. Am 3. 9. 1791 kündigt die Verfassung ein einheitliches bürgerliches Gesetzbuch (frz. Code [M.] des lois civiles communes) an, doch werden drei Entwürfe nicht verabschiedet und nur Einzelgesetze gegen Kirche und Adel erlassen (sog. droit [M.] intermédiaire). Nach der Machter­greifung Napoléons entstehen binnen weniger Jahre ein → Code civil des Français (Bürgerliches Gesetzbuch 1804), ein der ordonnance von 1667 eng folgender, das europäische Zivilprozessrecht des 19. Jh.s wesentlich bestimmender → Code de procédure civile (Zivilverfahrensgesetzbuch, in Kraft zum 1. 1. 1807), ein Code de commerce (Handelsgesetzbuch 1807), ein Code de l’instruction criminelle (Straf­verfahrensgesetz­buch 1808) und ein → Code pénal (Strafgesetzbuch 1810). Sie beein­flussen das Recht vieler Staaten (u. a. des linksrheinischen Deutschland) und gelten trotz erheblicher Abänderungen (z. B. Loi Naquet 1884, Reformen von 1975 und 2004 im Ehescheidungsrecht, 1999 Gesetz über den Pacte civil de solidarité, Relativierung des Eigentums, Höchstpreise, Verbraucherschutz, Gefährdungshaftung) teilweise noch in der Gegenwart. 1958 wird ein neuer Code de procédure pénale (Strafprozessgesetzbuch) geschaffen, (1975 bzw.) 1976/81 ein Nouveau code de procédure civile (Neues Zivilprozessgesetz­buch), seit 1989 ein neues Strafgesetzbuch. Das Handelsgesetzbuch erfährt schon seit 1867 erhebliche Verän­derungen.

Lit.: Boucher D’Argis, A., Lettres d’un magistrat de Paris à un magistrat de province sur le droit Romain, 1782, hg. v. Wolodkiewicz, W., 1984; Glasson, E., Histoire du droit et des institutions de la France, Bd. 1ff. 1887ff.; Brissaud, J., Manuel d’histoire du droit français, 1898; Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899; Lefebvre, C., Leçons d’introduction à l’histoire du droit matrimonial français, 1899; Caillemer, R., Études sur les successions au moyen-âge, 1901; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischem Recht, 1903; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de Valenciennes, 1904; Euler, H., Recht und Staat in den Romanen des Crestien von Troyes, 1906; Senn, F., L’institution des vidamies en France, 1907; Perrot, E., Les cas royaux, 1910; Laplanche, J. de, La réserve coutumiaire, 1925; Chénon, E., Histoire générale du droit français public et privé, Bd. 1f. 1926ff.; Regnault, H., Les ordonnances civiles du chancelier Daguesseau, 1929; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechts, ZRG GA 63 (1943), 136; Viard, P., Histoire du droit privé français (1789-1830), 1931; Bloch,, M., Les caractères originaux de l’histoire rurale française 1931; Les lois et coutumes de Saint-Amand, hg. v. Meijers, E. u. a., 1934; Olivier-Martin, F., L’organisation corporative de la France d’ancien régime, 1938; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des französischen Rechtes, ZRG GA 63 (1943), 137; Decugis, H., Les étapes du droit, 1942; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988; Bongert, Y., Recherches sur les cours, 1949; Woopen, A., Die neuere Entwicklung des französischen Familienrechts, Diss. jur. Bonn 1953; Buisson, L., König Ludwig IX., der Heilige, und das Recht, 1954; Waldersee, J. Graf v., Ehe und Familie in der großen französischen Revolution, Diss. jur. Bonn 1957; Sicard, G., Le métayage, (um 1958); Timbal, P. u. a., Historie des institutions publiques et des faits sociaux, 2. A. 1961, 10. A. 2000; Guenée, B., Tribunaux et gens de justice dans le baillage de Senlis, 1963; Lohmann, F., Jean Paul Marat und das Strafrecht in der französischen Revolution, 1963; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Rasenack, C., Gesetz und Verordnung in Frankreich seit 1789, 1967; Timbal, P. u. a., Les obligations contractuelles dans le droit français des 13e et 14e siècles, Bd. 1f. 1973ff.; Kölsch, M., Recht und Macht bei Montaigne, 1974; Basdevant-Gaudemet, B., Aux origines de l’Ètat moderne, Charles Loyseau 1564-1627, 1977; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977; Lafon, J., Les députés du commerce et l’ordonnance de Mars 1673, 1979; Gouron, A., La science du droit dans le midi, 1984; Endres, P., Die französische Prozess­rechtslehre, 1985; Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Le cartulaire de la Selve, hg. v. Ourliac, P. u. a., 1985; Harouel, J. u. a., Histoire des institutions de l’époque Franque à la Revolution, 1987, 9. A. 2001; Dauchy, S., Les voies de recours extraordinaires, 1988; Schmale, W., Ent­chris­tianisierung, Revolution und Verfassung, 1988; Carron, R., Enfant et parenté dans la France médiévale, 1989; Martinage, R., Punir le crime, 1989; Sueur, P., Histoire du droit public français, 1989; Les fors anciens de Béarn, hg. v. Ourliac, P. u. a., 1990; Bürge, A., Der Einfluss der Pandektenwissenschaft auf das französische Privatrecht, (in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991, 221; Bürge, A., Neue Quellen zur Begegnung der deutschen und französischen Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, ZRG GA 110 (1993), 546; Guchet, Y., Histoire constitutionelle, 3. A. 1993; Constantinesco, V./Hübner, U., Einführung in das französische Recht, 3. A. 1994; Brown, E./Famigliettei, R., The lit de justice, 1994; Französisches Zivilrecht in Europa während des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schulze, R., 1994; Hilaire, J., La vie du droit, 1994; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. 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Jurt, J. u. a., 1999; Thireau, J., Introduction historique au droit, 2001; Wadle, E., Französisches Recht in Deutschland, 2002; Carbasse, J., Introduction historique au droit, 2003; Guillot, O./Rigaudière, A./Sassier, Y., Pouvoirs et institutions dans la France médiévale, Bd. 1f. 2003; Bart, J., Du droit de la province au droit de la nation, 2004; Pfister, L., Introduction historique au droit privé, 2004; Halpérin, J., Rechtsgeschichte in Frankreich (1982-2003), ZNR 26 (2004), 282; Descamps, O., Les origines de la responsabilité pour faute personnelle dans le code civil de 1804, 2005; 1806 - 1976 – 2006 De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006; Leuwers, H., L’invention du barreau français 1660-1830, 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Dictionnaire historique des juristes français, hg. v. Arabeyre, P. u. a., 2007

Französische Zone ist die 1945 im Deutschen Reich eingerichtete Besatzungs­zone Frank­reichs (Südbaden, Südwürttem­berg-Hohenzollern, Rheinland-Pfalz), die am 8. 4. 1949 der Bizone angeschlossen wird und danach in der →Bundesrepublik Deutschland aufgeht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Frau ist der erwachsene weibliche Mensch. In einer patriarchalischen Gesellschaft ist die F. dem Mann rechtlich nicht in jeder Be­ziehung gleichgestellt. Im altrömischen Recht steht die F. grundsätzlich in der Hausgewalt (lat. [F.] manus, Hand) des Ehemannes (, die mündige Frau sui iuris unter Geschlechts­vormundschaft, lat. tutela [F.] iuris), im Frühmittelalter in der Hausgewalt (ahd. munt) des Ehemannes oder der Vormundschaft des nächsten mündigen männlichen Verwandten. Ihre durchschnittliche Le­benserwartung beträgt 21 Jahre. Auch das Christentum unterstellt die F. dem Mann. Im Alemannien des Frühmittelalters können Töchter Grundstücke erben, doch scheint ihr Erbrecht gesell­schaftlich weniger fest verankert zu sein, und können verheiratete Frauen teils mit und teils ohne Ehemann über Erbgut verfügen. Die Stellung der F. bessert sich mit ihrem Eintritt in die Marktwirtschaft (Kauffrau). Im 16. Jh. bricht, wenn auch noch ohne bestimmte rechtliche Folgen, die Erörterung über die Gleichrangigkeit der Geschlechter auf. Im Zuge der Aufklärung verlangen zuerst einzelne Frauen die Angleichung bzw. die grundsätzliche Gleichstellung (Dorothea Erxleben, Mary Wollstonecraft). Dies verstärkt sich mit der französischen Revolution von 1789 (Olympe de Gouges 1791 Erklärung der Frauen- und Bürgerinnenrechte). Vereinzelt treten in Deutschland Frauen auch im Umkreis der politischen Unruhen des Jahres 1848 hervor. 1865 wird ein Allgemeiner Deutscher Frauenverein gegrün­det. Danach werden 1869 in Preußen die Schranken der Hand­lungsfähigkeit auf­gehoben und wird 1877 im Deutschen Reich Prozessfähigkeit gewährt. 1894 erwächst aus unterschiedlichen Flügeln der Frauen­bewegung (Helene Lange, Gertrud Bäumer, Minna Cauer, Anita Augspurg 1857-1943) der Bund deutscher Frauenvereine. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält die F. Anteil an der elterlichen Gewalt. Sie wird 1900 zum Studium (Baden, Preußen 1908, Mecklenburg 1909, in Deutschland 1911 43 Rechtsstudentinnen, 1917 117, Anita Augs­purg erste juristische Doktorin Deutschlands, erste habilitierte deutsche Juristin Magdalene Schoch, erste Dr. h. c. der Rechte Marianne Weber, 1919 gleich­berechtigte Zulassung zu allen öffentlichen Ämtern, 1948 erste ordentliche Professorin der Rechtswissen­schaft im deutschen Sprachraum Gertrud Schubart-Fikentscher in Halle), 1919 zu Wahlen (New Jersey 1776-1807, Pitcairn 1838, Wyoming 1869, Pariser Kommune 1871-1871, Neuseeland 1893/1919, Süd­australien 1894, Australien 1902, Finnland 1906, Norwegen 1913, Island 1915, Dänemark 1915, Sowjetunion 1917, Kanada 1918, Österreich 1919, Vereinigte Staaten von Amerika 1920, Großbritannien 1928, Türkei 1930/1934, Spanien 1931, Frankreich 1944, Italien 1945/1946, Ungarn 1945, Japan 1945, Belgien 1946, China 1949, Indien 1950, Schweiz 1971, Liechtenstein 1984, Südafrika 1994, Afghanistan 2003, Kuweit 2005) und (1. 7.) 1922 zu den Ämtern der Rechtspflege (1924 erste Gerichtsassessorin) zugelassen. Die Verfassung des Deutschen Reiches (1919) und das Bundesver­fassungs­gesetz Österreichs (1920) erkennen die Gleichberechtigung der Geschlechter grund­sätzlich an. Zum 31. 3. 1953 erklärt das Bundesver­fassungsgericht alles dem Gleich­berechtigungsgrundsatz des Grundge­setzes entgegenstehende Recht als außer Kraft. Weitere wichtige rechtliche Veränderungen schließen sich an (1973 Strafrecht, 1976 Familienrecht, 1980 Arbeitsrecht, 1983, 1987, 1992 Rentenrecht). 1979 wird weltweit eine Vereinbarung zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung von Frauen beschlossen. 1995 erklärt der Europäische Gerichtshof eine Bevorzugung einer F. nur wegen ihrer Eigenschaft als F. für rechtswidrig. Auf die Länge scheint das veränderte Weltbild der F. das durch den medizinischen Fortschritt ermöglichte Wachstum der Bevölkerung auszugleichen.

Lit.: Kaser § 12; Hübner; Köbler, WAS; Weinhold, K., Die deutschen Frauen im Mittelalter, 3. A. 1987; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Schubart-Fikentscher, G., Das Recht der Frau nach dem Sachsenspiegel, (in) Die Frau 41 (1933/4), 28; Schmelzeisen, G., Die Stellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft, 1935; Barchewitz, J., Von der Wirtschaftstätigkeit der Frau, 1937; Merschberger, G., Die Rechtsstellung der germanischen Frau, ZRG GA 58 (1938), 824; Heß, L., Die deutschen Frauenberufe des Mittelalters, 1940; Pesle, O., La femme musulmane, 1946; Vogelsang, T., Die Frau als Herrscherin im hohen Mittelalter, 1954; Scheffler, E., Die Stellung der Frau, 1970; Pauli, L., Infirmitas sexus, 1975; Schwanecke, I., Die Gleichberechtigung der Frau unter der Weimarer Reichsverfassung, 1977; Frauen in der Geschichte, hg. v. Kuhn, A. u. a., 1979; The Women of England, hg. v. Kanner, B., 1979; Schmit­ter, R., Die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, 1981; Hervé, F., Geschichte der deutschen Frauenbewegung, 1982, 7. A. 2001; Weber-Will, S., Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1983; Ennen, E., Frauen im Mittelalter, 1984, 5. A. 1994; Wemple, S., Women in Frankish society, 1985; Frauenlexikon, Fakten, Perspektiven, hg. v. Lissner, A., 1988; Kroj, K., Die Abhängigkeit der Frau, 1988; Duby, G., Die Frau ohne Stimme, 1989; Frauen in den 80er Jahren, 1989; Freiburg, A., Die Rechtsstellung der Frau, Diss. jur. Köln 1990; Frauen im Recht, 1990; Frauen in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Affeldt, W., 1990; Medieval Women, hg. v. Rosenthal, J., 1990; Gerhard, U., Unerhört, 1990; Koch, E., Maior dignitas est in sexu virili, 1991; Demars-Sion, V., Femmes séduites et abandonnées au 18e siècle, 1991; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 1992; Geschichte der Frauen, hg. v. Duby, G. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.; Arjava, A., Women and Roman Law in late Antiquity, Diss. Helsinki, 1994; Wolf, G., Æthelfled von Mercia und andere ottonische „dominae“, ZRG GA 111 (1994), 524; Douma, E., Die Entwicklung des Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Alfing, S. u. a., Frauenalltag im frühneuzeitlichen Münster, 1994; Frauen, hg. v. Dülmen, A. van, 6. A. 1995; Schuster, B., Die freien Frauen, 1995; Berneike, C., Die Frauenfrage ist Rechtsfrage, 1995; Dressel-Schuh, E., Frauen in Frankfurt, 1995; Goetz, H., Frauen im frühen Mittelalter, 1995; Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995; I ,CLAVDIA, hg. v. Kleiner, D./Matheson, S., 1996; Walther, W., Die Frau im Islam, 1997; Rosenbusch, U., Die Belagerung der männlichen Rechtsburg, JuS 1997, 1062; Frauen in der Geschichte des Rechts, hg. v. Gerhard, U., 1997; Ziegler, S., Frauennachtarbeit, 1997; Frauen arbeiten, hg. v. Budde, G., 1997; Ziolkowski, K., Frauen­diskriminierung, 1997; Byok, N., Die rechtliche Stellung der Frau im alten Ägypten, Diss. jur. Berlin 1997; Nave-Herz, R., Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, 1997; Stretton, T., Women waging law, 1998; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland, 1998; Hufton, O., Frauenleben, 1998; Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit, hg. v. Floßmann, U., 1998; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Juristinnen in Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Esser, C., Rechtsstellung und Ansprüche der Ehefrau, Diss. jur. 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Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Lauterer, H., Parlamentarierinnen in Deutschland 1918/19 bis 1949, 2002; Schulz, K., Der lange Atem der Provokation, 2002; Lauterer, H., Geschichte des Frauenstimmrechts, Universitas 2003, 801; Frauen und Kirche, hg. v. Schmitt, S., 2002; Die Macht der Frauen, hg. v. Finger, H., 2003; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; Höbenreich, E./Rizzelli, G., Fragmente einer juristischen Geschichte der Frauen im antiken Rom, 2003; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Les femmes antiques, hg. v. Frei-Stolba, R., 2003; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003; Godineau, D., Les femmes dans la société française 16e-18e siècle, 2003; Wischermann, U., Frauen und Öffentlichkeiten um 1900, 2003; Barth, R., Frauen die Geschichte machten, 2004; Schötz, S., Handelsfrauen in Leipzig, 2004; Frauen in der frühen Neuzeit, hg. v. Bonnet, A., u. a., 2004; Frauen­rechtsgeschichte, hg. v. Floßmann, U., 2004; Women’s Influence on Classical Civilization, hg. v. McHardy, F. u. a., 2004; Gender in the Early Medieval World, hg. v. Brubaker, L. u. a., 2004; Hacke, D., Women, Sex and Marriage in Early Modern Venice, 2004; Bock, G., Frauen in der europäischen Geschichte, 2005; Schüller, E., Marie Stritt, 2005; In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Kinnebrock, S., Anita Augspurg (1857-1943), 2005; Juristinnen, hg. v. Deutscher Juristinnenbund, 2005; Frauen an der Macht, hg. v. Illner, M., 2005; Spitzenfrauen, hg. v. Schulz, A., 2005; Timoschenko, T., Die Verkäuferin im wilhel­minischen Kaiserreich, 2005; McIntosh, M., Working Women in English Society 1300-1620, 2005; Makowski, E., A Pernicious Sort aof Woman, 2005; Frauenrecht und Rechtsgeschichte, hg. v. Meder, S. u. a., 2006; Schaser, A., Frauenbewegung in Deutschland 1815-1933, 2006; Ilan, T., Jewish Women in Greco-Roman Palestine, 2006; Rottloff, A., Lebensbilder römischer Frauen, 2006; Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006; Stavrianopoulou, S., Gruppenbild mit Dame, 2006; Die Stellung der Frau im islamischen Religionsunterricht, hg. v. Oebbecke, J. u. a., 2006; Röhrig, A., Klug, schön, gefährlich – Die hundert berühmtesten Frauen der Weltgeschichte, 2007; Die Vereinten Nationen und neuere Ent­wicklungen der Frauenrechte, hg. v. Schorlemer, S. v., 2007; Balaş, O., Reprezentǎri ale feminitǎţii în eposul germanic medieval (Die Darstellung der Weiblichkeit im mittelalterlichen germanischen Epos), 2007; Beattie, C., Medieval Single Women, 2007; Hartmann, E., Frauen in der Antike, 2007; Vogt, A., Vom Hintereingang zum Hauptportal?, 2007; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008; Majer, D., Frauen - Revolution - Recht, 2008; Grochowina, N., Das Eigentum der Frauen, 2009; Hauch, G., Frauen bewegen Politik - Österreich 1848-1938, 2009

Frauenarbeit ist die → Arbeit der → Frau außerhalb des Haushaltes und der Familie. Sie gewinnt seit dem ausgehenden 19. Jh. an Bedeutung. Politisches Ziel ist seitdem die Gleichheit der Arbeit von Frau und Mann.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, W./Willms, A./Handl, J., Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980, 1983; Werkstetter, C., Frauen im Augsburger Zunfthandwerk, 2001

Frauenhaus ist das in deutschen Städten seit dem Spätmittelalter als stadteigene Ein­richtung erkennbare Bordell. In der Gegenwart ist F. die Zufluchtsstätte misshandelter Frauen.

Lit.: Schuster, P., Das Frauenhaus, 1992

Frauenraub ist die gewaltsame Entführung einer Frau (zwecks Eheschließung). Der F. führt in der Frühzeit zur Fehde und begründet keine Ehe (str.). Im Frühmittelalter ist Buße zu leisten. Die → Constitutio Criminalis Carolina (1532) übernimmt die Todesstrafe des römischen Rechts (C. 9, 13). Die Aufklärung sieht den F. als Freiheitsdelikt an.

Lit.: Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Gössler, Die Entführung, Diss. jur. Rostock, 1903; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Boes, W., Frauenraub und Raubehe bei den westgermanischen Stämmen des Merowingerreiches, Diss. jur. Bonn 1956

Frauenstimmrecht→ Frau, Wahlrecht

fraus (lat. [F.]) Tücke (actio de dolo, exceptio doli möglich)

Lit.: Behrends, O., Die fraus legis, 1982

Fredus (lat. [M.]) ist das im → Kompositionensystem des Frühmittelalters (Franken, Alemannen, Bayern, Thüringer, Friesen) bei einem Unrechtserfolg in verschiedenen Fällen (nicht an den Verletzten, sondern) an den König, Grafen, Fiskus oder die Kirche in unterschiedlicher Höhe zu entrichtende Friedensgeld (z. B.1/3 der Buße).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Köbler, LAW; Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmit­telalter, Habilitationsschrift Leipzig 2003 (ungedruckt)

Freher, Marquard (Augsburg 26. 7. 1565-Heidelberg 13. 5. 1614), Sohn des Kanzlers der Kurpfalz, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf und Bourges (Cujas) Rat in der Pfalz und von 1596 bis 1598 Professor in Heidelberg, danach Hofgerichtsvizepräsident. Er ver­öffentlicht eine Reihe deutscher Geschichts­quellen und verfasst daneben eigene Abhandlungen.

Lit.: Freher, M., Germanicarum rerum scriptores, 1600ff.; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 680; Schwan, B., Das juristische Schaffen Marquard Frehers, 1984

Freibauer Freier, Bauer

Freiberg ist die in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s gegründete sächsische Stadt, deren zwischen 1210 und 1218 verliehenes, ziemlich selbständiges Stadtrecht in einer 1296-1307 entstandenen Prachthandschrift und 4 weiteren Handschriften überliefert ist. Im Stadtrecht finden sich erste zu­sammenhängende Regelungen des erstmals in der Kulmer Handfeste (1233) erwähnten Freiberger Bergrechts ([lat.] ius [N.] Frybergense mit freiem Schürfrecht), die in Bergrechten von 1307-1328 bzw. 1346-1375 vertieft werden. 1572 wird das Stadtrecht von den kursächsischen Konstitutionen verdrängt.

Lit.: Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887; Ermisch, H., Das Freiberger Stadtrecht, 1889; Retzlaff, H., Die Entwicklung des Rechtsgangs nach dem Freiberger Stadtrechtsbuch, 1929; Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs, Diss. phil. Leipzig 1957; Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Löscher, H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343ff.; Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs im Mittelalter, 1963; Geschichte der Bergstadt Freiberg, hg. v. Kasper, H. u. a., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 81; Stadt Freiberg, hg. v. Hoffmann, Y. u. a., 2003

Freibrief ist die eine Freiheit enthaltende Urkunde (Brief).

Lit.: Lerchenfeld, G. v., Die altbayerischen landständischen Freiheitsbriefe, 1853; Nebinger, G., Geburts- und Freibriefe 1543-1700 der Reichsstadt Kempten, Blätter des bay. Landesvereins für Familienkunde 51 (1988), 60ff.

Freiburg im Breisgau ist der möglicherweise 1091 durch Herzog Berthold II. von Zähringen neben einem bereits römerzeitlich besiedelten Burgberg (Schlossberg) gegrün­dete, vielleicht 1120 durch Herzog Konrad von Zähringen um (oder auf) einen Markt (lat. [N.] forum) oder eine Stadt (lat. [F.] civitas) erweiterte, (Gewerbetätigkeit bezeugende?,) wohl um 1150 ummauerte Ort am Ausfluss der Dreisam aus dem Schwarzwald, dem der Herzog von Zähringen als Ortsherr bei Gelegenheit der Erweiterung ein berühmtes Stadtrechtsprivileg für die (lat.) mercatores (M.Pl.) personati (namhaften Kaufleute) erteilt (str., Diessenhofen 1178, Freiburg im Üchtland um 1175, Flumet 1228, Kenzingen 1249). 1368 unterstellt sich F. (1385 rund 9000 Einwohner, 1500 rund 7000 Einwohner) Habsburg (1415-1457 Reichs­stadt). 1457 wird eine Universität eingerichtet. 1520 tritt ein von Ulricus Zasius (Ulrich Zäsy) verfasstes, fünfteilig in Prozess, Schulden und Sachen, Familien und Erbe, Baurecht und Strafrecht gegliedertes, reformiertes Stadt­recht in Kraft, das bis 1781 (Allgemeine Gerichtsord­nung)/1787 (Josephi­nisches Ge­setz­buch)/1810 (Badisches Land­recht) gilt und auf Tirol (1526), Rheinfelden (1530), Württemberg (1555), Solms 1571, Frankfurt am Main (1578), Pfalz (1582), Katzen­elnbogen (1591), Solothurn 1604, Baden (1654) Basel (1719) und Mainz (1755) ausstrahlt. 1805/1806 fällt F. von Habsburg bzw. Vorderösterreich an Baden und damit 1951/1952 an Baden-Württemberg.

Lit.: Schreiber, H., Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, 1857; Flamm, H., Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg im Breisgau, Häuserstand 1400-1806, 1903; Flamm, H., Der wirtschaftliche Niedergang Freiburgs, 1905; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Rietschel, S., Neue Studien über die älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau, 1907; Beyerle, F., Untersuchungen zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg i. Br. und Villingen a. Schw., 1910; Rietschel, S., Das Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 33 (1912), 471; Albert, P., Achthundert Jahre Freiburg im Breisgau, 1920; Below, G. v., Deutsche Städtegründung, 1920; Below, G. v., Zur Deutung des ältesten Freiburger Stadtrechts, Zeitschrift der Gesellschaft für Geschichte zu Freiburg 36 (1920); Müller, K., Geschichte der Getrei­dehandelspolitik, 1926; Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Freiburger Urkundenbuch, bearb. v. Hefele, F., Bd. 1ff. 1938ff.; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Gerber, H., Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau, (1957); Aus der Geschichte der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät zu Freiburg im Breisgau, hg. v. Wolff, H., 1957; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1957; Freiburg im Breisgau, hg. v. statistischen Landesamt Baden-Württemberg, 1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Schlesinger, W., Das älteste Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 83 (1966), 63; Heinemeyer, W., Der Freiburger Stadtrodel, ZRG GA 83 (1966), 116; Nehlsen, H., Die Freiburger Familie Snewlin, 1967; Sauter, H., Studien zum mittelalterlichen Privatrecht der Stadt Freiburg, 1969; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Diestelkamp, B., Gibt es eine Freiburger Gründungsurkunde aus dem Jahr 1120?, 1973; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986, 2. A. 2008 (Internet http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Nuewe­StattrechtenundStatutenFreiburgimBreisgau1520.pdf); Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Nasall, W., Das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1989; Die Freiburger Universität in der Zeit des National­sozialismus, hg. v. John, E. u. a., 1991; Blattmann, M., Die Freiburger Stadtrechte zur Zeit der Zähringer, 1991; Speck, D., Die vorderösterreichischen Landstände, Bd. 1f. 1994; Freiburg 1091-1120. Neue Forschungen zu den Anfängen der Stadt, hg. v. Schadek, H. u. a., 1995; Geschichte der Stadt Freiburg, hg. v. Haumann, H. u. a., Bd. 1ff. 1996, 2. A. 2001; Kälble, M., Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, 2001; Bubach, B., Richten, Strafen, Vertragen, 2005; Speck, D., Eine Universität für Freiburg, 2006; Hollerbach, A., Jurisprudenz in Freiburg, 2007; Hundertfünzig Jahre Amtsgericht Freiburg, hg. v. Kummle, T., 2007

Freiburg im Üchtland wird 1157 von Herzog Berthold IV. von Zähringen gegründet. Am 28. 6. 1249 erhält es von den Grafen von Kyburg (1218) eine (erneuerte) Stadtrechtsurkunde. 1277 wird es von Habsburg gekauft. 1452 fällt es an Savoyen. 1478 wird es freie Reichsstadt. 1481/1502 tritt es der Eidgenossenschaft der Schweiz bei. 1889 geht eine 1763 geschaffene Rechts­schule in einer neuen Universität auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Welti, F., Beiträge zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg im Üchtland, 1908; Vevey, B. de, Les sources du droit du canton de Fribourg, 1932; Vevey, B. de, Le droit de Bulle, 1935; Das Notariatsformularbuch des Ulrich Manot, hg. v. Bruckner, A., 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,449, 3,2,1898; Geschichte des Kantons Freiburg, 1981; Carlen, L. u. a., Hundert Jahre Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, 1982; Histoire de l’université de Fribourg/Suisse, hg. v. Ruffieux, R., Bd. 1ff. 1991; Pahud de Mortanges, R./Siffert, R., Das Zivilgesetzbuch für den Kanton Freiburg, Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung 3 (1998), 247ff.; Die Freiburger Handfeste von 1249, hg. v. Foerster, H. u. a., 2003

Freier ist der nicht von einem anderen unmittelbar abhängige Mensch. Im römischen Recht ist insbesondere der römische Bürger (lat. civis [M.] Romanus) frei. Für die Germanen ist es streitig, ob den Kern des Volkes eine Vielzahl von Freien bildet. Im Frühmittelalter stehen sich Adel, Freie, Halbfreie und Unfreie in den Volksrechten vielfach gegenüber, doch ist unklar, wie groß die Zahl der Freien in der zunehmend von der → Grundherrschaft gekennzeichneten Gesell­schaft ist. Die Lehre von den Königsfreien sieht in den Freien geradezu Abhängige des Königs. Im Hochmittelalter erwächst für den Bürger der Stadt und vielfach auch den Rodungssiedler eine neue Freiheit (→ Stadtluft macht frei). Im frühen 19. Jh. verschafft die Bauernbefreiung (Preußen Edikt vom 9. 10. 1807 die persönlichen Ver­hältnisse der Landbewohner betreffend) allgemeine Freiheit. Damit ist der Begriff des Freien entbehrlich.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 87, 98; Köbler, WAS; Heck, P., Die Gemeinfreien der karolingischen Volksrechte, 1900; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Schweikert, E., Die deutschen edelfreien Geschlechter des Berner Oberlandes, 1911; Ernst, V., Mittelfreie, ZRG GA 41 (1920), 410; Diehl, A., Die Freien der Weibelhube und das Gericht der Siebzehner, Zs. f. württembergische Landesgeschichte 7 (1943), 209; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 1972; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und franko-lateinische Bezeichnungen für soziale Schichten, 1972; Müller, W., Freie Gotteshausleute, ZRG GA 92 (1975), 89; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991

Freie Rechtsschule (Freirechtsschule) ist die von wenigen unterschiedlichen Forschern bzw. Gruppen vor allem zwischen 1903 und 1914 geprägte Richtung (Schule) der Rechtswissenschaft (Ernst Stampe [1856-1942], Unsere Rechts- und Begriffsbildung, 1907, Freirechtsbewegung, 1911, Ernst Fuchs [1859-1929], Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz, 1907, Eugen → Ehrlich [1862-1922], Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903, H. U. Kann­torowicz [1877-1940]), die davon ausgeht, dass die einzelne Fallentscheidung des Richters nicht auf logisch-ver­standesmäßiger Unterord­nung (Sub­sumtion) des Sachver­haltes unter den Tatbestand der Norm, son­dern in Wahrheit auf dem Rechtsgefühl beruhe. Deshalb dürfe und müsse der Richter vom Gesetz abweichen, sobald dieses bei bloßer Sub­sumtion zu ungerechten Ergeb­nissen führen würde, und das lebende Recht nach Maßgabe des Sozialverhaltens in der Gesellschaft feststellen. Seine Aufgabe be­stehe mehr in der am allgemeinen Wohl aus­gerichteten Gesellschaftsgestaltung (Rechts­schöpfung) als in der strengen Norm­anwendung. Diese Ansich­ten setzen sich nicht durch.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Riebschläger, K., Die Freirechtsbewegung, 1968; Moench, D., Die methodo­logischen Bestrebungen der Freirechtsbewegung, 1971; Fuchs, E., Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 1970ff.; Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A: 2001, 10. A. 2005; Bartels-Ishikawa, A., Theodor Sternberg, 1998; Rückert, J., Vom „Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125 (2008), 199

Freie Stadt ist die von der ursprünglich bestehenden Herrschaft des Bischofs frei (und damit reichsunmittelbar) gewordene Stadt (Re­gensburg 1255-1800, Straßburg 1263-1681, Speyer 1294-1801, Worms 1247/73-1801, Mainz 1244/1331-1462, Köln 1288/1475-1801, Bremen 1541/1646, Ham­burg 1510-1768, Bescançon 1290/1364-1648, Metz 1180/1210-1552, Toul 1271/1278-1552, Verdun 1156-1552, Cambrai 12. Jh.-1552) des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation). Die Benennung als f. S. wird seit der Mitte des 14. Jh.s, die Benennung als (freie) Reichsstadt am Ende des Mittelalters üblich.

Lit.: Arnold, W., Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte, 1854; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967; Möncke, G., Bischofsstadt und Reichsstadt, 1971; Heinig, P., Reichsstädte, freie Städte und Königtum 1389-1450, 1983

Freigelassener (lat. [M.] libertus) ist der von seinem Herrn durch Rechtsgeschäft mit der Freiheit begabte Unfreie. Der Freigelassene ist im römischen Recht rechtsfähig, verbleibt aber unter einer Schutzgewalt (Patronat mit gewisser Abhängigkeit) des bisherigen Herrn. Auch im mittelalterlichen Recht steht der Freigelassene dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.

Lit.: Kaser §§ 16 II, 58, 62, 66, 69; Söllner §§ 8, 12, 14; Hübner; Köbler, DRG 21, 35, 68, 78, 88, 98; Sohm, R., Die liberti der altgermanischen Zeit, ZRG GA 21 (1900), 20; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges barbarorum, 1991; Mihailescu-Birliba, L., Les affranchis dans les provinces romaines d’illyricum, 2006

Freigericht ist die Bezeichnung für ein im Heiligen römischen Reich vom Reich abgeleitetes Gericht (bzw. Gebiet eines solchen Gerichts).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Thudichum, F., Geschichte des freien Gerichts Kaichen, 1858; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1909; Müller, W., Das Freigericht Thurlinden, Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte 103 (1966); Hardt-Friederichs, F., Das königliche Freigericht Kaichen, 1975 (mit etwa einem Dutzend Dörfern, 1293 erstmals erwähnt)

Freigrafschaft ist eine in verschiedenen Teilen des Heiligen römischen Reiches seit dem 12. Jh. auftretende Art der Grafschaft, deren Herkunft ungeklärt ist. Sie ist vielfach mit der Hochgerichtsbarkeit verknüpft. In Westfalen entsteht aus der F. die → Feme.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brode, R., Freigrafschaft und Vehme, 1886; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1908; Waas, A., Zur Frage der Freigrafschaften, vornehmlich in der Wetterau, ZRG GA 38 (1917), 146; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft und Gografschaft, 1949; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (19545), 167; Hömberg, A., Die Entstehung der westfälischen Freigrafschaften, 1953

Freigut ist das in unterschiedlicher Weise freie Gut.

Lit.: Wilde, M., Die Ritter- und Freigüter in Nordsachsen, 1997

Freiheit ist die Möglichkeit der unein­geschränkten Entfaltung. Für viele Menschen besteht bis in das 19. Jh. keine F., weil sie nicht dem Stand der → Freien (oder des Adels) angehören, was von grundsätzlich sehr großer Bedeutung ist. Andere erlangen durch Privileg einzelne besondere Freiheiten. In England ist bereits 1215 in der (lat.) Magna Charta (F.) F. vor allem der Schutz vor rechtswidriger Verhaftung. (ähnlich Habeas-Corpus-Akte von 1679). Von hier aus fordert John Locke (1632-1704) Leben, Freiheit und Eigentum als unveräußerliche Rechte ein. Erst in der französischen Revolution des Jahres 1789 aber setzt sich unter dem Einfluss der Aufklärung der politische Gedanke einer allgemeinen F. (frz. liberté) des Menschen durch (, die vermutlich in einem vorgeschichtlichen Urzustand ohne weiteres bestand). Umstritten ist die Erklärung der F. als eines Zustandes des von einem Herrn Geschütztseins. Die Privatrechtswissenschaft des 19. Jh.s geht von einer F. in Grenzen aus.

Lit.: Kaser § 16; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 425; Köbler, WAS; Hölzle, E., Die Idee einer altgermanischen Freiheit vor Montesquieu, 1925; Keller, R. v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933; Tellenbach, G., Libertas, 1936, Neudruck 1996; Voltelini, H. v., Der Gedanke der allgemeinen Freiheit in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 57 (1937), 182; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Waas, A., Die alte deutsche Freiheit, 1939; Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 66; Mayer-Maly, T., Zur Rechtsgeschichte der Freiheitsidee in Antike und Mittelalter, Z. f. öff. Recht 6 (1954), 425; Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte, hg. v. Mayer, T., 1955, 4. unv. A. 1981; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972; Hunke, H., Germanische Freiheit im Verständnis der deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichtsschreibung, Diss. jur. Göttingen 1972; Immink, P., La liberté et la peine, 1973; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Chaimowicz, T., Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Schott, C., Freiheit und libertas, ZRG GA 104 (1987), 84; Battisti, S., Freiheit und Bindung, 1987; Grund- und Freiheitsrechte, hg. v. Birtsch, G., 1987; Lübtow, U. v., Die Freiheit, 1988; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Fairén-Guillen, V., Die rechtlichen Mittel gegen Angriffe und Eingriffe in die persönliche Freiheit, ZRG GA 109 (1992), 335; Maier, H., Das Freiheitsproblem in der deutschen Geschichte, 1992; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten, Menschen­rechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; Klementowski, M., Studia nad kszałtowaniem się gwarancji ochrony wolności osobistej w państwie niemieckim (10-14 wiek) (Studien zur Entstehung der Freiheitsgarantien für die Person im deutschen Staat (10.-14. Jahrhundert), 1994; Roche, J., Libertés publiques, 12. A. 1997; Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung, hg. v. Kervégan, J. u. a., 1998; Cafagna, E., La libertà, 1998; Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000; Hofer, S., Freiheit ohne Grenzen? 2001; Schneider, R., Appetitus libertatis – Mittelalterliches Freiheitsstreben ZRG 119 (2002), 27; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003; Altes Reich und Neues Recht, hg. v. Schmidt-von Rhein, G., 2006; Rückert, J., Frei und sozial als Rechtsprinzp, 2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen Freiheit, 2007

Freiheit der Meere ist die Freiheit der Nutzung der Meere. Sie wird am Beginn der Neuzeit zur Rechtsfrage zwischen den europäischen Großmächten. Dabei nimmt die rechtswissenschaftliche Literatur teils für Holland (Hugo Grotius 1609), teils für Portugal oder für England Partei. Seit dem frühen 18. Jh. entstehen Grundsätze über die Rechte der Uferstaaten, während in der Gegenwart das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1982 (1994 in Kraft) entscheidend ist.

Lit.: Davenport, G., European Treaties, 1917; García Arias, L., De la libertad de los mares, 1946; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere, 1969; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Freiheitsrechte ist die Gesamtheit der Rechte des Menschen auf Freiheit in der Entfaltung seiner Persönlichkeit in bestimmter Hinsicht. Die F. werden auf Grund der gegen den Absolutismus gerichteten Aufklärung seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s als Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat verstärkt an­erkannt. Seit etwa 1780 werden Freiheits­kataloge erstellt. Sie betreffen beispielsweise die Meinung, die Presse, die Lehre, das Gewissen, die Religion oder die Versamm­lung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Neumann, F., Freiheitsrechte in Deutschland, 1957; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Weitzel, J., Das Reichskammer­gericht und der Schutz von Freiheitsrechten, (in) Die politische Funktion des Reichskammergerichts, 1993, 157; Krug, G., Die Entwicklung ökonomischer Freiheitsrechte, 1995

Freiheitsstrafe ist die im Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit durch Zuwei­sung von Zwangsaufenthalt in Haftanstalten bestehende Strafe. Sie ist im römischen Altertum nur als Begleitfolge anderer Strafen bedeutsam und begegnet auch im Frühmittelalter kaum. Erst im 14. Jh. gewinnt sie in den Städten vielleicht in Anlehnung an Kloster und Spital an Bedeutung. In der Constitutio Criminalis Carolina (1532) wird sie ersatzweise bei kleinem Diebstahl angedroht. Seit dem 16. Jh. werden in England (Bridewell 1555) und dann in den Niederlanden (Amsterdam 1595) aus reli­giöser Fürsorge Häuser errichtet, in denen zunächst Bettler und Arbeitsflüchtlinge und später auch Straftäter durch Zwangserziehung zur Arbeit angehalten werden können. Im ausgehenden 17. Jh. wird die F. allgemein als sinnvoll anerkannt. Vielleicht erst im ersten Drittel des 19. Jh.s wird die Freiheits­entziehung voll als eigenständige Strafen­gruppe dem Strafensystem eingeordnet. Danach wird die F. (unter Zurücktreten der Todesstrafe und Leibesstrafe) bis in das 20. Jh. zur vorherrschenden Strafe.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119, 158, 205, 236, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schmidt, E., Entwicklung und Vollzug der Freiheitsstrafe in Brandenburg-Preußen, 1915; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Doleich von Dolsberg, F., Die Entstehung der Freiheitsstrafe, 1928, Neudruck 1970; Hippel, R. v., Die Entstehung der modernen Freiheitsstrafe, 1932; Krebs, A., Freiheitsentzug, hg. v. Müller-Dietz, H., 1978; Kröner, W., Freiheitsstrafe und Strafvollzug, 1988; Kleinheyer, G., Freiheitsstrafen, ZRG GA 107 (1990), 102; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Schidorowitz, M., H. B. Wagnitz und die Reform des Vollzugs, 2000; Bretschneider, F., Gefangene Gesellschaft, 2008

Freiherr ist der unter dem Grafen stehende niedere Adelige, der dem Baron entspricht.

Freilassung (lat. [F.] manumissio) ist in der ständischen Gesellschaft das Rechtsgeschäft, durch das der Unfreie aus der Unfreiheit entlassen wird, daneben auch die Beendigung eines Freiheitsentzugs. Das römische wie das mittelalterliche Recht kennen verschiedene Formen der F. (→ mancipatio, Schatzwurf, Speergedinge, Freilassungsbrief). Der Freigelassene steht dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.

Lit.: Kaser § 16 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 21, 57, 71, 88; Fournier, M., Essai sur les formes et les effets de l’affranchissement, 1885; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte der germanischen Freilassung durch Wehrhaftmachung, 1904; Fabbrini, F., La manumissio in ecclesia, 1965; Nitschke, A., Die Freilassung, ZRG GA 99 (1982), 220

Freimaurer

Lit.: Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Schuster, J., Freimaurer und Justiz in Norddeutschland unter dem Nationalsozialismus, 2007

Freirechtsbewegung → freie Rechtsschule

Freischöffe ist der Schöffe am Freigericht. → Feme

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Freising ist der Sitz eines um 738 von Bonifatius in Bayern eingerichteten Bistums, das als Hochstift 1220 reichsunmittelbar wird. Nach F. benannt ist das zum eigenen Gebrauch des 1319 in einer Münchener Urkunde erwähnten Fürsprech Rupprecht (von Freising) 1328 geschaffene, in 13 Handschriften überlieferte, auf Schwaben­spiegel (um 1275), Augsburger Stadtrecht (1276/1281) und bayerischem Landfrieden von 1300 aufbauende (Freisinger) → Rechtsbuch, das vorwiegend Strafrecht und Pflichten des Fürsprechers behandelt.

Lit.: Freisinger Rechtsbuch, bearb. v. Claußen, H., 1941; Stahleder, H., Hochstift Freising, 1974; Mass, J., Das Bistum Freising, 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58; http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/hsta-freisingertraditionen/

Freistaat ist eine Lehnschöpfung für lat. (F.) res publica. Als F. in Deutschland benennen sich (seit 1918) Bayern und Sachsen.

Freistuhl → Freigericht

Freiteil (Seelteil) ist der seit dem Altertum von der christlichen Kirche (z. B. Augustinus 354-430) vielleicht aus heidnischen Kult­bräuchen und philosophischen Gerechtigkeits­vorstellungen allmählich als Kindesteil oder fester Bruchteil (z. B. 1/5, 1/3) geforderte Anteil an jedem Erbe. Er wird im Frühmittelalter (außer bei Sachsen und Thüringern) übernommen (lat. donatio [F.] reservato usufructu, donatio post obitum) und bildet einen wichtigen Ansatzpunkt für die Zurückdrängung des Anrechts der nächsten Verwandten auf das Erbe. Am Ende des Mittelalters besteht Testierfreiheit.

Lit.: Köbler, DRG 89; Gál, A., Totenteil und Seelteil nach süddeutschen Rechten, ZRG GA 29 (1908), 225; Schultze, A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, ZRG GA 50 (1930), 1928; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956

Freiwillige Gerichtsbarkeit ist (als Teil der → Gerichtsbarkeit) eine staatliche Organisation und ein staatliches Verfahren zur amtlichen Hilfe in privatrechtlichen Angelegenheiten. Die f. G. schließt an den Ausdruck (lat. iurisdictio [F.] voluntaria) der justinianischen Digesten (D. 1, 16, 2 principium) an. Sie erwächst aus dem Gedanken herrschaftlicher Fürsorge seit dem Hochmittelalter vor allem in Nach­lasssachen, Vormundschaftssachen, Beur­kundungs­sach­en, Liegenschaftsrechtsüber­tragungen und Auf­geboten. Zuständig werden in Anlehnung an streitige Verfahren die Gerichtsbarkeit, verschiedene Verwaltungsbe­hörden und die Notare. Allgemeine Vorschriften bringen die preußische All­gemeine Gerichtsordnung (1783), das österreichische Gesetz über das Verfahren in Außerstreitsachen von 1854 (geändert 2003/2005) und das deutsche Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­barkeit (17. 5. 1898).

Lit.: Köbler, DRG 184, 292; Claproth, J., Primae lineae jurisprudentiae extrajudicialis, 1759; Oesterley, F., Versuche aus dem Gebiete der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Puchta, W., Handbuch des gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. A. 1831f.; Ott, E., Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorge­verfahrens, 1906; Hofmann, K., Die freiwillige Gerichtsbarkeit (jurisdictio voluntaria) im kanonischen Recht, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 173; Brehm, N., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. A. 1993; Außerstreitverfahren, 1996

Freizügigkeit ist das Recht der freien Ortsveränderung. F. besteht nicht für Unfreie und bei fehlendem Zuzugsrecht. Der → Augsburger Religionsfriede von 1555 gewährt Abzugsfreiheit (für Andersgläubige) gegen Zahlung von Abzugsabgaben, das preußische Allgemeine Landrecht (1794) das Recht zu freier Auswanderung, die Deutsche Bundesakte (1815) F. innerhalb des Bundesgebietes, die Verfassung von 1849 Niederlassungsfreiheit innerhalb des Reichsgebietes und Auswande­rungsfreiheit. In den Europäischen Gemeinschaften bzw. in der Europäischen Union gilt die F. der Arbeitnehmer bzw. die Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der Mitgliedstaaten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma 1950, 199; Freedom of movement in the middle ages, hg. v. Horden, P., 2007

Fremdbesitz ist der das Eigentum eines anderen an einer Sache anerkennende Besitz (z. B. des Mieters, nicht des Diebes). Fremd­besitzer ist, wer eine Sache als nicht ihm gehörig besitzt. Gegensatz des Fremdbesitzes ist der Eigenbesitz (z. B. des Eigentümers oder des Diebes). Im römischen Recht ist an F. keine Rechtserwerbswirkung und kein Be­sitzschutz des Prätors geknüpft (z. B. für Mieter, Entleiher, Verwahrer, Ausnahmen Erbpächter, Prekarist, Faustpfandgläubiger, Sequester).

Fremder im Verhältnis zu einer Personengemeinschaft ist der Mensch, der nicht der Personengemeinschaft angehört. Er ist rechtlos (Feind), kann aber als Gast in das Recht aufgenommen werden. In Rom entwickelt sich für die freien Nichtbürger (lat. [M.] peregrinus) das besondere (lat.) → ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Im Frühmit­telalter verbietet Karl der Große 802, dem Fremden das Gastrecht vorzuenthalten. Die territoriale Rechtspartiku­larisierung des Hochmittelalters ist dem Fremden nicht günstig. Dagegen verlangt das frühneu­zeitliche Naturrecht die völlige Gleichstellung des Fremden mit dem Einheimischen. Der Nationalstaat des 19. Jh.s lehnt Fremde grundsätzlich ab. 1871 werden alle Deutschen im Deutschen Reich zu Inländern. Wegen des starken Zustroms von Fremden infolge ökonomisch motivierter internationaler Mobi­lisie­rung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden detaillierte Ausländergesetze nötig.

Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Hübner 83, 460; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 120; Köbler, WAS; Bar, L. v., Das Fremdenrecht und seine volkswirtschaftliche Bedeutung, 1892; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; L’Étranger, 1958; Scholla, P., Untersuchungen zur Rechtsstellung der Fremden in der Schweiz des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Die Begegnung mit dem Fremden, hg. v. Schuster, M., 1996; Seiring, C., Fremde in der Stadt (1300-1800), 1999; Keechang, K., Aliens in Medieval Law, 2000; Lübke, C., Fremde im östlichen Europa, 2001; Cavallar, G., The rights of strangers, 2002; Der Fremde, hg. v. Dummer, J. u. a., 2004; Rici, C., Orbis in urbe, 2005; Schwanke, I., Fremde in Offenburg, 2005

Frevel ist im mittelalterlichen Recht die Waghalsigkeit, die eine Untat bedeuten kann und die sich daraus ergebende Rechtsfolge (Geldstrafe).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 48, Neudruck 1964; Ruoff, W., Die Züricher Räte als Strafgericht, Diss. jur. Zürich 1941

Friedberg, Emil (Konitz 22. 12. 1837-Leipzig 7. 9. 1910), Sohn eines 1824 zur evangelischen Kirche übergetretenen Richters, wirkt als Professor für Kirchenrecht, Staatsrecht und Handelsrecht in Halle (1865), Freiburg im Breisgau (1868) und Leipzig (1873). Politisch tritt er für die Trennung von Staat und Kirche und die Aufsicht des Staates über die Kirche ein. Bedeutsam sind seine kirchenrechts­geschichtlichen Editionen (→ Corpus iuris canonici, 1879ff., Neudruck 1955, Quinque compilationes antiquae, 1882, Neudruck 1956, Canonessammlungen zwischen Gratian und Bernhard von Pavia, 1897, Neudruck 1958).

Lit.: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 283

Friedberg-Scheer → Thurn und Taxis

Friede ist der Zustand ungestörter Ordnung, in dem sich niemand der Gewalt bedient, um seine besonderen Interessen zu verwirklichen. Der F. innerhalb des Volkes ist zunächst die Aufgabe aller Einzelnen, erst im Laufe des Mittelalters drängt der Staat mit Unter­stützung der Kirche (→ Gottesfriede) die → Fehde durch die Durchsetzung des Ge­waltmonopols (→ Strafrecht, → Polizeirecht) zurück. Außerhalb des Volkes bildet der → Krieg zweier oder mehrerer Völker den Gegensatz zum Frieden. Zur Beendigung des Krieges bedarf es grundsätzlich eines (völkerrechtlichen) Frie­densvertrages (z. B. Friede von Münster und Osnabrück 1648).

Lit.: Köbler, DRG 84; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 543; Köbler, WAS; Osenbrüggen, E., Der Hausfrieden, 1863, Neudruck 1968; Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Wilke, K., Das Friedegebot, 1911, His, R., Gelobter und gebotener Friede im deutschen Mittelalter, ZRG GA 33 (1912), 139; Schneider, B., Friedewirkung und Grundbesitz, 1913; Prutz, H., Die Friedensidee im Mittelalter, SB. d. Akad. d. Wiss. München, 1920; Nestle, W., Der Friedensgedanke in der antiken Welt, 1938; Wiesenthal, F., Die Wandlung des Friedensbegriffs, Diss. phil. München 1949; Achter, V., Über den Ursprung des Gottesfriedens, 1955; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden für die Gesetzgebung in Deutschland, Diss. jur. Marburg, 1958; La Paix, 1961,(Recueils de la Société Jean Bodin 15); Dickmann, F., Der Westfälische Frieden und die Reichsverfassung, 1965; Weimann, K., Der Friede im Altenglischen, 1966; Åqvist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Justus, W., Die frühe Entwicklung des säkularen Friedensbegriffs, 1975; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede 1550-1600, 1976; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Duchhardt, H., Studien zur Friedensvermittlung in der frühen Neuzeit, 1979; Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979; Renna, T., The Idea of Peace, Journal of Medieval History 6 (1980) 143; Ermacora, F., Der unbewältigte Friede. St. Germain und die Folgen, 1989; Schildt, B., Der Friedensgedanke im frühneuzeitlichen Dorfrecht – Das Beispiel Thüringen, ZRG GA 107 (1990), 188; Ziegler, K., Völkerrechts­geschichte, 1994, 2. A. 2007; Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit, 1994; Träger und Instrumentarien des Friedens, hg. v. Fried, J., 1996; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Suche nach Frieden, hg. v. Brieskorn, N. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Schmidt, K., Friede durch Vertrag, 2002; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Irenik und Antikonfessionalismus im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Klueting, H., 2003

Friedelehe ist (nach umstrittener Ansicht) die durch bloße Vereinbarung der Brautleute (und Aufnahme einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft) geschlossene Ehe (des mittelalterlichen Rechts), bei welcher der Mann im Gegensatz zur Eheschließung unter Mitwirkung des Vaters der Braut keine Personengewalt (munt) über seine Friedel (Geliebte) gewinnt. Ihre tatsächliche Bedeu­tung ist ganz unsicher. Von der Kirche wird sie abgelehnt. Möglicherweise geht die morganatische Ehe des Adels auf die F. zurück.

Lit.: Hübner 642; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Haff, K., Das „Werven der echtinge“ des Friedelkindes, ZRG GA 53 (1933), 316; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?, 2002

Friedensgeld → fredus

Friedensgericht

Lit.: Erkens, M., Die französische Friedens­gerichtsbarkeit 1789-1814 unter besonderer Berücksichtigung der vier rheinischen Departements, 1994

Friedensgesetzgebung → Landfriede

Friedensrichter s. Friedensgericht, Richter

Friedensvertrag ist der den Kriegszustand zwischen mehreren Staaten beendende völkerrechtliche Vertrag (z. B. F. zwischen Ägyptern und Hethitern 1270 v. Chr., F. zwischen Rom und Karthago 201 v. Chr., F. von Troyes 1420, F. von Münster und Osnabrück 1648, F. von Nimwegen 1678/9, F. von Rijswijk 1697, F. von Lunéville 1801, F. von Versailles 1919, F. von St. Germain 1919).

Lit.: Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Peace treaties and international law, hg. v. Lesaffer, R., 2004

Friedhof ist der Ort, an dem die Toten bestattet werden. Die Totenbestattung geschieht anfangs nach unterschiedlichem Brauchtum (Hügel­gräber, Reihengräber­felder). Mit der Christianisierung entwickelt sich der F. um die Kirche, auf dem Verbrechern, Selbstmördern, Ketzern oder Fremden die Bestattung verweigert wird. Mit der neuzeitlichen Bevölkerungszunahme wird der F. an den jeweiligen Ortsrand verlegt. Es werden besondere Satzungen oder Ordnungen zur rechtlichen Regelung des Friedhofs­wesens geschaffen.

Lit.: Cohen, G., Der jüdische Friedhof, 1930; Derwein, H., Geschichte des christlichen Friedhofs, 1931; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996

Friedlosigkeit ist im mittelalterlichen Recht vermutlich der Zustand des Ausgestoßenseins aus der Rechtsgemeinschaft. Wer friedlos ist, darf bußlos getötet werden. Das tatsächliche Vorkommen der F. ist nicht gut bezeugt. → Acht, → Gottesfriede, → Landfriede

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 87; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842; Brunner, H., Abspaltungen der Friedlosigkeit, ZRG GA 11 (1890), 62; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906ff.; Haff, K., Zur Friedlosigkeit nach holsteinischem Recht, ZRG GA 62 (1942), 375; Kaufmann, E., Zur Lehre von der Friedlosigkeit im germanischen Recht, Gedächtnisschrift H. Conrad 1980, 32

Friedrich I. → Friedrich I. Barbarossa

Friedrich II. (Iesi bei Ancona 26. 12. 1194-Castel Fiorentino bei Lucera 13. 12. 1250), Sohn des Staufers Heinrich VI. und Konstanzes von Sizilien sowie Enkel → Friedrich Barbarossas, wird 1196/1212 deutscher König. Er errichtet in Sizilien mit Hilfe rechtlicher Regelungen (Assisen von Capua 1220, Konstitutionen von Melfi 1231) eine fortschrittliche Verwaltung. Im Reich verbrieft er die von den Fürsten errungenen Rechte (→ Confoederatio cum principibus ecclesiasticis, 1220, → Statutum in favorem principum, 1231). Seine Mitwelt versetzt er als (lat.) stupor (M.) mundi in vieler Hinsicht in Erstaunen.

Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106, 108; Blondel, G., Étude sur la politique de l’empereur Frédéric II, 1892; Kantorowicz, E., Kaiser Friedrich II. 1929 (Materialband 1931), 6. unv. A. 1985 (Ergänzungsband 2. A. 1980); Schrader, E., Ursprünge und Wirkungen der Reichsgesetze Friedrichs II. von 1220, 1231/32 und 1235, ZRG GA 68 (1951), 354; Zinsmaier, P., Zur Diplomatik der Reichsgesetze Friedrichs II. (1216, 1220, 1231/(12)32, 1235, ZRG GA 80 (1963), 82; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982; Kaiser Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, hg. v. Heinisch, J., 1968, 6. A. 1978; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Probleme um Friedrich II., hg. v. Fleckenstein, J., 1974; Ipser, K., Kaiser Friedrich der Zweite, 1977; Federico II, 1980; Wolf, G., Kaiser Friedrich II. und das Recht, ZRG RA 102 (1985), 327; Zinsmaier, P., Beiträge zur Diplomatik der Urkunden Friedrichs II., DA 41 (1985), 101; Bibliographie zur Geschichte Kaiser Friedrichs II. und der letzten Staufer, 1986 (212 Quellentitel, 2014 Monographien und Aufsätze); Martino, F., Federico II, 1988; Lammers, W., Friedrich II. (1212-1250), (in) Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991, 199; Stürner, W., Friedrich II., 1992; Federico II., hg. v. Toubert, P., 1994; Rösch, E./Rösch, G., Kaiser Friedrich II., 1995; Friedrich II., hg. v. Esch, A. u. a., 1996; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v. Stürner, W., 1996; Sommerlechner, A., Stupor mundi?, 1999; Kaiser Friedrich II., hg. v. Eickels, K. van u. a., 2000; Rotter, E., Friedrich II. von Hohenstaufen, 2000; Stürner, W., Friedrich II., 2. A. 2003; Die Urkunden Friedrichs II. 1198-1212, bearb. v. Koch, W., Teil 1 2002, Teil 2 2007; Fumagalli, M., Federico II., 2004; Thomsen, M., Ein feuriger Herr des Anfangs, 2005; Federico II., hg. v. Zecchino, O. u. a., 2005; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006; Houben, H., Kaiser Friedrich II., 2007

Friedrich I. Barbarossa (Rotbart) (nach 1122-Kleinasien 10. 6. 1190) aus der Familie der → Staufer ist der zwischen 1152 und 1190 im deutschen Reich herrschende König. Er führt 1156 im sog. (lat.) → privilegium minus einen Ausgleich zwischen Staufern und → Welfen herbei, indem er den Welfen das 1138 vom König entzogene Herzogtum → Bayern, vermindert um das verselbständigte Herzogtum → Österreich, zurückgibt. 1158 lässt er auf dem Reichstag von Roncaglia die → Regalien durch Juristen feststellen. Durch Landfriedensgesetze geht er gegen Rechts­bruch vor. Eine konstante römisch-rechtliche, Rechtsdenken oder Rechts­praxis prägende Komponente lassen seine Urkunden noch nicht erkennen. Unter ihm beginnt die Zerschlagung der dem König zu mächtigen Herzogtümer (1156 Bayer, 1180 Sachsen) in die das Reich letztlich auflösenden → Länder. (Mit seiner ersten Frau – Adela von Vohburg - scheint er im siebten Grad verwandt gewesen zu sein so dass die Ehe aufgelöst werden musste.)

Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106; Rassow, P., Honor imperii, 1940; Heimpel, H., Kaiser Friedrich Barbarossa, 1942; Hess-Gotthold, J., Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raume des heutigen Pfälzer Waldes, 1962; Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Appelt, H., Bd. 1ff 1975ff.; Opll, F., Das Itinerar Kaiser Friedrich Barbarossas, 1978; Georgi, W., Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte, 1990; Friedrich Barbarossa, hg. v. Haverkamp, A., 1992; Kaiser Friedrich Barbarossa, hg. v. Engel, E./Töpfer, B., 1994; Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, 1994; Opll, F., Friedrich Barbarossa, 3. A. 1998; Plassmann, A. Die Struktur des Hofes, 1998; Richter, K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Görich, K., Die Ehre Friedrich Barbarossas, 2001; Dick, S., Die Königserhebung Friedrich Barbarossas, ZRG GA 121 (2004), 200; Laudage, J., Friedrich Barbarossa, hg. v. Hageneier, L. u. a., 2009

Friedrich II. der Große (Berlin 24. 1. 1712-Potsdam 17. 8. 1786) ist der bedeutendste König in Preußen (1740-1786). Seine militärischen Erfolge (Eroberung Schlesiens von Österreich) begründen Preußens Stellung als Großmacht in Europa. Die Schaffung des preußischen Allgemeinen Landrechts (1794) geht maßgeblich auf den dem aufgeklärten Absolutismus (1740/1754 Abschaffung der Folter, planvolle Kriminalpolitik, Bauern­schutz, Toleranz) verpflichteten Monarchen zurück.

Lit.: Heymann, E., Über die Bedeutung der Philosophie Friedrichs des Großen für seine Rechtspolitik, 1934 (SB Berlin); Ritter, G., Friedrich der Große, 1936; Jacobs, H., Friedrich der Große und die Idee der Vaterlandsliebe, 1939; Jessen, H., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965; Merten, D., Der Katte-Prozess, 1980; Hubatsch, W., Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, 2. A. 1982; Schieder, T., Friedrich der Große, 1983; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984; Aretin, K. Frhr. v., Friedrich der Große, 1985; Panorama der fridericianischen Zeit, hg. v. Ziechmann, J., 1985; Ausstellung des geheimen Staatsarchivs, 2. A. 1986; Analecta Fridericiana, hg. v. Kunisch, J., 1987; Friedrich der Große und seine Zeit, hg. v. Hauser, O., 1987; Fridericianische Miniaturen 2, hg. v. Ziechmann, J.,1 991; Duffy, C., Friedrich der Große, 1994; Tagebuch oder Geschichtskalender aus Friedrichs des Großen Regentenleben, Bd. 1ff. 2003ff.; Kunisch, J., Friedrich der Große, 2004; Wehinger, B., Geist und Macht, 2004; Hahn, P., Friedrich der Große und die deutsche Nation, 2007

Friese ist der Angehörige des an der Nordsee siedelnden, im 1. Jh. n. Chr. durch Plinius erwähnten, friesisch sprechenden germani­schen Volkes. 734/785 werden die Friesen von den → Franken unterworfen. Um 802 wird in der → Lex Frisionum ihr Recht aufgezeichnet. Dem folgen im Hochmit­telalter zahlreiche weitere Quellen des → friesischen Rechts. 1464 wird Ostfries­land zu einer Reichsgrafschaft erhoben. Im ausgehenden 20. Jh. sprechen noch rund 300000 Menschen in Deutschland und den Niederlanden die friesische Sprache.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Köbler, Historisches Lexikon; Heck, F., Die altfriesische Gerichtsverfassung, 1894; Jaekel, H., Abba, Âsega und Redjêva, ZRG GA 27 (1906), 114; Jaekel, H., Êtheling, Frîmon, Frîling und Szêremon, ZRG GA 27 (1906), 275; His, R., Friesisches, ZRG GA 28 (1907), 439; Jaekel, H., Die münzmetrologischen Anhaltspunkte für die Erkenntnis der altfriesischen Ständeverfassung, ZRG GA 30 (1909), 49; Jaekel, H., Chumas und twalepti, ZRG GA 30 (1909), 251; Mayer, E., Friesische Ständeverhältnisse, FS Hugo von Burkard, 1910; Die Friesen, hg. v. Borchling, C. u. a., 1931; Siebs, B., Grundlagen und Aufbau der altfriesischen Verfassung, 1933; Gosses, J., De friesche hoofdeling, 1933; Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Schmidt, H., Politische Geschichte Ostfrieslands, 1975; Handbuch des Friesischen, hg. v. Munske, H., 2001; Die friesische Freiheit des Mittelalters, hg. v. Lengen, H. van, 2003; Van der Velden, B., Waar gaan wij heen met het Fries?, 2004; http://www.koeblergerhard.de/a­frieswbhinw.html; Bremmer, R./Vries, O./Laker, S., Advances in Old Frisian Philology, 2007; Hofmann, D. u. a., Altfriesisches Handwörterbuch, 2008.

Friesisches Recht ist das Recht der Friesen. Es begegnet zuerst in der → Lex Frisionum (um 802). Vielleicht seit dem 11. Jh. entwickeln die Friesen 17 Küren, 24 Landrechte, 7 Überküren und die Wundtaxen, die in 16 nach 1276 einsetzenden Handschriften und einem Druck von 1485 (?) teils amtlich, teils nichtamtlich in meist friesischer Sprache für das gemein­friesische Gebiet aufgezeichnet werden. Da­neben stehen für einzelne Landschaften etwa die Westerlauwerschen Schulzenrechte (West­friesland 12. Jh.), die Hunsigoer Küren (Hunsigo, nördlich von Groningen, 1252), das Rüstringer Recht (Rüstringen, westlich der Wesermündung 12./13. Jh.), das Brokmer Recht (Brokmerbrief, um Aurich 1300-1345), das Emsiger Pfennigschuldbuch (1300) und verschiedene Beliebungen (→ Siebenhar­denbeliebung 1426) (altostfriesisch Rüstringer Recht, Brokmer Recht, Emsinger Recht). In der ersten Hälfte des 13. Jh.s verfasst ein Geistlicher ein auf Rudolf von Schwaben bezogenes Rechtsbuch (Rudolfsbuch). Im 14. und 15. Jh. entstehen unter Einfluss der gelehrten Rechte Processus iudicii, Jurisprudentia Frisica und die Excerpta Legum. Ergänzt werden die allgemeinen Bestimmungen durch rund 1300 Urkunden der Jahre 1329 bis 1573. Seit dem 16. Jahrhundert wird das friesische Recht allmählich zurückgedrängt und 1744/1794 durch Preußen in Ostfriesland beseitigt.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Telting, A., Het oud-friesche Stadrecht, 1882; De friesche Stadrechten, hg. v. Telting, A., 1883; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 20 (1899), 39; His, R., Das Strafrecht der Friesen im Mittelalter, 1901; Jaekel, H., Hêmêthoga, Liudamon, Ked, Koninges-orkene und Tolevabôth, ZRG GA 28 (1907), 164; Jaekel, H., Foged, Skelta, Frâna und Bon, ZRG GA 28 (1907), 205; Die niederdeutschen Rechtsquellen Ostfrieslands, hg. v. Borchling, C., Bd. 1 1908; Steller, W., Das altwestfriesische Schulzenrecht, 1926; His, R., Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Trägert, H., Familienerbe in Friesland, 1937; Oosten, M. van, De ambtshalve vervolging naar oudfriesch recht, 1938; Fairbanks, S., The old west Frisian skeltana riucht, 1939; Oudfriese Taal- en Rechtsbronnen, hg. v. Sipma, P. u. a., Bd. 1ff. 1943ff.; Krogmann, W., Zu den Emsgauer Bußen, ZRG GA 69 (1952), 345; Krogmann, W., Eine lateinische Vorstufe ostfriesischer Bußregister, ZRG GA 75 (1958), 352; Gerbenzon, P., Excerpta Legum, 1956; Snitser Recesboken 1490-1517, hg. v. Osterhout, M., 1960; Ebel, W., Das Ende des friesischen Rechts in Ostfriesland, 1961; Das Rüstringer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1963; Das Brokmer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1965; Ostfriesische Bauerrechte, hg. v. Ebel, Wilhelm 1964; Krogmann, W., Volksetymologische Umdeutungen einer friesischen Bußtaxe, ZRG GA 82 (1965), 298; Krogmann, W., Die friesische Sage von der Findung des Rechts, ZRG GA 84 (1967), 72; Krogmann, W., Die friesische Vorstufe des „Vetus Ius Frisicum“ (17 Küren, 24 Landrechte, allgemeine Bußtaxen), ZRG GA 89 (1972), 33, 90 (1973) 31; Meijering, H., De Willekeuren van de Opstallsbom (1323), 1974; Westerlauwerssches Recht 1 Jus municipale Frisonum, hg. v. Buma, W. u. a., 1977; Köbler, G., Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen früher friesischer Quellen, 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de Studie van oudfries Recht, 1981; Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch, 1983; Codex Aysma, hg. und übersetzt v. Buma, W. u. a., 1993; Lokin, J. u. a., Het Rooms-Friese recht, 1999; Algra, N., Oudfries recht 800-1256, 2000; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th Century, 2003; http://www.koebler­gerhard.de/afrieswbhinw.html; Hempenius-van Dijk, B., Hof van Friesland, 2004; Nijdam, H., Lichaam, eer en recht in middeleeuws Friesland, 2008

Friesland ist das Siedlungsgebiet der Friesen an der Nordsee.

Lit.: Iterson, W. van, Feudalisierungsversuche im westerlauwerschen Friesland, ZRG GA 97 (1962), 72; Agena, G., Eine Studie über die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Verhältnisse des Norderlandes, 1962; Le Bailly, M., Hof van Holland, Zeeland en West-Friesland, 2008

Frist ist der bestimmte oder bestimmbare Zeitraum. Die F. spielt in jeder Gesellschaft, in der die Zeit berechnet werden kann, eine Rolle. Für die Germanen wird in diesem Zusammenhang davon berichtet, dass sie nach Nächten zählen und den Zeitpunkt der Versammlung nach Vollmond und Neumond bestimmen. Mit der Verrechtlichung aller Lebensverhältnisse gewinnt die genaue Be­stimmung von Fristen (z. B. für Leistungen, Prozesshandlungen, Verjährung usw.) ein immer größeres Gewicht.

Lit.: Köbler, DRG 235; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 505; Ziegeltrum, A., Grundfälle zur Berechnung von Fristen, JuS 1986, 705; Schmitz, M., Die Fristberechnung nach römischem Recht, 2002

Fristenlösung → Abtreibung

Fritzlar

Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar, hg. v. Demandt, K., 1939; Fritzlar im Mittelalter, 1974

Fron ist (als Ableitung zu ahd. fro [M.] Herr) im mittelalterlichen deutschen Recht der (Dienst in) Bezug auf einen Herren. → Fronbote, Frondienst, Fronhof

Fronbote ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Gehilfe eines Richters für tat­sächliche Aufgaben (Botendienste, Wach­dienste, Vollstreckungen). Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) steht er nach Wahl durch den Richter auf Lebenszeit im Dienst des Königs und ist durch doppelte Buße geschützt. Ihm entsprechen andernorts Büttel, Scherge oder Weibel.

Lit.: Eggert, C., Der Fronbote im Mittelalter, 1897; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991

Frondienst ist im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem der einem Grundherrn oder Gerichtsherrn zu erbringende Dienst (z. B. Pflügen, Säen, Eggen, Ernten, Mahlen, Backen, Brauen, Spinnen, Weben, Fahren, Reiten, Bauen usw.). Der sog. gemessene F. umfasst selten mehr als die Hälfte der jährlichen Arbeitszeit. Seit dem Frühmittelalter geht der tatsächlich geleistete F. zurück und wird bis zur Mitte des 19. Jh.s durch die Bauernbefreiung beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Siebeck, O., Der Frondienst als Arbeitssystem, 1904; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939, 46ff.; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962, 93ff., 126ff.; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft, 1978, 124; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 3. A. 1987, 25ff.

Fronhof ist der Haupthof des Grundherrn in der mittelalterlichen → Grundherrschaft. Er wird vom Grundherrn selbst oder durch Verwalter bewirtschaftet. Zu ihm gehört das umgebende Salland (Herrenland). Seit dem Hochmittelalter verliert der F. mit dem Übergang zur → Rentengrundherrschaft ei­nerseits und zur → Gutsherrschaft anderer­seits seine Bedeutung und verschwindet mit der Beseitigung der Grundherrschaft im 19. Jh. gänzlich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 77, 96; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953

Fronung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die öffentliche → Beschlagnahme von Gegenständen im Zuge der Zwangsvoll­streckung (zugunsten des Königs). In der (lat. [F.]) Capitulatio de partibus Saxoniae (782/5) wird die F. angeordnet, falls ein Verurteilter ein Urteilserfüllungsgelöbnis mangels eines Bürgen nicht ablegen kann, in einem weiteren Kapitular (803), falls der Beklagte auf vier­malige Ladung nicht vor Gericht erscheint. Im Hochmittelalter ist die F. nur in Ostfalen (Sachsenspiegel, Stadt­rechte) ge­bräuchlich. Im 16. Jh. ist sie allgemein geschwunden.

Lit.: Planitz, H., Die Fronung, ZRG GA 78 (1961), 39ff.

Frostathingslög ist das in 16 Teile ge­glie­derte Rechtsbuch des um den Drontheimfjord gelegenen norwegischen Gebiets, dessen erhaltener Text durch eine zwischen 1260 und 1269 entstandene, 1728 verbrannte Handschrift überliefert ist (Frostothingsbok). Der F. geht die → Gragas voraus. Ihrerseits ist sie Vorbild für → Jarnsida und für das Reichsrecht König Magnus Hakonarsons (1274).

Lit.: Meissner, R., Germanenrechte, 1939; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977

Frucht (lat. [M.] fructus) ist das Erzeugnis (z. B. Kalb) einer Sache (z. B. Kuh) und die sonstige ihrer Bestimmung gemäß aus ihr gewonnene Ausbeute (z. B. Sand) sowie der seiner Bestimmung gemäß aus einem Recht gewonnene Ertrag (z. B. Dividende). Im klassisch-römischen Recht wird die F., zu der nicht das folglich dem Eigentümer der Mutter gehörende Kind der Sklavin und auch nicht der Zins für ein Kapital zählen, (erst) mit der Trennung von der Muttersache rechtlich selbständig. Sie wird Eigentum des Eigen­tümers der Muttersache, sofern diesem nicht ein anderer Berechtigter (z. B. Erbpächter) vorgeht. Im mittelalterlichen deutschen Recht fällt die natürliche F. grundsätzlich dem zu, der die zu ihrer Ge­winnung erforderlichen Aufwendungen erbracht hat (Wer sät, der mäht, Produktionsprinzip). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter dringen die romanistischen Regeln ein.

Lit.: Kaser § 18 III; Hübner 463; Köbler, DRG 39; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 55

fructus (lat. [M.]) → Frucht

Frühkapitalismus ist die Anfangsstufe des → Kapitalismus am Beginn der frühen Neuzeit (z. B. Fugger, Welser).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 134; Baltl/Kocher 109, 145; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Sombart, W., Der moderne Kapitalismus, Bd. 2 1916; Trusen, H., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961

Frühkonstitutionalismus ist die eine Verfassung (Konstitution) erstrebende politische Bewegung des beginnenden 19. Jh.s (nach französischem Vorbild Bayern 1818, Baden 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Brandt, H., Der deutsche Frühkonstitutionalismus, (in) Hessen, 1997, 39

Frühmittelalter ist der etwa zwischen dem Untergang des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) und dem (Aussterben der ostfränkischen Karolinger [911] bzw. dem) → Investiturstreit (1076) liegende Abschnitt des Mittelalters.

Lit.: Köbler, DRG 75; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Buc, P., The Dangers of Ritual, 2001; The Early Middle Ages, hg. v. McKitterick, R., 2001; Grant, M., Die Welt des frühen Mittelalters, 2003; Goetz, H., Europa im frühen Mittelalter, 2003; Wickham, C., Framing the Early Middle Ages, 2005

Frühneuhochdeutsch ist die zwischen 1350 (Mittelhochdeutsch) und 1650 (Neuhoch­deutsch) gesprochene, frühe Stufe der neuhochdeutschen Sprache (zeitliche Abgren­zung zum Mittelhochdeutschen streitig).

Lit.: Götze, A., Frühneuhochdeutsches Glossar, 7. A. 1967; Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Anderson, R. u. a., Bd. 1ff. 1986ff.; Baufeld, C., Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch, 1996

Frührezeption (des römischen Rechts) ist der erste zeitliche Abschnitt der Aufnahme (→ Rezeption) des römischen Rechts in mittelalterliche Rechtsordnungen. Angesichts der Übernahme römischrechtlicher Vorstel­lungen bereits in frühmittelalterliche Volksrechte lässt sich von F. schon für das Frühmittelalter sprechen. In einem engeren Sinn schließt F. aber erst an die Wiederaufnahme der Beschäftigung mit dem justinianischen Rechtstexten seit dem ausgehenden 11. Jh. an.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hageneder, O., Zur Frührezeption des römisch-kanonischen Prozess­verfahrens im Lande ob der Enns, FS K. Pivec, 1966, 131; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337

Frühsozialismus ist der erste zeitliche Abschnitt des Sozialismus. Er lässt sich in seinem Beginn in die Mitte des 16. Jh.s setzen. Er endet um 1848. Seine Zielsetzungen sind zumindest anfangs noch sehr allgemein und unterschiedlich.

Lit.: Der Frühsozialismus, hg. v. Ramm, T., 2. A. 1968; Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995

Fuero (zu lat. [N.] forum, Markt, Gericht) bzw. foro oder fur ist in → Spanien (bzw. Portugal) das teilweise bis in das 20. Jh. geltende landschaftliche Recht des Hochmittelalters (im engeren Sinn das aufgezeichnete Stadtrecht). Besonders in Aragón und Valencia steht der besondere F. im Gegensatz zum allgemeinen Recht. Der Name F. erwächst erst allmählich. Die ersten überlieferten Fueros sind nicht umfangreich. Von besonderer Bedeutung ist die Bewahrung von aus dem westgotischen Volksrecht (→ Lex Visigothorum) rührendem germa­nistischem Rechtsgut. Unterscheiden lassen sich vor allem Privilegien, Urkunden über Abgaben und Stadtrechte.

Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragons und ihre Verbreitung, FS E. Heymann, 1940, 108; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der sog. Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 681; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la Espana cristiana, 2000

Fuero de Aragón ist die Sammlung von Gesetzen oder Verordnungen, die besonders Aragón betreffen. Den Auftrag hierzu erteilt König Jakob I. an den Bischof von Huesca und ehemaligen Bologneser Scholasten Vidal de Canellas. Von dessen zwei Kompilationen billigen die Cortes von Huesca 1247 die kleinere, weniger romanistische. 1283 wird sie in das vom Adel König Peter III. abgerungene (span.) Privilegio general (allgemeine Privileg) aufgenommen. Im 14. und frühen 15. Jh. wird sie um je ein Buch der vier in dieser Zeit herrschenden Könige erweitert.

Lit.: Tilander, G., Los fueros de Aragón, 1937; Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragóns, FS E. Heymann, 1940, 108; Wohlhaupter, E., Das Privatrecht der fueros de Aragón, TRG GA 62 (1942), 89, 63 (1943), 214, 64 (1944), 173; Lalinde Abadía, J., Los Fueros de Aragón, 1976

Fuero de Burgos ist ein die Hauptstadt der Grafschaft → Kastilien betreffender Text des spanischen Rechts.

Lit.: Martínez Díez, G., Fueros en el territorio de la provincia de Burgos, 1982

Fuero de Castiella ist das älteste Rechtsbuch Kastiliens, in dem durch einen unbekannten Verfasser in Burgos nicht lange nach 1248 das kastilische Recht des 13. Jahrhunderts aufgezeichnet wird.

Lit.: Libro de los Fueros de Castiella, hg. v. Sanchesz, S., 1924

Fuero de Cuenca ist der ziemlich ausführliche, in 43 Kapitel gegliederte Fuero des spanischen Rechts im Königreich Leon und Navarra, den König Alfons VIII. (1189/1190 bzw. zwischen November 1189 und März 1193 oder in der ersten Hälfte des 13. Jh.s) der 1177 zurückeroberten Stadt Cuenca gewährt.

Lit.: The Code of Cuenca, übers. v. Powers, J., 2000

Fuero de Francos ist der 1095 von König Alfons VI. von Kastilien dem Dorf Logroño bei der Erhebung zur Stadt verliehene Fuero des spanischen Rechts, der später auch anderen Städten gewährt wird (Miranda 1099, Toledo).

Fuero de Jaca ist das 1063 von Sancho Ramírez bei der Erhebung des Ortes von einer villa zu einer Stadt verliehene Recht von → Jaca.

Lit.: Ramos y Loscertales, J., Fuero de Jaca, 1927; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964

Fuero de la Novenera ist die Sammlung des aragonesisch-navarrischen Gewohnheits­rechts, in die auch bäuerliches Gewohnheitsrecht Eingang findet.

Fuero de León ist ein von 1017(-1020) stammender, sich selbst als (lat. [N.]) Decretum bezeichnender Text des spanischen Rechts aus dem Königreich → Leon. Er geht auf Alfons V. zurück. Seine ersten 20 Artikel betreffen das ganze Land, die übrigen 28 nur einzelne Orte.

Lit.: García-Gallo, A., El fuero de Léon, AHDE 39 (1969), 5

Fuero del trabajo ist das 1938 erlassene, 1967 abgeänderte Arbeitsgesetzbuch → Spaniens.

Fuero de Madrid ist das Recht von → Madrid.

Lit.: Sánchez, G., El Fuero de Madrid, (in) El Fuero de Madrid, 2. A. 1963

Fuero de Sepulveda ist der in einem Privileg König Alfons VI. von Kastilien (1072-1109) enthaltene Fuero des spanischen Rechts der südlichen Grenzgebiete des Königreichs Kastilien, den die Könige Alfons I. und Alfons II. von Aragón auch in Teilen Aragoniens einführen.

Fuero de Soria ist das Recht von Soria in Kastilien.

Lit.: Sánchez, G., Historia del Fuero de Soria, (in) Fueros castellanos de Soria de Léon y Castilla, 1919, 227

Fuero de Teruel ist der ausführliche Fuero des spanischen Rechts der 1171 von Alfons II. von Aragón zurückeroberten Stadt Teruel.

Fuero de Toledo ist der die städtischen Privilegien Toledos zusammenfassende Fuero des spanischen Rechts, die allen Bewohnern gemeinsam sind. Er folgt dem nach der Eroberung 1085 gewährten Fuero de Juzgo (der [westgotischen] Mozaraber) bzw. Fuero der Kastilier bzw. Fuero de Francos nach.

Lit.: García-Gallo, G., Los Fueros de Toledo, AHDE 45 (1975), 341

Fuero de Zaragoza ist der Fuero des spanischen Rechts, der die Interessen der sog. Infanzones (ritterlichen Adligen) stärker berücksichtigt als die der Bürger.

fuero ecclesiastico (span.) kirchliche Gerichts­barkeit in Spanien

Fuero general ist die umfassende private Sammlung des spanischen Gewohnheitsrechts des Adels und seiner Bauern in Aragón und Navarra aus dem 13. Jh.

Fuero Juzgo ist die in verschiedenen Fassungen in das Kastilische übertragene (lat.) → Lex (F.) Visigothorum, die auch nach der Zerstörung des Westgotenreiches in Spanien durch die Araber für die unterworfenen Westgoten (Mozaraber) gilt. Der F. J. ist auch das von der königlichen Rechtsprechung des vereinigten Königreiches von Leon und Navarra in Leon - nicht in Kastilien - angewendete Recht. Nach 1240 verleiht König Ferdinand III. den zwölfteiligen F. J. an eroberte Städte in Andalusien und Levante (Córdoba, Sevilla, Jaén, Murcia, Alicante, Jerez). 1263 wird der F. J. von König Alfons X. in den → Fuero real (bzw. den Libro de las Leyes) modernisiert.

fuero militar (span.) Militärgerichtsbarkeit in Spanien

fuero municipal (span.) Stadtrecht in Spanien

Fuero real (bzw. Libro de las Leyes) ist der 1255 oder 1263 von König Alfons X. dem Weisen von Leon und Navarra aus dem → Fuero Juzgo modernisierte → Fuero des spanischen Rechts. Er passt den aus der frühmittelalterlichen (lat.) Lex (F.) Visigothorum entwickelten Fuero Juzgo den hochmittelalterlichen Bedürfnissen an und nimmt verschiedene römischrechtliche und kirchenrechtliche Sätze auf. Er ist in vier Bücher gegliedert (Verfassung, Verfahren, Familie, Erbe und Schulden sowie Strafe). Er wird bestimmten Städten in Leon und Kastilien (Valladolid 1255, Madrid 1262) sowie Burgos und Soria verliehen, doch muss der König 1272 die Fortgeltung der alten städtischen Fueros anerkennen. Von ihnen werden viele bis 1340 neu aufgezeichnet.

Lit.: Martínez Díez, G., Leyes de Alfonso X.: Fuero Real, 1988

Fuero viejo de Castilla ist die umfassende private Zusammenstellung des kastilischen Gewohnheitsrechts. Eine um 1248 entstandene Fassung ist unsystematisch. Der F. v. d. C. erhält seine endgültige systematische und in fünf Bücher gegliederte Gestalt um 1356. Seine wichtigste Quelle ist der Libro de los Fueros.

Lit.: García González, F., El fuero viejo assistemático, AHDE 41 (1971), 767

Fugger ist der Angehörige einer 1367 in Augsburg als Weber genannten Familie, die in der Linie von der Lilie durch die Fuggersche Handelsgesellschaft, das Kupfermonopol und den Ablasshandel Weltgeltung erreicht. Als Bankiers der Päpste und der Habsburger erlangen sie 1504 den Adel und 1511 den Grafenrang und finanzieren die Wahl Karls V. zum Kaiser des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation). Sie bilden ein anschau­liches Beispiel des → Frühkapitalismus.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pölnitz, G. Frhr. v., Jakob Fugger, Bd. 1f. 1949ff.; Pölnitz, G. Frhr. v., Fugger und Hanse, 1953; Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Pölnitz, G. Frhr. v., Die Fugger, 6. A. 1999; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Nebinger, G./Rieber, A., Genealogie des Hauses Fugger, 1978; Tietz-Strödel, M., Die Fuggerei, 1982; Mandrou, R., Die Fugger, 1997; Häberlein, M., Die Fugger, 2006

Führer ist (der von Adolf → Hitler im Nationalsozialismus beanspruchte) anfüh­ren­de Rang innerhalb einer Gemeinschaft. Der F. (Adolf Hitler) steht außerhalb der Verfassung. Er vereinigt nacheinander unterschiedliche Verfassungsstellungen in sich (Reichskanzler, Reichsprä­sident). Sein Wille wird als Gesetz angesehen. Nach dem Prinzip des Führers wird das → Dritte Reich organisiert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222, 226, 229; Das deutsche Führerlexikon, 1934; Fauser, M., Das Gesetz im Führerstaat, Arch. f. öff. Recht 1965, 129; Majer, D., Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987; „Führer – Erlasse – 1939-1945“, hg. v. Moll, M., 1997

Führerschein ist die Urkunde über die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Führerscheine werden kurz nach Erfindung der Kraftfahrzeuge (1876 N. A. Otto stationärer Viertaktverbrennungsmo­tor, 1885 C. F. Benz verkehrsfähiges Kraftfahr­zeug, 1886 G. Daimler) eingeführt. Die vorläufigen und regional unterschied­lichen Berechtigungen löst 1910 auf Grund des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (3. 5. 1909) der F. in Preußen ab (1910 in Deutschland 36077 Führerscheine, 1924 121431 neue Führerscheine, 1957 rund 1081000, 1991 2122706). Seit 1. 1. 1999 ist der F. in der Europäischen Union vereinheitlicht.

Führungsschicht ist die politische oder geistig führende Gruppe von Menschen einer bestimmten Gesellschaft. Im Mittelalter stellt der Adel die F. In der Aufklärung tritt der Bürger hinzu. In der Gegenwart wird die allgemeine Meinung in erheblichem Maß durch die Medien Zeitung und Fernsehen bestimmt, deren Träger die Führung mitgestalten.

Lit.: Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen 1804-1918, 1955; Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit, hg. v. Hofmann, H. u. a., 1980; Wildenmann, R. u. a., Führungsschicht in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, 1982; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989

Führungszeugnis

Lit.: Burchardi, K., Strafregister und polizeiliches Führungszeugnis, 2. A. 1944

Fulgosius, Raphael ist der in Piacenza 1367 geborene, in Bologna und Pavia ausgebildete, ab 1388 in Pavia, Siena und Padua lehrende, am 12. 9. 1427 verstorbene Jurist (commentarium in Digestum vetus, commentarium zum Codex, Gutachten).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 802

Fulda ist die am 12. 3. 744 von dem Schüler Sturmi des Bonifatius in Hessen gegründete, 765 reichsunmittelbar (Reichsabtei) werdende Abtei mit sehr großer Grundherrschaft und bedeutender Schriftkultur. Die dort 1723/1734 gegründete Universität wird nach der Säkularisation (1802) aufgehoben.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch des Klosters Fulda, Bd. 1 1913; Werner-Hasselbach, T., Die älteren Güterverzeichnisse der Reichsabtei Fulda, 1942; Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Lübeck, K., Die Fuldaer Bürgeraufstände, ZRG GA 68 (1951), 410; Mauersberg, H., Die Wirtschaft und Gesellschaft Fuldas, 1969; Jäger, B., Das geistliche Fürstentum Fulda in der frühen Neuzeit, 1986; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002

Fund ist das Entdecken und Ansichnehmen einer verlorenen (besitzlosen) beweglichen Sache eines anderen. Der Finder muss den F. kundtun. Der Eigentümer muss dem Finder nach einzelnen mittelalterlichen Rechtsquel­len einen Lohn zahlen. Meldet sich der Eigentümer innerhalb einer Frist (nach Aufgebot) nicht, so fällt die Sache teils an den Finder, teils an den König, Kirche, Gemeinde oder Grundherrn, seit der Neuzeit an den Finder.

Lit.: Hübner 457; Hübner, J., Der Fund, 1914

Fur (lat. [M.]) ist im römischen Recht der → Dieb. Der auf frischer Tat ertappte freie Dieb (lat. [M.] f. manifestus) darf im altrömischen Recht getötet werden und wird später als Sklave zugesprochen, der unfreie f. manifestus darf vom tarpeischen Felsen gestürzt werden. Jeder andere f. hat das Doppelte des Wertes zu leisten und wird infam.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 51 I

Furiosus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der → Geisteskranke, der ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig ist und einen (lat. [M.]) curator (Pfleger) hat.

Lit.: Kaser § 14 IV; Boari, M., Qui venit contra iura. Il furiosus, 1983

Fürkauf ist im 13. bis 16. Jh. der Vorkauf (zwecks künstlicher Verknappung und Verteuerung).

Lit.: Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983

Furs de Valencia sind die nach 1240 abgefassten → Fueros (Gesetze bzw. Verordnungen) des Königreichs von Valencia des spanischen Rechts, die in einer 1330 entstandenen, völlig romanisierten Fassung Alfons’ IV. bekannt sind. 1482 wird eine erweiterte, chronologisch geordnete Sammlung von Gabriel de Riucech unter dem Titel Furs e ordinacions de València ver­öffentlicht, 1707 wird der F. d. V. von König Philipp V. abgeschafft. 1708 werden die Fueros alfonsinos in Valencia für weitergeltend erklärt.

Lit.: Barrero, A., El Derecho romano en los Furs de Valencia de Jaime I, AHDE 41 (1971), 639

fur (M.) manifestus (lat.) → handhafter → Dieb, → Diebstahl

Fur semper in mora (lat.). Der Dieb ist immer in Verzug.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Tryphonius um 160-um 220, Digesten 13, 1, 20)

Fürsorge ist insbesondere die Unterstützung einzelner aus allgemeinen Mitteln in Notlagen. F. tätigt anfangs die Familie, dann die Kirche und die Grundherrschaft, seit der frühen Neu­zeit auch der Wohlfahrtsstaat. In Preußen wird hierfür das Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege vom 31. 12. 1842 (Unterstützungswohnsitz) erlassen, im Deutschen Reich das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. 6. 1870 (preußisches Ausführungsgesetz vom 8. 3. 1871) und die Verordnung über die Fürsor­gepflicht vom 13. 2. 1924, ergänzt durch die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. 12. 1924 (kein Rechtsanspruch, Träger Ortsar­menverbände bzw. Gemeinden, in Städten 5,6-8 % Unterstützungsempfänger, auf dem Land 0,5-0,8 %). In Deutschland wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus der F. die → Sozialhilfe.

Lit.: Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften, 1906; Dilger, A., Die Grundlagen des Fürsorgerechts, Diss. jur. Tübingen 1945 masch.schr.; Jutte, R., Obrigkeitliche Armenfürsorge, 1984; Hauser, S., Geschichte der Fürsorgegesetzgebung in Bayern, Diss. jur. München 1986; Peukert, D., Grenzen der Sozialdisziplinierung, 1986; Armengesetzgebung und Freizügigkeit (1867-1881), hg. v. Sachße, C. u. a., 2000; Willing, M., Das Bewahrungsgesetz (1918-1967), 2003; Marx-Jaskulski, K., Armut und Fürsorge auf dem Land, 2008

Fürsprech, Fürsprecher, Vorsprecher, ist im hoch- und spätmittelalterlichen deutschen Recht der Vertreter eines Menschen im Wort vor Gericht. Er wird entwickelt, um die Gefahr zu vermeiden, durch einen bloßen Fehler im Wort (z. B. Husten, Räuspern, Versprechen) einen Rechtsstreit zu verlieren. Seine Rede kann die im Wort vertretene Partei billigen oder verwerfen und selbst richtig ausführen. Der F. ist erst im 12. Jh. in deutschen, französischen und englischen Quellen sicher belegt und könnte eine Antwort auf das Vordringen gelehrter Genauigkeit in das Verfahren sein. Ein Zwang, einen F. zu nehmen, erscheint erst im 15. Jh. Im Übrigen bittet die Partei den Richter um einen F. Wirkung hat sein Vortrag nur nach Billigung durch die Partei. Seit dem 15. Jh. wird der F. zum frei handelnden Beistand, seit dem 16. Jh. verschmilzt er mit dem Anwalt zum Vertreter in der Sache. In der Schweiz ist der Fürsprecher der Rechtsanwalt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 42 1853; Laß, L., Die Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte und Kapitularien, 1891; Bauhofer, A., Fürsprechertum und Advokatur im Kanton Zürich, Zürcher Taschenbuch 1926; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Schudel, H., Fürsprecher und Anwälte im schaffhauserischen Recht, Diss. jur. Zürich 1940; Müller, L., Die Freiheit der Advokatur, 1972

Fürsprecher → Fürsprech

Fürst ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der Adlige, dessen Stellung ursprünglich durch die unmittelbare Belehnung durch den König gekennzeichnet ist. Er ist also Erster oder bei mehreren Ersten einer von diesen. Dazu zählen im Frühmittelalter die Großen des Reiches und des Königs (Herzöge, Grafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte). Kenn­zeichen sind Teilhabe am Reich und Herrschaft über einen Teil (z. B. eine Grafschaft), doch ist die Abgrenzung nach unten nicht eindeutig. Das wichtigste Recht der Fürsten ist die Wahl des Königs, die sich aber bald auf die → Kurfürsten beschränkt. Etwa gleichzeitig wird die Stellung als Reichsfürst genauer festgelegt auf die meisten Herzöge, einen Teil der Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen und einzelne Grafen (herzogsgleiche Landes­herrschaft und reichsunmittelbares Lehen) sowie die geistlichen Reichsfürsten (Erz­bischöfe, viele Bischöfe, viele Äbte und Äbtissinnen, einzelne Pröpste). 1184/88 wird der Graf von Hennegau als erster förmlich zum Reichsfürsten erhoben. Demgegenüber wird in Frankreich die Zahl der Fürsten verringert und in England auf den Prinzen von Wales beschränkt. Als Landesherr gerät der F. im Laufe der Zeit in einen Interessen­gegensatz zum König. Seit 14. 8. 1919 darf der Titel F. in Deutschland nicht mehr verliehen werden und gilt der überkommene Titel F. als Teil des Namens.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 111, 130, 149, 154, 167, 195; Köbler, WAS; Seckendorff, V. v., Teutscher Fürstenstaat, 1656, Neudruck 1976; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern, 1851; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, SB. d. sächs. Ges. d. Wiss. 58, 1906; Schulte, A., Fürstentum und Einheitsstaat in der deutschen Geschichte, 1921; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kraemer, H., Der deutsche Kleinstaat des 17. Jahrhunderts im Spiegel von Seckendorffs Fürstenstaat, 1922, Neudruck 1974; Schroeder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kienast, W., Die deutschen Fürsten im Dienste der Westmächte, Bd. 1f. 1924ff.; Mayer, T., Fürsten und Staat, 1950; Petersohn, J., Fürstenmacht und Ständetum in Preußen, 1963; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/56, 1983; Klein, T., Die Erhebungen in den deutschen Fürstenstand 1550-1806, Bll. f. dt. LG. 122 (1986), 137; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Der Fürst, hg. v. Weber, W., 1998; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001; Gottwald, D., Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009

Fürstenberg

Lit.: Barth, F., Die Verwaltungsorganisation der gräflich fürstenbergischen Territorien, Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 16 (1926), 48; Link, R., Verwaltung und Rechtspflege im Fürstentum Fürstenberg, 1944; Bieberstein-Krasicki, D. Graf v., Das Prozessrecht der Gerichts- und Landesordnungen der fürstenbergischen Territorien, 1948; Bader, K./Platen, A. v., Das große Palatinat des Hauses Fürstenberg, 1954; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986

Fürstenberg

Fürstenbergische Geschichte, Bd. 1ff. bearb. v. Klocke, F. v. 1971; Die Tagebücher Kaspars von Fürstenberg, hg. v. Bruns, A., 1985, 2. A. 1987

Fürstenspiegel ist die literarische Darstellung der Pflichten eines Fürsten. Die älteren Quellen des Fürstenspiegels sind hauptsächlich Xenophons (430-354 v. Chr.) Beschreibung der Erziehung des Kuros, die aus Plutarch (46-125) erstellte (lat.) Institutio (F.) Traiani, die Selbstbetrachtungen Marc Aurels (121-180) und Augustinus’ Bild vom glücklichen Herrscher im Gottesstaat (413-426). Zunächst christlich, später humanistisch betont bauen auf ihnen F. vom 9. Jh. bis in die Neuzeit (Fürstenlehre) auf (z. B. Jonas von Orléans, Sedulius Scotus, Hinkmar von Reims, Gottfried und Johannes von Viterbo, Johann von Salisbury, Polycratius, 1195, Gilbert von Tournais, Vincenz von Beauvais, Thomas von Aquin, De regimine principum, 1265/1266, Fortescue J., De laudibus legum Angliae, um 1470, Machiavelli, N., Il principe, 1532, Fénelon, Les aventures de Télémaque, 1699).

Lit.: Kleineke, W., Englische Fürstenspiegel, 1937; Berges, W., Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, 1938; Anton, H., Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit, 1968; Singer, B., Die Fürstenspiegel, 1981; Politische Tugendlehre und Regierungskunst, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1990; Fürstenspiegel der frühen Neuzeit, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1996; Graßnick, U., Ratgeber des Königs, 2004; Ahl, I., Humanistische Politik zwischen Reformation und Gegenreformation, 2004; Fürstenspiegel des frühen und hohen Mittelalters, hg. v. Anton, H., 2006

Fürstentum ist das Herrschaftsgebiet und die Stellung eines → Fürsten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schotte, W., Fürstentum und Stände in der Mark Brandenburg, 1911; Dunkhase, H., Das Fürstentum Krautheim, 1968; Werner, K., Die Entstehung des Fürstentums, Bd. 1f. 1970; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Geistliche Staaten in Oberdeutschland, hg. v. Wüst, W., 2002

Fürstprimas ist der in der Rheinbundakte von 1806 für den bisherigen Reichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg vergebene geistlich-weltliche Titel. Das Fürstentum des F. (Regensburg mit Aschaffenburg und Wetzlar) wird durch Napoleon (1808) in ein weltliches Großherzogtum umgewandelt, das 1813 endet.

Lit.: Färber, K., Der Übergang des dalbergischen Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern, 1985

Fürth

Lit.: Hofmann, M., Die mittelalterliche Entwicklung der Gerichtsverhältnisse im alten Amt Fürth, 1932; Mauersberg, H., Wirtschaft und Gesellschaft Fürths, 1974; Windsheimer, B., Geschichte der Stadt Fürth, 2007

Furtum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Sachentziehung bzw. der Diebstahl ([lat.] contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia, tückische Ergreifung einer Sache zwecks Gewinnerzielung). → fur

Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48; Köbler, LAW

Fusionsvertrag ist der eine Fusion an­strebende de oder bewirkende Vertrag (z. B. 8. 4. 1965 Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen  Gemein­schaften mit Wirkung vom 1. 7. 1967).

Fuß als der unterste Teil des stehenden menschlichen Körpers wird bis in die Gegenwart als Maßeinheit verwendet (z. B. engl. foot).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 141, 196, 213

Füssen

Lit.: Das Füssener Bürgerbuch, hg. v. Weitnauer, S., 1940; Das Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, R., 1940; Rump, H., Füssen, 1977

Futhark ist die der herkömmlichen Zeichenfolge (f, u, th, a, r, k usw.) ent­sprechende Benennung der germanischen Runenschrift.

Lit.: Krause, W., Die Runeninschriften im älteren Futhark, 1966

 

 

G

 

Gabe ist der Vorgang und der Gegenstand der Übergabe einer Sache oder eines Menschen an einen Menschen. Nach einem jüngeren Rechtssprichwort soll in der älteren Zeit gegolten haben: G. schielt nach Entgelt. Demgegenüber kennt das römische Recht die unentgeltliche G. (→ Schenkung).

Lit.: Kaser; Hübner 575; Köbler, DRG 74; Heusler, A., Institutionen, Bd. 2 1885f., 370ff.; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35

Gabella (F.) emigrationis (lat.) ist die im 11./12. Jh. erscheinende, vor allem in der frühen Neuzeit verbreitete Auswan­derungsabgabe (Abfahrtsgeld, vgl. ALR II 17 §§ 141ff.) in Höhe von rund 10% des inländischen Vermögens.

Gabella (F.) hereditaria (lat.) ist im Mittelalter die Erbschaftsabgabe beim Erbfall Fremder an König, Landesherrn oder Stadt. Ein Gesetz Kaiser Friedrichs II. von 1220 hebt sie auf, wird aber nicht beachtet.

Lit.: Meynal, E., Études sur la gabelle, TRG 3 (1922), 119

gafol (ae.) Abgabe, Zins

Gagern, Wilhelm August Heinrich Freiherr von (Bayreuth 20. 8. 1799-Darmstadt 22. 5. 1888), nach dem Rechtsstudium Regierungsrat und am 5. 3. 1848 Leiter des Staats­ministeriums Hessen-Darmstadts, wird am 19. 5. 1848 Präsident der deutschen Nationalversammlung.

Lit.: Wentzcke, P., Zur Geschichte Heinrich von Gagerns, 1910

Gaill, Andreas (Köln 12. 11. 1526-11. 12. 1587), Patrizierssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Orléans, Löwen und Bologna (1555) Anwalt in Köln, 1558 Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer, 1569 Reichshofrat in Wien und 1583 Kanzler in Köln. In seinen (lat.) Practicarum obser­vationum libri (M.Pl.) duo (Zwei Bücher praktischer Beobachtungen) (1578) bemüht er sich wie schon zuvor → Mynsinger um eine systematische Darstellung der Entscheidun­gen des → Reichskammergerichts.

Lit.: Köbler, DRG 143; Kempis, K. v., Andreas Gaill, 1988

Gairethinx (N.) Speergedinge → Launegild

Lit.: Schröder, R., Gairethinx, ZRG GA 7 (1886), 53

Gaius ist der in der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. lebende, hauptsächlich in der Provinz tätige, nicht mit dem (lat.) ius (N.) respondendi (Antwortrecht) begabte Verfasser (eines Kommentars zu dem in den Provinzen üblichen Rechtsschutzregister des Privat­rechts und) des in vier Bücher (lat. [M. Pl.] commentarii) über personae (Personen), res (Sachen, 2 Bücher, Sachenrecht, Erbrecht, Schuldrecht) und actiones (Klagansprüche, Zivilprozess) gegliederten Lehrbuchs → Institutionen (159?, 161?). Er gehört der Rechtsschule der Sabinianer (→ Julian) an. Sein auf (lat.) → ius (N.) civile (römisches Recht) und (lat.) → ius (N.) gentium (Fremdenrecht) als Rechtsquellen beschränk­tes, in einer späteren Fassung vor allem durch eine wohl dem 5. Jh. entstammende, 1816 in Verona von Barthold Georg Niebuhr aufgefundene Palimpsesthand­schrift und zwei in Ägypten entdeckte Handschriftenbruch­stücke unmit­tel­bar überliefertes System der Einrichtungen des Rechts (lat. institutiones) wird von dem oströmischen Kaiser Justinian in dessen Institutionen (533) übernommen. In den Digesten sind 542 Fragmente aus Werken des Gaius verwertet.

Lit.: Kaser § 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 34; Söllner §§ 5, 7, 16, 19, 20, 22, 23; Köbler, DRG 30, 52, 54; Honoré, A., Gaius, 1962; Nelson, H./David, M., Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones, 1981; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 131; Nelson, H./Manthe, U., Gai Institutiones III 1-87, 1992; Vano, C., Il nostro autentico Gaio, 2000; Gaius, Institutiones. Lateinisch und deutsch, hg. v. Manthe, U., 2004; Vano, C. Der Gaius der historischen Rechtsschule, 2008

Gaius von Autun (lat. Gaius [M.] Augustodunensis) ist der in größeren Fragmenten einer Palimpsesthandschrift aus Autun erhaltene klassizistisch-spätnach­klassische Kommentar wohl des 5. Jh.s zu → Gaius.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2; Köbler, DRG 52

Galater → Kelte

Galeerenstrafe ist die seit dem 15. Jh. im Mittelmeerraum (Rom 1471, Spanien 1502, Kirchenstaat 1511, 1516) verhängte Strafe, auf einer Galeere angeschmiedet als Ruderer zu sühnen. In den österreichischen Erblanden und Böhmen wird die G. von 1556 bis 1768 verwendet. In Frankreich endet sie sachlich mit der Aufgabe der Galeeren (1748), wird aber rechtlich erst am 27. 3. 1852 abgeschafft. In der Türkei wird sie bis zum 20. Jh. gebraucht.

Lit.: Frauenstädt, P., Zur Geschichte der Galeerenstrafe in Deutschland, Z. f. ges. StrafRWiss. 16 (1896), 518; Carlen, L., Die Galeerenstrafe im Militärstrafrecht, ZRG GA 92 (1975), 210; Carlen, L., Die Galeerenstrafe in der Schweiz, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 88 (1976), 557; Schlosser, H., Die Strafe der Galeere, ZNR 10 (1988), 19

Galgen ist die meist aus zwei Pfosten und einem Querholz bestehende künstliche Vorrichtung zur Tötung von Menschen durch Aufhängen an einem Strick. Bereits die Germanen hängen den Volksverräter. Seit wann dazu der G. verwendet wird, ist unklar. Im Hochmittelalter ist Erhängen am G. eine ehrenmindernde Strafe. Seit 1871 ist die → Todesstrafe in Deutschland durch Enthaupten zu vollziehen. Die Alliierten bestrafen die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher 1946 durch Erhängen.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 257f.; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Wohlhaupter, E., Haargalgen, Müllergalgen, ZRG GA 63 (1943), 324; Frank, H., Im Angesicht des Galgens, 1953

Galicien ist die im Nordwesten der iberischen Halbinsel gelegene Landschaft, die zunächst von Kelten besiedelt ist. Nach dem Ende der römischen Herrschaft dringen im 5. und 6. Jh. Sweben (Sueben) und Westgoten, 711/718 Araber ein. Mit der Lösung von den Arabern fällt G. meist an → Leon und mit diesem an → Kastilien. 1979 erhält G. in Spanien Autonomie.

Lit.: Tranoy, A., La Galice Romaine, 1981; García Oro, J., Galicia, 1987; Galicia, hg. v. Hann, C. u. a., 2005

Galizien (Halic-Volhynien, → Wolhynien) ist die nördlich der Karpaten gelegene Hü­gellandschaft, die nach dem Abzug der Germanen im 6. Jh. von Slawen (Polen im Westen, Ukrainer im Osten) besetzt wird. Im 11. bzw. 12. Jh. entsteht ein Fürstentum G. (Galitsch). G. gelangt im Spätmittelalter (1349/1387) an → Polen. 1772 wird das östliche G. dem österreichischen Königreich G. und Lodomerien zugeteilt, 1795 kommen weitere Gebiete hinzu (→ Westgalizien).  Hauptstadt von Galizien-Lodomerien ist Lemberg. 1846 wird das seit 1815 selbständige Krakau annektiert und mit Galizien-Lodomerien vereinigt, welches das größte Kronland Zisleithaniens ist. 1918 annektiert das wiedergebildete Polen G. Ostgalizien wird 1939 von der Sowjetunion in Besitz genommen.

Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Stupnicki, H., Das Königreich Galizien und Lodomerien, 1853; Pohl, D., Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, 1996; Röskau-Reidel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Bachmann, K., Ein Herd der Feindschaft gegen Russland, 2001; Fellerer, J., Mehrsprachigkeit im galizischen Verwaltungswesen, 2004; Struve, K., Bauern und Nation in Galizien, 2005; Maner, H., Galizien, 2007

Gallicus → mos Gallicus

Gallien (lat. [F.] Gallia) ist das Gebiet zwischen Apennin und Alpen (Gallia citerior) und seit Caesar (58-51 v. Chr.) das Land der Gallier zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantik (Gallia ulterior). Nach der Eroberung Galliens durch die Römer (225-51 v. Chr.) wird G. romanisiert. Um 500 ist es fast vollständig im Besitz der rasch romanisierten → Franken. → Frankreich

Lit.: Stroheker, K., Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, 1948 (5 bzw. 8 Namen von insgesamt 411 Personen); Lugge, M., Gallia und Francia, 1960; Lerat, L., La Gaule romaine, 1977; Gallien in der Spätantike, hg. v. Römisch-germanischen Zentralmuseum, 1980; Wightman, E., Gallia Belgica, 1985; King, A., Roman Gaul, 1990; Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H. u. a., 1995; Woolf, G., Becoming Roman, 1998; Freyberger, B., Südgallien, 1999; Wierschowski, L., Fremde in Gallien, 2001; Botermann, H., Wie aus Galliern Römer wurden, 2005; Mériaux, C., Gallia irradiata, 2006

Galway an einer irischen Atlantikbucht erscheint 1124 erstmals. Im 14. Jh. wird es Stadt. 1845 erlangt es eine Universität.

Gandinus (de Gandino), Albertus (Crema/Lombardei um 1245-1311) wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1265-1275) Richter in Lucca, Bologna, Siena, Florenz und Bologna, 1305 Herr (Podestà) in Fermo und 1310 Höchstrichter in Florenz. 1286/1287 veröffentlicht er eine in erster Fassung in Perugia verfasste Sammlung berühmter Rechtsfragen (vor allem des Odofredus und des Guido de Suzaria), die erweitert und erstmals systematisiert (5 Verfahrensarten [lat. accusatio, denunciatio, inquisitio, exceptio, notorium], gemeinsame Fragen dieser Verfahrensarten [Ladung, Stellver­tretung, Bann usw.], Strafrecht) 1299 in Siena und 1300 in Perugia erscheint, als (lat.) Tractatus (M.) de maleficiis (Abhandlung von Verbrechen) bekannt ist und in Deutschland im 15. Jh. (→ Klagspiegel, → Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) aufgenom­men wird. Daneben stellt er (lat.) Quaestiones (F.Pl.) statutorum (Fragen der Statuten) zusammen (Bologna 1289).

Lit.: Kantorowicz, H., Geschichte des Gandinus-Textes, ZRG RA 42 (1921), 1, 43 (1922), 1; Kantorowicz, H., Leben und Werk des Albertus Gandinus, ZRG RA 44 (1924), 224; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 468

Ganerbe ist der Angehörige einer rechtlich ungeteilten Erbengemeinschaft, insbesondere in der Ritterschaft. Eine Ganerbschaft kann auch durch Vertrag begründet werden. Ziel ist dabei die Erhaltung des Familienguts, weswegen eine Teilung oft nur hinsichtlich der Nutzung erfolgt. Der Erhaltung dient auch die Begründung eines → Fami­lien­fidei­kommisses. Trotz dessen Vordrin­gens beste­hen ritterliche Ganerbschaften bis zum 19. Jh.

Lit.: Hübner 157f., 251, 429; Köbler, WAS; Wippermann, E., Über Ganerbschaften 1873; Zimmermann, J., Ritterschaftliche Ganerbschaften in Rheinhessen, Diss. phil. Mainz, 1957; Alsdorf, F., Untersuchungen zur Rechtsgestalt und Teilung der Ganerbenburgen, 1980

Gans, Eduard (Berlin 23. 3. 1797-5. 5. 1839), aus norddeutscher jüdischer Hoffaktoren­familie, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Göttingen und Heidelberg und nach der Taufe (1825) 1826 in Berlin außerordentlicher, 1828 ordentlicher Professor für römisches und bürgerliches Recht in Berlin. Im Streit mit → Savigny tritt er gegen die Erforschung von geschichtlichen Einzelheiten und für der Aufklärung ver­pflichtete philosophisch-universalge­schicht­liche Studien (Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, Bd. 1ff. 1824ff., Neudruck 1963) ein.

Lit.: Reissner, H., Eduard Gans, 1965; Braun, J., Die „Lex Gans“ – ein Kapitel aus der Geschichte der Judenemanzipation in Preußen, ZRG GA 102 (1985), 60; Eduard Gans, hg. v. Waszek, N., 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 45; Braun, J., Judentum, 1997; Eduard Gans 1797-1839, hg. v. Blänkner, R. u. a., 2002; Gans, E., Naturrecht und Universalrechtsgeschichte, hg. v. Braun, J., 2005

Gant ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Versteigerung im Wege der Zwangs­vollstreckung. Sie entsteht in der Stadt. Sie will die Selbsthilfe eindämmen und den Schuldner vor übermäßigem Wertverlust sichern. Zu diesem Zweck werden besondere Gantordnungen (z. B. Augsburg 1447) erlassen. Danach muss das vom Büttel oder Fronboten verwahrte (bewegliche) Pfand öffentlich zum Kauf angeboten und an den Meistbietenden gegen Barzahlung ausge­hän­digt werden.

Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Die Vermögens­vollstreckung, Bd. 1 1912, 680

Garantie ist die einem anderen gegenüber abgegebene Beteuerung der Richtigkeit einer Erklärung. Sachlich wirkt sich der Gedanke der G. bereits in der (lat. [F.]) custodia des römischen Rechts aus. Als eigener Vertrag erscheint der Garantievertrag wohl erst im 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mager, U., Einrichtungs­garantien, 2003

Garantismus ist eine Form des Wohlfahrts­staats, bei der ein Grundeinkommen garantiert wird.

Lit.: Opielka, M., Sozialpolitik, 2004

García Goyena, Florencio (1783-1835) wird nach dem Rechtsstudium in Madrid und Salamanca Verwaltungsbeamter, Richter und Justizminister (1847). 1851 legt er einen an Frankreich, Preußen und Österreich orientierten, das partikulare Recht Spaniens missachtenden Entwurf eines (span.) Codigo civil (Zivilgesetzbuches) vor. Erst 1888/9 gelingt ein spanisches Zivilgesetzbuch.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,497

Gareis, Karl (24. 4. 1844-München 15. 1. 1923) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Bern, Gießen und München (Das deutsche Handelsrecht, 9. A. 1909, Enzyklopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft, 5. A. 1920).

Lit.: Schwab, D., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten, FS H. Hübner, 1984, 215

Garsten ist die im Siedlungsgebiet der Bayern 985 urkundlich erwähnte spätere Marktgemeinde Oberösterreichs, in der 1107 ein 1787 aufgelöstes Benediktinerkloter errichtet wird, aus dem zwei Traditionsbücher des späteren 12. Jh.s bekannt sind.

Lit.: Haider, S., Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters Garsten, 2008

Garten ist das durch Hecke oder Zaun abgegrenzte, intensiv durch Pflanzenanbau bewirtschaftete Grundstück. Da der G. die Allgemeinheit von der Mitbenutzung aus­schließt, bedarf seine Einrichtung zeitweise der Zustimmung der Grundherrschaft oder Gemeinde.

Lit.: Bader, K., Gartenrecht, ZRG GA 75 (1958), 252

Gas ist der Zustand eines Körpers und der Körper, in dem sich alle Moleküle vollkommen frei bewegen und der Körper jeden verfügbaren Raum vollständig und gleichmäßig ausfüllt.

Lit.: L’industrie du gaz en Europe, hg. v. Paquier, S. u. a., 2005; Auf der Suche nach Eden, hg. v. Stolberg, E., 2008

Gascogne im Südwesten des Frankenreichs ist ein nach den mit den Basken verwandten Wasconen benanntes, seit 768 selbständiges Herzogtum, das 1052 an Aquitanien fällt.

Lit.: Histoire de la Gascogne, hg. v. Bordes, M., 1978

Gasparri, Pietro (Ussita 5. 5. 1852-Rom 18. 11. 1934) wird nach der Ausbildung in Rom Doktor der Philosophie, Theologie und Kanonistik, 1880 Professor für kanonisches Recht und 1901 Sekretär einer Kurienkongregation. Auf seine Anregung, ein neues kirchliches Gesetzbuch zu schaffen, ernennt ihn Papst Pius X. 1904 zum Sekretär der für die Gesetzgebung eingerichteten Kardinalskommission. 1917 wird der von ihr erarbeitete → Codex iuris canonici veröf­fentlicht.

Lit.: Stickler, A., Historia iuris canonici latini, Bd. 1 1950, 376; Müller, A./Elsener, F./Huizing, P., Vom Kirchenrecht zur Kirchenordnung?, 1968, 29

Gast ist der in den Schutz eines Gastgebers aufgenommene Mensch, insbesondere der Fremde. Für ihn entwickeln sich schon früh einige besondere Rechtssätze.

Lit.: Kaser § 13 I 2b; Köbler, DRG 15; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907; Schultze, A., Über Gästerecht und Gastgerichte, HZ 101 (1908), 473; Hellmuth, L., Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen, 1984; Stein-Hölkeskamp, E., Das römische Gastmahl, 2005

Gastalde ist im frühmittelalterlichen Italien der vielleicht um 590 geschaffene langobardische Amtsträger teils des Königs, teils der Herzöge. Er bleibt in Oberitalien trotz der teilweisen Umwandlung in den Grafen bis in das Hochmittelalter bedeutsam.

Lit.: Mor, C., Lo stato longobardo nel VII secolo, Sett. di Spoleto V 1969, Bd. 1, 271

Gaster

Lit.: Gmür, E., Rechtsgeschichte der Landschaft Gaster, 1905

Gastung ist die einem → Gast meist auf Grund einer Verpflichtung zu erbringende Leistung.

Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, Bd. 1f. 1968

Gastwirt ist der geschäftsmäßig andere Menschen beherbergende und mit Speisen und Getränken bedienende Unternehmer. Für ihn gilt bereits im römischen Recht das wohl aus Vertragsgewohnheit entstandene beson­dere (lat. [N.]) receptum nautarum cauponum et stabulariorum, das der Gefähr­dung der vielfach fremden Gäste durch den boden­ständigen G. Rechnung trägt. Der geschädigte Gast hat die (lat.) actio de recepto. Den nach Aufnahme des römischen Rechts entwickelten gemeinrechtlichen Lehren folgend wird am Ende des 19. Jh.s noch eine vertragliche Haf­tung angenommen, später die Haftung als gesetzlich angesehen.

Lit.: Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Zimmermann, R., Geschichte der Gastwirtshaftung in Deutschland, (in) Usus modernus pandectarum, 2007, 271ff.; Hellwege, P., Der formularmäßige Ausschluu der Haftung der Gastwirte, ZNR 2007, 240ff.; Girtler, R., Herrschaften wünschen zahlen, 2008

Gattungskauf ist der → Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Sache. Er ist dem römischen Recht erst in der Form des Kaufes einer zu einem Vorrat gehörigen Sache bekannt.

Lit.: Kaser § 41 II 2; Ernst, W., Gattungskauf und Lieferungskauf, ZRG RA 114 (1997), 272, Ernst, W., Kurze Rechtsgeschichte des Gattungskaufs, ZEuP 1999

Gattungsschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte, auf die Leistung eines nur der Gattung (lat. [N.] genus) nach bestimmten Gegenstandes gerichtete → Schuld. Bei ihr trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs der Schuldner, der so lange leisten muss, wie die Gattung nicht erschöpft ist ([lat.] genus non perit, Gattung geht nicht unter).

Lit.: Kaser § 34 III 2

Gau ist die als besondere Einheit angesehene kleinere (, wasserreiche, siedlungsgünstige) Landschaft (z. B. Aargau, Pongau, Rheingau). Sie hat insbesondere im Frühmittelalter Bedeutung, in dem der G. nach umstrittener Ansicht den örtlichen Tätig­keitsbereich eines → Grafen (lat. comes, → comitatus) bezeichnet, ohne dass auch in nur einem einzigen Fall die Deckungsgleichheit der Gauangaben der Quellen und der jeweils gegebenen Bezirke der Grafen erwiesen und ohne dass von einem lückenlosen unver­änderlichen Netz von Gauen ausgegangen werden kann. Im Dritten Reich wird - vorbereitet durch die Romantik des 19. Jh.s - vor allem ab 1928 der G. künstlich wiederbelebt (Baden, bay­erische Ostmark, Berlin, Düsseldorf, Es­sen, Franken, Halle-Merseburg, Hamburg, Hes­­sen­-Nassau, Kob­lenz-Trier/Moselland, Köln-Aachen, Kurhes­sen, Kurmark, Magde­burg-Anhalt, Main­franken, Mecklen­burg, Mün­chen-Oberbayern, Ost-Hannover, Ost­preu­ßen, Pom­mern, Saar­pfalz/Westmark, Sach­­sen, Schle­sien, Schles­wig-Holstein, Schwa­­ben, Süd-Hannover-Braunschweig, Thü­­ringen, We­ser-Ems, West­falen-Nord, Westfalen-Süd, Würt­temberg-Hohenzollern, (1939) Kärnten, Nie­derdonau, Oberdonau, Salzburg, Steiermark, Tirol-Vorarlberg, Wien, Sudeten­land, Danzig-Westpreußen, Wartheland).

Lit.: Köbler, WAS; Baumann, F., Die Gaugrafschaften im Wirtembergischen Schwaben, 1879; Curs, O., Deutschlands Gaue im 10. Jahrhundert, Diss. phil. Göttingen 1908; Werneburg, R., Gau, Grafschaft und Herrschaft in Sachsen, 1910; Bauer, A., Gau und Grafschaft in Schwaben, 1927; Prinz, J., Pagus und comitatus in den Urkunden der Karolinger, AUF 17 (1941); Hamm, E., Herzogs- und Königsgut, Gau und Grafschaft im frühmittelalterlichen Bayern, Diss. phil. München 1949 (masch.schr.); Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Hessler, W., Mitteldeutsche Gaue, 1957; Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalter­lichen Deutschland, 1961; Wagner, G., Die Verwaltungsgliederung im karolingischen Reich, 1963; Heinemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Hüttenberger, P., Die Gauleiter, 1969; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Puhl, R., Die Gaue und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saar-Mosel-Raum, 1999; Rumschöttel, H./Ziegler, W., Staat und Gaue in der NS-Zeit in Bayern, 2003; Die NS-Gaue, hg. v. John, J. u. a., 2007

Gaudenzi → Fragmenta Gaudenziana

Gauner ist die vielleicht auf Ionier (Griechen) anspielende, aus dem Westjiddischen kommende Bezeichnung für Spieler oder Ver­brecher, die zeitweise eine aus unterschiedlichen Gegebenheiten erwachsende Schicht von nichtsesshaften Rechtsbrechern bilden, die im 18. und 19. Jh. eine gewisse Dichte erreicht.

Lit.: Ave-Lallemant, F., Das deutsche Gaunertum, Bd. 1ff. 1858ff.; Frauenstädt, P., Das Gaunertum des deutschen Mittelalters, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 18 (1898), 331; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951, 291; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und Gauner, 2001

Gebärde ist die eine innerliche Einstellung ausdrückende äußerliche Haltung eines Men­schen, insbesondere des Gesichtes und der Hände. Bestimmte Gebärden können in bestimmter Umgebung eine rechtliche Bedeutung haben (z. B. Erheben der Schwurhand bei einem Eid). Der Untersuchung rechtsgeschichtlicher Gebärden widmet sich die Rechtsarchäologie.

Lit.: Sittl, C., Die Gebärden, 1890; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899ff., Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Panzer, M., Tanz und Recht, 1938; Künß­berg, E. Frhr. v., Schwurgebärde und Schwurfinger­deutung, 1941; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in die Rechtsarchäologie, 1943; Garnier, F., Le langage de l’image, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Kresse, D./Feldmann, G., Handbuch der Gesten, 1999

Gebäude ist das von Menschen geschaffene Bauwerk. Es ist im älteren deutschen Recht Fahrnis und kann daher einen anderen Eigentümer haben als das Grundstück, auf dem es errichtet ist. Mit der Aufnahme des römischen, auch besondere Gebäudeservituten kennenden Rechts seit dem Spätmittelalter wird es mehr und mehr als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks angesehen. Seit dem 17. Jh. wirkt sich das → Baurecht immer stärker auf die Errichtung von Gebäuden aus.

Lit.: Hübner 188f.

Gebietsgemeinde ist die auf ein (größeres) Gebiet bezogene Gemeinde (z. B. öster­reichisches provisorisches Gemeindegesetz vom 17. 3. 1849, später wieder aufge­geben).

Geblütsrecht ist das auf Grund der Verwandtschaft bestehende Recht oder Anrecht auf einen Gegenstand. In Bezug auf das deutsche Königtum kann sich ein G. gegenüber dem Wahlgrundsatz nicht entscheidend durchsetzen. Dagegen steigert sich in den Ländern das G. sogar zum Erbrecht (Erbmonarchie).

Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 28; Rörig, F., Geblütsrecht und freie Wahl, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin, 1948

Gebot ist die hoheitliche Anordnung eines bestimmten Verhaltens (, im Zivilver­fahrensrecht im Rahmen der Zwangsvoll­streckung das Angebot zu einem öffentlichrechtlichen Vertrag). Das G. findet sich, wo immer Hoheitsgewalt besteht. Seine besondere Bedeutung zeigt sich bei der Entstehung des → Staates.

Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94

Gebotenes Ding ist das durch einzelnes → Gebot besonders festgesetzte → Ding.

Gebotsgewalt ist die Gewalt zum Erlass von Geboten.

Gebrauch (lat.) usus (M.)

Gebrauchsmuster ist die Gestaltung einer Arbeitsgerätschaft oder eines Gebrauchsgegenstandes oder eines Teiles davon, die dem Arbeitszweck oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen soll. In Deutschland wird 1876 bzw. 1891 das erste Gebrauchs­mustergesetz erlassen.

Lit.: Müller, E., Die Entwicklung des Erfindungsschutzes, 1898

Gebühr ist die Geldleistung, die als Gegenleistung für eine besondere, vom Einzelnen veranlasste Inanspruchnahme der Verwaltung verlangt wird. Sie ist als (lat. [F.]) sportula bereits dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter entwickeln die Landesherren aus den auf sie übergegangenen Regalien Einnahmequellen. Auch die Kirche verlangt für bestimmte Handlungen Gegenleistungen, selbst für den besonderen Sündenerlass. Eine eindeutige Trennung zwischen G. und Steuer vollzieht erst das späte 19. Jh. (Preußen Landgemeindeordnung vom 3. 7. 1891, Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 36 II 4; Moll, W., Über Gebühren, 1916; Domschke, M., Der Gebührenbegriff, 1928; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939

Geburt ist der Vorgang, durch den die Leibesfrucht des Menschen (oder eines höheren Tieres) aus dem mütterlichen Körper an die Außenwelt gelangt. Nach dem römischen Recht wird zwar das noch ungeborene Kind (lat. → nasciturus) für die Erbfolge nach seinem Vater als bereits geboren fingiert, doch beginnt im Übrigen erst mit der G. die → Rechtsfähigkeit. Nach mittelalterlichem und vermutlich germani­schem Recht muss das Kind nach der G. vom Vater bzw. der Familie besonders aufge­nommen werden. Verschiedentlich wird auch eine gewisse Lebenskraft als Voraus­setzung für einen Rechtserwerb verlangt. Für die christliche Kirche wird der Mensch erst durch die Taufe zur Person.

Lit.: Kaser § 13 II; Hübner § 6; Köbler, DRG 75, 120, 129; Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche Vermögensrecht, ZRG GA 16 (1895), 63; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 248, 253; Labouvie, E., Andere Umstände, 2. A. 2000; Uebe, A., Die rechtliche Situation der Hebammen in der Geburtshilfe, 2000; Drescher, T., Beginn des Menschseins, 2004

Geburtenregister ist das durch das Konzil von Trient (1545-63) in der Kirche vorgesehene, die → Geburten festhaltende Verzeichnis. Es geht am Ende des 19. Jh.s auf den Staat über (→ Personenstandsgesetz).

Geburtsstand ist im römischen und mittelalterlichen Recht der durch die → Geburt erworbene Stand (z. B. Adliger, Freier, Unfreier, Sklave).

Gedanken sind frei.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 123 (Franck 1541)

Gedinge ist im mittelalterlichen Recht die Vereinbarung oder auch die Verhandlung. In Frankreich und England wird im 12. Jh. der Vereinbarung der Vorrang vor dem allgemeinen Recht gewährt, in Deutschland anscheinend im 14. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, Abschied und Urteil, 1912; Hagemann, H., Gedinge bricht Landrecht, ZRG 87 (1970), 114

Gefahr ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens. Grundsätzlich muss jeder Mensch sich selbst vor Schäden schützen, weshalb im römischen Recht der Grundsatz gilt (lat.) casum sentit dominus (den Fall spürt der Herr). Vor der G. des Verfahrensverlustes durch Verfahrensfehler soll im hochmittelalterlichen Recht der → Fürsprech schützen. Beim Kauf teilt das römische Recht die G. (lat. [N.] periculum) des zufälligen Untergangs der Kaufsache zwischen Kaufvertragsabschluss und Ver­trags­erfüllung grundsätzlich dem Käufer zu, der den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er die Kaufsache nicht erhält (periculum est emp­toris).

Lit.: Kaser §§ 34, 41, 42, 62; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 51, 1866; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag, 1913; Ernst, W., Das klassische römische Recht der Gefahrtragung, Diss. jur. Bonn 1981; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998; Pennitz, M., Das periculum rei venditae, 2000; Müller, C., Gefahrtragung bei der locatio conductio, 2002

Gefährdungshaftung (Rümelin 1896) ist das einseitig verpflichtende gesetzliche Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Schaden zu ersetzen ist, der durch eine erlaubte, abstrakt gefährliche Betätigung oder Anlage entsteht. Die G. ist eine Art der Erfolgshaftung. Sie entsteht als G. in der Zeit, in der sich auf der Grundlage des Liberalismus der Verschuldensgrundsatz des Schadensersatzrechts durchsetzt. Beispielhaft verwirklicht wird die G. durch den von Friedrich Carl von Savigny mittels eines schriftlichen Votums fördernd beeinflussten § 25 des preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. 11. 1838. Mit der sozialversicherungsrechtli
chen Lösung der Haftung bei Arbeitsunfall durch pauschale Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers schwindet das Bedürfnis nach einer allgemeinen Regelung der G. Diese wird Einzelgesetzen überlassen (1871 Reichshaft­pflichtgesetz, 1900 Wildschaden, Tierhaltung [im BGB, 30. 5. 1908 gemildert], 1909 Automobilgesetz, 1. 8. 1922 Luft­fahrzeuge, 29. 4. 1940 Sachschäden durch Eisenbahn und Straßenbahn, 15. 8. 1943 Energieanlagen, 1957 Wasserhaushaltsgesetz, 1959 Stromge­setz, 1990 Produkthaftungs­gesetz, 1991 Umwelthaftungsgesetz, 2007 Umweltscha­dens­gesetz). In der Regel ist der Umfang der Haftung summenmäßig beschränkt. Ausge­schlossen ist die G. meist bei höherer Gewalt oder Verschulden des Geschädigten.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216, 242; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Baums, T., Die Einführung der Gefährdungshaftung durch F. C. von Savigny, ZRG GA 104 (1987), 277; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002; Bürge, A., Die Entstehung und Begründung der Gefährdungshaftung im 19. Jahrhundert, FS Canaris 2007

Gefahrenabwehr → Gefahr, → Polizei

Gefahrgeneigte Tätigkeit ist im 20. Jh. in Deutschland die Tätigkeit eines Arbeit­nehmers, die mit einer gewissen Wahr­schein­lich­keit zu einem Schaden des Arbeitnehmers, Arbeitge­bers oder eines Dritten führt, für die der Schädigende aus sozialen Gründen nicht nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen ein­stehen soll, so dass der Arbeitgeber ohne Verschulden einstehen muss. 1995 dehnt das Bundesarbeitsgericht diese Risikoverteilung auf alle Arbeits­verhältnisse aus, so dass die g. T. als solche überflüssig wird.

Lit.: Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Ehrenberg, S., Die rechtshistorischen Wurzeln des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung, 1998

Gefahrtragung → Gefahr

Gefälle sind im mittelalterlichen deutschen Recht Abgaben und Einkünfte.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gefangenenbefreiung

Lit.: Hofmann, H., Die Gefangenenbefreiung, 1903

Gefängnis ist das für einen meist hoheitlich angeordneten Freiheitsentzug eines Menschen verwendete Gebäude. Im Gegensatz zu dem deutlich älteren Freiheitsentzug durch Kriegsgefangenschaft oder zur Untersuchung wird der auch in Rom unbekannte Freiheitsentzug als Strafe erst seit der Zeit zwischen 1250 und dem 15. Jh. bedeutsamer (z. B. Venedig, Florenz, Bologna, Siena). Das G. dieser Zeit ist einfach und zumindest teilweise unmenschlich, wogegen sich erst­mals John Howard ([engl.] State of prisons in England and Wales, 1777, Der Zustand der Gefängnisse in England und Wales) wendet. Mit dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) wird die Freiheitsstrafe wichtigste Strafe. Am 7. 6. 1923 vereinbaren die Länder des Deutschen Reiches Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen. Einzelne An­sätze zu einer beschränkten Gefan­genen­mitverantwortung verdichten sich nur allmäh­lich. 1969 wird das G. verbal beseitigt (Justizvollzugsanstalt).

Lit.: Köbler, DRG 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 1f. 1922ff.; Hippel, R. v., Deutsches Strafrecht, Bd. 1 1925; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Blesken, H., Ältere deutsche Gefängnisnamen, ZRG GA 80 (1963), 357; Foucault, M., Überwachen und Strafen, 1976; Lawn, E., Gefangenschaft, 1977; Zwicky, J., Das Gefängnis­wesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; The Oxford History of the Prison, ed. by Morris, N., 1996; Schildt, B., Tumult und Aufruhr in Bernburg, (in) Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998, 53; Krause, J., Gefängnisse im römischen Reich, 1996; Nutz, T., Strafanstalt als Besserungsmaschine, 2001; Dunbabin, J., Captivity and Imprisonment in Medieval Europe 1000-1300, 2002; Gefängnis und Gesellschaft, hg. v. Ammerer, G., 2003; Schäfer, J., Nicht-monetäre Entlohnung von Gefangenenarbeit, 2006; Ohlemann, K., Historische Entwicklung der Gefangenenmitverantwortung, 2007; Bretschneider, F., Gefangene Gesellschaft, 2008; Ohlemann, K., Histo­rische Entwicklung der Gefangenmitverantwortung in den deutschen Gefängnissen, 2007; Rosenblum, W., Beyond the Prison Gates, 2008: Geltner, G., The Medieval Prison, 2008; Maes, E., Van gevangenisstraf naar vrijheidsstraf, 2009

Gefolgschaft (19. Jh.) ist im germanischen Recht möglicherweise die Gruppe (lat. [M.] comitatus, Begleitung) um einen Adligen gescharter junger Krieger. Die Verbindung zu jüngeren Erscheinungen (z. B. Vasallität) ist ungesichert.

Lit.: Brunner, H., Zur Geschichte des fränkischen Gefolgswesens, ZRG GA 9 (1888), 210; Seeck, O., Das deutsche Gefolgswesen auf römischem Boden, ZRG GA 17 (1896), 97; Bretschneider, G., Die altnordische Gefolgschaft, Diss. jur. Bonn 1950; Schlesinger, W., Herrschaft und Gefolgschaft in der deutschen Verfassungsgeschichte, HZ 176 (1953), 225; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 77 (1960), 1; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Kristensen, A., Tacitus’ germanische Gefolgschaft, 1983; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 183

Gegen den Lügner gibt es keine Redlichkeit. → Lüge

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Graf/Dietherr 1864)

Gegenreformation ist die mit Hilfe staatlicher Gewalt ausgeführte Gegen­be­wegung der katholischen Kirche gegen die kirchliche Reformation Martin → Luthers (1517) zwischen 1555 und 1648 bzw. die gewaltsame Rekatholisierung protestan­tisch gewordener Gebiete hauptsächlich durch Jesuiten. Sie beruht gedanklich auf dem im Augsburger Religionsfrieden gesicherten Grund­satz (lat.) → cuius regio, eius religio. Sie wirkt sich deutlich in Bayern, Fulda, Würzburg, Österreich (Böhmen), Oberpfalz und Kurpfalz aus, bis der Friede von Münster und Osnabrück 1648 den Untertanen den Bekenntnisstand des Jahres 1624 gewährt. In Spanien, Italien und Frankreich, Ungarn, Polen und dem Baltikum ist die dem Abolutismus verbundene G. ebenfalls erfolgreich, in England, den Niederlanden und Skandinavien scheitert sie.

Lit.: Köbler, DRG 130; Brandi, K., Gegenreformation und Religionskriege, 2. A. 1941; Zeeden, E., Das Zeitalter der Gegenreformation, 1967; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 4. A. 1997; Herzig, A., Der Zwang zum rechten Glauben, 2000; Pörtner, R., The Counter-Reformation in Central Europe, 2001; Lotterer, J., Gegenreformation als Kampf um die Landesherrschaft, 2003; Deventer, J., Gegenreformation in Schlesien, 2003; Weiß, D., Katholische Reform und Gegenreformation, 2005

Gegenzeichnung ist die Unterschrift eines zweiten Menschen nach der Unterschrift eines zu einer Handlung in erster Linie zuständigen Menschen. Sie wird seit dem 19. Jh. als G. eines Ministers (Preußen 1808) zur Einschränkung der Rechte des Monarchen verwendet.

Lit.: Köbler, DRG 193, 194; Schulz, A., Die Gegenzeichnung, 1978; Weber, C., Das Gegenzeich­nungsrecht, 1997

Gehalt ist die alimentierende Vergütung des → Beamten.

gehegtes Ding → Hegung, Ding

Geheimer Rat ist die Gesamtheit der den Fürsten nichtöffentlich beratenden Personen. Der geheime Rat entsteht zu Beginn der frühen Neuzeit in Frankreich und Burgund (1604). Er berät oder entscheidet in den wichtigsten Angelegenheiten (mit anderen Behörden). Er wird im 19. Jh. durch das Ministerium verdrängt. Der Titel Geheimer Rat wird 1919 beseitigt.

Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992, §§ 35, 41; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Matthias, E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970

geheimer Vorbehalt → Mentalreservation

geheime Staatspolizei → Gestapo

Lit.: Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995

Gehilfenhaftung ist die Haftung eines Herrn für einen Gehilfen. Sie findet sich schon im römischen Recht ([lat.] → noxae datio [F.]). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird zwischen → Erfüllungsgehilfen des rechtsgeschäftlichen Bereiches und → Verrichtungsgehilfen des außerrechtsgeschäft­lichen Bereiches unterschieden.

Lit.: Köbler, DRG 27, 214; Seiler, Die deliktische Gehilfenhaftung, JZ 1967, 525; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsge­hilfen, 2000

Geisel ist der in Gewahrsam genommene Mensch, der mit Freiheit oder Leben für die Erfüllung bestimmter Pflichten (oder das Erreichen eines sonstigen Zieles) haftet. Das vereinbarte Stellen und das einseitige Nehmen einer G. sind sehr alt. Sie finden sich sowohl unter Völkern wie auch unter Einzelnen. Der bzw. die G. darf anfangs bei Nichterfüllung getötet oder verknechtet werden. Im Privat­recht endet das Tötungsrecht bereits früh und wird das Stellen oder Nehmen von Geiseln schon im frühen Mittelalter durch andere Sicherungs­mittel ersetzt. Im Völkerrecht schließt das Genfer Abkommen zum Schutz der Kriegsopfer von 1949 die Geiselnahme aus.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 74, 128; Köbler, WAS; Lechner, A., Das Obstagium oder die Geiselschaft nach schweizerischen Quellen, 1906; Gierke, O., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, 50, 127; Lutteroth, A., Der Geisel im Rechtsleben, 1922; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Allen, J., Hostages and Hostage-Taking in the Roman Empire, 2006

Geisteskranker ist der an einer erheblichen Störung der Geistestätigkeit leidende Mensch. Er ist als (lat. [M.]) → furiosus im römischen Recht ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig und erhält einen (lat.) curator (M., Pfleger).. Auch das mittelalterliche deutsche Recht schließt den Geisteskranken vom Handeln im Rechtsverkehr aus. Am Ende des Spätmittelalters wird das römische Recht aufgenommen. Der Geisteskranke kann durch → Entmündigung unter Vormundschaft gestellt werden. Zum 1. 1. 1992 wird in Deutschland die Entmündigung durch die → Betreuung ersetzt.

Lit.: Kaser § 14 IV; Hübner; Köbler, DRG 36; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. III 6; Selesnick, S., Geschichte der Psychiatrie, 1969; Jetter, D., Grundzüge der Geschichte des Irrenhauses, 1981; Kuban, S., Das Recht der Verwahrung und Unter­bringung, 1997; Platen-Hallermund, A., Die Tötung Geisteskranker, 3. unv. A. 1998; Dettling, A., Von Irren und Blödsinnigen, 2008

geistiges Eigentum → Urheberrecht

Lit.: Wadle, E., Das geistige Eigentum in der Reichsverfassung, (in) Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, 929; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Löhnig, M., Der Schutz des geistigen Eigentums von Autoren im preußischen Landrecht von 1794, ZNR 2007, 197ff.; Grundlagen und Grund­fragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, L. u. a., 2008

Geistliche Bank ist die Gesamtheit der geistlichen Fürsten eines Verfassungs­gre­miums (insbesondere des Reichstages des Heiligen römischen Reiches [deutscher Nation]). 1792 umfasst die g. B. dort 35 Virilstimmen und 2 Kuriatstimmen der schwäbischen und rheinischen Prälatenbank mit zusammen zuletzt etwa 40 Mitgliedern.

Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat von 1495-1654, 1882; Conrad, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 1966, 97

Geistlicher ist der Inhaber eines höheren kirchlichen Amtes der anerkannten öffent­lichrechtlichen Religionsgemeinschaften (z. B. Priester). Er wird schon im Altertum vom Laien durch besonderes Recht geschieden. Infolge seiner Schriftkundigkeit ist er seinen Mitmenschen auch im Mittelalter überlegen. Zahlreiche Rechtsvorschriften gewähren ihm besonderen Schutz.

Lit.: Köbler, DRG 99; Prochnow, F., Das Spolienrecht und die Testierfreiheit der Geistlichen, 1919, Neudruck 1965; Reinhard, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Geistlicher Fürst ist der Landesherr (→ Fürst) des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation), dem seine Lan­des­herrschaft auf Grund seines geistlichen Amtes zusteht (z. B. Erzbischof von Mainz). Am Beginn des 19. Jh.s umfassen die weltlichen Herrschaftsgebiete der (66) geistlichen Fürsten des Heiligen römischen Reichs rund 95000 Quadratkilo­meter mit mehr als drei Millionen Einwohnern.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geistliche Staaten in Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, hg. v. Wüst, W., 2003

Geistlicher Vorbehalt (lat. reservatum [N.] ecclesiasticum) ist der für den Fall eines Übertrittes eines Inhabers eines geistlichen Amtes vom katholischen Glauben zum protestantischen Glauben im Augsburger Religionsfrieden (1555) festgelegte Vorbehalt gegenüber dem Grundsatz (lat.) cuius regio, eius religio, dass der Inhaber des geistlichen Amtes zwar seine persönliche Rechtsstellung behält, aber sein geistliches Amt und die damit verbundenen Rechte aufgeben muss und das für die Besetzung der Stelle zuständige Gremium einen katholischen Nachfolger wählen kann. 1648 wird eine Garantie des Besitzstandes vom 1. 1. 1624 vereinbart.

Lit.: Brandi, K., Reformation und Gegenreformation, 1927

Geistliches Recht (lat. ius [N.] canonicum) ist das die christliche(n) Kirche(n) betreffende, im Gegensatz zum weltlichen Recht (lat. ius [N.] civile) stehende Recht. → Kirchenrecht

Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Geld ist das (von einem Staat oder einer durch ihn ermächtigten Stelle beglaubigte,) zum Umlauf in der Öffentlichkeit bestimmte Zahlungsmittel. Im altrömischen Recht ist Tauschmittel anfangs das Vieh (lat. [N.] pecus → lat. pecunia [F.] G.). Dann wird Rohkupfer zuerst gewichtsmäßig gehandelt und im 4. Jh. v. Chr. nach kleinasiatischem Vorbild (7. Jh., Griechenland 6. Jh. v. Chr.) in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsan­gaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden Münzen von 330 g (lat. libra [F.] Pfund) geschaffen, denen später Silbermünzen (187 v. Chr. Silberdenar mit 10 As von 4,55 g Gewicht), seit Caesar († 44 v. Chr.) Goldmünzen (lat. [M.Pl.] aurei) folgen. Die Germanen kennen zwar römische Münzen, verwenden sie aber nicht als G. Im Frühmittelalter sind Pfennig, Schilling und Pfund hauptsächlich Rechnungseinheiten, wenn auch in karolingischer Zeit ein königlicher Silberdenar geprägt wird. Als Grabbeigaben aufgefundene Feinwaagen deuten darauf hin, dass auch bei Münzen das Gewicht des Metalls noch entscheidend ist. Im Hochmittelalter bewirkt das als einfachstes Tauschmittel anerkannte und damit als Zahlungsmittel wieder vorherrschende G. die Umwandlung der Naturalwirtschaft in die Geldwirtschaft. Seit der frühen Neuzeit (18. Jh.) tritt zum Metallgeld (Münze) das Papiergeld hinzu, seit der Mitte des 19. Jh.s zum Hartgeld und Zeichengeld das durch Guthaben bei einer Kontostelle gebildete unkörperliche Buchgeld (Giralgeld), seit dem Ende des 20. Jh.s das elektronisch gespeicherte Guthaben (Plastik­geld, Netz­geld). Für Münzen und Geldscheine gilt im Wesentlichen das Recht der Sachen. Ungelöst ist die Problematik der Geldentwertung (Inflation), die aus dem Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und Gütermenge erwächst.

Lit.: Kaser §§ 26 III, 32 II; Hübner; Köbler, DRG 96, 97, 119; Köbler, WAS; Taeubner, W., Geld und Kredit im Mittelalter, 1933; Mickwitz, G., Die Systeme des römischen Silbergeldes im 4. Jahrhundert nach Christus, 1933; Laurent, H., La loi de Gresham au moyen âge, 1933; Gaettens, R., Das Geld- und Münzwesen der Abtei Fulda, 1957; Völlmy, H., Zur Geschichte des schweizerischen Papiergeldes, Diss. staatswiss. Basel 1966; Nau, E., Epochen der Geldgeschichte, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 5 1980, 27; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; La repubblica internazionale del denaro tra 15 e 16 secolo, hg. v. Maddalena, A. de u. a., 1986; Spufford, P., Money, 2. A. 1989; North, M., Das Geld, 1994; Duncan-Jones, R., Money and Government, 1994; Howgego, C., Geld in der antiken Welt, 2000; Sprenger, B., Das Geld der Deutschen, 3. A. 2001; Ott, K., Geld und Geldwerttheorien, 1998; Weatherford, J., Eine kurze Geschichte des Geldes, 1999; Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Geld im Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K. u. a., 2005; Gray, R., Money Matters, 2008; Brodbeck, K., Die Herrschaft des Geldes, 2009

Geldern

Lit.: Jappe Alberts, W., De Staten van Gelre en Zutphen, 1950; Geldersche Wyssenissen van het Hoofdgerecht te Roermond, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1953; Reichsarchiv der Provinz Gelderland in Arnheim, bearb. v. Vollmer, B., 1957; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008

Geldkondemnation (lat. condemnatio [F.] pecuniaria) ist im klassischen römischen Recht die (notwendige) Verurteilung des Schuldners auf den Schätzwert (lat. quanti ea res erit, was die Sache wert ist) einer streitigen bestimmten Sache im → Formularverfahren. Sie soll es auch einem Dritten gestatten, den Beklagten auszulösen. Sie tritt im → Kognitionsverfahren zurück.

Lit.: Kaser § 35 I 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 34, 42

Geldschuld ist die in Geld zu erfüllende Schuld. Die G. wird schon im römischen Recht als Gattungsschuld angesehen. Mit Ausweitung der Geldwirtschaft wird sie immer häufiger.

Lit.: Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, (in) Wissen­schaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1977, 74ff.; Ahrens, M., Der mittellose Geldschuldner, 1994

Geldstrafe ist die auf Geldleistung an den Staat lautende → Strafe. Vielleicht aus dem plebejischen Bereich stammend, ist sie bereits dem späteren altrömischen Recht bekannt. Im Frühmittelalter herrscht die davon zu unterscheidende, in Geld nur berechnete Buße des → Kompositionensystems vor, von der nur ein Teil (lat. [M.]→ fredus) an die Allgemeinheit fällt. Die hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen peinlichen Strafen sind in Geld nur ablösbar. In der frühen Neuzeit schließt zwar die Constitutio Criminalis Carolina (1532) die G. aus, doch sehen die Reichspo­lizeiordnung von 1530, Landes­ordnungen und Stadtrechte in vielen Fällen G. vor. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) droht G. bei Münzdelikten, Bestechung, Wucher, Fälschung und Betrügerei an. Das preußische Straf­gesetz­buch (1851) und das Reichsstrafgesetzbuch (1871) dehnen die G. aus. Die Straf­rechts­reformen (9. 4. 1923, 1969, 1975) des 20. Jh.s verstärken diese Entwicklung. Dabei wird nach skandina­vischem Vorbild die Höhe der G. von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters abhängig (sog. Tagessätze).

Lit.:Köbler, DRG 20, 119, 158, 205, 236; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe im späten Mittelalter, FS A. Erler 1977, 273; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993

Geldwäsche ist der Umtausch des aus rechtswidrigem Verhalten erlangten Geldes ist nicht erkennbar rechtswidrig erlangtes Geld (in Deutschland seit 1992 strafbar).

Lit.: Remmers, B., Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Geldwäsche, 1998

Geldwirtschaft ist die auf den Gebrauch von → Geld als Zahlungsmittel aufbauende Wirtschaft (z. B. seit dem Hochmittelalter). Die G. verdrängt die Naturalwirtschaft.

Lit.: Köbler, DRG 29, 96, 97; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930

Gelegenheit macht Diebe.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716)

Gelehrter Richter ist der durch universitäre Ausbildung gekennzeichnete Richter. Der gelehrte Richter erscheint im 13. Jh. im kirchlichen Gericht (als → Offizial). Im könig­lichen Kammergericht des Reiches begegnen Doktoren der Rechte seit dem Beginn des 15. Jh.s. Im Reichskammergericht muss 1495 die Hälfte der Beisitzer gelehrt sein. Erst später wird es üblich, dass der Richter als der Vorsitzende gelehrt ist. Im Übrigen sind die Mitglieder der Gerichte bis in das 18. Jh. vielfach Laien. Im 18. Jh. werden die Assessorstellen der Obergerichte mit nach besonderen Vorschriften geprüften Juristen besetzt.

Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Gelehrte im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996; Verger, J., Le gens de savoir, 1997

Gelehrtes Recht ist das an der Universität durch Lehre vermittelte Recht. G. R. ist demnach das römische (weltliche) Recht und das kirchliche (geistliche) Recht. Dem gelehrten Recht steht das einheimische Recht der einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In den Rechtsquellen der Neuzeit werden g. R. und einheimisches Recht in vielfältiger Weise zu neuen Einheiten verknüpft (→ Reforma­tion, → Kodifikation).

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsge­schichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Nörr, K., Zum institutionellen Rahmen der gelehrten Rechte im 12. Jahrhundert, FS H. Coing 1982, 233; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme 1986, 43

Geleit ist die Begleitung und meist auch sichere Führung eines Reisenden (oder einer Sache durch Bewaffnete gegen Entgelt, lat. [M.] conductus). Das G. zu gewähren ist im Mittelalter ein be­deutsames, Einkünfte und Gewalt vermit­telndes Recht, das vom König auf den Landesherrn übergeht (Regal, Westfalen 1180). Freies G. ist das Recht auf unge­hin­derte Hinreise und Rückreise.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Fiesel, L., Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41 (1920), 1; Wilhelm, R., Das Zollgeleit in der Grafschaft und im Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1976; Müller, U., Das Geleit, 1991

Gelnhausen ist der 1133 erstmals bezeugte Ort im unteren Kinzigtal, in dessen Pfalz 1180 das Verfahren gegen Herzog → Heinrich den Löwen stattfindet, in dem er nach Landrecht in Acht getan und nach Lehnrecht seiner Herzog­tümer → Sachsen und → Bayern verlustig erklärt wird, so dass die Herzogtümer in → Länder aufgeteilt werden können. → Konrad von G.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Der Reichstag von Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und Handwerksurkunden der freien Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996; Zieg, M., Gelnhäuser Regesten, 2008

Gelöbnis ist die Erklärung, mit der jemand zustimmt (z. B. → Erbenlaub) oder ver­spricht. Das G. erscheint bereits im Früh­mittelalter (z. B. Urteilserfüllungsge­löbnis). Die Folgen des Bruches des Ge­löbnisses hängen von verschiedenen Umständen ab und reichen von der Leistungs­kla­e über die Schadensersatzklage, die Buße und die Geldstrafe bis zur → Strafe an Leib und Le­ben.

Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Reincke, H., Die Bedeutung der Gelöbnisgebärde, ZRG GA 40 (1919), 280; His, R., Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41 (1920), 386; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974

Geltung ist die Anwendbarkeit und die Anwendung. Ein Rechtssatz gilt rechts­dogmatisch, wenn eine entsprechende Sollens­anforderung besteht. Er gilt rechtsso­ziologisch, wenn er tatsächlich angewendet wird.

Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Nehlsen, H., Aktualität und Effektivität der ältesten germanischen Rechtsaufzeichnungen, (in) Vorträge und Forschungen 23 1977, 449; Wagner, W., Geltungsbereiche ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich, Ius commune 14 (1987), 203; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989

Gemara (F.) → Mischna

Gemeinde ist die einfache unmittelbare kommunale (,dem Staat eingegliederte) Ge­bietskörperschaft mit (vom Staat abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbst­verwaltung universal überlassener örtlicher Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener Aufgaben. Als solche Gemein­den sind im Altertum außer Rom (und anderen Stadtstaaten) die Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser Gemeindeordnungen erlassen (z. B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im deutschen Reich erscheint die G. (Stadt, Dorf) seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.). In der frühen Neuzeit verliert sie ihre älteren Rechte durch (vereinheitlichende) Maßnahmen des absolu­ten Staates (und der Grundherrschaft). Im 19. Jh. erhält die G. → Selbstverwaltung (Preu­ßen 19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert, Bayern 1818/1839, Württem­berg 1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832, Kurhessen 1834, Braun­schweig 1834, Hannover 1851, Westfalen 1841 Landgemeindeordnung, Rheinprovinz 1845 Gemeindeordnung, Preußen 30. 9. 1853 Städteordnung, Bayern 1869 Gemeindeord­nung, Preußen 1872 Kreisord­nung, 1875 Provinzialordnung, 3. 7. 1891 Landgemeinde­ordnung [, Österreich 4. 3. 1849 proviso­ri­sches Gemeindegesetz, 5. 3. 1862 Reichsge­meinde­gesetz], Neuregelung Art. 115-120 B-VG 12. 7. 1962). Vorübergehend be­seitigen das Dritte Reich, in dem sich anscheinend die Gemeinden den Zielen des National­sozia­lismus zumindest teilweise öffnen, und die Deutsche Demokratische Republik die in Art. 127, 17 II WRV (und 28 GG) verfassungsmäßig garantierte Selbst­ver­waltung. Insgesamt bleibt die G. aber in durch Verwaltungsreformen vergrößertem Umfang bestehen.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG 197; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Schrötter, R., Die rechtliche Natur der sogenannten Gemeindenutzungen in Bayern, 1934; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Heider, J., Von der Gemain zur politischen Gemeinde, Schwäbische Blätter für Heimatkunde 9 (1958), 70; Siegrist, J., Die Gemeinde Unterkulm, 1957; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W., 1983; Ogris, W., Die Entwicklung des österreichischen Gemeinderechts im 19. Jahrhundert, (in) Die Städte Mitteleuropas, hg. v. Rausch, W., 1983, 83; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im Nidwalden des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H., Die bäuerlichen Gemeinden in Deutschland, 2. A. 1986; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v. Blickle, P., 1991; Schachner-Blazizek, A., Gemeinderecht und Gemeindeverwaltung, 1995, Gemeinde und Staat im alten Europa, hg. v. Blickle, P., 1997; Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A., 1998; Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a. 2001; Gotto, B., Nationalsozialistische Kommunalpolitik, 2006; Die Gemeinde - FS Heiko Faber, hg. v. Frank, F. u. a., 2007;

Gemeinderecht ist die Gesamtheit der die → Gemeinde betreffenden Rechtssätze. Im römischen Altertum erhalten die einzelnen Gemeinden in Italien zunächst eine ziemlich verschiedene Stellung als (lat.) oppidum (N.), colonia (F.) oder municipium (N.) mit teils eigener, teils römischer Verwaltung, bis vermutlich unter Caesar eine in Magistrate, Senat (lat. ordo [M.] decurionum, Gemeinderat) und Volksversammlung ge­gliederte, einheitliche Kommunalver­fassung eingerichtet wird ([lat.] lex [F.] Iulia munici­palis, julisches Stadtgesetz). Im deutschen Reich ist das G. unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen werden erst im 19. Jh. geschaffen. 1935 wird eine einheitliche Deutsche Gemeindeordnung erlassen. Nach 1945 ist das G. wieder Landesrecht, so dass es sich von Land zu Land unterscheidet.

Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Haase, C., Die oldenburgische Gemeindeordnung von 1855, Oldenburger Jahrbuch 55 (1955), 1; Oberndorfer, P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus, W., Quellen zum modernen Gemeindever­fassungsrecht in Deutschland, 1975; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Low, P., Kommunalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeinde­ordnungen, hg. v. Knemeyer, F., 1994

Gemeinderschaft ist die aus der (von Brü­dern gebildeten) Erbengemeinschaft der bäuerlichen Miterben entwickelte gesamthän­derische Personenvereinigung des deutschen mittelalterlichen und frühneu­zeitlichen Rechts (z. B. Ganerbschaft). Sie wird später weit­gehend durch den Teilungsgrundsatz einerseits und durch das Anerbenrecht ande­rerseits verdrängt.

Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft der Schweiz, 1897

Gemeiner Pfennig ist die am 7. 8. 1495 im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) (im Rückstand gegenüber der weiter fortgeschrittenen Steuergesetzgebung der Nachbarländer, besonders Frankreichs) für vier Jahre eingeführte Abgabe (versuchte Kopfsteuer für die gesamte Bevölkerung). Der gemeine Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24 Gulden, ½ Gulden und 1 Gulden festgesetzt. Er wird nur teilweise einge­sammelt und nur teilweise an die sieben dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der gemeine Pfennig auf dem Reichstage von Worms, 1877; Schmidt, P., Der gemeine Pfennig von 1495, 1989

Gemeines deutsches Privatrecht ist das dem gemeinen (römischen Privat-)Recht seit dem 17. Jh. (Conring, Thomasius, Beyer) gegenü­bergestellte Privatrecht deutschrechtlicher Herkunft (→ deutsches Privatrecht). Mit der Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1896/1900) verliert es seine un­mittelbare Geltung.

Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Borrmann, K., Gemeines deutsches Privatrecht bei Carl Joseph Anton Mittermaier, 2009

Gemeines Recht ist das allgemeine Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht. Schon im römischen Recht ist eine derartige Gegenüberstellung eines (lat.) ius (N.) commune und mehrerer besonderer Rechte etwa der römischen Bürger oder eines räumlich bzw. ständisch bzw. personal abgegrenzten Bereichs bekannt. Sie findet sich vereinzelt auch im frühen Mittelalter, häufiger seit dem Hochmittelalter. Als g. R. kann dabei das römische Recht, das kirchliche Recht, das römische und kirchliche Recht oder auch ein sonstiges allgemeines Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht (einschließlich eines Privilegs) bezeichnet werden. Im Verhältnis beider entwickeln die Juristen der oberitalienischen Städte im Hochmittelalter den Vorrang des eigenen besonderen Stadtrechts (Statutes) vor dem gemeinen Recht. Dem folgt § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495, der wohl die redlichen ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohn­heiten der Fürstentümer, Herrschaften und Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen sie redlich, ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d. h. nachge­wiesen werden. Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat im 17. Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechts die Vermutung der Anwendbarkeit für sich. Im 18. Jh. wird das gemeine Recht durch die von ihm mitgeprägten Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückgedrängt. Mit dem Inkrafttreten des → deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1. 1. 1900) endet für 16,5 Millionen Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Olden­burg, Mecklenburg, Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein usw. (insgesamt in 93 verschiedenen Gebieten) die unmittel­bare Geltung des gemeinen Rechts in Deutschland. → Allgemeines deutsches Recht, → common law

Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184; Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Gemeines Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, hg. v. Müller-Graf, 1993; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Nève, P., (Europäisches) ius commune und (nationales) gemeines Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Watson, A., Legal history and a common law for Europe, 2001; Daniel, A., Gemeines Recht, 2003

Gemeines Sachsenrecht ist das auf der Grundlage des → Sachsenspiegels (1221-1224), der Glosse zum Sachsenspiegel und der sog. Richtsteige (sowie des sächsischen Weichbildrechts [str.]) entwickelte, in Sachsen mehr oder weniger allgemein an­erkannte Recht, dessen Durchsetzung vor allem die Schöffenstühle von Magdeburg, Leipzig und Halle, die juristischen Fakultäten in Leipzig, Wittenberg und Jena sowie die verschiedenen Hofgerichte fördern. Die Gesetze einzelner Länder engen zwar den Geltungsbereich des gemeinen Sachsenrechts ein, entwickeln dieses aber auch durch ihre Grundgedanken fort. Die Geltung des gemeinen Sachsenrechts betrifft das Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/1865), Schlesien, Brandenburg, die sachsen-ernes­tinischen Teilfürstentümer (z. B. Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg: „Thüringen“ bis 1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900), Hannover, Lüneburg, Lauenburg, Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und dazwischenliegende kleinere Länder. Mit dem sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch (1863/5) und dem deutschen Bür­gerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die Geltung des gemeinen Sachsenrechts beendet.

Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich-sächsischen Privatrechts, 3. A. 1847; Emminghaus, G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848; Schultze von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 51

Gemeines Strafrecht ist das auf der Grundlage der → Constitutio Criminalis Carolina (1532), die den örtlichen Ge­wohnheiten und Satzungen nachgehen will, gebildete deutsche Strafrecht des 16. bis 18. Jh.s.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gemeinfreier ist der allgemeine → Freie der germanischen Zeit und des frühen Mittelalters. Im Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen Rechtsgeschichte ist es in der Gegenwart streitig geworden, ob es in der fraglichen Zeit eine breite, „den Staat tragende“ Schicht freier Leute unter einem Adel mit schwach ausgeprägten Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt die Zahl der Freien im Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der → Grundherrschaft ab.

Lit.: Köbler, DRG 71; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie, ZRG GA 19 (1898), 76; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 4. unv. A. 1981

Gemeinschaft ist die durch eine Gemein­samkeit verbundene Mehrheit von Personen, insbesondere im Schuldrecht die gemeinschaftliche Inhaberschaft eines einzel­nen Rechtes durch mehrere. G. ist im klassischen römischen Recht die vielleicht in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten aus wirtschaftlichen Gründen entwickelte (lat.) → communio (F.) pro indiviso, bei der über die ganze Sache alle Gemeinschafter zusammen verfügen können und jeder Gemeinschafter unabhängig von den anderen über seinen (rechnerischen) Anteil. Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der jederzeit möglichen allgemeinen Teilungsklage (lat. actio [F.] communi dividundo). Seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche, dem Gesamt­handsgrundsatz widersprechende G. in Deutschland übernommen.

Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüderge­mein­schaft, ZRG GA 56 (1936), 264; Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechts­ordnung des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 293, 549; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Schnorr, R., Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004

Gemeinschaftsrecht → Europäische Ge­mein­­schaft

Lit.: Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, 1971; Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979

Gemeinwerk ist die vielleicht aus der mittelalterlichen Grundherrschaft entwickelte Pflicht der Mitglieder einer örtlichen Gemeinschaft zur tatsächlichen Leistung persönlicher Dienste zu Gunsten der Gemeinschaft. Seit dem 18. Jh. wird sie durch Abgaben bzw. Steuern ersetzt.

Lit.: Gremler, F., Die Naturaldienste im preußischen Gemeinderecht, Diss. jur. Bonn 1912; Durgiai, E., Das Gemeinwerk, Diss. jur. Bern 1943

Gemeinwohl (lat. salus [F.] publica) ist das allgemeine Wohl einer Gesellschaft. Das G. ist vielfach Ziel eines Staates (Wohlfahrtsstaat). Es kann dabei missbraucht werden.

Lit.: Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS Alfred Schultze 1940, 2. A. 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im national­sozialistischen Recht, 1974; Honsell, T., Gemeinwohl und öffentliches Interesse, ZRG RA 95 (1978), 93; Hibst, P., Utilitas publica, 1991; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, hg. v. Münkler, H. u. a., 2001

Gemischtes Bezirksamt ist in Österreich von 1852 bis 1868 die staatliche, durch Zu­sammenlegung von Bezirkshauptmannschaft und Bezirksgericht entstehende Verwaltungs- und Gerichtsbehörde erster Instanz.

Genannter

Lit.: Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971

Genealogie (F.) Familienkunde

Lit.: Köbler, DRG 2; Forst de Battaglia, O., Wissenschaftliche Genealogie, 1948; Melville, G., Vor­fahren und Vorgänger, (in) Die Familie als sozialer und historischer Verband, 1987, 203; Europäische Stammtafeln, hg. v. Schwennicke, D., 1998, 2. A. 2005; Hlawitschka, E., Die Ahnen der hochmittelalterlichen deutschen Könige, Kaiser und ihrer Gemahlinnen 1 (911-1137), 2007

Genehmigung ist die Erklärung des Einverständnisses mit dem Verhalten eines anderen. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Sie entwickelt sich im Verwal­tungsrecht zu einer Erlaubnis oder zu einer nachträglichen Billigung, im Privatrecht zur nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft.

Lit.: Kaser §§ 11 IV, 49 II, 53 I; Kroeschell, DRG 2

Generalauditeur ist im 17. Jh. nach schwedischem Vorbild im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) der Leiter der Rechtspflege des Heeres. 1898 wird der G. durch die Militärstrafgerichtsordnung beseitigt.

Lit.: Meyer, O., Die Stellung des preußischen Generalauditeurs, Arch. Mil.R. 3 (1911/2), 138, 4 (1912/3), 349

Generaldirektorium (Generaloberfinanz­kriegs- und -domänendirektorium) ist die aus einer zentralen Fachbehörde der Domänen­verwaltung und aus dem Generalkriegs­kommissariat erwachsene oberste Behörde in → Preußen im 18. Jh.

Lit.: Hartung, F., Die Entwicklung des Generaldirektoriums in Preußen 1723-1876, FuF 18 (1942), 110

Generalhypothek ist die im römischen Recht mögliche → Hypothek am ganzen Vermögen eines Pfandschuldners. Sie wird teilweise in der Neuzeit in Deutschland aufgenommen. Sie verunsichert durch fehlende Offenkun­digkeit das Kreditwesen, weshalb sie später beseitigt wird.

Lit.: Kaser § 31; Köbler, DRG 41; Wagner, H., Voraussetzungen, Vorstufen und Anfänge der römischen Generalverpfändung, 1967; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Generalklausel ist der nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellende, die konkrete Bestimmung im Einzelfall den Gerichten überlassende Rechtssatz. Die G. hat den Vorzug der Offenheit für nichtvorhersehbare Umstände für sich und den Nachteil der Rechtsunsicherheit gegen sich. Im 20. Jh. wird dem Gesetzgeber die Flucht in die Generalklauseln vorgehalten.

Lit.: Köbler, DRG 229; Hedemann, J., Die Flucht in die Generalklauseln, 1933; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989

Generalpfand ist das im römischen Recht mögliche Pfand am gesamten gegenwärtigen Vermögen eines Pfandschuldners. →.Gene­ralhypothek

Generalprävention ist der → Strafzweck, der auf allgemeine Vorbeugung gegenüber Straftaten durch Abschreckung auch unbe­kannter Dritter gerichtet ist (Feuerbach 1813).

Lit.: Köbler, DRG 204; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Generalstaatsanwalt ist der oberste Leiter einer gesamten Staatsanwaltschaft (z. B. DDR).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Generalstände (M.Pl.) allgemeine → Stände, états généraux

Lit.: Soule, C., Les États généraux de France (1302-1798), 1968; Bulst, L., Die französischen Generalstände, 1992

Genf am Ausfluss der Rhone aus dem Genfer See wird um 400 Sitz eines Bischofs und 1365 Sitz einer Universität Seit 1536 wirkt in G. Calvin reformatorisch. 1815 wird G. Mitglied der Eidgenossenschaft der → Schweiz. Im frühen 19. Jh. werden Privatrecht und Prozessrecht (1819) gesetzlich geregelt (→ Bellot). 1873 erlangt G. eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Cramer, J., Précis de l’histoire du droit genevois, 1761; Rivoire, É. u. a., Les sources du droit du canton du Genève, Bd. 1f. 1927ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,450, 3,2,1866; Histoire de Genève, hg. v. Guichonnet, P., 3. A. 1986

Genfer Konvention ist die (seit dem 22. 8. 1864) in Genf abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarung (z. B. zur Humanisierung des Kriegsrechts).

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Genosse → Genossenschaft

Genossenschaft ist die Personenvereinigung zur Erfüllung der von ihren Mitgliedern (Genossen) angestrebten Zwecke, insbe­sondere der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft mittels gemeinschaftlichen Ge­schäftsbetriebs. Ihre ältesten Formen betreffen die vielleicht von Verwandtschaften ausge­hende gemeinsame Nutzung von Land. Bedeutsam ist die mög­licherweise noch ins Frühmittelalter reichende → Markge­nos­sen­schaft. Besondere Erwähnung verdient auch die durch eidlich bestärkte Vereinbarung entstehende → Eidgenossen­schaft. Eine stärkere Verfestigung zeigt die im 12. Jh. sichtbare (als G. erklärbare) Stadtgemeinde. Genossenschaftlich organisiert sind im Hochmittelalter auch → Gemeinderschaft, → Zunft, Bruderschaft, → Universität, berg­rechtliche → Gewerkschaft, Waldge­nossen­schaft und Deichgenos­senschaft. In der frühen Neuzeit drängt der Einfluss der gelehrten Rechte die G. zugunsten der römisch­rechtlichen (lat. [F.]) → societas bzw. (lat. [F.]) → universitas zurück. Die hierauf gegründete Theorie des 19. Jh.s, dass die → juristische Person eine Fiktion sei, wird von Georg von → Beseler und Otto von → Gierke (Theorie der realen Verbandspersönlichkeit) bekämpft. In Preußen bzw. dem Norddeutschen Bund wird 1867/1868, in Österreich am 9. 4. 1873 ein Gesetz betreffend die G. (Gesellschaft mit offener Mitgliederzahl, bei Eintragung in das Genossenschaftsregister juristische Person) geschaffen (Konsumgenossenschaft, Raiffei­sengenossenschaft, Wohnungsbaugenossen­schaft).

Lit.: Hübner 123ff.; Köbler, DRG 96, 121, 174, 177, 207, 218; Köbler, WAS; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Solmi, A., Le associazioni in Italia, 1898; Haff, K., Zur Rechtsge­schichte der mittelalterlichen Transportgenos­senschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Weimann, K., Die Mark- und Walderbengenossenschaften des Niederrheins, 1911; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf, Bd. 1ff. 1957ff.; Schlosser, M., Genos­senschaften in der Grafschaft Ysenburg, 1956; Faust, H., Geschichte der Genossenschaftsbewegung, 1965; Bludau, K., Nationalsozialismus und Genossen­schaften, 1968; Laufs, A., Genossenschaftsdoktrin und Genossenschaftsgesetz­gebung vor 100 Jahren, JuS 1968, 311; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Schubert, W., Zur Entstehung der Genossenschaftsgesetze Preußens und des Norddeutschen Bundes (1863-1868), ZRG GA 105 (1988), 97; Hundert Jahre Genossenschaftsgesetz, hg. v. Institut für Genossenschaftswesen u. a., 1989; Akademie für deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse 4, Ausschuss für Genossenschaftsrecht, hg. v. Schubert, W., 1989; Hettrich, E./Pöhlmann, P., Genossenschaftsgesetz, 1995; Hardtwig, W., Genos­senschaft, Sekte, Verein, 1997; Helin, I., Vom Brodverein zur co op, 1998; Zinke, J., Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Weimarer Republik, 1999; Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Wilcken, C., Die Reformbestrebungen zum Genossenschaftsgesetz in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2000; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Schnei­der, R., Altrechtliche Personenzu­sammen­schlüsse, 2003

Genossenschaftsgesetz → Genossenschaft

Genozid (N., M.,) → Völkermord

Lit.: Grenke, A., Der Genozid in der Weltgeschichte, 2001; Genesis des Genozids, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2004; Barth, B., Genozid, 2006

gens (lat. {[F.]) Sippenverband, Volk

Gent an der Leie (7./8. Jh. [lat.] pagus [M.] Gandao) erscheint im 10. Jh. als Handelsort. Im 12. Jh. erlangen die Kaufleute wichtige Rechte. 1879 wird G. Sitz einer Universität.

Lit.: Oppermann, O., Die älteren Urkunden des Klosters Blandinium und die Anfänge der Stadt Gent, 1928; Werveke, H. van, Kritische studiën betreffende de oudste geschiedenis van de stad Gent, 1933; Werveke, H. van, De gentsche stadsfinanciën, 1934; Verhulst, A., De Sint-Baafsabdij te Genbt en haar grondbezit, 1958; Koch, A., Gentse keuren van vóór 1240, 1960; Verhulst, A., Die Frühgeschichte der Stadt Gent, FS Edith Ennen, 1972, 108; Gent, red. Decavele, J., 1989

Gentechnologie ist die auf die Gene der Lebewesen bezogene, in Deutschland seit 20. 6. 1990 gesetzlich geregelte Technologie.

Gentile ist der Angehörige eines Sippenver­bandes (lat. [F.] gens) im römischen Recht. Er ist nachrangig Erbe.

Lit.: Kaser § 12 I 1; Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 21

Gentili, Alberico (1552-1608) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia Richter in Ascoli. Auf der Flucht der Familie vor der Inquisition gelangt er 1581 nach Oxford (1587 Professor für civil law) und veröffentlicht vor allem bedeutende völkerrechtliche (kriegsrechtliche) Werke (De iure belli commentationes [F.Pl.] tres, 1588f., Drei Abhandlungen zum Kriegsrecht). Nach 1590 wird er als Anwalt tätig.

Lit.: Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133

gentry (engl.) Landadel (seit 15. bzw. 16. Jh.)

Lit.: Gentry, hg. v. Jones, M., 1986

Genua am südlichen Steilabfall der Alpen zum Mittelmeer kommt über Römer, Ostgoten, Byzantiner und Langobarden an die Franken. Seit dem 10. Jh. erlangt es eine eigene Verwaltung. Vielfach unter fremder Herrschaft, wird es 1815 mit dem Königreich Sardinien-Piemont (1861 Italien) vereinigt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Chiaudano, M., Contratti commerciali Genovesi, 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,162; Airaldi, G., Genova, 1986; Schweppenstette, F., Die Politik der Erinnerung, 2003

genus (lat. [N.]) Geschlecht, Gattung

Genus perire non censetur (lat.). Von einer Gattung wird nicht angenommen, dass sie untergeht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Genuss

Lit.: Menninger, A., Genuss im kulturellen Wandel, 2. A. 2008

Gény, François (1861-1959) kommt über Algier (1887) und Dijon (1892) nach Nancy (1901, 1905 ordentlicher Professor für bürgerliches Recht) und verfasst bedeutsame Studien über Natur und Methode des Privatrechts (Méthode d’interprétation et sources en droit privé positif, 1899, Science et technique en droit privé positif, 1913ff.).

Lit.: Dabin, J. u. a., Le centenaire du doyen François Geny, 1963

geometricus → mos geometricus

Georgenberger Handfeste ist die umfangreichere (von mehreren) Urkunde(n) über den am 17. 8. 1186 auf dem im Bereich der Stadt Enns liegenden St. Georgsberg (Georgenberg) (mündlich) abgeschlossenen Erbvertrag zwischen dem kinderlosen, kran­ken Herzog Otakar IV. von → Steiermark und Herzog Leopold V. von → Österreich, auf Grund dessen mit dem Tod Otakars IV. 1192 die Steiermark an Österreich fällt.

Lit.: Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Spreitzhofer, K., Die Georgenberger Handfeste, 1986

Gerade ist vielleicht schon im germanischen Recht die Ausrüstung der Braut für die Verheiratung (vgl. rhedo in der [lat.] Lex [F.] Thuringorum [802] und mahalareda in der [lat.] Lex [F.] Burgundionum [um 500]). Im Hochmittelalter umfasst sie im Verbreitungs­gebiet des Sachsenspiegels Schmuck, Kleider, Gefäße und Hausrat (Bett, Kiste, Gebetbuch, vielleicht Gänse, Enten, Schafe). Beim Tod des Hausvaters fällt sie (vor allem in der Stadt) als Voraus an die Ehefrau, beim Tod der Frau (vor allem auf dem Land) an eine bestimmte nichtverheiratete weibliche Verwandte (oder einen Geistlichen).

Lit.: Hübner 664, 739; Köbler, DRG 89, 123, 162; Hradil, P., Zur Theorie der Gerade, ZRG GA 31 (1910), 67; Frommhold, E., Das Recht der Gerade, Diss. jur. Leipzig 1934; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966; Ottenjohann, H., Das Sondervermögen „Gerade“, (in) Aus dem Leben gegriffen, 1995, 379; Gottschalk, K., Streit um Frauenbesitz, ZRG GA 114 (1997), 182

Gerber, Karl Friedrich Wilhelm (Ebeleben 11. 4. 1823-Dresden 23. 9. 1891) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Hänel, Albrecht, Puchta, Mittermaier, Vangerov) 1844 außerordent­licher Professor in Jena, 1847 ordentlicher Professor in Erlangen, 1851 Tübingen und 1863 Leipzig. 1871 wird er Kultusminister Sachsens. 1846 legt er eine Untersuchung über das wissenschaftliche Prinzip des →gemeinen deutschen Privat­rechts vor, in der er das deutsche Recht statt als Rechtsquelle als bloßes System von Rechts­gedanken (Geist des deutschen Rechts) versteht. Hierauf gründet er sein erfolgreiches romanistisch beeinflusstes Lehrbuch System des deutschen Privatrechts (1848/9), in dem er den Geist des deutschen Rechts in konkrete juristische Sätze fasst. 1852 lässt er die auf den Wil­lensäußerungen der Einzelnen als Glieder der Volksverbindung beruhende Unter­suchung über öffentliche Rechte folgen, die 1865 zu Grundzügen eines Systems des deutschen Staatsrechts (mit den vier Abteilungen Staatsgewalt [Willensmacht des Staates], Organe des Staates, [Formen der] Willens­äußerungen des Staates, Rechtsschutz) werden, die den → Staat als → juristische Person verstehen und die moderne deutsche Staatsrechtswissenschaft begründen.

Lit.: Köbler, DRG 205; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkon­stitutionalismus, 1993; Schmidt-Radefeldt, S., Carl Friedrich von Gerber (1823-1891), 2003; Bürger, J., Carl Friedrich Wilhelm von Gerber als sächsischer Kultusminister, 2007; Kremer, C., Die Willensmacht des Staates - Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des Carl Friedrich von Gerber, 2008

Gerechter Krieg (lat. bellum [N.] iustum) ist der gerechtfertigte Fall einer gewaltsamen Auseinandersetzung von Völkern oder Staaten. Nach Cicero (106-43 v. Chr.) begründen Rache und Vertreibung von Feinden allein den gerechten Krieg. In gleicher Weise anerkennt das Christentum (Augustinus 354-430) Verteidigung und Strafe als Grund eines gerechten Krieges, zu dem noch die rechte Gesinnung des Kriegführenden hinzukommen muss. Thomas von Aquin (um 1270) fordert die (lat. [F.]) auctoritas des Herrschers, den gerechten Grund und die rechte Einstellung. Francisco de Vitoria begründet die Lehre vom beiderseits gerechten Krieg. Nach Alberico Gentili (1588) schränkt Grotius (1583-1643) demgegenüber dahin ein, dass zwar nur einer der Kriegsführenden im Recht sein könne, beide aber in gutem Glauben streiten könnten. Im 18. Jh. wird auf eine Untersuchung von ungerechten Kriegen und gerechten Kriegen verzichtet. Im 19. Jh. herrscht die Lehre vom freien Kriegsführungsrecht der souveränen Staaten. Dagegen erfolgt nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918) eine Rückkehr zur Lehre vom gerechten Krieg, so dass der Angriffskrieg verboten wird.

Lit.: La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin 15; Tooke, J., The Just War in Aquinas and Grotius, 1965; Russel, F., The Just War, 1975; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

gerechter Preis → Preis

Gerechtigkeit ist das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens. Bereits Aristoteles (384-322 v. Chr.) unterscheidet die ausgleichende G. (lat. iustitia [F.] commutativa) zwischen den Einzelnen und die austeilende G. (lat. iustitia [F.] distributiva) zwischen Allgemeinheit und Einzelnen. Ulpian (170-223) erklärt die G. (lat. [F.] iustitia) als den ständigen Willen, jedem sein Recht dadurch zu gewähren, dass man ehrbar lebt, den anderen nicht verletzt und jedem das Seine gibt. Das Christentum bestimmt die G. durch die in der Natur sich zeigende göttliche Ordnung. Seit der Neuzeit versucht der Mensch die G. mit Hilfe der (der Natur des Menschen entsprechenden) Vernunft zu ermitteln. Die G. vollkommen zu verwirk­lichen, muss dabei wohl als wünschenswertes Ideal angesehen werden, das tatsächlich nicht oft genug erreicht wird.

Lit.: Köbler, DRG 2, 254; Frommhold, G., Die Idee der Gerechtigkeit in der bildenden Kunst, 1925; Simon, K., Abendländische Gerechtigkeitsbilder, 1948; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Kissel, O., Die Iustitia, 2. A. 1997; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Recht und Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, hg. v. Pleister, W. u. a., 1988; Manthe, U., Beiträge zur Entwicklung des antiken Gerechtigkeitsbegriffes, ZRG RA 114 (1997), 1; Gerechtigkeit, hg. v. Assmann, J. u. a., 1998; Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Prodi, P., Eine Geschichte der Gerechtigkeit, 2003; Hayek, F. v., Recht, Gesetz und Freiheit, 2003; Brüschweiler, A., Gerechtigkeit durch Ironisierung, 2003; Duvanel, L., La justice contractuelle, 2004; Schröder, J., Verzichtet unser Rechtssystem auf Gerechtigkeit?, 2005; Petersen, J., Nietzsches Genialität der Gerechtigkeit, 2008; Schlotmann, K., Recht und Gerechtigkeit im Werk Heinrich Bölls, 2008; Rüthers, B., Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, 3. A. 2009; Sutter, C., Flämische Gerechtigkeitsbilder, 2009

Gerhabe ist an manchen Orten eine mittel­alterliche Bezeichnung für den → Vormund.

Lit.: Haff, K., Gerhaben-Stellen aus unveröffentlichten Urkunden des Allgäus, ZRG GA 51 (1931), 512

Gericht ist die (staatliche) Einrichtung, welche die Entscheidung in Streitigkeiten durch Rechtsanwendung ausüben soll. Das altrömische Recht unterscheidet dabei (im Zivilverfahren) zwischen dem G. (lat. [N.] ius) und dem Richter (lat. [M.] iudex). Das G. findet auf dem Markt (lat. [N.] forum) vor dem zuständigen Magistrat (seit 367 v. Chr. lat. [M.] praetor) statt, der darüber entscheidet, ob die Rechtsordnung für das Begehren des Verfolgers einen Schutz (lat. [F.] actio) enthält und danach gegebenfalls unter Auswahl oder Auslosung seitens der Parteien den Richter ermittelt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) tritt an die Stelle von Magistrat und Richter der einheitliche öffentliche Amtsträger des → Kognitions­verfahrens, der untersucht und entscheidet. Bei den Germanen finden demge­genüber die Entscheidungen in Streitigkeiten anfangs vermutlich in der vom König oder mehreren Großen geleiteten → Volksver­sammlung un­ter freiem Himmel statt, wobei ein Entscheidungsvorschlag aus dem → Umstand vorgebracht wird. Im Frühmittelalter leitet zunächst der König oder der (fränkische) (lat.-ad. [M.]) → thunginus (Dingmann) die Versammlung auf dem → Malberg, und → Rachinburgen schlagen ein Urteil vor. Später verdrängt der → Graf den thunginus. Zwischen 770 und 780 ersetzt Karl der Große die Rachinburgen durch → Schöffen als Urteiler. Im geistlichen Gericht (Lüs. aus lat. [F.] correctio?) des fränkischen Reiches entsprechen dem Grafen und den Schöffen der Bischof bzw. Archidiakon bzw. Archi­presbyter und die Sendschöffen, bis seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 der gelehrte → Offizial des Bischofs als ständiger, ordentlicher (be­rufs­mäßiger) Einzelrichter, der selbst ent­scheidet, erscheint. Noch im Reichs­kammergericht (1495) ist der Richter grund­sätzlich nur Verhandlungsleiter und ist die Hälfte der Beisitzer (Assessoren) nur adlig und (zunächst) nicht rechtsgelehrt. Im Laufe der frühen Neuzeit wird das mehr und mehr in festen Gebäuden tagende G. aber zu Lasten der Laien zunehmend mit rechtsgelehrten Berufs­juristen besetzt und entscheidet (auch) der Richter. Dem­gegenüber belebt der Libe­ralismus des 19. Jh.s das Laienelement wieder (→ Schwur­gericht). In der Gegenwart ist in Deutschland die → Gerichtsbarkeit in unterschiedliche Zweige von Gerichten (or­dentliches Gericht, Arbeitsgericht, Finanz­ge­richt, Sozialgericht, Verfassungsgericht, Verwaltungsgericht) gegliedert. Diese sind in mehrere Instanzen gestuft (z. B. Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bayerisches Oberstes Landesgericht [bis 2004], Bundesgerichtshof). Die meisten der sehr vie­len Rechtsstrei­tig­keiten werden durch Berufsrichter entschieden.

Lit.: Kaser §§ 80ff.; Köbler, DRG 111, 116, 150; Köbler, WAS; Luschin von Ebengreuth, A., Geschichte des älteren Gerichtswesens in Österreich, 1879; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1 1889, Neudruck 1968, 1984; Das älteste Gerichtsbuch der Stadt Wiesbaden, hg. v. Otto, F., 1900; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung der Stadt Frauenburg (im Ermlande), ZRG GA 37 (1916), 313; Jecklin, C., Das Chorherrengericht zu Schiers, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft Graubündens 49 (1919); Pöhlmann, C., Gerichtssäule, ZRG GA 41 (1920), 387; Hillmann, H., Das Gericht als Ausdruck deutscher Kulturentwicklung im Mittelalter, 1930; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, 1938; Grosse, W., Land- und Godingstätten in den Schwabengaugrafschaften, Festschrift für Walter Möllenberg, 1939, 53; Grosse, W., Die mittelalterlichen Gerichte und Dingstätten im Harzgau, Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde 72 (1939), 1; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG 75 (1958), 108; Köbler, G., Richten, Richter, Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972; Krause, H., Mittelalterliche Anschauungen vom Gericht, 1974 (SB München); Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung 1869-1877, 1981; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Keller, O., Die Gerichts­organisation des Raumes Marburg im 19. und 20. Jahrhundert, 1982; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte, hg. v. Volkert, W., 1983; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Turner, R., The English Justiciary, 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 1985; Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Franz, E./Hofmann, H./Schaab, M., Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert, 1989; Das Oberste Gericht der DDR, 1989; Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Rose, M., Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert, 1994; Klemmer, K./Wassermann, R./Wessel, T., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in Sach­sen, 1995; Ishikawa, T. Das Gericht im Sachsenspiegel, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001; Lenzing, A., Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland, 2005; Höchstgerichte in Europa, hg. v. Auer, L. u. a., 2007; Gerichtskultur im Ostseeraum, hg. v. Knothe, H. u. a., 2007; Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Loroch, S., Zeitungsrubrik Gerichtssaal, 2009

Gerichtliche Medizin ist die rechtlich bzw. verfahrensrechtlich bedeutsame Medizin. Im Mittelalter werden allmählich ärztliche Sachverständige in das Verfahren vor Gericht eingeführt. Die erste bekannte richterliche Leichenöffnung findet in Bologna 1302 statt. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) behandelt die Bedeutung verständiger Frauen und verständiger Ärzte für das Strafverfahren allgemein. Im 18. Jh. erscheint die (lat.) medicina (F.) forensis als Vorlesung an den Universitäten. Eigene Lehrstühle folgen etwas später nach (Wien 1804, Prag 1807). 1901 wird im Deutschen Reich g. M. Pflichtfach des Studiums.

Lit.: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer, 1970; Bader, K., Ärztliche Sachverständige im Mittelalter, 1976

Gerichtsakte ist die (seit dem 14. Jh. einsetzende) → Akte eines Gerichts.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Gerichtsbarkeit ist die auf Verwirklichung der bestehenden Rechtsordnung gerichtete Tätigkeit (des Staates bzw. der Allgemeinheit) (Judikative). → Gericht

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Goldhardt, O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909; Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit, Bd. 1ff. 1952ff.; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, 2. A. 1958; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit in Baiern, ZRG GA 71 (1954), 242; Tomaschek, Die höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reiches im 15. Jahrhundert, 1965; Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich, 1967; Laufs, A., Die Anfänge einheitlicher höchster Gerichts­barkeit in Deutschland, JuS 1969, 256; Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch-Hall, 1971; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, Bd. 1 1975; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund 1806-1866, 1975; Rödel, U., Königliche Gerichtsbarkeit, 1979; Globig, G., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Schild, W., Geschichte der Gerichtsbarkeit, 1995; Oberste Gerichtsbarkeit und zentrale Gewalt im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Diestelkamp, B., 1996; Harendil, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Royer, J., Histoire de la justice en France, 1997; Albert, D., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998; Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002; Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004; Praxis der Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Arlinghaus, F., 2006; Murauer, R., Die geistliche Gerichtsbarkeit im Salzburger Eigenbistum Gurk im 12. und 13. Jahrhundert, 2009

Gerichtsbuch ist das bei einem → Gericht geführte Buch über gerichtliche Handlungen der streitigen oder freiwilligen Tätigkeit (z. B. Urteile, Rügen, Klagen, Protokolle, Vergleiche, Rechtsgeschäfte). Gerichtsbücher sind bei­spielsweise überliefert aus den Städten Worms, Bamberg, Bingen, Stralsund, Luckau und aus vielen Dörfern (z. B. Niederingelheim, Eppelsheim, Hamm, Er­polz­heim, vor allem in Bayern, Pfalz, Schlesien und Brandenburg).

Lit.: Rehme, P., Über Stadtbücher als Geschichtsquelle, 1913; Frommhold, G., Das Gerichtsbuch von Pfalzfeld, ZRG GA 47 (1927), 664; Schultheiß, W., Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und Franken, FS H. Liermann, 1964, 264

Gerichtsgebrauch ist die an einem oder mehreren Gerichten geübte besondere Art der Rechtsanwendung.

Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970

Gerichtsgefälle sind die an ein → Gericht zu erbringenden Leistungen (Gefälle). Sie dienen der Unterhaltung der mit der Gerichtsbarkeit betrauten Menschen. Zu ihnen gehört z. B. das Friedensgeld. Seit dem Mittelalter begegnen sich Geldleistungen für einzelne Gerichts­handlungen, wie beispielsweise auch für die Tätigkeit des → Gerichtsschreibers. Hieraus entwickeln sich bis zum Beginn der Neuzeit an vielen Stellen besondere Ordnungen für im voraus zu erhebende → Gebühren, die der im Verfahren Unter­liegende zu erstatten hat. Später finden die G. über den allgemeinen Staatshaushalt Verwen­dung zur Besoldung des Gerichtsper­sonals mit festen Gehältern.

Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 75ff.

Gerichtshof ist das mit mehreren Richtern besetzte (obere) Gericht bzw. ein Hof, an dem Gericht gehalten wird.

Lit.: Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone (1948-1950), ZNR 3 (1981), 158

Gerichtsmagistrat ist in Rom der für die Gerichtsbarkeit und damit für die Einsetzung von entscheidenden Gerichten zuständige Magistar (Prätor, kurulische Ädil,, Statthalter u. a.).

Gerichtsmedizin ist die für gerichtliche Zwecke notwendige medizinische Betrachtung.

Lit.: Lorenz, M., Kriminelle Körper – Gestörte Gemüter, 1999; Herber, F., Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, 2002

Gerichtsordnung ist die Gesamtheit der für ein → Gericht unmittelbar geltenden Rechts­sätze. Sie entwickelt sich aus dem von der Kirche geförderten Gedanken, dass ein rechtliches Verfahren in klarer Weise geordnet sein soll (lat. ordo [M.] iudiciarius). In der Neuzeit wird hieraus die → Prozessordnung.

Lit.: Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Meier, A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im Gebiete der heutigen Schweiz, 1910; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause 1975, 110; Dank, E., Die Appellationsvorschriften der bayerischen Gerichtsordnung von 1520, 1977; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978; Bader, K., Landes- und Gerichtsordnungen im Gebiet des Fürstentums Fürstenberg, FS G. Schmelzeisen, 1980, 9

Gerichtsschreiber ist der wohl seit dem 14. Jh. an einzelnen → Gerichten zur Aufzeich­nung von Rechtshandlungen bestellte beson­dere → Schreiber. Seine Rechtskenntnisse sind vielfach denen des ungelehrten Richters und der ungelehrten Schöffen überlegen. 1923/1927 wird im Deutschen Reich die Amtsbezeichnung G. durch Urkundsbeamter ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Battenberg, F., Gerichts­schreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1491, 1974; Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993

Gerichtsstab → Richterstab

Lit.: Rintelen, M., Der Gerichtsstab in den österreichischen Weistümern, FS H. Brunner, 1910, 631; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971

Gerichtsstand ist die örtliche, teilweise auch sachliche Zuständigkeit eines Gerichts. Nach dem G. entscheidet sich, ob eine an einem Gericht erhobene Klage zulässig ist. Der G. ist spätestens seit dem Hochmittelalter sehr bedeutsam.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Battenberg, F., Die Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige, 1983; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002

Gerichtsverfahren ist das vor und von → Gerichten durchgeführte Verfahren. Dabei wird bereits im altrömischen Recht zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren und zwischen Erkenntnisverfahren und Voll­streckungsverfahren unterschieden. Aller­dings setzt sich das G. nur langsam gegenüber der → Selbsthilfe des Verletzten durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich wird dabei die gerichtliche Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt ist auch in den germanischen Anfängen das G. gegenüber der → Selbsthilfe (→ Fehde) selten. König und Kirche fördern das G. seit dem Frühmittelalter. Auf die Klage des Verletzten und die Klagantwort des Beklagten entscheiden die unter der Leitung des → Richters versammelten → Schöffen den Streit durch ein meist zweizüngiges → Urteil. Entlastet sich der Beklagte nicht (durch Eid), so siegt der Kläger. Die Vollstreckung führt der Kläger selbst durch. Eine Überprüfung des Urteils steht nur dem König zu. Wohl erst im Hochmittelalter (str.) treten Zivilverfahren und Strafverfahren auseinander. Im Straf­verfahren gewinnt die amtliche Untersuchung an Bedeutung. Das Zivil­verfahren wandelt sich unter ober­italienisch-kanonistischem Einfluss (Schrift­lichkeit). Die Berufung (Appellation) an ein Obergericht wird möglich. In England ändert sich das G. am stärksten zwischen 1154 und 1272. In der Neuzeit erlangt eine Sonderstellung auch das Gebiet des sächsischen Rechts. Im 19. Jh. beeinflusst das freiere Verfahren der französischen Gesetze Zivil­prozess und Strafprozess in den deutschen Staaten.

Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 145; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Fowler-Magerl, I., Ordo iudiciorum vel ordo iudicicarius, 1984; Green, F., Verdict According to Conscience, 1985

Gerichtsverfassung ist die organisatorische Gestaltung der Rechtspflege. Sie ist anfangs ziemlich einfach, entwickelt sich aber seit dem hohen Mittelalter mit dem Übergang wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom König auf die Landesherren zu vielfältigen Gestaltungen. 1877/1879 wird im Deutschen Reich die partikuläre G. durch das Gerichts­verfassungsgesetz vereinheitlicht (Amtsge­richt, Landgericht, Oberlandes­ge­richt, Reichs­gericht, in Österreich Jurisdik­tionsnorm von 1895 mit Bezirksgerichten, Landesgerichten bzw. Kreisgerichten, Oberlan­deserichten und Oberstem Gerichtshof [in Wien]). → Gericht

Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 183, 200; Kühns, F., Geschichte der Gerichts­verfassung und des Prozesses der Mark Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Probst, K., Die Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichts­verfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsver­fassung Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der Carolina, Diss. jur. Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichts­verfassung Steiermarks, Archiv f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung des Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands 2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, 1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff, H./Wagner, A., Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877), 1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, Diss. jur. Regensburg 1999; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136

Gerichtsverfassungsgesetz → Gerichtsver­fas­sung

Gerichtsvollzieher ist seit dem 19. Jh. der mit den Zustellungen, Ladungen und Voll­streckungen zu betrauende Beamte. Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel, Fronboten oder Gerichtsdiener wahrgenom­men.

Lit.: Köbler, DRG 202; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Ziegler, H., Die Stellung des Gerichtsvollziehers in der Zwangs­vollstreckung nach dem Entwurf einer ZPO von 1931, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1936

Gerichtszeugnis ist vor allem die Aussage des → Gerichts (Richter und Schöffen) über Handlungen und Ereignisse vor Gericht. Das G. wird im Hochmittelalter häufig. Es erbringt vollständigen Beweis einer Behauptung und kann nicht gescholten werden. Sachlich kann ein G. auch in einer Gerichtsurkunde enthalten sein.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, 1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986

Germane ist der Angehörige der Völker, die sich von den Indogermanen abgespaltet haben und die besondere gemeinsame Sprache Germanisch sprechen. Die Germanen werden vielleicht in der ersten Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. in Norddeutschland (und Südskan­dinavien) sichtbar. Sie lassen sich in mehrere Großgruppen (z. B. Nordgermanen, Ostger­manen, Westgermanen, im Einzelnen str.) und viele kleinere, seit 325 v. Chr. im griechisch-römischen Schrifttum genannte Völker gliedern. Ihr nicht sicher deutbarer Name ist um 90 v. Chr. bei dem antiken Schriftsteller Poseidonios erstmals bezeugt. Seit dem 1. Jh. v. Chr. dringen sie nach Süden (Teutonen 102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr. bei Vercellae von den Römern geschlagen). Im 4. Jh. überwinden sie den ab 84 n. Chr. von den Römern gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] → limes) und brechen unter dem Druck der Hunnen ab 375 in der → Völkerwan­derung in das weströmische Reich ein. 476 setzt der Söldnerführer → Odowakar den weströmischen Kaiser Romulus Augus­tulus ab. Es entstehen im Zuge einer Umgestaltung der römischen Welt verschiedene Reiche einzelner, aus den G. hervorgegangener Stäm­me (Franken, Goten, Burgunder, Alemannen, Langobarden, Van­dalen, Angelsachsen). Das Wissen über die G. entstammt im Wesentlichen den römischen Schriftstellern (Caesar, Tacitus).

Lit.: Köbler, DRG 66; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Ross, D., The early history of landholding among the Germans, 1883; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Kossinna, G., Die Herkunft der Germanen, 1911; Roessingh, D., Het gebruik en bezit van den grond, 1915; Mayer, E., Germanische Geschlechtsverbände und das Problem der Feldgemeinschaft, ZRG GA 44 (1924), 30; Frahm, F., Cäsar und Tacitus als Quellen für die altgermanische Verfassung, Historische Vierteljahrs­schrift 24 (1928), 145; Koehne, C., Die Streitfragen über den Agrarkommunismus der germanischen Urzeit, 1928; Voltelini, H. v., Nordgermanische Grabfunde, ZRG GA 51 (1931), 111; Neckel, G., Liebe und Ehe, 1932; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Ostgermanen, 2. A. 1934; Höfler, O., Kultische Geheimbünde der Germanen, 1934; Gædeken, P., Retsbrudet, 1934; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Eckhardt, K., Irdische Unsterblichkeit, 1937; Schultz, W., Altgermanische Kultur, 4. A. 1937; Grönbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 1937ff.; Germanische Altertumskunde, hg. v. Schneider, H., 1938; Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Meyer, H., Das Wesen des Führertums in der germanischen Verfassungsgeschichte, 1938; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Westger­manen, 1938; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, ZRG GA 59 (1939), 1; Haller, J., Der Eintritt der Geermanen in die Geschichte, 1939; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1939; Kienle, R., Germanische Gemeinschaftsformen, 1939; Thaerigen, G., Die Nordharzgruppe der Elbgermanen, 1939; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, 2. A. 1940; Kramer, K., Die Dingbeseelung in der germanischen Überlieferung, 1940; Rehfeldt, B., Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, ZRG GA 71 (1954), 1; Scovazzi, M., Le origini del diritto germanico, 1957; Germanen, hg. v. Krüger, P., 5. A. 1988; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 2. A. 1977; Uslar, R. v., Die Germanen, 1980; Germanen­probleme aus heutiger Sicht, hg. v. Beck, H., 1986; Jacoby, M., Germanisches Recht und Rechtssprache zwischen Mittelalter und Neuzeit, 1986; Picard, E., Germanisches Sakralkönigtum?, 1991; Price, A., The Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996; Wolfram, H., Die Germanen, 1995, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998; Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Ernst, P./Fischer, G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause, A., Die Geschichte der Germanen, 2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio germanica. Die Sehnsucht nach der alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002; Bemmann, K., Arminius und die Deutschen, 2002; Maier, B., Die Religion der Germanen, 2003; Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003; Arminius und die Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003; Simek, R., Götter und Kulte der Germanen, 2004; Maier, G., Ämter und Aufträge in der Romania Gothica, 2004; Kakoschke, A., Germanen in der Fremde, 2004 (174 Fälle); Fruscione, D., Zur Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1; Rothenhöfer, P., Die Wirtschaftsstrukturen im südlichen Niedergermanien, 2005; Wiwjorra, I., Der Germanenmythos, 2006; Die Germanen in der Völkerwanderung, hg. v. Goetz, H. u. a., 2006; Timpe, D., Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit, 2006 (Aufsätze); Simek, R., Die Germanen, 2006; Ausbüttel, F., Germanische Herrscher, 2007; Feindliche Nachbarn - Rom und die Germanen, 2008; Bleckmann, B., Die Germanen, 2009

Germania (bzw. De origine et situ Germaniae) ist ein 98 n. Chr. (?) verfasstes Werk des römischen Schriftstellers Publius Cornelius Tacitus (um 55-nach 115, 97 Konsul). Die G. schildert das Naturvolk der Germanen als ein gegen den Sittenverfall in Rom nachzuahmendes Vorbild. Deshalb be­dürfen die Aussagen dieser für die germanische Zeit wichtigsten Geschichts­quelle sorgfältiger Prüfung. Überliefert ist die G. durch eine Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach Italien gebrachte und dort in ihrem die G. betreffenden Teil verschollene Sammel­hand­schrift des 9. oder 10. Jh.s.

Lit.: Müllenhoff, K., Die Germania des Tacitus, 1900, neuer Abdruck 1920; Norden, E., Die germanische Urgeschichte in Tacitus’ Germania, 1920; Lintzel, M., Germanische Monarchien und Republiken in der Germania des Tacitus, ZRG GA 54 (1934), 227; Melander, K., Tacitus Germania als Quelle der deutschen Frühgeschichte, 1940; Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967; Krapf, L., Germanenmythos und Rechtsideologie, 1979; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil 1f., hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989ff.; Wolfram, H., Die Ger­manen,1995, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Altes Germanien, hg. v. Goetz, H. u. a., 1995; Germania inferior, hg. v. Grünewald, T., 2001; Busch, J., Das Germanenbild der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Däumer, J., Aufstände in Germanien und Britannien, 2005; Riemer, U., Die römische Germanienpolitik, 2006; Schulz, M., Caesar zu Pferde, 2008

Germanisches Recht ist die Gesamtheit der bei den verschiedenen Stämmen der → Ger­manen geltenden Rechtssätze. Das germa­nische Recht ist infolge der bescheidenen Überlieferung nur teilweise bekannt oder erschließbar. Es ist vermutlich größtenteils als Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch einzelne Rechtssetzungsakte wahrscheinlich sind. Ein mythischer Gesetzgeber ist ebenso­wenig anzunehmen wie ein germanischer Rechtsgott. Die einzelne, in Raum und Zeit individuelle germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen An­gelegenheiten in der von einem König oder mehre­ren Vornehmen geleiteten → Volks­versammlung. Dort ergehen auch Urtei­le in Streitigkeiten. Eine allgemeine Ver­fol­gung findet nur bei wenigen Verhaltensweisen (Volksverrat, Unzucht) statt. In der Familie steht der Haus­vater an der Spitze. Die Ehe ist grundsätzlich Einehe und wird vom Gewalthaber über die Frau mit dem Mann abgeschlossen. Sie kann durch Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung des Mannes aufgelöst werden. Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder weiteren Verwandten. Ein Testament gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus und Hof auch Acker und Wiese einzeln zugeordnet sind und der Berechtigte über sie verfügen kann. Die wohl seltenen Tauschgeschäfte und Verga­bungen erfolgen als Handgeschäfte. Unrechts­erfolge ziehen die → Fehde nach sich, doch ist ein Ausgleich durch Leistungen, die teils an den Verletzten, teils an die Allgemeinheit gehen, möglich.

Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Grundriss der germanischen Philologie, hg. v. Paul, H., 1890 (Recht v. Amira, K. v.); Brunner, H., Deutsche Rechts­geschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958; Schreuer, H., Altgermanisches Sakralrecht, ZRG GA 34 (1913), 313; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Wiebrock, I., Die Sippe bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic Kinship Structure, 1983; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Kroeschell, K., Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme, 1986; Landau, P., Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage nationalistischer und völkischer Ideologie, (in) Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999

Germanist ist der sich mit den (Germanen und) Deutschen befassende Rechtswis­senschaftler oder Sprachwissenschaftler. Er steht in Gegensatz zum Romanisten. Die Unterscheidung entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.], De origine iuris Germanici, 1643, Hauschild 1741, Cg. [!] 1780 bzw.) 19. Jh. (Eichhorn, Grimm, Brunner). Sie verliert mit der Internationalisierung des Rechtes an Bedeutung.

Lit.: Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 101 (1984), 1; Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F. u. a., 1999, 327; Internationales Germanistenlexikon 1800 bis 1950, hg. v. König, C., 2003; Netzer, K., Wissenschaft aus nationaler Sehnsucht – Verhandlungen der Germanisten 1846 und 1847, 2006; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008

Gerüfte (Gerüft) ist im mittelalterlichen deutschen Recht die durch Geschrei erfolgende Verlautbarung eines (rechtswi­drigen) Geschehens (z. B. einer Vergewal­tigung) oder einer drohenden Gefahr. Dem G. ist zwecks Hilfestellung Folge zu leisten. Es befreit den Rufenden von dem Verdacht der Verheimlichung einer Tat.

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 190, 517; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964

Gesamtgläubigerschaft ist die Gläubiger­schaft, bei der jeder Gläubiger die gesamte Schuld verlangen kann, der Schuldner aber nur einmal zu leisten verpflichtet ist.

Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998

Gesamthand ist die Mehrheit von Menschen, denen ein Sondervermögen in besonderer Art und Weise (gesamthänderisch) zusteht. Vielleicht fällt in einfachen Gesellschaften der Nachlass eines Menschen an mehrere Erben allgemein in der Art und Weise an, dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass (und einzelnen Nachlassgegen­ständen) nicht (allein) verfügen kann. Jedenfalls deuten die mittelalterlichen Rechtsquellen auf eine derartige Gestaltung (zu gesamter Hand) in Deutschland (→ Gan­erbschaft, → Gemeinderschaft, → Handels­gesellschaft). In der frühen Neuzeit behandelt die Rechtswissenschaft diese Verbindungen meist als (lat. [F.]) → societas oder → communio. Daneben entwickelte sich seit dem Ende des 17. Jh.s für eheliche Gütergemeinschaft, Gesamtbelehnung, Gan­erb­schaft und Markgenossenschaft auch eine Vorstellung eines (lat.) dominium (N.) plurium in solidum (Eigentum mehrerer als Einheit). Im 19. Jh. versteht Georg → Beseler (1809-1888) unter der G. eine Gemeinschaft, die für bestimmte Beziehungen die Grenzen der Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe gleichmäßig über die den Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erwei­tert, ohne dass jedoch ein neues selb­ständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. In der Schweiz anerkennt Johann Caspar Bluntschli für das Privatgesetzbuch Zürichs (1854/1856) neben dem Miteigentum ein Gesamteigentum (vgl. Art. 652ff. ZGB 1907/1911). Nach dem Protest Otto von → Gierkes (1888/1889), dass ein Bürgerliches Gesetzbuch, das deutsch sein wolle, den deutschen, sozialen Gemein­schaftsgedanken nicht aus dem Recht weisen dürfe, wird die G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen die ge­meinsame Verfügung der mehreren Betei­ligten über den Gegenstand und die An­wachsung der Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die Be­rechtigungen der Verbleibenden) angese­hen werden, an einzelnen Stellen noch in die in Kraft gesetzte Fassung des deutschen → Bürgerlichen Gesetz­buches (1. 1. 1900) aufgenommen (Gesell­schaft, eheliche Güter­gemeinschaft, Erbenge­meinschaft). Die G. ist nicht juristische Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist streitig.

Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, 923; Frommhold, G., Zur Geschichte der gesamten Hand, ZRG GA 37 (1916), 504; Buchda, G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936; Seif, U., Die Gesamthand als Konstruktion der Germanistik, ZRG GA 118 (2001), 302; Wächter, T., Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002

Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzes­sion) ist die Nachfolge in einen Inbegriff von Vermögensgegenständen ohne einzelne Übertragungsakte. Sie ist schon dem römi­schen Recht bei der → Erbfolge bekannt. An tatsächlicher Bedeutung wird sie aber von der im Übrigen vorgesehenen Einzelrechts­nachfolge übertroffen.

Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Gesamtschuld ist die Schuld, die mehrere in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung insgesamt nur einmal zu fordern berechtigt ist. Sie ist bereits im klassischen römischen Recht (lat. [N.] [debitum] in solidum) zumindest in den Wurzeln angelegt (Celsus D. 31, 16 frühes 2. Jh., Papinian E. 2. Jh.) und in der Kompilation Justinians (527-534) von der Stipulation aus verallgemeinert. Wegen ihrer Brauchbarkeit für den Gläubiger mehrerer Schuldner hat sie sich bis zur Gegenwart behauptet.

Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität); Schmieder, P., Duo rei. Gesamtobligationen im römischen Recht, 2007

Gesandter ist der diplomatische Vertreter eines Staates bei einem anderen Staat oder einer internationalen Organisation. Bereits im römischen Recht ist der fremde Gesandte wegen der Wichtigkeit auswärtiger Bezie­hungen unverletzlich. Im 15. Jh. wird in Italien der stän­dige Gesandte geschaffen. Im 19. Jh. wird das diesbezügliche Völkerrecht genauer ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3. 1815, Aachener Protokoll vom 21. 11. 1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18. 4. 1961).

Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter, 1892; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2003; Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie, hg. v. Zey, C. u. a., 2008

Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, mit rechtlicher Wirkung durch eigene Handlung Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Sie wird bereits vom römischen Recht dem Kind (lat. [M.] infans) (unter 7) abgesprochen. Der etwas ältere Unmündige (lat. [M.] impubes infantia maior) kann rechtlich unvorteilhafte Geschäfte nur mit Einverständnis des Vormundes vornehmen. Um 200 v. Chr. sieht eine (lat.) lex (F.) Laetoria vor, dass die noch nicht 25jährigen geschützt werden, woraus die Möglichkeit entwickelt wird, durch Wiederherstellung des früheren Zustandes (lat. in integrum restitutio [F.]) die Leistungen und sonstigen benachteiligenden Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Im germa­nischen Recht steht das Kind bis zu seiner Verselbständigung unter der Hausgewalt des Hausvaters oder bis zur Wehrhaftmachung bzw. Geschlechtsreife unter der Hausgewalt des Vormundes. Zwar sind die Geschäfte von Unmündigen wohl an sich wirksam, aber die Unmündigen können die von ihnen oder vom Inhaber der Personalgewalt getätigten Ge­schäfte nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen und umgekehrt Geschäfte, durch die sie verpflichtet werden, nicht erfüllen, solange ihr Vermögen von einem Gewalt­haber verwaltet wird. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter werden dessen Regeln (abgeändert) übernommen. Geschäfte der Geschäfts­un­fähigen sind nichtig (Kinder unter 7, Entmündigte, Geisteskranke), Geschäfte der beschränkt Geschäftsfähigen bedürfen der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Der Ausdruck G. wird am 12. 7. 1875 in Preußen verwendet.

Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minder­jährigen, 1983; Wolter, U., Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, 1991; Benöhr, H., Über Udo Wolters Buch zu Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, ZRG GA 112 (1995), 413; Minzenmay, S., Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht des 17. Jahrhunderts, 2003

Geschäftsführung ohne Auftrag ist das gesetzliche, unvollkommen zweiseitige Schuldverhältnis, das dadurch entsteht, dass ein Geschäftsführer (ohne Auftrag) für einen anderen (Geschäftsherrn) ein Geschäft besorgt, obwohl zwischen ihnen noch kein Rechtsverhältnis (Auftrag) besteht. Die G. o. A. (lat. negotia [N.Pl.] gesta, geführte Geschäfte) ist im römischen Recht entsprechend ihrer Stellung im Edikt des Prätors vermutlich von der Vertretung (eines abwesenden Freundes) im Rechtsstreit ausgegangen. Die Verpflich­tungen aus der Tätigkeit (Herausgabe des vom Geschäfts­führer Erlang­ten, Ersatz der Aufwendungen des Geschäftsführers) werden wie beim Auftrag auf die Treue (lat. [F.] fides) begründet. Justinian ordnet die G. o. A. als Quasikontrakt ein. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird die G. o. A. als gesetzliches Schuldverhältnis in Deutschland übernommen.

Lit.: Kaser § 44 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 47; Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 98; Sippel, H., Geschäftsführung ohne Auftrag, 2005

Geschäftsgrundlage → clausula rebus sic stantibus

Lit.: Zirker, M., Vertrag und Geschäftsgrundlage, 1996; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002; Huang, Z., Zur Lehre von der Geschäftsgrundlage nach altem und neuem Recht, 2009

Geschäftsordnung ist die einer Geschäfts­führung einer Gruppe von Menschen zugrun­degelegte Ordnung.

Lit.: Hayungs, C., Die Geschäftsordnung des hannover­schen Landtages, 1999

Geschäftsunfähigkeit → Geschäftsfähigkeit

Geschäftszeuge ist der zu einem Geschäft als → Zeuge zugezogene Mensch. Er findet sich bereits im frühen römischen und im germanischen Recht. Mit Vordringen der Schriftlichkeit verliert er seit dem Hochmittel­alter an Bedeutung.

Lit.: Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922

Geschichte ist das in der Dimension Zeit Geschehene und die damit befasste Wissenschaft (Anfänge bei [Eunapios, ]Herodot und Thukydides in der griechischen Antike). Besondere Gebiete der G. sind beispielsweise das Recht, die Gesellschaft oder die Wirtschaft. Methode der G. ist das Verstehen des Vergangenen durch den gegenwärtigen Betrachter.

Lit.: Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, 1858; Below, G. v., Die deutsche Geschichtsschreibung, 1916; Rothenbücher, K., Über das Wesen des Geschichtlichen, 1926; Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1ff. 1938ff.; Brandenburg, E., Der Begriff der Entwicklung, 1941 (SB Leipzig); Weis, E., Geschichtsschreibung und Staatsauffassung in der französischen Enzyklopädie, 1956; Dahlmann/Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte, 10. A. Bd. 1f. 1969ff.; Fuchs, K./Raab, H., Wörterbuch Geschichte, 11. A. 1998; Baumgart, W., Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte, 15. A. 2003; Brandt, A., Werkzeug des Historikers, 1958, 17. A. 2007; Postel, R., Johann Martin Lappenberg, 1972; Meister, K., Die griechische Geschichtsschreibung, 1990; Simon, C., Historiographie, 1996; Demandt, A., Geschichte der Geschichte, 1997; Burkardt, J., Die historischen Hilfswissenschaften in Marburg, 1997; Iggers, G., Deutsche Geschichtswissenschaft, 4. A. 1997; Hauptwerke der Geschicht­schreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Das europäische Geschichtsbuch, 1998; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des positiven Rechts, 1998; Goetz, H., Geschichts­schreibung und Geschichtsbewusstsein, 1999; Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhunderte, hg. v. Gall, L., 1999; Chun, J., Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, 2000; Geschichtskultur, hg. v. Müt­ter, B. u. a., 2000; Mehl, A., Römische Ge­schichtsschreibung, 2001; Kompass der Geschichts­wissenschaft, hg. v. Lottes, G. u. a., 2001; Internet-Handbuch Geschichte, hg. v. Jenks, S. u. a., 2001; Wolfrum, E., Geschichte als Waffe, 2001; Die Nation schreiben, hg. v. Conrad, C. u. a., 2002; Geschichts­wissenschaft um 1950, hg. v. Duchhardt, H., 2002; Lexikon Geschichtswissenschaft, hg. v. Jordan, S., 2002; Geschichte(n) der Wirklichkeit, hg. v. Land­wehr, A., 2002; Kompass der Geschichtswissenschaft, hg. v. Eibach, J. u. a., 2002; Fellner, F., Geschichtsschreibung und nationale Identität, 2002; Formen römischer Geschichts­schreibung von den Anfängen bis Livius, hg. v. Eigler, U., 2003; Howell, M./Prevenier, W., Werkstatt des Historikers, 2004; Freytag, N./Piereth, W., Kursbuch Geschichte, 2004; Griff nach der Deutungsmacht, hg. v. Winkler, A., 2004; Geschichtspolitik, hg. v. Fröhlich, C. u. a., 2004; Wozu Geschichte(n)?, hg. v. Sommer, A. u. a., 2004; Fried, J., Der Schleier der Erinnerung, 2004; Herbst, L., Komplexität und Chaos, 2004; Schramm, G., Fünf Wegscheiden der Weltgeschichte, 2004; Fasolt, C., The Limits of History, 2004; Henning, E., Auxilia historica, 2. A. 2004; Clemens, G., Sanctus amor patriae, 2004; Zwenger, T., Einführung in die Geschichtsphilosophie, 2005; Tschopp, S., Das Unsichtbare begreifen, HZ 280 (2005), 39; Geschichtsdarstellung, hg. v. Borsò, V. u. a., 2005; Baberowski, J., Der Sinn der Geschichte, 2005; Nolte, H., Weltgeschichte, 2005; Geschichte für Leser, hg. v. Hardtwig, W. u. a., 2005; Völkel, M., Geschichtsschreibung, 2005; Historische Hilfswis­senschaftenm hg. v. Diederich, T. u. a., 2005; Nagel, A., Im Schatten des Dritten Reichs, 2005 (Mayer, Aubin, Baethgen, Heimpel, Grundmann, Tellenbach, Schlesinger, Bosl, Beumann); Fellner, F. u. a., Öster­rei­chische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2006; Christ, K., Klios Wandlungen. Die deutsche Althistorie, 2006; Hasberg, W., Didaktik der Geschichte, 2006; Pape, J., Der Spiegel der Vergangenheit, 2006; Völkel, M., Geschichtsschrei­bung, 2006; Große, J., Kritik der eschichte, 2006; Timpe, D., Antike Geschichtsschreibung, 2007; Langewiesche, D., Zeitwende. Geschichts­denken heute, hg. v. Plaert, U. u. a., 2008; Öster­reichische Historiker 1900-1945, hg. v. Hruza, K., 2008; Geschichte, hg. v. Budde, G. u. a., 2008; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, 2. A. 2001; Henning, E., 175 Fragen & Antworten rund um die historischen Hilfswissenschaften, 2009; WBG Weltgeschichte, hg. v. Demel, W. u. a., Bd. 1ff. 2009ff.; Nolte, H., Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2009; Daniels, M., Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2009; Geschichte schreiben, hg. v. Rau, S. u. a., 2009; 150 Jahre Geschichtsforschung, 2009; Historiographie an europäischen Höfen,  hg. v. Völkerl, M. u. a., 2009

Geschlecht

Lit.: Stoob, H., Die dithmarsischen Geschlechterver­bände, 1951; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1; Geschlechterbeziehungen in Ostmit­tel­europa nach dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Kraft, C., 2008

Geschlechtsvormundschaft → Vormund­schaft, Frau

Lit.: Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesell­schaft, ZRG GA 116 (1999), 119

Geschmacksmuster ist das ästhetisch wirkende gewerbliche Muster oder Modell, das durch Gesetz zugunsten des Urhebers besonders geschützt ist. Seine Anfänge gehen auf Zunftordnungen in Florenz (1418), Genf (1432), Flandern und Burgund zurück. Staatliche Regelungen werden im 18. Jh. in Frankreich (1711, 1744) und England (1787) erlassen. Eine Unterscheidung zwischen Kunstwerk und G. findet Frankreich (1787, 1806). In Deutschland wird am 11. 1. 1876 das Geschmacksmustergesetz geschaffen.

Lit.: Schmid, P., Die Entwicklung des Geschmacks­musterschutzes, 1896; Werner, H., Die Geschichte des deutschen Geschmacksmusterrechtes, Diss. jur. Erlangen 1954

Geschworener (lat. [M.] iuratus) ist der Mensch, der einen Schwur (→ Eid) abgelegt hat (, eine Handlung rechtmäßig auszu­führen). Geschworene treten im römischen Recht und auch im Frühmittelalter im deutschen Recht auf. Insbesondere Inhaber eines Amtes müssen einen Eid leisten, ihr Amt rechtmäßig auszuüben (z. B. Richter, Schöffe, Bürger­meister, Ratmann). Im 19. Jh. wird das → Schwurgericht mit besonderen Geschwo­renen besetzt.

Lit.: Söllner §§ 8, 9, 11; Köbler, DRG 263; Biener, F., Beitrag zur Geschichte des Inquisitionsprozesses und der Geschworenengerichte, 1827, Neudruck 1965; Gneist, R. v., Die Bildung der Geschworenengerichte in Deutschland, 1849, Neudruck 1967; Mayer, E., Geschworenengericht und Inquisitionsprozess, 1916; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Behrends, O., Die römische Geschwo­renenverfassung, 1970; Kleinz, A., Individuum und Gemeinschaft in der juristischen Germanistik, 2001

Geschworenengericht ist in Österreich bis 1993 das Gericht, in dem seit 18. 5. 1848 Laien (Ge­schworene, zunächst nur in Pressedelikten, in sonstigen Delikten 17. 1. 1850, 1852 abgeschafft, wiedereingeführt für Pressedelikte mit Gesetz vom 9. 3. 1869, allgemein ab 23. 5. 1873) allein über die Schuld­frage zu entscheiden haben (aufge­hoben vom 19. 6. 1934-22. 11. 1950).

Lit.: Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004

Geselle ist ursprünglich der Mensch, der im selben Raum lebt. Im 18. Jh. wird G. zur Bezeichnung des Handwerkers, der nach einer Lehrzeit eine Prüfung bestanden hat und noch nicht Meister ist.

Lit.: Köbler, WAS; Schanz, G., Zur Geschichte der deutschen Gesellenverbände, 1877; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Reininghaus, W., Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter, 1981; Historische und rechtshistorische Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Wesoly, K., Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985

Gesellschaft ist die Gesamtheit von Men­schen, insbesondere im Privatrecht die Vereinigung mehrerer Menschen (aus­nahmsweise nach neuerer Entwicklung auch die Tätigkeit eines einzigen Menschen) durch Rechtsgeschäft zur Erreichung eines (gemeinsamen) Zweckes. Im altrömischen Recht schließt sich die G. an die Haus­erbengemeinschaft (lat. [N.] → consortium, ohne persönliche Haftung der Gesellschafter) an. Daneben entwickelt sich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ein formfreier Zusammenschluss zu gemeinschaftlichen Handelsunternehmungen. Aus beiden entsteht die G. (lat. [F.] → societas). Wohl auch im Anschluss an die Miterbengemeinschaft bilden sich im Hoch­mittelalter vertragliche Zusammen­schlüsse zu Handelszwecken unterschied­licher Ausge­staltung (stille G., offene G., beschränkte Haftung, unbe­schränkte Haftung, Mitarbeit, Kapitaleinsatz, wahrscheinlich persönliche Haftung des Gesellschafters, erstmals jedenfalls ange­ordnet in Stadtrechts­reformationen). Hieraus werden allmählich die offene Handels­gesellschaft, die Kommanditgesell­schaft und die stille G. Nach Entdeckung der neuen Welt bewirken hoher Kapitalbedarf und großes Risiko die Ausbildung der → Aktien­gesellschaft (An­fang 17. Jh.). In den Kodifikationen zwischen 1794 und 1811 wird das Gesell­schafts­vermögen zum eigenen Haftungsvermögen. Im 19. Jh. wird das Recht der G. genauer geregelt (Code de commerce, ADHGB 1861). 1892 wird durch Gesetz eine besondere → G. mit beschränkter Haftung geschaffen. Die Grundform der nicht­rechtsfähigen G. wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) als → Gesamthand ausgestaltet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird zunächst bei der G. mit beschränkter Haftung die → Einmann­gesellschaft zugelassen, 2001 die Teilrechts­fähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit einer bürgerlichrechtlichen Außengesellschaft anerkannt.

Lit.: Kaser § 43; Hübner § 41; Köbler, DRG 14, 17, 29, 45, 46, 51, 64, 67, 98, 121, 135, 146, 167, 176, 207, 225, 252; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 801; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895, Neudruck 1968; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1898; Silberschmidt, W., Beteiligung und Teilhaberschaft, 1915; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Servos, R., Die Personenhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesell­schaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 107; Misera, K., Klagen manente societate, FS R. Nirk, 1992, 697; Reiter, H., Die Handelsgesellschaft Villeroy & Boch, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Gall, L., Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997; Cordes, A., Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, Diss. jur. Bonn 2000; Hofmeister, J., Die Entwicklung des Gesellschafterwechsels, 2002; Thomas, F., Die persönliche Haftung von Personenge­sellschaftern, 2003; Meissel, F., Societas, 2004; Weiss, M., Rechts­fähigkeit, Parteifähigkeit und Haftungsordnung der BGB-Gesellschaft, 2005; Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Rei­nalter, H., 2005; Jahntz, K., Privilegierte Handelscompagnien in Brandenburg und Preußen, 2006; Hasselmann, N., Die Lehre Ulmers zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2007; Oechsler, J., Die Geschichte der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, NJW 2008, 2471

Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die einfacher gestaltete, rechtsfähige Kapi­talgesellschaft, die 1892 im Deutschen Reich (Österreich 6. 3. 1906) durch besonderes Gesetz geschaffen wird und die im 20. Jh. beachtliche Verbreitung erfährt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 218, 272; Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589; Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, hg. v. Schubert, W., 1985; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Ausschuss für GmbH-Recht, 1986; Stroth, R., Das Recht der GmbH, Diss. jur. Tübingen 1991; Koberg, P., Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Stupp, M., GmbH-Recht im Nationalsozialismus, 2002; Kalss, S./Eckert, G., Zentrale Fragen des GmbH-Rechts, 2005

Gesellschafter ist das Mitglied einer (wirtschaftlichen) Gesellschaft.

Gesellschaftsrecht ist die Gesamtheit der (handelsrechtliche) → Gesellschaften betref­fenden Rechtssätze. Das G. verselbständigt sich als besonderes Rechtsgebiet seit dem 19. Jh.

Lit.: Adler, K., Zur Entwicklungslehre und Dogmatik des Gesellschaftsrechts, 1895; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2969; Neuere Tendenzen im Gesell­schaftsrecht, hg. v. Crone, H. v. d., 2003; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v. Gepken-Jager, E. u. a., 2005; Wörner, B., Adelbert Düringers Einfluss als Richter am Reichsgericht, 2007; Hein, J. v., Die Rezeption US-amerikanischen Gesell­schaftsrechts in Deutschland, 2008

Gesellschaftsvertrag ist politisch der von den Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zur Beseitigung des Kampfes aller gegen alle (idealtypisch) geschlossene Vertrag (Jean Jacques → Rousseau, [frz.] contrat [M.] social), durch den sich jeder Einzelne verpflichtet, sich dem allgemeinen, auf das allgemeine Wohl ausgerichteten Willen zu unterwerfen, privatrechtlich der zwischen den Gesellschaftern einer → Gesellschaft abge­schlossene Vertrag.

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 191; Crezelius, G., Neu­zeitliche Gesellschaftsverträge, 1987

Gesetz ist die abstrakte und allgemeine, in einem festgelegten Verfahren durch Fest­setzung geschaffene rechtliche Regelung. Sein Kern ist die bewusste Festsetzung eines Inhaltes durch besondere Handlung. Als G. erscheint - (nach dem Codex Urnammu des Königs Urnammu von Lagusch [Ur, um 2100 v. Chr.] und dem Codex des babylonischen Königs → Hammurapi [1728-1686 v. Chr. ],) nach den Festsetzungen → Lykurgs, → Solons und → Drakons in griechischen Stadtstaaten sowie nach sagenhaften römischen Königs­gesetzen - in Rom 451/450 v. Chr. in das → Zwölftafelgesetz (lat. lex [F.] duodecim tabularum). In der Folge gibt es zahlreiche römische, jeweils nach ihrem Urheber benannte Einzelgesetze (→ lex). Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) greift der Herrscher (Prinzeps, Kaiser) vielfach zur Festsetzung (lat. [F.] constitutio), um das Recht zu gestalten. Dabei werden am Ende des Altertums umfassende, älteres Recht aber nur kompilierende Gesetzbücher (lat. [M.Pl.] codices) in Kraft gesetzt (→ Codex Theodosianus, → Codex). Demgegenüber ist bei den Germanen die Setzung von Recht wohl selten. Die fränkischen Herrscher schließen deshalb in Konstitutionen und Kapitularien eher an römische Vorbilder an. Im 12. Jh. tritt der Setzungsgedanke wieder hervor (→ Land­friede). Er bleibt im Heiligen römischen Reich aber wegen der Schwäche des Königs bzw. Kaisers und der damit verbundenen Schwerfälligkeit des Gesetzge­bungsverfahrens eher Ausnahme. Dagegen wird der absolutistische Landesherr vielfach gesetzgeberisch tätig. Die gewich­tigsten Zeugnisse dieses Wirkens sind die → Polizeiordnungen, → Reformationen und vor allem die naturrechtlichen Gesetzbücher (→ Kodifikationen) der Wende vom 18. zum 19. Jh. ([Bayern 1751-1756], preußisches Allge­meines Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811/­1812). Mit dem 19. Jh. beginnt eine noch immer steigende, vom Rechtsstaatsgedanken und der beachtlichen Vergütung der gesetzgebe­rischen Tätigkeit der Abgeordneten und ihrer Gehilfen nicht unwesentlich beeinflusste Gesetzesflut.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 4, 6, 31, 50, 52, 78, 101, 138, 181, 189, 199, 254; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 863; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre, 1924; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Kopp, H., Inhalt und Form der Gesetze, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Kirschenmann, D., „Gesetz“ im Staatsrecht und in der Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus, 1970; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Genicot, L., La Loi, 1977; Willoweit, D., Gesetzes­publikationen und verwaltungsinterne Gesetzgebung, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 601; Berman, H., Law and Revolution, 1983; Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im neunzehnten Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104; Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987; Karpen, U., Entwicklung des Gesetzesbegriffes in Deutschland, Gedächtnis­schrift W. Martens, 1987; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz (1919-79), ZRG GA 106 (1989), 46; Das Gesetz in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1992; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit, 1996; Schilling, L., Gesetzgebung im Frankreichs Ludwigs XIII., Ius commune 24 (1997), 91; Simon, T., Krise oder Wachstum?, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Weber, R., Das Gesetz bei Philon von Alexandria und Flavius Josephus, 2001; Igwecks, T., Die drei Lesungen von Gesetzen im deutschen Bundestag, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004; Schröder, J., Gesetz und Naturgesetz in der frühen Neuzeit, 2004; Gesetz und Vertrag, hg. v. Behrends, O. u. a., 2004ff.; Schilling, L., Normsetzung in der Krise, 2005; Alexandrino Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005 Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006; Der biblische Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O., 2006; Schennach, M., Zuschreiben von Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133; Transformation des Gesetzesbegriffs im Übergang zur Moderne? hg. v. Walther, M. u. a., 2008

Gesetzblatt ist das amtliche Druckwerk, in dem Gesetze (und Rechtsverordnungen) zu veröffentlichen sind (z. B. Frankreich 4. 12. 1793 Bulletin des lois de la république, Bayern 1799 Kurbayrisches Regierungs- und Intelligenzblatt, Baden 1803 Kurfürstliches Regierungsblatt, Württemberg 1807 König­lich württembergisches Staats- und Regie­rungsblatt, Westphalen 1807, Großher­zogtum Hessen 1808 Großherzoglich Hessische Zeitung, Preußen 1810 Gesetzessammlung, Mecklenburg-Schwe­rin 1812, Oldenburg 1814, Hannover 1818, Sachsen 1818, Österreich 1. 10. 1849 Allgemeines Reichs-Ge­setz­- und Regierungsblatt für das Kai­sertum Ö., Schleswig-Holstein 1849).

Lit.: Silvestri, G., Die deutschsprachigen Gesetzblätter Österreichs, 1967; Willoweit, D., Gesetzespubli­kationen und verwaltungsinterne Gesetzgebung in Preußen vor der Kodifikation, Gedächtnis­schrift H. Conrad 1979, 601; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003

Gesetzbuch ist das umfassende Gesetz. Es findet sich bereits im Altertum (Codex Theodosianus, Codex Justinianus). Danach erscheint es wieder in der frühen Neuzeit (z. B. ALR, Code civil, ABGB usw.).

Lit.: Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003

Gesetzesauslegung → Auslegung, → Interpretation, → Gesetz

Lit.: Wesel, U., Rhetorische Statuslehre und Gesetzesauslegung der römischen Juristen, 1967; Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987

Gesetzespositivismus ist die Form des Positivismus im Recht, die im letzten Drittel des 19. Jh.s das Recht allein auf das den Volkswillen verkörpernde → Gesetz gründet. Der G. geht davon aus, dass das ordnungs­mäßige Zustandekommen des Gesetzes Willkür ausschließt und Gerechtigkeit gewährleistet. Deshalb bindet er den Richter fest an das Gesetz.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 189

Gesetzessammlung, Gesetzsammlung, ist die Zusammenstellung von einzelnen Gesetzen zwecks Vermehrung der Rechtssicherheit. Sie erfolgt im Altertum zunächst privat (→ Codex Gregorianus 294, → Codex Hermogenianus) und danach im besonderen Gesetzbuch (→ Codex Theodosianus, → Codex). Auch in der Neuzeit erweisen sich teils amtliche, teils private Gesetzes­sammlungen als notwendig oder sinnvoll.

Lit.: Köbler, DRG 181; Codex Austriacus, 1704, 1748, 1752, 1777; Justizgesetzsammlung (Österreichs), 1780-1848; Politische Gesetzsammlung (Österreichs) 1793-1848; Quellensammlung zum deutschen Reichs­staatsrecht, hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931

Gesetzessprecher ist der für Island (930-1262/1271) gesicherte bzw. abgeändert auch für Norwegen (um 1100) und Schweden wahrscheinliche, auf Zeit oder Lebenszeit gewählte Rechtskundige, der in der Volksversammlung (→ Ding) das Recht mündlich vorträgt. Die Herkunft des Gesetzessprechers ist unbekannt. In Island verschwindet der G. im 13. Jh. wieder.

Lit.: Köbler, DRG 70; Maurer, K., Das Alter des Gesetzessprecheramtes in Norwegen, FG L. Arndt, 1875, 1; Schröder, R., Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Lehmann, K., Zur Frage nach dem Ursprunge des Gesetzsprecheramtes, ZRG GA 6 (1885), 193; Haff, K., Der germanische Rechtssprecher als Träger der Kontinuität, ZRG GA 66 (1948), 364; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 44, 82, 107, 195

Gesetzesumgehung → Umgehungsgeschäft

Lit.: Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesum­gehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004

Gesetzgeber ist der Urheber eines → Gesetzes. In monarchisch geprägten Zeiten ist dies der → Monarch (z. B. Augustus, Diokletian, Justinian), in demokratisch strukturierten Gesellschaften das → Parlament als die Vertretung des Volkes.

Lit.: Kleeberger, W., Die Aufgaben der bayerischen Gesetzgebung in der Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. München 1958; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Hesse, H., Gesetzgeber und Gesetzgebung in Bayern 1848-1870, 1984; Kipper, E., Johann Paul Anselm Feuerbach, 2. A. 1989; Kummerer, C., Der Fürst als Gesetzgeber in den lateinischen Übersetzungen von Averroes, 1989; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Miersch, M., Der sogenannte réferé législatif. Eine Untersuchung zum Verhältnis Gesetzgeber, Gesetz und Richtermat, 2000

Gesetzgebung ist die Schaffung eines (formellen) → Gesetzes. Sie ist im Altertum in erheblichem Umfang üblich. Im Frühmittelalter ist sie möglich. Im Hoch­mittelalter wird sie verstärkt aufgegriffen. Dabei entsteht im Umkreis der oberitalienischen Städte auf der Grundlage der von der Scholastik aufgenommenen Politik des Aristoteles die erste Gesetz­gebungslehre, welche die Gesetz­ge­bung in die Mitte der Regierungstätigkeit des Fürsten stellt, aber nördlich der Alpen erst am Ausgang des Mittelalters wirksam wird. Die größte Bedeutung erlangt die G. seit dem Absolutismus und der Aufteilung der Gewalten sowie der Anerkennung des Rechtsstaats. Ab 1888 entwickelt sich in Deutschland eine eigenständige Methodenbe­wegung legislative Rechtswissenschaft (Ru­dolf Stammler), seit etwa 1970 eine Gesetzgebungslehre.

Lit.: Köbler, DRG 191; Niese, H., Die Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hartz, W., Die Gesetzgebung des Reichs und der weltlichen Territorien in der Zeit von 1495-1555, Diss. phil. Marburg, 1931; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Gagnér, S., Studien zur Geschichte der Gesetzgebung, 1960; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963; Wolf, A., Typen der Gesetzgebung im Mittelalter, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation im späten Absolutismus, HZ 208 (1969), 265; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Ziller, G., 30 Jahre Bundesgesetz­gebung, (in) Bulletin der Bundesregierung 11. September 1979, Nr. 103, 960; Kussmaul, P., Pragmaticum und lex, 1981; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Kocher, G., Zur Funktion der Gesetzgebung im 18. Jahrhundert, (in) Das achtzehnte Jahrhundert, Bd. 1 1983, 44; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Stolleis, M., Condere leges et interpretari. Gesetzgebungsmacht und Staatsbildung im 17. Jahrhundert, ZRG GA 101 (1984), 89; Gesetzgebung als Faktor der Staatsentwicklung, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz als Grundlage der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat, 1985; Renaissance du pouvoir législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Gesetzgebung und Dogmatik, hg. v. Behrends, O. u. a., 1989; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa 1100-1500, 2. A. 1996; Simon, T., Krise oder Wachstum? FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ullrich, N., Gesetz­gebungsverfahren und Reichstag, 1996; Gesetz und Gesetzgebung in der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Legislation und Justice, hg. v. Padoa Schioppa, A. u. a., 1995; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001; Prudentia legislatoria, hg. v. Maier, H. u. a., 2003; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Schwieger, C., Volksgesetzgebung in Deutschland, 2005; Emmen­egger, S., Gesetzgebungskunst, 2006; Gesetzgebung in antiken Gesellschaften - Israel, Griechenland, Rom, hg. v. Burckhardt, L. u. a., 2007

gesetzlich (Adj.) auf Gesetz beruhend, Gesetz betreffend

Gesetzlicher Richter ist der vom Gesetz durch allgemeine Regeln festgelegte zuständige Richter. Mit dieser Einrichtung soll im Rechtsstaat unlauterer persönlicher Einfluss­nahme vorgebeugt werden. Nach älteren, bis ins Mittelalter (Kirchenrecht C. 2. q. 1. c. 7) zurückreichenden Ansätzen wird sie (unabhängig vom modernen Rechtsstaats­begriff) im Deutschen Bund in den Verfassungen des 19. Jh.s verwirklicht (Baden 1818 ordentlicher Richter, Hessen 1820 g. R.).

Lit.: Köbler, DRG 200; Kern, E., Der gesetzliche Richter, 1927; Scupin, H., Der gesetzliche Richter im Bonner Grundgesetz, Diss. jur. Tübingen 1963; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Müßig, U., Der gesetzliche Richter ohne Rechtsstaat?, 2007

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die Bindung der Tätigkeit der staatlichen Verwaltungsbehörden an rechtliche Vor­schriften. Die G. d. V. wird erstmals 1810 von W. J. Behr zur Verhinderung übermäßiger Einschränkungen der menschlichen Hand­lungs­­freiheit eingefordert (System der allgemeinen angewandten Staatslehre).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199

Gesinde ist die Gesamtheit der in einem Hauswesen beschäftigten und der Personalgewalt des Hausvaters unterste­henden Dienstboten (um 1800 10% der Bevölkerung). Zu unterscheiden ist dabei zwischen unfreiem und freiem G. Für das unfreie G. gelten zunächst die allgemeinen Regeln der → Grundherrschaft. Für das freie G. entwickeln sich in den Städten im Spätmittelalter besondere Gesindevorschriften (z. B. Freiberg um 1300). Im 18. Jh. werden im Heiligen römischen Reich zahlreiche Ge­sindeordnungen erlassen und werden dann auch in Kodifikationen allgemeine Regeln festgelegt.

Lit.: Köbler, DRG 127; Köbler, WAS; Hertz, G., Die Rechtsverhältnisse des freien Gesindes, 1881, 2. A. 1935; Kähler, W., Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland, 1896; Lennhoff, E., Das ländliche Gesindewesen in der Kurmark Brandenburg, 1906; Könnecke, O., Rechtsgeschichte des Gesindes in West- und Süddeutschland, 1912, Neudruck 1970; Götsch, S., Beiträge zum Gesindewesen in Schleswig-Holstein zwischen 1740 und 1840, 1978; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, 1981; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Schröder, R., Das Gesinde war immer frech und unverschämt, 1992; Dürr, R., Gesinde in der Stadt, 1995; Gesinde im 18. Jahrhundert, 1995; Dienstbotinen, hg. v. Barth-Scalmani, G. u. a., 2007

Gesta (N.Pl.) municipalia (lat.) sind im ausgehenden Altertum gemeindliche Verzeichnisse oder öffentliche Akten.

Lit.: Hirschfeld, B., Die gesta municipalia, Diss. Marburg 1904; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977

Gestaltungsrecht ist das Recht auf Gestaltung bzw. Änderung einer Rechtslage in einem fremden Rechtsbereich durch eigene Handlung (z. B. einseitiges Rechtsgeschäft). Es geht in seiner Entwicklung auf Savigny (anfechtbares Rechtsgeschäft), Windscheid (1856), Brinz und Zitelmann zurück. Den Begriff Gestaltungsrecht prägt Emil Seckel (1903).

Lit.: Steiner, R., Das Gestaltungsrecht, 1984; Hat­tenhauer, C., Einseitige private Rechtsgestaltung, 2009

Geständnis (lat. [F.] confessio) ist das Eingestehen der Wahrheit einer von einem anderen behaupteten Tatsache durch einen Verfahrensbeteiligten. Das G. gehört, weil es weiteren Streit entbehrlich macht, schon in die Anfänge des Verfahrensrechts. Dort wird es später als Königin der Beweismittel angesehen. Seiner Erzielung dient vor allem vom 13. Jh. bis zum 18. Jh. die → Folter.

Lit.: Kaser § 84 I 2; Köbler, DRG 117; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1914, 400; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980, 367ff.

Gestapo (geheime Staatspolizei) ist die aus meist fähigen und harten, dem Staat aus Überzeugung dienenden, selbst vor brutalsten Maßnahmen nicht zurückschreckenden Poli­zis­ten zusammengesetzte politische Polizei (z. B. im nationalsozialistischen Deutschen Reich).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weyrauch, W., Gestapo V-Leute, 1989; Gellately, R., Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, 2. A. 1994; Heuer, H., Geheime Staats­polizei, 1995; Die Gestapo, hg. v. Paul, G. u. a., 1995; Johnson, E., Nazi Terror, 1999; Stolle, M., Die Geheime Staatspolizei in Baden, 2001; Schmidt, S., Gestapo, Strafjustiz und „Kanzelmissbrauch“ in Südbayern 1933 bis 1939, 2002; Bornschein, J., Gestapochef Heinrich Müller, 2004; Dams, C. u. a., Die Gestapo, 2008; Die Gestapo nach 1945, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2009

gestio (lat. [F.]) Betragen, Führung

Gesundes Volksempfinden ist im Dritten Reich (1933-45) die der Ideologie entsprechende allgemeine Anschauung, die als Korrektiv eines formaljuristisch gefundenen, dem → Nationalsozialismus unannehmbar erschei­nenden richterlichen Ergebnisses verwendet wird.

Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ - eine Erbschaft Savignys, ZRG GA 103 (1986), 199

Gesundheit ist der Zustand vollkommenen Wohlbefindes eines Lebewesens. 1876 wird im Deutschen Reich als oberste Reichsbe­hörde für das Medizinalwesen ein Kaiser­liches Gesundheitsamt gegründet (1918 Reichs­gesund­heitsamt, 1952 Bundesge­sund­heits­amt, 1994 aufgelöst zu Gunsten des Bundesinstituts für Infektionskrankheiten, des Bundesinstituts für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und des Bundesinstituts für Arzneimittel und medizinische Produkte).

Lit.: Möller, C., Medizinalpolizei, 2005; Grumbach, T., Kurmainzer Medicinalpolicey, 2006 (von 1650 bis 1803 etwa 240 landesherrliche „Gesetzte“); Hüntelmann, A., Hygiene im Namen des Staates, 2008

Geteiltes Eigentum ist das (seit dem Hochmittelalter in Anlehnung an die im römischen Recht dem Erbpächter eröffnete [lat.] rei vindicatio [F.] utilis anerkannte,) an mindestens zwei in unterschiedlicher Stärke berechtigte Personen aufgeteilte „Eigentum“ (z. B. Obereigentum mit Anrecht auf Substanz, Untereigentum [neben Recht auf die Substanz vor allem Nutzung]). Es wird von Naturrecht, Liberalismus, Kant und vor allem von → Thibaut (1801) abgelehnt und zwar noch nicht vom Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und dem Allgemeinen Gesetzbuch Österreichs (1811/1812, § 357 ABGB, ver­altet spätestens mit der Grund­entlastung 1848), aber doch bereits vom Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) und vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ausge­schlossen. Es soll in veränderter Form im Vorbehaltseigentum, im Sicherungs­eigentum oder in der Wohnraum­miete fort­leben (str.).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pichler, J., Das geteilte Eigentum im ABGB, ZNR 1986, 23; Krauss, F., Das geteilte Eigentum im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Lehmann, J., Sachherrschaft, 2004

Geverde (F.) Gefahr, Gefährdung

Lit.: Gudian, G., Zur rechtlichen Bedeutung der Formel „ane geverde“ im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 333

Gewährleistung ist das Einstehen für die Mangelfreiheit (Freiheit von Sachmangel und Rechtsmangel) einer Sache oder eines Werkes. Sie findet sich bereits im römischen Kaufrecht (→ Wandelung, → Minderung, Entwerung). Entsprechend muss auch der Vermieter einstehen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird sie den einheimischen Grundsatz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ zurückdrängend übernommen.

Lit.: Kaser § 41; Hübner; Köbler, DRG 46, 214; Lautner, J., Grundsätze des Gewährleistungsrechts, 1937; Jakab, E:, Praedicere und cavere beim Marktkauf, 1997; Ernst, W., Neues zur Sachmängelgewährleistung, ZRG GA 116 (1999), 208; Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der Spruchpraxis des preußischen Kammergerichts von 1794-1810, 2006

Gewährschaft ist das Einstehen des Veräußerers einer Sache für den Fall, dass ein Dritter von dem Erwerber die Sache herausverlangt. Im römischen Recht erhält der Erwerber aus der (lat. [F.]) mancipatio das Recht, in einem solchen Fall den Veräußerer als seinen (lat. [M.]) auctor zu prozessualer Beistandschaft zu veranlassen, um die Sache gegen den Dritten zu verteidigen. Verweigert der Veräußerer die Unterstützung oder erteilt er sie erfolglos, so dass der Dritte die Sache erhält, so haftet der Veräußerer dem Erwerber auf den doppelten Kaufpreis. Außerhalb der (lat. [F.]) mancipatio wird dieses Ergebnis durch eine vertragliche Abrede auf Leistung des doppelten Kaufpreises erreicht. Im deutschen Recht entwickelt sich im Frühmittel­alter (str.) eine Gewährschaftsbürg­schaft und daraus eine allgemeine G.

Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577f.; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Recht, 1902; Gillis, F., Gewährschaftszug und laudatio auctoris, 1911; Ullrich, G., Eine Urkunde über Ge­währschaft nach fränkischem Recht, ZRG GA 59 (1939), 269; Eckhardt, K., Gewährschaft und Übereignung, Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmangelhaftung des Veräußerers, ZRG GA (1960), 87

Gewalt ist der Einsatz von Kraft zur Erreichung eines Zieles sowie die Möglichkeit hierzu. Der moderne Staat strebt das Gewaltmonopol an. Deswegen versucht er die G. des Einzelnen möglichst auszuschließen. → väterliche Gewalt

Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Buisson, L., Potestas und caritas, 2. A. 1982; Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Richardi, H., Schule der Gewalt, 1983; Willoweit, D., Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols, (in) Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986, 313; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Die Gewalt in der Geschichte, hg. v. Sieferle, R., 1998; Lacour, E., Schlägereien und Unglücksfälle, 2000; Violence in Medieval Society, hg. v. Kaeuper, R., 2000; Ruff, J., Violence in early modern Europe 1500-1800, 2001; Töngi, C., Geschlechterbeziehungen und Gewalt, 2002; Gewalt, hg. v. Bulst, N. u. a., 2004; Töngi, C., Um Leib und Leben, 2004; Hahn, J., Gewalt und religiöser Konflikt, 2004; A Great Effusion of Blood?, hg. v. Meyerson, M. u. a., 2004; Gewalt im Mittelalter, hg. v. Braun, M. u. a., 2005; Gewalt in der frühen Neuzeit, hg. v. Ulbrich, C. u. a., 2005;; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Boari, M., La coercizione privata nella Magna Glossa, 2007

Gewaltenteilung ist die Aufteilung der staatlichen Hoheitsgewalt in mehrere sich gegenseitig kontrollierende und beschrän­kende, von unterschiedlichen Menschen innegehabte Gewalten. Die Vorstellung von der Notwendig­keit der G. entsteht unabhängig von älteren Gedankengängen (z. B. Herodot, Plato, Aristoteles, Cicero) und Wirklich­keitsansätzen (römische Republik) in der frühen Neuzeit als Folge der gegen den → Absolutismus eines Monarchen gerichteten Aufklärung. Vielleicht schon vor 1690 entwickelt John → Locke (1632-1704) in England zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen die Trennung von ausführender Gewalt (executive power) und gesetzgebender Gewalt (legislative power) (1690 Two Treatises of Government, Zwei Abhand­lungen über die Regierung). 1748 gestaltet dies Charles de Secondat Baron de la Brède et de → Montesquieu (1689-1755) in die Dreiteilung Exekutive, Legislative und Judikative um (De l’ésprit des lois, Vom Geist der Gesetze). In Frankreich greifen dies 1789 die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte), am 16. 8. 1790 ein besonderes Gesetz und 1791, 1795 und 1848 die Verfassungen auf. Im deutschen Bereich  übernehmen die meisten Verfassungen der deutschen Einzel­staaten in ihren Text (nur) die Bestimmung, dass alle Gesetze der Zustimmung des Landtages bedürftig seien, welche die Freiheit oder das Eigentum der Staatsangehörigen betreffen. Später wird das Gewaltenteilungsschema leitendes Ordnungs­prinzip. In der Demokratie, in der alle Gewalt vom Volk ausgeht, wird die G. ver­schiedentlich in Frage gestellt (z. B. Volks­demokratie), hat aber auch hier als Schutz vor Missbrauch tatsächliche Vorzüge.

Lit.: Köbler, DRG 190, 197, 200; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 923; Klimowski, E., Die englische Gewaltenteilungslehre bis zu Montesquieu, 1927; Kägi, O., Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzips, 1937; Imboden, M., Montesquieu und die Lehre von der Gewaltentrennung, 1959; Gewaltentrennung im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Executive and Legislative Powers in the Constitutions of 1848-1849, hg. v. Dippel, H., 1999; Pahlow, L., Justiz und Verwaltung, 2000; Máthé, G., Die Problematik der Gewaltentrennung, 2004; Racky, M., Die Diskussion über Gewaltenteilung und Gewaltentrennung im Vormärz, 2005; Maier, C., Gewaltenteilung bei Aristoteles, 2006

Gewaltverhältnis ist das von Gewalt bestimmte Verhältnis (z. B. zwischen Allge­meinheit und Einzelnem).

Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982

Gewann ist die vielleicht in der Grund­herrschaft ausgebildete Unterteilung der Ackerflur des mittelalterlichen Dorfes in Gruppen gleichförmiger und einheitlich zu bewirtschaftender Streifen. Die Gewanne wer­den wegen ihrer gegenwärtigen Unwirt­schaftlichkeit durch die Flurberei­nigung beseitigt.

Lit.: Haff, K., Gewann – Aas, ZRG GA 42 (1921), 465; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42

Gewedde s. Gewette

Lit.: Ebel, F., Der Traktat „Von gewedde, ZRG GA 99 (1982), 276

Gewerbe ist die erlaubte, auf Dauer und Gewinnerzielung (str.) gerichtete selbständige Tätigkeit. In Rom finden sich neben der Plan­tagenwirtschaft von Großgrundherren auch mit Hilfe von Sklaven betriebene Manu­fakturen für Textilien, Metallwaren und Keramik, die noch keinen Maschineneinsatz kennen. In den Wirren des 3. Jh.s n. Chr. verfällt die ge­werb­liche Produktion. Sie beginnt neu in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (z. B. Schmied, Töpfer, Weber), gelangt aber erst in der hoch­mittelalterlichen Stadt zu größerer Bedeutung. Dort wird das G. in der → Zunft organisiert und reglementiert. Im 19. Jh. löst der Liberalismus die Zwangsordnung auf und schafft die → Gewerbefreiheit, aber auch die staatliche Gewerbeaufsicht.

Lit.: Köbler, DRG 67, 78, 97, 134, 175, 225, 250; Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Peterka, O., Das Gewerberecht Böhmens im 14. Jahrhundert, 1909; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Koehne, C., Gewerberechtliches in deutschen Rechtssprichwörtern, 1915; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Huber, H., Die Arbeitsverfassung im Süderländer und Siegener Eisengewerbe, Diss. jur. Göttingen 1956; Kreutzberger, E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar, 1959; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1982; Weyrauch, T., Städtische Amts- und Gewerbeordnungen, 1987; Reininghaus, W., Gewerbe in der frühen Neuzeit, 1990; Ziekow, J., Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Karl, M., Fabrikinspektoren in Preußen, 1993; Kraushaar, M., Die Gewerbegerichte, (in) Arbeit und Recht, 1995, 313; Rohde, J., Das Recht der genehmigungs­bedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810 bis in die Gegenwart, 2000; Vorindustrielles Gewerbe, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2004; Sack, R., Das Recht am Gewerbebetrieb, 2007

Gewerbefreiheit ist die Freiheit der gewerblichen Betätigung (Frankreich 1791, Preußen 1807/1810/1811/1845, England 1814, Dänemark 1849/1857, Österreich 1859). Sie ist im Einzelnen im Deutschen Reich durch die → Gewerbeordnung von 1869 näher ausgestaltet.

Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3527; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefrei­heit, 1983

Gewerbegericht ist das für Gewerber­echtsstreitigkeiten (Arbeitsrechts­streitig­keit­en) zuständige Gericht. Nach mittelalterlichen Vorläufern innerhalb der Zünfte entstehen zu Beginn des 19. Jh.s auf deutschem Boden besondere gewerbliche Fachgerichte, die aber von geringer Bedeutung bleiben. In Frank­reich gründet Napoleon für Lyon am 18. 3. 1806 einen Conseil de Prud’hommes als Ausnahme von der ordentlichen Gerichtsbar­keit, was von 1809 an verallgemeinert wird und über das Rheinland und Elsass-Lo­thringen auch Eingang im deutschspra­chi­gen Raum findet. Die Gewerbeordnung Preußens von 1845 sieht für Streitigkeiten die Anrufung des Gemeindevorstehers vor, was die Gewer­be­ordnung des Norddeutschen Bundes 1869 übernimmt. Am 29. 7. 1890 wird ein Reichs­gesetz betreffend Gewerbege­richte geschaf­fen. Die danach eingerichteten Gewerbege­richte (Bayern etwa 80) erweisen sich nur als bedingt erfolgreich und werden 1927 durch die Arbeitsgerichte (23. 12. 1926/1. 7. 1927) abgelöst.

Lit.: Zimmermann, U., Die Entwicklung der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland, 2005

Gewerbeordnung ist die rechtliche Regelung des Rechts der → Gewerbe (z. B. Allgemeine preußische Gewerbeordnung vom 17. 1. 1845), insbesondere im Norddeutschen Bund das am 21. 6. 1869 geschaffene Gesetz.

Lit.: Rohde, J., Das Recht der genehmigungs­bedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissions­schutzrecht von 1810 bis in die Gegenwart, 2000

Gewerbesteuer ist die vom Gewerbeertrag zu leistende Steuer.

Lit.: Köbler, DRG 55; Heni, G., Historische Analyse und Entwicklungen der Gewerbesteuer, 1991; Schnädter, H., Die Geschichte des Gewerbe­steuerrechts, Diss. jur. Köln 1993

Gewerblicher Rechtsschutz ist der gewerbliche Rechte betreffende Schutz durch die Rechtsordnung. Er umfasst das Recht der Patente (Venedig 1474, England 1623/4, Frankreich 1791), der Gebrauchsmuster (Deutschland 1871), der Geschmacksmuster (Frankreich 1711, Deutschland 1876), der Zei­chen (Deutschland 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936) und des unlauteren Wett­bewerbs (Deutschland 12. 5. 1894, 7. 6. 1909).

Lit.: Zimmermann, P., Frühe Beispiele aus der Welt der gewerblichen Eigentumsrechte, GRUR 69 (1969), 173; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4205; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Ausschüsse für den gewerblichen Rechtsschutz, hg. v. Schubert, W., 1999; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Gewere ist im mittelalterlichen deutschen Recht (der sachenrechtliche Vorgang [Einkleidung eines Menschen mit einer Sache oder einem Amt, lat. investitura] und) das (aus diesem Vorgang erwachsende) Verhältnis eines Menschen zu einer Sache oder einem Amt, kraft dessen der Träger vor allem rechtswidrige Zugriffe auf den Gegenstand abwehren und den Gegenstand nach Wegnahme herausverlangen sowie außerdem übertragen darf. Die G. gilt der herrschenden Meinung als urtümliche Grundfigur des germanischen Sachenrechts. Wahrscheinlich wird sie aber im spätantiken Kirchenrecht zur Sicherung gegenüber sich wandelnden Sachenrechts­verhältnissen ent­wickelt. Sie wird formelhaft als Kleid (d. h. äußere Erscheinungsform) des (als rein gedanklichen Gebildes unsichtbaren) Sachen­rechtes (z. B. Eigentum an einem Grundstück) beschrieben. Sie zeigt sich augenscheinlich beispielsweise im Innehaben und Benutzen des Gegenstandes. Der Aufteilung des Sachenrechts auf mehrere Berechtigte (z. B. Obereigentümer, Unter­eigentümer) entspricht die Aufteilung in eine ideelle (unkörperliche) und eine leibliche (körperliche) G. Der G. werden eine Offensiv­funktion, eine Defensivfunktion und eine Translativfunktion zugeschrieben. Durch Ausübung einer ursprünglich fehlerhaft begründeten, auf Schein beruhenden G. während einer bestimmten Zeit ohne gerichtliche Inan­spruchnahme seitens des Berechtigten kann rechte G. entstehen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem späten Mittelalter wird das Wort G. durch das zu (lat. [F.]) possessio gebildete Wort Besitz abgelöst, innerhalb dessen zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitz unterschieden wird.

Lit.: Hübner 198, 430; Köbler, DRG 74, 90, 123, 162; Köbler, WAS; Albrecht, W., Die Gewere, 1828; Heusler, A., Die Gewere, 1872; Huber, E., Die Bedeutung der Gewere im deutschen Sachenrecht, 1894; Kiesel, K., Die Bedeutung der Gewere des Man­nes am Frauengute für das Ehegüterrecht des Sachsenspiegels, 1906; Bückling, G., Die Wechselwirkung gewererechtlicher und fronungs­rechtlicher Elemente im Liegenschaftsrecht des deutschen Mittelalters, 1911; Iterson, W. van, Der Ausdruck „mit allerschlachter Nut“ und sein Zusammenhang mit der Gewere, ZRG GA 84 (1967), 310; Levy, E., The Law of Property, 1975; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Laske, W., Die Bedeutung des „Gewereanschreibens“ gemäß dem Tractatus de iuribus incorporalibus von 1679, ZRG GA 93 (1976), 344; Ishikawa, T., Die Gewere im Sachsenspiegel, FS H. Thieme, 1986, 59

Gewerkschaft ist der Zusammenschluss von Menschen zu einem gewerblichen Zweck, insbesondere im Arbeitsbereich der frei­willige Zusammenschluss von Arbeitnehmern zur Si­cherung und Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Im Bergrecht ist die G. eine wohl im 13. Jh. aus älteren Arbeitsgenossenschaften gebildete Gesell­schaftsform ohne festes Grundkapital. Die vor dem Allgemeinen Berggesetz für die preußischen Staaten vom 24. 6. 1865 gebildete ältere bergrechtliche G. ist → Gesamthand (mit herkömmlich 128 Wertanteilen [Kuxen] am Gesellschaftsver­mögen), die G. neueren Rechts ist juristische Person mit zwischen 100 und 10000 Kuxen. Im Arbeitsrecht bildet sich aus älteren Gesellenvereinen die G. (engl. trade union) zuerst in England, wo sie durch Gesetz (Combination Laws von 1799 bzw. 1800) bis 1824 verboten wird. In Deutschland entwickelt sich die G. nach unbedeutenden Anfängen in der Mitte des 19. Jh.s als arbeitsrechtliche G. nach der Aufhebung gesetzlicher Ver­einigungsverbote (Sachsen 1861, Preußen 1867, Norddeutscher Bund 21. 6. 1869 [§ 152 I Gewerbeordnung]). Sie ist regelmäßig nichtrechtsfähiger → Verein. 1868 entsteht ein allgemeiner deutscher Arbeiterschaftsverband (von 12 sog. freien Gewerkschaften), 1869 ein Verband der deutschen Gewerkenvereine. 1890 gründen die freien Gewerkschaften die Generalkom­mission der Gewerkschaften Deutschl­ands (1919 Allgemeiner Deutscher Gewerkschafts­bund). 1894 entwickeln sich christliche Gewerkschaften. Nach Auflösung der freien Gewerkschaften und Einbeziehung der übrigen Gewerkschaften in die Deutsche Arbeitsfront im Dritten Reich (1933-1945) wird 1949 in der Bundesrepublik der Deutsche Gewerkschaftsbund mit (16) Einzelgewerk­schaften gegründet, dem die Deutsche Angestelltengewerkschaft und der Deutsche Beamtenbund zur Seite stehen. Seit dem ausgehenden 20. Jh. verlieren die (zumindest mittelbar Herstellungskosten steigernden und damit Arbeitslosigkeit verur­sachenden) Gewerkschaften Mitglieder und Einfluss.

Lit.: Hübner 312; Köbler, DRG 167, 177, 218, 24; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954, 971; Deutsch, J., Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Bd. 1f. 1908ff.; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Jühe, R./Niedenhoff, H./Pege, W., Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1982; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Schulte Beerbrühl, M., Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, 1991; Schneider, M., Kleine Geschichte der Gewerkschaften, 2. A. 2000; Stadtland, H., Herrschaft nach Plan und Macht der Gewohnheit, 2001; Zwickel, K., Geben und Nehmen, 2005

Gewette (Gewedde) ist in Ostfalen (Sachsenspiegel) im Hochmittelalter die vom Täter an den Richter zu erbringende Leistung, die neben der Leistung an den verletzten Kläger steht. → fredus, Bann

Lit.: Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, 196

Gewicht → Maß

Lit.: Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910

Gewissensfreiheit ist die Freiheit der Gewissensbildung wie der Gewissensbe­tätigung. Sie wird in Frankreich um 1600 erkannt. Sie wird fester Bestandteil der → Grundrechte.

Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Gewohnheit

Lit.: Buchda, G., „Gewohnheiten“ in der Pößnecker Schöffenspruchsammlung, ZRG GA 78 (1961), 64

Gewohnheitsrecht ist das durch langdauernde Übung in der Überzeugung, damit recht zu handeln, von dem Beteiligten geschaffene Recht. Vermutlich erwachsen die ersten Rechtssätze allgemein aus Ge­wohnheiten und entsteht erst zusätzlich hierzu die bewusste Setzung von Recht durch → Gesetz. In Rom wird in der Spätantike neben der kaiserlichen Konstitution auch die von Kaiser Konstantin (319) noch bekämpfte Gewohnheit (lat. [M.] mos, [F.] consuetudo) als Quelle neuen Rechtes anerkannt. Im Mittelalter wird das partikuläre G. zusammen mit einzelnen Gesetzen in → Volksrechten und Rechtsbüchern (→ Land­rechten) aufge­zeichnet. In der Neuzeit ist das G. als ausschließliches Erzeugnis des Volkes dem Gesetz zunächst noch gleichwertig, wird aber ab etwa 1650 dem Gesetzgeber unterstellt, so dass zu seiner Entstehung die (vermutetete) Zustimmung des Gesetzgebers erforderlich ist. Im 18. Jh. verlegt man zwar den Ent­stehungsgrund des Gewohnheitsrechts wieder allein in das Volk zurück, indem man den gesetzlichen Vorschriften ein allgemeines Einverständnis des Gesetzgebers entnimmt, doch wendet sich der absolute Staat mit seiner Gesetzgebung (Kodifikation) gegen das G. (vgl. Einl. § 60 zum ALR, § 10 ABGB). Auch der liberale Rechtsstaat des 19. Jh.s bevorzugt trotz der abweichenden Einschätzung durch die (eigentlich auf das wissenschaftliche Recht zielende) → historische Rechtsschule das Gesetz. Dennoch gibt es noch in der Gegenwart gewohnheitsrechtliche Rechts­bildung (z. B. auch Völkergewohnheitsrecht).

Lit.: Köbler, DRG 4, 52, 101, 142, 185, 227, 254; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Brie, S., Die Lehre vom Gewohnheitsrecht, 1899; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52; Smidt, J. de, Rechts­gewoonten, 1954; Schmiedel, B., Consuetudo im klassischen und nachklassischen römischen Recht, 1966; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo in Deutschland, Hist. Jb. 89 (1969), 337; Fürst, C., Zur Rechtslehre Gratians, ZRG KA 57 (1971), 276; Bühler, T., Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Diestelkamp, B., Das Verhältnis vom Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme, 1977, 1; Gilissen, J., La coutume, 1982; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohn­heiten im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992; Overdijk, D., De gewoonte, 1999; Geyer, P., Das Verhältnis von Gesetzes- und Gewohnheitsrecht in den privatrechlichen Kodifikationen, Diss. jur. Göttingen 1998; Garré, R., Consuetudo, 2005; Maisel, S., Das Gewohnheitsrecht der Beduinen, 2006; Meder. S., Ius non scriptum, 2008

Gewohnheitsverbrechergesetz

Lit.: Müller, C., Das Gewohnheitsverbrechergesetz, 1997

Gibraltar ist die an der Südspitze Spaniens gelegene Kronkolonie Großbritanniens (6,5 Quadratkilometer, 27100 Einwohner). G. hat seinen Namen (Felsen des Tarik) von dem 711 n. Chr. hier eine Befestigung anlegenden arabischen Feldherrn Tarik. 1462 wird G. von Spanien zurückerobert und 1704 von England besetzt. Dementsprechend ist sein Recht nacheinander islamisch, spanisch und englisch beeinflusst.

Gierke, Otto von (Stettin 11. 1. 1841-Berlin 10. 10. 1921), Sohn des Stadtsyndikus von Stettin, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg und nach der Promotion (1860, Homeyer) und Habilitation in Berlin (1867, Beseler) Professor in Breslau (1871), Heidelberg (1884) und Berlin (1887). In seiner mehrbändigen, unvollendeten Unter­suchung Das deutsche Genossenschaftsrecht (Bd. 1ff. 1868ff.) unternimmt er den Versuch der Ermittlung der großen Entwicklungslinien der Geschichte der menschlichen Verbände, in seinem unvollständigen deutschen Privatrecht (Bd. 1ff. 1895ff.) den Versuch der umfassenden Dar­stellung der deutschen Privatrechtsent­wicklung aus deutschrecht­licher Sicht. Rechtspolitisch beeinflusst er die Gestaltung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) und des deutschen Rechtes in sozialrechtlicher Richtung (Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1888/1889, → Gesamthand).

Lit.: Köbler, DRG 207; Festschrift Otto Gierke, 1911; Stutz, U., Zur Erinnerung an Otto von Gierke, ZRG GA 43 (1922), VII (mit Schriftenverzeichnis); Mogi, S., Otto von Gierke, 1932; Wieacker, F., Privat­rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 543; Jobs, F., Otto von Gierke und das moderne Arbeitsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1968; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1974; Mundt, H., Sozialpolitische Wertungen als methodischer Ansatz in Gierkes privatrechtlichen Schriften, 1976; Otto Gierke, Associations and Law, hg. v. Heiman, G., 1977; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht, 1979; Haack, T., Otto von Gierkes Kritik, 1997; Pfennig, C., Die Kritik Otto von Gierkes, 1997; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Janssen, A., Die bleibende Bedeutung des Genos­senschaftsrechts Otto von Gierkes, ZRG GA 122 (2005), 353

Gießen an der Lahn ist seit 1607 Sitz einer (lutherischen) juristischen Fakultät.

Lit.: Hall, A., Die juristische Fakultät der Universität Gießen im 17. Jahrhundert, Ludwigs-Universität, 1957, 1-16; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen 1607-1982, 1982; Köbler, G., Zur Herkunft der Gießener Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, FS W. Mallmann, 1978, 117; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Chroust, P., Gießener Universität und Faschismus, 1994; Panorama 400 Jahre Universität Gießen, hg. v. Carl, H. u. a., 2007; Rechtswissenschaft im Wandel, hg. v. Gropp, W., 2007

Gilde ist die Vereinigung mehrerer Menschen zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwecken im mittelalterlichen nördlichen Europa. Eine G. wird erstmals 688-726 in England als Empfänger von → Wergeld erwähnt. In Skandinavien erscheint die G. im 12. Jh. Im Hochmittelalter bilden die Gewerbetreibenden Gilden. In der Neuzeit verliert die G. an Bedeutung und beschränkt sich seit der Gewerbefreihet des 19. Jh.s auf die Brauchtumspflege (z. B. Schützengilde). → Zunft

Lit.: Köbler, DRG 121; Köbler, WAS; Wilda, W., Das Gildenwesen im Mittelalter, 1831, Neudruck 1964; Pappenheim, M., Die altdänischen Schutzgilden, 1885; Nitzsch, K., Die niederdeutsche Kaufgilde, ZRG GA 13 (1892), 1; Nitzsch, K., Die niederdeutschen Verkehrsein­richtungen neben der alten Kaufgilde, ZRG GA 15 (1894), 1; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Black, A., Guilds, 1984; Gilden und Korporationen, hg. v. Friedland, K., 1984; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Anz, C., Gilden im mittelalterlichen Skandinavien, 1998; Maniatis, G., The Guild System in Byzantium and Medieval Western Europe, Byzantion 76 (2006), 463

Giphanius (van Giffen), Hubert (Buren 1533/4-Prag 1604) wird nach dem Studium in (Löwen,) Orléans, Bourges, Paris und Orléans teils gefeierter, teils umstrittener Professor in Straßburg (1570), Altdorf (1583) und Ingol­stadt (1590) und 1599 Reichshofrat.

Lit.: Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter Juristenfakultät, 1973, 134

Gladbach

Lit.: Gödde, K., Landesherrschaft und Stadtrechte in Gladbach bis 1609, Diss. jur. Bonn 1959

Gladiator

Lit.: Meijer, F., Gladiatoren, 2004

Glanvill, Ranulf de (Suffolk um 1140?-Akkon 1190), aus normannischer (?), begüterter Familie, wird 1163 als Sheriff von Yorkshire (bis 1170) und 1173 als Sheriff von Lancashire genannt und 1180 zum ersten Rechtsberater (lat. [M.] capitalis iustitiarius) König Heinrichs II. von England erhoben. Seit dem 13. Jh. wird ihm der durch mehr als 30 Handschriften überlieferte (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consue­tudinibus regni Angliae (Treatise on the Laws and Customs of England, Abhandlung von den Gesetzen und Gewohnheiten Englands) zugeschrieben, eine kurze, klare, in einfachem Latein vielleicht zwischen 1187 und 1189 verfasste Darstellung des englischen, von den Gerichten geformten Rechtes (Buch 1-13 Zivilklagen mit 76 Formularen eines königlichen writ [Buch 7 Erbrecht], Buch 14 Strafklagen), in dem die römischrechtlichen und kirchenrechtlichen Einflüsse den Kern des einheimischen Rechtes nicht berühren. Der Tractatus ist das älteste book of authority descommon law. Es wird von Henry de → Bracton benutzt.

Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 188; Peter, H., Actio und writ, 1957, 20, 105; The Treatise on the Laws, hg. v. Hall, G., 1965; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988

Glarus ist das seit 1352 zur Eidgenossenschaft der Schweiz gehörige, 1803 als Kanton anerkannte Gebiet an der Linth, das sich am 22. 5. 1887 eine Verfassung gibt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stucki, F., Beiträge zur Geschichte des Landes Glarus, 1936; Liebeskind, W., Stab und Stabgelübd im Glarner Landrecht, 1936; Zweifel, E., Johann Jakob Blumer und das glarnerische bürgerliche Gesetzbuch (Diss. jur. Zürich 1965), 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Rechtsquellen des Kantons Glarus, hg. v. Stucki, F., Bd. 1ff. 1983ff.; Schießer, F., Entstehung und Inhalt der Verfassung des Kantons Glarus, Jb. d. hist. Ver. d. Kantons Glarus 71 (1986)

Glaser, Julius (bzw. Josua) (Postelberg 19. 3. 1831-Wien 26. 12. 1885), Kaufmannssohn, wird 1856/60 Strafrechtsprofessor in Wien und erarbeitet als liberaler Justizminister (1871-1879) die österreichische Strafprozess­ordnung des Jahres 1873.

Lit.: Unger, J., Julius Glaser, 1885; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, (1938) 1953, 127; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 184

Glasgow in Schottland erhält um 548 eine erste Kirche. 1136 wird es Sitz eines Bischofs. Sein Marktrecht von 1189 wird 1689 in Stadtrecht umgewandelt. 1451 bzw. 1796 entstehen zwei Universitäten.

Lit.: Durkan, J./Kirk, J., The University of Glasgow, 1977

Glatz

Lit.: Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250

Glaubensfreiheit ist die Freiheit, einen eigenen religiösen Glauben zu bilden und dafür zu werben. Sie ist z. B. durch Art. 14 I des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (1867 in Österreich, Art. 63 II Friedensvertrag von Saint Germain öffentliche Religionsausübung, 1949 Europä­ische Menschenrechtskonvention Schutz für nichtreligiöse Weltanschauungen) und Art. 135 der Weimarer Reichsverfassung geschützt. → Religionsfreiheit

Gläubiger (lat. [M.] → creditor) ist der aus einem Schuldverhältnis zu einer Leistung Berechtigte. Er ist bereits dem römischen Recht allgemein bekannt. Wird er benachteiligt, so gewährt der Prätor während des Voll­streckungsverfahrens die Wiederher­stellung des vorherigen Zustandes (lat. → in integrum restitutio [F.]) und nach dem Voll­streckungsverfahren ein wiederher­stellendes Edikt, woraus sich bei Justinian die (lat.) → actio (F.) Pauliana (Gläubigeranfech­tungs­recht) entwickelt, die in Deutschland seit dem Spätmittelalter aufgenommen und mit ähnlichen Gestaltungen des mittelalterlichen Stadtrechts verbunden wird.

Lit.: Kaser § 32 I; Hübner; Oertel, R., Entwicklung und Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbe­friedigung im älteren deutschen Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbe­schränkungen des Schuldners, ZRG GA 41 (1920), 210

Gläubigeranfechtung

Lit.: Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210

Gläubigerbenachteiligung ist die bereits dem römischen Recht bekannte, durch Verschiebung von Vermögensteilen des von Zwangsvollstreckung und Konkurs bedrohten Schuldners erfolgende Benachteiligung von Gläubigern ([lat.] alienatio [F.] in fraudem creditorum) Der römische Prätor schützt den Gläubiger durch die (lat.) restitutio (F.) in integrum, das (lat.) interdictum (N.) fraudatorium und die (lat.) denegatio (F.) actionis. Justinian fasst alles zur (lat.) actio (F.) Pauliana (paulianischer Klaganspruch) zusammen. In der Neuzeit sollen der G. besondere gesetzliche Regeln (Anfechtungs­gesetz) entgegenwirken.

Lit.: Kaser § 9 III

Gläubigerverzug (lat. mora creditoris) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Verzögerung der Erfüllung durch Fehlen eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen Verhaltens (z. B. Annahme) des Gläubigers. Durch G. wird der Schuldner nicht von der Leistungspflicht befreit, doch muss er nur noch für Vorsatz (lat. dolus) einstehen.

Lit.: Kaser § 37 III; Köbler, DRG 44; Heuer, P., Der Annahmeverzug im älteren deutschen Privatrecht, 1911; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Harke, J., Mora debitoris und mora creditoris  im klassischen römischen Recht, 2005

glebae adscriptus (lat. [M.]) Schol­len­gebundener (Kolone bzw. Bauer)

Gleichberechtigung ist die Gleichstellung bezüglich der Rechte (für Frauen und Männer). Der Grundsatz der G. wird in Abkehr von der älteren patriarchalischen Familienstruktur im Gefolge der Aufklärung seit der Mitte des 19. Jh.s (1848) verlangt, nachdem zuvor die Ausnahme von der Gleichheit als angesichts der Schwachheit der Frau und ihrer mangelnden Begabung zu vernünftiger Er­kenntnis notwendige Schutz­maßnahme erklärt worden war. Danach werden 1869 in Preußen wichtige Einschränkungen der Handlungs­fähigkeit der Frau aufgehoben und wird 1877 die Prozessunfähigkeit der Ehefrau beseitigt. Nach 1900 wird die Frau zum Uni­versitätsstudium zugelassen, 1919 erhält sie das aktive und passive Wahlrecht, seit 1922 kann sie die Befähigung zum Richteramt erwerben. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands tritt zum 31. 3. 1953 alles dem Gleichberech­tigungsgrundsatz des Grundgesetzes entge­gen­stehende Recht außer Kraft. Das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 bringt eine Neuregelung. Am 29. 7. 1959 entscheidet das deutsche Bundesverfassungs­gericht gegen den Vorrang des Mannes bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder (Gleichberech­tigungsgesetz).

Lit.: Hübner 71, 656; Köbler, DRG 238; Hippel, T. v., Über die bürgerliche Verfassung der Weiber, 1792; Wollstonecraft, M., Vindication of the rights of Women, 1793; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts durch das Gleichberechtigungsgesetz, 1962; Ramm, T., Gleichberechtigung und Hausfrauenehe, JZ 23 (1968), 41, 90; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Leicht-Scholten, C., Die Gleichberechtigung im Grundgesetz, 2000; Wendrich, J., Die Entwicklung der familienrechtlichen Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau, 2002; Franzius, C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008

Gleichheit → Gleichberechtigung, → Gleichheitsgrundsatz

Gleichheitsgrundsatz ist der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Gleichheit der Menschen bejahen theoretisch schon die antiken Philosophen (Stoa, Cicero) und das Christentum. Dennoch sind antike und mittelalterliche Gesellschaft durch die Un­gleichheit oder die nur stufenförmige Gleichheit gekennzeichnet. Erst in der Aufklärung des 18. Jh.s wird die Beseitigung der ständischen Ungleichheit zur politischen Forderung (→ Montesquieu, → Voltaire, → Rousseau). Seit 1776 nehmen die Verfassungen den G. auf (Frankreich [égalité] 1791, Bayern 1818, Österreich 1848, Preußen 1850, Weimarer Reichsverfassung 1919). Eine Unterscheidung zwischen Staatsbürgern bzw. Unionsbürgern und Ausländern ist bei den Bürgerrechten möglich. Unterschei­dun­gen sind nur bei objektiven Gesichtspunkten rechtmäßig.

Lit.: Köbler, DRG 206, 252; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 997; Adams, W., Das Gleichheitspostulat in der amerikanischen Revolution, HZ 212 (1977), 59; Erler, A., Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, 1967; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Von der ständischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gleichheit, 1980; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4, 1980, 7; Chaimowicz, T., Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Böttger, B., Das Recht auf Gleichheit und Differenz, 1990; Maldeghem, C. v., Die Evolution des Gleichheitssatzes, 1997; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten, 2000; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Rabe, C., Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006

Gleve (F.) Einheit im Ritterheer

Lit.: Schulze, W., Die Gleve, 1940

Glocke

Lit.: Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939

Glogau

Lit.: Goerlitz, T., Die Gubener Handschrift des Glogauer Rechtsbuches, ZRG GA 64 (1944), 319

Glorious Revolution ist die Bezeichnung für den 1688 durch Eingreifen des Parlamentes unblutigen Wechsel vom 1672 katholisch gewordenen König Jakob II. aus dem Hause Stuart zu Maria II. Stuart und ihrem protestantischen Ehemann Wilhelm III. von Oranien. Obwohl die G. R. keine wirkliche Revolution ist, sondern die aristokratische Ordnung vordergründig eher festigt, legt die in der → Bill of Rights (1689) errungene Sicherung der Rechte des → Parlaments die Grundlage für die weitere verfassungsmäßige Entwicklung zum Parlamentarismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

glossa → Glosse

Glossa (F.) ordinaria (lat., ordentliche Glosse) ist die Zusammenfassung aller einzelnen → Glossen zum römischen bzw. kirchlichen Recht zu einer kettenförmig um den Text gelegten Einheit durch Accursius (1182/1185-1260/1263, 96940 Einzelglossen, 22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Digestum infortiatum, 22243 zum Digestum novum, 17814 zum Codex [1-9], 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum, 680 zu den Libri feudorum in insgesamt 5 Bänden, durch etwa 1200 Handschriften belegt) bzw. Johannes Teutonicus (1216). Die bereits 1258 in Florenz wenig später in Frankreich (Toulouse 1275-1300), Spanien und Portugal sowie gegen Ende des 13. Jh.s in Deutschland (Johannes von Erfurt 1285, Brügge 1291) verwendete g. o. des Accursius enthält u. a. etwa 10400 als von früheren Verfassern (z. B. Irnerius 330, Martinus 590, Bulgarus 315) stammend gekennzeichnete Glossen.

Lit.: Accursii Glossa, 1487ff., Neudruck 1968ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Glossator → Glosse

Glosse ist das ungewöhnliche und deshalb erklärungsbedürftige Wort, dessen Erklärung und die Gesamtheit aller Erklärungen erklärungsbedürftiger Wörter eines Textes (z. B. der Bibel). Die Erklärung wird meist an den Rand (Marginalglosse) oder zwischen die Zeilen (Interlinelglosse) des zu erklärenden Textes gesetzt. Im Recht beginnt die Glos­sierung mit dem Ziel der analysierenden Aufschließung des Textes, dann der Erleichterung des Verständnisses und schließlich der syn­thetizierenden Entwicklung einer wider­spruchsfreien Einheit der justinianischen Texte wohl mit (Pepo von Bologna,) Irnerius (1060?-1125?) in Bologna. Ihm folgen vor allem die vier Doktoren Bulgarus, Hugo, Jacobus und Martinus. Seit etwa 1160 werden die Glossen durch Na­menssiglen gekennzeichnet. Weitere bekannte Glossatoren sind Rogerius, Albericus, Ald­ricus, Wilhelmus de Cabriano, Placentinus, Henricus de Baila, Johannes Bassianus, Pillius, Cyprianus, Otto Paiensis, Lotharius, Burgundio von Pisa, Vacarius, Azo, Hu­golinus, Jacobus de Ardizone, Jacobus Columbi, Jacobus Balduini, Tancredus, Baga­rottus, Damasus, Bernardus Dorna, Pontius de Ilerda, Karolus de Tocco, Symon Vicentius, Roffredus und Odofredus sowie Accursius. Nach 1215 wird die Tätigkeit der Glossatoren durch Begutachtung (Konsilien der Konsiliatoren) und Kommentierung (Kom­mentare der Kommentatoren) ersetzt. → Malbergische Glosse, Sachsenspiegelglosse

Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 106, 107; Köbler, LAW; Savigny, C., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3ff. 2. A. 1834ff.; Schulte, J. v., Die Glosse zum Dekret Gratians, 1872; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Calasso, F., I glossatori e la teoria della sovranità, 2. A. 1951; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Fried, J., Die Entstehung des Jursitenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Villata di Renzo, G., La tutela, 1975; Glosse preaccursiane alle Istituzioni, hg. v. Caprioli, S. u. a., Bd. 1f. 1984ff.; Dolezalek, G., Repertorium manu­scriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Otte, G., Logische Einteilungstechniken bei den Glossatoren, (in) Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997, 157; Mittelalterliche volkssprachige Glossen, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2001; Maceratini, R., La glossa ordinaria al Decreto di Graziano e la Glossa di Accursio al Codice di Giustiniano, 2003; Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006

Glück, Christian Friedrich von; geb. Halle 01. 07. 1755; gest. 20. 01. 1831, 1770 Studium Rechtswissenschaft Universität Halle, 1776 Referendar Magdeburg, 1777 Promotion Universität Halle, 1784 Professor Universität Erlangen, 1820 geheimer Hofrat, 1827 No­bilitierung ist der Verfasser der (unvollendeten) ausführlichen Erläuterung der Pandekten in 34 Bänden (1790ff.).

Lit.: Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Hirata, A., Die Vollendung des usus modernus pandectarum, ZRG RA 123 (2006), 330

GmbH → Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Gnade → Begnadigung

Lit.: Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Butz, H., Gnadengewalt und Gnadensachen, 1975; Laske, W., Die rechtliche Unzulässigkeit der Mönchung als Gnadenakt im fränkischen Hofgericht, ZRG GA 95 (1978), 239; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004; Ludwig, U., Das Herz der Justitia, 2008

Gnadenjahr

Lit.: Brünneck, W., v. Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr, ZRG GA 27 (1906), 1

Gneist, Heinrich Rudolf Hermann Friedrich von (Berlin 13. 8. 1816-22. 7. 1895), Justizkommissarssohn, wird nach dem Rechts­studium in Berlin (Savigny) 1845 außerordentlicher Professor und 1858 ordentlicher Professor (1857/1860 Das heu­tige englische Verfassungs- und Verwal­tungsrecht). Er wirkt als Politiker zunächst gegen Bismarck und später Bismarck unterstützend gegen Sozialisten und Klerikale und fördert maßgeblich das Zustandekommen der Reichsjustizgesetze (1877/1879) und die Einführung des richterlichen Prüfungsrechts, der freien Rechtsanwaltschaft und der gerichtlichen Überprüfung der Verwaltungs­tätigkeit.

Lit.: Schiffer, E., Rudolf von Gneist, 1929; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Luig, K., Soziale Monarchie oder soziale Demokratie, ZRG GA 111 (1994), 464; Hahn, E., Rudolf von Gneist, 1995; Eßer, D., Gneist als Zivilrechtslehrer, 2004

Go ist der hochmittelalterliche Dorfschafts­verband (Landgemeinde) in Sachsen. Meist zweimal jährlich findet eine Versammlung der Gobewohner statt (Goding). Das Alter des G. ist ebenso streitig wie die Herkunft. Im 16./17. Jh. beseitigt der Landesherr den G. zugunsten des Amtes.

Lit.: Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905, 118, 137; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichts­barkeit, Diss. phil. Münster 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127

Go (M.) Gau, Gebiet, Dorf

Gobler, Justin (St. Goar um 1503-Frankfurt am Main 21. 5. 1567) wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Bourges [Alciat]) Rat, Richter und Publizist. Er übersetzt und kommentiert als erster (vor 1543) die → Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 ins Lateinische. Durch sein umfang­reiches, vielfach angefeindetes Gesamt­werk fördert er sowohl die Aufnahme des rö­mischen Rechtes in Deutschland wie auch die Kenntnis deutschen Rechtes im europäischen Umfeld.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 582; Kantorowicz, H., Goblers Karolinenkommentar, 1904

Goch

Lit.: Liesegang, E., Einige Rechtsaufzeichnungen aus dem Privilegienbuch der Stadt Goch, ZRG GA 33 (1912), 224

Gode (M.) altisländischer Priester(häuptling) (um 1000)

Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 107; Karlsson, G., Godar og baendur, 1972

Godefroy (Gothofredus), Denis (Dionysius) (Paris 17. 10. 1549-Straßburg 7. 9. 1622), adliger Parlamentsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Paris (Baudoin), Löwen, Köln, Heidelberg und Orléans (1579) als hugenottischer Glaubensflüchtling Professor in Genf, Straßburg (1591), Heidelberg (1600), Straßburg (1601) und Heidelberg (1604-1621). Er veröffentlicht 1583 eine huma­nistisch gebesserte kritische Ausgabe der justinianischen Gesetzbücher (lat. [N.] → cor­pus iuris civilis), die bis 1776 die allgemein anerkannte Edition bleibt.

Lit.: Söllner §§ 22, 23; Köbler, DRG 143; Godefroy-Ménilglaise, D., Les savants Godefroys, 1873, Neudruck 1971; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967

Godefroy (Gothofredus), Jacques (Jacobus) (Genf 1587-1652), Sohn des Denis Godefroy (Dionysius Gothofredus [1549-1622]), wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (1611) und weiteren Studien in Paris 1619 Professor des Rechts in Genf, Ratsmitglied, Syndikus und Diplomat. Er veröffentlicht 1665 eine kommentierte, kritische Ausgabe des → Codex Theodosianus in sechs Bänden, die bis zur Gegenwart nicht ersetzt ist. Neben kleineren Quelleneditionen verfasst er ein sehr erfolgreiches Handbuch der (römischen) Rechtsgeschichte (lat. Manuale [N.] iuris, 1632).

Lit.: Jacques Godefroy (1587-1652), hg. v. Schmidlin, B. u. a., 1991

Goding → Gogericht

Lit.: Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachen, ZRG GA 111 (1994), 536

Goethe, Johann Wolfgang (Frankfurt am Main 28. 8. 1749-Weimar 22. 3. 1832), Sohn des Juristen und kaiserlichen Rates Johann Kaspar Goethe und einer Stadtschult­heißentochter, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1765-1768) und Straßburg (1770, Lizentiat, nicht zum Doktor promoviert) Advokat in Frankfurt am Main und Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar und 1775 bzw. 1776 Rat des Herzogs von Sachsen-Weimar, für den er vor allem in den ersten zehn Jahren für mehr als 20000 Verwaltungs­angelegenheiten vielleicht ein Drittel seiner Zeit aufwendet. In sein berühmtes dichterisches Werk fließen auch seine rechtlichen Erfahrungen ein.

Lit.: Meisner, J., Goethe als Jurist, 1885; Fischler, M., Der Ordnungsgedanke in Goethes Rechtsdenken, (um 1940); Schubart-Fikentscher, G., Goethes Straßburger Thesen vom 6. 8. 1771, 1949; Goethes amtliche Schriften, Goethes Tätigkeit im geheimen Consilium, Bd. 1ff. 1950ff.; Schubart-Fikentscher, G., Goethes amtliche Schriften, 1977; Goethe-Zitate für Juristen, hg. v. Pausch, A. u. a., 4. A. 2000; Pausch, A./Pausch, J., Goethes Juristenlaufbahn, 1996; Unwandelbar G., hg. v. Schünemann, P., 1998; Boyle, N., Goethe, Bd. 1ff. 1999ff.; Heinze, M., Der Advokat Goethe, NJW 1999, 1897; Goethes Amtliche Schriften, Band 5 Kalendarium über Goethes amtliche Tätigkeit 1776-1819, hg. v. Wahl, V., 2000; Wadle, E., Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes, ZRG GA 122 (2005), 301

Gogericht (Goding) ist das Gericht des Gografen über die Gogemeinde in Sachsen im Mittelalter. Seine Zuständigkeit ist im Sachsenspiegel (1221-1224) hauptsächlich auf Fälle niederer Strafgerichte eingeschränkt, umfasst aber nach den Zeugnissen der Wirklichkeit weitere Bereiche. Alter und Herkunft des Gogerichts sind streitig.

Lit.: Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA (1884), 1; Sauer, H., Die ravensbergischen Gogerichte, Diss. phil. Münster 1909; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, 1949; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Goge­richtsbarkeit, Diss. phil. Münster, 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Bemmann, K., Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichte, Diss. jur. Münster 1997; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004

Gografschaft

Lit.: Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, 1949

Gold

Lit.: Striedinger, I., Der Goldsucher Marco Bragdino, 1928; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Häßler, H., Frühes Gold. Ur- und Frühgeschichtliche Goldfunde aus Niedersachsen, 2004

Goldast von Haiminsfeld, Melchior (Espen [in] Bischofszell/Thurgau 6. 1. 1578-Gießen 11. 8. 1635) wird nach dem Schulbesuch in Memmingen und dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft in Altdorf (Magister artium) sowie einem nach eigenen Angaben 1604 von der Stadt Genf verliehenen, aber nicht angenommenen Doktortitel Erzieher und Herausgeber ein­heimischer Quellen (z. B. Imperatorum .. statuta, 1607) und Rat (Weimar 1613, Bückeburg 1615, Kaiser 1627).

Lit.: Schecker, H., Melchior Goldast von Haiminsfeld, 1930; Hertenstein, B., Joachim von Watt (Vadianus), Bartholomäus Schobinger, Melchior Goldast, 1975; Caspary, G., Späthumanismus und Reichspatriotismus, 2006

Goldene Bulle ist das vor allem die Rechte der → Kurfürsten regelnde, seit 1400 nach dem seinen sieben erhaltenen Ausfertigungen (5 für Kurfürsten, je eine für Frankfurt am Main und Nürnberg) anhängenden, nach byzantinischem Vorbild im 9. Jh. im Westen eingeführten goldenen Siegel benannte, lateinisch gefasste, vielleicht weitgehend vom Hofkanzler Johann von Neumarkt formulierte Reichsgesetz Kaiser Karls IV. (1346-1378) vom 10. 1. 1356 (Kapitel 1-23) bzw. 25. 12. 1356 (Kapitel 24-31, Name erstmals 1400 bezeugt). Obwohl die G. B. sich als Privileg darstellt, fasst sie eigentlich nur bereits weitgehend anerkannte Sätze zusammen. Dabei festigt sie das Wahlrecht der sieben Kurfürsten (Mehrheitsgrundsatz) für den (lat.) rex (M.) Romanorum in imperatorem promovendus (den zum Kaiser zu erhebenden König der Römer), erkennt die unbeschränkte Gerichtshoheit, das Bergregal, Judenregal und Zollregal, das Münzrecht und die Landerwerbsberechtigung der Kurfürsten an und regelt das kurfürstliche Erbfolgerecht (Kapitel 7 Primogeniturerb­folge im unteilbaren Fürstentum). Andere goldene Bullen sind die G. B. von Rimini Kaiser Friedrichs II. vom 26. 3. 1226, mit der er dem Deutschen Orden die Herrschaft über das Kulmer Land östlich der unteren Weichsel bestätigt, die G. B. von Rieti des Papstes Gregor IX. von 1234 mit gleichem Inhalt, Urkunden der Könige Andreas II. (1224 für Siedler in Siebenbürgen) und Béla IV. von Ungarn oder die Goldbulle von Eger vom 12. 7. 1213, in der König Friedrich II. den Bischöfen in Deutschland die freie Bi­schofswahl zuerkennt und auf das Spolien­recht und das Regalienrecht verzichtet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 101; Ludewig, J. v., Vollständige Erläuterung der Güldenen Bulle, 2. A. 1752, Neudruck hg. v. Hattenhauer, H. 2005; Olenschlager, J., Neue Erläuterung der Guldenen Bulle Kayser Carls IV., 1766, Neudruck hg. v. Buschmann, A., 2008; Lindner, T., Die Goldene Bulle und ihre Originalausfertigungen, MIÖG 5 (1884), 96; Altmann, W., Die alte Frankfurter deutsche Übersetzung, ZRG GA 18 (1897), 107; Zeumer, K., Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1908, Neudruck 1972; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913, 192ff.; Werminghoff, A., Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356, ZRG GA 36 (1915), 275; Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Petersen, E., Studien zur Goldenen Bulle von 1356, DA 22 (1966), 227; Die güldin bulle, hg. v. Wolf, A., 1968; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Die Goldene Bulle, König Wenzels Handschrift, hg. v. Wolf, A., 1977; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356. Faksimile der Ausfertigung für den Kurfürsten von Köln, 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/6, 1983; Die Goldene Bulle vom 10. Januar und 25. Dezember 1356, bearb. v. Fritz, W., 1988 (MGH, Constitutiones 11, 537-641); Die Goldene Bulle. König Wenzels Handschrift, Kommentar von Wolf, A., 2002; Laufs, A., Das Reichsgrundgesetz von 1356, NJW 2006, 3189; Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356-1806, hg. v. Brockhoff, E. u. a., 2006; Die Goldene Bulle. Politik - Wahrnehmung - Re­zeption, hg. v. Hohensee, U. u. a., 2008

Goldene Regel ist vielleicht seit 1724 der Name für die schon dem Alten Testament bekannte, lateinisch quod ab alio odis fieri tibi, vide ne alteri tu aliquando facias und deutsch was du nicht willst, dass man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu lautende Erfahrungsregel oder Lebensweisheit.

Lit.: Mayer-Maly, T., Der Weg der goldenen Regel, FS A. Söllner, 2000

Goldschmidt, Levin (Danzig 30. 5. 1829-Berlin 16. 7. 1897), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Bonn, Heidelberg und Berlin (Dissertation De societate en commandite) 1855 in Heidelberg habilitiert, 1860 außerordentlicher Professor, 1866 ordentlicher Professor sowie 1875 in Berlin Inhaber der ersten deutschen Handelsrechtsprofessur. In seinen handels­rechtlichen und handelsrechtsgeschichtlichen Arbeiten (Handbuch des Handelsrechts, 1864ff., Universalgeschichte des Handels­rechts, [Bd. 1 3. A.] 1891, Neudruck 1957) bemüht er sich auch um die Verbindung von römischrechtlichen und nichtrömischrecht­lichen Sätzen, um Einbeziehung wirtschafts­wissenschaftlicher Erkenntnisse und um Berücksichtigung der praktischen Rechts­anwendung mit dem Ziel einer möglichst vielseitigen Sehweise. 1874 ist er Mitglied einer Kommission zur Vorbereitung des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1952; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Weyhe, L., Levin Goldschmidt, 1996

Göllnitz (Gelnica) ist ein 1264 von König Bela IV. mit Stadtrecht begabter Bergbauort in der Unterzips, der um 1500 etwa 5000 Einwohner zählt und aus dem ein früh­neuhochdeutsches Stadtbuch überliefert ist.

Lit.: Protze, H., Das älteste Stadtbuch der königlich freien Bergstadt Göllnitz/Gelnica in der Unterzips und seine Sprache, 2002

Gönner, Nikolaus Thaddäus von (Bamberg 18. 12. 1764-München 18. 4. 1827) wird zunächst in Bamberg, seit 1799 in Ingolstadt bzw. 1800 in Landshut Professor und wechselt 1811 in den Justizdienst Bayerns. Vom Reichsstaats­recht (Teutsches Staatsrecht, 1804) kommend wendet er sich der politischen Entwicklung folgend der ein­zel­staatlichen Gesetzgebung zu (Hypo­thekengesetz 1822). Bedeutsam sind auch seine öffentlichrechtliche Erfassung der Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums (Der Staatsdienst, 1808) und sein auf die Natur der Sache ausgerichtetes Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses (Bd. 1ff. 1801ff.).

Lit.: Koch, J., Nikolaus Thaddäus von Gönners Staatslehre, 1902; Schaffner, L., Nikolaus Thaddäus von Gönner, Diss. jur. Würzburg 1955 (masch.schr.); Stolleis, M., Das Bayerische Hypothekenbankgesetz von 1822, (in) Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976

Görlitz an der Neiße wird 1071 erstmals erwähnt und hat um 1500 rund 10000 Einwohner. Das Görlitzer Rechtsbuch ist ein in einer in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) geschriebenen Abschrift (101 Blätter) erhaltenes Stadtrechtsbuch für G., das eine wortgetreue ungereimte Übersetzung des (lat.) → Auctor (M.) vetus de beneficiis ins Mittel­(mittel)deutsche (Artikel 1-30 von insgesamt 47) mit Auszügen aus dem Landrecht des Sachsenspiegels, dem Weichbildrecht, ver­mut­lich auch dem sächsischen Landfrieden (1221) und der Magdeburg-Görlitzer Rechts­weisung (1304) verbindet und dabei in seinem zweiten Teil vielleicht auf dem (verlorenen) lateinischen Auctor vetus (Sachsenspiegel Landrecht) beruht.

Lit.: Köbler, DRG 103; Buhr, J., Das Görlitzer Rechtsbuch, Diss. jur. Bonn 1941 (verloren); Auctor vetus, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Lemper, E., Görlitz, 4. A. 1980; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30; Anders, I./Wolfrum, P., Görlitz, 1996; Behrisch, L., Städtische Obrigkeit und soziale Kontrolle, 2005

Görres, Josef (1776-1848)

Lit.: Raab, H., Josef Görres, 1978; Görres, hg. v. Raab, H., 1985

Görz (Grafschaft nahe der Adria), Güter zwischen 1335 und 1500 an Habsburg, 1754 gefürstete Grafschaft Görz und Gradisca, 1816 Küstenland, 1919 Italien.

Goslar am Harz ist Ort einer bedeutenden Königspfalz, neben der eine Stadt entsteht, welcher der Staufer Friedrich II. am 13. 7. 1219 einen großen Freiheitsbrief gibt. Wirtschaftliche Bedeutung erlangt sie infolge des Silberbergbaus im nahegelegenen Ram­melsberg. Zu Beginn des 14. Jh.s erringt sie die Reichsunmittelbarkeit und zeichnet vermutlich zwischen 1348 und 1360 ihr Recht in den Goslarischen Statuten auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frölich, K., Die Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter, 1910; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Frölich, K., Verfassung und Verwaltung der Stadt Goslar im späteren Mittelalter, 1921; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922; Wiederhold, W., Goslar als Königsstadt und Bergstadt, 1922; Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Frölich, K., Die Verfassungsentwicklung von Goslar im Mittelalter, ZRG GA 47 (1927), 287; Meier, P., Die Stadt Goslar, 1926; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft, 1928; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933; Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934; Frölich, K., Die Goslarer Straßennamen, 1949; Frölich, K., Das Stadtbild von Goslar im Mittelalter, 1949; Frölich, K., Das älteste Archivregister der Stadt Goslar, 1951; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Kreutzberger, E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar im 18. Jahrhundert, 1959; Ebel, W., Das Stadtrecht von Goslar, 1968; Goslar im Mittelalter, hg. v. Engelke, H., 2003; Kelichhaus, S., Goslar um 1600, 2003

Gote ist der Angehörige eines in der Völkerwanderungszeit von der Ostsee (Gotland) über den Südosten (Krim) unter dem Druck der Hunnen 375 n. Chr. in das römische Reich eindringenden germanischen Volkes, das sich in → Ostgoten (Italien) und → Westgoten (Gallien, Spanien) aufteilt. Zwischen 25 und 50% der als Goten bezeichneten Menschen dürften nach ihrer volksmäßigen Herkunft Goten gewesen sein. Ihr Ursprung in Skandinavien wird bezweifelt.

Lit.: I Goti in occidente, 1956 (Spoleto); Burn, T., A History of the Ostrogoths, 1984; Teillet, S., Des Goths à la nation gothique, 1984; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Heather, P., Goths and Romans, 1991; Köbler, G., Neuhochdeutsch-gotisches Wörterbuch, 1993; Heather, P., The Goths, 1996; Sonderegger, S., Tradition und Erneuerung der germanischen Rechtssprache aus der Sicht des Gotischen, FS K. Kroeschell, 1997; Mussot-Goulard, R., Les Goths, 1999; Petit, C., Iustitia Gothica, 2001; Christensen, A., Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths, 2002; Giese, W., Die Goten, 2004; Wolfram, H., Gotische Studien, 2005; Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo, 2005; Maier, G., Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, 2005

Göteborg am Kattegat wird 1619 angelegt und 1621 mit Stadtrecht begabt. 1891 erhält es eine Universität.

Gothofredus → Godefroy

Gotland → Gutalagh

Lit.: Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Lerbom, J., Mellan två riken, 2003

Gott ist nach jüdischer und christlicher Lehre der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er ist der Herr über das Recht, das er als Gebot und Verbot den Menschen gegeben hat (→ Dekalog). Im jüngsten Gericht zieht er den Menschen zur Rechenschaft.

Lit.: Köbler, DRG 108; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Lang, B., Jahwe der biblische Gott, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht, 2002; Leisner, W., Gott und Volk, 2008

Gottesfriede (lat. [F.] pax Dei) ist das im späten Frühmittelalter ([Le Puy um 975,] Charroux 1. 6. 989, Narbonne um 990, Limoges 994, Le Puy 994, Poitiers 1000, Beauvais 1023, Ivois/Meuse 1023, Amiens 1033/1036) von der Kirche in Wiederholung merowingischer und karolingischer Kapitula­rien, Konzilienbeschlüsse (Orléans 511-548, Tours 567, Mâcon 585, Paris 614, Quierzy 857, Ver-sur-Launette 884, Metz 893), und Bußbücher ausgehende Friedensgebot,dessen Verletzung kirchliche Folgen nach sich zieht. Der G. erreicht von Südfrankreich aus gegen Ende des 11. Jh.s das deutsche Reich (Lüttich 1082, Köln 1083, Bamberg 1085). Inhaltlich sehen beschworene Beschlüsse geistlicher und welt­licher Herren Exkommunikation, Verflu­chung, Bußen für Mord, Diebstahl, Raub usw. vor. Besonders geschützt werden Mönche, Kauf­leute, Bauern, Frauen, Kirchen oder Vieh. Besondere Zeiten des Friedens sind die hohen Feste und die Tage von Donnerstag bis Sonntag. Seit dem ausgehenden 11. Jh. weicht der G. dem → Landfrieden.

Lit.: Köbler, DRG 118; Wasserschleben, H., Zur Geschichte der Gottesfrieden, ZRG GA 12 (1891), 112; Huberti, L., Der Gottesfriede in der Kaiserchronik, ZRG GA 13 (1892), 133; Huberti, L., Studien rzu Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden, 1892; Winterfeld, L. v., Nochmals Gottesfrieden und deutsche Stadtverfassung, ZRG GA 54 (1934), 238; Wohlhaupter, E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Conrad, H., Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Achter, V., Über den Ursprung der Gottesfrieden, 1955 (29 S.); Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Hoffmann, H., Gottesfriede und Treuga Dei, 1964; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfrieden, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63; Barthélemy, D., L’an mil et la paix de Dieu, 1999; Gergen, T., Pratique juridique de la paix et trêve de Dieu, 2004

Gotteslästerung (vgl. Leviticus 24,11-16) ist die im römischen Recht (Todesstrafe) und seit dem Spätmittelalter (1495) strafbare, besonders verletzende öffentliche Kundgabe der Miss­achtung des christlichen Gottes, die seit dem 18. Jh. problematisiert wird (von 1813 bis 1827 in Bayern straflos) und 1969 in Deutschland straflos wird.

Lit.: Köbler, DRG 19; Ettinger, J., Zur Lehre von den Religionsregeln, 1919, 29; Forrer, D., Der Einfluss von Naturrecht und Aufklärung auf die Bestrafung der Gotteslästerung, 1973; Leutenbauer, S., Das Delikt der Gotteslästerung, 1984; Pahud de Mortanges, R., Die Archetypik der Gotteslästerung, 1987

Gottesstaat ist die Vorstellung von der Herrschaft des christlichen Gottes auf der Erde. Sie wird maßgeblich von Augustinus (354-430) geprägt, der in seinem Werk (lat.) De civitate Dei (413-426) einen Gegensatz von (lat.) civitas (F.) Dei (Staat Gottes) und (lat.) civitas (F.) terrena (irdischer Staat) bildet.

Lit.: Köbler, DRG 82; Loewenich, W. v., Augustin, 1965

Gottesurteil ist das Urteil (eines?) Gottes in einer menschlichen Streitfrage. Im mittelalter­lichen, wohl insofern von der christlichen Kirche beeinflussten Recht ist das G. die Entscheidung über die Schuld oder die Unschuld eines Beschuldigten durch ein auf (den christlichen) → Gott zurückgeführtes äußeres Zeichen (z. B. [folgenloses] Tragen eines glühenden Eisens, [folgenloses] Schreiten über glühende Pflugscharen, [folgenloses] Eintauchen des Armes in siedendes Wasser, [folgenloses] Treten vor die Leichenbahre eines Toten usw.). Streitig ist, ob Zweikampf und Los Gottesurteile sind. Die Stellung der Kirche zum G. ist lange Zeit uneinheitlich. 1219/1222 wendet sie sich deutlicher gegen das G. Dennoch erhält sich das G. bis in das 17. Jh., bis es vielleicht durch die Aufnahme des römischen Rechts oder die zunehmende Vernünftigkeit des Menschen verschwindet.

Lit.: Köbler, DRG 86; Karasconyi, J. u. a., Registrum Varadinense examinum ferri candentis, 1903; Pappenheim, M., Über die Anfänge des germanischen Gottesurteils, ZRG GA 48 (1928), 136; Schwerin, C. Frhr. v., Rituale für Gottesurteile, 1933 (SB Heidelberg); De ordaliis, collegit Browe, P., 1932/1933; Schwerin, C. Frhr. v., Das Gottesurteil des Poppo, ZRG GA 58 (1938), 69; Erler, A., Der Ursprung der Gottesurteile, Paideuma 2, 1941, 44; Nottarp, H., Gottesurteile, 1949; Thoma, H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956; Hexeter, R., Equivocal Oaths and Ordeals, 1975; Bürge, A., Realität und Rationalität der Feuerprobe, ZRG GA 100 (1983) 257; Bartlett, R., Trial by fire and water, 1986; Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, hg. v. Brieskorn, N., 1994, 89

Göttingen an der Leine (953 Gutingi) wird (1736/)1737 Sitz einer aufgeklärten, im 18. Jh. in Deutschland führenden Universität (→ Pütter, → Hugo), von deren 172000 Studenten der ersten 225 Jahre rund 70000 Rechtswissenschaft studieren. Am 18. 11. 1837 protestieren sieben (von insgesamt 32) Göttinger Professoren (Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Dahlmann, Gervinus, Al­brecht, Weber, Ewald) gegen die Aufhebung der 1833 gewährten Verfassung seitens des Königs von Hannover, an die sich selbst wie­ter gebunden fühlen, und verlieren dadurch ihr Amt.

Lit.: Köbler, DRG 136, 170; Pütter, J., Versuch einer academischen Gelehrtengeschichte von der Georg-August-Universität in Göttingen, Bd. 1ff. 1765ff., Neudruck 2005; Cornberg, H. v., Beiträge vornehmlich zum Privatrecht der Stadt Göttingen, 1910; Arnim, M., Corpus academicum Gottingense 1737-1928, 1930; Smend, R., Die Göttinger Sieben, 1951; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1952; Gundelach, E., Die Verfassung der Göttinger Universität, 1955; Ebel, W., Zur Geschichte der Juristenfakultät und des Rechtsstudiums an der Universität Göttingen, 1961; Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962, hg. v. Ebel, W., 1962; Die Privilegien und ältesten Statuten der Georg-August-Universität zu Göttingen, hg. v. Ebel, W., 1961; Mohnhaupt, H., Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert, 1965; Wittram, G., Die Gerichtsverfassung der Stadt Göttingen, 1966; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Eysel, H., Die Steuerverfassung Göttingens, Diss. jur. Göttingen 1968; Ebel, W., Memorabilia Gottingensia, 1969; Kallmann, R., Das bürgerliche Recht, 1972; Boockmann, A., Urfehde und ewige Gefangenschaft, 1980; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Göttingen, hg. v. Denecke, D., 1987; Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Becker, H. u. a., 1987; Dilcher, G., Der Protest der Göttinger Sieben, 1988; Zur geistigen Situation der Zeit der Göttinger Universitätsgründung 1737, hg. v. Stackelberg, J. v., 1988; 250 Jahre Georgia Augusta, 1988; Neitzert, D., Die Stadt Göttingen führt eine Fehde, 1992; Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der Georg-August-Universität, hg. v. Schlotter, H., 1994 (Aufsätze); See, K. v., Die Göttinger Sieben, 1997, 3. A. 2000; Boockmann, H., Göttingen, 1997; Jeske, R., Bürgertum in der Universitätsstadt Göttingen, 1999; Szabó, A., Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung, 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001; Göttingen, hg. v. Böhme, E. u. a., Bd. 2 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Saage-Maaß, M., Die Göttinger Sieben, 2007

Goudelin → Gudelinus

Grab ist der Ort der Beerdigung eines toten Menschen.

Lit.: Paret, O., Die frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart, 1937

Grad (zu lat. [M.] gradus) ist allgemein der Schritt oder die Stufe. Akademischer G. ist die wissenschaftliche Qualifizierung auf Grund einer Prüfung. Der akademische G. geht auf Bezeichnungen in der römischen Verwaltung zurück (z. B. lat. [M.) magister equitum, Heermeister, doctor gladiatorum, Fechtlehrer, seit dem 3. Jh. n. Chr. magister auch Ehrenbezeichnung für christliche Große). Missstände im hochmittelalterlichen Lehrbetrieb des 13. Jh.s bewirken Regelungen (z. B. Paris 1215 Bedingungen für den [lat.] magister [M.) artium und magister theologiae, 1233 Lehrerlaubnis für jeden in Toulouse geprüften (lat.) magister). Als Grade entwickeln sich (lat. [M.]) baccalaureus, magister und doctor, wobei im Heiligen römischen Reich das Bakkalaureat seit dem 16. Jh. schwindet und mit der Wandlung der artistischen Fakultät zur philosophischen Fakultät der (lat. [M.]) magister artium zum doctor philosophiae wird. 1402 wird im Heiligen römischen Reich erstmals für Juristen der Grad doctor iuris utriusque (Leh­rer beider Rechte, d. h. geistliches Recht, weltliches Recht) verliehen. Mit dem G. werden sonstige Vorteile verbunden (teil­weise Adelsgleich­heit). Wegen der Vielzahl der meist mit schriftlichen Arbeiten verbundenen Promo­tionen zum Doktor wird seit dem 18. Jh. zunehmend die Lehrerlaubnis (lat. venia [F.] legendi des Uni­versitäts­lehrers) mit der Habilitation in einem Einzelfach oder mehreren Einzelfächern verknüpft, zumal teilweise in Abwesenheit zum Doktor promoviert (Jena 1841 Karl Marx, erst ab etwa 1882 allmählich abgeschafft) oder der G. auch durch eine bloße mündliche Prüfung erworben werden kann (Heidelberg bis 1908, Österreich drei Rigorosen bis etwa 1990). Seit etwa 1820 erscheint der ehrenhalber erteilte G. (Dr. h. c.). 1899 erhalten im deutschen Reich auch die neuen technischen Hoch­schulen das Recht zur Verleihung von Graden. Seit dem Ende des 20. Jh.s werden in der Europäischen Union die akademischen Grade zunehmend vereinheitlicht (Bologna-Modell mit drei­jährigem Bachelor-Studium, anschließendem Magisterstudium und an­schließendem Dokto­rats­studium), während die Habilitation in Deutschland rechtlich als Voraussetzung der Professur aufgegeben ist.

Lit.: Oberbreyer, M., Die Reform der Doktorpro­motion, 3. A. 1878; Wretschko, A. v., Die akademi­schen Grade, 1910; Roß, G., Das Aufkommen der ju­ristischen Ehrenpromotion, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1967; Bleek, W., Von der Kameral­aus­bildung zum Juristenprivileg, 1972; Prahl, H., Gesellschaftliche Funktionen von akademischen Ab­schluss­prüfungen und Graden, 1974; Zimmerling, W., Akademische Grade und Titel, 2. A. 1995; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2001; Wollgast, S., Zur Geschichte des Promotionswesens in Deutschland, 2001

Graf (lat. [M.] comes) ist im Frankenreich im Mittelalter der ursprünglich königliche Amtsträger. Der Titel (lat. [M.]) comes (Gefährte, Be­gleiter) findet sich im römischen Altertum seit Kaiser Diokletian (284-313/316) für hohe Höflinge und danach für örtliche Amts­träger (u. a. auch [lat.] comes civitatis). Der frühmittel­alterliche fränkische comes soll den Frieden wahren, Übeltäter verfolgen und Schutzbedürftige sichern. Daneben kennt die fränkische (lat. [F.]) Lex Salica einen vielleicht zu got. gagrefts, Befehl, zu stellenden afrk. grafio, der auf Verlangen eines Rechtsu­chenden Sachen wegnehmen oder unerwünschte Siedler vertreiben soll und der möglicherweise ein örtlicher königlicher Befehlshaber ist. In der Mitte des 8. Jh.s verschmilzt dieser grafio anscheinend mit lat. comes, dessen Aufgaben in karolingischer Zeit in der Erhaltung des Königsgutes, der Auf­bietung der Heerfolge­pflichtigen, der Erhebung von Zöllen, der Einziehung von verfallenem Gut und der Leitung des Rechtsstreits um Freiheit und Grund bestehen. Zwar ist der G. absetzbar, doch wird seine Stellung in vor­nehmen Familien bald erblich. Die richterlichen Aufgaben treten in den Vor­dergrund. Seit dem 11. Jh. gerät die gräfliche Gewalt unter den Einfluss nichtköniglicher Mächte. Der Grafentitel wird zu einer Standesbezeichnung. Ein Teil der Grafen wird mittelbarer land­sässiger Adel, die reichs­ständischen Grafen treten im Reichs­fürstenrat zusammen (schwä­bische, wetter­auische, fränkische und west­fälisch-nieder­sächsische Grafenkurie). Das Gericht des Grafen wird vielfach Land­gericht. Mit dem Ende des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) verliert auch der reichs­unmittelbare G. seine selbständige Bedeu­tung. G. wird zum (verliehenen) höheren Adelstitel.

Lit.: Köbler, DRG 84, 86; Köbler, WAS; Ficker, F., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 72, 95; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, 1906; Hausgeschichte und Diplomatarium des Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964;.Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschafts­verfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Guttenberg, E. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel 1952, 93; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Schöllkopf, R., Die sächsischen Grafen, 1957; Mitterauer, M., Die Grafenfamilien der bayrischen Marken in der Karolingerzeit, Diss. phil. Wien 1960 (masch.schr.); Bosl, K., Franken um 800, 2. A. 1980; Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Zotz, T., Grafschaftsverfassung und Personengeschichte, ZGO 136 (1988), 1; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Grafen und Herren in Südwestdeutschland, hg. v. Andermann, K. u. a., 2006

Grafenbann ist der vom König im Frühmittelalter dem → Grafen verliehene → Bann von 15 Schillingen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

grafio → Graf

Grafschaft ist der Amtsbezirk des → Grafen (lat. comes, → lat. comitatus). Im Gegensatz zu älteren Forschungen werden trotz etwa der erheblichen Anstrengungen von Herrschern wie Pippin des Jüngeren oder Ludwig des Frommen in der Gegenwart die Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Gauangaben der Quellen und jeweils gegebenen Bezirken von Grafen und die Vor­stellung eines lückenlosen Systems von Grafschaften für das Frühmittelalter abgelehnt (Amtsgrafschaften neben auf verstreuten Königsgut gegründeten Streugrafschaften). Zu einer stärkeren Geschlossenheit von Amtsbezirken scheint es mit der Festigung der Landesherrschaft zu kommen.

Lit.: Köbler, WAS; Hömberg, A., Grafschaft, 1949; Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschafts­verfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (1954), 167; Schulze, H., Die Grafschaftsverfassung der Karolingerzeit in den Gebieten östlich des Rheins, 1973; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschafts­verfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Hoffmann, H., Grafschaften in Bischofshand, DA 46 (1990), 375; Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994

Gragas (Graugans) ist die auf einem Irrtum beruhende, 1548 nachweisbare, seit dem 17. Jh. übliche Bezeichnung für das aus Gesetzen, Gutachten, privaten Aufzeichnungen und Formelsammlungen zusammengesetzte, zwi­schen 1258 und 1271 aufgezeichnete und durch das Königsbuch (Konungsbok, [lat.] Codex [M.] regius) und das Stadarholsbuch (Sta­darholsbok, [lat.] Codex [M.] Arna­magnaeanus) der zweiten Hälfte des 13. Jh.s überlieferte, altisländische Recht ([930-1264] Christenrecht, Strafrecht, Eherecht, Erbrecht, Grundgüterrecht und Vertragsrecht). Die Geltung der G. auf Island wird nach der Unterwerfung → Islands unter Norwegen (1262/4) 1271/81 durch das Gesetzbuch König Magnus Hakonarsons (→Jarnsida, → Jonsbok) aufgehoben.

Lit.: Bechert, R., Eine dunkle Stelle der Graugans, ZRG GA 48 (1928), 442; Isländisches Recht. Die Graugans, hg. v. Heusler, A., 1937; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 120; Foote, P., Some Lines in Logréttutháttr, FS P. Foote, 1984, 155; Beck, H., Wortschatz der altisländischen Grágás, 1993

Granada an der Sierra Nevada geht auf eine keltische Gründung zurück. Im Mittelalter ist es Mittelpunkt eines maurischen Königreichs (1030-1050, 1238-1492). 1526/1531 erhält es eine Universität.

Lit.: Ladero Quesada, M., Granada, 1988

Grande ordonnance de réformation du royaume ist das französische Gesetz von 1302, durch das der König den Schutz der Kirche auch in den Gebieten der Landesherren (Herzöge, Grafen, Barone) übernimmt.

Grangie ist der hochmittelalterliche klös­ter­liche Wirtschaftshof vor allem der Zisterzienser.

Lit.: Wiswe, H., Grangien niedersächsischer Zisterzienserklöster, Braunschweig. Jb. 34 (1953), 5; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittel­alterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 175f.; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983

Gratian (Carraria um 1100-Bologna? nach 1143 [um 1150?]), (kamaldulensischer Mönch? und) Magister der Theologie in Bologna, verfasst zwischen 1125 und 1140 die → concordia discordantium canonum (→ Decretum Gratiani). Er begründet mit diesem vielleicht 3800 Kapitel kirchenrechtlicher Quellen zusammenfassenden, die Wider­sprüche kommentierend auflösenden Werk die kirchenrechtliche Wissenschaft.

Lit.: Köbler, DRG 102, 105; Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Kuttner, S., Graziano, 1953, 20; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967, 132; Kuttner, S., Research on Gratian, (in) Seventh International Congress of medieval Canon Law, 1984; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum, 2000

Graubünden ist der aus antihabsburgischen Bündnissen (1367 Gotteshausbund, 1395 Oberer oder Grauer Bund) entstandene, seit 1497ff. zur → Eidgenossenschaft in Beziehung tretende Kanton (1803/1815) der → Schweiz.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jecklin, F., Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gemeiner III Bünde, Teil 1f. 1907ff.; Caliezi, B., Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton Graubünden, 1920; Pieth, F., Die Umbildung des Freistaates der drei Bünde in den Kanton Graubünden, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 57 (1928); Liver, P., Vom Feudalismus zur Demokratie, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 1930; Lalive-Acatos, K., Das gesetzliche Erbrecht Graubündens, 1931; Gillardon, P., Geschichte des Zehngerichtenbundes, 1936; Zur Fünfjahrhundertfeier des Zehngerichtenbundes, 1936; Müller, I., Die Entstehung des grauen Bundes 1367-1424, Zs. f. schweiz. Gesch. 21 (1941), 137; Maron, C., Das Zivilgericht nach den bündnerischen Statutarrechten, 1942; Bündner Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Meyer-Marthaler, E. u. a., 1947ff.; Die lex Romana Curiensis, hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Staats­archiv Graubünden, Einbürgerungen 1801-1960, hg. v. Jenny, R., 1965; Padrutt, C., Staat und Krieg im alten Bünden, 1965; Caroni. P., Einflüsse des deutschen Rechts Graubündens südlich der Alpen, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,451; Der Gotteshausbund, hg. v. Schorta, A., Bd. 1f. 1980f.; Bundi, M., Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens, 1982; Geschichte und Kultur Churrätiens, 1986; Cavigelli, M., Entstehung und Bedeutung des Bündner Zivilgesetzbuches von 1861, 1994; Rathgeb, C., Die Verfassungsentwicklung Graubündens im 19. Jahrhundert, 2003

gravamen (lat. [N.]) Last, Beschwerde (im Gegensatz zu Vorteil, Gewinn)

Gravina, Gian Vincenzo (1664-1718), nach dem Studium in Scaela (Caloprese) und Neapel (Biscardi) seit 1689 in Rom, wird Professor zunächst für Zivilrecht, 1703 für kirchliches Recht. Sein Hauptwerk sind die 1701 veröffentlichten (lat.) Origines (F.Pl.) iuris civilis (Ursprünge des weltlichen Rechts).

Lit.: Ghisalberti, C., Gian Vincenzo Gravina, 1962

Graz (zu slaw. gradec, Bürglein) an der Mur wird 1164 als Markt neben einer Burg genannt. Seit 1379 ist es Residenz. 1584/1586 erhält es zum Zweck der Gegenreformation eine Universität, an der auch juristischer Unterricht stattfindet.

Lit.: Popelka, F., Geschichte der Stadt Graz, 1928; Popelka, F., Die Bürgerschaft der Stadt Graz, 1941; Ebert, K., Die Grazer Juristenfakultät im Vormärz, 1969; Ebert, K., Die Pflege der Rechtsgeschichte an der Universität Graz, ZRG GA 87 (1970), 239; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; 850 Jahre Graz, hg. v. Steinböck, W., 1978; Reformen des Rechts. Festschrift zur 200-Jahr-Feier der rechtswissenschaft­lichen Fakultät der Universität Graz, hg. v. Sutter, N., 1979; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992; Wesener, G., Österreichisches Privatrecht an der Universität Graz, 2002; Professoren erinnern sich, hg. v. Wünsch, H., 2008

Gregorius ist der Verfasser des → Codex Gregorianus.

Gregor von Tours (Clermont 30. 11. 538/539-Tours 17. 11. 594), seit 573 Bischof von Tours, überliefert in seinen zehn Büchern Geschichte (lat. Decem libri [M.Pl.] historiarum) wichtige Gegebenheiten der merowingischen Franken­zeit.

Lit.: Gregorii episcopi Turonensis historiarum libri X, 2. A. hg. v. Krusch, B., 1937ff.; Weidemann, M., Kulturgeschichte der Merowingerzeit, 1982; Goffart, W., The Narrators of Barbarian History, 1988; Heinzelmann, M., Gregor von Tours, 1994; The World of Gregory of Tours, hg. v. Mitchell, K. u. a., 2002

Greife ist der Angehörige eines vor 1124 christianisierten Herzogsgeschlechts der Po­mo­ranen (Pommern), das seit 1215 einen Greifen im Wappen führt und 1631 ausstirbt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wehrmann, M., Genealogie des pommerschen Herzoghauses, 1937

Greifswald nahe der Ostsee mit → lübischem Stadtrecht erhält 1456 eine Universität (1456-1524 3317 Immatrikulationen, Matrikel von 1456 bis 1700 von Ernst Friedländer 1893f. veröffentlicht).

Lit.: Molitor, E., Die Greifswalder Juristenfakultät, FS zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, Bd. 2 1956; Seth, I., Die Universität Greifswald und ihre Stellung in der schwedischen Kulturpolitik 1637-1815, 1956; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Feltkamp, K./Biederstedt, R., Greifswald, 1983; Vorholz, I., Die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät, 2000; Das älteste Greifswalder Stadtbuch (1291-1332), bearb. v. Poeck, D., 2000; Matthiesen, H., Greifswald in Vorpommern, 2000; Link, A., Auf dem Weg zur Landesuniversität, 2000; Greifswald, hg. v. Wernicke, H., 2000; Fietz, J., Nordische Studenten an der Universität Greifswald, 2004; Die Matrikel der Universität Greifswald, hg. v. Schmidt, R. u. a., Teil 1ff. 2004ff.; Die Universität Greifswald und die deutsche Hochschullandschaft im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Buchholz, W., 2004; Universität und Gesellschaft, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2006; Igel, K., Zwischen Bürgerhaus und Frauenhaus, 2006; Bausteine zur Greifswalder Universitätsgeschichte, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2008; Greifswald - Spiegel der deutscher Rechtswissenschaft 1815 bis 1945, hg. v. Lege, J., 2009

Grenze ist die Trennungslinie zwischen zwei Bereichen, insbesondere zwei Staaten. Ursprünglich nur wenig genau bestimmt, wird die G. mit wachsender Bevölkerungsdichte und zunehmender Territorialisierung immer eindeutiger gekennzeichnet und gesichert. Für die Grenzfestlegung entwickeln sich besondere technische Verfahren, deren Einhaltung strafrechtlich bewehrt wird.

Lit.: Hübner; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 69; Erben, W., Deutsche Grenzaltertümer aus den Ostalpen, ZRG GA 43 (1922), 1; Bader, K., Der schwä­bische Untergang, 1933, Grenzrecht und Grenzzeichen (, hg. v. Bader, K.), 1940; Karp, H., Grenzen in Ostmitteleuropa, 1972; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Simmerding, F., Grenzzeichen, 1997; Grenze und Differenz im frühen Mittelalter, hg. v. Pohl, W. u. a., 2000

Greyerz (Gruyères)

Lit.: Vevey, B. de, Le droit de Gruyères, 1939, Rennefahrt, H., Der Geltstag des letzten Grafen von Greyerz, Zs. f. schweiz. Gesch. 22 (1942), 321

Grieche ist der Angehörige des die griechische Sprache sprechenden, von den Indogermanen abstammenden Volkes, das im 2. Jt. v. Chr. in den Südosten Europas eindringt. Nach dunklen, erst mit den 27803 Versen von Ilias und Odysee sich lichtenden Jahrhunderten (1200-800 v. Chr.) bilden die Griechen in der Mitte des 1. Jt.s v. Chr. den Stadtstaat (griech. [F.] polis) aus (Sparta, Athen und viele andere). Sie führen die Wissenschaften auf einen hohen Stand (Thales, Anaximander, Anaximenes, Xenophanes, Hera­klit, Demo­krit, Pythagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles). Ihr Recht ist durch schon im 7. Jh. einsetzende Gesetzgebung (Lykurg, Solon, Drakon) und die rechtsphilosophische Unter­scheidung von natürlichem Recht (→ Naturrecht) und gesetztem Recht gekenn­zeichnet. Aus dem 5. und 4. Jh. v. Chr. sind Gerichtsreden und Inschriften (u. a. Recht von Gortyn auf Kreta um 450 v. Chr.), seit dem 3. Jh. v. Chr. Papyri (in Ägypten).

Lit.: Köbler, DRG 15, 16, 29; Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963; Mummenthey, H., Zur Einführung: Griechisches Recht, JuS 1969, 307; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, 1978; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982; Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Lendle, O., Einführung in die griechische Geschichtsschreibung, 1992; Greek Law, hg. v. Foxhall, L. u. a., 1996; Burkert, W., Die Griechen und der Orient, 2003; Cerchiai, L. u. a., Die Griechen in Süditalien, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004; Greek Colonization, hg. v. Tsetskhladze, 2006; Karvounis, C., Aussprache und Phonologie des Altgriechischen, 2007

Griechenland ist der südosteuropäische, zwischen Italien und der Türkei gelegene, seit 1. 1. 1981 der → Europäischen Gemeinschaft (1993 → Europäischen Union) angehörende Staat. Sein anfangs durch viele Stadtstaaten (z. B. → Athen) gekennzeichnetes Gebiet wird seit 336 v. Chr. unter Makedonien vereinigt, gelangt 146 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, wird 330 n. Chr. Ostrom bzw. → Byzanz zugeteilt und fällt 1453 an die Osmanen (Türken). Seit dem 4. 3. 1821 erheben sich die Griechen gegen die osmanische Herrschaft. Nach Erringung der Unabhängigkeit wird 1828 der → Hexabiblos als vorläufiges Zivilgesetzbuch bestimmt. Am 3. 2. 1830 wird G. als unabhängige Erb­monarchie anerkannt, zu dessen König 1832 der bayerische Prinz Otto von Wittelsbach bestimmt wird. Das danach geschaffene Recht ist vom deutschen Recht geprägt (1832-1834 Georg Ludwig von Maurer Strafgesetz, Strafprozessordnung, Gerichts- und Notariats­ordnung, Zivilprozessordnung, Vorbe­reitung eines Zivilgesetzbuches). 1940 wird das vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch beein­flusste Zivilgesetzbuch geschaffen, dessen Inkrafttreten am 23. 2. 1946 die Geltung des gemeinen Rechts (→ Hexabiblos) beendet. Am 21. 4. 1967 putscht die Armee gegen den König, am 1. 6. 1973 wird die Republik ausgerufen.

Lit.: Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Jones, J., The Law and Legal Theory of the Greeks, 1956; Mantzoufas, G., Über griechisches Prvatrecht, 1955; Sontis, J., Das griechische Zivilge­setzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Woodhouse, C., The story of modern Greece, 1968; Larsen, J., Greek Federal States, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,473; Bengtson, H., Griechische Geschichte, 8. A. 1994; Schuller, W., Griechische Geschichte, 4. A. 1995, 6. A. 2008; Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. Hallof, K., 1993; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; Passow, F., Handwörterbuch der griechischen Sprache, 5. A. 1993; Inschriftliche Gesetzestexte, hg. v. Hallof, K., 1993; Argyriades, C., Staatsbilder und Rechtspraktiken, 1994; Christ, C., Griechische Geschichte, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Rhodes, P./Lewis, D., The Decrees of the Greek States, 1997; Einleitung in die griechische Philologie, hg. v. Nesselrath, H., 1997; Große Gestalten der griechischen Antike, hg. v. Brodersen, K., 1999; Price, S., Religions of the Ancient Greeks, 1999; Thomas, C./Conant, C., Citadel to City-State, 1999; Botsiou, K., Griechenlands Weg nach Europa, 1999; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Rosen, K., Griechische Geschichte erzählt, 2000; Riemer, P./Weißenberger, M./Zimmermann, B., Einführung in das Studium der Gräzistik, 2000; Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre. Griechisch-deutsche Wechsel­wirkungen, hg. v. Kassimatis, G. u. a., 2000; Encyclopedia of Greece and the Hellenic Tradition, hg. v. Speake; G., 2000; Welwei, K., Die griechische Frühzeit, 2002; Lotze, D., Griechische Geschichte, 5. A. 2003; Rose, H., Griechische Mythologie, (10. A.) 2003; Buckler, J., Aegean Greece in the Fourth Century BC, 2003; Stahl, M., Gesellschaft und Staat bei den Griechen, 2003; Barceló, P., Kleine griechische Geschichte, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004; Barta, H., Zur juristischen Professionalisierung im alten Griechenland, FS Rudolf Welser, 2004, 27; Osborne, R., Greek History, 2004; Sünderhauf, E., Griechensehnsucht und Kulturkritik, 2004; Linke, B., Religion und Herrschaft im archaischen Griechenland, HZ 280 (2005), 1; The Cambridge Companion to Ancient Greek Law, hg. v. Gagarin, M., 2005; A Companion to the Classical Greek World, hg. v. Kinzl, K., 2006; Freitag, K., Ethnogenese, Ethnizität und die Entwicklung der griechischen Staatenwelt in der Antike, HZ 285 (2007), 373; Gagarin. M., Writing Greek Law, 2008; Das Bild Griechenlands im Spiegel der Völker, hg. v. Konstantinou, E., 2008; Fischer, J., Griechische Frühgeschichte bis 500 v. CHr., 2009

Grimm, Jakob (Hanau 4. 1. 1785-Berlin 20. 9. 1863), Amtmannssohn, wird nach dem nicht abgeschlossenen Rechtsstudium in Marburg (Savigny) Bibliothekar in Kassel und 1829/1830 Professor der Germanistik in Göttingen. 1837 wird er als einer der Göttinger Sieben (→ Göttingen) des Amtes enthoben, 1840 nach Berlin an die Akademie der Wissenschaft geholt. 1828 erscheinen nach den Kinder- und Hausmärchen (1812ff., zusammen mit Wilhelm Grimm [24. 2. 1786-16. 12. 1859]), den deutschen Sagen (1816ff.) und der deutschen Grammatik (1819) seine deutschen Rechtsaltertümer, über die er in Berlin auch Vorlesungen hält, seit 1840 seine deutschen Weistümer sowie 1854ff. sein seit 1837 vorbereitetes deutsches Wörterbuch, durch die Jakob G. den germanistischen Teil der historischen Rechtsschule nicht unmaß­geblich beeinflusst.

Lit.: Köbler, DRG 188; Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Z. f. gesch. Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Grimm, J./Grimm, W., Deutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1854ff.; Briefe der Brüder Grimm, hg. v. Leitzmann, A., 1923; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann, hg. v. Leitzmann, A., 1927; Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 144; Ebel, W., Jakob Grimm und die deutsche Rechtswissenschaft, 1963; Schuler, T., Jacob Grimm und Savigny, ZRG GA 80 (1963), 197; Grimm, J., De desiderio patriae, hg. v. Ebel, W., 1967; Jacob Grimms deutsche Altertumskunde, hg. v. Ebel, E., 1974; Seitz, G., Die Brüder Grimm, 1984; Dilcher, G., Jakob Grimm als Jurist, JuS 1985, 931; Der Nachlass der Brüder Grimm, bearb. v. Breslau, R., 1997; Hussong, U., Jacob Grimm und der Wiener Kongress, 2002; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004; Die Brüder Grimm in Berlin, red. v. Kaindl, K. u. a., 2004; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit den Verlegern des „Deutschen Wörterbuchs“, hg. v. Kirkness, A., 2007

Grolman, Karl Ludwig Wilhelm von (Gießen 23. 6. 1775-Darmstadt 14. 2. 1829) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Erlangen Professor in Gießen und 1819 Staatsminister in Hessen-Darmstadt. Er setzt sich für die Auffassung ein, dass es Sinn der Strafe sei, durch Einwirkung auf Straftäter deren künftigen Verbrechen vorzubeugen (→ Spezialprävention).

Lit.: Esselborn, K., Grolman, (in) Hessische Biographien, Bd. 3 1934, 157; Röger, M., Karl Ludwig Wilhelm von Grolman, Diss. jur. Gießen 1995; Cattaneo, M., Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus, 1998

Groningen wird im Jahre 1000 erstmals erwähnt. 1559 wird es Sitz eines Bischofs. 1614 erhält es eine Universität.

Lit.: Peters, C., Oud Groningen, 1907; Iterson, W. van, Die Stadt Groningen und ihre Beziehungen zum Reich, ZRG GA 85 (1965), 99

Grönland ist die verwaltungsmäßig zu → Dänemark gehörende größte Insel der Erde. G. wird wohl schon 900 von → Wikingern entdeckt. Die 982 anschließende Besiedlung geht im Spätmittelalter unter. 1721 beginnt eine Neubesiedlung unter Dänemark. Unter dem dänischen Recht erhält G. 1979 Selbstver­waltung.

Lit.: Dúason, J., Grønlands retsstilling i middelalderen, 1934; Dúason, J., Die koloniale Srtellung Grönlands, 1955; Gad, F., The History of Greenland, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,525

Großbritannien ist der nordwesteuropäische, zwischen Irland und Frankreich gelegene, seit 1. 1. 1973 der → Europäischen Gemeinschaft bzw. → Europäischen Union angehörende Staat. Er entsteht 1707 durch die Überführung der 1603 gebildeten Personalunion zwischen England und Schottland in eine → Realunion (Vereinigung des englischen und schottischen Parlamentes). Sein amtlicher Name lautet United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland (Selbstverwaltung 1999, zeitweise aufgehoben). Seine ungeschriebene Verfassung nähert sich unter dem Einfluss des Europarechts den kontinentaleuropäischen Verfassungen an (1998 Human Rights Act zur Aufnahme der Europäischen Menschenrechts­konvention). → England, → Schottland, → Irland

Lit.: Jennings, I., The British Constitution, 4. A. 1961; Hrebek, R./Keutsch, W., Gesellschaft und Staat in Großbritannien, 1971; Ritter, G., Parlament und Demokratie in Großbritannien, 1972; Wellenreuther, H., Der Aufstieg des ersten britischen Weltreichs, 1987; Metz, K., Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988; British Biographical Index, hg. v. Bank, D., 1990; Speck, W., A Concise History of Britain, 1993; Rubin, G., Private Property, 1994; Händel, H./Gossel, D., Großbritannien, 3. A. 1994; Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 1ff. 1992ff.; Hübner, E./Münch, U., Das politische System Großbritanniens, 1998; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; The Oxford History of the British Empire, hg. v. Marshall, P., Bd. 1f., 1998ff.; Ottow, R., Eine kommentierte Bibliographie zum britischen Verfassungsdenken der frühen Neuzeit, 1999; Todd, M., Romain Britain, 3. A. 1999; Oxford History of the British Empire, Bd. 3 hg. v. Winks, R., 1999; A Handbook of Dates, for Students of British History, ed. by Cheney, C. R., revised by Jones, M., 2000; Tompson, R., Islands of law, 2000; Schnurmann, C., Vom Inselreich zur Weltmacht, 2001; Wende, P., Großbritannien 1500 bis 2000, 2001; Schieren, S., Die stille Revolution – Der Wandel der britischen Demokratie unter dem Einfluss der europäischen Integration, 2001; Moeder, R., Inzidente Gesetzes­prüfung im Vereinigten Königreich, 2002; Fröhlich, M., Geschichte Großbritanniens von 1500 bis heute, 2004; Mergel, T., Großbritannien seit 1945, 2005; Asch, R., Jakob I. (1566-1625), 2005; Webster, A., The Debate on the Rise of the British Empire, 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the Protestant Interest 1688-1756, 2006; The Hanoverian Dimension in British History 1714-1837, hg. v. Simms, B. u. a. 2007: Wende, P., Das britische Empire, 2008; The Judicial House of Lords 1876-2009, hg. v. Blom-Cooper, L., 2009

großdeutsch (Adj.) den deutschen Sprach­raum einschließlich Österreichs umfassend

Großherzog ist der den Fürstentitel Herzog erhöhende Fürstentitel (Toskana 1569, Berg, Hessen-Darmstadt 1806, Luxemburg 1815).

Grotius (de Groot), Hugo (Huig) (Delft 10. 4. 1583-bei Rostock 28. 8. 1645), Patrizierssohn, wird nach dem 1594 begonnenen Studium in Leiden und der Promotion in Orléans (1598) 1599 mit 16 Jahren Anwalt und danach Syndikus. 1604/1605 oder 1606-1608 erarbeitet er in und nach Verteidigung von Ansprüchen der Vereinigten Ostindischen Kompagnie (VOC von 1602) gegen auf Aneignung, Besitz, Papst und Gewohnheit gegründeten Ansprüche Portugals das auch auf römisches Recht und antike Ethik gestützte Werk (lat.) De iure praedae (Vom Recht der Beute), in dem er zu Gunsten der Handelsgesellschaft den Grundsatz der Freiheit der Meere vertritt. 1619 wird er aus politischen Gründen zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er 1621 nach Frankreich flieht. In der Gefangenschaft verfasst er die 1631 veröffentlichte nieder­ländische, der Systematik der Institutionen Justinians folgende Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd, in der Verbannung sein Hauptwerk (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (, 1625, Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht [einschließlich etwa von Eigentum, Vertrag, unerlaubter Handlung oder Strafe]). Damit begründet er über die aus der Moraltheologie stammenden Naturrechts­leh­ren das Naturrecht in der Rechts­wis­sen­schaft, dessen Sätze unmittelbar aus der vernünftigen Natur des Menschen folgen und auch gelten würden, wenn es Gott nicht gäbe, und festigt das Völkerrecht.

Lit.: Köbler, DRG 144, 146; Lee, R., The Jurisprudence of Holland by Hugo Grotius, 1926; Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, beschreven bij Hugo de Groot, hg. v. Fockema Andreae, S./Apeldoorn, L. van, 1926; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Wellschmied, K., Zur Entstehung und Bedeutung der Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid von Hugo Grotius, ZRG GA 69 (1952), 155; Groot, Hugo de, Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, hg. v. Dovring, F. u. a., 1952; Wehberg, H., Hugo Grotius, 1956; Dießelhorst, M., Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959; ter Meulen, J./Diermanse, P., Bibliographie des écrits sur Hugo Grotius imprimés au 17e siècle, 1961; Hugonis Grotii Instiutiones juris Hollandici e Belgico in Latinum sermonem translatae, hg. v. Fischer, H., 1962; De Pauw, F., Grotius and the Law of Sea, 1965; Brandt, R., Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; The World of Hugo Grotius, 1984; Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133; Schnepf, R., Naturrecht und Geschichte bei Hugo Grotius, ZNR 1998, 1; Grunert, F., Von der Morgenröte zum hellen Tag, ZNR 2003, 204; Staat bei Hugo Grotius, hg. v. Konegen, N. u. a. 2005; Straumann, B., Hugo Grotius und die Antike, 2007

Grundbuch ist das vom Grundbuchamt geführte, alle die Rechtsverhältnisse an Grundstücken betreffenden Beurkundungen aufnehmende öffentliche Register. Die ältesten Belege des Wortes verstehen unter G. allerdings nur ein Verzeichnis der Grund­stücke und Einkünfte einer Grundherrschaft. Die Ursprünge des Grund­buchs liegen im Mittelalter (→ Köln um 1130 → Schreins­karten, Metz [1197], Ander­nach [12. Jh.], Lübeck [1284], österreichische Städte [14. Jh.]). Die Ordnung erfolgt zunächst nach Geschehniszeitpunkten oder nach Personen (Personalfoliensystem), in Anklam (1401) und Hannover (1428) bereits nach einzelnen Grundstücken (Realfoliensystem). Die Aufzeichnung dient anfangs der Gedächtnis­­stützung, gewinnt später aber selbständigen (konstitutiven) Rechtswert. Die Aufnahme des römischen Rechts drängt das G. zurück. Zunächst nur in Sachsen, seit dem 19. Jh. allgemein (Sachsen 1843, Österreich [1794 böhmisches Landta­fel­patent, 1812 Allge­meines Bürgerliches Gesetzbuch mit Eintragungsgrundsatz und Vertrauensgrund­satz,] 1871 Grundbuchsgesetz [in Tirol und Vorarlberg chronologisch geordnete Verfachbücher bis 1897 bzw. 1900, 1951 Anlegung des Grundbuchs in Vorarlberg vollendet, 1955 Neufassung Allgemeines Grundbuchsgesetz ohne grundlegende Neuerungen], Preußen 1872, Deutsches Reich 24. 3. 1897), setzt es sich aus Ver­kehrsbedürfnissen durch (Drei­teilung in Eigentümer, Reallasten, Dienstbarkeiten usw., Hypotheken usw.). 1995 beschließt Griechen­land als (bis­lang) letzter Mitgliedstaat der Europäischen Union, (bis 2009) ein G. einzurichten. Seit etwa 1980 wird das Grundbuch elektronisiert bzw. digitalisiert.

Lit.: Hübner 235; Köbler, DRG 125, 163, 212; Mascher, H., Das deutsche Grundbuch- und Hypo­thekenwesen, 1869; Randa, A., Die geschichtliche Entwicklung des Institutes der öffentlichen Bücher in Österreich, Z. f. d. Privat- und öffentl. Recht 6 (1879), 81; Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1; Rehme, P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; His, E., Geschichte des Basler Grundbuchs, 1915; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45; Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, bearb. v. Kober, A., 1920, Neudruck 2000; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 2, 1935; Conrad, H., Liegen­schaftsübertragung und Grundbucheintragung, 1935; Demelius, H., Österreichisches Grundbuchsrecht, 1948; Abendroth, K., Die Klauseleintragungen der hamburgischen Grundbücher, Diss. jur. Hamburg 1950; Wandel, R., Der Beitrag der Steuer- und Güterbücher zur Entwicklung des Grundbuches in Württemberg, Diss. jur Tübingen (um 1958); Hammer, E., Die Geschichte des Grundbuchs in Bayern, 1960; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. (1971), 1; Brauneder, W., Grundbuch und Miteigentum im „Tractatus de iuribus incorporalibus“, ZRG GA 94 (1977), 218; Böhringer, W., Historie und Vergleich, Rechtspfleger-Studienhefte 1997, 33

Grunddienstbarkeit ist die → Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus), bei der ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist. Dem älteren deutschen Recht ist die G. fremd. Mit der Zunahme der Siedlungsdichte ent­wickeln sich Nutzungsrechte an fremden Grundstücken. Mit der Aufnahme des römi­schen Rechts im ausgehenden Mittelalter dringt die Unterscheidung von bloß be­stimmten Personen zustehenden (persön­lichen) Dienstbarkeiten und den dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zustehenden Dienstbarkeiten (Grunddienst­barkeiten) ein.

Lit.: Köbler, DRG 41; Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte, 1902; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Grundeigentum ist das → Eigentum an einem → Grundstück. Im Mittelalter ist das Grundstück vielfach lehnsrechtlich oder grundherrschaftlich gebunden. Im 19. Jh. werden diese Bindungen aufgehoben.

Lit.: Judeich, A., Die Grundentlastung in Deutschland, 1863; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891, 1895, 1896; Hausmann, S., Die Grundentlastung in Bayern, 1892; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums und die Entwicklung der gerichtlichen Eigentums­übertragung an Grundstücken in der Reichsstadt Dortmund, 1909; Ernst, V., Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, 1926; Haff, K., Zur Geschichte des germanischen Grundeigentums, ZRG GA 49 (1929), 433; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das sankt gallische Freilehen, 1938; Habermann, N., Die preußische Gesetzgebung zur Herstellung eines frei verfügbaren Grundeigentums, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 3; Goeke, U., Das Grundeigentum im Luftraum und im Erdreich, 1999

Grundentlastung ist die Aufhebung der Grundherrschaft (und Patrimonialge­richts­barkeit) (z. B. in Österreich durch Grundent­lastungspatent vom 30. 8. 1848 Richstag/7. 9. 1848 Kaiser auf Antrag Hans Kudlichs vom 26. 7. 1848, geldliche Abwicklung durch Entschädigungszahlung der Bauern innerhalb zehner Jahre weitgehend gelungen). → Bauernbefreiung.

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutsch­land ist die Verfassung(surkunde) der Bundes­re­publik Deutschland vom 23. 5. 1949 (am 8. 5. 1949 beschlossen, mit 24. 5. 1949 in Kraft). Das G. entsteht auf Veranlassung der westlichen Besatzungsmächte des Deutschen Reiches. Ein von den 11 Ministerpräsidenten berufener Verfassungskonvent arbeitet vom 10. bis 23. 8. 1948 auf Herrenchiemsee einen Entwurf eines vorläufigen Organisations­statuts aus. Dieser wird von einem → Parlamentarischen Rat in Bonn überarbeitet, von den drei westlichen Militärgouverneuren genehmigt und von den Vertretungen von 10 der 11 damaligen Länder angenommen. Er gliedert sich in einen Grundrechtsteil und einen Organisationsteil (Bundesstaat, Bundes­tag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundes­kanzler, Bundesver­fassungsgericht und [5] Bundes­gerichte). Es ist inzwischen vielfach geändert, trägt aber noch den ursprünglichen Namen, der informell auch mit Bonn in Beziehung gebracht werden kann (Bonner Grundgesetz).

Lit.: Köbler, DRG 256; Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J., 1979; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herren­chiemsee, 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Benz, W. u. a., 1989; Robbers, G., Die Änderungen des Grundgesetzes, NJW 1989, 1125; Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v. Schneider, H., Bd. 1ff. 1990ff.; Wehner, G., Die Westalliierten und das Grundgesetz, 1994; Kahl, W., Die Entstehung des Grundgesetzes, JuS 1997, 1083; Bauer, A./Jaestedt, M., Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998; Wilms, H., Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Wilms, H., Die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Schneider, H., 50 Jahre Grundgesetz, NJW 1999, 1497; Die Entstehung des Grundgesetzes, hg., v. Feldkamp, M., 1999; Auf dem Weg zum Grundgesetz, hg. v. Brakelmann, G., 1999; Spevack, E., Allied Control and German Freedom, 2002; Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes – Dokumente -, hg. v. Wilms, H., 2003; Das Grundgesetz zwischen Stabilität und Veränderung, hg. v. Huber, P., 2007; Grundgesetz - Textausgabe mit sämtlichen Veränderungen, hg. v. Dreier, H. u. a., 2006, 2. A. 2007, 4. A. 2008

Grundgesetz über die Reichsvertetung → Februarverfassung (1861)

Grundherr → Grundherrschaft

Grundherrschaft ist die von einem (weltlichen oder geistlichen) Grundherrn (z. B. König, Bischof) beherrschte Gesamtheit von Gütern und die darauf befindlichen Leute, die dieser von einem Haupthof (→ Fronhof, Salhof) aus mit Hilfe abhängiger Bauern (Grundholden, Hintersassen) be­wirtschaftet. Bereits im Altertum finden sich Verbindungen von umfangreichem Ei­gentum an Grund­stücken und Herrschafts­rechten über Menschen. Wie weit die Germanen Vor­formen der G. kennen, ist trotz der Hinweise Tacitus’ nicht sicher. Jedenfalls ist bereits im Frühmittelalter die G. (als Herrschaft über Land und Leute mit bis zu 5000 Höfen) weit verbreitet. In sie treten Bauern häufig durch Vergebung ihres Hofes an einen Herren ein. Die meist unfreien Hintersassen haben für die Nutzung des ihnen überlassenen Grundstücks → Abgaben und → Dienste zu leisten. Der Grundherr gewährt (außer Landnutzung) Schutz und Schirm. Die G. ist ein wichtiger Ausgangs­punkt für die Bildung von Landesherrschaft. Der Grundherr erlangt danach vielfach Patrimonial­gerichts­barkeit und Polizeigewalt. Mit dem Eindringen der Geldwirtschaft im Hochmittel­alter wird die G. zur →Renten­grund­herrschaft, in der Herr­schaftsrechte allmählich auf den Staat übergehen. Im Nordosten des Reiches entwickelt sich die G. seit dem Spätmittelalter zur → Gutsherrschaft. Wo die Grundherren die Eigenwirtschaft aufgeben und das betreffende Land an Bauern ausgeben, entfällgt die Verpflichtung zu Frondienst. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird die G. bis zur Mitte des 19. Jhs. allgemein beseitigt (→ Bauern­befreiung, Ablösungsgesetzgebung, Öster­reich Grund­ent­las­tungspatent vom 30. 8. 1848 Reichstag/7. 9. 1848 Kaiser). Grund­sätzlich ist die (bäuerliche) G. vom (adligen) → Lehen streng zu trennen.

Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 32, 51, 77, 96, 111, 133, 174; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwest­deutschland, 1896; Knapp, T., Die Grundherrschaft im südwestlichen Deutschland, ZRG GA 22 (1901), 48; Kötzschke, R., Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden, 1901; Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 264; Grosch, G., Mark­genossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Hofbauer, S., Die Ausbildung der großen Grundherrschaften im Reiche der Merowinger, 1927; Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg im Mittelalter, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 73 (1933), 74 (1934); Perrin, C., Recherches sur la seigneurie rurale, 1935; Lütge, F., Die mitteldeutsche Grundherrschaft, 1934, 2. A. 1957; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939; Klebel, E., Die Grundherrschaften um die Stadt Villach, Archiv für vaterländische Geschichte 27 (1942); Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof im älteren deutschen Agrawresen, 1953; Schreiber, A., Rudolfingen, 1954; Kirchner, G., Probleme der spätmittelalterlichen Klostergrund­herrschaft in Bayern, Z. f. bay. LG. 19 (1956), 1; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen, 1958; Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Lennard, R., Rural England, 1959; Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964; Kuchen­buch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Lindkvist, T., Landborna i Norden, 1979; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Vassberg, D., Land and Society in Golden Age Castile, 1984; Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Kuchenbuch, L., Grundherrschaft, 1991; Scherner, K., Ut propriam familiam nutriat - Zur Frage der sozialen Sicherung in der karolingischen Grundherrschaft, ZRG GA 111 (1994), 330; Čechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Grundherrschaft und bürgerliche Gesellschaft im Hochmittelalter, hg. v. Rösener, W., 1995; Strutture e trasformazioni della signoria rurale, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1996; Grundherrschaft – Kirche – Stadt zwischen Maas und Rhein während des hohen Mittelalters, hg. v. Haverkamp, A. u. a., 1997; Otto, G., Die Arbeitsverfassung der bayerischen Grundherrschaft, 1998; Kuchenbuch, L., Abschied von der „Grundherrschaft“, ZRG GA 121 (2004), 1; Grüninger, S., Grundherrschaft im frühmittelalterlichen Churrä­tien, 2006 Winkelbauer, T., Gundaker von Liechten­stein als Grundherr, 2008

Grundholde → Grundherrschaft

Grundlagenvertrag ist der am 21. 12. 1972/6. 6. 1973 zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik abgeschlossene Vertrag.

Lit.: Nakath, D., Die Verhandlungen zum deutsch-deutschen Grundlagenvertrag 1972, 1993

Grundpfandrecht ist das in der Verpfändung eines Grundstücks bestehende beschränkte dingliche Recht. → Hypothek, → Grund­schuld

Lit.: Köbler, DRG 212; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Mutzner, P., Geschichte des Grundpfandrechts in Graubünden, 1909; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Kölner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934), 1; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936, Neudruck 1983; Schulin, H., Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz, (in) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976

Grundrecht ist das dem Einzelnen zu­stehende, verfassungsmäßig verbürgte ele­men­tare Recht. Eine Vorform des Grundrechts wird in den Rechten sichtbar, die der englische König Johann Ohneland am 15. 6. 1215 den Baronen in der (lat.) → Magna Charta (F.) libertatum (große Urkunde der Freiheiten) verbriefen muss (z. B. Steuerbewilligung, Pairsgericht). Zur gleichen Zeit sehen einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum als dem Zugriff des Staates entzogene allgemeine Rechte des Menschen an. In der Neuzeit betonen die Erklärung vom Dordrecht (15./16. 7. 1572) in den Niederlanden sowie Petition of Rights (1628), Habeas-Corpus-Act (1679) und Declaration of Rights (1689) besondere Rechte des Einzelnen. In den Einzelstaaten Amerikas finden zu Beginn des Unabhängigkeitskrieges gegen England auch fundamentale Rechte ([engl.] inherent rights, unalienable rights, [franz.] 1770 droits fundamentaux) des Einzelnen in die formellen Verfassungen (1776 Virginia Bill of Rights) Eingang (26. 8. 1789 Déclaration des droits de l’Homme et du citoyen 26. 8. 1789 Frankreich). Dem folgen deutsche Verfassungen im 19. und 20. Jh. (Österreich 25. 4. 1848 nur Staatszielbestimmungen, Kremsierer Entwurf, 4. 3. 1849 Grund­rechtspatent für Cisleithanien, im Silves­terpatent 1851 aufgehoben, geplantes aber gescheitertes Deutsches Reich 27. 12. 1848 [17. 1. 1849 in Kraft und zwar auch für Österreich, 23. 8. 1851 aufgehoben], Preußen 1850, nicht die Verfassung von 1871, Österreich 21. 12. 1867), wobei sich viele Grundrechte bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom politischen Programm­satz zum einlösbaren Rechtsanspruch wandeln. Inhaltlich bilden die verschiedenen Formen der → Freiheit und der → Gleichheit (→ Gleichheitsgrundsatz) den Kern der in erster Linie gegen den Staat gerichteten Grundrechte. → Menschenrecht

Lit.: Köbler, DRG 191, 194, 195, 231, 232, 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1047; Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Fürstenau, H., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1891; Eckhardt, E., Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, 1913; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Grundrechte und Grund­pflichten der Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Bohatec, J., England und die Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte, 1956; Genzmer, H., Die Grundrechte in der Hamburger Konstituamte, Diss. jur. Hamburg 1957; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriss, 1968; Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, 1973; Huber, E., Grundrechte im Bismarkschen Reichssystem, FS U. Scheuner, 1973, 163; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und Grund­freiheiten, 2. A. 1978; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Grundrechte im 19. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1982; Starck, C., Entwicklung der Grundrechte, 1982; Sutter, B., Die Entwicklung der Grundrechte, 1982; Loew, W., Die Grundrechte, 2. A. 1982; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987; Eisenhardt, U., Die gerichtliche Überprüfung, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 75; Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1987; Brauneder, W., Geschichte der Grundrechte in Österreich, 1992; Dreier, H., Dimensionen der Grundrechte, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Oechsle, K., Die steuerlichen Grundrechte, 1993; Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Kröger, K., Grundrechtsentwicklung, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Hufen, E., Entstehung und Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, 1504; Lamprecht, R., Vom Untertan zum Bürger, 1999; Müller, J., Grundrechte in der Schweiz, 1999; Eisenhardt, U., Zur Entwicklung des Grund­rechts­verständnisses, FS A. Söllner, 2000; Die Grundrechte im Spiegel des Plakats, hg. v. Artinger, K., 2000; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002; Das Menschenbild der Grundrechte, hg. v. Schünemann, B. u. a., 2002; Schäfer, H., Die ungeschriebenen Freiheits­rechte in der schweizerischen Bundesverfassung, 2002; Quellen zur Entstehung der Grundrechte in Deutschland, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 2002; Köster, F., Entstehungsgeschichte der Grundrechtsbe­stim­mun­gen des zweiten Hauptteils der Weimarer Reichsver­fassung, 2003; Handbuch der Grundrechte, hg. v. Merten, D. u. a., Bd. 1ff. 2004ff.; Goller, P./Oberkofler, G., Grundrechtskatalog für Österreich?, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Suppé, R., Die Grund- und Menschenrechte in der Staatslehre des 19. Jahrhunderts, 2004; Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2005; Hilker, J., Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus, 2005; Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Stern, K., Bd. 4 2006f.; Mahlmann, M., Elemente einer ethischen Grundrechtstheorie, 2008

Grundrente ist der Ertrag, den der Grund (Grundstück) ohne Arbeitsaufwand und Kapitalaufwand des Eigentümers abwirft. Die G. ist eine vermögensrechtliche → Reallast. Sie hat sich vermutlich aus der → Erbleihe entwickelt. Später wird die G. durch → Rentenkauf geschaffen. Seit dem 14. Jh. überwiegt die Geldrente die Rente in Naturalleistungen. In der Neuzeit wird die G. durch das verzinsliche hypothekarisch ge­sicherte → Darlehen ersetzt.

Lit.: Hübner 397

Grundruhr ist die Berührung des Grundes durch ein Schiff (beim Schiffbruch). Die anfängliche Folge der G. ist, dass das Gut dem zufällt, der es in Besitz nimmt. Seit dem 12. Jh. wird dies von Kirche und Kaiser bekämpft und durch das Strandregal zu ersetzen versucht. Das Völkerrecht der Gegenwart gesteht ein Strandrecht bzw. Bergerecht dem Küstenstaat zu.

Lit.: Nittemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa im Mittelalter, 1955

Grundschuld ist eine Belastung eines Grundstücks in der Weise, dass an den, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Die in Mecklenburg ausgebildete G. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 213; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978

Grundsteuer ist die von → Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten zu ent­richtende → Steuer. Sie wird bereits von dem römischen Kaiser Diokletian (284-313/316) erhoben. Der frühneuzeitliche Staat greift dies wieder auf. Wegen der bisher eher geringen Höhe ist künftig mit verstärkter Abschöpfung zu rechnen.

Lit.: Köbler, DRG 55, 152; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. unv. A. 1992

Grundstück ist der abgegrenzte Teil der Erdoberfläche (, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer gebucht ist). Im römischen Recht sind die italischen Grund­stücke (lat.) → res (F.Pl.) mancipi. Im deutschen Recht wird das G. vielfach anders behandelt als die bewegliche Sache. Im 20. Jh. ist der Erwerb landwirt­schaftlich genutzter Grundstücke durch das Erfordernis staatlicher Genehmigung eingeschränkt (Grundstücks­ver­kehrs­bekannt­machung vom 15. 3. 1918, Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. 7. 1961, österreichische Grundverkehrsordnung vom 9. 8. 1915, Grundverkehrsgesetz 1919).

Lit.: Kaser §§ 18, 28; Hübner 181; Köbler, DRG 90; Böckel, F., Die Grundstücksübereignung in Sachsen-Weimar-Eisenach, 1911; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten, 1925; Richter, G., Die Grundstücksübertragung im ostfälischen Sachsen, 1934; Merk, W., Die Grundstücksübertragung in Meersburg am Bodensee, ZRG GA 55 (1935), 169, 56 (1936), 1; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung in Freiburg, 1937; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1967, 201; Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976; Hofmeister, H., Zur Entwicklung des Eigentumserwerbs an Grundstücken und des Grund­kredits in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der preußischen Gesetzgebung von 1872, Wissenschaft und Kodifikation 3, 1976, 346; Hofmeister, Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der österreichischen Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert, 1977; Joswig, D., Die germanische Grundstücks­übertragung, 1984

Gründungsstadt ist die durch bewusste Gründungshandlung geschaffene → Stadt (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?).

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Grundvertrag → Grundlagenvertrag

Grupen, Christian Ulrich (1692-1767)

Lit.: Hoppenstedt, D., Christian Ulrich Grupen als Jurist und Rechtshistoriker, Hannoversche Geschichtsblätter, neue Folge 25 (1971)

Gubernium ist die ab 1744 von Maria Theresia auf Betreiben Haugwitz‘ in den einzelnen Ländern unter Ausschluss stän­discher Mitwirkung eingerichtete absolu­tis­tische Zentralstaatsbehörde für politische Verwaltung und Finanzverwaltung (Reprä­sentation und Kammer), von der 1763 die Finanzverwaltung abgetrennt wird, zu der aber die Justiz hinzukommt (in Österreich unter der Enns und in Schlesien Regierung). 1782 wird vom G. das Appellationsgericht verselbständigt. 1849 wird das G. durch die Statthalterei ersetzt.

Gudelinus (Goudelin), Petrus (Ath 1550-Löwen 1619) wird nach dem Rechtsstudium (1567) in Löwen und einer Tätigkeit als Advokat 1582 Professor in Löwen. In seinen posthum veröffentlichten Werken verbindet er römisches Recht mit den Gewohnheitsrechten der Niederlande und Frankreichs.

Lit.: Leuven. 550 jaar universiteit, 1976, 301

Guilelmus de Cuneo ist ein in Südfrankreich vielleicht um 1270 geborener, promovierter, zeit­weise in Toulouse lehrender Jurist (lecturae, additiones ad glossam, Traktate).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 567

Gulathingsbok ist das in einer Handschrift der Mitte des 13. Jh.s (um 1250) und in weiteren Fragmenten überlieferte, vielleicht in verschiedenen Redaktionen (Olavstext, Magnustext) des späten 11. bis 13. Jh.s gefasste Recht des Things von Gula (Gulen) nahe dem Sognefjord, das die älteste norwegische Rechtsaufzeichnung darstellt. 1267 setzt König → Magnus Hakonarson eine neue, nur in ihrem Christenrecht erhaltene G. in Kraft. Zahlreiche Bestimmungen werden 1274 in das norwegische Reichsrecht (Landslag) übernom­men.

Lit.: Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, hg. v. Meißner, R., 1935; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 112; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977, 247

Gülte, Gült, ist eine Bezeichnung für die mittelalterliche → Grundrente.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Adler, S., Das Gültbuch von Nieder- und Oberösterreich, 1898; Maidhof, A., Das Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358

Gundling, Nicolaus Hieronymus (Kirchensit­tenbach 25. 2. 1671-Halle 9. 12. 1729), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der Theologie in Altdorf, Jena, Leipzig und Altdorf Hofmeister in Halle. Als Schüler Tho­masius’ wird er Professor für Beredsamkeit und Naturrecht in Halle (Abriss zu einer rechten Reichshistorie, 1708).

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 302

Gutachten ist die Beurteilung einer Frage durch einen Fachmann. Bereits die klassische römische Jurisprudenz ist dadurch gekennzeichnet, dass seit Augustinus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Rechtskundigen (sog. Respondierjuristen) das Recht verliehen wird, auf eine Anfrage im Namen des Staatsoberhauptes (lat. [M.] princeps) eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu erteilen, welcher der (lat. [M.] iudex) Richter zu folgen hat. Seit dem 13. Jh. erteilen die oberitalienischen Juristen (→ Konsiliatoren, z. B. Johannes Bassianus als Schüler des → Bulgarus, Azo [1150?-1220]) G. Mit der → Aktenversendung beginnt eine reiche gutachterliche Tätigkeit der juristischen Fakultäten (bis 1877/1879) und entsteht ein Markt, auf dem rechtswissenschaftliche Dienst­leistungen in großer Zahl angeboten und nachgefragt werden. Die Technik des Gutachtens geht von der Frage aus und folgert von Voraussetzungen auf ein Ergebnis hin.

Lit.: Söllner §§ 9, 10, 14, 15, 17; Köbler, DRG 107; Seeger, H., Die strafrechtlichen Consilia Tubingensia, 1877; Kohler, J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, Diss. jur. Erlangen 1952; Mayer, H., Die Bedeutung der Rechtsgutachten in der Rezeptionszeit, Diss. jur. Basel (um 1962); Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kempter, F., Die Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt-Landshut-München, Diss. jur. Mannheim 1976; Falk, U., Consilia. Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006

Gutalagh ist das wohl nach 1285 (str.) in der Volksversammlung nach norwegischem Vorbild entstandene, in zwei Handschriften (um 1350, [1470 bzw.] 1587) und zwei Übersetzungen überlieferte Recht der Insel Gotland, das um 1400 auch in die deutsche Sprache übersetzt wird.

Lit.: Wessén, E., Lex Gotlandiae, 1945; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 108; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976

Gütergemeinschaft ist der (vertragliche) Güterstand, bei dem grundsätzlich das gesamte Vermögen der Ehegatten, das sie bei Eingehung der → Ehe haben oder später erwerben, kraft Gesetzes gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut) wird. Die G. findet sich bereits im Frühmittelalter bei Franken und Westfalen in der Form der → Errun­genschaftsgemeinschaft. Im Hochmittel­alter dringt sie in örtlich recht verschiedener Form weiter vor, wobei die Verwaltung der Güter grundsätzlich dem Mann zusteht. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) lässt die G. zu (vgl. § 1234 ABGB), erschwert sie aber (bevorzugte G. auf den Todesfall rechtstatsächlich be­deutungslos). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird die für rund 11 Millionen Menschen bestehende allge­meine Gütergemeinschaft zu einem vertraglich festlegbaren Ehegüterstand (Wahlgüterstand), für den der Grundsatz der → Gesamthand gilt.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 207, 210, 267; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht im 19. Jahrhundert, 1978; Schmüser, S., Die Anwendung der Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 2007

Guter Glaube ist das Vertrauen auf die Richtigkeit eines Anscheins. Im römischen Recht (D. 50, 17, 54) gilt der Grundsatz (lat.) → nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet (niemand kann mehr Rechte übertragen als er hat), so dass nur der wahre Berechtigte ein Recht übertragen kann, doch schützt bei freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen (also nicht bei gestohlenen, verlorenen oder [in klassischer Zeit auch] unterschlagenenen Sachen) ein rechtmäßiger Erwerbsgrund (z. B. Kauf) nach Ablauf der einjährigen Er­sitzungsfrist den Erwerber vor dem He­rausgabeanspruch des Berechtigten. Dem­gegenüber sichern hochmittelalterliche Quellen den Erwerber von Sachen, die der Berechtigte freiwillig aus der Hand gegeben hat, ohne dass Unkenntnis des Rechtsmangels vom Dritten verlangt wird. Das lübische Recht führt 1586 im Interesse des Verkehrsschutzes den gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen (Fahrnis) ein. Der (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766) lässt den sofortigen Erwerb durch den gutgläubigen Erwerber zu. Gedanklich beeinflusst könnte dabei die Formulierung g. G. von der lateinischen bona fides (F.) (guten Treue) sein. Nach Kant entspricht der gutgläubige Erwerb distributiver Gerechtigkeit. Art. 306 ADHGB (1861) teilt bei nicht gestohlenen oder verlorenen beweglichen Sachen dem redlichen Erwerber in einem Handelsbetrieb das Eigentum zu. Dem folgt das Bürgerliche Gesetzbuch 1900, während das Zivil­gesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten für nicht erforderlich hält.

Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 212; Bruns, C., Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung, 1872; Hübner, H., Der Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955; Kofferath, G., Stand der Forschung über die geschichtlichen Grundlagen des Gutglaubensschutzes (§§ 932ff. BGB), Diss. jur. Bonn 1962; Kaiser, M., Der gute Glaube im Codex iuris canonici, 1965; Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 389; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Good Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann, R. u. a., 2000; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetz­gebung, 2004

Güterrecht → Ehegüterrecht

Güterstand ist die Gesamtheit der güterrechtlichen Verhältnisse in einer Ehe. Eine vertragliche Regelung ist in bestimmten Grenzen möglich. Sonst gilt der so genannte gesetzliche G.

Gütertrennung ist der Ehegüterstand, bei dem jeder Ehegatte alleiniger Berechtigter der ihm bei der Eheschließung gehörigen Güter bleibt und alleiniger Berechtigter der von ihm in der Ehe erworbenen Güter wird. Bei den Germanen wird, sofern die Frau Gut (Aussteuer, Unterhaltssicherung) in die Ehe einbringt, dieses Gut wohl vom Mann (nur) verwaltet. Dieser Güterstand der grund­sätzlichen Gütertrennung mit Ver­waltungs­einheit auf der Seite des Mannes, besteht anscheinend im Frühmittelalter bei den deutschen Stämmen mit Ausnahme der Franken und Westfalen. Später wird die G. von der → Gütergemeinschaft zurückge­drängt. Die neuzeitlichen Kodifika­tionen behandeln die G. als einen Regelgüterstand. In Österreich sieht § 1237 ABGB (1811/1812) Gütertrennung vor, die aber infolge verschiedener unklarer Vermutungen inhaltlich als „vermutete“ Verwaltungsge­mein­schaft verstanden wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die G. ein Wahlgüterstand. Die mit dem Gleichbe­rechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 als Regelgüterstand festgelegte → Zugewinnge­meinschaft ist inhaltlich G. mit Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach Auflösung der Ehe. Daneben ist die einfache G. zulässig.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 210, 267; Schröder R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Martitz, F., Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels, 1867; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973

Gutes altes Recht ist das Schlagwort für die von Fritz Kern verbreitete Ansicht, dass das germanische Recht deswegen gegolten habe, weil es alt und gut gewesen sei, so dass im Mittelalter Recht nicht geschaffen, sondern nur nach Beseitigung der von den Menschen bewirkten Verdunkelung wiederentdeckt habe werden können. Diese Ansicht widerspricht der germanischen und mittelalterlichen Wirklich­keit, in der sich Recht unablässig entsprechend den menschlichen Bedürfnissen ausformt. Sie deckt sich allerdings mit der christlichen Trias von Paradies, Sündenfall und Erlösung, der im Recht der göttliche Dekalog, die menschliche Verirrung (Rechts­verdunkelung) und die (Möglichkeit der) Rückkehr zum von Gott gegebenen (und deswegen notwendigerweise guten, alten) Recht entspricht, wie sie die christliche Kirche auch im Mittelalter verkündet.

Lit.: Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung, ZRG GA 111 (1994), 272; Köbler, G., Recht, Gesetz und Ordnung im Mittelalter, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Willoweit, D., Vom guten alten Recht, Jb. d. historischen Kollegs, 1997, 23

Gute Sitten (lat. → boni mores [M.Pl.], Sg. bonus mos) sind die vom Recht für anerkennenswert gehaltenen Verhaltenswei­sen. Im römischen Recht werden Geschäfte, die das (gute) Herkommen der Vorfahren (lat. [boni] mores [M.Pl.] maiorum) verletzen, wie bei­spiels­weise die Schenkung einer erwarteten Erbschaft eines noch lebenden Dritten, von den Juristen und den Kaisern als rechtswidrig bekämpft. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden die guten Sitten als Bewertungs­maßstab übernommen.

Lit.: Kaser § 9 II; Köbler, DRG 43; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 414

Güteverfahren

Lit.: Peters, B., Der Gütegedanke im deutschen Zivilprozessrecht, 2004

Gutglaubensschutz → guter Glaube

Gutgläubiger Erwerb ist der Erwerb einer nicht dem Veräußerer gehörigen Sache zu Lasten des Berechtigten durch einen Erwerber, der → guten Glauben in Bezug auf das Recht des Veräußerers haben, also den in Wirklichkeit nichtberechtigten Veräußerer (fälschlich) für den Eigentümer halten muss (z. B. gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen Codex Theresianus II, 8, ABGB § 367, ADHGB Art. 306, BGB § 932, gut­gläubiger Erwerb von Grundstücks­eigentum Württemberg 1828, Sachsen 1843, Preußen 1872). Der vom mittelalterlichen deutschen Recht geschützte, vom römischen Recht abgelehnte, von den naturrechtlichen Ge­setzbüchern aber in bestimmten Grenzen anerkannte gutgläubige Erwerb dient dem Verkehrsinteresse.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Anners, E., Hand wahre hand, 1952; Anners, E., Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Dünkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Anners, E., Från lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, ZEuP 1995, 398; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Lang, N., Erwerberschutz in Europa, 2004; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung von 1825/1828 und im Bürgerlichen Gesetzbuch, 2004; Göhlert, T., Der Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten, 2007

Gutsgebiet ist in Österreich zwischen 1948 und 1918 das keiner Gemeinde angehörende, dem Eigentümer verwaltungsmäßig (ausge­nommen das Polizeistrafrecht) ohne gewählte Organe unterstehende Gebiet.

Gutsherrschaft ist das geschlossene, in Eigenwirtschaft durch Tagelöhner bewirtschaf­tete Großgrundeigentum (→ Grund­herrschaft), in dem der Eigentümer meist auch die unteren hoheitlichen Befugnisse (Gerichtsbarkeit, Polizei) ausübt. Sie entsteht als Folge der mittelalterlichen Ostsiedlung, in welcher der oft ritterliche Siedlungsunternehmer Vorrechte erlangt. Seit dem Spätmittelalter sieht sich der adlige, im Kriegswesen entbehrlich werdende Ritter darauf verwiesen, seine Eigenwirtschaft auszuweiten. Unter Verwendung der ihm vom Landesherrn überlassenen Herrschaftsrechte verdrängt er seit der Mitte des 16. Jh.s die Bauern von ihren Höfen (Bauernlegen). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die G. von der Aufklärung bekämpft. Im 19. Jh. werden viele Güter aufgeteilt und bzw. oder gehen an Bürger oder Bauern über, 1945 findet eine sozialistische Enteignung der (ostdeutschen) Gutsherren statt.

Lit.: Köbler, DRG 134; Fuchs, C., Zur Geschichte des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in der Mark Brandenburg, ZRG GA 12 (1891), 17; Maybaum, H., Die Entstehung der Gutsherrschaft im nordwestlichen Mecklenburg, 1926; Spies, K., Gutsherr und Untertan in der Mittelmark Brandenburg zu Beginn der Bauernbefreiung, 1972; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Konflikt und Kontrolle, (in) Kaak, H., Die Gutsherrschaft, 1991; Gutsherrschaftsgesellschaften, hg. v. Peters, J., 1997; Schleinert, D., Die Gutswirtschaft im Herzogtum Pommern-Wolgast, 2001; Maur, E., Gutsherrschaft und zweite Leibeigenschaft in Böhmen, 2001; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte, 2005; Stefanová, D., Erbschaftspraxis, Besitztransfer und Handlungs­spielräume der Untertanen in der Gutsherrschaft, 2008

 

 

H

 

Haager Landkriegsordnung ist das auf den Friedenskonferenzen in Den Haag (Niederlande) 1899/1907 geschlossene Ab­kommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.2007

Haarscheren ist eine Form der Körperstrafe oder sonstigen kennzeichnenden Behandlung.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Habeas-corpus-Akte ist das 1679 zum Schutz der Freiheit erlassene englische Gesetz, nach dem niemand ohne richterlichen Haftbefehl verhaftet oder ohne richterliche Überprüfung in → Haft gehalten werden darf.

Lit.: Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987

Habilitation ist der Nachweis vertiefter wissenschaftlicher Befähigung zu Lehre und Forschung in Deutschland (lat. disputatio pro loco) seit dem frühen 19. Jahrhundert (Berlin 1810/1816, um 1870 in Tübingen erst 58 Prozent der ordentlichen Professoren habilitiert).

Lit.: Kundert, W., Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984; Bruch, R. vom, Forschung und Lehre, 2000, 69

Habsburg (Habichtsburg) ist die um 1020 von Bischof Werner von Straßburg an der oberen Aare (in der heutigen Nordostschweiz) errichtete Burg, nach der sich seit 1090 eine alemannische bzw. südwestdeutsche, bis in das 10. Jh. zurück­zuverfolgende Adelsfamilie benennt, die 1273 den deutschen König (Rudolf von H.) stellt. Sie belehnt sich 1282 in den Söhnen des Königs mit → Österreich und baut von dort eine Hausmacht auf (1282 Steiermark, 1335 Kärnten, 1363 Tirol, 1438-1457 Ungarn und Böhmen, 1477 Burgund, 1504/1516 Spanien, 1526-1918 Ungarn und Böhmen). Vom Spätmittelalter (1298-1308, ab 1438) bis 1740 bzw. (als Habsburg-Lothringen ab 1745 bis) 1806 stammt der König bzw. Kaiser des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) (fast durchgehend) aus dieser Familie. Von 1806 bis 1918 herrscht sie im selbständig gewordenen Österreich(-Ungarn) weiter, wird dann aber ausgewiesen (Karl I.)  und enteignet (4. 3. 1919 Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, 1935 aufge­hoben, 1945 wieder in Kraft) und nach Rückgabe des Privat­vermögens 1939 nochmals enteignet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 131; Köbler, Historisches Lexikon; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902; Ammann, H., Die Habsburger und die Schweiz, Argovia 43 (1931); Meyer, B., Das habsburgische Archiv in Baden, Zs. f. schweizerische Geschichte 23 (1943), 169; Feine, H., Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, ZRG GA 67 (1950), 176; Die Auflösung des Habsburgerreiches, 1970; Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. 1ff., hg. v. Wandruszka, A. u. a., 1973ff.; Wandruszka, A., Das Haus Habsburg, 1978; Wachter, D., Der Aufstieg der Habsburger, 1982; Kohler, A., Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V., 1982; Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986; Die Habsburger, hg. v. Hamann, B., 1988, 4. A. 2002; Kamm, R., Geschichte des Habsburgerreiches, 1990; Baum, W., Kaiser Sigismund, 1993; Kaiser Friedrich III. (1440-1493) in seiner Zeit, hg. v. Heinig, P., 1993; Heinig, P., Kaiser Friedrich III. (1440-1493), 1997; Krieger, K., Die Habsburger im Mittelalter, 2. A. 2004; Bankl, H., Die kranken Habsburger, 1998; Hansert, A., Der Prinz wird König, 1998; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1998; Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. v. Quarthal, F./Faix, G., 1999; Erbe, M., Die Habsburger, 2000; Heimann, H., Die Habsburger, 2001; Laubach, E., Ferdinand I. als Kaiser, 2001; Nuss, P., Les Habsbourg en Alsace, 2002; Leidinger, H./Moritz, V./Schippler, B., Schwarzbuch der Habsburger, 2003; Sauter, A., Fürstliche Herrschaftsrepräsentation, 2004; Böhmer, P. u. a., Die Erben des Kaisers, 2004; Kadgien, M., Das Habsburgergesetz, 2005; Wolf, S., Die Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians (1486-1493), 2005; Koller, H., Friedrich III., 2005; Regesta Habsburgica 5, 1, bearb. v. Lackner, C., 2007; Hengerer, M., Ferdinand III. (1608-1657), 2008; Höbelt, L., Franz Joseph I., 2009

Hafen ist der Landeplatz und die Liegestelle für Schiffe. Der H. erscheint schon im Altertum.

Lit.: Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; See- und Flusshäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung, hg. v. Stoob, H., 1986; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schiffahrstsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag)

Haflidaskra ist das 1117/8 in → Island eingeführte, nicht überlieferte Recht, das in der → Gragas aufgeht.

Lit.: Johannesson, Islands Historie, 1969

Haft ist die amtliche Entziehung der Bewegungsfreiheit vor allem zum Zweck der Untersuchung oder Bestrafung und der Erzwingung einer Handlung. Ihre Voraus­setzungen sind zunächst nicht festgelegt. Bereits hoch- und spätmittelalterliche Quellen (mit Schöffenvorbehalten) sowie dann die englische → Habeas-corpus-akte (1679) verlangen aber vielleicht als Folge des Auf­kommens des Inquisitionsprozesses einen richterlichen Haftbefehl bzw. eine richterliche Untersuchung. Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird jeder staatliche Eingriff in die Freiheit von einer gesetzlichen Gestattung abhängig gemacht (Bayern 1818, Baden 1818, Württemberg 1819 usw.).

Lit.: Köbler, DRG 205; Thissen, M., Das Verhaftungsrecht, Diss. jur. Bonn 1961; Hermes, T., Der Haft­grund der Verdunkelungsgefahr, 1992; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997

Haftbefehl ist die schriftliche Anordnung eines Richters, einen Menschen in Haft zu nehmen. Vorstufen des Haftbefehls sind sowohl der englische warrant of commitment, der dem Büttel (constable) aufgibt, den Beschuldigten in das Gefängnis zu bringen, wie auch der französische → lettre de cachet, der oft den königlichen Befehl enthält, sich in ein Ge­fängnis zu begeben. Demgegenüber bestimmt nach der englischen → Habeas-corpus-akte (1679) die französische → Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (1789), dass kein Mensch in Haft genommen oder gefan­gengehalten werden darf, außer in den durch Gesetz bestimmten Fällen und nach den vom Gesetz vor­geschriebenen Förmlichkeiten. Die franzö­sische Verfassung von 1791 fordert für jede Verhaftung einen polizeilichen oder gerichtlichen H. Nach der Verfassung von 1795 muss der H. den Haftgrund und die Rechtsgrundlage enthalten und dem Verhaf­teten abschriftlich ausgehändigt werden. Die Verfassung von 1799 verlangt einen richter­lichen H. Der 1808 erlassene Code d’in­struction criminelle unterscheidet vier Arten von Haftbefehlen und wirkt in der Folge auf das deutsche Strafverfahrensrecht ein (Bayern 1813, Deutsches Reich 1848, Reichsstrafpro­zessordnung 1877/1879).

Lit.: Speck, H., Die Geschichte der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft, Diss. jur. Kiel 1969

Haftpflichtversicherung ist die für den Fall der gesetzlichen Verpflichtung zu einer → Haftung abzuschließende oder abgeschlossene → Versicherung (z. B. [1939] des Halters eines Kraftfahrzeuges).

Lit.: Bar, C. v., Das Trennungsprinzip, AcP 181 (1981), 289

Haftung ist das Unterworfensein des Schuldners als Person mit seinem Vermögen unter den Vollstreckungszugriff des Gläubi­gers. Die H. ermöglicht deshalb die Erzwin­gung der Erfüllung, die der Schuld als solcher (vermutlich) fehlt. Dementsprechend gibt es (einzelne Fälle von) H. ohne Schuld und Schuld ohne H. Im römischen Recht ist nach Ersetzung des ursprünglichen rächenden Zugriffsrechts des Verletzten gegenüber dem unrecht handelnden Täter durch eine Sühne­gabe auch die künstliche Herstellung einer H. durch Geschäft möglich (z. B. lat. [N.] → nexum, [F.] → sponsio - stipulatio). Später tritt neben der H. auch der Gedanke der Schuld hervor. Spätestens in der jüngeren Republik wird in der (lat. [F.]) → obligatio neben der H. die Schuld mitverstanden. Ähnliche Verhält­nisse sind auch für das germanische Recht anzunehmen. Dement­sprechend setzt sich seit dem Frühmittelalter die Auffassung durch, dass jede Schuld auch ohne besondere zusätzliche Vereinbarung eine H. zur Folge habe. Auf dieser Grundlage wird seit dem Spätmittelalter mit der Aufnahme des römischen Rechts auch die römische Vor­stellung von der (lat. [F.]) obligatio aufge­nommen. Die älteste Form der leiblichen Haftung (z. B. Geiselschaft, Schuldknecht­schaft, Schuldhaft) endet dabei im Jahre 1868 (Wechselarrest). Im Übrigen steht neben der Haftung eines einzelnen bestimmten Gegenstands (Sache, Recht) die allgemeine, grundsätzlich unbe­schränkte persönliche Vermögens­haftung. Vertraglich ist jeweils auch eine Haftungsbeschränkung möglich.

Lit.: Kaser § 32 II; Köbler, DRG 26, 59, 127, 167; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gierke, O. v., Schuld und Haftung im älterem deutschem Recht, 1910, Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Schneider-Horn, W., Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel nach lübischem Recht, Diss. jur. Hamburg 1969; Benöhr, H., Zur außervertraglichen Haftung im gemeinen Recht, FS M. Kaser, 1976, 689; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589; Eska, A., Schuld und Haftung, Diss. jur. Potsdam 1998; Jansen, N., Die Struktur des Haftungsrechts, 2003

Hagen

Lit.: Linscheidt, P., Das Landgericht Hagen, 2004

Hagenrecht ist das im 12. Jh. im Weser­bergland sichtbar werdende günstige Bo­dennut­zungsrecht der hochmittelalterlichen deutschen Rodungssiedlung.

Lit.: Engel, F., Das Rodungsrecht der Hagen­sied­lungen, 1949; Kroeschell, K., Waldrecht und Landsiedelrecht, Hess. Jb. f. LG. 4 (1954), 117; Molitor, E., Verbreitung und Bedeutung des Hägerrechts, (in) Adel und Bauern, 2. A. 1967, 331; Asch, J., Grundherrschaft und Freiheit, Nds. Jb. 1978, 107

Hagestolz

Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Stoll, F., Das Hagestolzenrecht, 1970

Hagerup, Francis (1853-1921), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig und Paris 1887 Professor und 1895 Ministerpräsident. Durch eine Reihe von wichtigen Beiträgen zu verschiedenen Rechtsgebieten (Privatrecht, Methodenlehre, Strafprozess, Zivilprozess, Strafrecht) wird er zu einem der bedeutendsten Rechtswissen­schaftler → Norwegens.

Lit.: Kaartvedt, A., Hoyres Historie, Bd. 1 1984, 133

Halberstadt

Lit.: Schmidt-Ewald, W., Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Bistums Halberstadt, 1916; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980; Urkundenbuch des Stifts S(ank)t Johann bei Halberstadt 1119/1123-1804, hg. v. Diestelkamp, A. u. a., 1989

Hale, Sir Matthew (1609-1676), früh verwaist, wird nach kurzem Theologie­studium in Cambridge (1626) 1628 Mitglied von Lincoln’s Inn in London, 1636 Anwalt, 1654 Richter und Parlaments­mitglied, nach der Wiedereinsetzung des englischen Königs Karl II. 1660 Richter am Court of Exchequer und 1671 Chief Justice of the King’s Bench. In seinen nach seinem Tod teilweise ge­druckten Schriften versucht er eine Ordnung des englischen Strafrechts (Pleas of the Crown), eine methodische Erfassung des Rechts (Analysis of the Civil Part of the Law), eine Geschichte des Strafrechts (History of the Pleas of the Crown) und eine Geschichte des Common Law (History of the Common Law).

Lit.: Burnet, G., Life and Death of Sir Matthew Hale, 1682; Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 6 1937, 574

Halle an der Saale ist der wegen des dortigen Salzvorkommens schon um 1000 v. Chr. besiedelte Ort, der wohl im 12. Jh. Stadt wird. Nach dem 1680 erfolgten Übergang an den Markgrafen von Brandenburg richtet dieser 1694 eine aufgeklärte Modelluniversität in H. ein (→Thomasius) (bis 1806). Nach dem Erwerb der Gebiete Sachsens um Wittenberg durch Preußen (1815) wird die 1813 von Napoleon geschlossene Universität Witten­berg nach Halle verlegt und am 12. 4. 1817 die Universität Halle-Wittenberg gegründet.

Lit.: Köbler, DRG 136; Gaupp, E., Das alte magdeburgische und hallische Recht, 1826; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Urkundenbuch der Stadt Halle, bearb. v. Bierbach, A., Bd. 1ff. 1930ff.; Sandow, E., Das Halle-Neumarkter Recht, 1932; Goerlitz, T., Zum Jahr 1181 der hallischen Rechtsmitteilung an Neumarkt, ZRG GA 56 (1936), 378; Bucda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät in ihrem äußeren Verlauf, Teil 1, ZRG GA 62 (1942), 210, Teil 2 ZRG GA 63 (1943), 251, Teil 3 ZRG GA 64 (1944), 223, 68 (1951), 308 (Schluss); 250 Jahre Universität Halle, 1944; Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöp­penstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416; Körner, H., Stadt- und grundherrliche Rechte in Halle, Diss. jur. Halle 1952; Buchda, G., Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät (Nachtrag), ZRG GA 71 (1954), 367; Winter, E., Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde im 18. Jahrhundert, 1953; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der Halleschen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1980; Halle, 2. A. 1983; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Jelowik, L., Kuriosa aus der Geschichte der halleschen Juristenfakultät, ZRG GA 109 (1992), 382; 300 Jahre Universität Halle, hg. v. Speler, R., 1994; Maier, H., Aufklärung, Pietismus, Staatswissenschaft, HZ 261 (1995), 769; Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft, hg. v. Pauly, W., 1996; Hüls, T., Die Juristenausbildung an der Universität Halle, 1997; Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998; Kannowski, B. u. a., Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235, ZRG GA 120 (2003), 61; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005

Halm ist der Stengel des Grases (bzw. Getreides), der im mittelalterlichen Recht vielfach als Symbol der → Investitur mit einem Gut verwendet wird.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 168 u. ö.

Haloander (Meltzer), Gregor (Zwickau 1500-1531) gibt 1528-1531 auf der Grundlage der Vorarbeiten Polizians und Bolognins sowie der Florentiner Handschrift eine (huma­nistische) unglossierte Ausgabe der jus­tinianischen Rechtstexte mit unvollstän­digen griechischen Bestandteilen in Pandek­ten und Codex und griechischen Novellen heraus, in der er die mittelalterliche Gliederung der Pandekten be­seitigt, die In­skrip­tionen beachtet und im Codex die Subskriptionen herstellt.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,645

Hals und Hand ist im deutschen Mittelalter eine Paarformel für die Lebensstrafe bzw. Leibesstrafe.

Halseisen ist im deutschen Mittelalter die Vorrichtung, mit deren Hilfe ein Straftäter am → Pranger befestigt werden kann.

Lit.: Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949

Halsgericht (13. Jh. [1296]) → Hals und Hand, Halsgerichtsordnung

Halsgerichtsordnung ist die Strafverfahrensordnung am Beginn der frühen Neuzeit ([Nürnberg 1314,] Ellwangen 1466, Nürnberg 1485, Tirol 1499, [Volkach 1504,] Radolfzell 1506, Bamberg 1507, Laibach 1514, Krain 1535, Niederösterreich 1514/­1540, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich 1559, [Regensburg 1565/1575, Eberstein 1609/1622]). Als H. wird auch die → Constitutio Criminalis Caroli­na Karls V. von 1532 benannt. In den Hasgerichtsordnungen ist zu erkennen, wie sich das Schwergewicht des Verfahrens in Strafsachen auf das ermittelnde Vorverfahren verlagert.

Lit.: Köbler, DRG 139; Schmidt, E., Die Maximi­lianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Merzbacher, F., Das alte Halsgerichtsbuch des Hochstifts Eichstätt, ZRG GA 73 (1956), 375; Schultheiß, W., Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, 1957, 10; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schild, W., Die Halsgerichtsordnung der Stadt Volkach, 1997

Hambacher Fest ist das vom 27.-30. 5. 1832 auf der Burgruine von Hambach (Maxburg) in der Pfalz auf Einladung des Schriftstellers Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1785-1849) als politische Kundgebung des Liberalismus mit etwa 25000 Teilnehmern durchgeführte Fest. Die geplante Wahl einer provisorischen Nationalregierung zwecks Abschaffung der Monarchie und Bildung eines Bundes von Republiken nach amerikanischem Muster scheitert. Die Hauptverantwortlichen werden auf Drängen Österreichs und Preußens zu Haft verurteilt. → Deutscher Bund

Lit.: Wirth, J., Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach, Teil 1f. 1832; Süß, E., Die Pfälzer im „schwarzen Buch“, 1956; Das Hambacher Fest, hg. v. Baumann, K., 2. A. 1982; Freiheit, Einheit und Europa - das Hambacher Fest von 1832, hg. v. Kermann, J. u. a., 2006

Hamburg ist der vielleicht aus einem Königshof Karls des Großen nahe der Mündung der Alster in die Elbe erwachsene Stadtstaat. 1189 bestätigt Kaiser Friedrich I. Barbarossa der Neustadt H. umfangreiche Handels-, Zoll- und Schiffahrtsrechte. Um 1270 wird das Recht im sog. Ordeelbook aufgezeichnet, 1292 erhält die Stadt vom Stadt­herrn das Recht der eigenen Rechts­setzung. Am Beginn des 15. Jh.s wird die Reichsun­mittelbarkeit anerkannt (1460 Reichsstadt). 1497 wird das Recht in einer Bilderhandschrift neu gefasst, 1603 nach dem Vorbild Nürnbergs reformiert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hamburgisches Urkundenbuch, hg. v. Lappenberg, H. u. a., Bd. 1ff. 1842ff.; Baumann, H., Das Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 1f. 1856; Die Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts von 1497, 1917 (mit einem Wörterverzeichnis); Reincke, H., Hamburg, 1925; Reincke, H., Agneta Willeken, 1928; Schalk, E., Einführung in die Geschichte des Liegenschaftsrechts der freien und Hansestadt Hamburg, 1931; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Bücherkunde zur hamburgischen Geschichte, Bd. 1ff. 1939ff.; Reincke, H., Forschungen und Skizzen zur Geschichte Hamburgs, 1951; Strehlow, G., Die holländischen Einwanderungen, Diss. jur. Hamburg 1951; Ewald, M., Der hamburgische Senatssyndicus, 1954; Reincke, H., Das hamburgische Ordeelbook von 1270 und sein Verfasser, ZRG GA 72 (1955), 82; Kausche, D., Untersuchungen zur älteren Rechtsgeschichte und Topographie Harburgs, Zs. d. Vereins f. hamburg. Geschichte 43 (1956), 105; Genzmer, H., Die Grundrechte in der Hamburger Konstitutante, Diss. jur. Hamburg 1957; Winter, G., Das eheliche Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Otto, F., Die rechtlichen Verhältnisse des Domstiftes zu Hamburg von 1719 bis 1802, Diss. jur. Göttingen 1958; Hamburgische Burspraken, hg. v. Bolland, J., 1960; Dokumente zur Geschichte der hamburgischen Reichsfreiheit, bearb. v. Reincke, H., 1961; Pitz, E., Die Zolltarife der Stadt Hamburg, 1961; Schultze-von Lasaulx, H., Geschichte des ham­burgischen Notariats, 1961; Die Hamburger Elbkarte aus dem Jahre 1568, gez. v. Lorichs, Melchior, hg. v. Bolland, J., 1964; Ipsen, H., Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1965; Die Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts 1497, erl. v. Reincke, H., 1968; Hamburger Testamente, bearb. v. Loose, H., 1970; Rückleben, H., Die Niederwerfung der hamburgischen Ratsgewalt, 1970; Ramcke, R., Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert, 1969; Richter, K., Untersuchungen zur Hamburger Wirtschafts- und Sozialgeschichte um 1300, 1971; Gabrielson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäfte 1471-1490, 1971; Wenner, H., Handelskonjunkturen und Rentenmarkt, 1972; Hamburg, hg. v. Loose, H., 1982; Augner, G., Die kaiserliche Kommission der Jahre 1708-1712, 1983; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Voß, J. v., Die Verwaltungsge­richtsbarkeit in Hamburg, 1988; Stadtgeschichte Hamburg, red. v. Schöller, A., 1990; Hochschulalltag im Dritten Reich, hg. v. Krause, E. u. a., 1991; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Rademacher, R., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 3 1997; Das Hamburger Ordeelbook von 1270, v. Eichler, F. 2005; Krieger, M., Geschichte Hamburgs, 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Hamburgische Biographie, hg. v. Kopitzsch, F. u. a., Bd. 3 2006; Eichler, F., Das Hamburger Ordeelbook in der Erstfassung von 1270, 2007; Die Langenbeck’sche Glosse zum Hamburger Stadtrecht von 1497, hg. v. Eichler, F., 2008

Hamm

Lit.: 700 Jahre Stadt Hamm, hg. v. Magistrat, 1926

Hammurapi (1793-1750 bzw. 1728-1686 v. Chr.), König von Babylon, veranlasst die bekannteste, 1901/1902 auf einer 2,25 Meter hohen, in der Gegenwart in Paris befindlichen Dioritstele entdeckte, aus Abschriften ergänz­te Rechtssammlung des orientalischen Altertums (Codex Hammurapi) mit 280 bzw. 282 Abschnitten über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und über unterschiedliche Sachverhalte des Privatrechts und Strafrechts (z. B. 192 Wenn ein Mann einem Manne einen Zahn ausge­schlagen hat, wird sein Zahn ausgeschlagen). Noch älter ist der → Codex Urnammu.

Lit.: Fehr, H., Hammurapi und das salische Recht, 1910; Koschaker, Paul, Rechtsvergleichende Studien zur Gesetzgebung Hammurapis, 1917; Driver, G. u. a., The Babylonian Laws, 1952ff.; Nörr, D., Studien zum Strafrecht im Kodex Hammurapi, 1954; Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher Quellen, 1965; Müller, D., Die Gesetze Hammurabis, 1975; Ringer, J., Noch einmal: Was war der „Kodex“ Hammurapi, (in) Rechtskodifikation, hg. v. Gehrke, H., 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Strenge, I., Codex Hammurapi und die Rechtsstellung der Frau, 2006

Hand ist das zum Greifen dienende menschliche Gliedmaß, das im Recht vielfach symbolisch verwendet wird. → Hals und Hand

Lit.: Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Jursch, H./Jursch, L., Hände als Symbol und Gestalt, 8. A. 1951

Handel ist der Ankauf und Verkauf von Waren auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher. An seinem Anfang steht der → Tausch. Mit der Verwendung von → Geld beginnt der → Kauf den Tausch abzulösen. Bedeutsam ist der H. im Stadtstaat des Altertums und seit dem Hochmittelalter in der Stadt. Mit dem 19. Jh. tritt die Selbst­versorgung allgemein hinter der Versorgung durch Markt und Handel zurück.

Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 29, 67, 78, 97, 167, 176, 217, 225, 242, 271; Stein, W., Handels- und Verkehrsge­schichte der deutschen Kaiserzeit, 1922, Neudruck 1967; Rundstedt, H. v., Die Regelung des Getreidehandels in den Städten, 1930; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Beutin, L., Der deutsche Seehandel, 1933; Koppe, W., Lübeck-Stockholmer Handelsgeschichte, 1933; Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934, Neudruck 1962; Laurent, H., Un grand commerce d’exportation, 1935; Köhler, E., Einzelhandel im Mittelalter, 1938; Aubin, G./Kunze, A., Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland, 1940; Peyer, H., Zur Getreidepolitik oberitalienischer Städte im 13. Jahrhundert, 1950; Kehn, W., Der Handel im Oderraum im 13. und 14. Jahrhundert, 1968; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Bd. 1ff. hg. v. Düwel, K., 1985ff. (Bd. 3 Der Handel im frühen Mittelalter); Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandels­kaufleute, 2001; Hornbogen, J., Travail national – nationale Arbeit – die handelspolitische Gesetzgebung in Frankreich und Deutschland, 2002; Reyerson, K., The Art of the Deal, 2002; Nagel, J., Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompagnien, 2007

Handelsbrauch ist der im Handel beachtete und im Zweifel zu beachtende Brauch.

Lit.: Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934

Handelsbuch ist das seit dem Spätmittelalter vom Händler über seine Geschäfte geführte → Buch, das in der Neuzeit auch rechtlich den Beweis erleichtert (ALR [1794]).

Lit.: Köbler, DRG 167; Schmidt-Busemann, W., Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, Diss. rer. pol. Göttingen 1977; Stockalpner, K. v., Handels- und Rechnungsbücher, hg. v. d. schweizerischen Stiftung für das Stockalper­schloss u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Dunkmann, C., Die Beweiskraft der Handelsbücher, 2007

Handelsgericht ist das für Handelssachen zuständige Gericht.

Lit.: Schön, D., Die Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 1999

Handelsgesellschaft ist die → Handel trei­bende → Gesellschaft. Sie erscheint zum einen im Mittelmeerraum (Venedig, Genua), wobei die (lat. [F.]) commenda (Seedarlehen) gegenüber der H. (lat. societas [F.] maris) zumindest zeitweise den Vorrang hat. Aus der Erbengemeinschaft entwickelt sich die → offene H. Sie wird in Florenz 1408 durch die Beschränkung der Haftung abgeändert, woraus sich im 16. Jh. als neue Form die → Kommanditgesellschaft ergibt. Im nordischen Bereich finden sich ebenfalls genossenschaft­liche Unternehmungen. Bedeutsam sind hierbei die Kommission (→ sendeve) und das Darlehen (wederlegginge). In Oberdeutsch­land bilden Familien offene Handelsgesell­schaften (z. B. Fugger). Mit der Entdeckung der neuen Welt seit 1492 werden hohes Kapital und breite Gefahrenstreuung not­wendig. Hieraus ent­wickelt sich die → Aktiengesellschaft (1602 Niederländische ostindische Handelskom­pagnie). Allgemein befasst sich der deutsche Gesetzgeber mit der H. im Allgemeinen Landrecht (Preußens) von 1794. Frankreich, das bereits 1673 und 1681 ordonnances zum Handel erlassen hatte, setzt 1808 einen eigenen (franz.) Code de commerce (Handelsge­setzbuch) in Kraft, der die Aktiengesellschaft (franz.) société (F.) anonyme gesetzlich regelt. Im Deutschen Bund behandelt 1861 das → Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch die offene Handelsgesellschaft, die Kommandit­gesellschaft, die Aktiengesellschaft und die stille Gesellschaft. Das Handelsgesetzbuch von 1897 nimmt zusätzlich die Kommandit­gesellschaft auf Aktien auf. Mit dem 20. 4. 1892 wird die → Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschaffen, mit dem 30. 1. 1937 die Aktiengesellschaft in einem eigenen Gesetz verselbständigt.

Lit.: Köbler, DRG 127; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1889; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2007; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1 1923; Pollack-Parnau, F. v., Eine österreichisch-ostindische Handelskompagnie 1775-1785, 1927; Ammann, H., Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, 1928; Fitzler, M., Die Handelsgesellschaft Felix v. Oldenburg & Co. 1753-160, 1931; Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937; Silberschmidt, W., Von collegantia und rogadia zu widerlegung und sendeve, Studi di storia e diritto in onore di Enrico Besta, 1938; Bruhl-Lévy, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lopez, R., The Commercial Revolution of the Middle Ages, 1971; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, FS F. Vischer, 1983, 557; Societates, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005

Handelsgesetzbuch ist das den Handel regelnde besondere Gesetzbuch. Es erscheint 1808 als (franz.) Code (M.) de commerce in Frankreich, wo schon → ordonnances von 1673 und 1681 vorangegangen waren (→ Spanien 1829 [Código de comercio], → Portugal 1833, → Niederlande 1838). Im → Deutschen Bund wird nach einem vergeblichen Versuch von 1848 auf bayerischen Antrag und unter Verwendung preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 durch Vereinbarung unter den Bundesstaaten ein → Allgemeines Deutsches Handels­ge­setzbuch geschaffen, das die einzelnen Mitgliedstaaten als eigenes Gesetz in ihrem Staatsgebiet einführen. Es wird im Deutschen Reich 1897 in das Handelsgesetz­buch mit auf den Kaufmann abstellendem subjektivem System umgeformt. Das in Österreich 1938 zum 1. 3. 1939 eingeführte H. des deutschen Reiches wird 2007 durch ein Unter­nehmens­gesetzbuch abgelöst.

Lit.: Köbler, DRG 182, 184, 217; Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1858, Neudruck 1984; http://www.koeblergerhard.de/­Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches auf die Privatrechts­dogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechsel­ordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz­buchs als Bundesgesetze 1869, ZHR 144 (1980), 484; Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetz­buches für Deutschland (1848/49), hg. v. Baums, T., 1982; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz­buches, 1987; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W., 1986ff.; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998

Handelskammer ist die im 19. Jh. geschaffene Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Wahrung und Förderung der Interessen der Mitglieder im Bereich des Handels (Frankreich, Österreich 1850, Hamburg 1868, Preußen 1870).

Lit.: Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und Staat, 1964; Die Bozner Handelskammer, 1981; Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986

Handelsrecht ist das Recht des → Handels bzw. subjektiv das Sonderprivatrecht der → Kaufleute. Es entwickelt sich trotz einiger besonderer Einrichtungen für den Handel im Altertum erst seit dem Mittelalter in Oberitalien (Genua 1056, Pisa 1161 Constitutum usus, Mailand 1170) und Spanien (Barcelona, Valencia). Führend sind dabei die genossen­schaftlichen Zusammen­schlüsse der Kaufleute. Bemerkenswert sind Einflüsse der Araber. Für das Seerecht gewinnen Rhodos (8. Jh.), Trani (11. Jh.), Oléron (12. Jh.), Pisa (1161), Genua (1350) und Barcelona (1348 → Consolat del Mar) besondere Bedeutung, im nordeuro­päischen Raum die → Hanse. In der frühen Neuzeit findet sich H. hauptsächlich in den städtischen Statuten (Hamburg 1603, 1642 u. ö., Nürnberg 1647, 1654, Leipzig 1682 u. a.), daneben auch in Reichspolizeiordnungen (1523, 1530, 1548, 1577 u. ö.). Etwa zu dieser Zeit setzen auch wissenschaftliche Bemühungen um das H. ein (Johann Marquard 1662). In Frankreich erlässt Ludwig XIV. 1673 die (frz.) → ordonnance du commerce und 1681 die (frz.) → ordonnance de la marine. Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) befasst sich Kreittmayr in seinen Anmerkungen mit dem H. Die erste zusammenfassende Regelung ist im preußischen → Allgemeinen Landrecht (1794) als Standesrecht der Kaufleute enthalten. Demgegenüber fasst der französische → Code de commerce (1808) das H. als sachliches Sonderrecht des Handels auf. Eine eigenständige deutschrechtliche Sonderent­wicklung im deutschen Bereich lässt sich nicht erkennen, obgleich sich die Lehrbücher des ge­meinen deutschen Privatrechts besonders auch des Handels­rechts annehmen. → Handels­gesetzbuch

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 205; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts vom bürgerlichen Recht als Kodifikations­problem des 19. Jahrhunderts, 1962; Raisch, P., Geschichtliche Voraussetzungen, 1965; Scherner, K., Anfänge einer Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 465; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,797, 2,2,571, 3,3,2853; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Gelehrte in Hamburg, hg. v. Loose, H., 1976 (Büsch 1728-1800); Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, Person und Organisation im Handelsrecht, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Sonnleithner, G. v., Bearbeitung des Handelsrechts durch Ignaz von Sonnleithner, 1982; Montag, J., Die Lehrdarstellungen des Handelsrechts von Georg Friedrich Martens bis Meno Pöhls, 1986; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1f. 1986ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986; Mohnhaupt, H., „Jura mercatorum durch Privilegien“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 308; The Courts and the development of commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 1987; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht im frühmittel­alterlichen Nordeuropa, 1990; Modernisierung des Handelsrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Scherner, K., 1993; Ittenbach, H., Handelsrechts­systeme, 1994; Eisenhardt, U., Zu den deutschrechtlichen Wurzeln des Handelsrechts, FS P. Raisch, 1998, 51; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Handelsregister ist das handelsrechtliche Sachverhalte verzeichnende öffentliche, bei den Amtsgerichten geführte Register. Frühe , von Notaren wahrzunehmende Ansätze wer­den in Frankfurt am Main 1666 (Protocollum) sichtbar. 1829 wird im Codigo de comercio Spaniens der Verwaltung die Führung eines Handelsregisters übertragen, 1839/1840 nach einem Entwurf Württembergs erstmals Ge­richten.

Lit.: Rintelen, M., Das Ragionenbuch der Augsburger Kaufmannschaft, Hist. Zeitschrift für Schwaben und Neuburg 39 (1913), 96; Rintelen, M., Das Wiener Merkantilprotokoll, ZRG GA 34 (1913), 258; Rintelen, M., Untersuchungen über die Entwicklung des Handelsregisters, 1914; Heimann, R., Die Entwicklung der handelsrechtlichen Veröffentlichung vom ALR bis zum ADHGB, 2008

Handelsvertrag ist der den → Handel zwischen mindestens zwei → Staaten betreffende Vertrag. Er findet sich seit dem 12. Jh., und zwar neben dem Privileg des Herrschers.

Lit.: Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Prüser, J., Die Handelsverträge der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, 1962

Handelsvertreter (bis 1953 Handlungsagent) ist der als Vertreter tätige Gehilfe des → Kaufmanns.

Lit.: Schmidt, D., Die Reform des Rechts der Handelsvertreter, 1995; Bromm, B., Die Entstehungsgeschichte des Berufs der Handelsvertreter, 2000; Schmidt, K., Vom Handelsvertreterrecht zum mo­dernen Vertriebsrecht, JuS 2008, 665

Handfeste ist eine mittelalterliche Bezeich­nung für ein Schriftstück (vgl. gr. [N.] cheiró­graphon, Handschrift) (z. B. Georgenberger H. 1186, Kulmer H. 1233, Berner H. 1218?).

Handgemal (Handmahal) (N.) ist im deutschen Mittelalter das Handzeichen und das vielleicht damit bezeichnete Stammgut.

Lit.: Köbler, WAS; Homeyer, C., Über die Heimat nach altdeutschem Recht, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1852; Keller, S., Handmahal und anthmallus, ZRG GA 30 (1909), 224; Sohm, R., Über das Hantgemal, ZRG GA 30 (1909), 103; Meyer, H., Das Handgemal als Gerichtswahrzeichen des freien Geschlechtes bei den Germanen, 1934; Krogmann, W., Handmahal, ZRG GA 71 (1954), 126; Balon, J., L’Handgemal à l’épreuve du droit, ZRG GA 73 (1956), 141; Krogmann, W., Rechtsgeschichte ohne Philologie?, ZRG GA 74 (1957), 271

Handhafte Tat ist im Mittelalter die durch Ergreifen des Täters in oder unmittelbar nach der Ausführung gekennzeichnete Tat (vgl. im römischen Recht das [lat.] furtum [N.] mani­festum). Wahrscheinlich darf in germanischer Zeit der handhafte Täter sofort getötet werden. Die frühmittelalterlichen Volksrechte gestatten die Tötung zwar nicht (mehr) in allen Fällen, aber doch bei nächtlicher Tat, bei Widerstand oder Flucht. Vor Gericht ist dem Handhafttäter der → Reinigungseid verwehrt. Im Hochmittel­alter darf nur noch der handhafte Ehebrecher sofort getötet werden. In der vom Inquisitions­prozess gekennzeich­neten Constitu­tio Crimi­nalis Carolina (1532) scheint ein beson­deres Verfahren bei handhafter Tat nicht mehr auf.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 21 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86; Köbler, WAS; Scherer, M., Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann und die Klage mit der toten Hand, ZRG GA 31 (1910), 235; Meyer, H., Gerüft, Handhaft­verfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382

Handlung ist das menschliche Verhalten, das als von Willen beherrschbar gedacht ist und daher objektiv zugerechnet werden kann. In den Einzelheiten problematisch wird die H. erst der neuzeitlichen Rechtswissenschaft. Im Strafrecht setzt sich am Ende des 19. Jh.s eine rein kausale Handlungslehre durch (Franz von List, Beling), die in der Mitte des 20. Jh.s von einer finalen Handlungslehre (Hans Welzel) bekämpft wird.

Lit.: Köbler, DRG 204, 208; Bubnoff, E. v., Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes von Feuerbach bis Liszt, 1966

Handlungsfähigkeit → Geschäftsfähigkeit, De­likts­fähigkeit

Handlungsfreiheit ist die grundsätzlich bestehende Freiheit des Menschen, zu tun und zu lassen, was er will. Sie wird seit dem 18. Jh. in Verfassungsurkunden aufgenommen. Ihre bei dichtem Zusammenleben not­wendigen Schranken finden sich vor allem in Gesetzen.

Lit.: Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000

Handschenkung ist die am Anfang der Entwicklung der → Schenkung stehende, auch in der Gegenwart bei geringwertigen Gütern übliche, sofort vollzogene Schenkung.

Lit.: Meinig, I., Die Entwicklung der Lehre von der Handschenkung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972

Handschlag ist das gegenseitige Handgeben zweier Vertragspartner zum Zeichen des Abschlusses des Geschäftes im deutschen Recht, dem bei den Römern lat. manum dare entspricht.

Lit.: Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894

Handschrift ist die mit der Hand ausgeführte Schrift und das dadurch geschaffene umfangreichere Ergebnis. Die H. entsteht mit der Entwicklung der → Schrift und geht seit der Mitte des 15. Jh.s für bedeutsamere Schreiber­gebnisse in das gedruckte → Buch über. Möglicherweise konnte ein Schreiber täglich etwa sieben Seiten schreiben. In Bologna wurden dabei seit 1250 Hand­schriften jeweils in Lagen an Berufsschreiber zur Vervielfäl­tigung abge­geben (Pecien­system). Seit der Mitte des 19. Jh.s werden Schreibmaschinen zur Herstellun einzelner Schriftstücke verwendet.

Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Verzeichnisse der deutschen Handschriften österreichischer Bibliotheken, Bd. 2 Salzburg, bearb. v. Jungreithmayr, A., 1988; Le livre au Moyen Age, hg. v. Glenisson, J., 1988; Die datierten Handschriften der bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 1ff., bearb. v. Schneider, K. u. a. 1994ff.; Die Handschriften der Universitätsbibliothek München. Mikrofiche-Edition 1994-1995 (99 deutschsprachige mittelalterliche Handschriften, 447 lateinische mittelalterliche Hand­schriften); Katalog der illuminierten Handschriften der württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 3, 1, bearb. v. Sauer, C. u. a., 1996; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Bischoff, B., Katalog der festländischen Handschriften des 9. Jahrhunderts, Bd. 1f. 1998ff.; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 57 (2001), 555; Köbler, G., Altdeutsch - Katalog aller allgemein bekannten altdeutschen Handschriften, 2005; Mentzel-Reuters, A., Literaturbericht Handschriften­kataloge, DA 63 (2007), 135; Orth, P., Über Nutzen und Perspektiven eines gedruckten Initienver­zeichnisses, DA 63 (2007), 125; Murano, G., Opere diffuse per Exemplar e Pecia, 2005

Handschuh ist das Bekleidungsstück der menschlichen Hand, das im (deutschen) Recht als Symbol Verwendung findet (z. B. Fehdehandschuh).

Lit.: Norton-Kyshe, J., The Law and Customs relating to Gloves, 1901; Schwineköper, B., Der Handschuh im Recht, 1938, Neudruck 1981

Hand wahre Hand ist im spätmit­telalterlichen deutschen Recht (seit dem 14. Jh. bzw. später) die Wendung, die zum Ausdruck bringen soll, dass der Eigentümer, der einem anderen eine bewegliche Sache anvertraut, diese nur von ihm, nicht dagegen von einem Dritten, an den die Sache gelangt ist, zurückverlangen kann. Alter und Herkunft der Wendung sind streitig. Der Sache nach enthält zwar bereits der Sachsenspiegel einen entsprechenden Satz, doch sind die mit­telalterlichen Lösungen dieses Rechts­pro­blems durchaus unterschiedlich (z. B. nach h. M. abgelehnt vom Ingelheimer Oberhof). Mit der Aufnahme des römischen Heraus­gabeanspruches (Vindikation) des Eigen­tümers seit dem Spätmittelalter erweist sich ein erneutes Durchdenken der Frage als erforderlich, als dessen Folgen der (aus den römischrechtlichen Sätzen über die Ersitzung hergeleitete) → gute Glaube des Erwerbers be­deutsam und die Fahrnisverfolgung gegenüber Dritten unter Verpflichtung der Aufwand­erstattung (Lösungsrecht) erweitert wird. Der → Codex Theresianus (1766) er­kennt den gutgläubigen Eigentumserwerb des Erwerbers an. Streitig ist in der Folge, inwieweit der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten auf dem Satz H. w. H. beruht.

Lit.: Hübner 433; Köbler, DRG 125, 163; Planitz, H., Fahrnisverfolgung im deutschen Recht, ZRG GA 34 (1913), 424; Meister, E., Fahrnisverfolgung und Unterschlagung, FS Adolf Wach 1913; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002

Handwerk ist Bearbeitung und Verarbeitung von Stoffen für andere ohne Verwendung industrieller Arbeitsformen (z. B. Schreiner, Zimmermann, Maurer, Bäcker, Metzger, Fischer). Im Altertum wird diese Tätigkeit überwiegend von → Sklaven ausgeführt, im Frühmittelalter im Rahmen der → Grundherrschaft. Dagegen bildet sich in der hochmittelalterlichen Stadt das freie H. in vielfältiger Aufgliederung aus und schließt sich genossenschaftlich ab (→ Zunft, → Gilde, → Innung). Wer in einem H. tätig sein will, muss dieses mit einer mehrjährigen Lehre bei einem Meister erlernen. Danach kann er als Geselle wirken. Vollberechtigt ist er im H. erst, wenn er Meister geworden ist. In manchen Städten nehmen seit dem 14. Jh. die Angehörigen des Handwerks an der Stadtherrschaft teil. Im Kampf mit der liberalen → Gewerbefreiheit des 19. Jh.s gelingt dem H. die Bewahrung der durch Prü­fungen nachzuweisenden Qualifi­kations­merkmale bis in die Gegenwart (Hand­werksordnung). Trotz der Konkurrenz der Industrie vermag das H. sich zu halten.

Lit.: Köbler, DRG 78, 111; Stockbauer, J., Nürnbergisches Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts, 1879; Haandværksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Bock, H., Die Entwicklung des deutschen Schuhmachergewerbes, 1922, Wissell, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, hg. v. Hahm, K., Bd. 1f. 1929; Hornschuch, F., Aufbau und Geschichte der internationalen Kesslerkreise in Deutschland, 1930; Weichs, E. Frhr. v., Studien zum Handwerkerrecht des ausgehenden 17. Jahrhunderts, 1939; Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Proesler, H., Das gesamtdeutsche Handwerk im Spiegel der Reichsgesetzgebung, 1954; Fischer, W., Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft um 1800, 1955; Schraepler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973;z, C., Die Zürcherische Handwerks­ordnung von 1681, FS J. Bärmann, 1975; Göttmann, F., Handwerk und Bündnispolitik, 1977; Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung, Diss. phil. Göttingen 1981; Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 1ff. 1929, 2. A. 1981; Landolt, K., Das Recht der Handwerkslehrlinge, 1977; Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., Bd. 1f. 1981ff.; Schichtel, P., Das Recht des zünftigen Handwerks im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1986; John, P., Handwerk im Spannungsfeld zwischen Zunftordnung und Gewerbefreiheit, 1987; Deter, G., Handwerks­gerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Lexikon des alten Handwerks, hg. v. Reith, R., 1990; Brand, J., Zur Rechtsfunktion des Gelages im alten Handwerk, ZRG GA 108 (1991), 297; Schultz, H., Das ehrbare Handwerk, 1993; Spohn, R., Kampf um die Arbeitskraft, 1993; Weyrauch, T., Handwerkerorganisationen, 1996; Wiener Neustädter Handwerksordnungen, hg. v. Scheutz, M. u. a., 1997; Brohm, U. Die Handwerkerpolitik Herzog Augusts des Jüngeren, 1999; Handwerk in Europa, hg. v. Schulz, K., 1999; Handwerk zwischen Zunft und Gewerbefreiheit, hg. v. Bernert, H., 1999; Stadt und Handwerk, hg. v. Kaufhold, H. u. a., 2000; Blume, H., Ein Handwerk – eine Stimme, 2000; Winzen, K., Handwerk – Städte – Reich, 2002; Deter, G., Handwerk vor dem Untergang, 2005

Hänel, Albert (1833-1918) wird nach dem Rechtsstudium und nach der Habilitation in Leipzig als Professor in Königsberg und seit 1863 in Kiel ein bedeutender liberaler Vertreter des Staatsrechts (Deutsches Staatsrecht, 1892).

Lit.: Friedrich, M., Zwischen Positivismus und materi­alem Verfassungsdenken, 1971; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 355

Hängen ist das Töten eines Menschen durch Aufhängen an einem Strick (→ Todesstrafe, → Galgen). Das H. ist dem römischen Altertum fremd, den Germanen bekannt. Später wird vor allem der Dieb gehängt. Seit 1771 wird das H. im deutschen Sprachraum durch das Ent­haupten ersetzt. Mit dem Verbot der → Todes­strafe verschwindet es allgemein. In den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg werden 1946 die Todesurteile durch H. vollstreckt, ebenso im Irak 2006 (Saddam Hussein).

Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922

Hannover ist das aus Braunschweig-Lüneburg hervorgegangene, nach der Stadt (1163? bzw. 1189) H. an der Leine (1831 Technische Hochschule) benannte nord­deutsche Fürstentum (1714-1837 Personal­union mit England), das 1814 zum Königreich aufsteigt (1850 Bürgerliche Prozessordnung) und 1866 von Preußen annektiert wird. Am 1. 1.. 1837 hebt der König (Ernst August) ver­fassungswidrig das Staatsgrundgesetz vom 26. 9. 1833 auf und löst damit einen Ver­fassungskonflikt aus, in dem sieben protes­tierende Göttinger Professoren (u. a. Brüder Grimm) entlassen werden. Am 6. 8. 1840 wird ein neues Landesverfassungsgesetz geschaffen. → Göttingen

Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Allgemeine Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 4. 12. 1847, Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 8. 11. 1850, Neudruck 1971; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte, 1904; Florin, W., Der fürstliche Absolutismus, 1952; Ohnsorge, W., Zweihundert Jahre Geschichte der königlichen Bibliothek zu Hannover 1665-1866, 1962; Besecke, K., Das Vogtgericht der Altstadt Hannover, Diss. jur. Göttingen 1964; Pufendorf, F., Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Der hannoversche Verfassungskonflikt 1837/1838, ausgew. v. Real, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2618, 3,3,2896; Müller, S., Stadt, Kirche und Reformation, 1987; Rechtsquellen aus den hannoverschen Landen 1501 bis 1803, hg. v. Oberschelp, R., 1999; May, J., Vom obrigkeitlichen Stadtregiment zur bürgerlichen Kommunalpolitik, 2000; Roolfs, C., Der hannoversche Hof von 1814 bis 1866, 2005; Festschrift zum 175-jährigen Bestehen der Universität Hannover, Bd. 1ff., hg. v. Seidel, R. u. a., 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the Protestant Interest 1688-1756, 2006; Kempf, S., Wahlen zur Ständeversammlung im Königreich Hannover 1848-1866, 2007; Harding, N., Hannover and the British Empire 1700-1837, 2007

Hanse (ahd. hansa, Schar) ist der von hochmittelalterlichen Kaufleuten ausgehende norddeutsche → Städtebund. Seinen Anfang bildet vielleicht die schon im beginnenden 11. Jh. bevorrechtigte Genossenschaft deutscher Kaufleute in England. Bedeutsam wird danach die Gründung deutschbesiedelter Städte von Lübeck bis Riga (1201), Reval (nach 1219) und Dorpat (um 1230). Seit den Wirren des Interregnums fassen die einander naheste­henden Städte gemeinsame Beschlüsse (Wismar 1256, Lübeck 1358 [mnd.] stede von der dudeschen hanse). Außer in London (Guild Hall, Stalhof) bestehen bedeutsame Nieder­lassungen in Nowgorod (um 1200-1494), Brügge und Bergen (um 1340). Unter der Führung der H., der bis zu 70 Städte angehören, kann im Kampf gegen Dänemark 1368 Kopenhagen erobert werden. In der frühen Neuzeit treten viele Städte aus der H. aus, so dass nach 1669 nur noch ein Schutzbündnis von Bremen, Hamburg und Lübeck verbleibt.

Lit.: Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Frensdorff, F., Das Reich und die Hansestädte, ZRG GA 20 (1899), 115, 248; Schäfer, D., Die deutsche Hanse, 1914; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Rundstedt, H. v., Die Hanse und der deutsche Orden in Preu­ßen, 1937; Denucé, J., Die Hanse und die Antwer­pener Handelskompagnien in den Ostseeländern, 1938; Rörig, F., Vom Werden und Wesen der Hanse, 3. A. 1943; Ebel, W., Hansisches Recht, 1949; Reibstein, E., Das Völkerrecht der deutschen Hanse, Zs. f. ausländ. öff. Recht 17 (1956), 38; Pagel, K., Die Hanse, 3. A. 1963; Olechnowitz, K., Handel und Seeschifffahrt der späten Hanse, 1965; Bruns, F./Weczerka, H., Hansische Handelsstraßen, Bd. 1f. 1962ff.; Die deutsche Hanse als Mittler zwischen Ost und West, 1963; Sauer, H., Hansestädte und Landesfürsten, 1971; Stark, W., Lübeck und die Hanse, 1973; Spading, K., Holland und die Hanse, 1973; Dollinger, P., La Hanse, 4. A. 1989; Schildhauer, J., Die Hanse, 6. A. 1985; Die Hanse, 3. A. 1999; Quellen zur Hansegeschichte, hg. v. Sprandel, R., 1982; Fahlbusch, F. u. a., Beiträge zur westfälischen Hansegeschichte, 1988; Der hansische Sonderweg?, hg. v. Jenks, S. u. a., 1993; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Ziegler, H., Die Hanse, 1996; Genossenschaftliche Strukturen in der Hanse, hg. v. Jörn, N. u. a., 1999; Hammel-Kiesow, R., Die Hanse, 2000; Pichierri, A., Die Hanse, 2000; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001; Daenelle, E., Die Blütezeit der deutschen Hanse, 3. A. 2001; Novgorod, hg. v. Angermann, N. u. a., 2002; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003; Behrmann, T., Herrscher und Hansestädte, 2004; Hansisches und hansestädtisches Recht, hg. v. Cordes, A., 2007; Burkhardt, M., Der hansische Bergen-Handel im Spätmittelalter, 2009; Die Hanse, hg. v. Kiesow, R. u. a., 2009; Skvajrs, E., Die Hanse in Novgorod, 2009

Hansegraf ist im Mittelalter verschiedentlich die Benennung für einen Amtsträger in der Stadt mit unterschiedlichen Aufgaben (Regensburg 1184, Brügge 1187, Österreich seit 1266, Kassel 1323, Bremen 1405).

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 58, 284

Hardburi

Lit.: Krogmann, W., As. hardburi, ahd. hartpuri, ZRG GA 74 (1957), 233 (Stammesobrigkeit)

Hardehausen

Lit.: Urkunden des Klosters Hardehausen, bearb. v. Müller, H., 2002

Hardenberg, Karl August (Essenroda 31. 5. 1750-Genua 26. 11. 1822) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Göttingen (Pütter) und einem Besuch am Reichskammergericht in Wetzlar 1770 Verwaltungsbeamter in Hannover, 1782 in Braunschweig, danach in Preußen (1791 Staatsminister für Ansbach und Bayreuth, 6. 10. 1810-1822 Staatskanzler in Preußen). Mit seinem Namen verbinden sich die Maß­nahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen (Bauern­befreiung, Gewerbefreiheit 1810, Regulie­rungsedikte 1811, 1816).

Lit.: Vaupel, R., Die Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und Hardenberg, 1938; Zeeden, E., Hardenberg und der Gedanke einer Volksvertretung in Preußen, 1940; Thielen, P., Karl August von Hardenberg, 1967; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Hardenberg, Karl August von, 1750-1822. Tagebücher, hg. v. Stamm-Kuhlmann, T., 1999; Hermann, I., Hardenberg, 2003

Harderwijk ist von 1648 bis 1814 Sitz einer Universität.

Häresie ist die dem kirchlichen Dogma widersprechende Irrlehre (Ketzerei). Sie wird schon im ausgehenden Altertum durch Verbote von Gottesdiensten, Enteignung von Gütern und Androhung der Todesstrafe sowie im Mittelalter seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft.

Lit.: Köbler, DRG 117; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935; Selge, K., Die ersten Waldenser, Bd. 1f. 1967; Lerner, E., The Heresy, 1972; Merlo, G., Eretici, 1977; Segl, P., Ketzer in Österreich, 1984; Häresie und vorzeitige Reformation, hg. v. Smahel, F., 1998; Lambert, M., Häresie im Mittelalter, 2001; Forrest, I., The Detection of Heresy, 2006; Heresy and Identity in Late Antiquity, hg. v. Iricinschi, E. u. a., 2006

Harlem wird 1752 Sitz einer Universität.

Harmenopulos, Konstantinos, verfasst 1345 als Richter von Thessaloniki ein → Hexabiblos genanntes Gesetzeshandbuch des spätbyzan­tinischen Reiches in sechs Büchern, das nach weiter Verbreitung auf dem Balkan während der Osmanenzeit 1828 in Griechenland als vorläufiges Zivilgesetzbuch (bis 1946) Verwendung findet.

Lit.: Söllner §§ 23; Köbler, DRG 107; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995

Harmschar (F.) Qual, Schande

Harpprecht, Johannes Friedrich (Walheim 20. 1. 1560-Tübingen 18. 9. 1639), früh verwaister Juristensohn, wird nach dem Studium der Philosophie und Rechts­wissenschaft in Straßburg, Tübingen und Marburg 1589 in Tübingen promoviert und nach kurzer Tätigkeit am Reichskam­mergericht 1592 Professor in Tübingen. Sein bekanntestes Werk ist ein sechsbändiger Kommentar zu den Institutionen Justinians (Opera [N.Pl.] omnia multis insignibus quaesti­onibus adaucta, 1627-1630, Gesam­melte, mit vielen berühmten Unter­suchungen vermehrte Wer­ke), der auch die Praxis und das heimische Recht berück­sichtigt.

Lit.: Schnee, H., Die Professoren Dr. Harpprecht und Dr. Schöpf, FS G. Schreiber, 1963, 272

Hartmann von Aue (Oberrheingebiet 1160/5-nach 1210?), mittelhochdeutscher Dichter, der vielleicht von (lat.) legibus (Gesetzen) gelesen hatte und dadurch (mhd.) legiste geworden ist. Seine Werke erfassen zahlreiche rechtliche Geschehnisse.

Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Wapnewski, P., Hartmann von Aue, 3. A. 1967

Hasse, Johann Christian (1779-1830) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Thibaut) Professor in Jena, Königsberg, Berlin und Bonn. In seinem Buch Die Culpa des römischen Rechts (1815) teilt er die (lat. [F.]) culpa unter Missachtung der Quellen in die Widerrechtlichkeit (Rechtswidrigkeit) und die Schuld (culpa).

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III 2, 289

Hassfurt

Lit.: Tittmann, A., Hassfurt, 2002

Hattingen an der Ruhr wird 990 erstmals als Reichshof erwähnt und erwächst bis zur Neuzeit zu einer Kleinstadt. Aus ihr ist ein von 1629 bis 1652 reichendes Rats­protokollbuch erhalten. Es erweist noch ein Vorherrschen mittelalter­licher Strukturen.

Lit.: Piel, H., Die Protokolle des Rates der Stadt Hattingen von 1629 bis 1652, 2008

Hauberggenossenschaft ist die im Siegerland übliche, seit dem 15. Jh. belegte Genossen­schaft zur landwirtschaftlich-gewerblichen Nutzung des Niederwaldes im Turnus von 16-18 Jahren. Sie entwickelt sich zur juristischen Person.

Lit.: Achenbach, H., Die Hauberggenossenschaften des Siegerlandes, 1863; Delius, W., Hauberge und Haubergsgenossenschaften des Siegerlandes, 1910; Lorsbach, J., Hauberge und Hauberggenossenschaften des Siegerlandes, 1956

Häuptling (lat. [M.] capitaneus) ist ein Anführer wie z. B. in Friesland seit dem 14. Jh.

Lit.: Boden, F., Die isländischen Häuptlinge, ZRG GA 24 (1903), 148

Hauptstadt ist im neuzeitlichen Staat der amtlich festgelegte Ort des Sitzes der Herrschaftsgewalt.

Lit.: Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004 (Diss. jur. Bonn 2003)

Hauriou, Maurice (1856-1929), Professor für Verwaltungsrecht (1888) und Verfassungs­recht (1920) in Toulouse, begründet, ausgehend vom Verwaltungsakt, die Wis­senschaft vom Verwaltungsrecht in Frankreich (Précis de droit administratif et de droit public général, 1892, Grundriss des Verwaltungsrechts und allgemeinen öffent­lichen Rechts).

Lit.: Sfez, L., Essai sur la contribution du doyen Hauriou au droit administratif français, 1966

Haus ist das zum Benutzen durch Menschen bestimmte größere Gebäude. Seinem Schutz dient der Hausfriede. Die Hausgewalt steht lange Zeit in erster Linie dem Hausvater zu. Die Hausdurchsuchung ist nur unter be­stimmten Voraussetzungen erlaubt. Der Bau eines Hauses unterliegt bei dichterer Besiedlung öffentlichrechtlichen Vorschriften (Baurecht, hochmittelalterliche Stadt, 19. Jh.). Übertragen ist H. auch das Geschlecht (oder Herrschaftsgebiet des Geschlechts).

Lit.: Kaser §§ 4, 12; Hübner 127; Köbler, DRG 21, 71, 88, 120, 160; Köbler, WAS; Haus und Siedlung im Wandel der Jahrtausende, 1937; Kramer, K., Haus und Flur im bäuerlichen Recht, 1950; Lhotsky, A., Was heißt „Haus Österreich“?, Anz. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Kl. 93 (1956), 155; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft, 1968; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hann. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Köbler, G., Das Recht an Haus und Hof im spätmittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v. Friedland, K., 1980, 31; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Histoire de la vie privée, hg. v. Aries, P. u. a., Bd. 2 1985; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2007

Haus-, Hof- und Staatskanzlei ist die am 17. 2. 1742 aus der österreichischen Hofkanzlei herausgenommene Behörde zur Besorgung der auswärtigen Geschäfte und der geheimen Haussachen, die 1848 in das Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Äußeren umgewandelt wird.

Hausarbeit (Heimarbeit) ist die seit dem 14. Jh. erkennbare handwerksartige Tätigkeit in eigenen Räumen für Zwischenmeister oder Unternehmer. Bedeutsam ist sie vor allem im frühen 19. Jahrhundert. Für die 1882 etwa 480000 Heimarbeiter in Deutschland wird 1911 ein Hausrbeitgesetz geschaffen.

Lit.: Leuthier, O., Entstehung und Entwicklung des Hausarbeitgesetzes, 2006

Hauser, Kaspar ist der Name eines am 26. Mai 1828 in Nürnberg aufgefundenen, der Sprache unkundigen jungen, am 17. Dezember 1833 an den Folgen eines An­schlags vom 14. Dezember 1833 verstorbenen Man­nes, dessen Herkunft insbesondere P. J. Anselm von Feuerbach sehr beschäftigte, ohne dass sie bislang geklärt ist.

Lit.: Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Forker, A., Kaspar Hauser, (in) Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs (1775-1833) für die Gegenwart, 2003, 99

Hauserbe (lat. suus heres [M.]) ist im römischen Recht der Mensch, der durch den Tod des Vaters gewaltfrei (lat. sui iuris) wird, nämlich vor allem der (mündige) Sohn, die (mündige) Tochter, das adoptierte Kind, der adrogierte Sohn sowie die gewaltunter­worfene Ehefrau.

Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 23, 38

Hausfriede ist das Recht, innerhalb der eigenen Wohnung und des umfriedeten Lebensbereiches ungestört zu sein. Bereits im Frühmittelalter sind Tötung und Verletzung innerhalb des Hauses mit höherer Buße bewehrt. Im Hochmittelalter wird der Friede für das Haus allgemein erfasst. Danach schaffen partikulare Rechte sowie 1871 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch einen beson­deren Tatbestand des Hausfriedensbruches.

Lit.: Osenbrüggen, E., Der Hausfriedensbruch, 1857, Neudruck 1968; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Hausgesetz ist die von einer hochadligen Familie für sich gesetzte besondere Rechts­ordnung. Das H. findet sich seit Anfang des 14. Jh.s. Es betrifft vor allem die Erbfolge, die Ehe und die Veräußerlichkeit des Familiengutes (z. B. → Dispositio Achillea für die Hohenzollern 1473, → Pragmatische Sanktion vom 19. 4. 1713 für Österreich). Im 19. Jh. wird das H. von der Genehmigung durch den Staat abhängig.

Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser, Bd. 1ff. 1862ff.; Turba, G., Die Grundlagen der pragmatischen Sanktion, 1911

Hausgewalt → Haus

Haushalt ist ursprünglich die häusliche Verbrauchsgemeinschaft, seit dem 20. Jh. die Gesamtheit der der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dienenden Einkünfte und Ausgaben einer → juristischen Person des öffentlichen Rechts (→ Staatshaushalt), die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 19. Jh. (Sachsen-Coburg 1821) vom Parlament durch ein Haushaltsgesetz beschlossen werden müssen.

Lit.: Köbler, DRG 99, 129; Schroeter, O. v., Das Recht der Haushaltführung und Haushaltkontrolle in Preußen, 1938; Friauf, K., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Haushalten in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Richarz, I., 1994; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1987; Strube, S., Die Geschichte des Haushaltsrechts, 2002; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006

Hauskind ist im römischen Recht das unter der väterlichen Gewalt lebende → Kind.

Lit.: Kaser §§ 12 I 2b, 33 III, 49 I, 50 III 4a, 66 VI, 68 III 2

Häusler ist im mittelalterlichen Recht der nur ein Haus und kein Feld besitzende Dorfbewohner (Gärtner, Kossäte, Seldner).

Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966, 457

Hausmarke ist im Mittelalter und in der Neuzeit das bestimmte, dem Wappen des Adels vergleichbare schriftartige Erkennungs­zeichen für einen Menschen oder ein Haus (u. a. Handelsmarke, Notarssignet).

Lit.: Homeyer, C., Haus- und Hofmarken, 1870, Neudruck, 1964; Grohne, E., Die Hausmarken und Hauszeichen, 1912; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und Holzurkunden, 1917, 2. unv. A. 1991; Ruppel, K., Die Hausmarken, ZRG GA 60 (1940), 320

Hausmeier (lat. maior [M.] domus) ist der Leiter einer Hausverwaltung im spätrö­mi­schen Italien und im Frühmittelalter. Bei den frän­kischen Königsfamilien finden sich (anfangs unfreie) H. seit dem 6. Jh. Im Jahre 751 verdrängt der austrasische H. Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der Arnulfinger oder Pippiniden den König aus dem Ge­schlecht der → Merowinger und begründet die Königsfamilie der → Karolinger.

Lit.: Köbler, DRG 76; Hermann, E., Das Hausmeieramt, 1880, Neudruck 1970; Heidrich, J., Titulatur und Urkunden der arnulfingischen Hausmeier, Archiv f. Diplomatik 11/12 (1965/6), 71; Haas, K., Studien zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des fränkischen maior-domus-Amts, Diss. phil. Heidelberg 1968; Heidrich, J., La maison du palais Neustriens, Francia Beiheft 16/1 1989, 217

Haussuchung ist die Durchsuchung eines Hauses. Nach altrömischem Recht kann bei Diebstahlsverdacht eine (lat.) quaestio (F.) lance et licio (Untersuchung mit Schüssel und Schurzfell) erfolgen, bei welcher der Suchende nackt, nur mit einem Schurzfell (lat. [N.] licium) bekleidet und eine Schüssel (lat. [F.] lanx) tragend, das Haus betreten muss und der Täter bei erfolgreicher Suche als handhafter Dieb (lat. fur [M.] manifestus) getötet werden darf. Im Mittelalter ist H. bei Verfolgung einer abhanden gekommenen beweglichen Sache möglich. Vermutlich wird bei erfolgloser H. der Suchende bußpflichtig. Seit dem Hoch­mittelalter bedarf die H. mehr und mehr der vorherigen Erlaubnis des Richters oder Rates. Im 19. Jh. sichern die Verfassungen vor willkürlicher H. (Hessen-Kassel 1831, Reich 1848). Im 20. Jh. ge­währen sie ein Grundrecht auf Freiheit der Wohnung, das nur durch Gesetz eingeschränkt werden kann.

Lit.: Kaser § 51 I 2; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Schwerin, C. Frhr. v., Die Formen der Haussuchung, 1924; Wolff, J., Lanx et licium, (in) Sympotica F. Wieacker 1970, 59

Haustürgeschäftswiderrufsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 1. 1986, das im Interesse des Verbrauchers bestimmt, dass eine auf Abschluss eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenser­klärung eines Kunden in bestimmten Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft. Sein Inhalt wird 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (§§ 312ff. BGB).

Lit.: Köbler, DRG 266

Hauswirtschaft ist die auf den einzelnen Haushalt beschränkte, alle verwendeten Güter herstellende und verbrauchende Wirtschaft. Sie ist bereits im antiken Rom zugunsten der Marktwirtschaft aufgegeben. Im Frühmittel­alter erweitert sie sich auf die jeweilige Grund­herrschaft und tritt seit dem Hochmittelalter zurück, um seit dem 19. Jh. fast gänzlich ihre Bedeutung zu verlieren.

Lit.: Köbler, DRG 67, 77; Bauer, L./Matis, H., Geburt der Neuzeit, 1988

Haut und Haar ist eine mittelalterliche Bezeichnung für Leibesstrafen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Haverei (Haverie) ist der während einer Schifffahrt an Fahrzeug und Ladung entstehende Schaden. Dazu übernimmt bereits das römische Recht die im hellenistischen Bereich entwickelte (lat.) → lex (F.) Rhodia de iactu (rhodisches Gesetz über den Seewurf), nach welcher der Schiffer, der in Seenot Güter eines Befrachters ins Meer wirft und sein Schiff rettet, dem geschädigten Befrachter zur Erstat­tung eines anteiligen Ausgleiches entsprechend dem Wert der Ladungen der anderen Befrachter verpflichtet ist, gegen die er seinerseits Rückgriff nehmen darf. Im Hochmittelalter ändern dies die → Rôles d’Oléron in gewisser Weise ab. Auch das Hamburger Stadtrecht bildet Regeln über die H. aus, wobei im 18. Jh. zwischen kleiner, nur das Frachtgut betref­fender, und großer, auch das Schiff erfassender H. unterschieden wird. Über das → Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) gehen diese Regeln in das deutsche Handelsgesetzbuch (1897) ein.

Lit.: Kaser § 42 IV 4; Claussen, C., Über die lex Rhodia de iactu, Diss. jur. Kiel 1876; Heck, P., Das Recht der großen Haverei, 1889; Reincke, H., Die ältesten Formen des hamburgischen Schiffsrechts, Hamburg. Geschbll. 63 (1968); Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der rôles d’Oléron, 1970; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Landwehr, G., Zur Begriffsgeschichte der Haverei, FS H. Niederländer, 1991, 57

hebräisch → Israel, Jude

Heck, Philipp (St. Petersburg 22. 7. 1858-Tübingen 28. 6. 1943) wird nach dem Studium von Mathematik und Recht in Leipzig und der Habilitation in Berlin Professor in Greifswald (1891), Halle (1892) und Tübingen (1901). Er begründet in der Nachfolge Rudolf von Iherings die gegen → Begriffsjurisprudenz und → freie Rechts­schule gerichtete → Interes­senjurisprudenz, die Lücken im Recht durch Vergleich gesetzlicher Entscheidungen von Interessen­gegensätzen (oder bei deren Fehlen durch persönliches Wertempfinden) schließen will. Daneben verfasst er Grundrisse zum Schuldrecht (1929) und Sachenrecht (1930) und zahlreiche rechtsgeschichtliche Arbeiten.

Lit.: Das Problem der Rechtsgewinnung, 1912, 2. A. 1932; Heck, P., Begriffsbildung und Interessen­jurisprudenz, 1932; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Wolf, M., Philipp Heck als Zivilrechtsdogmatiker, 1996; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001; Auer, M., Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP 2008, 517

Heer ist der zu Land kämpfende Teil der Streitkräfte. Sowohl in Rom wie auch bei den Germanen ist das H. zunächst allgemeines Volksheer. In Rom beginnt mit Marius (um 100 v. Chr.) die Umwandlung in ein Berufsheer von Söldnern, das nach Bedarf aufgestellt wird. Bereits unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) ist ein stehendes H. von 27-28 Legionen zu 6000 Männern vorhanden (Berufsarmee). Seit dem Früh­mittelalter (9. Jh.-12. Jh.) verschwindet bei den germanistischen Nach­fol­ge­völkern das Volks­heer der einfachen Freien und wird durch ein ständisches Reiterheer (Ritter) im Umfang von meist nicht mehr als 2000 Gepanzerten ersetzt. An dessen Stelle tritt seit dem 14. Jh. der berufsmäßige, zunächst mit Lanze, dann mit Feuerwaffen ausgerüstete Fußsoldat, der nach Bedarf angeworben wird (Lands­knechte). Das Reichsheer besteht aus geringen Kon­tingenten der Reichsstände, wobei sich die mächtigeren Fürsten zunehmend ihren Gestellungsver­pflichtungen entziehen. Seit der Mitte des 17. Jh.s strebt der Landesherr ein stehendes H. an. Dabei ersetzt später die Aushebung die Anwerbung (Preußen 1733). Zu Beginn des 19. Jh.s wird die allgemeine Wehrdienstpflicht eingeführt (Preußen 3. 9. 1814). 1919 wird das deutsche H. auf 100000 Mann beschränkt, doch durchbricht Adolf Hitler bald diese Einschränkung. 1956 wird die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland (und im Gleichlauf die Nationale Volksarmee der ehemaligen Deutschen De­mokratischen Repu­blik) eingerichtet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 III; Köbler, DRG 112, 150, 152, 198; Köbler, WAS; Stein, L. v., Die Lehre vom Heerwesen, 1872; Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren zu Beginn der Neuzeit, 1904; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920; Wohlers, G., Die staatsrechtliche Stellung des Generalstabes in Preußen und dem deutschen Reich, 1921; Niemann, A., Kaiser und Heer, 1923; Frauenholz, E. v., Das Heerwesen, 1935ff.; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938; Höhn, R., Verfassungskampf und Heereseid, 1938; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Conrad, H., Gottesfrieden und Heeres­verfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Merzbacher, F., Der Artikelbrief für die Reichsarmee von 1682, ZRG GA 69 (1952), 349; Hencke, U., Die Heeresverfassung des deutschen Bundes, Diss. jur. Tübingen 1955; Bodmer, J., Der Krieger der Merovingerzeit, 1957; Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500 bis 1800, FG F. Hartung, 1958, 419; Keen, M., The Laws of War, 1965; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1966; Müller, K., Das Heer und Hitler, 1969; Schweling, O./Schwinge, E., Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus, 2. A. 1978; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende, 1987; Masson, P., Die deutsche Armee, 1996; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1999; Verbrechen der Wehrmacht, hg. v. Hamburger Institut für Sozialforschung, 2. A., 2002; Gilliver, K., Auf dem Weg zum Imperium, 2003; Walter, D., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003; Bald, D., Die Bundeswehr, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Megargee, G., Hitler und die Generäle, 2006; Die Zeit nach 1945, hg. v. Neugebauer, K., 2008; Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Neugebauer, K., 2008

Heerbann ist seit dem Frühmittelalter (Erstbeleg um 665) der das → Heer betreffende → Bann des Königs, dessen Auf­gebotsrecht mit dem H. bewehrt ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Heergewäte (Hergewäte) ist die Heeresbekleidung für den Krieg. Das H. wird wohl schon seit dem Frühmittelalter in einer Sondererbfolge an einen männlichen Verwandten (ältesten Sohn) vererbt. In den Städten seit dem Hochmittelalter im Schwinden begriffen, wird es zwischen dem 17. und 19. Jh. (Fehmarn) allgemein abge­schafft.

Lit.: Köbler, DRG 73, 89, 123, 162; Haff, K., Ein Herwedekatalog, ZRG GA 48 (1928), 447; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966

Heerschild ist das Einteilungskriterium der mittelalterlichen Ordnung der lehnsrechtlich gestuften Gesellschaft. Nach dem Sachsen­spiegel (1221-1224) hat der König den ersten H. Die geistlichen Fürsten stehen im zweiten H., die weltlichen Fürsten im dritten. Wie weit die (siebenstufige) Heerschildordnung nach unten reicht, ist auch den mittelalterlichen Zeitgenossen nicht völlig klar.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 98; Ficker, J., Vom Heerschilde, 1862, Neudruck 1964; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979

Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (Stuttgart 27. 8. 1770-Berlin 14. 11. 1831), Beamten­sohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Tübingen Hauslehrer und nach der Habilitation (1801) und Tätigkeiten in Jena (1801-1807) und Nürnberg (Gymnasiallehrer 1808-1816) außerordentlicher Professor in Heidelberg (1816) und Berlin (1818). Für H. ist Weltgeschichte der notwendig fortschreitende Prozess, in dem sich der absolute Geist seiner Freiheit im dialek­tischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese bewusst wird. In der tatsächlichen Umwelt versteht H. den preußischen Staat als Verwirklichung der Freiheit. Damit wird zu Unrecht der Staat dem Einzelnen stärker übergeordnet als notwendig.

Lit.: Hegel, G., Kritik der Verfassung Deutschlands [um 1803], hg. v. Mollat, G., 1893; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, ARSP 59 (1973), 117; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Riedel, M., 1975; Theunissen, M., Sein und Schein, 1980; Gessmann, M., Hegel, 1999; Fulda, F., Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 2003; Hegel-Lexikon, hg. v. Cobben, P., 2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen Freiheit, 2007; Senk, N., Junghege­liani­­­sches Rechtsdenken, 2007

Hegemonie (F.) Vormachtstellung

Lit.: Triepel, H., Die Hegemonie, 1938

Hegung ist im deutschen Recht die förmliche Eröffnung von gerichtlichen Versammlungen durch künstliche Abgrenzung und Durch­führung eines Frage-Antwort-Ritus. Alter und Herkunft der im 13. Jh. eindeutig sichtbaren Vorgangsweise sind unklar. Bereits seit dem Spätmittelalter wird die H. ziemlich sinnent­stellt durchgeführt (, in Basel wohl noch bis in das ausgehende 19. Jh.).

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 130; Burchard, K., Die Hegung, 1893; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 437, 483; Buchda, G., Die Hegung und Aufhebung des Vogtgerichts zu Kindleben, ZRG GA 62 (1942), 355

Hehler ist, wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft, sich oder einem Dritten verschafft, absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Der H. ist strafbar (→ Der Hehler ist nicht besser als der Stehler). Bereits ein Privileg Heinrichs IV. für die Juden in Speyer und Worms von 1090 bestimmt aber, dass Juden, die gestohlene Sachen gegen Entgelt erworben haben, sie nur gegen Ersatz des Kaufpreises herausgeben müssen (sog. Hehlerprivileg oder Lösungsrecht, vgl. Sachsenspiegel Landrecht III, 7). Mit dem Ausgang des Mittelalters verliert das Lösungsrecht an Bedeutung, ohne ganz zu verschwinden. → Der Hehler ..

Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Meyer, H., Das Hehlerrecht, (in) Forschungen zur Judenfrage, Bd. 1 1937, 92; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch, 1955, 237; Kisch, G., Zur Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 360; Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Heidelberg am Neckar unterhalb einer wohl im 11. Jh. erbauten Burg wird seit dem 13. Jh. ein bedeutender Ort (1196 erstmals erwähnt) der seit 1214 wittels­bachischen Pfalzgrafen bei Rhein, an dem 1386 eine Universität errichtet wird, an deren juristischer Fakultät 1932 Eugen Ulmer, Heinrich Mitteis, Max Gutzwiller, Ernst Levy, Gustav Radbruch, Gerhard Anschütz und Walter Jellinek (sowie Herbert Engelhard, Leopold Perels, Eberhard Freiherr von Künßberg und Karl Geiler) lehren.

Lit.: Köbler, DRG 100; Dickel, G., Die Heidelberger juristische Fakultät, 1960 (Diss. masch.schr. und, Ruperto-Carolina, Sonderband Aus der Geschichte der Universität Heidelberg und ihrer Fakultäten 1961); Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät im 19. Jahrhundert als Spruchkollegium, 1964; Merkel, G., Wirtschafts­geschichte der Universität Heidelberg im 18. Jahrhundert, 1973; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg, (in) Semper apertus, FS Universität Heidelberg, hg. v. Doerr, W., Bd. 1 1985, 85; Landwehr, G., Heidelberger Juristen in sechs Jahrhunderten, (in) Richterliche Rechtsfortbildung, FS der juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1986, 653; Heidelberger Strafrechtslehrer im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Küper, W., 1986; Der Humanismus und die oberen Fakultäten, hg. v. Keil, G. u. a., 1987; Mußgnug, D., Die vertriebenen Heidelberger Dozenten, 1988; Wolf, K., Die Heidelberger Universitätsangehörigen, 1991; Kolb, J., Heidelberg, 1999; Die Rektorbücher der Universität Heidelberg, Bd. 1f. 1999ff.; Remy, S., The Heidelberg Myth, 2002; Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, hg. v. Weckart, W. u. a., 2006; Cser, A., Kleine Geschichte der Stadt und Universität Heidelberg, 2008; Sti­pendienstiftungen und Stipendiaten vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krie­ges, bearb. v. Merkel, G., 2008; Baur, S., Vor vier Höllenrichtern, 2009; Vetter, V., Die ganze Stadt ist abgebrannt, 2009; Vogt, H., Die Ruprecjt-Karls-Universität Heidelberg im Aufbruch, 2009; Die im Dritten Reich entrechteten und vertriebenen Mitglieder der Heidelberger Akademie, hg. v. Heidelberger Akademie, 2009

Heilige Allianz ist das am 26. 9. 1815 zwischen Franz I. von → Österreich, Friedrich Wilhelm III. von → Preußen und Alexander I. von → Russland abgesprochene religiös-moralische Manifest, das neben dem Bekenntnis zur christlichen Religion und zu den Grundsätzen der Legitimität, Legalität und Stabilität auch ein allgemeines Beistands­versprechen enthält. Ihm treten fast alle christlichen Staaten Europas bei. Bereits 1823 außerhalb Europas und 1830 in Europa (Belgien, Griechenland) wird das legitimis­tische Interventionsprinzip auf Grund der sich entwickelnden Interessengegensätze der betei­ligten Mächte aufgegeben.

Lit.: Köbler, DRG 170; Näf, W., Zur Geschichte der Heiligen Allianz, 1928

Heiliger → Reliquie

Lit.: Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Wetzstein, T., Heilige vor Gericht. Das Kanonisations­verfahren im europäischen Spätmittelalter, 2004; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005 (64 zwischen 993 und 1523)

Heiliger Stuhl → Papst

Heiliges römisches Reich (deutscher Nation) ist die sich im Spätmittelalter ausformende Bezeichnung des (ersten) deutschen Reiches (1474, amtlich 1512, um 1000 regnum Teutonicum, ab 962 [lat.] imperium Romanum, Wipos Gesta Chuoradi 1040-1046, 1122 unter Anknüpfung an das antike römische Reich Romanorum imperator [Kaiser der Römer], ab 1157 phasenweise [lat.] sacrum imperium [N., Heiliges Reich], seit der Spätzeit Friedrich Barbarossas vereinzelt, seit etwa 1230 häufiger sacrum Romanum imperium). Das H. R. R. (ostfränkisch-deutsches Reich, Italien und ab 1033 Burgund) wird getragen von → König bzw. Kaiser und → Reichsständen. Seit dem Spätmittelalter geht Burgund überwiegend an Frankreich verloren und bleiben die Reichs­fürsten Italiens dem Reichstag fern. Vielfach als (lat. [N.]) corpus eingeordnet endet das reformunfähige H. R. R. auf den politischen Druck Napoleons (ultimative Rücktrittsfor­derung an den Kaiser vom 22. 7. 1806) am 6. 8. 1806 mit der Niederlegung der Krone des Deutschen Reiches durch Kaiser Franz II. (aus der Familie der → Habsburger). Die h. M. legt den im 15. Jh. aufkommenden, tatsächlichen Zusatz „Deutscher Nation“ als auf das deutsch­sprachige Gebiet einschrän­kend aus. Die (materielle) → Verfassung des Heiligen römischen Reiches wird durch eine Reihe von einzelne Fragen behandelnden „Grundge­setzen“ bestimmt, die man bereits mit dem Wormser Konkordat von 1122 beginnen lassen kann (vor allem Licet iuris 1338, Goldene Bulle 1356, Wiener Konkordat 1448, Ewiger Landfriede 1495, Reichskam­merge­richtsordnung 1495, Augsburger Reichsab­schied 1555, Westfälischer Friede 1648, Jüngster Reichsabschied 1654, Reichs­hofrats­ordnung 1654, Capitulatio perpetua 1711, Reichsputationshauptschluss 1803). 1797 verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in Italien.

Lit.: Köbler, DRG 110, 133; Krebs, C., Teutscher Reichsstaat, Teil 1f. 1706f.; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Bd. 1ff. 1737ff., Neudruck 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil(igen) Röm(ischen) Reiches, ZRG GA 52 (1932), 65; Diehl, E., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, HZ 156 (1937), 457; Wesenberg, G., Die Privatrechts­gesetz­gebung des Heiligen römischen Reiches, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 187; Heer, F., Die Tragödie des heiligen Reiches, Bd. 1f. 1952f.; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges römisches Reich 1776-1806, 1967; Randelzhofer, A., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen römischen Reiches nach 1648, 1967; Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit Maria Theresias, hg. v. Conrad, H., 1964; Aretin, K., Frhr. v., Heiliges römisches Reich 1776 bis 1806, Bd. 1f. 1967; Das Staatsrecht des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des heiligen römischen Reiches, 1970; Koch, G., Auf dem Wege zum sacrum imperium, 1972; Schubert, E., König und Reich, 1979; Bussi, E., Diritto e politica in Germania nel 18. secolo, 1971; Aretin, K. Frhr. v., Das Alte Reich, Bd. 1ff. 1980ff. (Band 4 Register); Walter, G., Der Zusammenbruch des Hei­ligen römischen Reiches, 1980; Nonn, U., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, ZHF 9 (1982), 129; Hammerstein, N., Das Römische am Heiligen römischen Reich, ZRG GA 100 (1983), 119; Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, hg. v. Brauneder, W., 1993; Aretin, K. v., Das alte Reich 1648-1806, Bd. 1ff. 1993ff.; Luh, J., Unheiliges Römisches Reich, 1995; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Essig, M., Das Reich als europäische Vision, 1999; Schmidt, G., Geschichte des alten Reiches, 1999; Marquardt, B., Das römisch-deutsche Reich als segmentäres Verfassungssystem, 1999; Hartmann, P., Kulturgeschichte des heiligen römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher Reichs-Staat, hg. v. Schnettger, M., 2002; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel, 2003; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003; Prietzel, M., Das heilige römische Reich im Spätmittelalter, 2004; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004; Herbers, K. u. a., Das Heilige römische Reich, 2005, 2. A. 2006; Mazohl-Wallnig, B./Böschle, A., Zeitenwende 1806, 2005; Hartmann, P., Das Heilige römische Reich in der Neuzeit, 2005; Stollberg-Rilinger, B., Das heilige römische Reich deutscher Nation, 2006; Lesebuch altes Reich, hg. v. Wendehorst, S. u. a., 2006; Kraus, H., Das Ende des alten Deutschland, 2006; Heiliges römisches Reich deutscher Nation 962 bis 1806, hg. v. Puhle, M. u. a., 2006; Externbrink, S., Friedrich der Große, Maria Theresia und das alte Reich, 2006; Weinfurter, S., Das Reich im Mittelalter, 2008; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008; Burgdorf, W., Ein Weltbild verliert seine Welt, 2. A. 2008; Vielhaber, T., Reformper­spektiven zur Reichsverfassung im Jahrhundert nach dem westfälischen Frieden, Diss. Bonn 2008; Müller-Mertens, E., Römisches Reich im Frühmittelalter, HZ 288 (2009), 51; Herbers, K. u. a., Das heilige römische Reich, 2009

Heilung (von Rechtsgeschäften) → Kon­valeszenz

Heimbürge (seit 9. Jh. belegt) ist seit dem Hochmittelalter der Leiter (von Ortsgericht und Verwaltung) einer meist dörflichen Gemeinde zwischen Elsass und Thüringen, der endgültig im 19. Jh. verschwindet.

Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge, 1962

Heimfall ist der Anfall des Nachlasses von erbenlos verstorbenen Menschen. Er steht als Recht teils dem Grundherrn, teils dem Lehnsherrn, teils der Gemeinde, teils dem König oder Landesherrn bzw. Staat zu. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der → Fiskus gesetzlicher Erbe.

Lit.: Hübner 777; Brünneck, W. v., Das Heimfallsrecht und die Gütervereinigung im älteren böhmisch-mährischen Recht, ZRG GA 20 (1899), 1; Poll, B., Das Heimfallsrecht auf den Grundherrschaften Österreichs, 1925, Neudruck 1978; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 149; Jewell, H., English Local Administration, 1972

Heimtücke (F.) Hinterhältigkeit

Lit.: Dörner, B., Heimtücke, 1998

Heineccius (Heinecke), Johann Gottlieb (Eisenberg 11. 9. 1681-Halle 31. 8. 1741) wird nach dem Studium der Theologie in Leipzig und des Rechtes in Halle (Stryk, Thomasius, Böhmer, Gundling, Ludewig) 1713 Philosophieprofessor und 1720/1721 Rechtsprofessor in Halle, Franeker (1723), Frankfurt an der Oder (1727) und Halle (1733). Seine dogmatischen Grund­risse (darunter die erste geschlossene Darstellung des deutschen Privatrechts und das erste römischrechtliche Lehrbuch moderner Form) machen ihn zum einflussreichsten deutschen Juristen des 18. Jh.s (Antiquitatum Romanarum syntagma [N.], 1721, Elementa [N.Pl.] iuris civilis secundum ordinem institu­tionum, 1725 (insgesamt 176 Ausgaben), Elementa [N.Pl.] pandectarum, 1727, Juris­prudentia [F.] Romana, 1738ff., Antiquitates [F.Pl.] Germanicae jurispru­dentiam patriam illustrantes, 1772ff., Elementa [N.Pl.] iuris Germanici, 1735f., Elementa [N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1737, deutsch 1994, Grundzüge des Natur- und Völkerrechts).

Lit.: Köbler, DRG 144; Reibstein, E., J. G. Heineccius als Kritiker des grotianischen Systems, Zs. f. ausl öff. Recht und Völkerrecht 24 (1964), 236; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1 (1967), 195; Elementa iuris naturae et gentium (deutsch), hg. v. Bergfeld, C., 1994; Wardemann, P., Johann Gottlieb Heineccius (1681-1741). Leben und Werk, 2007

Heingereiden (Haingeraiden) sind (16) seit dem 13. Jh. nachweisbare dörfliche Marknutzungsverbände von den Vogesen bis zur Haardt, die seit 1792 von Frankreich beseitigt werden.

Lit.: Christmann, E., Name und Entstehung der pfälzischen Heingereiden, ZGO 99 (1951), 407; Ziegler, H., Die Auflösung der Haingeraiden, Pfälzer Heimat 20 (1969), 20

Heinrich der Löwe (1128/9?-Braunschweig 6. 8. 1195), → Welfe, Herzog von Sachsen (1142) und Bayern (1156), gefährdet durch seine beinahe königliche Machtstellung den mit ihm verwandten deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (→ Staufer). Da er mehreren La­dungen in einem von Fürsten wegen Landfriedensbruches eingeleiteten Verfahren vor dem Kaiser nicht Folge leistet, wird er im Juni 1179 (29. Juni?) geächtet und als Folge des Nichter­scheinens in einem daraufhin wegen Nicht­achtung der Majestät begonnenen Verfahrens im Januar 1180 für aller Reichslehen verlustig erklärt. Im April 1180 wird das Herzogtum Sachsen in Westfalen (an den Erzbischof von Köln) und (östliches) Sachsen (Bernhard von Askanien) geteilt, im September 1180 das Herzogtum Bayern an Otto von → Wittelsbach gegeben. H. d. L. behält nur die Eigengüter um Braun­schweig und Lüneburg. Mit der Zerschlagung des Stammesherzogtums Sachsen wird die Bildung von → Ländern weiter geför­dert.

Lit.: Güterbock, F., Der Prozess Heinrichs des Löwen, 1909; Haller, J., Der Sturz Heinrichs des Löwen, Archiv für Urkundenforschung 3 (1911), 295; Niese, H., Zum Prozess Heinrichs des Löwen, ZRG GA 34 (1913), 195; Moeller, R., Die Neuordung des Reichs­fürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Schambach, K., Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, Zs. d. hist. Ver. für Niedersachsen 81 (1916), 1, 83 (1918), 189; Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Hüttebräuker. L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Hasenritter, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen Heinrichs des Löwen, 1936; Hildebrand, R., Der sächsische „Staat“ Heinrichs des Löwen, 1937; Läwen, G., Die herzogliche Stellung Heinrichs des Löwen in Sachsen, Diss. phil. Königsberg 1937; Ganahl, K., Neues zum Text der Gelnhäuser Urkunde, MIÖG 53 (1940), 287; Die Urkunden Heinrichs des Löwen, bearb. v. Jordan, K., 1941ff.; Schambach, K., Der genaue Tag des Achtspruches, ZRG GA 69 (1952), 309; Bärmann, J., Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Städtegründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Jordan, K., Heinrich der Löwe, 1979, 2. A. 1980; Heinrich der Löwe, hg. v. Mohrmann, W., 1980; Engels, O., Stauferstudien, 1988; Heinrich der Löwe, hg. v. Luckhardt, J., 1995; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 1997; Seibert, H., Heinrich der Löwe und die Welfen, HZ 268 (1998), 375; Gaethke, H., Herzog Heinrich der Löwe und die Slawen nordöstlich der unteren Elbe,1999; Heinrich der Löwe, hg. v. Fried, J. u. a., 2003; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 2008

Heinrich von Segusia → Hostiensis

Heirat (F.) → Eheschließung

Lit.: Mantl, E., Heirat als Privileg, 1997; Liebl, R., Ein Königreich als Mitgift, 1998; Weller, T., Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert, 2004; Kaiser, D., Die elterliche Einwilligung, 2008

Heirat macht mündig.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Hillebrand 1858)

Heiratserlaubnis ist die Erlaubnis der Eheschließung eines Menschen mit einem anderen durch einen Dritten. Im Frühmit­telalter bedarf die Braut der H. des Inhabers der Personalgewalt, die später auf die Fälle fehlender Ehemündigkeit eingeschränkt wird. Daneben benötigt der Unfreie die H. des Grundherrn. Seit dem 16. Jh. begründet der Landes­herr Heiratser­laubnisse für Beamte, Soldaten, Kranke, Witwen usw. Die Aufklärung drängt seit dem ausgehenden 18. Jh. die H. allgemein zurück, doch sieht noch das Ehepatet Josephs II. für Österreich von 1783 die Nichtigerklärung der Eheschließung wegen fehlender Ehebewilligung vor..

Lit.: Thudichum, F., Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der Verehelichung, 1866; Köstler, R., Die väterliche Ehebewilligung, 1908; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 30; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967

Helgoland

Lit.: Moeller, E, v., Die Rechtsgeschichte der Insel Helgoland, 1904

Heliand („Heiland“) ist die nach der lateinischen Übersetzung (6. Jh.) der Evan­gelienharmonie des Syrers Tatian (2. Jh.) vor 850 (wohl in Fulda oder Werden) verfasste altsächsische Stabreimdichtung. Es ist streitig, in welchem Umfang das Werk frühmittel­alterliches Recht wiedergibt (Herrschaft, Stände, Rüge).

Lit.: Vilmar, A., Deutsche Altertümer im Heliand, 2. A. 1862; Lagenpusch, E., Das germanische Recht im Heliand, 1894; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 73 (1956), 28; Sowinski, B., Darstellungsstil und Sprachstil im Heliand, 1985; Heliand und Genesis, hg. v. Taeger, B., 10. A. 1996

Hellenismus ist ursprünglich der richtige Gebrauch der griechischen Schriftsprache, später die Ausbreitung griechischer Kultur seit Alexander dem Großen (356-13. 6. 323 v. Chr.).

Lit.: Kaser §§ 1 II 2, 3 III 4; Söllner §§ 18, 19, 22; Kreissig, H., Geschichte des Hellenismus, 1984; Gehrke, H., Geschichte des Hellenismus, 3. A. 2003, 4. A. 2008; Hellenismus, hg. v. Funck, B., 1997; Die Rezeption der Antike, hg. v. Konstantinou, E., 1998; Christ, K., Hellas, 1999; Heinen, H., Geschichte des Hellenismus, 2003; Lexikon des Hellenismus, hg. v. Schmitt, H./Vogt, E., 2005; Meißner, B., Hellenismus, 2007; Kulturgeschichte des Hellenismus, hg. v. Weber, G., 2007

Heller, Hermann (Teschen 17. 7. 1891-Madrid 5. 11. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Innsbruck und Graz 1920 in Kiel (Radbruch) habilitiert, 1928 zum außerordentlichen Professor in Berlin und 1932 zum ordentlichen Professor in Frankfurt am Main (bis 7. 4. 1933) ernannt. Er versteht in der Staatslehre den Staat als sozialen Rechtsstaat.

Lit.: Robbers, G., Hermann Heller, 1983; Der soziale Rechtsstaat, hg. v. Müller, C./Staff, J., 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 767; Fiedler, W., Das Bild Hermann Hellers, 1994; Goller, P., Hermann Heller, 2002

Helmarshausen

Lit.: Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey, 1992

Helmstedt ist von 1576 bis 1810 Sitz einer vom Herzog von Braunschweig gegründeten Universität.

Lit.: Behse, A., Die juristische Fakultät der Universität Helmstedt im Zeitalter des Naturrechts, 1920; Baumgart, P./Pitz, E., Die Statuten der Universität Helmstedt, 1963; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kundert, W., Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984 (2774 Titel); Hahn, P., Die Gerichtspraxis der altständischen Gesellschaft im Zeitalter des „Absolutismus. Die Gutachtertätigkeit der Helmstedter Juristenfakultät, 1989; Alschner, U., Universitätsbesuch in Helmstedt, 1998

Helsinki (Helsingfors) wird 1550 vom König von Schweden gegründet und 1640 verlegt. Am neuen Ort erhält es eine Universität. 1812 wird es Hauptstadt des russischen Großfürstentums → Finnland.

Helvetische Republik ist die nach dem keltischen, von Caesar 58 v. Chr. besiegten Stamm der Helvetier benannte, von Frankreich (Napoleon) beeinflusste Republik in der → Schweiz (1798-1803).

Lit.: Levi, R., Der oberste Gerichtshof der Helvetik, 1945; Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984

Helvetisches Bekenntnis ist das die Theologie Jean Calvins (1509-1564) und Ulrich Zwinglis (1504-1575) 1566 zu­sammenfassende Bekenntnis, das im West­fälischen Frieden 1648 reichsrechtlich aner­kannt wird und dessen Anhänger in Österreich seit Toleranzpatenten Josephs II. seit 1781 toleriert werden.

Henker ist der 1276 in Augsburg zuerst bezeugte Vollstrecker des (auf Hängen lautenden) Todesurteils. Der H. gilt als unehr­lich. Vor der Vollstreckung steht dem Hinzurichtenden eine Henkersmahlzeit zu.

Lit.: Mackensen, L., Henkersmahl und Johannisminne, ZRG GA 44 (1924), 318; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Hentig, H. v., Vom Ursprung der Henkersmahlzeit, 1958; Schuhmann, H., Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder, 1978; Deutsch, A., Das schwere Schicksal der Henker, ZRG GA 118 (2001), 420; Bendlage, A., Henkers Hetzbube, 2003; Schubert, E., Räuber und Henker, 2007

Henlich ist ursprünglich der Heiratsgesang und im Hochmittelalter und Spätmittelalter insbe­sondere im Recht des Ingelheimer Oberhofes der → Ehevertrag.

Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968, 104

Henneberg

Lit.: Zickgraf, E., Die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen, 1944; Bibliographie zur henne­bergischen Geschichte, bearb. v. Henning, E. u. a., 1976; Regesten des Archivs der Grafen von Henneberg-Römhild, hg. v. Mötsch, J., 2006

Henneberg, Berthold von (1441/2-21. 12. 1504), aus der Familie der Grafen von Henneberg-Römhild, wird nach dem Studium der Theologie in Erfurt (1455) und Italien Domherr in Mainz (1464) und Erzbischof von Mainz (20. 5. 1484). Er bestimmt als Erzkanzler maßgeblich die Reformen des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) im Jahre 1495 (→ Reichskammer­gericht, → Landfriede, → Gemeiner Pfennig).

Lit.: Weiß, E., Berthold von Henneberg, 1889; Bader, K., Ein Staatsmann vom Mittelrhein, 1955; Schröcker, A., Unio atque concordia, Diss. phil. Würzburg 1970

Hennegau

Lit.: Goldhardt, O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909; Verriest, L., Le servage dans le Comté de Hainaut, 1910; Cauchies, J., La législation princière pour le comté de Hainaut, 1982

Henricus de Baila ist ein 1169 und 1170 bezeugter Glossator in Bologna (Glossen, Distinktionen, Disputationen?).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 214

Heraldik (F.) Wappenkunde

Lit.: Köbler, DRG 3; Berchem, E. Frhr. v., Heraldische Bibliographie, 1937; Galbreath, D., Handbüchlein der Heraldik, 2. A. 1948; Crusius, E., Heraldik in Niedersachsen und Westfalen, 1957; Gumowski, M., Handbuch der polnischen Heraldik, 1969; Neubecker, O., Heraldik, 1977; Zenger, Z., Ceska heraldika, 1978; Bertenyi, I., Kis, magyar eimertan, 1983; Lexikon der Heraldik, 1984; Henning, E./Jochums, G., Bibliographie zur Heraldik, 1984; Dictionnaire heraldique, 1985; Woodcock, T./Robinson, J., The Oxford Guide to Heraldry, 1988; Handbuch der Heraldik, 19. A. 1998; Filip, V., Einführung in die Heraldik, 2000; Filip, V., Einführung in die Heraldik, 2005; Scheibelreiter, G., Heraldik, 2006, 2. A. 2009

Heraklit von Ephesos (um 500 v. Chr.) ist der erste europäische Philosoph, der den Einsatz des Einzelnen für die rechtliche Ordnung als Voraussetzung für den Bestand des Gemeinwesens hervorhebt.

Lit.: Moser, P., Heraklits Kampf ums Recht, 1993

Herausgabeanspruch ist der Anspruch auf die Herausgabe eines Menschen oder einer Sache. Der bekannteste Fall des Herausgabean­spruches ist die schon dem altrömischen Recht vertraute (lat.) → rei vindicatio (F.). Sie lebt im modernen H. in abgewandelter Form fort.

Lit.: Kaser § 27 I; Köbler, DRG 212

Herberge

Lit.: Hermesdorf, B., De herberg in de Nederlanden, 1957

Herborn ist von 1584 bis 1815 Sitz einer Universität.

Lit.: Schmidt-von Rhein, G., Zur Geschichte der rechtswissenschaftlichen Fakultät der hohen Schule zu Herborn, ZRG GA 103 (1986), 263; Terharn, C., Die Herforder Fehden im späten Mittelalter, 1994

Herdecke

Lit.: Schnettler, O., Herdecke an der Ruhr, 1939

Herder, Johann Gottfried (Mohrungen 25. 8. 1744-Weimar 18. 12. 1803) wird nach dem Theologiestudium in Königsberg (1762-1764) Prediger. Er sieht in der Volkssprache und im Volkslied den Ausdruck des unbewusst schaffenden → Volksgeistes, dessen nationale Eigenart geschichtlichen Eigenwert besitzt (Idee der Kulturnation). Damit beeinflusst er → Savignys Verständnis vom Recht als sich organisch entfaltendem Teilbereich der Ge­samtkultur in bedeutsamer Weise.

Lit.: Herder, J., Über die neuere deutsche Literatur, 1766/7; Herder J., Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772; Würtenberger, T., Johann Gottfried Herder und die Rechtsgeschichte, JZ 12 (1957), 137; Kalletat, F., Herder und die Weltliteratur, 1984; Zaremba, M., Johann Gottfried Herder, 2002

Heredis institutio (lat. [F.] Erbeinsetzung) ist in klassischer römischer Zeit die schon früh an den Anfang des Testamentes zu stellende, lange Zeit unabdingbare Erbeinsetzung (z. B. [lat.] Titius heres esto).

Lit.: Kaser §§ 65 II 1, 67 I 2

Hereditas ([F.] lat.) ist im römischen Recht die vor allem aus Vermögensrechten gebildete Erbschaft (das Erbe). Die h. fällt als Einheit durch Gesamtnachfolge dem Erben an. Sie kann h. iacens (ruhende Erbschaft) sein.

Lit.: Kaser §§ 65f.; Köbler, LAW

Hereditas (F.) iacens (lat.) (liegende bzw. ruhende Erbschaft) ist im römischen Recht die einem Außenerben (lat. heres [M.] extraneus) anfallende Erbschaft in der Zeit zwischem dem Tod des Erblassers und der Ergreifung der Vermögensrechte durch den Außenerben. Ursprünglich gelten die Erbschafts­gegenstände als (lat.) res (F.) nullius (Sachen niemands). Die Rechte und Pflichten bestehen weiter, haben aber zeitweilig keinen Träger und können deswegen nicht geltend gemacht werden. Die h. i. kann Rechte erwerben. Die h. i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter an verschiedenen Orten übernommen (z. B. Öster­reich).

Lit.: Kaser § 72 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 562, 621, 629

Hereditatis petitio (lat. [F.] Erbschaftsbe­gehren) ist bereits im altrömischen Recht das Herausverlangen der Erbschaft durch eine Per­son, die behauptet Erbe zu sein.

Lit.: Kaser §§ 65 III, 75

Heres (lat. [M.]) ist im römischen Recht der → Erbe (Hauserbe oder Außenerbe).

Lit.: Kaser § 65 III; Köbler, DRG 37; Köbler, LAW

Herford ist eine westfälische, um das 823 gegründete, 1147 reichsunmittelbare Stift erwachsene Stadt, von der die Bilderhand­schrift eines mittelalterlichen Rechtsbuches überliefert ist.

Lit.: Löning, G., Vom Schöffenstuhl zu Herford im 17. Jahrhundert, ZRG GA 64 (19449, 326; Korte, F., Die staatsrechtliche Stellung von Stift und Stadt Herford, Jahresbericht des historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 58 (1955), 1; 1200 Jahre Herford, 1989; Rechtsbuch der Stadt Herford, hg. v. Helmert-Corvey, T., 1989; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994

Hergewäte → Heergewäte

Herisliz (ahd. [M.] Heerzerstörung) ist der tatbestandliche Vorwurf (des Hochverrats), der 788 zur Absetzung Herzog Tassilos III. von Bayern führt.

Lit.: Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 53

Hermann von Oesfeld (Magdeburg Mitte 14. Jh.), Bürger in Magdeburg, fertigt möglicherweise ein Register zum Landrecht des → Sachsenspiegels sowie die um 1350 entstehenden verfahrensrechtlichen Schriften → Cautela und → Premis an.

Lit.: Homeyer, C., Richtsteig Landrecht nebst Cautela und Premis, 1857, 390; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66

Hermann von Salza von 1209 bis (Salerno) 20. 3. 1239 (vierter) Hochmeister des Deutschen Ordens, erlässt die sog. → Kulmer Handfeste, die lübischem und magdebur­gischem Vorbild folgend den nach Kulm und Thorn gezogenen Bürgern freiheitliche Rechte gewährt.

Lit.: Caspar, E., Hermann von Salza und die Gründung des Deutschordensstaates in Preußen, 1924

Hermeneutik (F.) Verstehenslehre

Lit.: Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechts, hg. v. Avenarius, M., 2008

Hermogenian (um 300) ist vielleicht unter Kaiser Diokletian (284-313/316) Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und (lat.) praefectus (M.) praetorio (Prätorianerpräfekt). Er verfasst die private (halbamtliche?) Sammlung von Konstitutionen Diokletians fast nur der Jahre 293 und 294 (→ Codex Hermogenianus), von der 104 Fragmente in die → Digesten Justinians aufgenommen werden, und (lat.) Iuris epitomarum libri (M.Pl.) VI (Auszüge aus klassischen Schriften Rechtskundiger).

Lit.: Söllner §§ 19, 22; Liebs, D., Hermogenians Iuris Epitomae, 1964; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987, 36, 137

Herold (M.) Verkünder

Lit.: Wagner, A., Heralds and Heraldry, 2. A. 1956

Herold, Basilius Johann (Höchstädt an der Donau 17. 12. 1514-1567), Übersetzer und Drucker, veröffentlicht in Basel 1557 eine Sammlung von 12 (10) Volksrechten, deren handschriftliche Vorlagen seitdem teilweise (lat. Lex [F.] Frisionum, eine Fassung der lat. Lex [F.] Salica) verschollen sind.

Herr ist der Gebieter über einen anderen Menschen (oder über einen Gegenstand). Das Wort wird im 8. Jh. als Lehnübersetzung von lat. [M.] senior, Älterer, gebildet. Hausherr, Grundherr, Lehnsherr und → Landesherr sind wichtige Erscheinungsformen. Erst spät wird H. zu einer allgemeinen Anrede erwachsener Männer. In den ständischen Landtagen von Österreich ob der Enns und Österreich unter der Enns sind die Herren eine eigene Kurie, in der Steiermark, in Kärnten und Krain eine Kurie mit den Rittern.

Lit.: Köbler, WAS; Lünig, J., Thesaurus iuris deren Grafen und Herren des Heiligen römischen Reichs, 1725; Dungern, O. Frhr. v., Der Herrenstand im Mittelalter, 1908; Forst-Battaglia, O., Vom Herrenstande, 1916; Oberschelp, B., Die Edelherren von Büren, 1963; Dopsch, H., Landherren, Herrenbesitz und Herrenstand in der Steiermark 1100-1500, Diss. phil. Wien 1969 (masch.schr.); Kulenkampf, A., Einungen und Reichsstandsschaft fränkischer Grafen und Herren, Diss. jur. Bonn 1971; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/65, 1983; Müller, P., Die Herren von Fleckenstein, 1990; Algazi, G., Herrengewalt, 1996

Herrenchiemseer Verfassungskonvent ist das von den 11 Ministerpräsidenten der westlichen Besatzungszonen des Deutschen Reiches auf Einladung Bayerns vom 10. bis 23. 8. 1948 nach Herrenchiemsee im Chiemsee einberufene, eine → Verfassung (→ Grundgesetz) der späteren Bundes­republik → Deutschland vorbereitende Gremium (Carlo Schmid Justizminister Württemberg-Hohenzollerns SPD, Josef Schwalber Staatssekretär im Innenmi­nisterium Bayern CSU, Josef Beyerle Justiz­minister Württemberg-Baden CSVP/CDU, Adolf Süsterhenn, Justizminister Rheinland-Pfalz CDU, Paul Zürcher Oberlan­desgerichtspräsident (Freiburg im Breisgau) Baden CDU, Hermann Louis Brill Leiter der Staatskanzlei Hessen SPD, Theodor Spitta Bürgermeister Bremen BDV/FDP, Fritz Baade Professor der Wirtschaftswissen­schaften Schleswig-Holstein SPD, Justus Danckwerts Ministerialrat Niedersachsen, Theodor Kordt Diplomat und Völkerrechtler Nordrhein-Westfalen, Wilhelm Drexelius Senatssyndikus Hamburg SPD, Otto Suhr Volkswirt und Vorsteher der Stadtver­ordnetenversammlung Berlin als Gast SPD).

Lit.: Köbler, DRG 256; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Der Parlamentarische Rat 1948/49, 1981; 50 Jahre Ver­fassungskonvent Herrenchiemsee, hg. v. März, P. u. a., 1998; Weichenstellung für Deutschland, hg. v. März, P. u. a., 1998

Herrenfall ist der Tod des → Herrn im Lehnsverhältnis.

Herrenhaus ist die Bezeichnung für ein dem englischen House of Lords nachgebildetes Staatsorgan der Verfassungen des 19. Jh.s (Preußen 1855-1918, Österreich 1861-1865, 1867-1918, ab 1907 mindestens 150 und höchstens 170 Mitglieder). Ihm gehören hauptsächlich Vertreter des → Adels an.

Lit.: Baltl/Kocher; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Spenkuch, H., Das preußische Herrenhaus, 1998

Herrenlos ist die Sache, die keinen Eigentümer hat (z. B. in Freiheit befindliche wilde Tiere). Die herrenlose Sache unterliegt der Aneignung. Aneignungsberechtigt ist ursprünglich jeder­mann, nach späterem deutschem Recht der jeweils besondere Träger eines Aneignungs­rechts (z. B. Jagdberechtigter, Fiskus).

Lit.: Hübner 454f.

Herrschaft ist die Macht oder Gewalt eines Menschen (→ Herrn) über einen anderen Menschen (oder einen Gegenstand). Sie entsteht vorwiegend durch Eroberung und Überschichtung. Es ist streitig, ob sich die umfassende Rechtsgemeinschaft in eine Vielzahl von Herrschaften auflösen lässt. Geschichtliche Formen der H. sind jedenfalls Grundherrschaft und Landesherrschaft, Haus­herrschaft und Lehnsherrschaft. Das deutsche Wort herscaf (mhd.) als Herrenstellung findet sich erst im 13. Jh. Seit etwa 1750 wird zwischen öffentlichrechtlicher Herrschaft und privatem Eigentum des Landesherrn unterschieden.

Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Schlesinger, W., Herrschaft und Gefolgschaft, HZ 176 (1953), 225; Dannenbauer, H., Grundlagen der mittelalterlichen Welt, 1958, 121; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Henning, F., Herrschaft und Bauern­untertänigkeit, 1964; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Pezold, U. v., Die Herrschaft Thurnau, 1968; Dubler, A., Die Klosterherrschaft Hermetschwil, 1968; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 1970; Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamental­gesetze, hg. v. Vierhaus, R., 1977; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit, 1980; Jäckell, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstech­niken totalitärer Herrschaft, 1988; Wolf, G., Mittel der Herrschaftssicherung in den Germanenreichen des 6. und 7. Jahrhunderts, ZRG GA 105 (1988), 214; Sprandel, R., Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, 3. A. 1988; Hohkamp, M., Herrschaft in der Herrschaft, 1998; Virtuosen der Macht, hg. v. Nippel, W., 2000; Holtz, S., Bildung und Herrschaft, 2002; Die Sakralität von Herrschaft, hg. v. Erkens, F., 2002; Herrschaft, hg. v. Kaak, H. u. a., 2003; Rader, O., Grab und Herrschaft, 2003; Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), hg. v. Rogge, J. u. a., 2003; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004; Ergebene Diener ihrer Herren?, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 2005; Debatten über die Legitimation von Herrschaft, hg. v. Schorn-Schütte, L. u. a., 2006; Urbanczyk, P., Herrschaft und Politik im frühen Mittelalter, 2007

Herrschaftsvertrag ist der bereits im griechischen Altertum ansatzweise sichtbare, für die Vorzeit angenommene Vertrag zur Begründung der Herrschaft Herrschender (Staat) über Beherrschte (Untertanen). Das Mittelalter sieht diesen Vertrag als Un­terwerfungsvertrag an (Thomas von Aquin, → Marsilius von Padua). Die Neuzeit versteht ihn mehr und mehr als → Gesell­schafts­ver­trag (→ Althusius, → Hobbes, → Locke, → Pufendorf, → Rousseau 1762).

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Näf, W., Herrschafts­verträge und Lehre vom Herrschaftsvertrag, 1949; Der Herrschaftsvertrag, hg. v. Voigt, A., 1965

Herrschaftszeichen ist das sichtbare Zeichen der (als solcher unsichtbaren) Herrschaft (z. B. → Ornat, → Krone, → Lanze, → Schwert, → Zepter). Seine Ausprägung ist in einfachen Verhältnissen eher bescheiden. Der bedeu­tendste Schatz an H. sind die → Reichsin­signien.

Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. 1ff. 1954ff.; Schramm, P., Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen, 1955; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954

Herrschende Lehre ist die vom gewichtigeren Teil der Gelehrten (z. B. Rechtsgelehrten in einer Frage (z. B. Rechtsfrage) vertretene Ansicht. Förmliche Ansätze hierzu finden sich bereits im römischen Altertum (z. B. Kassiergesetz Konstantins [321], das zunächst → Papinian(us) für maßgeblich erklärt, Zitiergesetz Theodosius’ II. und Valentinians III. [426], das der Meinung von Papinianus, → Paulus, → Ulpian, → Modestin und → Gaius besondere Geltung verleiht und bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden lässt). Im Spätmittelalter werden hierfür feste Maßstäbe erarbeitet. Danach kommt der (lat.) glossa (F.) ordinaria zum weltlichen und geistlichen Recht, → Bartolus, → Baldus sowie den Richtern des höchsten kirchlichen Gerichts das regelmäßig ausschlaggebende Gewicht zu.

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff., Bd. 6, 14; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938, 204

Herrschende Meinung ist die in einer Streitfrage insgesamt vorherrschende Mei­nung.

Lit.: Zimmermann, R., Die Relevanz einer herrschenden Meinung, 1983; Drosdek, T., Die herrschende Meinung, 1989

Herrscher

Lit.: Europäische Herrscher, hg. v. Vogler, G., 1988; Herrscherchronologien der antiken Welt, hg. v. Eder, W., u. a., 2004; Bussmann, B., Die Historisierung der Herrscherbilder (ca. 1000-1200), 2006; Erkens, F., Herrschersakralität im Mittelalter, 2006

Hert (Hertius), Johann Nikolaus (Niederkleen 6. 10. 1651-Gießen 19. 9. 1710) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Gießen und des Rechts in Jena, Leipzig und Wittenberg 1683 Professor in Gießen. Er verwendet neben dem römischen Recht auch deutsche Rechts­quellen, befasst sich mit dem Kollisions­recht (Dissertatio de collisione legum, 1688) und gibt drei Bücher deutscher Rechtssprich­wörter heraus.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, 3, 1, 62; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963

Herzegowina → Bosnien

Lit.: Lovrenovic, I., Bosnien und Hercegovina, 1998; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003 Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina, 2004

Herzog ist die wohl nach griechischem Vorbild geschaffene germanistische Bezeichnung für den Führer des Heeres (oder Volkes). Bei den Franken führen (lat. [M.Pl.]) duces auch Aufgaben aus, wie sie weströmische duces wahrgenommen hatten. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jh.s stammen die Herzöge im Franken­reich aus angesehenen Familien und steigen bei Schwäche der königlichen Gewalt zu nahezu selbständigen Herrschern einzelner Stämme oder Völker (Franken, Bayern, Alemannen, Sachsen, Thüringer, Friesen usw.) auf ([ältere] Stammesherzöge). Die Karolinger ersetzen die stammesverbundenen H. durch fränkische Adlige (Amtsherzog). In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s entsteht erneut ein (zweites) (Stammes-)Herzogtum auf herrschaftlicher Grundlage, das sich dem König aber früh zumindest teilweise wieder beugen muss (Schwaben 926, Bayern 938). Seit dem Ende des 10. Jh.s führen in Deutschland einzelne Familien den Herzogstitel fort, auch wenn sie die Stellung als H. verlieren. Durch Friedrich I. Barbarossa wird 1156/1180 das Gebietsher­zogtum an die Stelle des Amtsherzogtums gesetzt (→ Österreich 1156, Westfalen 1180, danach Braunschweig-Lüneburg 1235, Herzogswürde ohne Herzogsgewalt z. B. für Meranien 1195). 1918 ver­schwindet der H. aus der deutschen Verfassungsgeschichte.

Lit.: Köbler, DRG 69, 94; Köbler, WAS; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Much, R., Herzog, ein altgermanischer Name des dux, ZRG GA 45 (1925), 1, 406; Miller, C., Neuwürttemberg unter Herzog und König Friedrich, 1934; Mayer, T., Der Staat der Herzöge von Zähringen, 1935; Werle, W., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225; Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Prinz, F., Herzog und Adel im agilolfingischen Bayern, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 283; Kienast, W., Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein und Herzöge von Bayern, 1986; Schneidmüller, B., Völker - Stämme - Herzogtümer?, MIÖG 108 (2000), 31

Herzogtum ist die Würde und der Herrschaftsbereich des → Herzogs. Wichtige Herzogtümer sind zu unterschiedlichen Zeiten Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen, Thüringen, Österreich, Steiermark, Kärnten, Würzburg, Westfalen, Braunschweig-Lüne­burg, Burgund, Lothringen, Jülich, Cleve, Berg, Württemberg, Nassau usw.

Lit.: Köbler, DRG 94

Hessen ist im Jahre 738 der Name eines kleinen, wahrscheinlich auf die germanischen Chatten zurückzuführenden Stammes an der unteren Fulda, dessen Gebiet seit dem 4. Jh. dem Einflussbereich der → Franken zuzurech­nen ist Die Grafschaft H. gelangt 1122 an die Landgrafen (1130) von Thüringen und wird nach Aussterben der Ludowinger (1247) selbständige Landgraf­schaft. Nach dem Übertritt Philipps des Großmütigen zum Lu­thertum (1524) wird H. bei seinem Tode 1567 geteilt (Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel). Hessen-Darmstadt erhält 1820 eine Verfassung, Hessen-Kassel 1831 die liberalste deutsche Verfassung (Einkammersystem, ansatzweise tatsächliche Gewaltenteilung, Vorrang und Schutz der Verfassung) vor 1848 (am 13. 4. 1852 durch oktroyierte Verfassung ersetzt). Hessen-Kassel wird wie Nassau 1866 von Preußen annektiert (Provinz Hessen-Nassau). Am 19. 9. 1945 wird der 1918 aus Hessen-Darmstadt entstandene Volksstaat mit den preußischen Provinzen Nassau und Kurhessen zu Großhessen bzw. H. verbunden.

Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen, 1893; Lichtner, A., Landesherr und Städte in Hessen-Cassel, 1913; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Bruchmann, K., Der Kreis Eschwege, 1931; Müller, A., Die Entstehung der hessischen Verfassung von 1820, 1931; Sponheimer, M., Landesgeschichte der Niedergrafschaft Katzenelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich, 1932; Der ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., bearb. v. Zimmermann, L., Bd. 1f. 1933f.; Blecher, G., Wie und wann entstanden Burg und Stadt Friedberg? Oberhessische Anzeigen (2.–9. September) 1936; Helbig, B., Das Amt Homberg an der Efze, 1938; Kroeschell, K., Hessen und der Kaufungerwald, 1953; Deutsches Städtebuch, Hessen 1957; Gensicke, H., Landesgeschichte des Westerwaldes, 1958; Hessische Ortsbeschreibungen, hg. v. Eckhardt, W. u. a., Heft 1ff. 1958ff.; Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen, 1959, 2. A. 1980; Schunder, F., Der Kreis Fritzlar-Homberg, 1960; Uhlhorn, F., Geschichtlicher Atlas von Hessen, 1960ff.; Kleeberger, E., Territorialgeschichte des hinteren Odenwaldes, 1958; Geschichtlicher Atlas von Hessen, begründet v. Stengel, E., bearb. v. Uhlhorn, F., 1960ff.; Schrifttum zur Geschichte und geschichtlichen Landeskunde von Hessen, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1965ff; Lachmann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter, 1967; Heß, W., Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Niemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Schubert, W., Der Code civil und die Personenrechtsentwürfe des Großherzogtums Hessen-Darmstadt von 1842 bis 1847, ZRG GA 88 (1971), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,2,1518, 3,3,3698; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Battenberg, J., Ein hessischer Appellationsprozess des späten 15. Jahrhunderts, ZRG GA 98 (1981), 56; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981; Krüger, K., Finanzstaat Hessen 1500-1567, 1981; Acker, K., Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt, 1983; Akten und Dokumente zur kurhessischen Parlaments- und Verfassungsgeschichte 1848-1866, hg. v. Seier, H., 1987; Hessische Landtagsabschiede, Bd. 1ff. 1989ff.; Rudersdorf, M., Ludwig IV. Landgraf von Hessen-Marburg 1537-1604, 1991; Akten und Briefe aus den Anfängen der kurhessischen Verfassungszeit 1830-1837, hg. v. Seier, H., 1992; Grothe, E., Verfassungsgebung und Verfassungskonflikt, 1996; Die Entstehung der hessischen Verfassung von 1946, 1996; Hessen, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 1997; Regierungsakten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt 1802-1820, bearb. v. Ziegler, U., 2002; Franz, E., Von Hessengau und terra Hassia zum heutigen Land Hessen, 2003; Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen, hg. v. Wunder, H., 2004; Wicke, C., Kodifikationsbestrebun­gen und Wissen­schaft in Hessen-Darmstadt im vorkonstitutionellen Zeitalter, 2005; Franz, E., Das Haus Hessen, 2006; Dippel, H., Die kurhessische Verfassung von 1831 im internationalen Vergleich, HZ 282 (2006), 619; Kroll, F., Geschichte Hessens, 2006; Philippi, H., Die Landgrafschaft Hessen-Kassel 1648-1806, 2007; Ham, R., Ludwig Hassenpflug, 2007; Dieses Haus ist gebaute Demokratie, hg. v. Flemming, J. u. a., 2007; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 30 (2008), 65; Will, M., Die Entstehung der Verfassung des Landes Hessen von 1946, 2009

Hethiter ist der Angehörige des während der Bronzezeit das Gebiet zwischen Schwarzem Meer, Mittelmeer und persischem Golf be­herrschenden indogermanischen, um 700 v. Chr. untergegangenen Volkes.

Lit.: Brandau, B./Schickert, H., Hethiter, 2001; Die Hethiter und ihr Reich, 2002; Sperlich, W., Die Hethiter, 2003; Friedrich, J. u. a., Hethitisches Wörterbuch, 2. A. 2000ff.; Taggar-Cohen, A., Hittite Priesthood, 2007

Heuer ist der Lohn eines Besatzungsmit­gliedes eines Schiffes. Die H. erscheint seit dem Spätmittelalter, in dem der Dienst auf einem Schiff durch Dienstvertrag vereinbart wird. Sie ist lange nur ein Teil des Entgeltes und in ihrer Höhe vom Ertrag der Fahrt abhängig.

Lit.: Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd. 1 1915; Abel, W., Die Grundzüge des deutschen Seearbeiter­rechts, Diss. jur. Greifswald 1938

Heusler, Andreas (Basel 30. 9. 1834-2. 11. 1921), Sohn des Rechtsprofessors Andreas Heusler (1802-1868), wird nach dem Rechtsstudium in Basel, Göttingen und Berlin (1856) 1863 Professor, Richter und Politiker in Basel. Sein bedeutendstes Werk sind die Institutionen des Deutschen Privatrechts (Bd. 1f. 1885f.), in denen er auf den Grundbegriff der Gewalt über Menschen (→ Munt) und über Sachen (→ Gewere) ein umfassendes Rechtssystem des mittelalterlichen deutschen Privatrechts aufzubauen versucht. Auf H. geht auch die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen (1894ff.) zurück.

Lit.: Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Festgabe der juristischen Fakultät der Universität Basel zum siebzigsten Geburtstag, 1904; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Stutz, U., Andreas Heusler, ZRG GA 43 (1921), LXIV; Heusler, A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Heusler, A., Der Zivilprozess in der Schweiz, 1923; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung, 1963; Sonderegger, S., Andreas Heusler (1865-1940) und die Sprache, 1967; Landau, P., Die Vormundschaft als Prinzip, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Germanentum im fin de siècle, hg. v. Glauser, J. u. a., 2005

Hexabiblos ist die in Thessaloniki um 1345 durch Konstantin Harmenopoulos erfolgte verkürzende Neubearbeitung der → Basiliken in sechs Büchern. → Griechenland

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 7; Harmeno­poulos, K., Manuale legum sive Hexabiblos, hg. v. Heimbach, 1851, Neudruck 1969

Hexe (Zaungeist?) ist die zauberkundige Frau mit magisch-schädigenden Kräften, die angeblich durch die Luft fliegen, sich in Tiere verwandeln und giftige Zaubertränke herstellen kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt (lat. [F.] striga). Vielleicht im frühen 15. Jh. in Savoyen beginnen bei der Verfolgung der Armut und Frieden fordernden, Eid und Amt verweigernden Waldenser (des Lyoner Kaufmanns Pierre Valdes) Hexenverfolgungen (um 1430, 1431/1432 und 1457/1459 38 Hexenprozesse im Tessin [in der Leventina]), aus denen mit päpstlicher Unterstützung durch die → Hexenbulle (1484) nach 1500 rasch um sich greifende Hexenprozesse werden, die sich unter Mitwirkung bekannter Theologen des Konzils von Basel (1431-1439) aus Inquisitionspro­zessen entwickelt haben dürften und die auch der Herrschaftsausübung dienen können. Möglicher­weise werden vor allem zwischen 1590 und 1630 bis zu (neun Millionen [Gottfried Christian Voigt] bzw. bis zu) einer Million Hexen (oder in Deutschland insgesamt [nur] 30000?, in ganz Europa [nur] 50000 bis 100000?, darunter auch Kinder) verbrannt, ehe der Aufklärung der Sieg über den Hexenglauben gelingt (Johann Georg von Godelmann, De magis, 1584, Friedrich von Spee, Cautio criminalis contra sagas, 1631, Christian Thomasius, 1712). Noch nach der Constitutio Criminalis Theresiana (1768) ist Hexerei strafbar (Art. 58). Der letzte Hexenprozess auf deutschem Boden findet in Kempten 1775 statt und endete mit dem Tod der Angeklagten in langjähriger Haft (Glarus 1782, Posen 1793). 1986 wird in Deutschland die Frage Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die ihren Mitmenschen etwas anhexen können, von einem Drittel der Befragten bejaht.

Lit.: Köbler, DRG 157; Köbler, WAS; Rapp, L., Die Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A. 1891; Riezler, S., Geschichte der Hexenprozesse in Bayern, 1896, Neudruck 1968; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Hansen, J., Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, 1901; Soldan, G./Heppe, H./Bauer, M., Geschichte der Hexen­prozesse, Bd. 1f. 1912; Eschenröder, Hexenwahn und Hexenprozesse in Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1932; Bader, G., Die Hexenprozesse in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Croissant, W., Die Berücksichtigung geburts- und berufsständischer und soziologischer Unterschiede im deutschen Hexenprozess, 1953; Zwetsloot, H., Friedrich von Spee und die Hexenprozesse, 1954; Bavoux, F., Hantises et diableries dans la terre abbatiale de Luxeuil, 1956; Krämer, W., Kurtrierische Hexenprozesse, 1959; Merzbacher, F., Die Hexenprozesse in Franken, 1957, 2. A. 1970; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Baroja, J., Las brujas y su mundo, 1961; Baroja, J., Die Hexen und ihre Welt, 1967; Stebel, H., Die Osnabrücker Hexenprozesse, 1969; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozesse in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Kunze, M., Zum Kompetenzkonflikt zwischen städtischer und herzoglicher Strafgerichtsbarkeit in Münchner Hexenprozessen, ZRG GA 87 (1970), 305; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt in der Literatur von 1350 bis 1550, 1972; Kneubühler, Die Überwindung von Hexenwahn und Hexenprozess, Diss. jur. Zürich 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Nordwestdeutschland, 1977; Kneubühler, H., Die Überwindung von Hexenwahn und Hexenprozess, 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Deutschland, 1981; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Hexenprozesse, hg. v. Degn, C., 1983; Wichert, G., Die Hexenprozesse in den österreichischen Alpenländern, der Schweiz und Bayern, 1984; Baumhauer, J., Johann Kruse und der neuzeitliche Hexenwahn, 1984; Häxornas Europa 1400-1700, hg. v. Ankarloo, B. u. a., 1987; Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Behringer, W., 4. A. 2000; Ginzburg, C., Hexensabbat, 1989; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Heinemann, E., Hexen und Hexenangst, 1989; Schormann, G., Der Krieg gegen die Hexen, 1991; Hexe oder Hausfrau, hg. v. Niederstätter, A. u. a., 1991; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992; Walz, R., Hexenglaube und magische Kommunikation im Dorf der frühen Neuzeit, 1993; Hexenverfolgung und Regionalge­schichte, hg. v. Wilbertz, G. u. a., 1994; Lam­brecht, K., Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse, 1995; Hexenglaube und Hexen­prozesse, hg. v. Franz, G. u.a, 1995; Das Ende der Hexenverfolgung, hg. v. Sönke, L. u. a., 1995; Das Hexenregister des Claudius Musiel, bearb. v. Voltmer, R. u. a., 1996; Oestmann, P., Hexen­prozesse am Reichskammergericht, 1997; Schild, W., Die Maleficia der Hexenleut`, 1997; Behringer, W., Hexenverfolgung in Bayern, 3. A. 1997; Biesel, E., Hexenjustiz, 1997; Tschaikner, M., Magie und Hexerei im südlichen Vorarlberg, 1997; Behringer, W., Hexen, 1998; Briggs, R., Die Hexenmacher, 1998; Gehm, B., Das Ende der Hexenverfolgung, ZRG GA 115 (1998), 566; Dillinger, J. u. a., Zum Feuer verdammt, 1998; Levack, P., Hexenjagd, 1999; Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung, hg. v. Franz, G u. a., 1998; Schmidt, J., Glaube und Skepsis, 2000; Schulte, R., Hexenmeister, 2000, 2. A. 2001; Himmlers Hexen­kartothek, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2000; Oestmann, P., Böse Nachbarn – gute Juristen?, ZNR 2001, 254; Kauertz, C., Wissenschaft und Hexenglaube, 2001; Schulte, R., Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, 2001; Hexenprozesse und Gerichtspraxis, hg. v. Eiden, H./Voltmer, R., 2002; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfol­gung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003; Levack, B., Hexenjagd, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen, 2003; Tschaikner, Manfred, Die Zauberer- und Hexenprozesse in der Stadt S(ank)t Gallen, 2003; Koppenburg, I., Hexen in Detmold, 2003; Zika, C., Exorcising our demons, 2003; Perlhefter, V., Die Gestalt des Hexenjägers, 2003; Schatzmann, N., Verdorrende Bäume und Brote wie Kuhfladen, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen – Aus den geheimen Akten der Inquisition, 2003; Decker, R., Hexen. Magie, Mythen und die Wahrheit, 2004; Wider alle Hexerei und Teufelswerk, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2004; Tschaikner, M., Hexenverfolgungen in Hohenems, 2004; Koppenborg, I., Hexen in Detmold, 2004; Behringer, W., Witches and Witch-Hunts, 2004; Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis, hg. v. Voltmer, R., 2005; Rau, K., Augsburger Kinderhexenprozesse 1618-1730, 2006; Roper, L., Hexenwahn, 2007; Rummel, W./Voltmer, R., Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, 2007; Moeller, K., Das Willkür über Recht ginge, 2007; Zagolla, R., Folter und Hexenprozess, 2007; Hexenprozess und Staatsbildung, hg. v. Dillinger, J. u. a., 2008

Hexenbulle ist die Bulle Papst Innozenz’ VIII. (1484-1492), mit der er die Verfolgung der → Hexen (durch Inquisition) fördert (Sum­­mis desiderantes affectibus vom 5. 12. 1484).

Hexenhammer (lat. malleus [M.] maleficarum) ist die erstmals 1486 bei Peter Drach in Speyer gedruckte, die → Hexenbulle kommentierende Anleitung zum Vorgehen gegen → Hexen von Heinrich Institoris (Kra­mer) (und Jakob Sprenger) (handschriftliche deutsche Fassung 1491 an Nürnberg über­sandt).

Lit.: Schmidt, J., Der Hexenhammer, Bd. 1ff. 1930; Malleus maleficarum 1487 (Hexenhammer), hg. v. Jerouschek, G., 1990; Malleus maleficarum, hg. v. Schnyder, A., 1991; Malleus maleficarum 1487 von Heinrich Kramer (Institoris), Neudruck hg. v. Jerouschek, G., 1992; Nürnberger Hexenhammer 1491, hg. v. Jerouschek, G., 1992; Schnyder, A., Malleus maleficarum von Heinrich Institoris, Kommentar, 1993; Kramer (Institoris), H., Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000; Henricus Insitoris/Jacob Sprenger, Malleus maleficarum, hg. v. Mackay, C., 2006

Hexenprozess → Hexe

Heymael (N.) (Hegemal) landesherrliches Gericht für Strafsachen

Lit.: Hermesdorf, B., Het Heymael, aantekeningen bij een oude dingrtaal uit het Amorland, 1950

Heymann, Ernst (Berlin 6. 4. 1870-Tübingen 2. 5. 1946) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau (Dahn) außerordentlicher Professor in Berlin und ordentlicher Professor in Königs­berg, Marburg und Berlin (1914). Kennzeich­nend für ihn sind die Annäherung der Rechts­geschichte an das geltende Recht und der viel­seitige Weitblick (Die Grundzüge des gesetz­lichen Verwandtenerbrechts, 1896, Überblick über das englische Recht, 1914, Die Rechts­formen der militärischen Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen deutschen Industrie­rechts, 1921).

Lit.: Festschrift Ernst Heymann, 1940 (mit Schriftenver­zeichnis); Mitteis, H., Nachruf auf Ernst Heymann, ZRG GA 65 (1947), IX

Hierarchie ist die stufenmäßig aufgebaute, auf Überordnung und Unterordnung beruhende Ordnung. Die H. wird schon im Altertum in der Kirche und im römischen Dominat entwickelt. Ihrer bedient sich der seit dem Spätmittelalter erwachsende Staat zur Gestaltung seiner Verwaltung.

Lit.: Köbler, DRG 55; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 103

Hildebrandslied ist das in einer lateinischen, aus Fulda stammenden Handschrift von zwei Händen des mittleren 9. Jh.s in 68 stab­reimenden Langzeilen aufgezeichnete einzige althochdeutsche Heldenlied.

Lit.: Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986

Hildesheim

Lit.: Gebauer, J., Geschichte der Stadt Hildesheim, Bd. 1f. 1922ff.; Klewitz, H., Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, 1932; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 151; Adamski, H., Der welfische Schutz über die Stadt Hildesheim, 1939; Quellen zur Hildesheimer Landesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, 1964; Lücke, J., Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969; Schwarz, B., Der Pfennigstreit in Hildesheim 1343, 1978; Die Hildesheimer Bischöfe von 815-1221, bearb. v. Goetting, H., 1984; Höhl, M., Die Pest in Hildesheim, 2002; Plath, C., Konfessionskampf und fremde Besatzung, 2005; Giese, M., Die Textfassungen der Lebensbeschreibung Bischof Bernwards von Hildesheim, 2006; Die Hildesheimer Bischöfe von 1221 bis 1398, bearb. v. Kruppa, N. u. a., 2006; Giese, M., Hildesheimer Bischofskataloge des 11. bis 16. Jahrhunderts, DA 62 (2007), 569

hinkend (Adj.) unvollkommen wirksam (lat. claudicans) z. B. Rechtsgeschäft eines Minderjährigen

Hinkmar von Reims (um 806-Epernay 21.? 12. 882), aus vornehmem fränkischem Geschlecht, wird nach der Schulung in St. Denis 854 Erzbischof von → Reims. Neben umfangreichen nichtrechtlichen Schriften und Stellungnahmen in einzelnen Rechtsfragen gibt er eine auf Adalhard von Corbie aufbauende Darstellung des Hofes des fränkischen Königs (lat. De ordine palatii, Von der Ordnung des Palastes).

Lit.: Schrörs, H., Hinkmar, 1884, Neudruck 1967; Hincmarus de ordine palatii, hg. v. Krause, V., 1894; Devisse, J., Hincmar, 1975f.; Hinkmar von Reims, De ordine palatii, hg. v. Gross, T. u. a., 1980; Stratmann, M., Hinkmar von Reims, 1991; Die Streitschriften Hinkmars von Reims und Hinkmars von Laon 869-871, hg. v. Schieffer, R. 2003; Schmitz, G., De presbiteris criminosis, 2004

Hinrichtung ist die Vollstreckung eines Todesurteils. Sie erfolgt im altrömischen Recht durch Enthauptung mit dem Beil, im klassi­schen römischen Recht durch Enthauptung mit dem Schwert. Nach Tacitus hängen die Germanen Volksverräter auf und versenken Unzüchtige im Moor. Seit dem Hochmittelalter finden sich zahlreiche verschiedene → Todesstrafen (Enthaupten, Hängen, Rädern, Verbrennen, Pfählen, Vierteilen, Lebendig­begraben, Ertränken).

Lit.: Feucht, D., Grube und Pfahl, 1967; Ruoff, W., Die Hauptgrube, ZRG GA 86 (1969), 198; Marschall, D., De laqueo rupto, 1968; Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), 1992; Martschukat, J., Die öffentliche Hinrichtung, Kriminolog. Journal 1995, 186; Seeger, A., Hinrichtungen, 1998

Hinschius, Paul (Berlin 25. 12. 1835-13. 12. 1898), protestantischer Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Keller) und Berlin (Richter) Professor in Halle (1863), Berlin (1865), Kiel (1868) und Berlin (1872) und Kirchenpolitiker. Unvollendet ist sein sechsbändiges Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland (1869ff.). Poli­tische Bedeutung hat seine Mitwirkung am → Kulturkampf (Personenstandsgesetz).

Lit.: Stutz, U., Die kirchliche Rechtsgeschichte, 1905

Hinterlegung (lat. [F.] → depositio) ist die im Rahmen eines Schuldverhältnisses er­folgende Übergabe einer hinterle­gungsfähigen Sache durch den Schuldner an die öffentliche Hinterlegungsstelle. Sie ist dem klassischen römischen Recht bekannt und wird seit dem Spätmittelalter (Köln 1288) mit dem römischen Recht zu Lasten der bloßen Preisgabe aufgenommen, erfolgt allerdings meist bei Ge­richt.

Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 215; Müller, P., Die Hinterlegung, Jh. Jb. 41 (1899), 411

Hintersasse ist der vom Grundherrn abhängige Mensch in der → Grundherrschaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102

Hippolithus a Lapide (Bogislaw Philipp [von] Chemnitz) (Stettin 9. 5. 1605-Hallstaad [Gut]/Vestmanland/Schweden 17. 5. 1678), lutherisch, wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Rostock und Jena (Dominicus Arumaeus) Soldat in den Niederlanden und in Schweden (1630-1637), 1644 Hofhistorio­graph Schwedens und veröffentlicht (zwi­schen 1640 und 1647 [um 1640?, um 1643?]) unter diesem Namen die (lat.) Dissertatio (F.) de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico (Erörterung über das Wesen des Staates in unserem römisch-deutschen Reich), in der er das Reich als Aristokratie der (souveränen) Stände erklärt und sich für die Stärkung des Reichstags unter Schwächung der Kurfürsten sowie die Ausgliederung Habsburgs aus dem Reich ausspricht.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 203

Hirdskra ist die zwischen 1274 und 1277 entstandene, unter König → Magnus Hakonar­son (1263-1281) aufgezeichnete norwegische Gefolgschaftsordnung, der eine vor 1200 entstandene, verlorene Vorgängerin vorausgeht. In 54 Kapiteln behandelt das vielleicht von einem Geistlichen verfasste Werk die Erbfolge und Wahl des Königs, die Eide der Amtsträger, die Hofämter, die Verteidigung, den Frieden usw.

Lit.: Das norwegische Gefolgschaftsrecht, hg. v. Meißner, R., 1938

Hirtenrecht ist das für Hirten in Spät­mittel­alter und Neuzeit geltende besondere Recht.

Lit.: Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schöller, R., Der gemeine Hirte, 1973

His, Rudolf (Basel 1870-Münster 1938), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Genf, Leipzig (Binding, Sohm), Berlin und Basel (Heusler) und der Habilitation in Heidelberg (1896, Schröder) Professor in Münster. Er verfasst in der Nachfolge der Systematik Heinrich Brunners eine grundlegende Strafrechtsgeschichte (Das → Strafrecht des deutschen Mittelalters 1920, 1935, vereinfachend Die Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967).

Lit.: Naendrup, H., Rudolf His, 1941

Historie (F.) Geschichte

Historiker (M.) Geschichtsforscher

Lit.: Historikerlexikon, hg. v. Bruch, R. vom/Müller, R., 2. A. 2002

Historikerstreit ist in Deutschland der von Jürgen Habermas 1985 ausgelöste, 1988 ohne greifbare wissenschaftliche Früchte versiegte Streit deutscher Historiker über die Bedeutung des Nationalsozialismus in Deutsch­land.

Lit.: Kailitz, F., Die politische Deutungskultur im Spiegel des „Historikerstreits“, 2001

Historische Rechtsschule ist die von Friedrich Carl von → Savigny (und Karl Friedrich Eichhorn) begründete Schule der geschichtlichen Rechtswissen­schaft. Für sie greift Savigny in einem objektiven, scheinbar gegen das ungeschicht­liche → Naturrecht (Vernunftrecht) gezielten Idealismus rechts­politisch die Freiheitsethik Immanuel → Kants (1724-1804) auf und bezieht Gustav → Hugos (1764-1844) methodische Forderungen nicht nur in seine frühen methodologischen Gedankengänge (1802) ein, sondern verwirklicht sie bereits im „Recht des Besitzes“ (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen, allgemeinen, absoluten, sys­tematisch-theoretischen) Durch­dringung des historischen (tatsächli­chen, positiven, konkre­ten, exegetisch-praktisch behandelten) Stoffes, um in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen den Besitzwillen als allgemeines, logisches, konstituierendes Ele­ment des Besitzrechts konstruktiv-sys­tematisch zu erarbeiten. In der historischen Rechtsschule sieht er das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Das Recht, das Vernunft und Ordnung in sich selbst birgt und damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihm entsprechend den Vorstellungen → Herders (1744-1803) ein aus dem Innersten der Nation selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der Gesamtkultur und muss mit dieser, gespeist von irrationalen Kräften, wachsen. Weil das Historische in der Juris­prudenz nicht mehr als zufällig, sondern als geschichtlich notwendig verstanden wird, hält er eine → Kodifikation wie das → Allgemeine Landrecht (1794), den → Code civil (1804) oder das → Allgemeine Bürgerliche Gesetz­buch 1811/1812 (zumin­dest in ihrem Entstehungszeitpunkt) für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich. Allerdings dient die als geschichtlich behauptete Betrachtungsweise Savigny im Ergebnis nur dazu, den insgesamt vor­handenen Rechtsstoff von dem zu reinigen, was nur historische Bedeutung hat und deshalb für die Gegenwart ausgeschieden werden kann. Schon seit seinen Landshuter Vorlesungen der Jahre 1808/1809 vertritt Savigny, ohne dies zu begründen, dabei die Ansicht, dass die Wanderungen und Re­volutionen der germa­nischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das über­nommene römische Recht das eigentümliche Recht sei (!). Der nach der damit begründeten Zurückweisung des älteren deutschen Rechts germanischer Herkunft und nach Ausscheiden der mittelalterlichen und neuzeitlichen Ent­stellungen des römischen Rechts verbleibende Stoff, nämlich das klassisch-römische Recht, ist im eigentlich von einer historischen Rechtsschule nicht zu erwartenden Wieder­aufgreifen naturrechtli­cher Begriffsbil­dung und naturrechtlicher Sys­tematik für Savigny der Gegenstand konstruktiv-systematischer, die tatsächliche ge­schichtliche Entwicklung bewusst als überflüs­sig abstreifender Durch­dringung (System des heutigen römischen Rechts, 1840ff.). Die h. R. teilt sich später in Romanisten (→ Savigny, → Puchta, → Windscheid) und Germanisten (→ Eichhorn, → Grimm, → Gierke). Ihre dogma­tisch-praktische Zielsetzung geht bald in der (unhistorischen) → Begriffsjurisprudenz auf.

Lit.: Köbler, DRG 187; Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Rexius, G., Studien zur Staatslehre der historischen Schule, HZ 107 (1911), 496; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Conrad, H., Aus der Entstehungszeit der historischen Rechtsschule – Friedrich Carl von Savigny und Jacob Grimm, ZRG GA 65 (1947), 261; Vischer, E., Barthold Georg Niebuhr und die Schweiz, Die Welt als Geschichte 16 (1956), 1; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Böckenförde, E., Die historische Rechtsschule und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechtes, FS J. Ritter, 1965, 9; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Scheuermann, R., Die Einflüsse der historischen Rechtsschule, 1972; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Klemann, B., Rudolf von Ihering und die historische Rechtsschule, 1989; Reimann, M., Historische Schule und Common Law, 1993; Bürge, A., Ausstrahlungen der historischen Rechtsschule in Frankreich, ZEuP 1997, 643; Gadomski, C., Die Rezeption der historischen Rechtsschule und der Pandektenwissenschaft in der italienischen Wissenschaft, Diss. jur. Frankfurt 2006; Lüderssen, K., Eichendorff und das Recht, 2007; Jouanjan, O., Philosophische Verwicklungen in der Rechtswissenschaft, ZRG GA 125 (2008), 367

Historischer Materialismus ist die von Karl → Marx als geschichtlicher Gesetzmäßigkeit unterliegend erklärte materialistische Ge­schichtsphilosophie.

historische Schule → historische Rechtsschule

Historismus ist (seit etwa 1850, verstärkt seit 1874 [Nietzsche]) die Betrachtung eines Geschehens unter dem Blickpunkt des Einmaligen und Besonderen, womit historische Vorgänge und Strukturen ihre Ver­gleichbarkeit und Wiederholbarkeit einbüßen.

Lit.: Wittkau, A., Historismus, 1992; Jaeger, F./Rüsen, J., Geschichte des Historismus, 1992; Geschichts­diskurs Bd. 3, hg. v. Küttler, W. u. a., 1996, Historismus, hg. v. Oexle, O. u. a., 1996; Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts, hg. v. Scholtz, G., 1997; Conte, D., Storicismo e storia universale, 2000; Historismus im 19. Jahrhundert, hg. v. Nordalm, J., 2006

Hitler, Adolf (Braunau 20. 4. 1889-Berlin 30. 4. 1945), Sohn eines unehelich geborenen Zollamtsoberoffizials (Alois Schicklgruber, [1876 wegen einer erwarteten Erbschaft Namensänderung in Hitler, † 1903, Halbwaisenrente für H.] und seiner Cousine zweiten Grades Klara Pölzl † 21. 12. 1907), wird (ohne Schulab­schluss [1905]) nach Aufenthalten in Wien (1907 gescheiterte Aufnahmeprüfung in Kunstakademie, 1908, 1909 zweiter gescheiterter Versuch der Aufnahme in die Kunstakademie, Wohnung in Obdachlosenasyl, 1910 in Männerwohn­heim, Maler von Sehenwürdigkeiten Wiens, Verkauf der Bilder durch jüdische Händler) und München (1913, auch zwecks Vermei­dung des Militärdiensts in Österreich, 5. 2. 1914 in Salzburg als waffenunfähig beurteilt) sowie freiwilliger Kriegsteilnahme (16. 8. 1914 16. Reserveinfanterieregiment Bayerns, eingesetzt als Meldegänger an der Westfront) mit trotz psy­chiatrischer Heilung von Er­blindung weiter­wirkender posttrauma­tischer Belas­tungs­stö­rung (1919) Ver­trauens­mann der Reichswehr (Propagan­dist zur politischen Aufklärung der zu entlas­senden Soldaten im Sinne der neuen Republik) und (19. 10. 1919) Mitglied (Nr. 55) der Deutschen Arbeiter
partei (Februar 1920 → Nationalso­zialistische Deutsche Arbeiterpar­tei, Juli 1921 Vorsit­zender [31. 3. 1920 aus Armee entlassen]). Nach einem gescheiterten Putsch (mit Erich Ludendorf 8. 11. 1923/9. 11. 1923) inhaftiert und wegen Hochverrats zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt, verfasst er in der Festung Landsberg die Rudolf Heß diktierte Programmschrift „Mein Kampf“ [20. 12. 1924 Entlassung]. 1925 gibt er die Staats­bürgerschaft Österreichs auf. Seit 1928/1929 gelingen ihm wachsende Wahlerfolge (14. 9. 1930 Steiegerung des Stimmanteils bvon 2,6 auf 18,3 Prozent). Im Februar 1932 erwirbt er die Staatsbürgerschaft des deutschen Reiches. Am 30. 1. 1933 ernennt ihn der Reichs­präsident als Führer der stärksten Reichstagsfraktion zum Reichskanzler des → Deutschen Reiches. Durch Überredung, Drohung und Gewalt wandelt H. die Republik in den totalitären Einparteienstaat eines diktatorischen Führers (→ Drittes Reich). Nach dem 2. 8. 1934 übernimmt er auch das Amt des verstorbenen Reichspräsidenten. Gestützt auf ein Bündnis mit Italien und Japan und einen taktisch motivierten Nicht­angriffspakt mit der Sowjetunion greift er am 1. 9. 1939 Polen an („wird zurückgeschos­sen“) und löst damit den zweiten Weltkrieg aus, in dessen Verlauf Hitlers Imperium am Ende des Jahres 1941 größer ist als die Vereinigten Staaten von Amerika, an dessen Ende aber nach seiner Selbsttötung (in Berlin am 30. 4. 1945) am 8. 5. 1945 die völlige Kapitulation des Deutschen Reiches steht. Das Recht gebraucht und missbraucht H. in vielfältiger Weise als Kampfinstrument zur Durchsetzung der Ideologie des → Nationalsozialismus.

Lit.: Köbler, DRG 222; Heuß, T., Hitlers Weg, 8. A. 1932, Neudruck 2008; Hitler, A., Mein Kampf, 17. A. 1933; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Hofmann, H., Der Hitlerputsch, 1961; Domarus, M., Hitlers Reden und Proklamationen, 2. A. 1965; Hoff­mann, P., Widerstand - Staatsstreich - Attentat, 1969; Franz-Willing, G., Ursprung der Hitlerbewegung 1919-1922, 2. A. 1974; Phillips, L., Adolf Hitler and the Third Reich, 1977; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 15. A. 2000; Jäckel, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Zitelmann, R., Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs, 2. A. 1998; Lang, J., Die Partei, 1989; Steinert, M., Hitler, 1994; Goldhagen, D., Hitlers willige Vollstrecker, 1996; Hamann, B., Hitlers Wien, 1996; Turner, H., Hitlers Weg zur Macht, 1996; Lukacs, J., Hitler, 1997; Pätzold, K./Weissbecker, M., Adolf Hitler, 1997; Der Hitler-Prozess, hg. v. Gruchmann, L., Bd. 1ff. 1997ff.; Large, D., Hitlers München, 1998; Kershaw, I., Hitler, Bd. 1ff. 1998ff.; Schmitz, H., Adolf Hitler, 1998; Mommsen, H., Alternative zu Hitler, 2000; NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2000; Kershaw, I., Hitler 1936-1945, 2000; Zehnpfennig, B., Hitlers „Mein Kampf“, 2000; Krockow, C. Graf v., Hitler und seine Deutschen, 2001; Gellately, R., Backing Hitler, 2001; Gritschneder, O., Der Hitler-Prozess und sein Richter Georg Neithardt, 2001; Rauscher, W., Hitler und Mussolini, 2001; Zürner, B., Adolf Hitler – Feldherr wider Willen?, 2001; Fest, J., Der Untergang – Hitler und das Ende des Dritten Reiches, 2002; Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Überschär, G., 2002; Reuth, R., Hitler, 2003; Koch-Hillebrecht, M., Hitler, 2003; Horstmann, B., Hitler in Pasewalk, 2004; Schwarz, B., Hitlers Museum, 2004; Thonke, C., Hitlers langer Schatten, 2004; Rietzler, R., Mensch Adolf, 2004; Seligmann, R., Die Deutschen und ihr Führer, 2004; Aly, G., Hitlers Volksstaat, 2005; Frank, M., Der Tod im Führerbunker, 2005; Schreckenberg, H., Hitler, 2006; Zehnpfennig, B., Hitlers Mein Kampf, 3. A. 2006; Plöckinger, O., Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers Mein Kampf, 2006; Grabner-Haider, A., Hitlers mythische Religion, 2008; Ryback, T., Hitler’s Private Library, 2008; Mazower, M., Hitlers Imperium, 2009; Haasis, H., Den Hitler jag ich in die Luft, 2009

Hobbes, Thomas (Westpool 5. 4. 1588-Hardwick Hall 4. 12. 1679) wird nach dem Philosophiestudium in Oxford Hauslehrer bei Baron Cavendish. In seinem Hauptwerk (lat.) Elementa (N.Pl.) philosophiae (Grundlagen der Philosophie) (Teil 3 [lat.] De cive [Vom Bürger], 1649, ähnlich Leviathan, 1651) erklärt er den Ursprung des Staates mit dem vom (bösen) Menschen zur Vermeidung des Kampfes aller gegen alle zugunsten des souveränen Herrschers geschlossenen → Gesellschaftsvertrag, als dessen Folge auf Grund der Autorität des Herrschers die menschlichen Gesetze die Naturgesetze ab­lösen.

Lit.: Tönnies, F., Thomas Hobbes, 3. A. 1925; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus, 1962; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; Mac­Pherson, C., Die politische Theorie des Besitz­individualismus, 1967; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Hobbes-Forschungen, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1969; Förster, W., Thomas Hobbes und der Puritanismus, 1969; Schelsky, H., Thomas Hobbes, 1981, Willms, T., Thomas Hobbes, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Thomas Hobbes und die englische Revolution, 1991; Ludwig, B., Die Wiederentdeckung des epikureischen Naturrechts, 1998; Hüning, D., Freiheit und Herrschaft, 1998; Kremkus, A., Die Strafe, 1999; Bredekamp, H., Thomas Hobbes, 2003; Hirsch, A., Recht auf Gewwalt?, 2004; Hobbes, T., Leviathan, 2. A. 2008

Hochadel → Adel

Hochgerichtsbarkeit ist seit dem Hochmittelalter die Gerichtsbarkeit über die mit der → Todesstrafe bedrohten Verbrechen (→ Totschlag, → Notzucht, → Diebstahl). Sie steht (auf Grund königlicher Verleihung) grundsätzlich dem → Landesherrn zu, der sie seit dem (lat.) → Statutum (N.) in favorem principum (1231/1232, Gesetz zugunsten der Fürsten) als eigenes Recht weiterverleihen kann. Demgegenüber wird die Niedergerichts­barkeit (→ Niedergericht) von niederen Gerichten ausgeübt.

Lit.: Fabricius, E., Das Hochgericht Rhaunen, 1901; Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000

Hochmeister → Deutscher Orden

Lit.: Stengel, E., Hochmeister und Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold, U., 1998

Hochmittelalter ist der mittlere Zeitabschnitt des Mittelalters, der von etwa 911 (bzw. 1000) bzw. 1076 bis (etwa 1250 bzw.) 1254 bzw. 1273 angesetzt werden kann.

Lit.: Köbler, DRG 93; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Goez, W., Gestalten des Hochmittelalters, 1983; Jakobs, H., Kirchenreform und Hochmittel­alter, 2. A. 1988; Haas, W., Welt im Wandel, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert (1125-1198), 2003

Hochstift ist das weltliche Herrschaftsgebiet eines geistlichen Reichsfürsten (und bei unscharfem Sprachgebrauch auch das zuge­hörige Bistum) (z. B. Minden, Münster, Osnabrück, Hildesheim, Würzburg, Bamberg, Straßburg, Augsburg, Freising, Passau, Regensburg, Brixen usw.) vom Hochmit­telalter bis zum Jahre 1803.

Lit.: Werminghoff, A., Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter, 2. A. 1913, 72; Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Wetter, I., Hochstifte als mittelalterliche Verkehrszen­tren, 2006 (Konstanz, Augsburg)

Hochschule s. Universität

Hochverrat ist seit dem frühen 18. Jh. (1703, möglicherweise kann auch bereits der Bauernaufstand von Untergrombach 1502 als früher Ansatzpunkt angesehen werden) ein neuer Ausdruck für das Majestätsver­brechen (lat. [N.] → crimen laesae maiestatis), das im Hochmittelalter den älteren Treuebruch verdrängt. H. soll im Kampf gegen den Absolutismus die Taten erfassen, die den inneren Bestand des Staates angreifen (im Gegensatz zum → Landesverrat und zum → Majestätsverbrechen). Nach → Feuerbach (1798) ist jeder Angriff auf den Staatsvertrag (bzw. die drei Staatsverträge) H. (z. B. Entziehung eines Gliedstaats, Angriff auf das Leben des Herrschers, Revolution), doch folgt dem die Rechtspraxis nicht. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch von 1871 bietet demgegenüber eine ausführliche Kasuistik.

Lit.: Söllner § 10; Baltzer, C., Die geschichtlichen Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter, 1966; Reimann, M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994; Böttger, M., Der Hochverrat, 1998; Widerstand als Hochverrat, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Hochver­rat?, hg. v. Lill, R., 1999; Richter, I., Hochverratspro­zesse als Herrschaftspraxis, 2001; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004

Hochzeit ist eine Bezeichnung für die Feier(lichkeiten) der → Eheschließung (13. Jh.). Hierfür schafft der Landesherr seit dem 15. Jh. besondere Hochzeitsordnungen. Sie verbieten übermäßigen Luxus (→ Luxusverbot).

Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Neumann, G., Hochzeitsbrauchtum in Westfalen, Westfalen 33 (1955), 212; Goldmann, E., Hochzeitsbräuche, Seelenreise, 1956; Leisching, P., Et teneat eam, Studia Gratiana 27 (1996), 311; Tisch und Bett, hg. v. Riis, T., 1998

Hof ist der zu einem Haus unmittelbar gehörige Platz, allgemeiner der landwirt­schaftliche Betrieb oder der Lebensbereich eines Adligen. Der landwirtschaftliche H. ist überwiegend Teil der → Grundherrschaft. Seit dem 19. Jh. wird für ihn teilweise ein besonderes → Hofrecht geschaffen. Für den adeligen H. entstehen schon früh eigene Hofrechte, besondere Hofämter, später auch Hoftage, Hofgerichte, Hofräte und Hof­ordnungen. In Bayern-Landshut besteht das spätmittelalterliche Hofgesinde aus 150 vergüteten Mitgliedern. Im ernestinischen Sachsen umfasst der Hof 1531 etwa 500 Menschen.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 35f.; Kroeschell, DRG 1, 83, 112; Köbler, WAS; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Härle, P., Die zwölf Abteimaierhöfe des Stiftes Buchau, 1937; Hartmann, K., Haus Rhade op de Volme, 1938; Haff, K., Hofübergabe und Ältestenrecht, ZRG GA 62 (1942), 377; Elsener, F., Der Hof Benken, 1953; Ohe, J. v. d., Die Zentral- und Hofverwaltung des Fürstentums Lüneburg, 1955; Herold, E., Hofdienst und Hofschutz, Diss. jur. München 1956; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958; Kruedener, J. Frhr. v., Die Rolle des Hofes im Absolutismus, 1973; Hollegger, M., Maximilian und die Entwicklung der Zentralverwaltung am Hof, 1983; Bumke, J., Höfische Kultur, 1986; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlaments­praxis, 1989, 3; Alltag bei Hofe, hg. v. Paravicini, W., 1995; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Hillen, C., Curia regis, 1999; Höfe und Höfeordnungen 1200-1600, hg. v. Kruse, H. u. a., 1999; Bahl, P., Der Hof des Großen Kurfürsten, 2000; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Hofkultur und aufklärerische Reformen in Thüringen, hg. v. Ventzke, M., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Höfe und Resi­denzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Weise, W., Der Hof der Kölner Erzbischöfe in der Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas, 2004; Nolte, C., Familie, Hof und Herrschaft, 2004; Fürstenhöfe und ihre Außenwelt, hg. v. Zotz, T., 2004; Dvory a rezidence ver středovĕku, 2006; Hofkultur in Frankreich und in Europa im Spätmittelalter, hg. v. Freigang, C. u. a., 2005; Kaiserhof – Papsthof (16. – 18. Jh.), hg. v. Bösel, R. u. a., 2006; Die Hofge­schichtsschreibung im mittelalterlichen Europa, hg. v. Schieffer, R. u. a., 2006; Biersack, I., Die Hofhaltung der reichen Herzöge von Bayern-Landshut, 2006; Spieß, Karl-Heinz, Fürsten und Höfe im Mittelalter, 2008

Hofamt ist hauptsächlich das Amt der Verwaltung eines herrschaftlichen (fürstlichen, königlichen) → Hofes. Bereits zum spätrömischen → Kaiser gehört eine na­he­zu aus dem Nichts geschaffene umfangreiche Zentral­verwaltung in Rom mit zahlreichen hierarchisch geprägten Ämtern. Wohl im Anschluss hieran folgt auch dem frühmittelalterlichen → König ein Hof mit hauptsächlich Seneschall bzw. Truchsess, Marschall, Schenk, Kämmerer und Kanzler als Trägern von Ämtern, die dem hohen Adel zugeteilt, später aber von Dienstleuten tatsächlich ausgeübt werden. Der königliche Hof bildet sich bis zum Ende des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) immer vielseitiger aus und gibt das Vorbild für die Hofämter an den einzelnen Fürstenhöfen ab.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29; Kroeschell, DRG 1, 2; Baltl/Kocher; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Bosl, K., Die Reichsminis­terialität der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f.; Klafki, E., Die kurpfälzischen Erbhofämter, 1966; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989); Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Hof und Theorie, hg. v. Butz, R. u. a., 2004; Keller, K., Hofdamen, 2005

Höfeordnung ist das am 24. 4. 1947 für die → britische Zone des Deutschen Reiches erlassene Gesetz, das für landwirtschaftliche Höfe teilweise besondere Rechtsregeln (Sonder­erbfolge) schafft und am 26. 7. 1976 abgeändert wird.

Lit.: Kannewurf, T., Die Höfeordnung vom 24. April 1947, 2004

Hofer, Andreas (Sankt Leonhard 22. 11. 1767-Mantua 20. 2. 1810), Gastwirt und Tiroler Freiheitskämpfer gegen die Besetzung → Tirols durch → Bayern und → Frankreich (1809), nach anfänglichen Erfolgen verraten und hingerichtet

Höferecht ist das seit der Mitte des 19. Jh.s in Anknüpfung an das ältere → Anerbenrecht gesetzlich geschaffene besondere Erbrecht für bestimmte landwirtschaftliche Höfe (preußische Provinz Hannover 1874 und 10 weitere deutsche Bundesstaaten [Reichs­länder] bis 1930, Reicherbhofgesetz 1933, Höfeord­nung der britischen Besatzungszone 1947, Höfeordnung von Rheinland-Pfalz 1953). 1963 erklärt das deut­sche Bundesverfassungs­gericht den Vorzug von Männern vor Frauen im H. für verfassungswidrig. Für die nicht vom be­sonderen H. erfassten Höfe gilt das Grundstückverkehrsgesetz.

Lit.: Gersbach, A., Das Agrar- und Höferecht der Grafschaft Hauenstein, 1948; Bischof, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Dehne, F., Vom Hof zum Betrieb, 1966; Tykwer, F., Hofnachfolge in Westfalen-Lippe, 1997; Fastenmayer, B., Hofübergabe als Altersver­sor­gung, 2009

Hoffahrt ist das Erscheinen am adligen Hof, insbesondere die Teilnahme am Hoftag. Die H. gründet sich im Laufe des Mittelalters mehr und mehr auf das Lehnsrecht. Vielfach wird sie von einer anfänglichen Pflicht zu einem Recht auf Teilnahme am Hoftag.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972

Hofgericht ist einerseits das am grundherrschaftlichen Fronhof eingerichtete Gericht eines → Grundherrn über seine Hinter­sassen und andererseits das am fürstlichen Hof gebildete Gericht des Herrschers, aus dem der Fürst selbst spätestens im 15./16. Jh. ausscheidet. Das königliche H. (Reichshof­gericht) kennt seit 1235 neben dem König einen besonderen Hofrichter, hat als Urteiler neben den Fürsten auch Juristen, überliefert etwa 2000 Urkunden, verliert aber durch die den Landesherren erteilten Nichtevokations­privilegien an Bedeutung (Achtregister 1290, 1346, 1353, Ladungs­register 1396, Hofge­richtsregister 1409) und wird 1451 durch das Kammergericht ersetzt. Das H. in Rottweil ist ein seit 1273 von den Königen vielfach bevorrechtigtes Landgericht, dessen Vorsitz ein Hofrichter als Stellvertreter des Königs innehat.

Lit.: Köbler, DRG 114, 115; Franklin, O., Das Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff.; Kohler, J., Das Verfahren des Hofgerichts Rottweil, 1904; Böker, H., Hofgerichtsbarkeit und Hofgerichte im Vest Recklinghausen, Diss. jur. Bonn 1957; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts, 1969; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Wohlgemuth, H., Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts 1273-1378, 1973; Battenberg, F., Die Hofgerichtssiegel, 1979; Heitzenröder, W., Ein Prozess gegen Stift und Stadt Fulda, ZRG GA 100 (1983), 267; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Frey, S., Das württembergische Hofgericht (1460-1618), 1989; Wernli, M., Das kaiserliche Hofge­richt in Zürich, 1991; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396; Hofgericht, Bd. 8, hg. v. Diestelkamp B., bearb. v. Neumann, R., 1996; Battenberg, F., Die königlichen Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert (in) Deutscher Königshof, hg. v. Moraw, P., 2002, 239

Hofgerichtsordnung ist die Ordnung der Verfassung und des Verfahrens eines → Hofgerichts. Für das königliche Hofgericht gibt es einen Entwurf einer H. von 1409. Landesherrliche Hofgerichtsordnungen erschei­nen später (z. B. Pfalz 1462, verloren).

Lit.: Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967

Hofkammer ist die 1498 für die Finanzverwaltung des Heiligen römischen Reiches und der österreichischen Erbländer geschaffene, 1527 von Ferdinand I. re­organisierte Behörde, die von 1749 bis 1761 mit der inneren Verwaltung im Directorium, von 1782 bis 1791 in der vereinigten Hof­stelle, von 1792 bis 1797 im Directorium und von 1801 bis 1802 in der vereinigten Hofstelle zusammengelegt und (in Österreich) 1848 in das Finanzministerium umgewandelt wird.

Lit.: Körbl, H., Die Hofkammer und ihr ungetreuer Prä­si­dent, 2009

Hofkanzlei ist die Kanzlei des fürstlichen Hofes. Die österreichische H. wird an der Wende vom 16. zum 17. Jh. von der Reichskanzlei getrennt.

Lit.: Köbler, DRG 150; Baltl/Kocher

Hofkapelle

Lit.: Görlitz, S., Beiträge zur Geschichte der königlichen Hofkapelle, 1936; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad III., 1956

Hofmark

Lit.: Kellner, S., Die Hofmarken Jettenbach und Aschau in der frühen Neuzeit. Studien zur Beziehung zwischen Herrschaft und Untertanen in Altbayern am Beispiel eines adeligen Herrschaftsbereiches, 1986

Hofmeister ist seit dem Spätmittelalter (2. H. 13. Jh.) ein führender Verwaltungsbeamter des fürstlichen Hofes, der statt des Fürsten dem Hofrat vorsitzen kann.

Lit.: Seeliger, G., Das deutsche Hofmeisteramt, 1885

Hofnarr ist der nach antiken und orientalischen Vorbildern vom Hochmittel­alter bis ins 17. Jh. (Frankreich) oder 18. Jh. (Heiliges römisches Reich [deutscher Nation]) als Unterhalter an Fürstenhöfen tätige Narr (oft Zwerg oder Krüppel).

Lit.: Amelunxen, C., Rechtsgeschichte der Hofnarren, 1991

Hofpfalzgraf ist der Träger eines in Italien seit dem frühen Hochmittelalter entstandenen Amtes zur Vertretung des Kaisers in bestimmten Angelegenheiten (z. B. Legitima­tion unehelich Geborener, Bestätigung von Vormundschaften, Ernennung von Notaren, Verleihung von Adel). Seit der Mitte des 14. Jh.s nehmen die Zahl der Hofpfalzgrafen und der Umfang ihrer Rechte zu. Im 18. Jh. verfällt das mit dem 6. 8. 1806 ganz erloschene Amt zusehends.

Lit.: Jecklin, F., Die Hofpfalzgrafen in der Schweiz, 1890; Dobler, E., Das kaiserliche Hofpfalzgrafenamt und der Briefadel im alten Deutschen Reich, 1950; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Heroldsausschuss, 1953ff.; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Herold, bearb. v. Arndt, J., Bd. 1 1964

Hofrat ist das zunächst aus dem → Adel gebildete, unscharf umgrenzte, ständige Beratergremium eines Fürsten. Unter Kaiser Friedrich III. (1452-1493) umfasst er 283 weltliche und 150 geistliche Berater, von denen 235 aus den Erblanden und 198 aus dem außererbländischen Binnenreich ein­schließlich Tirols stammen. Der H. wird seit dem Ende des 15. Jh.s zur zentralen kollegialen Behörde der Landesverwaltung. Zunehmend finden gelehrte → Juristen Auf­nahme. Statt des Fürsten sitzt ihm später der Kanzler oder → Hofmeister vor. Vielfach verlegt sich das Schwergewicht der Tätigkeit auf die Rechtsprechung.

Lit.: Köbler, DRG 113, 114; Erdmann, K., Der jülich-bergische Hofrat, Düsseldorfer Jb. 41 (1939), 1; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Heydenreuter, R., Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von Bayern, 1981; Buhlmann, G., Der kurkölnische Hofrat, 1998; Recht und Verfasung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998

Hofrecht ist seit dem Hochmittelalter das besondere Recht eines grundherrschaftlichen Verbands (Worms 1023/1025, Limburg 1035). Später geht das H. in dem → Dorfrecht auf.

Lit.: Köbler, DRG 101, 105; Lohmeyer, K., Das Hofrecht und Hofgericht des Hofes zu Loen, 1906; Arnold, H., Das Hofrecht und die Hofgerichte (Hobsgerichte) in Mülheim an der Ruhr, Diss. jur. Bonn 1955; Schulte-Beckhausen, K., Hofrecht und Hofgerichtsbarkeit in Gelsenkirchen, Diss. jur. Bonn 1958; Fricke, E., Das Recht und Gericht des Stilkinger Lehnsverbandes, Diss. jur. Bonn 1958; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Spieß, P., Das Limburger Hofrecht, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 468

Hofrichter ist der Richter des Hofgerichts (zwischen 1235 und 1451 im Heiligen römischen Reich 40 durchweg adelige, ungelehrte H. und 76 Hofgerichtsstatthalter bekannt).

Lit.: Battenberg, F., Die königlichen Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert, (in) Deutscher Königshof, hg. v. Moraw, P., 2002, 239

Hoftag ist der vom Herrscher in seinem Reich abgehaltene Tag, welcher der Verwirklichung seiner Herrschaft dient. Im Heiligen römischen Reich ist er (bis 1470/1480?) Vorläufer des Reichstags. → Hof

Lit.: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Annas, C., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004

hohe Gerichtsbarkeit → Hochgerichtsbar­keit

Hoheitsgewalt ist die Befugnis des Staates, einseitig rechtlich verbindliche Anordnungen zu erlassen. Sie entsteht aus der frühmittelalterlichen Banngewalt und zu­nächst vereinzelten Hoheitsrechten des Landesherrn mit der seit dem Spätmittelalter einsetzenden Verdichtung. Seit dem 18. Jh. spricht man von Landeshoheit. Sie wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen.

Lit.: Köbler, DRG 149; Leitges, K., Die Entwicklung des Hoheitsbegriffes, 1998

Hohenberg

Lit.: Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsge­schichte der Grafschaft Hohenberg, bearb. v. Müller, K., Bd. 1f. 1953ff.

Hohenlohe

Lit.: Ganzhorn, G., Die Entstehung und die Quellen des hohenlohischen Landrechtes aus dem Jahre 1738, Diss. jur. Tübingen 1955; Ulshöfer, F., Die hohenlohischen Hausverträge, Diss. jur. Tübingen 1960; Steinle, P., Die Vermögensverhältnisse der Landbevölkerung in Hohenlohe im 17. und 18. Jahrhundert, 1971; Weber, H., Die Fürsten von Hohenlohe im Vormärz, 1977; Magen, F., Reichsgräfliche Politik in Franken, 1975; Hohenlohische Dorfordnungen, bearb. v. Schumm, K. u. a., 1985

Hohenstaufen → Staufer

Hohenzollern ist die nach der Burg Zollern bzw. H. in Schwaben (seit 1350) benannte gräfliche Familie, deren Stammgut 1849 an den 1411/1415/1417 als Markgrafen nach Brandenburg gelangten Zweig der zugehörigen Familie (1648 → Preußen) zu­rück­fällt. Das Gebiet geht 1945/1951 im Zuge der Aufteilung Preußens in Baden-Württemberg auf. In Preußen nennt sich die Familie seit 1701 König. Im Deutschen Reich stellt sie von 1871 bis 1918 den Kaiser.

Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk (1415-1915), 1915, Neudruck 1980; Eisele, K., Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern, 1956; Ulshöfer, W., Das Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969; Kirchherr, R., Die Verfassung des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen vom Jahre 1833, 1979; Sauer, P., Napoleons Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern, 1987; Herm, G., Der Aufstieg des Hauses Hohenzollern, 1995; Stamm-Kuhlmann, T., Die Hohenzollern, 1995; Neugebauer, W., Die Hohenzol­lern, Bd. 1f. 1996ff.; Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004

Höhere Gewalt ist die vom Menschen nicht abwendbare Gewalt. Diese befreit den Schuldner schon im römischen Recht in bestimmten Fällen vom → Schadensersatz. In spätklassischer Zeit spricht man zusammenfassend von (lat.) → vis (F.) maior (vis cui resisti non potest, Gewalt der nicht widerstanden werden kann). Diese wird im Hochmittelalter im Reich aufgenommen. Sie verbindet sich mit dem Begriff der → echten Not, in der eine Fristversäumnis (mit höherer Gewalt) entschul­digt wird.

Lit.: Kaser § 36 III; Hübner 563, 583; Exner, A., Der Begriff der höheren Gewalt, 1883, Neudruck 2007; Doll, A., Von der vis maior zur höheren Gewalt, 1989

Holdsworth, William Searle (Elmers End 7. 5. 1871-Oxford 2. 1. 1944), Rechtsan­waltssohn, wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Oxford und London 1897 Professor in Oxford. Mit seiner sechsbändigen History of English Law verfasst er ohne eigene Quellenstudien eine umfassende, die Grund­lagen einbeziehende Darstellung des englischen Rechts von den Anfängen bis zur Gegenwart.

Lit.: Lawson, F., The Oxford Law School 1850-1965, 1968

Holland ist die seit dem 10. Jh. im Gebiet der Maasmündung bezeugte Grafschaft, die über Burgund (1433) und Habsburg (1477) 1579 in die Vereinigte Republik (1815 Königreich) der → Niederlande gelangt. Durch Ver­ordnung vom 13. 8. 1428 wird der Rat von Holland und Seeland als oberste Gerichtsbehörde und Verwaltungsbehörde eingesetzt und später vom Hof von Holland fortgesetzt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; De oudste Rechten der stad Dordrecht, hg. v. Fruin, J., 1882; Memorialen van het Hof (den Raad) van Holland, Zeeland en West-Friesland van den secretaris Jan Rosa, hg. v. Blécourt, A. u. a., 1929; Jansma, T., Raad en Rekenkamer in Holland en Zeeland, 1932; Uit de practijk van het hof van Holland, hg. v. Apeldoorn, L. van, 1938; Oorkondenboek van Holland en Zeeland tot 1299, Bd. 1f. hg. v. Koch, A. u. a., 1970ff.; Lingbeek-Schalekamp, C., Overheid en Muziek in Holland tot 1672, 1984; Das römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Price, L., Holland, 1994; Israel, J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318; Le Bailly, M. u. a., Hoge raad van Holland, 2006; Le Bailly, M., Hof van Holland, Zeeland en West-Friesland, 2008

Holmgangr ist der altnordische Zweikampf, der bereits um 1000 in Island (1004?) und Norwegen (um 1012) abgeschafft wird.

Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911

Holocaust → Endlösung

Lit.: Benz, W., Der Holocaust, 5. A. 2003; Finkelstein, N., The Holocaust Industry, 2000; Benz, W., Lexikon des Holocaust, 2002; Die Täter der Shoa, hg. v. Paul, G., 2002; Berg, N., Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, 2003; Tent, J., In the Shadow of the Holocaust, 2003; Mayer, E., Verfälschte Vergangenheit, 2003; Browning, C., Die Entfesselung der Endlösung, 2003; Freyhofer, H., The Nuremberg Medical Trial, 2004; Longerich, P., Davon haben wir nichts gewusst, 2006; Tent, J., Im Schatten des Holocaust, 2007; Dörner, B., Die Deutschen und der Holocaust, 2007

holograph, holographisch (Adj.) ganz eigenhändig geschrieben (z. B. Testament)

Holschuld ist die Schuld, bei welcher der Handlungsort des Schuldners der Ort des Wohnsitzes des Schuldners ist. Im älteren Recht ist die Schuld grundsätzlich H. Im Mittelalter werden viele Schulden zu Bring­schulden. Nach dem preußischen Allge­meinen Landrecht (1794) ist die Schuld im Zweifel Bringschuld, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) H.

Lit.: Hübner 556; Baltl/Kocher; Leonhard, F., Erfüllungsort und Schuldort, 1907

Holstein ist der um 800 erscheinende Name des nördlichen Stammesgebietes der Sachsen („Holzsassen“). 1110/1111 werden die von Schauenburg Grafen von H. Seit 1375/1386 sind H. und → Schleswig in fester staatsrechtlicher Verbindung, doch gelangt Schleswig erst 1865 unter die Herrschaft des Deutschen Bundes.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das älteste Urteilsbuch des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Kuhn, H., Zur Geschichte der Volksgerichte in Holstein, 1926

Holzding oder Holzgericht ist im Mittelalter in Norddeutschland das besondere Nieder­gericht in Waldnutzungsangelegenheiten. Es schwindet seit der frühen Neuzeit unter landesherrlichem Einfluss und geht spätestens 1877/1879 gänzlich unter.

Lit.: Timm, A., Die Waldnutzung, 1960

Homagium (lat. [N.]) ist im Mittelalter die förmliche Ergebung des Lehnsmannes in die Gewalt des Lehnsherrn (Handgang). Das h. geht im Spätmittelalter im Lehnseid auf.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 27; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1970, 259

homagium (N.) pacis (mlat.) → Huldigung (des Lehnsmannes)

Homeyer, Carl Gustav (Wolgast 13. 8. 1795-Berlin 20. 10. 1874) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny, Eichhorn), Göttingen (Hugo) und Heidelberg (Thibaut) 1824 außerordentlicher Professor und 1827 ordentlicher Professor in Berlin. Seit 1827 veröffentlicht H. kritisch mittelalterliche Rechtsbücher und stellt die Handschriften über­sichtlich zusammen (Des Sachsenspiegels erster Theil, oder das Sächsische Landrecht, 1827, 2. A. 1835, 3. A. 1861, Des Sachsenspiegels zweiter Theil, Bd. 1 1842, Bd. 2 1844, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, 1836).

Lit.: Verzeichnis deutscher Rechtsbücher des Mittelalters und ihrer Handschriften (1836), 1856; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 2 1931, 433; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990ff.,

Hommel, Karl Ferdinand (Leipzig 6. 1. 1722-16. 5. 1781), Rechtsprofessorensohn, wird 1756 Professor in Leipzig und wirkt, beeinflusst von → Thomasius und → Bec­caria, auf der Grund­lage des Determinismus zugunsten der → Auf­klärung im Strafrecht („Joch, A. v.“, Von Verbrechen und Strafe nach türkischen Gesetzen, 1770, Neudruck 1970).

Lit.: Rosenbauer, A., Carl Ferdinand Hommel, Diss. jur. Berlin 1907; Zahn, K. v., Karl Ferdinand Hommel als Strafrechtsphilosoph und Strafrechtslehrer, 1911; Hommel, K., Über Belohnung und Strafe nach türkischen Gesetzen, 2. A. 1772, Neudruck, hg. v. Holzhauer, H. 1970; Polley, R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Hommel, Karl Ferdinand, Principis cura leges, übers. v. Polley, R., 1975

homo (lat. [M.]) Mensch, Sklave

homo (M.) ecclesiae (lat.) (unfreier) Mann der Kirche

Homo (M.) ligius (lat.), Ledigmann, ist im mittelalterlichen Recht (seit dem 10. Jh.?) der eng an den Lehnsherrn gebundene Lehnsmann.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 434; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983

Homosexualität (Bezeichnung Karl Kertbeny1869) ist die geschlecht­liche Beziehung zu einem Menschen gleichen Ge­schlechts, insbesondere zwischen Män­nern. Sie ist dem griechischen Altertum vertraut. Das Judentum, die Römer und das Christentum lehnen die H. ab. Der Codex Theodosianus (Konstitution von 390) bedroht H. mit der Verbrennung. Nach Tacitus wird bei den Germanen der Unzüchtige im Moor versenkt. Das Mittelalter sieht die H. als Sünde. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) bedroht H. unter beiden Geschlechtern in Überein­stimmung mit dem gemeinen Recht mit dem Feuertod. Dagegen stellt der Code civil (1804) nur bestimmte Gestaltungen unter Strafe. In manchen deutschen Ländern ist H. unter Männern nicht strafbar, bis sie § 175 StGB (1871) mit einer Strafandrohung versieht. In Deutschland wird 1969 (nach rund 140000 Verurteilungen), in Österreich 1971 die homosexuelle Betätigung Erwach­sener straflos. 1973 erfolgt eine weitere Reform, nach der nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar sind, während  das Schutzalter bei lesbischen und heterose­xuellen Beziehungen bei 14 Jahren liegt. Durch Gesetz vom 31. 5. 1994 wird § 175 StGB auf Grund liberaler Überlegungen zum 11. 6. 1994 aufgehoben.

Lit.: Köbler, DRG 264; Kuster, H., Over Homoseksualiteit, Diss. Utrecht 1977; Sexual Practices, hg. v. Bullough, V. u. a., 1982; Boowell, J., Christianity, Social Tolerance and Homosexuality, 1980; Stümke, H., Homosexuelle in Deutschland, 1989; Jellonek, B., Homosexuelle unterm Hakenkreuz, 1990; Hundert Jahre schwul, hg. v. Kraushaar, E., 1997; Sommer, K., Die Strafbarkeit der Homosexuali­tät, 1998; Hergemöller, B., Mann für Mann, 1998; Lutterbach, H., Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, HZ 267 (1998), 282; Hergemöller, B., Einführung in die Historiographie der Homosexualität, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Bastian, T., Homosexuelle im Dritten Reich, 2000; National­sozialistischer Terror gegen Homosexuelle, hg. v. Jellonek, B. u. a., 2002; Müller, J., Ausgrenzung der Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft, 2003

honorarium (lat. [N.]) Ehrengabe als (freiwilliges) Entgelt für höhere Dienste im römischen Recht

Höpfner, Ludwig Julius Friedrich (Gießen 3. 11. 1743-29. 12. 1797) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen Erzieher und 1767 Professor der Rechte in Kassel, 1771 ordentlicher Professor in Gießen. In seiner Zeit gilt er als der bedeutendste Zivilist. Seine Hauptwerke sind das Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaften und Völker und der Theoretisch-practische Kommentar über die Heineccischen Institutionen. Unter dem Einfluss des Naturrechts fördert H. die Be­griffe der Verbindlichkeit, der Willens­erklärung und des Eigentums, ohne dem Naturrecht den Rang einer das geltende Recht verdrängenden Rechtsquelle einzuräumen.

Lit.: Söllner, A., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, FS W. Mallmann 1978, 281; Plohmann, M., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, 1992

Horborch, Wilhelm (Hamburg 1320-81), Ratsherrnsohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechts in Avignon (1362) und Bologna (1367) Professor in Prag (1372). Als Richter an der (lat.) → Rota (F.) Romana veröffentlicht er (1376-1381) eine Sammlung von Entscheidungen.

Lit.: Pfaff, I., Zur Geschichte des Kanonisten Wilhelm Horborch, ZRG KA 13 (1924), 513; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungs­sammlungen der Rota, ZRG KA 58 (1972)

Hörensagen ist das Hören der Erzählung eines anderen. Im Hochmittelalter stellt das kirchliche Recht den Grundsatz des Verbotes des Aussagezeugnisses vom bloßen H. auf. Er wird seit dem Spätmittelalter in Deutschland aufgenommen und behauptet sich bis zur Einführung der Zivilprozessordnung 1877/­1879.

Lit.: Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960, 59

Höriger ist im mittelalterlichen und neu­zeitlichen deutschen Recht der grund­herrschaftlich abhängige, dem → Grundherrn in gewisser Weise gehörige Mensch. Der Aus­druck erscheint seit dem 14. Jh. in Norddeutschland. Seit dem späten 18. Jh. wird er wissenschaftlich verallgemeinert. → Hinter­sasse

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kindlinger, N., Geschichte der deutschen Hörigkeit, 1819; Perrin, C., Le servage, 1955; Bloch, M., Slavery and Serfdom, 1975; Banzhaf, M., Unterschichten in bayerischen Rechtsquellen des 8. bis 11. Jahrhunderts, 1991

Horten, Johann Bernhard (1735-1786) → Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

Hospital → Spital

Hostiensis (Heinrich von Segusia) (Susa vor 1200-Lyon 1270) wird nach dem Rechts­studium in Bologna (Jacobus Balduini) seit 1236/1239 Lehrer des kirchlichen Rechts in Paris und nach einem Englandaufenthalt 1244 Bischof von Sisteron, 1250 Erzbischof von Embrun sowie 1262 Kardinalerzbischof von Ostia. Seit 1239 erarbeitet er die bedeutsamste Titelsumme zum (lat.) → Liber (M.) extra (Summa super titulos decretalium, Summe über die Titel der Dekretalen, 2. A. um 1253 Summa aurea, Goldene Summe). 1270/1271 gibt er einen Kommentar zum Liber extra zur Veröffentlichung frei ([lat.] Commentum [N.] super decretalibus, Kommentar über die Dekretalen). Infolge der weiten Verbreitung seiner Werke beeinflusst H. die Aufnahme der gelehrten Rechte in vielen Teilen Europas.

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 16; Rivera Damas, A., Pensamiento politico di Hostiensis, 1964

Hotman (Hotomannus), François (Franciscus) (1524-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans Anwalt in Paris, Lateinlehrer in Genf und 1556 Rechtsprofessor in Straßburg, 1563 in Va­lence, 1566 in Bourges, 1572-1578 in Genf. Verschiedenen humanistisch-textkritischen Ar­beiten folgt der 1603 posthum erschienene Antitribonianus, in dem H. die Anwend­barkeit des römischen (lat.) → corpus (N.) iuris civilis verneint und eigenständige Gesetzbücher vorschlägt.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Vogel, W., Franz Hotman, 1960; Kelley, D., François Hotman, 1973

House of Commons (Unterhaus) ist im → englischen Recht die im 13. Jh. (unter der Wirkung Simon de Montforts 1265/1297) zur Versammlung der großen Lehnsleute des Königs (→ House of Lords) hinzutretende Versammlung von (74, um 1600 92) Rittern und (um 1600 417) Vertretern von Städten (Bürgern) (und der vier Universitäten). Sie entwickelt sich aus bescheidenen Anfängen in Jahrhunderten zum entscheidenden politi­schen Organ → Englands.

Lit.: The English Parliament, hg. v. Davies, R. u. a., 1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

House of Lords (Oberhaus) ist im → englischen Recht die im Laufe des 13. Jh.s aus dem Königshof hervorgegangene Versamm­lung der großen Lehnsleute des Königs, zu der 1265/97 das → House of Com­mons hinzutritt. Es umfasst (1998) 635 Angehörige des Erbadels, 26 anglikanische Bischöfe und 505 auf Lebenszeit ernannte Lords oder Ladies, seit 1999 92 ausgewählte Mitglieder des Erbadels, die wenigen Lordrichter, zwei Erzbischöfe, 24 Bischöfe und im Übrigen auf Lebenszeit ernannte Lords und Ladies.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Hoyer von Falkenstein, Graf, ist der Herr → Eike von Repgows, der die Übersetzung des → Sachsenspiegels (1221-1224) aus dem Lateinischen in das Mittelniederdeutsche bewirkt haben soll.

Hube, Romuald von (1803-1890) wird nach dem Rechtsstudium in Warschau (1818-1821) und Berlin Professor in Warschau (1829-1832) und Sankt Petersburg (1841-1845) sowie Verfasser des Strafgesetzbuchs Russlands (1845) und Polens (1847).

Lit.: Vetulani, A., Dzieje historii prawa w Polsce, 1948

Huber, Ernst Rudolf (1903-1990) wird nach dem Rechtsstudium in Bonn (Carl → Schmitt) Professor in Kiel (1933), Leipzig (1937), Straßburg (1941-1944), 1957 Hoch­schule Wilhelmshaven und Göttingen (1962-1968). Sein Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches (1937/1939) will den Führerstaat in rechtliche Form bringen, seine spätere achtbändige deutsche → Verfassungs­geschichte seit 1789 (1957ff.) die Geschichte des Staates als der maßgeblichen Ordnungseinheit darlegen.

Lit.: Simon, W. v., Ernst Rudolf Huber, NJW 1991, 893; Walkenhaus, R., Konservatives Staatsdenken, 1997; Jürgens, M., Staat und Reich bei Ernst Rudolf Huber, 2005

Huber, Eugen (Stammheim 13. 7. 1849-Bern 23. 4. 1923) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich Redakteur, Richter und 1881 außer­ordentlicher Professor in Basel, 1882 ordentlicher Professor in Basel, Halle (1888) und Bern (1892). Von 1884 an vergleicht er das kantonale Schweizer Privatrecht (System und Geschichte des schweizerischen Pri­vatrechts, 1886ff.), von 1892 an erarbeitet er das schweizerische Zivilgesetzbuch (1907).

Lit.: Köbler, DRG 182; Stutz, U., Eugen Huber, ZRG GA 44 (1924), XI; Wartenweiler, F., Eugen Huber, 1932; Manaï, D., Eugen Huber, 1990

Huber, Ulrik (Ulrich) (Dokkum 1636-Franeker 1694) wird nach dem Artesstudium und dem Rechtsstudium in Franeker, Utrecht, Marburg und Heidelberg Professor der Beredsamkeit in Franeker (1657), danach Professor der Institutionen (1665). Am erfolgreichsten sind seine (lat.) Prae­lectiones (F.Pl.) (Vorlesungen) zu Institutionen (1678) und Digesten (1689), bedeutsam auch seine niederländisch geschrie­bene Darstellung des friesischen Rechts (Hoedendaegse Rechtsgeleertheyt, soo elders als in Frieslandt gebruikelijk, 1686).

Lit.: Veen, T., Recht en nut, Diss. jur. Groningen 1974

Hübner, Rudolf (Berlin 19. 9. 1864-Jena 7. 8. 1945), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Straßburg (Laband) und Berlin (Brunner, Beseler) 1895 außerordentlicher Professor in Bonn, 1904 ordentlicher Professor in Rostock, 1913 in Gießen, 1918 in Halle und 1921 in Jena. Nach frühen Arbeiten über die (lat.) donationes (F.Pl.) post obitum (1888, Gaben nach dem Tod) und den Immobiliarprozess der fränkischen Zeit (1893), denen eine Samm­lung der Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit (1893) zur Seite steht, ver­fasst H. im Rahmen des Pandektenschemas eine bis an die Gegenwart herangeführte Dogmenge­schichte der Institutionen des deutschen Privatrechts (Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. A. 1930).

Lit.: Schultze-von Lasaulx, H., Rudolf Hübner, ZRG GA 66 (1948), IX

Hude

Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912

Hufe ist vor allem im Frühmittelalter ein Landmaß unterschiedlicher Größe. Die H. erscheint im 8. Jh. am Rhein und in Thüringen. Sie umfasst anfangs im Durchschnitt etwa 30 Morgen, kann aber vielfach geteilt werden. Später wird sie zur steuerlichen Berechnungs­einheit (z. B. Preußen 1715).

Lit.: Köbler, WAS; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Reichel, J., Die Hufenverfassung zur Zeit der Karolinger, 1907; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Weidinger, U., Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda, 1990

Hugenotten (entsteht aus „Eidgenossen“?, frühester Nachweis 1551 in einem französischen Manuskript) ist die Bezeichnung für die mit dem Eindringen des Calvinismus (→ Calvin) aus der Schweiz nach Frankreich in der Mitte des 16. Jh.s entstehenden französischen Protestanten (helvetischen Bekenntnisses). Die H. werden nachdrücklich verfolgt (u. a. Bar­tholomäusnacht auf den 24. 8. 1572), erhalten aber im Edikt von Nantes (13. 4. 1598) das Recht der freien Religionsausübung. Nach dem Widerruf dieses Edikts durch König Ludwig XIV. (1685) verlassen rund 200000 Hugenotten Frankreich (140000 nach Großbritannien und Irland, in die Niederlande und die Schweiz, 44000 in das Heilige römische Reich, darunter 20000 nach Brandenburg). Erst die Französische Revolution von 1789 sichert ihre Rechte endgültig.

Lit.: Schreiber, H., Auf den Spuren der Hugenotten, 1983; Brandenburg, I./ Brandenburg, K., Hugenotten, 1990; Dölemeyer, B., Die Hugenotten, 2006; Hugenotten: Glaubensflüchtlinge auf deutschem Boden, hg. v. Braun, G. u. a., 2007

Hugo (Ugo) ist der von 1144 bis 1166 bezeugte Glossator in Bologna, von dem Glossen, Summulae, Disputationen und Quästionen stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 183

Hugo, Gustav (Lörrach 23. 11. 1764-Göttingen 15. 9. 1844), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (→ Pütter) und → Halle (Promotion) 1788 außerordentlicher Professor und 1792 ordentlicher Professor in Göttingen. Sein Hauptwerk ist das auf sechs Bände angelegte, siebenbändige Lehrbuch eines civilistischen Cursus (vor allem Enzyklopädie 1792, [als zweiter Band unter Berücksichtigung der Ergebnisse Montesquieus wie Kants] Natur­recht 1798 [, 2. A. 1799, 3. A. 1809, 4. A. 1819], Geschichte des römischen Rechts 1790, heutiges römisches Recht 1789 Institutionen, 1798 Pandektenrecht), in dem er in der Nachfolge Pütters versucht, streng zwischen historischer, dogmatischer und philosophischer Behandlung des römischen Rechts zu unterscheiden, bei der römischen Rechts­geschichte (Lehrbuch der Geschichte des römischen Rechts 1790, 11. A. 1832) die Geschichte des Systems mit der Geschichte der Quellen zu verbinden und das neuzeitliche römische Recht auf der Grundlage des geschichtlichen römischen Rechts zu erläutern. Mit dieser sowohl gegen eine rein antiquarische Rechtsbehandlung wie gegen eine unkritische, nur an der Praxis ausge­richtete Rechtswissenschaft sich wendenden ersten geschlossenen systematischen Dar­stellung der gesamten römischrechtlichen Rechtswissenschaft (Jurisprudenz des römi­schen Rechts als eine geschlossene ge­schichtliche Wissenschaft im Sinne des modernen Wissenschaftsbegriffs) wird er zum Begründer der Rechtswissenschaft des 19. Jh.s und zum Vorläufer der → historischen Rechtsschule.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 187, 206; Weber, H., Gustav Hugo, 1935; Eichengrün, F., Die Rechtsphilosophie Gustav Hugos, 1935; Buschmann, A., Ursprung und Grundlagen der geschichtlichen Rechtswissenschaft, Diss. jur. Münster 1963; Ebel, W., Gustav Hugo, 1964; Behrends, O., Gustav Hugo, (in) Gibbon, E., Historische Übersicht des römischen Rechts, 1996; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004; Buschmann, A., Naturrecht und geschichtliches Recht - Gustav Hugos Rechtsphikosophie und die An­fänge der geschichtlichen Rechtswissenschaft, (in) Ele­menta iuris, hg. v. Behrends, O. u. a., 2009, 17ff,

Hugolinus ist der von 1197 bis 1233 bezeugte Schüler des Johannes Bassianus aus Bologna, von dem vor allem Glossen, Erläu­terungen zum Codex, zu den Tres libri Codicis, zu den Institutionen, Summen zu den Digesten, Quaestiones insolubiles, Distinktionen und prozessrechtliche Summen stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 271

Huguccio de Pisa (Pisa? um 1140-Ferrara 30. 4. 1210) wird nach dem Studium von Kirchenrecht und Theologie in Bologna Rechtslehrer (um 1180) und Bischof von Ferrara (1190). Sein Hauptwerk ist die zwischen 1188 und 1190 verfasste ungedruckte (lat.) Summa (F.) super decretum (Summe über das Dekret), die das → Decre­tum Gratians am ausführlichsten erläutert.

Lit.: Köbler, DRG 107; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983; Müller, W., Huguccio, 1994

huissier (franz. [M.]) Türsteher, Gerichtsvoll­zieher

Hulde, Huld, ist die Gunst oder das Wohlwollen eines Menschen, insbesondere im Lehnswesen. Im Mittelalter huldigt der Mann dem Herrn. Der Herr kann dem Mann die H. entziehen. Im römischen Recht entspricht dem die (lat. [F.]) indignatio des Herrschers.

Lit.: Köstler, R., Huldentzug, 1910, Neudruck 1965; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 113; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1977

Huldigung ist das Versprechen des Wohl­wollens, der Treue oder der Ehrerbietung. Bereits im Frühmittelalter sollen die Franken dem Grafen oder dem König Treue schwören. 786 und 802 verlangt Karl der Große eine allgemeine Eidesleistung. An die Stelle dieses allgemeinen Untertaneneides tritt später der Eid der Lehnsmannen, seit dem Hoch­mittelalter auch der Huldigungseid der Reichsun­mittelbaren gegenüber dem König einerseits und ein Erbhuldigungseid der Landesbewohner bzw. der Stände gegenüber dem Landesherrn (in Niederösterreich bis 1835) andererseits.

Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Müller, H., Formen und Rechtsgehalt der Huldigung, Diss. jur. Mainz 1954; Holenstein, A., Die Huldigung, 1991; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998

Humanismus (1808) ist allgemein das Bemühen um eine der Menschenwürde entsprechende Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere die geistige Bewegung des 14. bis 16. Jh.s, die das Vorbild der Gesellschafts­gestaltung in den klassischen römischen Schriften sieht. Der H. wird zuerst in Italien (Dante, Petrarca, 14. Jh.), im 15. Jh. in Frankreich, Spanien und England und schließlich auch im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) wirksam (Erasmus von Rotterdam u. a., politische Auswirkungen auf Köln, Kleve-Mark und Jülich-Berg-Ravens­berg). Für die Rechtswissenschaft bedeutet der H. den Übergang vom sog. (lat. [M.]) mos Italicus zum (lat. [M.]) → mos Gallicus. Im Kirchenrecht bleiben die Einflüsse des H. vereinzelt.

Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 135; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1063; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechts­wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Kisch, G., Forschungen zur Geschichte des Humanismus in Basel, Archiv für Kulturgeschichte 40, 2 (1958), 194; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Kisch, G., Claudius Cantiuncula, 1970; Troje, H., Graeca leguntur, 1971; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Humanismus und Naturrecht in Berlin-Brandenburg-Preußen, hg. v. Thieme, H., 1979; Troje, H., Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluss des Humanismus, Ius commune 3 (1980), 33; Humanismus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984; Buck, A., Humanismus, 1988; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Hartmann, M., Humanismus und Quellenkritik – Matthias Flacius Illyricus, 2001; Augustijn, C., Humanismus, 2003; Humanisme et Église en Italie et en France méridionale, hg. v. Gilli, P., 2004; Kloosterhuis, E., Erasmus­jünger als politische Reformer, 2004; Humanisten am Oberrhein, hg. v. Lembke, S., 2004; Verfasserlexikon Deutscher Humanismus 1480-1520, hg. v. Worstbrock, G., Bd. 1f. 2005ff.; Funktionen des Humanismus, hg. v. Maissen, T. u. a., 2006; Genese und Profil des europäischen Humanismus im 18. Jahrhundert, hg. v. Vöhler, M. u. a., 2009

Humboldt, Wilhelm von (Potsdam 22. 6. 1767-Tegel 8. 4. 1835) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der Altertums­wissenschaft in Frankfurt an der Oder und Göttingen und längeren privaten Studien Leiter des Unterrichtswesens in Preußen, als der er das Bildungswesen aus dem Geist des idealistischen → Humanismus erneuert (Ele­mentarschule, Gymnasium, Universität). Zur Verwirklichung der wichtigsten Ziele wird 1810 die Universität → Berlin (→ Savigny) gegründet, an der Einheit von Forschung und Lehre und Entfaltung von Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit stattfinden sollen.

Lit.: Schaffstein, F., Wilhelm von Humboldt, 1952; Hübner, U., Wilhelm von Humboldt und die Bildungspolitik, 1983; Sauter, C., Wilhelm von Humboldt und die deutsche Aufklärung, 1989; Fröling, S./Reuss, A., Die Humboldts, 1999; Humboldt International, hg. v. Schwinges, R., 2001; Schalenberg, M., Humboldt auf Reisen?, 2002; Spitta, D., Die Staatsidee Wilhelm von Humboldts, 2004; Petersen, J., Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, 2. A. 2007

Hume, David (Edinburgh 7. 5. 1711-25. 8. 1776) (aus niederem Adel) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Literatur (in Edinburgh) Privatgelehrter (A Treatise on Human Nature 1739), Diplomat, Historiker und Philosoph. Nach ihm wirkt der Mensch auf der Grundlage von allgemein anerkannten Regeln (Eigentum, Vertragstreue) zusammen, weil der einzelne Mensch wegen der knappen Güter allein nicht lebensfähig ist. Staatszweck ist der Schutz der Interessen der Bürger. Der Staat, der Eigentum und Freiheit sichert, ist der verhältnismäßig beste. H. beeinflusst Smith, Kant, Bentham und Mill mit seinen Vorstellungen unmittelbar.

Lit.: Jäger, W., Politische Partei und parlamentarische Opposition, 1971; Kulenkampff, J., David Hume, 2. A. 2003; Streminger, G., David Hume, 1994; Vernunft und Leidenschaft, hg. v. Doering, D., 2003; Szczekalla, M., David Hume, 2003

Hundertschaft (lat. [F.] centuria) ist im altrömischen Recht die militärische Einheit, die von den 10 Kurien einer Tribus zu stellen ist. Ob sie auch eine germanische Ver­waltungs­einheit darstellt, erscheint fraglich. Im Mittelalter wird an verschiedenen Stellen ein (ahd.) huntari oder eine hundred erwähnt (Mittelrhein, Niederrhein, Hessen, Franken, obere Donau, Friesland, Schweden, England), deren Herkunft und Zusammen­hang nicht zweifelsfrei erwiesen sind. In der Gegenwart wird H. eine Verwaltungs­einheit der Polizei (Bereitschaftspolizei, Bundesgrenz­polizei) ge­nannt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 3 III; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 69; Schwerin, C. v., Die altgermanische Hundertschaft, 1907; Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Schwerin, C. Frhr. v., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 29 (1908), 261; Rietschel, S., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 30 (1909), 193; Mayer, E., Hundertschaft und Zehntschaft nach niederdeutschen Rechten, 1916; Mayer, E., Die Hundertschaft, insbesondere nach ostniederländischem Recht, ZRG GA 46 (1926), 290; Leiß, L., Der Hundertschaftsrichter in bayerischen Ortsnamen, ZRG GA 53 (1933), 277; Andersson, T., Die schwedischen Bezirksbezeichnungen hund und hundare, Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), 88; Wirth, G., A Hila, 1998

Hunne ist der Angehörige des aus Asien kommenden, 375 die Völkerwanderung germanischer Stämme in das römische Reich auslösenden Volkes.

Lit.: Attila und die Hunnen, 2007; Schmauder, M., Attila und die Hunnen, 2009

Hure ist die käufliche Frau. → Prostitution

Lit.: Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995

Hus, Johannes bzw. Jan (um 1370-6. Juli 1415), Magister, in Konstanz als Ketzer verbrannt, Anhänger (Hussiten) haben bis 1436 maßgeblichen Einfluss unter den Landständen Böhmens und Mährens, im 19. Jh. Symbolfi­gur des tschechischen Natio­nalismus

Lit.: Smahel, F., Husitská revoluce, 2. A. 1995f.; Jan Hus, hg. v. Seibt, F., 1997; Hilsch, P., Johannes Hus (um 1370-1415). Prediger Gottes und Ketzer, 1999; Jan Hus, hg. v. Drda, M. u. a., 1999; Smahel, F., Die hussitische Revolution, 2002

Hut (M.) ist im älteren Recht ein Rechtssymbol (z. B. Hut des Landvogtes Gessler bei Wilhelm Tell).

Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 36; Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut und Krone, 1952

Hygiene

Lit.: Hygiene in preußischen Schulvorschriften, hg. v. Apel, H. u. a., 1986

Hypothek ist die Belastung eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück in der Weise, dass an den (Hypo­thekengläubiger), zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt bzw. besteht, (trotz fehelenden Besitzes) eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist. Im römischen Recht ist bereits in der klassischen Zeit (→ Iulianus) unter dem Einfluss östlicher Provinzialpraxis (lat. [F.]) hypotheca („Unterpfand“) ein Name für das besitzlose, beim Schuldner verbleibende → Pfand (z. B. Inventarstücke eines Gutes zur Sicherung einer Forderung), von dem die griechische hypothéke (Unterlage) als ein Verhältnis reiner Sachhaftung zu unterscheiden ist. Dieses Pfandrecht kann an einzelnen Sachen oder Forderungen oder am ganzen Vermögen (Generalhypothek) bestellt werden. Mehr­fache Verpfändung ist möglich, wobei der Prioritätsgrundsatz durchbrochen werden kann. Im Gegensatz zum römischen Recht entwickelt sich im deutschen Recht ein besonderes Grundpfand im Unterschied zum allgemeinen Pfand (an beweglichen Sachen). Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter bleibt an vielen Orten das bisherige Grundpfandrecht bestehen. An anderen wird das geltende Recht römisch­rechtlich abgeändert und eine Generalhy­pothek am gesamten Vermögen anerkannt. Verschie­dentlich wird dem öffentlichen Pfand der Vorrang vor formlosen Pfandrechten gewährt. Teils auf Grund von Gesetzen (Legalhypothek), teils auf Grund Ge­wohn­heitsrechts wird ohne Vereinbarung eine (lat.) hypotheca (F.) tacita (z. B. des Fiskus, des Bestandgebers, des Mündels, der Ehefrau) anerkannt. Seit dem ausgehenden 17. Jh. werden aber zur Sicherung des dadurch gefährdeten Kreditverkehrs Hypothe­ken­­bü­cher eingeführt, welche die Öffent­lichkeit gewährleisten und die stillschwei­gende H. ebenso ausschließen wie die General­hypothek. Im 19. Jh. wird das → Hypo­thekenbuch zum → Grundbuch erwei­tert (Preußen 1872, Österreich 1871). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die H. nur eines von insgesamt drei Grund­pfand­rechten.

Lit.: Kaser § 31 III; Hübner; Köbler, DRG 163, 213, 240; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Cohen, A., Die Verschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in Bayern, 1906; Herman, A., Het karakter van ons hypotheekrecht, 1914; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Pos, A. van der, Hypotheek op roerend grond, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002

Hypothekenbuch ist das seit dem ausgehenden 17. Jh. eingerichtete Buch zur Sicherung des Grundpfandverkehrs (Berlin 1693, Preußen 1722, Hypothekenordnung 1783). → Hypothek

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 163; Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914

Hypothekenordnung (Preußen 1722, 1783, Bayern 1822, Württemberg 1825, Sachsen 1843)

Lit.: Köbler, DRG 141; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903

 

 

I

 

Iavolenus Priscus (C. Octavius Tidius Tossianus L. Iavolenus Priscus) (um 100 n. Chr.) ist der als besoldeter Staatsbeamter aufgestiegene römische Rechtskundige der → Sabinianer, von dem drei Bearbeitungen der Werke älterer Rechtskundiger und ein in 14 Bücher gegliedertes Sammelwerk praktischer Rechts­fälle (lat. [F.Pl.] epistulae, Briefe) bekannt sind.

Lit.: Söllner §§ 11, 16; Köbler, DRG 30; Eckardt, B., Iavoleni Epistulae, 1978; Manthe, U., Die libri ex Cassio des Iavolenus Priscus, 1982

Ibn Hazm (994-1064), Sohn eines hohen arabischen Amtsträgers in Cordoba (Spanien), ist der bedeutendste Vertreter der Rechts­schule Zahiriya. Für ihn ist Recht ein religiöses Gebot, das es dem Menschen ermöglicht, Gottes Willen zu erfüllen.

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 110

Idealismus ist die philosophische Strömung, die alle Dinge auf einen geistigen (ideellen) Ursprung zurückführt. Der I. steht im Gegen­satz zum → Materialismus. Bekanntester Vertreter des I. im Altertum ist Platon (428/427-348/347 v. Chr.), bedeutendste deut­sche Vertreter des I. → Kant (1724-1804), von dem → Savigny beeinflusst wird, und →Hegel (1770-1831).

Lit.: Köbler, DRG 178; Metzger, W., Gesellschaft, Recht und Staat in der Ethik des deutschen Idealismus, 1917, Neudruck 1966; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984

Ideologie ist die Gesamtheit der einer bestimmten Gruppe von Menschen zugeordneten Denkweisen und Wertvor­stellungen. Sie wirkt sich besonders im 20. Jh. auf das Recht aus. Sowohl im → Nationalsozialismus wie auch im → Sozia­lismus (und anderen Ideologien) ist das Recht nur ein Mittel zur Durchsetzung der I.

Lit.: Köbler, DRG 226; Ideologie und Herrschaft in der Antike, 1979; Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, hg. v. Kerner, M., 1982; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 131; Rüthers, B., Die Wende-Experten, 2. A. 1995; Choe, H., Ideologie, 1997; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003

Iglau in Südmähren wird nach der Entdeckung von Silber (um 1240) als Stadt um 1245 von deutschen Bergleuten gegründet. Sein → Bergrecht (1249/1280) wird vielfach andernorts übernommen.

Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren und seine Schöffensprüche, 1868; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht, 1900; Kresadlo, K., Jihlava, 1986

Ihering (Jhering), Rudolf von (Aurich 22. 8. 1818-Göttingen 17. 9. 1892), aus einer Juristenfamilie (Vater Notar und Abgeord­neter der Ständekammer Hannover, † 1825), wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (1836), Göttingen, München und Berlin (Puchta), der Promotion (Berlin 1842) und der Habilitation in Berlin (1843, Homeyer) Professor in Basel (1845), Rostock (1846), Kiel (1849), Gießen (1852), Wien (1868) und Göttingen (1872). Zunächst folgt er bis 1858/1859 → Puchta und erklärt das (römische) Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Der Rechtswissenschaft schreibt er die Aufgabe zu, nach Auflösung (Analyse) der komplexen Rechtsverhältnisse in einfache Elemente durch deren Kombi­nation neue Rechtsbegriffe zu erzeugen (Der Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1f. 1852ff., unvollendet) und damit letzlich das überkommene Recht der agrarischen Welt für die industrielle Welt zu modernisieren. Während der Arbeit an diesen Überlegungen wendet sich I. unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Fortschritte seiner Zeit der soziologischen Betrachtung des Rechts zu und befasst sich mit dem Zweck im Recht (1877f., unvollendet). Zu einer zukunft­weisenden brauchbaren Methodenlehre gelangt er dabei nicht, wenngleich er die → Inter­essenjurisprudenz anregt. Dogmatisch gelingt ihm die Festigung der Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Schuld (1867) sowie die Entdeckung der → culpa in con­trahendo. Be­achtliche Breitenwirkung erlan­gen die Bücher Der Kampf ums Recht (1872, 20. A. 1921, veranlasst durch die Kündigung eines Dienstvertrags seitens einer Köchin) sowie Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (13. A. 1924, Neudruck 1988).

Lit.: Köbler, DRG 189; Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft? (Wiener Antrittsvorlesung vom 16. Oktober 1868), hg. v. Behrends, O., 1998; Der Kampf ums Recht, 1872, 8. A. bearb. v. Hollerbach, A., 2003, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/JheringDerKampfumsRecht.htm; Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 1884, hg. v. Leitner, M., 2009; Lange, H., Die Wandlungen Iherings, 1927; Wieacker, F., Rudolf von Jhering, ZRG RA 86 (1969), 1; Jherings Erbe, hg. v. Wieacker, F. u. a., 1970; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Jherings, 1982; Der Briefwechsel zwischen Ihering und Gerber, hg. v. Losano, M., 1984; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Jhering, 1988; Iherings Briefe an Windscheid, hg. v. Kroeschell, K., 1988; Klemann, B., Rudolf von Jhering und die historische Rechtsschule, 1989; Rudolf von Ihering, hg. v. Behrends, O., 1992, 2. A. 1993; Privatrecht heute und Jherings evolutionäres Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1993; Der Kampf ums Recht, hg. v. Luf., G. u. a., 1995; Iherings Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1996; Der Briefwechsel Iherings mit Unger und Glaser, hg. v. Losano, M., 1996; Rudolf von Ihering, Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, hg. v. Behrends, O., 1999

Illegitimität (F.) → Unehelichkeit

Lit.: Harms-Ziegler, B., Illegitimität und Ehe, 1991

Illyrien ist das nach dem indogermanischen Volk der Illyrer (u. a. Messapier und zahlreiche andere Einzelvölker) benannte Gebiet im Südosten und Nordwesten der Adria. Zwischen dem 5. bzw. 3. und dem 2. Jh. v. Chr. gerät es unter die Herrschafts Roms. Gaius Julius Caesar trennt es von Makedonien als eigene Provinz. Am Anfang des 6. Jh.s lassen sich im Norden Goten und ab etwa 580 Slawen nieder. Von 1767 bis 1777 werden Kroatien, Slawonien und Dalmatien Illiren genannt. 1809 sind Osttirol, Westkärnten, Krain, KüstenlandKroatien, Dalmatien und Ragusa bzw. Dubrovnik Teil der illyrischen Provinzen Frankreichs. Von 1814 bis 1849 besteht in Österreich ein ungefähr entsprechendes Königreich Illyrien, das in den Kronländern Kärnten, Krain und Küstenland aufgeht..

Lit.: Napoleon und seine Zeit, hg. v. Fräss-Ehrfeld, C., 2009

Imbreviatur ist die durch Abkürzungen gekennzeichnete Aufzeichnung eines recht­lichen Vorganges durch einen → Notar (Ur­schrift). Im Gegensatz zum bloßen Entwurf enthält die I. den endgültigen vollständigen Urkunden­text unter Verwendung notarieller Abkürzungen (Imbreviaturen). Bereits im 12. Jh. sammeln Notare in Italien ihre Imbreviaturen in Imbreviaturbüchern (ältestes erhaltenes Fragment Genua 1154). Im 14. Jh. wird dies allgemein üblich.

Lit.: Voltelini, H. v., Die Südtiroler Notariatsimbreviaturen, Teil 1f. 1899ff.; Kern, F., Dorsualkonzept und Imbreviatur, 1906; Dolezalek, G., Das Imbreviaturbuch des erzbischöflichen Gerichtsnotars Hubaldus von Pisa, 1969; Notariado público, 1989

Imbreviaturbuch → Imbreviatur

Immaterialgüterrecht ist das Recht der unkörperlichen, geistigen Rechtsgüter. Es gewinnt erst im Laufe der Neuzeit an Bedeutung. Seine bekannteste Ausprägung ist das → Urheberrecht.

Lit.: Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR 1982, 132

immediat (Adj,) unmittelbar → Mediatisierung

Immerwährender Reichstag ist der seit 1663 als ständiger Gesandtenkongress in Regensburg tagende → Reichstag.

Immission (lat. [F.] immissio) ist die Zuführung unwägbarer Stoffe (auf ein Grundstück). Bereits im römischen Recht muss der Eigentümer eines Grundstücks das Eindringen von Rauch, Wasser und dergleichen auf das Grundstück dulden, wenn es das übliche Maß nicht überschreitet. Andernfalls stehen ihm Abwehransprüche zu. Das Mittelalter kennt nur einzelne entsprechende Sätze. Als Folge der Industrialisierung bilden die Immissionen eine wichtige Abgrenzungsfrage zwischen dem Freiheits­streben der Industrie und dem Schutz der Betroffenen, zu der sich das preußische Obertribunal durch Beschluss vom 7. 6. 1852 weiterführend äußert. § 906 BGB nimmt das auf dieser Grundlage geschaffene Recht auf (Unwesentlichkeit, Üblichkeit). In der Gegen­wart gilt in Deutschland daneben ein beson­deres Bundesimmissionsschutz­gesetz, das die Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter Anla­gen vorsieht. Rechtmäßig genehmigte Anlagen sind zu dulden, doch kann ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen.

Lit.: Kaser § 23 III 4; Kroeschell, DRG 3; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810, 2000; Seyed-Mahdavi Ruiz, S., Die rechtlichen Regelungen der Immissionen im römischen Recht und in ausgewählten europäischen Rechtsordnungen, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhudert, 2002; Koch, N., Die Entwicklung des deutschen privaten Immissionsschutzrechts seit Beginn der Industrialisierung, 2004; Staats, C., Die Entstehung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974, 2009

immobil (Adj.) unbeweglich

Immobiliarprozess ist der Prozess um Immo­bilien (unbewegliche Sachen, Grundstücke).

Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893

Immobiliarrecht ist das besondere Recht der Grundstücke (Liegenschaften), wie es sich im deutschen Recht entwickelt.

Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Meyer, F., Zur Geschichte des Immobiliarrechts der deutschen Schweiz im 13. bis 15. Jahrhundert, 1921; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Buchholz, S., Die Quellen des deutschen Immobiliarrechts im 19. Jahrhundert, Ius commune 7 (1978), 250

Immunität ist die Freiheit von einem Eingriff oder einer Einwirkung. Im Frühmittelalter ist I. die Freiheit einer besonders ausge­nommenen → Grundherrschaft von könig­licher Gewalt. Sie geht auf die spätrömische (lat. [F.]) → emunitas zurück, die Freiheit der kirchlichen, vielleicht auch der kaiserlichen Güter von öffentlichen Lasten bedeutet. Im 6./7. Jh. erweitert sich die I. dahin, dass der (Graf als der) örtliche Gewalthaber (kraft königlichen Privilegs für den Grundherrn) im Immunitätsgebiet ausgeschlos­sen wird und deshalb keine Verhöre durchführen, keine Abgaben einziehen, keine Geiseln wegführen und schließlich das Immunitätsgebiet über­haupt nicht mehr betreten darf. Seine Aufgaben nehmen die weltlichen und geistlichen Großen (Erz­bischöfe, Bischöfe, Äbte) als Immunitäts­berechtigte selbst (oder durch Vögte) wahr. Otto I. gleicht diese Art der Beseitigung des Einflusses der weltlichen Gewalt auf die immunitätsbegabte Kirche dadurch aus, dass er selbst durch Einsetzen der Immunitätsberechtigten (Erzbischöfe usw.) unmittelbare Herrschaft über die zunehmend zu geschlossenen Bezirken werdenden Immunitätsgebiete gewinnt (otto­nisches bzw. ottonisch-salisches → Reichskir­chensystem). Nach dem hierdurch hervor­gerufenen → Investitur­streit (1075-1122) ge­hen die bedeutenden Immunitäten in den Landesherrschaften (geistlichen Fürstentü­mern) auf. In der Gegen­wart genießt der Abgeordnete parlamentarische I. im Sinne eines Schutzes vor bestimmten Maßnahmen, die sich gegen sein Verhalten außerhalb des Parlaments richten (Frankreich 1799, 1814).

Lit.: Köbler, DRG 85; Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Kroell, M., L’immunité franque, 1910; Stengel, E., Die Immunität, 1910, Neudruck 1964; Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913, 2. A. 1967; Kühn, G., Die Immunität der Abtei Groß-St. Martin zu Köln, 1913; Zatschek, H., Beiträge zur Diplomatik der mährischen Immunitätsurkunden, 1931; Heidrich, I., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10; Pfaff, V., Die päpstlichen Klosterexemtionen in Italien, ZRG KA 72 (1986), 76; Frey, L./Frey, M., The History of Diplomatic Immunity, 1999; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002

Immunitätsprivileg → Immunität

Impeachment ist vor allem ein seit 1376 angewendetes Strafverfahren im englischen Recht, bei dem das → House of Commons anklagt und das House of Lords entscheidet (z. B. 1386 gegen den englischen Kanzler).

Lit.: Plucknett, T., Studies in English Legal History, 1983

impedimentum (lat. [N.]) Hindernis (z. B. Ehehindernis)

imperator (lat. [M.]) Kaiser

Lit.: Söllner § 14; Köbler, LAW; Mc Fayden, D., The History of the Title I., 1920; Kienast, D., Imperator, ZRG RA 78 (1961), 403

Imperialismus ist die auf Gewinnung eines Imperiums durch Eroberung und Ausdehnung gerichtete Zielsetzung des Staates seit dem 17., insbesondere seit dem 19. Jh.

Lit.: Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Imperialismus und Kolonialismus, hg. v. Bade, K., 1983; Schöllgen, G., Das Zeitalter des Imperialismus, 3. A. 1994, 5. A. 2009; Cain, J./­Hopkins, A., Bri­tish Imperialism, 1993; Fröhlich, M., Imperialismus, 1994; Petersson, N., Imperialismus und Modernisierung, 2000; Berke, A., Imperialismus und nationale Identität, 2003

Imperium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die unbeschränkte Amtsgewalt der Konsuln (später auch der Staahalter von Provinzen), zu der auch die Zuchtgewalt zählt, sowie das Gebiet, in dem sie ausgeübt wird. Nach dem (lat.) imperium (N.) Romanum versteht sich auch die weltliche Herrschaft im Mittelalter als ein i. Ihm tritt das (lat. [N.]) sacerdotium des Papstes gegenüber. Mit dem Beginn der Neuzeit nimmt (lat. [F.]) potestas (Gewalt, Hoheitsgewalt) den Platz von i. ein, das seinerseits als Weltreich verstanden wird.

Lit.: Söllner §§ 6, 9, 14, 15; Köbler, DRG 18; Köbler, LAW; Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichstei­lung im imperium Romanum, 1930; Stengel, E., Regnum und imperium, 1930; Heuß, A., Zur Entwicklung des imperiums des römischen Oberbeamten, ZRG RA 64 (1944), 57; Dempf, A., Sacrum imperium, 2. A. 1954; Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, 2. A. 1969; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Papst, A., Divisio regni, 1986

Imperium (N.) merum et mixtum (lat.) ist nach einer Unterscheidung des römischen Rechtskundigen Ulpian (170?-223) die oberste Staatsgewalt und die oberste Gewalt der Zivilrechtspflege. Seit dem 12. Jh. erscheint die hierauf gegründete Einteilung der Gerichts­barkeit in die Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit und Bürgerrecht und die übrige Gerichtsbarkeit im deutschen Reich. Seit dem 14. Jh. wird das i. m. e. m. als Grundlage aller Hoheitsrechte verstanden, danach als Landeshoheit.

Lit.: Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913

imperium (N.) Romanum (lat.) Römisches Reich

implantatio (lat. [F.]) Einpflanzung, Ver­bin­dung

Impossibilium nulla est obligatio (lat.). Zu Unmöglichem gibt es keine Verpflichtung (z. B. bewirkt Fehelen eines Kaufgegenstands Nichtigkeit des Kaufvertrags).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Celsus, um 70-um 140 n. Chr., Digesten 50, 17, 185); Wollschläger, C., Die Entstehung der Unmöglich­keitslehre, 1970

Impubes (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Unmündige (Geschelchtsunreife). Ist er (lat.) infantia maior (älter als 7), kann er, gegebenenfalls mit Zustimmung des Vormundes (lat. [M.] tutor), ein Rechtsgeschäft vornehmen. Mit dem Eintritt der Geschlechtsreife (lat. [F.] pubertas) wird der i. ursprünglich vollständig geschäftsfähig und deliktsfähig. Die Mündigkeit wird bei Knaben (durch die Prokulianer) auf 14, bei Mädchen auf 12 festgelegt.

Lit.: Kaser § 14 II, 62 I, 82 II; Köbler, DRG 21

Imputation ist die von → Pufendorf (1632-1694) aus der Theologie in das Strafrecht übernommene Zurechnung einer Handlung und eines Erfolges zu einem Menschen. Ihre Möglichkeit beruht auf der Freiheit und der Normbezogenheit menschlichen Handelns. Ermittelt werden die Voraussetzungen, die für Bestrafung bestehen. → Feuerbach (1755-1833) unterscheidet demgegenüber die ab­strakte I. des Gesetzgebers bei der Festlegung des strafbaren Verhaltens und der Strafe im Strafbestand und die konkrete I. des Richters bei Bestimmung der Strafe im einzelnen Fall. Wenig später wird die I. auf die Handlung beschränkt. Erhalten geblieben ist der Begriff der Zurechnungsfähigkeit.

Lit.: Berner, A., Grundlinien der criminalistischen Imputationslehre, 1843; Welzel, H., Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs, 1958; Genka, T., Zur textlichen Grundlage der Imputationslehre Gratians, BMCL 25 (2002/2003, 40

inaedificatio (lat. [F.]) Einbau

Inama-Sternegg, Karl Theodor von (Augsburg 20. 1. 1843-Innsbruck 28. 11. 1908) wird nach dem Studium von Geschichte, Recht und Staatswissenschaft in München 1868 außer­ordentlicher Professor und 1871 ordentlicher Professor in Innsbruck, 1880 in Prag und 1881 in Wien. Seine Deutsche Wirtschaftsgeschichte (1878ff.) ist die erste unmittelbar aus den Quellen erarbeitete Gesamtdarstellung.

Inauguration (F.) Einführung

Lit.: Königshaus, J., Die Inauguration der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665, 2002

In bonis (lat. im Vermögen) sein bzw. haben ist im klassischen römischen Recht eine Bezeichnung für den Schutz durch den Prätor gegen einen Dritten. Wer eine handgreifbare Sache (lat. [F.] res mancipi) ohne den Formalakt der → Manzipation erhält und i. b. hat, (erwirbt zwar nicht ziviles Eigentum, das bei dem Veräußerer verbleibt,) erlangt (aber) prätorisches bzw. bonitarisches Eigentum bzw. Schutz durch den Prätor. Im spätantiken römi­schen Recht wird die Unterscheidung zwischen zivilem Eigentum und prätorischem Eigentum beseitigt.

Lit.: Kaser §§ 22ff.; Söllner § 9; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155

incapacitas (lat. [F.]) Unfähigkeit

Incertum (lat. [N.] Unbestimmtes) ist im römischen Recht die unbestimmte Leistung. Im spätantiken Recht wird die Unter­scheidung zwischen bestimmter Leistung und unbestimmter Leistung ge­lockert.

Lit.: Kaser §§ 35 I, 37 I, 48 II

incipit (lat.) es fängt an

Indebitum solutum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die nichtgeschuldete Leistung. Sie kann im klassischen römischen Recht wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der → Kondiktion zurückverlangt werden.

Lit.: Kaser § 48 II 2

Indemnität ist die Befreiung des Abgeordneten von der gerichtlichen oder dienstlichen Verfolgung wegen einer Abstimmung oder Äußerung im Parlament. Die früher auch als → Immunität bezeichnete I. entsteht in England mit der → Bill of Rights (1689). Im → Deutschen Bund erscheint sie seit 1818 (Bayern, Württemberg 1819, Sachsen 1831, Preußen 1848).

Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 3 1963, 348; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der parlamentarischen Redefreiheit, 1991

Index (M.) librorum prohibitorum (lat.) ist der Anzeiger der (für Christen) verbotenen Bücher (1559/1564-1966/1967).

Lit.: Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices des 16. Jahrhunderts, 1970; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann, 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001

Indien

Lit.: Das, I., Staat und Religion in Indien, 2004: Kulke, H., Indische Geschichte bis 1750, 2005; Mann, M., Geschichte Indiens. Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, 2005; Schoettli, U., Indien, 2009

Individuum (N.) Unteilbares, Einzelmensch

Lit.: Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung, (1956)

Indiz ist eine Tatsache, aus deren Vorhandensein einleuchtenderweise auf das Vorhandensein einer anderen Tatsache geschlossen werden kann. Das I. ist von besonderer Bedeutung im Strafverfahrens­recht. Hier ist bei Fehlen besserer Beweismöglichkeiten der Beweis mit Hilfe von Indizien (Indizienbeweis) möglich. Nach der frühneuzeitlichen Indizienlehre etwa der → Constitutio Criminalis Carolina von 1532 ist die → Folter nur zulässig bei Vorliegen be­stimmter Indizien (z. B. blutbefleckte Kleidung eines einer Bluttat Verdächtigen).

Lit.: Köbler, DRG 138, 156; Kusch, K., Der Indizienbeweis des Vorsatzes, Diss. jur. Hamburg, 1963; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Pöltl, R., Die Lehre vom Indizienbeweis, 1999; Michels, K., Der Indizienbeweis, Diss. jur. Tübingen 2000

Indogermane ist der Angehörige eines der zur indogermanischen Sprachenfamilie (keltisch, italisch, germanisch, baltisch, slawisch, il­lyrisch, thrakisch, albanisch, griechisch, phrygisch, hethitisch, armenisch, iranisch, in­doarisch, tocharisch, mit einer jeweils ältesten Überlieferung zwischen dem 14. Jh. v. Chr. und dem 16. Jh. n. Chr.) gehörenden Einzelvölker. Wann und wo dieses philologisch rekon­struierte Volk besteht, ist unklar (Mit­teleuropa?, Osteuropa?, um 2000 v. Chr.?, Entstehung in Anatolien vor 7800 bis 9800 Jahren?). Die Zahl seiner philologisch erschließbaren Rechtseinrichtun­gen (Volk, Haus, Zeuge, Gast, Erbe) ist gering. Dem Indogermanischen könnte ein wenig bekanntes Protoindogermanisch nördlich des Schwarzen Meeres um 3500 v. Chr. vorangegangen sein.

Lit.: Söllner §§ 2, 4; Köbler, DRG 10, 13; Delbrück, B., Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen, 1889; Leist, B., Altarisches ius gentium, 1889, Neudruck 1978; Brunner, H., Eine bisher unbekannte indogermanische Sprache, ZRG GA 29 (1908), 340 (tocharisch); Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Pokorny, O., Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, 1959ff.; Schlerath, B., Die Indogermanen, 1972; Schmitt-Brandt, J., Einführung in die Indogermanistik, 1998; Köbler, G., Indogermanisch-neuhochdeutsches und neuhoch­deutsch-indogermanisches Wörterbuch, 3. A. 1999 (Internet); Greenberg, J., Indo-European and its closest relatives, 2000; Anthony, D., The Horse, the Wheel and Language, 2007; Stüber, K. u. a., Indogermanische Fraennamen, 2009

in dorso (lat.) auf dem Rücken, → Indossament

Indossament ist eine regelmäßig auf der Rückseite (lat. in dorso, frz. en dos) eines → Wertpapieres angebrachte Erklärung, durch die eine Person (Indossant) die Rechte aus einem → Orderpapier auf eine andere Person (Indossatar) überträgt. Das erstmals in Pisa 1392 bezeugte I. erscheint häufiger zu Beginn des 17. Jh.s in Frankreich( etwa gleichzeitig mit der zur selben Zeit in Süditalien aufge­kommenen, vorderseitig angebrachten girata). Ihre Ursprünge sind ungeklärt.

Lit.: Köbler, DRG 167; Schaps, G., Zur Geschichte des Wechselindossaments, 1892; Opitz, P., Der Funktionswandel des Wechselindossaments, Diss. jur. Berlin 1967; Melis, F., Guida alla mostra internazionale della banca, 1972

In dubio pro reo ist der bereits im klassischen römischen Recht im Ansatz bekannte Satz, dass ein Angeschuldigter im Zweifel freizusprechen ist. In der Neuzeit formuliert Stübel 1811 in Anschluss an Justinians → Digesten 42, 1, 38 den Satz neu. Demnach gilt der Angeklagte bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig, weil im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden ist (vgl. Art. 6 II der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte 1950). In der Verfahrens­wirklichkeit setzt sich der Satz aber erst allmählich durch.

Lit.: Köbler, DRG 35, 203; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Bossius 1562, vgl. Digesten 50, 17, 125 Gaius um 120-um 180, Aristoteles); Moser, K., In dubio pro reo, Diss. jur. München 1933; Wenig, G., In dubio pro reo, Diss. jur. Tübingen 1946; Holtappels, P., Die Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965

Industrie ist die gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen. Die I. entsteht seit dem Ende des 18. Jh.s in Großbritannien. Seit dem frühen 19. Jh. folgen die deutschen Staaten (z. B. Sachsen) (1800-1830 leichtindustriell, 1830-1880 schwerindustriell, Durchbruchsphase 1845-1875, 1880-1914 Elektroindustrie, chemische Industrie, opti­sche Industrie). Die Industrialisierung be­deutet den raschen Übergang von der Landwirtschaft zur arbeitsteiligen gewerb­lichen Wirtschaft (industrielle Revolution). Eine wichtige Folge ist die Entstehung des → Arbeitsvertrages.

Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 237; Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution, hg. v. Treue, W. u. a., 1966; Mauersberg, H., Deutsche Industrien im Zeitgeschehen eines Jahrhunderts, 1966; Forsthoff, E., Der Staat in der Industriegesellschaft, 1971; Abel, W., Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Sozialgeschichtliche Probleme in der Zeit der Hochindustrialisierung, hg. v. Pohl, H., 1979; Schlosser, H., Folgen der Indus­trialisierung, Quaderni Fiorentini 10 (1981), 403; Klassen, K., Mitverwaltung und Mitverantwortung in der frühen Industrie, 1984; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2 6. A. 1984; Ruppert, W., Die Fabrik, 1987; Kiesewetter, H., Industrialisierung und Landwirtschaft, 1988; Kiesewetter, H., Industrielle Revolution, 1989; Studien zur Einwirkung der Industrialisierung auf das Recht, hg. v. Coing, H., 1991; Hudson, P., The Industrial Revolution, 1992; Die Eisen- und Stahlindustrie im Dortmunder Raum, hg. v. Dascher, O. u. a., 1992; Buchheim, C., Industrielle Revolutionen, 1994; Hahn, H., Die industrielle Revolution, 1998; Gestwa, K., Proto-Industrialisierung in Russland, 1999; Marsch, U., Industrieforschung in Deutschland und Großbritannien, 1999, Bührer, W., Der Bundesverband der Deutschen Industrie, 1999; Marsch, U., Industrieforschung, 1999; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Kiesewetter, H., Region und Industrie in Europa 1815-1995, 2000; Gall, L., Krupp, 2000; Gorißen, S., Vom Handelshaus zum Unternehmen, 2002; Butschek, F., Europa und die industrielle Revolution, 2002; Lenger, F., Industrielle Revolution und Nationalstaatsgründung, 2003; Kiesewetter, H., Industrielle Revolution in Deutschland, 2004; Condrau, F., Die Industrialisierung in Deutschland, 2005; Ziegler, D., Die industrielle Revolution, 2005, 2. A. 2009; Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006; Butschek, F., Industrialisierung, 2006; Kiesewetter, H., Die Industrialisierung Sachsens, 2006; Risques et prises de risques dans les sociétés industrielles, hg. v. Varaschin, D., 2007; Gehlen, B., Paul Silverberg (1876-1959) 2007

Industriekammer ist die politische Ver­tretung der Interessen der Unternehmen der Industrie.

Lit.: Bibliographie zur Geschichte und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Kaltenhäuser, K., Möglichkeiten und Perspektiven einer Organisation der Wirtschafts­verwaltung, 1998

infam → Infamie

Infamie (lat. [F.] infamia) ist die mit gewis­sen Handlungen verbundene Rechtsfolge des Verlustes der bürgerlichen → Ehre im älteren Recht. Im römischen Recht ziehen Kuppelei, Lohnkampf mit Tieren, Schauspielerei, Dop­pelehe, Wu­cher, Häresie, Ausstoßung aus dem Heer und bestimmte Verurteilungen die I. (Verlust der bürgerlichen Ehre) nach sich. Die Kirche setzt seit 419 auf die schuldhafte Aufgabe des christlichen Gesetzes und die Missachtung kirchlicher Vorschriften (Sakrileg, Grabfrevel, Zauberei, Giftmi­scherei, Ehebruch, Blutschande, Mein­eid, Diebstahl, Raub, Mord) die I. (Wei­he­hindernis, Zeugnisunfähigkeit usw.). Im weltlichen Recht schließen einzelne deutsche Reichsgesetze von einzelnen Rechten aus (1512 Ehrlose vom Notariat, 1577 Zöllner, Müller, Bader usw. von Zünften, 1577 Bankrotteure). Ein Überrest der I. ist die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte im deutschen Reichsstrafge­setzbuch von 1871. Nach Aufhebung der Vorschriften zum 1. 4. 1970 sieht § 45 StGB nur noch eine eingeschränkte Aberkennung von Rechten vor.

Lit.: Kaser §§ 13 III, 36 III, 82 II; Mühlebach, A., Die Infamie in der decretalen Gesetzgebung, 1923; Löbmann, B., Der kanonistische Infamiebegriff, 1956; May, G., Die Anfänge der Infamie im kanonischen Recht, ZRG KA 47 (1961), 77; Landau, P., Die Entstehung des kanonistischen Infamiebegriffs, 1966

Infans (lat. [M.]) ist im römischen Recht das → Kind, das die für rechtliche Folgen bedeut­samen Wörter noch nicht sprechen kann, im spätrömischen Recht das Kind bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahres. Der i. kann kein Rechtsgeschäft tätigen (geschäfts­unfähig) und keine ersatzpflichtige Handlung (Delikt, deliktsunfähig) begehen.

Lit.: Kaser § 14 I 1; Köbler, LAW

Inflation ist die Erhöhung des nominalen Wertes einer Geldeinheit. Eine geringfügige I. ist ein Kennzeichen fast aller Zeiten der Geldwirtschaft. In der I. im → Deutschen Reich nach dem ersten Weltkrieg ist als Folge der Reparationsverpflichtungen Deutschlands im November 1923 ein Dollar 4200000000 Mark wert. Eine derartige I. hat unmittelbare Auswirkung auf alle wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse.

Lit.: Köbler, DRG 224; Redlich, F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und Wirklichkeit, 1996; Kerstingjohänner, H., Die deutsche Inflation 1919-1923, 2004

Infortiatum (lat. [N.]) → Digestum infortiatum

Lit.: Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231

Ingelheim am mittleren Rhein ist Sitz eines vielleicht aus einem ehemaligen Reichs­vogteigericht hervorgegangenen, seit 1366 bezeugten → Oberhofes, dessen erhaltene Aufzeichnungen mehr als 3000 Urteile zwischen 1398 und 1464 überliefern (davon etwa 7% Strafrechtsfälle).

Lit.: Loersch, H., Der Ingelheimer Oberhof, 1885; Meyer, H., Über die Wiederauffindung eines verschollenen Protokollbuches, ZRG GA 24 (1903), 390; Tillmann, W., Aus dem Prozess des Ingelheimer Oberhofs, 1935; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen F. J. Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Erler, A., Die Stilllegung des Schöffenstuhls im Recht des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 76 (1959); Rotthaus, K., Redde und Schult in den Urteilen des Ingehheimer Oberhofes, 1959; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Vorlagen F. J. Bodmanns, ZRG GA 77 (1960), 345; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, 1960; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim Gauodern­heim Ingelheim 1375-1648, (Diss. phil. Mainz 1964) 1968; Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Ingelheim am Rhein, hg. v. Autenrieth, J., 1964; Eigen, P., Die Verbotung in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, 1966; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Schmitz, H., Pfalz und Fiskus Ingelheim, 1974; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977; Erler, A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981; Zwerenz, R., Der Rechts­wortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001

ingenuus (lat. [Adj.]) freigeboren

Ingolstadt an der Donau wird 806 bezeugt (841 Königshof an Niederaltaich). Um 1250 ist es Stadt. 1459/1472 wird es Sitz einer 1800 nach Landshut und 1826 nach München verlegten → Universität.

Lit.: Listl, R., Die Ingolstädter Handwerkerverbände, Diss. jur. München 1956; Dickerhof, H., Land, Reich, Kirche im historischen Lehrbetrieb an der Universität Ingolstadt, 1971; Seifert, A., Statuten- und Verfas­sungsgeschichte der Universität Ingolstadt (1472-1586), 1971; Real, H., Die privaten Stipendienstiftungen, 1972, Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter Juristenfakultät 1472-1625, 1973; Kreh, F., Leben und Werk des Reichsfreiherrn Johann Adam von Ickstatt (1702-1776), 1974; Ingolstadt, hg. v. Müller, T. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Freilinger, H., Ingolstadt, 1977; Hofmann, S., Geschichte der Stadt Ingolstadt, 2000

Inhaberpapier ist das → Wertpapier, bei dem das verbriefte Recht grundsätzlich von jedem Inhaber geltend gemacht werden kann. Es fehlt dem Altertum, von bescheidenen Ansätzen abgesehen, ganz, erscheint aber seit dem 9. Jh. vor allem in Gebieten lango­bardischen Rechts in Italien und ist im Mittelalter als Möglichkeit der Übertragung von Rechten und der Vertretung verbreitet. In Sachsen tritt 1763 die Inhaberschuldver­schreibung auf. Seit dem → Allgemeinen Landrecht (Preußen 1794) finden sich gesetzliche Regelungen.

Lit.: Hübner; Brunner, H., Zur Geschichte des Inhaberpapieres in Deutschland, ZHR 23 (1978), 225; Brunner, H., Das französische Inhaberpapier, 1879

In integrum restitutio (F.) (lat.) ist im römischen Recht in verschiedenen Fällen (z. B. Zwang) die vom Prätor gewährte → Wiedereinsetzung in den früheren Stand, mit der die eingetretenen Wirkungen des Geschäfts durch besondere Klagen wieder beseitigt werden sollen. Eine vom Richter durchgeführte i. i. r. bewirkt die (lat.) → actio (F.) quod metus causa, die den bestraft, der die Wieder­gutmachung verweigert.

Lit.: Kaser § 8 IV

in iure (lat.) vor (dem) Gericht(smagistrat)

In iure cessio (F.) (lat.) ist die im römischen Recht als Umgehung schwerfälliger Formalakte im Wege eines Scheinverfahrens mögliche Übertragung, Abtretung oder Auf­he­bung be­stimmter Rechte auf der Gerichtsstätte.

Lit.: Kaser § 7 II; Söllner §§ 8, 9, 18; Köbler, DRG 21, 25, 40

Iniuria (lat. [F.]) ist im römischen Recht das Unrecht (in der Form der Perso­nen­verletzung, das bei Vorleigen eines Rechtferigungsgrunds ausscheidet). Nach altrömischem Recht soll neben Gliedzerreißen und Beinbrechen jedes sonstige Unrecht (i.) mit der Leistung von 25 Pfund Kupfer ausgeglichen werden. Im klassischen römischen Recht wird die i. zu einem Tatbestand erweitert, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit in Wort oder Tat (→ Körperver­letzung) eines anderen erfasst. Rechtsfolge ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Geldausgleich. Im spätantiken römischen Recht ist i. ein Straftatbestand (Ehrverletzung) und eine Deliktsobligation (Persönlichkeitsmissachtung). Im Deutschen wird iniuria als Injurie (Realinjurie, Verbalinjurie) aufgenommen (z. B. Bayern 1756, Preußen 1793 bzw. 1794→ Beleidigung).

Lit.: Söllner §§ 5, 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 65; Köbler, LAW; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984; Hagemann, M., Iniuria, 1998; Lingelbach, G., Jnjurie und Injuriensachen, (in) Organisation der Kritik, hg. v. Matuschek, S., 2004, 143

in ius vocatio (lat. [F.]) ist die Rufung bzw. Ladung des Gegners in das Gericht, welcher der Gegner im altrömischen Recht der Zwölftafeln sofort zu folgen hat.

Inkorporation ist die Eingliederung einer kirchlichen → Körperschaft in eine andere. Sie entwickelt sich seit dem Ende des 11. Jh.s (Benediktinerorden) und wird im 13. Jh. voll ausgebildet. Mit der I. gehen die Rechte an der bisherigen kirchlichen Körperschaft (z. B. Kirche) auf eine andere kirchliche Körperschaft (z. B. Kloster) über, ohne dass die Rechts­persönlichkeit der inkorporierten Körperschaft endet. In der Neuzeit wird die I. wegen der mit ihr gegebenen Zerstörung der kirchlichen Ordnung zurückgedrängt (Trient 1545-1563).

Lit.: Hinschius, P., Zur Geschichte der Inkorporation und des Patronatsrechts, 1873; Sanmann-von Bülow, H., Die Inkorporationen Karls IV., 1941; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951

Inkunabel (F.) Wiegendruck, Druck vor 1500

Lit.: Langer, G., Von Zusammenhängen zwischen Inkunabelforschung und Rechtsgeschichte, ZRG GA 85 (1968), 217; Catalogogus incunabulorum .Hun­gariae, hg. v. Sájo, G. u. a., 1970; Bayerische Staatsbibliothek, Inkunabelkatalog, Bd. 6 2005 (Internetversion vorhanden); Mazal, O., Österreichische Nationalbibliothek Inkunabelkatalog, Bd. 1 2004

Innehabung (lat. [F.] detentio) ist im römischen Recht eine nur schwach geschützte Beziehung eines Menschen zu einer Sache, die den Innehaber schlechter stellt als den Besitzer beim Besitz (lat. [F.] possessio). Bloße Innehaber sind alle nicht besonders be­günstigten Fremdbesitzer (z. B. Verwahrer, Entleiher, Beauftragter, Geschäftsführer ohne Auftrag, Werkunternehmer, Mieter, Pächter). Ihnen steht kein → Besitzschutz zu. Die I. ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aufgegeben.

Lit.: Kaser § 19 V

Innenministerium ist das für innere Ange­legenheiten zuständige Ministerium eines Staates (z. B. Österreich 1848 aus böhmisch-österrei­chischer Hofkanzlei).

Innerösterreich ist die im Spätmittelalter (1379-1457/1463) und in der frühen Neuzeit (1564-1619) infolge von Erbteilungen des Hauses → Habsburg entstehende Gebiets­einheit (Steier­mark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Windische Mark), die auch später noch als eigene Verwaltungseinheit behandelt wird (Regiment in Graz bis 1749).

Lit.: Wolf, A., Die Aufhebung der Klöster in Innerösterreich 1782-1790, 1871, Neudruck 1971; Schulze, W., Landesdefension und Staatsbildung, 1973; Thiel, V., Die innerösterreichische Zentralverwaltung 1564-1749, AÖG 105 (1916), 111

Inn of court ist die von der Universität unabhängige Ausbildungsstätte (Innung) für den englischen Juristen (Anwalt). Sie entsteht daraus, dass im Mittelalter Schreiber (clerk) und Schüler (apprentice at law) gemeinsam in Häusern der westlichen Vororte Londons leben. In der Mitte des 14. Jh.s wird dort ein praktischer Rechtsunterricht sichtbar. Von den etwa 20 bekannten inns (z. B. Clifford’s Inn) setzen sich bis etwa 1420 vier inns of court durch (Inner Temple, Middle Temple der Templer [vor 1388], Gray’s Inn, Lincoln’s Inn [1417?]).

Lit.: Thorne, S., The early History of the Inns of Court with special reference to Gray’s Inn, 1959; Palmer, R., The Origins of the Legal Profession, 1976; Richardson, W., A History of the Inns of Court, 1978; Ives, E., The Common Lawyers of pre-Reformation England, 1983; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000; Baker, J., Readers and Readings in the Inns of Court and Chancery, 2001; McGlynn, M., The Royal Prerogative and the Learning of the Inns of Court, 2003

Innominatkontrakt ist der im spätantiken römischen Recht entstehende, der (lat.) actio (F.) praescriptis verbis (Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte) zugewiesene sog. unbenannte Vertrag, der nicht schon nach (lat.) ius (N.) civile (Zivilrecht) klagbar ist, aber vom Prätor allmählich über das Rückgabeverlangen hinaus klagbar gemacht wird. Bei dem I. erbringt jemand eine Leistung und soll deshalb eine Gegenleistung erhalten, obwohl er an sich die Rückgabe erreichen kann. Die vier Fälle des Innominatkontraktes sind (lat.) do, ut des (ich gebe, damit du gibst), do, ut facias (ich gebe, damit du tust), facio, ut des (ich tue, damit du gibst) und facio, ut facias (ich tue, damit du tust). Hierzu zählen (lat. [F.]) permutatio (Tausch), aestimatum (N., Trödelvertrag), contractus mohatrae und dare ad inspiciendum (Übergabe zwecks Prüfung).

Lit.: Kaser §§ 33 I 2, 38 III 3, 45; Köbler, DRG 64; Bucher, E., Der Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95

Innozenz III. (Lothar von Segni) (Gavignano bei Segni 1160/1-Perugia 16. 7. 1216), Grafensohn, wird 1198 Papst und sichert die Stellung des Papstes durch bedeutsame Dekretalen (z. B. Venerabilem).

Lit.: Laufs, M., Politik und Recht bei Innozenz III., 1980; Rainer, J., Innocenz III. und das römische Recht, RHM 25 (1983), 15; Sayers, J., Innocent III., 1994; Papst Innozenz III., hg. v. Frenz, T., 1999; Pope Innocent III and his World, ed. Moore, J., 1999; Innocenzo III, hg. v. Sommerlechner, A., 2003; Moore, J., Pope Innocent III, 2003; Meschini, M., Innocenz III. und der Kreuzzug, DA 16 (2005), 537

Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi) (Genua um 1195-Neapel 7. 12. 1254) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Johannes Teuto­nicus, Azo, Accursius) und kirchlichen Tätigkeiten 1243 im ersten Konklave der Geschichte Papst. Die von ihm erlassenen, in drei Sammlungen zusammengefassten Dekre­talen stehen zwischen (lat.) → Liber (M.) extra (1234) und (lat.) → Liber (M.) sextus (1298). Um 1250 veröffentlicht er einen maßgeblichen Kommentar zum Liber extra (lat. Apparatus [M.] in quinque libros decretalium, Kommentar zu den fünf Büchern der Dekretalen). Mit der Dekretale „Romana ecclesia“ (1245) verbessert er die kirchliche Gerichtsbarkeit. Dogmatisch fördert er die Rechtsfiguren der → juristischen Person (lat. persona [F.] ficta), des → gerechten Krieges (lat. bellum [N.] iustum) und die Fortbildung der Reservatrechte und Dispensrechte des Papstes.

Lit.: Legendre, P., La Pénétration du droit romain dans le droit canonique, Diss. jur. Paris 1964; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 313

Innsbruck (Innbrücke um 1175, urkundliche Ersterwähnung 1187,, 1187-1205 Stadtrecht,  bestätigt 1239, 1420 Residenz der Grafen von Tirol) am mittleren Inn in → Tirol ist seit 1490 Anfangspunkt der ersten modernen Post­verbindung (nach Mecheln bzw. Brüssel) und wird 1669 (bei etwa 6500 Einwohnern) Sitz einer (letzten) von der Gegenreformation geprägten, mehrfach teilweise aufgehobenen Universität.

Lit.: Probst, J., Geschichte der Universität Innsbruck, 1869; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck 1671-1904, FS für den deutschen Juristentag 1904, 101; Wretschko, A., Die Frage der Landstandschaft der Universität Innsbruck, ZRG GA 41 (1920), 40; Matricula philosophica. Erster Teil 1671 bis 1700, hg. v. Huter, F., 1952; Huter, F., Die Anfänge der Innsbrucker Juristenfakultät (1671-1686), ZRG GA 85 (1968), 223; Oberkofler, G., Josef Oberweis, Inhaber der Lehrkanzel für deutsches Privatrecht und deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte mit italienischem Vortrag, ein Beitrag zur Geschichte der Pflege des deutschen Rechts und der Habilitationspraxis an der Innsbrucker Juristenfakultät, ZRG GA 88 (1971), 204; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Oberkofler, G./Goller, P., Geschichte der Universität Innsbruck (1869-1945), 2. A. 1996; Lichtmannegger, S., Die rechts- und staatswissen­schaftliche Fakultät der Universität Inns­bruck 1945–1955, 1999; Goller, P. u. a., Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation von Nazikadern (1945-1950), 2003

Innung ist der freiwillige Zusammenschluss selbständiger Gewerbetreibender eines bestimmten Bezirkes zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen. Das im 13. Jh. erscheinende Wort findet sich vor allem im mittleren Deutschland. Im 19. Jh. wird nach Aufhebung des Zunftzwangs mit der Gewerbe­ordnung vom 21. 6. 1869 auf Drängen der Handwerker die I. wieder eingerichtet.

Lit.: Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens, 1900; Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968

Innviertel ist die zwischen Salzach, unterem Inn, Donau und Salzburg gelegene Landschaft. Sie fällt 1779 von Bayern an → Österreich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Inoue, Kowashi (1843-1895) wird nach dem Studium in Tokio Beamter im Justizminis­terium Japans. Nach Aufenthalten in Frank­reich und Deutschland (Berlin) übersetzt er die Verfassung Preußens in das Japanische und setzt sich für eine (aufgeklärte) Verfassung Japans nach dem Muster Preußens bzw. des Deutschen Reiches ein (Meiji-Verfassung vom 11. 2. 1889).

Lit.: Meiji-kokka keisei to Inoue Kowashi, hg. v. Goin-bunko kenkyûkai, 1992

Inquisition ist allgemein die Untersuchung, besonders das geistliche Gericht zur Verfolgung der Ketzer. Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im ausgehenden Altertum durch Verbote der Gottesdienste, Enteignung der Güter und Androhung der Todesstrafe. Seit 1215/1231/1252 (1215 4. Laterankonzil mit Pflichtbeichte mit der Folge der Herausbildung eines inquisitorischen Prozessrechts für die Beichtpraxis) werden besondere Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von Marburg). Hieraus entwickelt sich wohl der → Inquisitionsprozess, dessen erste Formen in Oberitalien im 13. Jh. sichtbar werden. In ihm hat der Richter im Beisein von mindestens zwei Schöffen die Wahrheit durch I. (Untersuchung, Befragung) zu ermitteln, wozu er den Angeschuldigten in Haft nehmen kann. Zur Erlangung eines Geständnisses darf die → Folter (1252) angewandt werden. In Spanien ist die 1478 von Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón eingesetzte, die Lehre vom verdorbenen Blut verwendende I. eine staatliche, der Sicherung der Rücker­oberung des Landes von den Muslimen dienende, zutiefst korrupte Einrichtung, die sich später auch gegen Lutheraner und jede Aufklärung richtet. Die I. verschwindet im Heiligen römischen Reich nach der Reformation und endet im Übrigen mit der Aufklärung (Frankreich 1772, Spanien 1808/1834, Portugal 1820, Italien 1808/1859).

Lit.: Köbler, DRG 118, 156; Lea, H., Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Neudruck 1997; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition und Hexenwahn im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Guiraud, J., Histoire de l’Inquisition au Moyen-Age, 1935; Leiber, R., Die mittelalterliche Inquisition, 1963; Vermaseren, B., Een bibliografie over de inquisitie, TG 77 (1964), 472; Peters, E., Inquisition, 1988; Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter, hg. v. Segl, P., 1993; Lemm, R., Die spanische Inquisition, 1996; Seifert, P./Pawlik, M., Das Buch der Inquisition, 1999; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Le Livre des sentences de l’inquisiteur Bernard Gui 1308-1323, 2002; Edwards, J., Die spanische Inquisition, 2003; Schwerhoff, G., Die Inquisition, 2004; Römische Inquisition und Indexkongregation, hg. v. Wolf, H., Bd. 1ff. 2005ff.; Siebenhüner, K., Bigamie und Inquisition, 2006; Rawlings, H., The Spanish Inquisition, 2006

Inquisitionsbeweis ist im Mittelalter der Beweis durch eine Untersuchung. Der I. findet sich in merowingischen und karolingischen Quellen.

Lit.: Brunner, H., Zeugen und Inquisitionsbeweis der karolingischen Zeit, 1865

Inquisitionsprinzip → Untersuchungsgrund­satz

Lit.: Sellert, W., Die Bedeutung und Bewertung des Inquisitionsprinzips, FS H. Scupin, 1983, 161

Inquisitionsprozess ist der durch die amtliche Verfolgung und Untersuchung gekennzeichnete Strafprozess. Es ist streitig, ob der I. in Deutschland unabhängig von fremden Einflüssen entstanden oder durch kirchlich-oberitalienische Anregungen veran­lasst ist. Jedenfalls zeigen sich schon seit dem 12. Jh. verschiedene Ansätze zur öffentlichen Klage in peinlichen Sachen. So werden etwa bestimmte Menschen verpflichtet, Unrechts­geschehnisse im Gericht zu rügen. → Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sollen öffentlich verfolgt und wie handhafte Täter durch den Eid des Verletzten und sechser Eidhelfer überführt werden. In der Kirche fügt Papst → Innozenz III. in ein kirchliches Disziplinar­verfahren den von Amts wegen zu erhebenden Beweis der Wahrheit ein und werden Ketzer seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft. Überhaupt wird das Verfahren vor allem auch in den Städten allmählich (z. B. in Frankfurt am Main im 14. Jh.) zu einem einseitigen Verfahren des (öffentlichen) Richters gegen den Verdäch­tigen, in dem der → Richter zur Unrechts­verfolgung verpflichtet ist und sich selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss. Ziel dieser Verfolgungen ist die unbedingte Sühnung von Unrecht, weshalb es stärker als zuvor auf die Ermittlung der tatsächlichen Wahrheit ankommt. Als ihr sicherster Beweis gilt das Geständnis. Um das → Geständnis zu erreichen, darf der verdächtige Beschuldigte durch den Richter und die Folterknechte sowie gegebenenfalls zwei Schöffen der von der Antike bekannten und von daher auch wohl im Frühmittelalter gegenüber Unfreien verwandten → Folter durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte und andere Mittel (Daumenschrauben, Strecken) ausgesetzt werden. Nach dem Geständnis in der Untersuchung beginnt das eigentliche öffentliche Verfahren (sog. → endlicher Rechts­tag), in dem nach der Anklageerhebung der Richter den Beweis der Tat durch das Geständnis oder das Zeugnis zweier Schöffen über das Geständnis führt, am Ende das Urteil verliest und den Stab über den Angeklagten bricht. Sofern die Akten versendet werden, schlägt die angerufene Einrichtung das Urteil vor. Im 19. Jh. wird der etwa in der → Constitutio Criminalis Carolina (1532) und noch der (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (1768) ausführlich geregelte, nunmehr als rechts­staatswidrig angesehene I. allgemein aufge­geben (Österreich 1873) und nur noch vereinzelt (Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hanse­städte) bis zur Reichsstrafpro­zessordnung von 1877/1879 fortgeführt.

Lit.: Köbler, DRG 86, 256; Biener, F., Beiträge zur Geschichte des Inquisitionsprozesses, 1827, Neudruck 1965; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Schmidt, R., Die Herkunft des Inquisitionsprozesses, FS zum 50jährigen Regierungsjubiläum seiner königlichen Hoheit des Großherzogs Friedrich, 1902, 65; Mayer, E., Geschworenengericht und Inquisitionsprozess, 1916; Alfred, K., Die Lehre vom corpus delicti, 1933; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schmidt, E., Der Inquisitionsprozess, FS H. v. Weber, 1964, 33; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitions­prozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Kunze, M., Der Prozess Pappenheimer, 1981; Trusen, W., Der Inquisitionsprozess, ZRG KA 74 (1988), 168; Die Anfänge der Inquisition, hg. v. Segl, P., 1993; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV. Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05; Koch, A., Die gescheiterte Reform des reformierten Strafprozesses, ZID 10 (2009), 548

Inquisitionsverfahren → Inquisition, In­quisitions­prozess

Inschrift ist die Schrift auf nicht hauptsäch­lich der Wiedergabe geschriebener Texte dienenden Gegenständen (z. B. Grabsteinen, Kirchentüren, Holzbalken).

Lit.: Panzer, F., Die Inschriften, 1938; Frölich, K., Deutsche Rechtsinschriften des Mittelalters, ZRG GA 66 (1948), 500; Müller, W., Urkundeninschriften des deutschen Mittelalters, 1975 (73 bis 1525); Koch, W. u. a., Literaturbericht zur mittelalterlichen und neu­zeitlichen Epigraphik (1998-2002), 2005; Koch, W., Inschriftenpaläographie, 2007

Inscriptio (lat. [F.] Inschrift) ist für das spätantike römische Recht die Angabe der Herkunft einer Textstelle (z. B. bei Codex Theo­dosianus [438] und Codex Justinians [534] jeweiliger Kaiser und Empfänger, bei Digesten [533] Verfasser, Werk, Unterglie­de­rung).

Insel ist das von Wasser umgebene Landstück (z. B. Mainau, England, Grönland, nicht mehr Australien, Amerika).

Lit.: Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333

Insidia (F.) verborum (lat.) Prozessgefahr (durch Versprechen oder Verlesen)

Insignien (N.Pl.) Zeichen (von Würde oder Macht) → Reichinsignien, Reichskleinodien

Lit.: Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen, 1964

Insinuation (F.) Bekanntgabe, Vorlage, Zustellung

Insolvenz ersetzt mit dem Ziel der Wahrung wirtschaftlicher Werte in Deutschland zum 1. 1. 1999 den Konkurs.

Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, 2001

Instanz ist die zuständige Stelle. Im → Inquisitionsprozess gibt es die besondere → Instanzentbindung. Im Verhältnis mehrerer Instanzen zueinander besteht der → Instanzenzug.

Instanzentbindung (absolutio [F.] ab instantia [lat.]) ist die im mittelalterlichen Italien (12. Jh., Johannes Andreae) entwickelte, seit 1648 (Brunnemann, Trac­tatus iuridicus de inquisi­tionis processu, Rechtliche Abhandlung über den Inquisitionsprozess) im deutschen Straf­verfahrensrecht aufgenommene, vorläufige Beendigung eines Verfahrens aus Mangel an Beweisen mit der jederzeitigen Möglichkeit des Neubeginns. Von der Aufklärung bekämpft, wird die I. (seit der französischen Revolution von 1789) auch in Deutschland in der Mitte des 19. Jh.s eingeschränkt (Württemberg 1843) oder aufgegeben (Baden 1845, allgemein 1877/1879). Ihre Aufgabe übernimmt die Einstellung des Verfahrens.

Lit.: Allmann, J., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, 1903; Holtappels, P., Die Entwicklung des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000

Instanzenzug ist eine Mehrheit von hierarchisch gestuften behördlichen oder ge­richtlichen Instanzen (Stellen). Nach Ansätzen im römischen Altertum entwickelt sich der I. mit der Ausbildung des Staates seit dem Spätmittelalter. Allgemein wird ein vierstufiger I. der Gerichtsbarkeit in Österreich unter Joseph II. (1780-1790) (Ortsgericht, Kreisamt, Appellationsgericht, Oberste Justizstelle, 1895 Bezirksgericht, Landesgericht bzw. Kreisgericht, Oberlandes­gericht, oberster Gerichtshof) und im Deutschen Reich 1877/1879 (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsge­richt) geschaffen.

Lit.: Köbler, DRG 154; Tille, A., Instanzenzug des kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Institor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Geschäftsführer, für dessen Schulden der Geschäftsherr haftet. Umgekehrt erhält der Unternehmer aus den Forderungen, die sein gewaltfreier kaufmännischer Angestellter er­wirbt, eine (lat.) → actio (F.) utilis.

Lit.: Kaser § 11

Institut (N.) ist seit dem 18. Jh. die Einrich­tung.

Lit.: Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht einiger Institute des Zivilprozess- und Gerichtsver­fassungs­rechts, 1986

Institutes of the Laws of England (Einrichtungen der Gesetze Englands) ist der Titel des Hauptwerkes Sir Edward → Cokes (1551-1633). Der erste Teil der I. o. t. L. o. E. ist ein gründlicher Kommentar zu → Les Tenures Sir Thomas → Littletons (1480). Die Teile 2 bis 4 betreffen ältere statutes, Strafrecht und Gerichtsverfassung.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Institutionen ist schon im klassischen römischen Recht die Bezeichnung für die (Lehrbücher über die) Einrichtungen des Rechtes. Als I. herkömmlicherweise geführt wird das (lat. [M.Pl.]) commentarii betitelte elementare, von den Zeitgenossen kaum gewürdigte Einführungs­werk in (4 Büchern und) insgesamt 98 Titeln des Gaius (159?, 161 n. Chr.), das die grundlegende systematische, der griechischen Gegenüber­stellung von Menschen (Personen) und Sachen folgende Einteilung des Rechtsstoffes in (lat.) personae (F.Pl., Personen), (zwei Bücher) res (F.Pl., Sachen), actiones (F.Pl., Klagansprüche) überliefert und das römische Zivilverfahren am klarsten darstellt. Andere Institutuinen werden von Marcian, Florentin oder Ulpian verfasst. Unter dem oströmischen Kaiser → Justinian erscheint 533 ein ebenfalls in vier Bücher geteiltes, auf Gaius gegründetes amtliches, als Gesetz erlassenes Ein­führungsbuch I. (lat. [F.Pl.] institutiones) (, aus dem nach Buch, Titel und Paragraph zitiert wird, z. B. I. 2,1,30). In Parallele hierzu werden vor allem im 19. Jh. unter dem Titel I. auch Lehrbücher (zum römischen Recht) bzw. unter dem Titel I. des deutschen Privatrechts auch Lehrbücher zum deutschen Privatrecht vorgelegt.

Lit.: Söllner §§ 12, 16, 22; Köbler, DRG 30, 54; Schneidewin, J., In quatuor institutionum imperialium D. Iustiniani libros commentarii, 1575, Neudruck 2004; Heus­ler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 1f. 1885f.; Sohm, R./Mitteis, L./Wenger, L., Institutionen. Geschichte und System des römischen Privatrechts, 17. A. 1923, Neudruck 1949; Seckel, E./Kübler, B., Gai institutionum commentarii quattuor, 8. A. 1939; Luig, K., Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18. Jahrhundert, Ius commune 3 (1970), 64; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionen­systems, ZRG RA 70 (1973), 93; Institutionen, übers. v. Behrends, O. u. a., 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2007; Meincke, J., Die Institutionen Iustinians, JZ 1997, 14; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1f. 1997ff.; Institutionen, Instrumente und Akteure sozialer Kontrolle und Disziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, 1999; Institutionen und Ereignis, hg. v. Blänkner, R. u. a., 1998; Mager, U., Einrichtungsgarantien, 2003; Institutionen, hg. und übers. v. Manthe, U., 2004; Forrez, R., Cupidae legum iuventuti, 2009

Institutionensystem ist das im späten Naturrecht (Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) den privatrechtlichen Stoff nach dem Vorbild der → Institutionen des Gaius in Personen, Sachen, Klagansprüche einteilende System. Es wird im 19. Jh. (→ Heise 1807) vom → Pandektensystem (Personen bzw. Allge­meines, Schulden, Sachen, Familie, Erbe) abgelöst.

Lit.: Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG GA 42 (1921), 578; Wieacker, F. Griechische Wurzeln des Institutionen­systems, ZRG RA 70 (1953), 93

Instruktionsmaxime ist im Strafverfahrens­recht der Grundsatz, dass sich der Richter selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss.

Lit.: Köbler, DRG 117

Instrumenta (N.Pl.) dotalia (lat.) ist im spätrömischen Recht die Mitgifturkunde.

Lit.: Kaser §§ 58, 59

instrumentum (lat. [N.]) Urkunde, Zubehör, Notariatsinstrument (z. B. instrumentum pacis Monasteriense bzw. Osnabrugense, Westfä­lischer Friedensvertrag von Münster und Osnabrück)

Lit.: Kaser § 7; Köbler, DRG 43

Intabulation (F.) Eintragung in eine Tafel bzw. in das Grundbuch

Integration (F.) Herstellung eines Ganzen

Integrationslehre ist die von Rudolf → Smend (1882-1975) begründete Lehre vom in der Integration bestehenden Wesen des → Staates.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blessing, W., Staatsintegration als soziale Integration, Z. f. bay. LG. 41 (1978), 633

Intentio (lat. [F.]) ist im römischen Zivilprozessrecht der erste Satz der Klagformel, der zur Beschreibung des Begehrens den Grund der möglichen Verur­teilung und die geforderte Leistung enthält. (z. B. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio sestertium x milia dare oportere, wenn sich ergibt, dass N. N. dem A. A. 10000 Sesterzen geben muss).

Lit.: Kaser § 83 I 3a; Söllner § 9

Inter armas silent leges (lat.). Wo die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43 v. Chr., Silent leges inter arma.)

Intercessio (lat. [F.] Dazwischentreten) ist im römischen Schuldrecht das Dazwischentreten im Sinne des Eingehens von Verbindlichkeiten im Interesse Dritter (z. B. Bürgschaft, Darlehen, Ver­pfändung, Schuldübernahme durch Novation). Ein (lat.) → senatusconsultum (N.) Vellaeanum aus der Mitte des 1. Jh.s n. Chr. verbietet Frauen die i. Es begründet eine Einrede gegenüber einer aus dem an sich gültigen Rechtsgeschäft erhobenen Forde­rung. Das Verbot der i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter über­nommen (Codex Maximilianeus Bava­ricus civilis 1756, Allgemeines Landrecht 1794), seit dem 19. Jh. aber aufgegeben (ABGB, BGB).

Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 6; Köbler, DRG 44; Mönnich, U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999

Interdictio (lat. [F.]) Untersagung (z. B. im mittelalterlichen Kirchenrecht seit dem 10. Jh. die I. des Rechts auf geistliche Güter oder der Vornahme einer kirchlichen Handlung in einem bestimmten Gebiet)

Lit.: Krehbiel, E., The Interdict, 1909

Interdictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht ein Verbot des Prätors zur Sicherung von Rechtslagen. Dazu gebietet der Prätor vor allem die Wiederherstellung einer früheren Lage oder verbietet störendes Verhalten für die Zukunft. DIe Verletzung eines i. wird auf Grund einer Klage überprüft.

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 25, 33, 40

Interdictum (N.) de arboribus caedendis (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz bei Entfernung von Überhang.

Lit.: Kaser § 23 III 1

Interdictum (N.) de glande legenda (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz beim Einsammeln von Früchten.

Lit.: Kaser § 23 III 2

Interdictum (N.) de migrando (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Wohnungsmieters beim Verlassen der Woh­nung auf Freigabe seiner Sachen nach Er­füllung der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietvertrag.

Lit.: Kaser § 31 III 6

Interdictum (N.) de precario (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Rückgabe einer aus der Bittleihe (lat. [N.] precarium) erlangten Sache.

Lit.: Kaser § 21 II 2

Interdictum (N.) de vi armata (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen Störung des Besitzes mit Waffengewalt.

Lit.: Kaser § 21 II 2

Interdictum (N.) quam hereditatem (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz zwecks Herausgabe einer Erbschaft gegen einen die Einlassung auf die Erbschaftsherausgabeklage verweigernden Erbschaftsbesitzer.

Lit.: Kaser § 75 I 4

Interdictum (N.) quem fundum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Herausgabe eines Grundstücks, das ein Kläger heraus­verlangen will, an jeden, der das Grundstück besitzt oder den Besitz arglistig aufgegeben hat.

Lit.: Kaser § 27 I 5

Interdictum (N.) quem usumfructum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl, sich auf eine Klage zum Schutz des Frucht­ziehungsrechtes einzulassen.

Lit.: Kaser § 29 I 5

Interdictum (N.) quod vi aut clam ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen heimliche oder gewaltsame Arbeiten auf einem Grundstück.

Lit.: Kaser § 23 III 9

Interdictum (N.) quorum bonorum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Erbschaftsbesitzers.

Lit.: Kaser § 75 II

Interdictum (N.) Salvianum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des Verpächters bei der besitzlosen, der Sicherung der Pachtzinsansprüche dienenden Verpfän­dung von Inventar eines Pächters an den Verpächter.

Lit.: Kaser § 31 III 6a

Interdictum (N.) unde vi (lat.) ist das Besitzstörungsverfahren gegen gewaltsame Eindringlinge.

Interdictum (N.) uti possidetis ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer eines Grundstücks.

Lit.: Kaser §§ 21 II 1a, 32 III 4

Interdictum (N.) utrubi (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer einer beweglichen Sache.

Lit.: Kaser § 21 II 1b

Interdikt → interdictio, → interdictum

Interdiktenbesitz ist im römischen Recht der nach prätorischem Recht gegen eigenmächtige Entziehung oder Störung durch ein (lat. [N.]) → interdictum geschützte → Besitz (lat. [F.] possessio). I. haben Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger und Sequester.

Lit.: Kaser § 19 IV

Interesse ist der Umfang eines zu ersetzenden Schadens. Das I. geht auf die römischrechtliche Wendung (lat.) quod interest zurück (z. B. Wert einer nicht geleisteten Sache, Minderwert einer mangelhaften Sache, Verzugsschaden, Kosten eines Ersatzgeschäfts, entgangener Gewinn). Im 20. Jh. (→ Interessenjurisprudenz) ist I. auch die bloße Zielsetzung oder Begehrensdisposition eines abstrakt oder konkret Beteiligten.

Lit.: Söllner § 9; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 305; Wieling, J., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, H., Herkunft und Kritik des Interessebegriffs, JuS 1973, 69

Interessenjurisprudenz ist die methodische Richtung in der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass wegen der Lücken­haftigkeit der Rechtsordnung der Richter sein Urteil nicht logisch ableiten kann, sondern als wertende Entscheidung eines Konfliktes abgeben muss. Sie geht auf (Rudolf von Ihering [1818-1892] und) den Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler Philipp → Heck (1858-1943) (Gesetzes­auslegung und Jurisprudenz, 1914) zurück. Heck stellt dabei auf den sozialen Konflikt der in den einzelnen Fällen beteiligten Interessen ab. Der Richter habe sich zunächst der vom Gesetzgeber in den gesetzlichen Regeln abstrakt gefassten Ent­scheidungen der Konflikte und der dabei getroffenen Wertungen der beteiligten In­teressen oder Begehrensdispositionen zu bedienen. Dazu müsse er bei der Anwendung des Gesetzes auf den streitigen Fall den zu Grunde liegenden Konflikt interessenglie­dernd herausarbeiten und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen nach der gesetz­lich höher bewerteten Konfliktlösungs­regel entscheiden.Erst dann, wenn er keine (analog) anwendbare abstrakte Interessenbe­wertung auffinde (Gesetzeslücke), dürfe er selbst so entscheiden, wie der Gesetzgeber vermutlich entscheiden würde.

Lit.: Köbler, DRG 228; Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; Wieacker, F., Privat­rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Edelmann, J., Die Entwicklung der Interessenjurispru­denz, 1967; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001; Auer, M., Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP 2008, 517

Interimsschein

Lit.: Simon, H., Die Interimsscheine, 1913

Interlinearglosse (F.) ist die zwischen den Zeilen eingetragene Erklärung (Glosse)

Internationale kriminalistische Vereini­gung ist die von Franz von → Liszt begründete Vereinigung von Strafrechtlern (1889-1933).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bellmann, E., Die Internationale Kriminalistische Vereinigung, 1994

Internationaler Gerichtshof ist der 1946 als Nachfolger des ständigen Internationalen Gerichtshofes des Völkerbundes gegründete Gerichtshof der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag und einer Besetzung durch 15 haupt­amtliche Richter, der Rechtsstreitigkei­ten zwischen Staaten auf Grund des Völker­vertragsrechts, des Völkergewohnheitsrechts und der von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechts­grundsätze entscheidet und bis 2006 92 Urteile gefällt und 25 Gutachten (ohne Vollstreckungsmög­lichkeit) erstattet hat.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, § 50 VI; Fifty Years of the International Court of Justice, hg. v. Lowe, V., 1996

Internationaler Strafgerichtshof ist der durch Vertrag als Folge der Kriegsverbrecherprozesse gegen Deutsche, Ruander und Jugoslawen 1998 vereinbarte Strafgerichtshof für Kriegsver­brechen.

Lit.: Ferencz, B., Von Nürnberg nach Rom, 1998; Ahlbrecht, H., Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, 1999; Kemper, G., Der Weg nach Rom, 2004; Mangold, C., Die völkerrechtliche Verfolgung von Individuen durch internationale Strafgerichtshöfe, 2007

Internationales Privatrecht ist das Sach­verhalte mit Auslandsberührung betreffende staatliche (nationale) Privatrecht. Das römi­sche Recht bietet hierzu nur wenige Ansätze. Nach dem frühmittelalterlichen, auf das jeweilige Volk bezogenen Personalrecht gilt zu Beginn der Territorialisierung des Rechtes der Grundsatz des Ortsrechts (lat. lex [F.] loci) des entscheidenden Richters, den → Accursius (1228) und → Azo mit römischen Quel­lenbelegen rechtfertigen. Unter den Kom­mentatoren (Jacobus Balduini, Albericus de Rosate) wird dies auf das Verfahrensrecht eingeschränkt, das materielle Recht dagegen hiervon ausgenommen und besonderen Kollisionsnormen oder Verweisungsnormen unter­worfen, die auf der Grundlage der römischrechtlichen Gerichtsstandsregeln ent­wickelt werden. Demgegenüber setzt sich zu Beginn der Neuzeit die Statutentheorie (Bartolus, d’Argentré) durch, die (lat.) statuta (N.Pl.) personalia (Personalstatute), (lat.) statuta (N.Pl.) realia (Realstatute) und (lat.) statuta (N.Pl.) mixta (gemischte Statute) unterscheidet und damit in erster Linie auf das innerstaatliche Recht abstellt. Zu Beginn des 19. Jh.s bewirkt Savigny die Rückkehr zu den Kollisionsnormen d. h. dem für das einzelne Rechtsverhältnis maßgeblichen Recht (Sitz des Rechts­verhältnisses). Auf dieser Grund­lage entsteht in der Mitte des 19. Jh.s eine eigentliche Wissenschaft des internationalen Privatrechts, deren Ergebnisse Eingang finden in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands (1900). Im ausgehenden 20. Jh. wird das einzelstaatliche internationale Privatrecht in Deutschland (25. 7. 1986), Österreich (1978) und der Schweiz (1989) neu gefasst.

Lit.: Köbler, DRG 274; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff., Bd. 8 1849, Neudruck 1956; Neumayer, K., Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis Bartolus, Bd. 1 1901, Neudruck 1969, Bd. 2 1916; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts, 1923; Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Hermann, G., Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Hartwieg, O./Korkisch, F., Die geheimen Materialien zur Kodifikation, 1973; Kropholler, J., Internationales Einheitsrecht, 1975; Gutzwiller, M., Geschichte des Internationalprivat­rechts, 1977; An­hauser, V., Das internationale Obligationenrecht, 1986; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 1f., hg. v. Bar, C. v. u. a., 1995ff.; Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Koskenniemi, M., The gentle civilizer of nations. The rise and fall of international law 1870-1960, 2001; Guddat, T., Ein europäischer Jurist des 19, Jahrhunderts – Jean-Jacques G. Foelix, 2006

Internierungslager (Freiheitsbeschränkungslager im Landes„in­neren“)

Interparlamentarische Union ist die 1888 in Paris gegründete nichtstaatliche internationale Vereinigung von Abgeordneten verschiedener Parlamente mit Sitz in Genf.

Lit.: Uhlig, R., Die Interparlamentarische Union 1889-1914, 1988

Interpolation ist die abändernde und damit wohl oft verfälschende Einschaltung von Wörtern oder Sätzen in den ursprünglichen Wortlaut eines Textes, insbesondere im Rahmen der die Schriften der klassischen Rechtskundigen verwertenden Gesetz­gebungstätigkeit Justinians (z. B. Ersetzung von [lat. F.] mancipatio durch [lat. F.] traditio). Seit der Neuzeit (Humanismus, lat. mos Gallicus) versucht die Wissenschaft die Ermittlung der Interpolationen, um frühere Textstufen und spätere Veränderungen sachgerecht zu scheiden. Im Einzelnen sind die Ergebnisse vielfach umstritten.

Lit.: Kaser § 1 II 3; Söllner §§ 3, 16, 24; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationen­forschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979

interpretatio (lat. [F.]) Auslegung, → Interpretation

Interpretation ist die → Auslegung von Gedankenerklärungen. Die juristische I. beginnt bereits im altrömischen Recht am Zwölftafelgesetz durch die Priesterschaft. Aus der ursprünglichen Geheimwissenschaft ent­wickelt sich nach der Veröffentlichung der zunächst nur den Priestern vertrauten Ver­fahrensformeln (304 v. Chr.) eine weltliche Rechtsunterweisung mit Aufsetzen von Formularen, Beratung und Gutachtener­teilung, deren Kern die I. ist. Mit der Aufnahme des römischen Rechts im Mittelalter wird auch die I. aufgenommen, wobei es am Beginn der Neuzeit im sog. (lat.) → mos (M.) Gallicus um die bessere I. besserer Texte geht.

Lit.: Söllner §§ 7, 9; Köbler, DRG 31; Kaser, M./Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulus­sentenzen, 1956; Behrend, O., Die fraus legis, 1982; Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, hg. v. Schröder, Jan, 2001

Interregnum ist die zwischen zwei Königsherrschaften liegende Zeit, insbesondere die im deutschen Reich zwischen (1250 bzw.) dem Aussterben der → Staufer (1254) und der Wahl Graf Rudolfs von → Habsburg zum deutschen König (1273) liegende Zeit, in der sich kein gewählter Herrscher durchsetzen kann und die Landesherren zu Lasten des Reiches erstarken. Das I. trennt Hoch­mit­tel­alter und Spätmittelalter vonei­nan­der. Daneben ist I. auch allgemeiner die Zeit zwischen der Herrschaft eines Menschen und der Herrschaft seines Nachfolgers.

Lit.: Köbler, DRG 95; Triepel, H., Das Interregnum, 1892; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Kaufhold, M., Deutsches Interregnum und europäische Politik, 2000; Kaufhold, M., Interregnum, 2002, 2. A. 2007; Kirk, M., Die kaiserlose, die schreckliche Zeit, 2002

Intertiatio (lat. [F.]) ist der Zug auf einen Gewähren im Frühmittelalter (6. Jh.). Danach muss, wenn sich bei Spurfolge der Besitzer einer abhandengekommenen beweglichen Sache auf seinen Gewähren (lat. tertia manus [F.]) beruft, der Spurfolger geloben, die Sache vor das Ding zu bringen, ehe er sie in Besitz nehmen darf. Beansprucht er außerhalb der Spurfolge die Sache, so muss der Besitzer schwören, dass er seinen Gewähren zum Ding bringen werde.

Lit.: Hübner, 437; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Andreae, F., Die Intertiatio im fränkischen Fahrnisprozesse, ZRG GA 33 (1912), 129

Intervenient (M.) „Dazwischenkommender“

Lit.: Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970

Interzession → intercessio (lat. [F.])

Intestaterbe ist im römischen Recht der ohne → Testament zur Erbfolge berufene Mensch. Dies ist der → Hauserbe und danach der Außenerbe (sowei hilfsweise anfangs der Gentile, später die Allgemeinheit). Das dem altrömischen Recht folgende prätorische Recht fasst die präto­rischen Erben in mehrere (4), hintereinander berufene Klassen zusammen. Dem I. entspricht später der gesetzliche Erbe.

Lit.: Kaser §§ 65, 66; Söllner § 12; Köbler, DRG 38; Merkel, J., Die Lehre von der successio graduum unter Intestaterben, 1876; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957

introitus (lat. [M.]) Eintritt → Immunität

Invaliditätsversicherung ist die in Deutschland 1884 zwecks Entschärfung sozialer Schwierigkeiten durch Gesetz geschaffene → Sozialversicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit. Zur Organisation werden besondere Versicherungsanstalten eingerichtet. Der Invalide erhält eine Rente.

Lit.: Stolleis, M., Die Sozialversicherung Bismarcks, (in) Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, 1979, 387; Rückert, J., Entstehung und Vorläufer der gesetzlichen Rentenversicherung, (in) Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, 1

Inventar (lat. [N.] inventarium) ist eine Gesamtheit von Gegenständen und ein über dieses geführtes Verzeichnis. Im spätantiken römischen Recht führt Justinian 531 die Wohltat des Inventars (lat. beneficium [N.] inventarii) ein, wonach der, welcher innerhalb bestimmter Fristen ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände erstellt, die Haftung für die Erbschaftsschulden auf die Nachlass­gegenstände beschränken und damit von seinem bereits vor dem Erbfall vorhandenen Vermögen fernhalten kann. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch das I. in diesem Sinne aufgenommen.

Lit.: Kaser §§ 62 III, 74 II; Köbler, DRG 59; Mely, F. de/Bishop, E., Bibliographie générale des inventaires imprimés, Bd. 1ff. 1892ff.; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 600

inventarium (lat. [N.]) → Inventar

Investitor (M.) Einkleider, Einweiser (Bologna 1057)

Investitur ist im Mittelalter die förmliche, die unsichtbaren Rechtsvorstellungen (z. B. Eigentum, Lehen) äußerlich sichtbar machende Bekleidung mit einem Amt oder einem Recht. Ob sie germanischer Herkunft ist, ist zweifelhaft. Lat. vestire, investire im Sinne des Bekleidens mit einem (an sich unsichtbaren) Recht scheint eher aus der spätantiken Kirche zu kommen. Auch das Verhältnis zu einem vorangehenden Geschehen (ahd. sala, lat. [F.] traditio) ist ungewiss. Als Symbole der den Übergang der → Gewere bewirkenden I. werden Halm, Zweig, Scholle, Ring, Kreuz, Lanze, Fahne und anderes verwendet.

Lit.: Hübner 258, 366; Köbler, DRG 90; Köbler, LAW; Mayer, E., Die Einkleidung im germanischen Rechte, FS Adolf Wach, 1913; Mayer, E., Zur Einkleidung (Gewere), ZRG GA 35 (1914), 431; Mayer, E., Zur Lehre von der Einkleidung, ZRG GA 36 (1915), 439; Visconti, A., Su alcune „notitiae investiturae“ contenute nel Codice diplomatico Lombardo, Annali della R. Università di Macerata 6 (1930); Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1957; Müller, W., Ein Auflassungs- und Investitursymbol des Klosters St. Gallen, 1972; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Quellen zum Investiturstreit, Teil 1 Ausgewählte Briefe Papst Gregors VII. übersetzt v. Schmale, Franz-Josef, 1978; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004

investitura (lat. [F.]) Einkleidung, → Investitur

Investiturstreit ist der aus → Immunität und ottonisch-salischem → Reichskirchensystem er­wachsene, 1075 zwischen dem Salier Heinrich IV. und Papst Gregor VII. anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand ausgebrochene Streit um die Bekleidung (→ Investitur) von Laien mit kirchlichen Ämtern (Bistümern, Abteien). Hier verbündet sich der Papst mit deutschen Fürsten gegen den König, doch gelingt diesem 1077 mit dem Reue bezeugenden Gang nach → Canossa die Lösung vom Bann. Mit dem → Wormser Kon­kordat kommt es 1122 zu einem vorläufigen Ausgleich.

Lit.: Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913; Schmeidler, B., Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im Investiturstreit, 1927; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Blumenthal, U., Der Investiturstreit, 1982; Hartmann, W., Der Investiturstreit, 2. A. 1996; Laudage, J., Greforianische Reform und Investiturstreit, 1993; Englberger, J., Gregor VII. und die Investiturfrage, 1996; Goez, W., Kirchenreform und Investitur­streit, 1996; Golinelli, P., Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, 2000, 2. A. 2008; Der Investiturstreit, hg. v. Laudage, J. u. a., 2. A. 2006

Inzest (M.) Blutschande

Lit.: Mikat, P., Die Inzestgesetzgebung der merowingisch-fränkischen Konzilien, 1994; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1996, 1998; Siegel, E., Inzest, 1999; Jarzebowski, C., Inzest, 2005; Karst, S., Die Entkriminalisierung des § 172 StGB, 2009

Inzichtverfahren ist im Mittelalter ein zwischen Zivilverfahren und Strafverfahren stehendes besonderes Leumundsverfahren, das seit dem 16. Jh. im → Inquisitionsprozess auf­geht.

Lit.: Müller, R., Studien zum Inzichtverfahren nach bayerischen Quellen, 1939, Neudruck 1970

Ipso iure compensatur (durch das Recht selbst wird aufgerechnet) ist eine im Codex Justinians (C. 4, 31, 14 pr) enthaltene Rechtsregel, welche die Entbehrlichkeit einer eigenen Aufrechnungserklärung ausspricht (anders § 388 BGB).

Iran

Lit.: Gronke, M., Geschichte Irans, 2003

Irland ist der westlich Englands gelegene, nordwesteuropäische Staat, der seit 1973 der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) angehört. Seit der zweiten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. wandern Kelten in die bereits besiedelte Insel ein. Um 450 n. Chr. werden die Bewohner christianisiert. 1171/1172 greift der König von England auf I. aus. 1534 beginnt er mit der Unterwerfung und nennt sich 1541 König von I. Im Norden setzt sich der englische Einfluss und damit auch die protestantische Religion durch. Seit dem Ende des 18. Jh.s gibt es so gut wie kein selbständiges irisches Privatrecht mehr. 1801 wird ein gemeinsames Parlament eingerichtet. Am 6. 12. 1921 wird die Loslösung Irlands (ausgenommen Nord­irland) von Großbritannien vertraglich vereinbart. Das irische Recht ist englisch geprägt, wird aber seit 1922 durch Gesetze ergänzt. Im Gegensatz zu England hat I. eine formelle Verfassung.

Lit.: Studies in early Irish law by Thurneysen, R. u. a., 1936; Szövérffy, J., Irisches Erzählgut im Abendland, 1957; Hand, G., English Law in Ireland 1290-1324, 1967; Beckett, J., Geschichte Irlands, 1971; Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982; Irland und Europa, 1984; A new history of Ireland, hg. v. Cosgrave, A., 1987; Lee, J., Ireland 1912-1985, 1989; Elvert, J., Geschichte Irlands, 1993; Croinin, D., Early Medieval Ireland, 1995; Irland und Europa im frühen Mittelalter, hg. v. NiChatháin, P. u. a., 1996; Richter, M., Irland im Mittelalter, 1996; Maurer, M., Kleine Geschichte Irlands, 1998; Richter, M., Ireland and her Neighbours, 1999; Charles-Edwards, T., Early Christian Ireland, 2000; Noetzel, T., Geschichte Irlands, 2003; Breuer, R., Irland, 2003; Braun, N., Terrorismus und Freiheitskampf, 2003; Richter, M., Irland im Mittelalter, 2003; Holthusen, C., Der Nordirlandkonflikt, 2005; Flanagan, M., Irish Royal Charters, 2005; Osborough, W., Recent writing on modern Irish legal history, ZNR 2008, 93

Irnerius (Guarnerius, [eigenhändig wohl immer] Wernerius) (1060?-1125?) ist der erste bedeutende Vertreter der durch Wiederbehandlung der → Digesten Justinians (530/3) veranlassten, durch die zunehmende Schulung in den freien Künsten (lat. artes [F.Pl.] liberales) ermöglichten und im Ergebnis wohl auch gewissen praktischen Bedürfnissen ent­sprechenden rechtswissen­schaftlichen Litera­tur des Mittelalters. Ver­mutlich erteilt I. zuerst Unterricht in den freien Künsten und behandelt dabei im Rahmen der Rhetorik auch das Recht. Danach versieht er bei scholastischer Interpretation fast die gesamten justinianischen Rechtstexte (Digestum vetus, → Codex, → Institutiones) mit mehreren tausend nur teilweise erhaltenen Glossen (lat. Ap­paratus [M.] glossarum, Sigle Y bzw. G). Außerdem fertigt er die → Authenticae an und verfasst vielleicht eine kurze → Distinktion. Zwischen dem 28. 6. 1112 und dem 10. 12. 1125 ist er als (lat. [M.]) causidicus (1112, 1113) der Markgräfin Mathilde von Tuszien und (lat. [M.]) iudex (1116-1118) Kaiser Heinrichs V. bezeugt. 1119 wird er (wahrscheinlich) exkom­muniziert.

Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 105; Pescatore, G., Die Glossen des Irnerius, 1888, Neudruck 1968; Besta, E., L’opera d’Irnerio, 1896, Neudruck 1980; Nörr, D., Zur Herkunft des Irnerius, ZRG RA 82 (1965), 327; Weigand, R., Die Naturrechtslehre, 1967; Spagnesi, E., Wernerius bononiensis iudex, 1970; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 154; Fried, J., auf Bitten der Gräfin Mathilde, (in) Europa an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert, hg. v. Herbers, K., 2001

Irrtum (lat. [M.] error) ist das Ausei­nanderfallen von Vorstellung eines Handelnden und Wirklichkeit. Im römischen Recht ist der I. ein Fall von fehlender Willensüberein­stimmung, so dass er (als I. über Vertragspartner, Gegenstand, Preis oder Vertragstyp) keinen Vertrag entstehen lässt. In der byzantinischen und mittelalterlich-römischen Rechtswissen­schaft schließt auch der I. über die tatsächlichen Eigenschaften des Ge­schäftsgegenstands die Bindung aus, wobei es später darauf ankommt, dass der Irrtum für die Vornahme des Geschäfts ursächlich ist. Im frühneuzeitlichen gemeinen Recht werden als Fallgruppen der Irrtümer Geschäftsort, Geschäftsgegenstand, Geschäftsgegner und Ge­schäftsbezeichnung unterschieden. Das Vernunftrecht hält den I. teils grundsätzlich für unbeachtlich (Kreittmayr), teils grundsätz­lich für bedeutsam (Allgemeines Landrecht 1794). Im 19. Jh. wird teils auf den Willen abgestellt (Willenstheorie, Savigny), teils auf die Erklärung (Erklärungstheorie). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) werden die Vorzüge beider Ansichten in einem komplizierten Geflecht verbunden. Unter Berufung auf einen I. kann das zustandegekommene Geschäft nachträglich angefochten und damit grundsätzlich beseitigt werden. Im 19. Jh. erscheint der I. als allgemeine Figur auch im allgemeinen Teil des Strafrechts.

Lit.: Kaser § 8 I; Hübner; Köbler, DRG 43, 165, 204, 208; Engelmann, W., Irrtum und Schuld nach der italienischen Lehre und Praxis des Mittelalters, 1922, Neudruck 1975; Haupt, P., Die Entwicklung der Lehre vom Irrtum, 1941; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Kramer, E., Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998; Schermaier, M., Europäische Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, ZEuP 1998, 60; Ranieri, F., Kaufrechtliche Gewährleistung und Irrtumsproblematik, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 207; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums, 2000; Löhnig, M., Die Entstehung des Irrtumsrechts im Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 120 (2003), 200; Harke, J., Irrtum über wesentliche Eigenschaften, 2003

Isidor von Sevilla (Cartagena um 560-Sevilla 4. 4. 636), aus hispanorömischer Familie, Bischof von Sevilla, stellt in seinen (lat. [F.Pl.]) Etymologiae (bzw. Origines) das Wissen seiner Zeit in 20 Büchern dar. Durch die weite Verbreitung dieses Werkes werden zahlreiche römische Rechtsbegriffe schon im Frühmittelalter vermittelt (z. B. lat. ius Recht, lex Gesetz, consuetudo Gewohnheit, mos Sitte, ius civile römisches Recht, Zivilrecht, ius gentium Fremdenrecht, Völkerrecht, ius naturale Naturrecht). Isidors von Gregor dem Großen beeinflusstes Werk Sententiae (Urteile, Sentenzen) (mehr als 500 erhaltene mittelalterliche Handschriften) wirkt mit seinen theologischen Definitionen stark auf Florilegien, Summen und Kirchenrechts­samm­lungen ein.

Lit.: Etymologiae, hg. v. Lindsay, W., 1911; Isidoro di Siviglia, hg. v. Fontaine, H., Bd. 1ff. 1962ff.; Diesner, H., Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien, 1977; Fontaine, J., Isidore de Séville, 2000

Islam ist die von → Mohammed (Mekka um 569-Medina 8. 6. 632) gestiftete Weltreligion (des alleinigen Gottes Allah), deren Anhänger sich Muslime (die sich Gott unterwerfen) nennen. Noch im 7. Jh. dehnt sich der I. von Arabien bis zum Nordwesten Afrikas aus. Seit 711 wird Spanien gewonnen. Im 10. Jh. werden die Türken im Herzen Asiens bekehrt, im 11. Jh. Teile Indiens. 1258 fällt Bagdad an die Mongolen. 1453 wird Byzanz von den Türken erobert und der I. auf dem Balkan verbreitet. Im 16. Jh. gelangt der I. nach Indonesien, im 20. Jh. in weitere Teile Afrikas. Der I. ist Gesetzesreligion, weshalb schon der Koran für alle Lebensbereiche Rechtsvorschriften festlegt. Hinzu kommt das überlieferte Handeln Mohammeds. Hieraus entsteht durch islamische Rechtsgelehrte eine Pflichtenlehre (→ Saria, Scharia). Im 16. Jh. wird im osmanischen Reich der Richter darüber hinaus den Anweisungen des Sultans unterstellt.

Lit.: Horster, P., Zur Anwendung des islamischen Rechts im 16. Jahrhundert, 1935; Enzyklopädie des Islam, Bd. 1f. 2. A. 1960ff.; Coulson, N., A History of Islamic Law, 1964; The Cambridge History of Islam, 1970; Lexikon der islamischen Welt, hg. v. Kreiser, K. u. a., Bd. 1ff. 1974; Watt, M./Welch, A., Der Islam, 1980; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1982; Abu-Ghosh, S., Das islamische Unterhaltsrecht nach al-Kasani, 1989; Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, (in) Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170; Motzki, H., Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, 1991; Khoury/Hagemann/­Heine, Islam-Lexikon, Bd. 1ff. 1991; Der politische Islam, hg. v. Schwarz, J., 1993; Coulson, N., Histoire du droit islamique, 1995; Der Islam in der Gegenwart, hg. v. Ende, W. u. a., 4. A. 1996; Scholz, P., Malikitisches Verfahrensrecht, 1997; Endreß, G., Der Islam, 3. A. 1997; Oßwald, R., Pactane sunt servanda, 1998; Nagel, T., Die islamische Welt bis 1500, 1998; Schneider, I., Kinderverkauf und Schuldknechtschaft, 1999; Der Islam in Europa, hg. v. Heuberger, V., 1999; Arkoun, M., Der Islam, 1999; Halm, H., Der Islam, 5. A. 2004; Cardini, F., Europa und der Islam, 2000; Beiträge zum islamischen Recht, Bd. 1ff., hg. v. Ebert, H. u. a., 2000ff.; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2001; Tibi, B., Einladung in die islamische Geschichte, 2001; Motzki, H., The origins of islamic jurisprudence, 2002; Bihl, W., Islam, 2003; Möhring, H., Warum verlor die islamische Kultur ihre führende Stellung? HZ 277 (2003), 655; Krämer, G., Geschichte des Islam, 2005; Lohlker, R., Bibliographie des islamischen Rechts, 2005; Endreß, G., Der Islam in Daten, 2006; Heine, P., Einführung in die Islamwissenschaft, 2008; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2008

Island ist der auf der zweitgrößten Insel Europas gebildete nordwesteuropäische Staat. I. ist seit dem 4. Jh. n. Chr. bekannt und wird am Anfang des 9. Jh.s durch iroschottische Mönche und um 875 durch Wikinger (Normannen) besiedelt. 930 erscheint das Allthing. 1000 wird I. christlich. Trotz karger natürlicher Gegebenheiten entwickeln sich hohe literarische Kultur und vorbildliche Armenfürsorge. 1262 erhält der König von → Norwegen durch Vertrag die Herrschaft. 1380 fällt I. mit Norwegen an → Dänemark, das 1550 die Reformation durchsetzt. 1918 wird I. von Dänemark unabhängig. 1944 wird I. Republik.

Lit.: Finsen, V., Om de oprindelige Ordning af nogle af den islandske Fristats Institutioner, 1888; Boden, F., Die isländische Regierungsgewalt in der freistaatlichen Zeit, 1905; Haff, K., Die wiederaufgefundene „Descriptio Islandiae“, ZRG GA 50 (1930), 389; Midderhoff, H., Thinggericht und Zwölferspruch in Altisland, ZRG GA 77 (1960), 26; Scovazzi, M., La saga di Hrafnkell, 1960; Scovazzi, M., Il diritto islandese nella Landnámabók, 1961; Paulsen, P., Drachenkämpfer, 1966; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Kuhn, H., Das alte Island, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,523, 4,4,631; Die Saga von Egil, hg. v. Schier, K., 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Byock, J., Medieval Iceland, 1988; Schröder, P., Island, 1994; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002

Isländisches Recht ist das Recht der Isländer bzw. Islands. Seine Anfänge sollen um 930 in Norwegen nach dem Vorbild der Gulathingslög von Ulfljotr zusammengefasst und in Island von einer Versammlung (Allthing) als Recht (an. log) angenommen worden sein. Mit der Christianisierung (1000) treten Änderung in dem mündlich durch Gesetzessprecher (an. logsogumadr) bewahr­ten Recht ein. 1117/1118 verfasst der Gode Hafliðe Marsson eine schriftliche Fassung (an. Haflidaskra), die ebenso verschollen ist wie das 1122-32 entstehende Christenrecht (an. Kristinna laga thattr). Vermutlich beruht auf den Inhalten die → Gragas (2. H. 13 Jh.). 1271/1273 wird unter norwegischer Herrschaft (1262) die → Jarnsida (Eisenseite) angenommen, 1281 die → Jonsbok (Lögbok Islendinga), von der rund 200 Handschriften überliefert sind. Um 1275 stellt Bischof Arne von Skalholt ein neues Christenrecht (an. kristinrettr Arna biskupes) zusammen. Rechtliche Aufschlüsse ermög­lichen auch die Geschichtsdarstellungen und die Isländer­sagas.

Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960

Isny

Lit.: Die Urkunden des früheren reichsstädtischen Archivs Isny bis 1550, hg. v. Kammerer, I. u. a., 1955; Kammerer, I., Isny, 1956; Wunderlich, P., Das Recht der Reichsstadt Isny, Diss. jur. Tübingen 1957; Speth, Hermann, Die Reichsstadt Isny am Ende des alten Reiches, 1973; Hauptmeyer, C., Verfassung und Herrschaft in Isny, 1976

Israel ist im Alten Testament der zweite Name Jakobs, der stellvertretend für die → Juden und ihren Staat steht, insbesondere für den seit 1917 angestrebten bzw. (am 14. Mai 1948 (durch Ausrufung seitens David Ben Gurions) verwirklichten Staat.

Lit.: Noth, M., Geschichte des Volkes Israel, 1956; Wolffsohn, M., Politik in Israel, 1982; Raacke, G., Der Einfluss deutschbürtiger Juristen, ZRP 1997, 308; Timm, A., Israel, 1998; Schirer, L., Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Clauss, M., Das alte Israel, 1999; Herz, D., Geschichte Israels, 2003; Israel und Deutschland, hg. v. Ben Natan, A. u. a., 2005; Gerstenberger, E., Israel in der Perserzeit, 2005; Kessler, R., Leben zur Zeit der Bibel, 2006; Avidan, I., Ein Staat sucht sich selbst, 2008; Balke, R., Israel, 3. A. 2007; Clauss, M., Geschichte des alten Israel, 2009

Istanbul am Bosporus geht auf das griechische Byzanz zurück. 1453 wird es von den Osmanen erobert. Es erhält eine Universität.

Lit.: Barisch, K./Barisch, L., Istanbul, 5. A. 1985

Istrien ist die nach den illyrischen Histri benannte Halbinsel im Nordosten der Adria, die bis 178 v. Chr. von den Römern erobert wird.. Den Römern folgen im 6. Jh. die Langobarden, dann die Slawen und 789 die Franken. Über die Grafen von Görz (1291) gelangt Inneristrien 1381 an Österreich, mit Venetien 1797 auch das Küstenland. 1816 wird der Anteil Österreichs an Istrien dem Königreich Illyrien zugeteilt, 1849 dem Kronland Görz-Gradiska-Istrien (Küstenland). 1919 gelangt I. an Italien, 1945 überwiegend an Jugoslawien (Kroatien), 1991 zum größten Teil an Kroatien..

Italicus → mos Italicus

Italien ist der zwischen Griechenland und Spanien bzw. Adria und Tyrrhenischem Meer gelegene südeuropäische Staat, der seit 1952 zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) gehört. Am Ende des 2. Jt.s v. Chr. wandern dort von Norden Italiker (zu lat. vitulus [M.] Kalb?) ein, nach denen die Griechen zunächst den Süden als Italia bezeichnen. Seit dem 5. Jh. v. Chr. entsteht von Rom aus ein Reich, das allmählich ganz I. erfasst und sich auf den gesamten Mittelmeerraum ausdehnt. 476 fällt I. als Teil der westlichen Hälfte des Reiches der Römer mit Rom an Germanen (Odowakar 476-493, Theoderich den Großen 493-526). Die Rück­gewinnung seitens des oströmischen Kaisers Justinian (527-565) wird durch den Einbruch der → Langobarden in der Völkerwanderung (568) gestört. Danach wird I. unter Ostrom (Venedig, Ravenna, Unteri­ta­lien), den Langobarden und dem Papst geteilt. Auf einen Hilferuf des Papstes besiegt der fränkische König Pippin III. den Lan­gobardenkönig Aistulf und gewährt dem Papst in der → pippinischen Schenkung 754 Teile der von den Langobarden besetzten Gebiete (→ Kirchenstaat). 774 unterwirft Karl der Große die Langobarden. Nach zwischenzeitlichen Wirren erneuert Otto I. 951 die Bindung eines Teiles Italiens an das fränkisch-deutsche Reich. Im 11. Jh. fassen Normannen in Unteritalien (Sizilien) Fuß und beginnen oberitalienische Städte (z. B. Mailand) nach Selbständigkeit zu streben. Trotz der Heirat Heinrichs VI. und Konstanzes von Sizilien gelingt den Staufern eine dauerhafte Sicherung der von Papst und Städten bekämpften Herrschaft nicht. Nach dem Scheitern der Idee eines einheitlichen Imperiums der Staufer steht I. für drei Jahrhunderte im Zeichen ver­hältnismäßig selbständiger, dem Reich meist lehnsrechtlich verbundener Mittelstaaten (z. B. Florenz, Genua, Mailand, Neapel, Venedig). Seit 1494 wird I. zum Streitgegenstand zwischen Frankreich (als Nachfolger der Anjou [1265-1282 Sizilien, 1265-1435 Neapel]) und Spanien/Habsburg (Aragón [Sizilien 1282, Sardinien 1323, Neapel 1442]). 1701/1713 gelangt als Folge des spanischen Erbfolge­krieges der Süden an Frankreich, der Norden an Österreich. 1797 verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in Italien. Das erwachende Nationalge­fühl führt (als [it.] risorgimento) 1859 zum Kampf (Piemonts [und Frank­reichs] gegen Österreich (1859 Sieg bei Solferino), das 1859 die Lombardei verliert. Danach werden die französischen Bourbonen aus dem Süden vertrieben. 1860 schließen sich sechs Staaten (Parma-Piacenza, Toskana, Modena, Umbrien, Marken, Sizilien-Neapel) unter Volksbefragung an Sardinien-Piémont an. Der Fürst von Sardi­nien-Piémont nimmt mit dem 17. 3. 1861 den Titel eines Königs von I. an. 1866 wird Österreich Venedig abgenommen und bis 1870 der Kirchenstaat bis auf geringe Reste durch Annexion eingezogen. 1922 gelangt Benito Mussolini (Dovia di Predappio bei Forli 29. 7. 1887-Giulino di Mezzegra am Comer See 28. 4. 1945, 1919/1921 Gründung der Faschis­tischen Partei) (als Duce del Facismo bzw. Minis­terpräsident) tatsächlich an die Macht im Königreich und verbündet sich wenig später mit dem Deutschen Reich unter Adolf Hitler (sowie Japan, Achsenmächte, 1940 Eintritt in den Weltkrieg). Im zweiten Weltkrieg wird Mussolini nach der Landung der Alliierten in Sizilien am 25. 7. 1943 gestürzt. Die neue italienische Regierung schließt am 3. 9. 1943 einen Waffenstillstand mit den Alliierten, worauf ab 9. 9. 1943 deutsche Sol­daten italienische Soldaten entwaffnen und vor die Wahl stellen, sich den deutschen Streitkräften anzuschließen oder in Kriegsgefangenschaft zu gehen. Mussolini wird von deutschen Truppen befreit und gründet mit deutscher Hilfe eine Rpublik in Norditalien. Am 28. 4. 1945 wird er nach Ergreifung auf der Flucht von kommunistischen Partisanen hingerichtet. Am 2. 6. 1946 wird I. unter Absetzung des Königs wegen Unterstützung des Faschismus Republik. Politisch gelingen ihm stabile Regierungen nicht. Seit 1949 ge­hört Italien der Nordatlantischen Vertei­di­gungs­organisation an. Seit 1951 ist es Grün­dungsmitglied der europäischen Gemein­schaf­ten.

Lit.: Köbler, DRG 133, 170, 172, 173; Köbler, Historisches Lexikon; Lessico Etimologico Italiano; Blandini, G., La tirannide italiana nel rinascimento, 1889; Roberti, M., Dei bene appartenenti alle città, 1903; Mayer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, 1909; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittel­alterlichen, insbesondere italienischen Verfassungs­geschichte, 1912; Chiapelli, L., L’età longobarda e Pistoia, 1922; Solmi, A., Il comune nella storia del diritto, Enciclopedia giuridica italiana 3, 2 (1922); Schneider, F., Die Entstehung von Burg und Landgemeinde in Italien, 1924; Sthamer, E., Aufgaben der Geschichtsforschung in Unteritalien, ZRG GA 46 (1926), 132; Bognetti, G., Sulle origini dei comuni rurali nel medioevo, 1926; Below, G. v., Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters, 1927; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des italienischen Städtewesens, ZRG GA 48 (1928), 444; Calasso, F., La legislazione statutaria dell’ Italia meridionale, 1929; Mochi Onory, S., Ricerche sui poteri civili dei vescovi, 1930; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Solmi, A., L’amministrazione finanziaria del regno italico nell’ alto medio, 1932; Chiapelli, L., Storia di Pistoia, 1932; Mochi Onory, S., Vescovi e città (sec. IV-VI), 1933; Deibel, G., Die finanzielle Bedeutung Reichsitaliens für die staufischen Herrscher des zwölften Jahrhunderts, ZRG GA 54 (1934), 134; Giardina, C., Il supremo consiglio d’Italia, 1934 (Atti Palermo); Deutsch, W., Das Wesen des italienischen Staates, 1936; Beloch, K., Bevölkerungsgeschichte Italiens 1, 1937; Rasi, P., Exercitus Italicus e milizie cittadine, 1937; Wolf, H., Volkssouveränität und Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Studi di storia e diritto in onore di Enrico Besta, 1939; Mitteis, H., Zur Lage der rechtsgeschichtlichen Forschung in Italien, ZRG GA 69 (1952), 203; I placiti del „regnum Italiae“, hg. v. Manaresi, C., Bd. 1f. 1955ff.; Hlawitschka, W., Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien 774-962, 1960; Petrucci, A., Notarii, 1958; Dilcher, G., Bischof und Stadtverfassung in Oberitalien, ZRG GA 81 (1964), 225; Santini, G., I comuni di Pieve nel medioevo italiano, 1964; Annali della fondazione italiana per la storia amministrativa 1, 1964; Hoke, R., Die rechtliche Stellung der national gemischten Bevölkerung am Nordrand der Adria im mittelalterlichen deutschen Reich, ZRG GA 86 (1969), 41; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, 1970; Projet du Code civil de la Republique Romaine (1798), hg. v. Ranieri, F., 1976; Bibliografia delle edizioni giuridiche antiche in lingua italiana, 1978; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Italien im Mittelalter, hg. v. Gall, L., 1980; Bosl, K., Gesellschaftsgeschichte Italiens im Mittelalter, 1982; Schumann, R., Geschichte Italiens, 1983; Härtel, R., Die älteren Urkunden des Klosters Moggio bis 1250, 1985; Goetz, W., Grundzüge der Geschichte Italiens, 3. A. 1988; Lill, R., Geschichte Italiens in der Neuzeit, 4. A. 1988; Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a., 1991; Potter, T., Das römische Italien, 1992; Die großen Familien Italiens, hg. v. Reinhardt, V., 1992; Indice biografico italiano, hg. v. Nappo, T., Bd. 1ff. 1993; Chielloni, C. u. a., Italien, 3. A. 1995; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995; Die deutsche und italienische Rechtskultur, hg. v. Mazzacane, A. u. a., 1995; Pauler, R., Die deutschen Könige und Italien, 1997; Hersche, P., Italien im Barockzeitalter, 1999; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 1999; Kroll, T., Die Revolte des Patriziats, 1999; Delumeau, J./Heullant-Donat, I., L’Italie au Moyen Âge, 2000; Ascheri, M., I diritti del Medioevo Italiano, 2000; Voßkamp, U., Instabilität und Regierbarkeit, 2001; Cammarosano, P., Storia dell’Italia medievale, 2001 Verfassungsgebung, partitocrazia und Verfassungswandel in Italien vom Ende des 2. Weltkrieges bis heute, hg. v. Ullrich, H., 2001; Reinhardt, V., Die Renaissance in Italien, 2002; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 2003; Padoa-Schioppa, A., Italia ed Europa nella storia del diritto, 2003; Italy in the Central Middle Ages 1000-1300, hg. v. Abulafia, D., 2004; Arnaldi, G., Italien und seine Invasoren, 2005; Reiter, J., Entstehung und staatsrechtliche Theorie der italienischen Carta del lavoro, 2005; Quellen zu den deutsch-italienischen Beziehungen 1861-1963, hg. v. Altgeld, W., 2005; Moos, C., Ausgrenzung, Internierung, Deportation, 2005; Israel, U., Fremde aus dem Norden, 2005; Fennoaltea, S., L’economia italiana dall’Ùnità alla Grande Guerra, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 941; Altgeld, W., Benito Mussolini (1883-1945), 2009

Italienisches Recht ist das in Italien geltende Recht. Es ist im Altertum das römische Recht. Nach dem Untergang Westroms dringen germanisch/germanistische (Goten, Langobar­den, Franken, Normannen), griechische und arabische (sarazenische) Volksgruppen ein. Die Wissenschaft des römischen Rechts ver­schwindet (vermutlich). In Pavia entwickelt sich eine Rechtsschule der Langobarden. Im ausgehenden 11. Jh. wird das römische Recht wiederentdeckt (→ Irnerius). Daneben tritt örtliches Recht der einzelnen Städte und Stadtstaaten immer stärker hervor (→ Statuten), neben denen das von Glossatoren und Kommentatoren weiterentwickelte ge­lehr­te Recht als gemeines Recht (lat. → ius [N.] com­mune) gilt. Am Beginn der Neuzeit tritt die italienische Rechtswissenschaft (lat. [M.] → mos Italicus) zugunsten der französischen Rechtswissenschaft (lat. [M.] mos Gallicus) zurück. Die bereits im 18. Jh. entstehenden Gesetze einzelner Staaten werden zwischen 1804 und 1811 durch die Kodifikationen Frankreichs ersetzt und danach nur teilweise wieder eingeführt. Im Königreich Italien werden 1865 ein Zivil­gesetzbuch (it. Codice civile), eine Zivilprozessordnung, ein Handelsgesetzbuch (it. Codice di commercio) und 1889 ein Strafgesetzbuch erlassen. 1930 wird das Strafrecht neu gefasst, 1931 das Straf­prozessrecht und 1942 das Zivilgesetzbuch (einschließlich Handelsrecht, 2969 Artikel) und das Zivilprozessrecht. Bereits seit 1890 ent­stehen zahlreiche Sozialgesetze.

Lit.: Pertile, A., Storia del diritto italiano, Bd. 1ff. 2. A. 1896ff.; Ciccaglione, F., Il diritto successorio nella storia del diritto italiano, 1891; Schneider, F., Einleitung zum Regestum Volaterranum, 1907; Meyer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, Bd. 1f. 1909, Neudruck 1968; Salvioli, G., Storia della procedura civile e criminale, 1925; Pitzorno, B., Elaborazione scientifica della storia del diritto italiano, 1928; Brandileone, F., Scritti di storia del diritto privato italiano, hg. v. Ermini, G., 1931; Checchini, A., Scritti giuridici e storico-giuridici, Bd. 1ff. 1958; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Calasso, F., La „convenientia“, 1932; Leicht, P., Il diritto privato preirneriano, 1933; Paradisi, B., Massaricium ius, 1937; Nicolini, U., Le limitazioni alla proprietà, 1937; Mochi Onory, S., Diritti della personalità e rapporti di famiglia nel rinascimento italiano, ZRG GA 58 (1938), 478; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Giardina, C., La così detta proprietà degli alberi, 1941 (Ak. Palermo); Dahm, G., Untersuchungen zur Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Paradisi, B., Gli studi di storia del diritto italiano, 1950; Petracchi, A., Le origini dell’ordinamento comunale e provinciale italiano, 1962; Luther, G., Einführung in das italienische Recht, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privat­rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,53,234,872, 2,2,97,923,1113, 3,1,177, 3,2,2331, 3,3,3209,3625,3735,3831,3908,3985,­4109; Celli, R., Studi sui sistemi normativi delle democrazie comunali, 1976; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen Rechts im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Bonini, R., Disegno storico del diritto privato italiano (1865-1942), 1980, 2. A. 1990; Ghisalberti, C., La codificazione del diritto in Italia, 1985; Vallone, G., Iurisdictio domini – Introduzione a Matteo d’Afflitto (um 1443-1523), 1985; Santini, G., Europa medioevale, 1986; Cavina, M., Dottrine giuridiche a strutture sociali padane nella prima età moderne, Carolus Ruinus (1456-1530), 1988; Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schulze, R., 1990; Mazzacane, A., Neuere Rechtsgeschichte in Italien, ZNR 1992; Cian, G., Fünfzig Jahre italienischer Codice civile, ZEuP 1993, 120; Kindler, P., Einführung in das italienische Recht, 1993; Köbler, G., Rechtsitalienisch, 2. A. 2004; Beneduce, P., Il corpo eloquente, 1996; Watkin, T., The Italian legal tradition, 1997; Rübesamen, R., Das italienische Zivilgesetz­buch, 2000; Prodi, P., Una storia della giustizia, 2000; Verfassungsgebung, partitocrazia und Verfassungs­wandel in Italien, hg. v. Ullrich, H., 2001; Matrimoni in dubbio, hg. v. Seidel Menchi, S. u. a., 2001; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Englert, T., Deutsche und italienische Zivilrechtsgesetzgebung 1933-1945, 2003; Rondinone, N., Storia inedita della codificazione, 2003; Vallerani, M., La giustizia pubblica medievale, 2005; Somma, A., I giuristi e l’asse culturale Roma-Berlino, 2005; Luminati, M., Priester der Themis, 2007; Di Simone, M., Istituzioni e fonti normative in Italia dall’antico regime al facismo, 2007; Sordi, B., Recent studies of public law history in Italy, ZNR 2007, 260ff.; The Jurisprudence of the Baroque - A Census of 17th Century Italian Legal Imprints, compiled by Osler, D., Bd. 1ff. 2008

Iter (lat. [N.] Weg) ist schon im altrömischen Recht die Grunddienstbarkeit (Servitut) des Fußweges und Reitweges.

Lit.: Kaser § 28 I 2a

Itinerar (N.) Reiseweg

Lit.: Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; L’itinérance des seigneurs, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 2003

Itio (F.) in partes (lat.) ist im neuzeitlichen Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) das konfessionsbedingte Auseinandertreten jeder der drei Kurien des → Reichstages in Religionsfragen seit etwa 1529, gesetzlich auf Drängen der Protestanten anerkannt seit 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, Not­wendigkeit der [lat.] amicabilis com­positio [F.] freundschaftlichen Überein­kunft).

Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961, 169; Heckel, M., Itio in partes, ZRG KA 95 (1978), 180

Iudex (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der vom Magistrat einzusetzende Richter. Er ist im Formalverfahren ein Pri­vatmann, auf den sich die Beteiligten einigen und der nach Ableistung eines Eides mit der Entscheidungsaufgabe betraut werden kann. Er wird zumindest später durch Wahl seitens der Parteien oder aus einer amtlichen Liste (von Senatoren und später auch Rittern) bestimmt (seit Augustus etwa 3000, seit Caligula etwa 4000 Geschworene). Der i. ist für Rechtsverletzungen mit dem Sachwert ver­antworlich. Im Kognitionsverfahren ist der i. Amtsträger. → Richter

Lit.: Kaser §§ 81 II 2, 82 II 5; Köbler, DRG 19; Köbler, LAW; Guttenberg, E. v., Iudex h. e. grafio, FS E. Stengel, 1952, 93; Broggini, G., Iudex arbiterve, 1957; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Horn, N., Bologneser Doctores und Iudices, ZHF 3 (1976); Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Peachin, M., Iudex vice Caesaris, 1996; Mangold, O., Iniuria iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004

Iudex non calculat (lat.). Der Richter rechnet nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Macer, frühes 3. Jh., Digesten 49, 8, 1 § 2)

Iudicium (lat. [N.] Urteil, Gericht, Urteilsgericht) ist im römischen Recht das vom Magistrat den Parteien unter ihrer Mitwirkung eingesetzte Gericht, in dem der Richter (lat. [M.] iudex) das Urteil treffen soll (Spruchgericht). Bei einem (lat.) i. stricti iuris (Verfahren nach strengem Recht) hat der Richter (iudex) kein Ermessen (z. B. Dar­lehen, Stipulation) und muss die Gegenseite bereits vor dem Gerichtsmagistrat (in iure) ihree (lat. [F.]) exceptio vortragen. Anders verhält es sich bei dem (lat. [F.]) bonae fidei iudicium (Verfahren nach guter Treue).

Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, LAW; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969

Iudicium (N.) parium (mlat.) ist vielleicht schon seit dem Frühmittelalter das Gericht der im Stand Gleichen (Magna Charta England 1215). Mit dem Schwinden des Gedankens der Notwendigkeit des i. p. geht die Entstehung des Instanzenzuges einher.

Lit.: Weisse, C., De iudicio parium, 1828; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Iulianus, Publius Salvius (Hadrumetum um 100-um 170), Abkömmling einer aus Italien kom­menden Kaufmannsfamilie in Nordafrika und Schüler Iavolens, wird mit einer eindrucksvollen Ämterlauf­bahn (Quästor, Statthalter, 148 n. Chr. Konsul) zu einem der bedeutendsten römischen Rechtskundigen der klassischen Zeit. In seinen in den justinianischen Digesten auszugsweise überlieferten Werken ([90 libri] digesta, libri ad Urseium Ferocem, liber singularis de ambiguitatibus, quaestiones) erörtert er ohne verbindenden Text schwierige Einzelfragen. Kaiser Hadrian überträgt ihm die abschließende Bearbeitung des prä­torischen Edikts (um 130). Er ist Oberhaupt der sabinianischen Rechts­schule.

Lit.: Söllner §§ 15, 16; Köbler, DRG 31; Bund, E., Untersuchungen zur Methode Julians, 1965; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 157

Iulianus (Konstantinopel um 554 Einführungsvorlesung in die justinianischen Novellen in lateinischer Sprache) ist ein byzantinischer Rechtslehrer.

Lit.: Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004

Iunius (Marcus Iunius Brutus) ist ein römischer Rechtskundiger des 2. Jh.s v. Chr., von dem (lat.) libri (M.Pl.) tres iuris civilis (drei Bücher Zivilrecht) bekannt sind.

iuramentum (lat. [N.]) Eid, Schwur

Lit.: Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977

Iura ossibus inhaerent (lat.). Die Rechte hängen an den Knochen (Personalitäts­prinzip).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Iura praediorum (lat. [N.Pl. zu ius praedii]) sind im römischen Recht die landwirt­schaftlichen und städtischen Servituten (Grund­dienstbarkeiten) wie (lat.) iter (N.), actus (M.), via (F.), aquaeductus (M.), servitus (M.) stillicidii usw.

Lit.: Kaser § 28 I 2

iuris consultus (lat. [M.]) Rechtsgelehrter

Lit.: Söllner § 11; Diplovatatius, T., De claris iuris consultis, hg. v. Schulz, F. u. a., 1968

iurisdictio (lat. [F.]) Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit

Lit.: Söllner §§ 6, 9

iurisdictio (F.) voluntaria (lat.) → freiwillige Gerichtsbarkeit

Lit.: Wacke, A., Zur iurisdictio voluntaria, ZRG RA 106 (1989), 180

Iuris praecepta sunt haec - honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (lat.). Die Anweisungen des Rechtes sind: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine zugestehen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Digesten 1, 1, 10 § 1); Nörr, D., Iurisperitus sacerdos, (in) Xenion, FS J. Zepos, 1973, Bd. 1, 555

Ius (lat. [N.]) ist das Recht und (sekundär?) das Gericht. Die Etymologie dieses Grundwortes ist streitig (nach Seebold verwandt mit ahd. ewa?). Das Wort kann sowohl objektiv (Gesamtheit von ordnenden Rechtssätzen, objektives Recht) wie auch subjektiv (Einzel­berechtigung, subjektives Recht) gebraucht werden.

Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 17, 60, 82; Köbler, LAW; Levy, E., Ergänzungsindex zu ius und leges, 1930; Noailles, P., Fas et ius, 1948; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feenstra, R., Ius in re, 1979; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1988ff.; Haug, F., Ius und fas, 1996; Spengler, H., Studien zur interrogatio in iure, 1994; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Schiavone, A., Ius – L’invenzione del diritto in occidente, 2005

Ius (N.) ad rem (lat.) ist im Mittelalter das mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäftes entste­hende Recht auf die Sache. Es erscheint in der gelehrten Literatur des 13. Jh.s (Kanonistik [1200-1210], Summa super usibus feudorum [1230-1250, Jacques de Revigny?]) für den Lehnsmann, der zwar bereits belehnt ist, das Lehnsgut aber noch nicht körperlich erlangt hat. Er darf das Gut (auch im Verhältnis zu [bösgläubigen] Dritten) an sich ziehen. Ähnliches gilt für den Erwerber einer Pfründe. In der frühen Neuzeit wird das i. a. r. zu dem allgemeinen Grund­satz ausgebaut, dass der spätere dingliche Erwerber einer Sache dem früheren schuld­rechtlichen, dessen Anspruch er kennt, weichen muss. In einzelnen Regelungen ist das i. a. r. in das → Allgemeine Landrecht (Preußen 1794) einge­gangen. Mit dem preu­ßischen Eigentums­erwerbsgesetz (5. 5. 1872) wird es für unbe­wegliche Sachen durch die → Vormerkung ersetzt. Im Allgemeinen Bür­gerlichen Gestzbuch (Österreich 1811/1812) und im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deut­schen Reiches (1896/1900) fehlt es.

Lit.: Hübner 178; Köbler, DRG 126, 164; Brünneck, W. v., Über den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Heymann, E., Zur Geschichte des jus ad rem, FS O. Gierke, 1911; Eisfeldt, Beiträge zur Geschichte des ius ad rem, Diss. jur. Kiel 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, 121; Landau, P., Zum Ursprung des „ius ad rem“ in der Kanonistik, Proceedings of the Third International Congress of Medieval Canon Law, 1971, 81; Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002

Ius (N.) Aelianum ist im römischen Recht das von dem frühen Rechtskundigen Sextus Aelius Paetus Catus (198 v. Chr.) zusammengefasste Recht.

Lit.: Söllner § 11; Köbler, DRG 29

Ius (N.) affectandi (lat.) ist das im (lat.) → privilegium (N.) minus (1156) dem babenbergischen Herzog Heinrich Jasomirgott von Österreich und seiner Frau (nicht den Nachfolgern) gewährte Recht, bei Kinder­losigkeit den Nachfolger zu bestimmen. Es wird im gefälschten (lat.) privilegium (N.) maius (1358) vom Fälscher auf alle österreichischen Herzöge erweitert.

Lit.: Baltl/Kocher

Ius (N.) armorum (lat.) ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) in der Neuzeit das Recht, ein Heer zu unterhalten.

Lit.: Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deut­schen Territorien von 1500-1800, (in) Forschungen zu Staat und Verfassung, 1958, 419

Ius (N.) canonicum (lat.) (kanonisches Recht) ist das seit etwa 1140 im → Decretum Gratiani und den folgenden Teilen des (lat.) → corpus (N.) iuris canonici niedergelegte kirchliche oder geistliche Recht.

Lit.: Köbler, DRG 106; Maaßen, F., Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts, Bd. 1 1870, Neudruck 1956; Corpus iuris canonici, hg. v. Friedberg, E., 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, 1917; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Codex des kanonischen Rechtes, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici, Lemmata, 1986

Ius (N.) civile (lat.) ist das Recht der römischen Bürger im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) gentium und zum (lat.) ius (N.) honorarium (bzw. praetorium). Es beruht auf dem Zwölf­tafelgesetz, auf den Volksgesetzen und der daran anknüpfenden Auslegung (der Rechts­kundigen). Im Frühmittelalter ist i. c. das weltliche Recht im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) canonicum, seit dem Hochmittelalter auch das Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht (lat. ius [N.] terrae). Im 18. Jh. entspricht dem i. c. das bürgerliche Recht (Privatrecht). Unter dem Einfluss von i. c. ersetzt Zivilrecht zu­nehmend den Ausdruck Privatrecht.

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 9, 16, 18, 20, 25; Köbler, DRG 29, 30, 31, 106; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1

Ius (N.) civile Flavianum (lat.) ist das 304 v. Chr. von Gnaeus Flavius veröffentlichte römische Recht.

Lit.: Köbler, DRG 29

Ius (N.) cogens (lat.) ist das zwingende und damit von den Beteiligten nicht abänderbare Recht (z. B. Eheschließungsrecht) im Gegen­satz zum durch die Beteiligten abänderbaren Recht (lat. ius [N.] dis­posi­tivum, z. B. gesetzliches Erbrecht).

Lit.: Kaser § 3 II

Ius (N.) commune (lat.) ist das gemeine Recht im Gegensatz zum besonderen Recht. Im Altertum hat i. c. keine besondere Bedeutung. Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts im Hochmittelalter benennt es das römische Recht (und das kanonische Recht) im Gegensatz zum besonderen Recht einzelner Orte (Städte) oder Gebiete (Länder). Es wird erst durch die Kodifikationen abgelöst.

Lit.: Kaser § 3 VI; Söllner §§ 2, 3, 25; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 137; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Helmholz, R., The ius commune in England, 2002; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005

Ius (N.) divinum (lat.) ist das göttliche Recht. Es ist im Christentum schon früh als vorrangig anerkannt. Es wird der göttlichen Offenbarung der Bibel und im weiteren Sinn auch dem Naturrecht entnommen. Das i. d. positivum ist unabänderlich (hierarchische Gliederung, Ge­walt, Sakramente). Das i. d. naturale, das durch die menschliche Vernunft erkannt wird, ist zwar auch grundsätzlich unabänderlich, aber entsprechend der menschlichen Vernunft in seiner Anwendung Schwankungen unterwor­fen. Das menschliche Gesetz darf nicht gegen das i. d. verstoßen. Im 19. Jh. wird das i. d. teilweise nur als moralische Anweisung eingeordnet, die erst in Rechtssätze überführt werden muss.

Lit.: Rößer, E., Göttliches und menschliches, unverän­derliches und veränderliches Kirchenrecht, 1934; Plöchl, W., Das Legitimitätsproblem und das kanonische Recht, 1938; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Ius est ars boni et aequi (lat.). Das Recht ist die Kunst (bzw. das Handwerk) des Billigen und Gerechten.

Lit.: Liebs, A., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Celsus, um 70-um 140)

Ius (N.) evocandi (lat.) ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) das Recht des Königs, jede Streitsache zur Entscheidung an sich zu ziehen (Evokationsrecht). Seit dem 13. Jh. erteilt der König vereinzelt, 1356 den Kurfürsten allgemein das Privileg, dieses Recht nicht in Bezug auf das privilegierte Land zu nutzen. 1487 bzw. 1495 verliert das Nicht­evokationsprivileg grundsätzlich seine Bedeu­tung, weil das königliche Gericht keine Zuständigkeit für reichsmittelbare Menschen mehr hat.

Lit.: Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75

Ius (N.) foederis (lat.) bzw. ius faciendi foedera ist das seit 1648 allen Gliedern des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) zustehende → Bündnisrecht.

Ius (N.) gentium (lat.) (Fremdenrecht) ist im römischen Recht seit Cicero (106-43 v. Chr.) das (römische, bei allen Völkern - für alle Rechtssubjekte - auch) für Nichtrömer geltende Recht (Recht der Völker), das nach späterer Ansicht auf der natürlichen Einsicht aller Völker beruht und dem (lat.) ius (N.) naturale (→ Naturrecht) nahesteht. Es wird vom römischen (lat. [M.]) praetor peregrinus (fremdenprätor) angewendet, wenn mindestens ein Fremder (lat. [M.] peregrinus) beteiligt ist., Es gewinnt in der frühen Neuzeit für das Naturrecht erneute Bedeutung.

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 18, 20; Köbler, DRG 30, 31, 146; Kaser M., Ius gentium, 1993

Ius (N.) honorarium (lat.) ist im römischen Recht das von den Amtsträgern (Prätoren) geschaffene Recht (lat. [N.] ius praetorium), das vorwiegend den Bereich des Rechts der Völker (lat. ius [N.] gentium) betrifft (z. B. bonorum possessio bei bloßer traditio von res mancipi).

Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1

ius (N.) in re (lat.) Recht in der Sache

Lit.: Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195

iusiurandum (lat. [N.]) Eid

iusiurandum (N.) calumniae (lat.) Schikaneeid, → Kalumnieneid

ius (N.) liberorum (lat.) Recht der Frau nach der Geburt mehrerer Kinder (z. B. Befreiung von Geschlechtsvormundschaft)

Ius (N.) naturale (lat.) ist das von der Natur dem Menschen vorgegebene Recht (griech. physei dikaion). Es steht im Gegensatz zum vom Menschen geschaffenen Recht, insbe­sondere dem gesetzten Recht (griech. thesei dikaion). → Naturrecht

Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 31, 146; Waldstein, W., Ius naturale, ZRG RA 111 (1994), 1

ius (N.) offerendi (lat.) Recht anzubieten (z. B. des nachrangigen Pfandgläubigers, der die Ablösung der Forderung eines vorrangigen Pfandgläubigers nachrückt)

Ius (N.) Papirianum ist das durch zweifelhafte Königsgesetze geschaffene, am Ende des 6. Jh.s v. Chr. von dem Oberpriester Papirius veröffentlichte, aber nicht überlieferte römische Recht.

Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

ius (N.) perpetuum (lat.) Dauerpacht

Ius (N.) politiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Polizeigewalt des Landesherrn.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Ius (N.) praetorium (lat.) ist das vom römischen Prätor geschaffene Amtsrecht (lat. [N.] ius honorarium).

Lit.: Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31

Ius (N.) primae noctis (lat.) ist das nur vereinzelt belegte, (als geldlich ablösbar erklärte) Recht des Grundherrn (Hirslanden 1538, Muri 1543) auf die erste Nacht einer heiratenden Hinter­sassin.

Lit.: Schmidt, K., Ius primae noctis, 1881; Boureau, A., Das Recht der ersten Nacht, 1996; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten Nacht, 1999

Ius (N.) privatum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] privatum [ius est], quod ad singulorum utilitatem [spectat]) das Recht, das den Nutzen des Einzelnen belangt. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte → Privatrecht.

Lit.: Kaser § 3 II; Söllner §§ 7, 18; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1

Ius (N.) publicum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] publicum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat) das Recht, das die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte öffentliche Recht.

Lit.: Kaser §§ 3 II, 17 II; Söllner §§ 7, 18; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988

Ius (N.) quaesitum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das subjektive, gerichtlich geschützte Recht, das eine Person durch einen Rechtsvorgang im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung erlangt hat (z. B. Konzession).

Lit.: Meyer, G., Der Staat und die erworbenen Rechte, 1895

Ius (N.) Quiritium (lat.) ist das (lat.) → ius (N.) civile der römischen Bürger.

Lit.: Kaser § 22; Söllner § 9

Ius (N.) reformandi ist im neuzeitlichen Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) das Recht des Landesherrn bzw. Staates, die Religionsangelegenheiten rechtlich zu gestal­ten. Es wird im Frieden von Münster und Osnabrück 1648 ausdrücklich anerkannt. Seit dem 19. Jh. wird es eingeschränkt.

Lit.: Bonin, B. v., Die praktische Bedeutung des ius reformandi, 1902; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

ius (N.) respondendi (lat.) Prinzeps  Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Rechtskundigen des römischen Rechts verliehenes Recht, in seinem Namen auf Anfragen zu antworten,

Ius (N.) reservatum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das (dem Kaiser) vorbehaltene Recht (z. B. Gesetzesinitiative im Reichstag, Adels­verleihung) im Gegensatz zu dem nur gemeinsam mit dem Reichstag ausübbaren ius comitiale. Für das (lat.) ius reservatum limitatum (eingeschränktes Reservatrecht) bedarf der Kaiser der Zustimmung der Kur­fürsten (z. B. Verhängung der Reichsacht, Einberufung des Reichstags, Ertelung von Münzrechten oder Zollrechten). Aus den Rechten des Monarchen wird im 19. Jh. die Prärogative der Krone.

Lit.: Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, Diss. jur. Erlangen 1957 (masch.schr.)

Ius Romanum allegans fundatam habet intentionem (lat.). Wer sich auf römisches Recht beruft, hat eine brauchbare Klagegrund­lage.

Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungs­lehre, 1977, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Ius (N.) spolii (lat.), Spolienrecht, ist der frühere Anspruch des Staates auf das bewegliche Vermögen verstorbener kirchlicher Würdenträger.

Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

ius (N.) strictum (lat.) strenges Recht, das durch (lat. [F.]) aequitas gemildert werden kann

ius (N.) terrae → Landrecht

ius (N.) territorii et superioritatis (lat.) Landeshoheit

Ius (N.) teutonicum (lat.) ist im Mittelalter (12./13. Jh.) das deutsche Recht als ein deutschen Siedlern von slawischen Fürsten gewährtes freieres Grundbesitzrecht im Osten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Die Anfänge des deutschen Rechts, Ber. ü. d. Verh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Leipzig phil.-hist. Kl. 93 1941, H. 2

Ius (N.) tollendi (lat.) ist im römischen Recht das Wegnahmerecht.

Lit.: Kaser §§ 26, 27

ius (N.) tollendi (lat.) Wegnahmerecht (z. B. des im Rechtsstreit unterlegenen Beistzers bezüglich nicht zu ersetzender, abtrennbarer Aufwendungen)

Ius (N.) transitus (lat.) ist das Durchzugsrecht durch fremdes Staatsgebiet zu → Enklaven.

Ius (N.) utrumque (lat.) ist seit dem 12. Jh. eine Bezeichnung für das (lat.) ius (N.) canonicum und das (lat.) ius (N.) civile. Beide Rechte lehrt vielleicht als erster Bazianus (1197) in Bologna. Seit der Neuzeit betrifft das juristische Studium regelmäßig beide Rechte (→ [lat.] doctor [M.] iuris utriusque).

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Utrumque ius, hg. v. Schrage, E., 1992

Ius (N.) vitae necisque (lat.) ist im römischen Recht das Recht des Herrn über Leben und Tod eines Menschen (z. B. lat. [M.] servus, untreue Ehefrau).

Lit.: Kaser § 12, 58, 60; Söllner §§ 5, 8

iusiurandum ([lat.] N.) Eid

iussum (lat. [N.]) Geheiß (z. B. an einen Gewaltunterworfenen auf Erwerb einer Sa­che), Ermächtigung (z. B. an den Geschäfts­partner eines Gewaltunterwor­fenen

Iusta causa (lat. [F.]) ist im römischen Recht der anerkannte Zuwendungszweck (z. B. Kauf, Mitgift) für die Übergabe (lat. traditio [F.]) einer Sache. Fehlt die i. c., kann kein Eigentum übertragen werden.

Lit.: Kaser § 24 IV; Söllner § 8; Köbler, DRG 40

Iustitia (lat. [F.]) ist die Gerechtigkeit.

Lit.: Köbler, DRG 30; Kissel, O., Die iustitia, 2. A. 1997; Degen, B., Justitita ist eine Frau, 2008

Iustitia est constans et perpetua voluntas suum cuique tribuendi (lat.). Gerechtigkeit ist der stetige und fortdauernde Wille, jedem das Seine zu geben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007, 106, Nr. 195 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Institutionen 1, 1, pr.)

Iustum bellum (lat. [N.]) ist der → gerechte Krieg.

Iustum pretium (lat. [N.]) ist im römischen Recht der gerechte Preis. Im spätantiken römischen Recht kann der Verkäufer einer Sache den Kaufvertrag anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis fehlenden Betrag nachzahlt (lat. laesio [F.] enormis). Allerdings ist das i. p. schwer zu bestimmen. 1234 übernimmt die Kirche die spätantike Lehre vom i. p. Im 19. Jh. wird die Vorstellung des i. p. wieder zurückgedrängt.

Lit.: Köbler, DRG 64; Ruland, L., Die moraltheologische Lehre vom gerechten Preis, 2. A. 1951; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis im Spätmittelalter, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Göttlicher, D., Iustum pretium und Vertragsgerechtigkeit, 2004

Ivo Helori, Ivo von Hélory, (Kermartin 17. 10. 1253 [1247?, 1250?]-19. 5. 1303), Sohn eines Landadligen, wird nach dem 13jährigen Studium von Theologie und Recht in Paris und Orléans Offizial und Priester. Vielleicht wegen seiner Gerechtigkeitsliebe und Verwechslungen mit → Ivo von Chartres ist er Standespatron der Juristen und volkstümlicher Heiliger der Gerechtigkeit.

Lit.: Moeller, E. v., Der heilige Ivo, HV 20 (1909), 321; Schott, C., Patrone und Siegel der Freiburger Juristen­fakultät, Freib. Univ.bll. 2 (1962), 32; Burmeister, K., Der heilige Ivo und seine Verehrung an den deutschen Rechtsfakultäten, ZRG GA 92 (1975), 60; Rieck, A., Der heilige Ivo von Hélory, 1998

Ivo von Chartres (um 1046-1116) wird nach dem Studium in Paris und Bec 1090 Bischof von Chartres. Er verfasst eine (lat.) Collectio (F.) trium partium (Sammlung dreier Teile), ein (lat. [N.]) Decretum und eine achtbändige (lat. [F.]) Panormia, in denen er Kanones und Dekretalen sammelt und dadurch → Gratian erheblich beeinflusst.

Lit.: Sprandel, R., Ivo von Chartres, 1962; Ways of Mercy, hg. v. Brasington, B., 2004

 

 

J

 

Jaca ist der 1076 von König Sancho Ramirez gegründete, mit einem → Fuero begabte Sitz des Königs von Aragón.

Lit.: Nelson, L., The foundation of Jaca, Speculum 53 (1978), 688

Jacobus Balduini ist der in Bologna geborene, 1213 den Professoreneid ablegende, 1229 zum Podestà von Genua gewählte, wohl am 10. 4. 1235 verstorbene Glossator (Schüler Azos), von dem Glossen zum Codex und zu den Digesten, De instructione advoca­torum, De primo et secundo decreto, De fratribus habitantibus und kleinere Schriften stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 286

Jacobus Butrigarius ist ein in Bologna etwa 1273 geborener, in Bologna lehrender, am 9. 4. 1348 verstorbener Jurist (lecturae, commentaria, Traktate, quaestiones, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 621

Jacobus Columbi ist ein unsicher bezeugter Glossator, der vielleicht einen Glossenapparat zu den libri feudorum und eine Summa feudorum verfasst hat.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 282

Jacobus de Ardizone ist der aus Verona stammende, im früheren 13. Jahrhundert wirkende Glossator (Schüler Azos), von dem die ardizonische Rezension der Libri feudorum, eine Summa feudorum und eine Summa de decurionibus stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 278

Jacobus de Arena ist ein wohl aus Parma gebürtiger, vielleicht zwischen 1230 und 1240 geborener Jurist (Lecturae, Additiones, Tractatus).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 435

Jacobus de Belvisio ist ein wohl in Bologna um 1270 geborener, in Bologna ausgebildeter, in Neapel promovierter und dort und später in Bologna, Padua, Siena, Perugia und schließlich in Bologna lehrender Jurist (lectu­rae, additiones, casus, Traktate, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 6113

Jacobus de Porta Ravennate (Bologna um 1115-11. 10. 1178) ist einer der sog. (lat.) quattuor doctores (M.Pl.) des 12. Jh.s in Bologna, die 1158 auf dem Reichstag in Roncaglia auftreten. Von ihm stammen Glossen, Distinktionen, Summulae, Dispu­tationen und möglicherweise der erste größere strafrechtliche Traktat der Glossato­renzeit (Tractatus criminum).

Lit.: Köbler, DRG 106; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 62; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 178

Jacobus de Ravanis (Jacques de Révigny) (1230/1240-1290) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans dort bis 1280 Professor und 1289 Bischof von Verdun. Neben verschiedenen Vorlesungen (lecturae) über die justinianischen Texte stammt vielleicht ein Rechtswörterbuch (lat. Dictio­narium [N.] iuris) von ihm.

Lit.: Köbler, DRG 126; Waelkens, L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Bezemer, C., Les répétitions de Jacques de Revigny, 1987; Bezemer, C., What Jacques saw, 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 518

Jacques de Révigny → Jacobus de Ravanis

Jagd ist das Erlegen und Fangen jagdbarer Tiere nach den Regeln des Jagdrechts. Ursprünglich ist die J. frei. Streitig ist, seit wann danach das Recht zur J. mit dem Eigentum am Grundstück verbunden wird. Im Frühmittelalter erklärt der König die J. im (eingehegten) → Forst zum königlichen Recht (→ Regal). Im Hochmittelalter geht das all­mählich erweiterte Regal auf den Landesherrn über. Der Bauer wird von der J. ausge­schlossen, wogegen er sich zu Beginn der Neuzeit (→ Bauernkriege) vergeblich wehrt. Der Landesherr behauptet daneben die Jagdhoheit als das Recht, die J. rechtlich zu gestalten (Jagdverordnung, Jagdstrafrecht). 1789 wird in Frankreich, 1848 in der deutschen Verfassung das Jagdregal durch die Jagdberechtigung des Grundeigentümers ersetzt. Wegen der tatsächlichen Folgen wird wenig später (Preußen 1850, 1907) zwischen dem Jagdrecht als dem Aneignungsrecht des Grundstückeigentümers (Eigenjagdbezirke o­der Jagdgenossenschaftsjagdbezirke) und der Jagdausübungsberechtigung (auf Grund eines Jagdscheins) unterschieden.

Lit.: Hübner 287; Köbler, DRG 90, 113; Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des alt­preußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Lindner, K., Die Jagd im frühen Mittelalter, 1940; Hagenbach, B., Beiträge zur Geschichte des Jagdrechtes auf dem Gebiete der Schweiz, 1972; Eckardt, H., Herrschaftliche Jagd, 1976; Kohl, G., Jagd und Revolution, 1993; Jagd und höfische Kultur, hg. v. Rösener, W., 1997; Über die Jagd, hg. v. d. bay. Ak. d. Wiss., 2002; Almond, R., Medieval Hunting, 2003; Rösener, W., Die Geschichte der Jagd, 2004; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Knoll, M., Umwelt – Herrschaft, Gesellschaft, 2004; Manfredini, A., Chi caccia e chi è cacciato, 2006; Schennach, M., Jagdrecht, Wilderei und gute Policey, 2007

Jahr und Tag (lat. annus [M.] et dies) ist eine im deutschen Mittelalter häufige Zeit­bestimmung unklarer Herkunft, die erstmals in Formeln der Jahre 769-775 erscheint. Nach umstrittener Ansicht ist damit von Anfang an die im 14. Jh. ausdrücklich belegte Frist von einem Jahr, 6 Wochen und 3 Tagen zu verstehen. Nach J. u. T. erlangt beispielsweise der unangesprochene Erwerber eines Grundstücks die rechte → Gewere. Nach anderer Ansicht ist mit J. die Zeit von 13 Mondmonaten zu 28 Tagen und einem zusätzlichen, auf das Sonnenjahr von 365 Ta­gen fehlender Tag gemeint.

Lit.: Hübner 17; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fockema Andreae, S., Die Frist von Jahr und Tag und ihre Wirkung in den Niederlanden, ZRG GA 14 (1893), 75; Puntschart, P., Zur ursprünglichen Bedeutung von „Jahr und Tag“, ZRG GA 323 (1911), 328; Klein-Bruckschwaiger, Franz, Jahr und Tag, ZRG GA 67 (1950), 441; Hardenberg, L., Zur Frist von Jahr und Tag, ZRG GA 87 (1970), 287

Jahresgeschenk (lat. donum [N.] annuale) ist eine schon im Frühmittelalter bezeugte Gabe Einzelner an den König, die einen nicht durchgesetzten Ansatzpunkt zur Entwicklung der → Steuer bildet.

Jahrgebung (lat. venia [F.] aetatis) ist die Mündigmachung durch Erklärung. Sie kommt aus dem römischen Recht, erscheint im 13. Jh. und steht zunächst allein dem Kaiser zu. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die römisch­rechtliche Einrichtung der (lat.) venia (F.) aetatis vollständig aufgenommen. Als Volljährigkeits­erklärung erscheint sie im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900).

Lit.: Hübner; Kraut, W., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847, 86, 168; Suchier, W., Geschichte der venia aetatis in Deutschland vor 1900, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1907

Jakob Ben Ascher (Deutschland um 1270-Toledo 1343) verfasst nach seiner 1303 erfolgten Auswanderung eines der bedeu­tendsten jüdischen Rechtsbücher des Mittelalters (Arba ’at ha-Turim, vierteilig). Es betrifft Gebete und Feiertage, Sklaven, Speisen und Eide, Frauen und Ehe, sowie Diebstahl, Erbe, Vertrag und Verfahren. Verarbeitet sind neben → Talmud zahlreiche Rechtsquellen.

Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 1058

Japan ist der östlich des Festlands auf Inseln gelegene, ostasiatische, bis zum 5. Jh. schriftlose, in Europa seit dem 15. Jh. (und im 16. und 17. Jh. über Portugiesen) bekannter werdende Staat, dessen überkommenes, aus China stammendes Recht, das z. B. in einem Verfahrensrechtsbuch von etwa 1220 (Go­seibai-Shikimoku) überliefert ist, nach der von den Vereinigten Staaten von Amerika 1853 erzwungenen Öffnung des Landes (Han­delsvertrag von Kanagawa 31. 3. 1854) seit 1858 Europa angenähert und am Ende des 19. Jh.s (Meiji-Verfassung 1889) grundlegend vom europäischen Recht (Frankreich [Strafge­setzbuch, Strafprozessordnung], Deutschland [Verfassung, Handelsgesetzbuch 1890/9, Bür­gerliches Gesetzbuch - 1890 französisch ge­prägtes altes Bürgerliches Gesetzbuch ver­kündet, aber nach Kodifikationsstreitigkeiten nicht in Kraft getreten, durch Hozumi, Tomii und Ume stärker deutsch geprägtes - Meiji - Bürgerliches Gesetzbuch 1896/1898]) beein­flusst wird (→ Boissonade, Hozumi, → Inoue, → Roesler).

Lit.: Köbler, DRG 184; Gonthier, A., Histoire des institutions Japonaises, 1956; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Murakami, J., Einführung in die Grundlagen des japanischen Rechts, 1974; Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen Staates, 1975; Tanaka, H., The Japanese Legal System, 1976; Kroeschell, K., Das moderne Japan und das deutsche Recht, (in) Japans Weg in die Moderne, hg. v. Martin, B., 1987, 45; Die Japanisierung des westlichen Rechts, hg. v. Coing, H. u. a., 1990; Die Einwirkung der Rezeption westlichen Rechts auf die sozialen Verhältnisse in der fernöstlichen Rechtskultur, hg. v. Scholler, H., 1993; Inoue, K., Geschichte Japans, 1993; Das Japanische im japanischen Recht, hg. v. Menkhaus, H., 1994; Eckey-Rieger, A., Der Kodifikationsstreit zum japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994; Hartmann, R., Geschichte des modernen Japan, 1996; Ishibe, M., Die Verwestlichung des japanischen Rechtsdenkens, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Schenck, P., Der deutsche Anteil, 1997; Takii, K., Doitsu Kokkagaku to Meiji Kokusei (Die deutsche Staatswissenschaft und die Meiji-Verfassung), 1999; Bruns, G., Die japanische Demokratie, 1999; Marutschke, H., Einführung in das japanische Recht, 1999; Takii, K., Das Japanbild der deutschen Juristen während der Meiji-Zeit, Zinbun 1999, 107; Akamatsu, H., Bezugnahmen auf das deutsche BGB, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 651; Ando, J., Die Entstehung der Meiji-Verfassung, 2000; Georg Michaelis. Ein preußischer Jurist im Japan der Meiji-Zeit, hg. v. Becker, B., 2001; Ishibe, M., Nobushige Hozumi und die japanische Rechts­wissenschaft in der Meiji-Zeit, 2001; Pohl, M., Geschichte Japans, 2002; Rabinovitz, R., Japan’s foreign investment law of 1950, 2003; Ishibe, M., Neuere deutsche Rechtsgeschichte in Japan, ZNR 27 (2005), 62; Zöllner, R., Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart, 2006; Fröhlich, J., Rulers, Peasants and the Use of the Written Word in Medieval Japan, 2007

Jarl (lat. [M.] dux, comes, praefectus) ist im altnordischen Recht der Held, Häuptling oder Fürst. In Norwegen wird der weltliche Titel eines J. 1308 weitgehend beseitigt. In Schweden erscheint er von der Mitte des 12. Jh.s bis zur Mitte des 13. Jh.s, in Dänemark um 1400.

Lit.: Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933; Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Jorgensen, P., Dansk Retshistorie, 2. A. 1947; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989

Jarnsida (Eisenseite) ist das 1271/1273 unter norwegischer Herrschaft (1262/1264) in → Island eingeführte Recht. Es beruht auf Gulathinglög und → Gragas. 1281 wird die J. durch die → Jonsbok ersetzt.

Lit.: Corpus codicum Islandicorum, Bd. 9 1936

Jasomirgott ist ein erst seit dem Spät­mittelalter belegter, vielleicht aus dem Arabischen kommender (verballhornter) Beiname Heinrichs II. (von Babenberg, 1107/1108-13. 1. 1177).

Lit.: Eheim, F., Zur Geschichte der Beinamen der Babenberger, Unsere Heimat 26 (1955), 157

Jason de Mayno (Pesaro 1435-Pavia 1519), außerehelicher Sohn eines Adligen aus Mailand, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Alexander de Tartagnis bzw. Tartagnus) 1467 Professor in Pisa, 1485-1488 in Padua, 1489 in Pisa. Neben zahlreichen (414) Gutachten verfasst er umfangreiche Kommentare zu einzelnen Stellen der justi­nianischen Rechtstexte.

Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel secolo XV, 1986, 221; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 881

Jedem das Seine.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 285 ([Beyer 1985] lat. suum cuique)

Jefferson, Thomas (1743-1826) wird nach dem Rechtsstudium am William and Mary College (1760-1762) und einer praktischen Ausbildung 1767 Anwalt und Politiker, Gouverneur, Gesandter in Frankreich, Außen­minister und 1801 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist maßgeblich verantwortlich für die amerikanische → Bill of Rights 1791 und die Einschränkung der amerikanischen Zentralgewalt.

Lit.: Cunningham, N., In Pursuit of Reason, 1987

Jellinek, Georg (Leipzig 16. 6. 1851-Heidelberg 12. 1. 1911), Sohn eines Rabbiners und Religionswissenschaftlers, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, He­idelberg und Leipzig 1883 außer­ordentlicher Professor für Staatsrecht in Wien, 1889 ordentlicher Professor in Basel und 1891 in Heidelberg. Sein erfolgreichstes Werk ist die dem System der subjektiven öffentlichen Rech­te (1892) folgende Allgemeine Staats­lehre (1900). Sie erfasst den Staat einerseits als soziale Erscheinung (sozial-empirisches Sein) und andererseits als Rechtsordnung (normatives Sollen).

Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 242; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a.,1993, 355; Kempter, K., Die Jellineks, 1998; Kersten, J., Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 2000; Georg Jellinek, hg. v. Paulson, S. u. a., 2000; Keller, C., Victor Ehrenberg und Georg Jellinek Briefwechsel 1872-1911, 2005

Jena erscheint um die Mitte des 9. Jh.s (830-50). Um 1230 wird es Stadt. 1556/1557/1558 erhält es eine Universität, neben der 1569 ein Schöppenstuhl erwähnt wird (mit bis zu 500 Akteneingängen im Jahr).

Lit.: Kühn, W., Die Entwicklung, insbesondere die Anfänge des Jenaer Stadtgerichts, 1938; Mühlmann, O., Untersuchungen zum Geschoßbuch der Stadt Jena vom Jahre 1406, 1938; Die Matrikel der Universität Jena, Bd. 1ff., bearb. v. Mentz. G. u. a. 1944ff.; Koch, H., Geschichte der Stadt Jena, 1966; Pester, T., Zwischen Autonomie und Staatsräson, 1992; Häder, U., Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena, 1996; Kämpferische Wissenschaft, hg. v. Hoßfeld, U. u. a. 2003; Klassische Universität und akademische Provinz, hg. v. Steinbach, M. u. a. 2005; Hochschule im Sozialismus, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2006; Deinhardt, K., Stapelstadt des Wissens, 2007; Wege der Wissenschaft, hg. v. John, J. u. a., 2007; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristen­fakultät und Schöppenstuhl zu Jena, 2008 (Diss. jur. Jena 2007); Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungs­programm der Universität Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a., 2008

Jerusalem ist die seit dem 18. Jh. v. Chr. v. Chr. als kannaanäisches Uruschalim (Stadt des Friedens) belegte, um 997 v. Chr. vom israelitischen König David eroberte, von den Juden als Hauptstadt verwendete, durch Jesus Christus zum Ausgangspunkt des Christen­tums gewordene, 70 n. Chr. von den Römern zerstörte und nach Wiederaufbau 638 n. Chr. von den Arabern eroberte Stadt im heutigen Israel bzw. Palästina.

Lit.: Tischler, C., Die burgenses von Jerusalem im 12. Jahrhundert, 2000; Jerusalem im Hoch- und Spät­mittelalter, hg. v. Bauer, D. u. a., 2001; Kirstein, K., Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem, 2002; L’idea di Gerusalemme, 2003

Jesuitenorden (lat. societas [F.] Jesu) ist der von Ignatius von Loyola (1491-1556) seit etwa 1534 allmählich begründete, 1540 vom Papst bestätigte, katholische Männerorden zum apostolischen Einsatz im Dienst der Kirche. Er wird in der → Gegenreformation tätig. Am 21. 7. 1773 hebt ihn Papst Clemens XIV. auf (Fortbestehen in Preußen, Russland und Kanada), stellt ihn am 7. 8. 1814 aber wieder her.

Lit.: Duhr, B., Geschichte der Jesuiten, Bd. 1ff. 1907ff.; Hollis, C., A History of the Jesuits, 1968; Hartmann, P., Die Jesuiten, 2001; Haub, R., Geschichte der Jesuiten, 2006; Feld, H., Ignatius von Loyola, 2006; Vogel, C., Der Untergang der Gesellschaft Jesu, 2006

Jesus (Nazareth um 4 v. Chr.?-Golgotha/Jerusalem um 30 n. Chr.) ist der nach etwa zweijährigem Wirken als öffentlicher Wanderlehrer nach einem Prozess im Zusammenwirken von Juden und Römern gekreuzigte jüdische Begründer der christli­chen Religion.

Lit.: Theessen, G., Der historische Jeus, 1996; Cohn, H., Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, 1998

Jhering → Ihering

Joachimica Constitutio → Constitutio Joachimica

Johannes Andreae (bei Florenz um 1270-Bologna 7. 7. 1348) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna spätestens 1302 Lehrer des kirchlichen Rechts. Er kom­mentiert den → Liber sextus, die Clementinen (lat. glossa [F.] ordinaria) und den → Liber extra. Trotz seiner stark kompilatorischen Arbeitsweise ist er der bedeutendste Kirchenrechtler des 14. Jh.s. In seinen (lat.) Additiones (F.Pl.) ad speculum Guillelmi Durantis (Zusätze zum Spiegel des Wilhelm Durantis) von kurz vor 1346 stellt er als erster die Literaturgeschichte des kirchlichen Rechts dar.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 6 2. A. 1850, Neudruck 1956, 98; Pennington, K., Johannes Andreaes Additiones to the Decretals of Gregory IX, ZRG KA 74 (1988), 328;: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 658

Johannes Bassianus ist ein in Cremona geborener Schüler des Bulgarus in Bologna, der Lehrer Azos (vor 1190-1220), Karolus de Toccos und Nicolaus Furiosus‘ wird und Glossen, Lecturae, Summen, Arbeiten zum Prozessrecht, Regulae iuris, Distinktionen, Quästionen und Consilia verfasst.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 215

Johannes de Blanasco ist ein um 1225 in Blanot in Burgund geborener, in Bologna ausgebildeter, nach seinem tractatus de actionibus (1256) nach Burgund zurückge­kehrter Jurist.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 461

Johannes de Imola ist ein in Imola vielleicht um 1375 geborener, in Bologna ausgebildeter und spätestens ab 1399 lehrender, 1436 verstorbener Jurist (commentaria, consilia, Traktat zum großen Schisma).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 807

Johannes Teutonicus (1180?-25. 4. 1245), deutscher Schusterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo) um 1210 Rechtslehrer in Bologna und vielleicht 1220 Kanoniker in Halberstadt (Johannes Zeme­ke?). Zwischen 1210 und 1217 verfasst er die (lat.) glossa (F.) ordinaria zum (lat.) → Decretum (N.) Gratiani. Seine Sammlung der Dekretalen Papst Innozenz’ III. von 1210-1216 setzt sich gegen den Widerspruch des Papstes durch.

Lit.: Köbler, DRG 106; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 329

Johannes von Erfurt (um 1260?-1340?), Kanonist und Theologe, ist der Verfasser verschiedener früher rechtswissenschaftlicher Arbeiten in Deutschland (u. a. [lat.] tabula [F.] utriusque iuris von etwa 1280).

Lit.: Johannes von Erfurt, Die Summa confessorum, hg. v. Brieskorn, N., 1981

Johannes von Saaz (oder Tepl) (um 1350-Prag 1414) verfasst nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales in Prag als Lehrer und Notar außer dem Ackermann von Böhmen (1401) vier Formelbücher und einen Band des Stadtbuches von Prag (lat. Liber [M.] contractuum, Buch der Verträge).

Lit.: Stutz, U., Rechtshistorisches in und zu dem Ackermann aus Böhmen, ZRG 41 (1920), 388

Johann von Buch → Buch, Johann von

Johanniter ist der Angehörige des 1099 gegründeten Johanniter ordens.

Lit.: Staehle, E., Geschichte der Johanniter und Malteser, Bd. 1ff. 2002; Die Ballei Brandenburg des Johanniterordens, Findbuch, hg. v. Neitmann, K., 2006

joint tenancy (N.) Gesamthandsgemeinschaft

Jonsbok (F.) (oder Lögbok Islendinga) ist der Name des 1281 in → Island eingeführten, in rund 200 Handschriften überlieferten, nach (dem Lögmann) Jon Einarsson benannten, in zehn Teile gegliederten Rechts König → Magnus Hakonarsons. Die J. bleibt bis in das 18. Jh. bedeutsam.

Lit.: Halldorsson, Kong Magnus Hakonarsons Lovbog for Island, 1904; Fix, H., Wortschatz der Jonsbok, 1984

Jordan von Osnabrück (um 1225?-15. 4. 1283?), Domkapitular in Osnabrück, verfasst wohl vor 1273 einen durch → Alexander von Roes 1281 überlieferten (lat.) Tractatus (M.) super Romano imperio (Abhandlung über das römische Reich), in dem er den Vorrang des römischen Reiches bis an das Weltende lehrt.

Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910

Josaphat („Jahwe richtet“) ist nach Joel 4,12 im jüdisch-christlichen Verständnis der Ort des Jüngsten Gerichts (meist als Kidrontal verstanden).

Lit.: Hardung, S., Die Vorladung vor Gottes Gericht, 1934

Joseph II. (Wien 13. 3. 1741-20. 2. 1790), Sohn Kaiser Franz’ I. und Maria Theresias, wird 1764 römischer König, 1765 Kaiser und nach dem Tod seiner Mutter (29. 11. 1780) alleiniger Landesherr der österreichischen Erblande. Er strebt einen zentralistischen Ge­samtstaat → Österreich deutscher Staats­sprache an. Seine rastlose aufgeklärte Reformpolitik (Schule, Bildungswesen, Gesundheitswesen, Toleranz 1781, Allgemeine Gerichtsordnung 1781, Ehepatent 1783, Erbfolgepatent 1786, → Josephinisches Gesetzbuch 1786/1787, Josephinisches Straf­gesetzbuch 1787/1788 mit Todesstrafe nur­mehr im Standrecht, Kriminalgerichts­ordnung 1788, Bauernbefreiung, Josephinismus) kann sich gegen ständischen und föderalen Widerstand nicht durchsetzen.

Lit.: Winter, E., Der Josefinismus, 2. A. 1962; Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Mikoletzky, L., Kaiser Joseph II., 1979; Bernard, P., The limits of enlightenment, 1979; Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Beales, D., Joseph II., 1987; Blanning, T., Joseph II., 1994

Josephinisches Gesetzbuch ist das aus dem Entwurf gebliebenen (lat.) → Codex (M.) Theresianus (1766) über den Entwurf Horten (1776) hervorgegangene österreichische Gesetzbuch vom (1. 11. 1786 bzw.) 1. 1. 1787. Dieses „All­gemeine bürgerliche Gesetzbuch“ enthält nur das Personenrecht. Es wird zum 1. 1. 1812 durch das → Allgemeine Bürgerliche Gesetz­buch abgelöst.

Lit.: Köbler, DRG 142; Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch. Erster Teil, 1786; Harras von Harrasowsky, Der Theresianus und seine Umarbeitungen, 1886¸ http://www.koeblergerhard.­de/Fontes/JGB20070429-rund18800woerter.htm

Josephinismus ist das staatspolitische bzw. kirchenpolitische System des aufgeklärten → Absolutismus unter → Joseph II. (1780-1790) in → Österreich. Im J. wandelt der Landes­herr die ständische Verwaltung in eine bürokratische Beamtenverwaltung um. Die Leibeigenschaft wird abgeschafft, Wohl­fahrts­einrichtungen werden gegründet. Deutsch wird Amtssprache. Der geistliche Bereich der Kirche wird auf Predigt, Sa­krament, Gottesdienst und Disziplinar­gewalt über den Klerus beschränkt. Die Geistlichen werden Staatsbedienstete. Der evange­lischen Religion wird Toleranz gewährt (Tole­ranzpatent 1781). Die Ehe wird bürgerlicher Vertrag (Ehepatent 1783). Grundgedanke ist die Nützlichkeit für Staat und Gesellschaft. Viele Einzelmaßnahmen stoßen auf Widerstand und müssen zurück­genommen wer­den.

Lit.: Winter, E., Der Josephinismus und seine Geschichte, 1943; Maass, F., Der Frühjosephinismus, Bd. 1ff. 1951ff.; Winter, E., Der Josephinismus, 2. A. 1962; Der Josephinismus, hg. v. Reinalter, H., 1993; Der Josephinismus, hg. v. Klueting, H., 1995; Josephinismus als aufgeklärter Absolutismus, hg. v. Rei­nalter, H., 2008

Jude ist der Angehörige der Religions­gemeinschaft Judentum, ursprünglich der Bewohner des Reiches des nach dem vierten Sohn Jakobs benannten Stammes (Gebiet um Jerusalem, Hebron, Beer Sheva). Die Frühgeschichte der Juden ist nicht eindeutig feststellbar. Im 8. Jh. v. Chr. werden die Oberschichten der Reiche Israel und Juda deportiert. 587 v. Chr. gerät das Reich Juda unter die Herrschaft Babylons. 538 v. Chr. erlaubt König Kyros II. von Persien den in diesem Zusammenhang verschleppten Juden die Rückkehr nach Jerusalem. 63 v. Chr. erobern die Römer Jerusalem. Aufstände der Juden schlagen die Römer 70 n. Chr. unter Zerstörung Jerusalems, 115-117 und 132-136 n. Chr. blutig nieder. Bis zum 5./6. Jh. breiten sich die Juden unter Bewahrung ihrer besonderen Religion und ihres besonderen Rechtes in einzelne Gebiete Spaniens, des Frankenreiches und Italiens aus und verlegen sich dabei auf die Tätigkeit als Händler. 638 fällt Jerusalem an die Araber. Bis in das 9. Jahrhundert, in dem die Juden unter dem Kalifen al-Mutawakkil mit einem besonderen Abzeichen gekennzeichnet werden, sind sie im Frankenreich nur am Mittelmeer sichtbar. Seit dem 9. Jh. werden ihnen im Frankenreich Schutzprivilegien gewährt, für die sie einen Schutzzins leisten. Im Reichs­landfrieden von 1103 werden die Juden, die in den Städten in eigenen Gassen oder Vierteln (Ghettos) leben, unter die besonders befrie­deten Personen aufgenommen. 1236 unterstellt sie Kaiser Friedrich II. als Kammerknechte gegen Abgaben (Judensteuer) dem Schutz des Königs bzw. des ihm hierin folgenden Landesherrn (Judenregal). Da die Juden wegen des nur Christen treffenden → kanonischen Zinsver­botes den Geldwechsel und das verzinsliche Darlehen an sich ziehen, werden sie zur Zeit der Verbreitung der Pest (1347-1351, im Herbst 1347 durch genuesische Schiffe von der Krim nach Italien gebracht, je 50000 Tote in Florenz und Genua, im Heiligen römischen Reich vielleicht ein Zehntel der Bevölkerung an der Pest gestorben) als deren angebliche Urheber vielfach verfolgt und weitgehend aus den Städten vertrieben. In den Schriften deutscher Juristen des 16. und 17. Jh.s werden sie zwar abgelehnt, aber vor allem aus Nächstenliebe, später (Justus Henning Böh­mer 1674-1749) auch aus natur­rechtlichen Überlegungen geduldet. Im 17. und 18. Jh. gelingt einzelnen der verbliebenen Juden der Aufstieg im Bankwesen. In der Aufklärung (z. B. Dohm, C., Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781) erhalten die Juden alle staatsbürgerlichen Rechte (Virginia 1776, Frankreich 1791, Preußen 11. 3. 1812 Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate – das die einheimischen Juden zu Inländern und preußischen Staatsbürgern erklärt und ihnen grundsätzlich gleiche bürgerliche Rechte wie den Christen zuspricht -, 1850, Österreich 1867, Sachsen 1868 Gleichberechtigung aller Staatsange­hörigen unabhängig von der Religionszugehörigkeit in Verfassungsrang erhoben), müssen aber ihr besonderes Recht und ihre besondere Gerichtsbarkeit ein­schränken. Dabei wird nach 1780 allgemein die Forderung nach Eingliederung der jüdischen Minderheit in die Gesellschaft erhoben. Als Folge der Gleichstellung und der durch die frühere Ausgrenzung begünstigten Vorreiterrolle in der Verbürgerlichung ziehen die Juden in die Großstädte und aus dem Osten in die deutschen Staaten, wo sich beispielsweise in Sachsen erst nach 1830 die Befürworter eines langsamen Angleichungs- und Erziehungsprozesses durchsetzen. Gegen 1860 hat sich das Judentum als eigene kulturelle Komponente in der bürgerlichen Gesellschaft etabliert (1871 1,05 Prozent der Deutschen, 1925 564379, 1933 499682 oder 0,76 Prozent von rund 65 Millionen). In Abwehr der Judenemanzipation entsteht am Ende des 19. Jh.s der Antisemitismus (in Deutschland z. B. Treitschke, Stoecker, Eugen Dühring, Wilhelm Marr, Hermann Ahlwardt, Theodor Fritsch [1852-1933], Otto Böckel, Erwin Bauer, Max Bewer, Alfred Rosenberg, Hans F. K. Günther). Er bildet einen Kern des politischen Programmes des → National­sozialismus Adolf → Hitlers. Als Folge der bis 1918 judendiskriminierenden Einstel­lungspolitik sind Juden im Staatsdienst nur schwach vertreten (1924 in Preußen von 987 Ordinarien 39 Juden, daneben 97 nicht beamtete Professoren, 43 Privatdozenten) und drängen in den Rechtsanwaltsstand. 1933 wird (bei 9208 im Deutschen Reich zugelassenen Rechtsanwäl­ten, davon rund 5000 nicht arisch) mehr als ein Viertel (von 11814 3370 d. h. 28,5 %) der Rechtsanwälte Preußens und die Hälfte (54 oder 48 %, rund 1830) der Rechtsanwälte Berlins als Nichtarier erfasst (Frankfurt am Main 45 %, Breslau 35 %, Hamm 14 %, Kiel 7 %, Bayern 460 von etwa 2400). Von 1663 Beamten des höheren Dienstes Preußens werden 211 und 285 Beamte vom Gesetz zur Wieder­herstellung des Berufsbeamtentums betroffen (28 %, im übrigen Reich von 2339 Beamten 106 und 143, also 9,5 %). Von 536 Richtern und Staatsanwälten jüdischer Herkunft in Preußen müssen von Juni 1933 bis Ende 1935 309 (58 Prozent) und bis zur Mitte des Jahres 1937 weitere 182 den Justizdienst verlassen und können nur 41 (als sog. „Mischlinge“) verbleiben. 1935 werden die Juden diskriminiert (1936 Entzug des Titels und der Lehrbefugnis für alle jüdischen Professoren und Dozenten, 1937 Verbot der Promotion für jü­dische Studenten, 1938 Verbot der Im­matrikulation für jüdische Studenten, Verbot der Benutzung von Bibliotheken und Archiven für jüdische Professoren und Dozenten, 761 jüdische Berliner Rechts­anwälte entlassen). Die 1938/1939 als Alter­native zu der vom Ausland bzw. möglichen Einwanderungs­ländern abgelehn­ten Auswan­derung (von 300000 bis 400000 Juden) angedrohte Vernichtung wird seit Sommer 1941 verwirklicht. Nur ein geringer Teil der euro­päischen Juden (um 1930 500000 Juden im Deutschen Reich [1933 500000 mit einem geschätzten Vermögen von 16 Milliarden Reichsmark = 30000 RM pro Person, 778 Millionen Reichsmark Ein­nahmen des Rei­ches aus der Enteignung de­por­tierter Juden], 190000 in Österreich, 1939 72000 Juden­mischlinge ersten Grades und 39000 Judenmischlinge zweiten Grades in Deutsch­land) überlebt die sog. Endlösung (Ho­lo­caust).

Lit.: Köbler, DRG 120, 125, 127, 161, 172, 206, 222, 225, 228, 234, 238; Graetz, H., Geschichte der Juden, Bd. 1ff. 1853ff., Neudruck 1996; Stobbe, O., Die Juden in Deutschland während des Mittelalters, 1866; Scherer, J., Die Rechtsverhältnisse der Juden in den deutsch-österreichischen Ländern, 1901; Hahn, B., Die wirtschaftliche Tätigkeit der Juden, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1911; Rosenberg, A., Beiträge zur Geschichte der Juden in Steiermark, 1914; Das Erfurter Judenbuch (1357-1407), hg. v. Süßmann, A., 1915; Fehr, H., Deutsches Recht und jüdisches Recht, ZRG GA 39 (1918), 314; Urkunden aus Wiener Grundbüchern zur Geschichte der Wiener Juden im Mittelalter, hg. v. Geyer, R. u. a., 1931; Fischer, H., Die verfassungsrecht­liche Stellung der Juden in den deutschen Städten während des 13. Jahrhunderts, 1931; Heise, W., Die Juden in der Mark Brandenburg bis zum Jahre 1571, 1932; Fischer, H., Die Judenprivilegien des Goslarer Rates, ZRG GA 56 (1936), 89; Baer, F., Die Juden im christlichen Spanien, Bd. 1ff. 1929ff.; Grayzels, S., The church and the Jews in the thirteenth century, 1933; Löning, G., Juden im mittelalterlichen Bremen und Oldenburg, ZRG GA 58 (1938), 257; Katz, S., The Jews in the visigothic and frankish kingdoms of Spain and Gaul, 1937; Krusemarck, G., Die Juden in Heilbronn, 1938; Bender, H., Der Kampf um die Judenemanzipation im Spiegel der Flugschriften 1815-1820, 1939; Zuncke, W., Die Judenpolitik der fränkisch-deutschen Könige und Kaiser, 1941; Kisch, G., Jewry Law in Medieval Germany, 1949; Kisch, G., The Jews in Medieval Germany, 1949; Kisch, G., Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden, 1955, 2. A. 1978; Kisch, G., The yellow badge in history, Historia Judaica 19 (1957), 89 2. A. 1958; Schochat, A., Der Ursprung der jüdischen Aufklärung in Deutschland, 1960 (deutsch 2000); Germania Judaica, hg. v. Elbogen, I. u. a., Bd. 1ff. 1963ff.; Kisch, G., Zur Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 358; Falk, Hebrew Law in Biblical Times, 1964; Herzog, The Main Institutions of Jewish Law, Bd. 1f. 2. A. 1965ff.; Blau, B., Das Ausnahmerecht für die Juden, 3. A. 1965; Dokumente über die Verfolgng der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das nationalsozialistische Regime 1933-1945, bearb. v. Sauer, P., 1966; Staudner, G., Die Wiener Juden als Geldgeber im Mittelalter, Diss. phil. 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Matheus, M., 1995; Hammerstein, N., Antisemitismus und deutsche Universitäten, 1995; Mentgen, G., Studien zur Geschichte der Juden im mittelalterlichen Elsass, 1995; Lorenz, I./Berkemann, J., Streitfall jüdischer Friedhof Ottensen, 1995 (2 Bände); Die Judenpolitik des Sicherheitsdiensts 1935 bis 1938, hg. v. Wildt, M., 1995; Quellen zur Geschichte der Juden im hessischen Staatsarchiv Darmstadt 1080-1650, bearb. v. Battenberg, F., 1995; Trepp, L., Geschichte der deutschen Juden, 1996; Scholl, R., Juden und Judenrecht, 1996; Das Sonderrecht der Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 2. A. 1996; Die Juden in Deutschland 1933-1945, hg. v. Benz, W., 4. A. 1996; An introduction to the history and sources, hg. v. 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Lange, N. de, 2000; Cluse, C., Studien zur Geschichte der Juden in den mittelalterlichen Niederlanden, 2000;; Bohrmann, M., Valeurs du judaïsme du début de notre ère, 2000; Herzfeld, E., Juden in Brandenburg und Preußen, 2001; Juden in Europa, hg. v. Schoeps, J. u. a., Bd. 1ff. 2001ff.; Rechtsentscheide Abraham Ben Davids von Posquières, hg. v. Mutius, H., 2001; Battenberg, J., Die Juden in Deutschland, 2001; Browning, C., Judenmord, 2001; The Jews and the Expansion of Europe to the West, hg. v. Bernardini, P. u. a., 2001; Handbuch zur Geschichte der Juden in Europa, hg. v. Kotowski, E. u. a., 2001; Stern, S., Der Hofjude im Zeitalter des Absolutismus, 2001; Juden – Bürger – Deutsche, hg. v. Gotzmann, A. u. a., 2001; Große jüdische Gelehrte an der Münchener juristischen Fakultät, hg. v. Landau, P. u. a., 2001; Weitere Rechtsentscheide Abraham Ben Davids von Posquières, hg. v. Mutius, H., 2002; Baltrusch, E., Die Juden und das römische Reich, 2002; Lohrmann, K., Die Juden in der Gesellschaft des Mittelalters, 2002; Judentum und Aufklärung, hg. v. Herzig, A. u. a., 2002; Schall, U., Die Juden im römischen Reich, 2002; Schäfer, R., Die Rechtsstellung der Haigerlocher Juden, 2002; Gruner, W., Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung, 2002; Althaus, H., Zocker, Zoff und Zores – Jiddische Wörter im Deutschen, 2002; Herzig, A., Jüdische Geschichte in Deutschland, 2. A. 2002; Barkai, A., Wehr dich – Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens 1893-1938, 2002; Katz, J., Tradition und Krise, 2002; Finkelstein, I./Silberman, N., Keine Posaunen vor Je­richo, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht, 2002; Staudacher, A., Jüdische Konvertiten in Wien 1782-1868, 2002; Kieffer, F., Judenverfolgung in Deutschland – eine innere Angelegenheit?, 2002; Geschichte der Juden im Mittelalter, hg. v. Haverkamp, A., 2002; Hoppe, J., Jüdische Geschichte und Kultur in Museen, 2002; The History of the Jews in the Netherlands, hg. v. Blom, J. u. a., 2002; Jüdische Gemeinden und ihr christlicher Kontext, hg. v. Cluse, C. u. a., 2003; Hecht, C., Deutsche Juden und Anti­semitismus in der Weimarer Republik, 2003; Paucker, A., Deutsche Juden im Kampf um Recht und Freiheit, bearb. v. Suchy, B., 2003; Atlan, G., Les Juifs et le divorce, 2003; Adam, W., Judenpolitik im Dritten Reich, 2003; Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland, hg. v. Kaplan, M., 2003; Rechts­entscheide von Moses Nachmanides aus Gerona, hg. v. Mutius, H. v., Teil 1 2003; Bergemann, H./Ladwig-Winters, S., „Für ihn brach die Welt, wie er sie kannt, zusammen …“. Juristen jüdischer Herkunft im Landgerichtsbezirk Potsdam, 2003; Hambrock, M., Die Etablierung der Außenseiter, 2003; Bajohr, F., Unser Hotel ist judenfrei, 2003; Elon, A., Zu einer anderen Zeit, 2003; Barth, C., Goebbels und die Juden, 2003; Schubert, K., Jüdische Geschichte, 5. A. 2003; Althaus, H., Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft, 2003; Toch, M., Die Juden im mittelalterlichen Reich, 2. A. 2003; Wyrwa, U., Juden in der Toskana und in Preußen im Vergleich, 2003; Towards Normality, hg. v. Liedtke, R. u. a., 2003; Rigg, B., Hitlers jüdische Soldaten, 2. A. 2005; Litt, T., Juden in Thüringen in der frühen Neuzeit, 2003; An der Schwelle zur Moderne, hg. v. Veltri, G. u. a., 2003; Rabbinic Law in Roman and Near Eastern Context, hg. v. Hezser, C., 2003; Überleben im Dritten Reich, hg. v. Benz, W., 2003; Browning, C., Die Entfesselung der Endlösung, 2003; Barth, C., Goebbels und die Juden, 2003; Holtmann, A., Juden in der Grafschaft Burgund, 2003; Lewis, B., Die Juden in der islamischen Welt, 2004; Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933-1945, hg. v. Kulka, O. u. a. 2004; Heilbronner, O., Das (bürgerliche) deutsche Judentum im Spiegel der deutschen Fachwissenschaft, HZ 278 (2004), 101; Hayoun, M., Geschichte der jüdischen Philosophie, 2004; Europas Juden im Mittelalter, hg. v. Cluse, C., 2004; Schuster, F., Zwischen allen Fronten, 2004; Haberkorn, P., Der lange Weg zur Gleichberechtigung, 2004; Ellenson, D., After Emancipation, 2004; Jüdische Lebenswelt Schweiz, hg. v. Schweizerischen israelitischen Gemein­debund, 2004; Lotter, F., Sind christliche Quellen zur Erforschung der Geschichte der Juden im Frühmittelalter weitgehend unbrauchbar? HZ 278 (2004), 311; Toch, M., Jüdisches Alltagsleben im Mittelalter, HZ 278 (2004), 329; Bergemann, H., Richter und Staatsanwälte jüdischer Herkunft in Preußen im Nationalsozialismus, 2004; Lindemann, S., Jüdisches Leben in Celle, 2004; Groot, H. de, Judenverdrängung, Judenverfolgung und Judendepor­tation, 2004; Scheiner, J., Vom Gelben Flicken zum Judenstern?, 2004; Die Deportation der Juden aus Deutschland, hg. v. Kudrus, B. u. a., 2004; Lässig, S., Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004; Luig, K., weil er nicht arischer Abstammung ist, 2004; Middelberg, M., Judenrecht, Judenpolitik und der Jurist Hans Calmeyer in den besetzten Niederlanden 1940-1945, 2004; Cohen, M., Unter Kreuz und Halbmond. Die Juden im Mittelalter, 2005; Brechenmacher, T., Der Vatikan und die Juden, 2005; Zimmermann, M., Deutsch-jüdische Vergangenheit, 2005; Jüdisches Leben im Rheinland, hg. v. Grübel, M. u. a., 2005; Jüdische Welten, hg. v. Kaplan, M. u. a., 2005; Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo, 2005; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E., 2005; Jüdische Quellen zur Reform und Akkulturation der Juden in Westfalen, bearb. v. Herzig, A., 2005; Jüdische Welten in Osteuropa, hg. v. Engel-Braunschmidt, A. u. a., 2005; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des ersten Kreuzzuges, hg. v. Haverkamp, E., 2005; Judenverfolgung in Italien, hg. v. Wagenknecht, R., 2005; Lange, N. de, Das Judentum, 2005; Bringmann, K., Geschichte der Juden im Altertum, 2005; Dohna, J. Graf zu, Die jüdischen Konten der fürstlich Castell’schen Credit-Cassen, 2005; Wenige, N., Integration und Ausgrenzung, 2005; Hezser, C., Jewish Slavery in Antiquity, 2005; Gottwaldt, A. u. a., Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941-1945, 2005 (mehr als 650 Judentransporte); Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, hg. v. Obenaus, H., 2005; Cohn, W., Kein Recht, nirgends, 2006; Bruer, A., Aufstieg und Untergang. Eine Geschichte der Juden in Deutschland (1750-1918), 2006; Münzel, M., Die jüdischen Mitglieder der deutschen Wirtschaftselite 1927-1955, 2006; Deutsche, Juden, Völkermord, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2006; Deutsch-jüdische Geschichte als Geschlech­tergeschichte, hg. v. Heinsohn, K. u. a., 2006; Niedermeier, U., Lippisches Judendrecht, 2006; Longerich, P., Davon haben wir nichts gewusst, 2006; Weber, R., Das Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte in Bayern nach 1933, 2006; Friedländer, S., Die Jahre der Vernichtung, 2006; Adam, K., Saul und David in der judäischen Geschichtsschreibung, 2006; Schmidt, K., Die Entwicklung der jüdischen Religionsge­sellschaft zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, 2006; Schäbitz, M., Juden in Sachsen, jüdische Sachsen?, 2006; Krüger, C., Sind wir denn nicht Brüder?, 2006; Berger, M., Eisernes Kreuz und Davidstern, 2006; Reinke, A., Geschichte der Juden in Deutschland 1781-1933, 2007; Otto, E., Das Gesetz des Moses, 2007; Lämmerhirt, M., Juden in den wettinischen Herrschaftsgebieten, 2007; Ludyga, H., Die Rechtsstellung der Juden in Bayern von 1819 bis 1918, 2007; Huser, K., Vieh- und Textilhändler an der Aare, 2007; Kaufmann, U., Kleine Geschichte der Juden in Baden, 2007; Preuß, M., Gelehrte Juden, 2007; … fühlte mich durchaus als Deutscher …, bearb. v. Kracht, T., 2007; Shatzmiller, J., Shylock geht in Revision, 2007; Andernacht, D., Regesten zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Frankfurt am Main von 1520-1616, hg. v. Andernacht, H., 2007; Bell, D., Jewish Identiy in Early Modern Germany, 2007; Lillteicher, J., Raub, Recht und Restitution, 2007; Schubert, K., Geschichte der österreichischen Juden, bearb. v. Dolna, B., 2008; Ben-Naeh, Y., Jews in the Realm of the Sultans, 2008; Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Bd. 1f. Deutsches Reich, bearb. v. Gruner, W. u. a., 2008f.; Leitenberg, L., La population juive des villes d’Europe, 2008; Ilan, T., Lexicon of Jewish Names in Latin Antiquity, Bd. 3 (The western Diaspora 330 BCE-650CE), 2008; Sieg, U., Jüdische Intellektuelle im ersten Weltkrieg, 2. A. 2008; Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden, hg. v. Toch, M., 2008; Die Juden in der Oberpfalz, hg. v. Bremnner, M. u. a., 2008; Dolna, B., Die Geschichte des österreichischen Judentums, (überarb. v. Schubert, K.,) 2008; Möschter, A., Juden im venezianischen Treviso (1389-1509), 2008; Leibniz und das Judentum, hg. v. Cook, D. u. a., 2008; Kuller, C., Finanzverwaltung und Judenver­folgung, 2008; Volkov, S., Merkurianer im Land der Apollonier, HZ 286 (2008), 657; Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817, bearb. v. Rosenstock, D., 2008; Litt, S., Geschichte der Juden Mitteleuropas 1500-1800, 2009; Daniels, J. v., Religiöses Recht als Referenz, 2009; Herlich, R. u. a., Weiterleben Weitergeben, 2009; Klein, P., Die Gettoverwaltung Litzmannstadt, 2009

Judeneid ist der besondere, von → Juden in Rechtsstreitigkeiten mit Nichtjuden zu schwörende, seit dem 9. Jh. überlieferte Eid.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Claussen, H., Der Judeneid, 1937; Schmidt, R., Judeneide in Augsburg und Regensburg, ZRG GA 93 (1976), 322; Zimmermann, V., Die Entwicklung des Judeneids, 1973; Kisch, G., Ausgewählte Schriften, Bd. 1 1978, 137; Vormbaum, T., Der Judeneid im 19. Jahrhundert, 2007

Judenpogrom → Juden

Judenrecht ist das besondere, für → Juden geltende Recht. Es ist teils nichtjüdisches Recht (z. B. Codex Theodosianus 438, Codex Justinianus 534), hauptsächlich aber jüdisches, auf die Tora gegründetes, in Misch­na und Talmud aufgezeichnetes, und in Mischne Tora und Schulchan aruch gesetztes  Recht.

Lit.: Linder, A., The Jews in Roman Imperial Legislation, 1987; Pakter, W., Medieval Canon Law and the Jews, 1988; An Introduction to the History and Sources of Jewish Law, hg. v. Hecht, N. u. a., 1997; Eisenhardt, U., Deutsche Rechts­geschichte, 4. A. 2004

Judenregal → Jude

Judenverfolgung → Jude

Judicature Acts von 1873/1875 sind Gesetze, die das englische Gerichts­ver­fassungs­recht erheblich abändern und dabei das Gericht des Kanzlers mit den drei Gerichten des Königs verbinden.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Judikative ist im Rahmen der → Gewaltenteilung die rechtsprechende Gewalt.

Lit.: Köbler, DRG 191

Judikatur (F.) Rechtsprechung

Lit.: Mertens, H., Untersuchungen zur zivilrechtlichen Judikatur des Reichsgerichts, AcP 174 (1974), 333; Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur, ZNR 1998, 84

jüdisches Hehlerrecht → Hehler

Jugend ist die Zeit des Heranwachsens eines Menschen. Für die J. gelten seit Entstehung des Rechts besondere Rechtssätze. → Kind, Vormundschaft, Jugendgericht, Jugendstraf­recht

Lit.: Speitkamp, W., Jugend in der Neuzeit, 1998

Jugendgericht ist das für Jugendsachen in Deutschland zuständige Gericht, das 1908 durch gerichtliche Organisationserlasse in Köln, Frankfurt am Main und Berlin und allgemein durch das Jugendgerichtsgesetz (16. 2. 1923) geschaffen wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234; Baltl/Kocher

Jugendschutz ist der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren. Ihm dient das besondere Jugendschutzgesetz (Deutschland 1985, Jugendarbeitsschutzgesetz 1976, Öster­reich 1987).

Lit.: Ukrow, J., Jugendschutzrecht, 2004

Jugendstrafrecht ist das seit dem 19. Jh. entstehende besondere Strafrecht für Jugend­liche (Deutschland 16. 2. 1923 Jugend­ge­richtsgesetz).

Lit.: Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Roth, A., Die Entstehung eines Jugendstrafrechts, ZNR 1991, 17; Wolff, J. u. a., Das Jugendstrafrecht zwischen Nationalsozialismus und Demokratie, 1997; Fritsch, M., Die jugend­strafrechtliche Reformbewegung, 1999; Oberwittler, D., Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Günzel, S., Die geschichtliche Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2001; Schady, J., Die Praxis des Jugenstrafrechts in der Weimarer Republik, 2003; Kraft, B., Tendenzen in der Entwicklung des Jugendstrafrechts, 2004

Jugoslawien ist der 1918 aus Gebieten Österreich-Ungarns (Bosnien-Herzegowina, Dal­matien, Krain und Kroatien), des osmanischen Reiches (Montenegro) und des seit 1830 autonomen und seit 1878 unabhängigen Königreichs (1882) Serbien gebildete südosteuropäische Staat. Am 29. 10. 1918 wird die Loslösung Kroatiens, am 30. 10. 1918 die Loslösung Bosniens und Herzegowinas von Österreich, am 19. 11. 1918 der Anschluss Montenegros an Serbien ausgerufen. Am 1. 12. 1918 wird das König­reich der Serben, Kroaten und Slowenen erklärt. Zu ihm kommen Teile Kärntens, der Steiermark und Unganrns. 1929 wird das Land in J. umbenannt, 1941-1945 vom Deutschen Reich und von Italien aufgelöst, am 29. 11. 1945 zur Republik umgewandelt. 1947 kommen  das ehemalige Küstenland (ohne Triest) und Zadar hinzu. Seit 1991 zerfällt es wieder in mehrere Einzelstaaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien [1992 Bundesrepublik mit Monte­negro, 2006 getrennt], Makedonien).

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,325; Büschenfeld, H., Jugoslawien, 1981; Geč-Korošec, M., Die geschichtliche Entwicklung des jugoslawischen Familienrechts, ZRG GA 106 (1989), 331; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Baer, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Suppan, A., Jugoslawien und Österreich, 1996; Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, verf. v. Arbeitskreis Dokumentation in der donauschwäbischen Kultur­stiftung, 1998; Der Jugoslawien-Krieg, hg. v. Melcic, D. u. a., 1999; Meier, V., Wie Jugoslawien verspielt wurde, 3. A. 1999; Meier, V., Jugoslawiens Erben, 2001; Dérens, J./Samary, C., Jugoslawien von A bis Z, 2001; Schmider. K., Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944, 2002; Zlatar, Z., The Poetics of Slavedom, 2007; Ramet, S., Die drei Jugoslawien, 2008

Julianus → Iulianus

Jülich ist der Mittelpunkt einer Grafschaft, die 1356 zum Herzogtum erhoben wird und deren Gebiet über Pfalz-Neuburg (1614), Bayern (1777) und Preußen (1814/5) 1946 zu Nordrhein-Westfalen kommt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, Bd. 1 1821; Landtagsakten von Jülich-Berg 1400-1610, hg. v. Below, G. v., Bd. 1f. 1895ff.; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Düren, bearb. v. Schoop, A., 1920; Croon, H., Stände und Steuern in Jülich-Berg, 1929; Jülich, bearb. v. Lau, F., 1932; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat, 1982; Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1987

Jüngstenrecht (Minorat) ist das Erbrecht des Jüngsten als Alleinerben bei mehreren an sich gleich nahen Verwandten. Es entsteht im → Anerbenrecht. Es ist weniger verbreitet als das Ältestenrecht.

Lit.: Hübner 803; Kroeschell, DRG 2

Jüngster Reichsabschied ist der am 17. 5. 1654 verkündete letzte Reichsabschied des Reichstags des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) (vor dem immerwährenden Reichstag). Von Bedeutung ist die im jüngsten Reichsabschied enthaltene neue Ver­fah­rensordnung des Reichskammerge­richts mit der Abschaffung der artikulierten Klage usw.

Lit.: Ruville, A. v., Die kaiserliche Politik auf dem Regensburger Reichstag 1653-1654, 1896; Fürnohr, W., Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963

Jüngstes Gericht ist das von der jüdisch-christlichen Religion erwartete Gericht Gottes am Ende der Welt.

Juniorat → Jüngstenrecht

Junker (M.) Jungherr

Lit.: Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte, 2005

jura (lat. [N.Pl.]) → ius (lat. [N.])

Jura ist das Gebiet eines Gebirgszuges nahe dem Doubs. Der französischsprachige J. gehört bis 1815 zum Hochstift Basel, danach zum Kanton Bern. Nach Volksabstimmungen im Jura (1974) und in der → Schweiz (24. 9. 1978) wird J. selbständiger Kanton.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1859

Jurisdiktion (F.) Rechtsprechung, Erstbeleg 1298

Jurisdiktionsnorm ist in Österreich das Gesetz über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1. 8. 1895.

Lit.: Baltl/Kocher

Jurisprudenz (Rechtsklugheit) ist die (rö­mische) Rechtskunde. Sie geht von den Priestern (lat. [M…] pontifices, Brücken­bauer) aus, entwickelt sich im Handeln (agere), Schützen (cavere) und Antworten (respondere) und ist bedeutsam im klas­sischen römischen Recht (3. Jh. v. Chr.-3. Jh. n. Chr., Hochklassiker z. B. Celsus, Julian, Gaius, Pomponius mit klarer, knapper Sprache, sachlicher Darlegung und über­zeugender Lösung) sowie als Rechtswis­senschaft seit der Wie­der­entdeckung des römischen Rechtes im Hochmittelalter (→ Irnerius). Der durch J. fachlich Gebildete ist seit dem Hoch­mittelalter der → Jurist. → Begriffs­juris­pru­denz, Interessen­jurisprudenz, Wertungs­juris­pru­­denz

Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30, 99; Kirchmann, J. v., Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Neudruck 1956, 1960, 1988; Ihering, R. v., Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, 1868, hg. v. Behrends, O., 1998; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschafts­ethik, 1961; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969; Stupp, H., Mos geometricus oder prudentia als Denkform der Jurisprudenz, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Kisch, G., Studien zur humanistischen Jurisprudenz, 1972; Blühdorn, J., Naturrechtskritik und „Philosophie des positiven Rechts“, TRG 41 (1973), 3; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Backhaus, R., Casus perplexus, 1981; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Radding, C., The Origins of Medieval Jurisprudence, 1988; Liebs, D., Römische Juris­prudenz in Afrika, 1993; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien (2. bis 8. Jashrhundert), 2002; Jenseits von Bologna, hg. v. Kilian, M., 2006

Jurist ist der planmäßig rechtswissen­schaftlich ausgebildete Rechtsgelehrte. Rechtskundige kennt bereits das römische Altertum, in dem die öffentliche Ausübung einer weltlichen Rechtsunterweisung anschei-nend zuerst durch den ersten plebejischen (lat.) pontifex (M.) maximus (Oberpriester) Tiberius Coruncanius (254 v. Chr.) erfolgt. Im Hochmittelalter beginnt die Ausbildung von Juristen wohl mit → Irnerius und seinen Schülern am Anfang des 12. Jh.s. 1267 begegnet der erste gelehrte Jurist des Erzbistums Salzburg, danach des Erzbistums Trier. Kurz vor 1300 erscheint der erste, in Bologna noch ohne Grad ausgebildete J. am Hof des Erzbischofs von Mainz, dem bis 1440 49 weitere, dann meist in Heidelberg oder Erfurt geschulte Juristen folgen (Bremen 1328, Riga 1360). Insgesamt finden sich zwischen 1250 und 1440 etwa 700 rechts­gelehrte Personen in 55 geistlichen und 29 weltlichen Herrschaftsgebieten (König von Böhmen 72, Herzog von Österreich 60, Erzbischof von Köln 56, Erzbischof von Mainz 49, Herzog von Bayern 34, Bischof von Konstanz 32). Aus Bologna sind zwischen 1265 und 1425 3601 deutsche Studierende des Rechts (21 neue Namen jährlich, 0,7 Graduierungen im Jahr) bekannt, aus Prag zwischen 1372 und 1418 3563 (jährlich 78 neue Namen und 7 Graduierungen), aus Köln seit etwa 1400 30 (juristische) Neuimmatrikulierte jährlich, aus Wien seit 1402 vielleicht 20, aus Heidelberg deutlich weniger. Gegen 1300 verwendet Hugo von Trimberg im Deutschen das Wort J. Kanonisten begegnen am deutschen Königshof erstmals unter Rudolf von Habsburg († 1291), Legisten unter Karl IV. († 1378, in Frankreich unter Ludwig IX., † 1270). Unter Kaiser Friedrich III. (1452–1493) dient dem Königtum die Hälfte der mehr als 250 aus dem gesamten Spät­mittelalter bekannten gelehrten deutschen Juristen des Königs und damit ebenso viele wie in der Zeit zwischen 1300 und 1450 und mehr als an irgendeinem landesherrlichen Hof. Die Zahl der vor allem dem niederen Adel und dem städtischen Großbürgertum entstammenden Juristen, die zeitweise als dem Adel gleich­wertig gelten, steigt anfangs langsam, im 15. Jh. bereits deutlich, seit dem 20. Jh. immer stärker (um 1995 ca. 150000 Juristen in Deutschland). Im Dritten Reich wenden sich auch Juristen dem Nationalsozialismus zu (u. a. Kitzeberger Lager junger Rechtslehrer mit Wieacker, Lange, Thieme, Maunz, Dahm, Ernst Rudolf Huber, Busse, Ritterbusch und Henkel in Kitzeberg bei Kiel 1936). Die 150 berühm­testen (deut­schen) Juristen studierten im Durchschnitt an 1,88 Universitäten und lehrten durchschnittlich an 2,26 Universitäten, wechselten also (zur Vermehrung ihrer Fähigkeiten und geistigen Unabhängigkeit) einmal im Studium und einmal im Beruf ganz selbverständlich.

Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 8, 100, 114, 151, 154, 188, 262; Dahl, F., Juridiske Profiler, 1920; Schultheß, H., Schweizer Juristen, 1945; Genzmer, E., Hugo von Trimberg und die Juristen, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 289; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, (in) Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Wieacker, F., Textstufen klassischer Juristen, 1960; Boockmann, H., Laurentius Blumenau, 1965; Kunkel, W., Die römischen Juristen, 2. A. 1967, Neudruck 2001, Neudruck 2001; Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices, 1970; Laufs, A., Rechtsentwicklungen in Deutschland, 1973, 5. A. 1996; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a. 1976; Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 4. A. 1996, 5. A. 2008; Kolbeck, T., Juristenschwem­men, 1978; Das Profil des Juristen in der europäischen Tradition, 1980 (Festband f. Franz Wieacker); Jessen, J., Die Selbstzeugnisse der deutschen Juristen, 1983; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Männl, I., Die gelehrten Juristen, Diss. phil. Gießen 1986; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Juristen in Österreich (1200-1980), hg. v. Brauneder, W., 1987; Biographisches Repertorium der Juristen im Alten Reich (A-E und Katalog der Sammlung Lehnemann), hg. v. Ranieri, F., Bd. 1ff. 1987ff. (CD-ROM 1997); Juristen im Portrait, 1988; Streitbare Juristen, hg. v. Kritische Justiz, 1988; Köbler, G., Wie werde ich Jurist?, 4. A. 1988; Wirth, T., Adelbert Düringer, 1989; Göppinger, H., Juristen jüdischer Ab­stammung, 1990; Stiefel, E. u. a., Deutsche Juristen im amerikanischen Exil, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Beneduce, P., Il corpo eloquente, 1996; Internationaler biographischer Index des Rechts und der Rechtswissenschaft, Bd. 1ff., 1996; Dilcher, G., Der deutsche Juristenstand, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Liebs, D., Römische Juristen der Mero­winger, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Juristinnen in Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Langer, S., Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000; Frassek, R., Steter Tropfen höhlt den Stein – Juristenbildung im Nationalsozialismus, ZRG GA 117 (2000), 294; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 2001 (Taschenbuchausgabe); Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Österreichische Rechts­wissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003; Jurists uprooted – German speaking émigré lawyers in twentieth-century Britain, hg. v. Beatson, J. u. a., 2004; Wegerich, C., Die Flucht in die Grenzenlosigkeit. Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963), 2004; Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Juristische Argumentation – Argumente der Juristen, hg. v. Cordes, A., 2005; Zwischen Rechtsstaat und Diktatur – Deutsche Juristen im 20. Jahrhundert, 2006; Juristen­aus­bildung in Europa, hg. v. Baldus, C. u. a., 2008

Juristenausbildung ist die universitäre oder praktische Ausbildung zu einem → Juristen (→ Rechtsunterricht). Sie beginnt im Mittelalter nach vorrechtswissenschaftlichen Anfängen im 12. Jh. Ausbildungsort ist hauptsächlich die → Universität, in England aber auch die Juristenzunft (engl. inn of court). An der Universität ist die juristische Fakultät eine der drei über der artistischen Fakultät stehenden oberen Fakultäten. Lehrbefugt ist am Beginn der (lat. [M.]) doctor, seit dem 19. Jh. der Habilitierte. Studierberechtigt ist anfangs der Latein­kundige, seit dem 18. Jh. der (lateinkundige) Abiturient (Preußen 1788) bzw. Maturant. Frauen werden erst zu Beginn des 20. Jh.s zugelassen. Die Dauer des Studiums ist zunächst (6-8 Jahre) unbestimmt, wird im 19. Jh. aber auf eine Mindestzeit von 6, später 7 Semestern festgelegt. Wichtigste Lehrver­anstaltung ist die Vorlesung (lat. [F.] praelectio). Lehrgegenstand sind ursprünglich die römischen Texte Justinians und die kirchlichen Sammlungen, seit dem 16. Jh. einzelne Fachgebiete. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1710, 1713) wird (für den Staatsdienst) eine der Universitätsausbildung folgende (praktische Ausbildung mit anschließender) Prüfung (zum Volljuristen) vorausgesetzt.

Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Muther, T., Zur Geschichte der Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland, 1867; Weimar, P., Die le­gis­tische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Bake, U., Die Entstehung des dualistischen Systems der Juristenausbildung in Preußen, Diss. jur. Kiel 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, Bd. 1ff. 1972ff.; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Hagemann, H., Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, ZNR 14 (1992), 162; Frassek, R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996; Lührig, N., Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, 1997; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Juristen­aus­bildung in Europa zwischen Tradition und Reform, hg. v. Baldus, C. u. a., 2008

Juristen, böse Christen ist eine wohl ansatzweise im Spätmittelalter entstandene Redewendung (überliefert in vier Hand­schriften von Hugo von Trimbergs Lehrgedicht „Der Renner“ [um 1300]). Sie hat ihren Grund in den Vermutungen, dass der gelehrte Rechtskundige auf der Seite der Mächtigen steht, die Wahrheit verdunkelt und die Verfahren verlängert.

Lit.: Stintzing, R. v., Das Sprichwort „Juristen, böse Christen“, 1875; Riezler, E., Die Abneigung gegen den Juristen, 1925

Juristenfakultät ist die den Rechtsunterricht ausführende Fakultät der Universität. Sie entsteht seit dem 13. Jh. in Oberitalien und Frankreich (Paris), seit dem 14. Jh. auch im deutschen Sprachraum. Die J. ist Verbandsperson, gerät aber in der Neuzeit unter staatlichen Einfluss (Wittenberg 1508, einzelne → Universitäten). Im 20. Jh. nimmt die zahlenmäßige Größe sehr stark zu.

Lit.: Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Univer­sitäten, Bd. 1f. 1888ff., Neudruck 1958; Hand­buch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg und die Lizentiaten der Juristenfakultät von 1386 bis 1436, (in) Semper aperta, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85

Juristenrecht ist das von Juristen (statt vom Volk oder vom Gesetzgeber) geschaffene Recht. Es spielt in der rechts­wissen­schaftlichen Diskussion des frühen 19. Jh.s (→ Puchta) eine gewisse Rolle. → Richterrecht

Lit.: Kaser § 2 II; Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 4; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, Genossen­schaften, Stände, Gemeines Recht, 1846; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Hofer, S., Zwischen Gesetzestreue und Juristenrecht – Die Zivilrechtslehre Friedrich Endemanns (1857-1936), 1993

Juristenstand → Jurist

Juristentag ist eine freiwillige, periodisch stattfindende Versammlung von Juristen (in Deutschland seit 1860). Zielsetzung ist die öffentliche Erörterung von allgemeinen Rechtsfragen.

Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des deutschen Juristentages, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960-1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996

Juristische Person ist die durch die Rechtsordnung geschaffene Person. Dem Altertum ist der Gedanke, dass ein Personenverband mit selbständiger Rechts­fähigkeit ausgestattet sein kann, noch fremd. Die Römer sehen z. B. beim Staat oder Verein die Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Rechtsträger an. Wohl als Folge der zu­nehmenden Verdichtung der Gesellschaft und der sich hieraus ergebenden Verstärkung der Verbandsbildung (Stadt, Gemeinde, Staat, Uni­versität, Orden, Zunft, Markgenossen­schaft usw.) spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat.) persona (F.) ficta (erdachten Person). Im 19. Jh. wird auf der Grundlage naturrechtlicher Ansätze der moralischen Person oder juristischen Person eigene Rechtsfähigkeit zuerkannt. Streitig ist nur, ob die j. P. eine Fiktion (→ Savigny) oder ein sozialer Organismus (→ Gierke) sei. Juristische Personen sind vor allem → Verein (u. a. → Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und → Stiftung sowei Körperschaft und Anstalt. Seit dem aus­gehenden 20. Jh. ist auch die Einmanngesellschaft als j. P. möglich. Die j. P. des Privatrechts entsteht durch Rechtsge­schäft, die j. P. des öffentlichen Rechts durch Hoheitsakt. Sie handelt nach der Fiktions­theorie durch Vertreter, nach der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit durch Organe.

Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 207; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Huussen-de Groot, F., Rechtspersonen in de 19 eeuw, 1976; Dießelhorst, M., Zur Theorie der juristischen Person bei Savigny, Quaderni Fiorentini 9 (1980); Brauneder, W., Von der moralischen Person des ABGB zur juristischen Person der Privatrechtswissenschaft, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 263; Ebihara, A., Was ist juristisch an der juristischen Methode des Staatsrechts, ZNR 1996, 66; Pohlmann, J., Entstehung, Rechtsträgerschaft und Auflösung der juristischen Person, 2007; Munsonius, H., Die juristische Person des evangelischen Kirchen­rechts, 2009

Jury ist das mit Laien besetzte Geschwo­renengericht. Die J. entwickelt sich in England und Frankreich aus dem vorwis­senschaftlichen Gericht. Im 19. Jh. fordert der Liberalismus im Kampf gegen den Staat und dessen Berufsrichter die J. auch in Deutschland. Nach 1848 wird die J. als → Schwurgericht eingerichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungrechts, 1954; Willock, J., The origins and development of the jury in Scotland, 1966; The trial jury in England, France, Germany 1700-1900, hg. v. Padoa Schioppa, A., 1987; Padoa Schioppa, A., La giuria penale in Francia, 1994; Cairns, J./Mc Leod, G., The Dearest Birthright of the People of England, 2002; Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006; Masschaele, J., Jury, State and Society in Medieval England, 2008

Justi, Johann Heinrich Gottlob von (Brücken 28. 12. 1717-Küstrin 21. 7. 1771) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg (Leyser) 1750 Professor für Kameralistik in Wien und nach 1755 Praktiker und Publizist mit Vorlesungen in Göttingen (1755-1757). Sein Hauptwerk ist die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit der Staaten (1760f., Neu­druck 1965). Hierzu stellt er die wirtschaft­lichen Interessen der Allgemeinheit dem fiskalischen Interesse des nur durch Grund­gesetze gebun­denen absoluten Monarchen voran. Die Polizei beschränkt er auf die Ge­währ­leistung der Rahmenbe­dingungen für privates wirtschaft­liches Handeln. Die systematische Bearbeitung des Polizeibegriffs legt dabei die Grundlage für das Verwaltungsrecht des 19. Jh.s.

Lit.: Frensdorff, F., Über das Leben und die Schriften des Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi, 1903, Neudruck 1970; Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988; Adam, U., The Political Economy of J. H. G. Justi, 2006

Justinian (Tauresium [Taor in Mazedonien] 482-Konstantinopel 14. 11. 565), Bauernsohn und Kaiserneffe, verheiratet mit Theodora, der Tochter eines Bärendompteurs am Zirkus in Konstantinopel, wird 527 Kaiser des oströmischen Reiches. Er veranlasst die Schaffung der → Institutionen (533), der → Digesten oder → Pandekten (530/533) und des → Codex (534) und erlässt danach noch Einzelgesetze (→ Novellen). Anfangs tatkräftig, wird er später vom Gedanken göttlicher Berufung beseelt.

Lit.: Söllner §§ 19, 21; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 50, 53; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Browning, R., Justinian and Theodora, 1971; Mazal, O., Justinian I. und seine Zeit, 2001; Meier, M., Das andere Zeitalter Justinians, 2003; Meier, M., Justinian, 2004; Cesaretti, P., Theodora, 2004; Leppin, H., (K)ein Zeitalter Justinians, HZ 284 (2007), 659; Pratswch, T., Theodora von Byzanz, 2009

Justiz (zu lat. iustitia [F.] Gerechtigkeit) ist die Rechtspflege (vielfach nur der ordent­lichen Gerichtsbarkeit).

Lit.: Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914; Liebermann, F., Zur Teilung des Justizertrags zwischen Herrscher und Gerichtshalter, ZRG GA 46 (1926), 365; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v. Gürtner, F., 1938; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz, 1966, Neudruck 1987; Wenzlau, J., Der Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis 1948, 1979; Kuhn, Robert, Die Vertrauenskrise der Justiz (1926-1928), 1983; Fieberg, G., Justiz im nationalso­zialistischen Deutschland, 1984; Justiz in alter Zeit, hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1984, 2. A. 1989, 3. A. 1989; Jasper, G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Just-Dahlmann, B. u. a., Die Gehilfen, 1988; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Justiz in alter Zeit, 3. neubearb. A., hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1989; Judicial Records, hg. v. Baker, J., 1989; Vorträge zur Justizforschung, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a., 1992f.; Justiz im Dritten Reich, NS-Sondergerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz, 1994; Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, 1998; Royer, J., Histoire de la justice en France, 1995; Dölemeyer, B., Justizforschung in Frankreich und Deutschland, ZNR 18 (1996); Error iudicis, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998; Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 20 (1998); Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2003; Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Gries­ebner, A., 2002; Justiz im Nationalsozialismus. Katalog zur Ausstellung, hg. v. Benzler, S. u. a., 2002; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Justiz = Justice = Justicia? Rahmen­bedingungen von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Rudolph, H. u. a., 2003; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Justiz und Nationalsozialismus, hg. v. Pauli, G. u. a., 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer Besatzung 1945-1949, 2007

Justizgesetzsammlung ist eine 1780 in Österreich angelegte Sammlung der Justiz­gesetze.

Lit.: Baltl/Kocher

Justizsache ist im 18. Jh. die gerichtlich über­prüfbare Angelegenheit.

Lit.: Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983

Justizstelle → oberste Justizstelle

Justizverwaltung ist die Verwaltung der von der allgemeinen Verwaltung getrennten Gerichtsbarkeit.

Lit.: Hamann, U., Das Oberlandesgericht Celle im Dritten Reich, (in) FS zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986; Justizverwaltung, Rechtsprechung und Strafvollzug auf dem Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz, 1995

Jütisches Recht → Jyske Lov

Lit.: Das jütsche Recht, übers. v. See, K. v., 1960; Wagner, W., Jütlands Verfassung im Mittelalter, 1992

Jütland ist der festländische Teil Dänemarks zwischen Nordsee und Ostsee. Teile seiner germanischen Bewohner ziehen im 5. Jh. in das heutige Belgien und von dort 449 nach Britannien bzw. England. 1241 erlässt König Waldemar von Dänemark das → Jyske Lov.

Lit.: Nordisk kultur, Bd. 2 1938, 1ff.

Jyske Lov, Jydske Lov, ist ein im März 1241 von König Waldemar II. (1202-1241) von Dänemark als verbessertes Landschaftsrecht für Jütland erlassenes Gesetz in dänischer Sprache. Es ist in 14 Handschriften des 14. Jh.s überliefert. Es gliedert sich in drei Bücher gemischten Inhalts. Es ist kirchlich und königlich geprägt. Es gilt bis 1683, in Schleswig bis 1900.

Lit.: Das Jyske Recht, hg. v. See, K. v., 1960; Amira, K., v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 91, 96; Jutisch Lowbok. Lübeck 1486, (Faksimiledruck) 1976

 

 

K

 

Kabbala (F.) mystisch-spekulative Strömung des Judentums in Südfrankreich und Spanien (13./14. Jh.)

Lit.: Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, 1962; Reichstein, H., Praktisches Lehrbuch der Kabbala, 1984; Scholem, G., Mystik, 3. A. 1988

Kabel (F.) ist im mittelalterlichen Norddeutschland das Los und der durch das Los bestimmte Anteil (z. B. an einem Deich).

Lit.: Hübner § 114

Kabinett ist ursprünglich das kleine Gemach, in dem der neuzeitliche Fürst seine besonderen Angelegenheiten besorgt. Hieraus entwickelt sich eine beratende beamtete Organisation. In der Gegenwart ist K. die Regierung.

Lit.: Köbler, DRG 151; Dürichen, J., Geheimes Kabinett und Geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken, Neues Archiv f. Gesch. 51 (1930), 68; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Leinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1973

Kabinettsjustiz ist die Gesamtheit der Eingriffe des Landesherrn in einen geschäftlichen Ablauf im Einzelfall. Im → Absolutismus ist der Machtspruch erlaubt. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wird er als Ver­stoß gegen die → Gewaltenteilung be­kämpft und im Gefolge der französischen Revolution (1789) und der Verfassungs­ge­bung Frankreichs (1791, Kapitel V, Art. 1) im 19. Jh. ausgeschlossen.

Lit.:Köbler, DRG 154, 200; Bussi, E., Zur Geschichte der Machtsprüche, FS E. Hellbling, 1971, 51; Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss. 110 (1973), 232; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H. Krause, 1975, 171; Regge, J., Kabinettsjustiz in Brandenburg-Preußen, 1977; Olechowski, T., Iustitia regnorum fundamentum, RZ 78 (2000), 132

Kadijurisprudenz ist die Streitentscheidung durch den Kadi (Richter in arabischen Ländern) im Gegensatz zur rechtsstaatlichen Rechtsprechung.

Lit.: Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz, (in) Das Profil des Juristen, 1980, 295

Kahn-Freund, Otto (Frankfurt am Main 1900-England 1979) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Heidelberg, Leipzig und Frankfurt (Sinzheimer) Richter. 1933 wandert er wegen seiner jüdischen Herkunft nach England aus und wird 1951 Professor in London, 1964 in Oxford. Er gehört zu den führenden Arbeitsrechtlern des 20. Jh.s.

Lit.: Kahn-Freund, O., Autobiographische Erinnerun­gen an die Weimarer Republik, Kritische Justiz 1981, 183

Kaiser ist der Träger der höchsten weltlichen Würde. In der Nachfolge Gaius Iulius Caesars († 44 v. Chr.) nennen sich nach Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) schon die römischen Herrscher (lat. [M.]) caesar. Dabei hängt die Nachfolge im Wesentlichen von den je­weiligen Machtverhältnissen ab (z. B. Soldatenkaiser). Bei Teilung des römischen Reiches stehen mehrere K. nebeneinander. In Westrom endet das Kaisertum 476 n. Chr. Im Osten tritt im 7. Jh. die Bezeichnung basileus an die Stelle von Caesar. An Weihnachten 800 krönt Papst Leo III. Karl den Großen zum K. (lat. imperator [M.] Romanorum). In der Folge erlangen viele deutsche Könige vom Papst die Krönung zum K. (lat. [M.] imperator Romanorum semper augustus): Karl III. der Dicke 881, Arnulf von Kärnten 896, Otto I. 962, Otto II. 973, Otto III. 996, Heinrich II. 1014, Konrad II. 1027, Heinrich III. 1046, Heinrich IV. 1084, Heinrich V. 1111, Lothar III. 1133, Friedrich I. 1155, Heinrich VI. 1191, Otto IV. 1209, Friedrich II. 1220, Heinrich VII. 1312, Ludwig IV.der Bayer 1328, Karl IV. 1355, Sigismund 1433, Friedrich III. 1452, Maximilian 1508, Karl V. [1520 Selbst­benennung als erwählter Kaiser des Heiligen römischen Reiches, erwählter römischer Kaiser] Bologna 1530) Die damit verbundenen Rechte sind gering. 1453 endet das oströmische Kaisertum unter dem Ansturm der Türken, deren Sultan den Rang eines Kaisers beansprucht. Der Herrscher Russlands nennt sich nach dem Untergang Ostroms ab 1478 Zar (1547 Krönung Iwans IV., des Schrecklichen, 1721 imperator, 1917 Zarenfamilie gestürzt). Nach 1530 wird der K. des Heiligen römischen Reiches von den Kurfürsten gewählt bzw. gekrönt (z. B. Ferdinand I. 1556 u. a.). 1804 nehmen die Herrscher von Frankreich (mit Unterbre­chungen bis 1870) und Österreich den Titel K. an. 1806 endet das Kaisertum des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation). 1871 wird der König von Preußen zum K. des Deutschen Reiches proklamiert. 1918 endet das europäische Kaisertum (Deutschland, Öster­reich). Daneben gibt es auch K. von Indien (1876-1947), China, Äthiopien und Japan sowei anderen Ländern.

Lit.: Köbler, DRG 76, 83, 109, 132, 147, 194, 195; Tophoff, H., Die Rechte des deutschen Kaisers, 1902; Srbik, H. v., Das österreichische Kaisertum, 1927; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Schramm, P., Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, 2. A. 1957; Tiedemann, H., Der deutsche Kaiserge­danke vor und nach dem Wiener Kongress, 1932; Schneider, F., Neuere Anschauungen der deutschen Historiker zur Beurteilung der deutschen Kaiserpolitik des Mittelalters, 3. A. 1938; Stengel, E., Kaisertitel und Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter, 1947; Ohnsorge, W., Das Mitkaisertum in der abendländischen Geschichte des früheren Mittelalters, ZRG GA 67 (1950), 309; Andreae, F., Das Kaisertum in der juristischen Staatslehre des 15. Jahrhunderts, Diss. phil. Göttingen 1951; Drögereit, R., Kaiseridee und Kaisertitel bei den Angelsachsen, ZRG GA 69 (1952), 24; Uhlirz, M., Die rechtliche Stellung der Kaiserinwitwe Adelheid, ZRG GA 74 (1957), 84; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958; Stengel, E., Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des Kaisergedankens im Mittelalter, 1965; Appelt, H., Die Kaiserideee Friedrich Barbarossas, 1967; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahl­kapi­tulationen, 1968; Fehrenbach, E., Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871-1918, 1969; Das byzantinische Herrscherbild, hg. v. Hunger, H., 1975; Duchhardt, H., Et Germani eligunt et Germanus eligendus, ZRG GA 97 (1980), 232; Wehler, H., Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918, 5. A. 1983; Schramm, P., Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, 2. A. 1983; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994; Wefers, S., Das politische System Kaiser Sigmunds, 1989; Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990; Veh, O., Lexikon römischer Kaiser, 3. A. 1990; Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991; Pabst, A., Comitia imperii, 1997; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 2. A. 2001; Clauss, M., Kaiser und Gott, 1999; Winterling, A., Aula Caesaris, 1999; Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999; Wagner, N., Der deutsche Kaiser und König von Preußen, ZRG GA 117 (2000), 450; Die Kaiserinnen Roms, hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Röhl, J., Kaiser, Hof und Staat – Wilhelm II., 2002; Sommer, M., Die Soldatenkaiser, 2004; Kienast, D., Römische Kaisertabelle, 3. unv. A. 2004; Schneidmüller, B., Die Kaiser des Mittelalters, 2006; Demandt, A., Das Privatleben der römischen Kaiser, 2007; Stollberg-Rilinger, B., Des Kaisers alte Kleider, 2008

Kaisergericht ist die vom → Kaiser verwaltete Gerichtsbarkeit (z. B. in Rom).

Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 87 I 1, II; Bleicken, J., Senatsgericht und Kaisergericht, 1962

Kaiserkonstitution ist die (lat.) → constitutio (F.) des Kaisers vor allem im spätantiken Rom.

Kaiserkrönung ist die Krönung eines Menschen zum Kaiser, wie sie im Abendland seit dem Jahre 800 stattfindet. Für die damit verbundenen Handlungen entwickelt sich ein besonderer Krönungsordo (seit 960 überlie­fert). Danach folgen auf den Krönungseid Salbung, Übergabe der Herrschaftszeichen, Messe, Steigbügelhalten, Krönungszug und Festmahl.

Lit.: Eichmann, E., Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1f. 1942; Die Ordines für die Weihe und Krönung, hg. v. Elze, R., 1960; Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983

Kaiserproklamation in Versailles am 18. 1. 1871 ist die feierliche Amtsübernahme des Kaisers des Deutschen Reiches.

Lit.: Die Reichsgründung 1870/71, hg. v. Schieder, T. u. a., 1970

Kaiserrecht ist das auf den → Kaiser bezogene → Recht. Im römischen Altertum lassen sich die Konstitutionen der (lat. [M.Pl.]) principes als K. verstehen. Das 13. bis 16. Jh. meint mit K. alles Recht, dessen Quelle der Kaiser ist oder sein soll. Damit kann deutsches Recht wie römisches Recht erfasst sein. Als K. wird beispielsweise in den meisten Handschriften der später sog. Schwabenspiegel bezeichnet, als kleines Kaiserrecht ein wenig jüngeres Rechtsbuch (sog. Frankenspiegel). Im Laufe des 14. Jh.s sind K. etwa die Goldene Bulle, die Landfrieden, die Rechtsbücher, das Recht der Reichsstädte, das in der kaiserlichen Gerichts­barkeit gesprochene Urteil oder das römische Recht (z. B. Sachsenspiegelglosse). Im 15. Jh. ist K. meist das aufgenommene römische Recht. Den Gegensatz bildet häufig das kirchliche Recht.

Lit.: Schaafs, G., Ein Kaiserrechtbruchstück, ZRG GA 26 (1905), 280¸ Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 (1985), 12; Munzel-Everling, D., Dez keisers recht. Das kleine Kaiserrecht, 2003

Kaiserslautern

Lit.: Urkundenbuch der Stadt Kaiserslautern, Teil 1ff., hg. v. Dolch, M. u. a., 1994ff.; Das Lauterer Gericht und sein Speyerer Oberhof, hg. v. Dolch, M., 1996; Ratsprotokolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002; Keddigkeit, J., Kleine Ge­schich­te der Stadt Kaiserslautern, 2008

Kalabrien ist bis ins 7. Jh. die südöstliche, später die südwestliche Halbinsel der Halbinsel Italien. K. kommt über die Punier, Römer, Byzantiner und Langobarden in der Mitte des 11. Jh.s an die → Normannen.

Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie im staufischen Königreich Sizilien, 1975; Leo, P. de, Mezzogiorno medioevale, 1984

Kalender ist das wichtigste Mittel zur Einteilung der Dimension Zeit (nach Tagen, Monaten und Jahren) mit Hilfe astronomisch bestimmter Gegebenheiten (von Sonne und Mond). Der nach lat. calendae (Monats­anfang) benannte, bereits vielen Völkern des Altertums bekannte K., für den sich in Rom schon im 5. Jh. v. Chr. der Übergang zum Sonnenjahr andeutet, wird von Caesar (100-44 v. Chr.) neu bestimmt (julianischer K. mit einer Ungenauigkeit von rund 12 Sekunden pro Jahr). 325 wird der Früh­jahrsanfang auf den 21. März festgesetzt. Ohne dass das Geburtsjahr Jesus Christus’ (kurz vor 4 v. Chr.?) feststeht, setzt sich die von Dionysius Exiguus (475?-545) eingeführte Zählung nach Christi Geburt durch. Im Frühmittelalter verbessern Beda und vielleicht Karl der Große (Lorsch 789?) die Kalenderführung durch Aufnahme von Ereignissen auch der gewöhnlichen Lebenswelt. 1582 wird der zu Verschiebungen führende julianische K. unter Papst Gregor XIII. durch den genaueren, zehn Tage auslassenden gregorianischen K. ersetzt, dem sich die reformierten Landesherren im Heiligen römischen Reich am 23. 9. 1699 anschließen (England 1752, Russland 1917). Ein an der französischen Revolution ausgerichteter neuer Kalender scheitert nach kurzer Zeit.

Lit.: Wislicenus, F., Der Kalender, 1905; Meinzer, M., Der französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Graf, F., Der Lauf des rollenden Jahres, 1997; Borst, A., Die karolingische Kalenderreform, 1998; Der karolingische Reichskalender, hg. v. Borst, A., 2001; Der Streit um die Zeit, hg. v. Herzog, M., 2002; Der Kalender, hg. v. Geerlings, W., 2002; Borst, A., Der Streit um den karolingischen Kalender, 2004; Rüpke, J., Zeit und Fest, 2006

Kalif (M.) Stellvertreter (des islamischen Propheten Mohammed)

Lit.: Halm, H., Die Kalifen von Kairo, 2003

Kalligas, Pavlos (1814-1896) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Gans, Savigny) und Heidelberg 1843 Professor in Athen und Politiker. Er fördert die Aufnahme deutscher und römischrechtlicher Gedanken in Griechen­land. Er wirkt an der Schaffung eines Entwurfes eines griechischen Zivil­gesetz­buches mit.

Lit.: Kairophylas, K., Pavlos Kalligás, 1937

Kalumnieneid (Gefährdeeid, Schikaneeid, lat. iuramentum [N.] calumniae) ist der im römischen Zivilprozessrecht (Formularver­fahren) sichtbare Eid der Parteien und ihrer Advokaten, das Verfahren nicht rechtsmiss­bräuchlich zu führen. Justinian (527-565) macht ihn zur Prozessvoraussetzung. Der K. wird nach einer frühen Erwähnung im Jahre 1186 mit dem römisch-kanonischen Verfahren am Ende des Spätmittelalters in Deutschland übernommen, wobei das Ver­hältnis zum Voreid des deutschen Rechts (Gefährdeeid) streitig ist. Später geht der Sinn des Kalumnieneids verloren. Ihm entsprechen in der Gegenwart die Notwendigkeit des Rechtsschutzinteresses und die Strafbarkeit wegen falscher Anschuldigung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863, 62; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 214; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 349

Kalvinismus → Calvin

Lit.: Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002

Kameralismus (Kameralwissenschaft) ist die Wissenschaft von den wirtschaftlichen Verhältnissen und Aufgaben des früh­neuzeitlichen Staates (Finanzwissenschaft und Polizeiwissenschaft). Der K. ist eine Son­derform des → Merkantilismus. Wichtige Ver­treter sind → Justi, →Seckendorff und → Sonnenfels (Wien 1763). Seit 1727 werden in Deutschland besondere Lehrstühle für diese Wissenschaft eingerichtet.

Lit.: Köbler, DRG 134, 152; Nielsen, A., Die Entstehung der deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert, 1911; Gerloff, A., Staatspraxis und Staatstheorie des kameralistischen Verwaltungsstaates, 1937; Kunze, K., Ernst Ludwig Carl, 1966; Schiera, P., Dall’arte di governo alle scienze di stato, 1968; Brückner, J., Staatswissenschaft, Kameralismus und Naturrecht, 1977; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Sandl, M., Ökonomie des Raumes, 1999

Kameralistik (Kameraljurisprudenz) ist die wissenschaftlich-literarische Tätigkeit von Richtern am Reichskammergericht (bzw. auch die Kameralwissenschaft). Als Beisitzer des Gerichts veröffentlichen Johann → Mynsinger von Frundeck (1517-1588, [lat.] Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattor, 1565, Vierhundert Einzelbeobachtungen des kaiser­lichen Kammer­gerichts) und Andreas → Gaill (1526-1587, [lat.] Practicarum observationum …. libri [M.Pl.] duo, 1578, Zwei Bücher … praktischer Beobachtungen) Urteile.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981

Kameralprozess Reichskammergericht

Kameralwissenschaft → Kameralismus

Kammer ist ursprünglich die gewölbte Decke, danach der von daher benannte Raum und die darin beherbergte fürstliche Behörde. Nach dem schon im Frühmittelalter sichtbaren → Kämmerer entstehen bereits im späten 15. Jh. in einzelnen habsburgischen Ländern ständische Raitkammern. 1498 richtet König Maximilian I. eine Hofkammer als zentrale, kollegial organisierte Finanzbehörde des Reiches und der habsburgischen Erbländer ein. In Brandenburg erscheinen im 16. Jh. Amtskammern und 1689 eine geheime Hofkammer. Seit dem 18. bzw. 19. Jh. ist K. ein Haus eines mehrteiligen Gesetzgebungs­organs, ein kollegialer Spruchkörper eines Gerichtes oder eine berufliche Standesver­tretung.

Lit.: Mensi, F. v., Die Finanzen Österreichs, 1890; Storch, A., Der brandenburg-preußische Kammerstaat, Diss. jur. Göttingen 1912; Thimme, H., Das Kammeramt in Straßburg, Worms und Trier, 1913; Richardson, W., Tudor Chamber Administration, 1952; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, hg. v. Zavelberg, H., 1989

Kämmerer (lat. [M.] camerarius) ist der für die Einkünfte zuständige Verwaltungsamts­träger bereits des frühmittelalterlichen Könighofes (882). 936 erscheint der Herzog von Schwaben als K. (Erzkämmerer), seit dem 12. Jh. der Markgraf von Brandenburg. Das seit dem 13. Jh. erbliche Hofamt des Kämmerers haben zunächst die Grafen von Bolanden-Falkenstein, danach die von Weinsberg und seit dem 16. Jh. die Grafen bzw. Fürsten von Hohenzollern inne, doch verliert es seit der Neuzeit an Bedeutung. In England verdrängt in der normannischen Zeit der Schatzmeister den königlichen K., in Frankreich im 13. Jh. der (frz.) Grand-chambellan bzw. im 14. Jh. der (frz.) trésorier. K. amtieren auch in den einzelnen Städten und Ländern.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

Kammergericht im Heiligen römischen Reich ist ein seit 1415 urkundlich nachweisbares, neben dem königlichen Hofgericht bestehendes königliches Gericht. Es entsteht vielleicht be­reits im 14. Jh. aus dem königlichen Rat. Es ist mit (gelehrten) Räten des Königs besetzt. Es ist zuständig für Angelegenheiten des Königs und Reiches, später auch für weitere Gegenstände. Nach Verschwinden des Hofgerichtes zwischen 1451 und 1456 wird es als Hof- und Kammergericht bezeichnet. Von 1455 ist ein Sitzungsprotokollbuch überliefert, seit 1467 ein Urteilsbuch, von 1471 der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, nach der die Juristen die Hälfte der Urteiler bilden sollen. Tatsächlich sind von fast 350 Beisitzern der Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. (1452-1493) fast 100 Juristen. Das K. wird vor allem von süddeutschen Ständen häufig angerufen, gelangt aber vielfach nur sehr langsam zu Entscheidungen und vermag nur selten diese in der Wirklichkeit umzusetzen. Seit 1461 wird es verpachtet, seit 1475 tritt es nur noch selten zusammen. Am 9. 7. 1490 ernennt Kaiser Friedrich III. nochmals einen Kammerrichter (1494 20 Prozessrubra, 1495 35 Prozessrubra genannt). Ihm folgt 1495 das → Reichskammergericht.

Lit.: Köbler, DRG 114; Tomaschek, J., Die höchste Gerichtsbarkeit, 1865; Franklin, O., Das königliche Kammergericht vor dem Jahre 1495, 1871; Neumann, G., Zwei Lübecker Hausbesitzer vor dem Kammergericht, ZRG GA 96 (1979), 209; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammer­gericht, FS A. Erler, 1986, 44; Jahns, S., Das Kammergericht und seine Richter, 1996; Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Die Protokoll- und Urteilsbücher des königlichen Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480, hg. v. Battenberg, F. u. a., 2004; Weichbrodt, S., Die Geschichte des Kammergerichts von 1913-1945, 2009

Kammergericht in Brandenburg bzw. Preußen ist das (oberste) Gericht des Reichskämmerers (Markgrafen von Brandenburg) für die Mark → Brandenburg (14. Jh. des kemerers kamere tu tangermünde, 1392 kammerrecht, 17. 3. 1468 K.). Von 1516 stammen der Entwurf einer Kammer­gerichtsordnung, von 1540 (Cölln an der Spree) und 1709 in Kraft getretene Kammer­gerichtsordnungen. 1748 wird das K. auch für Strafsachen zuständig. 1782 wird es Mittelinstanz. 1877/1879 wird es Oberlan­desgericht.

Lit.: Holtze, F., Geschichte des Kammergerichts in Brandenburg-Preußen, Bd. 1ff. 1890ff.; Hassenpflug, R., Die erste Kammergerichtsordnung Kurbranden­burgs, 1895; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Werner, F., Zur Geschichte des Kammergerichts in Berlin, 1968

Kammergut (Tafelgut, Domänen) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der Einkünfte der → Kammer. Streitig ist im 17. Jh. und 18. Jh., ob das K. dem Staat oder dem Landesherrn gehört.

Lit.: Baltl/Kocher; Zachariae, H., Das Eigentumsrecht am deutschen Kammergut, 1864; Breysig, K., Geschichte der brandenburgischen Finanzen, 1895

Kammerrichter → Reichskammergericht

Kammerzieler ist in der Neuzeit (1548-1806) die Gesamtheit der von den Reichständen für das → Reichskammergericht aufzubringenden Geldleistungen. Der K. beläuft sich meistens auf weniger als 1% der Ausgaben des schuldenden Reichsstandes, wird aber vielfach gleichwohl nicht ordentlich oder überhaupt nicht geleistet.

Lit.: Köbler, DRG 150; Gothein, E., Der gemeine Pfennig, 1877; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911

Kampanien ist die um Neapel liegende süditalienische Landschaft, die über die Römer, Goten und Oströmer um 570 an das langobardische Herzogtum Benevent gelangt.

Lit.: Storia arte e cultura della Campania, 1976

Kanada ist der nördlich der Vereinigten Staten von Amerika gelegene, aus Kolonien Englands und Frankreichs entstandene Staat.

Lit.: Vachon, A., Histoire du notariat canadien 1621-1960, 1962; Sautter, U., Geschichte Kanadas, 2000; Handschug, S., Einführung in das kanadische Recht, 2003

Kanon (lat. [M.] canon) ist die Regel oder Vorschrift des richtigen Glaubens und Handelns sowie des kirchlichen (kano­nischen) Rechts (325). Die in (lat. [M.Pl.]) canones formulierten Synodal­beschlüsse werden seit der Mitte des 4. Jh.s (bis zu → Gratian, um 1140, und danach) in Kanonessammlungen, von denen allein zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens mehr als 27 verschiedene entstehen, zusammengefasst.

Lit.: Wenger, L., Über canon und regula in den römischen Rechtsquellen, ZRG KA 63 (1943), 495; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fransen, G., Les collections canoniques, 1985; Landau, P., Erweiterte Fassungen der Kanonessammlung des Anselm von Lucca, (in) Sant’ Anselmo, 1987, 383; Gaudemet, J., Droit de l’Eglise, 1989; Fowler-Magerl, L., Ausgewählte Kanonessammlungen zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens, 1998 (CD-ROM); Kéry, L., Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400-1140), History of Medieval Canon Law 1, hg. v. Hartmann, W. u. a., 1999; Landau, P., Die Quellen der mittelitalienischen Kanonessammlung in sieben Büchern (MS Vat. lat. 1346), Ritual, Text and Law, 2003, 255; Stadelmaier, M., Die Collectio Sangermanensis XXI titulorum, 2004

Kanoniker (535 lat. [M.] canonicus) ist ein Mitglied eines Stiftskapitels oder Domkapitels (Domkapitular, Domherr).

Lit.: Semmler, J., Mönche und Kanoniker, 1980; Istituzioni monastiche e istituzioni canonicali, 1980

Kanonisches Recht (lat. → ius [N.] canonicum) ist das kirchliche Recht im Gegensatz zum weltlichen Recht. Im engeren Sinn ist es im Gegensatz zum neueren kirchlichen Recht nur das im (lat.) → corpus (N.) iuris canonicum enthaltene Recht bzw. das innere katholische Kirchenrecht im Gegensatz zum staatlichen Kirchenrecht (Staatskirchen­recht). Seit der Mitte des 4. Jh.s wird es in Kanonessammlungen zusammen­gefasst. Große Bedeutung hat es lange für Ehe, Verfahren, Testament, Eid, Wucher und Schule.

Lit.: Friedberg, E., Das kanonische und das Kirchenrecht, Dt. Z. f. Kirchenrecht 8 (1898), 1; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechts auf die europäische Rechtskultur, (in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991, 39; Die Bedeutung des kanonischen Rechts für die Entwicklung einheit­licher Rechtsprinzipien, hg. v. Scholler, H., 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, 1997; Aymans, W./Mörsdorf, K., Kanonisches Recht, 13. A. Bd. 2 1997; Martínez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Erdö, P., Geschichte der Wissenschaft vom kanonischen Recht, 2003; Fowler-Magerl, L., Clavis canonum. Selected Canon Law Collections before 1140, 2005

Kanonisches Zinsverbot ist das auf Lukas 6,35 (Tut Gutes und gebt ein Darlehen, ohne davon etwas zu erhoffen) gegründete kirchliche Verbot, für Darlehen Zinsen zu nehmen. Es setzt sich im Mittelalter allgemein durch. Die wirtschaftlichen Ziele des verzinslichen Dar­lehens werden aber mit Hilfe zahlreicher Umgehungsgeschäfte er­reicht. Im Übrigen dürfen → Juden verzins­liche Darlehen geben und werden infolge­dessen vielfach zu Gläu­bigern christlicher Schuldner. 1654 wird im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) das kanonische Zinsverbot durch einen Höchstzinssatz von 6% ersetzt, im 19. Jh. schwindet auch der Höchstzinssatz.

Lit.: Köbler, DRG 127, 166; Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962; Ruth, R., Das kanonische Zinsverbot, FS E. Heymann, 1931, 316

Kanonistik (F). Wissenschaft des kanonischen Rechts oder des Kirchenrechts

Lit.: Berman, H., Law and Revolution, 1983 (Recht und Revolution 2. A: 1991)

Kant, Immanuel (Königsberg 22. 4. 1724-12. 2. 1804), Sattlerssohn (Riemerssohn), wird nach dem Studium von Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie 1746 Hauslehrer, 1765 Bibliothekar und 1770 (zu­neh­mend introvertierter) ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik (1781 Kritik der reinen Vernunft). Nach ihm ist Recht der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann (Metaphysik der Sitten, 1797/1798). Hierauf bauen alle Einzelaus­führungen zum Recht auf. In erheblichem Maße von Kants Freiheitsethik beeinflusst wird → Savigny.

Lit.: Köbler, DRG 147, 178, 187; Cassirer, E., Kants Leben und Lehre, 1918; Swoboda, E., Das ABGB im Lichte Kants, 1926; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Buchda, G., Das Privatrecht Immanuel Kants, 1929; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973, 1987; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Kiefner, H., Der Einfluss Kants auf Theorie und Praxis des Zivilrechts, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Naucke, W., Die Dogmatisierung von Rechts­problemen bei Kant, ZNR 1 (1969); Ritter, C., Der Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, 1971; Saage, R., Eigentum, Staat und Gesellschaft bei Immanuel Kant, 1973, 2. A. 1994; Kants Rechts­philosohpie, hg. v. Küsters, G., 1988; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Höffe, O., Immanuel Kant, 5. A. 2000, 7. A. 2007; Zotta, F., Immanuel Kant. Legitimität und Recht, 1998; 200 Jahre Kants Metaphysik der Sitten, hg. v. Sharon Byrd, B., 1998; Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, hg. v. Hüning, D. u. a., 1998; Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtsgeschichte, hg. v. Höffe, O., 1999; Falkenburg, B., Kants Kosmologie, 1999; Küper, W., Immanuel Kant und das Brett des Karneades, 1999; Kater, T., Politik, Recht, Geschichte, 1999; May, S., Kants Theorie des Staatsrechts, 2002; Höffe, O., Kants Kritik der reinen Vernunft, 2003; Kühn, M., Kant, 2003, 5. A. 2004; Dietzsch, S., Immanuel Kant, 2003; Sala, G., Kants Kritik der praktischen Vernunft, 2004; Baumanns, P., Kant und die Bioethik, 2004; Römpp, G., Kant leicht gemacht, 2005; Birken-Bertsch, H., Subreption und Dialektik bei Kant, 2006; Recht und Sittlichkeit bei Kant, Jb. f. Recht und Ethik 14 (2006); Kersting, W., Wohlgeordnete Freiheit, 3. A. 2007

Kanton ist vor allem das Mitglied (Ver­waltungseinheit bzw. Bundesstaat) der Eidgenossenschaft der Schweiz seit der Einrichtung der Helvetischen Republik im Jahre 1798. Die 24 (bzw. mit Halbkantonen 26) Kantone sind Aargau, Appenzell, (Ap­penzell-Außerrhoden, Appenzell-Inner­rho­­den), Basel (Basel-Stadt, Basel-Landschaft), Bern, Frei­burg, Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Sankt Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau, Unterwalden (Unterwalden nid dem Wald, Unterwalden ob dem Wald), Uri, Waadt, Wallis, Zug und Zürich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; His, E., Geschichte des neueren Schweizer Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Adler, B., Die Entstehung der direkten Demokratie, 2006

Kantonssystem ist ein 1733/5 in Brandenburg-Preußen eingeführtes Aushe­bungs­system, bei dem der Staat in Bezirke (Kantone) aufgeteilt wird, die je einem Regiment zur Aushebung zugeordnet sind. Das K. wird 1771 von Österreich, 1804 von Baden und 1804/1805 von Bayern übernommen, wenig später (Preußen 1804) aber aufgegeben.

Lit.: Büsch, O., Militärsystem und Sozialleben im alten Preußen 1713-1807, 1962

Kantorowicz, Hermann Ulrich (Posen 1877-Cambridge 1940), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philo­sophie und Nationalökonomie in Berlin (Liszt) und München (Brentano) und der Habilitation in Freiburg (Schmidt, Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik [1908]) 1929 Professor in Kiel. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst (1933) wechselt er nach New York und Cambridge. Mit seiner frühen Schrift (Gnaeus Flavius) Der Kampf um die Rechtswissenschaft wird er einer der Begründer der → freien Rechtsschule.

Lit.: Muscheler, K., Hermann Ulrich Kantorowicz, 1984; Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 631

Kanzlei ist die für die Herstellung von Schriftstücken zuständige Behörde. Sie entsteht bereits im römischen Altertum unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.). Hieran knüpfen die merowingischen Könige an, deren K. sich aus weltlichen Hofbeamten (lat. [M.Pl.] referen­darii) und diesen unterge­ordneten Schreibern zusammensetzt. Wenig später treten Geistliche an ihre Stelle. Die Leitung übernimmt 870 bzw. 965 der Erzbischof von Mainz. Zur gleichen Zeit festigt sich auch eine K. des Papstes. Seit dem 12. Jh. wird die K. eine nach festen Regeln eingerichtete Behörde zur Herstellung von Schriftstücken. Im 13. und 14. Jh. bilden sich auch in den Ländern und Städten besondere Kanzleien.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wilkinson, B., The Chancery under Edward III, 1929; Merkel, W., Das Aufkommen der deutschen Sprache in den städtischen Kanzleien, 1930; Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei, 1933; Vogelgesang, G., Kanzlei der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshof­gerichtes, 1974; Csendes, P., Die Kanzlei Kaiser Heinrichs VI., 1981; Kölzer, T., Urkunden und die Kanzlei von Kaiserin Konstanze, 1983; Petke, W., Kamzlei, Kapelle und königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137), 1985; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein, 1986; Frenz, T., Die Kanzlei der Päpste, 1986; Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit, hg. v. Suntrup, R., 2004; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006

Kanzler ist der Angehörige oder Leiter einer → Kanzlei. Der (lat. [M.]) cancellarius (4. Jh.) ist in Rom die an den die Richter von der Allgemeinheit trennenden Schranken (lat. [M.Pl.] cancelli) Dienste verrichtende Hilfsperson, im Frühmittelalter der Schreiber, seit dem 10. Jh. der Leiter einer Beur­kundungsstelle (Reich 953, Frankreich 12. Jh.). Seit dem 12. Jh. erscheint der K. an Schulen und Universitäten als bedeutsamer Amtsträger. Auch nach dem Ende des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) bleibt der K. bedeutsam (1810 Preußen Staatskanzler, 1866 Norddeutscher Bund Bundeskanzler, 1871 Reichskanzler, 1949 Bundeskanzler).

Lit.: Köbler, DRG 83, 112, 113; Rosenberg, W., Die staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912; Hantsch, H., Reichsvizekanzler Friedrich Karl Graf von Schönborn (1674-1746), 1929; Rashdall, H., The Universities of Europe, 2. A. 1936

Kapelle ist in Ableitung von (lat. [F.]) capa (Mantel [des heiligen Martin, 316-400]) die kleine Kirche, deren Rechtsstellung gegen­über der Kirche zeitweise in verschiedener Hinsicht gemindert ist.

Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1959

Kaperei ist die Aufbringung feindlicher Schiffe durch bewaffnete, staatlich dazu ermächtigte Privatschiffe seit dem 17. Jh. Ihre Wurzeln liegen bereits im Mittelalter. Im 19. Jh. wird die K. durch Staatsverträge und die Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 be­seitigt.

Lit.: Böhringer, K., Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt am Main 1970; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007, §§ 30, 35, 36

Kapetinger, Capetinger ist der Angehörige eines (rheinfränkischen?,) mit dem 866 gefallenen Robert sichtbaren Geschlechts, das mit Hugo Capet 987/988 das Königtum im westfränkischen Reich erlangt. Bei dem Erlöschen der Kapetinger (1328) folgen die Nebenlinien Valois (bis 1589), Bourbon (bis 1792, 1814-1830) und Orléans (1830-1848). Weitere Nebenlinien (Anjou, Borgonha, Bragança u. a.) herrschen zeitweise in Por­tugal (1093-1580, 1640-1853), Byzanz (1217-1261), Neapel-Sizilien (1266-1282/1422, 1735-­1860), Ungarn (1308-1385), Polen (1370-1382), Parma (1748-1802, 1847-1860) oder Brasilien (1822-1789). Als Familien­be­zeichnung erscheint das Wort K. spät (17. Jh.).

Lit.: Lohrmann, K., Die Titel der Kapetinger (987-1200). Diss. phil. Wien 1976 (masch.schr.); Actes du colloque Hugues Capet, 1987; Ehlers, J., Die Kapetinger, 1999

Kapital (N.) ist die verzinsliche Geldsumme bzw. die Gesamtheit der in ein Unternehmen eingebrachten Mittel

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 399; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 1954; Peyer, H., Könige, Stadt und Kapital, 1982

Kapitalgesellschaft ist die → Gesellschaft, bei der die bloße Beteiligung von → Kapital im Vordergrund steht und es nicht wesentlich auf die Persönlichkeit des einzelnen Gesell­schafters ankommt. Die K. entsteht nach dem Frühkapitalismus mit der Entwicklung des risikoreichen, kapitalbedürftigen Welthandels (→ Aktiengesellschaft) zu Beginn des 17. Jh.s. Ihre Bedeutung wächst noch immer.

Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913

Kapitalismus ist die Wirtschaftsform, in der das → Kapital prägende Bedeutung hat. Auf der Grundlage der Anerkennung des Pri­vateigentums strebt der Einzelne im freien Wettbewerb mit anderen am Markt den größtmöglichen Gewinn durch maximalen Einsatz verfügbaren Kapitals an. Als Frühform des K. (Frühkapitalismus) gilt die Wirt­schafts­weise z. B. der → Fugger am Beginn der Neuzeit. Eigentlich setzt sich der K. erst im Liberalismus des 19. Jh.s durch, bewirkt dort aber auch die Trennung der Gesellschaft in Kapitalisten (besitzende Bürger) und Prole­tarier (besitzlose Arbeiter).

Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 177; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des modernen Kapitalismus, 2. A. 1963; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus, 1972; Koslowski, P., Ethik des Kapitalismus, 2. A. 1984; Duplessis, R., Transitions to Capitalism, 1997; Kurz, R., Schwarzbuch Kapitalismus, 1999; Pelz, W., Against Capitalism, 2007; Leidinger, H., Kapitalismus, 2008

Kapitän ist der Führer eines Schiffes. Er bedarf eines Patents (Zulassung).

Lit.: Hanses, D., Die rechtliche Stellung des Kapitäns auf deutschen Seeschiffen, 1983

Kapitel (N.) „Häuptlein“, Teil, Gemeinschaft

Kapitular (N.) ist im frühmittelalterlichen fränkischen Recht die in Kapitel eingeteilte Anordnung des Königs. Das unter ver­schie­denen Namen verschiedenste Gegenstände behandelnde K. setzt der Herr­scher oft mit Zustimmung der Großen und des Volkes, meist für das ganze Reich. Kapi­tularien begegnen, in rund 275 Handschriften über­liefert, von etwa 500 bis etwa 900, am häufigsten zwischen 802 und 830. Lat. [N.] capitulare erscheint erstmals 779 (773).

Lit.: Köbler, DRG 81; Boretius, A./Krause, V., Capi­tularia regum Francorum, Bd. 1f 1883ff., Neudruck 1960; Seeliger, G., Die Kapitularien der Karolinger, 1893; Eckhardt, W., Die Kapitulariensammlung Bi­schof Ghaerbalds von Lüttich, 1955; Ganshof, F., Wat waren de Capitularia?, 1955; Ganshof, F., Was waren die Kapitularien, 1961; Eckhardt, W., Was waren die Kaspitularien?, ZRG GA 79 (1962), 237; Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitula­rientexte, DA 23 (1967), 273; Capitula episcoporum, Bd. 1ff. 1984ff.; Überlieferung und Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, 1986; Schmitz, G., Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993; Woll, I., Untersuchungen zur Überlieferung und Eigenart der merowingischen Frühkapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, 1995 (sie­ben neue Stücke); Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Buck, T., Admonitio und praedicatio, 1997; Mordek, H., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000; Koal, V., Studien zur Nachwirkung der Kapitularien in den Kanonessammlungen, 2001; Geiselhart, M., Die Kapitulariengesetzgebung Lothars I. in Italien, 2002; Schneider, H., Karolingische Kapitularien und ihre bischöf­liche Vermittlung, DA 63 (2007), 469

Kapitulation (17. Jh.) ist der in Kapitel eingeteilte Vertrag (z. B. Wahlkapitulation), insbesondere der Vertrag über die Übergabe von eigenen Truppen oder sonstigen kriegerischen Mitteln.

Lit.: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J. u. a., 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Kaplan (M.) Hofgeistlicher, Hilfspriester

Kapras, Jan (1880-1947) wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck und Prag 1910 außerordentlicher Professor und 1917 ordent­licher Professor in Prag. Sein Hauptwerk ist die Rechtsgeschichte der Länder der böhmischen Krone (Právní dejiny zemí Koruny ceské, 1913ff.).

Lit.: Antologie ceské právní vedy, 1993, 44

Karantanien (7. Jh.) → Kärnten

Kardinal ist im katholischen Kirchenrecht der vom Papst ernannte höchste kirchliche Würdenträger nach dem Papst. Mit dem Adjektiv (lat.) cardinalis werden seit etwa 500 n. Chr. zur Bischofskirche oder zur bischöf­lichen Priesterschaft gehörende Kleriker bezeichnet, seit dem Anfang des 8. Jh.s die jeweils ranghöchsten Priester einer Titelkirche in Rom. Am Beginn des Frühmittelalters wird (lat.) cardinalis zum Titel. Um 1100 findet sich ein Kardinalskollegium mit Bischöfen von 53 Kardinälen, das im 15. Jh. auf 24 Kardinäle beschränkt wird. Am Ende des 16. Jh.s wird die Zahl auf 70 und 1958 nochmals erweitert. Der K. wird vom Papst frei ernannt. Seit dem Ende des 11. Jh.s wirken die Kardinäle (Kardinalbischof, Kardinalpriester, Kardinaldiakon) an der Herr­schaft der Gesamtkirche mit, seit 1179 wählen sie den Papst. (Altersgrenze 80 Jahre)

Lit.: Fürst, C., Cardinalis, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hüls, R., Kardinäle, 1977; Weber, C., Senatus divinus, 1996; Jagd nach dem roten Hut, hg. v. Karsten, A., 2004

Karl der Große (frz. Charlemagne) (Westfranken 2. 4. 747[?]-Aachen 28. 1. 814), aus der Familie der Arnulfinger bzw. Pippiniden bzw. Karolinger, wird 768 König der Franken (bis 771 mit seinem Bruder Karlmann) und 800 von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Durch zahlreiche Kriegszüge dehnt er das Reich der Franken aus (→ Langobarden, → Sachsen). In → Kapitularien setzt er Recht. Im Übrigen veranlasst er die Aufzeichnung von → Volksrechten. Wahr­scheinlich um 770 führt er → Schöffen in der Gerichtsbarkeit ein. Er kann, wo und wann er will, Bischöfe einsetzen, macht da­von aber nur im Kernraum zwischen Rhein. Loire und Rhone Gebrauch. Er fördert die deutsche Sprache durch einheimische Mo­natsnamen und Windnamen.

Lit.: Köbler, DRG 81; Siegel, H., Die deutschen Rechtsbücher und die Kaiser-Karls-Sage, 1899; Gundlach, W., Karl der Große im Sachsenspiegel, 1899; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928; Brandenburg, E., Die Nachkom­men Karls des Großen, 1935, Neudruck 1964; Pirenne, H., Mahomet und Karl der Große, 1935 (1963); Seiler, K., Der Erziehungsstaat Karls des Großen, 1937; Folz, R., Le souvenir et la légende de Charlemagne, 1950; Folz, R., Études sur le culte liturgique de Charlemagne, 1951; The coronation of Charlemagne, hg. v. Sullivan, R., 1959; Sprigade, K., Zur Frage der Verfälschung von Karls d. Gr. divisio regnorum, ZRG GA 81 (1964), 305; Fleckenstein, J., Karl der Große, 1962; Karl der Große, hg. v. Braunfels, W. u. a., Bd. 1ff. 1966ff.; Das Paderborner Epos von 799, 1967; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht, ZRG GA 108 (1991), 282; Wolf, G., Die Qualität der fränkisch-langobardischen Verbindung 770/71 und die sonstigen Verbindungen Karls des Großen, ZRG GA 113 (1996), 397; Classen, P., Karl der Große, 1985; Becher, M., Karl der Große, 1999; Kerner, M., Karl der Große, 2000; Hägermann, D., Karl der Große, 2000; Epperlein, S., Leben am Hofe Karls des Großen, 2000; Karl der Große und das Erbe der Kulturen, hg. v. Erkens, F., 2001; Kerner, M., Karl der Große, 2001; Tischler, M., Einharts Vita Karoli, 2001; Karl der Große und sein Nachleben, hg. v. Kraus, T. u. a., 2003; Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters, hg. v. Bastert, B., 2004; Kintzinger, M., Die Erben Karls des Großen, 2005; Charlemagne, hg. v. Story, J., 2005; Pauler, R., Karl der Große, 2009

Karl IV. (Wenzel) (Prag 14. 5. 1316-29. 11. 1378), aus der Familie der Grafen von Luxem­burg, wird 1346 deutscher König und 1355 Kaiser. Er macht Prag zum Mittelpunkt des Reiches (1344 Erzbistum, 1348 Uni­versität) und veranlasst für Böhmen die sog. (lat.) → Maiestas (F.]) Carolina und für das Reich die → Goldene Bulle.

Lit.: Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970; Seibt, F., Karl IV., 1978; Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen, 1978; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982; Kavka, F., Am Hofe Karls IV., 1990; Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Pauler, R., Die Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Karl IV. und den Päpsten, 1996; Schlotheuber, E., Die Autobiographie Karls IV., HZ 281 (2005), 561; Paravicini, A., Die Vita Karls IV., DA 63 (2007), 101

Karl V. (Gent 24. 2. 1500-Estrema­dura/Spanien 21. 9. 1558), aus der Familie der Habsburger (Enkel Maximilians), wird 1515 Herzog Burgunds, 1516 König Spaniens, 1519 deutscher König und 1530 Kaiser. 1521/1522 überlässt er seinem Bruder Fer­dinand die Herrschaft in den öster­reichischen Erblanden und die Stellvertretung im Reich (9 Reisen nach Deutschland, zehn Reisen in die Niederlande, 40 Reisen insgesamt). 1521 entscheidet er sich gegen die Reformation. Unter seiner Herrschaft wird 1532 die (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Carolina erlassen. 1555/1556 verizchtet K. auf die Regentschaft in Burgund/Spanien zu Gunsten Philipps II., 1556 auf die Kaiserwürde zu Gunsten Ferdinands I.e

Lit.: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., 1913ff.; Kalkoff, P., Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V., 1925; Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., hg. v. Gross, L., 1930; Zippel, W., Nationale und nationalitätenrechtliche Gedanken bei der Wahl und in der Wahlkapitulation Karls V., 1950; Boom, G. de, Les voyages de Charles Quint, 1957; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG 77 (1960), 288; Rabe, H., Reichsbund und Interim, 1971; Press, V., Kaiser Karl V., 1976; Spěvaček, J., Karl IV., 1978; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Brandi, K., Kaiser Karl V., 8. A. 1986; Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung, hg. v. Naujoks, E., 1985; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987; Karl V., hg. v. Rabe, H., 1996; Kohler, A., Karl V., 3. A. 2001; Größing, S., Karl V., 1999; Schulin, E., Kaiser Karl V., 1999; Schorn-Schütte, L., Karl V., 2000; Kodek, I., Der Großkanzler Kaiser Karls V. zieht Bilanz, 2004; Kohler, A., Karl V. 1500-1558, 2005; Pelizaeus, L., Dynamik der Macht, 2007

Karlsbader Beschlüsse sind die unter dem maßgeblichen Einfluss Metternichs vom 6.-31. 8. 1819 in Karlsbad (nordwestlich Prags) von den Ministern von 10 deutschen Staaten getroffenen, den einzelnen Untertanen unter Einschränkung der Souveränität der betei­ligten Staaten bindenden Beschlüsse zur strengen Über­wachung der Universitäten durch Regierungs­bevollmächtigte (Universi­täts­gesetz), zur Einschränkung der Presse­freiheit (Pressgesetz), zur Einsetzung einer Kom­mission zur Aufdeckung revolutionärer Bestrebungen und zur Herstellung einer Exekutionsordnung. Ihr äußerer Anlass ist die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand. Am 20. 9. 1819 verabschiedet der Bundestag (Bundesversammlung) des → Deut­schen Bundes die in den Karlsbader Beschlüssen enthaltenen Gesetzesentwürfe.. Eine dauerhafte Unterdrückung demokra­tischer Bestrebungen gelingt nicht.

Lit.: Ilse, L., Geschichte der politischen Untersuchungen, 1860; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30 III

Karlstadt

Lit.: Riedenauer, E., Karlstadt, 1963

Kärnten ist ein im keltisch-römischen No­rikum enthaltenes, nach der Karanta (Ulrichsberg, Karnburg, Karnberg) benanntes, ab dem 6. Jh. von slawischen Einwandererrn besetztes, seit 740/750 (Karantanien) unter die Herrschaft der Bayern und dann der Franken geratenes Gebiet an der mittleren Drau, das unter Einschluss der Steiermark und weiterer Gebiete im Süden 976 von → Bayern getrenntes Herzogtum wird und 1335 durch Ludwig den Bayern von den Grafen  von Görz/Tirol an die Grafen von Habsburg gelangt (1809-1813 in den illyrischen Provinzen Frankreichs, 1816-1849 Teil des Königreichs Illyrien Österreichs, 1849-1918 eigenes Kronland). Im 16. Jh. entsteht aus dem → Landlauf von Steyr ein Kärntner Rechtsbuch. K. ist seit 1920 Bundesland → Österreichs (1945-1955 Besatzungsgebiet Großbritanniens).

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Goldmann, E., Die Einführung der deutschen Herzogsgeschlechter in den slovenischen Stammesverband, 1903; Unterluggauer, J., Sankt Leonhard und das obere Lavanttal, 1925; Torggler, K., Darstellung des Kärntner Rechts und Rechtsganges, Archiv f. vaterländ. G. u. T. 24/25 (1936), 127; Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Torggler, K., Die Arbeiten Ludmil Hauptmanns, Carinthia 1 (1938); Rauch, K., Die Kärntner Herzogseinsetzung, FS Adolf Zycha, 1941, 173; Graber, G., Schwabenspiegel und Einritt am Fürstenstein, 1942; Puntschart, P., Einige Ergänzugen zur kritischen Literatur über die bäuerliche Herzogseinsetzung in Kärnten, ZRG GA 65 (1947), 337; Braunmüller, H., Geschichte Kärntens, Bd. 1ff. 1949ff.; Fräss-Ehrfeld, C., Geschichte Kärntens, Bd. 1 1984; Kärnten, hg. v. Rumpler, H. u. a., 1998; Gleirscher, P., Karantanien, 2000; Die Kärntner Volksabstimmung 1920, 2002; Kahl, H., Der Staat der Karantanen, 2002

Kärntner Rechtsbuch → Landlauf von Steyr

Karo, Josef (1488-Sated 1575) ist ein jüdischer Rechtsgelehrter aus Spanien, der lange auf dem Balkan und in Galiläa lebt. Er kommentiert umfassend die Arba ’at ha-Turim des → Jakob Ben Ascher (Bet Josef, Kurzform Sulchan ’Arukh). In erweiterter Form gewinnt das Werk in Mitteleuropa und Osteuropa bis ins 19. Jh. allgemeine Anerkennung in den jüdischen Gemeinden.

Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-’ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 1087

Karolinger ist der (seit dem 10. Jh. so bezeichnete) Angehörige eines (vielleicht mit den Merowingern verwandten,) von Bischof Arnulf von Metz (Arnulfinger, 7. Jh.) hergeleiteten, als → Hausmeier 751 zum frän­kischen Königtum (Pippiniden) aufgestie­genen Geschlechts, das später nach → Karl dem Großen als K. bezeichnet wird. Die K. sterben nach der Reichsteilung von 843 (Vertrag von Verdun) bzw. 877 im Ostteil des fränkischen Reiches 911 und im Westteil 987 aus.

Lit.: Köbler, DRG 76; Vaccari, P., Studi sull’Europa precarolingia e carolingia, 1955; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Ullmann, W., The Carolingian renaissance, 1969; Diplomata Karolinorum, Faksimileausgabe, hg. v. Bruckner, A., 1970; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Riché, P., Les Carolingiens, 1983; Mc Kitterick, R., The Frankish Kingdoms, 1983; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen Merowinger und Karolinger, 1987; Schieffer, R., Die Karolinger, 1992, 3. A. 2000, 4. A. 2006; Karl Martell in seiner Zeit, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Joch, W., Legitimität und Integration, 1999; Semmler, J., Der Dynastiewechsel, 2003; Grahn-Hoek, H., Gundulfus subregulus, DA 59 (2003), 1; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth Century, 2004; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs, 2005; Koch, A., Kaiserin Judith, 2005; Laudage, J. u. a., Die Zeit der Karolinger, 2006; Kaschke, S., Die karolingischen Reichsteilungen bis 831, 2006; Becher, M., Merowinger und Karolinger, 2008; Keller, H./Althoff, G., Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen 888-1024, 2008

Karolus de Tocco (Tocco bei Benevent 2. H. 12. Jh.-nach 1215), adliger Sohn eines Rechtskundigen, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Placentinus, Johannes Bassianus) Rechtslehrer in Bologna (?) und Benevent sowie Gerichtsbeisitzer in Sizilien. Von ihm stammt vor allem wohl eine um 1215 entstandene umfangreiche Glos­sierung der gegen Ende des 11. Jh.s entstandenen systematischen Samm­lung lan­gobardischer Gesetze (→ Lombarda). Sie wirkt in Oberitalien bis in das 14. Jh., in Süditalien bis in das 18. Jh.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 5 2. A. 1850, 174; Leicht, P., Le glosse di Carlo di Tocco, (in) Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna 4 (1920), 157; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 305; Lan­ge, H., Zum Lombarda-Kommentar, FS D. Medicus, 1999, 317

Karrenstrafe ist in der Neuzeit eine im (Beladen und) Ziehen eines Karrens bestehende Freiheitsstrafe oder Ehrenstrafe.

Lit.: Wächter, C., Die Strafarten und Strafanstalten des Königreichs Württemberg, 1832, 253

Karte ist das beschriebene Blatt bzw. das verkleinerte Abbild von Land.

Lit.: Ortelius, A., Theatrum orbis terrarum, 2006; Oehme, R., Die Geschichte der Kartographie des deutschen Südwestens, 1961; Schumm, K., Inventar der handschriftlichen Karten im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, 1961; Großer historischer Weltatlas, hg. v. bayerischen Schulbuch-Verlag, Teil 1ff. 1953ff.; Putzger, F., Atlas und Chronik zur Weltgeschichte, 2002; Schneider, U., Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute, 2004; Recker, G., Gemalt, gezeichnet und kopiert – Karten in den Akten des Reichskammergerichts, 2004; Kartenwelten, hg. v. Dipper, C. u. a., 2006; Iwanczak, W., Die Karten­macher, 2009

Kartell ist die Abrede selbständiger Unter­nehmer zwecks bestimmten gemeinsamen Verhaltens am Markt. Wie schon die → Zunft den Wettbewerb beeinflusst und seit dem Spätmittelalter bewusst Unternehmer sich zur Wettbewerbsgestaltung zusammenschließen, so finden sich am Ende des 19. Jh.s auch in der Großindustrie Kartelle. 1897 werden sie vom deutschen Reichsgericht zugelassen (RGZ 38, 155). Da sie bald überhandnehmen, werden sie am 2. 11. 1923 verboten, ohne dass das Verbot Wirkungen zeigt. Am 27. 7. 1957 ergeht in der Bundesrepublik Deutschland zum 1. 1. 1958 ein Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellge­setz), das später noch verschärft wird (3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Be­seitigung der vertikalen Preisbindung für Markenar­tikel, Verstärkung der Missbrauchs­aufsicht) und neben dem seit diesem Zeitpunkt auch europäisches Kartellrecht gilt. Im Mai 2004 wird das europäische Kartellrecht inhaltlich umgestellt auf das Anmeldeprinzip und kann außer von der Eu­ropäischen Kommission von allen nationalen Kartellbehörden und Kartellgerichten der Mit­gliedstaaten der Europäischen Union ange­wendet werden .

Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 243, 272; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3852; Großfeld, B., Zur Kartell­rechtsdiskussion vor dem ersten Weltkrieg, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 255; Kartelle und Kartellgesetzgebung, hg. v. Pohl, H., 1985; Schwab, D., Kartelle im Mittelalter, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 442; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994; Gith, R., Die Entstehungsgeschichte des europäischen Kartellrechts, 2003; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Richter, K., Die Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914, 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Maetschke, M., Ursprünge der Zwangskartellgesetzgebung, 2008

Karthager ist der Angehörige des um die phönizische Kolonie Karthago am Golf von Tunis gegründeten, bis nach Spanien ausgreifenden, jedoch seit dem 3. Jh. v. Chr. von Rom (in drei punischen Kriegen) bekämpften und 146 v. Chr. von den Römern endgültig unterworfenen Reiches (Feldherr Hannibal 247-183 v. Chr.).

Lit.: Lancel, S., Carthage, 1992; Geus, K., Proso­pographie der literarisch bezeugten Karthager, 1994; Moscati, S., Die Karthager, 1996; Gerhold, M., Rom und Karthago zwischen Krieg und Frieden, 2002; Zimmermann, K., Rom und Karthago, 2005, 2. A. 2009; Christ, K., Hannibal, 2003; Huss, W., Die Karthager, 3. A. 2004

Karthäuser, Kartäuser, ist der Angehörige des von Bruno von Köln 1084 in La Chartreuse bei Grenoble gegründeten christlichen Ordens.

Lit.: Gruys, A., Cartusiana, 1976; Mursell, S., The Theology of the Carthusian Life, 1988

Kartular (N.) Urkundensammlung

Kaser, Max (Wien 21. 4. 1906 – Ainring bei Salzburg 13. 1. 1997), Geschichtsprofes­sorensohn, wird nach der Promotion in Graz und der Habilitation in Gießen (1931) Professor für römisches Recht in Münster (1933) und Hamburg (1959). Von ihm stammt die führende Darstellung des römischen Privatrechts (1955ff., in drei zeitliche Epochen gegliedert) und Zivilprozessrechts (1966). Zusammengefasst sind seine synthe­tisierenden Arbeitsergebnisse in einem zeitlebens aktualisierten Kurzlehrbuch.

Lit.: Knüttel, R., Max Kaser, NJW 1997, 1492; Giaro, T., Max Kaser, Rechtshist. Journal 16 (1997), 231

Kassation ist die Aufhebung eines Urteils (wegen Nichtigkeit). Während das römische Recht ein unter Verletzung der Gesetze zustandegekommenes Urteil ohne weiteres als nichtig ansieht, verlangt das frühmit­telalterliche langobardische Recht ein besonderes Verfahren (lat. reclamatio [F.] ad regem, Beschwerde an den König). Seit der Mitte des 12. Jh.s wird zwischen Verletzung des Verfahrensrechts (→ Nichtigkeitsbe­schwerde) und Verletzung des materiellen Rechts (→ Appellation) unter­schieden, später aber unter dem Einfluss des kanonischen Rechts die Nichtigkeitsbeschwer­de auch auf große erhebliche Rechtsfehler erstreckt. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat zunächst devolu­tive und seit der Mitte des 14. Jh.s auch aufschiebende Wirkung. Für sie werden unter Ausdehnung auf alle Rechtsfehler im 19. Jh. in Italien Kassationsgerichtshöfe zuständig, die 1888/1923 zusammengefasst werden. In Frankreich entwickelt sich die K. (einer Abteilung des Staatsrats) als ein auf Rechtsfragen beschränkter Rekurs außerhalb des eigentlichen Instanzenzugs im Lauf des 18. Jh.s und wird 1790 einer mit den Garantien einer unabhängigen Rechtspre­chung ausge­statteten Einrichtung (Kassations­gerichtshof) übertragen, welche die Einheit­lichkeit der Rechtsprechung und die genaue Auslegung der Gesetze gewährleisten soll und zwingend an die Instanzgerichte zurück­verweisen muss.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, F., Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Montazel, L., Entre fait et droit, 1998; Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin (1819-1852), 2002; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004

Kasse ist ein Behältnis für Geld. Mit der Entwicklung der Geldwirtschaft werden bei allen Behörden besondere Kassen gebildet.

Kassel an der Fulda ist eine aus einem 913 erstmals bezeugten fränkischen Königshof erwachsene Stadt (1632-1652 Universität), die 1807-13 Hauptstadt des Königreichs Westphalen ist und in der Bundesrepublik Deutschland das Bundessozial­gericht und von 1954 bis 1999 auch das 1993/1996 gesetzlich nach Erfurt verlegte Bundesarbeitsgericht beherbergt.

Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Eisenträger, M. u. a., Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, 1935; Nehls, A., Alte Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, 1967; Heinemeyer. K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Die Handschriften der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel, bearb. v. Kremer, M., Bd. 2 1969; Kassel als Stadt der Juristen, 1990

Kassenarzt ist der auf Grund eines von der deutschen Reichsregierung geforderten Abkom­mens zwischen Krankenkassenverbän­den und Arztverbänden abgeschlossenen Ab­kommens (1914) bzw. einer Verordnung (1923) bzw. eines Gesetzes (1955) von der Krankenkasse (→ Krankenversicherung) für die Behandlung Kranker zugelassene und deshalb in ein Arztregister eingetragene Arzt (1914 ein K. auf 1350 Versicherte, bzw. bei Fami­lienbehandlung ein K. auf 1000 Versicherte).

Lit.: Jörg, M., Das neue Kassenarztrecht, 1993; Maaß, R., Das Kassenarztrecht der Reichsversicherungsord­nung, 1990

Kassiergesetz ist das zwecks Einschränkung der Rechtsliteratur die Anwendung der Anmerkungen Paulus‘ und Ulpians zu den Werken Papinians verbietende Gesetz Kaiser Konstantins I. von 321 n. Chr. (Codex Theo­dosianus 1. 4. 2).

Kaste (F.) Stand in Indien

Lit.: Zilm, A., Das Kastensystem in der Rechtsordnung Indiens, 1997

Kastilien ist das nach (lat. [N.Pl.]) castella benannte Gebiet am oberen Ebro, das im späten 8. Jh. als Grafschaft des Königreichs Asturien-León mit dem Hauptort Burgos erscheint. K. gelangt 1029 erbweise an den König von Navarra, dessen Sohn 1035 König von K. wird. Von 1037 bis 1065 und 1230 wird León mit K. vereinigt. 1085 wird K. um Toledo erweitert, 1236 um Córdoba, 1243 um Murcia und 1248 um Sevilla. 1412 wird der König von K. auch Herrscher in Aragonien. Wenig später werden K. und A. in Personalunion (1474) verbunden.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,230; Martínez Gijón, J., La compañía mercantil en Castilla, 1979; Las Cortes de Castilla y León, 1988; Büschgens, A., Die politischen Verträge Alfons’ VIII. von Kastilien, 1995; Czeguhn, I., Die kastilische Höchstgerichtsbarkeit 1250-1520, 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002

Kastration (F.) → Entmannung

Lit.: Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003; Czeguhn, I., Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 und die Erbgesundheitsgerichte, TRG 72 (2004), 359; Einhaus, C., Zwangssterilisation in Bonn (1933-1945), 2006

Kasuistik (F.) Einzelfallbetrachtung (vor allem in Rechtsgutachten römischer Rechts­kundiger mit Respondierrecht im Namen des Kaisers seit Kaiser Augustus)

Katalonien (12. Jh.) im Nordosten Spaniens gelangt über Iberer und Punier seit dem Ende des 3. Jh.s v. Chr. allmählich an die Römer, seit 409 an die Alanen und 415 an die Goten (Kata-lanen), um 800 an die Franken. 1137 fällt die dort entstehende Grafschaft Barcelona an → Aragonien, behält aber Selbständigkeit. 1714 verliert K. die bestehenden Sonderrechte, erhält aber von 1932 bis 1939 und 1979 Autonomie.

Lit.: Lalinde Abadía, J., La institución virreinal en Cataluña (1471-1716), 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,264; Iglesia Ferreirós, A., La creación del derecho en Cataluña, Anuario de historia del derecho Español 47 (1977), 99; Allemann, F./Bahder, X. v., Katalonien und Andorra, 3. A. 1985; Costums de Tortosa, hg. vom Centre Associat de Tortosa, 1979; Font Ruis, J., Cartas de poblacion y franquicia, Bd. 2 1983; Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa, 1984; Brocá, G. de, Historia del derecho de Catalunña, 1985; Zimmermann, M., En les orígens de Catalunya, 1989; El dret comú i Catalunya, hg. v. Ferreirós Aquilino, 2000; Bowman, J., Shifting landmarks. Property, proof and dispute in Catalonia around the year 1000, 2004

Kataster ist ein Verzeichnis von Personen oder Gegenständen, insbesondere ein Ver­zeichnis der Grundstücke eines Gebietes mit genauen Angaben über die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks. Im 15. Jh. erscheinen erste Vorläufer (Florenz 1427). Der neuzeitliche Staat legt seit dem 18. Jh. zwecks Sicherung der Grundsteuer­aufkom­men K. an (Neapel 1740, Lombardei 1750, Österreich unter Maria Theresia und Joseph II., Preußen 1822 für Rheinland und Westfalen). Das K. liefert auch dem → Grundbuch die notwendigen techni­schen Angaben.

Lit.: Köbler, DRG 152; Grävell, M., Die Grundsteuer und deren Kataster, 1821; Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914; Heider, J., Der bayerische Kataster, 1954; Lego, K., Geschichte des österreichischen Grundkatasters, 1968; Atlante storico, hg. v. Bocchi, F. u. a., 1986ff.; Kataster und moderner Staat, hg. v. Mannori, L., 2001

Katharer (erstmals um 1143 in Köln) → Ketzer

Lit.: Rottenwöhrer, G., Der Katharismus, Bd. 1ff. 1982ff.; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001; Hoécker, C., Disputatio inter Catholicum et Paterinum hereticum, 2001: Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005

Kathedersozialist (1871) ist der im späteren 19. Jh. sozialpolitische Anliegen (Wirt­schaftsgesetzgebung, Tarifverträge, Wirt­­schafts­ethik) verfolgende, von Sozialisten bekämpfte Wirtschaftswis­sen­schaftler (z. B. Gustav von Schmoller 1838-1917, Lujo Brentano 1844-1931, Werner Sombart).

Lit.: Oppenheim, H., Kathedersozialismus, 1872

Kathedrale ist die Hauptkirche am Sitz des Erzbischofs oder Bischofs.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; La cathédrale, 1995; Binding, G., Als die Kathedralen in den Himmel wuchsen, 2006

katholisch (allumfassend, seit dem 4. Jh. Bischofstitel)

Lit.: Katholizismus und Reichsgründung, hg. v. Real, W., 1988; Georg von Hertling 1843-1919, hg. v. Becker, W., 1993; Kirche und Katholizismus seit 1945, hg. v. Gatz, E., 1998; Arnold, C., Katholizismus als Kulturmacht, 1999; Schwendenwein, H., Die katho­lische Kirche, 2003; Hollerbach, A., Katholizismus und Jurisprudenz, 2004

Katzenelnbogen ist eine mittelalterliche, 1479 an Hessen gelangte Grafschaft. 1591 wird von Johannes Kleinschmidt der Entwurf einer Landesordnung geschaffen, der nach Aufnahme in der Praxis bis zum Ende des 19. Jh.s Bedeutung hat.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen, 1893, 67; Demandt, K., Regesten der Grafen von Katzenelnbogen, Bd. 1ff. 1953ff.; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Maulhardt, H., Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafsachaft Katzenelnbogen, 1980

Kauf ist ein gegenseitiger, grundsätzlich formloser Vertrag, durch den der eine Teil (Verkäufer) sich zur endgültigen Übertragung eines Gegenstandes (verkehrsfähiger körper­licher, möglicherweise erst noch herzu­stellender Gegenstand, Recht einschließlich einer [lat.] spes [F.], Hoffnung, Chance) und der andere Teil (Käufer) sich zur Zahlung eines bestimmten, ernst gemeinten Kauf­preises verpflichtet. Der K. ist dem römischen Recht als (lat.) → emptio (F.) venditio vertraut (auf [lat.] bona fides, guter Treue beruhender Konsensualkontrakt). Er kann mit verschiedenen Nebenabreden versehen wer­den (z. B. aufschiebende oder auflösende Abrede des Rücktrittsrechts des Verkäufers bei besserem Angebot eines an­deren Kaufinteressenten innerhalb einer be­stimm­ten Frist). Er führt als solcher (noch) nicht zum Eigentumserwerb. Möglich sind Gattungskauf und Stückkauf. Der Käufer hat die (lat.) actio empti auf Lieferung, der Verkäufer die  (lat.) actio venditi auf Zahlung. Zu den Germanen kommt er über den namen­gebenden römischen Schank­wirt an der Grenze (lat. [M.] caupo). Bedeutung erlangt er mit der Durchsetzung der Geldwirtschaft in der hochmittelalter­lichen Stadt. Seit dem Spätmit­telalter wird die römischrechtliche Gestaltung einschließlich der Sachmangel­haftung im Heiligen römi­schen Reich (deutscher Nation) aufge­nommen. Für den K. von Grundstücken wird das (aus den hochmittelalterlichen Schreins­karten Kölns hervorgehende) → Grundbuch bedeutsam. Im 19. Jh. wird in Deutschland der Handelskauf ausgesondert und das Verpflichtungsgeschäft vom Er­füllungs­ge­schäft streng getrennt. Seit dem Ende des 19. Jh.s wird der sozial schwache Käufer (Verbraucher) besonders geschützt (Abzahlungsgesetz). → Marktkauf

Lit.: Kaser § 41; Söllner §§ 9, 15; Hübner; Köbler, DRG 45, 63, 67, 91, 127, 165, 215, 270; Conze, F., Kauf nach hanseatischen Quellen, 1889; Amira, K., Nordgermanisches Obligationenrecht, 1892ff.; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs, 1913; Peterka, O., Der Kauf im Altstadt Prager und Brünner Recht, ZRG GA 58 (1938), 421; Planitz, H., Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Bauer, F., Die Entwicklung des Kaufrechts in Deutschland seit der Rezeption des römischen Rechts, Diss. jur. Bonn 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Müller, H., Das Kaufrecht in süddeutschen Stadtrechtsreformationen, Diss. jur. Kiel 1961; Greiser, P., Der Kauf nach deut­schen Landrechten der Rezeptionszeit, Diss. jur. Kiel 1965; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichter­füllung, 1965; Scherner, K., Salmannschaft, Servusge­schäft und venditio iusta, 1971; Wesener, G., Der Kauf nach österreichischem Privatrecht, FS H. Hämmerle, 1972, 433; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der Gefahrtragung beim Kauf, Diss. jur. Bonn 1981; Knellwolf, M., Zur Konstruktion des Kaufes auf Probe, 1987; Cortesi, O., Die Kaufpreisgefahr, 1996; Knütel, R., Hoffnungskauf und Eviktionshaftung, ZRG RA 117 (2000), 445; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Kaufen nach rö­mi­schem Recht, hg. v. Jakab, E. u. a., 2007

Kauf auf Probe ist der Kauf, bei dem der Käufer auf Grund einer Vereinbarung im Kaufvertrag den Kaufgegenstand bei Nicht­gefallen innerhalb einer bestimmten Frist zurückgeben kann.

Kauf bricht nicht die Miete ist ein Rechts­sprichwort, das besagt, dass im Gegensatz zum römischen Recht (Kauf bricht Miete, Gewährleistungsanspruch des vertriebenen Mieters gegen seinen Vermieter) in (vielen) deutschen Rechten seit dem Hochmittelalter die Veräußerung eines Grund­­stücks durch den Eigentümer das Mietver­hältnis eines Mieters nicht beendet (Veräußerung vertreibt den Mieter nicht).

Lit.: Kaser § 42 II 4; Kroeschell, DRG 3; Gilissen, J., Huur gaat voor koop, TRG 16, 281; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960

Kauf einer erhofften Sache (lat. emptio [F.] rei speratae) ist der Kauf einer erst noch entstehenden Gegenstands (z. B. eines Tierjungen), der durch die Entstehung auf­schiebend bedingt ist.

Kaufgut ist das durch → Kauf erworbene Gut. Es wird im Mittelalter teilweise anders behandelt als das durch Erbschaft erlangte Gut (Erbgut).

Lit.: Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 2 1886, 58, 199

Kaufhaus ist das großbetriebliche Unternehmen für den Kleinhandel mit Waren verschiedenster Art in einheitlichen Verkaufshäusern. In Deutschland werden die ersten Kaufhäuser oder Warenhäuser von jüdischen Kaufleuten im letzten Viertel des 19. Jh.s errichtet (Wertheim Stralsund 1876, Karstadt Wismar 1881, Tietz Gera 1882). Gegen sie wenden sich ohne großen Erfolg die kleineren Handelsunternehmen und Kaufleute.

Lit.: Spiekermann, U., Warenhaussteuer in Deutsch­land, 1994

Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe be­treibt. In Rom von eher untergeordneter rechtlicher Bedeutung, erscheinen im Frühmittelalter Syrer, Juden, Griechen und Friesen als vereinzelte Wanderhändler. Mit dem Hochmittelalter lässt sich der K. in der Stadt nieder und bildet Gilden oder Zünfte. Im 19. Jh. wird der Begriff des Kaufmanns gesetzlich festgelegt, 1998 vereinheitlicht und vereinfacht. Österreich ersetzt 2007 den Kaufmann des Handelsgesetzbuchs durch das Unternehmen und den Unternehmer des Unternehmensgesetzbuchs.

Lit.: Köbler, DRG 67, 95, 111, 167, 217; Gross, C., The Gild Merchant, 1890; Stoeven, M., Der Gewandschnitt in den deutschen Städten des Mittelalters, 1915; Die Korporation der Kaufmannschaft von Berlin, 1920; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden, 1931; Planitz, H., Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenos­senschaft, ZRG GA 60 (1940), 1; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Sapori, A., Le marchand italien, 1952; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Kroeschell, K., Ius omnium mercatorum, FS B. Schwineköper, 1982; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; I mercanti italiani, hg. v. Frangioni, L., 1990; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht, 1990; Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns 1470-1820, hg. v. Hoock, J. u. a., Bd. 1ff. 1991ff.; Ebert-Weidengeller, A., Hamburgisches Kaufmannsrecht, 1992; Kaufmanns­bücher und Handelspraktiken, hg. v. Denzel, M. u. a., 2002; Rösch, G., Kaufmannsbildung und Kaufmanns­ethik im Mittelalter, 2004; Becker, A., Die Entwicklung des Kaufmannsbegriffes, 2004

Kaufmannseigenschaft → Kaufmann

Kaufvertrag ist der über einen → Kauf geschlossene → Vertrag.

Kausalität ([F.] Ursächlichkeit) eines Verhaltens für einen Erfolg ist gegeben, wenn das Verhalten nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt bzw. ein gebotenes, aber unterlassenes Verhalten nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahr­scheinlichkeit entfiele. Im Schadenser­satz­recht kann die K, durch die Adäquanz eingeschränkt sein. K. bei einem Eigentums­erwerb bedeutet, dass ohne rechtmäßigen Erwerbsgrund (z. B. Kauf­ver­trag) die Er­werbs­art (z. B. Übergabe) keinen Eigen­tumsübergang bewirken kann (vgl. § 380 ABGB).

Lit.: Ling, M., Die Unterbrechung des Kausal­zusammen­hanges, 1996

Kautelarjurisprudenz ist die im Verhüten von Rechtsstreitigkeiten bestehende Tätigkeit des Rechtskundigen, die schon dem römi­schen Recht bekannt ist und seit dem Mittelalter vor allem von → Notaren durch Erstellung einwandfreier Urkunden ausgeübt wird. Von hier aus kommt es zu eigenen Sammlungen von Cautelen und seit dem 18. Jh. auch besonderen Standes­regeln.

Lit.: Söllner § 11; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905, 247

Kawerze (M.) Einwohner von Cahors, Südfranzose, Geldhändler (13. Jh.)

Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991

Kebsehe ist die (dauerhafte) Geschlechtsverbindung eines Mannes mit einer Unfreien (als Nebenfrau). Sie wird von der Kirche bekämpft.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 3

Keilschrift ist die durch Zeichen in Keilform gebildete Schrift des vorchristlichen Zwei­strom­lands.

Keilschriftrecht (Paul Koschaker) ist das in Keilschrift aufgezeichnete Recht (der Sumerer, Akkader, Assyrer, Babylonier und Hethiter).

Lit.: Haase, R., Einführung in das Studium keil­schriftlicher Rechtsquellen, 1965; Die keil­schriftlichen Rechtssammlungen in deutscher Fassung, 2. A. 1979; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006

Keine Antwort ist auch eine Antwort.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 34 (Franck 1541)

Keine Regel ohne Ausnahme.

Lit.: Deutsche Rechtssprichwörter und Rechtsregeln, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 276 (Körte 1837, lat. nulla regula sine exceptione)

Keller oder Kellner ist im Mittelalter der für die Verwaltung der Vorräte zuständige Amsträger der Grundherrschaft oder der Landesherrschaft.

Lit.: Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. 1 1886, 1410; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983

Kelloggpakt (Briand-Kellogg-Pakt) ist ein nach dem (französischen Ministerpräsidenten Aristide Briand [Nantes 28. 3. 1862-Paris 7. 3. 1932 und dem) amerikanischen Außen­minister Frank Billings Kellogg (Potsdam 22. 12. 1856-Saint Paul 21. 12. 1937) benannter, am 27. 8. 1928 von verschiedenen Staaten vereinbarter Vertrag zur Ächtung des Krieges.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Buch­heit, E., Der Briand-Kellogg-Pakt, 1998

Kelsen, Hans (Prag 11. 10. 1881-Orinda bei Berkeley 19. 4. 1973), aus kleinbürgerlicher, aus Ostgalizien kommender Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, der Taufe (1905), der Promotion (1906) und der Habilitation (1911) während des Kriegsdiensts als Wissenschaftsoffizier im Kriegsministerium 1917 außerordentlicher Professor, 1918 wissenschaftlicher Mitar­beiter in der Staatskanzlei und 1919 als Nachfolger seines Lehrers Edmund Bernatzik ordentlicher Professor in Wien und (1919-1930) Mitglied des Ver­fassungsgerichts­hofs. 1920 wirkt er unter Karl Renner bei der Ausarbeitung des Bundesverfassungs­gesetzes → Österreichs mit (vor allem Verfas­sungsgerichtsbarkeit). 1930 wird er seiner Mitgliedschaft im Verfassungsge­richtshof kraft Gesetzes entho­ben. 1930 wechselt er nach Köln, wo er am 13. 4. 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft beurlaubt wird. 1934 veröffentlicht er sein Hauptwerk (Die reine Rechtslehre), dem es um die reine Lehre des positiven Rechts geht. Auf der Voraussetzung einer angenommenen Grund­norm baut er eine wertfreie normative Ordnung auf, deren Einzelgestaltung er auch während seiner späteren Tätigkeiten in Genf (1933-1935), Prag (1936-1938), New York  (1940-1942) und Kalifornien (Berkeley 1945-1952) weiter ausgestaltet.

Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, Neudruck 2009; Kelsen, H., Vergeltung und Kausalität, 1940; Walter, R., Hans Kelsen, 1985; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen, 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 705; Rub, A., Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997; Carrino, A., Die Normenordnung, 1998; Normativity and Norms, hg. v. Paulson, S. u. a., 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diner, D. u. a., 1999; Walter, R., Hans Kelsens Rechtslehre, 1999; Nogueira Dias, G., Rechtspositivismus und Rechtstheorien, 2004; Hans Kelsen, hg. v. Paulson, S. u. a., 2005; Walter, R., Hans Kelsen als Verfassungsrichter, 2005; Hans Kelsen, Werke, Bd. 1ff. hg. v. Jestaedt, M u. a., 2007ff. (30 Bände); Der Kreis um Hans Kelsen, hg. v. Walter, R. 2008; Ogris, W., Hans Kelsen redivivus?, Nova & Varia 1 (2009), 7

Kelte ist der Angehörige der keltisch sprechenden, von den Indogermanen abstam­menden Völker. Die Kelten siedeln zuerst zwischen Main und Donau, werden dann aber nach Süden (386 v. Chr. vor Rom) und Westen (Galicien, Bretagne, Wales, Irland) und Osten (Galater) abgedrängt. Aus ihrer Frühzeit sind eigene schriftliche Zeugnisse nicht überliefert. In der Gegenwart leben noch Bretonisch in der Bretagne, Walisisch in Wales, Irisch in Irland und Gälisch in Schottland, während Gallisch (in Frankreich und Südwestdeutschland), Lepontisch (in O­ber­italien) und Iberokeltisch (in West­spanien) ausgestorben sind.

Lit.: Köbler, DRG 66; Roessingh, D., Het gebruik en besit van de grond, 1915; Liebermann, F., Die Fabeln von urältesten Gesetzen der Kymren, ZRG GA 46 (1926), 365; Thurneysen, R., Das keltische Recht, ZRG GA 55 (1935), 81; Moreau, J., Die Welt der Kelten, 1958; Die Kelten in Mitteleuropa, 3. A. 1980; McCone, K., Pagan past, 1990; Wernicke, I., Die Kelten in Italien, 1991; Spindler, K., Die frühen Kelten, 1996; James, S., Das Zeitalter der Kelten, 1996; Birkhan, H., Kelten, 2. A. 1997; Strobel, K., Die Galater, 1998; Mees, B., Celtic Influence in the Vocabulary of Hierarchy, ZRG GA 115 (1998), 361; Maier, B., Die Kelten, 2. A. 2003; Demandt, A., Die Kelten, 4. A. 2002; Maier, B., Die Religion der Kelten, 2001; Fries-Knoblach, J., Die Kelten, 2002; Sievers, S., Manching, 2003; Maier, B., Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs, 2003; Kuckenburg, M., Die Kelten in Mitteleuropa, 2004; Pilch, H., Die keltischen Sprachen und Kulturen, Bd. 1f. 2007; Die Kelten, hg. v. Zimmer, S., 2009; Gvozdanovic, J., Celtic and Slavic in the Great Migrations, 2009

Kemnath

Lit.: Sturm, H., Kemnath, Landrichteramt Waldeck-Kemnath mit Unteramt Pressath, 1975

Kent, James (1763-1843), Rechtsanwalt, Professor am Columbia College und Richter, gibt mit seinen (engl.) Commentaries on American Law (1826ff., Kommentare zum amerikanischen Recht) die erste systematische Darlegung des durch Anpassung des → englischen Rechts an amerikanische Bedürf­nisse geschaffenen amerikanischen Rechts.

Lit.: Horton, J., James Kent, 1939

Kerbholz ist ein vor allem im Mittelalter zum Einkerben von Beweiszeichen für Dienste, Schulden oder Abgaben verwendetes Holz­stück.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936, 139

Kerker ist eine Art von Gefängnis. Zeitweise wird der K. für eine verschärfte Haftstrafe verwendet.

Lit.: Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Kerze ist eine aus Docht und umgebendem Wachs gebildete Lichterzeugungsquelle, die auch im Recht als Symbol Verwendung findet.

Lit.: Wohlhaupter, E., Die Kerze im Recht, 1940

Kesselfang ist im Mittelalter das Eintauchen des Armes in siedendes Wasser eines Kessels im Rahmen des → Gottesurteils (belegt bei Gregor von Tours).

Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 255

Ketzer (13. Jh., Häretiker) ist im katholischen Kirchenrecht jeder bewusste Leugner eines kirchlichen Grundsatzes. Ketzerische Lehren erscheinen bereits kurz nach der Begründung des Christentums. Die Abgrenzung zwischen Glauben und Irrglauben ist dabei objektiv kaum möglich und der Vorwurf der Ketzerei ist vielfach mit anderen Überlegungen verbunden. Die Kirche bekämpft die K. mit Exkommunikation, seit Gratian (um 1140) mit Verbannung, Gütereinziehung und gegebenenfalls kriegerischem Vorgehen, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und Todesstrafe. Im Mittelalter werden die Katharer (in Konstantinopel aus dem älteren Bogomilismus entstanden, erstmals um 1143 in Köln, von Anfang 13. Jh. bis etwa 1460 vernichtet) namengebend. Auch die Protestanten (1517) sind K. 1697 wendet sich Christian Thomasius dagegen, den K. als Verbrecher zu behandeln. Seitdem setzt sich allmählich eine aufgeklärtere Betrachtungs­weise durch.

Lit.: Köbler, DRG 119; Theloe, H., Die Ketzerverfolgungen im 11. und 12. Jahrhundert, 1913; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im Mittelalter, 1935, Neudruck 1961; Nigg, W., Das Buch der Ketzer, 1949; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Borst, A., Die Katharer, 1991; Opitz, C./Wehrli-Johns, M., Die frommen Ketzerinnen, 1998; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001; Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005; Ragg, S., Ketzer und Recht, 2006

Kiburg

Lit.: Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986

Kiel nahe der Ostsee (1773-1866 dänisch) ist seit 1665 Sitz einer Universität. 1933 werden dorthin zahlreiche junge nationalsozialistische Rechtslehrer berufen (Kieler Schule).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Kieler Erbebuch (1411-1604), hg. v. Reuter, C., 1887; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898; Das Kieler Varbuch 1465-1546, hg. v. Luppe, H., 1899; Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; Stern, M., Das zweite Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Das Kieler Denkelbok, hg. v. Gundlach, F., 1908; Trautmann, P., Kiels Ratsverfassung und Ratswirtschaft, 1909; Rehme, P., Über die Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938), 752; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universität Kiel, hg. v. Ritterbusch, P. u. a., 1940 (S. 48-108 Wohlhaupter, E., Geschichte der juristischen Fakultät); Döhring, E., Geschichte der juristischen Fakultät 1665-1965, 1965; Willert, H., Anfänge und frühe Entwicklung, 1990; Recht und Rechtslehre im Nationalsozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992

kiesen (wählen)

Kietz (M.) slawisch-mittelalterliche Fischer­siedlung in Brandenburg (mindestens 74 bereits vor 1700 bezeugt)

Lit.: Ludat, H., Die ostdeutschen Kietze, 1936; Krüger, B., Die Kietzsiedlungen, 1962

Kimber ist der Angehörige eines (wohl) aus Jütland stammenden germanischen Volkes, das 101 v. Chr. bei Vercellae in Oberitalien von den Römern vernichtet wird.

Lit.: Köbler, DRG 28, 66

Kind ist der Abkömmling ersten Grades eines Menschen (bis zum Erwachsensein [Mündig­keit]). In Rom steht das K. (lat. [M.] infans) grundsätzlich unter der Hausgewalt des freien römischen Bürgers in seiner Eigenschaft als Hausvater bzw. hilfsweise unter der Perso­nalgewalt eines Vormundes (lat. [M.] tutor). Bei den Germanen untersteht es der Hausgewalt (ahd. munt) des Vaters bzw. der Personalgewalt eines Vormundes. Aus ihr löst es sich durch Abschichtung oder Verheiratung bzw. Mündigkeit. Die Unterscheidung nach Ehelichkeit und Nichtehelichkeit wird von der christlichen Kirche gefördert. Schon seit dem Frühmittelalter nehmen König und Kirche Einfluss auf die Rechtsstellung des Kindes. Ehelich ist nur das in rechter Ehe zu rechter Zeit geborene K. Seit dem Hochmittelalter wird die Bildung außerhalb des Hauses in Schule, Lehre oder Universität für das K. immer wichtiger. Seit dem Spätmittelalter wird römisches Recht aufgenommen und die Volljährigkeit als Zeitpunkt der rechtlichen Verselbständigung auf die Vollendung des 25. Lebensjahres gelegt. Das K. unter sieben Jahren ist grundsätzlich handlungsunfähig. Im 19. Jh. wird das K. vielfach über die häusliche Mithilfe hinaus zur Kinderarbeit gezwungen. Aus verteidigungspolitischen bzw. gesund­heitspolitischen Gründen wird dann die Kinderarbeit beschränkt (Österreich 1859, 1918). Der Wohlfahrtsstaat des späteren 20. Jh.s versucht die immer wenigeren Kinder (Empfängnis­verhütung) durch Verrechtli­chung der Beziehung zu den Eltern zu schützen und zu fördern (Kindergeld, el­terliche Sorge statt elterlicher Gewalt beider Elternteile [Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18. 7. 1979], Gleichstellung un­ehelicher bzw. nichtehe­licher Kinder, Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. 12. 1997 zum 1. 7. 1998, Kindeswohl, Anerkennung des Kindes als Rechtsträger).

Lit.: Kaser § 14 II 1; Hübner 64, 697; Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Köbler, WAS; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Bückling, G., Die Rechts­stellung der unehelichen Kinder, 1920; Jankowiak, K., Die Rechtsstellung der Kinder nach dem Magdeburger Recht des Mittelalters, Diss. jur. Marburg 1923; Fiez, M., Das Eltern- und Kindesverhältnis, 1932; Bischof, I., Die Rechtsstellung der außerehelichen Kinder, 1931; Etzensperger, C., Die Rechtsstellung des außerehelichen Kindes nach den schaffhauserischen Rechtsquellen, Diss. jur. Zürich 1931; Heck, F., Die Stellungnahme Erzbischofs Wichmann von Magdeburg zu der Kindesfolge, ZRG GA 60 (1940), 257; Das Kind, hg. v. Behler, W., 1971, 279; Wiesner, I., Über die Rechtsstellung der ehelichen Kinder im Landrecht des Sachsenspiegels, Diss. jur. Kiel 1973; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Kinderarbeit und Kinderschutz in Deutschland, 1837-1976, hg. v. Quandt, S., 1978; Mayer-Maly, T., Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 227; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Zur Sozialgeschichte der Kindheit, hg. v. Martin, J. u. a., 1986; Shahar, A., Childhood in the Middle Ages, 1990 (deutsch 1991); Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000; Schulze, N., Das Umgangsrecht, 2001; Wesener, G., Peculia – bona adventicia – freies und unfreies Kindesgut, (in) Iuris vincula Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393; Brokamp, I., Die Verrechtlichung der Eltern-Kind-Beziehung, 2002; Ohlbaum, I., Kind sein, 2003; Jütte, R., Lust ohne Last, 2003; Krah, J., Das Haager Kinderschutzübereinkom­men, 2004; Boentert, A., Kinderarbeit im deutschen Reich 1871-1914, 2006; Winkler, S., Kindserdrücken, 2007; Ostermann, S., Das Klärungsverfahren, 2009

Kindererziehung, religiöse → religiöse Kindererziehung

Kindergeld ist eine staatliche Leistung an Men­schen mit Kindern zur Verminderung ihrer Belastung, die in Deutschland nach dem Vorbild Frankreichs 1954 durch Gesetz (Kindergeldgesetz) in Höhe von (zunächst) 25 DM ab dem dritten Kind gewährt wird.

Lit.: Köbler, DRG 261; Igl, G., Kindergeld und Erziehungsgeld, 1986; Nelleßen-Strauch, D., Der Kampf ums Kindergeld, 2003

Kindesmissbrauch ist der sexuelle Miss­brauch eines → Kindes, der strafrechtlich bewehrt ist.

Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Kindestötung (Kindsmord) ist die Tötung eines Kindes (durch die Eltern). Ursprünglich hat im römischen und germanischen Recht der Gewalthaber das Recht über Leben und Tod des Kindes. Dieses Recht wird aber sowohl im römischen Recht wie auch im mittelalterlichen Recht allmählich verdrängt. Als K. in einem engeren Sinn erscheint am Ende des 18. Jh.s (1772 Susanna Margarethe Brandt in Frankfurt als Anregung zu Gretchen in Goethes Faust) die Tötung eines neugebo­renen, außerehelichen Kindes während oder gleich nach der Geburt durch die Mutter. Sie ist ein privilegierter Tötungstatbestand, der die ältere Mordqua­lifizierung ablöst. Am Ende des 20. Jh.s wird er in Deutschland aufgegeben.

Lit.: Jordan, L., Über den Begriff und die Strafe des Kindesmordes, 1844; Wächtershäuser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Weber, B., Die Kinds­mörderin im deutschen Schrifttum von 1770-1795, 1974; Dülmen, R. van, Frauen vor Gericht, 1991; Hammer, E., Kindsmord, 1997; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Habermas, R., Susanna Brandt, NJW 1999, 1936; Das Frankfurter Gretchen, hg. v. Habermas, R., 1999; Das Kind in meinem Leib, hg. v. Wahl, V. u. a., 2004; Czelk, A., Privilegierung und Vorurteil, 2005

Kindsmord → Kindestötung

Kipper und Wipper sind seit dem 17. Jh. (1621) Geldwechsler, die vollwertiges Silber­geld gegen unterwertiges Kleingeld eintauschen.

Lit.: Gaettens, R., Inflationen, 2. A. 1955; Redlich, F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972

Kirche (zu griech. kyriake oikos Haus des Herrn) ist die in eigenen Verfassungsformen geordnete, im christlichen Bekenntnis ver­einigte Gemeinde und Glaubensgemein­schaft. Sie entsteht im Anschluss an das Leben des Religionsstifters Jesus Christus im 1. Jh. n. Chr. Im Wettbewerb mit zahlreichen anderen fremdländischen Heilslehren im römischen Weltreich setzt sich die christliche K., die ihre Schriften gegen 180 n. Chr. kanonisiert und schon früh eine hierarchische Verfassung von Bischöfen, Klerus und Laien annimmt, als eine revolutionäre, die unteren Schichten gegen ihre Obrigkeit einnehmende Massen­bewegung durch. Nach anfänglicher Verfol­gung wegen der Lehre von der Unterordnung des irdischen Reiches unter das himmlische Reich Gottes wird die christliche K. 313 im Mailänder Toleranzedikt von Kaiser Konstan­tin anerkannt und in seiner im Glaubensstreit zwischen Athanasius und Arius von Athanasius ver­tretenen Form 391 Staats­kir­che. Ihre geistige Verfeinerung und la­teinische Durchdringung erfolgt vor allem durch Hieronymus (345-420), Ambrosius und Augustinus. Organisatorisch setzt sich unter dem Primat Roms die Bischofskirche mit Erzbischöfen und Bischöfen in den (lat. [F.Pl.]) civitates (Städten) durch. Spätestens seit dem 4. Jh. werden auch germanische Völker christianisiert. Seit dem Frühmittel­alter durchdringt die K. das gesam­te Europa in vielfältiger Hinsicht. Nach der Verbindung zwischen Papst und fränkischem Herrscher (751, 800) kommt es allerdings unter den Saliern (Heinrich IV. 1075) zum → Investi­turstreit mit der durch das Schisma von 1054 entstandenen römisch-katholischen K. Die K. gewinnt als Folge der → ottonischen Reichs­kirchenpolitik weltliche Macht in der Form der geistlichen Fürstentümer. 1517 verursacht Martin → Luther mit seinen gegen kirchliche Missstände gerichteten 95 Refor­mationsthe­sen die Abspaltung der Protestanten. Seit der Aufklärung sieht sich die als Körperschaft des öffentlichen Rechts or­ganisierte K. einer ständigen Säkularisierung aller Verhältnisse ausgesetzt. Gefordert und in erheblichem Umfang verwirklicht wird die Trennung von Staat und Kirche (1797 Vereinigte Staaten von Amerika, Revolution in Frankreich, → Kulturkampf). Am Ende des 20. Jh.s ziehen sich immer mehr Christen zwar noch nicht formal, aber doch tatsächlich aus der K. zurück. Neben der K. als Gemeinschaft steht die K. als Gebäude (älteste erhaltene K. 3. Jh. n. Chr.).

Lit.: Köbler, DRG 77, 79, 82, 88, 108, 115, 119, 121, 159, 205, 265; Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1887, 8. unv. A. 1954; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Sehling, E., Geschichte der protestantischen Kirchenverfassung, 2. A. 1914; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 2. A. 1922; Tomek, E., Kirchengeschichte Österreichs, Bd. 1ff. 1935ff.; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen Rechts auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Gampl, I., Staat und evangelische Kirche in Österreich, ZRG KA 52 (1966), 299; Feine, H., Reich und Kirche, hg. v. Merzbacher, F., 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Huber, E./Huber, W., Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1973ff.; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche, 1975; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Theologische Realenzyklopädie, Bd. 1ff. 1977ff.; Church and Society in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Oakley, F., The Western Church, 1979; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Fuchs, J., Das schweizerische Staatskirchenrecht, ZRG KA 101 (1984); Hölscher, W., Kirchenschutz als Herrschaftsinstrument, 1985; Leitner, F., Kirche und Parteien in Österreich nach 1954, 1988; Merzbacher, F., Recht-Staat-Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989; Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989; Histoire du christianisme, hg. v. Mayeur, J. u. a., 1990ff.; Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Kaspar, W. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Hauschild, W., Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1ff. 1995ff.; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Heim, M., Kleines Lexikon der Kirchengeschichte, 1998; Bücherverzeichnis zur Kirchengeschichte, hg. v. Fürstenberg, M. u. a., 1998; Biographisch-biblio­graphi­sches Kirchenlexikon, Bd. 1ff. 1998; Mühlenberg, E., Epochen der Kirchengeschichte, 3. A. 1999; Greschat, M., Personenlexikon Religion und Theologie, 1998; Rehberg, A., Kirche und Macht im römischen Trecento, 1999; Heim, M., Kirchen­geschichte, 2000; Wallmann, J., Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 5. A. 2000; Lexikon der Kirchenge­schichte, 2001; Die Erforschung der Kirchenge­schichte, hg. v. Smolinsky, H., 2001; Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, 2001; Frank, K., Lehrbuch der Geschichte der alten Kirche, 3. A. 2002; Prinz, F., Die Kirche und die pagane Kulturtradition, HZ 276 (2003), 281; Schwarz Lausten, M., Abendländische Kirchengeschichte, 2003; Studt, B., Papst Martin V. (1417-1431) und die Kirchenreform in Deutschland, 2004; Logan, F., Geschichte der Kirche im Mittelalter, 2005; Ökumenische Kirchengeschichte, hg. v. Kaufmann, T. u. a. Bd. 1ff. 2006; Städtische Gesellschaft und Kirche im Spätmittelalter, hg. v. Klapp, S. u. a., 2007; Norman, E., Geschichte der katholischen Kirche, 2007; Neumann, F., Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007; Krüger, E., Der Traktat De ecclesiastica postestate des Aegidius Romanus, 2007; Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart - Heiliges Römisches Reich - Deutschsprachige Länder, hg. v. Gatz, E., 2009; Zippelius, R., Staat und Kirche, 2. A. 2009

Kirchenasyl → Asyl, → Kirche

Kirchenbann → Kirche, → Bann

Kirchenbaulast ist die Belastung einer Gruppe von Menschen, eines einzelnen Menschen oder eines Vermögens mit den Kosten (des Baues,) der Unterhaltung und des Wiederaufbaues einer → Kirche (→ Eigenkirche). Sie ist mit dem → Patronat verbunden. Wo eine K. in das Eigentum des Staates übergegangen ist, trägt infolge des Vermögensübergangs der Staat die K.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Beyme, B. v., Die Baulast für das Freiburger Münster, 2003

Kirchenbuch ist ein von der → Kirche geführtes Buch über kirchliche Ange­legenheiten (z. B. Mitglieder, Taufen, Eheschließungen, Begräbnisse). Nach Mit­gliederlisten des Altertums und Toten­gedenkbüchern des Frühmittelalters er­scheinen Taufmatrikeln in Italien und Südfrankreich im 14. Jh. Im Heiligen römischen Reich (deut­scher Nation) tritt das K. um 1490 auf (z. B. Tübingen 1553 Ehebuch). In der Neuzeit verwendet auch die weltliche Gewalt das K. für ihre Zwecke. 1875 tritt neben das K. das Personen­standsbuch des Staates. Die Zahl der Kirchenbücher des Deutschen Reichs wird auf 400000 mit rund einer Milliarde Einzel­einträgen geschätzt.

Lit.: Köbler, DRG 105; Lampe, W., Die Kirchenbuchführung in Vergangenheit und Gegenwart, 1936; Schmitz, H., Die pfarrlichen Kirchenbücher, 1992; Das älteste Tübinger Ehebuch, hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Neininger, F., Brandenburgische Kir­chen­buchduplikate 1794-1874, 2008

Kirchenbuße → Kirche, → Buße

Kirchenfabrik (lat. fabrica [F.] ecclesiae) ist die mit der Errichtung einer Kirche (Gebäude) entstehende Verbandsperson („juristische Person“). Die Hauptlast der K. ist die → Kir­chenbaulast. Das Vermögen der K. kann nur in einem besonderen Verfahren veräußert werden. → Kirchengut

Kirchengut ist die Gesamtheit der geldwerten Rechte einer → Kirche. Das K. entsteht anfangs vor allem durch Gaben, dann aber auch Abgaben (→ Zehnt), die gemeinsam verwaltet und später nach bestimmten Regeln verteilt werden (z. B. Vierteilung unter Bi­schof, Klerus, Armen und → Kirchenfabrik, 5. Jh.). Im Frühmittelalter, in dem auch K. säkularisiert wird, können Klöster bis zu 15000 Hufen K. haben. Das K. gliedert sich dann in mehrere selbständige Untereinheiten. Im 13. Jh. wird aus dem K. teilweise Landes­herrschaft. Seit der frühen Neuzeit wird K. in erheblichem Umfang säkularisiert (u. a. im Reichsdeputations­hauptschluss vom 28. 2. 1803).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Stutz, U., Die Verwaltung und Nutzung des kirchlichen Vermögens, Diss. jur. Berlin 1892; Buchholzer, J., Die Säkularisation katholischen Kirchenguts im 18. und 19. Jahrhundert, 1921; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation 1803/10, 1979

Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits im Altertum und dann insbesondere als Folge der Reformation Martin → Luthers im 16. Jh. zwecks Ablösung des kanonischen Rechts finden (z. B. Hessen 1526, Schwäbisch Hall 1526, Hadeln 1526, Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, Lüneburg 1531, Brandenburg-Nürnberg 1533, Pommern 1534, Hannover 1536 usw.).

Lit.: Schwanhäuser, G., Das Gesetzgebungsrecht der evangelischen Kirche, 1967; Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 1ff. 1902ff., Neudruck 1980 (z. B. Bd. 18 2006, Bd. 17, 4, 2 2009); Wolf, E., Ordnung der Kirche, 1961; Brecht, M., Kirchenordnung und Kirchenzucht in Württemberg, 1967; Sprengler-Ruppenthal, A., Zu den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 2004

Kirchenrecht ist die Gesamtheit der Rechtssätze, die entweder das Leben innerhalb der Kirche ordnen (inneres K. bzw. in der katholischen Kirche auch kanonisches Recht) oder das Verhältnis des Staates zur Religion und zu den Religionsgemeinschaften regeln (äußeres K., Staatskirchenrecht). K. entsteht unter Beachtung vieler jüdischer Sätze bereits im 1. Jh. n. Chr. Die Kirche des Altertums bedient sich dabei in weitem Umfang des römischen Rechts, gestaltet durch Konzilien und päpstlich-bischöfliche Einzelreskripte (Dekretalen) K. aber auch vielfach neu ([lat.] → ius divinum, → ius ecclesiasticum, → ius naturale). Bereits seit dem 4. Jh. wird das K. gesammelt (u. a. von → Dionysius Exiguus). Dem schließen sich frühmittelalterliche Sammlungen an (600 Vetus Gallica, 633 Hispana, 774 von Papst Hadrian an Karl den Großen übermittelte Dionysio-Hadriana, 850 „Benedictus Levita“, 906 [lat.] libri [M.Pl.] duo de causis synodalibus [zwei Bücher Synodalsachen] des Regino von Prüm, 1007-1022 [lat., N.] Decretum Bischof Burchards von Worms). Um 1140 fasst in Bologna → Gratian Konzilscanones, päpstliche Dekretalen und Texte von Kirchenvätern zu seinem (lat. [N.]) → Decretum zusammen. Daran schließen sich Sammlungen von Dekretalen an (1234 [lat.] → Liber [M.] extra, 1298 [lat.] Liber sextus, 1317 → Clementinen), so dass all­mählich das (lat.) → corpus (N.) iuris canonici entsteht. Dessen Inhalt wird von den protestantischen Kirchen seit der frühen Neuzeit zunächst grundsätzlich anerkannt, danach aber vor allem durch → Kirchen­ordnungen abge­wandelt. 1917/1918 und 1983 wird das katholische K. neu gestaltet (lat. → Codex [M.] iuris canonici). → Staats­kirchenrecht im eigentlichen Sinn entsteht seit der Reformation Martin → Luthers (1517). Dabei setzt sich seit dem ausgehenden 18. Jh. der Gedanke der Toleranz durch. Das 20. Jh. trennt zwar Staat und Kirche grundsätzlich, sichert der Kirche aber noch wichtige Teile ihrer hergebrachten Rechtsstellung (→ Körperschaft des öffentlichen Rechts, → Kirchensteuer, Art. 137 WRV, 140 GG).

Lit.: Köbler, DRG 1, 8, 81, 106, 126, 205, 266; Eichhorn, K., Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und evangelischen Religionspartei in Deutschland, 1831ff.; Richter, A., Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts 1842, 8. A. 1886; Bickell, J., Geschichte des Kirchenrechts, 1843; Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts, 1879, 6. A. 1909, Neudruck 1965; Rothenbücher, K., Die Trennung von Staat und Kirche, 1908; Ebers, G., Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Liermann, H., Deutsches evangelisches Kirchenrecht, 1933; Heckel, J., Das Decretum Gratiani und das evangelische Kirchen­recht, (in) Studia Gratiana 3 (1955), 483; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.; Mörsdorf, K., Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 11. A. 1964; Benn, E., Entwicklungslinien des evangelischen Kirchenrechts im 19. Jahrhundert, Z. f. ev. Kirchenrecht 15 (1970), 2; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feine H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Berman, H., Law and Revolution, 1983 (Recht und Revolution 2. A: 1991Gaudemet, J., Droit de l’Eglise et vie sociale, 1989; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996; Stumpf, C., Kirchenrecht als Bekenntnisrecht, 1999; Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, hg. v. Campenhausen, A. Frhr. v., Bd. 1ff. 1999ff.; Erdö, P., Die Quellen des Kirchenrechts, 2002; Landau, P., Evangelische Kirchenrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Zs. f. ev. Kirchenrecht 48 (2003), 1; Brundage, J., The Profession and Practice of Medieval Canon Law, 2004; Stagnation oder Fortbildung, hg. v. Bertram, M., 2005; Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900, hg. v. Hartmann, W., 2007; Landau, P., Grundlagen und Geschichte des evangelischen Kirchenrechts und des Staatskirchenrechts, 2008 (Auf­sätze); Austin, G., Shaping Church Law around the year 1000, 2008; Link, C:, Kirchliche Rechtsge­schichte, 2009; Alltag reformierter Kirchenleitung. hg. v. Ar­nold, M. u. a., 2009; Der Einfluss der Kanonistik auf die deutsche Rechtskultur, hg. v. Condorelli, O. u. a., Bd. 1 2009

Kirchenregiment ist die am Ende des 15. Jh.s einsetzende Herrschaft (z. B. eines Landesherrn) über die Kirche, die in protestantischen Ländern (Territorien) bis 1918 anhält.

Lit.: Heckel, J., Cura religionis, FS U. Stutz, 1938, 224

Kirchenstaat ist der (weltliche) → Staat der katholischen Kirche. Er nimmt seinen Ausgang vom Mailänder Toleranzedikt des römischen Kaisers Konstantin (313), das die christlichen Gemeinden als rechtsfähige Vermögensträger anerkennt. Hinzu kommt die sog. → kon­stantinische Schenkung, nach der Konstantin Papst Silvester die politische Autorität im weströmischen Reich verliehen haben soll. Danach erhält die Kirche zahlreiche Grund­stücke als Gaben, die in ihrer Gesamtheit seit dem 6. Jh. (lat.) patrimonium (N.) Petri heißen. Seit dem 7. Jh. gilt der Papst als Schutzherr und Herrscher des Gebiets um Rom bzw. zwischen Venedig und Benevent. Am 14. 4. 754 gibt der fränkische König Pippin Papst Stephan die ehemals oströmischen, von den Langobarden besetzten Güter in Italien um Ravenna und Rom (zurück, → pippinische Schenkung). Der Sicherung der Herrschaft dient wenig später der K. um die Romagna und Tuszien (sowie um Venaissin [1274] und Avignon [1378], bis 1797), im 16. und 17. Jh. um Ferrara (1598), Urbino (1630) und Castro (1649). 1798 ersetzt Frankreich den K. durch die Römische Republik, doch gelingt 1814/1815 die Wiederherstellung. Am 20. 9. 1870 zieht die italienische Einigungsbewegung den K. bis auf geringe Reste an sich bzw. das neue Königreich → Italien. 1929 kommt es in Lateranverträgen zu einem Ausgleich. Das weltliche Gebiet der römischen Kirche beschränkt sich auf die Vatikanstadt. Der Vatikan hat Souveränität.

Lit.: Nürnberger, A., Papsttum und Kirchenstaat, Bd. 1ff. 1897ff.; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchen­staates, 1899, Neudruck 1969; Hayward, F., Le dernier siècle de la Rome pontificale 1769-1870, Bd. 1ff. 1927f.; Ermini, G., La libertà comunale nello stato della chiesa, 1926f.; Ermini, G., I parlamenti dello Stato della Chiesa, 1930; Kölmel, W., Rom und der Kirchenstaat im 10. und 11. Jahrhundert, 1935; Waley, D., The Papal State in the Thirteenth Century, 1961; Quellen zur Geschichte des Kirchenstaates, hg. v., Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1968; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984; Arnaldi, G., Le origini dello Stato della Chiesa, 1987; Marazzi, D., I Patrimonia sactae Romanae ecclesiae nel Lazio, 1998; Modell Rom?, hg. v. Büchel, D. u. a., 2003

Kirchensteuer ist die durch die öffentlich­rechtlichen Religionsgesellschaften erhobene, vom Staat eingezogene Steuer. Sie ersetzt den älteren Kirchenzehnt (Preußen 20. 6. 1875, vgl. auch das Allgemeine Landrecht von 1794). Rechtliche Grundlagen werden Art. 137 VI der Weimarer Reichsverfassung und Art. 140 GG.

Lit.: Köbler, DRG 198; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fischer, G., Finanzierung der kirchlichen Sendung, 2005

Kirchenvertrag ist ein Vertrag eines Staates mit einer (evangelischen) Kirche über kirchliche Angelegenheiten. → Konkordat

Lit.: Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Listl, J., Bd. 1f. 1987

Kirchenvogtei ist die Ausübung weltlicher → Herrschaft für eine → Kirche durch einen → Vogt.

Lit.: Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei im 10. Jahrhundert, 1933

Kirchenzehnt ist (meist) der zehnte Teil (von Erträgnissen und Früchten von Grundstücken und Vieh). Er erscheint im 5. Jh. n. Chr. auf der Grundlage von 4. Moses 18,21-32. Wenig später wird er von der Kirche gefordert und vom fränkischen König als Ausgleich für eingezogenes Kirchengut zugestanden. Seit der französischen Revolution (1789) und den Unruhen der Jahre 1848ff. verschwindet er und wird in deutschen Staaten durch die → Kirchensteuer ersetzt.

Lit.: Perels, E., Die kirchlichen Zehnten im karolingischen Reich, 1904; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Kirchliches Recht ist das auf die → Kirche bezogene → Recht (→ Kirchenrecht). Einen wichtigen Gegensatz zum kirchlichen Recht bildet das weltliche Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Kirchmann, Julius Hermann von (1802-1884)

Lit.: Julius Hermann von Kirchmann, hg. v. Bast, R., 1993

Kirchspiel (Kirchenbezirk) → Kirche

Lit.: Liebe, G., Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele, Diss. phil. Berlin 1885; Oberdörfer, K., Das alte Kirchspiel Much, 1923; Haff, K., Das Großkirchspiel, ZRG KA 63 (1943), 1, 64 (1944), 1, 65 (1947), 1, 253; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966

Kistenpfand (N.) Pfand an leblosen beweglichen (in Kisten aufbewahrbaren)  Sachen

Lit.: Hübner 470

k. k. (kaiserlich-königlich, Österreich 1867, nicht pragmatische Angelegenheiten) → k. u. k.

Klage ist im rechtlichen Sinn das Begehren des Klägers an das Gericht auf Rechtsschutz gegenüber dem Beklagten. Im römischen Recht ist K. die (lat.) → actio (F.), für die der Verletzte bei dem Gerichtsmagistrat die Einsetzung eines Gerichts (meist lat. [N.] iudex) und einer Anweisung einer Entscheidung verlangt. Von K. wird wohl unter kirchlichem Einfluss erst seit dem Frühmittelalter gesprochen, in dem sich der Verletzte nicht mehr unmittelbar gegen einen möglichen Verletzer, sondern hauptsächlich an einen Herrschaftsträger mit der Bitte um Unterstützung bei der Verfol­gung des Rechts wendet. Im Hochmittelalter werden verschie­dene Arten der K. unterschieden (um Eigen und Erbe, um Gut, um Schuld, später bürgerliche K., peinliche K. und gemischte K.) und anscheinend ge­naue Formulierungen verlangt (→ Prozess­gefahr), so dass Vertreter im Wort (→ Fürsprecher) erscheinen. Mit dem im Spätmittelalter aus Oberitalien kommenden gelehrten Verfahrensrecht wird die K. vielfach schriftlich und durch Vertreter in der Sache (→ Anwalt) geformt.

Lit.: Kaser § 82 II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 86, 116, 117, 156, 202; Laband, P., Die vermögens­rechtlichen Klagen, 1869; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1878/9, Neudruck 1973, 357, 757; Turner, V., The King and his Courts, 1968; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Gudian, G., Zur Klage mit Schadensformel, ZRG GA 90 (1973), 121; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren euopäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 383,467; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1; Apathy, P., Die publizianische Klage, 1981; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bieresbom, D., Klage und Klageerwiderung im deutschen und englischen Zivilprozess, 1999; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002; Halfmeier, A., Popularklagen im Privatrecht, 2006

Klage gegen den toten Mann ist eine wissenschaftliche Bezeichnung des Verfahrens gegen den auf handhafter Tat erschlagenen Täter. Sie ist vor allem im altnordischen Recht verbreitet. Seit dem 13. Jh. wird die K. g. d. t. M. durch die anerkannte Berufung auf Notwehr verdrängt.

Lit.: Scherer, Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936; Wallén, P., Die Klage gegen den Toten, 1958

Klage mit dem toten Mann ist im norddeutschen Recht des Mittelalters ein Verfahren gegen den auf handhafter Tat erschlagenen, vor Gericht gebrachten Täter.

Lit.: Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann, ZRG GA 31 (1910), 235; Frommhold, G., Zur Klage mit dem toten Mann und mit der toten Hand, ZRG GA 36 (1915), 458

Klageformel ist im römischen Formularprozess die Anweisung und die Ermächtigung des Gerichtsmagistrats an einen (lat.) iudex, den Beklagten unter bestimmten Bedingungen zu verurteilen oder freizusprechen. Die K. enthält üblicherweise eine Sachverhaltsbeschreibung (lat. demon­stratio), ein Begehren (lat. intentio) und einen Verurteilungsbefehl (lat. condemnatio).

Klagengewere ist im mittelalterlichen sächsischen Prozess die Zusicherung des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass er zur → Klage befugt sei. Macht ein zweiter Beteiligter gegen den Beklagten das Recht geltend, muss der Kläger die Ansprüche vom Beklagten abwehren. Gelingt dies nicht, muss er die eigene Klage aufgeben und → Gewette zahlen. Im 18. Jh. verschwindet die K. Sie wird von der Litiskontestation und der Einrede der Rechtskraft verdrängt.

Lit.: Ebeling, K., Die Klagengewere, Diss. jur. Frankfurt am Main 1958

Klagenkonkurrenz ist im klassischen römi­schen Recht die mehrfache Geltendmachung einer Klage (gegen mehrere Beteiligte, kumulative K.). Geht es um (lat.) eadem res (denselben Gegenstand), besteht grund­sätzlich strenge Alternativität und wird mit der ersten (lat.) litis contestatio (F.) die Klage verbraucht.

Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, DRG 48; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972

Klagenkonsumtion ist im altrömischen Recht der Ausschluss eines zweiten Streites über das geltend gemachte Recht durch die Streiteinsetzung (lat. [F.] → litiscontestatio) bzw. bei einer auf den Sachverhalt hin ausgerichteten Klage und einer sachver­folgenden Klage durch die Einrede der beurteilten Angelegenheit (lat. [F.] exceptio rei iudicatae)..

Lit.: Kaser § 80 II, 82 III, 87 II; Köbler, DRG 19

Kläger ist, wer durch eine → Klage vom Gericht Rechtsschutz begehrt. Wo kein K. (ist), da kein Richter (vgl. Codex 3, 7, 1 [lat.] invitus agere vel accusare nemo cogitur, gegen seinen Willen wird niemand zum Klagen oder Anklagen gezwungen).

Lit.: Söllner § 9; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1

Klageschrift ist im gelehrten Prozessrecht seit dem Spätmittelalter der Schriftsatz, durch den der → Kläger → Klage erhebt bzw. Rechtsschutz begehrt. Der Kläger überreicht die K. dem Beklagten im Termin. Später reicht er sie bei Gericht ein.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-römische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1 1868ff., Neudruck 1959; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Klagspiegel ist die 1516 von Sebastian → Brant unter dem Titel Richterlich Clagspiegel neu aufgelegte, vermutlich von einem Stadtschreiber (Conrad Heyden, aus Schwäbisch Hall oder der Umgebung, ab 1403 Studium in Erfurt als pauper, ohne Abschluss, 1413 Stadtschreiber Schwäbisch Hall, 1436 entlassen, † 1444) in Schwäbisch Hall um 1436 verfasste Schrift über Verfahrensfragen. Der erste Teil will, hauptsächlich nach Roffredus, De libellis iuris civilis (Von Büchlein des weltlichen Rechts), ein Handbuch des geschrie­benen Rechtes bieten. Der zweite Teil stellt Strafrecht und Strafverfahren nach römischen Rechtsgrund­sätzen (Digesten, Codex, Durantis, Speculum iudiciale u. a.) dar. Insgesamt ist der K. die älteste und umfassendste Wiedergabe des römischen Rechts in deutscher Sprache und unter Zuschnitt auf die einheimischen zeitgenössischen Bedürfnisse. Er wird von 1460-1470 bis über die Mitte des 16. Jh.s in 24 Auflagen gedruckt und bildet eine wichtige Quelle der Stadtrechtsreformation von → Worms, der (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (1507), für Tenglers → Laienspiegel (1509/11), Justin Goblers Der Rechten Spiegel (1550) und Heinrich Rauchdorns Practica und Proceß peinlicher Halsgerichts­ordnung (1564).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 335; Deutsch, A., Der Klagspiegel, 2004

Klammer, Balthasar (Kaufbeuren um 1504-Celle 6.(?) 2. 1578), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Ingolstadt und Leipzig 1529 Notar, 1530 Professor in Marburg und 1540 Kanzler der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Neben der Mitwirkung an wichtigen Landesgesetzen (Hofgerichtsordnung, Kanz­lei­ordnung, Polizei­ordnung) verfasst er 1565 ein posthum vielfach gedrucktes, deutsches (lat.) Compendium (N.) iuris (Lehnrecht und Landrecht) mit lateinischen Erläuterungen.

Lit.: Eckhardt, A., Der Lüneburger Kanzler Balthasar Klammer und sein Compendium juris, 1964; Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968

Klasse (F.) Gruppe

Lit.: Gall, L., Vom Staat zur Klasse, HZ 261 (1995), 1; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997

Klassenjustiz ist die Ausübung des Richteramtes durch Angehörige der gesellschaftlich herrschenden → Klasse (Liebknecht 1907) bzw. nach Klassen unterscheidende, im Dienste einer herrschenden Klasse stehende Rechtspflege.

Lit.: Kroeschell, 20 Jh.; Engels, F., Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 46; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983

Klassisches römisches Recht (vgl. Hugo 1790 Lehrbuch und Chrestomathie des classischen Pandectenrechts) → römisches Recht

Kleid ist eine dem Schutz und Schmuck dienende, durch Tätigkeit geschaffene Um­hüllung des Menschen. Das Kleid kann durch Rechtssätze festgelegt werden (Kleider­ord­nung). Es kann als Metapher oder Kennzeichen für rechtliche Vorgänge und Zustände Verwendung finden (→ Gewere, → Investitur, Robe, Uniform).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Kleiderordnung ist eine → Ordnung über die Verwendung von → Kleidern. Vielleicht unter dem Einfluss der Kirche, in der die Bekleidung der Geistlichen von erheblicher Bedeutung ist, werden im Spätmittelalter zum Schutz vor Verschwendung an vielen Orten Kleiderord­nungen erlassen (Spanien 1234/1256, Frankreich 1279/1294, Hannover 1312, England 1336, Göttingen 1340). Dabei gehen die Städte den Ländern anscheinend voran.

Lit.: Köbler, DRG 139; Hampel-Kallbrunner, G., Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen, 1962; Eisenbart, L., Kleiderordnungen, 1962; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Baur, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Jarrett, L., Striptease, 1999; Reich, A., Kleidung als Spiegelbild sozialer Differenzierung, 2005;

Klein, Ernst Ferdinand (Breslau 3. 9. 1744-Berlin 18. 3. 1810), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Nettelbladt) Anwalt, 1781 Mitarbeiter am Allgemeinen Landrecht Preußens (Strafrecht), 1791 Professor in Halle und 1800 Richter in Berlin. In seinen Merkwürdigen Rechts­sprü­chen der Hallischen Juristen­fakultät erarbeitet er An­sätze für sichernde Maßnahmen.

Lit.: Mumme, H., Ernst Ferdinand Kleins Auffassung von der Strafe und den sichernden Maßnahmen, 1936; Hoffmann, U., Ernst Ferdinand Kleins Lehre vom Verhältnis von Strafen und sichernden Maßnahmen, Diss. jur. Breslau, 1938; Brünker, H., Der Kriminalist Ernst Ferdinand Klein, Diss. jur. Bonn 1973; Kleensang, M., Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei E. F. Klein, 1998

Klein, Franz (Wien 24. 4. 1854-6. 4. 1926), Goldschmiedssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien 1885 Kanzleidirektor, 1891 außerordentlicher Professor und 1895 ordentlicher Universitätsprofessor. Auf Grund der Schrift (lat.) Pro futuro (Für die Zukunft) wird er Beamter des Justizministeriums in → Österreich und arbeitet die Zivilprozess­ordnung (1895), die Exekutionsordnung und das Gerichtsorganisationsgesetz aus, in denen die Stellung des Richters gestärkt wird.

Lit.: Festschrift Franz Klein, 1914; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988

kleindeutsch (Adj.) deutsch ohne Österreich

Kleines Kaiserrecht ist ein wohl zwischen 1328 und 1350 zwischen Frankfurt am Main und der Wetterau nach dem später sog. → Schwabenspiegel (Kaiserrecht) abgefasstes Rechtsbuch eines fränkischen Anhängers Ludwigs des Bayern. Es enthält Prozessrecht und Gerichtsverfassungsrecht, Privatrecht und Strafrecht, Lehnrecht (besonders der Reichsdienstmannen) und Recht der Reichs­städte.

Lit.: Das Keyserrecht, hg. v. Endemann, H., 1846; Gosen, J. v., Das Privatrecht nach dem kleinen Kaiserrecht, 1866; Schröder, E., Ein altertümliches Bruchstück, ZRG GA 17 (1896), 120; Isay, H., Zur Geschichte des kleinen Kaiserrechts, ZRG GA 19 (1998), 145; Munzel, D., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Munzel, D., (in) Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 42; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003

Klenkok, Johannes (Brücken 1. Viertel 14. Jh.-Avignon 15. 6. 1374), Professor der Theologie, stellt in Magdeburg 1369 zehn (später 21) Artikel des → Sachsenspiegels zusammen, die nach seiner Ansicht gegen kirchliches Recht verstoßen (lat. [M.Pl.] → articuli reprobati).

Lit.: Böhlau, H., Zur Chronologie, ZRG GA 4 (1883), 118; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28

Kleriker ist der Angehörige des → Klerus. Für ihn gilt das kirchliche Recht. Da vor allem im Frühmittelater fast nur K. schreiben können, sind sie gleichzeitig Träger wichtiger weltlicher Aufgaben (vgl. engl. clerk).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poncet, P., Les privilèges des clercs au moyen-âge, 1901; Moeller, B., Kleriker als Bürger, FS H. Heimpel, Bd. 2 1972, 195

Klerus ist im katholischen Kirchenrecht der geistliche Stand im Gegensatz vor allem zu den Laien. Der K. hat zahlreiche Standes­pflichten. Umgekehrt genießt er zumindest zeitweise erhöhten Schutz gegen Ehrverletzungen (lat. privilegium [N.] canonis, vgl. C. 1, 3, 10), Befreiung von der weltlichen Gerichtsbarkeit (lat. privilegium [N.] fori, vgl. Nov. 79 u. Ä.), Befreiung von weltlichen Pflichten wie Kriegs­dienst, Schöf­fenamt usw. (lat. privilegium [N.] immu­nitatis, vgl. Codex Theodosianus 16, 2) und Schutz vor Zwangsvollstreckung (lat. beneficium [N.] competentiae, vgl. Liber extra 3, 23, 3). Während des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) ist der K. sowohl in den Reichsständen wie auch in den Landständen ansehnlich vertreten.

Lit.: Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, 3. A. 1958; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Johag, H., Die Beziehungen zwischen Klerus und Bürgerschaft, 1977; Schulte-Umberg, T., Profession und Charisma, 1999

Klettgau

Lit.: Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966

Kleve, Cleve, ist eine im 11. Jh. entstandene Grafschaft, die 1417 zum Herzogtum erhoben wird und 1614 an Brandenburg (bzw. 1701 Preußen) fällt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1821; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1826; Schottmüller, K., Die Organisation der Central­verwaltung in Kleve-Mark, 1896; Wollenhaupt, L., Die Cleve-Märkischen Stände im 18. Jahrhundert, 1924; Ilgen, T., Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen Territorien – Herzogtum Kleve, 1921; Rüthning, G., Ein bisher unbekanntes Stadtrecht von Kleve, ZRG GA 55 (1935), 239; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 176; Klevische Städtepri­vilegien, hg. v. Fink, K., 1989; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1990; Das Stadtrecht von Cleve, hg. v. Fink, K., 1991; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1994; Der Oberhof Kleve und seine Schöffen­sprüche, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1994; Die klevischen Hofordnungen, hg. v. Flink, K., 1997; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008

Klöntrup, Johann Aegidius (Glane 30. 3. 1754-Lechterke 25. 4. 1830), Prokurators­sohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen Anwalt in Osnabrück. Er verfasst mehrere Werke zum bäuerlichen Recht (u. a. Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück, 1798).

Kloster ist die geschlossene, Ordensangehö­rigen als gemeinsame Wohnung, Gebetsstätte und Arbeitsraum dienende Anlage. Sie er­scheint im Bereich des Christentums in Oberägypten im 4. Jh. erstmals (Pachomius). Im fränkischen Reich werden Marmoutier (Martin von Tours) und Luxeuil (Columban) wichtige Vorbilder für zahlreiche, schon früh vom König und Adel durch Privilegien und Gaben unterstützte Gründungen, für die sich im 8. Jh. die Ordnung des → Benedikt von Nursia durchsetzt. Diese wird seit dem 10. Jh. in Cluny, Gorze und Hirsau erneuert. Seit dem 12. Jh. bilden sich unterschiedliche Orden aus (→ Zisterzienser, → Prämon­stratenser, → Domini­kaner, Franzis­kaner). In der Neuzeit, in der in Europa um 1750 etwa 350000 Mönche und Nonnen in etwa 25000 Ordenshäusern von der Allgemeinheit getra­gen werden, werden unter dem Einfluss auch der Reformation und danach der Aufklärung zahlreiche Klöster säkula­risiert.

Lit.: Köbler, DRG 79; Wrede, A., Das Klostergut Sülz bei Köln, 1909; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck 1965; Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913; Urkundenbuch des Klosters Fulda, hg. v. Stengel, E., Bd. 1 1913ff.; Bader, K., Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, 1938; Stillhart, A., Die Rechtsper­sönlichkeit der klösterlichen Verbandsformen, 1953; Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen in der Verfassung des karolingischen Reiches, 1958; Siepen, K., Vermögensrecht der klösterlichen Verbände, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Rehfus, M., Das Zisterzienserinnenkloster Wald, 1971; Die Traditionen, Urkunden und Urbare des Klosters Asbach, bearb. v. Geier, J., 1969; Reden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982; Prinz, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Boetticher, M. v., Kloster und Grundherrschaft Mariengarten, 1989; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2. A. 1994; Grégoire, R. u. a., Die Kultur der Klöster, 1995; Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, bearb. v. Fuat, U. u. a., 2000f.; Patzold, S., Konflikte im Kloster, 2000; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001; Württembergisches Klosterbuch, 2003; Beales, D., Prosperity and Plunder, 2003; Gleba, G., Klosterleben im Mittelalter, 2004; Schlotheuber, E., Klostereintritt und Bildung, 2004; Ströbele, U., Zwischen Kloster und Welt, 2005, 2006;; Ertl, T., Religion und Disziplin. Selbstdeutung und Weltordnung im frühen deutschen Franziskanertum, 2006; Gleba, G., Klöster und Orden im Mittelalter, 2. A. 2006; Buttinger, S., Hinter Klostermauern, 2007; Beales, D., Europäische Klöster im Zeitalter der Revolution 1650-1815, 2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr Wirken, 2009; Rüffer, J., Mittelalterliche Klöster, 2009; Mitteleuropäische Klöster der Barockzeit, hg. v. Herzog, M. u. a., 2009

Klosterschule ist die seit dem 5. Jh. sichtbare Schule für Geistliche und auch Laien in einem Kloster (z. B. Reichenau, Sankt Gallen, Fulda, Kremsmünster, Melk, Admont, Corvey, Prüm). Sie bezieht außer der christlichen Lehre die sieben freien Künste ein. Nach dem 11. Jh. tritt sie hinter der Universität und später auch den städtischen Schulen zurück.

Klostertod ist der Verlust weltlicher Rechte durch den Eintritt in ein → Kloster vom Mittelalter bis in das 19. Jh. → bürgerlicher Tod

Lit.: Hübner; Brünneck, W. v., Das Klostergelübde, Gruchot Beiträge 45 (1901), 193

Kluftbrief (Vetternschaftsbrief)

Lit.: Künssberg, E. Frhr. v., Vier Kluftbriefe aus Dithmarschen, ZRG GA 43 (1922), 304

kluniazensische Kirchenreform → Cluny

Knappe (M.) Edelknabe, Bergmann

Knappschaft ist vielleicht schon seit dem Hochmittelalter ein Zusammenschluss von Bergleuten zur Sicherung gegen Unglücks­fälle durch eine Unterstützungs­kasse. Die K. wird seit dem Spätmittelalter in Berg­ordnungen geregelt. 1770 bildet sich auf Grund eines vom König von Preußen 1767 gewährten Privilegs eine ausgedehnte Knappschaftskasse für Kleve, Moers und Mark. Mit Gesetz vom 10. 4. 1854 führt Preußen unter Knappschaftszwang eine öffentlich-rechtliche Versicherung in der Form von Knappschaftsvereinen ein. Das Reichsknappschaftsgesetz vom 23. 6. 1923/1. 7. 1926 bringt eine einheitliche Regelung im Deutschen Reich (28. 7. 1969 Bundesknapp­schaft).

Lit.: Köbler, DRG 218; Karwehl, H., Die Entwicklung und Reform des deutschen Knappschaftswesens, 1907; Inbusch, H., Das deutsche Knappschaftswesen, 1910; Thielmann, H., Geschichte der Knappschafts­versicherung seit 1934, Z. f. Bergrecht 95 (1954), 174; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990; Lauf, U., Die Knappschaft, 1994; Festschrift aus Anlass des 30jährigen Bestehens der Bundesknappschaft, 1999

Knecht ist der junge Mensch, der im Ver­hältnis zu einem Herrn Dienste leisten muss. Am Ende des Mittelalters scheidet K. aus den Altersbezeichnungen aus und wird unabhän­gig vom Alter zur Bezeichnung für einen niede­ren, vielfach bäuerlichen Bediensteten.

Lit.: Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen Norwegen, 2004

Knien ist ein vielleicht dem vorderen Orient entstammendes Demutsverhalten.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Koadjutor (M.) vom Papst ernannter, mit bischöflicher Weihgewalt ausgestatteter Vertreter eines Bischofs

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Koalition (F.) Vereinigung

Koalitionsfreiheit ist die Freiheit, zur Wahrung und Förderung der Arbeits­be­dingungen oder Wirtschaftsbedin­gungen Ver­einigungen zu bilden (oder auch [negativ] solchen Vereinigungen fernzublei­ben). Die frühe Neuzeit wendet sich gegen die K. der Handwerksgesellen (1530, 1731, 1845). Im 19. Jh. werden die Verbote aufgehoben (England 1824, Sachsen 1861, Baden 1862, Norddeutscher Bund 1869, Frankreich 1884). Die Weimarer Reichsver­fassung erhebt die K. zu einem Grundrecht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 273; Scholz, R., Die Koalitionsfreiheit, 1971

Koblenz am Rhein ist von 1806 bis 1813 Sitz einer französischen Rechtsschule, von 1814 bis 1817 Sitz einer preußischen juristischen Fakultät.

Lit.: Bär, M., Zur Entstehung der deutschen Stadtgemeinde (Koblenz), ZRG GA 12 (1891), 1; Just, L., Franz von Lasaulx, 1926; Conrad, H., Stadtgemeinde und Stadtfrieden in Koblenz während des 13. und 14. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938), 337; Buyken, T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Eilers, K., Stadtfreiheit und Landesherrschaft in Koblenz, 1980; Mallmann, L., Französische Juristenausbildung im Rheinland 1794-1814. Die Rechtsschule von Koblenz, 1987; Hennig, J., 2000 Jahre Koblenz, 1994

Kodex → Codex

Kodifikation (Gesetzbuchmachung) ist die grundsätzlich erschöpfend gedachte (und damit anderes Recht bzw. andere Rechts­quellen ausschließende) Zusammenfas­sung des gesamten Stoffes eines oder mehrerer Rechtsgebiete in einem einheitlichen Gesetzbuch (, lat. [M.] → codex) (oder Gesetz). Die Zusammenfassung des gesamten (römischen) Rechts in Codex, Digesten und Institutionen durch Justinian (527-565) stellt noch eher eine Kompilation als eine K. dar. In der Neuzeit sind die Landesherren ebenfalls an zusammenfassender Regelung interessiert. Beeinflusst von Montesquieus De l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, 1748) schaffen (Bayern 1751-1756,) Preußen (auf der Grund­lage eines von Samuel von Cocceji bear­beiteten Projekts eines Codicis Fridericiani Pomeranici 1747, eines Projekts des Codicis Fride­riciani Marchici 1748 und eines Projekts des Corporis juris Fridericiani 1749, 1751, Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs 1784ff., Allgemeines Land­recht, 1794), Frank­reich (Code civil, 1804, sowie 4 weitere Codes) und Österreich (auf der Grundlage des Codex Theresianus von 1766, des Entwurfs Horten von 1774, des Josephi­nischen Ge­setzbuchs von 1787, des Entwurfs Martini 1796 und des Westgalizischen Gesetzbuchs von 1797 Allgemeines Bürgerliches Gesetz­buch, 1811/1812) bekannte Kodifikationen, die inhaltlich (außer vom römischen und vom einheimischen Recht) stark vom → Natur­recht (Vernunft­recht) geprägt sind. Ihnen schließen sich später zahlreiche andere Staaten an (z. B. Deutsches Reich 1871, 1877/1879, 1900, Schweiz 1907/1912, Por­tugal 1833/1867, Niederlande 1838, Italien 1865, Spanien 1829/1889 usw.). Geprägt wird der Begriff der K. von Bentham (Juni 1815 in Briefen an den Zaren von Russland und den polnischen Prinzen Adam Czartoriski, 1817 Papers relative to Codification and Public Instruction mit einem separaten Rund­schreiben On Codifi­cation). Kennzeichnend sind materielle Vollständigkeit, sprachliche Verständlichkeit und unabänderliche Festig­keit.

Lit.: Söllner §§ 1, 19, 20, 25; Köbler, DRG 139; Cauvière, H., L’idée de codification en France, 1910; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 335; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Aquarone, A., L’unificazione legislativa e i codici del 1865, 1960; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1964), 45; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code, 1967; Caroni, P., Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer am Ende des 18. Jahrhunderts, Zs. f. württ. LG 28 (1969), 265; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Bühler, T., Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Coing, H., Zur Vorgeschichte der Kodifikation, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 797; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Kodifikation als Mittel der Politik, 1986; Bühler, T., Der Stand der Kodifikationsentwicklung Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, 1986; Lokin, J., Hoofdstukken uit de Europese Codificatiegeschiedenis, 1990, 2. A. 1992; Rechtskodi­fikation und soziale Normen im interkulturellen Vergleich, hg. v. Gehrke, H., 1994; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Caroni, P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998; Kodifikation und Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1998; Becchi, P., Ideologie della codificazione in Germania, 1999; Brauneder, W., Vergessene Jubiläen, JuS 2000, 15; La Codification des lois dans l’antiquité, hg. v. Levy, E., 2000; Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Behrends, O. u. a., 2000; Nörr, K., Kodifikation und Wirtschafts­ordnung, ZNR 2001, 51; Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Mertens, B., Ge­setz­gebungs­kunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Bäumer, M., Die Privatrechtskodifikation im ju­ris­tischen Universitätsstudium, 2008

Kodifikationsstreit ist der hauptsächlich von → Thibaut (1772-1840) und → Savigny (1779-1861) 1814 geführte rechtspolitische Streit um die Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalgesetzbuches. Thibaut begründet seine Schrift „Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerli­chen Gesetzbuches für Deutschland“ mit Vaterlandsliebe und prak­tischem Interesse der zivilrechtlichen Verhältnisse. Savigny stellt dem die Behauptung entgegen, dass Recht organisch aus dem Volksbewusstsein entstehe und (deshalb im Jahre 1814) ein von oben kommendes Gesetz unorganisch und damit überflüssig oder schädlich sei. Im Ergebnis setzt sich die von den politischen Gegebenheiten (viele souveräne deutsche Einzelstaaten) nahegelegte und von Savignys Gelehrtenruhm gestützte Ablehnung durch, so dass es (bis 1900) bei der Rechtszer­splitterung in den deutschen Staaten bzw. seit 1871 dem Deutschen Reich (im bürgerlichen Recht) bleibt.

Lit.: Köbler, DRG 180; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J. 1914; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955), 359; Wieacker, F., Wandlungen im Bild der historischen Rechtsschule, 1967; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Hattenhauer, H., Thibaut und Savigny, 1973; Wrobel, H., Die Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit, 2004

Kodizill → codicillus (letztwillige Verfügung ohne Erbeinsetzung, die im klassischen rö­mischen Recht durchsetzbar und im nach­klassischen römischen Recht dem Testament angenähert wird)

Kofod Ancher, Peder (1710-1788), 1741 Rechtsprofessor, verfasst in der Form verschiedener Einzelabhandlungen die erste, bis zur Neuzeit reichende Rechtsgeschichte Dänemarks (En Dansk Lovhistorie, Bd. 1f. 1769ff.).

Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechts­wissenschaft, 1940, 8; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992, 98

Kognat (lat. [M.] cognatus) ist der durch Abstammung (auch über Frauen) Verwandte. Im römischen Recht ist zunächst der → Agnat wichtiger als der K.

Lit.: Kaser §§ 9 12 I 2e, 58 IV 5a, 61 I 1, 65 II 2, 66 III

Kognitionsverfahren (lat. [F.] cognitio) ist im klassischen römischen Recht ein einheitliches, vor einem beamteten Richter durchgeführtes Verfahren. Dieses recht formlose Verfahren erscheint zunächst als durch wohlfahrts­staatliche Erwägung ge­gründete (lat.) cognitio (F.) extraordinaria (außerordentliche Erkennt­nis auf ausge­wählten Sachgebieten wie Fideikommissen, Verfahren des [lat.] fiscus, Verfahren über den [lat.] status) durch den Prinzeps in seiner Stellung als Tribun, dann durch einzelne ausgewiesene Magistrate und schließlich durch die Verwaltung des Prinzeps. Die Parteien sind der Entscheidung ohne weiteres unterworfen. Die → Ladung wird ein amtlicher Akt (Amtsbetrieb), dessen Miss­achtung den Streitverlust nach sich zieht. Das Begehren richtet sich allein nach dem sachlichen Recht. Das auf freier Beweiswürdigung beruhende → Urteil wird schriftlich verfasst. Die → Kosten trägt in der Regel der Unterlegene. Gegen die Ent­schei­dung wird die → Appellation an eine höhere Instanz möglich. Im 2. und 3. Jh. verdrängt das K. das ältere → Formu­larverfahren.

Lit.: Kaser §§ 80, 87 I; Söllner §§ 14, 15, 17, 18; Köbler, DRG 33, 55; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966

Kohle → Bergbau

Lit.: Kranz, H., Kohle in der Krise, ZRG GA 117 (2002), 592

Kohler, Josef (Offenburg 9. 3. 1849-Berlin 3. 8. 1919), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau und Heidelberg (Vangerow) Richter, nach Veröffentlichung seines Werks über das deutsche Patentrecht (1878) 1878 ohne Habilitation Professor in Würzburg und 1888 in Berlin. Vielseitig interessiert befasst er sich mit zahlreichen, Vermögensrecht und Per­sön­lich­keitsrecht ver­bindenden immate­rial­­gü­ter­­rechtlichen Fragen und rechts­geschichtlichen Ausgaben (Werks­verzeichnis mit 2482 Titeln, darunter 104 Bücher, davon 80 juristischen Inhalts).

Lit.: Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Osterrieth, A., Josef Kohler, ein Lebensbild, 1920; Kohler, A., Bibliographie für Josef Kohler, 1931; Spendel, G., Josef Kohler, 1983; Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums, hg. v. Adrian, J., 1996; Spendel, G., Josef Kohler (1848-1919), ZRG GA 113 (1996), 434; Nies, K., Die Geschichte ist weiter als wir, 2009

Kohlhase → Fehde

Kolbengericht

Lit.: Haupt, H., Ein oberrheinisches Kolbengericht aus dem Zeitalter Maximilians I., ZRG 16 (1895), 199

Kolchos(e) (F.) landwirtschaftlicher genos­senschaftlicher Großbetrieb in der Sow­jetunion

Kolderup-Rosenvinge, Janus Lauritz Andreas (1792-1850), dänischer Rechtshis­toriker, verfasst neben verschiedenen anderen Lehr­büchern die erste systematische Rechts­ge­schichte Dänemarks (Grundrids af den danske Lovhistorie, 1822f.) und gibt verschiedene Quellensammlungen heraus.

Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechts­wissenschaft, 1940, 57; Tamm, D., Retsvidenskaben i. Danmark, 1992, 148

Koldín, Pavel Kristián (1530-1589) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Prag 1557 Professor. Er verfasst 1569 einen 1579 vom Landtag und 1610 von allen Städten in Böhmen angenommenen Entwurf für ein einheitliches Stadtrecht, das teilweise bis 1811 in Böhmen und Mähren gilt.

Lit.: Mestské právo v 16.-18. stoleti v Europe, hg. v. Maly, K., 1982, 341

Kollatai, Hugo (1750-1812) wird nach dem Studium der Theologie und des Kirchenrechts in Krakau, Wien und Rom Priester, Professor und Richter. Auf ihn geht wesentlich die Verfassung → Polens vom 3. 5. 1791 zurück. 1793 muss er in die Emigration gehen, 1794 bis 1802 ist er von Österreich gefangen­gesetzt.

Lit.: Opalek, K., Poglady Hugo Kollataj, 1952; Chamcowna, M., Uniwersytet Jagiellonski, 1957

Kollation ([F.] Zusammenbringen) ist das Einbringen eines vor dem Erbfall durch den Erblasser erlangten Vermögenswerts zwecks Ausgleichs unter mehreren Anwärtern.

Kolleg (N.) Genossenschaft, Disputationsge­sellschaft von Studenten (Köln 1530), Vorlesung

Lit.: Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000

Kollegialbehörde ist eine aus mehreren gleichberechtigten Mitgliedern bestehende, meist durch Stimmenmehrheit beschließende Behörde. Nach älteren Ansätzen wird sie zu Beginn der Neuzeit planmäßig gebildet (Baden 1495, Reich 1498, Schlesien 1498, Sachsen 1499, Hessen 1500).

Kollegialgericht ist ein aus mehreren Mitgliedern bestehendes, durch Abstimmung entscheidendes Gericht. Ohne besondere Form kollegial verfahren bereits (die germanische Volksversammlung und) die mittelalterlichen Rachinburgen oder Schöffen. Demgegenüber tritt der Einzelrichter mit dem Aufkommen des gelehrten Rechtes zuerst im kirchlichen Gericht, danach in den unteren landesherrlichen Gerichten hervor. Im 19. Jh. führt der Liberalismus wieder zum K. (→ Schwur­gericht). Aus Kostengesichtspunkten wird seit 1924 dagegen die Zuständigkeit des Einzelrichters erneut erweitert.

Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954

Kollegiatkirche (Kollegiatstift) ist eine mit Pfründen für Kanoniker (Kollegiatkapitel) ausgestattete, nichtbischöfliche Kirche. Sie erscheint bereits im ausgehenden Altertum. Im 12. Jh. ist die K. voll ausgebildet. In der Neuzeit verringert sich ihre Bedeutung.

Lit.: Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Gampl, I., Adelige Damenstifte, 1960; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, hg. v. Crusius, I., 1995

kollektiv (gemeinschaftlich)

Kollisionsrecht ist das für das Verhältnis mehrerer nationaler Rechtsordnungen zuei­nan­der geltende nationale Recht (z. B. → internationales Privatrecht Deutschlands). Es entsteht in Oberitalien seit dem 12. Jh. Es gewinnt mit der zunehmenden Internationa­lisierung wachsende Bedeutung.

Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Behn, M., Die Entstehungs­geschichte der einseitigen Kollisionsnormen des EGBGB, 1980; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, 1988

Köln am Rhein geht auf eine römische Stadt (50 v. Chr. [lat.] oppidum [N.] Ubiorum, 50 n. Chr. Colonia Agrippinensium) zurück, in der seit dem Anfang des 4. Jh.s ein Bischof wirkt, der 794/795 zum Erzbischof erhoben wird (seit dem 13. Jh. Kurfürst). Zur Sicherung des Grundstücksverkehrs werden in K. bereits seit etwa 1130 in einem Schrein (Reliqui­en­schrein) verwahrte Karten (→ Schreinskarten) erstellt. Seit 1288 ist K. weitgehend unab­hängig und reichsunmittelbar. 1388/1389 erhält K. die bis 1798 bestehende, unter Besetzung Frankreichs geschlossene erste deutsche städtische Universität. Zu ihren Fächern zählt das römische Recht. 1437 werden die Statuten der Stadt in einer Zwischenstufe zwischen mittelalterlichen Stadtrechten und frühneuzeitlichen Reforma­tionen aufgezeich­net, wobei eindeutig römischen Ursprungs nur das Inventarrecht in Art. 14 und die dem senatusconsultum Mace­donianum entsprechende Regelung in Art. 75 sind. 1919 wird die Universität erneuert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gottfried Hagen Reimchronik der Stadt Köln, hg. v. Gärtner, K. u. a., 2008; Kruse, E., Die Kölner Richerzeche, ZRG GA 9 (1888), 152; Liesegang, E., Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Köln, ZRG GA 11 (1890), 1; Kohler, J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Tille, A., Instanzenzug des kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Heldmann, K., Der Kölngau und die civitas Köln, 1900; Wrede, A., Die Kölner Bauerbänke, 1905; Loesch, H. v., Die Kölner Zunfturkunden, 1907; Beyerle, K., Die Entstehung der Stadtgemeinde Köln, ZRG GA 31 (1910), 1; Keussen, H., Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910; Mayer-Homberg, E., Anklänge an die Lex Ribuaria im mittelalterlichen Kölner Recht, ZRG GA 33 (1912), 483; Gothein, E., Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Köln vom Untergange der Reichsfreiheit bis zur Errichtung des deutschen Reiches, 1916; Schmidt, A., Die Kölner Apotheken, 1918; Kober, A., Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, 1920; Ratjen, F., Verfassung und Sitz der Gerichte in Köln, 1921; Koebner, R., Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln, 1922; Quellen zur Geschichte des Kölner Handels und Verkehrs, hg. v. Kuske, B., Bd. 1ff. 1917ff.; Braubach, M., Max Franz von Österreich, letzter Kurfürst von Köln, 1925; Loesch, H. v., Das Recht des Niederichs, ZRG GA 52 (1932), 323; Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Loesch, H. v., Die Grundlagen der ältesten Kölner Gemeindeve­rfassung, ZRG GA 53 (1933), 89; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Köner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934), 1; Keussen, H., Die alte Universität Köln, 1934; Planitz, H., Das Kölner Recht und seine Verbreitung in der späteren Kaiserzeit, ZRG GA 35 (1955), 131; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Die Amtleute­bücher der kölnischen Sondergemeinden, hg. v. Buyken, T. u. a., 1936; Die Kölner Schreinsur­kunden des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Festschrift zur Erinnerung an die Gründung der alten Universität Köln im Jahre 1388, 1938 (S. 109-238 Bohne, G., Die juristische Fakultät der alten Universität Köln in den beiden ersten Jahrhunderten der Kölner Juristenfakultät); Buyken, T./Conrad, H., Ein frühes Statut der Amtleute­genossenschaft, ZRG GA 58 (1938), 808; Buyken, T./Conrad, H., Das älteste Amtleutebuch der kölnischen Sondergemeinde St. Severin, ZRG GA 59 (1939), 263; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln 1939; Jungbluth, T., Die donatio post obitum und die donatio reservato usufructu in den Kölner Schreinsurkunden, 1939; Korsch, H., Das materielle Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Droege, G., Verfassung und Wirtschaft in Kurköln, 1957; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1965; Pötter, W., Die Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Strait, P., Cologne in the twelfth century, 1974; Köln 1475, hg. v. historischen Archiv der Stadt Köln, 1975; Herborn, W., Die politische Führungsschicht der Stadt Köln, 1977; Wensky, M., Die Stellung der Frau in der stadtkölnischen Wirtschaft, 1980; Steinwascher, G., Die Zisterzienserstadthöfe in Köln, 1981; Iustitia Coloniensis, 1981; Strauch, D., Iuris­prudentia Coloniensis, JuS 1985, 421; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in Köln 1780 bis 1877, Diss. jur. Köln 1987; Deeters, J., Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Bolten, J., Hochschulstudium für kom­munale und soziale Verwaltung in Köln 1912-1929, 1987; Chmurzinski, B., Die Kurkölnische Rechtsreformation von 1538, Diss. jur. Köln 1988; Beschlüsse des Rates der Stadt Köln, hg. v. Groten, M., Bd. 1ff. 1988ff.; Festschrift der rechtswissenschaft­lichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität Köln, 1989; Aus der Geschichte der Universität zu Köln, hg. v. Binding, G., 1990; Bergerhausen, H., Die Stadt Köln und die Reichsversammlungen, 1990; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Rheinische Justiz, 175 Jahre Oberlandesgericht Köln, hg. v. Laum, D. u. a., 1994; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2, hg. v. Deeters, J. u. a., 1996; Groten, M., Köln im 13. Jahrhundert, 1998; Mettele, G., Bürgertum in Köln, 1998; Heppekausen, U., Die Kölner Statuten von 1437, 1999; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. v. Rosen, W. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Beuckers, K., Der Kölner Dom, 2004; Berchem, V., Das Oberlandesgericht Köln in der Weimarer Republik, 2004; Luig, K., … weil er nicht arischer Ab­stammung ist, 2004; Herbers, W., Der Verlust der Hegemonie, 2003; Daniels, H., Kurkölnisches Landrecht, hg. v. Becker, C., 2005; Dirr, K. Hoheitsrechtliche Streitigkeiten zwischen den Kölner Erzbischöfen und der Stadt Köln auf Grundlage reichskammergerichtlicher Verfahren des 16. und 17. Jahrhunderts, 2005; Schlüter, T., Flug- und Streitschriften zur Kölner Reformation, 2005; Doktorgrad entzogen, hg. v. Szöllösi-Janze, M., 2005; Bartz, C., Köln im Dreißigjährigen Krieg, 2005; Leiverkus, Y., Köln, 2005; Haupts, L., Die Universität zu Köln im Übergang vom Nationalsozialismus zur Bundesrepublik, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 162; Strauch, D., Der Große Schied von 1258, 2008; Lan­dau, P., Die Kölner Kanonistik des 12. Jahrhunderts, 2008; Haupts, L., Die Universität Köln am Übergang, 2007

Kolonat → colonus

Kolonialismus ist die Bildung von Kolonien durch europäische Staaten auf den anderen Erdteilen seit der frühen Neuzeit. Der K. unterliegt dem Freiheitsstreben der Betrof­fenen nach dem zweiten Weltkrieg. Obwohl er den Kolonien auch die Vorteile der europäischen Zivilisation vermittelt, wird er insgesamt eher als nachteilig eingestuft.

Kolonie ist die Niederlassung von Angehörigen eines Volkes oder Staates in fremder Umgebung. Sie ist dem Altertum (Griechen, Römer) ebenso bekannt wie dem Mittelalter (Ostsiedlung). In der Neuzeit entstehen ausgedehnte Kolonien europäischer Staaten (England, Frankreich, Portugal, Spanien, Niederlande, Belgien, seit 1884 auch Deutsches Reich [Schutzgebiet] u. a. April 1884 Deutsch-Südwestafrika [Adolf Lüderitz, 1913 fast 15000 Weiße im Land], Togo, 1899 Westsamoa) in den neu entdeckten Erdteilen. Sie gehen im 20. Jh. weitgehend wieder verloren (für Deutschland 1918 als Folge des ersten Weltkriegs, im Übrigen meist nach verlustreichen Freiheitskämpfen der zweiten Hälfte des 20. Jh.s). Ihre rechtliche Einordnung in der Zwischenzeit ist nicht einheitlich (neues Volk, Teil des Mutter­lands).

Lit.: Köbler, DRG 172; Deutsches Koloniallexikon, hg. v. Schnee, H., 1920; Ansprenger, F., Auflösung der Kolonialreiche, 4. A. 1981; Kunst, A., Recht, commercie en kolonialisme in West-Indië, 1981; Walz, G., Imperialismus und Kolonialmission, hg. v. Bade, K., 1983; Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolo­nien, 2. A. 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Osterham­mel, J., Kolonialismus, 1995; Coloniser au Moyen Age, 1995; Wolter, U./Kaller, P., Deutsches Kolonialrecht, ZNR 1995; Aas, N u. a., Koloniale Konflikte im Alltag, 2. A. 1997; Albertini, R. v., Europäische Kolonialherrschaft, 4. unv. A. 1997; Schubert, W., Das imaginäre Kolonialreich, ZRG 115 (1998), 86; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Oloukpona-Yinnon, A., Unter deutschen Palmen, 1999; Schwarz, M., Je weniger Afrika, desto besser, 1999; Huber, H., Koloniale Selbst­verwaltung in Deutsch-Südwestafrika, 2000; Richter, K., Deutsches Kolonialrecht in Ostafrika, 2001; Grosse, P., Kolonialismus, 2000; Kolonialisierung des Rechts, hg. v. Voigt, R., 2001; Zimmerer, J., Deutsche Herrschaft über Afrikaner, 2001; Die deutsche Südsee 1884-1914, hg. v. Hiery, H., 2. A. 2002; Fischer, H., Die deutschen Kolonien, 2001; Kaulich, U., Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1884-1914), 2. A. 2003; Fichtner, A., Die völker- und staatsrechtliche Stellung der deutschen Kolonial­gesellschaften des 19. Jahrhunderts, 2002; Wagner, N., Die deutschen Schutzgebiete, 2002; Kundrus, B., Moderne Imperialisten, 2003; Hasian, M., Colonial Legacies in Postcolonial Contexts, 2002; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Völkermord in Deutsch-Süd­westafrika, hg. v. Zimmerer, J. u. a., 2003; Wesseling, H., The European Colonial Empires 1815-1919, 2004; Fuhrmann, M., Der Traum vom deutschen Orient, 2006; Kolonialkriege, hg. v. Klein, T. u. a., 2006; Zeller, B.-, Ex facto ius oritur, 2006; Schlottau, R., Deutsche Kolonialrechtspflege, 2007; Tiebel, A., Die Entstehung der Schutztruppengesetze, 2008; Ein Platz an der Sonne, hg. v. Aldrich, R., 2008; Klose, F., Menschenrecht im Schatten kolonialer Gewalt, 2009; Stuchtey, B., Die europäische Expansion und ihre Feinde, 2009; Eicker, S., Der Deutsch-Herero-Kreig und das Völkerrecht, 2009

Kommanditgesellschaft ist die Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei der bei mindestens einem Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage be­schränkt (Kommanditist) sowie bei mindes­tens einem anderen Gesellschafter unbe­schränkt (Komplementär) ist. Sie entwickelt sich in der frühen Neuzeit (16. Jh.) allmählich aus der im Hochmittelalter und Spätmittelalter entstan­denen → Handelsgesellschaft. Im 19. Jh. wird die im preußischen Entwurf des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches noch als → stille Gesellschaft bezeichnete K. gesetzlich geregelt (Code de commerce [1807], Allgemeines Deutsches Handelsge­setzbuch [1861]). In Österreich ist die K. seit 2007 rechtsfähig (Unternehmens­ge­setzbuch).

Lit.: Köbler, DRG 167, 217; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Engler, C., Die Kommandigesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handels­gesetzbuch, 1999; Zur Geschichte des Gesell­schaftsrechts  in Europa, hg. v. Kalss, S. u. a., 2003

Kommendation ist die übergebende Anvertrauung insbesondere innerhalb des Lehnsrechtes.

Lit.: Ehrenberg, V., Commendation und Huldigung nach fränkischem Recht, 1877; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990

Kommentar ist die Erklärung oder die Erläuterungsschrift (zu einem Gesetz). Der K. findet sich bereits im Altertum. In der rechtswissenschaftlichen Literatur tritt der K. seit dem 14. Jh. hervor. Er ist auch in der Gegenwart noch sehr bedeutsam. → Kommentator

Lit.: Les Commentaires, hg. v. Mathieu-Castellani, G. u. a., 1990; Mohnhaupt, H., Die Kommentare zum BGB, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 495; Der Kommentar in Antike und Mittelalter, hg. v. Geerling, W. u. a., 2002

Kommentator ist der Verfasser eines Kommentars. Als K. werden die führenden rechtswissenschaftlichen Schriftsteller des Spätmittelalters (1250-1500) (z. B. für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts Jacobus de Arena, Dinus de Rossonis Mugellanus, Johannes de Blanoso, Albertus Gandinus, Guilelmus Duranti, Raimundus Lullus, in Neapel Benedictus de Isernia, Marinus de Caramanico, Bartholomäus de Capua, Andreas Bonellus de Barulo, Andreas de Isernia, Blasius de Morcone, in Frankreich Jacobus de Ravanis, Petrus de Bella­pertica, Guilelmus de Cuneo und Johannes Faber, für das 14. Jahrhundert Ricardus Malumbra, Oldradus de Ponte, Jacobus de Belvisio, Jacobus Butrigarius, Cinus de Pistoia, Johannes Andreae, Albericus de Rosate, der berühmte Bartolus de Saxo­ferrato, Rainerius de Forlivio, Lucas de Penna, der ebenfalls berühmte Baldus de Ubaldis sowie für das fünfzehnte Jahrhundert Bartholomäus Salicetus, Raphael Fulgosius, Johannes de Imola, Paul de Castro, Antonius Minuccius de Prato Veteri, Alexander Tartagnus, Bartho­lo­maeus Caepolla, Johannes Baptista Caccia­lupus, Franciscus de Accoltis, Bartho­lomaeus Socinus, Ludovicus Bologni­nus, Philippus Decius und Jason de Mayno) bezeichnet.

Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 107; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kom­mentatoren und Kanonisten, 1960; Wieacker, F., Privat­rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Horn, N., Die juristische Literatur der Kommen­tatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 84; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007

Kommentierverbot ist das Verbot, ein Gesetz mit Erklärungen zu versehen. Es findet sich bereits bei Kaiser Justinian (527-565) in Bezug auf die Digesten. Hieran erinnern Erklärungen Friedrichs I. Barbarossa von 1182, Innozenz’ III. von 1200 oder Friedrichs II. in den Konstitutionen von Melfi (1231). Tatsächliche Kommentierverbote beginnen aber erst wieder in der Neuzeit (Spanien 1567, Frankreich 1667, Sachsen 1729, Preußen 1794). Das 19. Jh. kehrt sich hiervon ab.

Lit.: Maridakis, G., Justinians Verbot der Gesetzeskommentierung, ZRG RA 73 (1956), 396; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe, 1967

Kommissar ist der Beauftragte, der im Bedarfsfall zur Verwirklichung von Aufsichtsbefugnissen eingesetzt werden kann. In der frühen Neuzeit unterscheidet Jean → Bodin (1529/1530-1596) 1576 zwischen dem regelmäßigen Amtsträger und dem außeror­dentlichen K. Sachlich finden sich Kommissare bereits im römischen Prinzipat und in der mittelalterlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit. In der Gegenwart ist der K. ein staatlicher Beamter, der die Aufsicht des Staates über bestimmte Einrichtungen ausübt oder die zeitweise Verwaltung einer Selbstverwal­tungskörperschaft durchführt.

Lit.: Hintze, O., Der Commissarius, FS K. Zeumer 1910, 493; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.

Kommission ist einerseits der Ausschuss, andererseits ein schuldrechtliches Handelsge­schäft, bei dem es eine Person (Kommissionär) übernimmt, gegen Entgelt Waren oder Wertpapiere für Rechnung einer anderen Person (Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Nach älteren Ansätzen gewinnt die K. seit dem 11. Jh. in Südeuropa und seit dem 13. Jh. in Mitteleuropa tatsächliche Bedeutung. Seit dem Ende des 16. Jh.s ist die K. von der → Gesellschaft sicher abgegrenzt. Gesetzliche Regelungen finden sich seit den Statuten von Genua 1588/1589, dem Codex Maximilianus Bavaricus civilis von 1756 und dem Code de commerce 1807.

Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommis­sionsgeschäftes in Deutschland, Bd. 1 1915; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Landwehr, T., Das Kommissionsgeschäft, 2003

kommunal (gemeindlich)

Kommunalverband ist der kommunale Per­sonenverband (z. B. in Österreich seit 1862 Reichsgemeindegesetz mit Ortsgemein­de. (ziem­lich bedeutungsloser) Gebietsge­meinde und bis 1920 Land).

Kommunalverfassung ist die Gesamtheit der die Grundordnung der Gemeinden und Gemeindeverbände betreffenden Rechtssätze. Nach älteren Ansätzen in Altertum und Mittelalter (Stadt, Dorf) entwickelt sich eine einheitliche Vorstellung der Gemeinde erst in der Neuzeit (Württemberg 1758 Kommunord­nung). Im 19. Jh. sind mehrere Typen der K. nebeneinander vorhanden. Nach der Ma­gistratsverfassung stehen eine Versammlung von gewählten Gemeindevertretern und ein kollegiales oberstes Verwaltungsorgan (Ma­gistrat) nebeneinander. Nach der Bürger­meisterverfassung ist der Bürgermeister allein entscheidender Leiter der Verwaltung und gleichzeitig Vorsitzender der Versammlung der gewählten Gemeindever­treter.

Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1974; Speck, U., Staatsordnung und Kommunal­verfassung, 1995

Kommune (F.) Gemeinde, im Mittelalter Stadtgemeinde in Italien (z. B. 1085 Pisa, Lucca usw., seit etwa 1300 teilweise unter Adelsherrschaft) und Frankreich, Gemein­schaft (z. B. Pariser Kommune 14. 7. 1789-1795, 18. März 1871-28. Mai 1871)

Lit.: Vermeersch, A., Essai sur les origines, 1966; Haupt, H./Hauser, K., Die Pariser Kommune, 1979; L’evoluzione delle cittá italiane, hg. v. Bordone, R. u. a., 1988; Theorien kommunaler Ordnung in Europa, 1996; Jones, P., The Italian city-state, 1997; Tombs, R., The Paris Commune 1871; Coleman, E., The Italian communes, Journal of Medieval History 25 (1999), 373; Dilcher, G., Die Kommune als europäische Verfassungsform, HZ 272 (2001), 667; Starr, P., Commemorating Trauma, 2006

Kommunikation (F.) Gedankenmitteilung

Lit.: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft, hg. v. Rösener, W., 2000; Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Althoff, G., 2001; Kommunikation und Medien in Preußen, hg. v. Sösemann, B., 2002; Öffentliche Kom­munikation in Brandenburg-Preußen, hg. v. Sösemann, B., 2002; Gall, L./Schulz, A., Wissenskommunikation im 19. Jahrhundert, 2003; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K., 2003; Huschner, W., Transalpine Kommunikation im Mittelalter, 2003; Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts, hg. v. Schütte-Schorn, L., 2004; Kommunikation im Spätmittelalter, hg. v. Günthart, R. u. a., 2005; Goppold, U., Politische Kommunikation in den Städten der Vormoderne, 2007

Kommunismus ist die Gesellschaftsord­nung, in der alle Gegenstände allen Menschen entsprechend ihren Bedürfnissen gemeinsam zustehen und alle Menschen gleichgestellt sind. Der K. entsteht nach älteren Ansätzen im Altertum (Urkommunismus) und im Mittelalter kurz vor der Mitte des 19. Jh.s (1848 Kommunistisches Manifest) als Gesell­schaftstheorie. Versuche zu seiner praktischen Umsetzung finden mit geringem Erfolg im 20. Jh. statt (Sowjetunion seit 1917, von der Sowjetunion beeinflusste mittel­europäische Staaten von 1945-1990). Das Recht ist im K. theoretisch überflüssig.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 455; Böckenförde, E., Die Rechtsauffassung im kommunis­tischen Staat, 2. A. 1967; Die frühsozialistischen Bünde, hg. v. Busch, O. u. a., 1975; Leonhard, W., Was ist Kommunismus?, 1978; Wesson, R., Com­munism and communist systems, 1978; Brünneck, V., Politische Justiz, 1978; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Rudzid, W., Die Erosion der Abgrenzung, 1988; Mallmann, K., Kommunisten in der Weimarer Republik, 1996; Furet, F., Das Ende der Illusion, 1996; Thompson, W., The Communist Movement, 1998; Koenen, G., Utopie der Säuberung, 1998; Maier, C., Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Die Weltpartei aus Moskau, hg. v. Hedeler, W. u. a., 2008

Kommunistisches Manifest ist die von Karl → Marx und Friedrich → Engels im Auftrag des zweiten Kongresses der Union der Kommunisten erarbeitete und in London im Februar 1848 anonym veröffentlichte Programm­schrift. Das Kommunistische Mani­fest versucht die Ansicht zu belegen, dass die Geschichte aller bisherigen menschlichen Gesellschaft die Geschichte von Klassen­kämpfen sei. Es nennt als Ziel die Aufhebung des Eigentums des Einzelnen durch Zentralisierung der Produk­tionsmittel in den Händen der als herrschende Klasse organisierten Proletarier. Es erklärt den wissenschaftlichen Kommunismus zur einzigen richtigen Theorie. Es endet mit der Auf­­forderung: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Eine kommunistische Partei entsteht in Russland 1898 (Sozialdemo­kratische Arbeiterpartei Russlands), in Deutschland 1918.

Lit.: Köbler, DRG 177; Winkler, A., Die Entstehung des „Kommunistischen Manifestes“, 1936; Chambre, H., Le Manifest communiste, 1948; Karl Marx, 1968; Marx-Engels-Werke, Bd. 4 1972, 459ff.; Marx, K./Engels, F., Das Kommunistische Manifest, hg. v. Kuczynski, T., 1995; Das Manifest heute, hg. v. Hobsbaum, E. u. a., 2. A. 2000; Bolz, N., Das kommunistische Manifest, 4. A. 2003

Komotau ist die 1252 erstmals (als [lat.] oppidum) bei der Übergabe an den deutschen Orden erwähnte, 1335 als Stadt (lat. civitas) bezeichnete, 1411 durch König Wenzel dem Orden wieder entzogene böhmische Siedlung im deutschen Sprachgebiet am Fuße des mittleren Erzgebirges.

Lit.: Weizsäcker, W., Rechtsgeschichte von Stadt und Bezirk Komotau, 1935

Kompetenz (F.) Zuständigkeit

Kompetenzkompetenz ist die Zuständigkeit zur Bestimmung (bzw. Änderung) der Zuständigkeit. Sie wird 1848 bereits dem zu gründenden Deutschen Reich zugewiesen. 1873 wirkt sie sich zugunsten der Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) aus. Auch in Ö. hat der Bund die K.

Lit.: Köbler, DRG 195

Kompetenzkonflikt ist der Streit über die Zuständigkeit einer staatlichen Stelle. Grund­sätzlich ist er überall dort möglich, wo mehrere staatliche Stellen (ohne eindeutige Zu­ständigkeitsabgrenzung) nebeneinander stehen. Geschichtlich bedeutsam sind die Kom­petenzkonflikte zwischen Herrscher und Ständen, zwischen Reichskammergericht und Reichshofrat seit dem 16. Jh., zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung seit dem 18. Jh. oder zwischen ordentlicher Gerichts­barkeit und Verwaltungsgerichts­barkeit seit dem späten 19. Jh. In Österreich ist seit 1920 der Verfassungsgerichtshof für den gerichtlichen K. zuständig.

Lit.: Brater, K., Studien zur Lehre von den Grenzen der civilrichterlichen und der administrativen Zu­ständig­keit, 1855; Hagens, J., Über Competenz-Conflikte, Arch. f. rechtswiss. Abh. 2 (1861), 315; Poppitz, J., Der Kompetenzkonflikt, 1941; Lemmer, G., Die Geschichte des preußischen Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, 1997; Fu, A., Kompetenzkonflikte im preußischen Recht, 1999

Kompilation (F.) Sammlung, Aufhäufung

Kompositionensystem ist das Rechtssystem, in dem die Komposition ( Buße) eine wesentliche Stellung einnimmt. Im altrömischen Recht soll, wer einem anderen ein Bein bricht, 300 Pfund Kupfer, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer entrichten. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Das ausgehende Altertum kennt die Verdoppelung oder Vervierfachung des deliktisch entzogenen Sachwertes. Das Frühmittelalter zeichnet umfangreiche Kataloge von festen Rech­nungsbeträgen (→ Wergeld, → Buße) für unterschiedliche Verhaltensweisen (Tötung, Körperverletzung, Diebstahl) und ver­schiedene Stände (Adel, Freie, Freigelassene, Unfreie) auf, die nach den Angaben des Tacitus germanische Grundlagen zu haben scheinen. Das frühmittelalterliche K. wird seit dem Hochmittelalter von der peinlichen → Strafe verdrängt, doch werden Sühneverträge erst im 17. Jh. unter der Einwirkung der Constitutio Criminalis Carolina allgemein aufgegeben.

Lit.: Köbler, DRG 91, 119; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958, 221, 332; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 342, Neudruck 1964; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 307; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113

Komputistik (Zeitrechnung)

Lit.: Schriften zur Komputisitk im Frankenreich von 721 bis 818, hg. v. Borst, A., 2006

Kondiktion ist der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die K. geht auf die (lat. [F.]) → condictio des römischen Rechts zurück, mit der im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum solutum [N.]) wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen zurückverlangt werden kann. Über die Nichtschuld hinaus gilt dies auch für Fälle nicht eingetretener Erwartungen oder sittenwidrigen Leistungszwecks. Herauszu­geben ist grundsätz­lich der erlangte bestimmte Gegenstand, vielleicht später auch ein unbestimmter Gegenstand (lat. [N.] incertum). Im spätantiken römischen Recht gewinnt die - im Westen völlig verschwinden­de - (lat. [F.] ) condictio aus grundloser Vorenthaltung im Osten größere Bedeutung. Sie wird mit der allgemeinen philosophisch-christlichen Überlegung gerecht­fertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher werden dürfe. Darunter werden vereint die Rückforderung des irrtümlich auf eine Nichtschuld Geleisteten, des aus unsittlichem Grund oder verbotswidrigem Grund Geleis­teten und des in Erwartung eines nicht eingetretenen Grundes Geleisteten. Dazu kommen verschiedene weitere Fälle. Inhalt der K. ist stets die Herausgabe des Erlangten. In der frühen Neuzeit erscheint von den Kon­diktionen, welche die hochmittel­alterlichen Glossatoren erstmals fest mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabe­pflicht auf die noch vorhandene Bereicherung zu verbinden versuchen, die K. wegen Nichtschuld bereits in Worms 1499. Von Hugo → Grotius wird dann der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er reicher sei. Die vernunftrechtlichen Kodifi­kationen beschrän­ken sich demgegen­über vor allem auf die Regelung der K. wegen Nichtschuld. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) unterscheidet bei der un­gerechtfertigten → Bereicherung zwischen Leistungskondiktion und Nichtleistungs­kondiktion.

Lit.: Köbler, DRG 47, 166, 215, 271; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Hähnchen, S., Die causa condictionis, 2003

Kondominat ist die gemeinsame Ausübung der Hoheitsgewalt durch mehrere Hoheitsträ­ger auf einem ihnen gehörigen Gebiet (Kon­dominium). Das K. ist seit dem Mittelalter nicht selten, wird aber seit 1803 beseitigt. 1864/1865 besteht ein K. Österreichs und Preußens an Schleswig-Holstein, dessen Durchführung das Ende des → Deutschen Bundes bewirkt.

Lit.: Bader, K., Beiträge zur oberrheinischen Rechts- und Verfassungsgeschichte I. Das badisch-fürstenbergische Kondominat im Prechtal, 1934; Wil­loweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 32 I 2

Kondominium → Kondominat

Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ist die vom 3. 7. 1973 bis 1. 8. 1975 währende Konferenz der 35 Außenminister europäischer Staaten (sowie der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanadas) in Helsinki. Im Schlussdokument werden zehn Leitlinien als Absichtserklärungen zusammengefasst. An die K. schließen sich mehrere Nachfolgekon­ferenzen in Belgrad, Madrid, Wien usw. an.

Konfession (F.) Bekenntnis

Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten und konfessionelle Besetzung, 1972; Heckel, M., Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 1983; Probleme des Konfessionalismus in Deutschland seit 1800, hg. v. Rauscher, W., 1984; Schilling, H., Die Konfessionalisierung im Reich, HZ 246 (1988), 1; Die Bildung des frühmodernen Staates, hg. v. Timmermann, H., 1989; Die katholische Konfessionalisierung, hg. v. Reinhardt, W. u. a., 1995; Konfessionen im Konflikt, hg. v. Blaschke, O., 2001; Klueting, H., Das konfessionelle Zeitalter, 2007; Schilling, H., Konfessionalisierung und Staatsinteres­sen 1559-1660, 2007; Konfession im Recht, hg. v. Cancik, P. u. a., 2009

Konfessionsschule (Bekenntnisschule) ist die auf eine bestimmte → Konfession ausge­richtete → Schule. Sie ist im Gegensatz zur Gemeinschaftsschule in der Gegenwart die Ausnahme. Sie ist aber zulässig.

Konfinen → Militärgrenze

Konfiskation (F.) Einziehung

Lit.: Iterson, W. van, Geschiedenis der confiscatie in Niederland, 1957

Konflikt

Lit.: Conflict in Medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003; Dierkes, F., Streitbar und ehrenfest, 2007

Konföderation (F.) Staatenbund

Konfusion ist die Vereinigung des Schuldners und Gläubigers in einer Person. Die K. bewirkt im klassischen römischen Recht das Erlöschen einer Schuld.

Lit.: Kaser §§ 28, 31, 53, 56; Köbler, DRG 43; Kieß, P., Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995

Kongress (Zusammenkunft) ist in den Vereinigten Staaten von Amerika das aus Repräsentantenhaus und Senat bestehende → Parlament.

Koni, Anatolij Fedorovic (1844-1927) wird als Staatsanwalt, Richter und Strafrechtslehrer in Sankt Petersburg zu einem führenden liberalen Rechtspolitiker → Russlands im ausgehenden 19. Jh.

Lit.: Smoljarcuk, V., Anatolij Fedorovic Koni, 1982; Balantine, E., Anatolij Fedorovic Koni and the Russian Judiciary, Diss. Yale 1986

König (lat. [M.] rex) ist in den Anfängen Roms wie wohl auch bei vielen Ger­manenstämmen der durch Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ausgezeichnete Anführer des Volkes. In Rom wird im Jahre 509 der (etruskische) König (Tarquinius Superbus) gestürzt und durch Prätor bzw. Konsuln ersetzt. Bei den Franken gelingt Chlodwig ([* um 466,] 481-511) die gewaltsame Einung unter seinem Königtum. Die wichtigste Gewalt des Königs ist dann der Königsbann. Daneben stützt sich seine Herrschaft außer auf Charisma (Königsheil) auch auf das Königs­gut, auf die Grafen (→ Der König ist gemei­ner Richter überall), auf das Lehnsprinzip und auf die römische Tradition. Den → Merowingern folgen als Könige die → Karolinger (751-911), → Ottonen (919-1024), → Salier (1024-1125), → Staufer (1138-1254) und mit geringen Unter­brechungen die → Habsburger (1273-1806). Zunehmend gebun­den wird dabei der K., der mit Beginn der Neuzeit auch ohne Mitwirkung des Papstes → Kaiser wird, durch die → Reichs­stände. Von ihnen machen die ihn seit dem 13. Jh. wählenden → Kurfürsten die Wahl von → Wahlkapitulationen abhängig. Den­noch setzt sich die nicht durch Erbrecht gesicherte tatsächliche Abfolge der Habs­burger fast gänzlich durch. Seit dem späten 17. Jh. stre­ben im Übrigen auch deutsche Landesfürsten nach einem Königstitel (Sachsen, Preußen, Hannover), der sich zu Beginn des 19. Jh.s allgemeiner durchsetzen lässt (Bayern, Württemberg). 1918 bzw. 1945 wird in manchen Staaten Europas das Königtum beseitigt.

Lit.: Söllner §§ 4, 6; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Krüger, J., Grundsätze und Anschauungen bei den Erhebungen der deutschen Könige in der Zeit von 911 bis 1056, 1911; Becker, F., Das Königtum der Thronfolger im deutschen Reich des Mittelalters, 1913; Rosenstock, E., Königshaus und Stämme in Deutschland zwischen 911 und 1250, 1914; Bloch, M., Les rois thaumaturges, 1924; Samanek, V., Studien zur Geschichte König Adolfs, 1930 (SB Wien); Bögl, O., Die Auffassung von Königtum und Staat im Zeitalter der sächsischen Könige und Kaiser, 1932; Isenburg, W., Prinz v., Die Ahnen der deutschen Kaiser, Könige und ihrer Gemahlinnen, 1932; Schramm, P., Geschichte des englischen Königtums, 1937; Tellenbach, G., Königtum und Stämme, 1939; Schramm, P., Der König von Frankreich, Bd. 1f. 1939; Naumann, H., Altdeutsches Volkskönigtum, 1940; Mit­teis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Das Königtum, 1954; Kantorowicz, E., The king’s two bodies, 1957; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Fleckenstein, E., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1959; Kahl, H., Europäische Wortschatzbewegungen im Bereich der Verfassungsgeschichte, ZRG GA 77 (1960), 154; Baaken, G., Königtum, Burgen und Königsfreie, (in) Vorträge und Forschungen 6 (1961); Schmidt, R., Königsumritt und Huldigungen in ottonisch-salischer Zeit, (in) Vorträge und Forschungen 6 (1961); Das Königtum, 1963; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Sawyer, P./Wood, I., Early Medieval Kingship, 1977; Giese, W., Das Gegenkönigtum des Staufers Konrad 1127-1135, ZRG GA 95 (1978), 202; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979; Hannig, J., Consensus fidelium, 1982; Reich und Kirche vor dem Investiturstreit, hg. v. Schmid, K., 1985; Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. v. Schneider, R., 1987; Krah, A., Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, 1987; Hlawitschka, E., Stirps regia, 1988 (Aufsätze); Wolf, A., König für einen Tag, 1993; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Schneider, R., Der rex Romanorum als gubernator oder administrator imperii, ZRG GA 114 (1997), 296; Krah, A., Die Entstehung der potestas regia im Westfrankenreich, 2000; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001; Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes gnade, 2001; See, K. v., Königtum und Staat im skaGdinavischen Mittelalter, 2002; Schenk, G., Zeremoniell und Politik, 2003; Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. v. Schneidmüller, B./Weinfurter, S., 2003; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 4 2004; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth Century, 2004; Erkens, F., Die Herrschersakralität im Mittelalter, 2005; Jussen, B., Die Macht des Königs, 2005; Rogge, H., Die deutschen Könige im Mittelalter – Wahl und Krönung, 2006; Deu­tinger, R., Königsherrschaft im ostfränkischen Reich, 2006

Königin ist die Frau des Königs, bis zum 20. Jh. selten die Anführerin eines Volkes bzw. das Oberhaupt eines Staates.

Lit.: Kowalski, W., Die deutschen Königinnen und Kaiserinnen von Konrad III. bis zum Ende des Interregnums, 1913; Die Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, hg. v. Schütte, B, 1994; Schütte, B., Untersuchungen zu den Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, 1994; Eickhoff, E., Theophanu und der König, 1996; Fößel, A., Die Königin im mittelalterlichen Reich, 2000; Woll, C., Die Königinnen des hochmittelalterlichen Frankreich, 2002; Hartmann, M., Die Königin im frühen Mittel­alter, 2008

Königreich ist das Herrschaftsgebiet eines → Königs.

Lit.: Reynolds, S., Kingdoms and Communities, 1984; Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002

Königsbann ist der dem → König zustehende → Bann. Er wird im frühen Mittelalter auf 60 Schillinge bestimmt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Königsberg am Pregel in Preußen, 1255 eine vom Deutschen Orden nach König Ottokar II. von Böhmen benannte Burg, ist seit 1544 Sitz einer Universität (→ Kant) (bis 1945).

Lit.: Forstreuter, K., Das preußische Staatsarchiv in Königsberg, 1955; Albinus, R., Lexikon der Stadt Königsberg, 1985; Komorowski, M., Promotionen an der Universität Königsberg 1548-1799, 1988 (nur 45 juristische Inauguraldissertationen); Neuschäffer, H., „Das Königsberger Gebiet“, 1991; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rauschning, D., 1995; Gause, K., Die Geschichte der Stadt Königsberg, Bd. 1ff. z. T. 3. A. 1996; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rothe, H. u. a., 1996; Heckmann, D., Das Wortzinsverzeichnis der Stadt Königsberg-Kneiphof von um 1455, ZRG GA 114 (1997), 318; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1998; Lawrynowicz, K., Albertina. hg. v. Rauschning, D., 1999; Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte, bearb. v. Hartmann, S., 2002; Manthey, J., Königsberg, 2005; Garber, K., Das alte Königsberg, 2005

Königsbote (lat. missus [M.] dominicus) ist unter den fränkischen Königen, vor allem unter Karl dem Großen, ein Beauftragter des Königs, der Verbesserungsbedürftiges verbes­sern soll. Meist werden zwei Königsboten für ein Gebiet bestellt, das sie viermal jährlich bereisen. Am Beginn des 10. Jh.s verschwindet der K.

Lit.: Krause, V., Geschichte des Institutes der missi dominici, MIÖG 11 (1890), 193; Eckhardt, W., Die Capitularia missorum specialia von 802, DA 12 (1956), 498; Hannig, H., Zur Funktion der karolingischen missi dominici, ZRG GA 100 (1984)

Königsfreier ist der dem → König unterworfene Freie (T. Mayer 1953). Er schuldet dem König Zins. In den Quellen lässt er sich im 6. bis. 9. Jh. (vereinzelt und wenig genau) fassen. Abzulehnen ist die Ansicht, jeder Freie im Frühmittelalter sei (K. und deshalb) eigentlich unfrei.

Lit.:Köbler, DRG 78; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Müller-Mertens, E., Karl der Große, Ludwig der Fromme und die Freien, 1963; Tabacco, G., I liberi del re, 1966; Krause, H., Die liberi der lex Baiuvariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Hunke, H., Germanische Freiheit, Diss. jur. Göttingen 1972; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38

Königsfriede ist der mit dem → König verbundene → Friede im Mittelalter.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Lehmann, K., Der Königsfriede der Nordgermanen, 1886; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987

Königsgastung ist (der Anspruch auf) die Beherbergung des Königs und seiner Begleitung zu Lasten eines Verpflichteten. Im Frühmittelalter hat die K. hauptsächlich der Inhaber von Königsgut zu leisten. Ihr Umfang lässt sich daran ermessen, dass zumindest im Hochmittelalter der Zug des Königs wohl mehr als 1000 Beteiligte umfasst.

Lit.: Lehmann, K., Die Gastung der germanischen Könige, 1888; Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Heusinger, B., Servitium regis in der deutschen Kaiserzeit, AUF 8 (1923), 26; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Göldel, C., Servitium regis, 1997

Königsgericht ist das durch den → König ausgeübte → Gericht, über das im Frühmittelalter nur bruchstückhafte Berichte vorliegen. Danach sind Urteiler die Vorneh­men und Getreuen, die vielleicht zusammen mit dem König entscheiden. Im Hochmittel­alter ist der König jedenfalls allgemeiner Richter (mit Reichsfürsten als Urteilern) und alles Gericht wird ihm ledig, wohin er auch kommt. Er hat ein grundsätzliches, 1356 aber zu Gunsten der Kurfürsten aufgegebenes Evokationsrecht. Allerdings beschränkt sich tatsächlich schon im 13. Jh. die königliche Gerichtsbarkeit nur noch auf wenige Gerichte, zu denen in erster Linie das mit ihm ziehende → Hofgericht zählt. Vielleicht im 14. Jh., in dem mehr als 7400 Nachweise für Verfahren am Königshof bekannt sind (d. h. knapp 75 je Jahr), entsteht ein königliches → Kam­mergericht. 1495 wird das → Reichs­kammergericht (der Reichs­stände) geschaffen. Neben dieses tritt bald eine Rechtsprechung des → Reichshofrates. (Schätzungsweise beträgt die Zahl der Quellennachweise zur Tätigkeit der zentralen Gerichte am deutschen Königshof von 911 bis 1451 rund 14500 (d. h. 27 je Jahr), davon 2000 bis 1272 (d. h. 5,5 je Jahr), 1750 von 1273 bis 1347, 2750 von 1347 bis 1400 und rund 8000 von 1400 bis 1451 d. h. rund 400 je Jahr).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Barchewitz, V., Das Königsgericht zur Zeit der Merowinger und Karolinger, 1882; Franklin, O., Das Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Diestelkamp, B., Bericht über das Projekt Sammlung von Quellen zur Tätigkeit der höchsten Gerichte im alten Reich, ZRG GA 94 (1977), 450; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammer­gericht, FS A. Erler, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Diestelkamp, B., Königsferne Regionen und Königsgerichtsbarkeit, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Königsgut ist das dem → König zustehende (unbewegliche) Gut. Es besteht, weil im Mittelalter eine strenge Scheidung zwischen Allgemeingut und Privatvermögen noch nicht durchgesetzt ist, aus dem vom Vorgänger hinterlassenen Gut und dem vom neuen König zusätzlich eingebrachten Gut. Durch zahlreiche Vergabungen schwindet das K. Vielleicht (erst) im späteren 13. Jh. wird zwischen Reichsgut und Eigengut deutlicher getrennt.

Lit.: Eggers, A., Der königliche Grundbesitz, 1909; Stimming, M., Das deutsche Königsgut im 11. und 12. Jahrhundert, 1922; Ranzi, F., Königsgut und Königsforst, 1939; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Metz, A., Das karolingische Reichsgut, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Heinemeyer, K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Müller-Kehlen, H., Die Ardennen im Frühmittelalter, 1973; Schlunk, A., Königsmacht und Krongut, 1988; Göldel, C., Servitium regis und Tafelgüterverzeichnis, 1997; Kupfer, E., Das Königsgut im mittelalterlichen Niederösterreich, 2000

Königsheil ist das den König umgebende Heil (Charisma).

Lit.: Wolfram, H., Splendor imperii, 1963

Königshof ist im Mittelalter der den → König begleitende → Hof sowie der dem König gehörige landwirtschaftliche Hof.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919

Königspfalz ist der nach dem Vorbild des römischen Kaiserpalastes auf dem Palatinshügel in Rom im fränkischen Reich vom König errichtete befestigte Auf­enthaltsort (z. B. in Paris, Orléans, Reims, Worms, Trier, Köln, Mainz, Clichy, Quierzy, Compiègne, Herstal, Aachen, Ingelheim, Goslar). Da der tägliche Reiseweg des Königs etwa 20-30 km beträgt, wird in vielen Teilen des Reiches ein darauf abstellendes Netz von Königspfalzen einge­richtet. Durch sie ist es dem König möglich, sein Reich im Umherziehen zu beherrschen. Mit dem Übergang zur Hausmachtpolitik nach 1273 erübrigen sich Königspfalzen weitgehend.

Lit.: Die deutschen Königspfalzen, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.

Königsschutz ist der im Frühmittelalter aus Privilegien bekannte Schutz des Königs für einzelne Menschen oder Gruppen von Menschen (z. B. Kleriker, Kaufleute, Juden, Witwen, Waisen, Klöster). Die meisten dieser Gruppen werden im Hochmittelalter durch → Landfrieden geschützt.

Lit.: Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heidrich, J., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10

Königsurkunde ist die vom mittelalterlichen → König ausgestellte → Urkunde im Gegen­satz vor allem zur Privaturkunde. Sie kann nicht als falsch gescholten werden. Bei zwei widersprechenden Königsurkunden ist bis in das 12. Jh. die ältere gültig. Seit dem 10. Jh. finden sich vermehrt Zeugen in der K.

Lit.: Köbler, DRG 81, 105; Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, Neudruck 1970; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Hägermann, D., Studien zum Urkundenwesen Wilhelms von Holland, 1977; Fees, I., Ab­bildungsverzeichnis der original überlieferten frän­kischen und deutschen Königs- und Kaiserurkunden von den Merowingern bis zu Heinrich VI., 1994; Brühl, C., Studien zu den merowingischen Königsurkunden, 1998

Königswahl ist die Wahl des Königs. Sie bedeutet vielfach nur eine Auswahl innerhalb eines mit → Königsheil begabten Ge­schlechtes. Anfangs sind die Wähler Große des Reiches ohne feste Abgrenzung. Im 13. Jh. sondern sich im deutschen Reich die sieben → Kurfürsten aus. Einzelheiten des Wahlverfahrens werden immer genauer festgelegt. Im 14. Jh. setzt sich dabei das Mehrheitsprinzip durch.

Lit.: Schröder, R., Zur Geschichte der deutschen Königswahl, ZRG GA 2 (1881), 200; Lindner, T., Die deutschen Königswahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1893; Wretschko, A. v., Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen, ZRG GA 20 (1899), 164; Lindner, T., Der Hergang bei den deutschen Königswahlen, 1899; Mayer, E., Zu den germanischen Königswahlen, ZRG GA 23 (1902), 1; Krammer, M., Wahl und Einsetzung des deutschen Königs, 1905; Hugelmann, K., Die deutsche Königswahl im corpus iuris canonici, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die deutsche Königs­wahl, 1910; Bloch, H., Die staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Quellen zur Geschichte der deutschen Königswahl, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck 1972; Buchner, M., Die deutschen Königswahlen, 1913, Neudruck 1971; Hugelmann, K., Die Wahl Konrads IV., 1914; Neumann, W., Die deutschen Königswahlen, 1921; Stutz, U., Zur Geschichte des deutschen Königswahlrechtes im Mittelalter, ZRG GA 44 (1924), 263; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des deutschen Königswahlrechtes, ZRG GA 47 (1927), 646; Oppermann, O., Der fränkische Staatsgedanke und die Aachener Königskrönungen, 1929; Lies, R., Die Wahl Wenzels zum römischen Könige, 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Lintzel, M., Zu den deutschen Königswahlen der Ottonenzeit, ZRG GA 66 (1948), 46; Schlesinger, W., Die Anfänge der deutschen Königswahl, ZRG GA 66 (1948), 381; Mitteis, H., Die Krise des deutschen Königswahlrechts 1951 (SB München); Höfler, O., Germanisches Sakralkönigtum, 1952; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung in der Zeit der sächsischen und salischen Herrscher, ZRG GA 82 (1965), 1; Die deutsche Königswahl, eingeleitet v. Schimmelpfennig, B., 1968; Königswahl und Thronfolge in ottonisch-frühdeutscher Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1971; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Reinhard, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Königswahl und Thronfolge in fränkisch-karolingischer Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1975; Reinhardt, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands, 1987; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert, 1987; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291) König werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Wolf, A., Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998), 150; Weisert, H., Zur Dauer der Königswahlen bis zu den Krönungen, ZRG GA 115 (1998), 598; Lenz, M., Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273-1349), 2002; Landau, P., Eike von Repgow und die Königswahl im Sachsenspiegel, ZRG GA 125 (2008), 18

Königszins ist ein an den → König zu entrichtender → Zins im Mittelalter. Er beruht auf unterschiedlichen Gründen. Erstmals erscheint er vielleicht 724.

Lit.: Minnigerode, H. Frhr. v., Königszins, 1927; Gallmeister, E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946 masch.schr.; Sprandel, R., Grundherrlicher Adel, rechtsständische Freiheit und Königszins, DA 19 (1963), 1

Königtum → König

Lit.: Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert, 1993; Das frühmittelalterliche Königtum, hg. v. Erkens, F., 2005

Konkordat (1418 lat. capitula [N.Pl.] concordata) ist im katholischen Kirchenrecht ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Kirche (bzw. dem Heiligen Stuhl) und einem Staat zur Regelung einer kirchenpolitischen Angelegenheit. Als erstes K. gilt das Wormser K. vom 23. 9. 1122, das den → Investiturstreit (vorläufig) beendet. Danach erscheinen Konkordate mit England (1213/1215), Portugal (1238) und anderen Ländern. Für das Reich ist besonders bedeutsam das bis 1803 wirksame Wiener K. vom 17. 2. 1448. Seit dem 19. Jh. versucht der Staat die Kirche seiner Aufsicht zu unterstellen (z. B. Napoleonisches K. 15. 7. 1801/8. 4. 1802). Österreich vereinbart am 18. 8. 1855 ein in weiten Teilen kaum umgesetztes, 1870 von ihm gekündigtes1874 außer Kraft gesetzte  K., das Deutsche Reich (Dritte Reich) am 20. 7. 1933, Österreich am 5. 6. 1933 (am 1. 5. 1934 mit der Maiverfassung verkündet, 1957 als gültig erklärt).

Lit.: Köbler, DRG 205; Münch, E., Vollständige Sammlung aller älteren und neueren Konkordate, Teil 1f. 1830f.; Bernheim, E., Das Wormser K., 1906, Neudruck 1970; Bertrams, W., Der neuzeitliche Staatsgedanke und die Konkordate des ausgehenden Mittelalters, 2. A. 1950; Raab, H., Die concordata nationis Germanicae, 1956; Weber, W., Die deutschen Konkordate, Bd. 1f. 1962ff.; Hollerbach, A., Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1965; Weber, H., Staatskirchenverträge, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Volk, L., Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, 1972

Konkubinat ist die auf längere Zeit abgestellte außereheliche Geschlechtsgemein­schaft. Der K. gewinnt im klassischen rö­mischen Recht als Folge der Eheverbote des Princeps Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) an Bedeutung. Da er christlichen Vorstellungen widerspricht, wird er von der Kirche bekämpft. Von 21 sicher nachweisbaren königlichen Konkubinen des Frümittelalters sind 6 (lat.) nobilis (adelig) und nur eine oder zwei sicher unfrei. 1530 wird der K. förmlich verboten. Im letzten Drittel des 20. Jh.s setzt sich die → nichteheliche Lebensgemeinschaft durch.

Lit.: Kaser §§ 58 VIII, 61 II; Hübner; Köbler, DRG 37, 58, 161; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht, 1971; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Friedl, R., Der Konkubinat im kaiserzeitlichen Rom, 1996; Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?. Konkubinen im frühen Mittelalter, 2002

Konkurrenz ist allgemein der Wettbewerb. Im Recht können Ansprüche oder Straftatbestände miteinander konkurrieren. Systematisch befasst sich mit dieser Frage erst die neuzeitliche (strafrechtliche) Rechts­wissenschaft ([nach Carpzov 1635] Koch 1758, 5. A. 1779). Sie unterscheidet Idealkon­kurrenz und Realkonkurrenz bzw. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit, doch werden die seit dem Strafgesetzbuch Bayerns von 1813 gesetzlich festgelegten sehr unterschiedlichen Folgen rechtstatsächlich viel­fach gemildert.

Lit.: Köbler, DRG 204; Koch, J., Institutiones iuris criminalis, 3. A. 1770; Rotteck, H. v., Über Concurrenz der Verbrechen, 1840; Schreuer, H., Die Behandlung der Verbrechenskonkurrenz in den Volksrechten, 1896; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972; Lang, B., Die Idealkonkurrenz als Missverständnis, 2008

Konkurs (lat. concursus [M.] creditorum, Zusammenlauf der Gläubiger, nach 1646) ist das Verfahren zur gleichzeitigen und gleich­mäßigen Befriedigung aller Gläubiger eines Schuldners aus dessen Vermögen. Bereits im spätantiken römischen Recht wird das Vermögen eines Schuldners in seiner Gesamtheit bei Überschuldung gegenüber mehreren Gläubi­gern in einer Gesamt­vollstreckung verwertet. Im Mittelalter gilt demgegenüber zunächst der Grundsatz der Priorität der jeweiligen Einzelvollstreckung. Seit dem Ende des 13. Jh.s findet sich vielleicht unter oberitalienischem Einfluss in den Hansestädten zunächst bei Tod oder Flucht des Schuldners der Gedanke der quotenmäßigen Aufteilung des verbleibenden Vermögens auf mehrere Gläubiger. Im 17. Jh. werden die römisch-oberitalienischen Ansätze (bahnbrechend der königliche Rat in Val­ladolid/Spanien Salgado de Samoza, (lat.) Labyrinthus creditorum concurrentium ad litem per debitorem communem inter illos causatum, 1646) von der europäischen Rechts­wissenschaft vertieft. Das gemeinrecht­liche Konkursverfahren ist ein Erkenntnis­prozessverfahren mit einem langwierigen Liquidations- und Prioritätsverfahren unter Beteiligung eines Verwalters und meist eines die Gläubiger und deren Rechte feststellenden (lat. [M.]) contradictor, das jeweils durch ein Urteil abgeschlossen wird. Es wird vielfach gesetzlich geregelt (Preußen Landrecht 1685, Landrecht 1721, Hypotheken- und Konkurs­ordnung 1722, Project des Codicis Friderici­ani Marchici 1748, Corpus Juris Fri­dericianum 1781, Allgemeine Gerichtsord­nung 1793/­1795, französisch­rechtlich orien­tierte Kon­kursordnung 1855, Bayern Codex Juris Bavarici Judiciarii 1753, fran­zösischrechtlich orientierte Zivilprozessord­nung 1869, Österreich 1781, Westgalizien 1796, Würt­temberg 1818, 1869, Braun­schweig 1850, Hannover 1850). Der Code de commerce (Frankreich 1807) und das Fallimentgesetz (1838) beschränken den K. auf Kaufleute und stärken die Stellung der Gläubiger. Ihnen folgen Preußen (1855, Abwicklungsverfahren unter staatlicher Lenkung, bei dem im Vorverfahren nur noch eine summarische Prüfung der Verfahrensvor­aussetzungen er­folgt, Schuldner, Gläubiger und Verwalter nicht mehr kontradiktorisch verhandeln und die Liquidation als Prozess abgeschafft ist), Baden (1864), Deutsches Reich (1877/1879 bzw. 1898 mit starker Stellung des Richters zwecks Wahrheitser­mittlung) und Österreich (1869 bzw. 1914). Am Ende des 20. Jh.s (Deutschland 1994 zum 1. 1. 1999) wird der Privatkonkurs zuge­lassen, die Vernichtung wirtschaftlicher Werte eingeschränkt, die inte­ressengerchte Abwicklung zwecks Marktbe­reinigung angestrebt und dabei das Konkurs­recht in das allgemeinere Insolvenzrecht (Insolvenz­ordnung) überführt.

Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 III; Söllner § 8; Köbler, DRG 56, 116, 156, 183, 202; Endemann, W., Die Entwicklung des Konkursverfahrens, Z. f. dt. Civilprozess 12 (1888), 24; Kohler, J., Lehrbuch des Konkursrechts, 1891; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Skedl, A., Die Grundlage des österreichischen Konkursrechts, FS L. v. Bar, 1908, 5; Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Skedl, A., Die Grundlagen des österreichischen Konkursrechtes, FS Adolf Wach, 1913; Fliniaux, A., La faillite des Ammanti de Pistoie, Revue historique de droit français et étranger 4, 3 (1924), 436; Urfus, V., (Entstehung und Anfänge des Konkursrechts in Böhmen), 1960 (mit deutscher Zusammenfassung); Santarelli, U., Per la storia del fallimento, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,856; Wesener, G., Zur Entwicklung des Konkursrechtes, FS H. Baltl, 1978, 535; Zambrana Moral, P., Derecho concursal histórico I, 2001; Zambrana Moral, P., Iniciación histórica al derecho concursal, 2001; Meier, A., Die Geschichte des deutschen Konkursrechts, 2003; Hofer, S., So haben wir zu Beförderung des Credits …, ZNR 26 (2004), 177; Vollmershausen, C., Vom Konkursprozess zum Marktbereinigungsverfahren, 2007; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008; Forster, W., Konkurs als Verfahren, 2009

Konkursordnung → Konkurs

Konrad III. (1138-1152) deutscher König aus der Familie der Staufer

Lit.: Die Regesten des deutschen Kaiserreiches unter Lothar III. und Konrad II., 2. A., bearb. v. Niderkorn, J. u. a., 2008

Konrad von Gelnhausen (Gelnhausen um 1320-Heidelberg 13. 4. 1390) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Kirchen­rechtsstudium in Bologna Professor in Paris und 1386 Mitbegründer und Kanzler der Universität Heidelberg.

Lit.: Wenck, K., Konrad von Gelnhausen, HZ 76 (1896), 6

Konrad von Megenberg → Megenberg

Konradiner ist der Angehörige eines vom Lahngau bis Thüringen vom 8. bis 11. Jh. bedeutscmen Grfengeschlechts.

Lit.: Jackman, D., The Konradiner, 1990; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Jackman, D., Criticism and Critique. Sidelights on the Konradiner, 1997; Hlawitschka, E., Konradiner Genealogie, unstatthafte Verwandtenehen und spätottonische-frühsalische Thronbesetzungspraxis, 2003; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1

Konsens ist die Willensübereinstimmung. Der K. begründet im klassischen römischen Recht den Konsensualkontrakt (Konsensual­vertrag wie Kauf, Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft und Auftrag). Seit dem frühen Mittelalter vertritt die Kirche die Ansicht, dass auch die Ehe durch K. zustande kommt. In der frühen Neuzeit werden die Voraussetzungen eines Konsenses genauer festgelegt (verbindlich, gegenseitig, wahr, vollkommen und ausdrücklich erklärt). Die Willensüber­einstimmung wird zum Kern jedes Vertrages und jeder Einigung.

Lit.: Kaser § 38; Söllner §§ 9, 12, 18; Hübner; Köbler, DRG 45, 164; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Marongiu, A., Il principio della democrazia e del consenso, Studia Gratiana 8 1962, 551; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma in den Konsensual­kontrakten, 1965; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986

Konsensualkontrakt (M.) Konsensualvertrag → Konsens

Konsensualvertrag (nur den Konsens voraussetzender Vertrag) → Konsens

konservativ (bewahrend)

Konservativismus ist die auf das Bewahren des Hergebrachten ausgerichtete menschliche Haltung, die sich daraus ergibt, dass von einem oder mehreren Menschen (liberale, soziale oder sonstige) Veränderungen angestrebt werden. Seit dem ausgehenden 18. bzw. dem 19. Jh. will der K. als Gegen­bewegung zur → französischen Revolution von 1789 Staat, Gesellschaft und Kultur in der bisherigen Weise fortführen bzw. sich zeitweise nur gegen ungestümes Vorwärts­drängen wehren. Der entschiedenste Vertreter der vor allem von Adel, Bauern, Beamten und Kirche geteilten Auffassung ist Karl Ludwig von Haller (1768-1854). Politisch als Partei organisiert sich der K. kurz vor 1848 (1835-45 Gerlach, Leo, Stahl). Konservative Parteien des 20. Jh.s sind etwa Zentrum, Konservative Partei, Democrazia Cristiana, Österreichische Volkspartei, Christlich-Demokratische Union, Gaullisten u. a.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 531; Schwentker, W., Konservative Vereine und Revolution in Preußen 1848/49; Die Konstitutierung des Konservativismus als Partei, 1988; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Dittmer, L., Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Conservatism, hg. v. Müller, J., 1997; Schildt, A., Konservatismus in Deutschland, 1998; Konserva­tivismus, hg. v. Heidenreich, B., 1999; Stand und Probleme der Erforschung des Konservativismus, hg. v. Schrenck-Notzing, C. v., 2000; Breuer, S., Ordnungen der Ungleichheit, 2001; Nitschke, W., Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburg (1803-1868), 2004; Zrenner, P., Die konservativen Parteien und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008

Konsiliator ist der Gutachten verfassende Jurist des 14. und 15. Jh.s (Postglossator, Kommentator, z. B. → Bartolus, → Baldus). Auch nach dieser Zeit werden einzelne Juristen und juristische Fakultäten vielfach gutachter­lich tätig (→ Aktenversendung). Die Eigenart der gutachterlichen Tätigkeit besteht in der begründeten Anwendung des allgemeinen Rechtssatzes auf den besonderen Einzelfall. Die Konsilien sind teilweise in gedruckten Sammlungen veröffentlicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Lipenius, M., Bibliotheca realis iuridica, Bd. 1ff. 1757ff.; Kunkel, W., Das Wesen des ius respondendi, ZRG RA 66 (1948), 423; Pfister, A., Konsilien der Basler Juristenfakultät, 1929; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, §§ 9, 10; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1 1975; Horn, N., Consilia, 1970; Scholz, J., Spanische Rechtssprechungs- und Konsiliensamm­lungen, Ius commune 3 (1970), 98; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974; Falk, U., Consilia, 2006

Konsistorium ist in der römischen Spätantike der Rat des Kaisers, seit dem Mittelalter die Versammlung der Kardinäle, in der Neuzeit eine protestantische Kirchenbehörde (Witten­berg 1539). Seit 1918 wird das protestantische K. zum Landeskirchenamt.

Lit.: Krusch, B., Die Entwicklung der herzoglich braunschweigischen Centralbehörden, Z. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1893, 201; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Robinson, S., The Papacy, 1990

Konskription ist die listenmäßige Erfassung zwecks Heranziehung zu kriegerischen Diens­ten. Sie wird auf der Grundlage römischer Ansätze durch Gesetz vom 5. 9. 1798 in Frankreich aufgegriffen und danach auch in den deutschen Staaten angewendet. Dort war schon seit dem Beginn des 17. Jh.s das Söldnerheer allmählich durch die Wehrpflicht ersetzt worden (Preußen 1733, Österreich 1771).

Lit.: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd. 2f. 1964ff.

Konstantin (der Große) (Naissus 27. 2. 280-Nikomedia Pfingsten 337) ist der römische Kaiser (306), der 330 in Konstantinopel (ab 425 Rechtsunterricht, Philosophie, Rhetorik, spätere Namen Byzanz, Istanbul) eine neue Reichshauptstadt errichtet, das Christentum anerkennt (313) und das Recht in mancherlei Einzelheiten ändert (Zeugen beim Grund­stückskauf, Beurkundung der Grund­stücks­schenkung, Pflichtteil, Verbot der Verfalls­abrede).

Lit.: Söllner § 19; Konstantin der Große, hg. v. Kraft, H., 1979; Clauss, M., Konstantin der Große, 1996; Odahl, C., Constantine and the Christian Empire, 2004; Heinze, T., Konstantin der Große, 2005; Schmitt, O., Constantin der Große, 2006; Herrmann-Otto, E., Konstantin der Große, 2007, 2. A. 2009; Konstantin und das Christentum, hg. v. Schlange-Schöningen, H., 2007; Kaiser Konstantin der Große, hg. v. Girardet, K., 2007; Piepenbrink, K., Konstantin der Große und seine Zeit, 2. A. 2007; Konstantin der Große, hg. v. Goltz, A. u. a., 2008

Konstantinische Schenkung ist die auf → Konstantin den Großen (306-337) gefälschte Urkunde des 8./9. Jh.s, in der Konstantin angeblich Papst Silvester I. Rom und das weströmische Reich überträgt und den Vorrang der römischen Kirche festlegt. Die Urkunde wird bereits 1001 als Fälschung angezweifelt und im 15. Jh. (Lorenzo Valla) als Fälschung erwiesen. Geschichtlich gesichert ist nur die Gabe des (lat. [F.]) domus Faustae an den Bischof von Rom.

Lit.: Köbler, DRG 77; Ohnsorge, W., Die konstantinische Schenkung, Leo III. und die Anfänge der kurialen römischen Kaiseridee, ZRG GA 68 (1951), 78; Fuhrmann, H., Konstantinische Schenkung und abendländisches Kaisertum, DA 22 (1966), 63; Constitutum Constantini, hg. v. Fuhrmann, H., 1968 (MGH); Maffei, D., La donazione di Constantino, 1969; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., 1988; Fried, J., Donation of Constantine and Constitutum Constantini, 2007; Konstantin der Große, hg. v. Goltz, A. u. a., 2008

Konstantinopel → Konstantin

Lit.: Schreiner, P., Konstantinopel, 2007; Crowley, R., Konstantinopel 1453, 2009

Konstanz am Bodensee beruht auf einem vermutlich nach 300 eingerichteten römischen Kastell. Es wird (in der Tradition einer spätantiken Militärsiedlung) zwischen 550 und 590 Bischofsitz. 1237 heißt es Reichsstadt. 1414-1418 tagt dort das 16. allgemeine Konzil. 1966 erhält K. eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Beyerle, K., Die Konstanzer Ratslisten, 1898; Konstanzer Häuserbuch, bearb. v. Beyerle, K./Maurer, A., 1908; Beyerle, K., Grundeigentumsverhältnisse und Bürgerrecht im mit­telalterlichen Konstanz – Das Salmannenrecht, 1900; Isele, E., Die Säkularisation des Bistums Konstanz, 1933; Feger, O., Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Das rote Buch, hg. v. Feger, O., 1945; Bader, K., Eine wieder aufgefundene Quelle zum Konstanzer Stadtrecht des 14. und 15. Jahrhunderts, ZRG GA 71 (1954), 382; Kimmig, H./Rüster, P., Das Konstanzer Kaufhaus, 1954; Meisel, P., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Konstanz, 1955; Feger, O., Vom Richtebrief zum roten Buch, 1955; Rexroth, K., Die Entstehung der städtischen Kanzlei in Konstanz, 1960; Feger, O./Rüster, P., Das Konstanzer Wirtschafts- und Gewerberecht zur Zeit der Reformation, 1961; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts von 1370 bis 1521, 1964; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Kühne, K., Das Kriminalverfahren und der Strafvoll­zug in der Stadt Konstanz, 1979; Bechtold, K., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und Landgericht Konstanz, 1988; Baur, P., Testament und Bürgerschaft, 1989; Maurer, H., Konstanz im Mittelalter, Bd. 1f. 1989; Brandmüller, W., Das Konzil von Konstanz, 1991; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995; Burkhardt, M., Konstanz im 18. Jahrhundert, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Die Konstanzer Bischöfe vom Ende des 6. Jahrhunderts bis 1206, bearb. v. Maurer, H., 2003; Bihrer, A., Der Konstanzer Bischofshof im 14. Jahrhundert, 2005; Crivellari, F. u. a., Vom Kaiser zum Großherzog, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege –Lebenswege, 2007

Konstitution (lat. [F.] → constitutio) ist die Festsetzung. Im römischen (und auch mittelalterlichen) Recht ist damit das (kaiserliche) Gesetz (im Altertum edictum Erlass, decretum Entscheidung, rescriptum Antwort) gemeint, seit dem ausgehenden 18. Jh. (Vattel, E. v. Völkerrecht 1758 Ordnung, nach der eine Nation sich vornimmt, gemeinschaftlich für die Erlangung der Vorteile arbeiten zu wollen, deretwegen die politische Gemeinschaft errichtet ist) die Verfassung (→ Polen, → Vereinigte Staaten von Amerika).

Lit.: Söllner §§ 15, 19, 22, 23; Dulckeit/Schwarz/­Waldstein § 32 I, II; Köbler, DRG 31, 52; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 42; Wegelin, P., Die bayerische Konstitution von 1808, 1958; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4 1980, 7; Kaiser, W., Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze, 2007

Konstitutionalismus ist die europaweit in unterschiedlicher Einzelform erkennbare poli­ti­sche Gestaltung, bei der das Staatsoberhaupt durch eine (formelle, anfangs oktroierte, später vom Volk mitbestimmte) Verfassung (→ Konstitution) beschränkt ist (z. B. Entwürfe am Ende des 18. Jh.s [Mainz 1792], konstitutionelle Monarchie vor allem im 19. Jh., z. B. Spanien Cortes-Verfassung von Cádiz 1812, Frankreich charte constitutionelle 1814, Nassau 1814, Baden, Bayern 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Belgien 1831 usw.). Die Gesetzgebung wird zwischen Staatsoberhaupt und Volk geteilt. Die Ausführung der Geswetze verbleibt dem Staatsoberhaupt, das die Regierung ernennt. Unabhängige Richter sprechen Recht in seinem Namen. Das Volk ist noch nicht der Souverän.

Lit.: Aretin, C. v./Rotteck, C. v., Staatsrecht der konstitutionellen Monarchie, Bd. 1f. 1824ff.; Pfeffer, W., Die Verfassung der Rheinbundstaaten, 1960; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutio­nalismus, 1973; Kohler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Probleme des Konstituti­onalismus, hg. v. Böckenförde, E., 1975; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und Bodenordnung, 1976; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Dilcher, G., Zum Verhältnis von Verfassung und Verfassungstheorie im frühen Konstitutionalismus, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 65; Press, V., Landtage im alten Reich und im Deutschen Bund, Z. f. württemberg. LG. 39 (1980), 100; Wahl, R., Rechtliche Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, Der Staat 20 (1981), 321; Ris, G., Der kirchliche „Konstitu­tionalismus“, 1988; Die Anfänge des Frühkon­stitutionalismus, hg. v. Dippel, H., 1991; Peters, W., Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalis­mus, 1993; Würtenberger, T., Der Konstitutionalismus des Vormärz. Der Staat, 1998, 166; Herz, D., Die wohlerwogene Republik, 1999; Kirsch, M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Denken und Umsetzung des Konstitutionalismus, hg. v. Kirsch, M. u. a., 1999; Der Verfassungsstaat vor der Herausforderung der Massengesellschaft, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2002; Schulze, C., Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Kon­stitutionalismus und Verfassungskonflikt, hg. v. Müßig, U., 2006; Rheinbündischer Konstitution­alismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007

Konstitutionelle Monarchie ist die durch eine Verfassung (→ Konstitution) beschränkte → Monarchie. Vorbild der kon­stitutionellen Monarchie ist seit der Glorious Revolution von 1689 → England. In → Frankreich werden 1814 die Rechte des Monarchen durch Regelmäßigkeit der Tagungen des Parlamentes, Budgetrecht und Ministerverantwortlichkeit eingeschränkt. Teils behält in der Folge der Herrscher alle Rechte, die er nicht ausdrücklich der Volks­vertretung gibt, teils hat er nur die Rechte, die ihm ausdrücklich gewährt werden. Seit 1918 wird in Europa die k. M. durch die Republik oder durch die parlamentarische Monarchie ersetzt.

Lit.: Köbler, DRG 193; Hartung, F., Die Entwicklung der konstitutionellen Monarchie in Europa, (in) Hartung, F., Volk und Staat in der deutschen Geschichte, 1940, 183; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Greve, F., Die Ministerverantwortlichkeit im konstitutionellen Staat, 1977; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, §§ 28, 29, 31, 32, 37

Konstitutionen von Melfi ist das von Friedrich II. im September 1231 für das Königreich Sizilien erlassene Gesetz (seit dem 19. Jh. lat. liber [M.] augustalis). Es beruht auf römischem, byzantinischem, lan­gobardischem, normannischem, fränkischem, arabischem sowie kirchlichem Recht und gliedert sich in drei Bücher mit 74, 49 und 81 Konstitutionen (später insgesamt 253 bzw. 291), von denen knapp 80 Regeln auf älteren Bestimmungen (Rogers II., Wilhelms II. und Friedrichs II.) beruhen und nur etwa ein Fünftel völlig neu geschaffen wird. Inhaltlich werden besonders das Verfahrensrecht, das Staatsorganisationsrecht und das Strafrecht erfasst. Die K. haben bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts Bedeutung.

Lit.: Constitutiones regni Siciliae, 1475, Neudruck 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II., hg. v. Conrad, A. u. a., 1973; Buyken, T., Die Constitutionen von Melfi und das jus Francorum, 1973; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Il Liber Augustalis, hg. v. Trompetti Budriesi, A., 1987; Martino, F., Federico II, 1988; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v. Stürner, W., 1996

Konstruktionsjurisprudenz ist die durch wissenschaftliche Konstruktion Recht gewinnende, vor allem romanistische, aber auch germanistische und staatsrechtliche Jurisprudenz des 19. Jh.s. Begriffsjurispru­denz

konstitutiv (begründend)

konstruktiv (aufbauend)

Konstruktives Misstrauensvotum ist die Be­

stimmung der Verfassungen Württemberg-Badens (1947), Württemberg-Hohenzollerns, Nordrhein-Westfalens und des deutschen Grundgesetzes (1949), nach welcher das Parlament bzw. der Bundestag einem Mi­nisterpräsidenten bzw. Bundeskanzler nur dann das Misstrauen aussprechen kann, wenn er gleichzeitig mit Mehrheit einen neuen Mi­nisterpräsidenten bzw. Bundeskanzler wählt. Der Gedanke des konstruktiven Misstrauens­votums wird seit 1927 erörtert (Herrfahrdt, Rothenbücher, Glum, Schmitt, Wolgast, Smend).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Konsul (lat. [M.] → consul) ist schon im altrömischen Recht ein Höchstmagistrat. Im Hochmittelalter werden die Ratsherren als (lat. [M.Pl.]) consules (Italien um 1100) bezeichnet. In der Neuzeit ist K. der Vertreter eines Staates in einem anderen Staat. 1799 bezeichnet sich Napoleon als erster K. Frankreichs.

Lit.: Kaser §§ 61, 77; Söllner §§ 6, 11, 14, 23; Köbler, DRG 18; Gouron, A., Diffusion des consulats, (in) Bibliothèque de l’Ecole des Chartes 121 (1963), 226 ; Brieger, A., Die Jurisdiktion der römischen Konsuln, Diss. jur. Bonn 2007

Konsum (M.) Verbrauch. In der Mitte des 19. Jh.s nach englischem Vorbild auch in Deutschland gegründet, werden die frei von Gewinnstreben arbeitenden Konsumgenos­senschaften 1890 zu einem wichtigen Zweig der Arbeiterbewegung. Im Dritten Reich werden sie enteignet, 1945 wiederhergestellt. In der freien Marktwirtschaft unterliegen sie den gewinnorientierten Unternehmern.

Lit.: Europäische Konsumgeschichte, 1997; Konsum­politik, hg. v. Berghoff, H., 1999; Briesen, D., Warenhaus, Massenkonsum und Sozialmoral, 2001; North, M., Genuss und Glück des Lebens, 2003; Haupt, H., Konsum und Handel, 2003; North, M., Genuss und Glück des Lebens – Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung, 2003; Konsum – Konsumgenos­senschaften in der DDR, bearb. v. Ludwig, A., 2007; Pohl, H., Aufstieg und Niedergang der deutschen Konsumgenossenschaften, 2007

Konsument (M.) Verbraucher

Konsumentenschutzgesetz ist das dem Schutz des Verbrauchers dienende Gesetz. Solche Gesetze finden sich seit dem ausgehenden 19. Jh., insbesondere seit dem letzten Drittel des 20. Jh.s.

Konsumgenossenschaft ist eine nach englischem Vorbild (Anfänge seit etwa 1770, Verstetigung seit etwa 1840) seit dem späteren 19. Jh. (seit etwa 1860) zur Verbilligung des Gütererwerbes der Handwer­ker und Arbeiter gebildete → Genossenschaft von Verbrauchern. Im späteren 20. Jh. erweisen sich die Konsum­genossenschaften (1969 coop) als zu unproduktiv, so dass der in­zwischen entstandene Konzern 1990 in Teilbereichen verkauft wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Prinz, M., Brot und Dividende, 1996; Spiekermann, U., Basis der Konsumgesellschaft, 1999; Pohl, H., Aufstieg und Niedergang der deutschen Konsumgenossenschaften, 2007

Konsumtionskonkurrenz ist im römischen Recht bei Gesamtforderung und Gesamt­schuld der Ausschluss einer weiteren Klage eines anderen Gläubigers oder gegen einen anderen Schuldner durch die (lat.) → litis contestatio (F.) bezüglich einer (lat. [F.]) → actio eines Gläubigers oder gegen einen Schuldner.

Lit.: Kaser § 56 II

Kontinuität ist allgemein die Fortdauer, im besonderen die Fortdauer römischer Gegebenheiten im Frühmittelalter. Diese ist streitig. Deswegen muss im Einzelfall untersucht werden, ob eine frühmittel­alterliche Erscheinung aus dem römisch-christlichen Bereich oder aus dem heidnisch-germanischen Bereich kommt oder in der Zeit selbst erst neu entstanden ist. Bei Ver­änderungen im politischen Bereich besteht aus Sachzwängen heraus vielfach Kontinuität der rechtlichen Bestimmungen (z. B. 1918, 1933, 1945), so dass z. B. die Magna Charta in Großbritannien seit 1215, der Code civil in Frankreich seit 1804, das ABGB in Österreich seit 1811 oder das BGB in Deutschland seit 1900 ungeachtet einzelner Veränderungen als solche gelten.

Lit.: Kontinuität?, hg. v. Bausinger, H. u. a., 1969; Baumgartner, H., Kontinuität und Geschichte, 1972; La Continuità nella Storia del Diritto, hg. v. Erler, A. u. a., 1972; Kontinuität-Diskontinuität in den Geistes­wissenschaften, hg. v. Trümpy, H., 1973; Westdeutschland 1945-1955, hg. v. Herbst, L., 1986; Angenendt, A., Das Frühmittelalter, 1990

Kontokorrent ist die laufende Rechnung zwischen zwei Beteiligten. Einen Ansatz hierfür liefert bereits das in Rom bekannte Kassenbuch. Bedeutsam wird die Rechnung aber erst in Oberitalien im 13. und 14. Jh., im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) im 15. Jh. Als Vertragsverhältnis wird das K. seit dem 19. Jh. angesehen.

Lit.: Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962, 455; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 77, 105; Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928

Kontrahierungszwang ist die rechtliche Verpflichtung, eine Vereinbarung abzuschlie­ßen. Der K. widerspricht der Privatautonomie. Er wird in engen Grenzen im 20. Jh. anerkannt. Ältere Ansätze kennt bereits das mittelalterliche Stadtrecht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Kontrakt (lat. [M.] → contractus) ist der →Vertrag.

Lit.: Köbler, DRG 45

Kontraktualismus ist die Lehre zur Begrün­dung staatlicher Rechtsordnung auf Vertrag seit der Aufklärung (z. B. Jean-Jacques Rousseau, Le contrat social, 1762).

Kontrollrat → Alliierter Kontrollrat

Kontroverse (F.) Meinungsverschiedenheit

Kontumazialverfahren ist das bei Ladungs­ungehorsam (lat. [F.] contumacia) eintre­tende Verfahren des klassischen römischen und neu­­­zeitlichen Verfahrensrechts. → Ver­säumnisverfahren

Lit.: Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959

Konvaleszenz ist das nachträgliche Wirksamwerden eines nicht oder nicht voll wirksamen Geschäftes im römischen und gemeinen Recht.

Lit.: Kaser §§ 9 I 3, 27 II 1, 59 I 3a; Schanbacher, D., Die Konvaleszenz von Pfandrechten im klassischen römischen Recht, 1987

Konventionalstrafe ist die bereits im römischen Recht als Fall der → Stipulation mögliche Vertragsstrafe.

Lit.: Kaser § 40 I 4b

Konversion ist die schon dem römischen Recht bekannte Umdeutung eines unwirksamen Rechtsgeschäftes.

Lit.: Kaser § 9 I 3; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980

Konzentrationslager ist ein wohl dem spanischen Ausdruck campos reconcentrados nachgebildetes Wort. In campos reconcen­trados (campos de concentración) hält Spanien seit 1895 im zehnjährigen Unabhängigkeitskrieg kubanische Guerril­leros und deren Angehörige gefangen. Am Ende des 19. Jh.s errichtet England im südafrikanischen Burenkrieg „laagers“ bzw. concentration camps für die Angehörigen der Burenguerilleros. In der Sowjetunion, in der 1921 bereits rund 50 Zwangsarbeitslager bestehen, durchlaufen zwischen 1929 und 1953 etwa 18 Millonen Menschen Lager, aus denen mehr als 4,5 Milllionern Menschen nicht zurückkehren. Seit 1933/1934 entstehen durch das Deutsche Reich etwa 60 K. (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Neuengamme, Ravensbrück, Sach­senhausen), in denen 1934 etwa 45000, 1935 etwa 3500 und 1938 etwa 60000 Menschen untergebracht sind (1944 in Buchenwald nur noch 8 Prozent Deutsche). Sie werden zu regierungs­gestützten planmäßigen Vernich­tungs­lagern aller missliebigen Fremd­völ­kischen gemacht, in die seit Oktober 1939 alle Juden, die ein staatsabträgliches Ver­halten zeigen, eingewiesen und überwiegend durch Arbeit und Mord vernichtet werden (möglicherweise insgesamt mehr als 2 Millionen Opfer).

Lit.: Köbler, DRG 222; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Broszat, M., Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, 1970; Richardi, H., Schule der Gewalt, 1983; Czech, D., Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, 1989; Tuchel, J., Konzentrationslager, 1991; Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg. v. Dieckmann, C. u. a., 1998; Konzentrationslager Bu­chenwald, 1998; Konzentrations­lager Buchenwald, 1998; Wippermann, W., Konzentrationslager, 1999; Orth, K., Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager, 1999; Auschwitz 1940-1945, hg. v. Dlugoborski, W. u. a., 1999; Lotfi, G., KZ der Gestapo, 2000; Orth, K., Die Konzentrationslager-SS, 2000; Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, hg. v. Institut für Zeitgeschichte u. a., Bd. 1ff. 2000; Wenck, A., Zwischen Menschenhandel und Endlösung, 2000; Friedler, E. u. a., Zeugen aus der Todeszone, 2002; Schwarzbuch Gulag. Die sowjetischen Konzentrationslager, hg. v. Dobrowolski, I., 2002; Strebel, B., Das KZ Ravensbrück, 2003; Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Steinbacher, S., Auschwitz, 2004; Petit, G., Rückkehr nach Langenstein, 2004; Geschichte der national­sozialistischen Konzentrations­lager, hg. v. Benz, W. u. a., Bd. 1ff. 2005ff.; … und wir hörten auf, Mensch zu sein, hg. v. Mayer, M., 2005; Fings, K., Krieg, Gesellschaft und KZ – Himmlers SS-Baubrigaden, 2005; Benz, W. u. a., Der Ort des Terrors, Bd. 1f. 2005; Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945, hg. v. Schulte, J., 2005; Dirks, C., Das Verbrechen der anderen, 2006; Grabher, M., Irmfried Eberl, 2. A. 2006; Kirschner, A., Salas Geheimnis, 2008; Sommer, R., Das KZ-Bordell, 2009

Konzentrationsmaxime ist im neuzeitlichen Verfahrensrecht der auf Konzentration gerichtete Verfahrensgrundsatz, der den Ablauf des Verfahrens beschleunigen soll.

Lit.: Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Pro­zess­ma­xi­men, 1975

Konzern ist im Wirtschaftsrecht des 20. Jh.s die unter Wahrung der rechtlichen Selbständigkeit erfolgende Zusammenfassung eines herrschenden und mindestens eines abhängigen Unternehmens (Unterordnungs­kon­zern) oder mehrerer rechtlich selb­ständiger, nicht von einander abhängiger Unternehmen (Gleichordnungskonzern) unter einheitlicher Leitung. Mit der Interna­tionalisierung der Wirtschaft tritt der große multinationale K. in den Vordergrund. Den Missbrauch soll in Deutschland das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (27. 7. 1957, 3. 8. 1973) eindämmen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 250; Emmerich, V., Konzernrecht, 8. A. 2005; Dettling, H., Die Entstehung des Konzernrechts im Aktiengesetz von 1965, 1997

Konzentrationsmaxime ist die der Beschleunigung des Zivilprozesses durch Konzentration auf möglichst wenige Termine dienende Maxime, die bereits im gemeinen Recht sichtbar wird.

Lit.: Willmann, P., Die Konzentrationsmaxime, 2004

Konzessionssystem ist das im 19. Jh. bestehende System, das für die Entstehung einer juristischen Person eine Konzession (Verleihung, Genehmigung) des Staates erfordert. Es wird durch den liberalen Grundsatz der freien Körperschaftsbildung (System der Normativbestimmungen) abgelöst (Österreich 1870).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 217

Konzil (lat. [N.] concilium) (oder → Synode, Versammlung) ist im katholischen Kirchenrecht das kol­legiale, nicht ständige Organ zur Behandlung kirchlicher Angelegenheiten. Das K. lässt sich seit der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr. nachweisen. Allgemeine (öku­menische) Konzile (bisher 21) finden seit Nikäa (325), Konstantinopel (381), Ephesus (431) und Chalkedon (451) statt (Konstantinopel 553, Nikäa 787, Konstantinopel 869,Konstantinopel 880. wie­tere wichtige Konzile sind die vier Laterankonzile von 1123, 1139, 1179 und 1215, das 16. ökumenische K. von Konstanz von 1414-1418, das 17. ökumenische K. von Basel (1431-1437), das 19. ökumenische K. von Trient (1545-1563), das erste Vatikanische K. (1869-1870) sowie das zweite Vatikanische K. von 1962-1965. Sie treffen meist richtungweisende Beschlüsse.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hefele, C. v., Concilien­geschichte, Bd. 1ff. 2. A. 1873ff.; Jedin, H., Kleine Konziliengeschichte, 8. A. 1969; Tangl, G., Die Teil­nehmer an den allgemeinen Konzilien des Mittelalters, 1922; Conciliorum Oecumenicorum Decreta, hg. v. Alberigo, G., 3. A. 1973; Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nikolaus de Tudeschis, 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Sieben, H., Die Konzilsidee der Alten Kirche, 1979; Sieben H., Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, 1984; Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.; Das Konzil von Aachen, hg. v. Willjung, H., 1998; Ballweg, J., Konziliare oder päpstliche Reform, 2000; Gresser, G., Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004; Uphus, J., Der Horos des zweiten Konzils von Nizäa (787), 2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Sieben, H., Studien zu Gestalt und Überlieferung der Konzilien, 2005; Boockmann, H./Dormeier, H., Konzilien, Kirchen- und Reichsreform (1410-1495), 2005; The Oecumenical Councils, hg. v. Alberigo, G. u. a., 2006; Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449), hg. v. Müller, H. u. a., 2007

Konziliarismus ist in der katholischen Kirche die am Ende des 14. Jh.s entstehende Bewegung, die das → Konzil zur höchsten Gewalt der Kirche zu machen versucht. Der K. kann sich nicht durchsetzen.

Lit.: Kneer, A., Die Entstehung der konziliaren Theorie, Römische Quartalschrift 1893; Angermeier, H., Das Reich und der Konziliarismus, HZ 191 (1961), 529; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Brandmüller, W., Papst und Konzil im großen abendländischen Schisma, 1990

Konzilsappellation ist der wohl seit der Spätantike bekannte Versuch, gegen eine Entscheidung des Papstes → Appellation an ein → Konzil einzulegen. Die K. kommt, ohne durchschlagende Erfolge, während des gesamten Hochmittelalter und Spätmittelalters häufiger vor.

Lit.: Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1978

Kopenhagen gelangt 1167 als Fischer­siedlung vom König von Dänemark an den Bischof von Seeland. 1254 erhält der Ort Stadtrecht. 1416 kommt er an den König zurück. 1479 wird er Sitz einer Universität.

Lit.: Wiborg, A./Gralle, J., Kopenhagen, 1981; Christophersen, A., Fra Villa Hafn, 1986; Kobenhavns Universitet, hg. v. Ellehoj u. a., Bd. 1ff. 1990ff.

Kopernikus (Thorn 1473-Frauenburg 1543), Domherr, Arzt, Jurist, Administrator, erweist mit seinen auf antiken griechischen Quellen fussenden Beobachtungen (De revolutionibus orbium coelestium, 1543, Von den Umdrehungen der himmlichsn Welten), dass die nicht die Erde der Mittelpunkt unseres Sonnensystems ist, sondern die Sonne.

Lit.: Biographia Copernicana, bearb. v. Kühne, A. u. a., 2004; Bieri, H., Der Streit um das kopernikanische Weltsystem im 17. Jahrhundert, 2. A. 2008

Kopfsteuer ist eine verschiedentlich verwendete Art der → Steuer, bei welcher der Mensch (Kopf) als solcher die Steuer­grund­lage bildet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baltl/Kocher

Kopialbuch ist ein Sammelband von Abschriften von Urkunden. Das K. erscheint im Frühmittelalter in kirchlichen Kanzleien und im Hochmittelalter in landesherrlichen Behörden.

Lit.: Köbler, DRG 105; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben im Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957)

Köppen, Johann (Treuenbrietzen 1531-Berlin 1611) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg und Frankfurt an der Oder Rechtslehrer in Frankfurt an der Oder, Kammerrat, Richter und Diplomat. Sein Entwurf eines Landrechts für die Kurmark und die Neumark (1590, gegliedert nach Personen, Contracten, Erbrecht, Strafrecht, Verfahrens­recht) scheitert.

Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechts­entwurf von 1594, 1973

Koran (arab. [M.] Lesung) ist das in Reimprosa abgefasste heilige, die Offenbarung des Propheten → Mohammed (um 569-632) (608-632) enthaltende Buch des → Islams (114 Suren bzw. Kapitel). Der K. ist Grundlage des islamischen Glaubens und Rechts.

Lit.: Paret, R., Der Koran, Bd. 1f. 1975, 3. A. 1983, 10. A. 2008; Nagel, T., Der Koran, 3. A. 1998; Zirker, H., Der Koran, 1999, Thyen, J., Bibel und Koran, 2000

Korea

Lit.: Eggert, M./Plassen, J., Kleine Geschichte Koreas, 2005

Kormcaja (Kniga) (F.) (Steuermannsbuch?) ist das vielleicht noch in das 9. Jh. zurückreichende, auf byzantinischen Grundla­gen aufbauende Rechtsbuch des slawischen Kirchenrechts (Fassung des 11. Jh.s mit 14 Titeln). Eine Fassung wird 1649/1650 bzw. 1653 in Moskau erstmals gedruckt.

Lit.: Zuzek, I., Studies on the Chief Code of Russian Canon Law, 1964; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Körperkraft ist verschiedentlich ein rechtlich bedeutsames Merkmal.

Lit.: Kaser §§ 17, 82 IV 3; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H., Kraft und Recht, FS J. Hedemann, 1938, 3

Körperschaft ist die mitgliedschaftlich verfasste, vom Wechsel der Mitglieder unabhängige Personenvereinigung. Nach älteren Ansätzen im römischen Altertum und im Mittelalter sowie in der evangelischen Staatskirchenlehre des 17. Jh.s (so Endrös) setzt sich die Figur der → juristischen Person bzw. Körperschaft in der ersten Hälfte des 19. Jh.s (so Forsthoff) durch (→ Beseler). Streitig ist die Art des Verständnisses (Fiktion oder realer Orga­nismus). Die K. kann dem öffentlichen Recht oder dem privaten Recht angehören. Der Personenverband (K.?) wird schon in älterer Zeit durch Symbole dargestellt (z. B. Krone, Lanze, Thron, Schlüssel, Leib, Schiff, Mauer). In Deutschland wird 1920 die Körperschaft­steuer für juristische Personen von der seit 1799 entwickelten Einkommensteuer verselbständigt.

Lit.: Kaser §§ 17 I, II, 82 IV 3; Kroeschell, DRG 3; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Schnorr von Carolsfeld, L., Geschichte der juristischen Person, 1932; Schikorski, F., Die Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff, 1978; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3) 399; Endrös, A., Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Körperschaft des öffentlichen Rechts“, 1985; Landau, P., Gesellschaftliches Recht und das Prinzip freier Körperschaftsbildung in der Rechtsphilologie von Heinrich Ahrens, (in) FS A. Erler, 1986, 157; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung, 1986; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999), 314

Körperschaftsteuer ist die Körperschaften betreffende Einkommensteuer (2006 rund 5 Prozent des Steueraufkommens in Deutsch­land). Sie entsteht in den deutschen Bundes­staten nach 1871 durch Einbeziehung der Gesellschaften in die Einkommensteuer. Dem folgt das Deutsche Reich 1913 und 1916/­1918. 1920 wird ein besonderes Körperschaft­steuergesetz geschaffen.

Lit.: Potthast, T., Die Entwicklung der Körperschaft­steuer, 2008

Körperverletzung ist der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen. Die K. ist von Anbeginn der Menschheit an denkbar. Im altrömischen Recht soll, wer einem Freien ein Glied zerreißt, sich entweder mit ihm vergleichen oder (höchstens) dasselbe erleiden. Wer einem anderen (nur ?) ein Bein bricht, soll (nur ?) die feste Summe von 300 Pfund Kupfer (lat. [F.] poena) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht (sonstige Körperverletzung, Freiheitsentzug, Beleidi­gung) antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Im klassischen römischen Recht ist Rechtsfolge der K. ein durch Schätzung zu bestimmender (unvererblicher) Geldausgleich. Bei den Germanen und im Frühmittelalter wird die K. durch → Buße ausgeglichen. Im Hochmittel­alter erscheint sie als Straftatbestand (Läh­mung, blutende Wunde, trockener Schlag). In der Constitutio Criminalis Carolina (1532) fehlt ein Straftatbestand K. In der Neuzeit wird die tätliche Beleidigung von der K. abgesondert. Zugleich wird für Schmerzen im Privatrecht Schadenersatz gewährt. Im 19. Jh. wird die K. systematisiert (schwere K., fahrlässige K.).

Lit.: Söllner §§ 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 119, 158; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; His, R., Die Körperverletzung im Strafrecht des deutschen Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 75; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen Recht, 1972; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Korn, F., Körperverletzungsdelikte, 2003; Gröning, C., Körperverletzungsdelikte, 2004

Korporation (F.) → Körperschaft (E. 19. Jh. auch Studentenverbindung)

Korruption (Verderbnis) ist das durch materielle Vorteile (in einfachen Fällen Geld, in eleganteren Fällen geldwerte Beziehungen) bewirkte pflichtwi­drige Verhalten von Verpflichteten bzw. die Erlangung eines privaten Vorteils durch Missbrauch eines öffentlichen Amtes. K. findet sich an vielen Orten zu vielen Zeiten (z. B. Vermittlung einer Stelle als Univer­sitätsassistent als Ent­gelt für eine Schmeichelbiographie, Verbe­amtung eines Betrügers auf Antrag eines Lügners als Entgelt für eine Wahl zum Insti­tutsvorstand, Überlassung einer Schriftenreihe einer Klinik als Entgelt für die Habilita­tionsvermittlung, Verbeamtung gegen Fest­schrift usw.). Wer sie bekämpft und sich nicht selbst korrumpieren lässt, wird von ihr mit allen Mitteln verfolgt. In Altertum und Mittelalter ist K. (z. B. Äm­terkauf) selbstverständlich, mit der Trennung von öffentlichem Bereich und privaten Inte­ressen wird sie grundsätzlich (bei anderen öffentlich) abgelehnt (im eigenen Interesse aber tatswächlich selbverständlich geübt).

Lit.: Brooks, R., Corruption in American Politics, 1910; Göhring, M., Die Ämterkäuflichkeit im Ancien Régime, 1935; Klaveren, J. van, Die historische Erscheinung der Korruption, VSWG 44 (1957), 289; Gardiner, J., The Politics of Corruption, 1970; Korruption im Altertum, hg. v. Schuller, W., 1982; MacCullen, R., Corruption and the Decline of Rome, 1988; Political Corruption, hg. v. Heidenheimer, A. u. a., 1989; Bannenberg, B./Schaupensteiner, W., Korruption in Deutschland, 2004; Engels, I., Politische Korruption in der Moderne, HZ 282 (2006), 313; Durynek, J., Korruptionsdelikte (§§ 331ff. StGB), 2008; Geld - Geschenke - Politik - Korruption im neuzeitlichen Europa, hg. v. Engels, J. u. a., 2009

Korsika ist die im nordwestlichen Mittelmeer gelegene Insel, die seit 227 zur römischen Provinz Sardinien gehört. Nach Einfällen von Vandalen, Ostgoten, Oströmern, Langobar­den, Sarazenen und Mauren setzt sich bis 1347 Genua durch. 1764/1768 gibt Genua K. an Frankreich. 1982 erhält das demnach im Recht nacheinander römisch, genuesisch und französisch geprägte K. in Frankreich Autonomie.

Lit.: Histoire de la Corse, hg. v. Arrighi, J., 1971; Grimaldi, S., La Corse, 1988

Kosovo ist das 2008 von Serbien verselbständigte, von Albanern bewohnte Gebiet des ehemaligen Jugoslawien.

Lit.: Schmitt, O., Kosovo, 2008

Kossuth, Lajos (Monok/ungarn 19. 9. 1802-Turin 20. 3. 1894) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Sárospatak imd Pest Advokat, Journalist und Abgeordne­tenvertreter (1837 vier Jahre Festuzngshaft wegen Hochverrrats), 1848 Finanzminister Ungarns, 1849 nach Unabhängigksiterklärung vom 14. 4. 1849 in Ungarn Reichsverweser. Am 11. 8. 1849 tritt er zurück und flieht nach der Kapitulation in das osmanische Reich, 1852 nach London und (nach Bekanntschaft mit Giuseppe Mazzini) 1861 nach Turin.

Lit.: Lajos Kossuth, hg. v. Fischer, H., 2007

Kosten sind die Werte, die für die Beschaffung oder Herstellung eines Gutes aufgewendet werden. Bereits im → Kognitionsverfahren des klassischen römischen Rechts trägt der Unterliegende die K. des Verfahrens. Dieser Grundsatz ist in der Neuzeit wieder erkennbar, wobei im 18. Jh. aus aufgeklärten Erwägungen das sog. → Armenrecht bzw. im späteren 20. Jh. (Deutschland 1980) die → Prozesskostenhilfe entsteht.

Lit.: Köbler, DRG 34, 56, 155; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Birkl, N., Prozesskosten- und Beratungshilfe, 2. A. 1981

Kostvertrag ist im Mittelalter der Vertrag über Verköstigung, Kleidung und Ausbildung eines Kindes.

Lit.: Ebel, W., Kostverträge nach lübischen Stadtbüchern, FS H. Lentze, 1969, 137

KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) → Kommunismus

Kraftfahrzeug ist das Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Geleise gebunden zu sein. Das mit Benzin getriebene Kraftfahrzeug wird 1885 erfunden und 1886 von Carl Benz vorgeführt. In Frankreich (1893 etwa 500 Automobile, 1900 2897 Automobile und 11252 Motorräder) wird am 14. 8. 1893 eine Pariser Ordonnance über den Verkehr mit Motorfahrzeugen erlassen. In Deutschland, wo 1902 4738 Kraftfahrzeuge (Automobile) für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sind, werden 1909 durch das Kraftverkehrsgesetz (3. 5. 1909) zum 1. 10. 1909 die → Ge­fährdungshaftung für den Halter eines Kraftfahrzeuges und der Straftatbestand der Unfallflucht des Kraftfahrzeugführers (§ 22 KFG) eingeführt.

Lit.: Köbler, DRG 216, 251; Schubert, W., Das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. 5. 1909, ZRG GA 117 (2000), 238; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002; Schubert, W., Das Auomobil ist der Anarchist unter den Gefährten, ZRG GA 123 (2006), 218

Krain ist die nahe den Karawanken gelegene Landschaft, die nacheinander von Römern, Langobarden und Slowenen besiedelt wird und im 8. Jh. an die Bayern bzw. Franken gelangt (1040 Markgrafschaft). Über verschiedene Grafenge­schlechter fällt K. 1282 und nach Verpfändung endgültig 1335 an die Grafen von → Habsburg. 1394 wird K. Herzogtum. Am 29. 10. 1918 kommt der größte Teil von K. mit Laibach an Jugo­slawien, von dort 1991 an Slowenien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas, 1987; Kos, D., In Burg und Stadt, 2006

Krakau an der oberen Weichsel wird 1000 Sitz eines Bischofs und nach der Neugründung nach Magdeburger Recht (1257) 1320-1611 Hauptstadt → Polens. 1364 wird in K. eine Universität gegründet. Das Gericht auf der Krakauer Burg (1356?) wird Oberhof für zahlreiche deutschrechtliche Städte und Dörfer (bis 1791, Urteile von 1392-1794 erhalten). Von 1795 bis 1918 ist K. zeitweise österreichisch.

Lit.: Köbler, DRG 100; Patkaniowski, M., Der Krakauer Stadtrat im Mittelalter, 1934 (polnisch); Klodzinski, A., Najstarsza ksiega sadu najwyzszego prawa niemickiego na zamku krakowskim, 1936; Antiquum registrum privilegiorum et statutorum civitatis Cracoviensis, hg. v. Estreicher, S., 1936; Bardach, J., Historia Panstwa i Prawa Polskiego, Bd. 1 1965, 474; Pauli, K., Das Problem der Kodifikation des Strafrechts in der freien Stadt Krakau nach dem Wiener Kongress, ZRG GA 87 (1970), 224; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2108,2115,2118, 3,3,3507,3509; Z przeszlosci Krakowa, 1989; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoriensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Schüßler, M., Verbrechen in Krakau, ZRG GA 115 (1998), 339; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Kramer (M.) Kleinhändler

Krankenhaus ist die die bloße Aufbewahrung von Kranken im Spital durch den Versuch der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ersetzende Einrichtung. Das K. setzt sich im 19. Jh. durch.

Lit.: Spree, R., Krankenhausentwicklung und Sozialpolitik, HZ 260 (1995), 75; Sauerteig, L., Krankheit, Sexualität, Gesellschaft, 1999; Kumm, R., Das Krankenhauswesen in Hameln, 1999; Leidinger, B., Krankenhaus und Kranke, 2000; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003; Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Hübner, S., Vom allgemeinen Krankenhaus zur Gesundheitsfabrik, 2004; Dross, F., Krankenhaus und lokale Politik 1770-1850, 2004

Krankenkasse → Krankenversicherung

Krankenversicherung ist die private oder soziale Versicherung gegen (die Auswirkungen bzw. Kosten) einer Krankheit. Die soziale K. ist Teil der Sozialversicherung. Sie entsteht nach älteren Gemeindekranken­versicherungen, Hilfs- und Unter­stützungs­kassen (z. B. Armen- und Ver­sorgungskasse Chemnitz 1795), Knapp­schaftskassen, Fabrikkrankenkassen oder Innungskranken­kassen im Deutschen Reich 17. 11. 1881/15. 6. 1883 (19. 7. 1911 Reichsver­sicherungsver­ord­nung, 20. 12. 1988 Sozialgesetzbuch V). Träger sind die Kranken­kassen.

Lit.: Koch, P., Kleine Geschichte der privaten Kran­kenversicherung, 1971; Ritter, G., Sozial­versicherung in Deutschland und England, 1983; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz und ihre Ablösung durch Kranken- und Unfallversicherung von 1911, ZNR 8 (1986), 157; Reiter, H., Entstehungsgeschichte, Aufgaben und Organisation der Spitzenverbände der Krankenkassen, 1996

Krankheit ist das Fehlen des natürlichen Wohlbefindens des Menschen.

Lit.: Frevert, U., Krankheit als politisches Problem 1770-1880, 1984; Göckenjan, G., Kurieren und Staat machen, 1985; Barthel, C., Medizinische Polizey und medizinische Aufklärung, 1989; Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Müller-Jahncke, F. u. a., Arzneimittelgeschichte, 2. A. 2004; Landgraf, S., Heilen außerhalb der Medizinal-Ordnung, 2004

Kranrecht (lat. ius [N.] geranii) ist im deutschen Mittelalter das Recht des Landesherrn, Auslegen, Wiegen und Messen von auf Schiffen beförderten Waren anzuordnen.

Lit.: Eichhorn, F., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 3. A. 1829, 947

Kranzgeld ist die Bezeichnung für den Schadensersatzanspruch einer unbescholtenen Verlobten, die ihrem Verlobten die Beiwoh­nung gestattet. Dass der Verführer eines Mädchens dieses heiraten und ausstatten soll, bestimmt bereits 2. Moses 22,16 und danach der → Liber extra und das gelehrte Recht. Später tritt eine Entschädigung ein, wenn der Verführer das Mädchen nicht heiratet. Im 19. Jh. wird der Anspruch eingeschränkt, 1996 beseitigt.

Lit.: Gerber, C./Cosack, K., System des Deutschen Privatrechts, 17. A. 1895

Krause, Karl Christian Friedrich Eisenberg (Thüringen) 7. 5. 1781-München 27. 9. 1832

Lit.: Wirmer-Donos, B., Die Strafrechtstheorie Karl Christian Friedrich Krauses, 2001; Forster, W., Karl Christian Krauses frühe Rechtsphilosophie und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, 2000; Dierksmeier, C., Der absolute Grund des Rechts, 2003; Krause, K., Ausgewählte Schriften, Bd. 1ff., hg. v. Bach, T. u. a., 2007ff.

Kredit ist die zeitweise Überlassung von eigenen Mitteln an einen anderen zur wirtschaftlichen Verwertung. Der gebräuch­lichste Weg der Gewährung von K. ist das → Darlehen. Seit dem 19. Jh. wird das Kreditwesen ständig erweitert. Am 5. 12. 1934 wird in Deutschland das Gesetz über das Kreditwesen erlassen. → Bank

Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991; Müller, C., Die Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen, 2003

Kreditderivat ist das am Ende des 20. Jh.s international entwickelte wichtigste Instru­ment zur Isolie­rung und Übertragung eines Kreditrisikos.

Lit.: Berg, S., Kreditderivate im deutschen Privatrecht, 2000

Kreditmandat ist der Auftrag, einem Dritten Kredit zu gewähren.

Kreis ist seit der frühen Neuzeit (1500) im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) eine Gebietskörperschaft (→ Reichskreis). Seit dem 19. Jh. ist K. in deutschen Staaten eine Gebietskörperschaft, die eine Mehrzahl von Gemeinden zur Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Form der Selbstverwaltung zusammenfasst (Landkreis). In Österreich werden ab 1748 nach dem Vorbild Böhmens in den Kronländern für Kreise zentral­staatliche Kreisämter eingerichtet, die 1849 in Bezirke untergliedert, aber 1851 zum Teil bzw. 1868 ganz abgeschaffft werden, wobei die Bezirkshauptmannschaften unmittelbar den Statthaltereien unterstellt werden.

Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Hartung, F., Die Geschichte des fränkischen Kreises von 1521-1559, 1910, Neudruck 1973; Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise während der Regierungszeit Maximilians I., 1950; Mally, A., Der österreichische Kreis, 1967; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise, 1962; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Das Land Baden-Württemberg (Amtliche Beschreibung nach Kreis und Gemeinden), Bd. 1ff. 1977ff.; Hundert Jahre Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 1988; Dotzauer, W., Die deutschen Reichskreise, 1989

Kreisassoziation ist der Zusammenschluss mehrerer Reichskreise zu gemeinsamem Vorgehen. Eine K. wird 1559 erstmals verwirklicht. Mit der Frankfurter Assoziation vom 13./23. 1. 1697 erlangt die K. vorüber­gehend beachtliche Bedeutung.

Lit.: Hofmann, H., Reichskreis und Kreisassoziation, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 377; Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziation 1648-1746, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975

Kreisgericht ist das für einen → Kreis zuständige Gericht (z. B. in Österreich oder der Deutschen Demokratischen Republik).

Kreisordnung ist eine für einen oder mehrere → Kreise geltende → Ordnung (z. B. Preußen 13. 12. 1872, Posen 20. 12. 1828).

Lit.: Hundert Jahre Kreisordnungen in Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 1988; Benzig, H., Bismarcks Kampf um die Kreisordnung, 1996

Kreisverfassung ist die Verfassung eines Kreises (Reichskreis, Landkreis).

Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis und die Kreisverfassung von 1542, 1909; Schmidt, W., Geschichte des niedersächsischen Kreises, Nieders. Jb. 7 (1930), 1

Kreittmayr (Kreitmeir), Wiguläus Xaverius Aloysius (1745 Frhr. v.) (München 14. 12. 1705-27. 10. 1790), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Salzburg, Ingolstadt, Leiden und Utrecht und einem Praktikum am Reichskammergericht 1725 (mit 20 Jahren) Hofrat in Bayern, 1749 Vizekanzler und 1758 Kanzler. Er steht im Mittelpunkt der zwecks Rechtsver­einheitlichung, Bindung der Richter an das Gesetz und Abstellung von Miss­bräuchen in der Mitte des 18. Jh.s vorgenom­menen Gesetzgebung Bayerns. Auf ihn gehen maßgeblich der (lat. [M.]) → Codex iuris Bavarici criminalis (1751), der → Codex iuris Bavarici iudiciarii (1753) und der → Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756) zurück, die er auch selbst kommentiert. Außerdem verfasst er Grundrisse zum Privatrecht (1768) und Staatsrecht (1769).

Lit.: Köbler, DRG 139; Kreittmayr, W., Compendium iuris, 1768, Neudruck 1990; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Wiguläus Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr, hg. v. Bauer, B. u. a.,1991;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CMBC1756.htm

Kreml (M.) Wald, Burg

Kremsierer Entwurf ist der vom im Juli 1848 gewählten, am 22. 7. 1848 in Wien konstituierten, am 22. 10. 1848 von Wien nach Kremsier (in Mähren [Kromeriz]) verlegten österreichischen Reichstag erarbeitete Entwurf einer Verfassung, der zwar ursprünglich von der Volkssouveränität ausgeht, inhaltlich aber im Wesentlichen der → pillersdorfschen Aprilverfassung (mit Gewaltenteilung, Gegen­zeichnung der Voll­zugs­handlung des Kaisers durch den verant­wortlichen Minister, Reichstag bestehend aus Volkskammer ]Zensus­wahl­recht] und [von Landtagen und Kreis­tagen beschickter] Länder­kammer, Grund­rechts­­katalog) ent­spricht. Wegen gewaltsamer Auflösung des Reichs­tags durch die Regie­rung zum 4. 3. 1849/17. 3. 1849 auf Grund der Meinungs­ver­schiedenheit über die Volkssouveränität bleibt der K. E. bloßer Entwurf.

Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Gottsmann, A., Der Reichstag von Kremsier, 1995

Kremsmünster

Lit.: Die Anfänge des Klosters Kremsmünster, red. v. Haider, S., 1978

Kreta ist die Insel im südöstlichen Mittelmeer, die 67 v. Chr. römische Provinz wird und über Oströmer und Araber 1204/1212 an Venedig fällt. 1645-1649 erobern die Osmanen (Türken) die Insel. Die 1832 einsetzende Befreiungs­bewegung führt 1908/1913 zum Anschluss an → Griechen­land.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,5,485; Gallas, K., Kreta, 1984; Tsougarakis, D., Byzantine Crete, 1988; Link, S., Das griechische Kreta, 1994; Chaniotis, A., Das antike Kreta, 2004

Kreuz ist das Sinnbild des Leidens und der Auferstehung des Religionsstifters Jesus Christus. Es kennzeichnet daneben auch die Herrschaftsgewalt. Im Mittelalter werden vielfach Steinkreuze als Erinnerung an den Tod eines Menschen angebracht.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 1, 238f., 271f.; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1948; Dinkler, E., Das Kreuz als Tropaion, FS T. Klausen, 1964; Maisel, W., Archeologia prawna Europy, 1989

Kreuzbergurteil ist das vom preußischen Oberverwaltungsgericht 1882 gefällte Urteil, das der → Polizei die Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege (Untersa­gung eines Bauvorhabens) dann abspricht, wenn keine besondere gesetzliche Grundlage dafür vorliegt. Damit wird die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung beschränkt. Der Freiheitsraum des Bürgers wird erweitert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Kreuznach

Lit.: Massmann, G, Die Verfassung der Stadt Kreuznach, Diss. jur. Bonn 1962

Kreuzprobe ist das Gottesurteil, bei dem sich zwei Menschen mit ausgebreiteten Armen aufstellen und die Behauptung dessen als erwiesen angesehen wird, der seine Arme länger waagrecht halten kann.

Lit.: Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, 1994, 84

Kreuzzug ist die unter dem Zeichen des christlichen Kreuzes ausgeführte Kriegsfahrt (zur Eroberung der christlichen Gedenkstätten in Palästina zwischen 1096 und 1270). 1095 ruft Papst Urban II. in Clermont auf Bitten des von den turkmenischen Seldschuken bedrohten oströmischen Kaisers die Ritter zum K. auf. 1099 wird Jerusalem erobert. In den folgenden 6 Kreuzzügen wird nur die islamische Rückgewinnung verzögert. Des­senungeachtet belebt der K. den Handel und beeinflusst in Randbereichen auch das Recht (Ritterorden, Kreuzfahrerstaaten, Ablass, Verschollenheit, Todeserklärung).

Lit.: Köbler, DRG 93; Mitteis, H., Zum Schuld- und Handelsrecht der Kreuzfahrerstaaten, Arbeiten zum Handelsrecht usw. 62 (1931), 229; Grousset, R., Histoire des croisades et du royaume franc de Jérusalem, Bd. 1ff. 2. A. 1949; Runciman, R., Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1ff. 1957ff., 7. A. 2001; Atiya, A., Kreuzfahrer und Kaufleute, 1964; The Atlas of the Crusades, hg. v. Riley-Smith, J., 1991; Housley, N., The Later Crusades, 1992; Mayer, H., Varia Antiochena, 1993; Hehl, E., Was ist eigentlich ein Kreuzzug?, HZ 259 (1994), 297; Buisson, L., Heerführertum und Erobererrecht auf dem ersten Kreuzzug, ZRG GA 112 (1995), 316; Richard, J., Histoire des croisades, 1996; Riley-Smith, J., The first Crusaders 1095-1131, 1997; Die Kreuzfahrerstaaten, hg. v. Mayer, H. u. a., 1997; Riley-Smith, J., Historische Geschichte der Kreuzzüge, 1999; Mayer, H., Geschichte der Kreuzzüge, 9. A. 2000; The Crusades, hg. v. Hunyadi, Z., 2001; Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas, hg. v. Bühler, A., 2002; Jaspert, N., Die Kreuzzüge, 2002, 4. A. 2008; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; The Experience of Crusading, Bd. 1f. hg. v. Bull, M. u. a., 2003; Oberste, J., Der Kreuzzug gegen die Albigenser, 2003; Thorau, P., Die Kreuzzüge, 2004; Hechelhammer, B., Kreuzzug und Herrschaft unter Friedrich II., 2005; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E., 2005; Ebendorfer, T., Historia Jerusalemitana, hg. v. Zimmermann, H., 2006; Housley, N., Contesting the Crusades, 2006; Constable, G., Crusaders and Crusading in the Twelfth Cetury, 2008

Krieg ist die Austragung von Streitigkeiten zwischen Völkern oder Staaten mit Gewalt. Die Anfänge des Krieges reichen in vorgeschichtliche Zeit zurück. Seit dem Altertum stellt sich dabei die Frage nach dem → gerechten Krieg. Angesichts der Gefährlichkeit der von der Menschheit allmählich erfundenen Waffen werden in der Neuzeit bestimmte Erscheinungen des Krieges als menschen­rechtswidrig angesehen. Seit dem 19. Jh. kommt es zu völkerrechtlichen Vereinbarungen über unzulässige Maßnahmen (Genfer Konvention über die Verbesserung des Loses der Verwundeten der Streitkräfte von 1864, Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges, Haager Landkriegsordnung von 1907). Durch den → Kelloggpakt (1928) wird der K. allgemein geächtet, aber nicht beseitigt.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 567; Köbler, WAS; Görris, G., De denkbeelden over oorlog, 1912; Thilo, M., Das Recht der Entscheidung über Krieg und Frieden, 1938; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Rosenau, P., Wehrverfassung und Kriegsrecht in mittelhochdeutscher Epik, Diss. jur. Bonn 1959; Pietzcker, F., Die Schlacht bei Fontenoy 841, ZRG GA 81 (1964), 318; Angermeier, H., Die Reichskriegs­verfassung in der Politik der Jahre 1679-1681, ZRG GA 82 (1965), 190; Auer, L., Der Reichskriegsdienst des Klerus unter den sächsischen Kaisern, Diss. phil. Wien 1968 (masch.schr.); Das Deutsche Reich und der zweite Weltkrieg, Bd. 1ff. 1979ff.; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 8. A. 1985; Goldstein, E., Wars and Peace Treaties, 1992; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; La guerre, hg. v. Contamine, P., Bd. 1f. 1996; Ohler, N., Krieg und Frieden im Mittelalter, 1997; Heiduk, C./Höfert, A./Ulrichs, C., Krieg und Verbrechen, 1997; Krieg ist ein Gesellschaftszustand, hg. v. Hamburger Institut für Sozialforschung, 1998; Die Wiedergeburt des Krieges, hg. v. Kunisch, J./Münkler, H., 1999; Der Krieg im Mittelalter, hg. v. Brunner, H., 1999; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Krieg im Mittelalter, hg. v. Kortüm, H., 2000; Staat und Krieg, hg. v. Rösener, W., 2000; Wie Kriege entstehen, hg. v. Wegner, B., 2000; Die Wahrnehmung und Darstellung von Kriegen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, hg. v. Brunner, H., 2000; Schlachten der Weltgeschichte, hg. v. Dörster, S. u. a., 2001; Wie Kriege enden, hg. v. Wegner, B., 2. A. 2003; Dülffer, J., Im Zeichen der Gewalt, hg. v. Kröger, M. u. a., 2003; Wolfrum, E., Krieg und Frieden in der Neuzeit, 2003; Der Krieg im Bild, hg. v. Arbeitskreis historische Bildforschung, 2003; Rak, C., Krieg, Nation und Konfession, 2004; Kriegsniederlagen, hg. v. Carl, H., 2004; Luh, J., Kriegskunst in Europa, 2004; Fuchs, S., Vom Segen des Krieges, 2004; The Cambridge History of Warfare, hg. v. Parker, G., 2005; Chaniotis, A., War in the Hellenistic World, 2005; Krieg – Gesellschaft – Institutionen, hg. v. Meißner, B. u. a., 2005; Prietzel, M., Kriegführung im Mittelalter, 2006; Prietzel, M., Krieg im Mittelalter, 2007; Stöver, B., Der kalte Krieg, 2007; Ganschow, T., Krieg in der Antike, 2007; Etzersdorfer, I., Krieg, 2007; Formen des Krieges – von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Beyrau, S. u. a., 2007; Flaig, E., Heiliger Krieg, HZ 285 (2007), 265; Zeillinger, G., Lebensformen im Krieg, 2007; Toppe, A., Militär und Kriegsvölkerrecht, 2008; Der sieben­jährige Krieg, hg. v. Externbrink, S., 2008; Kriegskosten und Kriegsfinanzierung in der Antike, hg. v. Burrer, F. u. a., 2008; Kortüm, H., Der Krieg im Mitttelalter, 2009; Heuser, B., Den Krieg denken, 2009; Clauss, M., Kriegsniederlagen im Mittelalter, 2009

Kriegsartikel sind in der Neuzeit kriegsherrliche Gebote für die Soldaten (Schweden 1632, Brandenburg 1656, Österreich 1808). Im 19. Jh. tritt das Militärstrafgesetzbuch teilweise an die Stelle der K.

Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts, 1848; Weisl, E., Heeresstrafrecht, 1892

Kriegsbefestigung oder Streitbefestigung ist die deutsche Bezeichnung für die (lat.) → litis contestatio (F.) des (römischen) Verfahrensrechts.

Kriegsentschädigung ist die Entschädigung des Siegers eines Krieges durch den Besiegten wegen der erlittenen Schäden. Ansätze hierzu kennen Altertum und Mittelalter. Francisco de Vitoria (vor 1546) und Hugo → Grotius (1624) erlauben die K. durch Beutemachen. Seit dem 18. Jh. enthalten Friedensverträge häufig eine Verpflichtung zu einer K. (Reparation).

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Kriegserklärung ist die Erklärung eines Krieges durch einen Staat gegenüber einem anderen Staat. Sie findet sich schon im Altertum und im Mittelalter, ohne als stets notwendig angesehen zu werden. 1907 wird die K. als verpflichtend festgelegt.

Lit.: Steinbein, A., Die Form der Kriegserklärung, Diss. jur. Straßburg, 1917; Müller, K., Zur Reichs­kriegserklärung im 17. und 18. Jahrhundert, ZRG GA 90 (1973), 246; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Kriegsgefangener ist der in einem Krieg in die Gefangenschaft des Gegners geratene Mensch. Ursprünglich ist er Feind bzw. Beute und damit weitgehend rechtlos. Erst seit dem späteren 18. Jh. entwickeln sich Rechte des Kriegsge­fangenen (Preußen-Amerika 1785, Genf 1864). Die Haager Landkriegsordnung (29. 7. 1899) sichert dem Kriegsgefangenen rechtmäßiges Verhalten zu, was durch das Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenschaft vom 26. 7. 1929 noch entschiedener gesichert wird (abgeändert durch das Genfer Abkommen vom 12. 8. 1949).

Lit.: Kaser §§ 15 II, 58 VII; Knorr, W., Das Ehrenwort Kriegsgefangener, 1916; Scheidl, F., Die Kriegsge­fangenen, 1943; Hinz, J., Das Kriegsge­fangenenrecht, 1955; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; In der Hand des Feindes, hg. v. Overmans, R., 1999; Hilger, A., Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion 1941-1956, 2000; Hinz, U., Gefangen im Großen Krieg, 2006; Kriegsgefangene im Europa des ersten Weltkrieges, hg. v. Oltmer, J., 2006

Kriegsgericht ist das besondere Gericht für Soldaten, später das für Straftaten der Soldaten während eines Krieges zuständige Gericht. Zu Beginn der Neuzeit erscheint bei den Landsknechten ein besonderes Gericht des Kriegsschultheißen und zwölfer Landsknechte. Im 17. Jh. treten Juristen in dieses Truppengericht ein. In der Folge wird ein stärker verrechtlichtes K. entwickelt (z. B. Schweden 1632, Deutsches Reich, Militär­strafgerichtsordnung 1898), das jedoch entarten kann (z. B. im Dritten Reich).

Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegs­rechts, 1848; Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891; Block, J., Die Ausschaltung und Beschränkung der Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg 1967; Steinkamm, E., Die Wehrstrafge­richtsbarkeit im Grundgesetz, Diss. jur. Würzburg 1972

Kriegsministerium ist die in Österreich 1848 nach Übergang zum Ministerialsystem aus dem 1556 gebildeten Hofkriegsrat ent­stehende Behörde, die 1867 trotz getrennter Landesverteidigungsministerien in der prag­matischen Angelegenheit des Kriegswesens für den gesamten Staat Österreich-Ungarn zuständig blieb.

Lit.: Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angele­genheiten, 2001

Kriegsrecht ist einerseits die Gesamtheit der (erst zu Beginn des 20. Jh.s eindeutig festgelegten) völkerrechtlichen, im Krieg zwischen den Beteiligten geltenden Rechtssätze und andererseits die Gesamtheit der innerstaatlichen, für den Kriegszustand abgeänderten Rechtssätze.

Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegs­rechtes, 1848; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Kriegsverbrechen ist das während eines Krieges begangene Verbrechen. Zwecks Verfolgung Deutscher verfügt Art. 227 des Versailler Friedensvertrags nach dem ersten Weltkrieg die Einsetzung eines besonderen Gerichtshofs, doch gelangt der Artikel (samt Auslieferungsbegehren gegen 890 Ange­schuldigte) nicht zur Ausführung und werden vor dem Reichsgericht in Leipzig insgesamt nur vier Angeklagte wegen K. verurteilt. Nach 1945 werden internationale Kriegsverbrecher­prozesse in Deutschland (Strafverfahren gegen 106178 Beschuldigte mit 6494 rechtskräftigen Verurteilungen und 486 Hinrichtungen) und Japan, seit 1993 (mit ge­ringem Erfolg) Kriegsverbrecherprozesse wegen K. im jugoslawischen Bürgerkrieg und seit 1996 im ruandischen Bürgerkrieg durch­geführt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Kriegsver­brechen in Europa und im nahen Osten im 20. Jahrhundert, hg. v. Seidler, F. u. a., 2002; Hankel, G., Die Leipziger Prozesse, 2003; Wiggenhorn, H., Verliererjustiz, 2005

Kriegsverfahren ist das im Krieg anzuwendende Militärstrafverfahren. Für dieses wird 1898 im Deutschen Reich die Militärstrafgerichtsordnung geschaffen, die 1934 abgeändert und 1938 (Kriegsstraf­verfahrensordnung) erheblich vereinfacht wird.

Lit.: Marck, H. v., Der Militärstrafprozess in Deutsch­land, Bd. 1 1893; Dombrowski, H., Kriegsstrafrecht, 6. A. 1944; Block, J., Die Ausschaltung und Beschrän­kung der deutschen ordentlichen Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg 1967

Kriegswirtschaftsrecht ist das im Krieg geltende Wirtschaftsrecht, das z. B. die knap­pen Güter rationiert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

kriminal (die Straftat betreffend, z. B. Österreich 1788 Allgemeine Kriminalgerichtsordnung, Preußen 1805 Kriminalordnung)

Lit.: Bellmann, E., Die internationale kriminalistische Vereinigung (1889-1933), 1994; Gschwend, L., Nietzsche und die Kriminalwissenschaften, 1999

Kriminalistik (Verbrechenskunde)

Lit.: Fallanalyse und Täterprofil, hg. v. Hoffmann, J. u. a., 2003; Becker, P., Dem Täter auf der Spur, 2005

Kriminalität ist die Begehung von Straftaten (Straffälligkeit). Sie setzt eine Bestimmung von Straftaten voraus. Seitdem ist jeder Verstoß gegen ein Straftatverbot grund­sätzlich K. Die rechtstatsächliche Erfassung der soziologisch immer bedeutenderen K. ist Gegenstand der historischen Kriminologie (Verbrechens­kunde). Während des Moder­nisierungs­vorgangs des 19. Jh.s steigt die K. in den industriellen Ballungsgebieten (z. B. in Baden) deutlich an. Frauen treten bisher er­kenn­bar seltener kriminell hervor (am ehesten Eigentumsdelikte, Vermögensdelikte, Aus­sa­ge­­delikte).

Lit.: Lipowsky, F., Geschichte des baierischen Kri­minalrechtes, 1803; Quetelet, A., Sur l´homme, 1835; Bader, K., Soziologie der deutschen Nachkriegskriminalität, 1949; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Mechler, K., Studien zur Geschichte der Kriminalsoziologie, Kriminolog. Studien 5 (1970); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Blasius, D., Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität, 1976; Blasius, D., Kriminalität und Alltag, 1978; Freiburg, A., Kriminalität in der DDR, 1981; Blasius, D., Geschichte der politischen Kriminalität in Deutschland, 1988; Wehner, B., Vom Rechtsstaat ins Desaster, (in) Kriminalistik 1989, 335; Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle, hg. v. Dülmen, R. van, 1990; Schwerhoff, G., Köln im Kreuzverhör, 1991; Jütte, R., Geschlechtsspezifische Kriminalität im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, ZRG GA 108 (1991), 86; Melchers, A., Kriminalistik im 19. Jahrhundert, 1992 (Diss.); Lange, K., Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten 1850-1914, 1996; Schüßler, M., Quantifizierung, ZRG GA 113 (1996), 247, ZRG GA 116 (1999), 482; Blastenbrei, P., Kriminalität in Rom 1560 – 1585, 1995; Frank, M., Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995; Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995; Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, ZRG GA 113 (1996), 246; Wagner, P., Volks­gemeinschaft ohne Verbrecher, 1996; Eibach, J., Kriminalitätsgeschichte, HZ 263 (1996) 681; Kolmer, L., Gewalttätige Öffentlichkeit, ZRG GA 114 (1997), 261; Schwerhoff, G., Aktenkundig und gerichts­notorisch, 1999; Kriminalität und abweichendes Verhalten, hg. v. Berding, H. u. a., 1999; Krimi­nalitätsgeschichte, hg. v. Blauert, A. u. a., 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Oberwittler, D., Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Wetzell, R., Inventing the Criminal, 2000; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Mord und andere Kleinigkeiten, hg. v. Freitag, S. u. a., 2001; Scheutz, M., Alltag und Kriminalität, 2001; Becker, M., Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft im Königreich Württemberg, 2001; Hohlfeld, N., Moderne Kriminalbiologie, 2002; Unrecht und Recht. Kriminalität und Gesellschaft von 1500-2000. Gemeinsame Landesausstellung der rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive. Ausstellungs­katalog, hg. v. Borck, H., 2002; Vec, M., Die Spur des Täters, 2002; Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Kriminalität und Gesellschaft in Spätmittelalter und Neuzeit, hg. v. Matheus, M. u. a., 2003; Kertelhein, Arne, Alltag und Kriminalität, 2003; Krause, J., Kriminalgeschichte der Antike, 2004; Fritz, G., Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, 2004; Friedländer, H., Interessante Kriminalprozesse, 2005 (CD-ROM); Moses, A., Kriminalität in Baden im 19. Jahrhundert, 2006; Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006; Repräsentation von Krimi­nalität und öffentlicher Sicherheit, hg. v. Härter, K. u. a. 2009

Kriminalpolizei

Lit.: Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002

Kriminologie (F.) Verbrechenskunde

Lit.: Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Rode, C., Kriminologie in der DDR, 1996; Wetzell, R., Inventing the Criminal, 2000; Becker, P., Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts, 2002; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Galassi, S., Kriminologie im deutschen Kaiserreich, 2004; Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Baumann, I., Dem Verbrechen auf der Spur, 2006; Mayenburg, D. v., Kriminologie und Strafrecht zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, 2006; Vormbaum, T., Kriminologie- und Strafvollzugs­geschichte, Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 221ff.

Kristallnacht → Reichskristallnacht

Kroatien (Kroatien-Slawonien) ist die Landschaft zwischen Donau, Drau und Adria sowie Serbien, die seit dem 7. Jh. von Südslawen besiedelt wird. 1102 kommt das 845 selbständige K. in Personalunion an Ungarn und damit 1526 an → Österreich. 1849 wird K. (mit Fiume, Küstenland und Slowenien) dort Kronland, das 1867 Ungarn zugeteilt wird (1868 kroatischer Ausgleich zwischen Ungarn und Kroatien-Slawonien in subdualistischer Form). 1918 wird K. Teil → Jugoslawiens, von dem es sich 1991 löst.

Lit.: Gazi, S., A history of Croatia, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,331; Sanjek, F., Crkva i krscanstvo u Hrvata, 1988; Gavella, N., Die Rolle des ABGB in der Rechtsordnung Kroatiens, ZEuP 1994, 603; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Steindorff, L., Kroatien, 2001; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Weber, J., Kroatien, 2002; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Krone ist ein aus Metall gefertigter Stirnreif, der als Sinnbild der Würde und Macht eines Fürsten verwendet wird. Die K. findet sich früh in vorderasiatischen Königreichen. In Rom ist vielleicht der Lorbeerkranz der Ausgangspunkt. Die deutsche Königskrone vom ausgehenden Frühmittelalter wird bis 1796 als Teil der Reichskleinodien in Nürnberg verwahrt, von wo aus sie vor den Wirkungen der französischen Revolution nach Wien verbracht wird.

Lit.: Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut und Krone, 1952; Machetanz, G., Deutsche Königskrone und römische Kaiserkrone, Diss. jur. Göttingen 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. 2 1955; Biehn, H., Die Kronen Europas, 1957; Corona regni, hg. v. Hellmann, M., 1961; Staats, R., Theologie der Reichskrone, 1976; Staats, R., Die Reichskrone, 1991; Schulze-Dörrlamm, M., Die Kaiserkrone Konrads II. (1024-1039), 1991; Wolf, G., Die Wiener Reichskrone, 1995

Krone der rechten Wahrheit

Lit.: Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368

Krongut → Königsgut

Kronkardinal ist der seit dem Hochmittelalter auf Vorschlag eines weltlichen Herrschers vom Papst ernannte Kardinal.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Kronland ist in Österreich zwischen 1849 und 1860 das Erzherzogtum Österreich, das Herzogtum Salzburg, das Herzogtum Steier­mark, das Königreich Illyrien (Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Istrien, Triest), die Grafschaft Tirol (mit Vorarlberg), das Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Mähren, das Herzogtum Schlesien, das Königreich Galizien und Lodomerien (Auschwitz, Zator, Kakau), das Herzogtum Bukowina, das Königreich Dalmatien, das Königreich Kroatien, das Königreich Slawo­nien, das Königreich Ungarn, das Großf­ürstentum Siebenbürgen, die Gesamtheit der Militärgrenzbezirke und das lombardisch-ve­netische Königreich.

Lit.: Huber, H./Dopsch, A., Österreichische Reichsgeschichte, 2. A. 1901, Neudruck 1968

Kronprinz ist der als Thronfolger in Aussicht genommene Prinz.

Kronprinzenprozess ist der 1730 gegen den Kronprinzen Friedrich (II.) von Preußen wegen eines Fluchtversuches geführte, wegen Unzuständigkeitserklärung des Gerichtes ohne Strafausspruch gebliebene Prozess.

Lit.: Henrichs, C., Der Kronprinzenprozess, 1936

Krönung ist das Aufsetzen der → Krone zum Zeichen eines Herrschaftsantrittes. Die K. beginnt im fränkischen Reich vielleicht mit Pippin II. (751?).

Lit.: Werminghoff, A., Ein Tractatus de coronatione, ZRG GA 24 (1903), 380; Schreuer, H., Über altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 30 (1909), 142; Buchner, M., Zur Datierung und Charakteristik altfranzösischer Krönungsordnungen, ZRG GA 31 (1910), 360; Schreuer, H., Noch einmal über altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 32 (19119, 1; Schreuer, H., Die rechtlichen Grund­gedanken der französischen Königskrönung, 1911; Buchner, M., Nochmals die Krönungsordnung Ludwigs VII. von Frankreich, ZRG GA 33 (1912), 328; Schiffers, H., Die deutsche Königskrönung, 1936; Bouman, C., Sacring and crowning, 1957; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Coronations, hg. v. Bak, J., 1990; Cavina, M., Imperator Romanorum triplici corona coronatur, 1991; Ordines coronationis Franciae, hg. v. Jackson, R., Bd. 1f. 1995ff.; Bronisch, A., Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich, ZRG 116 (1999), 37; Krönungen, hg. v. Kramp, M., 2000; Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004; Zey, C., Imperatrix, si venerit Romam, DA 60 (2004), 1; Wahl und Krönung in Zeiten des Umbruchs, hg. v. Pelizaeus, L., 2008

Kronvasall ist der mit → Königsgut vom → König bzw. von der Krone belehnte → Lehnsmann.

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972

Kronzeuge ist im angloamerikanischen Recht ein Zeuge der (die Krone bzw. den Staat vertretenden) Anklage, der an der Tat beteiligt war, aber für seine Aussage Strafmilderung oder Straffreiheit erhält. Am Ende des 20. Jh.s wird der K. bedingt auch in Deutschland (kurzfristig bis 1999 und tatsächlich selten von Bedeutung) und Österreich in das Strafverfahrensrecht aufgenommen.

Lit.: Röhrkasten, J., Die englischen Kronzeugen, 1990; Mühlhoff, U./Mehrens, S., Das Kronzeugengesetz, 1999

Krummstab ist der bereits bei Isidor von Sevilla (vor 639) bezeugte (oben gekrümmte) Stab des Bischofs.

Lit.: Lind, K., Über den Krummstab, 1863; Bauerreiß, R., Abtsstab und Bischofsstab, Stud. u. Mitt. z. G. d. Benediktinerordens 68 (1957), 215

KSZE → Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

Kues → Nikolaus von Kues

Lit.: Die Urkunden des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues an der Mosel, hg. v. Kortenkamp, G., 2004; Hensel-Grobe, Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007

k. u. k. (kaiserlich und königlich, Österreich 1867, pragmatische Angelegenheiten) → k. k.

Kulm (Culm) ist der Mittelpunkt eines Bistums und Landes in Preußen (1366 Universität).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; 750 Jahre Kulm und Marienwerder, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983

Kulm (der alte K.) ist das in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Kulm aus einer um wenige Zusätze vermehrten Form des Breslauer Stadtrechts (Magdeburg-Breslauer systema­tisches Schöffenrecht) durch Auslas­sungen, Artikelversetzungen und Hin­zufügung von Magdeburger Schöffenurteilen für Kulm und von Stücken aus dem Schwa­benspiegel gewonnene, in fünf Bücher geteilte Rechtsbuch. → Kulmer Handfeste, Landläufige kulmische Rechte

Lit.: Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer Systematische Schöffenrecht, 1863; Lohmeyer, Über eine neue Handschrift des alten Kulm, ZRG GA 3 (1882), 197; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1978; Ebel, F., Kulmer Recht, (in) 750 Jahre Kulm, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983, 9; Sondel, J., Studia nad prawem rzyskim w ius Culmense, 1984; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50; Ebert, I., 600 Jahre alter Kulm, (in) Ostdeutsche Gedenktage 1994, 1993, 241; Janicka, D., Prawo karne w trzech rewizjach prawa chelminskiego z 16 wieku, 1992; Rymaszewski, Z., Nieznany spis prawa chełmińskiego z przełomu XIV-XV wieku (Das bisher unbekannte kulmische Rechtsbuch aus der Wende des 14. zum 15. Jahrhundert), 1993

Kulmer Handfeste ist die am 28. 12. 1233 (?) vom Hochmeister des Deutschen Ordens und vom Landmeister Preußens den Städten Kulm (1232) und Thorn (1231) verliehene Urkunde, welche die Grundlage der Rechtsentwicklung im Einflussgebiet des Deutschen Ordens wird. Sie umfasst 24 Artikel. Sie betreffen die Rechtsverhältnisse der Ansiedler. Ihr folgen jüngere Gerichts­bücher.

Lit.: Kretzschmer, J., Die Culmische Handfeste, 1892; Kisch, G., Studien zur Kulmer Handfeste, ZRG GA 50 (1930), 180; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1931; Willoweit, D., Die Kulmer Handfeste, Beitr. z. G. Westpreußens 9 (1985), 5; Das Kulmer Gerichtsbuch 1330-1430, hg. v. Lückerath, C./Benninghoven, F., 1999

Kulpakompensation ist im neuzeitlichen gemeinen Recht die Berücksichtigung des Mitverschuldens im Wege einer Aufrechnung, die zum Verlust des Ersatzanspruchs führt.

Lit.: Köbler, DRG 214

Kultur (F.) Bearbeitung, Ausbildung, Daseinsgestaltung

Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Kultur und Staat in der Provinz, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 1992; Kulturgeschichte heute, hg. v. Hardtwig, W. u. a., 1996; Wehler, H., Die Herausforderung der Kultur­geschichte, 1998; Kittler, F., Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft, 1999; Kulturwissenschaft, hg. v. Appelsmeyer, H. u. a., 2001; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hartmann, P., Kulturgeschichte des Heiligen römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Müller, R., Die Entdeckung der Kultur, 2003; Handbuch der Kulturwissenschaften, hg. v. Jaeger, F. u. a., 2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische Kulturgeschichte, 2004; Übergänge und Verflechtungen, hg. v. Kokorz, G. u. a., 2004; Vietta, S., Europäische Kulturgeschichte, 2005; Burke, P., Was ist Kulturgeschichte?, 2005; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2006; Maurer, M., Alte Kulturgeschicht – Neue Kultur­geschichte, HZ 280 (2005), 281; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2006; Assmann, A., Einführung in die Kulturwissenschaft, 2006; Wagner, M., Europäische Kulturgeschichte, 2008; Kulturgeschichte, hg. v. Tschopp, S., 2008; Landwehr, A., Kulturgeschichte, 2009

Kulturkampf ist der politische Kampf zwischen dem liberalen → Staat und der katholischen → Kirche (Papst Pius IX. 1846-1878) um die Säkularisierung von Staat und Gesellschaft (Badener Artikel 1834, Aargauer Klostersturm 1841, Baden 9. 10. 1860, Bayern 1868 Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht, Österreich 1870 Kündigung des Konkordats, Deutsches Reich 10. 12. 1871 Kanzelparagraph, 4. 7. 1872 Auswei­sung der Jesuiten, Preußen 11. 3. 1872 Gesetz über die staatliche Schulaufsicht). 1873 erlegen die vier sog. Maigesetze der Kirche staatliche Kontrolle auf. Am 6. 2. 1875 wird die obligatorische Zivilehe eingeführt. Unter Papst Leo XIII. kommt es seit 1880 zu einer Beruhigung und schließlich bis 1887 zu einem beiderseits annehmbaren Ausgleich.

Lit.: Köbler, DRG 172, 209; Baltl/Kocher; Heckel, J., Die Beilegung des Kulturkampfes in Preußen, ZRG KA 19 (1930), 215; Bornkamm, H., Die Staatsidee im Kulturkampf, 1950; Schmidt-Volkmar, E., Der Kulturkampf in Deutschland 1871-1890, 1962; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche in der Ära von Reichsgründung und Kulturkampf, 1975; Der Kulturkampf in Italien und in den deutschsprachigen Ländern, hg. v. Lill, R. u. a., 1993; Der Kulturkampf, hg. v. Lill, R., 1997; Ross, R., The Failure of Bismarck’s Kulturkampf, 1998; Ruppert, S., Kirchenrecht und Kulturkampf, 2002

Kummer ist im Mittelalter die Bezeichnung für → Arrest. Der K. entwickelt sich vielleicht im Frühmittelalter aus dem Verfahren bei handhafter Tat. Der Gläubige kann den flüchtigen, später auch schon den nur flucht­verdächtigen Schuldner festnehmen bzw. seine Vermögensstücke beschlagnah­men, um dadurch die Rechtsverweigerung zu verfolgen, später auch um die Erfüllung der Ansprüche zu sichern. Durch die spätmittelalterliche Wissenschaft wird die rechtliche Behandlung des Kummers unter italienischem Einfluss verfeinert.

Lit.: Köbler, DRG 116; Wach, A., Der Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922

Kündigung ist die einseitige, auf die Beendigung eines Schuldverhältnisses (Dauerschuldverhältnisses) gerichtete Wil­lens­­er­klärung. Dem römischen Recht scheint sie nicht eigen zu sein. Vielleicht ist sie beim Darlehen entstanden. Ihre Verall­gemeinerung erfolgt erst in der Neuzeit.

Lit.: Kaser §§ 42 II 5, 43 I 4, 44 I 3; Immerwahr, W., Die Kündigung, 1898; Molitor, E., Zur Entwicklung des Kündigungsrechts, FS E. Heymann, 1931, 349; Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im Franquismus, 2007

Kündigungsschutz ist der gesetzliche Schutz gegen die → Kündigung. Der K. gehört dem 20. Jh. an, in em die schrankenlose Freiheit aus sozialen Gründen eingeengt wird. Er findet sich hauptsächlich im Mietrecht und im Arbeitsrecht. Im Arbeitsrecht schreibt das deutsche Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8. 1951 für die Kündigung eine soziale Rechtfertigung vor.

Lit.: Köbler, DRG 273; Kroeschell, 20. Jh.; Welslau, A., Befristete Arbeitsverhältnisse und Kündigungs­schutz, Diss. jur. Bielefeld, 1998; Kaiser, C., Kündigungsschutz ohne Prinzip, 2005; Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im Franquismus, 2007

Kunkelmage ist im mittelalterlichen deutschen Recht die weibliche Verwandte.

Lit.: Hübner

Künßberg, Eberhard Frhr. v. (Porohy 28. 2. 1881-Heidelberg 3. 5. 1941), Forstmeis­terssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Mitarbeiter des Deutschen Rechtswörterbuches (1911) in Heidelberg und 1929 Honorarprofessor.

Lit.: Künßberg, E., Frhr. v., Der Wortschatz des österreichischen ABGB, 1930; Künßberg, E., Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936, Nachruf ZRG GA 62 (1942), XLIII (Fehr, Hans)

Kunst ist die Hervorbringung eines von Menschen anerkannten Werkes.

Lit.: Fehr, H., Kunst und Recht, Bd. 1ff. 1923ff.; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 1ff. 1953ff.; Becker, E., Das Recht im „Parzival“, Diss. jur. Bonn 1956; Combridge, R., Das Recht im Tristan Gottfrieds von Straßburg, 1959; Müller, J., Die Rechts- und Staatsauffassung Heinrichs von Kleist, 1962; Pensel, F., Rechtsgeschichtliches und Rechtssprachliches im epischen Werk Hartmanns von Aue und im Tristan Gottfrieds von Straßburg, Diss. phil. Berlin (HU) 1961; Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers „Ring“, 1967; Langer, A., Zu den Quellen des Rechtsdenkens bei Adalbert Stifter, 1968; Hoffmann, E. T. A., Juristische Arbeiten, hg. v. Schnapp, F., 1973; Becker, K., Amors Urteilssprüche, 1991; Canisius-Loppnow, P., Recht und Religion im Rolandslied des Pfaffen Konrad, 1992; Just, R., Recht und Gnade in Heinrich von Kleists Schauspiel Prinz Friedrich von Homburg, 1993; Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst, 1993; Wambach, L., Die Dichterjuristen des Expressionismus, 2002; Geschichte der deutschen Kunst, hg. v. Klotz, H. u. a., Bd. 1ff. Sonderausgabe 2003; Meid, V., Metzler Literatur Chronik, 3. A. 2006; Hölscher, T., Die griechische Kunst, 2007 (und 11 ähnliche Bände zu anderen Kunstepochen); Handbuch Kunst und Recht, hg. v. Hoeren, T. u. a., 2008; Kloepfer, M., Dichtung und Recht, 2008; Miederhoff, T., Man erspare es mir, mein Juristenherz auszuschütten, 2008 (Tucholsky); Braun, J., Kunstprozesse, 2. A. 2009

Kunstfälscher ist der Fälscher eines Kunstwerks. Seit dem 15. Jh. und insbesondere seit dem ausgehenden 18. Jh. wird er verstärkt bekämpft.

Lit.: Würtenberger, T., Das Kunstfälschertum, 1940, Neudruck 1970

Kuppelei ist die seit dem Hochmittelalter in Deutschland bis 1973 allgemein, seitdem nur noch in wenigen Formen verfolgte Förderung sexueller Handlungen zwischen anderen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Kur (F.) Wahl, → Kurfürst

Kurator (zu lat. [M.] → curator, Pfleger) ist seit dem 18. Jh. der staatliche Aufsichtsbeamte über die Universität.

Lit.: Bornhak, C., Geschichte der preußischen Universitätsverwaltung bis 1810, 1900; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn, 1968

Kurbayern → Bayern, Kurfürstentum

Kurbrandenburg → Brandenburg, Kurfürs­tentum

Kurfürst ist (im Heiligen römischen Reich [deutscher Nation]) seit dem 13. Jh. (→ Sachsenspiegel) der den → König wählende Fürst (Wort 1298 belegt). An sich wird der König vom Volk gewählt. Für dieses handeln allgemein die Großen (Herzöge, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Grafen). Wie sich aus ihnen die Kurfürsten entwickelt haben, ist ungewiss (ottonische Tochterstämme?, unterschiedliche Einzelur­sachen?). Jedenfalls nennt bereits der → Sachsenspiegel (1221-1224) die Erzbi­schöfe von Mainz, Köln (bis 1803) und Trier (bis 1803), den Pfalzgrafen bei Rhein (Stammespfalzgrafen von Lothringen) (bis 1623 und ab 1648, Erzschatzmeister, bis 1777), den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg sowie den (nicht deutschen) König von Böhmen als Königswähler. 1356 festigt die → Goldene Bulle die Stellung der Kurfürsten. Sie bilden gemeinsam einen Reichsstand (Kurfürsten­kollegium, Kurfürs­tenrat, der als Führungs­gruppe um einen Anteil an der Herrschaft im Heiligen römischen Reich ringt). Ihre Zahl steigt schließlich auf 10 (Bayern 1623/1648, Hannover 1692/1708, 1803 (ohne Auswirkung wegen fehlender Kaiserwahl) Hessen-Kassel, Baden, Würt­temberg, Salzburg), doch verringert sich ihre Bedeutung durch die Religionskriege, das Fehlen fester Verfahrensweisen und die Verlagerung der Interessen vom Reich auf die angehörigen Länder. 1806 endet mit dem Untergang des Reiches ihre Stellung.

Lit.: Köbler, DRG 109, 110, 147, 148; Bloch, H., Die staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Buchner, M., Die Entstehung und Ausbildung der Kurfürstenfabel, 1912; Krammer, M., Das Kurfürstenkolleg von seinen Anfängen bis zum Zusammenschluss im Renser Kurverein des Jahres 1338, 1913; Quellen zur Geschichte der deutschen Königswahl und des Kurfürstenkollegs, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck 1972; Stutz, U., Das Mainzer Erststimmrecht, ZRG GA 42 (1921), 466; Perels, E., Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Vogelgesang, G., Kanzlei und Ratswesen der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Mess, F., Wartburgkrieg und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Haan, H., Der Regensburger Kurfürstentag von 1636/1637, 1967; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Mathies, C., Kurfürstenbund und Königtum in der Zeit der Hussitenkriege, 1978; Reuling, U., Die Kur, 1979; Hoffmann, P., Die bildlichen Darstellungen des Kurfürstenkollegiums, 1982; Luttenberger, A., Kurfürsten, Kaiser und Reich, 1994; Wolf, A., Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998), 150; Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A. 2000; Gotthard, A., Die Säulen des Reiches, 1999; Erkens, F., Kurfürsten und Königswahl, 2002; Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. v. Wolf, A., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, 2003; Ertl, T., Alte Thesen und neue Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZHF 30 (2003), 619ff Erkens, F., Vom historischen Deuten und Verstehen, ZRG GA 122 (2005), 327; Landau, P., Eike von Repgow und die Königswahl im Sachsenspiegel, ZRG GA 125 (2008), 18

Kurfürstenkollegium → Kurfürst

Kurfürstenrat → Kurfürst

Kurfürstentum ist das Herrschaftsgebiet eines → Kurfürsten.

Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beam­tentum im Kurfürstentum Mainz, 1908; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Pelizaeus, L., Der Aufstieg Württembergs und Hessens zur Kurwürde 1692-1803, 2000

Kurhessen ist die 1803 zum → Kurfürstentum erhobene Landgrafschaft Hessen-Kassel.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kulenkamp, E., Neue Sammlung der Landesordnungen, Bd. 1ff. 1828ff.; Probst, K., Die Entwicklung der Gerichts­verfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in Kurhessen, 1942; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 2008, 45

Kuriatstimme ist die im Reichstag des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) mehreren kleinen Reichsständen nur gemeinsam zustehende Stimme (Grafen und Herren, Prälaten). 1653 bestehen 4 weltliche Kuriatstimmen (für 99 Reichsstände) und 2 geistliche Kuriatstimmen (für 41 Reichs­stände).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 148; Meister, A., Entstehung der Kuriatstimmen, Hist. Jb. 34 (1913), 828

Kurie ist im römischen Recht eine Untergliederung der Volksversammlung (Kuriatkomitie), im katholischen Kirchen­recht die zentrale, aus mehreren Kar­dinalskongregationen bzw. Äm­tern und Gerichtshöfen bestehende Ver­waltungs­behörde des Papstes und im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) die körperschaftlich organisierte Vertretung der Reichsstände (Kurfürsten, sonstige Reichs­fürsten, Reichsstädte) und Landstände (Prälaten, Ritter. Städte und unter Umständen Bauern).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 3, 7, 17; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck 1965; Rusch, B., Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie, 1936; Jordan, K., Die Entstehung der römischen Kurie, ZRG KA 28 (1939), 97; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Robinson, I., The Papacy, 1990

Kurienwahlrecht ist das Wahlrecht nach Kurien (z. B. in Österreich zwischen 1849/­1850 und 1907/1918), das dem Grundsatz der Gleichheit aller Stimmen bei einer Wahl widerspricht.

Lit.: Melik, V., Wahlen im alten Österreich, 1997

Kurköln → Köln, Kurfürstentum

Kurland ist das Land eines Kurfürsten, an dem das Wahlrecht haftet. Davon zu trennen ist K. als das ursprünglich von Kuren besiedelte Land am Rigaischen Meerbusen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2076; Kurland, hg. v. Oberländer, E. u. a., 2008

Kurmainz → Mainz, Kurfürstentum

Kurmede ist eine mittelalterliche grundherr­schaftliche Abgabe.→ Besthaupt

Kurpfalz → Pfalz, Kurfürstentum

Kursachsen → Sachsen, Kurfürstentum

Kursächsische Konstitutionen sind die in Kursachsen (am 21. 4.) 1572 in einem längeren Anhö­rungsverfahren gesetzlich getroffenen Ent­scheidungen in 211 bzw. 249 bzw. 277 von den juristischen Fakultäten von Wittenberg und Leipzig ermittelten Streitfragen (Verfahren, Verträge, Erbrecht und Lehnsrecht, Strafrecht). Sie werden trotz ihres oft bewahrenden Zuges von den Zeitgenossen als Fortbildung des sächsischen Rechts empfunden. 1661 und 1746 folgen 91 bzw. 40 weitere Entschei­dungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen vom Jahre 1572, 1857: http://www.koeblergerhard.de/­Fon­tes/­KursaechsischeKonstitutionen1572.htm

Kurtrier → Trier, Kurfürstentum

kurulisch, Adj., zum Wagen (lat.] currus) ge­hörig (Kennzeichnung der für das Markt­wesen zuständigen Ädile in Rom, auf deren Tätigkeit Wandelung [Rückgängigmachung] und Minderung (Preisherabsetzung] bei Sach­mängeln eines Kaufgegenstands beru­hen)

Kurverein ist ein vertragliches Bündnis von → Kurfürsten. Bedeutsam ist der K. von Rhens (1338). Der Inhalt dieses Bündnisses wird 1356 durch die → Goldene Bulle gefestigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Krammer, M., Das Kurfürs­tenkolleg, 1913; Stengel, E., Avignon und Rhens, 1930

Kurwürde → Kurfürst

Kuss ist die Berührung mit den Lippen. Der K. kann als Gebärde rechtliche Bedeutung haben.

Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, Bd. 1 1943, 83; Perella, N., The Kiss, 1969; Strätz, H., Der Verlobungskuss, 1979; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985

Küste ist die Grenzlinie zwischen Land und Meer. Die vor der K. liegenden Küsten­gewäs­ser werden seit dem 17. Jh. in stetig erweitertem Umfang vom Hoheitsträger auf dem Land beansprucht (3, 12 oder 200 Seemeilen).

Lit.: Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1948; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Küstenland ist das Gebeit an der oberen Adria, das 1564 zu Innerösterreich zählt, 1809 Teil der illyrischen Provinzen Frankreichs ist und 1849 zum aus Görz-Gradisca, Istrien und Triest gebildeten Kronland wird (1910 8000 Quadratkilometer, 900000 Einwohner, davon 50 Prozent Italiener). 1919 fällt es an Italien, 1947 überwiegend an Jugoslawien, bei dessen Auflösung 1991/1993 im Norden an Slowenien, im Süden an Kroatien.

Kuttner, Stephan (Bonn 24. 03. 1907-Berkeley 12. 08. 1996) ist der führende, aus politischen Gründen aus Deutschland über Italien 1940 in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewanderte Kanonist des 20. Jh.s.

Lit.: Hetzenecker, A., Stephan Kuttner in Amerika 1904-1964, 2007

Kux ist seit dem Anfang des 14. Jh.s der Anteil an einer → Gewerkschaft des Bergrechts. Der Anteil an der Gewerkschaft des alten Rechts ist (unbewegliches Vermö­gen und) ideeller Anteil zur gesamten Hand (ursprünglich 4, zuletzt 128 Anteile, davon 122 für Gewerken, 4 für Grundstücks­eigentümer, 2 für Gemeinde, 2 für Schule). Bei der seit dem preußischen Allgemeinen Berggesetz vom 24. 6. 1865 entstehenden Gewerkschaft neuen Rechts ist der K. Anteil an der Gewerkschaft als juristischer Person und damit ein Recht (100 oder höchstens 10000 Anteile). In Deutschland wird der K. 1980 beseitigt.

Lit.: Köbler, DRG 167; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, 1902; Kromrey, P., Die Übertragung, Belastung und Pfändung von Kuxen, Diss. jur. Heidelberg, 1905; Müller-Erzbach, R., Das Bergrecht Preußens, 1917; Ehrenzweig, Das Wort Kux, Z. f. Bergrecht 62 (1921), 191; Kuhlen, H., Die Wandlung in der Rechtsnatur der Kuxe, Diss. jur. Köln 1938; Guder, A., Der Kux, 1959

 

 

L

 

Laband, Paul (Breslau 24. 5. 1838-Straßburg 23. 3. 1918), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Heidelberg (Vangerow, von Mohl) und Berlin (Gneist, Stahl) und der Konversion (1857) 1864 außerordentlicher Professor und 1866 ordentlicher Professor in Königsberg und 1872 in Straßburg. Von der Rechtsgeschichte ausgehend wendet er sich dem Staatsrecht zu, für das er bestimmte Begriffe (z. B. → Gesetz im formellen Sinn, Gesetz im materiellen Sinn) und berechenbare Ordnung der Sätze des geltenden Rechts (durch Verfassung) zur Eindämmung politischer Willkür (im Rechtsstaat) verlangt.

Lit.: Köbler, DRG 195, 199, 208; Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. A. 1911/4, Neudruck 1964; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 145; Gierke, O. v., Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 2. A. 1961; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958, 226; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958, 2. A. 2003; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 301; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Labasnd, P., Staatsrechtliche Vorlesungen, 2004

Labeo, Marcus Antistius (L. filius) (1. Jh. v. Chr.-5/22 [10/11?] n. Chr.), Rechtskun­digensohn (des Pacuvius Antistius Labeo), Schüler des Trebatius, wird nach durch­laufener Ämterlaufbahn als ein führender Rechtskundiger des frühklassischen römi­schen Rechts Haupt der prokulianischen Schule. Von seinem möglicherweise 400 Bücher umfassenden Werk (Fallsammlungen, Kommentar zum Edikt des Prätors, Abhan­d­lung über das Pontifikalrecht) zeugen mehr als 500 überlieferte Bruchstücke (u. a. Kom­mentare zum Edikt des Prätors).

Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30; Pernice, A., Labeo, Bd. 1 1873, 7; Kohlhaas, C., Die Überlieferung der libri posteriores des Antistius Labeo, 1986

Labeo, Pacuvius Antistius (L. pater) (1. Jh. v. Chr.-42 v. Chr.) ist der an der Verschwörung des Brutus gegen Caesar teilnehmende römische Rechrskundige, dessen Sohn Haupt der prokulianischen Schule wird.

Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung römischer Juristen, 2. A. 1967, 32

Lachen

Lit.: Le Goff, J., Das Lachen im Mittelalter, 2004

lacina (lat.-afrk. [F.]) Wehrung

Laden (M.) ist das Brett, der Verschluss einer Öffnung oder der Geschäftsraum. Im Spätmittelalter verlagert sich der Verkauf vom allgemeinen Markt zunehmend in den einzelnen L. Der Angestellte im L. hat eine beschränkte Vollmacht. Die Zeit, in der ein Laden geschlossen sein muss, wird vereinzelt seit dieser Zeit (Goslar 1281, Brieg 1318, Lüneburg 1350), allgemein erst im 20. Jh. (Deutschland 1956 Ladenschlussgesetz) genau festgelegt, aus wirtschaftlichen Erwä­gungen gegen den Widerstand der Kirchen aber immer stärkter eingeschränkt.

Lit.: Rühling, M., Das Ladenschlussgesetz vom 28. November 1956, 2004

Ladiner ist der Angehörige der in den Alpen und (vor allem) in den Dolomiten ansässigen, vom Spätlateinischen abgeleiteten besonderen Sprachgemeinschaft des Ladinischen.

Lit.: Perathoner, Die Dolomitenladiner, 1998

Ladung ist die Aufforderung vor einer Behörde oder einem Gericht zu einem be­stimmten Zeitpunkt zu erscheinen. Sie findet sich bereits im XII-Tafelgesetz des altrömischen Rechts (lat. si in ius vocat, ito, wenn er zu Gericht ruft, soll er gehen). Sie wird auch zu Beginn des frühfränkischen (lat. [M.]) Pactus legis Salicae (507-511?) sichtbar und hat vermutlich bereits für die germanische Volksversammlung bestanden. Im Früh­mittelalter wird die private L. durch den Ansprecher (lat. [F.] mannitio) durch die öffentliche L. des Verfahrensleiters (lat. [F.] bannitio) ersetzt. Ungerechtfertigtes Nichter­scheinen (Ladungsungehorsam, anders → echte Not ) zieht den jeweiligen → Bann nach sich, wobei insgesamt dreimal zu laden ist (→ Aller guten Dinge sind drei). In der frühen Neuzeit kann das Erscheinen mit Zwangsmitteln erzwungen werden. Die L. erfolgt vielfach schriftlich. Die Voraus­setzungen und Förmlichkeiten werden streng festgelegt. → Ediktalzitation

Lit.: Kaser §§ 82 I 1, 87 I 4, 87 II 3; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 70, 86, 117, 155, 202; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Kulessa, M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Reinschmidt, T., Die Entstehung des Rechtsganges und das Versäumnisverfahren im salfränkischen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968

Ladungsfrist ist die zwischen → Ladung und Zeitpunkt des Erscheinens vor Gericht liegende, dem Schutz bzw. der Vorbereitung des Geladenen dienende Frist.

Ladungsungehorsam ist die gewollte Nichtbeachtung der → Ladung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Laesio (F.) enormis (lat.) ist die außer­gewöhnliche (enorme) Verletzung (der Vertrags­ge­rechtigkeit). Sie geht vielleicht auf Diokletian (284-313) zurück und ist philosophisch-christlich geprägt. Nach ihr kann der Verkäufer einer Sache (z. B. Bauer als Eigentümer eines Grundstücks) den Ver­trag anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis (lat. iustum pretium [N.]) fehlenden Betrag nachzahlt. 1234 übernimmt die mittelalterliche Kirche die von Justinian vertretene Lehre vom gerechten Preis und der l. e. Diese wird vom gemeinen Recht fortgeführt, vom Liberalismus des 19. Jh.s aber (z. B. im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1896/1900 aufgege­ben.

Lit.: Kaser § 41 II 3; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 64, 127, 166, 214; Dekkers, R., La lésion énorme, 1937; Schulze, W., Die laesio enormis, Diss. jur. Münster 1973; Kalb, H., Lex Baiuvariorum, Vita Corbiniani und laesio enormis, ZRG GA 106 (1989), 325; Becker, C., Die Lehre von der laesio enormis, 1993

laesowerpire (lat.-afrk.) in den Schoß werfen

Lagerbuch Urbar

laghsaga (an. [F.]) Rechtsvortrag

Lagus (Hase), Conrad (um 1500-1546) wird 1516 als Conradus Haß de Creutzburgk in Leipzig und 1519 in Witten­berg immatri­kuliert und macht sich um das rechts­wissenschaftliche Studium als juristischer Privatlehrer und Humanist in Wittenberg verdient (Traditio methodica utriusque juris 1543 [De iure personarum, De modis acquirendi alienandi et amittendi res, De pactis et obligationibus, De actionibus et exceptionibus, De iudiciis, De privilegiis et iuris beneficiis], Compendium juris Saxonici posthum 1597).

Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Zur Geschichte der Rechtswissenschaft, 1876, 299

Lähmung → Körperverletzung

Laibach in Slowenien wird 1919 Sitz einer Universität.

Laie (lat. [M.] laicus) ist der Nichtfachmann, im Kirchenrecht der einfache Gläubige im Gegensatz zum → Kleriker (Klerus).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit, 1974; Felten, F., Äbte und Laienäbte im Frankenreich, 1980; Vauchez, A., Les laics au Moyen Age, 1987; Löhr, D., Zur Mitwirkung der Laienrichter im Strafprozess, 2008

Laieninvestitur (Investitur von Laien in kirchliche Ämter durch den König) → Investitur, Investiturstreit

Laienrichter ist der nicht rechtswissen­schaftlich gebildete Richter im Gegensatz zum rechtswissenschaftlich gebildeten Berufsrichter. Ursprünglich sind alle Richter und Urteiler Laien und alle freien Männer an Entscheidungen über Streitigkeiten beteiligt. Bereits in fränkischer Zeit beschränkt sich die Tätigkeit als Richter (thunginus, Graf) und Urteiler (Rachinburge, Schöffe) auf ausge­wählte Männer. Seit dem 12. Jh. verdrängt ausgehend von der kirchlichen Gerichts­barkeit der wissenschaftlich zur Streitent­scheidung Ausgebildete (Jurist) den L. fast völlig. Bereits am Reichskammer­gericht des Heiligen römischen Reiches (1495) sind je zur Hälfte nur Adelige und Doktoren tätig, während die Constitutio Criminals Carolina (1532) noch durchweg die Mitwirkung von (ungelehrten) Schöffen vorsieht. Rechtstat­sächlich setzt sich allmählich der gelehrte Jurist bis in die Untergerichte durch. Die Aufklärung strebt demgegenüber die Mit­wirkung von Laienrichtern ein (z. B. Justus Möser 1774). Nach dem Vorbild Englands führt Frankreich 1791 eine Jury von Laien­richtern ein. Im 19. Jh. verlangt der Liberalismus auch im deutschen Sprach­raum nach englisch-französischem Vorbild die Rückkehr zum L. Im Schwur­gericht, Handels­gericht, Arbeitsgericht, Ver­waltungsgericht und Sozialgericht setzt sich dieses Verlangen in gewissem Umfang durch, wobei seit 1922 auch Frauen als L. zugelassen werden. Die sog. Lex Emminger (1924) be­seitigt aus Kostengründen das Schwurgericht und erweitert die Zuständigkeit des berufs­mäßigen Einzel­richters. 1939 wird im Deutschen Reich die Mitwirkung von Laien­richtern in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (bis 1945) beseitigt.

Lit.: Köbler, DRG 201, 202; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 35; Kern, E. Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit, 1974; Löhr, D., Zur Mitwirkung der Laienrichter im Strafprozess, 2008

Laienspiegel ist die von dem Nördlinger Stadtschreiber und Höchstetter Landvogt Ulrich → Tengler 1509 für Laien vorgelegte Einführung in das gelehrte Recht. Der L. behandelt in seinen drei Büchern die Stellung weltlicher Herrschaftsträger (Richter, Partei, Fürsprecher, Vorstand, Bürgermeister, Rats­herr), die Gerichtsverfassung und das Privatrecht sowie das Strafverfahren. Als Quellen lassen sich das (lat.) Speculum (N.) iudiciale des → Durantis (1290), Johannes Andreae, Bartolus, Petrus de Ferrariis, verschiedene verbreitete Traktate, die Bibel, Aristoteles, die Goldene Bulle und andere Reichsgesetze, der → Klagspiegel, der → Hexenhammer und die → Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) nachweisen. Der L. ist fast im gesamten 16. Jh. durch zahlreiche Drucke weit verbreitet.

Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 147, 172; Der Teufelsprozess, hg. v. Schmitz, W., 1980

Laizismus (M.) ist die in Frankreich im 19. Jh. entwickelte Bezeichnung für seit der Aufklärung erkennbare Bestrebungen, den Einfluss der Kirche auf den Staat zurückzudrängen.

lance et licio (lat.) mit Schüssel und Schurzfell, → Haussuchung

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48

Land ist das als eine Einheit erscheinende Gebiet der Erde, insbesondere auch der Gliedstaat eines Bundesstaats. Als politisches Gebilde im fränkisch-deutschen Reich begegnet das L. seit dem Hochmittelalter (vielleicht unter Auswirkung des Abschlusses des Investiturstreits durch das Konkordat von Worms 1122). Es entwickelt sich durch territoriale Aufteilung des älteren Personal­verbands (Volk). Augenfällige Beispiele sind die Verselbständigung → Österreichs gegen­über → Bayern (1156) zwecks Ausgleichs zwischen Babenbergern, Welfen und Staufern und die Aufteilung → Sachsens (1180) zwecks Herabsetzung Heinrichs des Löwen durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Innerhalb des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) bilden sich in der Folge sehr viele Länder. Am Rande spalten sich die → Schweiz und die → Niederlande (spätestens 1648) ab. Innerhalb Österreichs werden die Länder von 1744 bis 1848 von Gubernien überlagert. In der Schweiz treten die Teile von 1798 bis 1803 zurück. 1806 werden die größeren Länder nach Beseitigung der kleineren Herrschaften selbständige Staaten. Sie vereinigen sich 1815 zum 1866 am österreichisch-preußischen Gegensatz schei­tern­den → Deutschen Bund. Innerhalb Österreichs verliert das Land von 1848 bis 1920 seine Rechtspersönlichkeit. Die Mehr­zahl der deutschen Länder findet 1871 zum Deutschen Reich zusammen. Den in Österreich zusammengeschlossenen Ländern (Bundesländern) wird 1918 von den anderen europäischen Mächten der Beitritt verwehrt. Im Deutschen Reich werden die Länder von 1934 (bis 1945) bedeutungslos. Der 1938 erfolgte → Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wird 1945 rückgängig gemacht. Die Abtrennung der 1945 der sowjetischen Besatzungszone zuge­schla­genen, 1958 durch Bezirke ersetzten Län­der (Brandenburg, Mecklen­burg-Vorpom­mern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) in der → Deutschen Demokra­tischen Repu­blik endet am 3. 10. 1990.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 110, 113, 138, 148, 150, 197, 230, 244, 247, 256, 258, 259; Köbler, Historisches Lexikon (1. A. 1988); Köbler, WAS; Müller, L., Badische Landesgeschichte, Bd. 1 1900; Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 3. A. 1943, 6. A. 1973; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen, 1961; Köbler, G., Land und Landrecht im Mittelalter, ZRG GA 86 (1969), 1; Das Land Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1977ff.; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Möckli, G., Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Weltin, M., Der Begriff des Landes bei Otto Brunner und seine Rezeption durch die verfassungsgeschichtliche For­schung, ZRG GA 107 (1990), 337; Länderparlamentarismus in Deutschland, hg. v. Mielke, S. u. a., 2004

Landbrauch

Lit.: Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch, 1913

Landbuch ist ein in verschiedener Hinsicht ein → Land betreffendes Buch (z. B. L. der Neumark um 1336, L. der Mark Brandenburg 1375/6).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Das Landbuch der Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., 1940; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982, 357

Landesausbau ist im Mittelalter und der früheren Neuzeit der innere Ausbau eines Landes durch verstärkte wirtschaftliche Nutzung (z. B. Rodung, Entwässerung).

Lit.: Brenning, A., Innere Kolonisation, 1909; Ranzi, F., Königsgut und Königsforst, 1939; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Struk­turen der Grundherrschaft, hg. v. Rösener, W., 1989, 411

Landesausschuss ist der in Österreich in der frühen Neuzeit vom Landtag gewählte Ausschuss zur Verwaltung des Landes mit dem Landeshauptmann an der Spitze (1918 Landesrat, 1920 Landesregierung). Ab 1744 treten ihm Zentralstaatsbehörden zu Seite (Gubernien). Die Doppelgleisigkeit endet mit einer Verfassungsänderung 1925..

Landesfürst ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) der Fürst eines Landes (Landesherr). Es gibt weltliche und geistliche Landesfürsten (z. B. Herzog, Markgraf, Graf., Erzbischof, Bischof, Abt). Der L. hat zusammen mit den Landständen die Landesherrschaft. Im Reich ist der L. zugleich Reichsfürst (im Reichstag).

Lit.: Baltl/Kocher; Spindler, M., Die Anfänge des bayerischen Landesfürstentums, 1937, Neudruck 1973; Stolz, O., Zur Entstehung und Bedeutung des Landes­fürstentums im Raume Bayern – Österreich – Tirol, ZRG GA 71 (1954), 339; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987

Landesgericht ist das in einem oder für ein Land gebildete Gericht. Seit dem Hoch­mittelalter geht im deutschen Reich die Gerichtsbarkeit allgemein weitgehend vom König auf den Landesherrn über. Dieser bildet meist eine mehrstufige landesfürstliche Gerichtsbarkeit aus. Oberste Gerichtshöfe entstehen als Landesgerichte beispielsweise in Preußen (1483 Kammergericht), in Österreich (1749 Oberste Justizstelle) oder Bayern (1625 Revisorium). Am 14. 6. 1849 werden in Österreich Landesgerichte eingerichtet.

Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 27; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 38

Landesgeschichte ist die auf das einzelne Land (z. B. Bayern, Baden, Vorarlberg) aus­gerichtete → Geschichte bzw. Geschichts­schreibung. Sie steht in Deutschland vor allem im Gegensatz zur Reichsgeschichte.

Lit.: Probleme und Methoden der Landesgeschichte, hg. v. Fried, P., 1978; Deutsche Landesgeschichts­schreibung im Zeichen des Humanismus, hg. v. Brendle, F. u. a., 2001; Im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik, hg. v. Werner, M., 2004

Landesgesetz ist das für ein Land vom zuständigen Organ geschaffene Gesetz. Es steht im Gegensatz zum Reichsgesetz oder Bundes­gesetz. Es gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung.

Lit.: Neue Sammlung mecklenburgischer Landes­gesetze, Bd. 1ff. 1769ff.; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Maier, K., Die Anfänge der Polizei- und Landesgesetzgebung in der Markgrafschaft Baden, 1984

Landeshauptmann ist der Leiter der Verwaltung eines Landes. Er erscheint als (lat. [M.]) capitaneus in der Steiermark, Kärnten und Krain an der Stelle des königlichen Reichsstatthalters in der Mitte des 13. Jh.s. Er ist gleichzeitig Haupt der Stände des Landes. In den habsburgischen Ländern erhält sich das Amt des jetzt vom Landes­fürsten ernannten, dem Landesausschuss und dem Landtag vorsitzenden Landeshaupt­manns. 1918 werden ihm die bisher vom Statthalter wahrgenommenen Aufgaben der Zetralstaatsverwaltung auf Landesebene über­tragen. Dem Landtag sitzt seit 1920 ein besonderer Landtagspräsident vor. In der Gegenwart ist der L. Leiter der Regierung eines Landes, der auch die mittelbare Bundesverwaltung ausführt.

Lit.: Baltl/Kocher; Brandis, J., Geschichte der Landeshauptleute von Tirol, 1850; Kozina, G., Die Landeshauptleute von Krain, 1864

Landesherr (lat. dominus [M.] terrae) ist seit der ersten Hälfte des 13. Jh.s der → Herr eines besonderen → Landes. Er ist Empfänger der wichtigsten Regalien, höchster Richter im Land, Träger des Heerbannes und Wahrer des Landfriedens, somit insgesamt Inhaber der sich ausbildenden Landesherrschaft. Zu sei­nen Einnahmequellen zählt vor allem auch die → Steuer. Im Ringen mit den Großen im Land (→ Landständen) setzt er sich in der Neuzeit meist durch. Am Ende des ersten Weltkrieges muss der L. dem Grundsatz der Volkssouveränität weichen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 112, 148, 154; Ludicke, R., Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster, 1901; Lichtner, A., Landesherr und Stände in Hessen-Cassel, 1913; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Renger, R., Landesherr und Landstände im Hochstift Osnabrück, 1968; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft?, 1982; Gmür, R., Städte als Landesherren, FS H. Thieme, 1986

Landesherrschaft ist seit dem hohen Mittelalter die → Herrschaft des → Landesherrn über ein → Land. Ihre Grundlage ist im Einzelnen sehr unterschiedlich (Grundherrschaft, Bannge­walt, Gerichtsgewalt, Vogtei, Schirmvertrag, königliches Amt). Sie muss im Ringen mit den Ständen gefestigt werden. Sobald das Land, wie das für die Kurfürstentümer 1356 in der Goldenen Bulle und für Österreich 1358/1359 in einer Fälschung (lat. pri­vilegium [N.] maius) festgelegt wird, nicht mehr geteilt werden kann, tritt die Vorstellung von der privaten, im Erbfall ohne weiteres teilbaren Sachherrschaft des Landesherrn über das Land zugunsten der öffentlichen Einordnung zurück (Entstehung des modernen, Hoheitsidee, Gesetzgebung und rationales Verwaltungsverständnis voraus­setzenden Staates). Seit dem 18. Jh. ist wichtigster Bestandteil der einheitlichen monarchischen, an der Wohlfahrt des Ge­meinwesens ausgerichteten Staatsgewalt die Polizeigewalt (lat. ius [N.] politiae). Die nun so bezeichnete Landeshoheit, in der sich die früher vereinzelten Hoheitsrechte zur umfassenden Hoheitsgewalt (Souveränität) verdichten, wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen. Demgegenüber lassen sich die Rechte der Landstände nicht erweitern, sondern höch­stens bewahren.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 149; Baltl/Kocher; Roßberg, A., Die Entwicklung der Territorialherrlichkeit in der Grafschaft Ravensberg, Diss. phil. Leipzig 1909; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964; Schlesinger, W., Die Landesherrschaft der Herren von Schönburg, 1954; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Bühler, T., Gewohnheitsrecht und Landes­herrschaft, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002

Landeshoheit ist die in der frühen Neuzeit durch Zusammenfassung von Herrschafts­rechten und Verdichtung der → Landes­herrschaft entstehende Hoheitsgewalt (Sou­veränität) des Landesherrn (Fürsten) in einem Land (Staat).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 149; Moser, J., Von der Landeshoheit der deutschen Reichsstände, 1773; Stutz, U., Das habsburgische Urbar und die Anfänge der Landeshoheit, ZRG 25 (1904), 192; Fehr, H., Die Entstehung der Landeshoheit im Breisgau, 1904; Aubin, H., Die Entstehung der Landeshoheit, 1920, Neudruck 1961; Mack, E., Die Entstehung der Landeshoheit der Grafen von Wirtenberg, 1926; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Landeshoheit, hg. v. Riedenauer, E., 1994

Landeskirche ist im evangelischen Kirchen­recht die Kirche eines Landes oder Landes­teils (z. B. Baden, Kurhessen-Waldeck, Hannover, Schleswig-Holstein, Schaumburg-Lippe, Württemberg, Eutin, Lippe).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Hinschius, P., Die evangelischen Landeskirchen in Preußen, 1867; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988

Landesobrigkeit ist die im Übergang zwischen → Landesherrschaft und → Landes­hoheit befindliche landesherrliche Gewalt der frühen Neuzeit.

Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975

Landesordnung ist die seit dem Spätmittelalter sichtbare, umfassendere, ordnende Gesetzgebung des Landesherrn zur Klarstellung wichtiger Fragen auf den unterschiedlichsten Rechtsgebieten (z. B. Tirol 1526 Bauernlandesordnung, 1532, 1573, Böhmen 1500, 1530, 1549, 1564, 1627, Mähren 1535, 1545, 1562, 1604, 1628, Oberlausitz 1538/1539, 1582, 1597, Oppeln-Ratibor 1562, Teschen 1573 u. a.). Im 19. Jh. regeln in Österreich Landesordnungen vom 26. 2. 1861 Fragen des Landesverfassungs­rechts (bis 1918).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kleinschmidt, C., Sammlung fürstlich hessischer Landesordnungen, Bd. 1ff. 1767ff.; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Richter, G., Die ernestinischen Landesordnungen, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Quellen zur neueren deutschen Privatrechts­geschichte, Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 517; Wesener, G., Zur Bedeutung der österreichischen Landesord­nungsentwürfe, FS N. Grass, Bd. 1 1974, 613; Berg, T., Landesordnungen in Preußen, 1998; Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008

Landesparlament ist das → Parlament eines → Landes.

Lit.: Eicher, H., Der Machtverlust der Landesparlamente, 1988

Landesrecht ist das besondere → Recht eines → Landes im Gegensatz zu einem übergeordneten Recht wie z. B. dem Bundesrecht. Es entsteht anfangs im Hochmittelalter als Landrecht im Gegensatz zum Stadtrecht. Bis in das 19. Jh. überwiegt es das gesetzte einheitliche Recht (in Deutschland). Durch die einheitliche staat­liche Gesetzgebung des ausgehenden 19. Jh.s wird es in Deutschland in vielen Bereichen auf Randfragen zurückgedrängt (sog. Verlustliste der deutschen Rechts­einheit), bleibt aber z. B. im Ver­waltungs­recht bedeutsam. Grundsatz wird, dass bei konkurrierender Zuständigkeit das Reichs­recht oder das Bundesrecht das L. bricht.

Lit.: Köbler, DRG 103, 184, 231; Kahler, O., Das schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1964; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht, 2002

Landesregierung ist die → Regierung eines → Landes (z. B. 1849 in Salzburg, Kärnten, Krein, Schlesien und Bukowina, 1918/1920 allgemein).

Landessteuer ist die seit dem 13. Jh. in einem → Land erhobene → Steuer. Der Kreis der Steuerpflichtigen ist nicht überall gleich. Die L. bedarf grundsätzlich der Bewilligung durch die Landesbehörde.

Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965, 273; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975

Landesteilung ist die der Reichsteilung des fränkischen Frühmittelalters entsprechende Teilung eines → Landes unter mehrere Söh­ne. Sie birgt die Gefahr der Macht­zersplitterung in sich. Deswegen finden sich Teilungsverbote bereits unter Friedrich I. Barbarossa und Rudolf von Habsburg (1283). Für die → Kurfürsten­tümer schließt die → Goldene Bulle (1356) die Teilung aus. Noch in der späteren Zeit werden Länder aber tatsächlich geteilt (Hessen 1567, Österreich, Anhalt 1635, Braunschweig 1636, Sachsen-Gotha 1680, Mecklenburg 1701).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Hartel, R., Über Landesteilungen in deutschen Territorien, FS F. Hausmann, 1977, 179

Landesverfassung ist die besondere (for­melle) → Verfassung eines → Landes.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kopp, U., Handbuch zur Kenntnis der Hessen-Casselschen Landesverfassung, Teil 1 1796; Kaltenborn, C., Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1f. 1857

Landesverordnung ist die ein → Land betreffende → Verordnung im Gegensatz vor allem zum → Landesgesetz.

Lit.: Kreittmayr, W. Frhr. v., Sammlung der chur­baierischen Generalien und Landesverordnungen, 1771

Landesverrat ist der Verrat des eigenen → Landes durch einen Menschen. Ihm geht bereits bei den Germanen der Verrat des Volkes voraus, bei dem nach Tacitus der gefasste Verräter aufgehängt wird. Seit dem Hochmittelalter wird das römischrechtliche (lat.) → crimen (N.) maiestatis (Majestätsver­brechen) aufgenommen. Strafe der Verräterei ist das Rädern oder Vierteilen Nach der österreichischen (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Josephina (1787) ist L. das Verbrechen gegen den Staat bzw. Vaterland im Gegensatz zu dem gegen den Herrscher gerichteten → Hochverrat. In der Mitte des 19. Jh.s ist L. die Bedrohung der äußeren Machtstellung des Staates.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Schröder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, 1970; Hanten, M., Publizistischer Landesverrat vor dem Reichsgericht, 1999

Landesverwaltung ist die → Verwaltung (eines → Landes) durch Landesbehörden. Hierzu bildet der Landesherr seit dem Spätmittelalter eine beamtete Verwaltungs­organisation aus. Als deren späte Folge ist auch in der Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland die Verwaltung grundsätzlich Angelegenheit des Landes.

Lit.: Köbler, DRG 113, 151, 197, 258; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Deutsche Verwaltungsgeschichte hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.

Landesverweisung ist die Verweisung (z. B. eines Straftäters) aus dem Land. Ihr geht die ältere Verbannung voraus. Ihr entspricht im Hochmittelalter die Verweisung aus der Stadt, die beispielsweise in Augsburg des späten 14. Jh.s jährlich etwa ein 1/2 % der Stadtbewohner betrifft. Seit dem 15. Jh. wird von L. gesprochen. Sie führt zu Konflikten mit den benachbarten Ländern. Seit dem 18. Jh. wird sie allgemein aufgegeben und auf Ausländer beschränkt (anders z. B. in Österreich 3. 4. 1919 die L. der Familie Habs­burg)..

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 410, 533, Neudruck 1964; Müller, W., Die Stadtverweisung, Diss. jur. Leipzig 1935; Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, Diss. jur. Jena 1938

Landfolgepflicht ist die bereits im Früh­mittelalter sichtbare Verpflichtung, bei Gefährdung der Allgemeinheit wehrhafte Hilfe zu leisten. Mit der Entstehung des ritterlichen Reiterheeres tritt die L. im Hochmittelalter an Bedeutung zurück, ohne ganz zu verschwinden. In der Wehrpflicht des 18. Jh.s wird sie in veränderter Form neu belebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Fehr, H., Landfolge und Gerichtsfolge im fränkischen Recht, FG R. Sohm, 1914

Landfriede ist der von Rechtsbruch nicht gestörte Zustand (in einem Land). Seit dem 10. Jh. ist in Südfrankreich und Spanien ([Le Puy um 975,] Charroux 989, Narbonne um 990, Le Puy 994, Limoges 994, Poitiers 1000) das von der Kirche in Wiederholung merowingischer und karolingischer Kapitu­larien und Bußbücher ausgehende Gebot des → Gottesfriedens sichtbar. Seit dem aus­gehenden 11. Jh. erscheint der weltliche L. (z. B. Kaiser Heinrichs IV. von 1103 oder Kaiser Friedrichs I. Barbarossa von 1152) Er sieht peinliche → Strafen für Unrechtstaten vor. Seine Grundlage ist meist eine beschworene → Einung, in anderen Fällen auch ein Gesetz. Wichtige Landfrieden sind der Mainzer Reichslandfriede von 1235 und der ewige L. von 1495, der die Fehde (Selbsthilfe) vollständig verbietet. → Landfriedensbruch

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 118, 147; Baltl/Kocher; Weiland, B., Sächsischer Landfriede aus der Zeit Friedrichs II. und die sog. Treuga Heinrici regis, ZRG GA 8 (1887), 88; Bock, E., Der Kampf um die Landfriedenshoheit in Westfalen, ZRG GA 48 (1928), 379; Quidde, L., Histoire de la Paix publique en Allemagne au moyen âge, 1929; Schnelbögl, W., Die innere Entwicklung der bayerischen Landfrieden des 13. Jahrhunderts, 1932; Wohlhaupter, E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Meyer, B., Der Sorge für den Landfrieden im Gebiet der werdenden Eidgenossenschaft 1250-1350, 1935; Bader, K., Probleme des Landfriedensschutzes, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 3 (1939), 1; Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung in Deutschland, 1952; Partsch, G., Ein unbekannter Landfrieden aus dem 12. Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 93; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Stein, G., Die Einungs- und Landfriedenspolitik der Mainzer Erzbischöfe, Diss. phil. Mainz 1960; Gerlich, A., Studien zur Landfriedenspolitik König Rudolfs von Habsburg, 1963; Angermeier, H., Königtum und Landfriede im Spätmittelalter, 1966; Mohrmann, W., Der Landfriede im Ostseeraum, 1972; Quellen zur Geschichte der fränkisch-bayerischen Landfriedensor­ganisation, bearb. v. Pfeiffer, G., 1975; Leist, W., Landesherr und Landfrieden in Thüringen im Spätmittelalter, 1975; Wadle, E., Der Nürnberger Friedebrief Kaiser Friedrich Barbarossas, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 548; Stercken, M., Königtum und Territorialgewalten, 1989; Rotthoff-Kraus, C., Die politische Rolle der Landfriedenseinungen zwischen Maas und Rhein, 1990; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfriede, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63; Wadle, E., Landfrieden, Strafe, Recht, 2001; Landfrieden, hg. v. Buschmann, A. u. a., 2001; Graevenitz, C. v., Die Landfriedenspolitik Rudolfs von Habsburg, 2003

Landfriedensbruch ist die Verletzung des Landfriedens. Die Folge ist eine peinliche → Strafe. Daneben ist auch die → Acht von großer Bedeutung. Mit dem 16. Jh. macht sich der Einfluss des römischen Rechts bemerkbar (Gail), wonach der L. die zu gewalttätigem Zweck erfolgende Vereinigung einer Menge von 10 bis 15 Menschen voraussetzt. Mit dem Ende des Heiligen römischen Reichs (1806) wird die Verbindung mit dem mittel­alterlichen Landfrieden schwächer. 1871 bestimmt das deutsche Reichsstrafgesetzbuch den L. als eine Verbindung von Zusam­menrottung und Gewaltanwendung. 1970 wird die Strafbarkeit auch der bloßen Teilnahme an einer gewalttätigen öffentlichen Zusammenrot­tung in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben. Für Österreich vgl. § 274 StGB.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hagemann, H., Vom Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kerth, J., Der landsfried ist zerbrochen, 1997

Landfriedensgericht ist im Hochmittelalter und Spätmittelalter das für die Wahrung des → Landfriedens vorgesehene → Gericht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberhardt, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG GA 75 (1958), 108

Landgemeinde ist die nichtstädtische Gemeinde. Sie entsteht im Hochmittelalter und Spätmittelalter aus den unterschied­lichsten Ansatzpunkten (Nachbarschaft, Hof­genossen­schaft, Markgenossenschaft, Grund­herrschaft, Gericht, Vogtei, Kirche usw.). Nach der staatlichen Verdichtung der frühen Neuzeit wird die Idee der → Selbst­verwaltung der ländlichen Gemeinde im 19. Jh. aufgegriffen und in Preußen in der Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845 und für die sieben östlichen Provinzen von 1891 verwirklicht (vgl. Baden Gemeindegesetz 1831, Österreich Gemeinde­gesetz 1849, Bayern Gemeindeordnung 1869). Als Gebietskörper­schaft dient die L. seitdem als kleinste räumliche Einheit der (staatlichen) Verwaltung.

Lit.: Hübner 129; Kroeschell, DRG 1; Bognetti, G., Sulle origini dei comuni rurali del medio evo, Studi nelle scienze giuridiche e sociali 10f. (1926f.); Quirin, K., Herrschaft und Gemeinde, 1952; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Steinbach, F., Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen, 1960; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Schwineköper, B., 1964, 2. A. 1986; Nikolay-Panter, M., Entstehung und Entwicklung der Landgemeinde im Trierer Raum, 1976; Bognetti, G., Studi sulle origini del comune rurale, 1978; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Landgemeinden im Übergang zum modernen Staat, hg. v. Franz, N. u. a., 1999

Landgericht ist allgemein ein für ein → Land zuständiges → Gericht. Es erscheint mit der Territorialisierung des Rechts im Hochmittelalter. Wesentliche Kennzeichen könnten der Graf als Landrichter, die Zuständigkeit für gewichtigere Streitfälle (Eigen und Erbe, Freiheit, Ungericht), die Anwendung des Landrechts und die regelmäßige Abhaltung an (mehreren) festen Gerichtsplätzen (Dingstätten, Schrannen) sein. Das L. ist meist nicht für den Adel zuständig und steht unter dem landesfürstlichen → Hofgericht. Von daher versteht sich seine Entwicklung zu einer mittleren Instanz. 1877/1879 wird das L. (1893 im Deutschen Reich 172 Landgerichte mit 2341 Richtern) zu dem zwischen Amts­gericht und Oberlandesgericht stehenden Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, das Eingangsgericht nur für gewichtigere Zivilsachen und Straffälle ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115, 200, 261; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 2 1906; Voltelini, H. v., Die Entstehung der Landgerichte im bayerisch-österreichischen Rechtsgebiete, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1905), 1; Müller, H., Das kaiserliche Landgericht der vormaligen Grafschaft Hirschberg, 1911; Kalisch, H., Die Grafschaft und das Landgericht Hirschberg, ZRG GA 34 (1913), 141; Feine, H., Die kaiserlichen Landgerichte in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148; Hiereth, S., Die bayrische Gerichts- und Verwaltungsorganisation, 1950; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Landwehr, G., Die althannoverschen Landgerichte, 1964; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1964; Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966; Düsseldorf und sein Landgericht 1820-1970, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landgerichts in Oldenburg (1573-1935), 1975; Iustitia Coloniensis, 1981; Hiereth, S., Moosburg, 1986; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und Landgericht Konstanz, 1988; Raubold, D., Das Landgericht Hildesheim, 2003

Landgerichtsordnung ist die für das → Landgericht verfasste Ordnung (z. B. Oberösterreich 1514, Franken 1618).

Lit.: Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Merzbacher, F., Ordinatio Iudicii Provincialis Franconica, Würzburger Diözesangeschichtsbll. 32 (1970), 83

Landgraf ist seit der ersten Hälfte des 12. Jh.s ein wohl im Zuge der allgemeinen Territorialisierung entstehender Titel eines reichslehnbaren Amtes zur Verwaltung und Sicherung königlicher Rechte (in einem Land). Landgrafen finden sich in Thüringen 1131, Oberelsass 1135, Unterelsass 1138, (Leuch­tenberg 1143,) Heiligenberg 1169, Burgund-Buchegg 1226, Thurgau 1227, Aargau 1232/4, Frickgau 1234, Burgund-Neuenburg 1235, Zürichgau 1245, Hessen 1265, Hegau 1275, Breisgau 1276, Baar 1287, Stühlingen 1296, Buchsgau 1318, Klettgau 1325, Sisgau 1354 und Leiningen 1444. Ihre Stellung endet spätestens 1806, in Hessen-Homburg 1866.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Franck, W., Die Land­grafschaften des heiligen römischen Reichs, 1873; Doeberl, M., Die Landgrafschaft der Leuchtenberger, 1893; Mayer, T., Über die Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Hess, W., Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Eyer, F., Die Landgrafschaft im unteren Elsass, ZGO N. F. 78 (1969), 148

Landgrafschaft → Landgraf

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Mayer, T., Über Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Eberhardt, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, 75 (1958), 108; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981

Landgut ist im deutschen Privatrecht des 19. Jh.s das in eine Landgüterrolle eingetragene Anerbengut, an welchem dem Anerben bei der Erbteilung nur ein Übernahmerecht zusteht (Brandenburg, Schlesien, Schleswig-Holstein, Regierungsbezirk Kassel 1884/1887). Es wird 1933 durch das Reichserbhofgesetz beseitigt, in Hessen 1947 (Neufassung 1970) aber wieder hergestellt.

Lit.: Enneccerus, L., Ein Höferecht für Hessen 1882; Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 2. A. 1970; Starke, A., Die hessische Landgüterordnung, 1995

Landhofmeister ist eine im 15. Jh. erscheinende Fortbildung des → Hofmeisters.

Landkasse ist seit dem Spätmittelalter die besondere, neben der landesherrlichen Finanzverwaltung stehende landständische Finanzverwaltung. Sie wird auch Landkasten genannt. Sie wird vom Absolutismus beseitigt.

Lit.: Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen Territorien des Mittelalters, Diss. jur. München 1923

Landkreis ist der untere staatliche Ver­waltungs­bezirk mit überörtlichen Selbst­verwaltungsaufgaben. Der L. geht auf die Bildung von kleineren Kreisen (z. B. Teltow, Barnum, Zauche) oder größeren Kreisen (z. B. Altmark, Mittelmark, Neumark) in Brandenburg seit dem 14. Jh. zurück. Im 16. Jh. erkennt der Landesherr Kreisversamm­lungen an. Aus den Kreisdirektorien und den Kreiskommissaren entwickelt sich der → Landrat. Zuständig sind die Kreise vor allem für Wohlfahrts­maßnahmen, militärische An­ge­legen­heiten und Verkehrsbelange. Zwi­schen 1825 und 1828 werden Kreisordnungen für die einzelnen Provinzen Preußens erlas­sen. 1872 werden echte Kommunalverbände mit Selbstverwaltungsrecht geschaffen, deren wichtigste Organe Kreistag, Kreisausschuss und Landrat sind. 1919 wird das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht eingeführt. Etwa zur gleichen Zeit wird die Bezeichnung L. (für Kreis) üblich. Die Angleichung der übrigen Länder an die Verhältnisse Preußens erfolgt vereinzelt seit dem 19. Jh., in Baden mit der Landkreisordnung vom 24. 6. 1939, in Bayern durch die dritte Verordnung über den Neuaufbau des Reiches vom 28. 11. 1938. Eine geplante Reichskreisordnung kommt nicht zustande. Nach der institutionellen Sicherung der Kreise durch Art. 28 I GG erlassen die Länder der Bundesrepublik Deutschland eigene, die Verbindung von Staatsverwaltung und Selbstverwaltung fort­führende Landkreisordnungen.

Lit.: Constantin, O./Stein, E., Die deutschen Landkreise, 1926; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise in der Geschichte Südwestdeutschlands, 1960; Unruh, G., Der Kreis, 1960; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise, 1962; Der Kreis, 1972ff.; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Hundert Jahre Kreisordnungen Nordrhein-Westfalen, hg. v. Land­kreistag, 1988; Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen 1947-1997, hg. v. Möller, F. u. a., 1997

Landlauf von Steyr ist das frühestens am Ende des 14. Jh.s vielleicht von einem unbekannten Gerichtsschreiber der steirischen Landschranne unter Einbeziehung einiger Sätze des Schwabenspiegels in 252 Artikeln verfasste Rechtsbuch, das sich vor allem mit dem Verfahren, mit den Landesdienstherren, den Bürgern, den Strafen und den Juden befasst. In Kärnten wird hieraus im 16. Jh. das Kärntner Rechtsbuch.

Lit.: Bischoff, E., Steiermärkisches Landrecht des Mittelalters, 1875; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965, 207; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963, 19

Landläufige kulmische Rechte sind die aus dem alten → Kulm und anderen Quellen um die Mitte des 15. Jh.s in Danzig (?) entstandenen Rechtsaufzeichnungen.

Lit.: Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen. Strafrecht, 1982; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 52

Landleihe ist die zeitweise Überlassung von Land durch den Berechtigten in größerem oder kleinerem Umfang. Hierfür gilt seit dem Mittelalter teils unterschiedlich ausgestaltetes Leiherecht, teils Lehnrecht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948), 1

Ländliche Rechtsquellen sind die vor allem im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit sichtbaren, im nichtstädtischen Bereich geltenden örtlichen Rechtsquellen (der bäuerlichen Belange). Hierher gehören haupt­sächlich → Weistümer, Hofrechte und Dorf­rechte. Trotz der Rechtsvereinheitlichung der frühen Neuzeit gelten sie teilweise bis in das 19. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Württembergische ländliche Rechtsquellen, hg. v. Wintterlin, F. u. a., Bd. 1ff. 1910ff.; Deutsche ländliche Rechtsquellen, hg. v. Blickle, P., 1977 (Wege der Forschung); Die ländlichen Rechtsquellen aus den pfalz-neuburgischen Ämtern Höchstädt, Neuburg, Monheim und Reichertshofen vom Jahre 1585, hg. v. Fried, P., 1983; Ländliche Rechtsquellen aus dem kurtrierischen Amt Cochem, bearb. v. Krämer, C. u. a., 1986; Ländliche Rechtsquellen aus dem Kurmainzer Rheingau, bearb. v. Jeschke, P., 2003

Landnahme ist die junge geschichtswissen­schaftliche Bezeichnung für das Eindringen germanischer Stämme in fremde Siedlungs­gebiete in der Völkerwanderungs­zeit (375-568).

Lit.: Meyer, H., Die fränkische Landnahme und das Rheinland, 1936; Petri, L., Zum Stand der Diskussion über die fränkische Landnahme, 1954; Ausgewählte Probleme europäischer Landnahmen, hg. v. Müller-Wille, M. u. a., 1993f.

Landpacht → Pacht

Landrat ist in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland der Hauptver­waltungsbeamte der Gebietskörper­schaft Kreis bzw. Landkreis und Leiter der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde. Er ent­wickelt sich in der Mark Brandenburg im 16. Jh. wohl aus dem vom Landesherrn auf Vor­schlag der Landstände ernannten Kreis­kommissar. Jedenfalls erhalten am 27. 9. 1702 alle märkischen Kreiskommissare den Titel L. Im 18. Jh. wird das Amt auf Preußen ins­gesamt ausgedehnt. 1825 werden seine Befugnisse zugunsten des Kreistags einge­schränkt, 1872 zugunsten des Kreisausschus­ses, dessen Vorsitzender der L. ist. Die übrigen deutschen Länder gleichen sich dem an. Vielfach ist der L. Volljurist.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Gelpke, F., Die geschichtliche Entwicklung des Landratsamts, 1902; Lammermann, G., Die Entwicklung der rechtlichen Stellung des preußischen Landrats, Diss. jur. Göttingen 1939; Unruh, G. v., Der Landrat, 1966; Eifert, C., Paternalismus und Politik, 2003; Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004

Landrecht ist vom Hochmittelalter bis in die frühe Neuzeit das für die Bewohner eines → Landes des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) geltende allgemeine → Recht im Gegensatz vor allem zum Stadtrecht oder zum Lehnsrecht. Seit der Mitte des 11. Jh.s lassen die lateinischen Quellen deutliche territoriale Bezüge erkennen (z. B. [lat.] provinciae mos [M.], ius [N.] terrae, regionis consuetudo [F.]). Im Jahre 1200 stellt eine Urkunde mhd. lant­reht und (lat.) statuta [N.Pl.] civitatis (Statuten der Stadt) gegenüber. Der das L. vielleicht nach rö­misch-kanonischem Vorbild anfänglich lateinisch aufzeichnende → Sachsenspiegel → Eike von Repgows (1221-1224) unter­scheidet das (mnd.) landreht ausdrücklich vom Lehnsrecht, von des mannes reht, von dem geistlichen Recht, vom Dorfrecht und wohl selbstverständlich auch vom → Stadtrecht. Hauptquelle des Landrechts ist das gewohnheitsrechtlich fortgebildete → Volks­recht, doch werden auch gesetzliche oder vertragliche Regelungen einbezogen. Die Aufzeichnung erfolgt seit dem 13. Jh. in zunehmender Dichte (Österreich 1237 usw.). Zur gleichen Zeit ist auch bereits gesetzlicher Erlass von L. möglich (z. B. Kulmer Handfeste 1233). Weitere bedeutsame Land­rechte sind das etwa 1335 entstandene, 1346 vermehrte oberbayerische Landrecht, das schlesische Landrecht (1356), das Würzburger Landrecht (1435) oder das dithmarsche L. (1447). In der frühen Neuzeit wird das L. unter dem Einfluss des römischen Rechts verschiedentlich reformiert (Bayern 1518, [Brandenburg 1527,] Kurköln 1538, Württemberg 1555, Solms 1571, [Kursachsen 1572,] Sieben­bürgen 1583, Herzogtum Preußen 1620). Hier sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Zivilprozess und Strafrecht erfasst. Mit dem preußischen Allgemeinen Landrecht und dem Badischen Landrecht als naturrechtlichen Kodifikationen klingen die Landrechte 1794 bzw. 1809 (auch) dem Namen nach aus. Daneben ist L. auch das Landgericht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 102; Baltl/Kocher; Böhlau, H., Mecklenburgisches Landrecht, Bd. 1 1871; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1 (zum Rheingauer Landrecht); Meyer, H., Das sogenannte Rheingauer Landrecht, ZRG GA 24 (1903), 309; Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Halbbd. 2 Landrechte des 16. Jahrhunderts, eingel. v. Kunkel, W., 1938; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Carlen, L., Das Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Das bayerische Landrecht von 1616, hg. v. Günther, H., 1969; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Friedrich Esaias Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Köbler, G., Land und Landrecht im Mittelalter, ZRG 86 (1969), 1ff.; Floßmann, U., Landrecht als Verfassung, 1976; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1982ff.; Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/59, ZRG GA 110 (1993), 482; Löw, I., Die Eiderstedter Landrechte von 1426 bis 1591, 2003; Zimmer, K., Das Burger Landrecht, 2003

Landrechtsbuch → Landrecht

Landrechtsglosse → Sachsenspiegel, Glosse

Landrechtsreformation → Landrecht, Reformation

Landrichter ist der für ein → Land zuständige → Richter (1186 lat. iudex [M.] provinciae). Das ist zunächst ein königlicher Amtsträger, danach der Landesherr, seit dem 13./14. Jh. der landesherrliche Richter im → Landgericht und seit 1877/1879 (umgangs­sprachlich) der Richter am Landge­richt.

Lit.: Döhring, H., Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, 1953; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 104

Landsasse ist im Sachsenspiegel (1221/4) der untere Freie (ohne Grundeigentum). In der frühen Neuzeit ist L. der über dem einfachen Freien stehende, meist den Landständen angehörende Untertan.

Lit.: Hagemann, A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111, 147; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975

Landsässiger Adel ist in der frühen Neuzeit der ein Haus mit mindestens einer Grundherrschaft besitzende, grundsätzlich im Landtag sitzende und damit über Landstandschaft verfügende, aber auch der Landes­herrschaft unterworfene Adel in einem Land. → Land­sasse

Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Lieberich, H., Landherren und Landleute, 1964

Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sind im Spätmittelalter die für den Landfrieden gefährlichen Menschen. Sie können von Amts wegen auch ohne handhafte Tat festgenommen werden. Gegen sie kann ohne Weiteres öffentliche Klage erhoben werden. Gegen sie kann ein summarisches Ver­fahren stattfinden. Seit dem Spätmittel­alter genügt zu ihrer Überführung der Nachweis ihrer Schädlichkeit bzw. Gefährlichkeit.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 207; Zallinger, O. v., Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute, 1895; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute in Süddeutschland, 1910; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958

Landschaft ist allgemein eine als Einheit ver­standene Gegend und im besonderen ein in einer solchen Einheit seit dem Spätmittelalter ge­­bildeter Zusammenschluss bestimmter (stän­­­­discher) Personen und das von ihnen im 19. Jh. geschaffene genossenschaftlich orga­nisierte Grundstückskreditinstitut.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. Escher, J. u. a., Bd. 1ff. 1888ff; Berghaus, W., Verfassungsgeschichte der ostfriesischen Landschaft, 1956; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970; Blickle, Peter, Landschaften im alten Reich, 1973; Engelberg, G., Ständerechte und Verfassungsstaat, 1979; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Sonnabend, H., Mensch und Landschaft, 1998; Deter, G., Die landschaftsbezogene Rechtsgemeinschaft, ZRG GA 123 (2006), 358

Landschaftsrecht ist das Recht einer skandinavischen Landschaft (z. B. Västergöt­land um 1220/1240). → nordisches Recht, → Schweden

Lit.: Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988

Landschenkung ist die unentgeltliche Übereignung mindestens eines Grundstücks, im weiteren Sinn auch die Überlassung mindestens eines Grundstücks zur Nutzung. In welchem Umfang in germanischer Zeit eine derartige L. (Landgabe) besteht, lassen die Quellen nicht sicher erkennen, wenn sie auch (lat.) servi (M.Pl.) in der Art römischer (lat.) coloni (M.Pl.) bezeugen. Im Frühmittelalter geben die durch Einziehung der römischen Staatsgüter reich gewordenen Könige Land an Adel und Kirche in teils lehnsrechtlicher, teils anderer Form. Auch Adel und Freie begaben (beschenken) die Kirche in erheblichem Umfang zu ver­schiedenem Recht.

Lit.: Brunner, H., Die Landschenkungen der Merowinger und Agilolfinger, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1885, Bd. 2 1173; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Gladiß, D. v., Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen, DA 1 (1937), 80; Hattenhauer, H., Die Entdeckung der Verfügungs­macht, 1969; Dorn, F., Die Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991

Landsgemeinde ist die förmliche Ver­sammlung der schweizerischen Gemein­wesen. Sie wird in ersten Anfängen 1231 in Uri, 1294 in Schwyz und 1309 in Unterwalden sichtbar. Sie ist oberste ge­setzgebende, vollziehende und gerichtliche Gewalt. Teilnahmepflichtig ist grundsätzlich der mit 14 oder 16 Jahren erwachsene Mann. Zeitweise bestehen 80 Landsgemeinden, Ihre Zahl schrumpft bis 1997 auf vier (Appenzell-Innerrhoden, Appenzell-Außerrhoden, Glarus, Obwalden) und bis 2007 auf zwei (Appenzell- Innerrhoden, Glarus).

Lit.: Ryffel, H., Die schweizerischen Landsgemeinden, 1903; Kellenberg, M., Die Landsgemeinden der schweizerischen Kantone, Diss. jur. Zürich 1965; Carlen, L., Die Landsgemeinde der Schweiz, 1976; Mockli, G., Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Brändle, F., Demokratie und Charisma – Fünf Landsgemeindekonflikte, 2005; Helg, F., Die schweizerischen Landsgemeinden, 2007

Landsiedelrecht ist eine seit dem 13. Jh. vor allem in Hessen gebräuchliche, vielleicht aus dem römisch-italienischen Recht stammende Form der nicht erblichen bäuerlichen Leihe, die seit dem 16. Jh. erblich wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Thieme, H., Zum hessischen Landsiedelrecht, FS A. Schultze, 1934, 207; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Geschichte, N.F. 30 (1967/8), 1f., 28ff; Franz, E., Grangien und Landsiedel, FS G. Franz, 1967

Landshut ist die 1204 von Herzog Ludwig dem Kelheimer am Fuß des Hofbergs in den Auenwäldern der Isar gegründete Stadt, die zeitweise Sitz eines bayerischen Teil­fürstentums ist und von 1800 bis 1826 die (1459/1472) in Ingolstadt gegründete, 1826 nach München verlegte Universität beher­bergt.

Lit.: Becher, H., Landshut, 1978; Strasser, S., Die Geschichte der juristischen Fakultät der Universität Landshut (1800-1826), 2001; Tausche, G./Ebermeier, W., Geschichte Landshuts, 2003; Die älteste Landshuter Universitätsbeschreibung von Franz Dionys Reithofer (1811), hg. v. Böhm, L, 2003; Von der Donau an die Isar, hg. v. Böhm, L. u. a., 2003

Landsknecht ist seit dem ausgehenden 15. Jh. der Söldner zu Fuß (aus kaiserlichen Landen?), der in der Mitte des 17. Jh.s dem staatlich gebundenen Söldner weicht.

Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Lands­knechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, (Diss. phil. Frankfurt am Main) 1976; Kurzmann, G., Maximilian I. und das Kriegswesen, Diss. phil. Graz 1983; Baumann, R., Die Landsknechte, 1994; Rogg, M., Landsknechte und Reisläufer, 2002

Landstadt ist die unter der Herrschaft eines Landesherrn stehende Stadt. Die L. gehört den Landständen an. In den meisten Landstädten nimmt der Landesherr die Gesetzgebung ganz oder teilweise, die Verwaltung weitgehend und die Gerichtsbar­keit in der Form der Einfügung in den Instanzenzug in Anspruch. In der frühen Neuzeit wird die L. auf diese Weise mehr und mehr eine staatliche Einrichtung. Im 19. Jh. wird demgegenüber die → Selbstverwaltung wieder belebt (Preußen 1808).

Lit.: Lorenz, O., Über den Unterschied zwischen Reichsstädten und Landstädten, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 89 (1878), 17; Haberer, G., Verwaltungsvorschriften in den älteren Rechten südhessischer Landstädte, Diss. jur. Frankfurt 1981; Landesherrliche Städte im Südwesten, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Vetter, K., Zwischen Dorf und Stadt, 1996

Landstand ist seit dem Hochmittelalter (z. B. 1231) die Gesamtheit der Angehörigen oder Vertreter gewisser Bevölke­rungsgruppen, die im Sinne eines Dualismus zusammen mit dem Landesherrn die Herrschaft über ein Land ausüben. Die Landstände entwickeln sich aus den Besseren und Größeren des Landes (lat. meliores [M.Pl.] et maiores terrae), die in wichtigen Angele­genheiten (z. B. Kriegserklärung, Gebiets­veräußerung, Steuer­bewilligung) mitwirken müssen. Zu ihnen gehören vor allem weltliche Adlige (Ritter), geistliche Adlige (Prälaten) und meist Städte (unter Vogtei des Landesherrn) sowie verschiedentlich auch (freie) Bauern (z. B. Tirol 1408, Vorarlberg, 1473 zeitweise Salzburg, Vorarlberg 1504). Sie beraten auf dem → Landtag. In der frühen Neuzeit verlieren sie fast überall (anders z. B. Württemberg) ihre Mitwir­kungsrechte an den Landesherrn, der den Adel mit der Überlassung der patrimonialen Herrschaft über das Land, mit Offiziersstellen und höheren Beamtenstellen abfindet. Im 19. Jh. setzen sich die L. teilweise in einer ersten Kammer der konstitutionellen Monarchie fort (landstän­dische Verfassung). 1918 verlieren sie ihre zunächst noch verbliebenen Rechte gänzlich, doch verbleiben gewisse Fern­wirkungen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts (z. B. im Senat als zweiter Kammer Bayerns)..

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 111, 121, 149, 193; Baltl/Kocher; Mell, R., Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, 1903; Spangenberg, H., Vom Lehnstaat zum Ständestaat, 1912; Croon, G., Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer, 1912; Krause, H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Hermann, F., Die Aufhebung der Verfassung der hessen-darmstädtischen Landstände, 1933; Croon, H., Die kurmärkischen Landstände, 1938; Jappe Alberts, W., De staten van Gelre en Zutphen, 1950ff.; Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Kuhna, R., Die ständische Verfassung in den westfälischen Landesteilen Preußens und im Fürstbistum Münster 1780-1806, 1964; Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Reden-Dohna, A. v., Landständische Verfassung und fürstliches Regiment, 1974; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Schubert, E., Die Landstände des Hochstifts Würzburg, 1967; Brandt, H., Landständische Repräsentation im Vormärz, 1968; Lücke, J., Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Reichsstände und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Putschögl, G., Die landständische Behördenorganisation in Österreich ob der Enns, 1977; Wunder, B., Landstände und Rechtsstaat, ZHF 5 (1978), 139; Quarthal, F., Landstände und landständisches Steuerwesen in Schwäbisch-Österreich, 1980; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat 1982; Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Stollberg-Rilinger, B., Vormünder des Volkes?, 1999; Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg. v. Blickle, P., 2000; Landstände in Thüringen, hg. v. Thüringer Landtag, 2008

landständisch (Adj.), Landstände betreffend (z. B. Art. 13 DBA findet eine landständische Verfassung statt, str. ob materielle herkömm­liche Verfaassung gemeint oder formelle [konstitutionelle] Verfassung)

Landstandschaft, F., Zugehörigkeit zu einem Landstand mit Sitz und Stimme im Landtag

Landsturm ist in der frühen Neuzeit (Preußen 1813) das durch alle nicht beim Heer oder der Landwehr stehenden männ­lichen Staatsbürger zwischen 15 und 60 Jahren gebildete Aufgebot zur Landesverteidigung.

Lit.: Franke, A., Das Landsturm-Edikt vom 21. 4. 1813, Diss. phil. Breslau 1923

Landtafel ist seit dem Spätmittelalter ein Verzeichnis von Urkundeninhalten über (landständische) Grundstücke. Im 13. Jh. findet sich eine L. in Böhmen, 1348 in Mäh­ren, am Ende des 14. Jh.s. in Jägerndorf, 1730 in der Steiermark, 1746 in Kärnten, 1754 in Oberösterreich, 1758 in Niederösterreich und 1769/1783 im Breisgau. Die L. ist vielleicht vom Grundbuchgedanken beeinflusst. Eine übersichtliche Darlegung der rechtlichen Verhältnisse an einem Grundstück sichert sie nicht. Für das Grundbuchwesen des 19. Jh.s ist sie dennoch ein bedeutsamer An­knüpfungs­punkt. Daneben kann L. auch eine Landesordnung (Oberösterreich 1616, 1652) oder eine Bilddokumentation (Salzburg 1592, 1620, 1706, 1739) sein.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 142; Baltl/Kocher; Demelius, H., Die breisgauische Landtafel 1783, ZRG GA 74 (1957), 261; Strätz, H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Zaisberger, F., Die Salzburger Landtafeln, 1990

Landtag ist seit dem späten Hochmittelalter die im Absolutismus an Bedeutung verlie­rende Versammlung (der Stände) eines Landes an einem bestimmten Tag, seit dem 19. Jh. die (zunehemnd demokratischer) gewählte Volks­vertretung eines Landes.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111; Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag, 1918; Hugelmann, K., Die österreichischen Landtage im Jahre 1848, Archiv f. österreich. G. 111 (1939), 114 (1938), 115 (1943); Franz, E., Bayerische Verfassungskämpfe, 1926; Vries, R. de, Die Landtage des Stiftes Essen, 1934; Grube, W., Der Stuttgarter Landtag 1457-1957, 1957; Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Franz, G., Die Bauern in den Landtagen des 19. Jahrhunderts, FS K. Bosl, 1974, 28; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Press, V., Landtag im alten Reich, Z. f. württemberg. LG. 39 (1986), 100; Schober, R., Geschichte des Tiroler Landtags, 1984; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Lange, U., Landtag und Ausschuss, 1986; Köck, P., Der bayerische Landtag 1946 bis 1986, 1988; Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Hildebrandt, T., Die brandenburgischen Provinziallandtage von 1841, 1843 und 1845, 2002; Gerhardt, J., Der erste vereinigte Landtag in Preußen, 2007

Landvogt ist seit dem späten 13. Jh. ein vom König zur Verwaltung gefährdeten Reichs­gutes eingesetzter Vogt (in Oberschwaben, Niederschwaben, Oberelsass, Niederelsass, der Ortenau, der Wetterau, dem Speyergau, Nürnberg, Rothenburg und der Schweizer Waldstätte). Im 14. Jh. stellt auch Bran­denburg Landvögte ein, im 19. Jh. Württemberg (1810-1817). Danach ver­schwin­det der L.

Lit.: Niese, H., Prokurationen und Landvogteien, 1904; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980

Landvogtei → Landvogt

Landwehr ist seit dem Hochmittelalter eine Gesamtheit von Erdwällen mit Gräben zur Verteidigung eines Landes oder kleineren Gebietes und auch diezeitweise zur Lan­desverteidigung verpflichtete Bevölkerung (z. B. Österreich 1808-1852. 1869).

Lit.: Pelissier, E., Die Landwehr, (in) Rund um Frankfurt, hg. v. Bingemar, H., 1924, 145; 800 Jahre Lemgo, hg. v. Johanek, P. u. a., 1990

Landwirtschaft ist die Nutzung von Grundstücken zur Erzeugung pflanzlicher und tierischer Rohstoffe. Seit der Sesshaftwerdung sind die Menschen hauptsächlich in Ackerbau und Viehzucht tätig (→ Agrarverfassung). Im Altertum zeigt sich mit der Entwicklung von Stadtstaaten eine beachtliche wirtschaftliche Differenzierung. Sie findet sich auch in der → Grundherrschaft und in der Stadtwirtschaft. Am Ende der frühen Neuzeit wird die L. (der → Bauern) trotz stark wachsender Erzeugung stark von der Industrie zurückge­drängt, während des 20. Jh.s auch von den Dienstleistungsberufen, so dass schon 1975 in der Bundesrepublik Deutschland nur noch 1,5 Millionen Menschen in der L. tätig sind. Seitdem ist ihre Zahl nochmals erheblich gesunken.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 77, 96, 133, 174, 224, 250, 252; Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Sering, M., Deutsche Agrarpolitik, 1934; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1935, 2. A. 1966; Below, G. v., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1937, 2. A. (Neudruck) 1966; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. (Neudruck) 1963; Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 1963, 2. A. 1966; Cherubini, G., Agricoltura, 1972; Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft, 1976; Kroeschell, K., Deutsches Agrarrecht, 1983; Henning, F., Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft, Bd. 1 4. A. 1985, Bd. 2 1978; Astill, G./Grant, A., The Countryside of medieval England, 1988; Hauschildt, H., Zur Geschichte der Landwirtschaft im alten Land, 1988; Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Achilles, W., Landwirtschaft in der frühen Neuzeit, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, 1992; Scheidel, W., Grundpacht und Lohnarbeit, 1994; Agriculture in the Middle Ages, hg. v. Sweeney, D., 1995; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998; Noel, G., Le Conseil de l’Europe et l’agriculture, 1999; Howkins, A., The Death of Rural England, 2003; Agrarstatistik der Provinz Westfalen 1750-1880, hg. v. Nitsch, M. u. a., 2009

Landwirtschaftliche Produktionsgenossen­schaft ist die zwangsweise eingerichtete Genossenschaft in der verstaatlichten Land­wirtschaft der → Deutschen Demokra­tischen Republik.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Landwirtschaftsrecht ist das seit dem 19. Jh. allmählich als Einheit erkennbare Recht der Landwirtschaft.

Lit.: Köbler, DRG 205; Kroeschell, K., Deutsches Agrarrecht, 1983; Südel, I., Das landwirtschaftliche Erbrecht, 2007

Landzwang ist seit dem Spätmittelalter die von der Lebensführung landschädlicher Leute ausgehende Gefährdung, der im Reichs­straf­gesetzbuch von 1871 die §§ 240, 126 entsprechen.

Lit.: John, R., Über Landzwang, 1852; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 216

Lanfrancus (Pavia 1005?-Canterbury 24./28. 5. 1089?), Adligensohn, wird nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales Kenner des Rechtes, 1039 Lehrer in Avranches, 1042 Mönch und 1045 Prior in Bec sowie 1070 Erzbischof von Canterbury. Durch Urkun­denfälschungen erreicht der gesuchte Gelehrte und führende Theologe den Vorrang des Erzbistums Canterbury in England.

Lit.: Montclos, J. de, Lanfranc et Bérenger, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Lang, Karl Heinrich Ritter von (Balgheim 7. 7. 1764-Ansbach 26. 3. 1835), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf (Malblanc) 1789 Sekretär, 1795 Archivar und 1799 ansbachischer, dann bayerischer Rat, Archivar und Kreisdirektor. Er verfasst eine Reihe rechtsgeschichtlicher Arbeiten (z. B. Historische Entwicklung der deutschen Steuerverfassung, 1793, Neudruck 1966).

Lit.: Raumer, K. v., Der Ritter von Lang und seine Memoiren, 1923

Langdell, Christopher Columbus (1826-1906), 1870-1895 Professor an der Harvard University, lehrt das amerikanische Recht nach der sokratischen Lehrmethode (im Recht), nach der an Hand ausgewählter Entscheidungen induktiv Grundsätze ermittelt werden, die ihrerseits deduktiv der Lösung neuer Fälle dienen.

Lit.: Gilmore, G., Ages of American Law, 1977

Langobarde ist der Angehörige des germanischen Volk, das von Norddeutschland nach Italien zieht (568) und große Teile Oberitaliens und Mittelitaliens beherrscht. 774 unterliegen die Langobarden, von denen 46 Königsurkunden, knapp 40 Herzogsur­kunden Spoletos und insgesamt knapp 350 langobardische (lat. [F. Pl.] chartae zwischen dem Ende des 7. Jh.s (um 650, 685, häufiger erst ab 740) und der Eroberung Pavias durch den fränkischen König Karl (den Großen) im Jahre 774 (rund 270 aus dem langobardischen Reich [139 aus Lucca], 63 aus dem Herzogtum Spoleto, 11 aus dem Herzogtum Benevent) als kleiner Rest des ursprünglich wohl vorhandenen größeren Bestands erhalten sind, Karl dem Großen. Selbständig bleibt der Dukat Bene­vent. Mit dem 12. Jh. werden die Langobarden aufgesogen. An sie erinnert noch die Lombardei.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67; Pflugk-Hartung, J. v., Die Thronfolge im Langobardenreiche, ZRG GA 8 (1887), 66; Bruckner, W., Die Sprache der Langobarden, 1895; Kjer, C., Overretssagfører, 1898, 1900; Morossi, C., L’assemblea nazionale del regno Langobardo-Italico, Rivista di storia del diritto Italiano 9 (1936), 3; Bognetti, G., L’Età longobarda, Bd. 1ff. 1966ff.; Winterer, H., Die Stellung des unehelichen Kindes in der langobardischen Gesetzgebung, ZRG GA 87 (1970), 32; Cavanna, A., Fara sala arimannia nella storia di un vico longobardo, 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, 1982; Scardigli, P., Goti e Longobardi, 1987; Langobardia, 1990; Francovich Onesti, N., Vestigia longobarde in Italia (568-774), 1999; Visigoti e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Il regno dei Longobardi in Italia, hg. v. Gasparri, S., 2004; Die Langobarden, hg. v. Pohl, W. u. a., 2005; Priester, K., Geschichte der Langobarden, Sonderausgabe 2008; Die Langobarden, hg. v. Landschaftsverband Rheinland u. a., 2008

Langobardisches Recht ist das Recht der Langobarden. Nach älteren Gewohnheiten (gawarfide) wird am 22. 11. 643 das Edikt (lat. edictus [M.]) Rotharis angenommen, das spätere Könige vielfach ergänzen. In Pavia wird dieses Recht vielleicht ständig gepflegt. Möglicherweise um 1054 entsteht dort die hierauf beruhende Sammlung (lat.) Liber (M.) Papiensis, die Lehnrecht einschließt. Hierzu bildet sich wenig später eine (lat.) Expositio (F.) mit erläuternden Abhandlungen zu einzelnen Bestimmungen und eine (lat.) → Lombarda (F.) genannte Systematisierung, die im 13. Jh. von Karolus de Tocco in Süditalien kommentiert wird. Das langobardische Lehnrecht wird in den (lat.) Libri (M.Pl.) feudorum zusammengefasst und später den Novellen (Justinians) angefügt.

Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand und Albertus, 1855; Neumeyer, K., Notizen zur Literaturgeschichte des longobardischen Rechts, ZRG GA 20 (1899), 249; Lehmann, K., Handschriften des langobardischen Lehnrechts, ZRG GA 21 (1900), 232; Seckel, E., Quellenfunde zum lombardischen Lehenrecht, FS Otto Gierke, 1910; Mayer, E., Asto animo, ZRG GA 38 (1917), 300; Codice diplomatico Longodardo, hg. v. Schiaparelli, L. u. a. 1928ff. (2003 abgeschlossen); Schupp, A., Die Stellung der Frau im langobardischen Recht, Diss. jur. Bonn 1952; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Die Gesetze der Langobarden, hg. v. Beyerle, F., 2. A. 1962; Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Vaccari, P., Diritto langobardo, (in) Ius Romanum medii aevi, I 4b ee, 1964; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl. C., Studien zu den langobardischen Königs­urkunden, 1978; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Löfstedt, B., Ein textkritisches Problem in den langobardischen Gesetzen, ZRG GA 93 (1976(, 319; Rivers, T., Symbola, manumissio et libertas Langobardorum, ZRG GA 95 (1978), 57; Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978; Origo gentis Langobardorum, hg. v. Bracciotti, A., 1998; Giese, W., Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge in langobardischen Herzog- und Fürstentümern, ZRG 119 (2002), 44; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387; Priester, K., Die Geschichte der Langobarden, 2004

Languedoc (aus langue d’oc [Sprache des ja]) ist ein westlich der unteren Rhone gelegenes Gebiet, das um 415 n. Chr. an die Westgoten, danach an die Franken fällt. Es bildet im Hochmittelalter die Grafschaft Toulouse.

Lanze ist eine (Stichwaffe und) Wurfwaffe, die auch rechtssymbolisch verwendet werden kann. Zu den Reichskleinodien des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) zählt die heilige Lanze (von Burgund).

Lit.: Boeheim, W., Handbuch der Waffenkunde, 1890; Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Wegener, W., Die Lanze des heiligen Wenzel, ZRG GA 72 (1955), 56; Rexroth, K., Die Herkunft der heiligen Lanze, (in) Nationes, Bd. 3 1977

Lappe ist der Angehörige eines nicht­indogermanischen, in der Gegenwart über die Nordgebiete Norwegens, Schwedens, Finnlands und Westrussland verteilten Vol­kes.

Lit.: Solem, E., Lappiske Rettsstudier, 1933

Larenz, Karl (Wesel 23. 4. 1903-München 24. 1. 1993) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kiel (1933) und München (1960). Anfangs idealistisch dem National­sozialismus zugetan, entwickelt sich Larenz zu einem führenden Privatrechtslehrer der zweiten Hälfte des 20. Jh.s.

Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 495; Frassek, R., Von der „völkischen Lebensordnung“ zum Recht, 1996; Frassek, R., Karl Larenz, JuS 1998, 296; Hartmann, F., Das methodologische Denken bei Karl Larenz, 2001

Lasker, Eduard (Jarotschin 14. 10. 1829-New York 5. 1. 1884) ist nach dem Rechtsstudium in Breslau und Berlin der Jurist und Publizist, der als nationalliberaler Abgeordneter des deutschen Reichstages dem Reich die Gesetzgebungszuständigkeit für das bür­gerliche Recht eröffnet.

Lit.: Köbler, DRG 183; Laufs, A., Eduard Lasker, 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 249; Schuder, R., Der Fremdling im Osten, 2008

Laski, Jan (1455-1531), 1480 Notar, 1503 Großkanzler in Polen, veröffentlicht 1506 eine Sammlung der Gesetze des Königreichs Polen.

Lit.: Kaczmarczyk, Z., O kancler zu Jan Laski, 1955

Lassalle, Ferdinand (Breslau 11. 4. 1825-Genf 31. 8. 1864 nach Duell wegen Beleidigung), Sohn eines jüdischen Seidenhändlers einer Familie aus Loslau, wird nach dem Studium von Philosophie, Philologie und Geschichte in Breslau und Berlin (1842-46) Revolutionär und theore­tischer Arbeiterführer (1863 Allgemeiner Deut­scher Arbeiterverein, Vorläufer der So­zial­­demokratischen Partei Deutschlands).

Lit.: Köbler, DRG 177; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 1953; Ramm, T., Ferdinand Lassalle (1825-1864), (in) Nova, F., Lassalle als sozialistischer Theoretiker, 1980; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 117; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 2004

Lassite ist in der frühen Neuzeit ein freier, abgabenpflichtiger, grundherrlicher Bauer mit erblichem Nutzungsrecht.

Lit.: Hübner § 45; Schultze, J., Die Mark Brandenburg, Bd. 5 1969, 156

Lassberg, Friedrich von (Lindau 13. 5. 1798-Sigmaringen 30. 6. 1838), Freiherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Jena Verwaltungsbeamter. 1840 veröffentlicht er posthum den sog. ® Schwabenspiegel nach einer unvollständigen Handschrift aus der Burg der Rucken von Tanneck zu Weinfelden im Thurgau und zu dem restlichen Drittel nach einer Züricher Handschrift.

Lit.: Der Schwabenspiegel, hg. v. Lassberg, F. Frhr. v., 1840, Neudruck 1916; Stutz, U., Freiherr Joseph von Laßberg, Jacob Grimm und das deutsche Recht, ZRG GA 52 (1932), 338; Bader, K. u. a., Joseph von Lassberg, 1955

Lastenausgleich ist ein allgemeiner Ausgleich der Schäden oder Verluste, die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegszeit und Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges ergeben haben oder in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands oder im sowjetischen Sektor in Berlin entstanden sind (z. B. durch Kriegs­schadenrente, Eingliede­rungsdarlehen oder Hausratentschädigung, Gesetz vom 14. 8. 1952, weitgehend durch Abgaben erwir­tschaftete Leistungen in Höhe von 126 Mrd. DM bis 1998, insgesamt - teils quotal, teils sozial ausgerichtet - 143 Mrd. DM bis 2001). Vorläufer des Lastenausgleichs finden sich im Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794, im Kriegsdienstleistungsgesetz von 1873, im Kriegsschädenschlussgesetz von 1928 und der Kriegssachschädenverordnung von 1940.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Müller, C., Praxis und Probleme des Lastenausgleichs, 1997; Gallenkamp, G., Der Lastenausgleich, NJW 1999, 2486; Oldenhage, K., Lastenausgleich (1948-1900), 2002; Wenzel, R., Die große Verschiebung?, 2008

Lasterstein ist ein spätmittelalterliches Strafwerkzeug für Ehrenstrafen.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 315

Late ist in Sachsen im Hochmittelalter wohl der Freigelassene.

Lit.: Hübner 356; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1952, 97

Lateinisch ist die Sprache der aus Sabinern und Latinern zusammengesetzten Römer. Das Lateinische wird vom westlichen Christentum übernommen. Es ist die Schreibsprache bis ins Hochmittelalter und die Wissen­schafts­sprache bis ins 19. Jh. Im 18. Jh. ersetzen deutsche Vorlesungen, im 19. Jh. deutsche Vorle­sungsverzeichnisse ihre lateinischen Vor­gänger. Am Ende des 20. Jh.s wird fast durchwegs auf Latein als Studienvoraus­setzung für Juristen verzichtet.

Lit.: Köbler, DRG 10, 80, 102, 105; Köbler, LAW; Kalb, W., Das Juristenlatein, 2. A. 1888; Thesaurus linguae latinae, Bd. 1ff (1998 bis perm..); Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem im hohen Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 341; Langosch, K., Die deutsche Literatur des lateinischen Mittelalters, 4. A. 1983; Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden des 13. Jahrhunderts, 1975; Pick, E., Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums, 1983; Vossen, L., Mutter Latein und ihre Töchter, 13. A. 1992; Stotz, P., Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, Bd. 1ff. 1996ff.; Einleitung in die lateinische Philologie, hg. v. Graf, F., 1997; Benke, N., Juristenlatein, 1997; Latein für Jurastudenten, von einem römischen Bürger (Adomeit, K.), 1997; Einleitung in die lateinische Philologie, hg. v. Graf, F., 1997; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Riemer, P. u. a., Einführung in das Studium der Latinistik, 1998; Kindermann, U., Einführung in die lateinische Literatur des mittelalterlichen Europa, 1998; La transizione dal latino alle lingue romanze, hg. v. Herman, J., 1998; Götz, H., Lateinisch-althochdeutsch-neuhochdeutsches Wörter­buch, 1999; Fuhrmann, M., Latein und Europa, 2001; Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Bd. 1 hg. v. Suerbaum, W., 2002; Lateinische Lehrer Europas, hg. v. Ax, W., 2005; Mader, M., Lateinische Wortkunde, 3. A. 2005; Stroh, W., Latein ist tot, es lebe Latein, 2007; Vitali, D., Mit dem Latein am Ende?, 2007

Lateran ist der Sitz des Papstes in Rom seit der sog. → konstantinischen Schenkung (326-1308, 1586ff. Sommerresidenz). Der L. gehört zu der 1929 gebildeten Vatikanstadt.

Lit.: Erler, A., Lupa, lex und Reiterstandbild im mittelalterlichen Rom, 1972

Lateransynode ist ein im → Lateran abgehaltenes Konzil (313, 487, 649, 769, 774, 823, 1049, 1059, 1060, 1079, 1102, 1105, 1110, 1112, 1116). Ökumenische Konzile (Laterankonzile) finden 1122-1123, 1139, 1179, 1215 (1200 Teilnehmer, Besitz, Ehe, Juden, Prozess, Universität, Wahl) und 1512-1517 statt.

Lit.: Deslandres, P., Les grandes conciles de Latran, 1913; Foreville, R., Lateran I - IV, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Latifundium (N.) Großgrundeigentum

Lit.: Köbler, DRG 16

Latiner → lateinisch, Römer

Lit.: Kaser §§ 13, 16, 68, 71; Köbler, DRG 16, 57

latro (lat. [M.]) Straßenräuber

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Grünewald, T., Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer, 1999

Latium ist das am tyrrhenischen Meer gelegene Siedlungsgebiet der Latiner, das in der → pippinischen Schenkung 754 an den → Kirchenstaat des Papstes gelangt.

Laudemium (lat. [N.]) ist in Spätmittelalter und früher Neuzeit eine unterschiedlich bezeichnete Abgabe bei Besitzwechsel eines Leihegutes.

Lit.: Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969

Lauenburg ist eine 1182 von den Askaniern (→ Anhalt) erbaute Burg. Das in Anlehnung hieran entstehende Herzogtum kommt 1689 an Celle-Lüneburg bzw. 1705 Hannover und 1815 bzw. 1864ff. an Preußen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Prange, W., Siedlungsgeschichte des Landes Lauenburg im Mittelalter, 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2906; Hempel, B., Der Entwurf einer Polizeiordnung für das Herzogtum Sachsen-Lauenburg aus dem Jahre 1591, 1980; Hillmann, J., Territorialrechtliche Auseinandersetzun­gen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg, 1999; Meding, W. v., Stadt ohne Land am Fluss, 2007; Meding, W. v. Lauenburg, 2008

Launegild ist im → langobardischen Recht die (symbolische) Lohngabe für eine Gabe (Schenkung).

Lit.: Hübner § 82; Köbler, WAS; Pappenheim, M., Launegild und Gairethinx, 1882; Val de Lièvre, Revision der Launegildstheorie, ZRG GA 4 (1883), 15; Rhee, F. van der, Die germanischen Wörter in den langobardischen Gesetzen, 1970, 94

Lausanne am Genfer See geht auf eine römische Siedlung zurück. Um 600 wird es Sitz eines Bischofs. 1334 erlangt es die Stellung einer Reichsstadt. 1536 fällt es an Bern. 1537 wird eine Universität eingerichtet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grandjean, M., La ville de Lausanne, 1965ff.; Anex-Cabanis, D., La vie économique à Lausanne, 1978; Histoire de Lausanne, hg. v. Blaudet, J., 1986; Gratiae fructus. Festschrift zu Ehren der Universität Lausanne - 100 Jahre deutscher Rechtsunterricht, hg. v. Schmidt-Cotta, R. (für Altherrenschaft), 1997

Lausitz ist die an der Lausitzer Neiße gelegene, in der Gegenwart teils deutsche, teils polnische Landschaft.

Lit.: Oberlausitzer Forschungen, hg. v. Reuther, M., 1961; Die Oberlausitz im frühneuzeitlichen Mittel­europa, hg. v. Bahlcke, J., 2007

Läuterung ist in Sachsen seit dem 15. Jh. die Erklärung einer nicht deutlich genug vorgebrachten Willensäußerung (des Klägers oder Beklagten). Seit dem 16 Jh. entwickelt sich die L. zu einem ordentlichen frist­gebundenen und schriftbedürftigen Rechts­mittel innerhalb der entscheidenden Instanz (neben der Appellation). Sie wird erst 1877/1879 beseitigt.

Lit.: Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274

Law French ist die normannisch geprägte altfranzösische Juristensprache des → englischen Rechts.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Kerber, K., Sprachwandel im englischen Recht, 1997; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

Lebendgeburt (F.) als Geburt eines lebenden Menschen im Gegensatz zur Totgeburt ist Voraussetzung der Rechtsfähigkeit.

Lebendig begraben ist eine im späten Mittelalter bezeugte, bis in das 17. Jh. (selten) vollzogene Strafe. Ältere Vorläufer sind zweifelhaft.

Lit.: Liebermann, F., Ein Ordal des lebendig Begrabens, ZRG GA 19 (1898), 140; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 62

Lebensalter → Alter

Lebensfähigkeit ist die Fähigkeit nach der Geburt (selbständig) zu leben. Sie wird im Mittelalter vielfach für die Rechtsfähigkeit vorausgesetzt. Im gelehrten Recht ist sie streitig, wird aber vom Code civil verlangt.

Lit.: Kaser § 72 II; Hübner 54

Lebensmittelrecht ist das die zum Leben des Menschen erforderlichen oder geeigneten Nahrungsmittel betreffende Recht. Es wird in der römischen und hochmittelalterlichen Stadt sichtbar, in der Amtsträger Aufsichtsbe­fugnisse über den Markt haben. Zahlreiche Bestimmungen hierzu enthalten die Landesordnungen bzw. Polizeiordnungen der frühen Neuzeit. Verstöße gegen das L. werden mit Bußen und Strafen belegt.

Lit.: Heidinger, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Zürich im Mittelalter, 1910; Bruder, H., Die Lebens­mittelpolitik der Stadt Basel im Mittelalter, 1909; Siebert, L., Die Lebensmittelpolitik der Städte Baden und Brugg im Aargau, 1911; Lindlar, J., Die Lebens­mittelpolitik der Stadt Köln im Mittelalter, Diss. phil. Münster 1913; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 43; Lebensmittelrechts-Handbuch (Lbl.), hg. v. Streinz, R., 1994

Lebenspartnerschaft ist die am Ende des 20. Jh.s in einzelnen Ländern gesetzlich geregelte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft zweier Menschen, die mit eheähnlichen Wir­kungen versehen wird.

Lit.: Winckler, K., Die unwirksame eingetragene Lebenspartnerschaft, 2007

Lebensversicherung ist die Versicherung des Lebens bei einem Versicherer gegen die Gefahr des Todes. Sie ist eine Privatver­sicherung auf den Todesfall oder auf das Erleben eines bestimmten Zeitpunkts. Sie entsteht nach Vorläufern des 17. Jh.s im 18. Jh. in England (London 1706 John Hartley), in Deutschland (gesetzliche Regelung bereits im Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794) im 19. Jahrhundert (z. B. in Gotha 1829) vielleicht auch aus dem Grund, dass der Wegfall des mit der Grundherrschaft ver­bundenen Schutzes ausgeglichen werden soll.

L.: Heiss, S., Die Institutionalisierung der deutschen Lebensversicherung, 2006

Lebus

Lit.: Ludat, H., Das Lebuser Stiftsregister von 1405, 1965

Le Conte (Contius), Antoine (1517-1586), Königsbeamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (Baron) 1557 Professor in Bourges, 1570 in Orléans und 1574 in Bourges. Er veröffentlicht textkritisch römisches und kirchliches Recht.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1977,775

Ledigmann → (lat.) homo (M.) ligius

Leeds erhält 1626 Stadtrecht. 1890 wird eine Universität eingerichtet

Leeuwen, Simon van (Leiden 1626-1682) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Anwalt, Sekretär und Gerichtsschreiber. Er verfasst eine niederländische Darstellung des römisch-holländischen Rechts (lat. Paratitla [N.Pl.] iuris novissimi, 1652, Het Rooms-Hollands-Recht, 1664) und eine lateinische Zusammenfassung des geltenden römischen Rechts ([lat.] Censura [F.] forensis theoretico-practica, 1662), die trotz ihres geringen wissenschaftlichen Wertes das nieder­ländische Recht bedeutsam beeinflus­sen.

Lit.: Simon van Leeuwen, Censura, hg. v. Hewett, M., 1991

Legaldefinition ist die von einem Gesetz gegebene Inhaltsbestimmung eines Rechts­wortes (vielleicht ab der Lüneburger Reformation des Heinrich Husanus von 1577).

Lit.: Ebel, F., Über Legaldefinitionen, 1974

Legalhypothek (F.) vom Gesetz vorgesehene Hypothek

Legalitätsprinzip ist der im 19. Jh. entwickelte Grundsatz, dass die Staats­anwaltschaft, soweit nicht gesetzlich ein Anderes bestimmt ist, verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Streitigkeiten einzu­schreiten, sofern zurei­chende tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Straftat vorliegen. Das L. wird seit etwa 1860 (Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft, 1860, 57) im Gegensatz zum bislang geltenden → Opportunitätsprinzip verlangt. 1877 wird das L. gesetzlicher Grundsatz, doch werden ver­schiedene Ausnahmen zugelassen. Als L. wird auch der in der Verwaltung im 19. Jahrhundert durchgesetzte Grundsatz verstan­den, dass staatliche Vollziehung nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen darf (vgl. für Österreich Art. 18 I B-VG).

Lit.: Richter, E., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Göttingen 1925; Hertz, F., Die Geschichte des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schürer, K., Die Entwick­lung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, FS K. Peters, 1974, 411; Legalität, Legitimität und Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008; Dettmar, J., Legalität und Opportunität, 2008

Legal realism (Rechtsrealismus) ist im (anglo-)amerikanischen Recht die seit etwa 1930 erkennbare tatsächliche Betrachtungs­weise von Grundsätzen und Regeln in der Wirklichkeit (z. B. Llewellyn 1893-1962).

Lit.: Reich, N., Sociological Jurisprudence and Legal Realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967; Rechtsrealismus, multikulturelle Gesellschaft und Handelsrecht, hg. v. Drobnig, U. u. a., 1994

Legalservitut (F.) auf Gesetz beruhende Servitut (z. B. nachbarrechtliche Eigentums­beschränkung)

Legat (M.) Gesandter

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Legat (N.) Vermächtnis

Legatum (lat. [N.]) ist das bereits im altrömischen Recht in vier Formen mögliche → Vermächtnis.

Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23, 38; Köbler, LAW

Legatum (N.) per damnationem (Damna­tions­legat) ist das wohl spätere Vermächtnis schon des altrömischen Rechts, bei dem vielleicht der (lat.) familiae emptor (M.) (treuhänderischer Vermögenskäufer) dem Bedachten nur für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere Lei­stungen haften soll.

Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23

Legatum (N.) per praeceptionem (lat.) ist schon im altrömischen Recht das Vorwegnahmevermächtnis zugunsten eines Miterben.

Lit.: Kaser §§ 76; Köbler, DRG 23

Legatum (N.) per vindicationem (lat.) ist schon im altrömischen Recht das Vermächtnis, bei dem der Begünstigte (lat. [M.] legatarius) im Todesfall die Sache unmittelbar erwerben soll, so dass er sie von jedermann herausverlangen kann (Vindi­kation).

Lit.: Kaser 28, 29, 76; Köbler, DRG 23

legatum (N.) sinendi modo (lat.) Zulassungsvermächtnis

Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23

leges (lat. [F.Pl.]) sind die Gesetze, (Sg.) → lex

Lit.: Kaser §§ 2, 3, 9; Kroeschell, DRG 1, 2

leges (F.Pl.) barbarorum (lat.) Gesetze (Rechte) der germanisch/germanistischen Völker

Lit.: Leges – Gentes – Regna. Zur Rolle von germanischen Rechtsgewohnheiten und lateinischer Schrifttradition bei der Ausbildung der frühmittel­alterlichen Rechtskultur, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006

Leges (F.Pl.) Edwardi confessoris (lat.) ist ein vermutlich um 1130 lateinisch ge­schriebenes Buch vielleicht eines Geistlichen französischer Herkunft, das angeblich die Darlegung der Gesetze König Eduard des Bekenners (1042-1066) im Jahre 1070 durch zwölf Geschworene enthält. Sein Inhalt dürfte von der Rechts­wirklichkeit ab­weichen.

Lit.: Liebermann, F., Über die Leges Edwardi Confessoris, 1896; Plucknett, T., Early English Legal Literature, 1958

Leges (F.Pl.) Henrici Primi (lat.) ist ein lateinisches, systematisches, jedoch nicht besonders überzeugend gelungenes Rechts­buch des in England unter König Heinrich I. (1100-1135) geltenden Rechts (Gerichtsver­fassung, Kirche, Strafe, Verfahren, Lehen, Grundstücke) vielleicht eines französischen Geistlichen in Wessex (Winchester?) um 1115. Vermutlich verfasst derselbe auch den sog. (lat. [M.]) → Quadripartitus.

Lit.: Liebermann, F., Ein ungedrucktes Vorwort zu den Leges Henrici I., ZRG GA 3 (1882), 127; Plucknett, T., Early English Legal Literature, 1958; Leges Henrici Primi, hg. v. Downer, L., 1972; Korte, G., Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angel­sächsischer Gesetze, 1974

leges (F.Pl.) Iuliae iudiciorum privatorum (lat.) → lex Iulia iudiciorum

Lit.: Kaser §§ 80 II 4b, 82 III 2b; Söllner § 9

Leges (F.Pl.) Langobardorum (lat.) sind die Gesetze der Langobarden, durch die seit 643 das → langobardische Recht als Gesetz festgelegt wird. → Volksrecht

Lit.: Köbler, DRG 82; Leges Langobardorum, hg. v. Bluhme, F., 1868, Neudruck 1925; Tamassia, N., Römisches und westgotisches Recht in Grimowalds und Liutprands Gesetzgebung, ZRG GA 18 (1897), 148; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Langobardorum, 1977

Leges (F.Pl.) Romanae (lat.) sind die Rechtsaufzeichnungen der germanisch/germa­nistischen Völker für die in ihrem Gebiet lebenden Römer (Lex Romana Visigothorum, Lex Romana Burgundionum).

Lit.: Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953

Leges (F.Pl.) Upstalsbomicae (lat.) ist der 1617 von Siccama verwendete Name für die am 18. 9. 1323 von den Vertretern der friesischen Landschaften auf dem Upstalsbom bei Aurich beschlossenen, wohl nur kurzfristig wirksamen Rechtssätze (u. a. Bußen, Wergelder, Friedensgelder, Strafen) auf der Grundlage von vielleicht bis in das 11. Jh. zurückreichenden gemeinfriesischen Beschlüs­sen.

Lit.: Richthofen, K., Untersuchungen über friesische Rechtsquellen, Bd. 1 1880, 250; Heck, P., Altfriesische Gerichtsverfassung, 1894, 361; Gerbenzon, P., Ap­paraat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981

Leges Visigothorum → Lex Visigothorum

Legisactio (lat. [F.]) ist im altrömischen und klassisch-römischen Recht (bis 17 v. Chr., [lat. F.] lex Iulia iudiciorum privatorum) die zulässige Verfahrensform. Es werden dabei (5) verschiedene Legisaktionen unterschieden, zu denen genau vorgeschriebene Spruch­formeln gehören. Nach dem Vorbringen des Verfolgers entscheidet der Magistrat darüber, ob die Rechtsordnung für das Begehren einen Schutz (lat. [F.] → actio) enthält. Noch in republikanischer Zeit werden in Rom die Legisaktionen durch das For­mularverfahren bzw. den Formularprozess abgelöst.

Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81, 82 II 5c, d, 84 I 1, 85 I; Köbler, DRG 19, 20, 32, 224; Lévy-Bruhl, H., Recherches sur les actions de la loi, 1960; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2

Legisactio (F.) per condictionem (lat.) ist die etwas jüngere Legisaktion durch Ansage des altrömischen Rechts, die beispielsweise für Stipulation, Darlehen oder Litteralkontrakt auf eine bestimmte Leistung eröffnet ist und durch Ansagen eines neuen Termines zur Einsetzung einer Entscheidungsperson inner­halb von 30 Tagen (Frist für eine frei­willige Erfüllung) vor dem Prätor geschieht.

Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 3; Söllner § 9; Köbler, DRG 19

Legisactio (F.) per iudicis arbitrive postulationem (lat.) ist die Legisaktion durch Anfordern eines Richters oder Schlichters im altrömischen Recht (z. B. bei [lat.] sponsio - stipulatio [Versprechen] oder Erbengemein­schaftsteilung).

Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 2; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19

Legisactio (F.) per manus iniectionem (lat.) ist die Legisaktion durch Handanlegen im altrömischen Recht. Sie dient der Vollstreckung in die Person.

Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 81 III 1; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19, 20

Legisactio (F.) per pignoris capionem (lat.) ist die Legisaktion durch Pfandergreifung im altrömischen Recht. Sie steht für die Vollstreckung in Sachen in einigen Fällen zur Verfügung. In anderen Fällen ist der eigenmächtige Zugriff auf die Sache erforderlich.

Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81 III 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 19, 20

Legisactio (F.) sacramento in personam (lat.) bzw. in rem (lat.) ist die Legisaktion durch Eid entweder auf eine Person oder auf eine Sache im altrömischen Recht. Sie erfordert das Setzen einer feststehenden, (je nach Streitwert von über oder unter 1000 As) 500 oder 50 As d. h. 5 Rinder oder 5 Schafe betragenden Summe durch jeden der Streitteile, die der Unterliegende als Sühne für den nachträglich durch den Ausgang als falsch erwiesenen Eid, mit dem er ursprünglich seine Behauptung bekräftigt, an den Staatsschatz verliert. Streitgegenstand ist die Rechtmäßigkeit des Eides.

Lit.: Kaser §§ 22 II 1b, 32 II 2c, 81 II 1a, b; Söllner § 9; Köbler, DRG 19, 25; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Zlinsky, J., Gedanken zur legisactio sacramento in rem, ZRG RA 106 (1989), 106

Legisaktion (römische Verfahrensform) → legisactio

Legislation (F.) Gesetzgebung

Lit.: Daube, D., Forms of Roman Legislation, 1966

Legislative ist die gesetzgebende Gewalt im gewaltengeteilten Staat.

Lit.: Köbler, DRG 190f.

legislator (lat. [M.]) Gesetzgeber

Lit.: Köbler, DRG 69; Köbler, LAW

Legist (M.) Kenner des römischen Gesetzesrechts (seit dem Hochmittelalter)

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967; Weimar, P., Die legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Legistik → Legist

Legitimation ist der Nachweis der Berechtigung eines Verhaltens oder eines Zustandes, insbesondere die Verschaffung der Stellung eines ehelichen Kindes für ein nichteheliches Kind. Bereits der spätrömische Kaiser Konstantin (306-337) und andere stellen durch nachfolgende Eheschließung Konkubi­nenkinder ehelichen Kindern gleich. Das gleiche Ergebnis wird durch Eintritt in den Zwangsstand der Gemeinderäte und in bestimmten Fällen durch öffentlichen Gnadenakt (538) hergestellt. Dies wird seit dem 12. Jh. (Papst Alexander III. 1159-1181) aus dem römischen Recht in das Kirchenrecht und danach in das weltliche Recht (Nürnberg 1522) übernommen, in Deutschland 1998 beseitigt.

Lit.: Kaser § 61 II 2b; Hübner 715; Köbler, DRG 121; Koch, K., Legitimatio per subsequens matrimonium, 1897; Kogler, F., Beiträge zur Geschichte der Rezeption und der Symbolik der legitimatio per subsequens matrimonium, ZRG GA 25 (1904), 94; Kogler, F., Die legitimatio per rescriptum von Justinian bis zum Tode Karls IV., 1904; Weitnauer, A., Die Legitimation des außerehelichen Kindes, 1940; Beumann, H., Die sakrale Legitimierung des Herrschers im Denken der ottonischen Zeit, ZRG GA 66 (1948), 1; Herkunft und Ursprung, hg. v. Wunderli, P., 1991

Legitimität ist die seit Beginn des 19. Jh.s erfasste Rechtmäßigkeit einer Herrschaft.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 677; Gauland, A., Das Legitimitätsprinzip, 1971; Würtenberger, T. jun., Die Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004; Legalität, Legitimität und Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008

Lehen, Lehn, ist ein leihweise von einem (adeligen oder freien) Lehnsherrn (z. B. dem König) einem adligen oder freien Lehnsmann (z. B. dem Herzog) unter Sicherung zur (lebenslangen) Nutzung gegen Treue und Dienste (vor allem Waffendienste) überlassenes (Land, Amt oder sonstiges) Recht oder Gut (z. B. das Herzogtum). Es entsteht im Frühmittelalter nach herkömmlicher Ansicht aus personen­rechtlicher Vasallität und sachenrechtlichem Benefizium. Bei der Vasallität (von kelt. gwas Knecht) übernimmt nach einem Ergebungsakt (Kommendation) der Herr Schutz und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und (militärische) Dienste. Bei dem Benefizium gibt ein Mächtiger Land (oder andere Gegenstände) zur Nutzung an andere gegen Dienste und Unterstützung. Mit der Verschmelzung von Vasallität und Benefizium wird Land hauptsächlich an Vasallen gegeben und erhalten Vasallen zunächst in erster Linie Land. Das vertraglich zu begründende Lehnsverhältnis ist grund­sätzlich höchstper­sönlich, endet also mit dem Tode jedes Beteiligten, neigt aber allmählich zur Erblichkeit (Quierzy 877 Leihezwang, 1037 Erblichkeit kleinerer Lehen), wodurch es für den Lehnsherrn an Wert verliert. Seit dem 9. Jh. wird die Stellung als Graf zu L. gegeben, später jedes andere Amt. Auf diese Weise wird nach und nach die gesamte Verwaltung vom Lehnsprinzip durchdrungen. Im 14. Jh. hat beispielsweise der Herzog von Württemberg etwa 500 Lehensleute in einem deutlich schwankenden Bestand (etwa ein Drittel Bürger). Beseitigt wird das L. im 19. Jh. durch Allodifikation (Herstellung von Eigentum) und das Ende des Heiligen römischen Reiches (1806, in Österreich bäuerliche Lehen 1822, ritterliche Lehen 1868). Vom (adligen) L. trotz des ähnlichen Leihecharakters grundsätzlich zu trennen ist die (bäuerliche) → Grundherrschaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 148; Hagemann, T., Einleitung in das gemeine, in Teutschland übliche Lehnrecht, 1787; Brunner, H., Der Reiterdienst und die Anfänge des Lehnswesens, ZRG GA 8 (1887), 1; Wasserschleben, Über die Sukzession in fuldische Lehne, ZRG GA 11 (1890), 151; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1895ff.; Schmid, H., Lehn = Hufe, ZRG GA 44 (1924), 289; Pöhlmann, C., Das ligische Lehensverhältnis, ZRG GA 47 (1927), 678; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Staedtler, E., Zum Sprachgebrauch der libri feudorum, ZRG GA 56 (1936), 361; Boutruche, R., Seigneurie et feodalité, 1959; Studien zum mittelalterlichen Lehenswesen, 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Krawinkel, H., Untersuchungen zum fränkischen Benefizialrecht, 1936; Krawinkel, H., Zur Entstehung des Lehnwesens, 1936; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das sankt gallische Freilehen, 1938; Ganshof, F., Qu’est-ce que la féodalité?, 2. A. 1947, 3. A. 1957; Goez, W., Der Leihezwang, 1962; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983, Neudruck 1989; Bechstein, F., Die Beziehungen zwischen Lehnsherr und Lehensträger in Hohenlohe, Diss. jur. Tübingen 1965; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Schönberg, R. Frhr. v., Das Recht der Reichslehen im 18. Jahrhundert, 1977; Minninger, M., Von Clermont zum Wormser Konkordat, 1978; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978; Rödel, V., Reichs­lehnswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979; Schulze, R., Der nexus feudalis in Vernunftrecht und historischer Rechtsschule, ZRG GA 106 (1989), 68; Abels, R., Lordship and Military Obligation, 1988; Bisson, T., Medieval France and her Pyrenean Neighbours, 1989; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Hauser, S., Staufische Lehnspolitik, 1998; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000; Bachmann, M., Lehenhöfe von Grafen und Herren im ausgehenden Mittelalter, 2000; Spieß, K., Das Lehnswesen im hohen und späten Mittelalter, 2002; Miller, M., Mit Brief und Revers, Das Lehenswesen Württembergs, 2004; Esders, S., Friedrich II., die Mark Brandenburg und das Erzbistum Magdeburg – Zur Kommerzialisierung von Lehensbeziehungen, ZRG GA 123 (2006), 67

Lehnrecht ist die quellenmäßige Bezeichnung des Mittelalters für das Lehnsrecht. Der Sachsenspiegel gliedert sich beispielsweise in Landrecht und Lehnrecht.

Lit.: Köbler, DRG 85, 101, 103, 104, 106, 112, 125, 163; Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Gierke, O., Belehnung des Mannesstammes mit Allmendstücken, ZRG GA 2 (1881), 198; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des sog. Magdeburger Lehnrechts, ZRG GA 14 (1894), 53; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933; Lehnrecht und Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter, eingeleitet v. Goez, W., 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Kaiserliches Lehnrecht, hg. v. Altmann, U., 1989; Brancoli Busdraghi, P., La formazione storica del feudo Lombardo, 2. A. 1999; Iblher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen Lehensrechts, 1999

Lehnrechtsbuch → Lehnsrechtsbuch

Lehnsbrief ist die über die Bestellung eines Lehens seit dem (11. oder) 12. Jh. ausgestellte Urkunde.

Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 69, 115

Lehnsbuch ist ein → Lehen verzeichnendes Buch. Es findet sich anscheinend seit dem 9. Jh. Im Spätmittelalter wird es durch das Handlungen verzeichnende Lehnsregister ersetzt.

Lit.: Lippert, W., Die deutschen Lehnbücher, 1903, Neudruck 1970; Lippert, W./Beschorner, H., Das Lehnbuch Friedrichs des Strengen 1349/50, 1903; Spieß, K., Das älteste Lehnbuch der Pfalzgrafen bei Rhein vom Jahr 1401, 1981

Lehnsdienst ist die Dienstleistung des Lehnsmannes (Heerfahrt, Hoffahrt, Ehrendienst).

Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 591

Lehnseid ist der vom Lehnsmann dem Lehnsherrn zu schwörende Eid.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 83

Lehnserneuerung ist die Neubegründung des Lehnsverhältnisses nach dem Tod eines Beteiligten mit dessen Nachfolger (bzw. einem neuen Beteiligten).

Lit.: Goez, W., Lehnsrecht und Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter, 1969

Lehnsfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Lehnsverhältnis einzugehen. Die L. setzt an sich Ritterlichkeit und Rittermäßigkeit der Lebensführung voraus. In der Rechtswirk­lichkeit sind aber vielfach Geistliche und Frauen sowie auch Bürger und Bauern in eingeschränktem Umfang in das Lehnswesen einbezogen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Paetz, K./Goede, C., Lehrbuch des Lehnrechts, 1825, 120; Frensdorff, F., Die Lehensfähigkeit des Bürger, 1894; Grabscheid, D., Die Bürgerlehen, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957

Lehnsgericht ist das im Mittelalter für Angelegenheiten des Lehnswesens ausgebildete besondere Gericht, das sich aus Richter (meist der Lehnsherr) und Urteilern zusammensetzt (u. a. Reichshofrat). Es endet im 19. Jh. (Bayern 1808).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die königliche Lehngerichtsbarkeit im Zeitalter der Staufer, DA 26 (1970), 400; Früh, M., Die Lehensgerichtsbarkeit der Reichsabtei Fulda, Hess. Jb. F. LG 49 (1999), 39

Lehnsgesetz ist ein das Lehen betreffendes Gesetz, wie es sich im Mittelalter etwa 1037, 1136, 1154, 1158 und 1338 sowie in der Neuzeit in der Form von Lehnsedikten oder Lehnsmandaten findet (Sachsen 1764, Baden 1807, Bayern 1808).

Lit.: Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1921

Lehnsherr → Lehen, Herr

Lehnsinvestitur → Lehen, Investitur

Lehnsmann → Lehen

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Lehnspflicht → Lehen, Lehnsrecht

Lehnsprozess ist der Rechtsstreit um Rechte und Pflichten aus dem → Lehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Lehnspyramide ist der durch Lehen und teil­weise Weitergabe (Unterverlehnung) ent­stehende pyramidenförmige Aufbau der Lehnsgesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die bereits bei Karl dem Großen auf etwa 2000 Vasallen und 30000 Aftervasallen berechnet wird. In der L. nimmt der König die erste Stelle vor geistlichen Fürsten, weltlichen Fürsten, freien Herren und Dienstmannen ein. In England, Frankreich und Sizilien istder Lehnseid des Aftervasallen innerhalb der L. durch einen Treuevorbehalt zu Gunsten des Königs (ligesse) abge­schwächt.

Lit.: Köbler, DRG 85, 98; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972

Lehnsrecht ist die Gesamtheit der das Lehen betreffenden Rechtssätze und die Be­rechtigung an einem Lehen. Das L. entsteht durch die Vereinbarung zahlloser Lehnsver­hältnisse gewohnheitsrechtlich sowie durch die → Lehnsgesetze. Im Streitfall entscheidet das → Lehnsgericht. Zeitweise führend ist das langobardische oder italienische L., das über an italienischen Universitäten ausgebildete Juristen auch in Gebiete nördlich der Alpen gebracht wird. Neben allgemeinerem L. besteht jeweils auch ein besonderes L. eines Lehnsherrn (z. B. Grafen von Katzen­elnbogen). Durch Annahme des Titels Kaiser von Österreich (1804) bzw. durch Auflösung des Reiches 1806 endet das L. des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation), im 19. Jh. auch das L. der einzelnen deutschen Staaten.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 101, 112, 125; Moser, J., Von der Teutschen Lehens-Verfassung, 1774; Weber, G., Handbuch der in Deutschland üblichen Lehnsrechte, Bd. 1ff. 1807ff.; Homeyer, C., System des Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844; Eichhorn, K., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1971; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Wyluda, W., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein, 1978; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 3 1984; Kroeschell, K., Lehnrecht und Verfassung, 1997; Plate, B., Lehnsrecht in Hartmanns Gregorius, Mediaevistik 10 (1997); Ibhlher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen Lehensrechts, 1999

Lehnsrechtsbuch, Lehnrechtsbuch, ist das Lehen und Lehnsrecht betreffende → Rechtsbuch. Es tritt zuerst im langobar­disch/lombardischen Bereich auf (Obertus de Orto, Pavia 11./12. Jh.). Sein Inhalt wirkt sich aber erst im späteren Mittelalter auf Deutschland aus. In einem engeren Sinn ist L. das an das Lehnsrecht des → Sachsenspiegels angeschlossene Rechtsbuch ([lat.] → Auctor [M.] vetus de beneficiis, 1221-1224). Das Lehnsrecht des Sachsenspiegels selbst wird (1272-1292) lateinisch übersetzt, in Bilderhandschriften aufgenommen, glossiert (Mitte 14. Jh.s) und mit einem → Richtsteig versehen. Dem Sachsenspiegel folgen → Deutschenspiegel und → Schwabenspiegel und ein Teil der darauf aufbauenden Rechtsbücher. Selbständige Lehnsrechts­bücher finden sich in Estland und Livland (waldemar-erichsches Lehnrecht, 1315, ältes­tes livländisches Ritterrecht, 1355-77, mittleres livländisches Ritterrecht, systematisches livländisches Ritterrecht).

Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879; Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neu­druck 1971; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Oppitz, U., Deutsche Rechts­bücher des Mittelalters, Bd. 1 1990

Lehnsregister → Lehnsbuch

Lehnsretrakt ist die Ausübung eines Retraktrechtes eines Berechtigten bei entgeltlicher Veräußerung eines → Lehens. Der L. ist später in verschiedenen Lehns­rechten möglich (z. B. 1609 im Reich).

Lit.: Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983

Lehnsträger (lat. provasallus [M.]) ist ein anstelle des eigentlichen Lehnsinhabers (Lehnsmannes) die Rechte und Pflichten aus dem Lehen tragender Mensch (z. B. Vor­mund). Der L. tritt schon im Frühmittelalter auf (860).

Lit.: Mitteis, H., Zur Geschichte der Lehnsvormundschaft, (in) Die Rechtsidee in der Geschichte, 1957, 193

Lehnsverhältnis → Lehen

Lehnsvormundschaft → Lehen, Vormund­schaft

Lehnswesen → Lehen

Lit.: Söllner § 4; Kroeschell, DRG 1; Transehe-Roseneck, A. v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Studien zum mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961

Lehre → herrschende Lehre

Lehrfreiheit ist die Freiheit, die wissenschaftlich gewonnenen Einsichten und Überzeugungen frei zu verbreiten. Die L. ist als Grundrecht bereits in der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung (1848) enthalten.

Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929; Sterzel, D., Wissenschaftsfreiheit und Hochschul­organisation, Diss. jur. Gießen 1973

Lehrling ist der eine praktische Berufs­ausbildung (Lehre) durchlaufende junge Mensch. Der L. erscheint im 13. Jh. in Zunftordnungen der Städte. Seit dem 14. 8. 1969 ist der L. durch den Auszubildenden ersetzt.

Lit.: Wissel, R., Des alten Handwerks Recht und Ge­wohnheit, Bd. 1 1929, 137; Beyer, W., Die Entwicklung des Lehrlingsverhältnisses, 1938; Quef, P., Histoire de l'apprentissage, 1964; Wesoly, K., Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985

Lehrvertrag ist der für die Ausbildung eines → Lehrlings geschlossene Vertrag. Er sieht lange Zeit ein besonderes Lehrgeld vor. Erst in jüngerer Zeit erhält der Lehrling eine Vergütung. Der L. endet regelmäßig mit Ablegung einer Gesellenprüfung.

Lit.: Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934

Leibeigener ist der in → Leibeigenschaft befindliche Mensch. Seine Erfolgsaussichten in frühneuzeitlichen Freiheitsrechtsstreitigkei­ten sind gering.

Lit.: Ullmann, I., Die rechtliche Behandlung holsteinischer Leibeigener um die Mitte des 18. Jahrhunderts, 2007

Leibeigenschaft ist im neuzeitlichen deutschen Recht die meist durch Überlassung von Grundstücksnutzung und damit geschaffener grundherrschaftlicher Bindung erreichte persönliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen. Sachlich sind auch Sklaven und Kolonen im Altertum und Unfreie und Hörige im Frühmittelalter leibeigen, doch gehen erst seit etwa 1350 die Grundherren dazu über, zur Abwehr der Landflucht (→Stadtluft macht frei) Höfe nur noch an Leihenehmer zu vergeben, die sich völlig unterwerfen und schwören, nicht fortzuziehen, und dehnen diese Stellung vereinheitlichend auf alle abhängigen Leihenehmer aus. Sprachlich wird eigen im 15. Jh. zu leibeigen fortgebildet. L. be­schränkt die Rechtsfähigkeit und insbesondere die Freizügigkeit. Zwischen (1781 Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien bzw.) 1783 (Baden) und 1820 (Mecklenburg) wird die L. in Deutschland gesetzlich beseitigt (Ungarn 1785/1791 ge­scheitert, 1848 Leibei­genschaftspatent).

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kindlinger, N., Geschichte der Hörigkeit, 1819; Sugenheim, S., Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit, 1861; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Ostpreußen, ZRG GA 8 (1887), 1; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern, ZRG GA 9 (1888), 104; Brünneck, W. v., Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch die Gesetzgebung Friedrichs des Großen und das Allgemeine preußische Landrecht, ZRG GA 10 (1889), 24, 11 (1890), 101; Knapp, T., Über Leibeigenschaft in Deutschland, ZRG GA 19 (1898), 16; Wipper, R., Vom 15.-18. Jahrhundert. Die Zeit der Leibeigenschaft, 1930; Tischler, M., Die Leibeigenschaft im Hochstift Würz­burg, 1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ulrich, C., Leibherrschaft am Oberrhein im Spätmittelalter, 1979; Keitel, C., Herrschaft über Land und Leute, 2000; Hauser, A., Die Gesetzgebung zur Herstellung unbeschränkten Grundeigentums, Diss. jur. Tübingen 2002/2003; Leibeigenschaft, hg. v. Klussmann, J., 2003; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003, 2. A. 2006; Sprandel, R., Die Entstehung der Leigeigen­schaft, Saeculum 56 (2005), 33

Leibesfrucht ist das Kind im Mutterleib von der Zeugung bis zur Vollendung der Geburt. Das römische Recht kennt für die L. (lat.[M.] → nasciturus) einen (lat.) → curator (M.) ventris (vgl. § 1912 BGB). Von Ausnahmen abgesehen, fehlt der L. die → Rechts­fähigkeit.

Lit.: Kaser §§ 13 II 1a, 64 V, 66 III 2a; Hübner § 6; Wolf, E./Naujoks, H., Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit, 1955

Leibesstrafe ist die am körperlichen Leib eines Menschen vollzogene Strafe (z. B. Schlagen, Verstümmeln, Scheren). Sie ist seit dem Altertum bekannt. Im Frühmittelalter erscheint sie gegenüber dem → Kom­positionensystem selten. Vom Hochmittelalter an gewinnt sie erhebliches Gewicht. Am Ende des 18. Jh.s werden verstümmelnde Strafen nicht mehr angewandt. Seit dem Anfang des 20. Jh.s wird auch die Prügelstrafe beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 119, 204; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 981; Schreuder, L., Bijdrage tot de kennis van eenige lijfstraffen, 1928; Wrede, R., Die Körperstrafen, 1908, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 510, Neudruck 1964; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965

Leibfall → Sterbefall

Leibgedinge → Leibzucht

Leibniz, Gottfried Wilhelm (Leipzig 1. 7. 1646-Hannover 14. 11. 1716), Sohn eines Notars und Professors der Moral, wird nach dem Studium von Recht, Mathematik und Philosophie in Leipzig und der Promotion in Altdorf Sekretär in Nürnberg, 1667 Rat in Mainz und 1676 Bibliothekar und Hofrat in Hannover. Nach seiner Monadenlehre besteht die von Gott als der vollkommensten Monade (Einheit) als bestmöglich geschaffene Welt in einer umfassenden prästabilierten Harmonie unter allen Monaden. Diese Harmonie ist eine natürliche Ordnung, die mit der Vernunft erkannt werden kann. Das auf der vernünftigen Natur der Dinge beruhende Recht (→ Naturrecht) ist vom Willen Gottes unabhängig und kann vom Gesetzgeber nicht beliebig gestaltet werden. Der Staat ermöglicht die Gerechtigkeit. L. begründet die mathe­matische Logik, die Differential­rechnung und das binäre Zahlensystem. Seit 1671 entwirft er Pläne umfassender Gesetzgebung ([lat.] Codex [M.] Leopoldinus, Corpus [N.] iuris reconcinnatum). Ein zusammenfassendes Hauptwerk des Univer­salgelehrten fehlt. Sein Schüler ist Christian → Wolff.

Lit.: Köbler, DRG 136, 139, 142; Leibniz, G., Codex iuris gentium diplomaticus, 1693; Mollat, G., Zur Würdigung Leibnizens, ZRG GA 7 (1886), 71; Taranowsky, F., Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte, ZRG GA 27 (1906), 190; Heymann, E., Leibniz’ Plan einer juristischen Studienreform vom Jahre 1667, 1931 (SB preußische Akademie der Wissenschaften); Herrmann, K., Das Staatsdenken bei Leibniz, 1958; Bontadini, G., Der Rechtsbegriff und die Rechtsidee bei Leibniz, 1967; Müller, K., Leibniz-Biographie, 1967; Schneider, H., Iustitia universalis, 1967; Sturm, F., Das römische Recht in der Sicht von Gottfried Wilhelm Leibniz, 1970; Burkhard, H., Logik und Semiotik in der Philosophie von Leibniz, 1980; Luig, K., Die Rolle des deutschen Rechts in Leibnizs Kodifikationsplänen, Ius commune 5 (1975), 56; Otte, G., Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Luig, K., Die Wurzeln des aufgeklärten Naturrechts bei Leibniz, (in) Naturrecht - Spätaufklärung - Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1994, 61; Riley, P., Leibnitz‘ universal jurisprudence, 1997; Hirsch, E., Der berühmte Herr Leibnitz, 2000; Berkowitz, R., The Gift of Science, 2005; Leibniz und das Judentum, hg. v. Cook, D. u. a., 2008; Zwischen Fürstenwillkür und Menschheitswohl, hg. v. Hartbecke, K., 2008; Der universale Leibniz, hg. v. Reydon, T. u. a., 2009

Leibrente ist eine auf die Lebensdauer eines oder mehrerer Menschen vereinbarte Rente. Die L. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie entsteht hauptsächlich durch Kauf. Der seit dem 14. Jh. verbreitete Verkauf von Leibrenten durch Verbandspersonen (Staat, Stadt, Kloster usw.) endet mit dem Aufkommen der verzinslichen Anleihe.

Lit.: Hübner 397; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961

Leibzucht oder Leibgedinge ist ein Rechtsgeschäft (meist Vertrag), in dem eine Person sich zur Überlassung einer Nutzung auf Lebenszeit gegenüber einem Menschen verpflichtet. Die L. begründet ein (dingliches) Nutzungsrecht an einem nutzbaren Gegen­stand (z. B. Hof, Haus, Lehen, ­rechtigung). Im Familienrecht dient die L. der Versorgung des überlebenden Ehegatten. In der Neuzeit wird die L. bedeutungslos.

Lit.: Hübner 677; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125; Brünneck, W. v., Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr im partikulären deutschen Lehn- und Adelsrecht, ZRG GA 27 (1906), 1; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 269; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973, 65, 83

Leiche ist eine Sache, für die besonderes Recht gilt.

Lit.: Groß, D., Die Entwicklung der inneren und äußeren Leichenschau, 2002

Leichenraub ist die Wegnahme einer Leiche aus einem Gewahrsam eines Berechtigten. Der L. wird bereits im Altertum (→ Todesstrafe) und im Frühmittelalter (→ Buße, Ausweisung) mit Rechtsfolgen bedroht. Das spätrömische Recht sieht den L. als Religionsverbrechen an.

Lit.: Mommsen, T., Zum römischen Grabrecht, ZRG RA 16 (1815), 203; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 211

Leiden am alten Rhein erscheint im 11. Jh. 1266 erhält es Stadtrecht. 1574/1575 wird es Sitz einer Universität.

Lit.: Ahsmann, M./Feenstra, R., Bibliografie van hoogleraren, 1984; Clotz, H., Hochschule für Holland, 1998; Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000

Leihe ist ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender schuldrechtlicher Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verleiher) verpflichtet, dem anderen Teil (Entleiher) den Gebrauch der geliehenen Sache auf Zeit unentgeltlich zu gestatten Im römischen Recht entspricht dem vermutlich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten der anerkannte unvollkommen zweiseitige Real­vertrag (lat.) → commodatum (N.) mit(lat. [F.]) actio des Verleihers auf Rückgabe und actio des Entleihers auf eventuellen Aufwendungser­satz oder Schadensersatz, dem das unver­bindliche (lat.) → precarium (N.) (Bittleihe) zur Seite steht. Im Frühmittelalter be­günstigen die Vergrößerung der Liegen­schaften durch Landnahme (Grund­herrschaft) und das antike Vorbild die Ausbildung von beschränkten eigentums­ähnlichen Rechten an fremden Grundstücken (sog. Landleihe, sachenrechtliches geteiltes Eigentum). Bei der (lat.) → precaria (F.) wird Land auf Zeit, auf Widerruf, auf Lebenszeit eines oder mehrerer Menschen (Leibgedinge, Leibzucht) oder überhaupt erblich (Erbleihe) gegeben. Das Land kann vom Geber stammen (lat. precaria [F.] data), vom Empfänger (lat. precaria [F.] oblata) oder von beiden zu je einem Teil (lat. precaria [F.] remuneratoria). Meist ist bei diesen Grundstücksleihe­verhältnissen eine Gegenleistung in Abgaben, Diensten oder Land zu erbringen. Bei der freien L. behält dabei der Entleiher seine persönliche Freiheit, bei der unfreien L. gerät er in Abhängigkeit. In der Stadt entsteht aus der dortigen freien L. ein zinspflichtiges (reallastbelastetes) Eigentum. Eine Sonder­form der L. ist das → Lehen. Als wirt­schaft­lich bedeutungslose unentgeltliche Ge­brauchs­gestattung erscheint die L. in der spätmittelalterlichen Stadt und wird früh den Regeln des aufgenommenen römischen Rechts unterstellt, wobei die Trennung von (lat.) commodatum und (lat.) precarium im 19 Jh. schwindet.

Lit.: Kaser §§ 19 II, 39 II, 42 II; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 45, 91; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, §2; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 272, 297, 385, 480, 560; Berndt, B., Das commodatum, 2009

Leihezwang ist der Zwang zur Verleihung bzw. Verlehnung eines bäuerlichen oder ritterlichen Gutes nach Heimfall an den Grundherrn oder Lehnsherrn. Es ist streitig, in welchem Umfang ein allgemeiner L. bestand. Für das Lehen gilt in einzelnen Gebieten L. Im Heiligen römischen Reich ist es fraglich, ob sich im Hochmit­tel­alter zahlreiche einzelne Ansprüche auf Wiederaus­gabe eines Lehens zu einem allgemeinen L. verdichteten. Tatsächlich gibt jedenfalls der König die heimgefallenen Lehen (im Gegensatz zu England und Frankreich) regelmäßig wieder aus, wodurch er seine Stellung schwächt. Der bäuerliche L. wird in Preußen durch Edikt vom 9. 10. 1807 erheblich eingeschränkt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Brunner, H., Der Leihezwang in der deutschen Agrargeschichte, 1897; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Gunia, H., Der Leihezwang, ein angeblicher Grundsatz des Reichsstaatsrechts im Mittelalter, 1938; Goez, W., Der Leihezwang, 1962; Krause, H, Der Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwanges, ZRG GA 93 (1976), 21; Leppin, H., Untersuchungen zum Leihezwang, ZRG GA 105 (1988), 239

Leihhaus ist eine im Spätmittelalter in Italien entstandene Einrichtung der Allgemeinheit, die unter Befreiung vom → kanonischen Zins­verbot kurzfristige Darlehen gegen ein Faustpfand gewährt (lat. mons [M.] pietatis bzw. mons [M.] profanus). Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) entstehen Leihhäuser in der frühen Neuzeit (Augsburg 1591, Hannover 1598, Nürnberg 1618 usw.). Im 18. Jh. übernimmt die Sparkasse einen Teilbereich des Geschäftes. 1869 lässt die Gewerbeordnung das private L. zu, wenn auch 1879 eine Konzession vorgeschrieben wird.

Lit.: Hübner; Seidel, M./Pfitzner, J., Das Sparkassen­wesen, 1916; Vespes, J., Historia de los montes de piedad, 1971

Leiningen

Lit.: Wild, G., Das Fürstentum Leiningen, 1954

Leinpfad (Treidelpfad) ist der für das Ziehen von Schiffen an schiffbaren Flüssen bestehende Uferpfad. Das Recht am L. ist Teil des Stromregals an schiffbaren öffentlichen Flüssen, das im Spätmittelalter auf die Landesherren übergeht. Es steht auch nach Aufgabe des Schiffziehens seit dem 19. Jh. meist dem Staat zu.

Lit.: Werkmüller, D., Leinpfad, HRG 2 1978, 1835

Leipzig an der Pleiße gehört seit der zweiten Hälfte des 12. Jh.s zum hallisch-magdeburgischen Recht. Sein aus dem Stadtgericht entwickelter Schöppenstuhl wird schon im Spätmittelalter bedeutsam (1574 landesherrliche, 1835 aufgelöste Spruchbe­hörde). 1409 wird es Sitz einer Universität. 1813 wird in einer Völkerschlacht bei L. Napoleon besiegt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Distel, T., Gutachten der Juristenfakultät, ZRG GA 6 (1885), 189, 10 (1889), 63; Distel, T., Beitrag zur älteren Verfassungsgeschichte des Schöppenstuhls zu Leipzig, ZRG GA 7 (1887), 89, 10 (1889), 63; Kötzschke, R., Leipzig in der Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 11 (1917); Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919; Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1942 (masch.schr.); Karl-Marx-Universität Leipzig, Bibliographie zur Universitätsgeschichte 1409-1959, hg. v. d. hist. Komm. bei d. sächs. Ak. d. Wiss., 1961; Leipzigs Messen, hg. v. Bentele, G. u. a., 1998; Steinführer, H., Die Leipziger Ratsbücher 1466-1500, 2003; Krause, K., Alma Mater Lipsiensis, 2003; Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680-1780, hg. v. Marti, H. u. a., 2004; Sachsens Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur, hg. v. Hehl, U. v., 2005; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung, 2006; Universitätsgeschichte als Landesgeschichte, hg. v. Döring, D., 2007

Leistung ist der Gegenstand einer Schuldverpflichtung. Mit der L. wird der Schuldner frei. Bei Leistungsstörungen (→ Unmöglichkeit, → Verzug, → positive Forderungsverletzung) treten besondere Rechtsfolgen ein.

Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 42, 44, 126, 165, 214; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges beim Kaufvertrag, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörung bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Emmert, J., Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten, 2001

Leistungsstörung (1936 Heinrich Stoll)→ Leistung, → positive Forderungsverletzung, → Verzug, → Unmöglichkeit

Lit.: Stoll, H., Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1936; Würthwein, S., Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Sessler, A., Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1994; Süß-Hoffmann, E., Das BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im nationalsozialistischen Sinne, Diss. jur. Mannheim 2000

Leistungsverwaltung ist die in der Erbringung von Leistungen bestehende Verwaltung im Gegensatz zur Eingriffs­ver­waltung. Die L. tritt im 19. Jh. hervor (Wasser, Gas, Strom, Müllabfuhr, Verkehr).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Kommunale Leistungsver­waltung und Stadtentwicklung, hg. v. Blotevogel, H., 1990; Die Stadt als Dienstleistungszentrum, hg. v. Reulecke, J., 1992; Fischer, A., Kommunale Leistungs­verwaltung im 19. Jahrhundert, 1995; Heider, M., Die Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid, 2005

Leitkauf ist der im Hochmittelalter sichtbare, unter Gelöbnistrunk erfolgende Kauf, der die Beteiligten bis zur nachfolgenden Erfüllung bindet.

Lit.: Hübner

Lemberg

Lit.: Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Lentze, Hans (Lauban 14. 3. 1909-Wien 24. 3. 1970), protestantischer Bürgerssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Göttingen, Bonn und Breslau und der Theologie Prämon­stratenser (1939), 1947 in Innsbruck ha­bilitiert, 1952 außerordentlicher Professor in Innsbruck und 1954 Professor für Rechtsge­schichte (1958 ordentlicher Professor) in Wien.

Lit.: Festschrift für Hans Lentze, hg. v. Grass, N. u. a., 1969

Leoben

Lit.: Schillinger-Prassl, C., Die Rechtsquellen der Stadt Leoben, 1997

Leobschütz in Mähren an der Grenze zu Polen ist eine im Mittelalter als Oberhof einer Stadtrechtsfamilie wirkende Stadt, in der 1420/1421 eine Prachthandschrift eines Leob­schützer Rechtsbuchs mit Privilegien, Be­stätigungen, Leobschützer Willkürrecht und einem Meißener Rechtsbuch in fünf Büchern in ostmitteldeutscher Sprache herge­stellt wird.

Lit.: Das Leobschützer Rechtsbuch, bearb. v. Roth, G., hg. v. Irganng, W., 2006

Leodis (lat.-afrk.), leudis, ist im fränkischen Frühmittelalter der Freie bzw. sein Wergeld.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Mayer, E., Leudes – curiales, ZRG GA 36 (1915), 438; Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und frankolateinische Bezeichnungen für soziale Schichten und Gruppen, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen phil.-hist. Kl. 1972, Nr. 4, 240

León ist ein 912 durch Abspaltung von Asturien entstehendes Königreich, zu dem 914 Galicien und 924 Asturien zurückkehren. 1037 bzw. 1230 wird Kastilien mit L. vereinigt.

Lit.: Reilly, B., The kingdom of León-Castilla under king Alfonso VII (1126-1157), 1998

Les Tenures ist eine 1481 von Sir Thomas → Littleton veröffentlichte, 1628 von Edward → Coke kommentierte Darstellung des Lehnrechts und damit auch des Liegenschaftsrechts des englischen Rechts.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Lettland ist das seit dem 9. Jh. (?) von baltischen Letten besiedelte Gebiet an der unteren Düna, das im 13. Jh. unter deutschen Einfluss gerät. 1561 kommt es teils unmittelbar, teils lehnsrechtlich zu Polen, 1810 an Russland. 1864 entsteht ein von Bunge nach dem Vorbild des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuches geschaffenes Gesetzbuch für die Ostseeprovinzen. 1918 bildet sich ein unabhängiges L., das 1934/­1937 unter (trotz Abkehr von einem individualistisch ausgerichteten Privatrecht und Hinwendung zu einem stärker gemein­schaftsbezogenen sozialen Recht) inhaltlicher Wahrung des vorhergehenden, zu mehr als der Hälfte römisch geprägten Provinzi­alrechts des Ostseegouvernements Russlands von 1864 (rund 4600 Bestimmungen) ein Zivilgesetzbuch mit rund 2400 Paragraphen erlässt (und 1938 durch ein Grundbuchgesetz ergänz), wenig später (5. 8. 1940) von der Sowjetunion einverleibt, aber am 6. 9. 1991 wieder freigegeben wird. Ab 1992 wird das lettländische Zivilgesetzbuch von 1937 mit Änderungen nach und nach wieder in Kraftgesetzt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein Lettlands u. a. Faksimileausgabe 2003; Schwabe, A., Grundriss der Agrargeschichte Lettlands, 1928; Lettlands Zivilgesetzbuch vom 28. Januar 1937, hg. v. Herderinstitut zu Riga, 1938; Noltein, E. v., Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der lettischen Agrarreform vom 16. September 1920, Diss. jur. München 1959; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997; Ludwig, K., Lettland, 2000; Wohlfahrt, K., Der Rigaer Letten-Verein, 2006; Donnert, E., Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008; Schwartz, P., Das lettländische Zivilgesetzbuch vom 28. Januar 1937, 2008

Lettre (F.) de cachet ist in Frankreich in der frühen Neuzeit der von einem Staatssekretär gegengezeichnete königliche Brief, der vielfach einem politisch unerwünschten Menschen befiehlt, sich in ein Staatsgefängnis oder in die Verbannung zu begeben. → Haftbefehl

Lit.: Hertz, E., Voltaire und die französische Strafrechtspflege im 18. Jahrhundert, 1887

Letzter Wille ist der im → Testament ge­äußerte Wille, welche Rechtsfolge am Vermögen des Erblassers eintreten soll.

Leu, Johann Jakob (Zürich 1689-1768), Bürgerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg 1759 Bürgermeister in Zürich. Das eidgenössische Stadt- und Landrecht (Bd. 1ff. 1727) stellt das Schweizer Privatrecht dar, ein 20-bändiges Allgemeines helvetisches .... Lexikon (1747ff.) das damalige Gesamtwissen.

Lit.: Soliva, C., Das eidgenössische Stadt- und Landrecht des Zürcher Bürgermeisters Johann Jakob Leu, 1969; Vogt, M., Johan Jakob Leu, 1976

leudes → leodis

Leumund ist der Ruf eines Menschen. Wer einen schlechten L. hat (z. B. landschädliche Leute), ist im Mittelalter vom Reinigungseid ausgeschlossen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 346

Leutkircher Heide ist ein Gebiet in Oberschwaben, für das ein kaiserliches Landgericht für Freie von 1348 bis 1802 bezeugt ist.

Lit.: Gut, M., Das ehemalige kaiserliche Landgericht auf der Leutkircher Heide, Diss. jur. Tübingen 1909; Diehl, A., Die Freien auf Leutkircher Heide, Zs. f. württ. LG. 1940, 257; Feine, H., Kaiserliche Landgerichte in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148; Kegel-Schorer, C. de, Die Freien auf Leutkircher Heide, 2007

Leviathan (hebr. [Sb.] gewundenes Tier?) ist eine alttestamentliche Bezeichnung für Dra­chen, Krokodil und Ägypten, die Thomas → Hobbes 1651 als Buchtitel einer Staats­dar­stellung verwendet.

Lit.: Schmitt, C., Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, 1938; Kohl, W./Stolleis, M., Im Bauch des Leviathan, NJW 1988, 2849

Levy, Ernst (Berlin 23. 12. 1881-Davis 14. 9. 1968), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau und Berlin Amtsrichter und 1919 Professor in Frankfurt am Main, 1922 in Freiburg im Breisgau und 1928 in Heidelberg. 1936 muss er emigrieren, kehrt aber von 1945 bis 1966 nach Europa zurück. Er erforscht das spätrömische Vulgarrecht Westroms.

Lit.: Levy, E., Zum Wesen des weströmischen Vulgarrechts, 1935; Levy, E., West Roman Vulgar Law: The Law of Property, 1951; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht: Das Obligationsrecht, 1956; Levy, E., Gesammelte Schriften, 1963; Kunkel, W., Ernst Levy zum Gedächtnis, ZRG RA 86 (1969), XIII; Ernst Levy und Wolfgang Kunkel, Briefwechsel 1922-1968, hg. v. Mußgnug, D., 2005

Lex (lat. [F.], Pl. leges) ist im römischen Recht das Gesetz (z. B. [lat.] lex duodecim tabularum [Zwölftafelgesetz] usw.). Für die Zeit von etwa 510 v. Chr. bis etwa 100 n. Chr. lassen sich rund 800 einzelne römische leges (publicae) (Gesetze) ermitteln, die grundsätz­lich nach dem Antragsteller benannt sind. Daneben können als (lat. [F.]) lex privata ein Vertrag, eine Satzung oder eine Hausordnung geschaffen werden. Im spätrömischen Recht wird der Ausdruck (lat. [N.]) ius (Recht) wegen der überragenden Bedeutung der kaiserlichen Gesetzgebung in erheblichem Umfang durch l. verdrängt, so dass l. bald auch zur Benennung des Rechtes insgesamt wird. Deswegen bezeichnen l. und (lat. [N.]) ius im Frühmittelalter eine objektive, ständigen Veränderungen unter­liegende Ordnung (Stammesrecht, Volks­recht). Seit dem 12. Jh. kehrt l. zur ursprünglichen Bedeutung (Gesetz) zurück.

Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 14, 15; Köbler, LAW; Balon, J., Ius medii aevi 2 Lex iurisdictio, 1960; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Bleicken, J., Lex publica, 1978; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Münsch, O., Der liber legum des Lupus von Ferrières, 2001

Lex Aebutia ist das römische Gesetz der ersten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr., das vermut­lich die (lat.) legis actio (F.) per condictionem durch die zum Formularverfahren gehörige (lat.) condictio er­setzt.

Lit.: Kaser § 80 II 4b; Söllner § 9; Köbler, DRG 33

Lex Aelia Sentia ist das römische Gesetz des Jahres 4 n. Chr., das die Freilassung an be­stimmte Voraussetzungen knüpft.

Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36

Lex aeterna (ewiges Recht) ist das von Augustin (354-430) auf Gott zurückgeführte Recht, das der Mensch als Naturrecht (lat. lex [F.] naturalis) erkennen kann.

Lit.: Köbler, DRG 145; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Lex Alamannorum ist das (nach dem Pactus Alamannorum) zwischen 712 und 725 aufge­zeichnete, in 50 Handschriften überlieferte Volksrecht der → Alemannen. Die L. A. gliedert sich in Kirchensachen, Herzogs­sachen und Volkssachen. Sie ist stark kirchlich beeinflusst.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81: Leges Alamannorum, hg. v. Lehmann, K., 1888; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F., Die süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Beyerle, F., Die beiden süddeutschen Stammesrechte, ZRG 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Rivers, T., The Legal Status of Freewomen in the Lex Alamannorum, ZRG GA 91 (1974), 175; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und Baiwariorum, 1979; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; Siems, H., Zu Problemen der Bewertung frühmittelalterliccher Rechtstexte, ZTG GA 106 (1989), 291; Lex Alamannorum, hg. v. Schott, C., 1993

Lex Anastasiana ist das Gesetz des römischen Kaisers Anastasius (491-510), das dem Zessionar verbietet, eine gekaufte Forderung zu einem Preis über dem Kaufpreis geltend zu machen. Ihr ist nicht in das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Öster­reichs (1809), das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863) oder das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches aufge­nommen und in einzelnen Staaten des Deutschen Bundes durch Gesetz ausgeschlossen (Großherzogtum Hessen 1827, Württemberg 1828, Frankfurt am Main 1829, Kurfürs­tentum Hessen 1840, Nassau 1841, Hannover 1864, vgl. auch Art. 299 ADHGB 1861).

Lit.: Rennpferdt, M., Lex Anastasiana, 1991; Beaucamp, E., Die Lex Anastasiana von Thomasius zum BGB, 1994

 Lex Angliorum et Werinorum → Lex Thuringorum

Lit.: Liebermann, F., Zur Lex Angliorum, ZRG GA 15 (1894), 174

Lex Apuleia ist das römische Gesetz, das dem mehr leistenden von mehreren Bürgen einen Ausgleichsanspruch gegen die übrigen gewährt.

Lit.: Kaser § 57 II 2a

Lex Aquilia de damno ist das (um) 286 v. Chr. als Plebiszit erlassene, drei Kapitel umfassende römische Gesetz über den Schaden. Danach ist die rechtswidrige (lat. iniuria) (vorsätzliche oder fahrlässige) Tötung frem­der Sklaven und vierfüßiger Herdentiere seitens des Täters - nicht mehr wie noch im Zwölftafelgesetz durch einen vorgegebenen Betrag, sondern - durch ihren höchsten Wert des letzten Jahres, die sonstige Schädigung von Vermögensgütern durch Brennen, Brechen, Reißen durch ihren höchsten Wert der letzten 30 Tage - bei Bestreiten jeweils doppelt - auszugleichen. Die l. A. wird seit dem Spät­mittelalter in vereinfachter Form im Heiligen römischen Reich aufge­nommen und bildet die Grundlage des Rechtes der unerlaubten Handlungen (Delikte) bis zur Gegenwart.

Lit.: Kaser §§ 15 I 1, 36 II 2, 51 II, 57 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 31, 48, 65, 166, 216; König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht im Mittelalter im Anschluss an die lex Aquilia, 1954; Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958; Lübtow, U. v., Untersuchungen zur lex Aquilia, 1971; Hausmaninger, H., Das Schadenersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1996; Schebitz, B., Berechnung des Ersatzes nach der lex Aquilia, Diss. jur. Berlin 1988; Bilstein, R., Das deliktische Schadensersatzrecht der lex Aquilia in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 1994

Lex Arcadia ist das römische Gesetz des Jahres 397, das die Ehrverletzung der Amtsträger mit verstärkter Straffolge bedroht.

Lit.: Köbler, DRG 56

Lex Atilia ist das römische Gesetz des Jahres 210 v. Chr., das die Bestellung des Vor­mundes durch Magistrate ermöglicht.

Lit.: Kaser §§ 62 II 3, 63 3c; Köbler, DRG 36

Lex Atinia ist das römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das gestohlene Sachen von der Ersitzung durch jeden weiteren Erwerber ausschließt, bis sie zum Eigentümer zurück­kehrt.

Lit.: Kaser § 25 I 2b, IIa; Söllner § 8

Lex Baiwariorum ist das vielleicht ([nach Hermann Nehlsen] vor 643 oder) um 743 aufgezeichnete, in mehr als 30 Handschriften überlieferte Volksrecht der → Bayern, das auffälligerweise enge Verwandschaft zum westgotischen (lat.) Codex (M.) Euricianus (wörtliche Übernahmen in überzeugender Art und Weise) und zur (lat.) lex (F.) Alamannorum (sachliche Übereinstimmungen möglicherweise auf Grund einer gemein­samen älteren Vorlage) aufweist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Kralik, D., Die deutschen Bestandteile der lex Baiwariorum, NA 38 (1913), 13, 401, 581; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Lex Baiwariorum, hg. v. Schwind, E. Frhr. v., 1926, Neudruck 1999; Lex Baiuvariorum – Lichtdruckwiedergabe der Ingolstädter Handschrift, hg. v. Beyerle, K., 1926; Beyerle, F., Die süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Zeller, F., Das Verhältnis der Lex Bajuvariorum zum späteren bayerischen Recht, Diss. jur. München 1941; Beyerle, F., Die beiden süddeutschen Stammesrechte, ZRG GA 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germani­sches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Kobler, M., Stammesrecht und Stammesherrschaft, Habilschr. München 1967 (masch.schr.); Krause, H., Die liberi der lex Baiwariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Gastroph, H., Herrschaft und Gesellschaft in der Lex Baiuvariorum, 1969; Köbler, G., Die Begründungen der lex Baiwariorum, Gedächtnis­schrift W. Ebel, 1982, 69: Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und Baiwariorum, 1979; Fastrich-Sutty, I., Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum, 2002

Lex Burgundionum (lex Gundobada) ist das im frühen 6. Jh. (von König Sigismund am 29. 3. 517?) aufgezeichnete (, in 14 Handschriften überlieferte) Volksrecht der → Burgunder, dessen Grundlage ein von König Gundobad um 500 erlassener (lat.) liber (M.) constitutionum (Buch der Konstitutionen) bildet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Leges Burgundionum, hg. v. Salis, R., 1892; Mitteis, L., Eine neue Handschrift der Lex Burgundionum, ZRG GA 34 (1913), 407; Gesetze der Burgunden, hg. v. Beyerle, F., 1938; Baesecke, G., Das Verhältnis der Handschriften der Lex Gundobada, ZRG GA 59 (1939), 233; Rüegger, H., Einflüsse des römischen Rechts in der Lex Burgundionum, Diss. jur. Bern 1949; Amira, K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 33; Beyerle, F., Zur Textgestalt und Textgeschichte der Lex Burgundionum, ZRG GA 71 (1954), 23; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und Frisionum, 1979

Lex Cincia de donis et muneribus ist das römische Gesetz (lat. plebiscitum [N.]) des Jahres 204 v. Chr., das es grundsätzlich verbietet, Schenkungen über einen bestimm­ten Höchstwert hinaus anzunehmen.

Lit.: Kaser §§ 9 47 II 1

Lex commissoria ist im römischen Recht die Verfallsabrede beim Pfand (im Fall der Nichtzahlung der Schuld), die Kaiser Konstantin (306-337) verbietet, und die Nebenabrede des Rücktritts vom Kaufvertrag und der Rückforderung des Kaufgegenstands beim Kauf für den Fall, dass der Preis nicht rechtzeitig bezahlt wird.

Lit.: Kaser § 41 VII; Köbler, DRG 62; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932

lex contractus (lat. [F.] Gesetz des Vertrags) durch Vertrag (wie durch ein Gesetz) verbindlich festgelegter Inhalt

Lex Cornelia de sicariis et veneficis ist das unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene römische Gesetz gegen Gewaltverbrechen.

Lit.: Köbler, DRG 35

Lex Cornelia testamentaria nummaria ist das römische, unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene Gesetz gegen Fälschung von Testamenten und Münzen.

Lit.: Köbler, DRG 35

Lex duodecim tabularum (lat. [F.]) Zwölftafelgesetz (451/450 v. Chr.)

Lex Emminger ist die nach dem sei­nerzeitigen Reichsjustizminister Erich Emminger (1880-1951) benannte Ver­ein­fa­chung des deutschen Verfahrensrechts (Ver­ord­nung vom 4. 1. 1924, Verordnung vom 13. 2. 1924).

Lit.: Köbler, DRG 234; Vormbaum, T., Die Lex Emminger vom 24. 1. 1924, 1988

Lex Falcidia ist das römische Gesetz des Jahres 40 v. Chr., das dem Erben wenigstens ein Viertel der Erbschaft (lat. quarta [F.] Falcidia, falzidisches Viertel) durch Nichtigkeit und anteilige Kürzung vor der Verfügung durch Vermächtnisse sichert.

Lit.: Kaser §§ 76 V 2, 79 I 2b; Söllner § 15; Köbler, DRG 39, 60; Schanbacher, D., Ratio legis Falcidiae, 1995

lex familiae → Hofrecht

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Lex Francorum Chamavorum (ewa Chamavorum) ist das wohl 802 aufgezeichnete, in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Volksrecht des fränkischen Teilstammes der Chamaven (im Hamaland bei Zutphen).

Lit.: Lex Francorum Chamavorum, hg. v. Sohm, R., 1883; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, 42; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979

Lex Frisionum ist das wohl 802 (als Vorarbeit?) aufgezeichnete, nur durch einen Druck Johannes Herolds (Basel 1557) überlieferte Volksrecht der → Friesen, das in 22 Titel und eine (lat.) Additio (F.) sapientium (Zusatz der Weisen eines Wlemar und Saxmund) zerfällt und in mittelfriesisches Recht, ostfriesisches und westfriesiches Recht gegliedert gewesen zu sein scheint.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Lex Frisionum, hg. v. Richthofen, K. Frhr. v., 1863; Bewer, R., Die Totschlagssühne in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Jaekel, H., Die Entstehung der Lex Frisionum, ZRG GA 46 (1926), 1; Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927 (besprochen von Schwerin, C. Frhr. v., ZRG GA 49 [1929], 481); Amira, K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 9; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und Frisionum, 1978; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980; Lex Frisionum, hg. und übersetzt v. Eckhardt, K. u. a. 1982

Lex Fufia Caninia ist das römische Gesetz des Jahres 2 v. Chr., das die Freilassung beschränkt.

Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36

Lex Furia ist das römische Gesetz der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das in Italien die Haftung von Bürgen einengt.

Lit.: Kaser § 57 II 2a

Lex Gundobada → Lex Burgundionum

Lex Hortensia ist das römische Gesetz des Jahres 287 v. Chr., das den Entscheidungen der Plebsversammlung Gesetzeskraft gibt.

Lit.: Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 8

Lexikon ist das meist alphabetisch oder systematisch geordnete Wörterbuch. Es findet sich bereits im griechischen Altertum. Rechtskenntnisse vermitteln etwa die rund 7000 Begriffe umfassenden 20 Bücher Etymologien des Bischofs Isidor von Sevilla († 636), die ungedruckte (lat.) tabula (F.) utriusque iuris des Johannes von Erfurt, der (lat.) Vocabularius (M.) iuris utriusque des Jodocus (1452), (lat.) De copia verborum et rerum in iure civili Oldendorps (1542) oder das von Julius Weiske herausgegebene 15bändige Rechtslexikon (1839ff.).

Lit.: Köbler, G., Lexikon, (in) HRG Bd. 2 1978, 1979; Murmellius, J., Pappa, 1513ff., Neudruck 2006; Zedler, J., Großes vollständiges Universallexikon, Bd. 1ff. 1732ff., Neudruck 1961ff.; Heumann, G./Seckel, E., Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958; Haberkern, E./Wallach, J., Hilfswörterbuch für Historiker, 2. A. 1964; Wörterbücher, hg. v. Hausmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1989; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 1978, 13. A. 2004, 14. A. 2007; Weijers, O., Dictionnaires et répertoires au moyen âge, 1991; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörter­buch, 1995; Bierbach, M., Grundzüge humanistischer Lexikographie, 1997; Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, hg. v. Oberländer, S. (, 4. Aufl. 1753, Neudruck 2000), hg. v. Polley, R., 2000; Schlaefer, M., Lexikologie und Lexikographie, 2002; Lexikologie, hg. v. Cruse, D. u. a., 2002; Wissenschaftliche Lexikographie im deutschsprachigen Raum, hg. v. Städtler, T., 2003

lex imperfecta (lat. [F.]) unvollkommenes Gesetz

Lex Julia de adulteriis (julisches Gesetz über Ehebrüche)

Lex Iulia de maritandis ordinibus (julisches Gesetz über die zu verheiratenden Stände) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das Ehegebote und Eheverbote schafft.

Lit.: Kaser § 58 IV 8; Söllner § 14; Köbler, DRG §6

Lex Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über die Grundstücksmitgift) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das die Veräußerung eines Mitgiftgrundstücks durch den Ehemann ohne Zustimmung der Frau verbietet.

Lit.: Kaser § 59 II 5; Köbler, DRG 37

Lex Iulia iudiciorum privatorum (julisches Gesetz über die privaten Gerichte) ist das römische Gesetz des Jahres 17 v. Chr., das die einzelnen → Legisaktionenverfahren bis auf ge­ringe Reste zugunsten des → Formularverfahrens abschafft.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 III 2; Köbler, DRG 32

Lex Iulia iudiciorum publicorum (julisches Gesetz über die öffentlichen Gerichte) ist das römische Gesetz des Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.), das für die meisten Verbrechen öffentliche Gerichte schafft und damit das altrömische magistratisch-komitiale Verfah­ren weitgehend aufgibt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12 IV 4; Köbler, DRG 34

Lex Laetoria ist das römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das den noch nicht 25jährigen (minor XXV annis „Minderjährigen“) (nicht durch Nichtigkeit des betreffenden Geschäfts, aber doch) durch (Klagansprüche und) Einreden gegen den schützt, der ihn übervorteilt.

Lit.: Kaser § 14 II 3a

Lex Langobardorum ist das hauptsächlich durch die Königsgesetze der Langobarden bekannte Volksrecht der → Langobarden. → Leges Langobardorum

Lex legum ist die vielleicht im 9. oder 10. Jh. in Süditalien entstandene kleine Zusammen­stellung von Ausschnitten aus dem Edictum Theoderici, dem Codex Justinianus, der Lex Visigothorum und dem lango­bardischen Recht.

Lit.: Conrat, M., Die lex legum breviter facta, ZRG GA 10 (1889), 230

Lex Licinia ist das römische Gesetz des Jahres 367 v. Chr., das Plebejer als Konsuln zulässt.

Lit.: Kaser §§ 23, 81; Köbler, DRG 18

Lex Licinnia ist das römische Gesetz, das den Gemeinschaftsteilungsklageanspruch er­öff­net.

Lit.: Kaser §§ 23 IV 2, 81 II 2; Köbler, DRG 25

Lex mercatoria

Lit.: Meyer, R., Bona fides und lex mercatoria, 1994; Scherner, K., Lex mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 148; Cordes, A., Auf der Suche nach der Rechtswirklichkeit der mittelalterlichen lex mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 168

lex minus quam perfecta (lat. [F.]) weniger als vollkommenes Gesetz (z. B. lex Laetoria)

Lex Miquel/Lasker ist das von den Abgeordneten Miquel und Lasker bewirkte Gesetz des Deutschen Reiches, das 1873 dem Reich die Zuständigkeit für die Gesetzgebung im Bereich des bürgerlichen Rechts gewährt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Lex naturalis (Naturrecht) ist das Naturrecht, durch das der Mensch das auf Gott zurückgeführte ewige Recht (lat. lex [F.] aeterna) erkennen kann.

Lit.: Köbler, DRG 145, Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Lex Ogulnia ist das altrömische Gesetz, das den Plebejern die Priesterämter eröffnet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 15 VI 2; Köbler, DRG 18

Lex Papia Poppaea (9. n. Chr.) ist das römische Gesetz unter Augustus über eherechtliche und erb­rechtliche Fragen.

Lit.: Kaser §§ 58 IV 8, 71 II 1, 76 III 1; Söllner § 14; Köbler, DRG 36

Lex Poetelia ist das römische Gesetz des Jahres 326, nach dem der Gläubiger den Schuldner als Schuldknecht die Schuld abarbeiten lassen kann.

Lit.: Kaser §§ 39 I1, 81 III 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 20

Lex posterior derogat legi priori (lat.). Ein späteres Gesetz hebt ein früheres auf.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Modestin, um 190-um 250, Digesten 1, 4, 4)

lex perfecta (lat. [F.]) vollkommenes, Nichtigkeit vorsehendes Gesetz (z. B. lex Voconia)

Lex publica ist im römischen Recht das (öffentliche) Gesetz (im Gegensatz zur privaten Vereinbarung).

Lit.: Bleicken, J., Lex publica, 1978

lex regia (königliches Gesetz)

Lex Rhodia de iactu (rhodisches Recht über den Seewurf) ist die im hellenistischen Bereich schon im Altertum verbreitete Regelung, dass der Schiffer, der in Seenot Wa­ren eines Befrachters opfert, dem Befrachter zu einem Ausgleich verpflichtet ist. → Haverei

Lit.: Kaser § 42 IV 4; Wesener, G., Von der lex Rhodia de iactu zum § 1043 ABGB, FS J. Bärmann, 1975, 36; Letsios, D., Nomos Rhodion nautikos, 1996; Ullmann, E., Der Verlust von Fracht und Schiff, FS H. Piper, 1996, 1049

Lex Ribvaria ist das in Vorformen wohl im 7. Jh. (584-629?, 623-639) und in den überlieferten Formen seit 763/764 aufge­zeichnete Volksrecht des um Köln im Gebiet Ribvaria (Ripuaria, Uferland) sitzenden Teils der Franken bzw. des um Köln siedelnden fränkischen Teilstammes der Ribvarier (Ripu­arier).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F., Die Lex Ribuaria, ZRG GA 48 (1928), 264; Beyerle, F., Das Gesetzbuch Ribvariens, ZRG GA 55 (1935), 1; Lex Ribvaria, hg. v. Beyerle, F. u. a., 1954; Buchner, R., Zu Text und Handschriftenbaum der Lex Ribvaria, ZRG GA 80 (1963), 306; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988

Lex Romana Burgundionum ist die durch vier Handschriften überlieferte, 47 Titel mit 176 Bestimmungen umfassende Zusammen­stellung von Stücken aus dem → Codex Gregorianus, → Codex Hermogenianus, → Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen, Paulussentenzen und einem nicht sicher zu ermittelnden Werk des Gaius. Sie wird entweder König Gundobad († 516) oder König Sigismund zugeordnet.

Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Lex Romana Burgundionum, hg. v. Salis, L. v., 1892, 123; Roels, W., Onderzoek naar het gebruik, 1958; Chevrier, G./Piéri, G., La loi romaine des Bourgondes, Ius Romaum medii aevi I, 2b, aa, 1969; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995

Lex Romana canonice compta ist die in Norditalien um die Mitte des 9. Jh.s entstandene Sammlung römischen Rechts (Institutionen, Codex Justinians, Epitome Iuliani) zu kirchlichem Gebrauch mit 324 Kapiteln.

Lit.: Mor, C., Lex Romana canonice compta, 1927

Lex Romana Curiensis (oder Lex Romana Raetica Curiensis oder früher auch Lex Romana Utinensis) ist die in drei Handschriften überlieferte, wohl in Rätien im 8. Jh. (vor 765?) entstandene private Kurz­fassung der → Lex Romana Visigothorum (→ Breviarium Alarici).

Lit.: Köbler, DRG 81; Schupfer, F., La legge Romana Udinese, 1881; Schupfer, F., Nuovi studi sulla legge Romana Udinese, 1882; Wagner, R., Zur Frage nach der Entstehung, ZRG GA 4 (1883), 54; Salis, L. v., Lex Romana Curiensis, ZRG GA 6 (1885), 141; Zeumer, K., Über Heimat und Alter der Lex Romana raetica Curiensis, ZRG GA 9 (1888), 1; Die Lex Romana Curiensis, hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Meyer-Marthaler, E., Römisches Recht in Rätien, Beiheft ZSG 13 (1968), 43; Meyer-Marthaler, E., Fränkisches Recht in der Lex Romana Curiensis, Der Geschichtsfreund 1972, 169

Lex Romana Visigothorum (Breviarium Alarici) ist die um 506 durch den westgotischen König Alarich II. veranlasste Sammlung römischen Rechts mit Auszügen aus dem Codex Theodosianus, posttheodo­sianischen Novellen, den Institutionen des Gaius, den Paulussentenzen, dem Codex Gregorianus und dem Codex Hermogenianus, wobei den meisten Texten eine wohl im 5. Jh. entstandene, vereinfachende Erklärung (lat. [F.] interpretatio) hinzugefügt ist. Die L.R.V. gilt in Südfrankreich trotz ihrer Aufhebung durch den westgotischen König Rekkesvind (654) bis in das 12. Jh. (für die römische Bevölkerung) und wird Grundlage des droit écrit.

Lit.: Söllner § 20; Köbler, DRG 53, 80, 82; Lex Romana Visigothorum, hg. v. Haenel, G., 1849, Neudruck 1962; Müller, K., Eine neue Handschrift der Lex Romana Visigothorum, ZRG GA 57 (1937), 429; Gaudemet, J., Le Bréviaire d'Alaric et le Epitome, (in) Ius Romanum medii aevi I, 2b, aa, 1965; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972, 93

Lex Salica ist das vielleicht auf Grund antiker formaler Vorbilder 507-511 in 65 Titeln (lat. Pactus [M.] legis Salicae) erstmals aufgezeichnete Volksrecht des salischen Teilstammes der → Franken (Salfranken). Diese älteste Fassung besteht aus Texten im Weistumsstil (Bußweistümern) und Texten im Konstitutionenstil (Gesetzen). Sie enthält eine Reihe von altfränkischen, aber nur noch teilweise verständlichen Wörtern (→ mal­bergische Glossen). Sie wird bis etwa 800 mehrfach überarbeitet und ergänzt, so dass sich insgesamt 8 überlieferte Fassungen unterschei­den lassen. Die älteste erhaltene Handschrift wird auf 751-68 datiert. Inhaltlich ist das → Kompositionensystem sehr kasuistisch behandelt. Am Ende werden vielfach jüngere Teilstücke kapitularienartig angefügt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 80; Zycha, A., Zur Auslegung des Titels 37, ZRG GA 21 (1901), 155; Fehr, H., Über den Titel 58, ZRG GA 27 (1906), 151; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica und des Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Rietschel, S. Die Entstehungszeit der Lex Salica, ZRG GA 30 (1909), 117; Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910; Krammer, M., Die ursprüngliche Gestalt und Bedeutung der Titel De filtorto und De vestigio minando, ZRG GA 36 (1915), 336; Pétrau-Gay, J., La notion de „lex“ dans la coutume salienne, 1920; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex Salica, ZRG GA 44 (1924), 216; Claußen, C., Die Beziehungen der Lex Salica zu den Volksrechten der Alemannen, Bayern und Ribuarier, ZRG GA 56 (1936), 349; Pétrau-Gay, J., La „Laghsaga“ salienne, Revue historique de droit français et étranger 14 (1935), 54, 252; Lex Salica, 100-Titel-Text, hg. v. Eckhardt, K., 1953; Schmidt-Wiegand, R., Die kritische Ausgabe der Lex Salica – noch immer ein Problerm?, ZRG GA 76 (1959), 301; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Gutenbrunner, S., Über salfränkisch atōmiu und altnordisch tómr, Rechtssprache und Bauterminologie, ZRG GA 85 (1968), 189; Lex Salica, hg. v. Eckhardt, K., 1969; Roll, H., Zur Geschichte der Lex Salica-Forschung, 1972; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Simone, G., LS v. LF. La tradizione frammentaria in antico alto tedesco della Lex Salica, 1991

Lex Saxonum ist das in zwei Handschriften (und zwei Drucken Johannes Herolds 1557 bzw. Tilius’ 1573) überlieferte, vielleicht 802 aufgezeichnete, durch die sog. (lat.) → Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (782/785) und das (lat.) → Capitulare (N.) Saxonicum (797?) ergänzte Volksrecht der von den Franken besiegten → Sachsen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Schwerin, C. Frhr. v., Zu den Leges Saxonum, ZRG GA 33 (1912), 390; Leges Saxonum und Lex Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918; Lintzel, M., Die Entstehung der Lex Saxonum, ZRG GA 47 (1927), 130; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968; Landwehr, G., Die Liten, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 117

Lex Scribonia ist das römische Gesetz der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das zur Sicherung der Freiheit des Eigentümers die Ersitzung einer → Dienstbarkeit (Servitut) durch (lat. [F.]) usucapio (Ersitzung nach strengen Regeln) ausschließt.

Lit.: Kaser § 28 II 1b

lex temporalis (zeitliches, weltliches Recht) im Gegensatz zur lex aeterna

Lex Thuringorum (Lex Angliorum et Werinorum) ist das durch eine Corveyer Handschrift (und einen Druck Herolds [1557]) überlieferte, wohl 802 aufgezeichnete Volksrecht der → Thüringer (Angeln und Warnen).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Leges Saxonum et Lex Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918, 51; Landau, P., Die Lex Thuringorum, ZRG GA 118 (2001), 23

Lex Visigothorum ist das Volksrecht der → Westgoten. Seine älteste Fassung ist der (lat.) → Codex (M.) Euricianus (475/476?, Kapitel 276-336 erhalten). Die L. V. wird nach der Abwanderung der Westgoten von Gallien nach Spanien unter den Königen Leovigild (568-586, nicht überliefert), Rekkesvind (654, 2 Handschriften, 12 Bücher) und Ervig (681) überarbeitet und erweitert. Die L.V. weist römischen und christlichen Einfluss auf. Sie wird bis in das 13. Jh. benutzt. → Fuero, Fuero Juzgo

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Menhardt, H., Ein Bruchstück der Lex Visigothorum, ZRG GA 46 (1926), 360; Müller, H., Das Strafrecht der Lex Visigothorum, 1955; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Fastrich-Sutty, I., Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum, 2002

lex Voconia ist das römische Gesetz des Jahres 169 v. Chr., das die Erbeinsetzung von Frauen wohl zum Schutz großer Vermögen (zeitweise) beschränkt.

Lit.: Kaser §§ 66 II 1, 68 III 3

Leyes de Toro (Gesetze von Toro) sind die spanische Rechtsquelle des 16. Jh.s (1565), die Zweifelsfragen bei der Auslegung des (span. [M.]) → Fuero Real und der (span. [ F.Pl.]) → Siete Partidas klärt und in Kastilien bis zum Codigo civil von 1888/1889 gilt. Die L. d. T. werden von Antonio Gómez (nach 1500-vor 1572) kommentiert.

Lit.: Peréz Martín, A./Scholz, J., Legislacíon y jurisprudencia en la España del antigua régimen, 1978

Leyser, Augustin (Wittenberg 18. 1. 1683-3. 5. 1752) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg und Halle (Stryk, Thomasius) 1707 außerordentlicher Professor in Witten­berg, 1712 ordentlicher Professor in Helmstedt und 1729 in Wittenberg. Seine elf Bände (lat.) Meditationes (F.Pl.) ad Pandectas (1713ff., Überlegungen zu den Pandekten), die mehr als 700 Studien zu mehreren tausend Urteilen und Sprüchen wiedergeben, erweisen ihn als Vertreter des → usus modernus. In einem Kurs von 18 Monaten Dauer trägt er (täglich zweistündig) das gesamte Recht vor.

Lit.: Köbler, DRG 144; Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz, (in) Das Profil des Juristen, hg. v. Luig, K. u. a., 1980, 295

Libell (N.) Büchlein, Schrift (z. B. Klaglibell)

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155

Libellarvertrag (lat. contractus [M.] libellarius) ist ein in Italien im Frühmittelalter verbreiteter Grundstücksleihvertrag freier Leute.

Lit.: Pivano, S., Precarie e livelli, Università di Torino, Memorie dell' instituto giuridico II/CVIII, 1962

Libellus (M.) conventionis (lat.) ist die Klageschrift des spätantiken Zivilprozesses.

Lit.: Köbler, DRG 55

Libellus (M.) repudii (lat.) ist im spätantiken römischen Recht die unter östlichem Einfluss entstandene förmliche Erklärung der Ehescheidung.

Lit.: Kaser § 58 VII 2c; Köbler, DRG 58

Libellverfahren ist das im spätantiken römischen Recht seit der Mitte des 5. Jh.s mit der Einreichung eines Klaglibells (lat. libellus [M.] conventionis) an den Richter beginnende → Kognitionsverfahren.

Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55

liber (lat. [M.]) Buch (in klassischer römischer Zeit hat ein l. einen Umfang durchschnittlich 70000 Zeichen bzw. von etwa 30 bis 40 heutigen Druckseiten)

liber (lat. [M.]) Freier

Lit.: Köbler, LAW; Weber, A., Liber, ingenuus, 1983

liber ad edictum (lat. [M.]) Buch bzw. Kommentar zum Edikt des Prätors (z. B. des Paulus mit 80 libri) oder Ulpians (mit 83 libri)

liber ad Sabinum (lat. [M.]) Buch bzw. Kommentar zu Sabinus (z. B. des Paulus mit 16 libri oder Ulpians mit mehr als 51 libri

liberal (freiheitlich)

Liberalismus ist die im 18 Jh. ausgebildete Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, die sich von der freien Entfaltung des Einzelnen die bestmögliche Entwicklung der Gesellschaft erhofft. Grundlegend wird das Werk (engl.) Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776) des schottischen Nationalökonomen Adam → Smith (1723-1790). Politisch strebt der L. Teilhabe des Einzelnen am Staat an, dem, getrennt von der Gesellschaft, der Schutz des Einzelnen aufgegeben ist (Jeremy → Bentham 1748-1832, John Stuart Mill, Herbert Spencer, Karl von → Rotteck 1775-1840, Karl Theodor → Welcker). Die unbeschränkte Freiheit des L. führt aber zu gesellschaftlichen Schwierig­keiten (soziale Frage), so dass am Ende des 19. Jh.s der L. vom → Sozialismus zurückgedrängt wird. Politisch wirken sich anscheinend besonders Napoleons idées libérales vom 18. Brumaire 1799 aus, die um 1810 in Spanien die Bezeichnung der Angehörigen einer Gruppe als liberal bzw. Liberale und danach in England die Umwandlung der Whig Party zur Liberal Party bewirken.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 741; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133f., 173, 179, 197, 202, 205f., 216; Benöhr, H., Wirtschaftslibera­lismus und Gesetzgebung, ZFA 1977, 187; Wadl, W., Liberalismus und soziale Frage in Österreich, 1987; Carl Schmitt und die Liberalismuskritik, hg. v. Hansen, K. u. a., 1988; Wilhelm, U., Der deutsche Frühliberalismus, 1995; Hodenberg, C. v., Die Parteien der Unparteiischen, 1996; Liberalismus, hg. v. Brix, E. u. a., 1996; Theuringer, T., Liberalismus im Rheinland, 1998; Rawls, J., Politischer Liberalismus, 1998; Tober, H., Deutscher Liberalismus, 2000; Steinsdorfer, H., Die Liberale Reichspartei, 2000; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Leonhard, J., Liberalismus, 2001; Kieseritzky, W. v., Liberalismus und Sozialstaat, 2002; Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Cioli, M., Pragmatismus und Ideologie, 2003; Leonhard, J., Europäische Liberalismen, ZRG GA 121 (2004), 313; Haunfelder, B., Die liberalen Abgeordneten des deutschen Reichstags 1871-1918, 2004

Liber augustalis → Konstitutionen von Melfi

Liber cartularii ist eine wohl langobardische Formelsammlung von 25 Formularen vielleicht des frühen 11. Jh.s.

Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, Bd. 1 1954, 315

Liber constitutionum → Lex Burgundionum

Liber (decretalium) extra (decretum vagantium) ist eine fünfteilige, 185titelige, 2139 Kapitel enthaltende Sammlung von Dekretalen Papst Gregors IX. (bzw. zwischen etwa 1140 und 1234) durch → Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte) 1230/1234 (Gerichtsver­fassung, Prozess, Ämter, Ehe, Strafe), die Papst Gregor IX. im Sinne einer die bisherigen (lat.) Quinque compilationes (F.Pl.) antiquae (Fünf alten Sammlungen) ablösenden, klareren (lat.) Compilatio (F.) nova (Neuen Sammlung) für verbindlich erklärt. Zitiert wird der L. e. z. B. X 4. 19. 8.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

liber (M.) feudorum (lat.) Lehnsbuch → libri feudorum

Liber (M.) iudiciorum (lat.) ist die unter König Rekkesvind geschaffene Fassung der → Lex Visigothorum.

Lit.: Cerda Ruiz, J., Liber iudiciorum, Nueva encicl. jurid. Seix 15 1974

liber (M.) memorialis (lat.) Gedenkbuch, Buch der Denkwürdigkeiten

Lit.: Der Stralsunder Liber memorialis, hg. v. Schroeder, H., Bd. 1 1964

Liber (M.) Papiensis (lat.). Buch von Pavia, ist ein wohl im 11. Jh. stufenweise in Pavia entstandenes, rund 950 Bestimmungen (570 langobardisch, 360 aus Kapitularien) umfassendes Rechtsbuch des → lango­bar­dischen Rechts, das langobardische Gesetze, Kaisergesetze und im lango­bar­dischen Gebiet geltende Kapitularien zeitlich geordnet zusammenstellt und in einer Expositio (Kommentar, Pavia, 11. Jh., genannt werden Bagelardus, Bonfilius, Lanfrancus, Sigefredus, Ugo, Walcausa, Wilihelmus, dTW, do di, Da di, E, Elc, M, Quiul, Vr) und einer Reihe glossierter Handschriften überliefert ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diurni, G., L’Expositio ad Librum Papiensem, 1976; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387

Liber (M.) sextus (lat.) ist das sechste Buch (zu den 5 Büchern des → Liber extra) kirchlicher Dekretalen (Papst Bonifaz’ VIII.) vom 3. 3. 1298 (Bulle Sacrosanctae ecclesiae). Der L. s. fasst 359 nach Gregor IX. bzw. 1234 und zu zwei Dritteln unter Bonifaz VIII. ergangene Dekretalen systematisch in 5 Büchern (in abstrakten Normen) zusammen. Zu einer (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordent­lichen Glosse) entwickelt sich die 1303/1304 entstandene Arbeit des Johannes Andreae. Zitiert wird der L. s. nach Buch, Titel und Kapitel z. B. VI. (Liber sextus) 1. 6. 26. → Corpus iuris canonici

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102

libertas (lat. [F.]) Freiheit

Lit.: Köbler, LAW; Schrage, E., Libertas est facultas naturalis, 1975; Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Schott, C., Freiheit und libertas, ZRG 104 (1987), 84

Libertas (F.) ecclesiae (lat.) ist die von der Kirche im 11. Jh. geforderte Freiheit von der weltlichen Gewalt. → Investiturstreit

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 77; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Szabo-Bechstein, B., Libertas ecclesiae, 1985

Libertät ist die verhältnismäßige Freiheit der Reichsstände des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) in der frühen Neuzeit (Wahlrecht, Wahlkapitulation, Glaubensfrei­heit).

Lit.: Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999

libertus (lat.) freigelassen

Libra (lat. [F.]) Waage, ist im römischen Recht eine wichtiges Instrument zur Durchführung von Libralgeschäften wie z. B. → Manzipation, nexum und als dessen Gegenstück nexi liberatio)

Lit.: Köbler, DRG 25

Libralgeschäft ist im römischen Recht das mit der Waage (lat. [F.] libra) durchgeführte Geschäft (z. B. Zuwägen des Entgeltes bei der → Manzipation).

Lit.: Kaser § 7 I

Libri (M.Pl.) feudorum (lat.) (bzw. Liber feudorum) sind die im 11./12. Jh. entstandenen und im 12./13. Jh. in mehr als 150 Handschriften aufgezeichneten und zu den wichtigen Rechtsquellen gerechneten → Lehnsrechtsbücher des langobardischen Lehns­rechts (obertische Rezension Mailand vor 1158 7 Handschriften, ardizonische Re­zen­sion (benannt nach Jacobus de Ardizone) Mailand Ende 12. Jh.s 21 Handschriften, Vulgata [Accursius’] Bologna um 1235/40 132 Handschriften). Sie beruhen auf Lehnsgesetzen Konrads II., Lothars II. Friedrichs I., Heinrichs IV. und Friedrichs II. Sie werden später in zwei Bücher mit 26 oder 28 und 55 oder 56 Titel gegliedert und seit der Mitte des 13. Jh.s in das sog. → Volumen der justinianischen Kompilation aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101, 104, 106; Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Lehmann, K., Das langobardische Lehnrecht, 1896; Weimar, P., Die Handschriften des Liber feudorum, Rivista Internazionale di Diritto Comp. 1 (1900), 31; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Libri (M.Pl.) Karolini (lat.) (eine kirchenpolitische Schrift von etwa 790/1)

Lit.: Freeman, A., Theodulf of Orléans and the Libri Carolini, Speculum 32 (1957), 663; Schwandt, W., Studien zu den Libri Carolini, 1966

Libri (M.Pl.) terribiles (lat.) sind die das Strafrecht behandelnden (schrecklichen) Bücher 47, 48 der → Digesten.

Lit.: Köbler, DRG 56

libripens (lat. [M.]) Waagehalter beim Libralgeschäft

Lit.: Kaser § 7, 2

Libro do Leyes ist die von dem spanischen Juristen Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) verfasste Sammlung kastilischen Rechtes des späten Mittelalters (ordenamiento von 1484). → Compilación de Leyes

Lit.: Scheppach, M., Las Siete Partidas, 1991, 53

Licet iuris (lat.) ist das nur literarisch überlieferte Reichsgesetz des Heiligen römischen Reiches über die Königswahl vom 6. 8. 1338, nach dem allein die deutsche Königswahl ohne jede päpstliche Mitwirkung den Anspruch auf das Kaisertum begründet und deshalb der Gewählte alle Reichsrechte im Reich ausüben darf (, obwohl der Kaisertitel erst durch die Kaiserkrönung legitimiert wird). Der im l. i. erhobene politische Anspruch ist in der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. von 1356 aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107, 109; Stengel, E., Avignon und Rhens, Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte, 6, 1 1930, 157; Thomas, H., Deutsche Geschichte des Spätmittelalters, 1983, 200

Lidlohn ist seit dem 14. Jh. der Entgeltanspruch für Dienstleistungen der Dienst­boten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schmidt-Wiegand, R., Lidlohn, Rhein-Westfäl. Z. f. Volkskunde 25 (1978)

Liebe

Lit.: La Croix, A. de, Liebeskunst und Lebenslust, 2003

Liebermann, Felix (Berlin 20. 7. 1851-7. 10. 1925 [von Automobil überfahren]), Textilfabrikantensohn, Bruder Max Liebermanns, wird nach dem Studium der Geschichte in Göttingen (Waitz) Privat­gelehrter (1896 titulierter Professor). 1903ff. veröffentlicht er die nach anderen Editionen maßgebliche Ausgabe der Gesetze der → Angelsachsen.

Lit.: Heymann, E., (Nachruf auf) Felix Liebermann, ZRG GA 46 (1926), XXIII

Liechtenstein ist das zwischen Schweiz und Österreich gelegene Fürstentum, das sich seit 1699/1712 aus den Herrschaften Vaduz und Schellenberg entwickelt und 1806 souverän wird (bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes, 1984 160 Quadratkilometer mit 26680 Einwohnern). 1808 erstellt Landvogt Joseph Schuppler eine Erbfolgs- und Verlassenschaftsabhandlungsordnung, 1809 den Entwurf zu einem bürgerlichen Gesetz­buch. Durch Patent vom 18. 2. 1812 übernimmt L. das → Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs ohne Erbrecht, 1846 auch dessen Erbrecht. Seit 1918 wendet sich L. von Österreich ab und der Schweiz zu. 1921 erhält es eine Verfassung, die dem Fürsten bedeutende Rechte gegenüber Landtag und der (5 köpfigen, als demokratisch angesehenen) Regierung belässt (z. B. Sanktionierung der Gesetze). Über Verkauf von Briefmarken, Verkauf von Pässen an reiche Flüchtlinge und eine niedrige Gesellschaftsteuer gelangt es zu Wohl­stand.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Falke, J., Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 1ff. 1858ff.; Raton. P., Liechtenstein, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1827; Das Fürstentum Liechtenstein, hg. v. Müller, W., 1981; Liechtenstein, hg. v. Press, V. u. a., 1987; Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel, hg. v. Oberhammer, E., 1990; Bradke, S., 75 Jahre Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Korfmacher, N., Der Landtag des Fürstentums Liechtenstein, 1999; Eine Zivilrechtsordnung für Liechtenstein, hg. v. Berger, E., 1999; Götzenberger, A., Steueroase Liechtenstein, 2000; Meili, A., Geschichte des Bankwesens in Liechtenstein (1945-1980), 2000; Winkler, G., Die Verfassungsreform in Liechtenstein, 2003; Zimmermann, G., Die Entwicklung der internationalen Rechtshilfe, Diss. jur. Innsbruck 2003; Merki, C., Wirtschaftswunder Liechtenstein, 2007; Kleinstaaten in Europa, hg. v. Langewiesche, D., 2007; Winkelbauer, T., Gundaker von Liechtenstein als Grundherr, 2008

Liegenschaft ist eine ältere Bezeichnung für → Grundstück. Für das Recht der L. ist von besonderer Bedeutung das → Grundbuch.

Lit.: Köbler, DRG 89, 125; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 1 1930; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübertragung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschafts­übertragung, 1952; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs, 1977; Faußner, H., Zur Liegenschaftsübertragung in der Baioaria provincia, ZRG GA 111 (1994), 1

Liegnitz an der Katzbach ist der 1149 bezeugte Ort, der bald Sitz einer Linie der Herzöge von Schlesien wird und 1252 Stadtrecht erlangt. Am Ende des 14. Jh.s (1399) verfasst Nikolaus → Wurm das in Frage und Antwort von Schüler und Lehrer gehaltene, in 30 Artikeln gegliederte, unvoll­endete Liegnitzer Stadtrechtsbuch, das keinen Bezug zum Stadtrecht von L. aufweist. 1526-1530 ist Liegnitz Sitz einer Universität.

Lit.: Elsner, W., Liegnitzer Stadtgeschichte, 1971; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58

Liga ist eine Bezeichnung für ein Bündnis. Die katholische L. ist die am 10. 7. 1609 ab­geschlossene Vereinigung katholischer Reichsstände.

Lit.: Hartung, F., Deutsche Verfassungsgeschichte, 9. A. 1969, 15

ligius → homo ligius

Ligurien ist die um Genua liegende norditalienische Landschaft, die über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und Franken zum deutschen Reich gelangt. Seit dem frühen 11. Jh. wird → Genua führend. 1815 kommt das Herzogtum Genua zum Königreich → Sardinien.

Lit.: Meyer, H., „Ligurisches“ Erbrecht, ZRG GA 50 (1930), 354; Airaldi, G., Genova e la Liguria, 1986

Lille

Lit.: Monier, R., Le Livre Roisin de la fin du 13e siècle, 1932; Monier, R., Les lois, enquêtes et jugements des pairs du Castel de Lille, 1937

Limburg

Lit.: Rechtsbronnen van het Hertogdom Limburg, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1977

Limes (lat. [M.]) Grenze (z. B. zwischen Römern und Germanen, zwischen Brohl bei Koblenz und Eining bei Regensburg, ausgebaut seit 84 n. Chr., überrannt seit 260 n. Chr.)

Lit.: Köbler, DRG 28, 67; Baltl/Kocher; Baatz, A., Der römische Limes, 1974; Schallmayer, E., Der Limes, 2003

Limnaeus (Wirn), Johannes (Jena 5. 1. 1592-Ansbach 13. 5. 1663), Mathematikprofes­sorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena (Arumaeus) und Altdorf 1623 Erzieher, Hofmeister und Rat. Er entwickelt ein System des Staatsrechts (Iuris publici Imperii Romano-Germanici libri [M.Pl.] IX, 1629ff.) auf der Grundlage der Reichsgesetze. Das Reich sieht er als (lat. [M.]) status mixtus (gemischten [dualistischen] Staat).

Lit.: Köbler, DRG 148; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968

Lindau

Lit.: Stolze, A., Der Sünfzen zu Lindau, 1956; Niederstätter, A., Kaiser Friedrich II. und Lindau, 1986

Linden, Johannes van der (Zuid-Scharwoude 1756-Amsterdam 1835) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Rechtsanwalt und 1827 Richter. Bedeutsam ist seine Übersicht über das römisch-holländische Recht (Rechts­geleerd practicaal en koopmans handboek, 1806).

Lit.: Roberts, A., A South African Legal Bibliography, 1942, 190; Kop, P., Linden, (in) Zestig juristen, 1987, 196

Lindenbrog, Friedrich (Hamburg 28. 12. 1573-9. 9. 1648), Historikerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leiden gelehrter Ratgeber. Er veröffentlicht 1602 die → Lex Salica mit Glossen und 1613 einen (lat.) Codex (M.) legum antiquarum (mit 11 Volksrechten usw.).

Lit.: (Wilckens, N.,) Leben der berühmten Lindenbrogiorum, 1723; Wieacker, F., Privatrechtgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 212

Linealfolge (Erbfolge nach Linien)

Linealgradualordnung (erbliche Ordnung nach Linien und Graden) s. Parentel

Lingen

Lit.: Cramer, W., Geschichte der Grafschaft Lingen, 1940; Lingen 975-1975, hg. v. Ehbrecht, W. u. a., 1975

Linz

Lit.: Rausch, W., Handel an der Donau 1, 1969; Linz zwischen Demokratie und Diktatur, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 2006; Linz zwischen Wiederaufbau und Neuorientierung 1945-1984, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 2007

Lippe ist ein deutsches Fürstentum (1900 1215 qkm, 138000 Einwohner) eines 1123 erstmals nachweislichen adligen Geschlech­tes, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird, der am 21. 1. 1947 in Nordrhein-Westfalen auf­geht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Anschütz, G., Der Fall Friesenhausen, 1904; Henkel, W., Die Entstehung des Territoriums Lippe, 1937; Ebert, B., Kurzer Abriss einer lippischen Rechtsgeschichte, (in) Mitt. aus der Lipp. Gesch. 25 (1956), 12; Kittel, E., Geschichte des Landes Lippe, 1957; Benecke, G., Society and Politics in Germany 1500-1750, 1974; Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969; Bartels-Ishikawa, A., Der Lippische Thronfolgestreit, 1995

Lipski, Andrzej (1572-1631) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Heidelberg 1601 Sekretär des Königs von Polen, Assessor, 1617 Bischof, 1620 Großkanzler und 1630 Bischof von Krakau. Er veröffentlicht 1602 (lat.) Practicarum observationum ex iure civili et saxonico centuria (F.) prima (Erstes Hundert prak­tischer Beobachtungen aus dem römischen und sächsischen Recht) (1619 centuria secun­da).

Lit.: Borodziuk, Andrzej Lipskis Observationes practicae, (in) Czasopismo Prawno-Historyczne 41 (1989), 69

lis (lat. [F.]) Streit, Rechtsstreit (Gen. litis)

Lissabon am Tejo geht auf vorrömische Spuren zurück (römisch Felicitas Julia). 1147 erobert es König (1139) Alfons I. (von Portugal) von den Mauren (715/6). 1179 erhält es ein Foralrecht (Stadtrecht). 1260 wird es Residenz. Seine 1288 gegründete Universität wird 1308 nach Coimbra verlegt.

List, Friedrich (Reutlingen 6. 8. 1789-Kuf­stein 30. 11. 1846), Professor der National­ökonomie in Tübingen (1817-1820), nach Verurteilung wegen Staatsverbrechens seit 1830 im Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika, fördert als führender Wegbereiter der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie den Deutschen → Zollverein und den Eisenbahnbau (Das nationale System der politischen Ökonomie, 1841).

Lit.: Weippert, G., Der späte List, 1956

Listenwahl (F.) Wahl auf Grund der für Lis­ten abgegebenen Stimmen (Verhältnis­wahl­recht)

Liszt, Franz (von) (Wien 2. 3. 1851-Seeheim/Hessen 21. 6. 1919), General­staats­anwaltssohn, Vetter des Komponisten Franz von Liszt, wird nach dem Rechtsstudium (1869) in Wien (Ihering), Göttingen und Heidelberg, Promotion (1874) und Habi­litation (Graz 1876) Professor für → Straf­recht in Gießen (1879), Marburg (1882), Halle (1889) und Berlin (1899). In seinem von der Aufklärung geprägten, kriminalso­ziologi­schen Marburger Programm (Der Zweck­gedanke im Strafrecht, 1882) sieht er den Menschen als durch äußere Umstände (Umwelt) beeinflusst an und will nicht die Tat durch Vergeltung bestrafen, sondern auf den Täter wegen seines sozialschädlichen Verhaltens durch zweck­mäßige Behandlung einwirken, wobei er spezialpräventiv nach Tätertypen differenziert (Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustands­täter sollen durch Resozialisierung wieder in die Ge­sellschaft eingegliedert, unverbesser­liche Zustandstäter sicher verwahrt werden). In seinem Lehrbuch des Strafrechts (25. A. 1927) stellt er die liberalrechtsstaatliche, praktische Strafrechts­dogmatik seiner Zeit ausführlich dar. 1889 ist er Mitbegründer der → Internationalen Kriminalistischen Vereini­gung.

Lit.: Köbler, DRG 204, 236; Radbruch, G., Franz von Liszt, (in) Elegantiae juris criminalis, 2. A. 1950, 208; Ehret, S., Franz von Liszt und das Gesetzlichkeits­prinzip, 1996; Herrmann, F., Franz von Liszt und sein Standardwerk zum Völkerrecht, NJW 2001, 2854

Litauen ist das von baltischen Litauern beiedelte Gebiet an der oberen Memel und Düna, das 1316-1340 Ausgangspunkt eines größeren, 1386 mit Polen vereinigten Reiches wird (Personalunion 1386-1387, 1447-1492, 1501-1506, Nebenlinie 1387-1447, 1492-1501). Bei der Teilung Polens fällt L. 1772/1793/1795 an Russland. Im Februar 1918 erlangt es Unabhängigkeit. 1923 besetzen Freischärler Litauens das seit 1919 unter alliierter Verwaltung stehende, überwiegend deutsch besiedelte Memelgebiet und annektiert L. das Gebiet. 1940 wird L.der Sowjetunion eingegliedert, die es am 6. 9. 1991 wieder freigibt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein Lettlands u. a. Faksimileausgabe 2003; Mikalauskas, A., Das Strafrecht der drei litauischen Statute von 1519 – 1566 – 1588, 1937; Hellmann, M., Geschichte Litauens, 4. A. 1990; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997; Rowell, S., Lithuania Ascending, 1994; Mast, P, Ost- und Westpreußen und die Deutschen in Litauen, 2000; Holocaust in Litauen, hg. v. Bartusevicius, V. u. a., 2003; Pferr, U., Die Verfassungskrise im Memelgebiet 1931/1932, 2005; Niendorf, M., Das Großfürstentum Litauen, 2006; Hoffmann, T., Der Landrechts­entwurf David Hilchens von 1599, 2007

Lite (M.) Freigelassener, Höriger

Lit.: Kroeschell, DRG 1

litemonium (mlat. [N.]) Freigelassenen­abgabe

litis aestimatio (lat. [F.]) Schätzung des Streitgegenstands in Geld zwecks Ermöglichung der Verurteilung in Geld

Litis contestatio (lat. [F.]) (Zeugenanrufung) ist die Streitbefestigung im Verfahrensrecht. Sie begegnet im altrömischen Recht nach der Feststellung des Verfahrensprogrammes durch den Magistrat. Die Parteien sagen unter Zeugenanrufung die Spruchformeln auf. Damit endet der Verfahrensabschnitt (lat.) in iure. Mit der l. c. (Vertrag, str.) unterwerfen sich die Parteien gegenüber dem Magistrat dem Spruch des Richters (lat. [M.] iudex), womit ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist. Mit der l. c. tritt an die Stelle des ursprünglichen Rechtsverhältnisses ein Prozessrechts­verhält­nis. Im klassischen römischen Recht werden die Klageformeln auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor meist schriftlich niedergelegt. Im Kognitionsverfahren sind die Parteien der Entscheidung ohne weiteres unterworfen, so dass die l. c. an Bedeutung verliert. Im spätantiken römischen Recht ist die l. c., welche die Rechtshängigkeit bewirkt, mit dem Bestreiten vollzogen (Fiktion). Im römisch-kanonischen Verfahren des Spät­mittelalters erfolgt nach Abschluss des Vorverfahrens die l. c. (Einlassung) durch feierliche, allgemein gehaltene Gegenbe­hauptungen des Beklagten zum Zweck der Kundgabe der Streitabsicht (Quasikontrakt). Im frühneuzeitlichen Verfahren vor dem Reichskammergericht wird die l. c. im Ant­worttermin durch Einlassung des Beklagten und den Kalumnieneid durchgeführt. Mit der Vernachlässigung der (lat. [F.]) actio zu Guns­ten des Klageantrags ([lat.] petitio) und des Klagegrunds (causa) geht ein Bedeu­tungs­verlust einher, so dass der Kläger bei Aus­bleiben des Beklagten den Prozess einseitig führen und ein Urteil erwirken kann, wenn sein Recht zur Überzeugung des Richters festgestellt wird. wofür die l. c. nur noch bejahend oder verneinend fingiert wird. Mit der Neufassung des Anspruchs durch Bern­hard Windscheid (1856) wird die Verbindung von actio und l. c. aufgelöst und das Pro­zessrecht vom privatrechtlich verstan­denen subjektiven Recht getrennt und der l. c. als Akt der Transformation die Grundlage ent­zogen. Im 19. Jh. übernimmt im Übrigen die amtliche Zustellung (Insinuation) der Klage die meisten Wirkungen der überwiegend aufgegebenen l. c.

Lit.: Kaser §§ 80 II 4a, 82 III, 87 I, II; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 19, 33f., 56, 117, 155, 202; Heiner, F., Der kirchliche Zivilprozess, 1910; Sohm, R., Die litis contestatio, 1914, Neudruck 1970; Jahr, G., Litis contestatio, 1960; Kaser, H., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Wolf, J., Die litis contestatio im römischen Zivilprozess, 1968; Schlinker, S., Litis contestatio, 2008

Litis denuntiatio (lat. [F.]) ist die Streitansage einer Partei im spätantiken römischen Verfahrensrecht.

Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55

Litiskreszenz ist das Anwachsen des Streitgegenstandes im römischen Verfahrens­recht. Bereits im altrömischen Recht kann ein gleichbegüterter Dritter für einen Ergriffenen als „Gewaltsager“ (lat. [M.] vindex) auftreten und die angelegte Hand wegschlagen, wodurch es zum Streit zwischen Verfolger und Drittem kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich die Summe, gegen die der Ergriffene ausgelöst werden kann, verdoppelt. Die L. findet sich im klassischen römischen Recht bei der (lat.) actio (F.) iudicati und der (lat.) lex (F.) Aquilia. Als Eigentümlichkeit des römischen Rechtes wird sie bei der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter nicht übernommen.

Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 51 II 1, 81 III 1, 85 II 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 20, 33, 49, 166

Littera (F.) Bononiensis (lat.) ist die (nicht völlig einheitliche) Bologneser Fassung (Vulgatafassung) der justianischen Rechts­texte.

littera (F.) Pisana (lat.) → Florentina

Litteralkontrakt (M.) → Litteralvertrag

Litteralvertrag (Litteralkontrakt) ist im klas­sischen römischen Recht eine nur kurze Zeit geübte Vertragsart, bei der die Verbind­lich­keit (Obligation) durch einen einver­nehmlichen Schriftakt (lat. [F.] trans­scriptio, Eintrag in den [lat.] codex [M.] accepti vel expensi des pater familias) ent­steht (z. B. Umwandlung einer Kaufvertragsschuld in eine Darlehensschuld durch Eintragung einer Auszahlung).

Lit.: Kaser § 7 II 2, 38 II 1c, 40 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 45, 62

Littleton, Sir Thomas (1402-23. 8. 1481) ist der englische Anwalt und Richter (1455), der das erste umfassende, in Rechtsfranzösisch (Law French) geschriebene, systematische Lehrbuch des englischen Rechts (ein­schließlich des Lehnrechts) in drei Büchern verfasst (Of Tenures, 1481).

Lit.: Wambaugh, E., Littleton's Tenures, 1903; Levy-Ullmann, H., The English Legal Tradition, 1935

Livland ist das von (ostseefinnischen) Liven bewohnte, zu Anfang des 13. Jh.s vom Schwertbrüderorden (um 1202-1237) bzw. Deutschen Orden unterworfene Gebiet am Rigaischen Meerbusen, mit dem sich der dritte Bischof Livlands vom Reich belehnen lässt. 1207 tritt der Bischof dem Schwert­brüderorden ein Drittel des eroberten Gebietes ab, bleibt aber Lehnsherr bis 1356. 1526 wird der livländische Ordensmeister Reichsfürst, 1561 scheidet er aus dem Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) aus. 1629 kommt das auf seinen mittleren Teil verkleinerte Gebiet an Schweden, 1710/1721 an Russland. 1918/1820 wird L. zwischen Lettland und Estland geteilt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F., Das liv- und estländische Privatrecht, Bd. 1f. 2. A. 1847f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Transehe-Roseneck, A. v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Die altlivländischen Bauerrechte, hg. v. Arbusow, L., Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 23 (1924-1926), 1; Transehe-Roseneck, A. v., Die Entstehung der Schollenpflichtigkeit in Livland, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 23 (1924-1926), 485; Niitema, V., Die undeutsche Frage in der Politik der livländischen Städte im Mittelalter, 1949; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989; Enrico di Lettonia, Chronicon Livoniae, hg. v. Bugiani, P., 2005; Herzog Albrecht von Preußen und Livland (1557-1560). Regesten, bearb. v. Hartmann, S., 2006; Selart, A., Livland und die Rus’ im 13. Jahrhundert, 2007

Livländischer Spiegel ist die von einem unbekannten Verfasser vermutlich im 14. Jh. geschaffene, ursprünglich mittelnieder­deutsche Bearbeitung des Sachsenspiegels für Livland. Der l. S. sondert 95 Artikel des Landrechts des → Sachsenspiegels (1221-1224) ganz, 72 teilweise aus und belässt nur 34 Artikel unverändert. Der l. S. folgt dem waldemar-erichschen Lehnrecht für Estland und dem ältesten livländischen Ritterrecht nach und wird im wieck-öselschen Lehnrecht als Buch 1-3 aufgenommen. Im Übrigen wird er durch das mittlere livländische Ritterrecht verdrängt. Dieses geht über das livländische, estländische und kurländische Privatrecht von 1864 in das lettländische Zivilgesetzbuch von 1937 ein, das bis 1940 Geltung hat.

Lit.: Bunge, G., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, G. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95; Leesmant, L., Über das Alter des livländischen Rechtsspiegels, ZRG GA 50 (1930), 171

Livres de Jostice et de Plet sind eine französische → coutume aus der Gegend von Orléans um 1260, die bereits römisches Recht aufweist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rapetti, Li Livres de Justice et de Plet, 1850; Meijers, E., Études d’histoire du droit, Bd. 3 1959, 1

Lizentiat ist der wissenschaftlich Gebildete, der die Prüfung der (lat. [F.]) licentia bestanden hat. Der L. steht zwischen (lat. [M.]) → baccalaureus und (lat. [M.]) → doctor.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 106; Knapp, T., Die Lizenz des Lizentiaten, ZRG GA 51 (1931), 524; Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65

Locatio (lat. [F.]) conductio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Mietvertrag bzw. Pachtvertrag (l. c. rei, entgeltliche Über­lassung einer unverbrauchbaren Sache zu Gebrauch bzw. Gebrauch und Fruchtziehung), der Dienstvertrag (l. c. operarum) und der Werkvertrag (l. c. operis). Die l. c. ist Konsensualvertrag und mit (lat. [N.]) → bonae-fidei-iudicium ausgestattet. Im spätan­tiken römischen Recht wird sie wegen des Kolonates bedeutungslos.

Lit.: Kaser §§ 38, 42; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 44f., 64, 215; Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956

Locator (lat. [M.]) ist im Hochmittelalter der Siedlungsunternehmer der Ostsiedlung, der später vielfach Gutsherr wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Das Unternehmertum, 1894; George, R., Die Großunter­nehmer in der ostdeutschen Kolonisation, Diss. phil. Münster 1948

Loccenius, Johannes (1598-1677) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Rostock 1625 Professor in Uppsala. In seiner (lat.) Synopsis (F.) iuris ad leges Sueticas accomo­data (Zusammenschau des Rechts unter Bezug auf die schwedischen Gesetze) (1648) stellt er das römische Recht in Beziehung auf Schweden dar.

Lit.: Malmström, A., Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985

Locke, John (Wrington 29. 8. 1632-Oates 28. 10. 1704) wird nach dem Studium von Philosophie und Medizin in Oxford Lehrer und Berater auf der Grundlage der Vorstellungen Francis → Bacons. Nach vierjährigem Aufenthalt in Frankreich und sechsjährigem Exil in den Niederlanden entwickelt er 1690 die Erkenntnistheorie des Empirismus, die aus vielen einzelnen Erfahrungen allgemeine Zusammenhän­ge folgert. In seinen Two treatises on government (Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1690) fordert er die Beschränkung der Macht des (nicht von Gott ableitbaren absoluten) Monarchen und daraus folgend die Teilung der Gewalt im Staat zur Sicherung der persönlichen Freiheit und des Eigentums des Bürgers in Legislative (Gesetzgebung) und Exekutive (Ausführung). Allgemein setzt er sich für Freiheit, Toleranz und Aufklärung ein.

Lit.: Köbler, DRG 148, 190; Euchner, W., Naturrecht und Politik bei John Jocke, 1969; Zwei Abhandlungen über die Regierung, hg. v. Euchner, W., 1977; Cranston, M., John Locke, 3. A. 1985; Ayers, M., Locke, 2002; Specht, R., John Locke, 2. A. 2007

Logik ist das möglichst vernünftige menschliche Erkenntnisverfahren.

Lit.: Hruschka, J., Das deontologische Sechseck bei Gottfried Achenwall, 1986 (SB Göttingen); Wolff, M., Abhandlung über die Prinzipien der Logik, 2. A. 2009

Lohn ist das (vereinbarte) Entgelt für eine Tätigkeit (oder einen Erfolg). Der L. findet sich außerhalb von personenrechtlichen Abhängig­keitsverhältnissen. In der Geldwirt­schaft besteht er (vorwiegend) in Geld. Er kann von der Zeit oder von der Leistung abhängen. Besonders bedeutsam ist der L. im Arbeitsverhältnis.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter, Diss. Göttingen 1981; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, (in) Geschichtliche Rechtswissen­schaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 161; Wages and Currency, hg. v. Lucassen, J., 2007

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist die Fortzahlung des Lohnes eines Bediensteten trotz Krankheit in der Bundesrepublik Deutschland seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (27. 7. 1969, Entgeltfortzahlungsgesetz 1994).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273

Lohnkämpfer ist der gegen Lohn handelnde, in Früh- und Hochmittelalter auftretende Zweikämpfer (z. B. bei den Langobarden 731).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nottarp, H., Gottesurteils­studien, 1956, 296

Lohnsteuer ist die den → Lohn des Arbeitnehmers erfassende → Steuer, deren erste Ansätze in Württemberg 1764 und in Preußen 1808 sichtbar werden.

Lit.: Köbler, DRG 198; Baltl/Kocher H 6

Loi de Beaumont ist das Privileg des Erzbischofs von Reims für das von ihm zur Stadt erhobene Beaumont-en-Argonne, das allmählich auf mehr als 500 Orte erstreckt wird.

Lit.: Olivier-Martin, F., Histoire du droit Français, 2. A. 1951, §§ 118f.

Loisel, Antoine (Beauvais 1536-Paris 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (Cujas), Cahors, Bourges, Paris, Valence und Bourges Advokat. Um 1600 erarbeitet er die Institutes coustumières aus den verschiedenen französischen → coutumes, damit im Falle einer Lücke eines örtlichen Gewohnheits­rechts auf den Rückgriff auf das römische Recht verzichtet werden kann.

Lit.: Demasure, A., Antoine Loisel, 1876; Reulos, M., Étude sur l’esprit, les sources et la méthode des Institutes coutumières d'Antoine Loisel, Diss. jur. Paris 1935

Lokator → locator

Lombarda ist eine in ihren ältesten Handschriften aus dem ausgehenden 11. Jh. überlieferte, in Norditalien (Pavia?) ent­standene systematisierte, in drei Bücher geteilte Fassung des Stoffes des → Liber Papiensis. Die L. wird bald kommentiert und um 1215 von → Karolus de Tocco umfangreich glossiert.

Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand und Alpertus, 1855; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadt-Kommune, 1967; Padao Schioppa, A., La cultura giuridica, 1986, 219, Storia di Pavia 2; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387

Lombardei ist das Gebiet zwischen Alpen und Po mit dem Mittelpunkt → Mailand, das nach Kelten und Römern am Ende der Völkerwanderung (568) von → Langobarden besiedelt wird, im Hochmittel­alter aber in Herrschaften verschiedener → Kommunen (Städte z. B. Mailand, Parma, Pavia) zerfällt. 1714 gelangt es am Ende des spanischen Erbfolgekriegs an Österreich (Lombardo-Venetien, 1815 Lombardo-Venezia­ni­sches Königreich), 1859 nach der verlorenen Schlacht Österreichs gegen Sardinien-Piemont und Frankreich bei Solfe­rino an Sardinien und damit 1861 an Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Lattes, A., Il diritto consuetudinario delle città lombarde, 1899; Jarnut, J., Bergamo, 1979; Mozzarelli, C., Sovrano, società e amministrazione locale nella Lombardia Teresiana, 1982; Chiappa Mauri, L., Paesaggi rurali di Lombardia, 1990; Massetto, G., Saggi di storia del diritto penale lombardo (secc. 16-17), 1994 (Aufsätze)

Lombarde (im Hochmittelalter) italienischer Kaufmann und Geldwechsler

Lit.: Piton, C., Les Lombards en France, 1892

Lombroso, Cesare (Verona 18. 11. 1836-Turin 19. 10. 1909), Professor für Gerichts­medizin in Pavia und Turin, sieht auf Grund experimenteller Betrachtungen die Ursache von Verbrechen in erblichen physio-psychi­schen Abweichungen des Täters von der Normalität.

Lit.: Bulferetti, L., Cesare Lombroso, 1975

London an der Themse erscheint 61 n. Chr. als römisches Lager Londinium. Im 12. Jh. wird es Vorort Englands. 1829 erhält es eine Universität.

Lit.: Weinbaum, M., Verfassungsgeschichte Londons 1066-1268, 1929; Weinbaum, M., London unter Eduard I. und II., Bd. 1f. 1933; London possessory assizes, a calendar, hg. v. Chew, H., 1965; Baker, T., Medieval London, 1970; Rexroth, F., Das Milieu der Nacht, 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Fahrmeir, A., Ehrbare Spekulanten, 2003; Barron, C., London in the later Middle Ages, 2004; Tucker, P., Law courts and Lawyers in the City of London 1300-1550, 2007; Münch, P., Pest und Feuer, HZ 288 (2009), 93

Longi temporis praescriptio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die 199 n. Chr. aus provinzieller Praxis heraus anerkannte, auch Nichtrömern offene Einrede langer Zeit, bei der ungestörter Eigenbesitz nach rechtmäßigem Beginn (lat. iustum initium [N.]) während 10 Jahren (inter praesentes) bzw. 20 Jahren (inter absentes) eine eigentumsähnliche Stellung an unbeweglichen und beweglichen Sachen verschafft. Im spätantiken Westen verdrängt die l. t. p. von 40 bzw. 30 Jahren die → Ersitzung. Justinian verbindet die l. t. p. von 10 bzw. 20 Jahren mit Grundstücken (ausgenommen vor allem Kirchengut und Fiskalgut) im Gegensatz zur (lat. [F.]) → usucapio bei beweglichen Sachen. Bei Justinian (527-565) erfordert die (lat.) longissimi temporis paescriptio keine iusta causa und ist auch an gestohlenen Sachen möglich.

Lit.: Kaser §§ 4 III, 15 III 2, 25 III, 28 II, 31 III 4; Köbler, DRG 40, 61; Nörr, D., Die Entstehung der longi temporis praescriptio, 1969

López de Tovar, Gregorio (1496-1560) wird nach dem Studium von Recht und Philosophie in Salamanca Bürgermeister, Verwalter, Anwalt, Richter und Rat. 1555 veröffentlicht er die → Siete Partidas in einer klareren Fassung.

Lit.: Martínez Cardos, J., Gregorio López de Tovar, 1960

Lord (engl.) Herr, Baron

Lit.: Powell, J./Walles, K., The House of Lords, 1968

Lorsch

Lit.: Die Reichsabtei Lorsch, hg. v. Knöpp, F., 1973; Codex Laureshamensis (Faksimileausgabe), 2002; Aktuelle Forschungen zum ehemaligen Reichs- und Königskloster Lorsch, hg. v. Ericsson, I. u. a., 2004

Los ist ein Mittel zur Bestimmung eines Umstandes durch Zufall. Es ist bereits dem Altertum (biblische Landteilung) und den Germanen bekannt (Tacitus, Germania 10, 26). Selbst in der Gegenwart entscheidet bei Stimmengleichheit vielfach das L. Im Privatrecht ist L. eine Urkunde über eine auf einen Spielvertrag gegründete Gewinnchance.

Lit.: Homeyer, C., Über das germanische Losen, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1853; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Lösegeld ist die für eine Befreiung eines Menschen aus Gefangenschaft erforderliche Geldsumme. Das L. findet sich bereits in 3. Moses 25, 49 und ist auch dem römischen Recht bekannt. In der Neuzeit bilden sich Kataloge für Lösegelder entsprechend dem militärischen Rang des Gefangenen aus.

Lit.: Felgenträger, W., Antikes Lösungsrecht, 1933; Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978

Lösungsrecht ist allgemein das Recht, sich von einer Rechtsfolge (durch Geldleistung) zu lösen. Das L. der Juden ist das den Juden im Mittelalter gewährte Recht, gestohlene Sachen, die sie erworben oder zu Pfand erlangt haben, zu behalten, sofern sie nicht Ersatz des Kaufpreises oder der Schuldsumme bekommen. → Hehler

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Felgenträger, W., Antikes Lösungsrecht, 1933; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch, 1955, 237; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991

Lothar (III.) von Süpplingenburg (Anfang Juni 1075-Breitenwang 3./4. 12. 1137) ist der ohne männlichen Erben verstorbene deutsche König bzw. Kaiser (1133) zwischen → Saliern (1125) und → Staufern (1137). Er hält sich überwiegend im Norden auf und fördert die → Ostsiedlung.

Lit.: Köbler, DRG 93, 143; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft unter Lothar III., 1969; Gross, T., Lothar III. und die mathildischen Güter, 1990; Hermann, O., Lothar III. und sein Wirkungsbereich, 2000

Lotharingien → Lothringen

Lotharische Legende ist die seit dem 16. Jh. (Melanchthon) belegte Legende, dass Kaiser → Lothar (III.) von Süpplingenburg das römische Recht 1135 nach der Eroberung Amalfis durch ein Gesetz in Deutschland eingeführt habe. Sie wird 1643 durch Hermann → Conring (1606-1681) in der Schrift (lat.) De origine iuris Germanici (Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt.

Lit.: Köbler, DRG 142

Lotharius ist ein aus Cremona stammender, 1201 in den Rat des Königs Frankreichs berufener, 1208 zum Erbischof Pisas aufge­stiegener Glossator, von dem wenige Glossen stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 240

Lothringen ist das an das 843 gebildete Mittelreich Kaiser Lothars I. bzw. das hieraus durch weitere Teilung entstandene Königreich seines Sohnes Lothar II. (855-869) erinnernde Gebiet (Lotharingien) an Mosel und Nie­derrhein (Herzogtum bis 939, Teilung in Oberlothringen und Niederlothringen 959). Es gelangt 1648 bzw. 1738/1766 (Verzicht Herzog Franz Stephans)/1801 (Verlust von Sitz und Simme im Reichstag) an Frankreich und nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/1871-1919 nochmals vorübergehend (Reichsland Elsass-Lothrin­gen) an das Deutsche Reich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Fitte, S., Das staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Lothringen zum deutschen Reich, Diss. jur. Straßburg 1892; Parisot, R., Royaume de Lorraine, 1898; Opel, H., Die Rechtsstellung der mit dem Anschluss Lothringens (925) zum deutschen Reich gekommenen Franzosen, Diss. jur. Göttingen 1954; Bonnaud-Delamare, R., Les plaids annaux à Lixheim au 18ème siècle, ZRG GA 80 (1963), 118; Hlawitschka, E., Lothringen, 1986; Thomas, H., Zwischen Regnum und Imperium, 1973; Thomas, H., Die lehenrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen, Rhein. Vjbll. 38 (1974), 166; Mohr, W., Geschichte des Herzogtums Lothringen, 1979ff.; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990; Barth, R., Der Herzog in Lotharingien im 10. Jahrhundert, 1990; Lotharingia, hg. v. Herrmann u. a., 1995; Barth, R., Lotharingien, 1996; Bauer, T., Lotharingien als historischer Raum, 1997; Schneider, J., Auf der Suche nach dem verlorenen Reich, 2009

Lotmar, Philipp (Frankfurt am Main 1850-Bern 1922), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Göttingen (Ihering) und München (Brinz) Professor in Bern und begründet mit seinem Buch „Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des deutschen Reichs“ (Bd. 1f. 1902ff.) die Wissenschaft des Arbeitsrechts mit.

Lit.: Lotmar, P., Schriften zu Arbeitsrecht, Zivilrecht und Rechtsphilosophie, hg. v. Rückert, J., 1992; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H., 1993, 331; Gasser, C., Philipp Lotmar, 1997; Forschungsband Philipp Lotmar (1850-1922, hg. v. Caroni, P., 2003

Lotterie ist das in Form von bestimmten Verträgen betriebene Spiel. Die L. ist bereits im römischen Altertum bekannt. Seit 1444 (Niederlande) finden erneut Lotterien statt. Zeitweise werden sie bekämpft (19. Jh.).

Lit.: Endemann, F., Beitrage zur Geschichte der Lotterie, 1889

Löwen (Leuven, Louvain) an der Dijle erscheint im 12. Jh. als ummauerter Ort. 1425/1426 wird es Sitz einer am Ende des 18. Jh.s (1793) geschlossenen, 1834 neu­gegründeten (katholischen) Universität. 1970 kommt eine zweite Universität hinzu.

Lit.: Uytven, R. van, Leuven, 1980; Roegers, J./Lamberts, E., De universiteit te Leuven, 1988; Leuven, 500 jaar universiteit, 1976

Löwenstein

Lit.: Fritz, G., Die Geschichte der Grafschaft Löwenstein, 1986

Lübeck an der Trave ist die in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s erstmals erwähnte Sied­lung, die nach Verlegung und bedeutender Förderung durch Heinrich den Löwen 1226 Reichsstadt wird. Lübecks Recht wird um 1225 lateinisch und um 1240 mittel­niederdeutsch aufge­zeichnet (→ lübisches Recht). Am 1. 4. 1937 verliert L. durch Reichsgesetz seine Selbständigkeit innerhalb des Deutschen Reiches zugunsten → Preußens.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Michelsen, A., (Oberhof), 1839; Urkundenbuch der Stadt Lübeck, Bd. 1ff. 1843ff.; Freund, R., Aufklärung einiger bemer­kenswerter Irrtümer bezüglich der Interpretation einzelner Artikel des ältesten lübischen Stadtrechts, ZRG GA 3 (1882), 153; Das Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern, 1905; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Lübische Forschungen 1922; Fehling, E., Lübeckische Ratslinie, 1925, Neudruck 1978; Winterfeld, L. v., Versuch über die Entstehung des Marktes und den Ursprung der Ratsverfassung in Lübeck, Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte 25 (1929), 365; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von 1320-1350, 1935; Rörig, F., Heinrich der Löwe und die Gründung Lübecks, DA 1 (1937), 408; Ebel, W., Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts Teil 1, 1950; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, (1951); Das mittelniederdeutsche Stadtrecht von Lübeck nach seinen ältesten Formen, hg. v. Korlén, G., 1951; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben zur Hansezeit in Lübecker Ratsurteilen, 1954; Ebel, W., Lübecker Ratsurteile, Bd. 1ff. 1955ff.; Asch, J., Rat und Bürgerschaft in Lübeck 1598-1669, 1961; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente, Bd. 1 1964; Civilitates, Lübecker Neubürgerlisten 1317-1356, hg. v. Ahlers, O., 1967; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel 1967; Krause, U., Die Geschichte der Lübecker Gerichtsverfassung, Diss. jur. Kiel 1967; Dahl, H., Lübeck im Bundesrat, 1969; Fuchs, H., Privilegien oder Gleichheit, Diss. phil. Kiel 1971; Hohnsbein, G., Das Strafverfahren Lübecks im 19. Jahrhundert, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt in der Zeit von 1285-1315, 1974; Ende, B. am, Studien zur Verfas­sungsgeschichte Lübecks im 12. und 13. Jahrhundert, 1975; Lübeck 1226, hg. v. Ahlers, O. u. a., 1976; Ebel, W., Jurisprudencia Lubecensis, 1980 (1342 Titel); Köbler, G., Das Recht an Haus und Hof im mittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v. Friedland, K., 1980; Weniger, A., Die Finanzverwaltung Lübecks im 19. Jahrhundert, 1982; Blunk, M., Der Handel des Lübecker Kaufmannes Johan Glandorp an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, 1985; Schneider, G., Gefährdung und Verlust der Eigenstaatlichkeit der freien und Hansestadt Lübeck, 1986; Lübeckische Geschichte, hg. v. Graßmann, A., 1988, 2. A. 1989; Lutterbeck, M., Der Rat der Stadt Lübeck, 2002; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur Reformation, 2003; Societates. Das Verzeichnis der Handelsgesellschaften im Lübecker Niederstadtbuch 1211-1361, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Das Lübecker Niederstadtbuch 1363-1399, bearb. v. Simon, U., 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justiz­verfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H. u. a., 2007

Lübisches Recht (lat. ius [N.] Lubicense, 1188) ist das von der Stadt → Lübeck geschaffene und auf etwa 100 andere Städte (z. B. Rostock, Wismar, Kiel, Stralsund, Elbing, Reval, Memel) übertragene (Stadt-)Recht. Seit der Neuzeit geht sein Einfluss dadurch zurück, dass die umliegenden Landesherren die → Appellation nach Lübeck verbieten. Das revidierte lübeckische Stadt­recht von 1586 gilt bis Ende 1899, l. R. überhaupt in Reval bis 1945.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53, 27 (1906), 61; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Ebel, W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971; Ebel, W., Erbe, Erbgut und wohlgewonnen Gut im lübischen Recht, ZRG GA 97 (19080), 1; Ebel, W., Jurisprudentia Lubecensis, 1980; Das lateinische lübische Recht in der schlesisch-polnischen Fassung des 13. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F./Schelling, R., ZRG GA 110 (1993), 93; Der Revaler Kodex des lübischen Rechts 1282, hg. v. Kala, T., 1998; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008

Lublin

Lit.: Hoff, E., Lublins Gründungshandfesten zu deutschem Recht 1317/1342, 1942; Gebhard, J., Lublin, 2006

Lucas de Penna ist ein in Penna bei Pescara um 1320 geborener, in Neapel ausgebildeter praktisch tätiger und um 1390 verstorbener Jurist (Kommentar zu den tres libri Codicis, de iuris interpretatione, de praesumptionibus iuris).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 742

Lucca ist eine auf etruskischen und römischen Siedlungen aufbauende Stadt in der Toskana, die 1119 frei wird. 1314 gelangt L. an Pisa, wird 1370 aber nochmals frei. 1805 gibt Napoleon L. an seine Schwester, 1815 fällt L. als Herzogtum an Maria Luise von Etrurien, deren Sohn es 1847 an → Toskana gibt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzmaier, H., Lucca und das Reich, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,168, 3,1,168; Lucca e l’Europa, hg. v. Mazzei, R. u. a., 1990; Meyer, A., Ser Ciabattus, 2005 (rund 930 Imbreviaturen)

Lucerna (F.) iuris (lat.) (Leuchte des Rechts) ist eine Bezeichung für → Irnerius.

Lit.: Köbler, DRG 106

Ludewig, Johann Peter (Hohenhard 15. 8. 1668-Halle 7. 9. 1743) wird nach dem Studium von Theologie, Philologie und Recht in Halle (Stryk) Professor für Philosophie (1695), Historiograph (1704) und Professor der Rechtswissenschaft (1705). Er bearbeitet in erster Linie die Geschichte der staatlichen und staatsrechlichen Entwicklung (Reichs­historie) aus preußischer Interessenlage (Entwurf der Reichshistorie, 1707).

Lit.: Wideburg, F., De vita et scriptis J. P. de Ludewig, 1757; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 302

Ludovicus Bologninus ist der in Bologna 1446 geborene und ausgebildete, ab 1468 in Bologna, Ferrara und Bologna lehrende, vielfach praktisch tätige, in Florenz 1508 verstorbene Jurist (interpretationes, repeti­tio­nes, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 867

Ludwig XIV. (Saint-Germain-en-Laye 5. 9. 1638-Versailles 1. 9. 1715), König von Frankreich seit 1643 (Sonnenkönig), steigert die sich auf spätmittelalterlich-italienische Ansätze (→ Machiavelli) stützende Lehre von der uneingeschränkten Herrschaft des Herrschers zu einem fast religiösen Dogma (→ Absolutismus). Am Ende seiner auch von Eroberungskriegen (1667-1697) gekennzeich­neten Regierungszeit steht Frankreich trotz merkantilistischer Politik vor dem Bankrott.

Lit.: Köbler, DRG 149; Scheswig, B., Ludwig XIV., 1986; Malettke, K., Ludwig XIV., 1994; Hasquin, H., Louis XIV face à l’Europe du Nord, 2005

Ludwig (IV.) der Bayer (Ende 1281?-Puch bei Fürstenfeldbruck 11. 10. 1347) aus dem Geschlecht der → Wittelsbacher ist deutscher König (1314) und Kaiser (1328). Mit Hilfe des Kurvereins von → Rhens und des Reichsgesetzes (lat.) → Licet iuris versucht er die Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen gegenüber dem Papst.

Lit.: Köbler, DRG 101; Fischer, J., Das ältere Rechtsbuch Ludwig des Bayern, 1908; Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern, 1911; Moeller, R., Ludwig der Bayer und die Kurie, 1914; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Schwöbel, H., Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie, 1968; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, Bd. 1ff. 1991ff.; Benker, G., Ludwig der Bayer, 1980; Thomas, H., Ludwig der Bayer, 1993; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, hg. v. Acht, P., 1995ff.; Kaiser Ludwig der Bayer, hg. v. Nehlsen, H./Hermann, G., 2002

Ludwig (II.) der Deutsche (um 806-Frankfurt am Main 28. 08. 876) war als Enkel Karls des Großen und Sohn Ludwigs des Frommen von 846 bis 876 König im östlichen Teil des fränkischen Reiches.

Lit.: Bigott, B., Ludwig der Deutsche und die Reichs­kirche im ostfränkischen Reich, 2002; Hartmann, W., Ludwig der Deutsche, 2002; Ludwig der Deutsche und seine Zeit, hg. v. Hartmann, W., 2004; Goldberg, E., Struggle for Empire, 2006

Ludwig (I.) der Fromme (Casseneuil 778-Ingelheim 20. 6. 840) ist der Sohn und Nachfolger Karls des Großen als Kaiser des fränkischen Reiches. Von ihm dürften 417 Texte, 98 Originale und rund 200 verlorene Urkunden nachweisbar sein.

Lit.: Köbler, DRG 83; Schmitz, G., Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Charlemagne’s Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990; Boshof, E., Ludwig der Fromme, 1996; Depreux, P., Prosopographie de l’entourage de Louis le Pieux, 1997; Landau, P., Ludwig der Fromme als Gesetzgeber, FS G. Kleinheyer, 2001, 371

Luft → Stadtluft

Lit.: Fischer, A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919-1937), 2003

Luft macht frei. → Stadtluft

Lit.:Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprich­wörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Grimm)

Luftrecht ist das Recht des Luftverkehrs, das sich im 20. Jh. entwickelt. → Gefährdungshaftung

Lit.: Schwenk, W., Handbuch des Luftverkehrsrechts, 1981; Helm, S., Die Deutsche Lufthansa AG, 1999; Fischer, A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919-1937), 2003; Bethkenhagen, K., Die Entwicklung des Luftrechts, 2004

Lüge ist die bewusst unwahre Aussage oder Behauptung (z. B. E sagt zu F, D habe einen Antrag gestellt, obwohl E selbst den Antrag gestellt hat). Die L. ist geschichtlich so alt wie die Wahrheit. Die einfache L. ist rechtlich nicht bedeutsam, doch kann die L. Teil eines Betruges oder eines anderen rechtlich erheblichen Sachverhaltes bzw. Tatbestandes sein. → Gegen den Lügner ...

Lit.: Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Dietzsch, S., Kleine Kulturgeschichte der Lüge, 1997; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Kulturen der Lüge, hg. v. Mayer, M., 2003

Lügenstrafe ist in der frühen Neuzeit eine Strafe für das Lügen oder das Verweigern einer Aussage im Strafprozess. Die L. tritt im 18. Jh. an die Stelle der → Folter. Sie besteht meist in einer Prügelstrafe. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird die L. aufgegeben.

Lit.: Mauß, D., Die ,Lügenstrafe’ nach Abschaffung der Folter ab 1740, Diss. jur. Marburg 1974

Lund wird 1019 vom König von Dänemark gegründet. 1048 wird es Sitz eines Bischofs, 1103 (bis 1516) Sitz eines Erzbischofs. 1658 kommt es an Schweden, erhält 1668 eine Universität und ist von 1716-18 Residenz­stadt.

Lit.: Blomqvist, R., Lund, 1951; Den historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982

Lüneburg an der Ilmenau ist eine landesfürstliche und für das zugehörige Herzogtum namengebende Stadt, deren Rechtsstellung zeitweise der einer freien Reichsstadt ähnelt. 1577 wird das Stadtrecht reformiert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2; Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landesordnungen, Bd. 1ff. 1739ff.; Pappenheim, M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; Haase, C., Das Lüneburger Stadtrecht, Aus Lüneburgs Vergangenheit 1956, 67; Rabe, D., Die Lüneburger Stadtrechts­reformation (1577-1583), Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Thurich, E., Die Geschichte des Lüneburger Stadtrechtes, 1960; Arnswaldt, C., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Mörke, O., Rat und Bürger, 1983; Mellinger, J., Atlas des Fürstentums Lüneburg um 1600, 2001

Luneville ist der Ort des am 9. 2. 1801 zwischen Franreich und Österreich ge­schlossenen Frieensvertrags, in dem Öster­reich seine Vorherrschaft in Italien verliert und die Batavische Republik (Holland), die Helvetische Republik (Schweiz) und die Cisalpinische Republik (Norditalien) aner­kennt. Die geschädigten deutschen Reichs­fürsten sollen dafür im Gebiet rechts des Rheins entschädigt werden.

Lünig, Johann Christian (Schwallenberg 14. 10. 1662-Leipzig 14. 9. 1740) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Jena Hof­meister, Amtmann und Stadtschreiber. Er ver­öffentlicht zahlreiche Quellen zu Staatsrecht und Staatenkunde (u. a. Teutsches Reichs­archiv).

Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 235, 265, 309

Lupold von Bebenburg (um 1300-Bamberg 1363), Reichsministerialensohn (von Bem­berg bei Gerabronn), wird nach dem Studium des Kirchenrechts und der Promotion in Bologna (Johannes Andreae) Offizial (Domherr) in Würzburg (1332) und Mainz und Bischof von Bamberg (1353). Sein (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1339, Abhandlung von den Rechten des König­tums und Kaisertums) spricht dem deutschen Kaisertum Unab­hängigkeit vom römischen (päpstlich verliehenen) Kaisertum zu.

Lit.: Köbler, DRG 107; Meyer, H., Lupold von Bebenburg, 1909; Politische Schriften des Lupold von Bebenburg, hg. v. Miethke, J. u. a., 2004; Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii, hg. v. Miethke, J., 2005

Luschin von Ebengreuth, Arnold (26. 8. 1841-Graz 6. 12. 1932) wird nach dem Rechtsstudium 1873 außerordentlicher Pro­fessor und 1881 ordentlicher Professor der österreichischen und deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte in Graz. 1896 veröffentlicht er eine österreichische Reichsgeschichte.

Lit.: Puntschart, P., Arnold Luschin von Ebengreuth, ZRG GA 53 (1933), XXIX

Lusitaner (Lusitanier) ist der Angehörige eines ibero-keltischen, 15 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, in der zweiten Hälfte des 5. Jh.s der → Westgoten und seit 712 der → Araber gekommenen Volkes im späteren → Portugal.

Lit.: Tovar, J., Iberische Landeskunde, Bd. II 2 1976

Luther, Martin (Eisleben 10. 11. 1483-18. 2. 1546), Bergmannssohn, wird nach kurzem Studium des Rechts in Erfurt Theologe und Professor in Wittenberg (22. 10. 1517). Durch seine 95 Thesen (1517) wird er zum (erfolglosen) Reformator der katholischen Religion und (erfolgreichen) Stifter des Protestantismus. Er gründet die Erlösung des Menschen statt auf zuletzt käufliche, gute Werke (Ablasskauf) auf die göttliche Gnade. Er rechnet zum (lat.) ius (N.) divinum (gött­lichen Recht) nur das Predigtamt, die Taufe, das Abendmahl und die Sündenvergebung. Dem Vollzug dient das menschliche Kir­chenrecht (Amt, Dienst, Abgabe usw.). Sprachge­schichtlich ist seine das Neu­hochdeutsche wesentlich prägende Über­setzung der Bibel in das Deutsche besonders bedeutsam (neues Testament September 1522, Fertigstellung der gesamten Übersetzung 1534).

Lit.: Köbler, DRG 129; Luther und die Obrigkeit, hg. v. Wolf, G., 1972; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Mayer, H., Zur Naturrechtslehre des Luthertums, FS H. Welzel, 1974, 65; Günter, W., Martin Luthers Vorstellung von der Reichsverfassung, 1976; Heckel, M., Luther und das Recht, NJW 1983, 2521; Lohse, B., Martin Luther, 3. A. 1997; Leppin, V. Martin Luther, 2006; Leppin, V., Luther privat, 2006; Korsch, M., Martin Luther, 2. A. 2007; Lexutt, A., Luther, 2008

Lüttich am Zusammenfluss von Ourthe und Maas wird 720 Sitz des Bischofs von Maastricht/Tongeren. 1817 erhält es eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hélin, E., Les capitations Liégeoises, 1961; Histoire de Liège, hg. v. Stiennon, J., 1991; Quellen zum Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, bearb. v. Kranz, H., 2000

Luxemburg ist das nach einer 963 erwähnten Burg an der Alzette benannte, von Franken besiedelte Herzogtum (1354) des Heiligen römischen Reichs (1441 Burgund, 1477 Habsburg, 1555 spanische Linie, 1659 Süden an Frankreich, 1713 nach dem spanischen Erbfolgekrieg wieder an Habsburg, 1795 an Frankreich), das 1795/1797 tatsächlich und 1806 rechtlich aus dem Heiligen römischen Reich ausscheidet (1815 auf dem Wiener Kongress Großherzogtum in Personalunion mit den Niederlanden [Nassau], 1830 Anschluss an die Revolution Belgiens, 1839 durch den Vertrag von London mit seinen deutsch­sprachigen Teilen als Großherzogtum wiederhergestellt, 1866 Ausscheiden aus dem Deut­schen Bund, 1867 gescheiterter Ver­kaufs­versuch an Frank­reich, gänzliche Unabhängigkeit, 1890 Personalunion mit den Niederlanden beendet). Seit 1918 verstärkt sich als Folge der Niederlage(n) des deutschen Reiches im ersten und zweiten Weltkrieg der Einfluss Frankreichs, so dass das Land faktisch frankophon wird. Es zählt zu den sechs Gründungsmitgliedern der europäischen Gemeinschaften von 1951 und 1957 (1966 Luxemburger Kompromiss zur Beendigung der Politik des leeren Stuhls Frankreichs wegen der Agrarfinanzierung).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 172; Becker, E., Studien zur Gemeindeverfassung in Luxemburg; 1934; Wampach, C., Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen Territorien, 1935ff.; Stengel, E., Baldewin von Luxemburg, 1937; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,1167, 3,3,3396; Pauly, M., Luxemburg im späten Mittelalter, Diss. phil. Trier 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburga im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Luxembourg, hg. v. Lefebvre, F., 5. A. 1998; Franz, N., Die Stadtgemeinde Luxemburg, 2001; Verfassungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008

Luxemburger ist der Angehörige der von den Herzögen von Lothringen abstammenden Familie, die 1308 das Königtum im deutschen Reich erlangt (Heinrich VII. 1308-1313, Karl IV. 1346-1378, Wenzel 1376-1400, Sigismund 1410-1437), 1441 ihr Stammland Luxemburg aber an → Burgund verkauft.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gerlich, A., Habsburg-Luxemburg-Wittelsbach im Kampf um die deutsche Königskrone, 1960; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Hoensch, J., Die Luxemburger, 2000

Luxusverbot ist das Verbot unangemessenen Aufwandes. Es findet sich bereits im Altertum. Von der Mitte des 14. Jh.s treten Luxusverbote gehäuft in Städten und Ländern auf. Mit dem ausgehenden 18. Jh. verlieren sie als Folge von Aufklärung und Libera­lismus an Bedeutung. → Kleiderordnung

Lit.: Baudrillart, Histoire du luxe privé et public, Bd. 1ff. 1878ff.; Baldwin, F., Sumptuary Legislation, 1926; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Kick, E., Über den Wandel des Luxusbegriffes, 1970; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 338, 348, 353, 370, 400; Grugel-Pannier, D., Luxus, 1996; König, B., Luxusverbote im Fürstbistum Münster, 1998; Bernhardt, R., Luxuskritik und Aufwandsbe­schränkungen in der griechischen Welt, 2003; Weeber, K., Luxus im alten Rom, 2006

Luzern am Ausfluss der Reuß aus dem Vierwaldstättersee wird in der Mitte des 8. Jh.s Sitz eines St. Leodegar geweihten Klosters. 1178 wird L. Stadt und kommt 1291 vom Abt von Murbach an König Rudolf von Habsburg. Am 13. 11. 1332 verbündet sich L. mit Uri, Schwyz und Unterwalden. 1386 gewinnt es die Unabhängigkeit und wird dann Teil der → Schweiz. 2002 erhält es eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Segesser, P., Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, Bd. 1ff. 1850ff.; Sautier, A., Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Grüter, R., Die luzernischen Korporationsgemeinden, 1914; Bättig, R., Das Bürgerrecht der Stadt Luzern (1252-1798), Geschichtsfreund der V Orte 1922; Hofer, W., Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Kanton Luzern, 1924; Durrer, R., Studien zur ältesten Geschichte Luzerns, Geschichtsfreund der V Orte 84 (1930); (Schnyder, W. u. a.,) Geschichte des Kantons Luzern, 1932; Schaffer, F., Geschichte der luzernischen Territorialppolitik bis 1500, Geschichtsfreund 95 (1940/1941), 119; Schmid, A., Kasimir Pfyffer und das Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Luzern (1831-1839), 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,433; Lötscher, P., Das Recht der Stadtgemeinde Luzern, Diss. jur. Zürich 1982; Vom Gänsekiel zum Computer, hg. v. Hofstetter, U., 1986; Die Rechtsquellen des Kantons Luzern, Teil 1 Bd. 1 1998

Lynchen ist das rechtswidrige Bestrafen (Hinrichten) eines Menschen ohne recht­mäßiges Verfahren, insbesondere durch eine aufgebrachte Volksmenge. Ohne sichere geschichtliche Herleitung (C. Lynch 1736-1796?) erscheint das L. vor allem in der Mitte des 19. Jh.s in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Lit.: Cutler, Lynch law, 1905; Chadbourn, J., Lynching and the law, 1933; Berg, M., Das Ende der Lynchjustiz im amerikanischen Süden, HZ 283 (2006), 583

Lykurg ist der sagenhafte Begründer der Verfassung von Sparta (8. Jh. v. Chr.).

Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17

Lynker, Nikolaus Christoph Freiherr von (Marburg 1. 4. 1643-Wien 28. 5. 1726) wird nach dem Studium von Philosophie und Sprachen in Jena und Gießen und dem Rechtsstudium 1670 außerordentlicher Professor in Gießen, 1677 ordentlicher Pro­fessor in Jena und 1707 Reichshofrat in Wien.

Lit.: Hellbach, J., Nikolaus Christoph Freiherr von Lynker, 2. A. 1795; Gschließer, O. v., Reichshofrat, 1942, 366; Kisch, G., Consilia, 1970, 64

 

 

M

 

Machiavelli, Niccolò (Florenz 3. 5. 1469-22. 6. 1527), Beamtensohn, wird 1498 Sekretär und danach Kanzler. 1512 seines Amtes enthoben, verfasst er die Schrift (it.) Il principe (Der Fürst), in der er als Bedingung erfolgreicher Politik die Fähigkeit, politische Macht zu erwerben und zu erhalten, erkennt. In der Not ist der Fürst frei von ethischen Verpflichtungen.

Lit.: Köbler, DRG 149; Brandenburg, E., Machiavelli und sein Principe, 1938 (SB Leipzig); Freyer, H., Machiavelli, 2. A. 1986; Kersting, W., Niccolò Machiavelli, 2. A. 1988; Machiavelli, hg. v. Ascoli, A. u. a., 1993; Niccolò Machiavelli, Das Leben Castruccio Castracanis aus Luca, hg. v. Hoeges, D., 1998; Viroli, M., Das Lächeln des Niccolò, 2000; Hoeges, D., Niccolò Machiavelli, 2000; Berger Waldenegg, G., Krieg und Expansion bei Machiavelli, HZ 271 (2000), 1; Landon, W., Politics, Patriotism and Language, 2005; Hoeges, D., Niccolò Machiavelli - DIchter - Poeta, 2006

Macht → Gewalt

Lit.: Köbler, DRG 189, 190; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Klueting, H., Die Lehre von der Macht der Staaten, 1986; Mann, M., Geschichte der Macht, hg. v. Haferkamp, H. u. a., 2000; Spektakel der Macht, hg. v. Althoff, G. u. a., 2008

Machtergreifung ist die Übernahme der Herrschaftsgewalt (z. B. der National­sozialisten im Deutschen Reich 1933).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bracher, K./Schulz-Sauer, Die nationalsozialistische Machtergreifung, 1962; Schwarzwälder, H., Die Machtergreifung der NSDAP in Bremen, 1966; Die Machtergreifung in Südwestdeutschland, hg. v. Schnabel, T., 1982; Vezina, B., Die „Gleichschaltung“ der Universität Heidelberg, 1982; Streng, I., Machtübernahme 1933, 2002; Machtergreifung in Augsburg, hg. v. Cramer-Fürtig, M., 2008

Machtspruch ist der auf die behauptete Macht­vollkommenheit gegründete eigen­mäch­tige Eingriff eines (absoluten) Fürsten in die Rechtspflege seit dem späteren 17. Jh. (im Gegensatz zum Rechtsspruch) Er ist grundsätzlich der Idee der Gerechtigkeit verpflichtet. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird der M. allmählich als unzulässig angesehen (Preußen [nach dem Wassermüller-Arnold-Fall von 1779] 1784, 1791, Ös­ter­reich 1797). Das 19. Jh. schließt ihn auf Grund der Rechtsstaatsidee und der Gewaltenteilungs­lehre (Unabhängigkeit der Rechtspflege) aus.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H. Krause, 1975, 171; Erwin, H., Machtsprüche. Das herrscherliche Gestaltungsrecht „ex plenitudine potestatis“ in der frühen Neuzeit, 2009

Machtübernahme → Machtergreifung

Maciejowski, Waclaw Alexander (1792-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn, Hugo) Professor des römischen Rechts in Warschau (1819-1831). Seit 1832 veröffentlicht er eine slawische Rechtsge­schichte (1835 deutsch).

Lit.: Bardach, J., Einleitung zu: Maciejowski, W., Slavische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1835, Neudruck 1978; Kodrebski, J., Prawo rzymskie w Polsce XIX w., 1990, 66f., 82

Madrid wird als maurische Festung Majerita 939 erstmals erwähnt. 1083 wird es unter Alfons VI. von den Christen erobert. 1309 treten hier die Cortes erstmals zusammen. 1561 wird es Hauptstadt → Spaniens. 1836 erhält es die 1508 in → Alcala de Henares gegründete Universität.

Lit.: Gibert, R., El concejo de Madrid, 1949; Montero Vallejo, M., Historia del Madrid, 1991

Magdeburg an der Elbe, 805 erstmals bezeugt, löst sich im Mittelalter nicht vollständig von seinem erzbischöflichen Stadtherrn, der 1188 das Magdeburger Recht in einigen Bestim­mungen ganz knapp aufzeichnen lässt. Das darauf aufbauende Magdeburger Recht wird zwischen Niedersachsen und der Ukraine sehr bedeutsam.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Magdeburger Schöffensprüche, hg. v. Friese, V./Liesegang, E., 1901; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Magdeburger Rechts und der Statuten der Armenier in Lemberg, ZRG GA 35 (1914), 1; Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Teige, J., Über die Anfänge des Magdeburger Stadtrechtes in Mähren, ZRG GA 41 (1920), 383; Becker, W., Magdeburger Recht in der Lausitz, 1931; Brackmann, A., Magdeburg, 1937; Markmann, W., Zur Geschichte des Magdeburger Rechts, 1938; Gülland, P., Magdeburger Recht, ZRG GA 60 (1940), 279; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, bearb. v. Goerlitz, T., 1944; Goerlitz, T., Die Anfänge der Schöffen, Bürgermeister und Ratmannen in Magdeburg, ZRG GA 65 (1947), 70; Goerlitz, T., Die Rechtsweisung der Magdeburger Schöffen vom 13. Juni 1367 an den Rat von Jüterbog, ZRG GA 65 (1947), 344, Klein-Bruckschwaiger, F., Das Buch der magdeburgischen Urteile im Breslauer Stadtarchiv, ZRG GA 66 (1948), 260; Klein-Bruckschwaiger, F., Die Magdeburger Schöffensprü­che für Breslau in Kaspar Popplaus „Rechtem Weg“, ZRG GA 66 (1948), 440; Najstarsze staropolskie tłumaczenie ortyli Magdeburskich, według rękopisu Nr. 50 biblioteki zakłnarodowegoIm. Ossolińskich (Älteste altpolnische Übersetzung der Magdeburger Urteile nach der Handschrift Nr. 50 der Bibliothek des staatlichen Forschungsinstituts der Ossolinski-Stiftung), Teile 1, 2, 1970, 1972; Claude, D., Ge­schichte des Erzbistums Magdeburg, 1975; Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980; Ebel, F., Die Spruch­tätigkeit des Magdeburger Schöppenstuhls für Niedersachsen, ZRG GA 98 (1981), 30; Ebel, F., Magdeburger Recht, Bd. 1f. 1983ff.; Schrader, I., Stadt, Kloster und Seelsorge, 1988; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoriensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Rogatschewski, A., Übersicht über das sowjetische Schrifttum der 1970er und 1980er Jahre zur Geschichte des Magdeburger Stadtrechts, ZRG GA 109 (1992), 390; Beumann, H., Theutonum nova metropolis, 2000; Asmus, H./Wille, M., 1200 Jahre Magdeburg, 2000; Ebel, F., Des spreke wy vor eyn recht, (in) Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, 2004, 423; Leben in der Stadt, hg. v. Labouvie, E., 2004; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Magdeburger Namenlandschaft, hg. v. Burkhardt, A. u. a., 2005; Magdeburg, hg. v. Puhle, M. u. a. 2005; Concordia magna. Der Magdeburger Stadtfrieden vom 21. Januar 1497, hg. v. Wittek, G., 2006; Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H. u. a., 2007

Magdeburger Fragen sind das durch Fragen gekennzeichnete, zwischen 1386 und 1402 entstandene spätmittelalterliche Rechtsbuch (, unsystematische Fassung in 2 Handschriften, systematische Fassung in 9 Handschriften, alphabetisierte Fassung in einer Handschrift überliefert). Die M. F. beruhen auf einem Krakauer Urteilsbuch mit Magdeburger Rechts­belehrungen (bis um 1380), das kurz vor 1400 ein wohl in Thorn wirkender Bearbeiter um Stücke einer Thorner Sammlung und des alten Kulm ergänzt und dabei verallgemeinert. Die erste unsyste­matische Reihung in zwei Büchern verändert vermutlich derselbe Bearbeiter in eine systematisierte Fassung in drei Büchern (Ämter-Schenkungen-Erbe, Schulden-Sachen, Verbrechen). Vor 1518 wird die unsystema­ti­sche Fassung vielleicht in Stettin alphabetisiert. Seit 1517 sind die M. F. vielfach Anhang in Drucken des Sachsen­spiegels. → Neun Bücher des Magdeburger Rechts

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die Magdeburger Fragen, hg. v. Behrend, J., 1865; Martitz, F. v., Die Magdeburger Fragen, ZRG GA 11 (1873), 401; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 170; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50

Magdeburger Recht → Magdeburg

Magdeburger Schöffenrecht ist ein um 1270 entstandenes, in 23 recht unterschiedlichen Handschriften überliefertes Rechtsbuch.

Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869

Mage (M. bzw. F.) Verwandte(r)

Lit.: Köbler, DRG 72; Köbler, WAS

magister (lat. [M.]) Meister, Lehrer

Magister (M.) bonorum (lat.) ist im römischen Verfahrensrecht ein von den Gläubigern gewählter Verwertungsleiter, der das Schuldnervermögen durch eine → Versteigerung veräußert.

Lit.: Kaser § 85 II 2b

Magister (M.) civium (lat.) ist der im deutschen Reich seit der Mitte des 12. Jh.s erscheinende Bürgermeister oder auch Bauermeister. Seit 1214 (Straßburg) wird der m. c. Teil der Ratsverfassung. Vielfach ist er Vorsitzer eines kollegialen Verwaltungsor­ganes und Repräsentant einer Gemeinde.

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., 1964; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966, 220

magister (M.) curiae (lat.) → Hofmeister

magister (M.) militum (lat.) (spätantiker) Heerführer

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920, 180

magister (M.) navis (lat.) Schiffskapitän

Lit.: Kaser § 49 II 3

magister (M.) officiorum (lat.) Kanzleivor­steher

Lit.: Köbler, DRG 55; Schreiner, P., Byzanz, 1986

Magistrat ist das Amt oder der (eventuell kollegiale) Amtsinhaber. Im römischen Recht sind Konsuln, Prätoren, Ädile, Zensoren die höchsten Magistrate, die seit dem Prinzipat des Augustus ihre Bedeutung einbüßen. Im 19. Jh. ist unter dem Einfluss einer in Frankreich gegen Ende des 18. Jh.s ab­laufenden Entwicklung der M. das von der Stadtverordnetenversammlung als rein ausführendes Organ gewählte Kollegial­organ einer → Stadt.

Lit.: Söllner §§ 6, 14; Köbler, DRG 19, 197; Broughton, T., The Magistrates of the Roman Republic, 1951ff.; Kunkel, W./Wittmann, R., Die Magistratur, 1995; Handbuch der Altertumswissen­schaften, 10, 3, 2, 2

Magistratsverfassung ist seit dem 19. Jh. eine dualistische Form der Gemeindever­fassung, in der eine Stadtverordnetenver­sammlung als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ einen → Magistrat als rein ausführendes Organ wählt (Preußen 19. 11. 1808/30. 5. 1853). 1933 in Preußen und 1935 im Reich wird die M. beseitigt, 1954 wird sie aber in Schleswig-Holstein, Bremerhaven und Hessen erneuert. → Selbstverwaltung

Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1969; Matzerath, H., Nationalsozial­ismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970, 105

Magna Charta (F.) (libertatum) (lat. große Urkunde [der Freiheiten]) ist die seit 1531 nachweisbare Bezeichnung einer älteren Vorläufern folgenden, lateinischen, noch in vier Ausfertigungen überlieferten und aquch noch geltenden Urkunde des englischen, durch die Niederlage von Bouvines geschwächten Königs Johann I. Ohneland (Lackland, 1199-1216) vom 15.–19. 6. 1215 für 25 Barone (und den Erzbischof von Canterbury) (mit einer Präambel und 63 Titeln). Danach ist die Erhebung von Steuern an die Bewilligung der Großen gebunden (Grundlage des Parlamentarismus). Barone wollen nicht mehr vor dem auch mit Ministerialen besetzten königlichen Gericht Recht nehmen (lat. iudicium [N.] parium). Die wohl vor allem der Befriedung der Barone dienende M. C. setzt sich in England in der Petition of Rights (1628), der → Habeas-corpus-Akte (1679) und der → Bill of Rights (1689) fort und wirkt sich mittelbar auch auf Deutschland in Forderungen nach Grundrechten für alle seit dem frühen 19. Jh. aus.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 191; Gneist, R. v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holt, J., Magna Charta, 1965; Magna Carta, v. Howard, A., 1965; Kyriazis-Gouvelis, D., Magna Charta, 1984; Holt, M., Magna Charta and Medieval Government, 1985; Fryde, N., Why Magna Carta?, 2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/MagnaChartalibertatum1215.htm

Magnus Eriksson (1306-1374) ist der schwedische (1319-1364) bzw. norwegische König (1319-1355, 1371-1374), der um 1350 ein schwedisches Reichsrecht (Landslag) und 1353 bis 1360 ein (in mehr als 100 Handschriften überliefertes) Stadtrecht für die schwedischen Städte (Stadslag, älteste über­lieferte Handschrift 1387) erlässt, das bis 1734 gilt.

Lit.: Magnus Erikssons Landslag, übers. v. Holmbäck, Å./Wessén, E., 1962; Holmbäck, Å./Wessén, E., Mag­nus Erikssons Stadslag, 1966

Magnus Hakonarson Lagaboetir (Tönsberg 1. 5. 1238–Bergen 9. 5. 1280) ist ein norwegischer König (1263-1280), der die Landschaftsrechte und das Gefolgschaftsrecht (1273-1277, → Hirdskra) erneuert sowie 1274/­1275 das erste für ganz Norwegen gültige Reichsrecht (Landslög) und 1276 das erste für Norwegen aufgezeichnete Stadtrecht erlässt.

Lit.: Böttcher, H., Das Glaubensbekenntnis im Landrecht Magnus Lagaboeters, 1971; Holmsen, A., Norges historie, 1977; Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA 99 (1982), 252

Mahalareda (F.) ist im burgundischen Volksrecht des frühen 6. Jh.s die Aussteuer der Tochter.

Lit.: Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 57

Mahlgemeinschaft

Lit.: Dörrer, A., Alte Mahlgemeinschaften im Lichte ihrer Zeit (313-1803), ZRG GA 70 (1953), 266

Mahlschatz (M.) Mitgift, Heiratsgut

Mahlzwang ist der mittelalterlich-frühneu­zeitliche Zwang, in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen.

Lit.: Koehne, K., Das Recht der Mühlen, 1904

Mahnung ist die einseitige, empfangs­bedürftige Erklärung des Gläubigers, mit der er den Schuldner dringlich zur sofortigen, ausnahmsweise zur fristgebundenen Leistung auffordert. Bereits im römischen Recht kann der Schuldner, der gemahnt ist, sich nicht mit Unkenntnis aus dem Verzug entschuldigen. Im Frühmittelalter führt das Unterbleiben der Leistung trotz Leistungsaufforderung zu einer Buße. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) begründet erst die M. Verzugszinsen, wenn nicht die Zeit der Er­füllung ohnehin feststeht.

Lit.: Kaser § 37 II 1; Hübner § 76; Löning, R., Der Vertragsbruch im deutschen Recht, 1876, 26, 165

Mahnverfahren ist eine besondere Prozessart, in der für eine bestimmte Art von voraussichtlich unstreitigen Ansprüchen (auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme) ohne Verhandlung dem Gläubiger eines Anspruchs ein rechtskräftiger vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Ein derartiges Verfahren gegen Abwesende kennt bereits der → Sachsenspiegel (1221-1224) (Landrecht I 70 § 2). Seit dem 12. Jh. bezeugt außerdem die Vertragswirklichkeit in Italien die durch Vertragsstrafe gesicherte Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe eines gerichtlichen Geständnisses in der Vertragsurkunde. Später nimmt der Notar einen Zahlungsbefehl in eine Urkunde auf, bei deren Vorlage das Gericht die Vollstreckung verfügt. Auch in einem Gerichtsbuch oder einem Stadtbuch eingetragene Forderungen lassen sich ver­einfacht durchsetzen. Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) unterwirft sich der Schuldner seit der frühen Neuzeit durch Vollstreckungsklauseln dem unbedingten reichskammergerichtlichen → Mandatspro­zess. 1877/1879 wird das M. durch Über­nahme der Grundsätze des bedingten Man­dats­prozesses zu einer allgemein anwend­baren Verfahrensform für Ansprüche auf Zahlung und auf Leistung vertretbarer Sachen oder Wertpapiere. In Deutschland sind mit dem 1. 7. 1977 die Ausdrücke Zahlungs­befehl und Vollstreckungsbefehl durch die Bezeich­nungen Mahnbescheid und Vollstrec­kungs­bescheid ersetzt. → summarischer Pro­zess

Lit.: Köbler, DRG 116; Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7. A. 1859, 19, 89; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891

Mähren ist das zwischen der böhmisch-mährischen Höhe, den Ostsudeten, Westbeskiden, kleinen Karpaten und dem Jarvornikgebirge gelegene, seit dem 6. Jh. von Slawen besiedelte Gebiet, das 1029 an → Böhmen und nach bedeutender deutscher Einwanderung 1526 mit diesem an → Österreich fällt (Landesordnung 1628, mährischer Ausgleich durch Trennung der Wahlkörper zwischen Tschechen und Deut­schen 1905 versucht) und am 28. 10. 1918 Teil der → Tschecho­slowakei sowie bei deren Auflösung Teil Tschechiens  wird.

Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1912ff.; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das Reich, 1959; GlaH., ssl, Der mährische Ausgleich, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Seibert, F., Deutschland und die Tschechen, 1970; Bernt, A., Die Germanen und Slawen in Böhmen und Mähren, 1989; Hrabovec, E., Vertreibung und Abschub, 2. A. 1996; Kadlecova, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150

Maiestas (lat. [F.] Größe) ist (erst) seit Jean → Bodin (1576) der Grundbegriff der Staatsgewalt (lat. summa potestas [F.]). Die m. wird seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s von manchen (z. B. → Leibniz) dem Landes­herrn zugesprochen. Im Ergebnis erleichtert diese Vorstellung die Auflösung der herge­brachten Reichsverfassung.

Lit.: Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 138

Maiestas (F.) Carolina (lat.) ist der auf älteren Entwürfen Premysl Ottokars II. (1272) und Wenzels II. (1292) sowie einer Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s (lat. Ordo [M.] iudicii terre Boemie, Landgerichts­ordnung Böhmens) beruhende, lateinisch verfasste und in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Entwurf Karls IV. für ein Landrecht → Böhmens von 1346 bis 1355 (1351-1354), der seit 1617 M. C. genannt wird. Er gliedert sich in 127 Artikel (Häresie, Krongut, Beamte, Gericht, Strafe, Privatrecht). Wegen des Widerstandes der Stände gegen die damit angestrebte Stärkung der Macht des Landesherrn wird die M. C. 1355 als gegenstandslos geworden erklärt, tritt aber um 15. Jh. gewohnheitsrechtlich in Kraft.

Lit.: Werunsky, E., Maiestas Karolini, ZRG GA 9 (1888), 64; Hobzek, Majestas Carolina a Rímské právo, 1931; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1966ff.; Kejr, J., Die sog. Maiestas Carolina, (in) Studia Luxemburgensia, 1989, 79

Maigesetze sind die vier im Deutschen Reich im Mai 1873 im → Kulturkampf erlassenen Gesetze bzw. die in Österreich 1868 und 1874 zur Eindämmung des Einflusses der katho­lischen Kirche erlassenen Gesetze (Ehegesetz, Schule-Kirche-Gesetz, Interkon­fes­sionellen­gesetz 1868, Katholikengesetz, Religions­fonds­gesetz, Anerkennungsgesetz 1874).

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Mailand in Oberitalien wird im 5. Jh. v. Chr. von den gallischen Insubrern gegründet und ist in der Spätantike kaiserliche Residenz und erzbischöflicher Sitz. Seit dem Anfang des 11. Jh.s überflügelt es die langobardische Hauptstadt Pavia, seit dem frühen 12. Jh. gewinnt es eine kommunale Verfassung (1225 Liber Statutorum). Im 14. Jh. gerät es unter die Herrschaft der Visconti und Sforza (1395/1397 Herzogtum), 1714 gelangt es an Österreich, 1859 an Sardinien und damit 1861 an Italien.

Lit.: Köbler, DRG 104, 129; Köbler, Historisches Lexikon; Gli atti del Comune di Milano, 1919; Manaresi, C./Santoro, C., Gli atti privati milanesi e comaschi, Bd. 1 ff. 1933ff.; Visconti, A., Ricerche sul diritto pubblico milanese, Annali della r. università di Macerata 3 (1928); Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2 ,2,122; Ambrosioni, A., Le pergamene della canonica di San Ambrogio, 1974; Milano, 1990; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001; Grillo, P., Milano, 2001

Mailänder Toleranzedikt ist das 313 von Konstantin dem Großen und Licinius den Christen Freiheit des Gottesdienstes und Rückgabe der verstaatlichten Güter ge­wäh­rende Edikt.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Maimonides (Ben Maimon), Moses (Córdoba 30. 3. 1138? [1135]-Kairo 13. 12. 1204, 1230 als Rabbi Moyses erwähnt) fasst als bedeutendster jüdischer Religionsphilosoph im ausgehenden 12. Jh. das gesamte, ihm bekannte jüdische Recht in klarer hebräischer Sprache in der 14bändigen → Mischne Tora (1180) zusammen (Führer der Unschlüssigen, um 1242/1244 lateinisch übersetzt).

Lit.: Ben-Chorin, S., Jüdischer Glaube, 2. A. 1979; Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 877; Del Valle Rodriguez, C., Cartas y testamento de Maimonides, 1989; Hyoun, M., Maimonides, 1999; Hasselhoff, G., Dicit Rabbi Moyses, 2004

Maine, Sir Henry James Sumner (1822-1888) wird nach dem Studium 1847 Professor für Civil law in Cambridge und 1850 Anwalt. Er hält in den Inns of Court Londons Vorlesungen zum römischen Recht und zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Rechts. Hierauf gründet sich sein 1861 veröffentlichtes darwinistisch-evolutionstheo­retisches Buch (engl.) Ancient Law (Altes Recht). Nach längerer Tätigkeit in Indien wird er 1869 Professor in Oxford und 1877 in Cambridge.

Lit.: Grant Duff, M., Sir Henry Maine, 1892; Cocks, R., Sir Henry Maine, 1988; Maine, H. Das alte Recht, hg. v. Dahle, H., 1997

Mainz am Einfluss des Main in den Rhein ist seit etwa 10 n. Chr. Sitz des römischen Oberbefehlshabers für das obere Germanien und in der Nachfolge des Bonifatius (746/747-754) Sitz eines Erzbischofs, für den bis 1223 550 Urkunden nachgewiesen sind. Von 1331/1424 bis 1462 ist die Stadt tatsächlich weitgehend unabhängig von ihrem kurfürstlichen Stadt­herrn. Zwischen 1440 und 1454 entwickelt sich in M. der Buchdruck. 1476 erhält M. eine Universität, die nach Schließung in napoleonischer Zeit (1792/1797/1814/1816) 1946 wieder errichtet wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Roth, W., Zur Geschichte der Juristenfakultät zu Mainz im 15./16. Jahrhundert, ZRG GA 22 (1902), 359; Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum Mainz, 1908; Stimming, M., Die Wahlkapitulationen der Erzbischöfe und Kurfürsten von Mainz (1233-1788), 1909; Hensler, E., Verfassung und Verwaltung von Kurmainz um das Jahr 1600, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die deutsche Königswahl, 1910; Stimming, M., Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Erzbistums Mainz, 1915; Schmitt, K., Erzbischof Adalbert von Mainz als Territorialfürst, 1920; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Mainzer Urkundenbuch,. v. Stimming, M. u. a., Bd. 1ff. 1932ff.; Schrohe, H., Das Mainzer Geschlecht zum Jungen, 1933, Hasselwander, N., Aus der Gutachter- und Urteilstätigkeit an der alten Mainzer Juristenfakultät, 1956; Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961; Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Just, L./Mathy, H., Die Universität Mainz, 1965; Duchhardt, H., Philipp Karl von Eltz, 1969; Die Geschichte des Mainzer Erzkanzlerarchivs 1782-1815, hg. v. Mathy, H., 1969; Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungs­kommission, 1970; Martin, W., Der Lehnhof der Mainzer Erzbischöfe, 1971, Geschichte der Stadt Mainz, hg. v. Brück, P. u. a., Bd. 1ff. 1972ff.; Lautzas, P., Die Festung Mainz, 1973; Diener, H., Die Gründung der Universität Main, 1467-1477, 1974; Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Demandt, D., Stadtherrschaft und Stadtfreiheit, 1977; Pick, E., Die Professoren des Rechts an der Mainzer Universität, FS O. Mühl, 1981, 509; Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums, hg. v. Pick, E., 1983; Schlössser, S., Der Mainzer Erzkanzler im Streit der Häuser Habsburg und Wittelsbach um das Kaisertum, 1986; Dumont, F. u. a., Mainz, 1998; Kurmainz, das Reichserzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Die Mainzer Kurfürsten des Hauses Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherren, hg. v. Hartmann, P., 2002; Bausteine zur Mainzer Stadtgeschichte, hg. v. Matheus, M., 2002; May, G., Die Organisation von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in der Erzdiözese Mainz, 2004; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005; Grathoff, S., Mainzer Erzbischofsburgen, 2005; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 2008;Empell, H., Gutenberg vor Gericht, 2008; Mainzer (Erz.)Bischöfe in ihrer Zeit, hg. v. Felten, F., 2008

Mainzer Landrecht ist das Landrecht des Erzstifts Mainz vom 24. 7. 1755/1. 1. 1756, das auf dem Rheingauer Landbrauch beruht (1442 Recht und Ordnung eyns Waltpoden zu Menz, 17. Jh. Aufzeichnung des rheingau­ischen Landbrauches durch Nikolaus Itzstein). Es gliedert sich in 32 Titel und enthält hauptsächlich Familienrecht und Erbrecht. Seine Geltung endet linksrheinisch 1804, rechtsrheinisch 1900 (bzw. in Nachwirkungen im Laufe des 20. Jh.s).

Lit.: Churfürstliche Mayntzische Land-Recht, 1755; Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Backhaus, F., Das eheliche Güterrecht des Mainzer Landrechts von 1755, Diss. jur. Heidelberg 1953

Mainzer Reichslandfriede ist der 29 Artikel umfassende, deutsch gehaltene Landfriede Friedrichs II. vom 12. 8. 1235. Er drängt die Selbsthilfe zurück und stärkt die Stellung des Gerichts. Er sieht u. a. einen Hofrichter bzw. ein Hofgericht vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mitteis, H., Zum Mainzer Reichslandfrieden von 1235; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Buschmann, A., Mainzer Reichslandfriede und Konstitutionen von Melfi, FS R. Gmür, 1983, 369

Mainzer Republik ist der durch Erklärung eines rheinisch-deutschen Nationalkonvents am 17. 3. 1793 im Gebiet zwischen Bingen und Landau entstehende unabhängige Staat mit dem Volk als einzigem Souverän. Die M. R. endet am 23. 7. 1793 durch Übergabe an → Preußen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon 724; Die Mainzer Republik, hg. v. Landtag des Landes Rheinland-Pfalz, 1993

maior (lat. [M.]) Größere

maior vigintiquinque annis (lat.) älter als 25 Jahre, volljährig

Maior dividat, minor eligat (lat.). Der Ältere soll teilen, der Jüngere darf wählen. Nur ein ehrloser Betrüger E. teilt als Jüngerer bewusst ungerecht und wählt dann auch noch selbst.→ Erbauseinandersetzung

Lit.: Wacke, A., Der Jüngste stimmt zuerst, JA 1981, 176; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Plutarch für das 8. Jh. v. Chr.)

maior (M.) domus (lat.) → Hausmeier

Lit.: Köbler, DRG 76

maiores (M.Pl.) et meliores (M.Pl.) terrae (lat.) Größere und Bessere des Landes, → Landstände

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Maitland, Frederic William (London 28. 5. 1850-Las Palmas/Kanarische Inseln 20. 12. 1906), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge und Lincoln’s Inn 1876 Anwalt, 1884 Dozent für englisches Recht in Cambridge und 1888 Professor. Er verfasst (mit Frederick Pollock) die (engl.) History of English Law before the Time of Edward I (Bd. 1f. 1895, Geschichte des englischen Rechts vor Eduard I.), die nach einer Übersicht über die äußere Rechts­geschichte die inhaltlichen Einrich­tungen und Lehren darstellt. Dabei verbindet er Politik und Wirtschaft mit dem Recht und die Vergangenheit mit der Gegenwart. 1886/1887 gründet M. die Selden Society.

Lit.: Bracton’s Note Book, hg. v. Maitland, F., Bd. 1ff. 1887; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1895; Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Fisher, H., Frederic William Maitland, 1910; Maitland, F. ZRG GA 33 (1912), 521; Maitland, F., Selected historical essays, hg. v. Cam, H., 1957; Cameron, J., Frederick (!) William Maitland and the history of English law, 1961; Bell, H., Maitland, 1965; The letters of Frederic William Maitland, hg. v. Fifoot, C., 1965; Elton, G., Frederic William Maitland, 1985

Maiverfassung ist die im Mai 1934 für Österreich erlassene Verfassung für einen christlichen deutschen Bundesstaat (autoritä­ren Ständestaat des Austrofaschismus).

Majestätsbeleidigung ist der Angriff auf den (vom Staat verschiedenen) Herrscher. Die M. findet sich 393 in einer Konstitution Theodosius‘ I., in der die Beleidigung des Kaisers aus der allgemeinen Strafverfolgung ausgesondert wird. 397 werden aber alle füh­renden Personen geschützt. Die Beleidigung des Kaisers (oder Königs) tritt danach wieder in der Bamberger Halsge­richtsordnung (→ Constitutio Criminalis Bambergensis) von 1507 auf. In der Folge wird die M. dem → Hochverrat nachgeordnet. 1922 werden im Deutschen Reich Reichspräsident und Regie­rungsmitglieder besonders geschützt, 1951 in der Bundesrepublik Deutschland die höchsten Staatsorgane.

Lit.: Bosse, H., Über Hochverrat, beleidigte Majestät und verletzte Ehrerbietung, 1802; Schroeder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, 1970

Majestätsbrief ist in der Neuzeit eine Freiheitsurkunde für Untertanen (z. B. Rudolfs II. 9. 7. 1609 für Böhmen, nach dem 8. 11. 1620 aufgehoben).

Lit.: Gindely, A., Geschichte der Erteilung des Majestätsbriefes von 1609, 1858

Majestätsverbrechen → crimen laesae maiestatis

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schaffstein, F., Verräterei und Majestätsverbrechen, FS W. Weber, 1974; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970

Majorat ist die Einzelnachfolge des Ältesten beim → Familienfideikommiss.

Majorität (F.) → Mehrheit

Lit.: Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips, ZRG KA 73 (1956), 73

Makedonien ist ein südosteuropäisches Gebiet, dessen (in der Antike stets nicht als richtige Griechen angesehenen) Bewohner unter den Königen Philipp II. und Alexander dem Großen (336-323 v. Chr.) → Griechenland erobern, das ab 148 v. Chr. aber römische Provinz wird. Über Ostrom gelangt M. 1317 an die → Osmanen. 1913 fällt M. durch Eroberung an Serbien (1918 → Jugoslawien) (und Grie­chenland). Nach ge­scheiterter Zwangsintegration wird es 1992 selbständig.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,332; Adanir, F., Die makedonische Frage, 1979; Errington, M., Geschichte Makedoniens, 1986; Makedonien, hg. v. Lukan, W. u. a., 1999; Mari, M., Al di là dell’Olimpo, 2002; Rois, cités, nécropoles, hg. v. Guimier-Sorbets, A. u. a., 2006; Boskovska, N., Das jugoslawische Makedonien 1918-1941, 32009

Makler ist, wer gegen Entgelt eine Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachweist oder einen Vertrag vermittelt. Der M. ist bereits dem griechischen und römischen Altertum bekannt. Im Mittelalter entwickelt sich der M. vielleicht zuerst in Italien (Genua 1154), wo Maklerzwang besteht und der Makler als objektiver Dritter von beiden Geschäftspartnern entlohnt wird. Im mittleren Europa ist die Stellung des Maklers freier. In der Neuzeit finden sich zahlreiche gesetzliche Regelungen. Der absolute Staat fördert monopolisierende Tendenzen, die im 19. Jh. beseitigt werden.

Lit.: Goldschmidt, L., Ursprung des Mäklerrechts, ZHR 28 (1882), 115; Beukemann, U., Die Geschichte des Hamburger Mäklerrechts, 1912; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 28, 99, 152; Fröber, H., Die Entstehung der Bestimmungen des BGB, 1997; Axmann, M., Maklerrecht und Mak­lerwesen bis 1900, 2004

mala fides (F.) (lat.) böser Glaube (schadet nachträglich nicht bei Ersitzung des römischen Rechts, wenn der Erwerber im Erwerbszeitpunkt gutgläubig ist)

Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985

Malberg ist im fränkischen Frühmittelalter der Ort der (Gericht haltenden) Versammlung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80, 85

Malbergische Glosse ist der nichtlateinische Einschub in den ältesten Fassungen des salfränkischen Rechtes (lat. Pactus [M.] legis Salicae, 507-511, Textklassen A, C, D, z. B. mallobergo reapten[a] hoc est zu Titel 1, 1). Die malbergischen Glossen haben ihren Namen davon, dass sie meist durch (lat.) (in) mallobergo (→ Malberg) eingeleitet werden. Vielleicht sind sie als ursprüngliche Randnotizen später in den Text geraten. Trotz starker Verderbnis sind sie wertvolle Zeugnisse des ältesten bekannten fränkischen Sprachstandes.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Kern, H., Notes on the Frankish Words in the Lex Salica, (in) Lex Salica, hg. v. Hessels, J., 1880, 431; Helten, W. v., Zu den malbergischen Glossen, PBB 25 (1900), 225; Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 1; Schmidt-Wiegand, R., Zur Geschichte der malbergischen Glosse, ZRG GA 74 (1957), 220; Gutenbrunner, S., Studia mallobergica, ZRG GA 81 (1964), 298; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 276; Balon, J., Theo, Archivum latinitatis medii aevi 33 (1963), 103; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Schmidt-Wiegand, R., Die malbergischen Glossen als Denkmal des Westfränkischen, Rhein.Vjbll. 33 (1969), 396; Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG GA 89 (1972), 1

maleficium (lat. [N.]) Übeltat, Hexerei

Lit.: Köbler, DRG 158; Köbler, LAW; Hampl, T., Die Nürnberger Malefizbücher, 1927; Christel, C., Die Malefizprozessordnung des Codex Maximilianeus von 1616, Diss. jur. Regensburg 1975

Malefizordnung ist die an der Wende des Mittelalters zur Neuzeit auftretende Ordnung bzw. Landesordnung für Straftaten (z. B. Tirol 1499). Sie wird 1532 durch die subsidiär gelten wollende (lat.) Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche Gerichtsordnung Karls V.) ergänzt. Seit dem 18. Jh. wird sie durch Strafrechtskodifikationen abgelöst (Bayern 1751, Österreich 1768, 1803, Bayern 1813, Preußen 1851, Österreich 1852 usw.).

Maleville, Jacques de (1741-1824), Advokat in Bordeaux, Anhänger der französischen Revolution, Präsident der zivilgerichtlichen Abteilung des Kassationsgerichtshofes, wird von Napoleon zum Sekretär-Redakteur der Kommission zur Ausarbeitung eines → Code civil berufen. In der Gesetzgebungsarbeit unterstützt er das römische Recht und kommentiert 1805 das Ergebnis unparteiisch (Analyse raisonée). Später tritt er auf die Seite der Reaktion über.

Lit.: Latour, J., Jacques de Maleville, 1929

Malik ibn Anas (708/16-796) → Muwatta

Mallersdorf

Lit.: Pölsterl, G., Mallersdorf, 1979

Malleus maleficarum Hexenhammer

mallobergus (lat. [M.]) Malberg, Verhandlungsberg

mallus (lat. [M.]), mallum (lat. [N.]) Versammlung, Gerichtsversammlung

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Platon, G., Le mallus, 1889; Estey, F., The Meaning of ,Placitum‘ and ,Mallum‘, Speculum 1947, 435; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 71; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Malmann

Lit.: Lamberg, P., Die Malmannen im sächsischen Freienrecht des Mittelalters, Osnabrücker Mitteilungen 75 (1968), 126

Malscult (as. [F.]) Dingschuld, eine Abgabe

Lit.: Molitor, E., Die Stände der Freien, 1910, 10

Malta ist die zwischen Italien und Tunesien gelegene, 316 Quadratkilometer große Insel im Mittelmeer. Sie weist große Tempelbauten des 4. Jt. v. Chr. auf und gelangt nacheinander an Phönizier/Punier/Karthager (7. Jh. v. Chr.), Römer (218 v. Chr.), Ostrom (395 n. Chr.), Vandalen, Ostgoten, Muslime (870), Nor­mannen (1091), den Johanniterorden (1530), Frankreich (1798) und Großbritannien (1800/1802). 1964 wird Malta unabhängig, 1974 parlamentarische Republik und zum 1. 5. 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Lit.: Betz, W., Malta, 1994; Staehle, E., Geschichte der Johanniter und Malteser, Bd. 1ff. 2002

Malumbra, Ricardus ist ein vielleicht in Cremona 1264 geborener, 1289 als doctor legum bezeugter, seit 1295 in Padua lehrender Jurist.

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 593

mamluk (arab.) weißer Sklave

Lit.: Brandes, J., Die Mameluken, 1996

Manchester beruht auf dem römischen Kastell Mancunium. 1229 erhält M. Marktrecht, 1838 Stadtrecht. 1851 wird es Sitz einer Universität.

Mancipatio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht ein allgemeines Geschäft für die Überführung aus der Gewalt eines Hausvaters in die eines anderen. Dabei ergreift jemand eine handgreifbare Sache (lat. res [F.] mancipi) eines anderen vor fünf mündigen Bürgern als Zeugen und einem Waagehalter (lat. [M.] libripens), spricht eine sein Eigentum an der handgreifbaren Sache behauptende Formel und lässt den tat­sächlichen Betrag des Wertes der Sache dem anderen in Erz (lat. aes [N.] Kupfer) in einer Waage (lat. [F.] libra) zuwägen (Libralgeschäft), wobei dieser das Metall unter schweigender Duldung der Handgreifung annimmt, so dass ein ei­gentliches positives einverständliches Zusam­menwirken nicht ausgedrückt wird. Der bisherige Gewalthaber ist danach Vormann (lat. [M.] → auctor) des neuen Gewalthabers. Später wird die m. dadurch fortgebildet, dass das Erz nicht mehr tatsächlich, sondern nur noch sinnbildlich in der Form einer einzigen kleinen Münze (lat. nummo uno) zugewogen wird. Diese m. nummo uno dient dann der Erlangung der Gewalt über handgreifbare Sachen und Personen auch außerhalb des Barkaufes in einer Vielzahl von Fällen (z. B. Kreditkauf, Treuhand, Mitgift, Adoption, Eheschließung [lat. coemptio], Emanzipation usw.). Die m. ist ein abstraktes Verfügungsgeschäft. Im spätantiken römi­schen Recht ist die m. verschwunden, in den Juristenschriften der Digesten m. durch (lat. [F.]) → traditio (fomlose Übergabe) ersetzt.

Lit.: Kaser § 7 I, 24 II, 27 I 2, 38 II 1a, 41 I 1; Söllner §§ 8, 12, 18, 24; Köbler, DRG 22ff., 40, 61f.; Randazzo, S., Leges mancipii, 1998

Mancipium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Handgreifung, die dadurch erlangte, der Herrenstellung über Sklaven ähnliche Gewalt über ein fremdes Hauskind und übertragen der Sklave. Im Mittelalter ist m. der Unfreie, doch nimmt die Verwendung des Wortes vom Beginn des 11. Jh.s an stark ab.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1d, 16 III 1, 60 I 3b; Söllner §§ 8, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Köbler, LAW; Dubled, H., Mancipium au Moyen Age, Revue du Moyen Age Latin 5 (1949), 51; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984.; Randazzo, S., Leges mancipii, 1998

Mandat als Lehnwort zu lat. mandatum (N.) erscheint im 14. Jh. Im Prozessrecht bezeichnet es das Verhaltensgebot des Gerichtes an eine Partei oder einen Dritten, aber auch den Auftrag einer Partei für einen Vertreter. Daneben wird später auch vom M. eines Abgeordneten einer Volksvertretung und vom M. als internationalem Auftrag des Völkerrechts gesprochen.

Lit.: Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 52

Mandatsprozess ist in der frühen Neuzeit eine Form des → summarischen Prozesses, bei dem auf Antrag des Klägers dem Beklagten durch gerichtliches Gebot (→ Mandat) ein be­stimmtes Verhalten auferlegt wird. Vorkommen gerichtlicher Anordnungen finden sich bereits im frühen und hohen Mittelalter, allgemeine Bedeutung erlangen sie aber erst mit dem Übergang der höchsten Gerichtsgewalt vom König auf das Reichskammergericht am Ende des Spät­mittelalters (1495). Seit der Mitte des 16. Jh.s (1555) wird dabei zwischen bedingtem Mandat, bei dem sich der Empfänger auf alle rechtlichen Gegengründe stützen darf, und dem unbedingten Mandat, bei dem der Empfänger nur die Unrichtigkeit der tatsächlichen Mandatsgrundlagen vortragen darf, unterschieden. Vom → Reichskammer­gericht geht der hierdurch geprägte M. in das partikulare Verfahrensrecht über. Hieraus entwickelt sich das 1833 bzw. 1846 in Preußen eingeführte → Mahnverfahren und die mandatsähnliche → einstweilige Ver­fügung (Hannover 1850, Baden 1851).

Lit.: Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7. A. 1859, 19; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891; Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichs­kammergerichts, (in) Commémoration du 500e anniversaire de la création du Parlament, 1977, 343; Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung, Diss. jur. Hamburg 1967, 148; Uhlhorn, M., Der Mandatsprozess, 1991

Mandatsverfahren → Mandatsprozess

Mandatum (lat. [N.]) ist im römischen Recht einerseits der unentgeltliche Auftrag (Konsensualkontrakt), der eine Tätigkeit jeder Art betreffen kann, andererseits seit etwa der Zeitenwende die Dienstanweisung des Staats­oberhauptes (lat. [M.] princeps) beispiels­weise an einen Provinzstatthalter, die bald als gesetzesgleich gilt. Dieser Sprachgebrauch setzt sich im lateinischen Frühmittelalter entsprechend fort.

Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 44 I; Söllner §§ 9, 17, 18; Köbler, DRG 31, 47, 64; Watson, A., Contract of Mandate in Roman Law, 1961; Klami, H., Mandatum and labour, ZRG RA 106 (1989), 575; Marotta, W., Mandata principum, 1991

Manegold von Lautenbach (Lautenbach nach 1030-nach 1103) wird nach Studien in Lautenbach und Paris Wanderlehrer in Frankreich. Nach 1080 wird er Mönch in Lautenbach und flüchtet von dort nach Rottenbuch. 1089 wechselt er als Propst nach Marbach. Seinen Streitschriften gegen Wenrich von Trier und Wolfhelm von Brauweiler wird der Gedanke der → Volks­souveränität ent­nommen.

Lit.: Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Laakmann, R., Die Königsgewalt bei Manegold von Lautenbach, Diss. jur. Hamburg 1969; Fuhrmann, H., Volkssouveränität und Herrschaftsvertrag bei Manegold von Lautenbach, FS H. Krause, 1975, 21

Mangel ist das Fehlen einer vorausgesetzten Beschaffenheit einer Sache oder einer sons­tigen Gegebenheit.

Lit.: Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994

Mangelschaden ist der im Mangel einer gelieferten Sache bestehende Schaden (z. B. ein gekauftes Buch ist wegen fehlender 100 Seiten 10 Euro weniger wert als ein vollständiges Buch.

Mangelfolgeschaden ist der infolge des Mangels einer Sache am sonstigen Vermögen des Erwerbers zusätzlich entstehende Scha­den (z. B. durch vergiftetes Futter sterben an sich gesunde Tiere) des Erwerbers.

Manifest (N.) Programm, Ankündigung, → Kommunistisches Manifest

Mann ist der männliche Mensch. Im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung der Men­schen setzt er auf Grund seiner durch­schnittlichen körperlichen Überlegenheit und den durch die Schwangerschaften verursach­ten Nachteilen der Frau einen verhältnismäßi­gen Vorrang gegenüber der Frau durch. Seit der Aufklärung wird der dadurch geschaffene Patriachat zurückgedrängt.

Lit.: Rabe, C., Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006

Mannesvorzug ist die Bevorzugung von Männern insbesondere im Erbrecht. Der M. ist in älteren Zeiten weit verbreitet. Wegen seines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrund­satz wird er im 20. Jh. beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Mannfall (M.) Tod des Lehnsmanns

Mannheim (766 Mannenheim) wird 1605/­1607 Stadt.

Lit.: Kreutz, W./Wiegand, H., Mannheim, 2008

mannire, manire (lat.) mahnen (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)

mannitio (lat. [F.]) Ladung (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)

Lit.: Köbler, DRG 86; Köbler, LAW

Mannlehen ist ursprünglich jedes Lehen (im Gegensatz zu anderen Leihen), in der frühen Neuzeit das allein männliche Nachkommen als Nachfolger zulassende Lehen im Gegensatz zum Weiberlehen u. a.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Homeyer, G., System des Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844, 279

Mannus (zu nhd. Mann) ist bei den Germanen der Sohn des Gottes Tuisto und der Vater dreier Söhne, von denen sich die germanischen Hauptstämme der Ingväonen (Friesen, Angeln, Sachsen), Istväonen (Weser-Rhein-Germanen) und Herminonen (Elbgermanen) herleiten.

Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967, 52

manor (engl.) Herrenhof

mansio (lat. [F.]) Bleiben, Herberge

Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968

mansus (lat. [M.]) Hof, Hufe, Ackermaß

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW

Mantel als ein den Körper einhüllendes Kleidungsstück wird auch als Rechtssymbol verwendet (z. B. Mantelgriff bei Auflassung, Umhüllung mit dem Mantel bei Ehe­schließung zwecks Ehelicherklärung eines nichtehelichen Kindes, Niederlegung des Mantels zwecks Haftungsbefreiung).

Lit.: Hübner 681; Grimm, J., Deutsche Rechts­altertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Mantik (F.) Weissagung, Wahrsagerei

Lit.: Hille, J., Die Strafbarkeit der Mantik von der Antike bis zum frühen Mittelalter, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977

Manufaktur ist die bereits dem römischen Altertum bekannte zentrale Produktionsstätte zur Herstellung von Waren (Textilien, Metallwaren, Keramik). Sie wird im 17. und 18. Jh. zu der vom Staat begünstigten modernen Betriebsform (→ Merkantilismus). Besonders bekannt ist die erste europäische staatliche Porzellanmanufaktur (Meißen 1710). Im 19. Jh. unterliegt die M. der Fabrik.

Lit.: Köbler, DRG 28, 134, 175; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Forberger, R., Die Manufaktur in Sachsen, 1958; Kermann, J., Die Manufaktur im Rheinland, 1972; Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen des 18. Jahrhunderts, 1990; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990

Manumissio (lat. [F.]) ist die Freilassung eines Sklaven oder Unfreien zum (freigelassenen) Freien. Für sie entwickeln sich im römischen Recht verschiedene Formen (m. in der Kirche, vor Freunden, durch Brief, durch Aufnahme an den Tisch, mit Stab), die im Frühmittelalter teilweise fortgeführt und teilweise ergänzt werden.

Lit.: Kaser §§ 16 I 1, III 1, 60 I 3b; Köbler, DRG 57

manus (lat. [F.]) Hand, Schar, Hausgewalt (über die Ehefrau)

Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I 2b, 58 II; Söllner §§ 8, 20; Köbler, DRG 21f., 71

Manusehe ist im römischen Recht die Ehe, in der die Frau unter die (lat.) manus (Hausgewalt) des Mannes oder dessen (lat.) pater (M.) familias steht. Die manus wird durch von der Eheschließung zu trennende Geschäfte (confarreatio, coemptio oder usus) begründet. In der M. ist die Frau vermögensunfähig, so dass alles, was sie erwirbt, ihrem Gewalthaber gehört. Bis zum Prinzipat (Augustus) wird die M. zur Ausnahme, so dass die Ehefrau regelmäßig entweder ihrem bisherigen (lat.) pater (M.) familias untersteht oder gewaltfrei und damit vermögensfähig ist.

Manus iniectio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Handanlegung, mit deren Hilfe beispielsweise im altrömischen Recht in einen Menschen vollstreckt wird (→ legis actio per manus iniectionem).

Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 32 II 4, 39 I 1, 60 I 4, 81 III 1; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 20

Manzipation → mancipatio

Marburg an der Lahn gründet sich auf eine Burg wohl schon des 10. Jh.s und erhält 1527 die erste protestantische, am Beginn des 17. Jh.s calvinistische Universität.

Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg, hg. v. Küch, F., Bd. 1f. 1918ff.; Merk, W., Die Spruchtätigkeit der Marburger Juristenfakultät, (in) Festzeitung der Universität Marburg 1527-1927, 1927; Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1966; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus, hg. v. Nagel, A., 2000

Marburger Programm ist das von Franz von → Liszt (1851-1919) 1882 formulierte Pro­gramm (Der Zweckgedanke im Strafrecht).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 204

Marbury v. Madison ist die Leiten­tscheidung des Supreme Court der Ver­einigten Staaten von Amerika vom 24. Februar 1803, nach der das Gericht für die Überprüfung von Bundesgesetzen (z. B. Section 13 des Judiciary Act von 1789) auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung zu­ständig ist.

marca (lat.-ahd. [F.]) Grenze, Grenzgebiet, Mark

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Marcellus (2. Jh. n. Chr.) ist der dem Rat der Kaiser Antonius Pius (138-161) und Marc Aurel (161-180) angehörige römische Rechtskundige, von dem 31 zwischen 161 und 167 entstandene (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) zu unterschiedlichsten Rechtsfragen sowie (lat.) notae (F.Pl. Anmerkungen) zu den Digesten → Julians bekannt sind, deren Benützung durch → Scaevola und → Ulpian feststeht.

Lit.: Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts, 2. A. 1912, 213; Rastätter, J., Marcelli Notae ad Iuliani Digesta, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1981; Zülch, C., Der liber singularis responsorum des Ulpius Marcellus, 2001

Märchen ist die nicht sicher bezeugte und nicht sicher bezeugbare Erzählung oder Kunde. Das M. kann Rechtsfragen behandeln. Die M., die für den deutschen Sprachraum am erfolgreichsten von den Brüdern Grimm gesammelt sind (1812), lassen sich zeitlich nicht zuverlässig einordnen.

Lit.: Grimm, J./Grimm, W., Kinder- und Haus­märchen, 1812; Ludwig, O., Richter und Gericht im deutschen Märchen, 1935; Anger, S., Das Recht in den Sagen, Legenden und Märchen Schleswig-Holsteins, Diss. jur. Kiel 1947; Röhrich, L., Die Grausamkeit im deutschen Märchen, Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 6 (1955), 176; Röhrich, Lutz, Märchen und Wirklichkeit, 1956; Scherf, W., Das Märchenlexikon, Bd. 1f. 1995; Laeverenz, J., Märchen und Recht, 2001

Marchfutter ist eine mittelalterliche Abgabe.

Marculf ist der Verfasser einer frühmittelalterlichen, durch 5 Handschriften des 9. Jh.s überlieferten Sammlung von 40 Königsurkundenformularen und 52 Privatur­kundenformularen, die vermutlich am Ende des 7. Jh.s im westlichen Frankenreich im Auftrag eines nicht sicher feststellbaren Bischofs Landerich verfertigt ist. Die Sammlung ist nachweislich spätestens 743/747 in einer Königsurkunde und 731/732 in einer Privaturkunde benutzt. Verschiedene jüngere Urkundensammlungen berücksichti­gen sie.

Lit.: Formulae, hg. v. Zeumer, K., 1886; Marculfi Formularum libri duo, rec. Uddholm, A., 1962; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 110

Marescalcus (lat.-ahd. [M.] Marschall) ist ein Hofamt der fränkisch-deutschen Könige.

Lit.: Köbler, DRG 83

marginal (am Rande befindlich) wie z. B. die Marginalglosse, d. h. Randglosse

Maria Theresia (Wien 13. 5. 1717-29. 11. 1780) ist die Erbtochter des Habsburgers Karl VI., der am Ende des spanischen Erb­folge­kriegs die Erbfolge in den habsburgischen Erblanden 1713 durch die → Pragmatische Sanktion zu sichern versucht. 1736 heiratet sie Franz Stephan von Lothringen. 1740 tritt sie das Erbe an (Pfalzerzherzogin von → Österreich), von dem sie im österreichischen Erbfolgekrieg Schlesien (an Preußen) und Parma-Piacenza (an Karls III. von Spanien Bruder Philipp) verliert. Sie herrscht über ein Bündel von Staaten in Form einer monar­chischen Union. Nach der Wahl ihres Mannes zum deutschen Kaiser (1745) nimmt sie den Titel Kaiserin (Titularkaiserin) in Anspruch. Gegen den ständischen Widerstand setzt sie von 1749 bis 1761 den absolutistischen Staat mit landesfürstlicher Bürokratie und Zen­tralverwaltung durch (Dezennalrezesse, Directorium in publicis et cameralibus, oberste Justizstelle, Heeresre­form, Schulre­form). Auf Betreiben ihrer Ratgeber (Kaunitz, Joseph II.) erwirbt sie 1772 Galizien und Lodomerien, 1775 die Bukowina und 1779 das Innviertel. Gesetzgeberisch stellt die von ihr veranlasste (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis There­siana (1768, Theresianisches Kriminalgesetz) keinen Fortschritt dar, wäh­rend ein (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, There­sianisches Gesetzbuch) überhaupt blo­ßer Entwurf bleibt, aber dennoch das All­ge­meine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/­1812) vorbereitet.

Lit.: Köbler, DRG 131f., 142; Arneth, A. v., Geschichte Maria Theresias, Bd. 1ff. 1863ff.; Walter, F., Die theresianische Staatsform von 1749, 1958; Jessen, F., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965; Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anz. d. österreich. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 110 1973, 232; Mraz, G./Mraz, G., Maria Theresia, 1979; Ogris, W., Recht und Macht bei Maria Theresia, 1980; Dillmann, E., Maria Theresia, 2000

Marinus de Caramancio ist ein in der Provinz Pescara Jahrzehnte vor 1269 geborener, als assessor und Richter tätiger neapolitanischer Jurist (glossa ordinaria zu den constitutiones Siculae).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 498

Maritagium (lat. [N.]) ist eine mittel­alter­liche Heiratsabgabe von Hörigen.

Mark ist ursprünglich das zur Kennzeichnung eines Gegenstandes verwendete Zeichen. Deswegen wird M. zur Grenze, zum Grenzland und zur Münze. Dementsprechend finden sich unter Karl dem Großen (795), den Ottonen und Heinrich III. (1039) Grenzmar­ken etwa in Spanien, an der Donau (Awarenmark, Ostmark), an der Oder (965), in Karantanien (970, spätere Steiermark), an der Eider, in Böhmen oder in Brandenburg, die meist Markgrafen unterstellt sind. Seit dem Hochmittelalter erscheint das um die Siedlung gelegene (Grenz-)Land als Dorf­mark, das von einer → Markgenossenschaft gemeinschaft­lich genutzt wird. Der mit einer Marke versehene Metallbarren tritt seit dem 9. Jh. als Münzgrundgewicht M. auf und verdrängt allmählich das ältere → Pfund. 1524 wird die Kölnische M. (amtliche) Grundlage des Münzwesens im Heiligen römischen Reich. Die von 1871/3 bis 1924 als Währungseinheit des Deutschen Reiches bestehende M. wird 1924 durch die Reichsmark ersetzt, der am 20. 6. 1948 die Deutsche M. folgt (Währungsreform), die 2002 von der europäischen Gemeinschafts­währung Euro (mit Cent) abgelöst wird.

Lit.: Hübner; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Lipp, M., Das fränkische Grenzsystem, 1892; Haff, K., Geschichte einer ostalamannischen Gemeinlandsver­fassung, 1902; Dopsch, A. v., Die freien Marken in Deutschland, 1933; Ganahl, K., Die Mark in den älteren St. Galler Urkunden, ZRG GA 60 (1940), 97, 41 (161), 21; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Enzyklopädisches Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 3. A. 1967; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Fünfzig Jahre Deutsche Mark, hg. v. d. Deutschen Bundesbank, 1998; Meyer, W., Abschied von der Deutschen Mark, 1998

Mark ist die seit 1202 für eine Linie der Grafen von Berg namengebende Burg in Westfalen. 1614 kommt die Grafschaft an Brandenburg, 1946 das Gebiet zu Nordrhein-Westfalen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frisch, M., Die Grafschaft Mark, 1937; Goebel, J., Die Gerichtsverfassung des märkischen Süderlandes, Diss. jur. Bonn 1962; Die ältesten Lehnbücher der Grafen von der Mark (1392 und 1393), hg. v. Westerburg-Frisch, M., 1967

Markdorf

Lit.: Prahl, H., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Markdorf im Linzgau, 1965

Marke ist das Zeichen und der damit gekennzeichnete Gegenstand. In Rom schützt das Namensrecht gegen Nachahmungen. Die M. findet sich bereits im Frühmittelalter an Vieh, Holz oder Haus. Mit der Zunahme der Schriftlichkeit kann sie zum Handzeichen werden. In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt sich die Handelsmarke des Kaufmannes zur Kennzeichnung seiner Ware. Die Zunft setzt sich für die M. ein und verbürgt die ordnungsgemäße Herstellung der markierten Ware. Diese M. wird vielfach registriert, ihr Missbrauch wird bestraft. Im 19. Jh. endet mit der Zunft die durch sie gewährleistete Sicherheit. Seit dem 18. Jh. (Frankreich 1787) wird die M. privatrechtlich geschützt (Bayern 9. 3. 1840/21. 12. 1862, Deutsches Reich Gesetz über Markenschutz vom 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936). Am Ende des 20. Jh.s wird dieser Schutz in­nerhalb der Europäischen Union vereinheit­licht (Bundesrepublik Deutschland Marken­rechtsreformgesetz BGBl. 1994, 3085). Danach erfolgt die gebührenpflichtige Ein­tragung einer schutzfähigen Marke durch das Patentamt auf jeweils 10 Jahre.

Lit.: Hübner 13, 442; Meyer, C., Die historische Entwickelung der Handelsmarke in der Schweiz, 1905; Rehme, P., Geschichte des Handelrechts, 1913, 38ff., 161, 216; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und Holzurkunden, 1917; Meldau, R., Vor 1500 eingetragene Warenzeichen, GRUR 43 (1938), 302; Ruppel, K., Die Hausmarke, 1939; Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1954; Leitherer, E., Die Entwick­lung des Markenwesens, Diss. Erlangen-Nürnberg 1954; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Marken­recht, Bd. 1f. 1977ff.; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241; Zentek, S., Produkt Prozesse, 1999; Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1847, 2002

Markebrief ist seit dem Hochmittelalter eine Ermächtigung zu einem Arrest.

Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960

Markenrecht → Marke, Recht

Lit.: Köbler, DRG 272; Wadle, F., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, 1983; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241; Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1874, 2002; Hacker, F., Die ältere Geschichte des Markenrechts, (in) NJW-Sonderheft 100 Jahre Markenverband, 2003

Markenschutz → Marke

Märker → Mark, Markgenossenschaft

Märkerding ist die Versammlung der Markgenossen oder Märker.

Markfrevel ist die rechtswidrige Nutzung einer → Mark seit dem Hochmittelalter.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Markgenossenschaft ist die Genossenschaft der an einer → Mark (Gemeinland) Nutzungsberechtigten seit dem Hochmittel­alter (str.). Die M. entsteht auf Grund der mit dem Landesausbau eintretenden Güterver­knappung. Die Nutzungsberechtigung an der Mark ist Zubehör zu einem Sondereigentum (z. B. Hof). Der einzelne Markgenosse (Märker) kann frei oder unfrei sein. Wich­tigstes Organ der M. ist die Versammlung der Markgenossen (Märker­ding). Ihr sitzt der Mär­kermeister (oft ein Grundherr), Mark­meister, Obermärker, Holz­graf oder Waldgraf vor. Urteile fällen Mark­schöffen oder Markgeschworene. Im 19. Jh. werden die meisten Markgenossenschaften durch den Liberalismus beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Thudichum, F. v., Die Gau- und Markenverfassung, 1860; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschafts­recht, Bd. 1ff. 1868ff.; Varrentrapp, F., Rechtsge­schichte und Recht der gemeinen Marken in Hessen, 1909; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der älteren Markgenossenschaft, MIÖG 33, 553, 34, 1; Grosch, G., Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Ehlert, H., Die Markgenossenschaft (Holtung) der 17 Dörfer um Amelinghausen, 1936; Wellmer, M., Zur Ent­stehungsgeschichte der Markgenossenschaften, 1938; Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941; Grass, N., Comaun Kastelrut, ZRG GA 71 (1954), 353; Wernli, F., Zur Frage der Markgenossenschaften, 1961; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962; Olowson, A., Markgenossenschaftslehre und Marxismus, Diss. jur. Zürich 1967; Schneider, W., Die Markgenossenschaften im frühmittelalterlichen Alamannien, 1997

Markgraf (lat. [M.] marchio) ist der Graf einer Grenzgrafschaft (Markgrafschaft). Über die Stellung und die Befugnisse eines Markgrafen vor dem 12. Jh. ist wenig bekannt, vermutlich waren sie von denen eines anderen Grafen nicht wesentlich verschieden. Die Lage und die Größe der zunächst regelmäßig in ein Herzogtum eingebundenen Mark (z. B. Österreich, Steiermark) begründeten aber wohl eine größere Selbständigkeit und Verteidigungsbe­reitschaft. Deswegen wird der M. verschie­dentlich Stammesherzog, der M. von Bran­denburg sogar Kurfürst. Seit dem späten 11. Jh. wird M. auch ein Titel (z. B. Baden, Hachberg, Ansbach-Bayreuth).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84, 109; Baltl/Kocher; Hofmeister, A., Markgrafen und Mark­grafschaften im italischen Königreiche, MIÖG Ergänzungsband 7, 2, 215; Gothein, E., Die badische Markgrafenschaft im 16. Jahrhundert, 1910; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Mark­grafen von Meißen, 1956; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Schmidt, M., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Müller, U., Die ständische Vertretung in den fränkischen Markgrafentümern, 1984

Markgrafentum ist die Stellung und das Gebiet eines → Markgrafen.

Markgrafschaft ist (die Stellung und) das Gebiet eines → Markgrafen.

Marklosung ist das Recht eines Markge­nos­sen oder einer Markgenossenschaft, ein in der → Mark gelegenes, an einen Fremden ver­äußertes Grundstück gegen Zahlung des Kaufpreises zu erwerben (und dadurch die bestehende Anwartschaft zum Vollrecht umzuwandeln).

Lit.: Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, 65f.; Bader, K., Studien zur Rechtsge­schichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962

Markmeister → Markgenossenschaft

Markt ist die zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort abgehaltene Veranstaltung zum Zweck des Verkaufes und Kaufes von Waren. Der M. ist bereits dem römischen Recht bekannt (lat. [N.] forum, Marktplatz, nundinae [F.Pl.]). In karolingischer Zeit gewinnt der M. auch bei den Franken Bedeutung. Der König erringt in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s für kurze Zeit ein Marktregal. Zwischen 900 und 1050 gründet er mehr als 100 Märkte durch Privileg und erhält dafür von den Begünstigten Abgaben. Später treten die Landesherren an seine Stelle (z. B. Freiburg 1120, Innsbruck 1180/1204, Jüterbog 1174). Es entwickeln sich Grund­sätze für ein besonderes Recht des Marktes. Viele Marktorte werden bald zur → Stadt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 113; Rietschel, S., Markt und Stadt, 1897, Neudruck 1965; Huvelin, P., Essai historique sur le droit des marchés et des foires, 1897; Groß, L., Stadt und Markt im späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Spieß, W., Das Marktprivileg, 1916; La foire, 1953; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1961, 275; Endemann, T., Markturkunde und Markt in Frankreich und Burgund, 1964; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973; Mitterauer, M., Markt und Stadt im Mittelalter, 1980; Ehmann, E., Markt und Sondermarkt, 1987; Fenske, M., Marktkultur in der frühen Neuzeit, 2005; Messen, Jahrmärkte und Stadt­entwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Marktbeherrschendes Unternehmen ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ein Unternehmen, das den Handel mit einer bestimmten Warengattung maßgeblich gestalten kann. Aus Wettbewerbsgründen be­darf es besonderer Kontrolle.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Marktfriede ist der von einem Herrn (z. B. König) während der Marktzeit für Verkäufer und Käufer zugesicherte → Friede.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Marktkauf ist der auf dem jedermann zugänglichen → Markt getätigte → Kauf. Wegen der besonderen Gegebenheiten des Marktes darf sich seit dem Mittelalter der Erwerber einer gestohlenen oder geraubten Sache gegenüber dem Unrechtsvorwurf des Eigentümers dadurch reinigen, dass er schwört, die Sache auf dem Markt gekauft zu haben. Vielfach muss er die Sache auch nur gegen die Erstattung des ganzen oder halben Kaufpreises an den Berechtigten herausgeben. Dieses Lösungsrecht verliert mit der Aufnahme des römischrechtlichen Herausga­beanspruches (lat. → rei vindicatio [F.]) an Bedeutung.

Lit.: Hübner 440, 446; Kroeschell, DRG 2, 88; Köbler, DRG 125; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1952; Reinhard, H., Der Marktkauf in den schweizerischen Stadtrechten, Diss. jur. Zürich 1959; Jakab, E., Praedicere und cavere beim Marktkauf, 1997

Marktkreuz ist das seit dem Hochmittelalter zum Zeichen des Marktes aufgestellte Kreuz.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Marktprivileg → Markt

Marktrecht → Markt

Marktregal → Markt, Regal

Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsform, in der die wirtschaftlich relevanten Entscheidun­gen über Produktion, Investition, Distribution und Konsum dezentralistisch sind und den individuellen Wirtschaftssubjekten überlassen werden. In der älteren Zeit geht der M. die Hauswirtschaft voraus. In den größeren Orten des Altertums ist die M. bereits bedeutsam. In der Neuzeit wird ihr Gewicht immer größer. Der Sozialismus des 20. Jh.s stellt der M. die Planwirtschaft entgegen. Seit 1990 dringt die M. in sozialer Form wieder vor.

Lit.: Köbler, DRG 96, 127, 249; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Nörr, K., Als die Würfel für die Marktwirtschaft fielen, FS K. Kroeschell, hg. v. Köb­ler, G. u. a., 1997; Löffler, B., Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis, 2002

Markwald → Mark

Marschall ist der Träger des im Früh­mittel­alter für das Verkehrswesen zuständigen Hofamtes (lat. comes [M.] stabuli). Seit dem 15. Jh. wird der besondere Feldmarschall Oberbefehlshaber der landes­herrlichen Streitkraft. Sein Amtszeichen ist ein Stab. → marescalcus

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Köbler, WAS; Strobl, E., Das Obersthofmarschallamt, 1908; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

Marshall-Plan ist der am 5. 6. 1947 von George C. Marshall als Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika verkündete Plan für den Wiederaufabu Europas, nach dem 16 europäische Staaten am 16. 4. 1948 die Organization for Euroopean Cooperation (OEEC) gründen, die 1960 in die Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) umgewandelt wird.

Lit.: Bischof, G., Der Marshall-Plan, 1997

Marsilius von Padua (Padua um 1290?-München 1342/1343), Sohn des Universitäts­notars Bonmatteo dei Mainardini, wird nach dem Studium der freien Künste 1313 kurzzeitig Rektor der Universität Paris und danach höfischer Ratgeber. 1324 verfasst er den (lat.) → Defensor (M.) pacis. Darin spricht er sich in der Nachfolge des Aris­toteles für einen mit weitreichender Gewalt ausgestatteten Staat aus, der mit Hilfe einer rationalen Gesetzgebung das Wohl seiner Angehörigen erreichen soll. Der Kaiser wird auch der Kirche übergeordnet, als deren höchstes Organ M. v. P. im Übrigen nicht den Papst, sondern das → Konzil (Konzilia­rismus) ansieht.

Lit.: Köbler, DRG 107, 109; Stieglitz, L., Die Staatstheorie des Marsilius von Padua, 1914; Battaglia, F., Marsilio da Padova, 1928; Marsilio da Padova, hg. v. Checchini, A. u. a., 1942; Segall, H., Der „Defensor Pacis“ des Marsilius von Padua, 1959; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960, 121; Löffelberger, M., Marsilius von Padua, 1992; Lee, H., Political Representation in the Later Middle Ages, 2008

Mars Thingsus (M.) germanischer Kriegsgott und vielleicht auch Dinggott

Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Höfler, O., „Sakraltheorie“ und „Profantheorie“, FS S. Gutenbrunner, 1972, 71

Martens, Georg Friedrich von (Hamburg 22. 2. 1756-Frankfurt am Main 21. 2. 1821) wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Pütter) 1783 Professor für Staatsrecht, → Völkerrecht und → Handelsrecht. 1808 wird er Verwaltungsjurist im Königreich West­phalen, 1815 in Hannover. 1785 verfasst er (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Eu­ropaearum practici (Grundlinien eines prak­tischen europäischen Völkerrechts), deren Gliederung sich von herkömmlichen Vor­gaben zu befreien versucht. Seit 1797 sam­melt er die wichtigsten völkerrechtlichen Verträge. Gleichzeitig legt er einen Grundriss des → Handelsrechts vor, das sich damit von Handlungswissenschaft einerseits und deut­schem Privatrecht andererseits löst.

Lit.: Figge, R., Georg Friedrich von Martens, Diss. jur. Breslau 1914; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Scherner, K., Anfänge einer deutschen Handels­rechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 464

Martin von Tours (Sabaria 336?-Candes 8. 11. 397), nach dem Mars benannter Sohn eines römischen Militärtribuns, gründet nach der frühen Taufe 361 das erste gallische Kloster Ligugé und wird 371 Bischof von Tours. Er ist der erste Heilige der römischen Kirche mit öffentlicher Verehrung, vor allem im fränkischen Reich (Gedenktag am 11. 11.).

Lit.: Nigg, W./Loose, H., Martin von Tours, 1977; Thull, M., Martin von Tours, 1985

Martini (zu Wasserburg), Karl Anton (1779) Freiherr (Revo/Südtrol 15. 8. 1726-Wien 7. 8. 1800), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck (Riegger) und Wien 1753 Professor in Wien für → Natur­recht (erster Lehrstuhl Österreichs für Naturrecht), Institutionen und römische Rechts­geschichte. 1767 verfasst er (lat.) De lege na­turali positiones (Lehrsätze über Naturrecht). Seit 1771 wird er mit Vor­arbeiten an einem Privatrechtsgesetzbuch be­traut. 1782 gibt er die akademische Lehre auf und wird Staatsrat, 1792 zweiter Präsident der obersten Justizstelle. Sein 1793-1795 erarbeiteter Entwurf des Privatgesetzbuches in drei Teilen (Entwurf M.) tritt 1797 nach dem Gewinn Galiziens aus der dritten polnischen Teilung als → Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft.

Lit.: Köbler, DRG 142; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 77; Hebeis, M., Karl Anton von Martini, 1996; Karl Anton von Martini, hg. v. Barta, H. u. a., 2007

Martinus Gosia (Bologna um 1100-1158/1166) ist einer der vier Doktoren, die 1158 auf dem Reichstag von → Roncaglia auftreten. Er vertritt Gedanken der Billigkeit (lat. [F.] aequitas). Anscheinend stammen von ihm Glossenapparate zu Digesten, Codex und Institutionen und Schriften wie Materia insti­tutionum, Interesse quandoque, De computa­tione graduum, De iure dotium und De adquirenda et retinenda possessione.

Lit.: Köbler, DRG 105; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani,1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 170

Marx, Karl (Trier 5. 5. 1818-London 14. 3. 1883), Sohn eines zwischen 1819 und 1821 vom Judentum zum Protestantismus übergetretenen Rechtsanwalts, 1824 vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Studium von Recht und Philosophie in Bonn (1835) und Berlin (Savigny, Gans) Redakteur. Am 12. 6. 1843 geht er nach Paris, 1845 nach Brüssel und 1849 nach London. Im Auftrag des Londoner Bundes der Kommunisten veröffentlicht er mit Friedrich Engels 1848 das → Kommunistische Manifest. Dem folgen 1859 „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ und 1867 „ Das Kapital“, mit denen er den → Marxismus begründet.

Lit.: Köbler, DRG 178f., 189, 253; Vysinskij, A., Fragen des Rechts und des Staates bei Marx, 1938; Bloch, E., Karl Marx und die Menschlichkeit, 1969; Euchner, W., Karl Marx, 1983; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie des jungen Marx von 1842, 1970; Landau, P., Karl Marx und die Rechtsgeschichte, TRG 41 (1973), 361; Cerroni, U., Marx und das moderne Recht, 1974; Magnis, F. v., Normative Vor­aussetzungen im Denken des jungen Marx, 1975; Szabó, I., Karl Marx und das Recht, 1981; Herferth, W., Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, hg. v. Sandmühler, J., 1983; Marx-Engels-Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984; Schöncke, M., Karl und Heinrich Marx, 1993; Ternes, B., Karl Marx, 2008

Marxismus ist die von Karl → Marx (1818-1883) begründete Gesellschaftslehre. Der M. ist historischer Materialismus, dem es darum geht, die Sachverhalte daraufhin zu beur­teilen, wie, zu welchen und zu wessen Zwecken sie herbeigeführt werden, und in der Geschichte die Entwicklung von sozialen Verhältnissen zu erkennen. Grundlegend für eine geschichtliche Entwicklungsstufe ist die Art und Weise wie (u. a. mit welchen Produktionsmitteln) die Menschen ihren Lebensunterhalt bewirken. Die Produk­tionsverhältnisse sind die tatsächliche (reale) Basis für einen geistigen (ideologischen) Überbau. Arbeitsteilung und Eigentums­bildung entfremden den Menschen von sich selbst. Die besitzende Klasse hält am jeweiligen Zustand der Produktionsver­hältnisse und der zu ihrer Sicherung geschaffenen Rechtssätze fest, während die ausgebeutete Klasse nach seiner Veränderung strebt. Durch Revolution wird die jeweilige Basis und damit auch der Überbau verändert und eine jeweils höherwertige Stufe des sich nach exakten Gesetzen vollziehenden Ge­schichtsablaufs erreicht. Das Recht als Teil des Überbaus ist im Kapitalismus proleta­rierfeindlich, aber in der vom Sozialismus unter Führung der Kommunistischen Partei angestrebten klassenlosen Gesellschaft, in der es weder Not noch Unterdrückung gibt, eben­so überflüssig wie der Staat. Die Versuche des 20. Jh.s, die Vorstellungen des M. zu verwirklichen (1917 Sowjetunion, Deutsche Demokratische Republik 1949, Albanien, Kuba, Nordkorea u. a.), erweisen sich bis zum Ende des 20. Jh.s (1990) nicht als erfolgreich.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 178f., 189, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 937; Paschukanis, E., Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924, Neudruck 1966; Adler, M., Die Staatsauffassung des Marxismus, 1922, Neudruck 1973; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechtstheorie als Kritik des Rechts, 1974; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Nolte, E., Marxismus und industrielle Revolution, 1983; Fetscher, I., Karl Marx und der Marxismus, 1985; Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, hg. v. Haug, W., 1994ff.; Schröder, R., Marxismus und Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ploenus, M., so wichtig wie das tägliche Brot. Das Jenaer Institut, 2007

Märzverfassung ist in → Österreich die vom Kaiser nach dem Sieg über die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 dem Reichstag in Kremsier am 4. 3. 1849 aufoktroyierte Verfassung, die erstmals die nichtdeutschen Gebiete Ungarn und Lombardo-Venetien einschließt. Sie stellt in einem Schein­konstitutionalismus dem Kaiser den aus Oberhaus und Unterhaus bestehenden → Reichstag gegenüber. Hinzu kommt in einem eigenen Patent ein Grundrechtskatalog. Die gesamte Verfassung tritt allerdings trotz Verkündung nicht in Kraft und wird nach den sie bereits verletzenden Erlässen des Kaisers vom 20. 8. 1951 (Augusterlässe) unter dem Druck von Adel und Verwaltung am 31. 12. 1851 (→ Silvesterpatent) (mit dem Grundrechtspatent) als unange­mes­sen und unausführbar aufgehoben.

Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 10. A. 2005

Mascov, Johann Jacob (Danzig 26. 11. 1689-Leipzig 21. 5. 1761), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach dem Studium der freien Künste und des Rechts in Leipzig und Halle 1719 außerordentlicher Professor in Leipzig. Daneben übt er zahlreiche praktische Aufgaben aus. 1729 veröffentlicht er die häufig aufgelegten, in sieben Bücher gegliederten (lat.) Principia (N.Pl.) iuris publici imperii Romano-Germanici (Grund­sätze des öffentlichen Rechts des römisch-deutschen Reiches).

Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972, 284; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 307

Maß ist die Meßeinheit. Das M. findet sich bereits vielfach im Altertum. Ausgangspunkt ist das natürliche, vom menschlichen Körper abgeleitete M. (z. B. Fuß, Elle, Klafter, Schritt). In der Neuzeit wird dieses mehr und mehr vom künstlich-wissenschaftlichen, international ver­einbarten M. (z. B. Liter, Meter, Gramm) verdrängt, das M. durch rechtliche Bestimmungen klar festgelegt und gegen Missbrauch geschützt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 176; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Alberti, H. v., Maß und Gewicht, 1957; Pfeiffer, E., Die alten Längen- und Flächenmaße, 1986

Maßnahme der Sicherung und Besserung ist die auf die strafrechtlichen Reform­vorschläge Franz von → Liszts (1882 Marburger Programm) zurückgehende Maßnahme, statt zu strafen zu sichern und zu bessern. Sie wird (im Dritten Reich) durch das Gewohnheits­verbrechergesetz vom 24. 11. 1933 verwirklicht. Danach kann der Richter die Unterbringung eines Täters in einer Heil- und Pflegeanstalt, in einer Trinkerheilanstalt, in einem Arbeitshaus, in der Sicherungs­verwahrung oder die Ent­mannung, die Untersagung der Berufs­ausübung oder die Reichsverweisung anord­nen. Später wird die Besserung der Sicherung vorangestellt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jelowik, L., Zur Geschichte der Strafrechtsreform in der Weimarer Republik, 1983; Werle, G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Elling-Ruhwinkel, E., Sichern und Strafen, 20 05

Maßnahmegesetz ist das offen oder verdeckt nur für einen oder wenige Einzelfälle bestimmte Gesetz. Es wird im 20. Jh. problematisch.

Lit.: Huber, K., Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963

Materialismus ist die geistesgeschichtliche Strömung, die das gesamte Weltgeschehen vom Stofflichen (Materiellen), nicht vom Geistigen (Ideellen), her zu erklären versucht. Eine bedeutsame Form des M. ist der his­torische M. (→ Marxismus).

Lit.: Köbler, DRG 178; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1982, 977; Kautsky, K., Die materialistische Geschichtsauffassung, Bd. 1f. 1927; Kägi, P., Genesis des historischen Materialismus, 1965; Bloch, E., Das Materialismusproblem, 1985; Schermaier, M., Materia, 1993; Bund, E., Stoischer Materialismus und Dynamismus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Wittkau-Horgby, A., Materialismus, 1998

materiell (Adj.) gegenständlich, sachlich, inhaltlich, tatsächlich (im Gegensatz zu formell)

 Materielles Recht ist das den Gegenstand betreffende Recht (z. B. Privatrecht, Straf­recht) im Gegensatz zum formellen Recht (Verfahrensrecht).

Lit.: Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte, 1996

Mater semper certa est, pater quem nuptiae demonstrant (lat.). Die Mutter ist immer gewiss, Vater ist, wen die Ehe ausweist.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 2, 4, 5)

Mathildische Güter sind die Güter der Markgräfin Mathilde von Tuszien-Canossa (1046-24. 7. 1117, bezüglich der 139 echte Urkunden, 15 gefälschte Urkunden und 115 verlorene Urkunden nachweisbar sind) in Reggio, Modena, Mantua, Bologna, Parma, Ferrara, Brescia, Verona usw., die bedeutender sind als alle anderen Güter einer hochadligen Familie in Reichsitalien im Hochmittelalter. Wohl 1080 gibt die Markgräfin ihre Güter an den Papst (1102 bestätigt). Im Frühjahr 1111 sichert sie Heinrich V. die Erbfolge in ihre Güter zu. Zwischen König und Kirche in der Folge umstritten, gelangen die mathildischen Güter im 12./13. Jh. unter die Herrschaft vieler Stadtkommunen.

Lit.: Overmann, A., Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895; Grimaldi, N., La contessa Matilde, 1928; Studi matildici, 1964; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Groß, T., Lothar III. und die Mathildischen Güter, 1990; Golinelli, P., Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Die Urkunden und Briefe der Markgräfin Mathilde von Tuszien, hg. v. Goez, E. u. a., 1998

Matriarchat ist das vom Vorrecht der Frau bzw. der Mutter geprägte Recht im Gegensatz zum Patriarchat. Eine Zeit des Matriarchates ist geschichtlich nicht bezeugt. Sie wird aber von Johann Jakob → Bachofen (1815-87) angenommen (Über das Weiberrecht, 1856). → Mutterrecht

Lit.: Wesel, U., Der Mythos vom Matriarchat, 1980; Göttner-Abendroth, H., Das Matriarchat, Bd. 1f. 1988ff.

Matrikel ist das bereits dem römischen Altertum bekannte Verzeichnis von Umständen, das die Kirche fortführt (→ Kirchenbuch). Im Hochmittelalter wird an den Universitäten die Eintragung in eine M. Voraussetzung für die Teilhabe an den Vorrechten der Universitätsangehörigen (z. B. Exemtion vom Stadtgericht). Seit dem Hochmittelalter finden sich auch Listen über die von Fürsten und Städten für die Heereszüge des Königs zu erbringenden Leistungen, aus denen sich 1422 die → Reichsmatrikel entwickelt.

Lit.: Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikel­wesens, 1910; Falckenheiner, W., Univeritätsmatrikel, 1928; Weißenborn, E., Quellen und Hilfsmittel der Familiengeschichte, 3. A. 1930, 77; Börsting, H., Geschichte der Matrikel, 1959

Matrikularbeitrag ist in der frühen Neuzeit der in der Reichsmatrikel des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) festgelegte Beitrag des einzelnen Reichs­standes zum Finanzwesen des Reiches. Auch im zweiten Deutschen Reich bilden die Matrikularbeiträge der Länder eine wichtige Grundlage für die Reichsfinanzverfassung. Dabei ist das Reich Kostgänger der Länder.

Lit.: Köbler, DRG 150, 196

Matrimonial Causes Act (1965) ist die das Eherecht betreffende Zusammenfassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im englischen Recht.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Matrimonium (lat. [N.]) ist bei den Römern die als soziale Tatsache mit rechtlichen Wirkungen angesehene → Ehe (unter Römern).

Lit.: Kaser § 58; Köbler, LAW

matrimonium (lat. [N.] clandestinum (heimliche Eheschließung durch bloßen Kon­sens der Beteiligten, seit dem Decretum tam­etsi 1563 das matrimonium an das zwingende Former­fordernis der Anwesenheit eines Pfarrers und zweier Zeugen geknüpft)

Matthaeus (II.), Antonius (Herborn 1601-Utrecht 1654), Rechtsprofessorssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Marburg und Groningen Professor in Harderwijk (1629) und Utrecht (1634). In (lat.) De criminibus (1644, Von Verbrechen) behandelt er die Straftatbestände an Hand der Bücher 47, 48 der Digesten mit Hinweisen auf das zeitgenössische Recht. In einer systema­tischen Einleitung legt er allgemeine Sätze über übergreifende (allgemeine) Fragen (z. B. Schuld, Vorsatz usw.) dar.

Lit.: Schlüter, F., Antonius Mattheus II. aus Herborn, 1929; Zestig Juristen, 1987, 166

Maunz, Theodor (Dachau 1. 9. 1901-Gräfelfing 10. 9. 1993) wird nach dem Rechtsstudium in München 1937 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1952 in München (1943-1945 Wehrdienst, 1948 Mit­glied des Herrenchiemseer Verfas­sungskon­vents, 1957-1964 Kultusmi­nister in Bayern). Wechselnden politischen Bedingun­gen geschmeidig angepasst verfasst er nach 1949 ein erfolgreiches Lehrbuch des Staatsrechts und begründet einen wichtigen Kommentar zum Grundgesetz der Bun­desrepublik Deutschland.

Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 553; Stolleis, M., Theodor Maunz, Kritische Justiz 1993, 393

Maure (Mohr) ist in der Antike (lat. Maurus) der Bewohner Nordwestafrikas (Maureta­niens), im Mittelalter der von dort haupt­sächlich nach Spanien ausgreifende Afrikaner (Araber).

Lit.: Hottinger, A., Die Mauren, 2. A. 2005

Maurer, Georg Ludwig Ritter von (Erpolzheim 2. 11. 1790-München 9. 5. 1872) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg Richter in der Rheinpfalz, von 1826 bis 1832 Professor in München, von 1832 bis 1834 Mitglied des Regentschaftsrates Königs Otto von Griechenland (aus dem Hause Wittelsbach) und 1847 Verweser des bayerischen Justizministeriums und Außenmi­nisteriums. Er veröffentlicht umfangreiche Dar­stellungen zur mittelalterlichen Ver­fassungs­geschichte.

Lit.: Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Dickopf, K., Georg Ludwig von Maurer 1790-1872, 1960

Maurer, Konrad von (Frankenthal 29. 4. 1823-München 16. 9. 1902), Sohn des Rechtshistorikers Georg Ludwig von Maurer, wird nach dem Studium des Rechts und der Geschichte in München, Leipzig und Berlin (Homeyer, Richthofen) 1847 außerordent­licher Professor, 1855 ordent­licher Professor in München. Er veröffentlicht zahlreiche Abhandlungen zur nordischen Rechtsge­schichte.

Lit.: Mayer, E., Konrad Maurer, ZRG GA 24 (1903), V; Maurer, K. v., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1907ff., Neudruck 1965; Amira, K. v., Konrad von Maurer, SB. d. Akad. d. Wiss. München, 1903

Maut ist im südostdeutschen Sprachgebiet der → Zoll.

Mautern

Lit.: Demelius, H., Aus dem Stadtbuch von Mautern an der Donau (1432 bis 1550), 1972 (SB Wien)

Maximilian I. (Wiener Neustadt 22. 3. 1459-Wels 12. 1. 1519) ist der letzte mittelalterliche König („letzter Ritter“) des Heiligen römischen Reiches (1486 König, 1490 Graf von Tirol. 1493 Landesherr in allen österreichischen Erbländern, 1508 erwählter römischer Kai­ser). Er fasst, ohne Fürsorge für die Interessen des Reiches, seine habsbur­gischen Erb­länder zusammen, vermehrt sie durch Heirat um → Burgund (1477) und bereitet (1515) den Erwerb → Ungarn-Böhmens (1526) und → Spaniens vor. Auf wohl burgundischem Vorbild beruht seine Verwaltungsreform in Tirol und Österreich. Im Reich entstehen unter seiner Herrschaft (1495) → Reichskammer­gericht, → Reichs­kreise, → gemeiner Pfennig und ewiger Land­friede.

Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 150f., 157; Schmidt, E., Die Maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Kaiser Maximilians I. Weißkunig, hg. v. Musper, H. u. a., 1956; Buchner, R., Maximilian I., 2. A. 1970; Ausstellung Maximilian I., hg. v. Kulturreferat des Landes Tirol, 1969; Wiesflecker, H., Kaiser Maximilian I., Bd. 1ff. 1971ff.; Wiesflecker, H., Maximilian I., 1991; Hollegger, M., Maximilian I., 2005

Maximilianische Verwaltungsreform ist die von König Maximilian I. wohl nach burgun­dischem Vorbild durchgeführte Verwaltungs­reform. In ihrem Verlauf bestellt Maximilian in → Tirol 1490 ein Kollegium von 12 Statthaltern für Justiz und Verwaltung für die Zeit seiner Abwesenheit. 1491 schafft er für die Verwaltung der Einkünfte eine besondere → Raitkammer (in Innsbruck). Beides findet wenig später auch in Niederösterreich Eingang.

Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Mayer, T., Die Verwaltungsorganisationen Maximi­lians I., 1920, Neudruck 1973; Hollegger, M., Maximi­lian I. und die Entwicklung der Zentralverwaltung, 1983

Mayer, Otto (Fürth 29. 3. 1846-Hilpertsau 8. 8. 1924), Abgeordnetensohn, wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Berlin (1866/1867) 1872 Rechtsanwalt in Mülhausen, 1882 außeror­dentlicher Professor und 1887 ordentlicher Professor für französisches Zivilrecht, internationales Privatrecht, allge­meine Staatslehre und Verwaltungsrecht in Straßburg und 1903 Professor in Leipzig. In seinem unter Übertragung der juristischen Methode (→ Gerber, → Laband) aus dem Staatsrecht gewonnenen Lehrbuch Deutsches Verwaltungsrecht (1895/1896) bildet er ein nach rechtlichen Gesichtspunkten systema­tisch gegliedertes → Verwaltungsrecht (vor allem der Eingriffsverwaltung) aus (Vorrang des Gesetzes, Vorbehalt des Gesetzes). Im Mittelpunkt des durch Rechtsvergleichung geschaffenen allgemeinen Teiles des Verwaltungsrechts steht der (dem fran­zösischen Verwaltungsrecht nachgeformte) → Verwaltungsakt.

Lit.: Köbler, DRG 199; Die Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Planitz, H., 1924, 153, 175; Dennewitz, B., Die Systeme des Verwaltungsrechts, 1948, 122; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Schmid-De Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1999; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004

Mazedonien → Makedonien

Mecheln, Mechelen erscheint im 9. Jh. (Malinas 870) und gelangt über das Hochstift Lüttich, Flandern (1357), Burgund (1369) an Habsburg (1477) und von dort über die Niederlande an Belgien (1830). 1490 wird die erste moderne Postverbindung von Innsbruck nach M. eingerichtet.

Lit.: Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht, 1947; De Geschiedenis van Mechelen, hg. v. Uytven, R. van, 1991

Mecklenburg ist ein nach der 995 erstmals erwähnten Burg Michelenburg bei Wismar benanntes, dünn besiedeltes, 1701 in Meck­lenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz geteiltes, zum 1. 1. 1934 wieder zusammenge­fasstes Land, das 1945 mit Vorpommern verbunden wird und herkömmliche Zustände verhältnismäßig lang bewahrt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 176; Neue Sammlung mecklenburgischer Landesgesetze, Bd. 1ff. 1769; Mecklenburger Ur­kundenbuch, Bd. 1ff. 1863ff.; Böhlau, H., Mecklenburgisches Landrecht, Bd. 1ff. 1871ff.; Buch­ka, G. v., Landesprivatrecht der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, 1905; Ihde, R., Amt Schwerin, 1912; Krause, H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Hoffmann, K., Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins, 1930; Mecklenburgische Bauernlisten des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. d. Urkundenbuch­kom­mission, Heft 1f. 1937f.; Hamann, M., Das staatliche Werden Mecklenburgs, 1962; Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts, ZRG GA 61 (1941), 208; Ballschmieter, H., Andreas Gottlieb von Bernstorff und der mecklenburgische Ständekampf 1680-1720, 1962; Die mecklenburgischen Kaiserbederegister, hg. v. Engel, F., 1968; Hamann, M., Mecklenburgische Geschichte, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2908; Wieden, H. bei der, Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, B XII (Mecklenburg), 1976; Petersohn, J., Der südliche Ostseeraum, 1979; Stammer, M., Die Anfänge des mecklenburgischen Liberalismus, 1980; Moldenhauer, R., Grenzen und Grenzbeschreibungen in Mecklenburg, ZRG GA 98 (1981), 236; Moldenhauer, R., Terra deserta, ZRG GA 104 (1987), 190; 1000 Jahre Mecklenburg, 1995; Brunner, D., Der Schein der Souveränität, 2006; Die früh- und hochmittelalterliche Siedlungsentwicklung im nördlichen Mecklenburg im Lichte der Ortsnamen, hg. v. Foster, E. u. a., 2007 Kurzer Abriss der mecklenburgischen und vorpommerschen Verfassungs­geschichte, verantw. v. Kuhn, H., 2007

Mecklenburg-Vorpommern ist seit 3. 10. 1990 ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland, das in der ehemaligen Deut­schen Demokratischen Republik aus Meck­len­burg und dem westlich der Oder gelegenen Teil Pommerns gebildet wurde.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kurzer Abriss der mecklenburgischen und vorpommerschen Verfassungs­geschichte, verantw. v. Kuhn, H., 2007

mediani (lat. [M.Pl.]) mittlere ([als Stand] im alemannischen Volksrecht des Frühmittel­alters)

Mediatisierung ist die Mittelbarmachung reichsunmittelbarer Reichsglieder (z. B. Reichsstädte, Reichsritter) insbesondere durch den → Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803 und Art. 24 der Rheinbundakte vom 12. 7. 1806 (nahezu 70 bisher souveräne Landesherrschaften). Die dabei mittelbar gemachten (d. h. der Herrschaft eines anderen Landesherrn wie etwa Badens, Bayerns oder Württembergs eingegliederten) ehemaligen Reichsunmittelbaren behalten noch während des 19. Jh.s gewisse Vorrechte (z. B. → Patrimonial­gerichtsbarkeit, → Familienfideikommiss).

Lit.: Köbler, DRG 132, 149; Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Facius, C., Zwischen Souveränität und Mediatisierung, FS H. Tümmler, 1977, 163; Schier, R., Die Standesherren, 1978; Achtzehnhundertunddrei, hg. v. Schmid, P. u. a., 2003; Gläser, S., Die Mediatisierung der Grafschaft Wertheim, 2006

Mediävistik (F.) Mittelalterkunde

Lit.: Ius Romanum medii aevi, 1961ff.; Dilcher, H., Zur Einführung - Romanistische Mediävistik, JuS 6 (1966), 387; Lexikon des Mittelalters, Bd. 1ff. 1980ff.; Sachwörterbuch der Mediävistik, hg. v. Dinzelbacher, P., 1992; Goetz, H., Moderne Mediävistik, 1999; Mediävistik im 21. Jahrhundert, hg. v. Goetz, H., 2003; Weichselbaumer, R., Mittelalter virtuell – Medävistik im Internet, 2005; Die deutschsprachige Mediävistik im 20. Jahrhundert, hg. v. Moraw, P. u. a., 2005; Mittelalter im Labor, hg. v. Borgolte, M. u. a., 2008

Medici ist die seit dem frühen 13. Jh. bezeugte, innerhalb dreier Generationen aufgestiegene, im 16. Jh. zu Herzögen von Florenz (1531) und Großherzögen von Toskana (1569) erhobene Geldwechslerfa­milie in Florenz, die 1737 erlischt.

Lit.: Rubinstein, N., The Government of Florence under the Medici, 1966; Clarke, P., The Soderini and the Medici, 1991; Brown, A., The Medici in Florence, 1992; Lorenzo de Medici, hg. v. Toscani, B., 1993; Reinhardt, V., Die Medici, 1998; Walter, I., Der prächtige Lorenzo de Medici, 2003; I Medici in rete, hg. v. Cotta, I. u. a., 2003; Martines, L., Die Ver­schwörung, 2004; Reinhardt, V., Geld und Freunde, 2009

Medingen

Lit.: Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v. Homeyer, J., 2006

Medium (N.) Mittel, insbesondere das Wissensverbreitungsmittel wie Buch, Zeitung, Rundfunk, Fernsehen

Lit.: Faulstich, W., Die Geschichte der Medien, Bd. 1 1997; Geschichte der Medien, hg. v. Fassler u. a., 1998; Von Almanach bis Zeitung, hg. v. Fischer, E. u. a., 1999; Wilke, J., Grundzüge der Mediengeschichte, 2000; The Mediation of Symbols in Late Medieval and Early Modern Times, hg. v. Suntrup, R., 2005; Wenzel, H., Mediengeschichte vor und nach Gutenberg, 2007; Zimmermann, C., Medien im Nationalsozialismus, 2007; Würgler, A., Medien in der frühen Neuzeit, 2009

Medizin (Heilkunst) → gerichtliche Medizin

Lit.: Schmidt, A., Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen, FS Benno Schmidt, 1896; Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, 1983; Die Geschichte des medizinischen Denkens, hg. v. Grmek, M., 1996; Porter, R., Die Kunst des Heilens, 2000; Pfeifer, K., Medizin der Goethezeit, 2000; Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Künzl, E., Medizin in der Antike, 2002; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003; Steger, F., Asklepiosmedizin, 2004; Bergdolt, K., Das Gewissen der Medizin, 2004; Nutton, V., Ancient Medicine, 2004; Antike Medizin, hg. v. Leven, K., 2005; Rzihacek-Bedö, A., Medizinische Wissenschaftspflege im Benediktinerlkoster Admont bis 1500, 2005; Medicina e società nel mondo antico, hg. v. Marcone, A., 2006; Eckart, W. u. a., Medizingeschichte, 2007

medum (Ackerland, Ackerabgabe [in der Erzdiözese Trier zwischen 900 und 1300])

Lit.: Kienast, R., medum-land, (in) Antiquitates Germanicae, 1974, 57

Meer ist allgemein der von Salzwasser bedeckte, größere Teil der Erdoberfläche. Das M. ist grundsätzlich frei (lat. mare [N.] liberum). Im römischen Recht steht auch die Meeresküste als (lat.) res (F.) communis (allgemeine Sache) dem Gebrauch aller Menschen offen. Im Mittelalter bewirkt die Zusammenfassung einzelner Herrschafts­rech­te (Regalien) in der Hand der Landesherren die Beanspruchung der Meeresküste als Recht des Landesherrn. In der Neuzeit wird von hier aus weiter auf das Meer ausgegriffen (3 Seemeilen, 12 Seemeilen, 200 Seemeilen). Im Übrigen gilt für das M. das → Völkerrecht.

Lit.: [Grotius, H.,] Mare liberum, 1609; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere in der Staatenpraxis von 1493-1648, 1969; Ziegler, K., Völker­rechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Meersburg

Lit.: Widemann, B., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Meersburg, 1958

Megelle (Buch der Weisheit) ist das von 1869 bis 1876 in 16 Bänden herausgegebene und 1877 in Kraft gesetzte Zivilgesetzbuch des osmanischen Reichs auf der Grundlage des islamischen Rechts (Saria). Die M. gilt in der Türkei bis 1926, in Albanien bis 1928, im Libanon bis 1932, in Syrien bis 1949, im Irak bis 1953 und auf Zypern bis in die 60er Jahre des 20. Jh.s. Ihr wichtigster Redaktor ist der Richter und Justizminister Ahmad Gawdat Pasa (1822-1895).

Lit.: Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, (in) Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170

Megenberg, Konrad von (1309-Regensburg 14.? 4. 1374), Ministerialensohn (Mäben­berg?/Mittelfranken), wird nach der Schule in Erfurt und dem Studium der freien Künste in Paris Domherr in Regensburg. 1354 veröffentlicht er die Karl IV. gewidmete Schrift (lat.) De translatione imperii Romani (Von der Übertragung des römischen Reichs), in der er die Auffassung vertritt, dass der Papst die Wahl des deutschen Königs billigen müsse.

Lit.: Ibach, H., Leben und Schriften des Konrad von Megenberg, 1938; Konrad von Megenberg und sein Werk, hg. v. Märtl, C., 2006

Mehrer des Reiches (Lüs. von lat. [M.] Augustus) ist seit dem 14. Jh. ein Titel des Kaisers des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation).

Lit.: Bucklisch, M., „Augustus“, Diss. phil. Münster 1957; Wolfram, H., Intitulatio II, 1973, 174

Mehrheit (Majorität) ist der größere von zwei (oder mehr) Teilen einer Personengesamtheit. Der Grundsatz, dass eine M. von Stimmen einer von mehreren unterschiedlichen Meinungen zum Sieg verhilft, ist bereits in den Versammlungen in den Stadtstaaten Griechenlands und in Rom anerkannt. Die christliche Kirche übernimmt die auch in den → Digesten Justinians vertretene Vorstellung (D. 50. 1. 19, 50. 17. 160. 1) zunächst nicht, sondern strebt die Einstimmigkeit an. Seit dem 4. Jh. zieht sie die M. in der Form der größeren Qualität vor (lat. sanior pars [F.]). Im 12. Jh. anerkennt sie den Grundsatz der M. Im deutschen, zunächst der Einstimmigkeit zuneigenden Recht ist der Grundsatz der M. bei der Königswahl seit der Mitte des 13. Jh.s bedeutsam und setzt sich 1338 durch. Im Reichstag gilt dies nur von Fall zu Fall.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 109; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1021; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, Neudruck 1954; Starosolskyj, W., Das Majoritätsprinzip, 1916; Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips, ZRG KA 73 (1956), 73, 560; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, 1973; Schlaich, K., Maioritas, ZRG KA 94 (1977), 264; Battenberg, J., Das römisch-deutsche Königtum und die Legitimation mehrheitlicher Entscheidungen im Spätmittelalter, ZRG GA 103 (1986), 1; Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1986

Mehrheitswahlrecht ist das Wahlrecht, bei dem die Mehrheit der Stimmen (eines Wahlkreises) entscheidet und die für andere Bewerber abgegebenen Stimmen personell nicht berücksichtigt werden (z. B. England plurality voting system).

Lit.: Köbler, DRG 257; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip, 1973

Mehrverkehr (M.) Geschlechtsverkehr einer Frau mit mindestens zwei Männern (Beweis des Mehrverkehrs dinet der Widerlegung der Vaterschaftsvermutung)

Meier (zu lat. maior [M.] der Größere) ist in der frühmittelalterlichen → Grundherrschaft der Verwalter des Grundherrn (lat. villicus [M.]). Seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.) strebt er nach Selbständigkeit. Daraufhin ver­gibt der Grundherr (vor allem in Nordwestdeutschland) die Grundherr­schaft(sverwaltung) nur noch auf Zeit gegen festen Zins (Meierrecht).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2: Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 2 A. 1964; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995

Meiergericht ist das Gericht einer Grundherrschaft unter dem Vorsitz des → Meiers. Das M. begegnet seit dem Hochmittelalter. In der Neuzeit wird es vom Landesherrn zurückgedrängt und endet im 19. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Höngger Meiergerichtsurteile, hg. v. Stutz, U., 1912; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 343; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970

Meierhof → Meier, Hof

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Meierordnung ist das partikulare Gesetz des 18. Jh.s über das → Meierrecht (z. B. Paderborn 1765, Calenberg 1772, Entwurf Lüneburg 1799ff., Osnabrückische Eigentumsordnung 1722).

Meierrecht ist ein gewohnheitsrechtlich entstandenes bäuerliches Besitzrecht in Nordwestdeutschland (Niedersachen, Westfa­len). Es ist ein (tatsächlich erbliches,) dingliches Recht zur Bewirtschaftung eines fremden Gutes gegen Abgaben (Meierzins) und zwar eine Form der Pacht. → Abmeiern

Lit.: Gesenius, C., Das Meyerrecht, Bd. 1f. 1801ff.; Pfeiffer, W., Das deutsche Meierrecht, 1848; Niemeyer, F., Das Meierrecht in der Grafschaft Hoya, 1862; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969

Meiji-Verfassung (1889) → Japan

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Meineid ist das vorsätzliche falsche Schwören des Täters vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle. Im römischen Recht wird, von bestimmten Sonderfällen (z. B. lat. → falsum [N.], stellionatus [M.] oder → crimen [N.] laesae maiestatis) abgesehen, der M. nicht rechtlich verfolgt. Ob die Germanen eine Strafe für M. kennen, ist zweifelhaft. Im Frühmittelalter folgt dem falschen Schwören überwiegend eine → Buße oder das → Wergeld. Die (lat.) Lex (F.) Saxonum sieht für den M. in der Kirche den Tod vor. In Kapitularien wird Handverlust angedroht. Dem folgt der Sachsenspiegel (1221-1224). Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) schreibt für den M. vor Gericht den Verlust der beiden Schwurfinger vor. In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s werden christliche Aspekte zurückgedrängt und danach durch den Schutz der Allgemeinheit ersetzt. Das 19. Jh. schränkt den M. auf den gerichtlichen Falsch­eid ein.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hirzel, R., Der Eid, 1902, Neudruck 1966; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 9; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990; Ries, G., Zur Strafbarkeit des Meineids, FS D. Medicus, 1999, 457

Meinhardiner ist der Angehörige der nach ihrem Leitnamen Meinhard bezeichneten Familie der Grafen von Görz (1077-1500), die zeitweilig auch in Tirol (bis 1363), Kärnten (1286-1335), Krain und Böhmen (1307-1310), herrscht und bei ihrem Aussterben (1363/1374/1500) ihre Güter an die Familie der Habsburger vererbt.

Meinung (Ansicht) → herrschende Meinung

Meinungsfreiheit ist die Freiheit jedes Menschen, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Sie wird von der Aufklärung des 18. Jh.s (→ Kant) gefordert und im 19. Jh. als → Grundrecht durchge­setzt.

Lit.: Wilke, J., Die Entdeckung von Meinungs- und Pressefreiheit als Menschenrechte im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts (in) Naturrecht – Spätauf­klärung – Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995, 121; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Meinungsfreiheit, hg. v. Schwartländer, J. u. a., 1986

Meißen

Lit.: ; Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen 1196-1234, 1898ff.Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956; Pannach, H., Das Amt Meißen, 1960; Ludwig, T., Die Urkunden der Bischöfe von Meißen, 2005

Meißener Rechtsbuch ist das zwischen 1357 und 1387 von einem unbekannten Verfasser (in Zwickau?) für Städte sächsischen und Magdeburger Rechts in der Markgrafschaft Meißen (mit Osterland, Pleißnerland und Vogtland), Sachsen, Thüringen, Westfalen, Brandenburg, Polen und Böhmen geschaf­fene, in 76 vollständigen und 21 teilweise erhaltenen Handschriften überlieferte Rechts­buch (eyn buch dez rechten in wichbilde in sechsisszer art), das in der Literatur auch als Rechtsbuch nach Distinktionen, schlesisches Landrecht oder vermehrter Sachsenspiegel benannt wird. Es gliedert sich in 5 bis 8 Bücher, Kapitel und Distinktionen. Erfasst sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Straf­recht, Stadtverfassung, Stadtrecht und Reichsrecht. Quellen sind → Sachsenspiegel Landrecht, Magdeburger Weichbildrecht, Gos­larer Stadtrecht und Zwickauer Rechts­buch.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Ortloff, F., Das Rechtsbuch nach Distinktionen, 1836; Voltelini, H. v., Ein Bruchstück des Rechtsbuches nach Distinktionen im Landesarchiv in Klagenfurt, ZRG GA 44 (1924), 316; Weizsäcker, W., Zur Geschichte des Meißner Rechtsbuchs in Böhmen und Mähren, ZRG GA 58 (1938), 584; Ullrich, G., Zu den Quellen des Meißener Rechtsbuches, Deutschrechtl. Archiv 1 (1940), 87; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 55

Meister (zu lat. [M.] magister) ist allgemein der Könner und Lehrer, im besonderen der die Meisterprüfung in einem → Handwerk bestehende Geselle.

Lit.: Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985

Mejora (F.) ist der im Frühmittelalter ausgebildete, zugunsten der ehelichen Abkömmlinge frei verfügbare Vermögensteil des spanischen Rechts.

Lit.: Elfgen, A., Die Mejora, 1962

Melanchthon (Schwarzerd), Philipp (Bretten 16. 2. 1497-Wittenberg 19. 4. 1560) wird 1518 Professor für Griechisch in Wittenberg und entwickelt sich zu einem führenden lutherischen Humanisten. Er steht zwischen naturrechtlichen Vorstellungen des Mittel­alters und dem Vernunftrecht der frühen Neuzeit und betont die relativ gute Ver­wirklichung natürlicher Rechtssätze im römischen Recht. Bei M. ist die → lotharische Legende belegt.

Lit.: Mayer, H., Die Strafrechtstheorie bei Luther und Melanchthon, FG J. Binder, 1930, 77; Bauer, C., Melanchthons Naturrechtslehre, 1951; Kisch, G., Melanchthons Rechts- und Soziallehre, 1967; Deflers, I., Lex und ordo, 2005

Melderecht ist die Gesamtheit der die Meldung bzw. Anmeldung und Abmeldung eines Menschen an einem Ort bei der staatlichen Verwaltung betreffenden Rechtssätze (z. B. Preußen 1842).

Melfi in Süditalien ist ein bevorzugter Ort der Staufer, in dem 1231 Kaiser Friedrich II. die → Konstitutionen von M. verkündet.

Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie, 1975

melior (lat. [M.]) der Bessere

Meliorat (N.) aus den (lat.) meliores (M.Pl., Besseren) gebildete Bevölkerungsgruppe

Lit.: Planitz, H., Zur Geschichte des städtischen Meliorats, ZRG GA 67 (1950), 141

Melo Freire dos Reis, Pasco al José de (1738-1798) wird nach dem Rechtsstudium in Coimbra (1757) Lehrer des Rechts (seit 1772 des vaterländischen Rechts [portug.] direito pátrio). Er verfasst das erste System des portugiesischen Rechts (lat. Historia [F.] iuris civilis lusitani, Geschichte des portugie­sischen bürgerlichen Rechts, 1788, Institutiones [F.Pl.] iuris civilis lusitani tam publici quam privati, Einrichtungen des portugiesischen öffentlichen und privaten Rechts, 1789, Institutiones iuris criminalis lusitani, Einrichtungen des portugie­sischen Strafrechts, 1789). 1805 werden seine wichtigsten Schriften Pflichtgegenstand der selbständigen portugiesischen Rechtsausbil­dung.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,713, 3,2,2466

Memmingen

Lit.: Blickle, P., Memmingen, 1967

Memoria (lat. [F.]) Erinnerung, Gedächtnis

Lit.: Iwanami, A., Memoria et oblivio, 2004; Memoria, hg. v. Borgolte, M. u. a., 2005

Menger (von Wolfensgrün), Anton (Maniow 12. 9. 1841-Rom 6. 2. 1906) wird nach dem Rechtsstudium in Krakau (1858) und in Wien (1860) Advokat und 1875 außerordentlicher Professor, 1877 ordentlicher Professor für Zivilprozessrecht in Wien. Bekannt wird er durch seine Kritik am ersten Entwurf des deutschen → Bürgerlichen Gesetzbuches (Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1889/90). Eine gewisse tat­sächliche Wirkung des bedeutenden Kathe­dersozialisten (Juristensozialisten) erfolgt über Franz → Klein (24. 4. 1854-6. 4. 1926) auf das österreichische Zivilprozessrecht.

Lit.: Köbler, DRG 183; Kästner, K., Anton Menger, 1974; Müller, E., Anton Mengers Rechts- und Gesellschaftssystem, 1975; Hörner, H., Anton Menger, 1977; Männer um die österreichische Zivil­prozess­ordnung 1895, 1990, 11

Menhir (M.) Dolmen, vorgeschichtliche Steinsäule

Menocchio, Jacopo (1532-1607), Steuerpäch­terssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Pavia (Alciat) Professor in Pavia (1556), Mondovi (1561), Padua (1566) und Pavia (1589). Er verfasst zahlreiche privatrechtliche Traktate.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1 1977, 326

Mensch ist das durch Verstand ausgezeichnete Lebewesen. Der moderne M. entsteht wohl in Ostafrika möglicherweise vor 100000 Jahren und wandert vielleicht vor 40000 Jahren nach Südafrika und Asien sowie Europa, wo er anscheinend vor 12000 Jahren im fruchtbaren Halbmond (Zweistromland, Anatolien) erste Hochkulturen entwickelt. Durch zahlreiche Entdeckungen und Erfin­dungen schwingt er sich zum Herrscher über die Erde auf und setzt für das zwischen­menschliche Verhalten das Recht durch.

Menschenraub ist die Straftat, bei der sich der Täter eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt. Bereits die römische (lat.) lex (F.) Fabia de plagiariis (fabisches Gesetz über Straßenräuber, nach 88 v. Chr.) stellt den M. (lat. [N.] plagium) unter Strafe (Geldstrafe, später Todesstrafe). Die frühmittelalterlichen → Volksrechte sehen (mehrfaches) Wergeld für M. an einem Freien vor. Der → Sachsenspiegel (1221-1224) setzt den M. dem Totschlag gleich. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (1871) droht (für bestimmte Fälle) Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 780; Nehlsen, M., Sklavenrecht, 1972, 263; Menschenraub, Menschenhandel und Sklaverei in antiker und moderner Perspektive, hg. v. Heinen, H., 2008

Menschenrecht ist das dem Menschen als solches (gegenüber dem Staat) zustehende angeborene, unveräußerliche, unantastbare Recht. Als Vorläufer allgemeiner, dem Zugriff des Staates entzogener → Grund­rechte sehen nach dem Altertum (Stoiker, Cicero) schon im Mittelalter einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum. 1776 werden fundamentale Rechte in die amerikanische, von George Mason (1725-1792) entworfene → Virginia Bill of Rights aufgenommen. Davon beeinflusst werden in Frankreich (26. 8. 1789) allgemeine Menschenrechte (Freiheit, Gleich­heit, Weltbürgertum) proklamiert. Von den Vereinten Nationen wird (10. 12. 1948) eine (noch) nicht verbindliche (Deklaration) allgemeine Erklärung der Menschenrechte, von den Mitgliedstaaten des Europarates am 4. 11. 1950 eine nach Ratifizierung durch 10 Staaten am 3. 9. 1953 in Kraft getretene Europäische Konvention der Menschenrechte beschlossen. Menschenrechte als verfassungs­rechtlich gewährleistete Rechte jedes Men­schen setzen den Bestand einer Verfassung in formellem Sinn voraus.

Lit.: Köbler, DRG 191, 246, 255; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Hartung, F./Commichau, G./Murphy, R., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 6. A. 1998; Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 2. A. 1974; Die Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 3. A. 1982; Thomann, M., Rechtsphilosophie und rechts­geschichtliche Etappen der Idee der Menschenrechte, FS H. Thieme, 1983; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte, 2. A. 1978; Begründung der Men­schenrechte, hg. v. Müller-Schmid, P., 1986; Frowein, J., Der europäische Menschenrechtsschutz, JuS 1986, 845; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U. u. a., 1988; Hofmann, H., Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS 1988, 841; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten, Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; International Human Rights, hg. v. Ermacora, F. u. a., 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Brieskorn, N., Menschenrechte, 1996; Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Die Menschenrechte in Deutschland, hg. v. Hutter, F. u. a., 1997; Die Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 4. A. 1997; Berka, W., Die Grundrechte, 1999; Müller, S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Human rights and legal history, hg. v. O’Donovan, K. u. a. 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002; Brade, L., Die Aberkennung der Menschenrechte In Deutschland zwischen 1933–1945, 2001; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318; Ludescher, M., Menschenrechte und indigene Völker, 2004; Girardet, K./Nortmann, U., Menschenrechte und europäische I­dentität, 2005; Meyer-Ladewig, J., Europäische Men­schenrechtskonvention, 2. A. 2006; Bloch, T., Die Stellungnahmen der römisch-katholischen Amtskirche zur Frage der Menschenrechte seit 1215, 2008

Menschenrechtler ist, wer sich für die Menschenrechte anderer uneigennützig einsetzt, Menschenrechtstümler, wer die Menschenrechte nur als Mittel oder Vorwand für die Verfolgung eigennütziger Ziele (z. B. Bekämpfung der geschiedenen Ehefrau auf dem Weg über das Kind) verwendet. Beides ist seit Anerkennung der Menschenrechte möglich.

Menschenwürde ist der innere und zugleich soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen um seinetwillen zukommt. Die M. schließt unmenschliche Behandlung eines Menschen aus. Sie wird vielleicht im Humanismus der italienischen Renaissance entdeckt und erfunden und seit dem 18. Jh. als Wert gefordert. → Menschenrecht

Lit.: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988; Geddert-Steinacker, T., Menschenwürde, 1990; Dietz, G., Menschenwürde bei Homer, 2000; Des Menschen Würde - entdeckt und erfunden im Humanismus der italienischen Renaissance, hg. v. Gröschner, R. u. a., 2008

Mentalität (F.) Geisteshaltung

Lit.: Mentalitäten im Mittelalter, hg. v. Graus, F., 1988; Europäische Mentalitätsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., 1993; Lepenies, W., Von der Geschichte zur Politik der Mentalität, HZ 261 (1995), 672; Wetz, F., Die Würde des Menschen, 1998

Mentalreservation (lat. reservatio [F.] mentalis) ist der geheime Vorbehalt. Die M. ist dem Altertum unbekannt. Sie wird im kirchlichen Eherecht des Mittelalters entwickelt (X 4, 1, 26) und geht von dort in das weltliche Recht über.

Lit.: Kaser § 8, III; Holzhauer, H., Dogmatik und Rechtsgeschichte der Mentalreservation, FS R. Gmür, 1983, 119

mercatum (lat. [ N.]) Markt

Lit.: Köbler, DRG 77; Köbler, LAW

merces (lat. [F.]) Entgelt

Lit.: Kaser § 42 II 1; Köbler, DRG 46

mercennarius (lat. [M.]) Lohnarbeiter

Lit.: Köbler, DRG 57

Merkantilismus ist das wirtschaftspolitische System des 17.-18. Jh.s, in dem der Staat zur Füllung der Staatskasse erstmals aktive Wirtschaftspolitik treibt und dadurch die gewerbliche Tätigkeit fördert (England 1621ff.). Um seinen Reichtum und seine Macht zu stärken, strebt der Staat einen Handelsbilanzüberschuss an. Zu diesem Zweck werden ausländische Fertigwaren mit hohen Einfuhrzöllen abgewehrt und die eigene Ausfuhr von Waren, für deren Herstellung der Staat teilweise Geld, Gebäude oder Baumaterial zur Verfügung stellt, möglichst durch Subventionen unterstützt. Führend ist Frankreich unter dem Finanz­minister (1661-1672) Colbert (1619-1683). Der M. wird am Ende des 18. Jh.s vom → Liberalismus abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133, 134; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Bog, I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Treue, W., Wirtschaft, Gesellschaft und Technik in Deutschland, 2. A. 1976; Städtewesen und Merkantilismus, hg. v. Press, V., 1982; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994; Gömmel, R., Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus, 1998; Wallerstein, I., Das moderne Weltsystem II, 1998; Merkantilismus und Globalisierung, hg. v. Reinermann, H. u. a., 2000

Merkel, Paul Johannes (Nürnberg 01. 8. 1819-Halle 1861), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München und Erlangen 1851 außerordentlicher Professor in Königsberg und 1852 ordentlicher Professor in Halle. Er gibt einige Volksrechte heraus.

Lit.: Anschütz, A., Zur Erinnerung an Johannes Merkel, ZRG 3 (1864), 193

Merowinger ist der Angehörige eines von einem sagenhaften Vorfahren Mera bzw. von einem Stammvater Merowech hergeleiteten, fränkischen Königsgeschlechts. Merowechs Enkel Chlodwig eint seit 482 die → Franken. Die Nachfahren teilen vielfach auf. 751 wird der merowingische König Childerich III.  vom arnulfingischen → Hausmeier Pippin mit Einverständnis des Papstes entmachtet (→ Karolinger).

Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 76; Diplomata regum Francorum e stirpe Merowingica, hg. v. Pertz, K., 1872, Neudruck 1981; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Kaufmann, E., Über das Scheren abgesetzter Merowingerkönige, ZRG GA 72 (1955), 177; Bergengrün, A., Adel und Grundherr­schaft im Merowingerreich, 1958; Beyerle, F., Das legislative Werk Chilperichs I., ZRG GA 78 (1961), 1; Krüger, H., Das Merowingerreich als Herrschaftsord­nung, Diss. jur. Köln 1964; Eckhardt, K., Merowingerblut, 1965; Fournier, G., Les Merovin­giens, 1966; Schneider, R., Königswahl und Königser­he­bung, 1972; Eckhardt, K., Studia Merovigica, 1975; Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, hg. v. Wolfram, H. u. a., 1982; Köbler, G., Wörterver­zeichnis zu den Diplomata regum Francorum e stirpe Merowingica, 1983; Hartung, W., Süddeutschland in der Merowingerzeit, 1983; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 4. A. 2001, 5. A. 2006; Kai­ser, R., Das römische Erbe und das Merowin­gerreich, 1993, 2. A. 1997, 3. A. 2004; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Wood, I., Merovingian Kingdoms, 1994; Karl Martell, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Kö­nig­tum, 1997; Brühl, C., Merowingische Königsur­kunden, 1998; Kölzer, T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Scheibelreiter, G., Die barbarische Gesell­schaft, 1999; Fouracre, P., The Age of Charles Martel, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001; Geary, P., Die Merowinger, 2003; Hartmann, M., Aufbruch ins Mittelalter, 2003; Becher, M., Merowinger und Karolinger, 2008

Mesopotamien (Zwischenflussland, Zwei­stromland) ist das zum fruchtbaren Halbmond gezählte Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, in dem im 3. Jt. v. Chr. die Keilschrift erfunden wird. Seine wichtigsten Herrschaften bestehen um Sumer (Sumerer), Akkad (Akkader), Ur, Elam (Elamiter), Assur (Assyrer), Urartu und Babylon (Babylonier). Über die Perser und Alexander den Großen gelangt das Gebiet an die Römer, verödet danach aber und wird erst im 20. Jahrhundert wegen seines Ölreichtums wieder bedeutsam.

Lit.: Hrouda, B., Die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigirs, 1997; Edzard, D., Geschichte Mesopotamiens, 2004; Korn, W., Mesopotamien, 2004

Messe ist der katholische Gottesdienst und davon ausgehend seit dem Mittelalter (Paris, St. Denis 10. Jh.), vor allem seit dem 11./12. Jh., der daran anschließende Markt. Im Spät­mittelalter entwickelt sich hieraus ein System von Messen (z. B. Champagne, Brügge, Genf, Frankfurt am Main, Leipzig).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 98; Huvelin, P., Essai historique sur le droit des marchés et des foires, 1897; Bassermann, E., Die Champagnermessen, 1911; Die Leipziger Messen und ihre Organisation, hg. v. Leipziger Messamt, 1929; Ammann, H., Neue Beiträge zur Geschichte der Zurzacher Messen, 1930; Döring, R., Handbuch der Messen und Ausstellungen, 1956; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Europäische Messen, hg. v. Johanek, P. u. a., 1996; Rothmann, M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007

Messina in Nordostsizilien ist die auf eine vorgriechische Siedlung zurückgehende, nach 490 von Zankle nach den neusiedelnden Messiniern umbenannte Stadt. Über Römer, Ostgoten, Oströmer und Sarazenen (843-1061) gelangt M. an die Normannen. 1548 erhält es eine Universität. 1908 wird es durch Erdbeben zu 90% zerstört.

Lit.: Capitoli e privilegi di Messina, hg. v. Giardina, C., 1937; Pispisa, E., Messina, 1980

meta

Lit.: Stutz, U., Jacob Grimm über die meta des langobardischen Edikts, ZRG GA 44 (1924), 262

Methode ist das planmäßige Verfahren zur Erreichung eines bestimmten Zieles. Die M. der → Rechtswissenschaft besteht im Aus­legen von Texten (z. B. Bestimmungen) und Erklärungen (z. B. Anträgen) und im Zuordnen (Gleichsetzen) von Sachverhalten zu Tatbeständen (von Rechtssätzen). Dabei entwickelt sich auf Grund zuordnender Maßstäbe der mittelalterlichen Rechtswis­senschaft zunächst eine Einteilung in authentische Interpretation der Gesetzgebung, usuale Interpretation der Rechtsprechung und doktrinale Interpretation der Rechtslehre, wobei der Wertbezug des geltenden Rechts noch nicht fraglich ist. In der Neuzeit wird das Gesetz zur beherrschenden Rechtsquelle und bedient sich die Rechtsprechung zunehmend wissenschaftlicher Vorgangswei­sen, wobei im späteren 17. und im 18. Jh. Naturrecht als auf die Funktion rechts­politischer Postulate beschränktes Recht und positives Recht als Ergebnis eines norm­setzenden Willens voneiunander geschieden werden. Die doktrinale Auslegung wird in deklaratorische, extensive und restriktive Interpretation unterteilt. → Thoma­sius und → Buchner unterscheiden zwischen gramma­tischer Interpretation und logischer Inter­pretation, → Savigny und → Thibaut zwi­schen philologischer, historischer, systema­tischer und teleologischer Auslegung, mit deren Hilfe das Recht als autonome sittliche Ordnung begriffen werden soll. Die → Rechtsgeschichte will als geschichtliche Wis­senschaft vergangene rechtliche Umstände ermitteln, verstehen und erklären.

Lit.: Köbler, DRG 2, 3; Meister, A., Grundzüge der historischen Methode, 3. A. 1923; Mitteis, H., Vom Lebenswert der Rechtsgeschichte, 1948; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methode der Geisteswissenschaften, 1962; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode, 1974; Wesel, U., Zur Methode der Rechtsgeschichte, Kritische Justiz 1974, 337; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Fikentscher, W., Methoden des Rechts, Bd. 1ff. 1975ff.; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, 1977; Wieacker, F., Zur Methodik der Rechtsgeschichte, FS F. Schwind, 1978, 356; Öhler, H., Quantitative Methoden für Historiker, 1980; Landau, P., Bemerkungen zur Methode der Rechtsgeschichte, ZNR 1980, 117; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Otte, G., Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Sternberg, T., Zur Methodenfrage der Rechtswissenschaft, hg. v. Rehbinder, M., 1988; Rückert, Methoden und Forschungspraxis in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 272; Raisch, P., Juristische Methoden, 1995; Fälle und Fallen in der neueren Methodik, hg. v. Rückert, J., 1997; Entwicklung der Methodenlehre, hg. v. Schröder, R., 1998; Schott, C., Juristische Methodenlehre zwischen Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 3; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001; Kurt, R., Hermeneutik, 2004; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Heine, S., Die Methodendiskussion nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2004

Methodenlehre → Methode

Metternich, Klemens Wenzel (Koblenz 15. 5. 1773-Wien 11. 6. 1859) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Staatswis­senschaft und Geschichte Gesandter 1797 der westfälischen Grafenbank und 1801 des Kaisers sowie 1806 Botschafter Österreichs in Frankreich und 1809 Außen­minister Österreichs. 1814 fördert er die Schonung Frankreichs im Interesse des europäischen Gleichgewichts. 1823 wird er Staatskanzler Österreichs. Im → Deutschen Bund un­ter­drückt er die freiheitlichen und na­tionalen Strömungen durch strenge Polizei­maß­nah­men (Karlsbader Beschlüsse 1819). Am 13. 3. 1848 muss er zurück­treten und flüchtet, kehrt aber 18551 als Privatmann zurück.

Lit.: Köbler, DRG 170; Srbik, H. v., Metternich, Bd. 1ff. 1925ff.; Palmer, A., Der Staatsmann Europas, 1980; Seward, D., Metternich, 1993; Sternburg, W. v., Als Metternich die Zeit anhalten wollte, 2003

Mettlach

Lit.: Raach, T., Kloster Mettlach/Saar und sein Grundbesitz, 1974

Metus (lat. [M.]) ist im römischen Recht die Furcht bzw. Drohung. Ein unter Furcht zustande gekommenes Geschäft ist nach römischem Bürgerrecht gültig, doch gewährt das prätorische Recht eine (lat.) → in integrum restitutio (F.), mit der die eingetretenen Wirkungen wieder beseitigt werden sollen, eine Strafklage (lat. actio [F.] quod metus causa) auf den vierfachen bzw. einfachen Schadensbetrag und eine Einrede (lat. exceptio [F.] metus). Das nachklassische Recht formt die (lat.) in integrum restitutio in eine Art Anfechtung durch eine Klage auf Schadloshaltung. Justinian lässt die (lat.) in integrum restitutio in der (lat.) actio quod metus causa aufgehen.

Lit.: Kaser § 8 IV; Köbler, DRG 42, 49

Metz an der Mosel ist der auf keltisch-römischer Grundlage im 6. Jh. Hauptort eines fränkischen Reichsteils (Arnulf von Metz) wer­dende Ort. 870 kommt M. über Lotha­ringien (Lothringen) zu Ostfranken, 1552/­1648 zu Frankreich. Im 13. Jh. entwickelt die zwischen 1180 und 1210 zur Reichsstadt aufgestiegene Stadt mit Bannrollen eine Art → Grundbuch.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Die Metzer Bannrollen, hg. v. Wichmann, K., 1908; Le droit coutumier de la ville de Metz, hg. v. Schneider, J. u. a., 1951; Hocquard, G. u. a., Metz 1961; Histoire de Metz, 1986; Pundt, M., Metz und Trier, 1998; Reverchon, A., Metzer Denare, 2006; Petry, C., Faire des sujets du roi, 2006

Meum esse (lat.) ist im altrömischen Recht die Gewalt eines Menschen über Sachen. Das m. e. gestattet die Verfügung über die Sache. Es kann seinerseits vor allem auf Erbfolge, Aneignung, Manzipation oder (lat.) → in iure cessio (F.) und → Ersitzung (oder auch formloser Übergabe) beruhen. Im klassischen römischen Recht entsteht aus dem m. e. das → Eigentum.

Lit.: Köbler, DRG 24, 25, 40; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956

Meurer, Noe (Memmingen 1525/1528-Heidelberg 1583), Stadtschreiberssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Siena Advokat, Rat und (1557-63) Reichskammergerichtsassessor. 1566 behan­delt er in seinen „Practica von der kaiserlichen Kammergerichtsordnung und Prozess“ als erster den Prozess vor dem → Reichskammergericht systematisch.

Lit.: Hausrath, H., Zur Lebensgeschichte Dr. Noe Meurers, ZGO N. F. 21 (1906), 690

Meuterei ist die Vereinigung mehrerer Menschen (auf einem Schiff oder in einem Heer) zu Ungehorsam oder Empörung gegenüber Vorgesetzten. Sie wird in Rom mit der Todesstrafe bestraft. Danach tritt sie in der frühen Neuzeit wieder auf. Im 19 Jh. wird sie tatbestandlich schärfer erfasst.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Mevius, David (Greifswald 6. 12. 1609-14. 8. 1670), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Greifswald 1634 Professor in Greifswald, 1637 Syndikus in Stralsund und 1653 Vizepräsident des schwedischen Obertribunals in Wismar. Einen Plan einer Zusammenfassung aller naturrechtlichen Regeln führt er nicht aus. Sein Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts wird nicht Gesetz. 1642 kommentiert er das lübische Recht (lat. Commentarius [M.] in ius Lubicense). 1664ff. veröffentlicht er die Urteile seines Gerichts seit 1653. In beiden Fällen verbindet er rechtspraktische Erfahrung und wissenschaftliche Systematik in anspre­chender Weise.

Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 215; Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts von David Mevius, ZRG GA 61 (1941), 208; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 423; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 218; Holthöfer, E., David Mevius, (in) Biographisches Lexikon für Mecklenburg, 1999, 173; Holthöfer, E., David Mevius, (in) Integration durch Recht, hg. v. Jörn, N. u. a., 2004, 277; David Mevius (1609-1670), hg. v. Jörn, N., 2007

Miete ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Vermieter) verpflichtet, dem anderen Teil (Mieter) den Gebrauch der vermieteten → Sache (Sachteil, Sachgesamt­heit) während der Mietzeit zu gewähren, und der Mieter sich verpflichtet, den vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Die M. ist im klassischen römischen Recht ein Kon­sensualkontrakt (lat. locatio [F.] conductio rei, Vermieter locator, Mieter conductor, Pfand­recht des Vermieters [oder Verpächters], Beendigung durch Kündigung). Sie findet sich danach unter Ablösung älterer Leiheverhältnisse wieder in der mittelal­ter­lichen Stadt, in der als Folge der Zuwan­derung aus dem Umland bald bis zu 40% der Wohnungen zur M. gegeben werden. Dem Mieter wird im Gefolge der älteren Leihever­hältnisse eine → Gewere an der Mietsache zuerkannt. Der Verkauf der Mietsache beendet die Miete nicht. Nach kirchlichem Recht kann auch ein höheres Mietangebot den Mieter nicht aus der Wohnung verdrängen. Seit dem 16. Jh. dringt das römische Recht vor. Nach dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) hat der Mieter ein dingliches Recht an der Mietsache (I 21), während nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) Veräußerung den Mieter vertreibt (§§ 1090ff.). Im 19. Jh. führt die starke Bevölke­rungszunahme zusammen mit der Landflucht zu Mietskasernen und Notlagen der Mieter, die sich seit 1914 verstärken. Aus sozialen Gründen schützt der Staat den Mieter (Kündigungsschutz, Miet­preisbindung, z. B. Mieterschutzver­ord­nung vom 26. 7. 1917). Dieser Schutz wird während des gesamten 20. Jh.s verdichtet, wenn auch Wohnraumbewirtschaftungsmaß­nahmen nach Kriegszeiten wieder aufgegeben werden. In Österreich gilt ein besonderes Mietrechtsgesetz vom 12. 11. 1981.

Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, IV 3, 42 I, II; Söllner § 9; Hübner 582; Köbler, DRG 45, 127, 166, 227, 240, 270; Köbler, WAS; Brünneck, Zur Geschichte der Miete und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Heyne, M., Das deutsche Wohnungswesen, 1899; Schulin, P., Zur Geschichte der mittelalterlichen Miete, ZRG GA 41 (1920), 127; Ebel, M./Lilienthal, A., Mieterschutz und Mieteinigungsämter, 4. A. 1930; Biller, W., Das Mietrecht der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1952; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960; Kaufmann, H., Die altrömische Miete, 1964; Genius, K., Der Bestandsschutz, 1972; Trenk-Hinterberger, P., Internationales Wohnungsmiet­recht, 1977, 35; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Freiheit und Zwang bei der Wohnraummiete, 1996; Teigelack, L., Die Garantiehaltung des Vermieters, Diss. jur. Gießen, 1996; Hügemann, E., Die Geschichte des öffentlichen und privaten Mietpreisrechts, 1997; Calonge, A./Wacke, A., Die Kündigungsgründe für die Wohnungsmiete, ZEuP 1997, 1010; Hinkelmann, B., Die ortsübliche Miete, 1999; Schubert, W., Vom preußischen Mietrecht zum Mietrecht des BGB, Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein, 2002; Quaisser, F., Mietrecht im 19. Jahrhundert, 2005

Mieterschutz → Miete

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240; Petersen, J., Die Vorgeschichte und die Entstehung des Mieter­schutzgesetzes von 1923, 1991; Stampfer, M., Die Anfänge des Mieterschutzes in Österreich, 1995; Lutz, H., Der Mieter­schutz der Nachkriegszeit, 1998

Mietkauf ist der aus Bestimmungen des Mietrechts und des Kaufrechts zusammenge­setzte gemischte Vertrag, bei dem der Mieter nach einiger Zeit die Mietsache zu einem geringeren Preis kaufen kann. S. Leasing.

Lit.: Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag. Geschichte und Entwicklung des Mietkaufs vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, 1991

Mietrecht → Miete

Lit.: Ruth, R., Das Mietrecht der Wohn- und Geschäftsräume, 1926; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Schubert, W., Die Diskussion über die Schaffung eines sozialen Dauermietrechts am Ende der Weimarer Republik, ZRG 106 (1989), 143; Quaisser, F., Mietrecht im 19. Jahrhundert, 2005

Mietverhältnis ist die → Miete zwischen Vermieter und Mieter.

Lit.: Genius, K., Der Bestandsschutz des Mietverhältnisses, 1972

Mietvertrag → Miete

Migration (F.) Wanderung, Bewegung über Gren­­zen hinweg

Lit.: Über die trockene Grenze und über das offene Meer, hg. v. Beer, M. u. a., 2004; Oltmer, J., Migration und Politik in der Weimarer Republik, 2005; Enzyklopädie Migration in Europa, hg. v. Bade, K. u. a., 2007; Entwicklung und Migration, hg. v. Thränhardt, D., 2008; Oltmer, J., Migration im 19. und 20. Jahrhundert, 2009

Milano → Mailand

miles (lat. [M.]) Krieger, Ritter

Lit.: Köbler, LAW; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1976

Militär (N.) Heerwesen, → Heer, Krieg

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 1; The Oxford Companion to Military History, hg. v. Holmes, R., 2001; Frevert, U., Die kasernierte Nation, 2001; Broucek, P./Peball, K., Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 2000; Nowosadtko, J., Krieg, Gewalt und Ordnung, 2002; Das Militär und der Aufbruch in die Moderne 1860-1890, hg. v. Epkenhans, M. u. a., 2003; Fuchs, T., Bibliothek und Militär, 2008; Grundkurs deutsche Militärgeschichte, 2009; Müller, R., Militärgeschichte, 2009

Militärgrenze (confin) ist im österreichischen Recht die mit Siedlungsunternehmen seit 1522 begründete (Sicherung der) Grenzzone zwischen Österreich-Ungarn und den Türken von der Adria bis Siebenbürgen. In dem umfänglich wechselnden Gebiet gilt teilweise besonderes Recht. 1881 wird als letztes selbständiges Grenzgebiet die kroatisch-slawonische M. aufgehoben.

Lit.: Baltl/Kocher; Amstatt, J., Die k.k. Militärgrenze 1522-1881, Diss. phil. Würzburg 1969; Die k. k. Militärgrenze, 1973;

Militärkonvention ist der zwischen 1867 und 1886 zwischen Preußen und anderen Staaten bzw. Ländern des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches geschlossene Vertrag über Militärangelegenheiten, durch den die Herrschaftsgewalt über Heereskontin­gente auf Preußen bzw. den Kaiser und damit das Reich übergeht.

Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1 1963, 992

Militärregierung ist die → Regierung durch Streitkräfte.

Militärseelsorge ist die seit dem Spätmittelalter verstärkt organisierte kirchliche Betreuung der Angehörigen der Streitkräfte.

Lit.: Bleese, J., Die Militärseelsorge, Diss. jur. Hamburg 1969; Rudolf, H., Das evangelische Militärkirchwesen in Preußen, 1973

Militärstrafrecht ist das im Spätmittelalter durch Vertrag zwischen Kriegsherrn und Söldnerführern geschaffene, in der frühen Neuzeit durch Kriegsartikel des Landesherrn festgelegte Strafrecht für Angehörige der Streitkräfte. Im 19. Jh. wird es liberalisiert, humanisiert und in besonderen Militärstraf­gesetzen konkretisiert (Bayern 1813, Württemberg 1818, Sachsen 1838, Oldenburg 1841, Preußen 1845, Österreich 1855, Oldenburg 1861, Sachsen 1867, Bayern 1869, Deutsches Reich 1872). Dem entspricht in der Bundesrepublik Deutschland das Wehrstraf­gesetz (1957).

Lit.: His, R., Strafrecht des Mittelalters, Bd. 2 1935; Schmidt, E., Militärstrafrecht, 1936; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZGR GA 102 (1985), 206; Schölz, J./Lingens, E., Wehrstrafgesetz, 3. A. 1988; Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Stecke, J., Die DDR-Militärjustiz, NJW 1998, 2570; Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Prinz, O., Der Einfluss von Heeresverfassungen und Soldatenbild auf die Entwicklung des Militärstrafrechts, 2005

Militärstrafverfahren ist das in Militärstraf­angelegenheiten angewandte, seit dem 17. Jh. allgemeiner geregelte Strafverfahren (Würt­temberg 1692, Preußen 1712, Österreich 1697, 1723, Bayern 1748, Sachsen 1758, 1789). Im 19. Jh. wird teilweise das → Inquisitionsverfahren fortgeführt (Preußen 1845), teils das mündliche öffentliche Anklageverfahren (Bayern 1869). Die Militärstrafgerichtsordnung des Reiches von 1898 verbindet beides. Im Dritten Reich erlassen etwa 2000 Militärrichter der Wehrmacht mindestens 25000-30000 Todesurteile, von denen vielleicht 18000-20000 vollstreckt werden.

Lit.: Fleck, E., Das Strafverfahren der preußischen Mitiltärgerichte, 1854, 1864, 1870; Mark, H. v., Der Militärprozess in Deutschland, Bd. 1f. 1893; Schweling, O., Die deutsche Militärjustiz, hg. v. Schwinge, E., 2. A. 1978; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozilismus, 1987; Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 1991, 2. A. 1997; Anker, J., Die Militärstrafgerichtsordnung, 1995; Schubert, W., Zur Entstehung der Militärstrafgerichtsordnung von 1898, ZRG GA 113 (1996), 1; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz 1939-1945, 2005

Militärverwaltung ist die von Streitkräften (als Leitungsorganen) durchgeführte → Verwaltung.

millenarius (lat. [M.]) Tausendschaftsführer bei Vandalen, Ostgoten und Westgoten, in der Herkunft und Bedeutung streitig

Lit.: Rietschel, S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181

Miltenberg

Lit.: Störmer, W., Miltenberg, 1979

Minden

Lit.: Das Mindener Stadtbuch von 1318, bearb. v. Krieg, M., 1931; Mindener Stadtrecht, bearb. v. Schroeder, J. v., 1997

Minderheit ist eine im Verhältnis zu einer → Mehrheit geringere Zahl (von Menschen). Seit dem Mittelalter wird ansatzweise vereinzelt die Frage des Schutzes der M. gesehen. Verrechtlicht wird dies nur ganz allmählich. Seit dem 20. Jh. (vor allem nach dem Zusammenbruch der Vielvölkerreiche der Habsburger, der Osmanen und der Russen) werden die Bemühungen um völkerrechtlichen Schutz von Minderheiten verstärkt, ohne dass befriedigende Lösungen gelingen. Das Recht der M. darf von der Mehrheit nicht in seinem Wesenskern bedroht werden. 1998 treten die im Rahmen des Europarats ausgearbeiteten Rahmenüberein­kommen zum Schutz nationaler Minderheiten und der europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen in Kraft.

Lit.: Jellinek, G., Das Recht der Minoritäten, 1898; Wintgens, H., Der völkerrechtliche Schutz der nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten, 1930; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Nationale, ethnische Minderheiten und regionale Identitäten, 1994; Handbuch der mitteleuropäischen Sprachminderheiten, hg. v. Hinderling, R./Eichinger, L., 1996; Nationale Minderheiten, hg. v. Hahn, H. u. a., 1999; Fink, C., Defending the Rights of Others, 2004; Minderheitenrechte in Europa, hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2. A. 2006; Nachbarn, Gemeindegenossen und die anderen, hg. v. Holenstein, A. u. a., 2004; Zur Entste­hung des modernen Minderheitenschutzes in Europa, hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2006

Minderjährigkeit ist der Zeitraum von der Geburt eines Menschen bis zur Vollendung des für die → Volljährigkeit erforderlichen (18. [Österreich 2001], 19. [Österreich 1973], 21. [Österreich 1919], 24. [Österreich 12. 4. 1753] oder 25.) Lebensjahres. Dem Minder­jährigen (lat. minor XXV annis [seit der lex Laetoria von etwa 200 v. Chr.]) fehlt in der Gegenwart die unbe­schränkte → Geschäftsfähigkeit (, wobei der infans [unter sieben Jahren]. vollständig geschäftsunfähig ist). Soweit der Minderjäh­rige bei Geschäften, die ihm nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen, nicht selbst wirksam (allein) handeln darf, han­delt für ihn der gesetzliche Vertreter. Die M. ersetzt im Laufe der Aufnahme des römischen Rechts die ältere → Mün­digkeit weitgehend, wenn auch nicht vollständig. Im römischen Recht ist der mündige Minderjährige grundsätzlich ge­schäfts­fähig, doch hat er bei gewollter Übervorteilung eine Einrede (lat. exceptio aus der Lex Laetoria) und bei objektiver Benach­teiligung die Möglichkeit der Wiederher­stellung des vor dem Geschäft bestehenden Zustands (lat. restitutio in integrum). Au­ßerdem kann zu seiner Unterstützung ein (lat.) curator (Pfleger oder Beistand) bestellt werden, dessen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft aber die Berufung auf eine Benachteiligung grundsätzlich ausschließt.

Lit.: Kaser § 14 II 3, 64 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1

Minderung ist die Herabsetzung eines an sich vereinbarten Kaufpreises auf einen wirklich geschuldeten Kaufpreis einer mangelhaften Sache. Sie stammt aus dem klassischen römischen Recht. Hier verheißen die kurulischen Ädile als Marktaufseher beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren dem Käufer bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen neben der (lat.) → actio (F.) redhibitoria (Wandelungsklaganspruch) die Rückgewäh­rung des Kaufpreises in Höhe der durch den Mangel begründeten Wertver­ringerung der Sache bei deren Behalten im Übrigen (lat. → actio [F.] quanti minoris, Minderungsklag­anspruch). Dies wird in der frühen Neuzeit aufgenommen. In Deutschland wird 2002 die besondere Wandlung durch den allgemeinen Rücktritt ersetzt.

Lit.: Kaser § 41 VI 2, 4; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Minima non curat praetor (lat.). Das Gericht kümmert sich nicht um Kleinigkeiten.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero 106-43 v. Chr., vgl. Digesten 4, 1, 4)

Minister ist der Leiter einer obersten Behörde einer Verwaltung. Er entwickelt sich in der frühen Neuzeit aus dem älteren Diener eines Herrn. Zuerst in England und Frankreich sind im 17. Jh. M. des Königs als Amtsträger des Herrschers an herausgehobener Stelle verwaltend-ausführend tätig. Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) wird M. im 18. Jh. für den das oberste Regie­rungsgeschäft erledigenden Staatsbeamten gebräuchlich. Sein Tätigkeitsbereich ist das → Ministerium. Der M. ist weisungsge­bunden. Im 19. Jh. erlangt er demgegenüber Selbständigkeit und Verantwortlichkeit (Gegen­zeichnung Preußen 1808, Belgien 1831, Preußen 1850). Österreich geht am 17. 3. 1848 wegen der angestrebten Minis­terver­antwort­lich­keit von den kollegial organi­sierten Hofstellen zu den monkratisch organisierten Ministerien über (anders 1852-1859/1861, 1918-1920). 1930 begründet das Reichsmi­nistergesetz für den M. im Deutschen Reich ein besonderes öffentlich-recht­liches Amts­ver­­hältnis außerhalb der Beamtenschaft, das nach Beseitigung im Jahre 1937 im Jahre 1953 wiederhergestellt wird.

Lit.: Köbler, DRG 151, 193, 197, 230, 232, 248, 257; Neudecker, M., Geschichte des geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; Frank, M., Das Justizministerium der DDR, Diss. jur. Regensburg 1988; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik, 1989; Das Bundesministerium des Inneren, hg. v. Pracht, H., 1993; Truhart, P., Internationales Verzeichnis der Außenminister (1589-1989), Bd. 1f. 1989ff. (Ergänzungsband 1945-1995); Hoffmann, H., Die Bundesministerien 1949-1999, 2003

Ministeranklage ist die gegen einen → Minister gerichtete Anklage auf Amtsent­hebung wegen fehlerhafter Tätigkeit. Sie entwickelt sich anscheinend in England (seit dem 12. Jh.) aus einer ursprünglich strafrecht­lichen Klage wegen eines Verbrechens. 1791 wird die M. in Polen und Frankreich übernommen, 1814 in Nassau. Das deutsche Grundgesetz kennt die M. im Gegensatz zu Landesverfassungen nicht.

Lit.: Constant de Rebecque, B., De la responsabilité des ministres, 1815; Kröger, K., Die Ministeranklage, 1972; Popp, P., Ministerverantwortlichkeit und Ministerankla­ge, 1996

Ministerialbürokratie (F.) in Ministerien beschäftigte Verwaltungsbedienstete

Lit.: Teppe, K., Die NSDAP und die Ministerialbürokratie, Der Staat 15 (1976), 367

Ministeriale (lat. ministerialis [M.]) ist im Mittelalter der Diener eines Herrn. Er gehört zu den Unfreien, steigt aber im Herrendienst in den niederen Adel (Ritter) auf (Dienstmann). Ein besonderer Stand bildet sich seit der Wende vom 10. zum 11. Jh., zuerst erkennbar im Zusammenhang mit der Reichskirche. Seit dem 11. Jh. entwickelt sich für den Ministerialen das besondere Dienst­recht (Limburg 1035, Bamberg 1057). Später treten Freie in die Ministerialität ein. Im Zusammenhang mit seiner Italienpolitik stützt sich Kaiser Friedrich Barabarossa ab 1174/1178 verstärkt auf die Reichsmi­nisterialen (Reichsministeriale z. B. von Bolanden, von Münzenberg, von Pappenheim und Kalden, von Lautern. von Schüpf, Siebeneich und Rothenburg, von Annweiler). Seit dem 13. Jh. übernehmen die Ministerialen die wichtigsten Ämter des Landesherrn.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 79, 113, 120; Fressel, R., Das Ministerialenrecht der Grafen von Tecklenburg, 1907; Fajkmajer, K., Die Ministerialen des Hochstiftes Brixen, Zs. des Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Molitor, E., Der Stand der Ministerialen vornehmlich auf Grund sächsischer, thüringischer und niederrheinischer Quellen, 1913; Ganshof, F., Étude sur les ministeriales en Flandre et en Lotharingie, 1926; Schowingen, K. Frhr. v., Zum Ministerialenproblem, ZRG GA 61 (1941), 274; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Pötter, W., Die Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Zotz, T., Die Formierung der Ministerialen, (in) Die Salier und das Reich, Bd. 3 1991, 3; Witzel, W., Die fuldischen Ministerialen, 1998; Derschka, H., Die Ministerialen des Hochstifts Konstanz, 1999; Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004

Ministerialität ist der Stand und die Gesamt­heit der Ministerialen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kluckhohn, O., Die Ministerialität in Südostdeutschland, 1910, Neudruck 1970; Kluckhohn, P., Die Ministerialität in Südostdeutschland, 1910; Müller, E., Die Ministerialität im Stift Sankt Gallen und in Landschaft und Stadt Zürich, 1911; Winter, G., Die Ministerialität in Brandenburg, 1922; Weimann, K., Die Ministerialität im späteren Mittelalter, 1924; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956; Ministerialitäten im Mittelrheinraum, hg. v. Gerlich, A., 1978; Jacobi, F., Ministerialität und „ius ministerialium“, FS Schmidt-Wiegand, R., 1986, 263; Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Trüper, H., Ritter und Knappen zwischen Weser und Elbe, 2000; Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002

Ministerium ist die oberste Behörde der Verwaltung. Im 18. Jh. ist das M. vielfach regional begrenzt. Im 19. Jh. ist darunter die für ein bestimmtes Sachgebiet (z. B. Auswärtige Angelegenheiten, Justiz (z. B. Preußen 1738), Finanz, Verteidigung, innere Angelegenheiten) zuständige, von einem Minister geleitete, bürokratisch organisierte Behörde oder die Gesamtheit der Minister bzw. Ministerien (z. B. Preußen 1808) oder das Amt des → Ministers zu verstehen.

Lit.: Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Knischewsky, P., Das preußische Gesamtministerium, 1902; Neudegger, M., Geschichte des Geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v. Gürtner, F., 1938; Frauendienst, W., Das preußische Staatsministerium, Z. f. d. ges. Staatswiss. 116 (1960), 114

Ministerpräsident ist der Vorsitzende des Ministerrats bzw. der Regierung.

Ministerrat ist der aus Ministern gebildete Rat als Regierungskollegium.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Protokolle des Ministerrates der ersten Republik, hg. v. Neck, R. u. a., 1980ff.; Das geltende Recht (der DDR), hg. v. Sekretariat des Ministerrates, 1989

Ministerverantwortlichkeit ist die Verantwortung eines → Ministers für seinen Aufgabenbereich. Sie entwickelt sich (anscheinend seit dem 12. Jh.) in England und wird 1791 in Polen und Frankreich übernommen (→ Ministeranklage), seit 1814 in den deutschen Staaten (Sachsen-Weimar 1816, Hessen 1831, Österreich 1849/1867). Danach gilt die M. als notwendiger Ausgleich der Unverantwort­lichkeit des Monarchen, wenn auch tatsächliche Folgerungen selten bleiben. Seit der Mitte des 19. Jh.s setzt sich statt der rechtlichen M. für Unrechts­hand­lungen die politische M. durch, die den Rücktritt des betreffendnen Ministers im Falle eines Misstrauensvotums im Parlament vor­sieht.

Lit.: Mohl, R. v., Die Verantwortlichkeit der Minister, 1837; Rassow, R., Das Wesen der Ministerverantwortlichkeit, Z. f. d. ges. Staatswiss. 59 (1903), 159; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Schnabel, F., Ge­schichte der Ministerverantwortlichkeit in Baden, 1922; Weckerle, F., Geschichte der Ministerver­antwortlichkeit in Bayern, 1930; Greve, F., Die Ministerverantwortlichkeit, 1977; Popp, P., Minister­verantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996

Minne und recht ist eine mittelalterliche, häufig im Schiedsverfahren begegnende Paarformel unbekannter Herkunft für die gütliche oder entscheidungsweise Erledigung einer Streitigkeit.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Müller, M., Minne und Dienst in der altfranzösischen Lyrik, 1907; Gaisser, E., Minne und Recht, Diss. jur. Tübingen 1955 (masch.schr.); Hattenhauer, H., Minne und recht, ZRG GA 80 (1963), 325; Krause, H., Consilio et iudicio, FS J. Spörl, 1965, 416

Minoer ist der Angehörige des in Kreta von etwa 3200 v. Chr. bis zum Ende des 2. Jt.s v. Chr. herrschenden Volkes.

Lit.: Lesley, F., Die Minoer, 2004

minor (lat. [Adj.]) keleiner, geringer

Minorat (N.) Jüngstenrecht

Minorit ist der Angehörige eines 1517 von den Franziskanern (Franz von Assissi † 1226) abgetrennten Ordens. Die minoritischen Franziskaner erteilen bereits im Hochmit­telalter Rechtsunterricht an den Ordensschu­len, von dem → Deutschenspiegel und → Schwaben­spiegel beeinflusst sein dürften.

Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, 116

Minuccius de Prato veteri, Antonius ist ein in Prato Vecchio bei Florenz 1380 geborener, in Bologna ausgebildeter und zeitweise auch lehrender, 1486 verstorbener Jurist, der die libri feudorum in sechs Büchern neu ordnete

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 826

Miquel, Johannes (Neuenhaus 19. 2. 1828-Frankfurt am Main 8. 9. 1901), Familie aus Spanien über Cahors um 1734 nach Deutsch­land eingewandert, Urgroßvater Fechtmeister in Düsseldorf, Großvater Major, Vater Arzt und Bürgermeister, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Göttingen und der Hinwendung zu demokratisch-sozialistischen Strömungen 1854 Rechtsan­walt und 1857 Kommunalbeamter, 1865 Bürgermeister in Osnabrück. Im Reichstag des Deutschen Reichs setzt er sich für die nationalliberale Rechtsvereinheitlichung ein (Lex Miquel/­Lasker 1873, Reichsjustiz­gesetze 1877/1879). 1880 wird er Ober­bürger­­meister in Frankfurt am Main, 1890 Finanzminister Preußens (u. a. Einführung der Einkom­mensteuererklärung).

Lit.: Köbler, DRG 183; Mommsen, W., Johannes Miquel, 1928; Herzfeld, H., Johannes von Miquel, Bd. 1f. 1938; Pausch, A., Johannes von Miquel, 1964; Kassner, T., Der Steuerreformer Johannes von Miquel, 2001

Mischling ist das von verschiedenartigen Erzeugern abstammende Lebewesen. Im Dritten Reich werden als M. die Abkömm­linge aus jüdisch-arischen Verbindungen be­zeichnet, wobei Mischlinge ersten Grades die etwa 72000 Menschen mit einem jüdischen Elternteil, Mischlinge zweiten Grades die etwa 40000 Menschen mit jüdischen Großel­tern sind und etwa 8000 Menschen, die sich zum Judentum bekennen, als Geltungsjuden eingestuft werden. Die Mischlinge werden in Schulen benachteiligt, ab 1941 zunehmend aus der Wehrmacht ausgeschlossen und zu Zwangsarbeit verpflichtet.

Lit.: Tent, J., Im Schatten des Holocaust, 2007

Mischna (hebr.), Lehre, Wiederholung, ist die aus 63 Traktaten in 6 Ordnungen gebildete Sammlung (gewohnheitsrechtlich erweiterte Wiederholung der alten Gesetze) des jü­dischen Lehrstoffes der ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderte, die um 200 n. Chr. abgeschlossen wird. Sie wird bis 500 n. Chr. durch Glossen erklärt (Gemara).

Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006

Mischne Tora ist eine klare hebräische Zusammenfassung des jüdischen Rechts durch → Moses → Maimonides in Ägypten am Ende des 12. Jh.s.

Lit.: The Code of Maimonides, 1949ff.; Mischne Tora hu ha-Yad ha-chazaqa, hg. v. Rabbinowitz, M. u. a., 6. A. 1985

miserabilis (lat.) beklagenswert (wie z. B. Waise, Witwe, Kranker, Pilger, Armer)

misericordia (lat. [F.]) Barmherzigkeit

Lit.: Rennefahrt, H., Grausamkeit und Mitleid im Rechtsleben des Mittelalters, 1949; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991

Missetat (F.) Delikt, Unrechtstat, Straftat

Lit.: Munske, E., Der germanische Rechtswortschatz, 1973

Missheirat ist die Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Stände, wie sie sich bis in das 19. Jh. (Preußen 1869) bzw. 20. Jh. (1919, Preußen 1920) findet. Sie zieht teils recht­liche, teils nur gesellschaftliche Folgen nach sich.

Lit.: Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten, 1796; Abt, E., Missheiraten, 1911; Minnigerode, H. Frhr. v., Ebenburt und Echtheit, 1912; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926

Missio (F.) canonica (lat.) ist im kirchlichen Recht die vom Papst oder Bischof übertragene Erlaubnis zur Verkündung des Wortes Gottes bzw. im älteren Recht die Übertragung von Rechtsprechungsbefugnis­sen an Geistliche.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Missio (F.) in bona (lat.) ist die im klassischen römischen Recht entwickelte Einweisung der siegreichen Partei eines Rechtsstreits in die Güter des Gegners, nach der es meist zum öffentlichen Aufgebot und zum Verkauf aller Güter zugunsten aller Gläubiger an einen einzigen Erwerber (Generalexekution) kommt. Ihr entspricht vielleicht im Frühmittelalter eine gleichartige → Fronung. Seit dem Spätmittel­alter wird die m. i. b. im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen.

Lit.: Kaser § 82 II 4e, 85 II 2b, 86 III, 87 I 10; Söllner § 8; Köbler, DRG 33

Missive (N.) Sendschreiben

Misstrauensvotum ist seit der Ablösung Sir Robert Walpoles 1742 bzw. spätestens seit dem Sturz Melbournes in England 1841 das Aussprechen des Misstrauens durch die Parlamentsmehrheit gegenüber dem Regie­rungsführer in Form einer Abstimmungs­niederlage. Das Grundgesetz Deutschlands (1949) kennt nur das konstruktive M., das nur bei gleichzeitiger Wahl eines neuen Regierungsführers Erfolg haben kann.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh

missus (M.) dominicus (lat.) → Königsbote

Lit.: Krause, V., Geschichte der Institution der missi dominici, MÖIG 11 (1890); Werner, K., Missus, marchio, comes, (in) Histoire comparée de l’administration, 1980, 191; Hannig, J., Zur Funktion der karolingischen missi dominici in Bayern, ZRG GA 101 (1984), 256,

Mitbestimmung ist im 20. Jh. die Teilhabe der Arbeitnehmer an Willensbildungs­vorgängen (der Arbeitgeber) in der Wirt­schaft. Im Bereich der Montanindustrie bringt das deutsche Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 eine paritätische Mit­be­stimmung im Aufsichts­rat (5 Arbeit­gebervertreter, 5 Arbeitnehmervertreter, ein gemeinsam bestimmtes weiteres Mit­glied). Das Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5. 1976 führt in der Bundesrepublik Deutschland für Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person mit mehr als 2000 Arbeitnehmern die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates durch Anteilseigner einerseits und Arbeiter, Angestellte und besondere leitende Angestellte andererseits ein.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273; Teuteberg, H., Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Mayer, B., Die Vertrauensmännerausschüsse, 1996; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996; Rob, W., Mitbestimmung im Staatsdienst, 1999; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirt­schaft, 2008

Miteigentum ist das Eigentum mehrerer Personen an einer (selbst nicht geteilten) Sache. Es ist im altrömischen Recht zunächst wohl bei der Erbenge­meinschaft in der Form vorhanden, dass keine selbständigen Anteile an der Sache bestehen (Gesamthandeigentum der altrömischen [lat.] societas ercto non cito). Erst danach entsteht das M. nach Bruchteilen. Es setzt sich durch. Im deutschen Recht ist M. anfangs vermutlich in einer → Gesamthand gebunden. Seit dem Spätmit­telalter wird die römischrechtliche Gestaltung aufgenommen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) sieht nur Quoteneigentum vor. Die Gesamthand wird erst im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und auch dort nur in Sonderbereichen wieder belebt.

Lit.: Kaser § 23 IV; Hübner; Köbler, DRG 40, 61; Oppikofer, H., Eigentumsgemeinschaften im mittelalterlichen Recht, Beiheft 2 zu VSWG, 1924, 33; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Drosdowski, T., Das Verhältnis von actio pro socio und actio communi dividundo im klassischen römischen Recht, 1998

Miterbe ist das Mitglied einer Erbenge­meinschaft.

Lit.: Kaser § 73 I 1, 75 I 8; Hübner; Köbler, DRG 122

Mitgift (lat. dos [F.]) ist ein Vermögen, das einem Ehegatten von einem Dritten in die Ehe mitgegeben wird. Die M. wird meist einer vorweggenommenen Erbschaft gleichgestellt. Vielfach erfolgt die Leistung  als Beitrag zur Begründung und Erhaltung des ehelichen Haushalts an einen Ehegatten (oder an eine aufnehmende Einrichtung wie z. B. an ein Kloster). Im römischen Recht erhält der Ehemann eine Mitgift, die in sein Vermögen übergeht, aber bei seinem Tod oder beie Ehescheidung herauszugeben ist. Im Mittelalter erhält der Ehemann bewegliche Sachen zu Eigentum, unbewegliche Sachen nur zur Nutzung, so dass er über sie grundsätzlich nur mit Zustimmung der Frau oder des Gerichts verfügen kann- Im 20. Jh. wird die M. meist durch eine Ausbildung ersetzt.

Lit.: Kaser §§ 38 III 4, 59 II, 73 IV 1b; Söllner §§ 5, 8, 9, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Neubecker, F., Die Mitgift, 1909; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973

mithio (lat.-afrk.) Erwiderung, Antwort, Verantwortung

Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1 1931, 209

Mitsukuri, Rinsho (1846-1897) wird nach dem Studium des Chinesischen, Hollän­dischen und Englischen mit der Übersetzung der französischen Gesetzbücher beauftragt. Hierbei bewältigt er die Aufgabe der Bildung japanischer Rechtswörter für westliche Rechtseinrichtungen.

Lit.: Yamanaka, E., Mitsukuri Rinsho, (in) Nihon no hôgakusha, hg. v. Ushiomi, T. u. a., 1975, 1

Mittäterschaft ist die gemeinsame Täterschaft mehrerer Menschen. Eine gesetzliche Grundlage für die M. schafft 1870 der Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund.

Lit.: Kaser § 50 II 2; Winter, B., Die Entwicklung der Mittäterschaft, 1981; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006

Mitteis, Heinrich (Prag 26. 11. 1889-München 23. 7. 1952), Rechtsprofessoren­sohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Berlin (Brunner, Gierke) und Leipzig (Binding, Otto Mayer, Sohm) 1920 Professor in Köln, 1924 in Heidelberg, 1934 in München, 1935 in Wien, 1938 in Rostock, 1946 in Berlin, 1948 in München und 1952 in Zürich. In der mittelalterlichen Verfassungs­geschichte verbindet er Politisches eindrucks­voll mit Juristischem. Seine beiden rechts­geschichtlichen Grundrisse sind in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s länger führend.

Lit.: Bader, K., Heinrich Mitteis, ZRG GA 70 (1953), IX; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Mitteis, H., Die Rechtsidee in der Geschichte, 1957 (Gesammelte Abhandlungen, mit Schriftenverzeichnis); Brun, G., Leben und Werk des Rechtshistorikers Heinrich Mitteis, 1991; Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, hg. v. Landau, P. u. a., 1991

Mittelalter ist der zwischen Altertum und Neuzeit befindliche zeitliche Abschnitt der (europäischen) Geschichte (476-1492 bzw. 500-1500).

Lit.: Haskins, C., Studies in Mediæval Culture, 1929; Nord und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Paravicini, W., 1990; Schuler, P., Grundbibliographie Mittelalterliche Geschichte, 1990; Das Mittelalter als Epoche, hg. v. Lückerath, C. u. a., 1995; The New Cambridge Medieval History, hg. v. McKitterick, R., Bd. 1ff. 1995ff.; Boockmann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 6. A. 1996; Fuhrmann, H., Überall ist Mittelalter, 1996, 2. A. 1997, 3. A. 1998; Goetz, H., Leben im Mittelalter, 7. A. 2002; Mittelalter und Moderne, hg. v. Segl, P., 1997; Heimann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 1997; Fuhrmann, H., Einladung ins Mittelalter, 5. A. 1997; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 1999; Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, hg. v. Borgolte, M., 2001; Endemann, T., Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Ge­schichte, 2001; Leben im Mittelalter, hg. v. Leier, M. u. a., 2001; Schubert, E., Alltag im Mittelalter, 2002; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 2002; Dinzelbacher, P., Europa im Hochmittelalter, 2003; Jankrift, K., Das Mittelalter, 2004; Hartmann, M., Mittelalterliche Geschichte studieren, 2004; Schlotheuber, E., Das Mittelalter, 2004; Le Goff, J., Auf der Suche nach dem Mittelalter, 2004; Kaufhold, M., Wendepunkte des Mittelalters, 2004; Schieffer, R., Das ganze Mittelalter von A-Z, DA 60 (2004), 571; Nagel, A., Im Schatten des Dritten Reichs. Mittelalterforschung, 2005; Tradition, Innovation, Invention, hg. v. Schmidt, H., 2005; Neiske, F., Europa im frühen Mittelalter, 2006; Goetz, H., Proseminar Geschichte Mittelalter, 3. A. 2006; Borgolte, M., Christen, Juden, Muselmanen, 2006; Heimann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 2. A. 2006; Schubert, E., Essen und Trinken im Mittelalter, 2006; Pauler, R., Leben im Mittelalter, 2007; Enzyklopädie des Mittelalters, hg. v. Melville, G., Bd. 1f. 2008; Atlas des Mittelalters, hg. v. Biffi, I., 2007; Fried, J., Zu Gast im Mittelalter, 2007; Mittelalter im Labor, hg. v. Borgolte, M. u. a., 2008; Müller, H., Mittelalter, 2008; Fried, J., Das Mittelalter, 2008, 3. A: 2009; Fossier, R., Das Leben im Mittelalter, 2008; Kintzinger, M., Internationale Bezie­hungen im Mittelalter 2009;  Gebrauch und Missbrauch des Mittelalters, hg. b. Bak, J. u. a., 2009

mittelbarer Besitz → Besitz

Mittelhochdeutsch ist die zwischen 1050 und 1350 bzw. 1500 als der (zwischen Althochdeutsch und Neuhochdeutsch) mittleren deutschen Sprachperiode im südli­chen (hochgelegenen) Deutschland gespro­chene Sprache (z. B. → Schwabenspiegel).

Lit.: Köbler, DRG 10; Köbler, WAS; Lexer, M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 35. A. 1979; Jelinek, F., Mittelhochdeutsches Wörterbuch zu den deutschen Sprachdenkmälern Böhmens, 1911; Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkunden­sprache, erarb. v. Ohly, S. u. a., Bd. 1ff. 1986ff. (4190 Urkunden, 1 Million Belege, rund 10000 Stichwörter); Lexer, M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 3. A. 1885, 2. Neudruck, 1992; Hennig, B., Kleines mittelhoch­deutsches Wörterbuch, 3. A. 1998; Weddige, H., Mittelochdeutsch, 5. A. 2003; Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund, hg. v. Burch, T. u. a., 2001 (CD-ROM); Mittelhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Gärtner, K. u. a., Bd. 1ff. 2005ff.; Köbler, G., Mittelhochdeutsch, 2007 (Internet); Bertelsmeier-Kierst, C., Kommunikation und Herrschaft, 2008

Mittellateinisch ist die zwischen dem 6. und 15. Jh. verwendete Form des Lateinischen.

Lit.: Köbler, LAW; Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Glossarium till medeltidslatinet i Sverige, Bd. 1ff. 1973ff.; Langosch, K., Lateinisches Mittelalter, 5. A. 1988; Niermeyer, J., Mediae Latinitatis Lexicon Minus, 2. A. 2002; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Compendium auctorum Latinorum medii aevi (500-1500) hg. v. Lapidge, M. u. a., Bd. 1 (bis Bartholomaeus de Forolivio) 2002ff.

Mittelniederdeutsch ist die zwischen dem 12. und 16. Jh. als der mittleren deutschen Sprachperiode (zwischen Altsächsisch und Altniederfränkisch einerseits und Neunieder­deutsch bzw. Plattdeutsch andererseits) im nördlichen (niedergelegenen) Deutschland ge­sprochene Sprache (z. B. → Sachsenspiegel), die im Schriftdeutschen in der frühen Neuzeit (z. B. in Goslar zwischen 1519 und 1619) allmählich von der hochdeutschen Sprache (z. B. Juristensprache) verdrängt wird.

Lit.: Köbler, DRG 10; Schiller, K./Lübben, A., Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1875ff.; Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934

Mittermaier, Carl Joseph Anton (München 5. 8. 1787-Heidelberg 28. 8. 1867) wird nach dem erfolgreichen Abschluss des Rechts­stu­diums in Landshut 1807 in München Sekretär → Feuerbachs und nach dem vertiefenden Studium in Heidelberg (Thibaut, Heise) zwecks freilich gescheiterter Berufung nach Innsbruck 1811 ordentlicher Professor in Landshut, 1819 in Bonn und 1821 in Heidelberg. Er setzt sich unter Verwendung der Rechtsvergleichung erfolg­reich für ein modernes liberales Strafver­fahrensrecht ein (Anklagegrundsatz, Staatsan­waltschaft, freie Beweiswürdigung). Er führt das Strafrechts­lehrbuch Feuerbachs fort, schult Binding und veröffentlicht zwischen 1809 und 1867 867 größere und kleinere Werke (bis 1988 zehn zusätzliche postume Veröffentlichungen) Seine Bibliothek umfasst 8019 Bände und rund 6000 Dissertationen und Broschüren (270 Laufmeter).

Lit.: Köbler, DRG 205; Stegemeier, L., Die Bedeutung Karl Joseph Anton Mittermaiers, Diss. jur. Göttingen 1945/8; Jammers, A., Die Bibliothek des Heidelberger Juristen Karl Joseph Anton Mittermaier, Bibliothek und Wissenschaft 3 (1966), 156; Neh, S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Carl Joseph Anton Mittermaier, hg. v. Küper, W., 1988; Hettinger, M., Carl Josph Anton Mittermaier (1787-1867), ZRG GA 107 (1990), 433; Neh, S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Malsack, B., Die Stellung der Verteidigung, 1992; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier – Rudolf von Gneist, hg. v. Hahn, E., 2000; Briefe von Mitgliedern der badischen Gesetzgebungskommission an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Mussgnug, D., 2002; Bibliographie der Werke Karl Josef Anton Mittermaiers, bearb. v. Nuzzo, L., 2004; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D., 2004; Briefe deutscher Strafrechtler an Karl Kosef Anton Mittermaier, hg. v. Jelowik, L., 2005; Riemer, L., Das Netzwerk der „Gefängnisfreunde“, 2005; Briefe Hermann Theodor Goltdammers an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Mußgnug, D., 2007; Carl Joseph Anton Mittermaier, hg. v.  Moritz, W. u. a., 2009 (Ausstellungskatalog)

Mitverschulden ist die Außerachtlassung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten durch den Beschädigten, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Bei kon­kurrierendem Verschulden entfällt im gemei­nen Recht seit dem Spätmittelalter die Ersatzpflicht völlig (→ Kulpakompensation), während es nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) auf das Maß der jewei­ligen Verursachung ankommt.

Lit.: Köbler, DRG 214; Aumann, Das mitwirkende Verschulden, 1964; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187

Mobiliarsachenrecht (Recht der beweglichen Sachen)

Lit.: Schubert, W., Die Diskussion über eine Reform des Rechts der Mobiliarsicherheiten in der späten Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit, ZRG GA 107 (1990), 132

Modena wird auf römischer Grundlage Grafensitz und seit dem 12. Jh. Stadtkommune, 1452 unter der Herrschaft der Este Herzogtum. Um 1180 lehrt in M. → Pillius, im 13. Jh. sind dort andere bekannte Juristen tätig. 1682 erhält M.eine Universität. 1859 fällt es von Österreich-Este an Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,178, 3,1,291, 3,2,2362, 3,3,3230; Mor, C./Di Pietro, P., Storia dell’università di Modena, 1975; Santini, G., Lo stato estense tra riforme e rivoluzione, 1983; Storia illustrata, hg. v. Golinelli, P. u. a., 1990; Rölker, R., Adel und Kommune in Modena, 1994; Faber, H., Modena – Austria, 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Modestin (Modestinus), Herennius (1. H. 3. Jh.), Schüler des Ulpianus, ist der letzte spätklassische römische Rechtskundige. Ihm misst das Zitiergesetz von 426 besondere Bedeutung zu. Zu seinen Werken zählen 10 Bücher (lat. [F.Pl.]) Regulae, Regeln, 12 Bücher (lat. [F.Pl.]) Pandectae, Pandekten, 9 Bücher (lat. [F.Pl.]) Differentiae, Unterschiede, 19 Bücher Gutachten (lat. [N.Pl.] responsa) sowie ver­schiedene kleinere Abhandlungen.

Lit.: Söllner §§ 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 259

modius (lat. [M.]) Scheffel

modus (lat. [M.]) Maß, Weise (z. B. modus acquirendi, Erwerbsart wie [lat.] → traditio).

Lit.: Kaser § 20; Köbler, DRG 163; Hofmann, F., Die Lehre vom titulus und modus acquirendi, 1873

Mohammed (Abul Kasim Muhammad Ibn Abd Allah, Mekka um 569-Medina 8. 6. 632) ist der aus führender Familie (Haschimiden) stammende Stifter des → Islam (20. 9. 622 Hedschra von Mekka nach Medina), der seine Offenbarungserlebnisse im ® Koran nieder­schreibt.

Lit.: Köbler, DRG 76; Watt, W., Muhammad at Medina, 1956; Paret, R., Mohammed und der Koran, 1957, 9. A. 2005, 10. A. 2008; Lüling, G., Die Wiederentdeckung des Propheten Mohammed, 1981; Mohammed in Europa, hg. v. Gabrieli, F., 1997; Bobzin, H., Mohammed, 2000; Lings, M., Muhammad, 2000; Hotz, S., Mohammed und seine Lehre in der Darstellung abendländischer Autoren vom späten 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, 2002; Jansen, H., Mohammed, 2008; Nagel, T., Mohammed, 2008

Mohl, Robert von (Stuttgart 17. 8. 1799-Berlin 5. 11. 1875), Konsistorialpräsidenten­sohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut, Zachariae) 1824 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Tübingen, 1827 ordentlicher Professor in der staatswirtschaftlichen Fakul­tät, 1847 Professor in Heidelberg. Seine von klarer Syste­matisierung, Einbeziehung der Rechtswirklich­keit und rechtsstaatlichem Grundverständnis geprägten Hauptwerke sind das Staatsrecht des Königreichs Württemberg (1829ff.) und die Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates (1832ff.), in denen Verfassungsrecht und Verwal­tungsrecht trotz Trennung aufeinander bezo­gen werden. 1846 verlangt er die Regie­rungsbildung durch die Mehrheit der Volks­ver­tretung.

Lit.: Köbler, DRG 193; Angermann, E., Richard von Mohl 1799-1875, 1962; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2 1992, 172; Schroeder, K., Robert von Mohl, NJW 1998, 1518; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D., 2004

Moldawien (Moldau) ist ein schon mittelalterliches osteuropäisches Fürstentum längs des Flusses Pruth, das 1359 von Ungarn unabhängig wird, 1504 die Osmanen (Türkei) als Schutzherren anerkennen muss (1817 Zivilgesetzbuch unter dem Einfluss Franz von Zeillers) und 1862 zusammen mit der Walachei → Rumänien bildet bzw. 1918 von Russland, das seit 1814 Deutsche ansiedelt (1940/1942 umgesiedelt, 1945 geflüchtet), an Rumänien kommt. Die aus der von der Sowjetunion im ukrainischen Transnistrien gebildeten Autonomen Moldauischen Sowjet­republik und dem größten Teil Bessarabiens 1945 gefomte Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik verselbständigt sich mit der Auflösung der Sowjetunion 1991.

Lit.: Mantzuphas (Mantzoufas), G., He hermeneia Zeiller, 1955; Mantzuphas (Mantzoufas), G., Die Gründe für die absichtliche Verschweigung der österreichischen Vorlagen des moldauischen Codex Civilis vom Jahre 1817, ZRG GA 82 (1965), 326; Völkl, E., Das rumänische Fürstentum Moldawien, 1975; Spinel, V., Moldavia, 1986; Galizien, Bukowina, Moldau, hg. v. Glassl, H., 1994; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; King, C., The Moldovans, 2000

Molina, Luis de (1535-1600) wird nach kurzem Studium des Rechts in Salamanca und dem Studium der Logik, Philosophie und Theologie Theologe und Naturrechtler in Evora, Coimbra, Lissabon, Madrid, Cuenca und Madrid. Sein juristisches Hauptwerk (De iustitia et de iure, 1593ff., Von Gerechtigkeit und Recht) stellt das (ortsverschiedene und zeitverschiedene) Naturrecht (göttliche Recht) und das (das [lat.] ius gentium, Völkerrecht, einschließende) positive Recht (römisches, kirchliches, katholisches Recht) dar.

Lit.: Weber, W., Wirtschaftsethik am Vorabend des Liberalismus, 1959, 69; Krause, O., Naturrechtler des 16. Jahrhunderts, 1982, 48

Molinaeus → Du Moulin

Molsheim im Elsass ist von 1618 bis 1701 Sitz einer Universität.

Mommsen, Theodor (Garding 30. 11. 1817-Charlottenburg 1. 11. 1903, Vater Pfarrer) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Falck, Kierulff) 1843 Lehrer, (Auslandsaufenthalt in Frankreich und Italien,) 1848 Journalist, im gleichen Jahr außerordentlicher Professor des römischen Rechts in Leipzig (1850 wegen seiner Beteiligung an der Maierhebung 1849 entlassen), 1852 Professor in Zürich, 1854 in Breslau und 1861 Professor für alte Geschichte in Berlin. Sein berühmtestes Werk ist seine römische Geschichte (Bd. 1ff. 1854ff., 1902 Literaturnobelpreis). In der Rechtswissenschaft hat er sich durch sein römisches Staatsrecht (Bd. 1ff. 1871, Neudruck 1955, 1963), sein römisches Strafrecht (1899, Neudruck 1955, 1961) und seine grundlegende Neuausgabe der Digesten und anderer Quellen (Codex Theodosianus usw.) herausragende Verdienste erworben.

Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 193; Hartmann, L., Theodor Mommsen, 1908; Heuß, T., Theodor Mommsen und das 19. Jahrhundert, 1956, Neudruck 1996; Wucher, A., Theodor Mommsen, 2. A. 1968; Theodor Mommsen, Römische Kaisergeschichte, hg. v. Demandt, B. u. a., 1992; Behne, F., Heinrich Siber und das römische Staatsrecht von Theodor Mommsen, Diss. jur. Göttingen 1998; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2002; Mommsen, T., Römische Geschichte und römisches Recht, hg. v. Damken, M., 2002 (CD-ROM); Theodor Mommsen – Gelehrter, Politiker und Literat, hg. v. Wiesehöfer, J., 2005; Theodor Mommsens langer Schatten, hg. v. Nippel, W. u. a., 2005; Wickert, L., Theodor Mommsen, 2006; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2007

mompar (mhd.) Vormund

Mömpelgard (Montbéliard) ist die westlich von Basel gelegene reichsunmittelbare Grafschaft des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation), die im 18. Jh. von Frankreich annektiert wird.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kläui, P., Hochmittelalterliche Adelsherrschaft im Zürichgau, 1960; Johann Mosers mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983

Monarchie (griech. Einherrschaft) ist die Staatsform, bei der grundsätzlich ein einzelner Mensch (oft von Gottes Gnaden) (bis zu seinem Tode) als Träger der Staatsgewalt an der Spitze des Staates steht. Sie ist bereits bei Aristoteles (384 v. Chr.-322 v. Chr.) neben Aristokratie und Demokratie als eine (gute) Staatsform bezeugt (Ge­gensatz Tyrannei). Seit dem Hoch­mittelalter kann die M. ständisch beschränkt werden. Seit 1688 entwickelt sich in England die konstitutionelle Monarchie. Ihr folgt am Ende des 19. Jh.s die parlamentarische M. (England 1834/1835, Deutscher Bund theoretisch ab 1840, Dänemark 1907, Deutsches Reich 28. 10. 1918). Am Ende des ersten Weltkrieges werden verschiedene europäische Monarchien in Republiken umgewandelt.

Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 133; Martitz, F. v., Die Monarchie als Staatsform, 1903; Löwenstein, K., Die Monarchie im modernen Staat, 1952; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kammler, H., Die Feudalmonarchien, ZRG GA 93 (1976), 367; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Giesey, R., Le roi ne meurt jamais, 1987; Dreitzel, H., Monarchiebegriffe in der Fürstengesellschaft, 1991; European Monarchy, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1992; Wienfort, M., Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Kirsch, K., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Panitschek, P., Lugal - sarru - basileus - Formen der Monarchie im alten Vorder­asien, 2008

Monarchisches Prinzip ist das den Monarchen (trotz Gewährung einer Verfassung) als alleinigen Träger der Staats­gewalt betrachtende Prinzip, das von der Wiener Schlussakte des Deutschen Bundes 1820 zum Verfassungsgrundsatz erhoben wird. Es entsteht um 1800 (1804/1806) als Schlagwort. In einer Rezension in den Göttinger gelehrten Anzeigen vom 21. 9. 1837 entzieht Wilhelm Albrecht, indem er den Monarchen als Organ der juristischen Person Staat einordnet, dem monarchischen Prinzip erstmals die Legitimationsgrundlage. Seit 1848 wird das monarchische Prinzip zurückgedrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Kaufmann, E., Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips, 1906; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Meisner, H., Die Lehre vom monarchischen Prinzip, 1913; Göcken, G., Friedrich von Gentz, Diss. jur. Bonn 1962; Die Entstehung des modernen Staates, hg. v. Hofmann, H., 1967, 115; Frotscher, W., Monarchisches Prinzip kontra liberale Verfassungspositionen, JuS 2000, 943

Monarchomache (M.) Königsbekämpfer (2. H. 16. Jh.)

Lit.: Stricker, G., Das politische Denken der Monarchomachen, Diss. phil. Heidelberg 1967

Mönch ist der Angehörige einer religiösen Gemeinschaft. Das Mönchtum innerhalb des Christentums erscheint schon im Altertum. Es verbreitet sich rasch in Ägypten, Palästina und Syrien und dringt seit etwa 370 n. Chr. auch im Westen ein. Der erste bedeutsame Orden sind die Benediktiner Benedikts von Nursia.

Lit.: Herwegen, I., Das pactum des hl. Fruktuosus von Braga, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Laske, W., Das Problem der Mönchung in der Völkerwanderungszeit, 1973; Prinz, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Semmler, J., Mönche und Kanoniker im Frankenreich, 1980; Penco, G., Medioevo monastico, 1988; Monks, Nuns, and Friars, hg. v. King, E. u. a., 1990; Frank, K., Geschichte des christlichen Mönchtums, 5. A. 1993; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 3. A. 1998; Mönchtum, Kirche, Herrschaft 750-1000, 1998; Füser, T., Mönche im Konflikt, 2000

Mönchengladbach

Lit.: Brasse, E., Geschichte der Stadt und Abtei Gladbach, Bd. 1ff. 1914ff.

Mongole ist der Angehörige eines zunächst am oberen Amur nomadisierenden, unter Dschingis Khan (1155-1227) weit nach Westen (Russland 1223, Schlacht bei Liegnitz 1241) und Süden (China 1211ff.) ausgreifenden Volkes, dessen Großreich 1260 (u. a. Niederlage in Palästina) zerfällt.

Lit.: Hethum von Korykos, Geschichte der Mongolen (1307), übers. v. Senoner, R., hg. v. Baum, W., 2006; Die Mongolen in Asien und Europa, hg. v. Conermann, S./Kusber, J., 1997; Weiers, M., Geschichte der Mongolen, 2004

Monopol ist die Marktform, bei der Angebot (Angebotsmonopol) oder Nachfrage (Nachfrage­monopol) in einer Person vereinigt sind. Das M. wird in der frühen Neuzeit zum Rechtsproblem, mit dem sich die Gesetzgebung des Heiligen römischen Rei­ches (deutscher Nation) befasst. Der Libe­ralismus wendet sich gegen das M.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 150; Höffner, J., Wirtschaftsethik und Monopole, 2. A. 1969; Mertens, B., Im Kampf gegen die Monopole, 1996

Montanunion ist die zwecks Kontrolle der Rüstungsindustrie Deutschlands 1951/1952 von Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg begründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EKGS), in der eine besondere Form der → Mitbestimmung gilt. Der am 18. 4. 1951 abgeschlossene, am 23. 7. 1952 in Kraft getretene Vertrag ist nach fünzigjähriger Laufzeit 2002 ausgeläufen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gillingham, J., Coal, Steel and the Rebirth of Europe, 1991; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Montenegro (Name seit dem 16. Jh. gebräuchlich) ist das unzugängliche Gebirgsland östlich der mittleren Adria, das seit dem 13./14. Jh. als Einheit erscheint, bis es 1528 an die Osmanen (Türkei) fällt. Hier wird es unter einem Metropoliten verhältnismäßig selbständig. 1798 erhält es ein Staatsgesetz. 1852 wird es weltliches Fürstentum. 1878 wird M. auf dem Berliner Kongress unabhängig (Allgemeines Vermö­gens­ge­setzbuch von Montenegro 1888), 1910 Königreich. 1918 schließt es sich Jugoslawien an, bei dem es nach 1990 unter stärkererer Autonomie zunächst verbleibt, bis es sich nach einer Volsabstimmung zum 3. 6. 2006 (mit 620000 Einwohnern auf 14000 Quadratkilometern) wieder verselbständigt.

Lit.: Istorija Crne Gore, Bd. 1f. 1967ff.; Petit, C., The Code and the goats, ZNR 1998, 212

Montesquieu, Charles Louis de Secondat Baron de la Brède et de (La Brède 18. 1. 1689-Paris 10. 2. 1755) wird nach dem Rechtsstudium in Bordeaux 1714 Rat und 1726 Parlaments­präsident. Seit 1721 kritisiert er in den anonymen persischen Briefen (Lettres per­sanes) die politischen und gesellschaftlichen Zustände Frankreichs. 1748 entwickelt er in seinem anonym veröffentlich­ten Hauptwerk De l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze) zum Schutz der persönlichen Freiheit des Einzelnen gegen ein Gewaltmonopol auf Grund des englischen Vorbildes die Lehre von der Dreiteilung der Staatsgewalt (→ Gewaltenteilung) in Aus­führung (Exekutive), Gesetzgebung (Legis­la­tive) und Rechtspre­chung (Judikative). Das an die Zustimmung des Volkes gebundene und damit Willkür ausschließende Gesetz soll der Gerechtigkeit entsprechen, vom gesamten je­weiligen Volk verstanden werden, für alle einheitlich sein und den gesamten Stoff um­fassen (Kodifikation). Weil Religion, Sitten und Geschichte des jeweiligen Volkes sowie Lage und Klima des besonderen Landes zu beachten seien, lehnt M. ein absolutes, überall in gleicher Weise geltendes → Naturrecht ab. M. bejaht die Gesetzmäßigkeit der geschicht­lichen Entwicklung.

Lit.: Köbler, DRG 139, 146, 190, 199; Shackleton, R., Montesquieu, 1961; Montesquieu, C., Vom Geist der Gesetze, hg. v. Forsthoff, E., 2. A. 1992; Desgraves, L., Montesquieu, 1986; Gewaltentrennung im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Schlosser, H., Montesquieu, 1990; Herdmann, F., Montesquieurezeption in Deutschland, 1990; Goyard-Fabre, S., Montesquieu, 1993; Kondylis, P., Montesquieu und der Geist der Gesetze, 1996; Desgraves, L., Montesquieu, 1996; Mass, E., Der Einfluss Montesquieus, (in) Wandel von Recht und Rechtsbewusstsein, 1999, 107; Cattaneo, M., Montesquieus Strafrechtsliberalismus, 2002; Montesquieu-Traditionen in Deutschland, hg. v. Mass, E. u. a., 2005

Montgelas, Maximilian Joseph Freiherr von (München 12. 5. 1759-14. 6. 1838), Generalssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg Hofrat in München, 1799 Außenminister in Bayern. Er gestaltet eine moderne, einheitliche und zentralisierte Verwaltung nach dem Vorbild Frankreichs in Bayern. In der Konstitution von 1808 be­seitigt er die ständischen Vorrechte.

Lit.: Weis, E., Montgelas, 1971ff.; Weis, E., Maximilian Graf von Montgelas, JuS 2009, 772

Montpellier in Südfrankreich ist seit etwa 1170 Ort rechtlicher Lehrveranstaltungen (→ Placentinus), seit dem 13. Jh. Sitz einer Universität, später dreier Universitäten.

Lit.: Köbler, DRG 100; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Gouron, A., La science du droit dans le midi, 1984; Histoire de Montpellier, hg. v. Cholvy, G., 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 123

Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (lat.) (1819 von Freiherr Karl vom Stein ins Leben gerufene Veröffentlichungsreihe der bedeutendsten älteren) deutsche(n) Geschichtsquellen

Lit.: Köbler, DRG 6; Breßlau, H., Geschichte der Monumenta Germaniae historica, 1921; Grundmann, H., Monumenta Germaniae Historica, 1969

Monzambano, Severinus de (Pseudonym Samuel → Pufendorfs 1667)

Moorleiche ist die im Moor aufgefundene Leiche. Sie kommt als rechtsgeschichtliche Erkenntnisquelle in Betracht (→ Sittlichkeits­verbrechen). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden infolge des Übergangs von der händischen Torfgewinnung zum Einsatz von Maschinen Moorleichen kaum mehr gefun­den.

Lit.: Pappenheim, M., Moorleichen, ZRG GA 22 (1901), 354; Eckhardt, K., Ein neuer Moorleichenfund, ZRG GA 60 (1940), 252; Dieck, A., Die europäische Moorleichenfunde, 1965; Brock, T., Moorleichen, 2009

Moosburg

Lit.: Hiereth, S., Mossburg 1950; Hiereth, S., Moosburg, 1986

mora (lat. [F.]) Verzug

Lit.: Kaser §§ 37 III 1, 51 I 4; Köbler, DRG 44

Moral (F.) Gesamtheit der Sitten

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991; Baurmann, M., Der Markt der Tugend, 1996; Legalität, Legitimität und Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008

moralisch (Adj.) sittlich, den Sitten (lat. mores) entspre­chend (z. B. moralische Per­son)

Morastein ist der südöstlich von Uppsala gelegene Ort (Steinring) der Erhebung der mittelalterlichen Könige in Schweden.

Lit.: Holmgren, G., Gamla Uppsala och Mora äng, 1937; Hoffmann, E., Königserhebung und Thron­folgeordnung, 1976

Moratorium (N.) Zahlungsaufschub

Lit.: Kaser § 53; Oberndorff, L. Graf v., Das vom Landesherrn oder von Staatswegen erteilte Moratorium, Diss. jur. Greifswald 1905; Eberle, H., Die Begründung des Moratoriums, Diss. jur. Jena 1937

Mord ist die Tat des Mörders. Der M. ist ein Fall qualifizierter Tötung eines anderen Menschen. Im Frühmittelalter und vermutlich auch in germanischer Zeit ist M. die beispielsweise durch Zudecken verheimlichte Tötung. Seit dem Spätmittelalter ist M. die vorbedachte, in bestimmter Weise besonders qualifizierte Tötung (anders Österreich).

Lit.: Söllner §§ 8, 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 119, 158; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 76, Neudruck 1964, Bd. 2 1935, 90; Munske, H., Der germanische Rechts­wortschatz, 1973; Der Mord der Juden, hg. v. Jäckel, E., 1985; Thomas, S., Geschichte des Mord­paragraphen, 1985; Gschwend, L., Der Studentenmord von Zürich, 2002; Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002; Nolde, D., Gattenmord, 2003; Linka, K., Mord und Totschlag, 2008

Mordbrand ist die heimlich verübte → Brandstiftung, als deren Strafe im Sachsenspiegel (1221-1224) das Rädern er­scheint.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

More geometrico (lat.) auf geometrische Art (z. B. durch Pufendorf [1672] erfolgende Rechtswissenschaft) → mos geometricus

Lit.: Köbler, DRG 146

Mores (lat. [M.Pl.], Sg. mos) sind im römischen Recht die (hergebrachten) Sitten (der Väter [lat. maiorum]). Sie beeinflussen vor allem das altrömische Recht.

Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 17, 51; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52

Morganatisch ist eine von der → Morgengabe abgeleitete Bezeichnung. Die morganatische Ehe (Ehe zur linken Hand) ist eine zuerst im spätmittelalterlich-ober­italienischen Recht (Mailand) bezeugte, bis 1875/1918 (für den Adel) zulässige Form der → Ehe. Zwischen Mann und Frau tritt (vor allem wegen Standesungleichheit gewollt) keine Rechtsgemeinschaft ein. Die Kinder werden, obwohl der Vater die väterliche Gewalt über sie hat, nur der Mutter zuge­rechnet.

Lit.: Geschichte morganatischer und legitimierter Fürs­ten- und Grafenehen in Deutschland, 1874; Weyhe-Eimke, A. v., Die rechtmäßigen Ehen des hohen Adels, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Morgengabe ist spätestens seit dem Früh­mittelalter eine Gabe (meist) des Mannes an die Frau nach der Hochzeitsnacht (z. B. Schmuck, Vieh, Leute, Grundstücke, Geld). Sie wird vielfach vom Mann verwaltet. Das an der M. entwickelte besondere Erbrecht schwindet zuerst in den Städten des hohen Mittelalters (vgl. aber § 1232 ABGB).

Lit.: Hübner 665; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 88, 123; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechtes in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973, 45, 124

Morgensprache (F.) Zunftversammlung

mors (F.) civilis (lat.) → bürgerlicher Tod

Lit.: Borgmann, B., Mors civilis 1969; Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81

Mortgage ist im mittelalterlichen französischen Recht das zur Fruchtziehung am Pfandgrundstück berechtigende Pfand­recht.

Lit.: Hübner 405; Viollet, P., Droit privé, 1905, 784

mortuarium (lat. [N.]) Sterbefallabgabe

Mortuus redhibetur (lat.). Der Tote wird zurückgewährt (gemeint ist der zufällig untergegangene Sachgegenstand eines Aus­tauschgeschäftes).

Lit.: Caemmerer, E. v., Mortuus redhibetur, FS K. Larenz, 1973, 621; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 21, 1, 31 § 11)

Morus (More), Thomas Sir (London 7. 2. 1478-6. 7. 1535), Juristensohn, wird nach dem Studium der alten Sprachen und des Rechts in London 1501 Rechtsanwalt, 1504 Parlamentarier im Unterhaus, 1510 undersheriff und 1529 als erster Laie Lordkanzler. Befreundet mit Erasmus von Rotterdam verfasst er, beeinflusst von der Entdeckung Amerikas, 1516 eine zeitkritische Beschreibung eines idealen Staates (Utopia, Nirgendland). Weil er nach der Scheidung Heinrichs VIII. von Katharina von Aragon und der daraufhin erfolgenden Trennung Englands von der katholischen Kirche einen Eid auf den anglikanischen König Heinrich VIII. verwei­gert, wird er 1535 wegen Hoch­verrats hingerichtet.

Lit.: Chambers, R., Thomas More, 1935; Guy, J., Sir Thomas Morus, 1979; Trapp, J., Erasmus, Colet and More, 1991; Ackroyd, P., The Life of Thomas More, 1999

mos (lat. [M.]) Sitte → mores (M. Pl.) Sitten

Lit.: Gehrke, H., Römischer mos und griechische Ethik, HZ 258 (1994), 593; Mos maiorum hg. v. Linke, B. u. a., 2000

mosaisches Recht → biblisches Recht, jüdi­sches Recht

Lit.: Smend, R., Mose als geschichtliche Gestalt, HZ 260 (1995), 1

Mosbach (976 Reichsabtei, um 1241 Siedlung im Reichssteuerverzeichnis)

Lit.: Mosbacher Urkundenbuch, bearb. v. Krimm, K., 1986

Moser (von Filseck und Weilerberg), Johann Jakob (Stuttgart 18. 1. 1701-30. 9. 1785), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen außerordentlicher Professor in Tübingen (1720-1721), dann freier Berater, 1726 Regierungsrat, 1727 Titularprofessor in Tübingen, 1734 Regierungsmitglied, 1736 Universitätsdirektor in Frankfurt an der Oder, 1739 Privatgelehrter, 1745 Berater, 1745 geheimer Rat, 1749 Akademiegründer, 1751 Landschaftskonsulent, 1759 verhaftet und nach 1764 wieder Privatgelehrter. In 500 bis 600 Bänden sammelt er hauptsächlich staatsrechtliches Material (Teutsches Staats­recht, Teil 1ff. 1737ff., Neues teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1766ff.), wobei er die Geschichte als objektive Hilfswissenschaft für das Staatsrecht versteht. Das Völkerrecht gewinnt er vor allem aus Vertrag und Herkommen.

Lit.: Moser, J., Grundriss der heutigen Staatsverfassung des teutschen Reiches, 7. A. 1754, Neudruck 2001; Moser, J., Lebensgeschichte Johann Jacob Mosers, 1768; Schmid, A., Das Leben Johann Jacob Mosers, 1868; Wächter, O., Johann Jacob Moser, 1885; Schulze, H., Johann Jacob Moser, 1869; Leschhorn, A., Johann Jakob Moser und die Eidgenossenschaft, 1965; Rürup, R., Johann Jacob Moser, 1965; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jacob Mosers, 1968; Johann Mosers mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 258

Möser, Justus (Osnabrück 14. 12. 1720-8. 1. 1794), Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Göttingen Sekretär (1741), Rechtsanwalt (1744), Syndikus (1756), Justitiar (1762) und 1764 Konsulent im Osnabrückischen. Er wirkt in vielfältiger Weise als aufgeklärter konservativer Schrift­steller. Sein Hauptwerk sind seine patrioti­schen Phantasien (Bd. 1ff. 1774ff.).

Lit.: Hatzig, O., Justus Möser, 1909; Brünauer, U., Justus Möser, 1933; Klassen, P., Justus Möser, 1936; Maußer, E., Das Rechtsdenken Justus Mösers, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1942; Möser, J., Sämtliche Werke, Bd. 1ff. 1943ff.; Fiebig, B., Justus Mösers Staatslehre, Diss. jur. Köln 1953; Sheldon, W., The intellectual development of Justus Möser, 1970; Schmidt, P., Studien über Justus Möser als Historiker, 1975; Schmelzeisen, G., Justus Mösers Aktientheorie, ZRG GA 97 (1980), 254; Schröder, J., Justus Möser als Jurist, 1986; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Welker, K., Rechtsgeschichte als Rechtspolitik, 1996; Möser-Bibliographie 1730-1990, hg. v. Woesler, W., 1997; Möser, J., Politische und juristische Schriften, hg. v. Welker, K., 2001; Oestmann, P., Wahre deutsche Denkungsart, ZRG GA 121 (2004), 283; Domack, O., Vorarbeit für eine historisch-kritische Ausgabe der Patriotischen Phantasien von Justus Möser, 2004

Mos (M.) Gallicus (lat.) (Tanner 1556 Gallica ratio) ist die zu Beginn des 16. Jh.s entstehende, den älteren mos Italicus (italieniesche Art) ablehne3nde gallische (französische) Art der Rechts­wissenschaft, welche die römischen Quellen stärker hu­manistisch (sprachwissen­schaftlich-geschicht­lich) betrachtet und die einzelnen Stellen textkritisch untersucht (bessere Interpretation besserer Texte). Die bekanntesten Vertreter des m. G. sind → Alciatus (1492-1550), → Budaeus (1467-1540), → Cuiacius (1522-1590), → Donellus (1527-1591), Dionysius → Gothofredus (1549-1622) und Jacobus Gothofredus (1587-1652) sowie nach Vertreibung der führenden französischen, calvinistisch-hugenottischen Juristen (1562-1598) spätere niederländische Juristen (elegante Jurisprudenz). Bedeutung gewinnt dabei allmählich auch die Ermittlung all­gemeiner Grundsätze und deren Verbindung zu einem systematischen Ganzen.

Lit.: Köbler, DRG 143; Astuti, G., Mos italicus e mos gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F., Privat­rechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967

Mos (M.) geometricus (lat.) ist die geo­metrische oder mathematische Art der Dar­stellung und Beweisführung in Wissen­schafts­fächern der frühen Neuzeit (Simon Grynaeus 1533). In der Rechts­wissenschaft sprechen zuerst Budaeus 1557 und Valentin Forster (1613) diese Frage an­satzweise an. Eine umfassende Darstellung des Naturrechts → more geometrico erfolgt aber erst durch → Pufendorf (1672). Dem fol­gen → Leibniz und vor allem Christian → Wolff in leicht eingängiger Darstellungsform. Mit Wolff en­det der m. g. ziemlich unver­mittelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Röd, W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Der sog. mos geometricus, Quaderni Fiorentini 9 (1979), 179

Mos (M.) Italicus (lat.) (Mopha 1541) ist die aus dem Mittelalter überkommene italienische Art der Rechtswissenschaft. Darunter ist die juristische Ausprägung des scholastischen Unterrichtssystems und des damit ver­bun­de­nen wissenschaftlichen Begrün­dungs­systems und Erkenntnissystems zu verstehen. In ihrem Mittelpunkt stehen Worterklärungen, Herstel­lung logischer und systematischer Zusam­men­hänge in kleineren Bereichen, Zusam­menstellungen von Parallel­stellen aus allen Teilen des römischen (lat.) corpus (N.) iuris civilis, Bildung von Parallelfällen, Auf­lösung von Widersprüchen und Sammlung von Argu­menten für die dem Text entnommene Lö­sung. Der m. I. wird seit Beginn des 16. Jh.s vom → mos Gallicus abgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Astuti, G., Mos italicus e mos gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurispru­denz, 1955; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Carpintero, F., Mos italicus, Ius commune 6 (1977), 108

Moskau an der Moskwa erscheint 1147 als Landsitz und 1156 als eine mit einem Zaun befestigte Stadt. Nach ihrer Zerstörung durch die Mongolen (1237) wird sie 1263 Sitz eines Teilfürstentums, 1326 Sitz des Metropoliten von Russland und wenig später Vorort des Großfürstentums Moskau. 1755 erhält sie eine Universität.

Lit.: Luppi, A./Biagi, E., Moskau, 1981; Crummey, R., The Formation of Muscovy, 1987; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

mos maiorum (lat. [M.]) Sitte der Vorfahren (als Herkunftsangabe eines Rechtssatzes)

Motivirrtum ist der unbeachtliche → Irrtum über den Beweggrund für eine Willenserklä­rung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Mozaraber ist der unter der Herrschaft der → Araber auf der iberischen Halbinsel lebende Christ.

Mpalés, Geórgios (1879-1957) wird nach dem Rechtsstudium in Athen und Berlin 1925 Professor für Zivilrecht in Athen. Er beeinflusst das griechische Zivilgesetzbuch von 1940 maßgeblich und verfasst die führende Kommentierung.

Lit.: Kallias, K., Geórgios Mpalés, 1960

Msida auf Malta erhält 1572 bzw. 1769 eine Universität.

Mucius Scaevola, Quintus (um 140-82 v. Chr.), Rechtskundigensohn, Konsul 95 v. Chr., ist ein bedeutsamer Vertreter der vorklassischen römischen Rechtswissen­schaft. Sein Haupt­werk sind 18 Bücher (lat.) De iure civili (Vom römischen Recht), in denen er das Recht der römischen Bürger systematisch zusammen­fasst. Auf ihn zurückgeführt werden die (lat.) → cautio (F.) Muciana, die eine unter der Bedingung, etwas Bestimmtes nicht zu tun, ausgesetzte Zuwen­dung absichern soll, und die (lat.) → praesumptio (F.) Muciana, nach der bis zum Beweis des Gegenteils alles Vermögen einer Ehefrau als vom Mann herrührend gilt. Auf M. S. greift vor allem → Sabinus wieder zurück.

Lit.: Köbler, DRG 29; Behrends, O., Die Wissenschaftslehre im System des Quintus Mucius Scaevola pontifex, 1976; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 597

Mühldorf

Lit.: Stahleder, H., Mühldorf, 1976

Mühle ist die Vorrichtung zum mechanischen Zerkleinern von Gegenständen, vor allem von Pflanzenteilen (Getreidekörnern). Die tech­nisch der einfachen Handmühle über­legene Wassermühle ist bereits dem römischen Altertum bekannt und gelangt von dort nach Germanien. Seit dem 12. Jh. wird die ursprüngliche Freiheit der Errichtung einer M. von einem landesherrlichen Mühlen­regal überlagert. Dementsprechend entstehen in der frühen Neuzeit besondere Mühlen­ordnungen (z. B. Hessen 1615). Die M. genießt eigenen Friedensschutz. Das Gewerbe des Müllers gilt seit dem Spät­mittelalter vielfach als unehrlich.

Lit.: Koehne, C., Das Recht der Mühlen, 1904; Koehne, C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Schulte, E., Das Gewerberecht, 1909; Kisch, G., Das Mühlenregal im Deutschordensgebiete, ZRG GA 48 (1928), 176; Wiemann, H., Beiträge zur Geschichte des Mühlenrechts, ZRG GA 66 (1948), 477; Moldenhauer, R., Mühlen und Mühlenrecht in Mecklenburg, ZRG GA 79 (1962), 195; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969; Kropač, I., Mühlen und Mühlenrecht in der Steiermark, 1981; Holt, R., The Mills of Medieval England, 1988; Stürmer, S., Mühlenrecht im Herzogtum Zweibrücken, 1998; I mulini nell’Europa medievale, hg. v. Galetti, P. u. a., 2003; Droste, P., Wasserbau und Wassermühlen an der mittleren Rur, 2003; Langdon, J., Mills in the Medieval Economy, 2004

Mühlhausen (Reichsstadt in Thüringen) s. Mühlhäuser Reichsrechts­buch

Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ist das um 1225 (1224-1230 oder nach 1231?) in Mühlhausen im Eichsfeld von einem unbekannten Verfasser in mittelmittel­deutscher Sprache hergestellte, in 3 Hand­schriften überlieferte Stadtrechtsbuch mit zahlreichen fränkischen Rechtssätzen, das auch Landrecht einbezieht und unterschied­liche Sachgebiete (Delikte, Verfah­ren, Gewere, Gericht, Schaden) erfasst. Es wird in Nordhausen und teilweise in Eschwege (nach 1344) aufgenommen. Daneben sind seit 1311 Statuten aufgezeichnet und ist 1351 ein Satzungsbuch angelegt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, hg. v. Meyer, H., 1923, 2. A. 1934, 3. A. 1936, Neudruck 1969; Adenauer, G., Das Ehe- und Familienrecht im Mühlhauser Reichsrechtsbuch, Diss. jur. Bonn 1963; Günther, G./Korf, W., Mühlhausen, 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lau, T., Bürgerunruhen und Bürgerprozesse, 1999; Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen, bearb. v. Weber, W., 2003; Thiele, M., Vae victis. Mühlhausen unter sowjetischer Besatzungsdiktatur 1945-1953, 2004; Bühner, P., Mühlhausen, Zs. d. Ver. f. thür. Gesch. 61 (2007), 59ff.

Mülhausen im → Elsass ist ein 803 erstmals erwähnter Ort, der nach 1221 → Reichsstadt wird. Seit 1515 ist es zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der → Schweiz. 1798 schließt es sich Frankreich an.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,454; Oberlé, R./Livet, G., Histoire de Mulhouse, 1977

Mulefe

Lit.: Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291

Mulier taceat in ecclesia (lat.). Die Frau schweige in der Kirche.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Apostel Paulus, † 64 n. Chr., 1. Korinther 14,34)

Müll ist der trockene Abfall, dessen Beseitigung seit dem 19. Jh. ein allgemeines Verwaltungsproblem wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Müller-Arnold-Prozess ist der Prozess des Wassermüllers Christian Arnold im Kreis Züllichau, der 1774 gegen seinen Erb­verpächter auf Erlass der Mühlenpacht wegen Schwächung des Zuflusses durch einen Oberlieger klagt und 1778 die Mühle durch Versteigerung verliert. Am 11. 12. 1779 bzw. 1. 1. 1780 greift König Friedrich der Große von Preußen selbst in die Angelegenheit ein, lässt Räte des 1779 tätigen Justizkollegiums verhaften, verurteilt sechs zu Festung und weist den Müller und seine Frau wieder in die Mühle ein. Sein Nachfolger entschädigt die Räte, belässt aber die Mühle dem Müller. Der königliche Machtspruch wird nunmehr als Missbrauch der Herrschaftsgewalt verstanden. Im 19. Jh. setzt sich die dadurch be­einträchtigte Unabhängigkeit der Gerichte durch.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Schmidt, E., Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984

München an der Isar, dessen Name auf eine Beziehung zu einem bisher nicht sicher bekannten Kloster (Schäftlarn?) deutet und für das sich keine vorstädtische Besiedlung sicher nachweisen lässt, erhält 1157/1158 von Herzog Heinrich dem Löwen einen Markt, wird seit 1255 allmählich Sitz des Herzogtums Oberbayern bzw. Bayern und erlangt 1840 von Landshut die ursprünglich in Ingolstadt eingerichtete Universität. Sein Recht wird 1340 von Ludwig dem Bayern bestätigt. Am 29./30. 9. 1938 wird in München zwischen dem Deutschen Reich, Großbritannien, Italien und Frankreich das Münchener Abkommen geschlossen, das die deutschsprachigen Sudetengebiete der Tsche­choslowakei (28643 qkm, 3,63 Mill. Men­schen) dem Deutschen Reich zuteilt und dadurch die Kriegsgefahr in Mitteleuropa für kurze Zeit bannt. Im Sommer 1947 gelangt eine gesamtdeutsche Ministerprä­sidenten­konferenz in M. zu keiner Einigung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, 20. Jh.; Rehme, P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs von Bayern, 1911; Denkmäler des Münchner Stadtrechts, hg. v. Dirr, P., Bd. 1f. 1934ff; Reinecke, G., Münchener Privatrecht im Mittelalter, 1936; Bärmann, J., Die Verfassungsgeschichte Münchens im Mittelalter, 1938; Müller-Faßbender, Rolf-Peter, Die Rechtsstellung der städtischen Amtsträger in München, Diss. jur. München 1960; Das Abkommen von München, hg. v. Král, V., 1968; Dölker, W., Das Herbergsrecht in der Münchner Au, 1969; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München, 1972; Kempter, F., Die Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt - Landshut - München, Diss. jur. Mannheim 1976; Rauschhofer, H., Völker­bund und Münchener Abkommen, 1976; München, hg. v. Prinz, F. u. a., 1988; Maier, L., Stadt und Herrschaft, 1989; Zerback, R., Stadt und Bürgertum in München, 1997; Bauer, R., Geschichte Münchens, 2003; Die Universität München im Dritten Reich, hg. v. Kraus, E., 2006; Hartmann, P., Münchens Weg in die Gegenwart, 2008; Lidman, S., Zum Spektakel und Ab­scheu, 2008; München, Bayern und das Reich im 12. und 13. Jahrhundert, hg. v. Seibert, H. u. a., 2008

Mund ist der zum Essen, Trinken und Sprechen nötige menschliche Körperteil, der in der Paarformel Mund und Hand für zu­sprechende Wörter steht.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Mündel ist der unter Vormundschaft stehende Mensch.

Lit.: Hübner

Mündelgut ist das Vermögen des → Mündels. Es wird vom Vormund verwaltet und meist auch genutzt. Nach einem mittelalterlichen Rechtssprichwort soll M. (während der Verwaltung) weder wachsen noch schwinden. Über bewegliche Sachen (Fahrnis) darf der Vormund frei verfügen, über unbewegliche Sachen (Liegenschaften) nur mit Zustimmung des Mündels oder gar nicht. Bei Erreichung der Mündigkeit kann der Mündel ein von ihm oder vom Vormund vorgenommenes Geschäft widerrufen. Seit dem Spätmittelalter wird der Vormund zu einem der Vormundschaftsbehör­de verant­wort­lichen Vertreter des Mündels, der für und gegen den Mündel rechtsgeschäftlich handeln kann. Zum Ausgleich dafür wird die behördliche Aufsicht verstärkt.

Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 62 III 3; Hübner, 729; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

mundiburdium → mundoburdium

Mündigkeit ist der Zustand der Eigenverantwortlichkeit. Im altrömischen Recht verschafft der Eintritt der (lat.) pubertas (F.) (Geschlechtsreife) die volle Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit, bis um 200 v. Chr. eine (lat.) lex (F.) Laetoria die mündigen, noch nicht 25jährigen gegen Übervorteilung zu schützen beginnt. Die M. wird dabei zunächst bei Männern von Fall zu Fall beurteilt, von der Schule der Prokulianer aber mit Vollendung des 14. Lebensjahres anerkannt, bei Frauen schon von Anfang an mit Vollendung des 12. Lebensjahres angenommen. Dem entspricht wohl im Kern auch das germanische Recht. Im Frühmittelalter werden als fester Zeitpunkt der M. die Vollendung des 12. oder 10. oder auch 14. Lebensjahres genannt. Im Laufe des Mittelalters rückt die Zahl (auf 18, 20, 21, 24 oder) bei Aufnahme des späteren römischen Rechts (der Minderjährigkeit) auf 25 Lebens­jahre hinauf. Volle Eigenverant­wortlichkeit erlangen dabei nur die vaterlosen Waisen. Bei den übrigen tritt die M. mit Abschichtung (bzw. Ehe­schließung) ein. Seit dem Spätmittelalter setzen sich die Altersstufen des römischen Rechts durch. Zwischen sieben und 25 wird der Mensch im Wesentlichen gleich behandelt. Deswegen wird die M. vielfach mit der Volljährigkeit gleichgesetzt und danach von dieser weitgehend verdrängt (anders Ehemündigkeit, Eidesmündigkeit). Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) unterteilt in unmündige Minderjährige (7-14) und mündige Minder­jährige (14-24), wobei die mündigen Minder­jährigen über durch Fleiß erworbenes Ein­kommen und nach erreichter Mündigkeit zum Gebrauch erhaltene Sachen frei verfügen dürfen (§ 151 ABGB).

Lit.: Kaser § 14 II 2, 58 IV 1; Köbler, DRG 88, 120, 160; Distel, T., Zur Mündigkeit in Sachsen a. L. (1537, 1541), ZRG GA 16 (1895), 216; Ebersold, G., Mündigkeit, 1980

mundium (lat.-afrk.) → munt

Mündlichkeit ist die durch Sprechen und Hören im Gegensatz zu Schreiben und Lesen geprägte Kennzeichnung. Deshalb unterliegt das gesamte Recht anfangs der M. Mit der Erfindung und Verallgemeinerung der Schrift wird die M. aber zurückgedrängt. Dabei können nach dem Schwinden der Schriftkultur des Altertums im Frühmittelalter nur wenige Geistliche schreiben. Im 13. Jh. steigt die Schriftlichkeit sprunghaft an. Erst im 19. Jh. wird demgegenüber der Versuch unternommen, der M. im Verfahrensrecht bewusst wieder einen festen Platz zu sichern (z. B. Code de procédure civile 1806, österreichisches Verfahren in Ehesachen 1819, österreichisches Verfahren in summari­schen Sachen 1845, Hannover 1850, Baden 1864, Württemberg 1868, österreichisches Verfahren in Rechtsstreitigkeiten mit ge­ringem Streitwert 1873, Reichszivilprozess­ordnung des Deutschen Reichs 1877/1879).

Lit.: Kaser § 80 I 2, 87 I 6; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155, 201f.; Scholz, M., Hören und Lesen, 1980

mundoburdium (lat.-afrk. [N.]) Schutzgewalt, Vormundschaft

municipium (lat. [N.]) Stadt

Lit.: Kaser § 17 II 2; Köbler, DRG 32, 36; Simshäuser, W., Iuridici und Munizipalgerichtsbarkeit in Italien, 1973; Galsterer, H., Herrschaft und Verwaltung im republikanischen Italien, 1976

Münnerstadt

Lit.: Dinklage, K., Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1983

Münster an der Aa wird 793 Ausgangsstelle der Friesenmission des Bischofs Liudger und entwickelt sich von hier aus seit dem Hochmittelalter zum größten geistlichen Fürstentum in Deutschland, für das am 3. 10. 1571 eine Landgerichtsordnung und eine Hofgerichtsordnung verkündet werden. Das vor den Landgerichten um Münster angewendete Recht ist nur vereinzelt aufgezeichnet. Es ist überwiegend deutsches, vom sächsischen Recht nur wenig beeinflusstes Recht. 1648 wird in M. ein Friedensvertrag geschlossen, mit dem Spanien und die sieben vereinigten Niederlande den achtzigjährigen Krieg beenden und Holland, Seeland, Groningen, Utrecht, Friesland, Gel­derland und Overijssel aus dem Heiligen römischen Reich ausscheiden. 1780 wird in M. eine Universität (bis zur weitgehenden Schließung zu Gunsten Bonns 1818) eingerichtet. Von 1815 bis 1946 ist M. Hauptstadt der Provinz Westfalen Preußens. 1902 wird wieder eine juristische Fakultät eröffnet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung, 1908; Meister­ernst, B., Die Grundbesitzverhältnisse in der Stadt Münster im Mittelalter, 1910; Hövel, E., Das Bürgerbuch der Stadt Münster 1538-1660, 1936; Friemann, H., Die Territorialpolitik des münsterischen Bischofs Ludwig von Hessen, 1937; Hermann, J., Die Universität Münster, 2. A. 1950; Krogmann, W., Zur Überlieferung der Bischofssühne, ZRG GA 76 (1959), 338; Prinz, J., Mimigernaford – Münster, 1960; Münsterisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Prinz, J., 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum Münster, 1964; Schmitz, H., Die hochstift-münsterische Regierung von 1574-1803, Westfäl. Zs. 116 (1966), 27; Koehler, B., Münster, HRG, Bd. 3 1980, 746; Nabrings, A., Strafrecht und Strafverfolgung, Westfäl. Z. 135 (1985), 9; Walter, A., Die Beamtenschaft in Münster, 1987; Kirchhoff, K., Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift Münster, 1988; Klötzer, R., Die Täuferherrschaft von Münster, 1992; Michaelis, K., Die Universität Münster 1945-1955, 1998; Oer, R. Freiin v., Der münsterische Erbmännerstreit, 1998; Steveling, L., Juristen in Münster, 1999; Das Bistum Münster, bearb. v. Kohl, W., 1999f.; Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld, B. u. a., 2000; Schumacher. S., Das Rechtssystem im Stift Münster in der frühen Neuzeit, 2004

municipium (lat. [N.]) Stadt (ohne römisches Bürgerrecht bzw. ohne Stellung als colonia)

Munt (ahd. [F.], zu lat. manus [F.], Hand) ist im Mittelalter die Gewalt eines Menschen über einen anderen Menschen (z. B. Vater über Kind, Vormund über Mündel, Mann über Frau, Herr über Gesinde). Die m. über ein Kind entsteht mit der Aufnahme nach der Geburt und endet mit der Verselbständigung (Abschichtung, Verheiratung). In der Neuzeit wird die m. von der (väterlichen) Gewalt (lat. [F.] potestas) verdrängt.

Lit.: Hübner 615; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 160; Köbler, WAS; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1ff. 1835ff.; Köstler, R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Eckhardt, K., Beilager und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Molitor, E., Zur Entwicklung der Munt, ZRG GA 64 (1944), 112; Cortese, E., Per la storia del mundio in Italia, Rivista Italiana per le scienze giuridiche 91 (1955/1956), 323; Klug, D., Die Munt im Münchner Stadtrecht, Diss. jur. München 1958; Hlawitschka, E., Eine oberitalienische Muntverkaufsurkunde aus dem Jahre 975 in der Stiftsbibliothek Sankt Gallen, ZRG GA 76 (1959), 328; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft, 1968

Muntat (F.) ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) vor allem das Immunitätsgebiet (im engeren Sinn).

Lit.: Hofmann, K., Die engere Immunität, 1914; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957

Muntbrief (M.) Schutzurkunde

Muntehe ist im Mittelalter die → Ehe, bei der die Frau in die → munt des Mannes fällt. Den Gegensatz bildet die muntfreie Ehe.

Muntschatz (M.) Heiratsgut

Münze ist ein nach Zusammensetzung und Gewicht genau bestimmtes, in Metall geprägtes Geldstück, wie es im 1. Jt. v. Chr. (Vorläufer mit einem Punzenbild versehene Elektronklümpchen 15. Jh. v. Chr. Knossos und Zypern, Münzen 7. Jh. v. Chr. Westkleinasien, 289 v. Chr. Rom aes grave, As) erscheint. Der Name leitet sich davon her, dass die Münzprägewerkstatt der Römer sich im Tempel einer Sondergöttin der etruskischen (lat.) gens (F.) Moneta befindet. In Rom wird das zuerst gewichtsmäßig gehandelte Rohkupfer im 4. Jh. v. Chr. in feste Größen mit zugehörigen Gewichts­angaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden dabei Münzen von 300 g (1 Pfund, lat. [F.] libra) verwendet. Seit 187 v. Chr. erscheint der Silberdenar (lat. denarius [M.] argenteus) mit 10 As von 4,55 Gramm Gewicht, seit Caesar die Goldmünze (lat. [M.] aureus, Konstantin lat. [M.] solidus). Die Germanen kennen zunächst nur römische Münzen als Kostbarkeiten. Um die Mitte oder nach der Mitte des 5. Jh.s entstehen auf römische Prägungen des 4. Jh.s zurückgehende Brakteaten der Völkerwanderungszeit. Das Frühmittelalter verwendet zwar Pfennig (denarius), Schilling (solidus) und Pfund als Rechnungseinheit, prägt aber trotz etwa 800 bekannter mero­wingischer Münzstätten bald nur noch den königlichen Silberdenar auch wirklich aus (62 Fundstätten frühkaro­lingischer Prägungen aus mehr als 50 Prägeorten mit jeweils weniger als 100 Denaren, um 900 ist das rechtsrheinische Gebiet des ostfränkischen Reiches noch ohne Münzprägung, fast alle ostfränkischen Mün­zen von 900 bis 1100 gelangen durch den Fernhandel nach Skandinavien, Polen und Russland). Das Recht zur Münzprägung wird vom König als → Regal in Anspruch genommen, das er durch Privileg verleihen kann. Zwischen 1138 und 1254 lassen sich dabei königliche (staufische) Münzstätten in 52 deutschen Orten nachweisen (Aachen, Altenburg, Andernach?, Annweiler, Bern, Biberach, Boppard, Breisach, Buchhorn, Colmar, Donauwörth, Dortmund, Duisburg, Eger, Eschwege, Essen, Frankfurt am Main, Friedberg, Gelnhausen, Goslar, Hagenau, Hammerstein, Kaiserslautern, Kaiserswerth, Leutkirch, Lindau, Lübeck, Maastricht, Memmingen, Mühlhausen, Murrhardt, Nim­wegen, Nordhausen, Nürnberg, Offenburg, Oppenheim, Ravensburg, Rottweil, Saalfeld, Schlettstadt, Schongau, Schwäbisch Hall, Schweinfurt, Sinsheim, Überlingen, Ulm, Wangen, Würzburg, Weißenburg, Wetzlar bzw. Kalsmunt, Wien und Worms). Im Hochmittelalter geht das Münzprägerecht tatsächlich auf die Landesherren über. Im 19. Jh. wird das dadurch weitgehend parti­kularisierte und auch durch Münzverträge nur ansatzweise vereinheitlichte Münzwesen auf übereinstimmende Größen umgestellt (Preu­ßen 1821 Taler, Süddeutschland 1837 Gulden, Deutsches Reich 1871/3 → Mark). Wegen der andauernden Geldentwertung im 20. Jh. tritt die Münze als Währungseinheit gegenüber dem Papiergeld zurück. Beide verlieren gegenüber der Forderung gegen Geldinstitute (elektronisches Geld) an Be­deutung. Als europäische Währung erscheint zunächst der bzw. die ECU (European Currency Unit) und 1995 rechnerisch bzw. seit 1. 1. 2002 tatsächlich der Euro.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 3, 16, 97, 113, 176; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, Maße, Gewichte, 1896, Neudruck 1972; Luschin von Ebengreuth, A., Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte, 2. A. 1926; Friedensburg, F., Münzkunde und Geldgeschichte der Einzelstaaten, 1926; Jesse, W., Der wendische Münzverein, 1928; Jesse, W., Die deutschen Münzer-Hausgenossen, Wiener numismatische Zeitschrift 63 (1930), 47; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Wörterbuch der Münzkunde, hg. v. Schroetter, F. v. 1932; Troe, H., Münze, Zoll und Markt, 1937; Löning, G., Das Münzrecht im Erzbistum Bremen, 1937; Kamp, N., Moneta regis, 1957; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Völckers, H., Karolingische Münzfunde der Frühzeit, 1965 (SB Göttingen); Der Schatzfund von Corcelles-près-Payerne, vergraben um 1034, 1969 (rund 1000 Münzen); Suhle, A., Deutsche Münz- und Geldgeschichte, 1970; Kahl, H., Hauptlinien der deutschen Münzgeschichte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1878, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Grierson, P., Münzen des Mittelalters, 1976; Göbl, R., Antike Numismatik, 1978; Wadle, E., Münzwesen, HRG, Bd. 3 1981, 770; Rey, M. van, Einführung in die rheinische Münzgeschichte, 1983; Christmann, T., Das Bemühen von Kaiser und Reich um die Vereinheitlichung des Münzwesens, 1988; Kluge, B., Deutsche Münz­geschichte, 1991; Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991; Morrison, C., La numismatique, 1992; Howgego, C., Ancient History from Coins, 1995; Haertle, C., Karolingische Münzfunde, 1997; Wolters, R., Nummi signati, 1999; Derschka, H., Die münzrechtlichen Bestimmungen des Schwabenspie­gels, ZRG GA 120 (2003), 91; Felder, E., Die Personennamen auf den merowingischen Münzen der Bibliothèque nationale de France, 2003; Axboe, M., Die Goldbrakteaten der Völker­wanderungszeit, 2004: Coinage and Identiy in the Roman Provinces, hg. v. Howgego, C. u. a. 2005; Repertorio dei ritrovamenti di moneta altomedievale in Italia (489-1002), hg. v. Arslan, E., 2005 (rund 1000 Funde); Kamp, N., Moneta regis. Königliche Münzstätten und königliche Münzpolitik in der Stauferzeit, 2006; Berghaus, P./Mäkeler, H., Münzkabinett der Universität Uppsala, hg. v. Nilsson, H., 2006; Großer deutscher Münzenkatalog von 1800 bis heute, 25. A. 2009; Weltmünzkatalog 20. & 21. Jahrhundert 1900-2009, 38. A. 2009; DIe deutschen Münzen seit 1871, 21. A. 2009

Münzfälschung ist die unerlaubte Ver­wendung fremder Münzbilder und die Prägung unterwertiger oder untergewichtiger Münzen. Die M. wird im ausgehenden Altertum bestraft, bei Goldmünzen sogar mit der Todesstrafe. Im Frühmittelalter begegnen als Folgen Handverlust, Prügel und Brandmarkung, seit dem 13. Jh. Sieden oder Verbrennen. Bis in das 19. Jh. ist dennoch die M. ein Fall der allgemeinen Fälschung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 274

Münzregal → Münze

Lit.: Volz, P., Königliche Münzhoheit und Münz­privilegien, 1967

Muratori, Lodovico Antonio (Vignola 21. 10. 1672-Modena 23. 1. 1759) wird nach dem Theologiestudium Bibliothekar in Mailand und 1700 in Modena. Mit zahlreichen kritischen Ausgaben italienischer Geschichts­quellen begründet er die neuere italienische Geschichtswissenschaft.

Lit.: Carli, F. de, Lodovico Antonio Muratori, 1955

Murner, Thomas (Oberehnheim 24. 12. 1475-Heidelberg um 1537) durchzieht als Wandergeistlicher Mitteleuropa. 1515 hält er in Trier deutsche Rechtsvorlesungen. 1518 veröffentlicht er lateinisch-deutsche (lat.) Utriusque iuris tituli (M.Pl.) et regulae (F.Pl.) (Beider Rechte Titel und Regeln). 1519 übersetzt er die Institutionen Justinians ins Frühneuhochdeutsche und erwirbt in Basel das juristische Lizentiat.

Lit.: Erler, A., Thomas Murner als Jurist, 1956

Muromcev, Sergej Andreevic (1850-1910) wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Göt­tingen (Ihering) 1875 Professor für römisches Recht in Moskau. Im Einsatz für die Verfassungsbewegung erarbeitet er einen liberalen Entwurf. Er sieht Recht als Verwirklichung gesellschaftlicher Interessen und erklärt die Rechtswissenschaft in Russ­land zu einer das alltägliche Leben bestim­menden Wissenschaft.

Lit.: Leontovich, V., Geschichte des Liberalismus in Russland, 1957; Zor’kin, V., Muromcev, 1980

Murray, Sir William (1705-1793), Peerssohn aus Schottland, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn 1730 Anwalt, 1742 Kronanwalt, 1754 Justizminister, 1756 Oberrichter (Lord Chief Justice) (1776 Earl of Mansfield). In seiner richterlichen Tätigkeit stärkt er die Stellung des Richters zu Lasten der Jury, fördert die Einbeziehung des Handelsrechts in das → common law und unterstützt die Rechtsfort­bildung durch Urteile.

Lit.: Fifoot, C., Lord Mansfield, 1936; Heward, E., Lord Mansfield, 1979; Oldham, J., The Murray Manuscript, 1993

Murten

Lit.: Welti, E., Das Stadtrecht von Murten, 1925

Museum

Lit.: Waidacher, F., Museologie knapp gefasst, 2004; Vieregg, H., Geschichte des Museums, 2008

Muspilli ist ein althochdeutsches Stabreimgedicht der 2. Hälfte des 9. Jh.s über das Weltende durch Feuer (jüngstes Gericht).

Lit.: Mohr, W./Haug, W., Zweimal Muspilli, 1977; Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986

Musteil (Speisevorrat) ist im mittelalterlichen Recht ein Vermögensteil, den die Witwe beim Tod des Mannes teilweise behalten darf.

Lit.: Hübner § 95c

Muster

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986

Musterung ist die Untersuchung (auf Kriegstauglichkeit) seit dem Spätmittelalter. Eine besondere Bedeutung erwirbt die M. im Seerecht (Anmusterung, Abmusterung).

Lit.: Helfritz, H., Geschichte der preußischen Heeresverwaltung, 1938

Mutschierung ist im Mittelalter (13. Jh.) die Teilung eines Gesamteigentums durch Vertrag (auf Zeit) im Erbrecht und im Lehnsrecht.

Lit.: Hübner; Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 1 1885, 247; Müller, E., Die Mutschierung von 1513, Jb. f. RegionalG. 14 (1987), 173

Mutter ist der weibliche Elter eines Kindes.

Mutterrecht ist die Bezeichnung für eine Familienstruktur, in der das Gut sich in mütterlicher Linie vererbt. Das M. wird als eine Kulturstufe von Johann Jakob → Bachofen behauptet, lässt sich aber nirgends tatsächlich überzeugend nachweisen.

Lit.: Köbler, DRG 15; Bachofen, J., Das Mutterrecht, 1861; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Dargun, L., Studien zum ältesten Familienrecht, 1892; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Schmidt, W., Das Mutterrecht, 1955; Bachofen, J., Das Mutterrecht. Eine Auswahl, hg. v. Heinrichs, H., 3. A. 1980

Mutterschutz ist der Schutz der arbeitstätigen Mutter in der Zeit vor und nach der Geburt. Der M. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (in der Schweiz in Anlehnung an eine Regelung im Fabrikgesetz von Glarus von 1864 im Jahre 1877 Beschäftigungs­verbot je acht Wochen vor und nach der Geburt eines Kindes, 1920 sechswöchiges Krankengeld, im Deutschen Reich in Gewerbeordnungsnovelle 1878 dreiwöchiges Beschäftigungsverbot nach Geburt, 1882/­1885 für Fabrikarbeiterinnen dreiwöchige Wöchnerinnenunterstützung, 1927). In der Schweiz wird zum 1. 7. 2005 eine obligatorische Mut­terschaftsversicherung eingeführt.

Lit.: Frank, L., L’assurance maternelle, 1897; Schmitz, E., Mutterschutz und Mutterpflichten, Diss. jur. Köln 1992; Hauser, K., Die Anfänge der Mutterschaftsver­sicherung, 2004

Mutterstadt ist im Mittelalter eine Stadt, deren Recht auf eine andere Stadt übertragen wird und die deshalb für Auskünfte in Rechtsstreitigkeiten der Tochterstadt wieder befragt wird (z. B. Freiburg im Breisgau, Nürnberg, Frankfurt am Main, Soest, Lübeck, Magdeburg).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Dusil, S., Die Soester Stadtrechtsfamilie, 2007

Mutung ist allgemein das Begehren, insbesondere im Mittelalter das Begehren auf Erneuerung des Lehens, das Gesuch um Zulassung als Meister und im Bergrecht der Antrag auf Verleihung des Bergwerkeigen­tums in einem bestimmten Fall (bis 1980).

Lit.: Heusler, A., Institutionen des Deutschen Privatrechts, Bd. 1 1885, 243, Bd. 2 1886, 169; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, 2. A. 1981

Mutuum (lat. [N.]) ist bereits im altrömischen Recht das formfreie Haf­tungsgeschäft des (auf Tausch gegebenen) → Darlehens. Es ist Realvertrag und entsteht mit der Hingabe einer vertretbaren Sache in das Eigentum mit der Verpflichtung zur Rückgabe einer gleichen Menge. Zinsen müssen meist besonders vereinbart werden.

Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner §§ 9, 16, 18; Köbler, DRG 27, 45, 63; Köbler, LAW

Muwatta ([M.] arab. geebneter Pfad) ist das älteste erhaltene, von Malik ibn Anas (8. Jh.) auf der Grundlage des → Korans und des Gewohnheitsrechtes in Medina geschaffene Rechtsbuch des → Islam.

Lit.: Schacht, J., Malik b. Anas, (in) Enzyklopädie des Islam, 2. A. Bd. 1f. 1960ff., 6, 262

Mynsinger von Frundeck, Joachim (Stuttgart 13. 8. 1514-Großalsleben 3. 5. 1588), Adliger, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Padua und Freiburg (Zasius) 1536 bzw. 1543 Professor in Freiburg im Breisgau, 1548 Assessor am Reichskammer­gericht und 1556 Kanzler in Braunschweig-Wolfenbüttel (1576 Gründung der Universität Helmstedt). 1563 veröffentlicht er als erster unsystematisch bei Gericht angelegte kurze Notizen zu Entscheidungen des Reichskam­mergerichts ([lat.] Singularium observa­tionum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattuor, Vierhundert einzelne Beobachtun­gen des Reichskammergerichts).

Lit.: Köbler, DRG 144; Schreiber, H., Joachim Mynsinger, 1834; Schumann, S., Joachim Mynsinger, 1983; Zippelius, K., Ein Juristenleben im 16. Jahrhundert, (in) Mélanges Sturm, F., 1999, 959

 

 

N

 

Nabatäer ist der Angehörige eines vom 4. Jh. v. Chr. bis 106 n. Chr. das Gebiet zwischen Damaskus und Arabien beherrschenden Volkes.

Lit.: Hackl, U. u. a., Quellen zur Geschichte der Nabatäer, 2003

Nabburg

Lit.: Müller-Luckner, E., Nabburg, 1981

Nachbar ist der unmittelbar neben einem Menschen wohnende oder begüterte Mensch. Schon im römischen Recht entwickelt sich aus der Nachbarschaft ein → Nachbarrecht. Im Mittelalter haben Nachbarn verschiedent­lich ein → Näherrecht (Nachbarlosung). Im Übrigen kommen Nachbarn häufig als Zeugen in Betracht.

Lit.:Kroeschell, DRG 1; Kramer, K., Die Nachbarschaft, 1954; Bader, K., Studien zur Rechts­geschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Bauer, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975, 230; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Hildebrandt, F., Die Nachbarschaften in Angeln vom 17. bis 19. Jahrhundert, 1985; In Europas Mitte, hg. v. Duchhardt, H., 1988; Sutter, P., Von guten und bösen Nachbarn, 2002

Nachbarrecht ist die Gesamtheit der für die Eigentümer von benachbarten Grundstücken im Verhältnis zueinander geltenden, aus Gewohnheitsrecht oder Gesetz stammenden Rechts­sätze. Sie betreffen bereits im römischen Recht den Überhang von Zweigen, den Überfall von Früchten, den Notweg, das Eindringen von Rauch, Wasser usw., die Ausbuchtung einer Mauer, die Einsturzgefahr von Gebäuden, die Untersagung von Bauführung und die Feststellung der Grenze. Im nachklassischen römischen Recht wird des öfteren wegen der vertraglichen Vereinbarkeit der meisten Verpflichtungen fälschlich von Legalservituten gespro­chen. Teils auf ein­heimischer, teils auf aus dem römischen Recht übernommener Grund­lage findet das N. teils Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900), bleibt aber zum anderen Teil Landesrecht.

Lit.: Kaser § 23 III; Hübner 280; Köbler, DRG 40; Hitz, J., Das Nachbarrecht des Kantons Graubünden, Diss. jur. Bern 1912; Ogorek, R., Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Carlen, L., Bäuerliches Nachbarrecht in Schweizer Städten, FS G. Schmelzeisen, 1980; Dehner, W., Nachbarrecht im Bundesgebiet, 7. A. 1991; Schmidt, B., Pflugwende und Anwenderecht im Westfälischen, 1989; Uwer, D., Zur Entwicklungsge­schichte, Jb. d. Umwelt- und Technikrechts, 1997, 303

Nacherbe ist der in der Weise eingesetzte Erbe, dass dieser erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist. Im römischen Recht schließt der Rechtssatz (lat.) semel heres semper heres (einmal Erbe, immer Erbe) ein Hintereinander mehrerer Testamentserben und damit Nacherben aus. Einen Ausweg eröffnet das Erbschaftsfideikommiss, bei dem Erbe zwar der erste Nachfolger des Erblassers wird, diesem aber auferlegt werden kann, die Erbschaft ganz oder teilweise als Fideikommiss einem weiteren Nachfolger he­rauszugeben. Im Mittelalter ist seit dem ausgehenden 13. Jh. die Einsetzung eines Nacherben zulässig. Die Gestaltung behauptet sich gegen das aufgenommene römische Recht.

Lit.:Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Söllner § 11; Köbler, DRG 9; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 613, 629; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG 120 (2003), 235

Nachklassik des römischen Rechts (3.-4. Jh. n. Chr.)

Nachlass ist das Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls. Im römischen Recht ist der N. (lat. [F.] hereditas, einschließlich der Verbindlich­keiten, aber ohne ususfructus, fructus, patria potestas, manus, Vormund­schaft oder Patronat) eine Einheit (unkör­perliche res, universitas), im mittel­alterlichen Recht eine Mehrheit von Sondervermögen (z. B. Gerade, Heergewäte). Verschiedentlich wird der N. zwischen Erbfall und davon getrenntem Erbschaftserwerb als juristische Person angesehen (lat. hereditas [F.] iacens, ruhende Erbschaft).

Lit.: Kaser §§ 65 I 2, 66 VI, 72 I; Hübner; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 21; Repertorium der handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz, hg. v. Schmutz-Pfister, A., 1967; Mannheims, H./Roth, K., Nachlassverzeichnisse, internationale Bibliographie, 1984; Krenz, U., Modell der Nachlassteilung, 1994

Nachlassverkauf ist im römischen Recht die Versteigerung des erbenlosen (überschul­de­ten) Nachlasses zu Gunsten der Gläubiger, die entsprechend der Höhe ihrer Forderung an­teilmäßig am Erlös beteilgt werden (lat. [F.] bonorum venditio).

Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, 2001

Nachrezeption ist die im 19. Jh. erfolgende Aufnahme des römischen Rechts durch vertiefte Befassung mit den römischen Rechtsquellen (Pandektistik).

Lit.: Köbler, DRG 205

Nachrichter ist eine Bezeichnung für den → Henker.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Nachtwächter

Lit.: Sommer, P., Hört ihr Herrn und lasst euch sagen, 1968

Nachzensur ist die nachträgliche Zensur.

Nachzettel ist in der frühen Neuzeit die ein Testament ergänzende formlose Schrift. Die Möglichkeit des Nachzettels wird im Allge­meinen Landrecht Preußens (1794) und in der Rechtsprechung des 19. Jh.s eingeschränkt.

Nacktheit

Lit.: Duerr, H., Nacktheit und Scham, 1988; Cordier, P., Nuditès romaines, 2005

Näherrecht oder Retraktrecht ist das Anrecht bestimmter nahestehender Personen auf ein Gut für den Fall der Vererbung oder Veräußerung. Berechtigt können Verwandte, Nachbarn, Herren und andere sein. Das N. kann an die Zahlung eines Geldausgleichs gebunden sein. Schon seit dem Hoch­mittelalter wird das N. zugunsten der Freiheit des Eigentümers zurückgedrängt. Seit dem 18. Jh. wird es verstärkt bekämpft und im 19. Jh. im Wesentlichen beseitigt. Vereinbart werden kann aber ein Vorkaufsrecht.

Lit.: Hübner 422; Köbler, DRG 124, 163, 211; Gierke, O., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1905, 766; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, (in) Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, in : Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52

Name ist die Bezeichnung einer einzelnen Person oder eines einzelnen Gegenstandes (für Orte → Ortsname) zum Zweck der Heraushebung aus einer Gattung bzw. der Unterscheidung von anderen Personen und Gegenständen. Die Vergabe von Namen steht vermutlich am Beginn der menschlichen Sprachentwicklung. Während anfangs meist ein einziges Wort als Name genügt, wird bereits im römischen Altertum der Mensch häufig durch mehrere Namensbestandteile individuell gekennzeichnet (lat. praenomen [N.], nomen gentile, cognomen z. B. Gaius Iulius Caesar, in Spätantike aber wieder Tendenz zur Einnamigkeit). Bei den römischen Senatoren des spätantiken Gallien tragen von 411 Personen 5 bzw. 8 ger­manische Namen. Im deutschen Mittelalter wird zwecks erforderlich werdender Unterscheidung nach ersten Anfängen in Venedig (9. Jh.), Norditalien und Südfrankreich (10. Jh.) für den Adel im 10. Jh. bzw. seit dem 12. Jh. (z. B. Zürich 1150/1170, Frankfurt am Main Anfang 13. Jh., Esslingen 13. Jh., - in Wien seit 1288 kein Rufname mehr ohne Beiname -, Friesland 19. Jh.) in etwa vom Süden und Westen nach Norden und Osten fortschreitend dem Namen (Vornamen) allmählich allgemein ein Zuname (Familienname) beigefügt, was andernorts erst viel später geschieht (Japan 1875, Bulgarien 1878, Türkei 1934). Frauen erlangen mit der Heirat den Familiennamen des Mannes, Kinder mit der Geburt den Fa­miliennamen des Vaters bzw. bei unehelicher Geburt der Mutter. Durch Ver­ordnungen seit dem 17. Jh. wird bis zum Ende der frühen Neuzeit die ursprüngliche Freiheit der Namensänderung beseitigt (Österreich 1776). Seit 14. 6. 1976 kann in der Bundesrepublik Deutsch­land auch der Name der Frau Familienname sein, seit 1995 ist kein gemeinsamer Familienname mehr nötig (1995 auch in Österreich). Im Einzelnen ist ein detailliertes Namensrecht entwickelt. Danach bestimmen grundsätzlich die Eltern den oder die Vornamen (und den Familiennamen) eines Kindes. Häufigster der mehr als 150000 verschiedenen deutschen Familiennamen der Gegenwart ist Müller (ca. 10%), häufigster Familienname der Welt der chinesische Name Chang (Zhang) oder Wang.

Lit: Köbler, DRG 120, 160, 267; Levi, S. Vorname und Familienname, Diss. jur. Gießen 1888; Schulze, W., Zur Geschichte lateinischer Eigennamen, 1904; Volckmann, E., Rechtsaltertümer in Straßennamen, 1920; Brechenmacher, J., Etymo­logisches Wörterbuch der deutschen Familiennamen, 1957ff.; Schönfeld, W., Wörterbuch der altgermanischen Personen- und Völkernamen, 1911, 2. A. 1965; Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961; Berger, F./Etter, O., Die Familiennamen der Reichsstadt Esslingen, 1961; Klippel, D., Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985; Thoma, G., Namens­änderungen in Herrscherfamilien des mittel­alterlichen Europa, 1985; Internationales Handbuch der Vornamen, 1986; Reichert, H., Lexikon der alt­germanischen Namen, 1987; Hanks, P./Hodges, F., A Dictionary of Surnames, 1988; Seibicke, W., Historisches deutsches Vornamenbuch, 1996ff.; Namenforschung, hg. v. Eichler, E. u. a., 1996; Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Berger, E., Name und Recht, ZRG GA 117 (2000), 564; Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde, 4. A. 2003; Personennamen des Mittelalters, hg. v. Fabian, C., 2. A. 2000 (13000 Namensformen); Berger, E., Erwerb und Änderung des Familiennamens, 2001; Wagner-Kern, M., Staat und Namensänderung, 2002; Person und Name, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2002; Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Dictionnaire historique de l’anthroponymie romane, hg. v. Cano González, A., u. a., Bd. 1ff. 2003ff.; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Deutsches Namenslexikon, 2004; Lochner von Hüttenbach, F., Frühmittelalterliche Namen in der Steiermark, 2004; Name und Gesellschaft im Frühmittelalter, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2006; Namen, hg. v. Krampl, u. u. a., 2009; Onimastica Slavogermanica 25, hg. v. Eichler, E., 2008

Namensehe ist die nur zwecks Erlangung eines Namens geschlossene Ehe (Scheinehe).

Namur

Lit.: Roland, J., Le comté et la province de Namur, 1959

Nancy in Frankreich ist seit 947 bezeugt. Es erhält 1265 Stadtrecht. 1766 gelangt es mit Lothringen zu Frankreich. 1768 wird es Sitz einer Universität, 1777 Sitz eines Bischofs.

Lit.: Fray, J., Nancy-le-Duc, 1986

Napoleon Bonaparte (Ajaccio 15. 8. 1769-Longwood/Sankt Helena 5. 5. 1821), nie­deradliger Juristen­sohn, wird nach Offiziersausbildung und militärischen Erfolgen 1796 mit 27 Jahren Oberbefehls­haber der Armee Frankreichs in Italien. 1799 wird er unter Sturz der Direktorialregierung erster Konsul, am 18. 5. 1804 erblicher Kaiser der Franzosen. Binnen weniger Jahre (1804-1810) lässt er das Recht Frankreichs in fünf modernen Codes (Gesetzbüchern) erfassen und gestaltet die europäische Staatenwelt nach seinen Vorstellungen um, wobei er sich insgesamt 880 Tage im deutschen Sprach­raum und 753 Tage im italienischen Gebiet aufhält. 1813 bei Leipzig und 1815 bei Waterloo wird er von Russland, Öster­reich und Preußen bzw. England und Preußen geschlagen. Er stirbt nach Abdankung in der Verbannung auf Sankt Helena.

Lit.: Köbler, DRG 132, 141, 169; Dunan, M., Napoléon et l’Allemagne, 1942; Andreas, W., Das Zeitalter Napoleons, 1956; Andreas, W., Napoleon, 1962; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoleon in den Rheinbundstaaten, 1973; Ludwig, E., Napoleon, 1977; Die Erhebung gegen Napoleon 1806-1814/15, hg. v. Spies, H., 1981; Theewen, E., Napoléons Anteil am Code civil, 1991; Dufraisse, R., Napoleon, 1994; Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien, hg. v. Dipper, C. u. a., 1995; Kern, B., Die französische Gesetzgebung unter Napoleon, JuS 1997, 11; Kleßmann, E., Napoleon, 2000; Willms, J., Napoleon, 2000; Lefebvre, G., Napoleon, 2003; Pelzer, E., Napoleon Bonaparte, 2003; Bonaparte, la Suisse et l’Europe, hg. v. Dufour, A., 2003; Ullrich, V., Napoleon, 2004; Willms, J., Napoleon, 2005; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Beßlich, B., Der deutsche Napoleon-Mythos, 2006; Napoleon. Tri­kolore und Kaiseradler über Rhein und Weser, hg. v. Veltzke, V., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen, hg. v. Hedwig, A. u. a. 2008

Nasciturus (lat. [M.] Geborenwerdender) ist die menschliche → Leibesfrucht im Mutterleib. Der n. ist in gewisser Weise vom Recht geschützt, wenn er später tatsächlich lebend geboren wird. Er hat ein Erbrecht und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche (z. B. gegen Arzneihersteller).

Lit.: Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA 31 (1910), 131; Koch, E., Der nasciturus als Rechtsgut, (in) Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985, 87

Nasciturus pro iam nato habetur (lat.). Das erst noch geboren werdende (gezeugte) Kind wird als schon geboren behandelt (Fiktion).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 160-um 230, Digesten 50, 16, 231)

Nassau ist eine im 12. Jh. an der unteren Lahn erscheinende Familie, die von 1292 bis 1298 den deutschen König stellt und 1815 das Königtum in den Niederlanden erlangt. Ihr seit dem 12. Jh. an der Lahn enstehendes Herrschaftsgebiet wird als 1814 mit einer Verfassung versehenes Herzogtum (1806) 1866 von Preußen annektiert und geht 1945 in Hessen auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Meister, R., Nassau und die Reichsritterschaft vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum Wiener Kongress, 1923; Marner, W., Die Verfassung des Herzogtums Nassau von 1814, 1953; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 3,3,2878; Münzing, H., Die Mediatisierung der ehemaligen reichsunmittelbaren Standesherren und Reichsritter im Herzogtum Nassau, Diss. jur. Mainz 1980; Herzogtum Nassau 1806-1866, Ausstellungskatalog (Neudruck) 1981; Renkhoff, O., Nassauische Biographie 1985, 2. A. 1992 (4946 Menschen); Nassau und Oranien, hg. v. Tamse, C., 1985; Gensicke, E., Landesgeschichte des Wester­waldes, 2. A. 1987; Zimmermann, R., Die Bemühungen um eine Privatrechtskodifikation im Herzogtum Nassau 1806-1866, 1988; Vater, A., Hexen­verfolgungen in nassauischen Grafschaften, Diss. jur. Marburg 1988; 175 Jahre nassauische Verfassung, red. Friedrich, B., 1989; Faber, R., Die Bemühungen im Herzogtum Nassau um die Einführung von Mündlichkeit und Öffentlichkeit im Zivilprozessverfahren 1806-1866, 1990; Jäger, W., Staatsbildung und Reformpolitik, 1993; Schüler, W., Die nassauische Verfassung vom 1./2. September 1814, (in) Hessen, 1997, 59; Nassauische Parlamentarier, hg. v. Rösner, C., 1997; Regierungsakten der Herzogtums Nassau 1803-1814, bearb. v. Ziegler, 2001; Schüler, W., Das Herzogtum Nassau 1806-1866, 2006; Menk, G., Das Haus Nassau-Oranien in der Neuzeit, 2009

nasteid (ahd. [M.]) Eid der frühmittelal­terlichen Alemannen auf den Zopf

natio (lat. [F.]) Geburt, Geschlecht, Lands­mannschaft, Volk

Lit.: Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, 1978; Eichenberger, T., Patria, 1991

Nation ist die durch die Einheit von Sprache und Kultur bzw. durch die Gleichheit der politischen Entwicklung zusammengeschlos­sene Gesamtheit von Menschen. Bedeutsam wird die Nation vor allem im 19. Jh.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Das Staatsrecht des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Plessner, H., Die verspätete Nation, 4. A. 1966; Schröcker, A., Die deutsche Nation, 1974; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, hg. v. Beumann, H. u. a., 1978; Landwehr, G., „Nation“ und „Deutsche Nation“, FS W. Reimers, 1979, 1; Brinkmüller, E., Nation Österreich, 1984; Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter, hg. v. Ehlers, J., 1989; Region, Nation, Europa, hg. v. Lottes, G., 1992; Nation, Nationalismus, Postnation, hg. v. Klueting, H., 1992; Dann, O., Nation und Nationalismus, 1993, 3. A. 1996; Die deutsche Nation, hg. v. Dann, O., 1995; Nationenbildung, hg. v. Münkler, H., 1997; Pollmann, K., Nation und Nationalstaat, 1998; Blitz, H., Aus Liebe zum Vaterland, 2000; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000; Behrndt, K., Die Nationskonzeptionen, 2003; Müller, S., Die Nation als Waffe und Vorstellung, 2003; Schulze, H., Staat und Nation in der europäischen Geschichte, 2004; Wrede, M., Der Kaiser, das Reich, die deutsche Nation HZ 280 (2005), 83; Kinze, R., Nation und Nationalismus, 2005; Helmchen, A., Die Entstehung der Nationen im Europa der frühen Neuzeit, 2005; Hroch, M., Das Europa der Nationen, 2005

Nationalgesetzbuch ist das die Rechtsord­nung einer → Nation vereinheitlichende → Gesetzbuch. Am Beginn des 19. Jh.s findet im deutschen Sprachraum ein Streit um ein N. statt (→ Kodifikationsstreit). Das N. löst sowohl das partikulare Recht wie auch das subsidiäre gemeine Recht ab.

Lit.: Wieacker, F., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher, (in) Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 55; Dölemeyer, B., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die National­gesetzbücher, (in) Industriegesellschaft und Privat­rechtsordnung, 1974, 79

Nationalismus ist das in der Mitte des 18. Jh.s vom Gedankengut der studentischen Landsmannschaften und der Romantik ausgehende Denken in → Nationen. Es führt in Europa im 19. Jh. zu nationalen, im Kultu­rellen beginnenden und danach politisierten Gegensätzen. Diese entladen sich im ersten Weltkrieg und im zweiten Weltkrieg.

Lit.: Il nazionalismo in Italia e in Germania fino alla prima guerra mondiale, hg. v. Lill, R. u. a. 1983; Dann, O., Nation und Nationalismus, 1993, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Echternkamp, J., Der Aufstieg des deutschen Nationalismus (1770-1840), 1998; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna. Territoriale Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellaberba, M. u. a., 2000; Nationalismus und Nationalbewegung in Europa 1914-1945, hg. v. Timmermann, H., 1999; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000; Gramley, H., Propheten des deutschen Nationalismus, 2001; Hirschhausen, U. v./Leonhard, J., Nationalismen in Europa, 2001; Wehler, H., Nationalismus, 2001; Kohfink, M., Für Freiheit und Vaterland, 2002; Müller, S., Die Nation als Waffe und Vorstellung, 2003; Kunze, R., Nation und Nationalismus, 2005; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus, 2005; Weichlein, S., Nationalbewegung und Nationalismus in Europa, 2006

Nationalität ist die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Volk bzw. einer Nation.

Nationalitätenstaat, N., Vielvölkerstaat (z. B. Österreich-Ungarn mit elf verschiedenen Nationalitäten und entsprechendem Nationali­tä­­ten­­problem ohne wirklich gelungene über­zeugende ganzheitliche Lösung, vgl. Aus­gleich, kroatischer Ausgleich, mährischer Ausgleich, Wahlrechtsreformen)

Lit.: Das Nationalitätenrecht des alten Österreich, hg. v. Hugelmann, K., 1934; Kann, R., Das Nationalitäten­problem der Habsburgermonarchie, 2. A. 1964; Stourzh, G., Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in Verfassung und Verwaltung, 1985

Nationalkirche ist die das Nationale betonende christliche Kirche. In der frühen Neuzeit versteht sich die Kirche in Frankreich und in England in unterschiedlich starkem Ausmaß als Nationalkirche.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, hg. v. Fuchs, W., 1966

nationalliberal (national und liberal)

Nationalökonomie (F.) Volkswirtschaft

Lit.: Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Hansel, R., Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006

Nationalrat ist eine Bezeichnung für eine Volksvertretung (z. B. Österreich 1920, Vorläufer der mit Patent vom 5. 3. 1860 geschaffene, vom 31. 5. 1861-27. 9. 1861 zusammentretende verstärkte Reichsrat, vgl. Art. 24 B-VG, Gesetzgebung zusammen mit dem Bundesrat, der ein Einspruchsrecht hat).

Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher

nationalsozial (national und sozial), 1896 als Bezeichnung einer von Friedrich Naumann begründeten Arbeiterpartei auf christlicher Grundlage und monarchischem, nationalem Boden verwendet, wobei sich die Entstehung der nationalistischen deutschen Arbeiterbewe­gung aus der Verwendung billiger tsche­chischer Arbeitskräfte im ursprünglich rein deutsch besiedelten Industriegebiet Nordböh­mens erklären lässt

Nationalsozialismus ist eine vielleicht schon in der fortschrittlichen Ordnung der franzö­sischen Revolution von 1789 angelegte, im frühen 20. Jh. (in Böhmen 1903 und) in Deutschland auf der Grundlage von Nationalismus und Sozialismus entstandene, unter Adolf → Hitler von 1933 bis 1945 in → Deutschland die Macht ausübende politische Bewegung (1929 absolute Mehrheit in Coburg). Der N. weist keine eigentliche rechtstheoretische Grundhaltung auf. Er geht lediglich von der Vorstellung aus, dass er die richtige Weltanschauung sei, die mit allen Mitteln, und deshalb auch mit dem Mittel des Rechts, verwirklicht werden müsse. Das an vorgegebenen konkreten Lebensordnungen des völkischen Gemeinschaftswillens auszurichten­de Recht ist ihm nur ein bedeutsames und wirksames, durchaus an manchen Stellen auch ältere Reformvor­stellungen fortführendes und insofern mo­dernisierendes Kampfinstrument zur Durch­setzung der vom Führer ohne Kontrolle aus seinem Charisma heraus geschaffenen Weltanschauung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Da der Positivismus des ausgehenden 19. Jh.s alle außerjuristischen Gehalte ausgesondert hat, sind die während seiner Vorherrschaft entstandenen Gesetze dem N. nicht abträglich. Er braucht lediglich die bestimmten, ursprünglich als selbst­verständlich mitgedachten Voraus­setzungen, dass der Staat sittlichen Prinzipien folgt und die Macht nicht rechtswidrig anwendet, aufzugeben und die ausge­schiedenen außerjuristischen Inhalte durch sein Gedankengut zu ersetzen. Das Gesetz kann bei dieser Auslegung formal völlig unverändert bleiben. Im äußersten Fall gerät es, weil es „dem gesunden Volksempfinden ins Gesicht schlägt“, außer Anwendung. Bemerkenswert ist dabei, dass insbesondere Fachvertreter des öffentlichen Rechts und der deutschen Rechtsgeschichte an den Universi­täten Schlüsselbegriffe der nationalsozialisti­schen Weltanschauung übernehmen und geschichtlich zu belegen versuchen. Soweit auf Grund des N. strafgerichtliche Verurtei­lungen aus politischen, militärischen, ras­sischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen unter Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit (Unrechtsurteile) ergangen sind, sind diese durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechts­urteile in der Strafrechtspflege vom 25. 8. 1998 aufgehoben.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221, 226, 228, 248; Jung, R., Der nationale Sozialismus, 1919; Neurohr, R., Der Mythos vom Dritten Reich, 1957; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Brodersen, C., Gesetze des NS-Staates, 1968; Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 1ff. 1968ff.; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbst­verwaltung, 1970; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Schulz, Der Aufstieg des National­sozialismus, 1975; Bayern in der NS-Zeit, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, Bd. 1ff. 1977ff.; NS-Verbrechen vor Gericht, hg. v. Moritz, K., 1978; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Mosse, G., Ein Volk, ein Reich, ein Führer, 1979; Hüttenberger P., Bibliographie zum Nationalsozia­lismus, 1980; Wassermann, R., Justiz und Nationals­ozialismus, 1983; Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner, H., 1983; Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus, hg. v. Hirsch, M. u. a., 2. unv. A. 1997; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P., 1985; Jasper, G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Rüping, H., Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985; Schmuhl, H., Rassenh­ygiene, Nationalsozialismus und Euthanasie, 1987; Gribbohm, G., Nationalsozialismus und Strafrechts­praxis, NJW 1988, 2842; Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M./Simon, D., 1989; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005; M. d. R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalso­zialismus, hg. v. Schumacher, M., 1991; Für Führer, Volk und Vaterland. Hamburger Justiz im Nationalsozialismus, hg. v. d. Justizbehörde Hamburg, 1992; Stübig, R., Höxters Weg in den Nationalsozialismus, 1992; Rechtsgeschichte im Natio­nalsozialiamus, hg. v. Säcker, F., 1992; Nationalso­zialismus und Modernisierung, hg. v. Prinz, M. u. a., 2. A. 1994; Frassek, R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Fischer, C., The Rise of the Nazis, 1995; Die deutsche Rechtsgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Rückert, J./Willoweit, D., 1995; Die braune Elite, hg. v. Smelser, R. u. a., Bd. 1 4. A. 1999, Bd. 2 2. A. 1999; Münchner rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1996; Hehl, U. v., Nationalsozialistische Herrschaft, 1996; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der NS-Diktatur bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, 1996; Wilhelm, F., Die Polizei im NS-Staat, 1997; Friedländer, H., Der Weg zum NS-Genozid, 1997; Ämter, Abkürzungen, Aktionen des NS-Staates, bearb. v. Boberach, H. u. a., 1997; Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 2. A. 1997; Rees, L., Die Nazis, 1997; Nation und Nationalsozi­alismus in wissenschaftlichen Standardwerken Österreich-Ungarns, hg. v. Kiss, E., 1997; Die west­deutschen Strafverfahren wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1997, hg. v. Rüter, C./Mildt, D. de, 1998; Nationalsoziali­stische Vernichtungspolitik, hg. v. Herbert, U., 1998; Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Bd. 1ff 1998ff.; Eck, C., Die Wiedergutmachung zwischen 1945 und 1989, 1997; Wessel, M., NS-Justizverbrechen und Nachkriegsrecht­sprechung, 1998; Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998; Reiter, R., 30 Jahre Justiz und NS-Verbrechen, 1998; Recht und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Meyer-Seitz, C., Die Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, 1998; Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, hg. v. Barwig, K. u. a., 1998; Deutsche Historiker im National­sozia­lismus, hg. v. Schulze, W. u. a. 1999; Burleigh, M., Die Zeit des Nationalsozialismus, 2000; Luntowski, G., Hitler und die Herren an der Ruhr, 2000; Ruck, M., Bibliographie zum Nationalsozialismus, 2000 (37077 Titel); Hartl, B., Das nationalsozialistische Willens­strafrecht, 2000; Wiggershaus-Müller, U., National­sozialismus und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2000; Süß-Hoffmann, E., Das BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im nationalsozialistischen Sinne, Diss. jur. Mannheim 2000; Buschmann, A., Nationalsozialistische Weltan­schauung und Gesetzge­bung 1933-1945, Bd. 2 2000; Waldow, J., Der straf­rechtliche Ehrenschutz in der NS-Zeit, 2000;; Schröder, F., Die anwaltliche Tätigkeit während der nationalso­zialistischen Herrschaft, 2001; Mink, A., Zwangsarbeiter, 2001; Müller, T., Recht und Volksgemeinschaft, 2001; Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft – Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Gailus, M., Protestantismus und Nationalsozialismus, 2001; Wietog, J., Volkszählungen unter dem Nationalsozialismus, 2001; Döring, M., Parlamentarischer Arm der Bewegung, 2001; Greve, M., Der justitielle und rechtspolitische Umgang mit den NS-Gewaltverbrechen in den sechziger Jahren, 2001; Rüthers, B., Geschönte Geschichten, 2001; Meusch, M., Von der Diktatur zur Demokratie, 2001; Appel, S., Reisen im Nationalsozialismus, 2001; Freudiger, K., Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002; Gellately, R., Hingeschaut und weggesehen, 2002; Prollius, M. v., Das Wirtschafts­system der Nationalsozialisten 1933-1939, 2002; Shuk, A., Das nationalsozialistische Weltbild in der Bildungsarbeit von Hitlerjugend und Bund deutscher Mädel, 2002; Essner, C., Die Nürnberger Gesetze, 2002; Weinke, A., Die Verfolgung von NS-Tätern, 2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002; Vieregge, B., Die Gerichtsbarkeit einer Elite, 2002; Sachsen in der NS-Zeit, hg. v. Vollnhals, C., 2002; Moritz, D., Grüß Gott und Heil Hitler!, 2002; Wildt, M., Generation des Unbedingten, 2002; Overy, R., Verhöre, 2002; Schröder, I., Zur Legitimations­funktion der Rechtsphilosophie im Nationalsozia­lismus, 2002; Majer, D., Nationalsozialis­mus im Lichte der juristischen Zeitgeschichte, 2002; Gelhaus, D./Hülter, J., Die Ausleseschulen als Grundpfeiler des NS-Regimes, 2003; Süß, W., Der Volkskörper im Krieg, 2003; Volkmann, H., Ökonomie und Expansion, 2003; Prollius, M., Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten 1933-1939, 2003; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Justiz und Nationalsozialismus, hg. v. Pauli, G., 2003; Die NS-Strafjustiz und ihre Nachwirkungen, hg. v. Ostendorf, H., 2003; Schröder, A., Vom Nationalismus zum Nationalsozialismus, 2003; Eng­lert, T., Deutsche und italienische Zivilrechtsgesetz­gebung 1933-1945, 2003; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Tarnung – Leistung – Werbung, hg. v. Greule, A. u. a., 2004; Grüttner, M., Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, 2004; Karrieren der Gewalt, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2004; Brechtken, M., Die nationalsozialistische Herrschaft 1933-1939, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus, 2004; Albert, M., Die Benediktiner­abtei Maria Laach und der Na­tionalsozialismus, 2004; Löffler, U., Instru­mentalisierte Vergangenheit?, 2004; NS-Justiz in Österreich, hg. v. Form, W. u. a., 2004; Dreyer, M., Die zivilgerichtliche Rechtsprechung des Oberlandes­gerichts Düsseldorf, 2004; Gruber, H., Nationalsozialisitsches Regime und katholische Kirche, 2004; Nationalsozialismus in den Kulturwissen­schaf­ten, hg. v. Lehmann, H. u. a., 2004; Medizin und Zwangs­ar­beit im Nationalsozialismus, hg. v. Frewer, A. u. a., 2004; Keim, W., Erziehung unter der Nazi-Diktatur, 2005; Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, hg. v. Gosewinkel, D., 2004; Wagner, A., Machtergreifung in Sachsen, 2004; Bleckmann, M., Barrieren gegen den Unrechtsstaat?, 2004; Miquel, M. v., Ahnden oder amnestieren?, 2004; Wladika, M., Hitlers Väterge­neration, 2005; Goschler, C., Schuld und Schulden, 2005; Schlegel-Voß, L., Alter in der Volks­gemeinschaft, 2005; Schwegel, A., Der Polzeibegriff im NS-Staat, 2005; Scheuren-Brandes, C., Der Weg von nationalsozialistischen Rechtslehren zur radbruch­schen Formel, 2005; Diehl, M., Von der Markt­wirtschaft zur nationalsozialis­tischen Kriegswirt­schaft, 2005; Albrecht, J., Die Avantgarde des Dritten Reiches, 2005; Stadtverwaltung im National­sozialismus, hg. v. Mecking, S. u. a., 2005; Wladika, M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Hochstetter, D., Motorisierung und Volksgemeinschaft, 2005; Wirt­schafts­steuerung durch Recht im Nationalsozialismus, hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Gotto, B., Natio­nalsozia­listische Kommunal­politik, 2006; Bollmus, R., Das Amt Rosenberg und seine Gegner, 2006; Kahn, D., Die Steuerung der Wirtschaft durch Recht im National­sozialismus, 2006; Buchheim, C., Unternehmen in Deutschland und NS-Regime 1933-1945, HZ 282 (2006), 351; Gruber, H., Katholische Kirche und Nationalsozialismus, 2006; Gotto, B., Nationalso­zialistische Kommunalpolitik, 2006; Wachsmann, N., Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat, 2006; Koop, V., Dem Führer ein Kind schenken, 2007; Weeber, E., Das Hakenkreuz, 2007; Adel und Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u. a., 2007; Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk Celle, 2007; Verfolgte Kindheit, hg. v. Berger, E., 2007; Eitz, T. u. a., Wörterbuch der Vergangenheitsbewältigung, 2007; Martin Broszat, der Staat Hitlers und die Historisierung des Nationalsozialismus, hg. v. Frei, N., 2007; Urban, M., Die Konsensfabrik, 2007; Loose, I., Kre­dite für NS-Verbrechen, 2007; Bauer, K., Nati­onalsozialismus, 2008; Schaedler, S., „Justizkrise“ und „Justizreform“ im Nationalsozia­lismus, 2008; Stein­acher, G., Nazis auf der Flucht, 2008; Düwell, N., Die Standesgerichtsbarkeit der Presse im Nationalso­zialis­mus, 2008; Wittreck, F., National­sozialistische Rechts­lehre und Naturrecht, 2008; NS-Raubgut in Bibliotheken, hg. v. Dehnel, R., 2008; Schmitzberger, J., Das nationalsozialistische Nebenstrafrecht 1933 bis 1945,  2008; Herlemann, H., Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbe­amtentums vom 7. April 1933 (BBG), ZRG GA 126 (2009), 296; Vom Recht zur Geschichte, hg. v. Finger, J. u. a., 2009; Glienke, S., Die Ausstellung ungesühnte Nazijustiz, 2008; Merten s, B., Recht­setzung im Nationalsozialismus, 2009; Roth, M., Herrenmenschen, 2009

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter­partei (NSDAP) ist die am 5. 1. 1919 als Deutsche Arbeiterpartei gegründete Partei, die nach dem Eintritt des berufslosen Gefreiten Adolf → Hitler im September 1919 am 24. 2. 1920 in 25 Punkten ihr politisches Programm veröffentlicht. Im Juli 1921 wird Adolf Hitler Vorsitzender. 1922 wird die Partei in einzelnen deutschen Ländern, am 23. 11. 1923 im ganzen deutschen Reich verboten, am 27. 2. 1925 aber wieder zugelassen. Sie bestimmt, gegliedert in Ortsgruppen (mit ehrenamtlichen Leitern) und Gaue, das politische Geschehen im Deutschen Reich von 1933 bis 1945. Am 10. 10. 1945 wird sie durch das Gesetz Nr. 2 des → Alliierten Kontrollrats aufgelöst. → Nationalsozialis­mus

Lit.: Der Aufstieg der NSDAP, hg. v. Deuerlein, E., 1980; Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002; Rösch, Mathias, Die Münchener NSDAP, 2002; Reibel, C., Das Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 1932-1945, 2002; Madden, P./Mühlberger, D., The Nazi Party, 2007

Nationalsozialistisches Recht ist das vom → Nationalsozialismus geprägte bzw. ge­schaf­fene bzw. angewandte Recht. Neu geschaffen wird dabei in erster Linie das Verfassungs­recht, welches das parlamenta­rische System in eine → Diktatur verwandelt. Durch Veror­dnungen des Reichspräsidenten vom 4. 2. 1933 und 28. 2. 1933 werden die wichtigsten Grundrechte außer Kraft gesetzt. Durch das → Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933 überträgt der Reichstag seine Gesetzge­bungsgewalt auf die Reichsre­gierung. Das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länderparlamente mit dem Reich (31. 3. 1933) überlässt den Landes­regierungen Gesetzgebungszuständig­keit und setzt die Länderparlamente entsprechend der Sitzver­teilung des Reichstages zusammen. Das un­mittelbar anschließende Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich (7. 4. 1933) stellt an die Spitze der nicht­preußischen Länder einen Reichsstatt­halter, der die Landesregierung ernennt. Seit Mai 1933 werden verschiedene Parteien verboten o­der aufgelöst. Mit Gesetz vom 30. 1. 1934 wer­den die Landesparlamente aufge­hoben und die Landesregierungen der Reichs­re­gierung unterstellt. Am 14. 2. 1934 wird der → Reichsrat aufgelöst. Nach dem Tod des Reichspräsidenten (12. 8. 1934) übernimmt A­­dolf → Hitler dessen Amt. Daneben werden Min­derheiten, vor allem die → Juden, ent­rechtet (Nürnberger Gesetze). Rechtsstaat­li­che Verfahrensregeln werden eingeschränkt. Rechts­quellen sind Reichstagsgesetze, Reichs­regierungsgesetze, Führerverordnun­gen, Ministerialverordnungen, Führererlässe, Verwaltungsverordnungen und Gewohnheits­recht. Bedeutendere Einzelgesetze sind im Übrigen selten und führen teilweise auch ältere Ansätze weiter (Ehegesetz, Testa­mentsgesetz, Reichs­erbhofgesetz, Deut­sche Gemeindeord­nung). Der Versuch einer völligen Neuge­staltung des bürgerlichen Rechts in einem → Volksgesetzbuch miss­lingt. Soweit die älteren Gesetze erhalten bleiben, werden sie durch „unbegrenzte Auslegung“ verändert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 226ff.; Schmitt, C., Nationalsozialistisches Rechtsdenken, Deutsches Recht 1934, 225; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Schorn, H., Die Gesetzgebung des Nationalsozi­alismus, 1963; Echthölter, K., Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Jäger, H., Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, 1967; Justiz und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1986; Bucheit, G., Richter in roter Robe, 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozia­listischen Recht, 1974; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Meinck, J., Weimarer Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus, 1978; Nationalsozialistisches Recht in historischer Perspektive, hg. v. Hattenhauer, H., 1981; Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981; Stolleis, M., Nationalsozialistisches Recht, HRG, Bd. 3 1981, 873; Fieberg, G., Justiz im nationalso­zialistischen Deutschland 1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985; Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht, 1986; Majer, D., Die Grundlagen des nationalsozialistischen Rechts­systems, 1987; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987; Werle, G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Stolleis, M., Recht im Unrecht, 1994; Reiter, R., Nationalsozialismus und Moral, 1996; Vogl, R., Stückwerk und Verdrängung, 1997; Faupel, R./Eschen, K., Gesetzliches Unrecht, 1998; Dörner, B., „Heimtücke“, 1998; Friedrich, J., Freispruch für die Nazi-Justiz, 1998; Dokumentation des NS-Strafrechts, hg. v. Ostendorf, H. 2000; Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Enzyklopädie des Nationalsozialismus (1997) CD-ROM, hg. v. Benz, W. u. a. 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001

Nationalstaat ist der die Einheit der → Nation und die Abgrenzung gegenüber anderen Nationen besonders betonende Staat seit dem 19. Jh. (z. B. Frankreich), verstärkt seit 1918.

Lit.: Köbler, DRG 205; Hugelmann, K., Stämme, Nation und Nationalstaat im deutschen Mittelalter, 1955; Meinecke, F., Weltbürgertum und Nationalstaat, 7. A. 1963; Huber, E., Nationalstaat und Verfassungs­staat, 1965; Schöllgen, G., Determinanten deutscher Identität, Hist. Jb. 105 (1985), 455; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990), 19; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000

Nationalversammlung ist eine die → Nation vertretende Versammlung von Abgeordneten. In Frankreich ist N. das Parlament. Im Deutschen Bund bereitet die deutsche N. die Verfassung vor. Auf Grund von Wahlen in den Einzelstaaten wird sie am 18. 5. 1848 in der Frankfurter Paulskirche eröffnet und nach dem 28. 4. 1849 infolge Scheiterns der politischen Bewegung aufgelöst. Daneben tagt auch eine preußische N. Am 6. 2. 1919 wird in Weimar eine verfassunggebende N. eröffnet, die den Entwurf einer Reichs­verfassung am 31. 7. 1919 verabschie­det.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 171, 221, 256; Aktenstücke und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frankfurter Nationalversammlung aus dem Nachlass von Johann Gustav Droysen, hg. v. Hübner, R., 1924; Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, hg. v. Wigard, F., Bd. 1ff. 1948/9; Schrader, R., Die Fraktionen der preußischen Nationalversammlung von 1848, Diss. phil. Leipzig 1923; Ziegler, W., Die deutsche Nationalversammlung 1919/29, 1932; Mann, B., Das Ende der Natio­nalversammlung im Jahre 1849, HZ 214 (1972), 265; Siemann, W., Die Frankfurter Nationalversammlung, 1976; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche, 1978; Fiedler, W., Die erste deutsche Nationalversammlung, 1980; Diestelkamp, B., Nationalversammlung, HRG, Bd. 3 1980; Nörr, K., Die Weimar Nationalversammlung und das Privatrecht, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 317; Mein­erzhagen, U., Möglichkeiten und Grenzen sozial­politischen Handelns in der Frankfurter National­versammlung, Diss. jur. Heidelberg 1987; Die Frank­furter National­versammlung 1948/49, hg. v. Koch, R., 1989

Naturalersatz (Naturalrestitution) ist der Ersatz eines Schadens in Natur.

Lit.: Köbler, DRG 166, 217

Naturalisation (Einbürgerung) ist die seit dem 19. Jh. gesetzlich genau festgelegte Verleihung der Staatsbürgerschaft.

Lit.: Rehm, H., Der Erwerb der Staats- und Ge­meinde­angehörigkeit, Ann. d. Dt. Reichs-Gesetzgebung 25 (1892), 137; Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973

Naturalis obligatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die natürliche, unvollkom­mene → Verbindlichkeit (z. B. Geschäfts­schuld eines Sklaven oder Hauskinds). Sie kann freiwillig erfüllt, ihre Erfüllung kann aber nicht erzwungen werden. In der Neuzeit gelten Spielschulden und Ehemäklerlohn als nicht erzwingbare Verbindlichkeiten.

Lit.: Kaser §§ 15 I 4c, 33 II, 49 II 1a, 60 II 3c; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Landolt, P., Naturalis obligatio and bare social duty, 2000; Schulze, G., Die Naturalobligation, 2008

Naturalleistung ist die Leistung in Natur. Im spätantiken römischen Recht ist der Inhalt des Leistungsurteils wegen der wirtschaftlichen Verschlechterung grundsätzlich auf N. gerichtet. Geldersatz ist nur zu erbringen, wenn die an sich geschuldete Leistung unmöglich oder ungenügend ist. Im Mittel­alter sind Leistungen weitgehend als N. zu bewirken. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen.

Lit.: Köbler, DRG 63, 166, 217; Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I 2 1886, 944; Haussherr, H., Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 4. A. 1970, 4, 378

Naturalobligation ist die nicht erzwingbare Obligation, die als (lat. [F.]) naturalis obligatio bereits dem römischen Recht bekannt ist. Der dennoch leistende Schuldner hat keinen Rückforderungsklaganspruch (lat. [F.] condictio).

Lit.: Schulze, G., Die Naturalobligation, 2008

Naturalrestitution → Naturalersatz, Natural­leistung

Naturalwirtschaft ist die geldlose Wirtschaft. Sie findet sich dort, wo Geld völlig fehlt oder keinen wirtschaftlichen Wert hat (z. B. Germanen, Spätantike). Sie ist der Geldwirtschaft an Beweglichkeit unterlegen.

Lit.: Köbler, DRG 57, 77; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930

Natur der Sache ist das Wesen eines Gegenstandes. Unter (lat.) natura (F.) rei verstehen die klassischen römischen Rechtskundigen eine Schranke rechtlicher Gestaltungsmöglichkeit. Demgegenüber wird die N. d. S. in der 2. Hälfte des 18. Jh.s bei →Pütter (1725-1807) und → Runde (1741-1807) als Rechtsquelle (des gesamten → deutschen Privatrechts) verwendet. Mit dem Naturrecht wird dies als nicht überzeugend wieder aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dreier, R., Zum Begriff der Natur der Sache, 1965; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Dießelhorst, M., Die Natur der Sache, 1968; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970; Sprenger, G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Holzhauer, H., Natur als Argument in der Rechtswissenschaft, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Natürliche Grenze ist die von der Natur durch Wasser, Sümpfe, Wälder, Gebirge oder Wüsten gebildete → Grenze eines Gebietes. Sie verliert im Laufe der menschlichen Geschichte an Bedeutung gegenüber der künstlichen Grenze.

Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Naturrecht ist die Gesamtheit der der Natur innewohnenden, zeitlos gültigen, vernunftnot­wendigen und vom Menschen nicht geschaffenen Rechtssätze. Das N. ist bereits der griechischen Philosophie (griech. physei dikaion [N.]) als Gegensatz zum vom Menschen gesetzten Recht (griech. thesei dikaion [N.]) bekannt. Danach ist von Natur aus rechtens, was überall und schon unab­hängig von menschlicher Zustimmung gilt. Dieses N. wird von den Römern als von der (lat.) naturalis ratio (F.) beherrschtes ius (N.) naturale übernommen (z. B. Verbindung von Mann und Frau und Aufzucht von Kindern) und dem (lat.) ius (N.) gentium zur Seite gestellt. Nach christlicher Ansicht stammt es (als [lat.] lex [F.] aeterna, vom Menschen erkennbar in der [lat.] lex [F.] naturalis) von Gott. Demgegenüber sehen die Glossatoren das römische Recht als gegeben an und stellen die Frage nach einem übergeordneten Naturrecht nicht. In der frühen Neuzeit betonen spanische Spätscholastiker (z. B. Francisco de Vitoria 1493-1546, Fernando Vasquez 1512-1569) und deutsche Refor­mierte (z. B. Johann Oldendorp 1486-1567, Johannes Althusius 1557-1638) erneut die besondere Bedeutung des Naturrechts. Der in Leiden und Orléans am gemeinen Recht geschulte Niederländer Hugo → Grotius (1583-1645) überführt in (lat.) De iure praedae (1606-8) und in (lat.) De iure belli ac pacis tres (Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht, 1624) die Naturrechts­lehren aus der Moraltheologie in die Rechtswissen­schaft. Ihm folgt in Deutschland zunächst Samuel Pufendorf (1632-1694, [lat.] De iure naturae et gentium libri octo, Acht Bücher Natur- und Völkerrecht, 1672), der in Heidelberg im Jahre 1661 (außerhalb der juristischen Fakultät) den ersten Lehrstuhl für N. erhält. Weil das N. jetzt besonders auf die Vernunft abstellt, bezeichnet man es auch als → Vernunftrecht. Klassischer Vertreter des deutschen Vernunftrechts ist der im Wesentlichen mit der Reformuniversität → Halle verbundene Christian → Thomasius (1655-1720, [lat.] Fundamenta [N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1705, Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), der das Recht endgültig von Theologie und Moral befreit. Sein Schüler Christian → Wolff (1679-1754) schließlich stellt unter starkem Rückgriff auf das im usus modernus pandectarum verwendete gemeine Recht seiner Zeit ([lat.] more geometrico) ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf ([lat.] Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum, 1740-1749, Natur­recht wissen­schaftlich durchgeführt), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen einzelnen Folgesatz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, zugleich die Ablösung des (in Frankreich und England sowie im positivistisch-historisch bestimmten Kirchen­recht der frühen Neuzeit fremd bleibenden) Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Unmittelbare Über­nahme von behaupteten Naturrechts­sätzen in die Rechtspraxis finden sich kaum. Bei Darjes und Nettelbladt geht das N. bereits in der Dogmatik des geltenden Rechts auf. Immanuel Kant steht dem N. kritisch gegenüber. Auch Savigny und die von ihm begründete historische Rechtsschule lehnen das N. als ungeschichtlich ab. Nach 1945 werden kurzfristig naturrechtliche Gedanken wieder aufgegriffen. Problematisch ist das N. deswegen, weil es mit bereits vorausgesetzten ethischen Kriterien an die Wirklichkeit herantritt und aus ihr auswählt, was es für maßgeblich hält.

Lit.: Kroeschell, DRG 2,3; Köbler, DRG 31, 144, 145; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 245; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre, 1924; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973; Arnold, F., Zur Frage des Naturrechts bei Martin Luther, 1937; Thieme, H., Die Zeit des späten Naturrechts, ZRG GA 56 (1936), 202; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A. 1954; Krause, O., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1949 (gedruckt 1982); Stratenwerth, G., Die Naturrechtslehre des Johannes Duns Scotus, 1951; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Flückiger, F., Geschichte des Naturrechts, 1954; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A. 1954; Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Wieacker, F., Vom heutigen Stand der Naturrechtsdiskussion, 1965; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Wunner, S., Christian Wolff und die Epoche des Naturrechts, 1968; Weinkauff, H., Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung, NJW 13 (1969), 1689; Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970; Röd, W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Rüping, H., Gottlieb Gerhard Titius und die Naturrechtslehre, ZRG GA 87 (1970), 314; Luig, K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; Naturrecht in der Kritik, hg. v. Böckle, F. u. a., 1973; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Sprenger, G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts auf das positive Privatrecht im 18. Jahrhundert, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Klippel, D., Naturrecht als politische Theorie, (in) Aufklärung als Politisierung, hg. v. Bödeker, H. u. a. 1987, 267; Christian Thoma­sius 1655-1728, hg. v. Schneiders, W., 1989; Bühler, C., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius 1655-1728, 1989; Doe, N., Fundamental Authority in Late Medieval English Law, 1990; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Naturrecht - Spätaufklärung - Revolution, hg. v. Dann, O., 1995; Voppel, D., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Naturrecht im 19. Jahrhundert, hg. v. Klippel, D., 1997; Recht zwischen Natur und Geschichte, hg. v. Kerregan, F. u. a., 1997; Bruch, R., Ethik und Naturrecht, 1997; Seelmann, K., Theologie und Jurisprudenz, 1997; Wie erkennt man Naturrecht, hg. v. Seifert, J., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit zwischen Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 7; Hammerstein, N., Die Naturrechtslehre an den deutschen, insbesondere den preußischen Universitäten, (in) Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, 1998, 3; Scattola, M., Das Naturrecht vor dem Naturrecht, 1999; Drescher, A., Naturrecht als utilitaristische Pflichtenethik?, 1999; Die hallesche Schule des Naturrechts, hg. v. Rüping, H., 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003; Otte, G., Die Naturrechtsrecht­sprechung der Nachkriegszeit, 2004; Naturrecht und Staat, hg. v. Klippel, D., 2006; Das Naturrecht und Europa, hg. v. Guz, T., 2007; Wittreck, F., National­sozialistische Rechts­lehre und Naturrecht, 2008

Naturrechtler ist der Vertreter des → Naturrechts.

Lit.: Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1982

Naturrechtskodifikation ist die auf → Naturrecht gegründete → Kodifikation an der Wende vom 18. zum 19. Jh. (preußisches Allgemeines Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811/1812)

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967

Naturschutz ist der Schutz der Natur (natürlichen Landschaft) durch den Staat. Der N. entsteht im 20. Jh. und wird in dessen zweiter Hälfte vom allgemeineren Umweltschutz eingeschlossen.

Lit.: Lorz, A., Naturschutzrecht, 1985; Wettengel, M., Staat und Naturschutz, HZ 1993, 2, 335; Naturnutzung und Naturschutz in der europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Heyen, V., 1999; Naturschutz und Nationalsozialismus, hg. v. Radkau, J. u. a., 2003; Schmoll, F., Erinnerung an die Natur, 2004; Natur- und Umweltschutz nach 1945, hg. v. Brüggemeier, G. u. a., 2005; Nellessen, K., Umweltschutz als kommunale Aufgabe, 2007

Naturwissenschaft ist die auf die Natur im Gegensatz zum menschlichen Geist und die menschliche Gesellschaft oder insgesamt den Menschen bezogene Wissenschaft. Sie beginnt bereits bei den Griechen und gewinnt seit dem 19. Jh. überragende Bedeutung.

Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001

Navarra ist das Gebiet zwischen Pyrenäen und Ebro, das hauptsächlich von Basken besiedelt wird. 905 wird es Königreich, fällt aber 1026 kurzfristig an Kastilien und gerät seit 1234 unter den Einfluss Frankreichs (1234-1274 Grafen der Champagne, 1284/1291-1328 Frankreich, 1329-1425 Grafen von Evreux). Der südliche Teil wird 1512 von Aragonien erobert und zu Kastilien gezogen. Der nördliche Teil kommt 1589 zu Frankreich.

Lit.: Schramm, P., Der König von Navarra (1035-1512), ZRG GA 68 (1951), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,251; Segura Urra, F., Fazer justicia, 2005

Naziregime → Nationalsozialismus

Neandertaler ist der nach Funden von 1856 in dem durch industriellen Kalkabbau zerstörten Neandertal bei Mettmann, aus der europäischen Variante (homo Heidelber­gensis) des Frühmenschen (homo erectus) hervorgegangene, Kleidung und Schmuck kennende, aber vielleicht vor etwa 30000 Jahren von dem in Afrika entstandenen modernen Menschen verdrängte Hominide.

Lit.: Schrenk, F./Müller, S., Die Neandertaler, 2005

Neapel beruht auf einer im 8./7. Jh. v. Chr. von Cumae aus eingerichteten Kolonie, neben der im 5. Jh. eine Neustadt (griech. Neapolis) gebaut wird. Über Römer und Oströmer gelangt es 1057 bzw. 1139 an die Normannen (→ Sizilien). 1224 wird es durch Kaiser Friedrich II. Sitz einer Universität. Über Anjou (1266/8), Aragonien (1435), Piemont (1713), Österreich (1720), die Bourbonen (1735) kommt N. 1860 an Sardinien-Piemont und danach 1861 zu Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gunn, P., Neapel, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren, europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218; Rovito, P., Respublica dei togati, 1982; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Kiesewetter, A., Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999

Nebenabrede ist die auf Grund der allgemeinen Vertragsfreiheit neben dem notwendigen Inhalt eines Vertrags stehende zusätzliche, den gewöhnlichen Inhalt er­gänzende oder sonst abändernde Abrede (lat. [N.] pactum adiectum, z. B. im römi­schen Recht [lat.] lex commissoria, Wiederkaufs­abrede, Besserge­bots­abrede).

Ne bis in idem (lat.) Nicht zweimal in derselben (Sache)

Lit.: Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Grundsatzes "ne bis in idem", Diss. jur. Zürich 1970

Necessitas non habet legem (lat.). Not kennt kein Gebot.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Glosse Expedire zu Digesten 1, 10, 1, § 1)

Ne eat iudex ultra petita partium (lat.). Der Richter soll nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen.

Lit.: Liebs, D. Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Neglegentia (lat. [F.]) ist die Nachlässigkeit im spätantiken römischen Schuldrecht (Außerachtlassung der pflichtgemäßen Sorg­falt, Gegenteil der lat. [F.] dilidgentia).

Lit.: Köbler, DRG 63; Negligence, hg. v. Schrage, E., 2001

Negotiorum gestio (lat. [F.]) oder negotium gestum ist die bereits dem klassischen römischen Schuldrecht bekannte, vielleicht aus der Verfahrensführung eines (lat. [M.]) procurator und der Geschäftsführung eines (lat. [M.]) curator entstandene → Geschäfts­führung ohne Auftrag, die als kontraktähnliches Verhältnis für den Ge­schäftsherrn einen Herausgabeanspruch und möglicherweise einen Schadensersatz­anspruch gegen den Geschäftsführer und umgekehrt möglicherweise einen Aufwen­dungserstattungsanspruch des Geschäftsfüh­rers gegen den Geschäftsherrn begründet.

Lit.: Kaser §§ 8 I 2e, 44 II; Söllner §§ 9, 18; Köbler, DRG 47; Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestiorum gestio, 1968; Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

negotium (N.) claudicans (lat.) hinkendes Geschäft (z. B. des beschränkt geschäfts­fähigen Minderjährigen)

negotium (N.) per aes et libram (lat.) Libralgeschäft mit Erz und Waage

Nehrman-Ehrenstrale, David (1695-1769), Malmöer Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Lund, Rostock, Halle (Thomasius, Gundling) und Leiden 1720 Professor, 1721 ordentlicher Professor für schwedisches und römisches Recht in Lund und hält als erster schwedische Vorlesungen. 1729 veröffentlicht er die erste, vom römischen Recht gelöste wissenschaftliche Darstellung des Privatrechts Schwedens (Inledning til then swenska iurisprudentiam civilem, Einleitung in die schwedische Zivil­jurisprudenz). Seit 1734 folgt er dem neuen schwedischen Gesetzbuch.

Lit.: Modéer, K., Einleitung zu: David Nehrman-Ehrenstrale, Inledning ., 1979, 26

Neidingswerk ist im mittelalterlichen nordgermanischen Recht die Missetat oder verächtliche Handlung. Voraussetzung und Folgen sind unterschiedlich.

Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Hemmer, R., Die Missetat im altschwedischen Recht, 1965

Nekrolog (M. bzw. N.) Totenbuch

Lit.: Das Necrolog des Klosters Michelsberg in Bamberg, hg. v. Nospickel, J., 2004; Leng, R., Ein Würzburger Necrolog aus dem 9. Jahrhundert, DA 63 (2007), 1

Nemo iudex in causa sua (lat.). Niemand sei Richter in eigener Sache.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Codex Justinianus 3,5 Rubrik, 534)

Nemo iudex sine actore (lat.). Kein Richter ohne Kläger.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (D. 50. 17. 54)

Nemo plus iuris ad alium transferre pot­est, quam ipse habet (lat.). Niemand kann mehr Rechte auf einen anderen übertragen, als er selbst hat.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 17, 54)

Nemo simul actor et iudex (lat.). Niemand kann zugleich Kläger und Richter sein.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Burchard von Worms, 965-1025, Decretum 16, 15)

Neoabsolutismus ist der der Verfassungs­bewegung des frühen 19. Jh.s. und besonders des Jahres 1848 folgende, in Österreich durch die gewaltsame Auflösung des Reichstags am 7. 3. 1849 und durch mehrere Erlasse Kaiser Franz Josephs vom 20. 8. 1851 (August­erlässe) eingeleitete Abschnitt des → Absolutismus (in Österreich besonders 1851 [Silvesterpatent] – 1860 [Oktoberdiplom] bzw. 1861 [Februarpatent] bzw. 1867 [De­zem­berverfassung]). Im N. werden die Ge­schworenengerichte, der liberale Strafpro­zess, das liberale Prozessrecht, Vereinsrecht und Gemeinde­recht wieder aufgegeben. Es wer­den aber auch zukunftweisende Entwickl­un­gen eingeleitet.

Lit.: Köbler, DRG 171, 193; Baltl/Kocher; Brandt, H., Der österreichische Neoabsolutismus, Bd. 1f. 1978; Rumpler, H., Eine Chance für Mitteleuropa, 1997

Nepotismus ist die Begünstigung von nahestehenden Menschen durch Machthaber, besonders in der katholischen Kirche des 15. bis 17. Jh.s.

Lit.: Reinhard, W., Nepotismus, ZKG 86 (1975), 145; Die Kreise der Nepoten, hg. v. Büchel, D./Reinhardt, V., 2001

Neratius (Saepinum 55/60-nach 133) wird nach langjähriger Ämterlaufbahn von dem römischen Kaiser Trajan (98-117) in den kaiserlichen Rat aufgenommen. Er ist ein führender Vertreter der → Prokulianer. Sein Hauptwerk sind 7 Bücher (lat. [F.Pl.]) mem­branae, in denen Streitfragen oder allgemeine Rechtssätze und Begriffserklä­rungen erörtert werden.

Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 144, 410; Maifeld, J., Die aequitas bei Lucius Neratius Priscus, 1991

Nerva filius (1. Jh. n. Chr.) ist der römische Jurist, dessen Sohn Kaiser (96-98) wird. Er ist → Prokulianer. Von ihm ist der Buchtitel (lat.) libri (M.Pl.) de usucapionibus (Bücher über Ersitzungen) überliefert.

Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 130

Nerva pater (-33 n. Chr.) ist der römische Jurist, dessen Enkel Kaiser (96-98) wird. Er ist Haupt der → Prokulianer. Die Titel seiner durch die Digesten überlieferten Schriften sind nicht bekannt.

Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 120

Nettelbladt, Daniel (Rostock 14. 1. 1719-Halle 4. 9. 1791), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (der Theologie und) des Rechts in Rostock, Marburg (Wolff) und Halle 1746 Professor in Halle. 1749 veröffentlicht er eine Übersicht über das Naturrecht ([lat.] Systema [N.] elementare universae iurisprudentiae naturalis, Grundsystem der gesamten Naturrechtswissenschaft) und das geltende Recht ([lat.] Systema elementare universae iurisprudentiae positivae, Grundsystem der gesamten positiven Rechtswissenschaft), in denen er die Rechte und Pflichten betref­fenden Wahrheiten (objektive Rechts­wissenschaft) unter Bildung allgemei­ner Teile vermitteln will. In seinen Werken geht das → Naturrecht in gewisser Weise in der Dogmatik des positiven Rechts auf. Als Einzelheit erwähnenswert ist die Entwicklung des allgemeinen prozessrechts­wissen­schaftli­chen Begriffs der Prozesshandlung. Zu Nettelbladts Schülern gehören von Carmer, Svarez und Klein, die das preußische Allge­meine Landrecht (1794) maßgeblich prägen.

Lit.: Köbler, DRG 156, 159; Schwarz, B., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 321; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 52

Neubruch (lat. [N.] novale) ist das neugerodete Land. Von ihm wird seit dem 8. Jh. ein →Zehnt gefordert.

Lit.: Pöschl, A., Der Neubruchzehnt, AKKR 98 (1918), 3

Neuenburg (Neuchâtel) erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 1101 als neue Burg, die 1032/1033 zum deutschen Reich gelangt. Am 12. 9. 1814 schließt sich N. als 21. Kanton der → Schweiz an. 1838 erhält es eine Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Elert, K., Die Behördenorganisation von Neuchâtel, 1914; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,455, 3,2,1879; Bachmann, A., Die preußische Sukzession in Neuchâtel, 1993; Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998

Neuhegelianismus ist die Fortführung der Gedanken → Hegels im späten 19. und frühen 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Neukantianismus ist die Fortführung der Ge­danken Kants im späten 19. und frühen 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ziemann, S., Neukan­tiani­sches Strafrechtsdenken, 2009

Neumarkt in der Oberpfalz

Lit.: Heinloth, B., Neumarkt, 1967

Neumarkter Rechtsbuch ist das für Neumarkt in Schlesien aus der vierten deutschen Fassung des Sachsenspiegels und dem 1235 verfassten Schöffenbrief Halles an Neumarkt wohl in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (1327/35) hergestellte, in einer unvollständigen Handschrift (des ersten Drit­tels?) des 14. Jh.s überlieferte Rechtsbuch. Das davon verschiedene Neumarkter Recht ist in zahlreichen Orten Schlesiens und Polens nachzuweisen. 1352 schließt sich Neumarkt dem Magdeburg-Breslauer Recht an.

Lit.: Meinardus, O., Das Neumarkter Rechtsbuch, 1906; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Sandow, E., Das Halle-Neumarkter Recht, 1932; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 60; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61

Neumünstersche Kirchspielbräuche sind gewohnheitsrechtliche, spät aufgezeichnete Rechtssätze des Kirchspiels Neumünster in Holstein.

Lit.: Seestern-Pauly, F., Die neumünsterschen Kirchspielgebräuche und die bordesholmischen Amts­gebräuche, 1824; Sievers, H., Die neumünsterschen Kirchspielbräuche und die bordesholmischen Amts­gebräuche, Diss. jur. Kiel 1956

Neun Bücher des Magdeburger Rechts sind das zwischen 1400 und 1402 von dem seit 1385 in Thorn als Stadtschreiber nachweisbaren Walter Ekhardi aus der systematischen Fassung der → Magdeburger Fragen, dem alten → Kulm, dem glossierten → Sachsenspiegel, dem Magdeburger Weichbild, dem Lehnrecht in Distinktionen und dem → Meißner Rechtsbuch zusammen­gestellte Rechtsbuch. Um 1408 werden die Neun Bücher des Magdeburger Rechts unter Verwendung des Richtsteig Landrechts und des Schwabenspiegels auf die Hälfte gekürzt. Diese Fassung wird 1574 von dem Notar Albert → Poelmann (Königsberg) in Magdeburg herausgegeben.

Lit.: Amira, K. v. /Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 171; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 51

Neuostpreußen ist ein von Preußen bei den Teilungen → Polens 1793/1795 erlangtes Gebiet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Preußen); Bussenius, C., Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen 1793-1806, 1960

Neuß

Lit.: Entner, G., Neuß, 1926

Neustadt an der Waldnaab

Lit.: Sturm, H., Neustadt an der Waldnaab, 1978

Neustadt an der Weinstraße

Lit.: Spieß, P., Die Stadtordnung Philipps des Aufrichtigen für Neustadt aus dem Jahre 1493, Mitt. d. hist. Ver. d. Pfalz 66 (1968), 197; Der Oberhof zu Neustadt an der Weinstraße 1, hg. v. Erler, A., 1968; Spieß, P., Verfassungsentwicklung der Stadt Neustadt, 1970 (Diss.)

Neuständisch beschränkte Monarchie ist mit dem Oktoberdiplom (1860) verwirklichte, im Ergebnis aber dem Konstitutionalismus unterlegene Bindung des Kaisers Österreichs an die Mitwirkung von Ständevertretungen (neuer Art).

Lit.:Wagner, S., Der politische Kodex, 2004

Neustrien (Westgebiet ?) ist ein Teil des fränkischen Reiches vom späten 6. Jh. (um 600 ?) bis zum 8. Jh.

Lit.: Kretschmer, P., Das Rätsel des Namens Neustria, Forschungen und Fortschritte 14 (1938), 114; Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960; La Neustrie, hg. v. Atsma, H., 1989

Neutralität ist die Nichtbeteiligung eines Staates an einer kriegerischen Ausei­nandersetzung. Sie findet sich seit dem ausgehenden Mittelalter, als bewaffnete N. seit dem späten 18. Jh. 1856 begründet die Pariser Seerechtsdeklaration das moderne Neutralitäts­recht. Die Schweiz behauptet seit 1815, Österreich seit 1955 N. (26. 10. 1955 Neutralitätsgesetz, 2001 Allianzfreiheit).

Lit.: Köbler, DRG 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 315; Bergbohm, C., Die bewaffnete Neutralität 1780-1783, 1884; Verosta, S., Die dauernde Neutralität, 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Chevallez, G., Die Herausforderung der Neutralität, 1997; Setzen, F., Neutralität im zweiten Weltkrieg, 1997; Neff, S., The rights and duties of neutrals, 2000; Fischer, T., Die Grenzen der Neutralität, 2004

Neuwied

Lit.: Stupp, H., Die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Stadt Neuwied, Diss. jur. Bonn 1959

Neuzeit ist der dem Mittelalter folgende, durch zahlreiche Neuerungen (z. B. Ent­deckung Amerikas 1492, neues helio­zentrisches Weltbild, neues Verhältnis zu Gott, neue Beziehung zum Altertum usw.) gekennzeichnete Abschnitt der menschlichen Geschichte (Christoph Cellarius [Keller] [1634-1707], Historia tripartita).

Lit.: Köbler, DRG 129; Quellenkunde zur deutschen Geschichte der Neuzeit, Bd. 1ff. 1982ff.; Friedell, E., Kulturgeschichte der Neuzeit, Neudruck 1996; Skalweit, S., Der Beginn der Neuzeit, 1982; Spezialforschung und „Gesamtgeschichte“, hg. v. Klingenstein, G. u. a., 1982; Handbook of European History 1400-1600, hg. v. Brady, T. u. a., Bd. 1f. 1994; Leimgruber, N., Die frühe Neuzeit, 1997; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit, 2003; Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F., Bd. 1ff. 2004ff.; Emich, B., Frühe Neuzeit, 2006; Frühe Neuzeit, hg. v. Völker-Rasor, A., 2. A. 2006; Erbe, M., Frühe Neuzeit, 2007; Die innovative Kraft der Tradition in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a., 2007; Lundt, B., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1800, 2009; Vocelka, K., Geschichte der Neuzeit, 2009; Die frühe Neuzeit als Epoche, hg. v. Neuhaus, H., 2009

Nevolin, Konstantin Alekseevic (1806-1855) wird nach dem Rechtsstudium in Sankt Petersburg und Berlin (Savigny) Professor in Kiew und seit 1843 in Sankt Petersburg. Er wirkt an der Abfassung des → Svod Zakonov mit. In seiner Geschichte der juristischen Zivilgesetze setzt er sich für die Übernahme der Gedanken der → historischen Rechts­schule in → Russland ein.

Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; Wortman, R., The Development of a Russian legal Consciousness, 1976

Nexti canthichio ist eine salfränkische Wendung des (lat.-afrk.) → thunginus des frühen 6. Jh.s (ich verstricke den Streitgegner [im Rahmen der Vollstreckung]?).

Lit.: Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 285

Nexum (lat. [N.] Verknüpfung) ist ein umstrittenes, vermutlich schon im 4. Jh. v. Chr. verbotenes Haftungsgeschäft des altrö­mischen Rechts, bei dem durch Erz und Waage, also wohl zunächst gegen tatsächliches Entgelt (Darlehen), jemand einem anderen eine Zugriffsmacht mit der Möglichkeit der Enthaftung durch Rückzah­lung einräumt.

Lit.: Kaser §§ 6 II, 7 I 3, 32 II 3b, 4c, 39 I 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 27

Nicaea (bei Komstantiopel) ist 325 n. Chr. Ort eines von Kaiser Konstantin einberufenen Konzils mit rund 2000 Teilnehmern (davon 318 Bischöfe, Formulierung des nicänischen Glaubensbekenntnisses, Bejahung der We­sens­­gleichheit Jesu mit Gott).

Nichtanzeige geplanter Straftaten (§§ 138, 139 StGB) ist in Deutschland seit dem 20. Jh. hinsichtlich bestimmter schwerer Straftaten eine eigenständige Straftat.

Lit.: Grunert, H., Die Strafbarkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten, 1943; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten, 2002

Nichtberechtigter ist die Person, der ein Recht (bzw. die Verfügungsmacht) zu dem von ihr geübten Verhalten fehlt. Nach dem römischen Recht kann von einem Nichtberechtigten grundsätzlich nicht erwor­ben werden (lat. → nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet). Dagegen eröffnet das mittelalterliche Recht den → gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten.

Lit.: Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 363

Nichtehe ist die absolut nichtige, einer Vernichtung nicht bedürftge oder zugängliche Ehe (z. B. bei Nichtmitwirkung des Stan­desbeamten oder [bislang] der Geschlechts­gleichheit der Eheschließenden).

Nichteheliche Lebensgemeinschaft ist die ohne Eheschließung ausgeübte Lebensge­meinschaft eines Mannes und einer Frau. Ursprünglich vor allem von der Kirche als → Konkubinat oder Verhältnis bekämpft, setzt sich die n. L. seit etwa 1980 allmählich durch. Für sie gelten im Wesentlichen die all­gemeinen Regeln, nicht dagegen die beson­deren Bestimmungen über die eheliche Le­bens­ge­meinschaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schwab, D., Eheschließungs­recht und nichteheliche Lebensgemeinschaft, FamRZ 1981, 1151; Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg. v. Eser, A., 1985; Schreiber, C., Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1995

Nichteheliches Kind ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 19. 8. 1969 das uneheliche Kind. Dieses ist auch mit seinem Erzeuger verwandt. Gegenüber dem früheren Recht ist sein Unterhaltsanspruch erweitert und durch die Regelunter­haltsverordnung (27. 6. 1970) präzisiert. Dennoch bestehen nach 1969 weiter Unterschiede zum ehelichen Kind (Fest­stellung der Vaterschaft, Name, elterliche Sorge, Unterhalt, Erbrecht). Am 12. 6. 1991 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass den Eltern eines nichtehelichen Kindes gemeinsam das Sorgerecht zustehen kann. 1998 wird in Deutschland die Unterscheidung zwischen nichtehelichen Kindern und ehelichen Kindern beseitigt und damit auch die gesetzliche Amtspflegschaft für das nichteheliche Kind aufgegeben (Spanien 1979/1981).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nicht­ehelichen Kindes, 1978; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und Ehescheidungsrechts, 1986; Hai­bach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 214; Heinrich, T., Das preußische Nichtehelichenrecht, 1993; Winkler, W., Nichteheliche Kinder und landwirtschaftliches Erbrecht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Arends Olsen, L., La femme et l’enfant, 1999; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Die Reform des Nichtehelichenrechts (1961-1969), hg. v. Schubert, W., 2003; Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004

Nichterfüllung ist das Ausbleiben der Leistung eines Schuldners. Hier kennt bereits das römische Recht in vielen Fällen die Verurteilung zum Sachwert bzw. später den Schadenersatz. Dieses römische Recht wird seit dem Spätmittelalter weitgehend übernommen. Hieraus entwickelt sich das Leistungsstörungs­recht für → Verzug, → Unmöglichkeit und sonstige Pflichtverletzung (→ positive Forderungsverletzung). Die Einrede des nichterfüllten Vertrags entsteht dabei aus römischem Recht und kirchlichem Recht im 15./16. Jh.

Lit.: Kaser § 37; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000; Roos, C., Die Grundlagen und die dogmatische Entwicklung der Vorschriften zur Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2004; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen Erfüllung, 2004

Nichtigerklärung ist die ausdrückliche Erklärung der Nichtigkeit einer Handlung durch die zuständige Stelle (z. B. der Ehe durch Gericht nach AGBG bei bestehendem Eheband, Irrtum oder Zwang bei der Eheschließung bzw. nach den §§ 21ff. EheF).

Nichtigkeit ist die völlige Unwirksamkeit einer an erheblichen, nicht billigenswerten Mängeln leidenden Handlung. Sie ist schon dem römischen Recht bekannt, ohne dass dieses eine durchgehende Begrifflichkeit ausbildet. Im Prozess betrifft sie das Urteil. Auch im seit dem Spätmittelalter aufge­nommenen römischen Recht fehlt noch eine allgemein anerkannte Lehre der Un­wirksamkeit von Verträgen, doch wird die Unwirksamkeit bereits als (lat. [F.]) nullitas bezeichnet.

Lit.: Kaser §§ 9 I, 84 II 31; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 413; Kriechbaum, M., Teilnichtigkeit und Gesamtnichtigkeit, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 39; Düwel, L., Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006

Nichtigkeitsbeschwerde ist die Nichtigkeit behauptende Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung. Sie wird auf umstrittener Grundlage in Italien seit dem 12. Jh. für grobe Verfahrensfehler (bei einer [lat.] sententia [F.] nulla) allmählich entwickelt (lat. querela [F.] nullitatis). Seit dem 16. Jh. wird sie im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in unklarer Abgrenzung zur → Appellation aufgenommen. Seit 1877/1879 kann eine Nichtigkeit nur in den gesetzlich fest umrissenen Fällen der → Wiederauf­nahme des Verfahrens geltend gemacht werden (Nichtigkeitsklage). Im Strafverfahren des Nationalsozialismus kann ein rechts­kräftiges Urteil vom Oberreichs­anwalt mit der N. angegriffen werden. In Österreich können rechtliche Fehler eines Schöffengerichts oder Geschworenengerichts zur Wahrung des Gesetzes vor dem obersten Gerichtshof angefochten werden. → Nichtigkeitsklage

Lit.: Köbler, DRG 156, 235; Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, A., Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 395; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 46

Nichtigkeitsklage ist die Klage, mit der die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abge­schlossenen Verfahrens angestrebt werden soll. Sie wird im römisch-kanonischen Verfahren seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen zulässig (lat. actio [F.] nullitatis). Die Abgrenzung zu Appellation und Nichtig­keitsbeschwerde ist unscharf. Seit 1877/1879 kann eine N. nur in den gesetzlich fest umrissenen Fällen der → Wieder­aufnahme des Verfahrens erhoben werden. Eine besondere Ehenichtigkeitsklage ist in Deutschland seit 1. 7. 1998 nicht mehr vorge­sehen. → Nichtig­keitsbeschwerde

Lit.: Köbler, DRG 117; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 393; Endemann, W., Das deutsche Zivilprozessrecht, 1868, Neudruck 1969, 937

Nichtschuld ist das Fehlen einer Verbind­lichkeit. Bereits das klassische römische Recht gewährt bei Leistung auf eine N. einen Ausgleichsanspruch (lat. condictio [F.] indebiti). Dieser wird seit dem Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen (Worms 1499). → Bereicherung

Lit.: Köbler, DRG 47, 166

Nicolai, Pierre-Thomas (Aubel 1763-1836), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Reims Advokat in Limburg, danach Richter im französisch gewordenen Gebiet, 1800 in Lüttich und seit 1820 Politiker. Er bewirkt, dass 1821 der bereits von → Napoleon (1811) eingeführte französische → Code civil die Grundlage der Beratung für das erst 1838 in Kraft getretene Burgerlijk Wetboek der → Niederlande wird und damit die Niederlande im französischen Rechtskreis verbleiben und das 1830 verselbständigte → Belgien vom neuen niederländischen Privatrechtsges­etz­buch erst gar nicht erfasst wird.

Lit.: Dievoet, E. van, Het burgerlijke recht, 1943, 23

Niebuhr, Barthold Georg (Kopenhagen 27. 8. 1776-Bonn 2. 1. 1831), Geographensohn, wird nach dem Studium in Kiel, London und Edinburgh Staatsbediensteter in Dänemark (1800) und Preußen. Sein Hauptwerk ist die „Römische Geschichte“ (Bd. 1ff. 1811ff.). 1816 entdeckt er auf einen Hinweis Savignys in der Bibliothek des Domkapitels von Verona eine Handschrift der Institutionen des → Gaius (Palimpsest des 8. Jh.s einer Handschrift des 5./6. Jh.s.).

Lit.: Söllner § 16; Gaius, Institutionum commentarii quattuor, hg. v. Studemund, G., 1874; Rytkönen, S., Barthold Georg Niebuhr, 1968; Wilte, B., Der preußische Tacitus, 1979

Niederdeutsch ist das nicht von der (althochdeutschen) Lautverschiebung erfasste, räumlich den niedrig liegenden Norden betreffende Deutsche (altniederfränkisch, altsächsisch, mittelniederdeutsch [z. B. → Sachsenspiegel]), das in der Neuzeit schrift­sprachlich dem Hochdeutschen unterliegt und nur noch umgangssprachlich fortbesteht (Plattdeutsch).

Lit.: Köbler, G., Altniederdeutsch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altniederdeutsches Wörterbuch. 2. A. 1982; Niederdeutsche Sprache und Literatur der Gegenwart, hg. v. Stellmacher, D., 2004

Niederer Adel ist in neuzeitlich-abwertender Bezeichnung der nur ritterbürtige, teils aus der Unfreiheit aufgestiegene → Adel im Ge­gensatz vor allem zum Landesherrschaft habenden Adel.

Lit.: Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels, 1937; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979

Niedere Vogtei ist im deutschen Südwesten der frühen Neuzeit ein aus dem Niedergericht hervorgegangenes Bündel grundherrschaft­licher und gerichtsherrlicher Rechte (des Reichssteuern einsammelnden Grundherrn?).

Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 78, 198

Niedergericht ist das für Klagen um → Schuld und bewegliche → Sachen sowie für leichtere Straffälle zuständige → Gericht im Gegensatz zum → Hochgericht und Blut­ge­richt. N. ist etwa das Zentgericht, Go­gericht, Schulzen­gericht, Vogteigericht, Erbgericht, Dorfgericht, Hofmarkgericht oder teilweise auch das Landgericht. Den Ausgangspunkt bildet wohl die Aussonderung einfacher Sachen aus dem Grafengericht bereits im Frühmittelalter. Im 13. Jh. steht das N. allgemein dem Landesherrn zu. Danach geht es weitgehend auf die Grundherren über (Patrimonialgericht). Die genaue Zustän­digkeitsabgrenzung erfolgt zeitlich-räumlich nicht gleichmäßig. Vom N. kann zunehmend an ein Obergericht appelliert werden.

Lit.: Grosch, G., Das spätmittelalterliche Niedergericht auf dem platten Lande am Mittelrhein, 1906; Weimann, K., Das tägliche Gericht, 1913; Goetz, G., Niedere Gerichtsherrschaft und Grafengewalt im badischen Linzgau, 1913; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, Neudruck 1958, 50; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergerichte, 1929; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 6; Linderkamp, H., Niedergerichtliche Strafformen und ihre Anwendung nach Quellen der Rechtspraxis, 1985; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000

Niederlagsrecht ist das Recht eines Ortes, von durchreisenden Händlern die Niederlage ihrer Waren zum Verkauf am Ort zu verlangen. Es ist beispielsweise im 13. Jh. für Breslau bezeugt. Es wird meist durch stadtherrliches Privileg erlangt. Es endet im Liberalismus des 18./19. Jh.s (Hannoversch-Münden 1823, Köln 1831).

Lit.: Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939; Henning, F., Handelsordnungen des Mittelalters, (in) Scripta mercaturae, Bd. 2 1970, 41

Niederlande sind der am Einfluss des Rheins in das Meer gelegene nordwestmitteleuro­päische Staat. Das betreffende, ursprünglich von Franken, Friesen und wohl auch Sachsen besiedelte Gebiet (anfangs zwischen Somme und Ems) gelangt im Spätmittelalter allmählich an den Herzog von Burgund und nach dem Aussterben der für die N. 1473 in Mecheln einen obersten Gerichtshof errich­tenden Herzöge von Burgund (1477) an die → Habsburger, die es 1521 an ihre spanische Linie geben bzw. 1548 im Augsburger Vertrag vom Reich verselbständigen und 1555, nun als N. (frz. Pays d’en Bas) bezeichnet, in der spanischen Linie an Philipp II. geben. Seit 1565 wehren sich Adlige in dem seit etwa 1540 zunehmend zum Calvinismus bekehrten Gebiet (von insgesamt 17 Landen) gegen die Verdichtung der habsburgisch-spanischen Herrschaft, unter der 1570 Criminele Ordonnantië das Strafrecht festlegen. Mit dem 1. 4. 1571 beginnt ein Aufstand, in dessen Verlauf am 18. 7. 1572 zwölf Städte in Seeland und Holland Wilhelm von Oranien zum könig­lichen Statthalter wählen (1650-1672, 1702-1747, ab 1795 statthalterlos). 1581 entsteht daraus ein loser Staatenbund der sog. Generalstaaten (Repu­blik der Vereinigten Niederlande). 1648 werden die seit 1635 mit Frankreich ver­bündeten Generalstaaten als eigener, vom Reich gelöster Staat (Republik) (von Spanien) anerkannt. In ihm wählen die Stände den Statthalter, dessen Amt im Hause Oranien eine gewisse Erblichkeit erlangt. Zugleich erwerben die N. umfangreiche Kolonien. Seit 1798 beginnt unter der Herrschaft Frankreichs (1795) in der daraufhin gebildeten Batavischen Republik die Vereinheitlichung des bis dahin sehr zersplitterten (z. B. friesischen, hollän­dischen, seeländischen, geldrischen), sub­sidiär ge­mein­rechtlich orientierten Rechts (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk [Verfassung], 1799 Entwurf einer Zivil­prozessordnung und Kriminalprozessord­nung, 1801/1804 Entwurf eines peinlichen Gesetz­buchs, ab 1806/1807 Arbeiten an einem Entwurf eines bürgerlichen Gesetz­buchs). 1806 wandelt Napoleon die Republik in ein Königreich um (König Louis Bonaparte 1806-1810). Zum 1. 2. 1809 wird nach dem Vorbild Frankreichs ein Kriminalgesetzbuch für das Königreich Holland und am 1. 5. 1809 das Gesetzbuch Napoleons (Code Napoleon, Bürgerliches Gesetzbuch) für das Königreich Holland in Kraft gesetzt. Am 9. 7. 1810 wird Holland mit Frankreich vereinigt. 1811 wird das Recht Frankreichs im ehemaligen Holland eingeführt. Mit Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig lösen sich die N. 1813 als Fürstentum wieder von Frankreich. Im März 1814 wird eine Verfassung (Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande) verkündet. Zur gleichen Zeit werden südliche Gebiete, die 1713/1714 nach dem spanischen Erbfolgekrieg von Spanien an Österreich gelangen, und das Hochstift Lüttich dem aus dem Fürstentum sich bildenden Königreich der Vereinigten N. angefügt. 1830 lösen sich diese teilweise fran­kophonen Gebiete im selbständig werdenden → Belgien von den Niederlanden. Am 1. 10. 1838 erhalten die N. nach dem Vorbild des → Code civil ein Bürgerliches Gesetzbuch (1970ff. erneuert), ein Handels­gesetzbuch, eine Zivilprozessordnung und eine Straf­prozessordnung (1926 erneuert), 1881/­1886 ein Strafgesetzbuch. Ab 1951 wirkrn die N. an der Bildung der europäischen Gemein­schaf­ten mit.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 129, 130, 170, 256; Fockema-Andreae, S., Overzicht van oud-nederlandsche Rechtsbronnen, 1881; Gratama, M., Het onuitgegeven Landrecht van Drenthe, 1883; Westerkamp, J., Das Bundesrecht der Republik der vereinigten Niederlande, 1890; Turba, G., Über das rechtliche Verhältnis der Niederlande zum deutschen Reich, 1903; Andreae, F., Über den Ursprung der niederländischen Rechte, ZRG GA 30 (1909), 1; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leis­tungsverzuges, 1913; Gossen, J., De rechterlijke Organisatie van Zeeland, 1917; Müller, E., Eine niederländische Sachsenspiegelhand­schrift, ZRG GA 38 (1917), 305; Van Apeldoorn, Geschiedenis van het nederlandische huwelijksrecht voor de invoering van de fransche wetgeving, 1925; Blécourt, A., Kort begrip van het oud-vaderlandsch burgerlijk Recht, 1922, 2. Druk 1924 (mit Bewijsstukken, 1924, 1926), 6. A. 1950; Bijnkershoek, C. van, Observationes tumul­tuariae, hg. v. Meijers, E. u. a., Bd. 1f. 1926ff.; Gosses, J., Welgeboren en Huislieden, 1926; Schaap, H., Philips Wielant en diens Corte Instructie, 1927; Monté ver Loren, J. de, De historische ontwikkeling van de begripen bezit en eigendom, 1929 (Diss. jur. Utrecht); Fischer, H., De geschiedenis van de reëlle executie bij koop, 1934; Pitlo, R., De ontwikkeling der esecuteele, 1941; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Huizinga, J., Herbst des Mittelalters, 1945; Overdiep, G./Tjessinga, J. C., De Rechtsomgang van Franekeradeel 1406-1438, 1950; Aubin, H./Menzel, E., Die niederländischen Ansprüche auf die Emsmündung, 1951; Feenstra, R., A quelle époque les Provinces-Unies sont-elles devenues indépentes, TRG 20 (1952), 30, 182; Vries, K. de, Bijdrage tot de kennis van het strafprocesrecht in de Nederlandse steden, (1956); Lademacher, H., Die Stellung des Prinzen von Oranien als Statthalter in den Niederlanden von 1572 bis 1584, 1958; Schneppen, H., Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben, 1960; Westerink, G., Doornspijk en Elburg, 1961; Andreae, F., De Nederlandse staat, 1961; Costumen van’s-Gravenhage 1451-1609, hg. v. Hart, G. t’ u. a., 1963; Petri, F., Die Kultur der Niederlande, Handbuch der Kultur­geschichte, Lieferungen 68-72, 80-84, 1964; Wedelind, W.-, Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken, 1971; Bibliografie Nederlandse rechtsgeschiedenis, hg. v. Nederlands centrum voor rechtshistorische documen­tatie, Bd. 1ff. 1971ff; Hardenberg, L., Der dreizehnte Pfennig, ZRG GA 90 (1973), 185; Simons, C., Marine justitie, 1974; Gerbenzon, P./Algra, N., Voortgangh des rechtes, 5. A. 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,58,522,973, 2,2,744,­1399, 3,1,1191, 3,2,2603, 3,3,3402,3732,3801,3901,­3979,4099; Spruit, J., Niederländische rechtsgeschicht­liche Literatur aus den Jahren 1945-1975, ZRG GA 92 (1975), 371; Huusen, A., De codificatie van het Nederlandse huwelijksrecht 1795-1838, 1975 (Ehe­recht); Consilium Magnum 1473-1973, 1977; Vrugt, M. van den, De Crimenele Ordonnantiën van 1570, 1978; Herwaarden, J. van, Opgelegde Bedevaarten, 1978; Groenveld, S. u. a., De Kogel door de Kerk?, 1979; Jappe Alberts, W., Het middeleeuws keurboek van de stad Doetinchem, 1979; Gall, H., Bronnen van de Nederlandse Codificatie, Persoenen- en Fami­lienrecht 1798-1820, 1981; De Ontwerpen lijfstraffelijk wetboek 1801 en 1804, hg. v. Moorman van Kappen, O. u. a., 1982; Brokken, H., Het ontstaan van de hoekse en kabeljauwse twisten, 1982; Faber, S., Straf­rechtspleging en criminaliteit te Amsterdam 1680-1811, 1983; Lademacher, H., Geschichte der Niederlande, 1983; Prevenier, W./Blockmans, W., Die burgundischen Niederlande, 1986; Schepper, H., de, Belgium Nostrum, 1987; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Schilling, J./Täubrich, R., Niederlande, 1988; Moormann van Kappen, O., Ein Rückblick anlässlich der Hundertjahrfeier des niederländischen Strafgesetz­buches, ZRG GA 105 (1988), 256; Godding, P., Le droit privé, 1993; Lademacher, H., Die Niederlande, 1993; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburga im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Israel, J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O., Zur politischen und verfassungsrechtlichen Bedeutung der batavischen Umwälzung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; North, M., Geschichte der Niederlande, 1997; Mörke, O., Stadtholder oder Staetholder?, 1997; Arndt, J., Das Heilige Römische Reich und die Niederlande, 1998; Moorman van Kappen, O., Zwei Jahrhunderte niederländische Kodifikationsgeschichte (1797-1997), (in) Kodifikation und Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1997, 137; Honoris causa, hg. v. Coppens, E., 1999; Gallin, I., Rechtsetzung ist Machtsetzung, 1999; De Monté ver Loren, J., Hoofdlijnen uit de ontwikkeling der rechterlijke organisatie in de Noor­delijke Nederlanden, 7. Druck 2000; Sap, J., The Netherlands Constitution, 2000; Milton, G., Muskatnuss und Musketen, 2001; Koenigsberger, H., Monarchies, States generals and Parliaments, 2001; Weis, M., Les pays-bas espagnols, 2003; Hogenstijn, C., Het algemeen welzijn van het volk, 2004; North, M., Geschichte der Niederlande, 2. A. 2005; Cumulatieve editie van het Burgerlijk Wetboek, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; Mörke, O., Wilhelm von Oranien (1533-1584). Fürst und Vater der Republik, 2005; Kok, G., In dienst van het recht – uit de geschiedenis van het Gerichtshof ‘s-Gravenhage en de daaraan vooraf gegane hoven (1428-heden),2005; Wassink, J., Van stad en bitenie, 2005; Becker, H., De Etstoel van Drenthe, 2005; Eggens, A., Van daad tot vonnis, 2005; Bosch, A., De ontwikkeling van het strafrecht in Nederland van 1795 tot heden, 4. A. 2005, 5. A. 2008; Maczkiewitz, D., Der niederländische Aufstand gegen Spanien (1568-1609), 2005; Roes, H., Het naaste bloed erfde het goed, 2006; Nederland in Franse schaduw, red. v. Sirks, A. u. a., 2006; Leen­knegt, G. u. a., Opstand en Eenwording, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Braake, S. ter, Met recht en rekenschap - de amtenaren bij het Hof van Holland, 2007; Trillo, A., Geschichte des Aufstandes und der Kriege in den Niederlanden, hg. v. Bacigalupe, M. u. a., 2008; Onder de huidige omstandigheden. De Hoge Raad en het Toetsingsarrest 1943, hg. v. Venema, D. u. a., 2008; The Old Library of the Supreme Court of the Netherlands, hg. v. Pikkemat, J., 2008; Verfas­sungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Van Hofstraeten, B., Juridisch Humanisme en costumiere acculturatie, 2008Seggern, H. v., Geschichte der burgundischen Niederlande, 2009; Van der Velden, B., Van Praktizijnsobleiding tot juridische Faculteit, 2009

Niederösterreich ist das unter (östlich) der Enns gelegene Land → Österreichs (bis 1918 amtlich Österreich unter der Enns). Es steht am Beginn der Geschichte von (ahd.) ostarrihhi (996). Zeitweise besteht eine erwei­terte Ländergruppe N. (mit Oberösterreich). 1542 und 1552 werden Polizeiordnungen der niederösterreichischen Ländergruppe erlassen. Ausgearbeitete Landrechte bleiben Entwürfe (Institutum Ferdinandi 1526, Entwurf Wolfang Püdlers 1573, Entwurf Strein-Linsmayr 1595, Entwurf der vier Doktoren 1654 [teilweise als Einzelgesetz in Kraft gesetzt Vormundschaftsordnung 1669, Trac­tatus de iuribus incorporalibus 13. 3. 1679 und neue Satz- und Ordnung vom Erbrecht außer Testament 28. 5. 1720]). 1650 wird eine Landesordnung für Österreich unter der Enns geplant, 1656 nach dem Vorbild der Con­stitutio Criminalis Carolina (1532) eine Strafzumessung und Konkurrenzen ausführ­licher behandelnde peinliche Landge­richts­ordnung erlassen (Fer­dinandea, ver­wertet in der peinlichen Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707 und der Constitutio Crimininalis Theresiana von 1768).. Bis 1806 ist N. mit Oberösterreich ein einziges Reichslehen. Von 1804 bis 1918 ist es ein Kronland, ab 1918 ein Land Deutschösterreichs bzw. Österreichs (1939-1945 mit nördlichem Burgenland Reichsgau Niederdonau). Nach der Heraus­nahme Wiens aus N. als eigenes Bundesland (1921/1. 1. 1922) gibt sich N. 1997 eine eigene Hauptstadt in Sankt Pölten.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Motloch, T., Bericht des Dr. Wolfgang Püdler über den Entwurf einer Landtafel, ZRG GA 21 (1900), 235; Von der Ennswaldsiedlung zur niederösterreichischen Stadt Haag, bearb. v. Frieß, E. u. a., 1957; Gutkas, K., Geschichte des Landes Niederösterreich, 1958, 6. A. 1983; ¸Feigl, H., Die nie­derösterreichische Grundherrschaft, 1964; Mitterauer, M., Zollfreiheit und Marktbereich, 1969; Feigl, H., Der niederösterreichische Bauernaufstand 1596/97, 1972; Brauneder, W., Zur Gesetzgebungsgeschichte der niederöster­reichischen Länder, FS H. Demelius, 1973, 1; Die Rechtsquellen der Stadt Weitra, hg. v. Knittler, H., 1975; Wesener, G., Das Verfahren vor der nieder­öster­reichischen und innerösterreichischen Regierung, Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 27 (1979), 181; Die Auswirkungen der theresianisch-josephinischen Refor­men auf die Landwirtschaft, hg. v. Feigl, H., 1982; Schmitz, C., Die Anfänge des Parlamentarismus in Niederösterreich, 1985; Feigl, H., Recht und Gerichtsbarkeit in Niederösterreich, 1989; Wesener, G., Einflüsse und Gel­tung des römisch-gemeinen Rechts in den alt­österreichischen Ländern, 1989; Kohl, G., Die Anfän­ge der modernen Gerichtsorganisation in Niederösterreich, 2000

Niederrhein (Rhein in seinem der Mündung in die See nahen Verlauf samt dem umliegenden Gebiet, Gegensatz Oberrhein zwischen Baden und Elsass)

Lit.: Becker, N., Das Land am unteren Niederrhein, 1992

Niedersachsen ist ein am 1. 11. 1946 vor allem aus dem Land Hannover Preußens, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe gebildetes deutsches Bundesland.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roshop, U., Die Entwicklung des ländlichen Siedlungs- und Flurbildes in der Grafschaft Diepholz, 1932; Niedersächsischer Städteatlas, Abt. 2 Einzelne Städte, hg. v. Meiler, P, 1933ff.; Mauersberg, H., Beiträge zur Bevölkerungs- und Sozialgeschichte Niedersachsens, 1938; Angres, D., Die Geschichte der Vogtei in der Stadt Hameln, 1951; Niedersächsisches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., 1952; Schnath, G., Das Sachsenross, 1958; Hagemann, A., Um die Fohlentheorie, ZRG GA 81 (1965), 365; Schnath, G. u. a., Geschichte des Landes Niedersachsen, 2. A. 1973, Neudruck 1988; Geschichte Niedersachsens, hg. v. Patze, H., Bd. 3, 1 1988; Hucker, B. u. a., Geschichte Niedersachsens, 1997; Übergang und Neubeginn, hg. v. Merker, O., 1997; Niedersächsische Juristen, hg. v. Rückert, J. u. a., 2003; Handbuch der niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte, hg. v. Wieden, B. bei der, Bd. 1 2004; Kroeschell, K., Recht unde Unrecht der Sassen, 2005

Niederschlesien → Schlesien

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Niemand kann zwei Herren dienen.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. von R. Schmidt-Wiegand, 1996, 177 (Matthäus 6,24)

Nießbrauch (lat. [F.] ususfructus) ist die Belastung einer fremden (unverbrauchbaren) Sache in der Weise, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzung (z. B. Mietzinsen) der Sache zu ziehen (höchstpersönliche Personalsrevitut, beschränktes dingliches Recht). Der N. entwickelt sich in Rom wohl seit dem 3. Jh. v. Chr. zur Versorgung von Witwen und Töchtern. Dem entspricht auch das deutsche Recht (→ Leibgeding u. a.). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen und ususfructus als N. übersetzt. Vgl. §§ 509ff. ABGB.

Lit.: Kaser § 29 I; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 41, 61; Hübner, R., Donationes post obitum, 1888; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Deichmann, P., Das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher, Diss. jur. Bonn 1998; Heger, M., Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004

Niftelgerade → Gerade

Nihil obstat (lat.). Es steht nichts entgegen

Nikolaus de Tudeschis (Catania 1386-Palermo 1445 [Panormitanus]) wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna 1412 Professor in Bologna, danach in Parma und Siena, 1434 Erzbischof von Palermo. Vielfach wird er im Rahmen des Konzils von Basel tätig (1432-1433, 1436-1439). Zwischen 1420 und 1430 verfasst er die (lat.) Commentaria (N.Pl.) in quinque decretalium libros (Kommentare in die fünf Bücher Dekretalen). In dieser bedeu­tendsten Leistung der Kirchen­rechtswissen­schaft des 15. Jh.s übernimmt er bereits in Bezug auf allgemeine Rechtsbegriffe Vorstellungen aus dem weltlichen Recht der Kommentatoren (→ Bartolus).

Lit.: Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nicolaus de Tudeschis, 1964

Nikolaus von Kues (Kues 1401-Todi 11. 8. 1464), Sohn des Schiffers Johann Cryftz (Henne Krebs), wird nach dem Studium der freien Künste in Heidelberg und des Kirchenrechts in Padua Berater des Erzbischofs von Trier, 1448 Kardinal und 1450 Bischof von Brixen. Er ist in Abkehr von der → Scholastik einer der ersten Humanisten Deutschlands. Für die Verfas­sungsgeschichte ist seine (lat.) Concordantia (F.) catholica (1433, Katholische Konkor­danz) von großer Bedeutung, in der er aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von Gegensätzlichkeiten ein Reformprogramm für das Reich vorschlägt.

Lit.: Köbler, DRG 99, 110; Molitor, E., Nikolaus von Cues und die deutsche Rechtsgeschichte, ZRG 40 (1919), 273; Nicolai de Cusa opera, hg. Meiner, F., Bd. 1ff. 1932ff.; Cusanus-Gedächtnisschrift, hg. v. Grass, N., 1970; Grass, N., Cusanus und das Volkstum der Berge, 1972; Meuthen, E., Nikolaus von Kues, 6. A. 1985; Flasch, K., Nikolaus von Kues, 1988; Flasch, K., Nicolaus Cusanus, 2001; Nikolaus von Kues, hg. v. Winkler, N., 2001

Nimwegen (Nijmegen) am südlichen Waalufer erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 69/70 n. Chr. als römisches Batavodurum, das um 104 n. Chr. in Ulpia Noviomagus (Neumarkt) umbenannt wird. 1230 wird es Reichsstadt. 1577 gelangt es an die Nieder­lande. 1923 erhält es (nach einem frühneuzeitlichen Vorläufer) eine (katholi­sche) Universität (2004 Radboud-Univer­sität).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Leupen, R./Thissen, B., Bronnenboek van Nijmegen, 1981; Clevis, H., Nijmegen, 1990

nobilis (lat.) adelig → Adel

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie, ZRG GA 19 (1898), 76; Stadtadel und Bürgertum, hg. v. Elze, R. u. a., 1991; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997

Noblesse de robe ist eine Bezeichnung für die in der frühen Neuzeit einsetzende Gleichstellung der Inhaber hoher Ämter in Recht und Verwaltung mit dem Adel (z. B. Edikt Ludwigs XIV. von 1644). Den (lat.) doctor (M.) iuris stellt bereits → Bartolus im 14. Jh. dem Adligen gleich.

Lit.: Bluche, F./ Durye, P., L’anoblissement par charges avant 1789, Bd. 1f. 1962

nocivi (M.Pl.) terrae (lat.) → landschädliche Leute

Lit.: Köbler, DRG 117

nominatio (lat. [F.]) Benennung (eines Bewerbers für ein Amt)

nomos (griech. [M.]) Gesetz

Lit.: Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995

Nona (lat. [F.] Neunte) ist eine im Frühmittelalter kurzzeitig bestehende Abgabe des Zehntels der Erträge neben dem → Zehent.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kotte, R., Studien zum Einfluss des Alten Testamentes, 2. A. 1970, 57

Nonne (F.) Ordensangehörige

Lit.: Weinhandl, M., Deutsches Nonnenleben, 1921; Parisse, M., Les nonnes, 1983; Medieval religions Women, 1984ff.

Noodt, Gerard (Nijmegen 1647-Leiden 1725) wird nach dem Rechtsstudium im Nijmegen, Leiden und Franeker Advokat und 1671 Professor in Nijmegen, 1679 in Franeker, 1684 in Utrecht und 1686 in Leiden. Seine meist kleineren Schriften weisen ihn als antiquarischen Humanisten aus, der durch seine kritisch-vernünftige Grundhaltung die Aufklärung vorzubereiten hilft.

Lit.: Bergh, G. van den, The Life and Work of Gerard Noodt, 1988

Nordatlantische Verteidigungsorganisation (North Atlantic Treaty Organization, NATO, 4. 4. 1949 Vereinigte Staaten von Amerika, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Nieder­lan­de, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Island, Italien, Norwegen, Portugal, bis 2009 28 Mitglieder)

Lit.: Masala, C., Den Blick nach Süden?, 2003; Hauser, G., Die NATO, 2008; Varwick, J., Die Nato, 2008; Gersdorff, G. v., Die Gründung der Nordatlantischen Allianz, 2009

Norddeutscher Bund ist der auf Vorschlag → Preußens am 18. 8. 1866 an Stelle des aufgelösten → Deutschen Bundes tretenderBundesstaat (22) norddeutscher Staaten (Preußen mit Lauenburg, die nördlich des Mains gelegenen Teile des Großher­zogtums Hessen, 17 Monarchien, 3 Stadtrepubliken). Seine Verfassung vom 16. 4. 1867 tritt am 1. 7. 1867 in Kraft (Präsidium [König von Preußen] mit gegenzeich­nungsberechtigtem Bundeskanzler, Reichstag, Bundestag, 1869 Bundes­oberhandelsgericht in Leipzig). Nach dem mit süddeutscher Waffenhilfe errungenen Sieg über Frankreich treten Baden, Hessen-Darmstadt (15. 11. 1870), Bayern (23. 11. 1870) und Würt­temberg (25. 11. 1870) durch Verträge dem zum 1. 1. 1871 zum → Deutschen Reich um­geformten Norddeutschen Bund bei. Der Norddeutsche Bund erlässt u. a. ein Gesetz über die Freizügigkeit (1. 11. 1867), über die Gleichberechtigung der Konfessionen (3. 6. 1869), eine Gewerbeordnung (21. 6. 1869), ein Strafgesetzbuch (31. 5. 1870) und ein Bundes- und Staatsangehörigkeitsgesetz (1. 7. 1870).

Lit.: Köbler, DRG 172, 194; Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Hiersemenzel, E., Die Verfassung des Norddeutschen Bundes, 1867; Binding, K., Die Gründung des Norddeutschen Bundes, 1889; Wilhelm R., Das Verhältnis der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985

Norddeutscher Reichsbund ist ein im August 1806 von Preußen geplanter, spätestens am 9. 7. 1807 verhinderter Bund norddeutscher Staaten unter einem Direktorium des Kaiser­tums Preußen und der Königtümer Sachsen und Hessen.

Lit.: Conrad, H., Rheinbund und Norddeutscher Reichsbund, (in) Gedächtnisschrift H. Peters, 1967, 50

Nordeuropa Skandinavien

Lit.: Dethlefsen, O., Die nordische Einheitsbewegung, 1941

Nordhausen

Lit.: Meißner, G., Das Kriegswesen der Reichsstadt Nordhausen, 1939

Nordhorn

Lit.: Specht, H., Stadt- und Wirtschaftsgeschichte von Nordhorn, 1941

Nordisches Recht ist die Gesamtheit des älteren skandinavischen (altnorwegisch-isländischen, altschwedischen und altdänischen) Rechts. Es ist seit dem 12. Jh. in zahlreichen volkssprachigen Rechtsbüchern Norwegens ([ostnorwegisch] Borgarthings­bok, Eidsivathingsbok, [westnorwegisch] Frosta­thingsbok, Gulathingsbok, Hirdskra), Islands (Ulfljots log, Haflidaskra 1117/1118, Gragas 1258/1271), Schwedens (Westgötalagh 1220-2. H. 13. Jh., Ostgöta­lagh um 1300, Gutalagh 1285, Söder­mannalagh Ende 13. Jh.s?, Westmanna­lagh um 1330, Helsingelagh 1329/1350, Uplandslagh 1296) und Dänemarks (Skanske Lov 1200/1210, Liber legis Scaniae, Sialanzfarae logh vor 1241, Jyske Lov bzw. Jydske Lov 1241) überliefert, die öfter einen eigenen Abschnitt Christenrecht enthalten. Dazu kommen als Gesetzbücher das Landrecht (Landslög) König → Magnus Hakonarsons von 1274, das Stadtrecht von Bergen (1276), die Jarnsida (1271/1273), die Jonsbok (1281) und das schwedische Landrecht König Magnus Erikssons (1347). Die älteren Verhältnisse um die Jahrtausendwende bezeugen die Isländer­sagas. Die Gegebenheiten am Königshof lässt der altnordische Königsspiegel (1260/1265) erkennen. → Dänemark, → Finnland, → Island, →Norwegen, → Schweden

Lit.: Grenander, B., Ur förhandlingsprincipens historia, 1879; Amira, K. v., Nordgermanisches Obligationenrecht, Bd. 1f. 1882ff.; Brandt, F., Forelæsninger over den norske Retshistorie, 1883; Lehmann, K., Verzeichnis der Literatur der nordgermanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 7 (1886), 205; Lehmann, K., Zur Abwehr, ZRG GA 8 (1887), 165; Lehmann, K., Zweiter Nachtrag, ZRG GA 8 (1887), 170; Lehmann, K., Verzeichnis der von 1887 bis 1888 erschienenen Literatur, ZRG GA 10 (1889), 246; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte, 1902; Maurer, K., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1907ff.; Motzfeldt, U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Lehmann, K., Zum altnordischen Kriegs- und Beuterecht, 1913; Østberg, K., Norsk Bonderet 1f., 1914ff.; Pappenheim, M., Rasengang und Fußspurzauber, ZRG GA 40 (1919), 70; Bull, E., Leding, (um 1922); Taranger, A., Norsk familierett, 2. A. 1926; Schultze, A., Die Rechtslage des alternden Bauers nach den altnordischen Rechten, ZRG GA 51 (1931), 258; Vogt, W., Fluch, Eid, Götter – altnordisches Recht, ZRG GA 57 (1937), 1; Schwerin, C. Frhr. v., Dänische Rechte, 1938; Schultze, A., Zum altnordischen Eherecht, 1939 (SB Leipzig); Eckhardt, K., Nordische Chronologie, 1940; Eckhardt, K., Der Wanenkrieg, 1940; Eckhardt, K., Bragi, der Alte, ZRG GA 62 (1942), 1; Erler, A., Das Ritual der nordischen Geschlechtsleite, ZRG GA 64 (1944), 86; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1f. 4. A. 1960; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Nordisk rättshistorisk litteratur 1956-1965, zusammengestellt v. Carlsson, S., 1972; Forssell, H., Tredjemansskydetts gränser, 1976; Ehrhardt, H., Der Stabreim in altnordischen Rechtstexten, 1977; Modéer, K., Nordische rechtshistorische Literatur, ZNR 1 (1979); Nordisk rättshistorisk litteratur 1966-1975, zusammengestellt v. Carlsson, S., 1980; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dübeck, I., De nordiske lovböger, (in) Rättshistoriska studier II 4, 1988; Rechtsgeschichte und theoretische Dimension, red. v. Peterson, C., 1990; Björne, L., Nordisk Rättskällelära, 1991; Grönberg, L., Nordisk rättshistorisk litteratur 1976-1980, 1991; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Björne, L., Patrioter och institutionalister, Den nordiska rättsvetenskapens historia del I 1995 (bis 1815); Björne, L., Brytningstiden, Den nordiska rättsvetenskapens historia del II 1998 (1815-1870), Björne, L., Den konstruktiva riktningen. Den nordiska rättsvetenskapens historia del III (1871-1910), 2002; Tamm, D., Justizforschung, germanisches Recht und nordische Rechtsgeschichte, ZRG 120 (2003), 347; Ruthström, B., Land och fæ, 2003; Sandström, M., Rättsvetenskapens Princip, 2004

Nördlingen

Lit.: Nördlinger Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Müller, K., 1933; Kudorfer, D., Nördlingen, 1974

Nordrhein-Westfalen ist ein vor allem aus Teilen Preußens am 23. 8. 1946 gebildetes deutsches Land.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hundert Jahre Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, 1988; Romeyk, H., Kleine Verwaltungsgeschichte Nordrhein-Westfalens, 1988; Freis, G., Die Reform der Gemeindeverfassung, 1998; Haunfelder, B., Nordrhein-Westfalen, 2006; Düding, D., Parlamen­tarismus in Nordrhein-Westfaeln 1946-1980, 2008

Nordsee

Lit.: Aubin, H., Rechtsgeschichtliche Betrachtungen zum Norseeraum, ZRG GA 72 (1955), 1

Noricum ist eine nach ihren zwischen 12 und 9 v. Chr. von den Römern unterworfenen, vorrömischen Bewohnern (Norer, Noriker) und deren Reich (um 200 v. Chr.) benannte römische Provinz (50 n. Chr.-5. Jh.) in den Alpen. In der Folge wird bis in das 15. Jh. Bayern auch als N. bezeichnet.

Lit.: Köbler, DRG, 28, 50; Baltl/Kocher; Zibermayr, I., Noricum, Baiern und Österreich, 1944, 2. A. 1956; Alföldy, G., Noricum, 1974

Norm ist eine seit dem 13. Jh. aus dem Lateinischen aufgenommene Bezeichnung für Regel, Vorschrift oder Rechtssatz.

Lit.: Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex Salica, ZRG 89 GA (1972), 1; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281; Wesener, G., Die privatrechtlichen Normen des usus modernus, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 279; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997; Norm und Tradition, 1998; Brinkmann, B., Varietas und veritas. Normen und Normativität in der Zeit der Renaissance, 2001; Dilcher, G., Normen zwischen Oralität und Schriftkultur, 2008

Normaljahr ist ein für eine rechtliche Folge als normal zugrunde gelegtes Jahr (z. B. 1624 für den Bekenntnisstand im Westfälischen Frieden von 1648).

Lit.: Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1973

Normandie ist die östlich an den Kanal zwischen dem europäischen Festland und England angrenzende, im 9. Jh. von den → Normannen eroberte Landschaft. Von hier aus wird 1066 der Herzog der N. König von → England. Über Heinrichs I. von England Tochter Mathilde kommt die N. an die Anjou bzw. Plantagenets (1144/1150), die auch Anjou (1151), Aquitanien (1152) und England (1154) beherrschen. 1204 erobert der König von Frankreich die N. zurück. Nach ihrer Wiedergewinnung durch England (1417-1420) gelangt sie 1450 endgültig an Frankreich zurück. 1199/1200 bzw. 1220 entsteht der Très ancien → coutumier de Normandie, zwischen 1254 und 1258 der Grand coutumier de Normandie ([lat.] Summa [F.] de legibus Normannie).

Lit.: Le très ancien coutumier de Normandie, hg. v. Tardif, E., 1881; La Summa de legibus Normannie in curia laicali, hg. v. Tardif, E., 1896; Arresta communia Scacarii, hg. v. Perrot, E., 1910; Pissard, H., La clameur de haro dans le droit normand, 1911; Instrucions et ensaignements, hg. v. Besnier, G. u. a., 1912; Atiremens et jugiés d’échiquiers, hg. v. Génestal, R. u. a., 1921; Plaids de la sergenterie de Mortemer 1320-1321, hg. v. Génestal, R., 1924; Yver, J., Les contrats dans le très ancien droit normand, 1926; Yver, J., L’interdiction de la guerre privée, in : Travaux de la semainde d’histoire du droit Normand 1927, 1928; Besnier, R., La représentation successorale, 1929; Index des termes juridiques et économiques contenus dans le recueil des jugements de l’echiquier de Normandie au 13e siècle v. Delisle, L./Génestal, R., 1929; Génestal, R., Études de droit privé normand, 1 La tutelle, 1930; Le Foyer, J., L’office héréditaire du Focarius regis Angliae, 1931; La Besnier, R., Coutume de Normandie, 1935; Besnier, R., Les donations entre époux, RHDFE 1936, 701; Histoire de la Normandie, 1970; Le Patourel, J., The Norman Empire, 1976; England and Normandy, hg. v. Bates, D. u. a., 1994; Musset, J., Le régime des biens entreépoux, 1997; Neveux, F., La Normandie, 1998

Normanne (Nordmann) ist der in Nord­frankreich (Normandie) im 9./10. Jh. sesshaft werdende → Wikinger. Von dem 911 an der unteren Seine auf überlassenen Land gegründeten Fürstentum (nach 987 Herzog­tum) aus greifen die bald christianisierten und romanisierten Normannen 1066 nach England aus. Die seit 1016 in Unteritalien als Söldner verwendeten Normannen erhalten von Kaiser Konrad II. 1038 die Grafschaft Aversa und erobern zwischen 1057 und 1085 die Güter Byzanz‘ und langobardischer Fürsten sowie 1061-1091 von den Arabern (Sarazenen) → Sizilien. 1130 wird Roger II. König von Sizilien und verbindet normannisch-ro­manische Gegeben­hei­ten mit griechischen und arabischen. Bis zum 13. Jh. gehen die Normannen in der unterworfenen Bevöl­kerung auf.

Lit.: Köbler, DRG 94; Haskins, C., The Normans, 1915; Kehr, P., Die Belehnungen der süditalienischen Normannenfürsten durch die Päpste (1059-1192), 1934 (SB Berlin); Guillaume de Poitiers, Histoire de Guillaume le Conquérant, hg. v. Foreville, R., 1952; Norwich, J., Die Normannen in Sizilien, 2. A. 1973; Jäschke, K., Wilhelm der Eroberer, 1977; Jäschke, K., Die Anglo-Normannen, 1981; Jahn, W., Untersu­chungen zur normannischen Herrschaft in Sizilien, 1989; Takayama, H., The Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Heller, K., Die Normannen in Osteuropa, 1993; Chibnall, M., The Debate on the Norman Conquest, 1999; Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt, 2002; Plassmann, A., Die Normannen, 2008

Normativbestimmung ist eine durch eine → Norm aufgestellte oder wie eine Norm wirkende Bestimmung. Im 19. Jh. wird für juristische Personen das Oktroisystem durch das System der Normativbestimmungen ersetzt, nach dem eine juristische Person entstehen darf, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Lit.: Köbler, DRG 207

Normenkontrolle ist die Überprüfung einer → Norm durch ein Gericht auf ihre Recht­mäßigkeit. Ihre ersten Ansätze finden sich vielleicht noch im Heiligen römischen Reich (bzw. 1803 in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Entscheidung Marbury vs. Madison), jedenfalls im 19. Jh., während die N. in Frankreich weitgehend fehlt. Im Deutschen Reich erfolgt sie zuerst durch das Obergericht Danzig ab 1923. Für die N. des bundesdeutschen Rechts ist hauptsächlich das → Bundesverfassungsgericht zuständig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Die amerikanische Verfassung und deutsch-amerikanisches Verfassungsdenken, hg. v. Wellenreuther, H. u. a., 1987; Herrmann, N., Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten Normenkontrolle im modernen Verfassungsstaat, 2001; Hoffmann-Riem, W., Das Ringen um die verfassungsgerichtliche Normen­kontrolle, JZ 2003, 269; Wittreck, F., Die Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA 121 (2004), 415

Normtrias ist eine Lehre von der Dreistufig­keit des Rechts (z. B. [lat. F.] lex aeterna [Weltgesetz], lex naturalis [Naturgesetz] und lex humana [Menschen­gesetz]).

Northeim

Lit.: Lange, K., Der Herrschaftsbereich der Grafen von Northeim 950-1144, 1969; Borchert, S., Herzog Otto von Northeim (um 1025-1083), 2005

Norwegen ist der im Westen der skandinavischen Halbinsel gelegene Staat. Um 900 (872) überwindet hier König Harald I. das Kleinkönigtum. Um 1000 erfolgt die Christianisierung. 1274 schafft König Magnus Lagabœtir ein Landrecht (landslög) in neun Teilen sowie ein allgemeines Stadtrecht (bjarkeyjar réttr). Von 1319 (Aussterben des Königshauses im Mannesstamm) bis 1355 (Magnus VII. Eriksson, 1343 Hakon VI.) und von 1380 (Olaf IV. Hakonsson, 1397 Kalmarer Union von Norwegen, Dänemark und Schweden) bis 1435 bzw. 1521 ist N. (auch) mit Schweden verbunden. Von 1387 bis 1814 ist der König von Dänemark König von N. Seit 1536 ist N. überhaupt Teil Dänemarks. Von 1814 bis 1905 ist der König von Schweden nach der Loslösung Norwegens von Dänemark König von Norwegen. 1905 wird ein dänischer Prinz zum König des durch Volksabstimmung von Schweden verselbständigten N. gewählt.

Lit.: Norges gamle Love, 1. Abteilung (bis 1387) 1846ff., 2. Abteilung (1388-1604) 1904ff.; Boden, F., Das Urteil im altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Aubert, L., Grund bøgernes Historie i Norge Danmark og tildels Tyskland, 1892; Bugge, A., Studier over de norske byers selvstyre, 1899; Boden, Das altnorwegische Stammgüterrecht, ZRG GA 22 (1901), 109; Haff, K., Volksgericht und Repräsentationsgericht in Norwegen, ZRG GA 42 (1921), 464; Rynning, L., Allemandsret, 1928; Taranger, A., Trondheimens Forfatningshistorie, 1929; Vogt, W., Zum altnorwegi­schen Königsfrieden, ZRG GA 52 (1932), 1; Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, übersetzt v. Meißner, R., 1935; Vogt, W., Altnorwegens Urfehdebann und der Geleitschwur, 1936; Meißner, R., Das norwegische Gefolgschafts­recht, 1938; Hirðskrá, hg. v. Meißner, R., 1938; Frost, J., Das norwegische Bauernerbrecht, 1938; Johnsen, O., Norwegische Wirtschaftsgeschichte, 1939; Frost, J., Über das Alter des norwegischen Aasätesrechts, ZRG GA 61 (1941), 250; Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, B., 1942; Authén-Blom, G., Kongemakt og privilegier i Norge inntil 1387, 1967; Gurevič, A., (Die freie Bauernschaft des feudalen Norwegens), 1967 (russisch mit englischer Zusammenfassung); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,517, 4,4,375; Ekbom, C., Viennetionden i Norge, 1976; Holmsen, A., Norges historie, 1977; Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA 99 (1982), 252; Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1987; Lindemann, R., Norwegen 1986; Austrup, G./Quack, U., Norwegen, 1989; Berge, F., Norsk historie 1905-1990, 1992; Aschehougs Norgeshistorie, Bd. 1ff. 1994ff.; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn, R., Reichskommissariat Norwegen, 2000; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Historia Norwegie, hg. v. Ekrem, I. u. a., 2003; Barton, H., Sweden and Visions of Norway, 2003; Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen Norwegen, 2004

Not (Zwangslage) → echte Not;

Notar ist das (vom Staat) zur Wahrnehmung bestimmter Rechtspflegeaufgaben (z. B. Verfertigen vollbeweiskräftiger und voll­streckbarer Urkunden) bestellte unabhängige Organ der Rechtspflege. Der N. entwickelt sich aus dem spätantiken Schreiber (Schnellschreiber) bzw. Tabellionar. Er erscheint am Beginn des Hochmittalters (10./11. Jh.) in Oberitalien (in Bologna ab etwa 1030 tabellio statt notarius, in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s Rückbindung an die Autorität des Kaisers oder der Kommune, 1283 umfasst die Bologneser Notarsmatrikel 1059 Namen, im 13. Jh. werden in Lucca [bei einem Notar auf rund 100 Bewohner] vielleicht 1000000 Urkunden ausgefertigt, von denen noch 10000 erhalten sind), im frühen 13. Jh. in Frankreich und ab 1275 auch im deutschen Reich. N. ist zunächst kein ausschließlicher Beruf. Der N. wird vor allem vom Kaiser (1186, 1191), Papst oder Hofpfalzgrafen ernannt. 1512 erlässt das Reich eine Reichsnotariatsordnung. In Österreich kann sich das kaiserliche Notariat nicht behaupten. Seit 1701 versucht Preußen, kaiserliche Notare aus seinem Hoheitsgebiet fern zu halten und verlangt eine besondere Immatrikulation an einem Justizkollegium in Preußen. 1771 verzichtet es auf ein kaiserliches Notariats­diplom als Vorausse­tzung für die Immatrikulation als Notar in Preußen. 1780 erhalten Advokaten, für die keine Assistenzratstelle vorhanden ist, ein Notariat. Später entwickeln sich Gebiete des Nurnotariates (z. B. Bayern, Österreich) neben Gebieten des Anwaltsnotariates (z. B. Hessen) oder des beamteten Bezirksnotariates (Württemberg). 1849 benennt Preußen den Aufgaben der Notare und Advokaten wahrnehmenden Justizkommissar in Anwalt um und schafft damit nominell das Anwaltsnotariat. In Österreich wird nach 1848 das in Frankreich modernisierte Notariat Grundlage der Notariatsordnungen von 1850 und 1871. 1934 erhalten die Notare in Preußen die Möglichkeit der Aufnahme der Auflassung. Seit 28. 8. 1969 ist in der Bundesrepublik Deutschland die Beurkun­dung allgemein den Notaren vorbehalten. In Baden-Württemberg soll nach einem Beschluss der Regierungsfraktionen von 2007 das beamtete Notariat bis 2018 in ein freiberufliches Nurnotariat übergeführt wer­den.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 117, 270; Weißler, A., Zur Geschichte des preußischen Notariats, 1914; Petrucci, A., Notarii, 1958; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Gerig, H., Los signos notariales mas antiguos de Colonia, Centenario de la ley del notariado 4, 2, 2 (1963), 145; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano, 1975; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Krause, H., Zur apostolisch-kaiserlichen Doppelautorisation öffentlicher Notare in der Oberpfalz, ZRG GA 95 (1978), 244; Marti, H., Die ersten Notare im Berngebiet, Der bernische Notar 46 (1985); Schuler, P., Die Notare Südwestdeutschlands, 1987 (mehr als 1500 Personen); Bautier, R., Chartes, sceaux et chancelleries, 1990; Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra, 1991; Frischen, H., Die 44. Novelle, Dt. Notarzs. 1992, 403; Nève, P., Schets van een geschiedenis van het notarisambt, 1995; Neschwara, C., Geschichte des österreichischen Notariats, 1996; Notar- und Rechtsgestaltung, hg. v. d. rheinischen Notarkammer, 1998; Schüler, H., Die Entstehungs­geschichte der Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Hoffmann, H., Notare, Kanzler und Bischöfe am ottonischen Hof, DA 61 (2005), 435; Meyer, A., Ser Ciabattus, 2005¸ Bartoli Langelli, A., Notai, 2006

Notariat ist das Amt und der Amtsraum eines → Notars sowie eine Gesamtheit von Notaren.

Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Oesterley, F., Das deutsche Notariat, Teil 1f. 1842ff., Neudruck 1975; Weißler, A., Zur Geschichte des preußischen Notariats, 1914; Koechling, L., Untersuchungen über die Anfänge des Notariats in Deutschland, 1925; Luschek, F., Notariatsurkunde und Notariat in Schlesien, 1940; Petrucci, A., Notarii, 1958; Conrad, H., Die geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, Deutsche Notarzs. 55 (1960), 3; Schultze-von Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961, 2. A. 1980; Schiltkamp, J., De geschiedenis van het notariaat in het octrooigebied van de west-indische compagnie, 1964; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum Münster, Diss. jur. Münster 1964 = Westfäl. Zs. 114 (1964), 1; Meyer, A., Die Notariatsordnungen von 1512 und 1871, 1971; Laske, W., Das österreichische Notariat im Zeitalter des Absolutismus bis 1806, ZRG GA 92 (1975), 132; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano, 1975; Schuler, P., Geschichte des südwestdeutschen Notariats, 1976; Carlen, L., Notariatsrecht in der Schweiz, 1976; Trusen, W., Zur Geschichte des mittelalterlichen Notariats, ZRG RA 98 (1981), 369; Sibler, G., Entwicklung des Zürcher Notariats, 1983; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Lönnecker, H., Das Notariat in Hessen, Diss. phil. Marburg 1989; Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v. Grziwotz, H., 1995; Neschwara, C., Geschichte des österreichi­schen Notariats, 1996; Notar und Rechtsgestaltung, 1998; Meyer, A., Felix et inclitus notarius, 2001; Neschwara, C., Österreichs Notariatsrecht in Mittel- und Osteuropa, 2000; Het notariaat in de Lage Landen (± 1250-1842), hg. v. Gehlen, A. u. a., 2005; Osterburg, D., Das Notariat in der DDR, 2004; Bartoli Langelli, A., Notai, 2006; Bibliographie zur Geschichte des deutschen Notariats, hg. v. d. Bundesnotarkammer, 2007; www.notariats­ge­schich­te.de

Notariatsimbreviatur → Notariat, Imbre­viatur

Notariatsinstrument ist im Mittelalter die vom → Notar ausgestellte → Urkunde. In Bologna erscheint die erste als → instrumentum bezeichnete Urkunde 1041. Um die Mitte des 11. Jh.s verschwinden nach Ausweis rund 1300 bis 1150 überlieferter Zeugnisse die Unter­schriften von Ausstellern und Zeugen, als es dem Notar gelingt, die Beglaubigungskraft auf sich zu beziehen. Ab etwa 1114/1115 erscheint römische Rechtster­minologie in den Texten (u. a. Renuntiationen). In Oberitalien setzt sich das instrumentum in der ersten Hälfte des 12. Jh.s durch.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, A., Felix et inclitus notarius, 2001; Schulte, P., Scripturae publicae creditur, 2003

Notariatsordnung (z. B. 1512, 1871) → Notar, Notariat, Ordnung

Lit.: Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v. Grziwotz, H., 1995

notarius (M.) sacri palatii (lat.) (8.-11. Jh.) Pfalznotar

Notarsignet ist das persönliche, anfangs frei gewählte, später verliehene Zeichen eines Notars, das der öffentliche (kaiserliche bzw. päpstliche) Notar neben seine Unterschrift setzt. Das erste bisher bekannte deutsche N. stammt vom 13. 1. 1274 (Roger von Lüttich). Nicht sicher geklärt ist, weswegen der Notar nicht ein Siegel, sondern das N. verwendet. Seit 1806 verschwindet das N. (in Bayern seit 1861).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leist, F., Die Notariats-Signete, 1897; Schmidt-Thomé, W., Vom Notarsignet zum Notarsiegel, Dt. Notarzs. 15 (1964), 455; Gerig, H., Frühe Notariats-Signete in Köln, 1971; Schuler, P., Südwestdeutsche Notarszeichen, 1976; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Karg, H., Notariatszeichen in reußischen Archiven (1518-1757), 2004

Notbede → Not, Bede

Notenbank ist die Papiergeldstücke (Bank­noten, engl. banknote 17. Jh.) ausstellende Bank.

Lit.: Fengler, H., Geschichte der deutschen Notenbanken, 1992

Noterbe ist der Erbe, der wegen Enterbung nur den Pflichtteilsanspruch erhält. Der N. entwickelt sich im römischen Recht, in dem die formelle Nichterwähnung der (lat.) sui heredes (M.Pl.) das Testament ungültig werden (formelles Noterbrecht) oder den Ü­ber­gangenen am Erbe teilhaben lässt, bzw. etwa seit der Zeitenwende die materielle Nichtberücksichtigung die (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testamentes) gewährt (materielles Noterbrecht). Die nachklassische Praxis lässt bei teilweiser Zuwendung (nur) die Klage auf Pflichtteilsergänzug zu. Justi­nian verbindet formelles Noterbrecht und materielles Noterbrecht 542 miteinander. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen. Der Kreis der Pflichtteils­berechtigten (Noterben) und der Umfang des Pflichtteils (Noterbrechts) schwankt.

Lit.: Kaser § 69 I; Hübner 776, 795; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 170; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Notgeld ist das bei Mangel an Zahlungs­mitteln in Krisenzeiten behelfsmäßig ausgegebene → Geld. Es findet sich bereits im 15. Jh. Bedeutung erlangt es vor allem nach dem ersten Weltkrieg.

Nötigung ist das Zwingen eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer nicht gewollten Handlung, Duldung oder Unterlassung. Gegenüber verschiedenen Einzelfällen wird die N. als allgemeiner Straftatbestand erst spät erfasst.

Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina 1928, Neudruck 1967, 138; Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Offenloch, W., Erinnerung an das Recht – Der Streit um die Nachrüstung, 2005

Notitia (lat. [F.] Nachricht) ist im Frühmittelalter die objektiv gefasste, nach Heinrich Brunner angeblich im Gegensatz zur dispositiven, subjektiv gefassten (lat.) carta (F.) nur beweisbedeutsame Urkunde.

Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 1 1931, 458; Johanek, P., Zur rechtlichen Funktion von Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkun­de, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 131

Notker (der Deutsche) von St. Gallen (um 950-Sankt Gallen 29. 6. 1022) ist der bedeutendste Schriftsteller des Althochdeut­schen. In deutschlateinischer Mischprosa übersetzt er verschiedene geistliche und weltliche Schriften aus dem Lateinischen. Dabei erfasst er auch rhetorische Grund­figuren (z. B. in der Gerichtsrede) und zeigt damit eine Vorstufe der Rechtswissenschaft in Deutschland auf.

Lit.: Köbler, DRG 79, 82; Die Schriften Notkers und seiner Schule, hg. v. Piper, P., Bd. 1ff. 1982ff.; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Ochsenbein, P./Schmuki, K., Die Notkere im Kloster St. Gallen, 1992; Scherabon Firchow, E., Notker der Deutsche, 2000

Notorietät (F.) Offenkundigkeit

Notstand ist der Zustand gegenwärtiger Gefahr für rechtlich geschützte Interessen, dessen Abwendung nur auf Kosten fremder Interessen möglich ist. Schon im römischen Recht befreit der N. in Einzelfällen von Strafe. Ähnliches gilt im Mittelalter. Danach befasst sich Art. 166 der Constitutio Criminalis Carolina (1532) mit dem Stehlen in Hungersnot. Erst im 20. Jh. wird der N. strafrechtlich schärfer erfasst. Privatrechtlich schließt schon das römische Recht einzelne Handlungen von einer Ersatzpflicht aus. Erst im 19. Jh. wird dies wissenschaftlich verallgemeinert und danach in den §§ 228, 904 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenom­men. Der übergesetzliche N. wird 1927 vom Reichs­gericht Deutschlands für den medizinisch indizierten Schwanger­schaftsabbruch anerkannt. Staatsrechtlich wird in Deutschland der N. in der Verfassung 1968 gesetzlich geregelt. Seit 1975 enthält das Strafgesetzbuch Deutsch­lands (aus utilitari­stischen Erwägungen) eine Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand.

Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Titze, H., Die Notstandsrechte, 1897; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 653, 830; Curschmann, F., Hungersnöte im Mittelalter, 1900, Neudruck 1970; Würzburger, J., Das Recht des strafrechtlichen Notstandes, 1903; Janka, K., Der strafrechtliche Notstand, 1878; Rabe, K., Die Entwicklung des Notstands, Diss. jur. Göttingen 1930; Henkel, H., Der Notstand, 1932; Walter, H., Das Staatsnotrecht, Diss. jur. Göttingen 1937; Benda, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968; Ungern-Sternberg von Pürkel, J., Untersuchun­gen zum spätrepublikanischen Notstands­recht, 1970; Wacke, A., Notwehr und Notstand, ZRG RA 106 (1989), 469; Blomeyer, P., Der Notstand in den letzten Jahren von Weimar, 1999; Esklony, D., Das Recht des inneren Notstands, 2000; Pawlik, M., Der rechtfertigende Notstand, 2002

Notstandsgesetze ist die Sammelbezeichnung für die Gesamtheit der 1968 in Zusammenhang mit einer Verfassung für den Fall eines Staatsnotstandes geschaffenen einfachen Bundesgesetze der Bundesrepublik Deutschland (z. B. Ernährungssicherstellungs­gesetz, Schutzbaugesetz, Abhörgesetz).

Lit.: Bender, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968

Nottestament ist ein in besonderer Ge­fahrensituation (z. B. Krieg, Krankheit) in vereinfachter Form zu errichtendes → Testament, das seit 1888 als N. bezeichnet wird. n Österreich wird 2004 das N. vereinheitlicht.

Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Nottingham am Trent erscheint im 6. Jh. (Snotingaham). 1155 wird sein Stadtrecht bestätigt. 1881/1948 erhält es eine Universität.

Lit.: Barley, M./Straw, I., Nottingham, 1969

Notverordnung ist die (für Notfälle gedachte, die Gewaltenteilung durchbre­chende) → Verordnung mit Gesetzeskraft. Sie findet sich bereits im ausgehenden 18. Jh. (England 1766, Baden 1818, Württemberg 1819, Österreich Kremsierer Entwurf 1849. Märzverfassung 1849, Februarverfassung 1861, Dezemberver­fassung 1867 Notverord­nungsrecht des Kaisers, 1914/1917 auch der Regierung, 1929 des Bundespräsidenten), danach sehr häufig beispielsweise auf Grund des deutschen Ermächtigungs­gesetzes vom 4. 8. 1914 in der Zeit des ersten Weltkrieges und auf Grund des Art. 48 II der Weimarer Reichsverfassung in der Weimarer Republik (1931 41, 1932 60 Notverordnungen).

Lit.: Köbler, DRG 174, 231, 243; Kroeschell, 20. Jh.; Spiegel, L., Die kaiserlichen Verordnungen, 1893; Friedmann, A., Geschichte und Struktur der Notstands­verordnungen, 1903; Gather, Das Notstandsrecht, Diss. jur. Köln 1963; Hasiba, G., Das Notverordnungsrecht in Österreich, 1985; Maltschew, R., Der Rückerwerb eigener Aktien, 2004

Notweg ist die Verpflichtung eines Eigen­tümers eines Grundstücks, die Benutzung seines Grundstücks zum Durchgehen, Durchfahren oder Durchreiten durch den Eigentümer eines anderen Grundstücks, dem ohne Verschulden seines Eigentümers die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, gegen Entschädigung zu dulden. Der N. ist als nachbarrechtliche Eigentumsbeschrän­kung bereits dem römischen Recht bekannt. Er findet sich auch im Mittelalter und in der Neuzeit.

Lit.: Kaser § 23 III 3; Hübner § 37; Buch, G., Der Notweg, 1919; Caroni-Rudolf, K., Der Notweg, Diss. jur. Bern 1969; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 3 1973, 192; Eggensperger, A., Notwegrecht, Diss. jur. Würzburg 2000

Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren. Bereits im römischen Recht ist es erlaubt, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen. Im Frühmittelalter erscheint die N. ansatzweise, im Hochmittelalter und Spätmittelalter häufiger (→ Schwabenspiegel um 1275). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die N. von der Verteidigung von Leib und Leben auf jedes Rechtsgut ausgedehnt (Preußen 1794).

Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87, 119, 158, 208; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 34; Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Wacke, A., Notwehr und Notstand, ZRG RA 106 (1989), 469

Notzivilehe ist die bei Verweigerung der Eheschließung wegen eines kirchen­rechtlichen Ehehindernisses mögliche welt­liche Eheschließung (z. B. in Österreich 25. 5. 1868 Eherechtsgesetz, 1870 relative N. für keiner anerkannten Kirche angehörende Menschen).

Lit.: Floßmann, U., Österreichische Privatrechts­geschichte, 5. A., 2005; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1996

Notzucht ist eine ältere, in Deutschland 1973, in Österreich 1989 und in der Schweiz 1992 aufgegebene Bezeichnung für die Vergewalti­gung einer Frau (lat. oppressio [F.], violentia [F.]), die ihrerseits seit dem 16. Jh. das noch ältere (ahd.) notnumft verdrängt.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 664; Wahl, G., Zur Geschichte des Wortes Notzucht, Z. f. d. P. 9 (1907), 7; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 150; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003

novale (lat. [N.]) Neubruch

Novatio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die → Novation, Schuldneuschaffung oder Schulderneuerung.

Lit.: Kaser § 54 I; Tolkmitt, W., Die Theorie der Novation im gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1968

Novation (lat. [F.] → novatio) ist bereits im klassischen römischen Recht die Schulderneuerung, bei der infolge einer → Stipulation die alte Schuld (Obligation) mit allen Nebenrechten erlischt und durch eine neue Schuld (Obligation) ersetzt wird (z. B. Auswechslung des Gläubigers oder Schuld­ners, eine Sonderform ist die [lat.] stipulatio [F.] Aquiliana). Die N. wird seit dem Hochmittelalter wieder belebt. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird sie nicht mehr erwähnt.

Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 43, 215; Apathy, P., Animus novandi, 1975;Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 432, 449, 530

Novel disseisin ist im englischen Recht die von König Heinrich II. (1133-1189) eingeführte Klage des widerrechtlich aus seinem Besitz Vertriebenen (disseised).

Lit.: Sutherland, D., The Assize of Novel Disseisin, 1973; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Novelle (lat. [F.] novella [lex]) ist das ein Gesetz in Einzelfragen ergänzende oder abändernde neue Gesetz. Insbesondere werden die nach dem → Codex des Jahres 534 von → Justinian erlassenen (neuen), durch drei verschiedene Sammlungen überlieferten Gesetze als Novellen (zitiert z. B. als Nov. 99,2) bezeichnet.

Lit.: Söllner §§ 22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 54; Noailles, P., Les collections de novelles, Bd. 1f. 1912ff.; Wal, N. v. d., Manuale novellarum, 1964; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung, 1975; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen, Ius commune 6 (1977), 274; Novella Constitutio, hg. v. Loken, J. u. a., 1990; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Novemberrevolution ist die Revolution im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn im November 1918, durch welche die Mo­nar­chien in Republiken umgewandelt wer­den.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Elben, W., Das Problem der Kontinuität in der deutschen Revolution, 1965; Kittel, E., Novembersturz 1918, Bll. f. dt. LG. 104 (1968), 42; Görlitz, W., November 1918, 1968; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung, 1988

Nowgorod

Lit.: Novgorod – Markt und Kontor der Hanse, hg. v. Angermann, N./Friedland, K., 2002

Noxae datio (lat. [F.], auch noxae deditio) ist bereits im altrömischen Recht die Hingabe des Schädigers (z. B. Hauskind, Sklave, Tier), durch die sich der Hausvater (außer durch Leistung) von seiner grundsätzlich beste­hen­den Haftung für einen auf deren Verhalten beruhen­den Erfolg befreien kann (Noxal­haf­tung). Sie wird in der Spätantike bei Hauskindern und Sklaven eingeschränkt, im Hochmittelalter nicht aufgenommen.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 15 I 4d, 36 V, 50 II 4a, Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 49, 65; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972

NS (Nationalsozialismus)

NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei)

Lit.: Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002

nuda proprietas (lat. [F.]) bloßes Eigentum

Lit.: Köbler, DRG 124

nudum pactum (lat. [N.]) bloßer Vertrag (ohne besondere Formen)

Nulla poena sine culpa (lat.). Keine Strafe ohne Schuld.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Nulla poena (F.) sine lege, nullum crimen sine lege (lat.) ist der strafrechtliche Grundsatz, dass niemand bestraft werden darf, wenn nicht zuvor ein Gesetz Verhalten der entsprechenden Art mit einer Strafe bedroht hat. Das Verbot der Rückwirkung von neuen oder veränderten Strafgesetzen zum Nachteil des Täters ist dabei bereits ansatzweise dem klassischen römischen Recht bekannt und wird in der Spätantike durch kaiserliche Gesetze mit gewissen Einschrän­kungen sogar ausgesprochen. Dem folgen an sich auch das Mittelalter und die → Constitutio Criminalis Carolina (1532), während das gemeine Recht den Grundsatz bis zum ausgehenden 18. Jh. nur wenig beachtet. Erst mit der Aufklärung entsteht der Grundsatz in voller Gestalt des Rückwirkungsverbots, des Analogieverbots und des Bestimmtheitsgebots (Vereinigte Staaten von Amerika bis 1787, Frankreich, Josephinisches Gesetzbuch 1787, preußisches Allgemeines Landrecht 1794, Feuerbach, Weimarer Reichsverfassung 1919, → Grundgesetz 1949), wobei die Vorstellung besonderes Gewicht erhält, dass ein Eingriff des Staates in die Freiheit des Bürgers die Gestattung durch Gesetze voraussetzt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 204; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007, (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 16, 131, § 1 S. 1 Halbsatz 2); Bopp, G., Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Schöckel, G., Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsver­botes, 1968; Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Schünemann, B., Nulla poena sine lege?, 1978; Bohnert, J., P. J. A. Feuerbach, 1982; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983

Nulli res sua servit (lat.). Niemand dient die eigene Sache.

Lit.: Kaser § 28 I 3; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 170-um 230, Digesten, 8, 2, 26

nullum crimen sine lege → nulla poena sine lege

Lit.: Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983

Nullum crimen sine poena (lat.). Kein Verbrechen ohne Strafe.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Numerius Negidius (N.N.) ist der abstrakte Beklagte des römischen Verfahrensrechts.

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 33

numerus (M.) clausus (lat.) geschlossene Zahl (z. B. der Ausbildungsplätze oder der zulässigen Sachenrechte [im römischen Recht Eigentum, Servituten, Pfandrecht, Erbpacht und Erbbaurecht], im römischen Schuldrecht sind nur contractus mit Klagbarkeit versehen, Typengebundenheit, aber Möglichkeit der Stipu­lation])

Lit.: Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623

Numismatik (Münzkunde) → Münze

Lit.: Göbl, R., Numismatik, 1987; Morrisson, C., La numismatique, 1992; Wissenschaftsgeschichte der Numismatik, hg. v. Albert, R. u. a., 1995; Bompaire, M./Dumas, F., Numismatique médiévale, 2000; Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Kluge, B., Numismatik des Mittelalters, 2007

nummo uno (lat.) mit einer → Münze

Lit.: Köbler, DRG 25

nuncupatio (lat. [F.]) Verkündung

Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 67 I 2b; Söllner § 8; Köbler, DRG 38

Nuntius (zu lat. [M.] nuntius, Bote) ist seit dem ausgehenden Spätmittelalter der ständige Gesandte des Heiligen Stuhles bei einem anderen Staat.

Lit.: Kaser §§ 11 II, 58 III 2; Pieper, A., Zur Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen, 1894; Biauchet, H., Les nonciatures apostoliques, 1910; Walf, K., Die Entwicklung des päpstlichen Gesandtschafts­wesens, 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 553; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles, 1975

Nürnberg ist die um eine 1050 erstmals erwähnte, anscheinend vorsalische Grund­lagen aufweisende Reichsburg auf ursprünglich bayerischem Siedlungsboden an der Pegnitz erwachsende Reichsstadt. In der → Goldenen Bulle von 1356 belohnt Kaiser Karl IV. die Treue der Stadt mit der Verpflichtung jedes neugewählten Königs, seinen ersten Reichstag in N. abzuhalten. Von 1424 (Privileg vom 19. 9. 1423) bis 1796 und von August 1938 bis 1945 (Anfang 1946) ist N. Aufbewahrungsort der Reichskleinodien (Reichserzschatzkästlein). 1479/1484 erneuert N. durch die römisches Recht gemäßigt aufnehmende (Neue) → Reformation sein Stadtrecht. Im Dritten Reich hält Adolf Hitler in N. die Reichsparteitage ab. 1935 werden in N. auf dem Reichsparteitag vom nach Nürn­berg einberufenen Reichstag die gegen die Juden gerichteten sog. Nürnberger Gesetze verabschiedet (Reichsbürgergesetz vom 15. 9. 1935, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. 9. 1935) (und am folgenden Tag im Reichsgesetzblatt verkündet). Vom 18. 10./14. 11. 1945-1. 10. 1946 finden in N. die Prozesse gegen (24 bzw.) 22 national­sozialistische Hauptkriegsverbrecher wegen Verbrechen gegen den Frieden, Kriegs­ver­brechen, Verbrechen gegen die Mensch­lichkeit, und Mitgliedschaft in einer ver­brecherischen Organisation statt ([12] Todesurteile durch Hängen für Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosen­berg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher, Fritz Sauckel, Alfred Jodl, Arthur Seyß-Inquart, Martin Bormann]), denen bis 11. 4. 1949 12 weitere Verfahren in N. gegen 182 Angeklagte folgen (24 Todesurteile).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 139; Bremer, F., Dr. Claudius Cantiunculas Gutachten über das Nürnberger Stadtrecht, ZRG GA 15 (1894), 123; Knapp, H., Das alte Nürnberger Kriminalrecht, 1896; Werminghoff, A., Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg, 1921; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Franz, E., Nürnberg, Kaiser und Reich, 1930; Nordmann, C., Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck, 1933; Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. 1ff. 1947ff., Neudruck 1984; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, (in) Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955, Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Schultheiß, W., Geschichte des Nürnberger Ortsrechtes, 1957; Gedeon, A., Zur Rezeption des römischen Privatrechts in Nürnberg, 1957; Nürnberger Urkundenbuch, Bd 1ff. 1959ff.; Schultheiß, W., Die Acht-, Verbots- und Fehdebücher von 1285-1400, 1960; Das Urteil von Nürnberg 1946, 1961; Satzungsbücher und Satzungen, hg. v. Schultheiß, W., 1963; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozess in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Geschichte Nürnbergs in Bilddokumenten, hg. v. Pfeiffer, G., 1970; Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971; Nürnberg – historische Entwicklung einer deutschen Stadt in Bildern, 4. Aufl. 1971; Nürnberg, hg. v. Pfeiffer, G., 1971; Wachauf, Helmut, Nürnbergs Bürger als Juristen, 1972 (141 urkundlich nachgewiesene Juristen); Schmid, Hans-Dieter, Täufertum und Obrigkeit in Nürnberg, 1972; Hirschmann, Gerhard, Das Nürnberger Patriziat im Königreich Bayern, 1971; Die Nürnberger Bürgerbücher 1 (1302-1448), hg. v. Stadtarchiv Nürnberg, 1974; Pütz, K., Heischurteile, 1977; Leiser, W., (Die Stadtrechtsreformation der Stadt Nürnberg), Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 67 (1980); Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Nürnberg - Kaiser und reich (Ausstellung), 1986; Schüßler, M., Statistische Untersuchung des Verbrechens in Nürnberg im Zeitraum von 1285 bis 1400, ZRG GA 108 (1991), 117; Jung, S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, 1992; Endres, R., Grundzüge der Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, ZRG GA 111 (1994), 405; Rethmeier, A., „Nürnberger Rassegesetze“, 1995; Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch, hg. v. Schachtschneider, K., 1995; Taylor, T., Die Nürnberger Prozesse, 3. A. 1997; Schieber, M., Nürnberg, 2000; Kastner, K., Von den Siegern zur Rechenschaft gezogen, 2001; Essner, C., Die Nürnberger Gesetze, 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Schubert, A., Der Stadt Nutz oder Notdurft?, 2003; Nürnberg und das Griechentum, hg. v. Konstantinou, E., 2003; Hamm, B., Lazarus Spengler (1479-1534), 2004; Finger, T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hansmann, U., Die Nürnberger Rassegesetze vom 15. September 1935, NJW 2005, 2648; Kastner, K., Die Völker klagen an, 2005; Meyer, C., Die Stadt als Thema, 2009

Nutzpfand oder Nutzungspfand (sog. ältere Satzung) ist im Hochmittelalter das Pfand, bei dem der Gläubiger unmittelbaren Besitz an der verpfändeten Sache (Grundstück) hat und die Nutzungen aus ihr ziehen darf.

Lit.: Kaser § 31 III 5a; Hübner 402; Viollet, P., Histoire du droit civil français, 1905, Neudruck 1966, 784; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936

Nutzung ist die Frucht einer Sache oder eines Rechtes sowie der Vorteil, den der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt.

Lit.: Hübner; Baltl/Kocher; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Nutzungspfand → Nutzpfand

Nutzungsrecht ist das Recht, eine Sache zu nutzen. Es findet sich bereits im altrömischen Recht und begegnet bis zur Gegenwart in unterschiedlichen Gestalten. Insbesondere bestehen in der Grundherrschaft unzählige Nutzungsrechte an Grundstücken. → Nieß­brauch

Lit.: Hübner 549, 786; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 125, 163; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961

 

 

O

 

Oberappellationsgericht ist in der frühen Neuzeit der drittinstanzliche Gerichtshof eines Landes. Das O. ersetzt das auf Grund von Nichtappellationsprivilegien nicht mehr zuständige Reichsgericht (→ Reichskammer­gericht). Es entscheidet als dritte Instanz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nichtprivile­gierter Parteien und als zweite Instanz bei schweren Strafsachen. 1877/1879 wird das O. allgemein (durch das → Oberlandesgericht) beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 26; Greb, H., Die Verfassung des Oberappellationsgerichts der vier freien Städte Deutschlands zu Lübeck, Diss. jur. Göttingen 1967; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 291; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non appellando, 1980; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Gesamtinventar der Akten des Oberappellations­gerichtes der vier Freien Städte Deutschlands, hg. v. Lorenzen-Schmidt, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Polgar, K., Das Oberappellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands (1820-1879), 2006

Oberbayerisches Landrecht ist das in mehr als 100 Handschriften des 14. und 15. Jh.s überlieferte Landrecht für Oberbayern von 1346. Ihm geht eine verschollene Fassung von etwa 1335 voraus. Veranlasst ist es vermutlich von Kaiser Ludwig dem Bayern. Es ist in 28 Titel mit 350 Artikeln gegliedert. Im Mittelpunkt stehen Privatrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht. Unmittelbare Vorlagen sind nicht erkennbar. Römischrechtliche oder kir­chenrechtliche Einflüsse sind nicht bestim­mend, vielmehr wird im Wesentlichen das einheimische Gewohnheitsrecht wieder­gege­ben. 1518 wird das Landrecht reformiert. 1616 wird für Oberbayern und Niederbayern ein gemeinsames Landrecht geschaffen.

Lit.: Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern, 1911; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schlosser, H./Schwab, I., Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern von 1346, 2000; Das Landrecht von 1346 für Oberbayern, hg. v. Schwab, I., 2002; Schwab, I., Die Georgenberger Handschrift, ZRG GA 119 (2002), 326

Obereigentum (lat. dominium [N.] directum) ist im gelehrten Recht vom Hochmittelalter bis zum 19. Jh. die Rechtsstellung des Obereigentümers (z. B. Lehnsherrn) eines im geteilten → Eigentum stehenden Gegen­stan­des (z. B. Lehen). Es wird in verkennender Ausdehnung einer römischen Quellenstelle über einen Herausgabeanspruch des Erbpäch­ters entwickelt. Es entspricht Bedürfnissen der Rechtswirklichkeit.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Haff, K., Zur Theorie eines allgemeinen Obereigentums des fränkischen Königs, ZRG GA 32 (1911), 325; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 f. 1985ff.

Oberhaus → House of Lords

Oberhof ist seit dem Spätmittelalter (ein Gericht als) eine Auskunftsstelle für Gerichte und Einzelmenschen. Oberhöfe finden sich sowohl in Städten wie auch auf dem Land. Ihre Ausbildung beruht anfangs auf Freiwilligkeit. Mit der längerdauernden Übung der Erteilung von Auskünften ent­wickelt sich ein gewisses Abhängig­keitsverhältnis. Allmählich dringt Schrift­lichkeit in das Verfahren ein. Bekannte Oberhöfe sind etwa Magdeburg, Lübeck, Krakau, Iglau, Kulm, Aachen, Dortmund, Frankfurt am Main, Ingelheim, Neustadt an der Weinstraße, Speyer, Freiburg im Breisgau oder Nürnberg. Mit dem Vordringen des römischen Rechts und der Ausbildung des Instanzenzuges in der erstarkenden landes­herrlichen Verwaltung verschwindet der O. vom 16. bis in das 18. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Der Oberhof Iglau in Mähren, hg. v. Tomaschek, J., 1868; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; Stutz, U., Der Oberhof zu Eltville, ZRG GA 43 (1922), 303; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Mertz, W., Der Frankfurter Oberhof, Diss. jur. Frankfurt am Main 1954; Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Schott, C., Die Wolfacher Fragen und die Freiburger Oberhofurteile, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 390; Zwerenz, G., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Eckhardt, W., Das Stadtgericht als Oberhof, Zs. d. V. f. hess. Geschichte 110 (2005), 21

Oberlandesgericht ist seit 1808 das bisherige preußische Landesjustizkollegium und danach das 1877/1879 geschaffene, zwischen Reichs­gericht bzw. Bundesgerichtshof und Landge­richt (bzw. oberstem Gerichtshof und Landesgericht in Österreich seit 1852) stehende Gericht (1893 im Deutschen Reich 28 Oberlandesgerichte mit 548 Richtern). → Oberappellationsgericht

Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Baltl/Kocher; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; 250 Jahre Oberlandesgericht Celle, 1961; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969; Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Hamm, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichtes von Oldenburg, 1974; Zimmer, E., Die Geschichte des Ober­landesgerichts in Frankfurt am Main, 1976; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen des Oberlandes­gerichts Celle, 1986; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; 50 Jahre Oberlandesgericht und Generalstaats­anwaltschaft Koblenz 1996; Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Haehling von Lanzenauer, R., Das badische Oberlandesgericht in Freiburg, ZRG GA 119 (2002), 343; Passek, I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Staatsschutzstrafsachen, 2003

Obermärker ist der Leiter der → Markgenossenschaft.

Oberösterreich ist in allmählicher Entwicklung seit der Erstnennung von ahd. ostarrihhi (996) das ob (westlich) der Enns gelegene, aus dem früher steirischen Traungau mit der Riedmark unter Trennung von Niederösterreich gebildete, bis 1918 amtlich als Österrreich ob der Enns (und von 1939 bis 1945 im Deutschen Reich als Reichsgau Oberdonau) bezeichnete Land (Bundesland) → Öster­reich(s). Zwischen 1616 und 1629 erstellt Abraham Schwarz einen Entwurf eines Landrechts. Als oberösterreichische Länder werden auch Tirol, Vorarlberg und Vorderösterreich (ei­gene Linien 1457-1493, 1564-1665) bezeich­net.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Schmidt, F., Die freien bäuerlichen Eigengüter in Oberösterreich, 1941; Hoffmann, A., Das Wappen des Landes Oberösterreich, 1947; Hoffmann, A., Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich, 1952; Pfeffer, F., Das Land ob der Enns, 1958; Grüll, G., Das Linzer Bürgermeisterbuch, 2. A. 1959; Probleme der Entstehung des Landes ob der Enns, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 7 (1960), 125; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Sturmberger, H., Der Weg zum Verfassungsstaat, 1972; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Sturm­berger, H., Adam Graf Herberstorff, 1976; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs im Spiegel der Weistümer, 1974; Putschögl, G., Die landständische Behördenorgani­sation in Österreich ob der Enns, 1977; Slapnicka, H., Oberösterreich unter Kaiser Franz Joseph, 1982; Strätz, H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Haider, S., Geschichte Oberösterreichs, 1987; Lohner, J. Das landeshaupt­mann­schaftliche Gericht in Oberösterreich, 1988; Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, Bd. 1 hg. v. Strätz, W., 1990

Oberpfalz ist der um Neumarkt gelegene (obere) Teil der Pfalz(grafschaft bei Rhein), die durch Erbteilung im Hause Wittelsbach zeitweise vom übrigen → Bayern abgeteilt wird. Für die O. wird 1657/1659 ein → Landrecht geschaffen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bosl, K., Das kurpfälzische Territorium „Obere Pfalz“, Z. f. bay. LG. 26 (1963), 3; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Dittrich, H., Die Entstehung des oberpfälzischen Landrechts, Diss. jur. Regensburg 1991; Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/1659, ZRG GA 110 (1993), 482

Oberpräsident ist der leitende Beamte der zivilen Provinzialverwaltung (zwischen 4 und 12 Provinzen) in Preußen von 1806 bis (1933 bzw.) 1945 mit drei unterschiedlichen Funktionen.

Lit.: Kube, H., Die geschichtliche Entwicklung der Stellung des preußischen Oberpräsidenten, Diss. jur. Berlin 1939; Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, hg. v. Schwabe, K., 1985

Oberrechnungskammer (1802) ist die sich seit 1713 entwickelnde Zentralbehörde des Rechnungswesens in Preußen. Die O. ist selbständig und unabhängig. Sie wird 1869 zum → Rechnungshof des Norddeutschen Bundes.

Lit.: 250 Jahre Rechnungsprüfung, hg. v. Bundesrechnungshof, 1964; Bachmann, M., Der Bundesrechnungshof, 1967, 90

Oberschlesien → Schlesien

Oberste Justizstelle ist das auf erste Ansätze des Jahres 1501 zurückgehende, am 1. 5. 1749 von Maria Theresia eingerichtete Höchstgericht (mit Präsidenten, Vizepräsi­denten, Senaten und Räten) Österreichs (oberste Revisionsinstanz in Justizsachen und oberste Justizverwaltungsbe­hörde), das 1848 zum Justizministerium einerseits und zum Obersten Gerichtshof andererseits wird. Die o. J. wendet subsidiär gemeines Recht an. Mit ihr wird die Rechtsprechung aus der Verwaltung in der obersten Instanz ausgesondert

Lit.: Kocher, G., Die Zivilgesetzgebung und die Oberste Justizstelle bis zum ABGB, FS H. Baltl, 1978, 309; Kocher, G., Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechts­kodifikation, 1979; Maasburg, F. v., Geschichte der obersten Justizstelle in Wien, 2. A. 1981; Ratsprotokolle Oberste Justizstelle Tyrol-Vorarlberg. Senat 1814-1844, Bd. 1 hg. v. Faistenberger, C., red. v. Niedermayr, M., 2003

Oberster Gerichtshof für die britische Zone ist der von 1948 bis 1950 für die britische Besatzungszone des Deutschen Reiches eingerichtete oberste Gerichtshof.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158

Oberster Gerichtshof ist seit 21. 8. 1848 das der obersten Justizstelle folgende oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit Österreichs (1850 oberster Gerichts- und Kassationshof, 1918 oberster Gerichtshof, 1938 aufgelöst, 1945 wiedererrichtet)..

Lit.:Festschrift zur Hundertjahrfeier des österreichischen Obersten Gerichtshofs 1850-1950, 1950

Oberstes bayerisches Landesgericht in München ist ein 1877/1879 aus dem 1808 in Bayern eingerichteten Oberappellations­gericht abgeleitetes Gericht, dem die Verhandlung und Entscheidung der sonst im Deutschen Reich dem Reichsgericht zustehenden Revisionen und Beschwerden in bürgerlichen Rechtsstreitig­keiten und die weitere Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Seine Aufgaben werden zum 31. 12. 2004 den drei Oberlandesgerichten Bayerns (München, Nürnberg, Bamberg) übertragen.

Lit.: 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, hg. v. Bayerischen Staatsministerium der Justiz, 1975, 15

Oberstes Gericht ist das Höchstgericht der → Deutschen Demokratischen Republik.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Oberste Gericht der DDR, 1989

Obertribunal (1772) ist das 1703 als Oberappellationsgericht preußischer Landes­teile geschaffene, im 19. Jh. zum höchsten Gericht Preußens aufsteigende Gericht, das 1877/1879 weitgehend im Reichsgericht aufgeht.

Lit.: Sonnenschmidt, F., Geschichte des königlichen Obertribunals zu Berlin, 1879; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals im Juni 1879, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419

Oberverwaltungsgericht (OVG) ist das Obergericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, das später teilweise auch Verwaltungsgerichtshof genannt wird.

Lit.: Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987; Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des sächsischen Oberverwaltungsgerichts, hg. v. Reich, S., 2002

Obervormundschaft ist die aufsichtliche Stellung der Obrigkeit bzw. Kirche über den → Vormund, wie sie sich seit der karolingischen Zeit entwickelt und im Vormundschaftsgericht endet.

Lit.: Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1 1835; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

oblatio (lat. [F.]) Gabe, Opfer, Spende (z. B. auch von Kindern in ein Kloster)

Lit.: Kaser § 37 II 1; Seidl, J., Die Götterverlobung von Kindern, 1872; Laske, W., Das Problem der Mönchung, 1973

Obligatio (lat. [F.]) ist seit dem altrömischen Recht die schuldrechtliche Verpflichtung zwischen zwei Beteiligten (bzw. das Schuldverhältnis) mit den Inhalten (lat.) dare (geben), facere (tun einschließlich unter­lassen) oder praestare (einstehen). Die o. geht vermutlich auf den Ausgleich von Unrechtserfolgen (später sog. [lat.] delicta [N.Pl.]) zurück. Das bei ihnen zunächst regelmäßig bestehende Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft wird im Interesse der Allgemeinheit allmählich eingeschränkt und durch die Hingabe von Vermögensgegen­ständen (Sühneleistung) ein­verständlich abgelöst. Sobald eine Leistung durch den Verursacher, seine Verwandten oder Gentilen üblich und im Rahmen eines vielleicht nach griechischem Vorbild erstellten festen Katalogs von Vergleichs­sätzen (fester Me­tallwert oder vielfacher Sachwert) ver­bindlich wird, dient der Zugriff auf die Person des Verursachers nicht mehr der unmit­telbaren Vergeltung, sondern wohl der mittelbaren Erzwingung der Leistung. Seine Zulässigkeit entfällt mit der Leistung, zu welcher der Verursacher aber anfangs nicht verpflichtet ist. Später tritt die Befreiung von der Haftung durch Leistung immer stärker in den Vordergrund, so dass allmählich eine Verpflichtung zur Leistung entsteht, welche die ursprüngliche Haftung mehr und mehr in den Hintergrund drängt. Vermutlich früh ist außerdem ein Geschäft möglich, durch das jemand sich zur Haftung verpflichtet, wobei die Leistung bald wichtiger wird als die Haftung. Im weiteren Verlauf werden zahlreiche verschiedene Obligationen ent­wickelt (Kontrakt, Quasikontrakt, Delikt, Quasidelikt).

Lit.: Kaser §§ 4 I 2, 32 I, 33 I, 38 IV, 56 I, 61, 84; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 42, 62; Kuntze, J., Die Obligation, 1856; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Watson, A., The Law of Obligations, 1965; Hochstein, R., Obligationes quasi ex delicto, 1971; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992; Hartung, G., Die Naturrechtsdebatte, 2. A. 1999

obligatio alternativa (lat. [F.]) Wahlöschuld

Obligatio (F.) civilis (lat.) ist im römischen Recht die auf (lat.) ius (N.) civile gegründete, mit (lat.) actio (F.) civilis (Zivilklaganspruch) ausgestattete → obligatio.

Lit.: Kaser § 33 II; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992

obligatio (F.) ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus Vertrag

Lit.: Kaser § 38 I

obligatio (F.) ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus Delikt

Lit.: Kaser §§ 38 I, 50 I

obligatio (F.) ex variis causarum figuris (lat.) Verbindlichkeit aus verschiedenen Gründen

Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler, DRG 62

Obligatio (F.) honoraria (lat.) ist im römischen Recht die erst vom Prätor oder Ädil klagbar gemachte Verbindlichkeit.

Lit.: Kaser § 33 I

Obligation ist die aus der in Rom als un­körperliche (lat.) res (Gegenstand, Sache) verstandenen, römischen (lat.) → obligatio (F.) entwickelte Ver­bindlichkeit (Schuld, Schuldverhältnis). Sie wird im Spätmittelalter mit dem römischen Recht aufgenommen und mit den einheimischen Schuldverhältnissen verbunden. Seit dem 19. Jh. wird das Lehn­wort O. .verdrängt

Lit.: Kaser §§ 33, 38, 56; Kuntze, J., Die Obligation, 1856; Roussier, J., Le fondement de l’obligation, Thèse Paris 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 393; Hartung, G., Die Naturrechtsdebatte, 1998, 2. A. 1999

Obligationenrecht ist das im 19. Jh. innerhalb der (lat.) res ([F. Pl.) Gegenstände bzw. Sachen) zunehmend als besonderes Rechtsgebiet erkannte Schuldrecht (z. B. Savigny 1851ff.). 1866 scheitert innerhalb des Deutschen Bundes der Versuch seiner einheitlichen gesetzlichen Gestaltung am Zerbrechen des Bundes auf Grund politischer Gegensätze zwischen Österreich und Preußen. In der → Schweiz ist das O. mit Einschluss der Gesellschaften und der Wertpapiere in einem besonderen Gesetz vom 14. 6. 1881 (Inkrafttreten am 1. 1. 1883) bzw. nach Neufassung vom 30. 3. 1911 (Inkrafttreten am 1. 1. 1912), das den fünften Teil des Zivilgesetzbuches bildet, geregelt. In Sachsen (1863) und im Deutschen Reich (1896/1900) ist das Schuldrecht eines der fünf Bücher des Bürgerlichen Gessetzbuchs.

Lit.: Kaser §§ 32ff.; Köbler, DRG 182, 184, 229, 255; Savigny, F., Das Obligationenrecht, Bd. 1f. 1851ff.; Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H. u. a., 1982; Das Obligationenrecht 1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984; Anhäuser, V., Das internationale Obligationenrecht in der höchstrich­terlichen Rechtsprechung des 19. Jahrhun­derts, 1986; Handels- und obligationenrechtliche Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000; Ranieri, F., Europäisches Obligationenrecht, 2. A. 2004

obligatio (F.) quasi ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus vertragsähnlichem Tatbe­stand

Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG, 62

obligatio (F.) quasi ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus deliktsähnlichem Tatbestand

Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG 62

Obligatio (F.) re, verbis, litteris, consensu contracta (lat.) ist die römische Bezeichnung für eine Verbindlichkeit aus Realvertrag, Verbalvertrag, Litteralvertrag oder Konsen­sualvertrag, wobei das beurkundete Darlehen im nachklassischen römischen Recht als (lat.) obligatio (F.) re et verbis aufgefasst wird.

Lit.: Kaser §§ 38 I, 39 I 2

obligatorisch (Adj.) verpflichtend

Obrigkeit ist die vom 15. bis zum 17. Jh. bestimmende Bezeichnung für den Träger von Herrschaftsrechten. Ihr entspricht die Untertänigkeit. Der O. steht das Recht zu, durch Gebote die gute → Polizei bzw. → Ordnung zu sichern.

Lit.: Naujoks, E., Ordnungsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Willoweit, D., Gesetzgebung und Recht, (in) Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987, 123; Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997

obsequium (lat. [N.]) Nachgiebigkeit, Gehorsam

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Observanz ist das örtlich oder persönlich (z. B. Orden) begrenzte Gewohnheitsrecht.

Lit.: Petersen, R., Die Observanz, Diss. jur. Leipzig 1848; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337

obstagium (lat. [N.]) → Einlager

Occupatio (lat. [F.]) ist die schon dem altrömischen Recht bekannte → Aneignung einer von Anfang an oder durch Eigentumsaufgabe herrenlosen Sache (z. B. eines Tieres durch den Jäger).

Lit.: Kaser § 26 I; Köbler, DRG 24, 40

Ochlokratie (F.) Herrschaft des Pöbels als Entartung der Demokratie

Ochsenfurt

Lit.: Wenisch, S., Ochsenfurt, 1972

Ockham, Wilhelm (von) (Occam/Surrey 1280/1285-München 9./10. April 1347 [Sterbedatum ungewiss]) wird nach dem Studium der Theologie in Oxford der Ketzerei verdächtig und flieht zu Ludwig dem Bayern. Neben vielen Gutachten verfasst er hier wohl um 1340 seinen (lat.) Dialogus (M.) de potestate imperiali et papali (Zwiegespräch über kaiserliche und päpstliche Gewalt) zugunsten des Kaisers.

Lit.: Köbler, DRG 107; Heinen, E., Reich und Kirche bei Wilhelm von Ockham, Diss. jur. Bonn 1955; Kölmel, W., Wilhelm Ockham, 1962; Miethke, J., Ockhams Weg zur Sozialphilosophie, 1969; Wilhelm von Ockham, Texte zur politischen Theorie, hg. v. Miethke, J., 1995; Leppin, V., Wilhelm von Ockham, 2003

odal (an.) Erbgut, Gut, Heimat

Lit.: Behaghel, O., Odal, SB. d. Akad. d. Wiss. München phil.-hist. Abt. 1935, 3; Störmer, W., Früher Adel, 1973, 116, 155; Danielsen, R. u. a., Grunntrekki i norsk historie, 1991, 49

Ödenburg (ungar. Sopron)

Lit.: Gerichtsbuch 1423-1531, hg. v. Házi, J. u. a., 2005; Gedenkbuch 1492-1543, hg. v. Mollay, K. u. a., 2005

Odofredus de Denariis (Bologna um 1200-3. 12. 1265 oder 1264) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo, Jacobus Balduini) wohl 1231 Rechtslehrer in Bologna. Er verfasst Glossen, Summen (z. B. summa feudorum), Quaestiones, Consilia bzw. Gutachten und Monographien.

Lit.: Köbler, DRG 107; Tamassia, N., Odofredo, (in) Atti e memorie, 1894; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; La Pace di Costanza 1183, 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 322

Odowakar (um 433-493) ist ein germanischer (skirischer) Söldnerführer, der 476 n. Chr. mit der Absetzung des Romulus Augustulus das weströmische Reich beendet.

Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 50, 67; Chastagnol, A., Le senat romain sous le règne d’Odoacre, 1966; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967, 149

Oesfeld → Hermann von Oesfeld

Oettingen (Grafschaft)

Lit.: Die ländlichen Rechtsquellen der Grafschaft Oettingen, hg. v. Kiessling, R. u. a., 2005

Ofen (Buda) an der Donau ist heute Teil von Budapest. Sein in deutscher Sprache verfasstes, in 3 Handschriften überliefertes Stadtrechts­buch wird vermutlich zwischen 1403 und 1439 (1405-21) von dem Stadtrichter Johannes Siebenlinder verfasst. Es gliedert sich in fünf Teile mit 445 Artikeln (Stadtverfassung, Kaufleuterecht). Es zeigt Beziehungen zum Sachsenspiegel, zum Magdeburger, Iglauer und Wiener Recht. Das Recht von O. wird an zahlreiche Städte in Ungarn verliehen.

Lit.: Das Ofener Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959; Kubinyi, A., Die Anfänge Ofens, 1972; Rady, M., Medieval Buda, 1985; Gönczi, K., Ungarisches Stadtrecht, 1996; Buda város jogkönyve (Das Rechtsbuch der Stadt Ofen), hg. v. Blazovich, L-. u. a., 2001

Offene Handelsgesellschaft ist die Handelsgesellschaft mit unbeschränkter Haf­tung aller Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Sie erscheint in der hochmittelalterlichen Stadt und bildet sich in der frühen Neuzeit stärker durch (1861 ADHGB). In Österreich wird die 1990 zusätzlich für nichtvollkaufmännische Zwecke gebildete offene Erwerbsgesellschaft mit der offenen Handelsgesellschaft 2007 zur offenen Gesell­schaft (OG) verschmolzen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 167, 217; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handels­gesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften, FS F. Vischer, 1983, 557; Servos, R., Die Personalhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984; Zur Geschichte des Gesellschaftsrechts in Europa, hg. v. Kalss, S. u. a., 2003

Offenes Haus ist das einem anderen zur (kriegerischen) Benutzung offenstehende Haus. → Öffnungsrecht

Lit.: Pfeiffer, G., Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg, Jb. f. fränk. LG. 14 (1954), 153

öffentlich (Adj.) offen, offen zugänglich, all­gemein, staatlich

Öffentlicher Dienst ist seit dem 19. Jh. der Staatsdienst.

Lit.: Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken totalitärer Herrschaft, 1988

Öffentlicher Glaube ist das Vertrauen der Allgemeinheit in ein öffentliches Register (z. B. Grundbuch, Handelsregister). Anfangs gewähren diese Register nur einen Beweis­vorteil im Streit um Grundstücksrechte. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1783) ermöglichen sie allmählich den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (um 1870).

Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Bd. II 2, 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbes, 1977; Buch­holz, S., Abstraktionsprinzip und Immobilienrecht, 1978

Öffentliches Recht sind alle Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt (z. B. Staat, Gemeinde) in seiner Eigenschaft als solcher ist. Zum öffentlichen Recht zählen etwa Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht und Strafrecht. Seinen Ausgang nimmt die Aufteilung des Rechtes in privates Recht und öffentliches Recht im römischen Altertum, in dem nach einer → Ulpian zugeschriebenen Wendung ö. R. ist, was die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft (lat. ad statum rei Romanae spectat). Diese Einteilung ist zwar dem Mittelalter bekannt, hat dort aber keine grundsätzliche Bedeutung. Erst um das Jahr 1600 findet sich das öffentliche Recht (lat. ius [N.] publicum) als besonderes Sachfach an der Universität (Staatsrecht). Die ersten bekannten Vertreter des selbständigen Staatsrechts (Reichsstaats­rechts) sind (→ Bodin [1530-1596],) → Limnaeus (1592-1663) und → Pufendorf (1632-1694). Seit Beginn des 19. Jh.s wird dann eine grundsätzliche dogmatische Trennung von öffentlichem Recht (Machtbereich des souveränen Fürstentums) und privatem Recht (Freiheitsraum des Einzelnen) deutlich. Innerhalb des öffentlichen Rechts (Verfas­sungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfah­rens­recht, Strafrecht) entwickelt sich im 19. Jh. das → Verwaltungsrecht (Otto → Mayer).

Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 54, 143, 147, 189; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Schöne, L., Privatrecht und öffentliches Recht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro Romao impero, Bd. 1f. 1957ff., 2. A. 1970; Müllejans, H., Publicus und privatus im römischen Recht, 1961; Bullinger, M., Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968; Echterhölter, R., Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Hoke, R., Die Reichsstaatslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Grimm, D., Zur politischen Funktion der Trennung, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 224; Wyduckel, D., Jus publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Stolleis, M., Konstitution und Intervention, 2001; Wahl, R., Herausforderungen und Antworten. Das öffentliche Recht der letzten fünf Jahrzehnte, 2006; Leisner, W., Privatisierung des öffentlichen Rechts, 2007; Die Anfänge des öffentlichen Rechts. Gli inizi del diritto pubblico. Gesetzgebung im Zeitaalter Friedrich Barbarossas, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2008; Science politique et droit public dans les facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008; Zeilner, F., Verfassung, Verfassungsrecht und Lehre des öffentlichen Rechts in Österreich bis 1848, 2008

Öffentlichkeit ist die Zugänglichkeit eines Vorgangs für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis. Die Ö. ist insbesondere im Verfahrensrecht bedeutsam. Hier drängen das Inquisitions­verfahren seit dem Hochmittelalter und der gelehrte Prozess seit dem Spätmittelalter die Ö. zurück. Der Liberalismus erreicht im 19. Jh. die Rückkehr zur grundsätzlichen Ö. des Prozesses (Frankreich 1806/1808, deutsche Bundesstaa­ten ab 1848). Umgekehrt versucht der Staat eine Überwachung der Ö. im Sinne der Allgemeinheit.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 201, 202; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 413; Alber, P., Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1971; Fögen, M., Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit, 1974; Becher, U., Politische Gesellschaft, 1978; Haber, G., Strafgerichtliche Öffentlichkeit und öffentlicher Ankläger in der französischen Aufklärung, 1979; Siemann, W., Der „Polizeiverein“ deutscher Staaten, 1983; Körber, E., Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit, 1998; Weitzel, J., Gerichtsöffentlichkeit, (in) Information u. a., hg. v. Haverkamp, A., 1998, 71; Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G. u. a., 1998; Zwischen Gotteshaus und Taverne, hg. v. Rau, S. u. a., 2004; Moos, P. v., Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004; Liesegang, T., Öffentlichkeit und öffentliche Meinung, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffent­lichkeit in Preußen, 2007; Science politique et droit public dans les facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008

Öffentlichkeitsgrundsatz → Öffentlichkeit

Öffentlichrechtlicher Vertrag ist der Vertrag mindestens eines Hoheitsträgers mit einem Vertragspartner über einen Gegenstand des öffentlichen Rechts. Er wird im 20. Jh. anerkannt.

Lit.: Köbler, DRG 259; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004

officier (M.) civil (franz.) (1787/92) → Standesbeamter

officium (lat. [N.]) Amt, Pflicht

officium (N.) pietatis (lat.) sittliche Pflicht

Lit.: Köbler, DRG 38

Offizial ist im katholischen Kirchenrecht der vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemein seit 1246 erscheinende, gelehrte Vorsitzende der bischöflichen Gerichtsbehörde, der als ständiger ordentlicher berufsmäßiger Einzelrichter selbst entscheidet (Meißen 1316, Merseburg 1330, Naumburg-Zeitz 1340). Später ist O. ein einfacher Beamtentitel.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 115; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess vor dem bischöflichen Offizial, Diss. jur. Bonn 1972

Offizialat ist im katholischen Kirchenrecht die bischöfliche Gerichtsbarkeit. → Offizial

Lit.: Eisenhardt, U., Die weltliche Gerichtsbarkeit der Offizialate in Köln, Bonn und Werl, 1966; Trusen, W., Die gelehrte Gerichtsbarkeit der Kirche, (in) Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 476; Paarhammer, H., Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates, 1977; Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, Diss. phil. Würzburg 1981; Buchholz-Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, 1988; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001

Offizialmaxime ist im Prozessrecht der das Amtsprinzip, nach dem die Allgemeinheit bzw. der Staat durch Organe von sich aus tätig wird. Die O. erscheint in den hochmittelalterlichen Städten, in denen der Richter zur Unrechtsverfolgung verpflich­tet wird. Sie gilt im → Inquisitionsprozess.

Lit.: Köbler, DRG 117, 156

Offizier ist der Führer einer Anzahl von Soldaten. Er ist im klassischen und spätantiken Rom bekannt. Danach erscheint er wieder seit dem Ende des 16. Jh.s. Im 19. Jh. wird er vom Diener des Fürsten zum Diener des Staates. Danach wird der Adel ganz allmählich durch Bürger zurückge­drängt. Voraussetzungen werden ein höherer Bildungsstand (Abitur), eine gewisse Dienst­zeit und die Ablegung einer Prüfung.

Lit.: Sossidi, E., Die staatsrechtliche Stellung der Offiziere, 1939; Beyer, P., Das Leitbild des deutschen Offiziers, 1964; Demeter, K., Das deutsche Offizierskorps, 4. A. 1965; Untersuchungen des Offizierskorps, 1962

Öffnung ist eine frühneuzeitliche Bezeichnung für ein → Weistum.

Öffnungsrecht ist seit dem Hochmittelalter das Recht, von einem Inhaber eines befestigten Ortes die Öffnung und die Einräumung der Nutzung zu verlangen. Träger des Öffnungs­rechts ist vor allem der Lehnsherr, später der Landesherr. → offenes Haus

Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Hillebrand, F., Das Öffnungsrecht, Diss. phil. Tübingen 1967

Ofner, Julius (Horschenz 1845-Wien 1924) wird nach dem Rechtsstudium in Prag und Wien Anwalt, Richter und Politiker. Er setzt sich für eine soziale Fortentwicklung des Rechts ein.

Lit.: Brauneder, W., Leseverein und Rechtskultur, 1992

OGH → Oberster Gerichtshof

Okkupation (F.) Besetzung

Lit.: Latour-Vogelsang, Okkupation und Wiederaufbau, 1973

Ökonomie (F.) Wirtschaft

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Marx, K., Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Sandi, M., Ökonomie des Raumes, 1999; Schefold, B., Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004

Ökonomische Analyse des Rechts ist eine von den Vereinigten Staaten von Amerika im späten 20. Jh. (1975ff.) übernommene Betrach­tungsweise des Rechts, die über die Einbeziehung der Wirklichkeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Grund­lage der Rechtsordnung zu verändern versucht.

Lit.: Horn, N., Zur ökonomischen Rationalität des Privatrechts, AcP 176 (1976), 307; Posner, R., Economic Analysis of Law, 1977; Assmann, u. a., Ökonomische Analyse des Rechts, 1993; Schäfer, H./Ott, C., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2. A. 1995; Eidenmüller, H., Effizienz als Rechtsprinzip, 2. A. 1998

Oktoberdiplom ist das nach der Niederlage Österreichs gegen die italienische Einigungsbewegung und Frankreich (in der Schlacht bei Solferino) am 20. 10. 1860 gewährte (oktroyierte, auferlegte) neue Staatsgrundgesetz in → Österreich, demzufolge die Gesetz­gebung unter Mitwirkung der Landtage oder des Reichs­rates ausgeübt werden soll. Es will die Vollgewalt des Kaisers wahren, die Bildung eines allgemeinen Parlaments umgehen und die Stellung des Adels stärken. Es findet aber weder in Ungarn noch in Böhmen Billigung. Seinem Scheitern folgt am 26. 2. 1861 das → Februarpatent.

Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher

Oktroi (franz. [M.] octroi Bewilligung, Zuge­ständnis) ist die Verleihung, Bewilligung oder Bevorrechtung. Im 19. Jh. wird O. eine Möglichkeit der Verfassungsgewährung (Verfassungsoktroi z. B. Bayern 1808/1818, Nassau 1814, Waldeck 1814, Württemberg 1815-1818, Kurhessen 1815/1816, Baden 1818, Lippe-Detmold 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Meiningen 1829, Preußen 1848, Österreich 4. 3. 1849).

Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005

Oktroisystem ist das im frühneuzeitlichen Recht herrschende System der Verleihung von Rechten durch staatliche Urkunde. Es wirkt sich insbesondere auch auf die Entstehung juristischer Personen aus. Hier wird es im 19. Jh. durch das System der Konzession und danach der Normativbestimmungen (1870) ersetzt.

Lit.: Köbler, DRG 161, 167, 217

oktroyierte Verfassung → Oktroi, Verfassung

Olaus (Olavus) Petri (Örebro 6. 1. 1493?-Stockholm 19. 4. 1552) wird nach dem Theologiestudium in Wittenberg (Melanch­thon, Luther) Diakon in Strängnäs, 1524 Sekretär in Stockholm und Pfarrer der Stadtkirche sowie 1531 (bis 1533) Kanzler. Er verfasst (43) bedeutende Richterregeln (domarereglerna) (mit 21 Rechtssprich­wörtern).

Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966

Oligarchie (F.) Herrschaft einiger

Oldenburg ist seit der Mitte des 12. Jh.s eine nach der Burg O. an der Hunte benannte Grafschaft, die 1774 Herzogtum und 1918 Freistaat wird und 1946 in → Niedersachsen aufgeht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kohl, D., Das Oldenburger Stadtrecht, Oldenburger Jahrbuch 34 (1930), 415; Krahnstöver, H., Die Entwicklung der oldenburgischen Justizorganisation von 1699 bis 1879, 1955 (masch.schr.); Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Hartong, K., Beiträge zur Geschichte des oldenburgischen Staatsrechts, 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3698; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichts von Oldenburg (1573 bis 1935), 1975; Hülle, W., Geschichte der oldenburgischen Anwaltschaft, 1977; Parteien und Wahlen in Oldenburg, hg. v. Günther, W., 1984; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, 1985; Geschichte des Landes Oldenburg, hg. v. Eckhardt, A. u. a., 3. A. 1988; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; Friedl, H. u. a., Biographisches Handbuch zur Ge­schichte des Landes Oldenburg, 1992; Harms, H., Ol­denburgische Kartographie, 2004; Die Gerichtsbarkeit wird ausgeübt durch Amtsgerichte - 150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp, J., 2008

Oldenburger Bilderhandschrift → Bilderhandschrift

Oldendorp, Johannes (Hamburg um 1488-Marburg 3. 6. 1567), Kleinkaufmannssohn, wird nach dem von seinem Onkel Albert Krantz geförderten Rechtsstudium in Rostock und Bologna 1516 Rechtslehrer in Greifswald, 1520 in Frankfurt an der Oder, 1521 Professor in Greifswald, 1526 in Rostock, 1536 in Köln und 1543 in Marburg. Bekannt wird er durch verschiedene Schriften zur Ausbildung, in denen er früh naturrechtliche Gedankengänge aufgreift. Bedeutsam ist auch sein Einsatz zugunsten der freien Beweiswürdigung des Richters.

Lit.: Dietze, H., Johannes Oldendorp, 1933; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 138; Mack, P., Das Rechts- und Staatsdenken des Johannes Oldendorp, Diss. jur. Köln 1966

Oldradus de Ponte ist ein in Lodi geborener, in Bologna ausgebildeter, 1297 in der Nähe zweier Kardinäle bezeugter, seit 1310 am päpstlichen Hof in Avignon tätiger, vielleicht nach 1335 verstorbener Jurist (consilia, kleine exegetische Schriften, Glossen).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 602

Oléron ist die vor der französischen Westküste gelegene Insel, nach der das in den privat aufgezeichneten, durch 30 Hand­schriften des 14. und 15. Jh.s bezeugten Rôles d’Oléron niedergelegte Seerecht benannt ist. Dieses weistumsartige Seerecht stammt sowohl aus mittelmeerischen wie auch aus nordwesteuro­päischen Gewohnheiten. Nach Oléron hat es wohl den Namen, weil dort das vielleicht kurz vor 1286 geschaffene Original der Aufzeich­nung aufbewahrt wurde. Das Seerecht gliedert sich in 24 Artikel und behandelt Reeder, Schiffer, Schiffsmann­schaft, Lotsen und Befrachter. Seit dem 14. Jh. wirken sich die Rôles d’Oléron an vielen Orten aus ( → Siete Partidas, Vonnisse von Damme, hansische Ordinancie, Liber Horn in London, Amsterdamer Ordonnantie, Seerecht von Visby, Gotlands Waterrecht, Frankreich 1681).

Lit.: Das Seerecht von Oléron nach der Handschrift Troyes (1386), hg. v. Zeller, H., 1906; Perels, L., Das Seerecht von Oléron, ZRG GA 32 (1911), 246; Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der Rôles d’Oléron, 1970; Shephard, J., Les Rôles d’Oléron, 1985

Oligarchie (F.) Herrschaft weniger

Lit.: Ostwald, M., Oligarchia, 2000

Olmütz an der March westlich des sog. niederen Gesenkes in Mähren erhält 1351 auf Befehl Kaiser Karls IV. von den Schöffen von Breslau das Recht Magdeburgs mitgeteilt und wird 1352 als → Oberhof für alle mährischen Orte sächsisch-magdeburgischen Rechts bestätigt (ab 1343 Stadtbuch des Schreibers Johann, ab 1430 Stadtbuch des Schreibers Wenzel von Iglau). Für mehr als 30 Städte und 80 kleinere Orte wirkt sich dies in allmählicher Abnahme bis 1705 aus. In der Mitte des 16. Jh.s wird nach dem Vorbild Breslaus von dem Stadtschreiber Heinrich Polanus (aus Polans­dorf) die Olmützer Gerichtsordnung schriftlich niedergelegt, die Vogt und Schöffen kennt und vom gelehrten Prozess nur geringfügig beeinflusst ist. 1569/1576 erhält O. eine Universität (bis 1782). Am 29. 11. 1859 verzichtet → Preußen im Streit um Kurhessen angesichts der Überlegenheit Russlands in der mit Österreich geschlossenen sog. Olmützer Punktation auf die Verwirklichung der deutschen Einheit unter seiner Führung.

Lit.: Bischoff, F., Deutsches Recht in Olmütz, 1855; Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Weizsäcker, W., Breslau als Oberhof mährischer Städte, Z. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens 72 (1938), 25; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148; Spáčilová, L./Spáčil, V., Památná kniha olomoucká (kodex Václava z Jihlavy) z let 1430-1492, 1528, 2004

Olympia

Lit.: Günther, R., Olympia. Kult und Spiele in der Antike, 2004; Sinn, U., Das antike Olympia, 2004; Swaddling, J., Die olympischen Spiele in Athen, 2004

Ombudsmann ist der Mensch, der als Verfassungsorgan den Einzelnen gegen staat­lich-behördliche Rechtsverletzung schützen soll. Der O. erscheint zuerst im Stadtrecht des Königs → Magnus Hakonarson (1263-1280) für Bergen als Bevollmächtigter des Königs. Am 6. 6. 1809 wird er in Schweden in die Verfassung aufgenommen. Seit dem 20. Jh. wird er im Interesse des Einzelnen tätig. Seitdem breitet sich die Einrichtung des Ombudsmanns unter verschiedenen Bezeichnungen (z. B. Volks­anwalt, Wehrbe­auftragter) weiter aus (Finnland 1919, Israel 1950, Deutschland 1957, Dänemark 1962, Großbri­tannien 1967, Österreich 1977, Rumänien 1978).

Lit.: Hansen, J., Die Institution des Ombudsmannes, 1972; Wild, E., Der Ombudsmann in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1972; Rowat, D., The Ombudsmann plan, 1973

Opera (N.Pl.) publica (lat.) sind seit der frühen Neuzeit als Strafen verhängte öffentliche Arbeiten (z. B. Festungsbau, Karrenziehen, Schiffsziehen, Galeerenrudern, Straßenkehren).

Lit.: Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 2 1925, 275; Franke, H., Die Gefängnisarbeit, Diss. jur. Würzburg 1926; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Operis novi nuntiatio (lat. [F.]) ist im römischen, teilweise später aufgenommenen Recht die Untersagung fremder Bauführung durch einen Beeinträchtigten.

Lit.: Kaser § 23 III 8; Kroeschell, DRG 2

Opfer ist zunächst die Darbietung einer Sache, dann die Erduldung eines Übels und schließlich der dadurch Beeinträchtigte. Während sich das herkömmliche Strafrecht hauptsächlich mit dem Täter und seiner Bestrafung beschäftigt, gewinnt in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s auch das O. an Bedeutung (Viktimologie). Seit 1976 verpflichtet ein Gesetz in Deutschland den Staat zur Entschädigung der O. eines Gewaltverbrechens. Zunehmend wird auch ein Täter-Opfer-Ausgleich im Strafverfahren angestrebt.

Lit.: Köbler, DRG 263; Schulte, R., Die Messe als Opfer der Kirche, 1959; Kunz, E./Zeller, G., Opferentschädigungsgesetz, 3. A. 1995

Oppidum (lat. [N.]) Siedlung, Stadt, im Mittelalter auch Dorf. Geschichtlich bemerkenswert sind die (etwa 170 bekannten) oppida (N.Pl.) der Kelten (der Zeitenwende) (z. B. Manching bei Ingolstadt).

Lit.: Köbler, DRG 32; Köbler, LAW; Dehn, W., Die gallischen oppida bei Cäsar, Saalburg-Jahrbuch 10 (1951), 36; Krämer, W./Schubert, F., Die Ausgrabungen in Manching, 1970

Opportunitätsprinzip ist der Zweckmäßig­keitsgrundsatz des staatlichen Handelns. Dem O. steht das Legalitätsprinzip gegenüber. Die Staatsanwaltschaft darf nach Beseitigung der unterschiedlichen Regelungen des früheren 19. Jh.s (Preußen 3. 1. 1849, Baden 6. 3. 1854, Frankfurt am Main 13. 5. 1856 u. a.) seit 1877/1879 (§ 152 StPO) nur in be­stimmten Grenzen das O. anwenden (an­ders z. B. Vereinfachungsverordnung vom 13. 12. 1944).

Lit.: Hertz, J., Die Geschichte des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schurer, K., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitätsprinzip und Opportunitätsprinzip heute, (in) FS K. Peters 1974, 411; Dettmar, J., Legalität und Opportunität, 2008

Opposition ist die Gesamtheit der einer Regierung gegenüberstehenden politischen Kräfte. Die in der ersten Hälfte des 18. Jh.s in England entwickelte O. ist wesentlicher Bestandteil der freiheitlichen Demokratie seit der Mitte des 19. Jh.s.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 469; Rothfels, H., Die Opposition gegen Hitler, 3. A. 1969; Hoffmann, P., Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Barth, R., Argumentation und Selbstverständnis, 1976; Brunner, K., Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich, 1979

Oratio (F.) Severi (lat.) ist der übliche Name für ein an Vormünder gerichtetes Verbot des römischen Kaisers Septimius Severus des Jahres 195 n. Chr., ländliche oder stadtnahe Grundstücke eines → Mündels zu veräußern oder zu verpfänden.

Lit.: Kaser § 62 III 3; Söllner § 15

Ordal ist die dem vom Altfränkischen beeinflussten Altenglischen entnommene wissenschaftliche Bezeichnung für das früh­mittelalterliche → Gottesurteil seit dem 19. Jh.

Lit.: Liebermann, F., Ordalien heißen und kalten Wassers vermengt, ZRG GA 41 (1920), 382; La preuve, Bd. 2 1965; Žontar, J., Ein Kerzenordal aus Kamnik (Stein) in Oberkrain vom Jahre 1398, ZRG GA 92 (1975), 194

Orden ist die dem römischen Gesellschaftswesen nachgebildete christliche Menschengemeinschaft und seit dem 17. Jh. das auszeichnende Ehrenzeichen. Von Mönchsorden lässt sich dabei entweder seit dem frühen 9. Jh. (Synode von Aachen 816) oder seit dem 12. Jh. (→ Zisterzienser) sprechen. Im 12. Jh. entstehen geistliche Ritterorden (1190 → Deutscher Orden) und weltliche Ritterorden (Kastilien 1158). Nach Gnadenpfennigen des 16. Jh.s erscheinen militärische Verdienstorden in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s. Das Recht, O. zu verleihen und zu stiften ist Hoheitsrecht, das seit dem 19. Jh. zunehmende gesetzliche Regelung erfährt. Der Orden pour le mérite für Wissenschaften und Künste stammt von 1842.

Lit.: Gritzner, M., Handbuch der Ritter- und Verdienstorden, 1893, Neudruck 1962; Heimbucher, M., Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche, Bd. 1f. 1933f., Neudruck 1965; Gordon, L., British orders and awards, 1959; Heydenreich, B., Ritterorden und Rittergesellschaften, Diss. phil. Würzburg 1961; Höhne, H., Der Orden unter dem Totenkopf, Bd 1f. 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 80; Werlech, R., Orders and decorations, 2. A. 1974; Boockmann, H., Der Deutsche Orden, 1981; Orden pour le mérite, 1984; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2. A. 1994; Kulturgeschichte der christlichen Orden, hg. v. Dinzelbacher, P., 1997; Kirchner, H., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 1997; Nimmergut, J., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 2000; Die Bettelorden im Aufbau, hg. v. Melville, G. u. a., 1999; Ballweg, J., Konziliare oder päpstliche Ordensreform, 2001; Lehmann, F., Der rote Adlerorden (1705-1918), 2002; Schwaiger, G./Heim, M., Orden und Klöster, 2002; Orden und Klöster, hg. v. Jürgensmeier, F. u. a., 2005; Gleba, G., Klöster und Orden im Mittelalter, 2. A. 2006

Ordenaçoes Afonsinas ist die nach König Alfons V. von Portugal benannte, 1448 bzw. 1454 fertiggestellte Sammlung von Rechtsquellen (königliche Regierung und Verwaltung 62 Titel, Kleriker, Lehen, Mauren und Juden 123 Titel, Zivilverfahren 128 Titel, Privatrecht 112 Titel, Strafe 121 Titel).

Lit.: Albuquerque, M. de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 195

Ordenaçoes Filipinas ist die Sammlung des portugiesischen Rechts von 1603.

Ordenaçoes Manuelinas ist die Überarbeitung der → Ordenaçoes Afonsinas unter König Manuel I. von 1521.

Lit.: Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 196

Ordensregel ist die die Verhältnisse in einem → Orden bestimmende, meist vom Ordensstifter stammende Regel. Sie beruht auf der Gesamtheit der Erfahrungen des seit dem 4./5. Jh. entstehenden Mönchtums, die Augustinus und Benedikt von Nursia bereits in Regeln fassen. Von ihnen weichen die Ordensregeln des 12. Jh.s ab, weswegen das Laterankonzil des Jahres 1212 die Zahl der zulässigen Ordensregeln auf die Regeln der heiligen Basilius, Augustinus, Benedikt und Franziskus begrenzt.

Lit.: Holste, L., Codex regularum monasticarum et canonicarum, Bd. 1ff. 1661; Balthasar, H. v., Die großen Ordensregeln, 2. A. 1961; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hg. v. Listl, J., 1983, 476

Ordensschule ist vor allem seit dem Hochmittelalter die für einen bzw. von einem → Orden geführte → Schule (z. B. der Franziskaner, Dominikaner usw.).

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Orderpapier ist das Wertpapier, das zwar eine bestimmte, namentlich bezeichnete Person als berechtigt benennt, aber den Aussteller auch verpflichtet, an eine vom Benannten durch → Indossament bestimmte Person zu leisten. Orderpapiere finden sich schon seit dem Altertum, werden als besondere Art der Wertpapiere aber erst im 19. Jh. zusammengefasst. Dazu zählen Wechsel, Scheck, die Papiere der §§ 300ff. ADHGB (1861) bzw. 363 HGB (1897/1900), Namensaktie und Reichsbankanteilsschein. Die namengebende Orderklausel erscheint im 12. Jh. und gelangt über Italien und Frankreich im 17. Jh. nach Deutschland.

Lit.: Hübner 597; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG GA 7 (1886), 116; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, 385ff., Neudruck 1957; Behrend, F., Die unvollkommenen Orderpapiere, Diss. jur. Berlin 1892; Schultze-v. Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher Urkunden, FS H. Eichler, 1977, 645

Ordinancie (unde insettinge) ist die Aufzeichnung der von den niederländischen Hafenstädten im Seehandel angewandten Rechtssätze aus dem Ende des 14. Jh.s. Ihr liegt die → Vonnisse von Damme und damit mittelbar die → Rôles d’Oléron zugrunde.

Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Ordinarius (lat. [M.]) ist der ordentliche Universitätsprofessor. Ursprünglich ist der o. anscheinend der Vorsitzende des Spruchkol­le­giums einer Fakultät. Auch nach Abschaffung dieser Einrichtung (1877/1879) bleibt der Name für den berufenen und zum ordentlichen Professor ernannten Gelehrten erhalten, tritt aber in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s im Kampf vieler gegen die Ordinarienuniveristät (1968, „Hinter den Talaren steckt der Muff von 1000 Jahren“) zurück und wird im Zuge der Demokratisierung der Universität als amtliche Bezeichnung einschließlich der damit verbundenen Emeritierung (Entpflichtung ohne Entrechtung) mehr und mehr aufge­geben.

Lit.: Trier, J., De officio ordinarii, 1743; Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834, Neudruck 1961, 262; Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universität, Bd. 2 1896, Neudruck 1958, 210

Ordinatio (F.) de inquisitione consue­tudinem facienda ist das französische Gesetz von 1270, das königliches Verfahrensrecht auch im örtlichen Gericht anwendbar macht und das mündliche Verfahren teilweise in ein schriftliches Verfahren umwandelt.

Ordnung ist der geregelte Zustand oder Ablauf. Von Vorstellungen des Altertums und der Christenheit über regelmäßige Abläufe ausgehend besteht bereits im Frühmittelalter eine O. etwa des Gottesdienstes oder auch der Krönung. Anscheinend seit dem 9. Jh. erörtert, greift im 12. Jh. der Gedanke der O. auf das Verfahren über. Seit dem Spätmittelalter wird die Herstellung der O. ganz allgemein zur Aufgabe des Herrschaftsträgers, der durch ordnende Vorschriften für den guten Zustand (→ Polizei) des Gemeinwesens sorgen soll (Polizeiordnung, Landesordnung). Von daher wird die Polizei zur Wahrung von Sicherheit und O. bestimmt. Die im Text streng gefasste Ordnungsvorschrift wird in der Wirklichkeit unterschiedlich angewendet. Dabei besteht ein Bewusstsein, dass das Erlassen von Vor­schriften allein noch keine Veränderung be­wirkt, sondern auch die Durchsetzung erfor­derlich ist. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die Verwaltung entpolizeilicht, so dass besondere Ordnungsbehörden entstehen.

Lit.: Köbler, DRG 151, 198, 259; Schmidt, E., Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Schmelzeisen, G., Polizeiordnung und Privatrecht, 1955; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, Diss. jur. Bonn 1956; Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968; Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971, 13. A. 2001; Bauer, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Die Ordnungen des Reichshofrates 1550-1766, hg. v. Sellert, W., Bd. 1 1981; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Ordnung und Aufruhr im Mittelalter, hg. v. Fögen, T., 1995; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Schröder, J., Wissenschaftliche Ordnungsvor­stellungen, Ius commune 24 (1997), 25; Köbler, G., Wie der Streit die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, (in) Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003; Meyer, C., Ordnung durch Ordnen, (in) Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2006, 304

Ordnungsrecht ist in Deutschland seit der Entpolizeilichung der Verwaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die Gesamtheit der die öffentliche → Ordnung betreffenden Rechts­sätze.

Lit.: Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungs­recht, 1971, 13. A. 2001

ordo (lat. [M.]) Reihe, Stand, Reihenfolge, Aufeinanderfolge, Ordnung

Lit.: Manz, L., Der Ordogedanke, 1937; Die ordines für die Weihe, hg. v. Elze, R., 1960; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.a, 1996, 93; Schneider, H., ein unbekannter Ordo ad principem consecrandum aus dem süditalienischen Normannenreich, DA 60 (2004), 54

Ordo (M.) decurionum ist in der Spätantike der Gemeinderat.

Lit.: Köbler, DRG 32, 55, 58

ordo (M.) equester (lat.) Ritterstand (der Römer)

Lit.: Köbler, DRG 32

ordo (M.) iudiciarius (lat.) → ordo (M.) iudicii (lat.)

Ordo (M.) iudicii (lat.) ist die seit dem 9. Jh. erörterte und nach ersten Vorläufern des 11. Jh.s (Notum fieri volumus [Pavia?, 1. H. des 11. Jh.s], Imperator Iustinianus omnibus [Pavia?, um 1050], Libellus conventionis [Norditalien?, drittes Viertel des 11. Jh.s], De actionum varietate) seit dem 12. Jh. unter verschiedenen Bezeichnungen erscheinende Gerichtsordnung bzw. Prozessordnung (vgl. noch → Zivilprozessordnung, → Strafpro­zessordnung).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Haubrichs, W., Ordo als Form, 1969; Fowler-Magerl, L., Ordo iudiciorum vel ordo iudiciarius, 1984; Litewski. W., Mündliche Klage und Klageschrift in den ältesten ordines iudiciarii, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Köbler, G., Wie der Streit die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, (in) Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003

Ordo (M.) iudicii terre Boemie ist die Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s, die in der → Maiestas Carolina (vor 1355) Böhmens Verwendung findet.

Lit.: Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98

Ordonnance (lat. [F.] ordinatio) ist das in Frankreich im 12. Jh. erscheinende königliche oder fürstliche Gesetz. Als älteste o. wird das von König Ludwig VII. von Frankreich allein aus königlicher Gewalt erlassene (lat. [N.]) edictum angesehen, in dem 1144 die Verbannung getaufter, aber ins Judentum zurückgefallener Juden angeordnet wird. Im 13. Jh. nimmt die Zahl der ordonnances, die der König allein erlassen kann, mit der starken Vermehrung des Königsgutes (Krondomäne) zu. In der Folge ergehen zahlreiche wichtige ordonnances. Nach 1629 sind dabei die Stände im Absolutismus von der Mitwirkung an allen ordonnances ausgeschlossen. Fürstliche ordonnances haben besondere Bedeutung etwa für Normandie, Anjou, Bretagne, Burgund, Brabant, Savoyen oder Flandern. In der Gegenwart ist o. die gesetzesvertretende Verordnung oder der Beschluss

Lit.: Recueil général des anciennes lois françaises, hg. v. Isambert, F., 1822ff.; Petiet, R., Du pouvoir législatif en France, 1891; Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988, 348; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., 1ff. 1973ff., Bd. 1 639ff., II 3, 187; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93

Ordonnance civile touchant la réformation de la justice ist das französische Gesetz von 1667 über die Gerichtsverfassung.

Ordonnance criminelle ist das französische Gesetz von 1670, das die ordonnance de Villers-Cotterets zu Lasten des Angeklagten abändert.

Ordonnance de la marine ist das französische Gesetz des Jahres 1681, das in fünf Büchern das Seehandelsrecht gesetzlich festlegt.

Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996

Ordonnance de Montils-les-Tours ist das französische Gesetz von 1454, das die Sammlung, Aufzeichnung und Überprüfung der → coutumes anordnet.

Ordonnance de Orléans ist das französische Gesetz von 1439, das dem König ein stehendes Heer zugesteht und den kleinen Baronen das Recht der Fehde entzieht.

Ordonnance de Villers-Cotterets sur le fait de la justice ist das französische Gesetz von 1539, welches das Verfahren beschleunigt, weltliche Gerichtsbarkeit und kirchliche Gerichtsbarkeit trennt, Zivilstandsregister vorsieht, den Staatsanwalt zur Partei des Strafverfahrens macht und Schriftlichkeit und Vertraulichkeit regelt.

Ordonnance du commerce ist das französische Gesetz von 1673 über Kaufleute, Handelsgeschäfte und Handelsgerichte.

Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.

Ordonnance sur les donations ist das fran­zösische Gesetz von 1731 über Schenkungen.

Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.

Ordonnance sur les testaments ist das französische Gesetz von 1735 über das Testamentsrecht.

Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.

Ordonnance sur les substitutions ist das französische Gesetz von 1747/1748 über die Einsetzung eines Ersatzerben.

Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.

Ordonnance von Paris (Réformation de moeurs dans le Languedoc et le Languedoil) ist das französische Gesetz von 1254, das die baillis an die örtlichen Rechte bindet und dem König die Möglichkeit der Änderung vorbehält.

Ordre public (frz.) ist die Gesamtheit der die öffentliche Ordnung eines Gemeinwesens bestimmenden Grundsätze. Der o. p. wird im 19. Jh. aus dem französischen Recht als Bezeichnung der älteren guten Ordnung übernommen. Im internationalen Privatrecht ist ein den o. p. verletzender ausländischer Rechtssatz nicht anwendbar.

Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Simitis, K., Gute Sitten und ordre public, 1960

Organ ist (in menschliche Gegebenheit auf juristische Kunstfiguren übertragender Betrachtungsweise) der für eine als solche nicht handlungsfähige juristische Person (wie ein menschliches Körperorgan) handelnde Mensch (z. B. handelt der Verein nicht durch einen Vertreter, sondern durch ein Organ).

Lit.: Köbler, DRG 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 519

Organisation für europäische wirtschaft­liche Zusammenarbeit (OEEC) Organization for European Economic Cooperation

Organisation für wirtschaftliche Zusam­men­arbeit und Entwicklung (OECD) Organization for Economic Cooperation and Development

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)

Lit.: Leue, N., Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, 1999

Organklage ist die → Klage eines → Organs zur Durchsetzung der von ihm beanspruchten Rechte gegenüber der umfassenderen Gesamteinheit. Sie entsteht erst in der jüngeren Vergangenheit.

Organschaft ist die Stellung und Tätigkeit als → Organ.

Lit.: Kaser §§ 11 II, 17 I

Oriflamme (F.) ist die Kirchenfahne der Abtei St. Denis bzw. Heeresfahne Frankreichs vom 11. bis 15. Jh.

Lit.: Lombard-Jourdan, A., Fleur de lis et oriflamme, 1991

originär (ursprünglich)

Orléans → Kapetinger

Orléans an der Loire geht auf das Cenabum der keltischen Karnuten zurück. Als Aurelianorum civitas wird es im 4. Jh. Sitz eines Bischofs. 1107 wird es Stadt. Um 1230 erscheint die Möglichkeit eines Rechtsun­terrichts in O. (Jacques de Revigny, Pierre de Belleperche). 1306/1312 erhält es eine bis 1792 bestehende Universität.

Lit.: Premier Livre des Procurateurs de la Nation Germanique 2, 1 bearb. v. Ridder-Symoens, H. u. a., 1978; Histoire d’Orléans, hg. v. Debal, J., Bd. 1 1983; Feenstra, R., L’École de droit d’Orléans, Revue d’histoire des facultés de droit 13 (1992), 15; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 130

Ornat (M.) Festkleidung eines Amtsträgers z. B. Pallium, Soutane, Talar

Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 1954ff.; Hargreaves-Mawdsley, W., A History of Academical Dress, 1963

orphanus (lat. [M.]) Waise

Örsted, Anders Sandoe (Langeland 1778-Kopenhagen 1860), Apothekerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Kopenhagen Richter, Beamter und Politiker, der in Kenntnis deutscher Entwicklungen (Feuer­bach, Savigny, Gönner) die Rechtswis­senschaft in Dänemark in vielen Bereichen beeinflusst (Haandbog over den danske og norske Lovkyndighed, 1818ff.).

Lit.: Dahl, F., L’œuvre juridique d’ A. S. Örsted, 1934; Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissen­schaft, 1940, 34; Anders Sandoe Örsted 1778-1978, hg. v. Tamm, D., 1978

Ort (M.) Spitze, Platz, Ortschaft

Lit.: Kläui, P., Ortsgeschichte, 1942, 2. A. 1957

orthodox, Adj., rechtgläubig (z. B. orthodoxe christliche Kirche in Osteuropa

Ortsname ist der → Name einer Siedlung oder geographischen Gegebenheit. Die Ortsnamen reichen vielfach in die älteste Überlieferung zurück (, rund 4600 Namen für 295 Straßen in Köln sind seit dem 10. Jh. belegt). Sie können auch Rechtsverhältnisse widerspiegeln.

Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 2 3. A. 1913, Neudruck 1983; Frölich, K., Die Goslarer Straßennamen, 1949; Rasch, G., Die bei den antiken Autoren überlieferten geographischen Namen, Diss. phil. Heidelberg 1950; Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Bd. 1ff.; Christmann, E., Von Gaudingstatt und Hundo (Hunno), ZRG GA 70 (1953), 312; Christmann, E., Flurnamen zwischen Rhein und Saar, 1965; Bibliographie der Ortsnamenbücher, hg. v. Schützeichel, R., 1988; Berger, D., Geographische Namen in Deutschland, 1993; Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Casemir, K., Die Ortsnamen des Landkreises Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter, 2003; Casemir, K./Ohainski, U./Udolph, J., Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen, 2003; Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bamberg, 2001; Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2005; Brandenburgisches Namenbuch, Bd. 1-12; Index zur Reihe Hydronymia Germaniae, bearb. v. Eggers, E., 2005 (mit CD-ROM); Casemir, K./Menzel, F./Ohainski, U., Die Ortsnamen des Landkreises Northeim, 2005; Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2006; Große Flüsse auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, bearb. v. Borchers, U., 2006; Casemir, K./Ohainski, U., Die Ortsnamen des Landkreises Holzminden, 2007; Husmeier, G., Geschichtliches Ortsverzeichnis für Schaumburg, 2008; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 2008

Osenbrüggen, Eduard (Uetersen 24. 12. 1809-Zürich 9. 6. 1879) wird nach dem Studium der Philologie in Leipzig und Kiel Mitarbeiter an der Ausgabe der justinianischen Novellen durch Albert Kriegel und 1843 Professor für Strafrecht, Rechts­geschichte und juristische Literatur in Dorpat, 1851 in Zürich. 1860 veröffentlicht er im Anschluss an Wilda das alemannische Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1863 das Strafrecht der Langobarden.

Lit.: Pözl, J., Zur Erinnerung an Eduard Osenbrüggen, KRV 22 (1880), 321

Oslo am Oslofjord wird auf älterer Grundlage 1048 vom König von Norwegen angelegt. 1066/1093 wird O. Sitz eines Bischofs. 1624 wird O. von König Christian IV. von Dänemark und Norwegen als Christiania (bis 1924) neu aufgebaut. 1811 erhält es eine Universität. 1905 wird O. Hauptstadt des zu dieser Zeit wieder verselbständigten Norwe­gen.

Lit.: Nedkvitne, A./Norseng, P., Oslos bys historie, Bd. 1 1991

Osmane ist der Angehörige der von Osman I. Ghasi (1258-1326) begründeten ogusischen Dynastie, deren Sultane vom Beginn des 14. Jh.s bis 1922 ein von der Türkei (Bithynien) ausgehendes Reich beherrschen (1453 Er­oberung Konstantinopels, 17. Jh. Vormacht von Ägypten bis Persien), das seit 1683 an Bedeutung verliert.

Lit.: Matuz, J., Das osmanische Reich, 3. A. 1994;, 4. A. 2004; Palmer, A., Verfall und Untergang des osmanischen Reiches, 1994; Buchmann, B., Österreich und das osmanische Reich, 1999; Faroqhi, S., Geschichte des osmanischen Reichs, 2000; Kreiser, K., Der osmanische Staat, 2000; Auf den Spuren der Osmanen in der österreichischen Geschichte, hg. v. Feigl, I. u. a., 2002; Heinzelmann, T., Heiliger Kampf oder Landesverteidigung?, 2004; Müller, R., Franken im Osten, 2005; Reinkowski, M., Die Dinge der Ordnung, 2005; Das osmanische Reich und die Habsburgermonarchie, hg. v. Kurz, M. u. a., 2005; Berchtold, J., Recht und Gerechtigkeit in der Kon­sular­gerichtsbarkeit, 2009

Osnabrück an der Hase entwickelt sich aus einer vor 787 gegründeten Kirche zum Mittelpunkt eines eigenen Bistums. 1630 bis 1633 und) 1974 erhält es eine Universität. 1648 wird in O. der Friedensvertrag zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges zwischen Kaiser, Heiligem römischem Reich und Schweden geschlossen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Prinz, J., Das Territorium des Bistums Osnabrück, 1934; Haase, K., Recht und Verfassung der Stadt Osnabrück, Onsnabrücker Mitteilungen 65 (1952), 96; Renger, R., Landesherr und Landstände, 1968; Hirschfelder, H., Herrschaftsordnung und Bauerntum, 1971; Stebel, Die Osnabrücker Hexenprozesse, Diss. jur. Bonn 1968; Heuvel, C. van den, Beamtenschaft und Territorialstaat, 1984; Haack, G., Das Landgericht Osnabrück, 1989; Mercatum et monetam, hg. v. Schlüter, W., 2002

Osse, Melchior von (Ossa 1506/7-Frauenfels 1557), aus niederem Adel, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (seit 1518) 1534 Professor und Rat, 1542 bis 1543 ernestinischer Kanzler, 1547 in Leipzig Hofrichter und 1549 bis 1554 Statthalter von Meiningen. Er zählt zu den frühen Kameralisten. In seinem „poli­tischen Testament“ beschreibt er eindrucksvoll den Zustand der Verwaltung zu seiner Zeit und setzt sich für die Bewahrung der überkommenen Verhältnisse (u. a. [lat.] → mos [M.] Italicus) ein.

Lit.: Langenn, F. v., Dr. Melchior von Ossa, 1858; Schriften Dr. Melchiors von Osse, hg. v. Hecker, O., 1922, Weber, P., Die Bedeutung der alten deutschen Kameralisten, Diss. jur. Bonn 1942; Behr, H., Politisches Ständetum und landschaftliche Selbstverwaltung, 1970; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 113

Ostarstoufa (ahd. [F.]) ist eine frühmittelalterliche (830-850), zu Ostern fällige Abgabe.

Lit.: Köbler, WAS; Gallmeister, E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946; Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994

Ostblock ist die Gesamtheit der seit 1939 bzw. 1945 (bis 1990) politisch an die Sowjetunion angeschlossenen osteuropäisch-eurasiatischen Staaten (Warschauer Vertragsorganisation 14. Mai 1955-1. Juli 1991 als Gegenbündnis zur Nordatlantischen Verteidigungsorganisation, Albanien bis 13. 9. 1968, Bulga­rien, Deutsche Demokratische Republik bis 3. 10. 1990, Polen, Rumänien, Sowjetunion, Tschecho­slo­wakei, Ungarn).

Lit.: Hacker, J., Der Ostblock, 1983; Umbach, F., Das rote Bündnis. Entwicklung und Zerfall des Warschauer Paktes 1955 bis 1991, 2005

Österreich ist der aus dem südöstlichen Teil des Herzogtums der → Bayern erwachsene, seit 1806 verselbständigte, von 1815 bis 1866 mit den anderen deutschen Staaten im → Deutschen Bund vereinte, 1919 von nichtdeutschen Staaten Europas gegen seinen Willen vom → Anschluss an → Deutschland ferngehaltene, von 1938 bis 1945 an das Deutsche Reich (Adolf Hitlers) ange­schlossene Staat. Das Gebiet zwischen mittlerer Donau und Alpen wird zunächst von Kelten, seit 29/15 v. Chr. von Römern (Noricum, Raetia), seit etwa 500 von Germanen, dann (teilweise) von Slawen und seit dem 8. Jh. von den 788 durch König Karl den Großen ihren eigenen Herzog verlierenden Bayern beherrscht. Im fränkischen Reich entsteht an der Donau eine eigene Mark. 976 wird die Mark an die Familie der → Babenberger zu Lehen gegeben. In einer Urkunde Kaiser Ottos III. vom 1. 11. 996 für das Hochstift Freising wird die seit dem 9. Jh. belegte Bezeichnung ostarrihhi (Ostgebiet) (auch) für das Gebiet um Neuhofen an der Ybbs verwendet. 1139 gibt König Konrad III. zwecks Schwächung der mächtigen, mit Sachsen und Bayern belehnten Familie der Welfen das Herzogtum Bayern mit Ö. an die Babenberger, doch entzieht es 1156 der um Ausgleich bemühte Friedrich I. Barbarossa wieder und löst dabei im → privilegium minus Ö. aus Bayern heraus und erhebet es zum territorialen Herzogtum der Babenberger, denen 1192 auch die → Steiermark anfällt. 1246 sterben die Babenberger aus. Das etwa zu dieser Zeit sich in Österreich ob (westlich) der Enns (Oberösterreich) und Österreich (nid bzw.) unter (östlich) der Enns (Niederösterreich) gliedernde Ö. gelangt über die Erbtochter an Ottokar von Böhmen. Nach dem Sieg über Ottokar von Böhmen (1278) belehnt König Rudolf von → Habsburg 1282 seine Söhne mit Ö., das im 13. Jh. zwei eigene Landrechte erhält, sowie Steiermark und Krain (Haus Österreich). 1335 fällt Kärnten, 1363 Tirol, 1368 der Breisgau an das sich im (von Herzog Rudolf IV.) gefälschten → privilegium maius (1358/1359) selbst zum Pfalzerzherzogtum erhebende Land des Heiligen römischen Reiches. Ab 1512 werden die österrei­chi­schen, von Habsburgern beherrschten Länder bis 1806 im österreichischen Reichskreis zusammen­ge­fasst (niederöster­reichische Län­der, oberöster­reichische Länder, inner­öster­reichische Län­der). 1526 kommen Böhmen und Ungarn zur Herrschaft der Habsburger hinzu. 1620 wird aus der Reichshofkanzlei eine österreichische, für Justizangelegen­hei­ten, Verwaltungsangele­genheiten und auswär­tige Angelegenheiten zuständige Hofkanzlei abgetrennt, die 1749 in das (lat.) Directorium in publicis et cameralibus übergeführt wird. 1713 erlangen die Habsburger im spanischen Erbfolgekrieg italienische Gebiete (Mailand, Mantua, Mirandola, kurzzeitig Neapel, Sar­dinien, Sizilien, Parma, Piacenza, Toskana), verlieren aber im österreichischen Erbfolge­krieg nach dem Tode Karls VI. 1745 den größten Teil Schlesiens an Preußen und 1748 Fürs­tentümer in Oberitalien. Danach gewinnt Ö. vor allem polnische und ehemals osmanische Güter (Ostgalizien, Bukowina, Westgalizien) sowie am Beginn des 19. Jh.s bei Verlust (Venedigs an Frankreich und Tirols und Vorarlbergs an Bayern sowie) Vorderösterreichs durch Säku­larisierung das Erzstift Salzburg (1805 Friede von Pressburg). 1804 erhebt (Erzherzog bzw. Kaiser) Franz II. Ö. nach dem Vorbild Napoleons in Frankreich innerhalb des Heiligen Römischen Reiches zum Kaiser­reich (Kaisertum Ö.) und verzichtet 1805 in einem geheimen Zusatzartikel zum Frieden von Pressburg auf den Titel römisch-deutscher Laiser. 1806 wird Ö. mit dem Ende des Heiligen römischen Reiches selbständig. Im Frieden von Schönbrunn verliert es am 14. 10. 1809 an Bayern Salzburg, Berchtesgaden und Gebiete am Inn, an den Herzog von Warschau Krakau an Russland Tarnopol und an Frankreich das Küstenland, Krain, Teile Kroatiens und Kärnten (Illyrien). 1811 gibt es sich zum 1. 1. 1812 das → Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. Ein daneben seit 1780 geplanter politischer Kodex für das öffentliche Recht (nach Joseph von Sonnenfels’ Grundsätzen der Polizey, Handlung und Finanz) scheitert 1818 endgültig. 1815 wird Österreich weitgehend nach dem Gebietsstand von 1797 restituiert. Im Deutschen Bund (1815-1866) ist es Präsidialmacht. Am. 13. 3. 1848 werden bei dem Versuch einiger Studenten, den versammelten Ständen im niederösterreichi­schen Landtag in der Herrengasse in Wien eine Petition zur schlechten Lage der Bauern und Arbeitenden zu überreichen, durch Solda­ten fünf Menschen getötet. Daraufhin wird Kanzler Graf Metternich entlassen. Der epilep­sie­kranke Kaiser Ferdinand I. gibt am 15. 3. 1848 eine Verfassungszusage. Es erfolgt ein Übergang zum Ministersystem. Vom 10. bis 17. 4. 1848 beraten Vertreter vorwiegend deutschsprachiger Länder Ös­terreichs in Wien in einem ständischen Zentralausschuss über eine Verfassung, ein allgemeines Landesverfassungsstatut, eine Gemeindeordnung und die Grundentlastung. Nach Kritik an der vom Innenminister Pillersdorf ausgearbeiteten oktroyierten Ver­fassung (Sturmpetition) wird von Erzherzog Johann als Regenten am 22. 7. 1848 ein Reichstag eröffnet, der jedoch im Oktober 1848 nach Unruhen nach Kremsier verlegt werden muss. Von 1848 bis 1867 setzt sich aber trotz der gewaltsamen Beendigung der Unruhen durch Artillerie­be­schuss am 31. 10. 1848 (mit rund 4000 Toten, danach 25 Todesurteile, 2. 12. 1848 Abdan­kung Kaiser Ferdinands zu Gunsten Kaiser Franz Josephs [1848-1916, 1867 König Ungarns]), der ebenfalls abgelehnten oktrovierten März­ver­fassung vom 4. 3. 1849 und des an­schlie­ßenden→ Neo­absolutismus (1851-1860/­1861/1867) allmäh­lich der Verfassungs­gedanke durch (Oktoberdiplom 20. 10. 1860, Februarverfassung). Zu dieser Zeit (1851) beträgt die Zahl der Deutschen innerhalb der Habsburger­monarchie 7870719 Menschen (21,6 Prozent [davon 3,41 % israelitischer Konfession] der Gesamtbe­völkerung, 1880 25,6 %, 1910 23,4 %). 1855 wird unter Leo Graf Thun-Hohenstein das geschichtsfeind­liche Studiensystem der Zeit vor 1848 nach dem Vorbild der historischen Schule in anderen deutschen Staaten auf eine geschichtliche Grundlage gestellt (Thunsche Studienreform mit Studien- und Staatsprü­fungsordnung für Juristen). Durch die Neu­tralität im Krimkrieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, England, Frank­reich sowie Piemont-Sardinien isoliert sich Ö. außenpolitisch. 1859(/1866) gehen nach der Niederlage von Solferino gegen Pie­mont/­Sardinien und Frankreich Gebiete in Italien (Lombardei) verloren. Durch Patent vom 20. 9. 1865 (Sisatierungspatent) wird die Wirksamkeit des mit der Februarverfassung kundgemachten Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung sistiert, um es zusammen mit dem Oktoberdiplom den Landtagen der Länder der ungarischen Krone zur Annahme vorzulegen und damit die als unwiderruflich erklärte oktroyierte Verfassung von 1860/­1861 zum Entwurf zurückgestuft, um einen Verfassungsvertrag zu erreichen. 1866 löst sich der Deutsche Bund nach seiner Niederlage gegen Preußen auf. 1867 erreicht Ungarn im sog. Ausgleich eine gewisse Eigenständigkeit. Mit Handschreiben vom 14. 11. 1868 wird der Staatsname in Öster­reichisch-ungarische Monarchie geändert. Dem 1871 unter Führung Preußens geschaffenen (zweiten) Deutschen Reich (Bismarcks) gehört Ö. nicht an (kleindeutsche Lösung). 1873 wird die Beschickung des Abgeordnetenhaues durch die Landtage durch die Direktwahl nach Kurienzensuswahlrecht abgelöst. 1878 okkupiert Ö. Bosnien und die Herzegowina. 1882 wird unter Minister­prä­sident und Innenminister Eduard Graf Taaffe durch Senkung des Steuerzensus das Wahlrecht um eine Drittel bzw. Viertel aus­gedehnt. 1889 werden die Abkürzungen k. u. k. (kaiserlich und königlich) für ge­meinsame Ämter der cisleithanischen und der transleithanischen Gebiete, k. .k. für cislei­thanische Ämter und k. für transleithanische Ämter eingeführt. 1895 verabschiedet Ö. eine seit 1898 geltende Zivilprozessordnung mit Jurisdiktionsnorm. 1896 erfolgt unter Innenminister Kasimir Graf Badeni eine Reform des Wahlrechts (all­gemeines Wahlrecht aller mindestens 24jäh­rigen Männer in einer fünften all­ge­meinen Wählerklasse innerhalb des beste­henden Zensuswahlrechts), 1907 unter Mi­ni­ster­präsident und Innenminister Max Wla­dimir Freiherr von Beck die Beseitigung des Kurienwahlrechts und des Zensuswahl­rechts (ohne Frauen und unter Bevorzugung der deutschsprachigen Gebiete durch kleinere Wahlkreise pro Abgeordneten). 1908 an­nektiert Ö. Bosnien und die Herzegowina. Nach der der Ermordung des österreichischen Thronfolgers (durch Gavrilo Princip) in Sara­jewo am 28. 6. 1914 fol­genden Kriegs­erklärung an Serbien verliert das auf diesen lokalen Krieg unter Inkauf­nahme eines Kontinentalkriegs hinarbeitende, die allmäh­liche Einschränkung des Namens Ö. auf Cis­leithanien 1915 anerkennde Ö. am Ende des ersten Weltkrieges die Gebiete der → Tschecho­slowakei, → Ungarns, → Jugo­sla­wiens und → Südtirols“). Dabei treten am 17. 10. 1918 die 208 Abgeordneten der deutschen Parteien des Reichsrats zu einer pro­visorischen Nationalversammlung zusam­men und fassen am 30. 10. 1918 einen Staats­begründungsbeschluss (Staatsgrün­dungs­be­schluss, revolutionär). Am 12. 11. 1918 beschließen sie das Gesetz über die Staats- und Regierungsform (zunächst drei Prä­si­denten, Gesetzesinitiative bei Abgeord­neten und Staatsrat, absolute Stimmenmehr­heit der mindestens 50 Anwesenden, Wahl der konstituierenden Nationalversammlung am 16. 2. 1919, Zusammentritt 4. 3. 1919, Ende am 17. 10. 1920). Dementspre­chend wandelt sich Ö. am 30. Oktober 1918 oder nach eingebürgerter Ansicht am 12. November 1918 von der Monarchie zur Republik („Deutschösterreich). Ihr ver­wehren die alliierten Siegermächte den angestrebten Anschluss an das Deutsche Reich. Auf Grun des Friedensvertrags von Saint Germain wird der Name Deutschösterreich 1919 in Republik Österreich umgewandelt. Durch Bundesver­fas­sungsgesetz (B-VG) vom 1. 10. 1920 (Entwurf beeinflusst durch Hans Kelsen) wird die Republik Österreich als Bundesstaat einge­richtet (Staatsgesetzblatt 450, BGBl. 1920, 1, wiederverlautbart als Bundes-Verfassungs­gesetz in der Fasssung von 1929 im Bundesgesetzblatt 1930). Durch das Bun­desverfassungsgesetz vom 30. 7. 1925 wird die Doppelgleisigkeit der Verwaltung in den Bundesländern durch Schaffung eines ein­heitlichen Amtes der Landesregierung be­seitigt (mittelbare Bundesverwaltung) werden Verfassungsgerichtsbarkeit und Verwaltungs­gerichtsbarkeit und Befugnisse des Rech­nungs­hofs erweitert sowie in einem weiteren Gesetz die Zuständigkeiten zu Gunsten des Bundes vermehrt. Am 15. 7. 1927 wird aus Empörung über ein Urteil der Justizpalast in Wien in Brand gesteckt. Durch das Bun­desverfassungsgesetz vom 7. 12. 1929 wird das parlamentarische System durch ein abgeschwächtes präsidiales System ersetzt (direkte Volkswahl auf sechs Jahre, Not­ver­ordnungsrecht, Oberbefehl, Einberu­fung und Auflösung des Nationalrats und der Landtage, Ernennung und Entlassung der Bundesre­gierung). Am 19. 3. 1931 vereinbaren Ö. und Deutschland ein Handelsabkommen über die Schaffung einer Zollunion, die aber wegen des Widerstands Frankreichs und andererer europäischer Staten nicht verwirklicht werden kann. Am 4. 3. 1933 wird unter Bundes­kanzler und Außenminister Engelbert Dollfuß (Texing/­Niederösterreich 4. 10. 1892-Wien 25. 7. 1934, Christ­lichsoziale Partei, 21. 5. 1933 vaterländische Front (mit Krucken­kreuz) als Sammel­becken gegen Parla­men­tarismus, Marxismus und National­so­zialismus, 1933 Verbot des so­zialde­mokra­ti­schen Republi­kanischen Schutz­bunds, 11. 9. 1933 Wien Trabrennplatzrede gegen Par­lamentarismus, Kapitalismus, Liberalismus, Marxismus und Nationalso­zialismus) wäh­rend einer Abstim­mung wegen eines Eisenbah­nerstreiks (durch Rück­legung der Präsidentenämter der drei National­rats­präsidenten Karl Renner, Rudolf Ramek und Sepp Straffner) der Nationalrat aus­geschaltet (nach Ansicht der Bun­desregierung Selbst­ausschaltung des Nati­onalrats mit daraus folgendem Verbot der Neueinberufung), werden die Kommunis­tische Partei und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verboten (Vater­ländische Front als Trägerin des ös­terreichischen Staatsgedankens) und wird das danach praktizierte autoritäre Prinzip (Austrofa­schismus, auto­ritärer Ständestaat) mit Macht­kon­zentration in der Hand der Regierung in der sowohl mit einer Ver­ordnung der Regierung wie auch auf Grund eines Ermächtigungsbeschlusses des Parlaments erlassenen, scheinparlamen­ta­rischen, nur schrittweise und teilweise in Kraft tretenden, die Kanzlerdiktatur ver­hüllenden Maiverfassung abgesichert. Vom 12. bis 15. 2. 1934 finden von Linz ausgehend Kämpfe (Februarkämpfe) zwischen (bür­gerlicher) Heimwehr (Heimat­schutz, Heimat­wehr, 1936 aufgelöst, vaterländische Union) und (sozial­demo­kratischen) Schutzbündlern statt, nach denen alle sozialdemokratischen Organisa­tionen (verbo­ten und) zerschlagen werden (dem am 25. Juli 1934 bei einem missglückten na­tionalsozialistischen Putsch [mit vielen Toten und Verletzten sowie 13 Hinrichtungen und rund 4000 Einweisungen in Anhaltelager] erschossenen Dollfuß folgt Kurt Schuschnigg als Bundes­kanz­ler). Am 11. 7. 1936 ver­spricht in einem Abkommen der aus Ö. (Braunau) kommende deutsche Reichskanzler Adolf Hitler, die Souveränität Österreichs zu achten, während Österreich sich an der Tatsache ausrichtn will, dass es sich als deutscher Staat bekennt (geheime Amnes­tierung von Nationalso­zialisten, Her­anzie­hung von Vertretern der nationalen Opposition zur Mitwirkung an der politischen Will­lensbildung). Am 11. 3. 1938 schließt sich Ö. auf Druck Adolf → Hitlers dessen­ungeachtet dem Deut­schen Reich an (Anschluss) und wird durch Gesetz vom 14. 4. 1939 in sieben Reichsgaue mit Reichs­statthaltern eingeteilt (z. B. Oberdonau, Niederdona). Auf Anregung Großbritanniens beschließen die Außenminister Großbritan­niens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika in Moskau am 30. 10. 1943, dass Österreich von der deutschen Herrschaft befreit werden soll und der Anschluss an das Deutsche Reich null und nichtig sein soll. Am 27. 4. 1945 erklären die Vorstände der Sozialistischen Partei Öster­reichs, der Volkspartei Österreichs und der Kommunistischen Partei Österreichs die Wiederherstellung der demokratischen Repu­blik Österreich und zugleich den Anschluss des Jahres 1938 an das Deutsche Reich für nichtig und betrauen eine provisorische Staatsregierung (unter Karl Renner) mit der Gesetzgebungsgewalt und der Vollzugs­gewalt. Am 1. 5. 1945 kehrt es, besetzt von den Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjet­union, Großbritannien, Frankreich), zur Selbständig­keit zurück (str. ob Okkupation mit bloßem Verlust der Handlungsfähigkeit und Wiederaufleben oder Annexion mit Notwendigkeit der Neu­gründung). Am 15. 5. 1945 erlässt die provi­sorische Staatsregierung ein auf den 1. 5. 1945 rückdatiertes Verfassungsüberleitungs­gesetz (Wiederinkraftsetzung des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 in der Fassung von 1929, Aufhebung der Maiverfassung 1934 und des nationalsozialistischen Verfas­sungs­rechts, vorläufige Verfassung 1945, Verfas­sungsgesetz über die vorläufige Einrichtung der Republik Österreich) und ein Rechtsüber­leitungsgesetz. Das Behördenüber­leitungs­gesetz vom 20. 7. 1945 stellt im Wesentlichen die Behördenorga­ni­sation vom 13. 3. 1938 wieder her. Nach Durchführung von Wahlen für den Nationalrat und Landtage tritt nach dem zweiten Verfassungsüberlei­tungs­gesetz vom 13. 12. 1945 mit Zusam­mentritt des Nationalrats am 19. 12. 1945 das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung des Jahres 1929 wieder in volle Wirksamkeit. Die Besatzung endet mit dem Abschluss eines zur → Neutralität ver­pflichtenden Staatsvertrags (15. 5. 1955). 1974 reformiert Ö. das Straf­gesetzbuch (mit einheitlicher Freiheits­strafe), 1975 die Strafprozess­ordnung. Zum 1. 1. 1994 wird Ö. Mitglied des Europäischen Wirtschaftsrau­mes, zum 1. 1. 1995 Mitglied der → Euro­päischen Union. 1999 erregt es durch die Regierungsbeteiligung der Frei­heitlichen Partei Jörg Haiders das Missfallen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

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Schefbeck, G., 1995; Gottsmann, A., Der Reichstag von Kremsier, 1995; Hellbling, E., Grundlegende Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter, I., 1996; Österreichisch-deutsche Rechts­beziehungen I, hg. v. Brauneder, W., 1996; Bielefeldt, S., Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen, 1996; Die österreich-ungarischen Strafrechtskodifikationen, hg. v. Mathé, G. u. a., 1996; Steininger, R./Gehler, M., Österreich im 20. Jahrhundert, Geschichte der österreichischen Bundesländer, hg. v. Kriechbaumer, R. u. a., Bd. 1f. 1997; Stimmer, G., Eliten in Österreich, Bd. 1f. 1997; Handbuch des politischen Systems Österreichs, hg. v. Dachs, H., 3. A. 1997; Österreichisches Recht in seinen Nachbarstaaten, hg. v. Nowotny, E., 1997; Texte zur österreichischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Reiter, I., 1997; Haider, B., Die Protokolle des Verfassungsausschusses des Reichsrates vom Jahre 1867, 1997; Kocher, G., Grundzüge der Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Melik, V., Wahlen im alten Österreich, 1997; Rumpler, H., Eine Chance für Mitteleuropa, 1997; Stourzh, G., Um Einheit und Freiheit, 4. A. 1998; Berchtold, K., Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, 1998; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Wiesflecker, H., Österreich im Zeitalter Maximilians I., 1999; Engel, R./Radzyner, J., Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz, 1999; Österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Eigner, P. u. a., 1999; Scheuch, M., Österreich im 20. Jahrhundert, 2000; Brauneder, W., England als Vorbild in der österreichischen Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts, FS Quaritsch, H., 2000, 511; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000; Grenze und Staat. Passwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdenge­setzgebung in der österreichischen Monarchie 1750-1867, hg. v. Heindl, W. u. a. 2000; Kolm, E., Die Ambitionen Österreich-Ungarns im Zeitalter des Hochimperialismus, 2001; Österreich und der Heilige Stuhl im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Paarhammer, H. u. a., 2001; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemein­samen Angelegenheiten der österreichischen Monar­chie, 2001; Felder, N., Die historische Identität der österreichischen Bundesländer, 2002; Lackner, C., Hof und Herrschaft, 2002; Gehler, M., Der lange Weg nach Europa, Bd. 1f. 2002; Österreichische Rechts­wissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003; Rill, G., Fürst und Hof in Österreich, 2003; Kronenbitter, G., Krieg im Frieden, 2003; Strejcek. G., Bundesverfassung und Wahlrecht, 2003; Winkelbauer, T., Österreichische Geschichte 1522-1699, 2003; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschl­and, Diss. phil. Hannover 2003; Meissel, F.-Stefan/Olechowski, T./Gnant, C., Untersuchungen zur Praxis der Verfahren vor den Rückstellungs­kommissionen, 2004; Selles-Ferrando, X., Spanisches Österreich, 2004; Fritsche, M., Entziehungen, 2004; NS-Justiz in Österreich, hg. v. Form, W. u. a., 2004; Wagner, S., Der politische Kodex, 2004; Wagner, W., Bildatlas der österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Anzenberger, W./Polaschek, M., Widerstand für eine Demokratie, 2004; Quellenkunde der Habsburger­monarchie (16.-18. Jahrhundert), hg. v. Pau­ser, J. u. a., 2004; Vocelka, K., Geschichte Ös­terreichs, 2005; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122 (2005), 367; Kulenkampff, A., Österreich und das alte Reich, 2005; Mueller, W., Die sowjetische Besatzung in Österreich, 2005; Scheich, M., Tabubruch. Österreichs Entscheidung für die Europäische Union, 2005; Stourzh, G., Um Einheit und Freiheit, 5. A. 2005; Strohmeyer, A., Kon­fessionskonflikt und Her­schaftsordnung, 2006; Neschwara, C., Verfas­sungsgerichtsbarkeit im Spann­ungsfeld von Monarch und Parlament – Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006), 310; Wesener, G., Zum juridisch-politischen Studium an österreichischen Lyzeen und Universitäten, FS Herbert Hausmaninger 2006, 305; Johnston, W., Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte, 4. A. 2006; Telesko, W., Geschichtsraum Österreich, 2006; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v. Ammerer, G., 2006; Fischer, R., Österreich im nahen Osten, 2006; Hartmann, G., Für Gott und Vaterland, 2006; NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich 1938-1945, hg. v. Form, W. u. a., 2006; Krawarik, H., Siedlungsge­schichte Österreichs, 2006; Niederstätter, A., Geschichte Österreichs, 2007; Beller, S., Geschichte Österreichs, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 976; Reingrabner, G., Um Glaube und Freiheit. Eine kleine Rechtsgeschichte der Evangelischen in Österreich und ihrer Kirche, 2007; http://www.parlinkom­.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/­DOKU/LANGER_GE­SAMT_­ÜBERARBEITET.PDF (elektronisch gespei­cherte Gesetzge­bungsmaterialien); http://ris1.­bka.­gv.at/bkaris/hilfe/bgblpdf/­Fundstellen­nach­weis.pdf; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Die Geburt Österreichs, hg. v. Schmid, P. u. a., 2007; Stoy, M., Das österreichische Institut für Geschichtsforschung 1929-1945, 2007; Lebens­zeugnisse österreichischer Vizekanzler, hg. v. Mantl, W., 2008; Habsburg und die Slavia, hg. v. Kohler, G., 2008; Österreich im Europarat 1956-2006, hg. v. Hummer, W., 2008; Österreichische Historiker 1900-1945, hg. v. Hruza, K., 2008; Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Zeilner, F., Verfassung, Verfassungsrecht und Lehre des öffentlichen Rechts in Österreich bis 1848, 2008; Paar, M., Die Gesetzgebung der österreichischen Monarchie, 2009; Höbelt, L., Franz Joseph I., 2009

Österreichisches Landrecht ist das in einigen Handschriften des 15. Jh.s über­lieferte, in zwei Fassungen mit 70 bzw. 92 Artikel gegliederte Landrecht des Herzog­tums → Österreich aus dem 13. Jh. (1237/1298?, um 1230/um 1298?, 1278/1298?). Erfasst werden Landrecht und Lehnrecht bzw. Ständerecht, Eherecht, Vormundschaftsrecht, Gewererecht, Erbrecht, Strafrecht und Verfah­rensrecht.

Lit.: Hasenöhrl, V., Österreichisches Landrecht im 13. und 14. Jahrhundert, 1867; Steinacker, H., Zur Frage des österreichischen Landrechts, MIÖG 39 (1922); Werunsky, E., Kritische Bemerkungen zur ös­terreichischen Landrechtsfrage, Archiv für österreichische Geschichte 110 (1924); Ganahl, K., Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts, 1935; Weltin, M., Das österreichische Landrecht, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 381

Österreich-Ungarn (1868-1918 Bezeichnung des seit 1867 in die beiden abgesehen von dem gemeinsamen Monarchen, den pragma­tischen Angelegenheiten und den dualis­ti­schen Angelegenheiten selbständigen Reichs­teile der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder [Cisleithanien diesseits der Lei­tha] und die Länder der Stephanskrone [Transleithanien östlich der Leitha] ge­glie­derten, nach längerem Streit als Realunion ein­geordneten Gesamtreichs der Habsbur­ger) → Österreich, Ungarn

Osteuropa ist die Gesamtheit der im Osten gelegenen Staaten Europas (z. B. Polen, Russland, Weißrussland, Ukraine, Bulgarien, Rumänien).

Lit.: Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Simek, E., Velka Germanie Klaudia Ptolemaia, 1953 (deutsche Zusammenfassung); Ludat, H., Vorstufen und Entstehung des Städtwesens in Osteuropa, 1955; Klocke, F. v., Westfalen und Nordosteuropa, 1964; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992; Conze, W., Ostmitteleuropa, 2. A. 1993; Geyer, D., Osteuropäische Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit, 1996; Der Riese erwacht, hg. v. Olt, R., 1996; Neue Regierungssysteme in Osteuropa und der GUS, hg. v. Luchterhandt, O., 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a., 1997; Der Osten Europas im Prozess der Differenzierung, hg. v. Bundesinstitut für ostwis­senschaftliche und internationale Studien, 1997; Suppan, A., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1998; Entwicklung des Zivilrechts in Osteuropa, hg. v. d. juristischen Fakultät der Universität Dresden, 1998; Studienhandbuch östliches Europa, hg. v. Roth, H., 1999; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg, H., 2000; Minderheiten, Regionalbewusstsein und Zentralismus in Ostmitteleuropa, hg. v. Löwe, H., 2000; Transformation und historisches Erbe in den Staaten des europäischen Ostens, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2000; Giaro, T., Westen im Osten. Modernisierung osteuropäischer Rechte bis zum zweiten Weltkrieg, Rechtsgeschichte 2 (2003); Lübke, C., Das östliche Europa, 2004; Schorkowitz, D., Clio und Natio im östlichen Europa, HZ 279 (2004), 1; Der EU-Beitritt der Länder Ostmitteleuropas, hg. v. Hess, A. u. a., 2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Mühle, E., Für Volk und deutschen Osten – Der Historiker Hermann Aubin, 2005; Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien – Rechtsbe­wusstsein, hg. v. Krawietz, W. u. a., 2005; Moderni­sierung durch Transfer im 19. und frühen 20. Jahr­hundert, hg. v. Giaro, T., 2006; Osteuropa in den Revolutionen von 1848, hg. v. Lambrecht, L., 2006; Städte im östlichen Europa, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2006; Modernisierung durch Transfer zwischen den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007; Wippermann, W., Die Deutschen und der Osten, 2007; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Zwangsumsiedlung und neue Gesellschaft in Ostmitteleuropa nach 1945, hg. v. Arburg, A. v. u. a., 2008; Puttkammer, J. v., Ost­mit­teleuropa im 19. und 20. Jahrhundert, 2009

Ostfalen ist im Mittelalter (im Gegensatz zu Westfalen und Engern) der östliche Teil des Siedlungsgebietes der Sachsen (im 11. Jh. die Gegend um Hildesheim bis Magdeburg). Ihm entstammt der → Sachsenspiegel.

Lit.: Rosenstock, E., Ostfalens Rechtsliteratur, 1912; Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Ostfalen, hg. v. Stellmacher, D., 2005

Ostfriesland

Lit.: His, R., Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Engelberg, G., Ständerechte im Verfassungsstaat, 1979; Wiemann, H., Materialien zur Geschichte der ostfriesischen Landschaft, 1982; Kappelhoff, A., Die Münzen Ostfrieslands, 1982; Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft ?, 1982

Ostgalizien → Galizien

Ostgötalagh ist das Rechtsbuch des spätmittelalterlichen Rechts der schwedischen Landschaft Östergötaland und angrenzender Gebiete (u. a. Öland). Es ist in zwei vollständigen Handschriften (1350, um 1600), einem Druck und verschiedenen Bruchstücken überliefert. Vielleicht wird es zwischen 1286 und 1303 aufgezeichnet. Es beginnt mit dem Christenrecht, dem Land­friedensrecht, Ehe­recht, Erbrecht, Verkehrs­recht, Verfahrensrecht und Dorfrecht folgen. Die Gesetzgebungs­tätigkeit des Königs ist jeweils unter Namensnennung verzeichnet. In der Mitte des 14. Jh.s wird das O. in → Magnus Erikssons Landrecht (1347) verwertet.

Lit.: Westman, K., De svenska rättskällornas historia, 1912; Strauch, D., Das Ostgötenrecht, 1971

Ostgote ist der Angehörige eines Teiles des an der Völkerwanderung beteiligten germa­ni­schen Volkes der → Goten. Vermutlich überliefert das (lat.) vielleicht nach König Theoderich dem Großen (493-526) benannte → Edictum (N.) Theoderici (um 500) Recht der Ostgoten und Römer. Im Kampf um Rom (551) werden die O. bis 555 vom oströ­mischen Kaiser Justinian (527-565) weitge­hend aufge­rieben.

Lit.: Köbler, DRG 80, 87; Pflugk-Harttung, J., Die Thronfolge im Reiche der Ostgoten, ZRG GA 10 (1889), 203; Amira, K./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, (in) Ius Romanum medici aevi I 2 b aa; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Stüven, A., Rechtliche Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich, 1995; Vitiello, M., Momenti di Roma ostrogota, 2005

Ostgötenrecht → Ostgötalagh

Ostkolonisation → Ostsiedlung

Ostmark ist zu verschiedenen Zeiten eine Bezeichnung für ein Grenzgebiet der Deutschen im Osten.

Lit.: Baltl/Kocher; Pfeifer, H., Die Ostmark, 1941

Ostpreußen ist das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung und Memel­mün­dung und Ostsee. Über den die Ostsiedlung betreibenden → Deutschen Orden gelangt es 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten von → Brandenburg zur Keim­zelle des Königreichs → Preußen, indem der Kurfürst sich selbst zum König in Preußen krönt. Seit dem späten 18. Jh. wird das Gebiet zur Abgrenzung von von Polen erlangten Westpreußen als O. benannt. 1945 bzw. 1990 kommt O. im Norden an die Sowjetunion, im Süden an Polen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merinlit, W., Die fridericianische Verwaltung in Ostpreußen, 1956; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ost- und Westpreußen, bearb. v. Stüttgen, D., 1975; Ambrassat, A., Die Provinz Ostpreußen, 1988; Groeben, K. v. d., Das Land Ostpreußen, 1993; Kibelka, R., Ostpreußens Schicksalsjahre 1944-1948, 2000; Kossert, A., Ostpreußen, 2005

Ostrakismus (M.) oder Scherbengericht ist die (vor allem) in Athen seit dem 5. vorchristlichen Jh. (ca. 486 v. Chr.) nachweisbare Abstimmung der Bürger auf Tonscherben über die zehnjährige Ver­bannung eines die politische Ordnung gefährdenden Bürgers (durch einfache Mehrheit bei mindestens 6000 Beteiligten).

Lit.: Ostrakismos-Testimonien I, hg. v. Siewert, P. u. a., 2002

Ostrom ist die Bezeichung für die östliche Hälfte des römischen Reiches (293/395) mit der Hauptstadt Konstantinopel (330) bzw. → Byzanz. 1453 wird das stetig verkleinerte oströmische Reich von den Türken (→ Osmanen) erobert und als im osmanischen Reich aufgegangen betrachtet, wobei der Sultan erst 1606 zur Anerkennung des westlichen Kaisertums und nur unter dem Vorbehalt des Vorrangs Byzanzs bereit ist.

Lit.: Köbler, DRG 50, 76, 95; Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565-1453, bearb. v. Dölger, F., Teil 1f. 1924 f.; Thorau, P., Von Karl dem Großen zum Frieden von Zsitva Torok, HZ 279 (2004), 289

Ostrowski, Teodor (1750-1802) wird nach dem Studium der Theologie in Warschau Geschichts- und Naturrechtsdozent am dortigen Adelskolleg. Er veröffentlicht 1784 ein eigenes Zivilrecht oder Sonderrecht der polnischen Nation, legt 1786 eine Übersetzung der strafrechtlichen Teile von → Blackstones Commentaries on the Law of England vor und beteiligt sich an den Vorbereitungen zu einem Gesetzbuch → Polens.

Lit.: Zdrójkowski, Z., Teodor Ostrowski, 1956

Ostsee ist das zwischen Deutschland, Polen, Russland, den baltischen Staaten und den skandinavischen Staaten liegende, im Mittelalter vor allem von der Hanse beherrschte Meer.

Lit.: Mare Balticum, hg. v. Paravicini, W., 1992; Geschichte und Perspektiven des Rechts im Ostseeraum, hg. v. Eckert, J. u. a., 2002; Witt, J., Die Ostsee, 2009

Ostsiedlung oder Ostkolonisation ist die hochmittelalterliche Siedlungsbewegung der Deutschen zwischen Elbe und Weichsel. Sie beginnt im 12. Jh. und führt etwa 400000 Menschen in die nach der Völkerwanderung von Slawen besetzten Gebiete. Mit nach Osten genommen wird das deutsche (sächsische, lübische, magdeburgische) Recht. Eine wirt­schaftliche Folge der O. ist die Entstehung der → Gutsherrschaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40 (1919), 275; Kötzschke, R./Ebert, W., Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, 1937; Aubin, H., Zur Erforschung der deutschen Ostbewegung, 1939; Ost, H., Die zweite deutsche Ostsiedlung im Drage- und Klüddowgebiet, 1939; Krannhals, D., Die Weichsel, 1942; Conrad, H., Die mittelalterliche Besiedlung des deutschen Ostens und das deutsche Recht, (1955); Urkunden und Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, hg. v. Helbig, H. u. a., Bd. 1f. 1968ff.; Die Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Schulze, H., Siedlung, Wirtschaft und Verfassung im Mittelalter, 2003; Ludwig, C., Die nationalpolitische Bedeutung der Ostsiedlung in der Weimarer Republik, 2004; Die bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters in Nordostdeutschland, hg. v. Biermann, F. u. a., 2005

Ostverträge sind die seit 1970 von der sozialliberalen Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit osteuropäischen Staaten abgeschlossenen, dem Ausgleich dienenden Verträge (12. 8. 1970/23. 5. 1972 Moskauer Vertrag mit der → Sowjetunion, 7. 12. 1970 Warschauer Vertrag mit → Polen, 21. 12. 1972/6. 6. 1973 Grundlagenvertrag mit der → Deutschen Demokratischen Republik, 1974 Vertrag mit der → Tschechoslowakei, 9. 10. 1975/12. 3. 1976 Rentenvereinbarung mit → Polen).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246

Öttingen

Lit.: Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, Einleitung v. Grünenwald, E., 1975; Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, bearb . v. Grünen­wald, E., 1976 (76 Vasallenfamilien)

Otto I. → Ottone

Otto Papiensis ist ein in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s in Bologna als Schüler des Placentinus und Lehrer des Karolus de Tocco wirkender Glossator (Glossen, Distinktionen, vielleicht Brocardica, Olim quidam edebatur).

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 238

Ottobeuren

Lit.: Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren 764-1460, bearb. v. Hoffmann, H., 1991

Ottone (Liudolfinger) ist der Angehörige des frühmittelalterlichen, aus Sachsen kommen­den deutschen Herrschergeschlechts (919-1024, Heinrich I. 919-936, Otto I. 936-973, Otto II. 961-983, Otto III. 983-1002, Heinrich II. 1002-1024)). Sein bedeutendster Vertreter ist Otto I. (der Große, 23. 11. 912-7. 5. 973, König 936). Mit ihm verbindet sich das ottonische (ottonisch-salische) → Reichs­kir­chensystem, nach dem der König die ihm wegen des Fehlens der Erblichkeit kirchlicher Ämter für die Ausübung von Herrschaft vorteilhaft erscheinende Reichskirche zur Ausführung weltlicher Herrschaftsaufgaben verwendet (Belehnung von Bischöfen mit Grafschaften) und mit der dafür nötigen Personenauswahl in die inneren Angelegen­heiten der Kirche eingreift.

Lit.: Köbler, DRG 76, 85; Wenskus, R., Studien zur historisch-politischen Gedankenwelt Bruns von Querfurt, 1956; Wolf, G., Über die Hintergründe der Erhebung Liudolfs von Schwaben, ZRG GA 80 (1963), 315; Santifaller, L., Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Schmid, K., Die Thronfolge Ottos des Großen, ZRG GA 81 (1964), 80; Bornscheuer, L., Miseriae regum, 1968; Otto der Große, hg. v. Zimmermann, H., 1976; Beumann, H., Die Ottonen, 5. A. 2000; Fried, J., Otto III. und Boleslav Chrobry, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Görich, K., Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus, 1993; Althoff, G., Otto III., 1996; Herrschaftsrepräsenta­tion im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Eickhoff, E., Kaiser Otto III., 1999; Althoff, G., Die Ottonen, 2000, 2. A. 2005; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2000; Keller, H., Die Ottonen, 2001; Laudage, J., Otto der Große, 2001, 2. A. 2009; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2001; Keller, H., Ottonische Königsherrschaft, 2002; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002, 2. A. 2008; Giese, W., Heinrich I., 2008; Keller, H./Althoff, G., Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen 888-1024, 2008

OVG → Oberverwaltungsgericht

Oxford an der Themse, vielleicht im 8. Jh. begründet, 912 erstmals erwähnt, ist seit dem 12. Jh. Sitz der ältesten englischen Universität (nach 1139). Von seinen in der Gegenwart etwa 45 Colleges ist das Merton College (1264) am ältesten, das Christ Church College am größten.

Lit.: Köbler, DRG 100; Leef, G., Paris und Oxford, 1963; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; The History of the University of Oxford, Bd. 1ff. 1984ff.; Sager, P., Oxford and Cambridge, 2003; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 156

 

 

P

 

Paarformel ist die zweigliedrige, zu einer Einheit verknüpfte Sprachformel, die durch Stabreim, Endreim, Rhythmus und andere sprachliche Mittel verstärkt sein kann (z. B. Haus und Hof, Gut und Blut, Mund und Halm). Nach Jakob → Grimm gehört die P. zu den ältesten Schichten der von Anfang an poetisch gehaltenen Rechtssprache. Dies lässt sich bei genauerer Untersuchung nicht erweisen. Vielmehr lassen sich viele Paarformeln erst spät, nicht häufig und als nicht besonders bedeutsam nachweisen. Der Gesamtbestand beruht vermutlich auf sehr unterschiedlicher Herkunft. In der wissenschaftlichen Rechtssprache ist die P. selten.

Lit.: Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 2 (1816), 25; Dilcher, G., Paarformeln, 1961; Matzinger-Pfister, P., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Baum, B., Der Stabreim im Recht, 1986

Pacht (zu lat. pactum [N.] Vereinbarung) ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verpächter) verpflichtet, dem anderen Teil (Pächter) den Gebrauch des gepachteten Gegenstandes und den Genuss der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gestatten, und der andere Teil sich verpflichtet, den vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Die P. ist den Römern als Fall der (lat.) locatio (F.) conductio rei bekannt. Ihr entsprechen im Frühmittelalter im Ergebnis die verschiedenen Formen der (bäuerlichen) → Leihe von Grundstücken. Seit dem 13./14. Jh. finden sich immer mehr freie Landpachtverhältnisse unter unterschiedlichen Bezeichnungen. Mit der Aufnahme des römi­schen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch die P. aufgenommen. Seit dem 16. Jh. setzt sich dabei die Bezeichnung P. durch. Zeitweise wird dann die P. als dingliches Recht angesehen. Sonderfälle sind Landpacht und Jagdpacht.

Lit.: Kaser § 42 I II; Söllner § 9; Hübner 582; Kroeschell, DRG 2, 139; Köbler, DRG 127; Brünneck v., Zur Geschichte der Miete und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Scherner, K., Zur Pacht im Frankenspiegel, FS J. Bärmann, Bd. 2 1967, 208; Schubert, W., Zur Entwicklung und Reform des Landpachtrechts, ZRG GA 108 (1991), 237; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002

Pacta (N.Pl.) sunt servanda (lat.) ist der im mittelalterlichen Kirchenrecht formulierte Rechtssatz, nach dem Verträge grundsätzlich zu halten sind. Demgegenüber geht das römische Recht anfangs davon aus, dass aus einem einfachen Vertrag grundsätzlich nicht geklagt werden kann (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einer bloßen Vereinbarung entsteht kein Klaganspruch). Allerdings mehren sich bereits im Altertum die hiergegen zugelassenen Ausnahmen. Die Kirche zieht dagegen schon früh den Standpunkt vor, dass ein gegebenes Wort nur unter besonderen Voraussetzungen nicht eingehalten zu werden brauche, so dass man auch aus einem einfachen Versprechen klagen können müsse. Seit der frühen Neuzeit setzt sich der kirchliche Standpunkt gegenüber dem römischen Grundsatz durch. Dem pflichten auch die Vertreter naturrechtlicher Überle­gungen bei.

Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 126; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 2, 14, 7 § 7, vgl. Gregor IX., um 1170-1241, Dekretalen, 1, 35, 1 Summarium); Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975, 100; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980

pactio (lat. [F.]) Abrede, Vereinbarung

Lit.: Söllner §§ 9, 18; Leisching, P., Die Ehe als pactio und societas, FS W. Plöchl, 1977, 117

Pactum (lat. [N.]) ist seit dem römischen Recht eine Bezeichnung für die formlose, keinem anerkannten Typ entsprechende und deswegen als solche nicht einklagbare, aber gegebenenfalls einredeweise geltend mach­bare Vereinbarung (pactum nudum, bloße Verein­barung), für die allgemeine Regeln erst später entwickelt werden. Pactum adiectum ist die (formlose) Nebenvereinbarung. → pacta sunt servanda

Lit.: Kaser §§ 5 II, 38 III, 52 II 1, 53 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 18; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 62, 126, 163; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Hohlweck, M., Nebenabreden: pacta, 1996; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998

pactum (N.) adiectum (lat.) Nebenabrede

Lit.: Kaser §§ 33 IV 3, 38

pactum (N.) de non petendo (lat.) (formloser) Erlass

Lit.: Kaser §§ 53 II 3b, 56; Söllner §§ 9, 18

pactum (N.) fiduciae (lat.) Treuabrede, welche die Wirkungen eines an sich weiterreichenden Geschäftes einschränkt

Lit.: Kaser § 24 II 2, 31

Pactum (N.) legitimum ist die jüngere Bezeichnung für das von Justinian (527-565) klagbar gemachte unentgeltliche Leistungsver­sprechen (Mitgift, Schenkung).

Lit.: Kaser §§ 38 II 1, 47, 59

pactus (lat. [M.] Nebenform zu pactum) Vereinbarung

Pactus (M.) Alamannorum (lat.) ist die bruchstückhaft überlieferte Fassung des alemannischen Volksrechts (Vereinbarung der Alemannen) von etwa 600 n. Chr., dem zu Beginn des 8. Jh.s die (lat.) Lex (F.) Alamannorum nachfolgt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler DRG 81; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960

Pactus (M.) legis Salicae (Vereinbarung des salfränkischen Rechts) ist die älteste, 65 Titel enthaltende Fassung der Lex Salica (507/511?).

Lit.: Köbler, DRG 80, 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979

Pactus (M.) pro tenore pacis (Vereinbarung über den Lauf des Friedens) ist das der (lat.) Lex (F.) Salica angefügte merowingische Kapitular vermutlich der merowingischen Könige Childebert I. und Chlothar I. betref­fend die Verfolgung von Unrechtser­folgen.

Lit.: Capitularia regum Francorum, hg. v. Boretius, A., 1883, 3; Rietschel, S., Der Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 27 (1906), 253; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica und des Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960

Paderborn an den Quellen der Pader ist wahrscheinlich seit 800 Sitz eines Bischofs. Von 1614 bis 1819 ist es Sitz einer Universität.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Aubin, H., Die Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn, 1911; Honselmann, K., Von der carta zur Siegelurkunde, 1939; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Die Urkunden des Bistums Paderborn 1301-1325 (Westfälisches Urkundenbuch 9); Bannasch, H., Das Bistum Paderborn unter den Bischöfen Rethar und Meinwerk (983-1036), 1972; Balzer, M., Untersuchungen zur Geschichte des Grundbesitzes in der Paderborner Feldmark, 1977; Brandt, H. u. a., Das Erzbistum Paderborn, 1989; Das Hochstift Paderborn, hg. v. Drewes, J., 1997; Paderborn, hg. v. Göttmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1999; Brandt, H. u. a., Das Bistum Paderborn im Mittelalter, 2001

Padua westlich von Venedig, seit 1164 Stadtkommune, ist seit 1222 Sitz einer von Bologna abgespalteten Universität. 1405 fällt es an Venedig, 1797 mit diesem an → Österreich und 1866 an → Italien.

Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel secolo XV, 1986; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33

Paenitentia (F.) Reue

Lit.: Riechelmann, A., Paenitentia, 2005

Paenitentiale (N.) Cummeani ist die in Irland vielleicht in der ersten Hälfte des 7. Jh.s von Cummean verfasste Sammlung von Bußsätzen.

Lit.: Kottje, R., Das älteste Zeugnis für das Paenitentiale Cummeani, DA 61 (2005), 585

Paenitentiale (N.) Theodori (lat.) ist die in verschiedenen Fassungen verbreitete Sammlung von Bußsätzen, die dem in Kilikien geborenen Erzbischof Theodor von Canterbury (669-690) zugeschrieben wird.

Lit.: Finsterwalder, P., Die Canones Theodori Cantuariensis, 1929; Kottje, R., Überlieferung und Rezeption der irischen Bußbücher, (in) Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982, 519; Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984

pagus (lat. [M.]) Gau

Pairsgericht (lat. iudicum [N.] parium) ist seit dem Mittelalter (Frankreich 12. Jh.) das → Ebenbürtigkeit voraussetzende Gericht der Standesgenossen. → Magna Charta libertatum

Lit.: Köbler, DRG 110, 120; Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Mayer, E., Pairs, ZRG GA 41 (1920), 376

Paläographie (F.) Wissenschaft der älteren Handschriften

Lit.: Prou, M., Manuel de paléographie latine et française, 1890; Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Hoffmann, H., Bernhard Bischoff und die Paläographie des 9. Jahrhunderts, DA 55 (1999), 549; Schneider, K., Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, 1999; Foerster, H., Abriss der lateinischen Paläographie, 3. A. 2004; Eckhardt, H. u. a., Paläographie - Aktenkunde -Archivalische Text­sorten, 2005

Palatinus ist der Hügel in Rom, auf dem der römische Prinzeps Augustus (44 v.-14 n. Chr.) und viele seiner Nachfolger ihren Sitz nehmen. → Pfalz

Lit.: Haugwitz, E. Graf v., Der Palatin, 1901; Brühl, C., Palatium, Bd. 1ff. 1975ff.

palatium (lat. [N.]) Palast, Pfalz

Lit.: Brühl, C., Palatium und civitas, 1975

Palermo in Nordsizilien wird als Panormus von den Puniern gegründet. 254 v. Chr. fällt es an die Römer, 831 n. Chr. an die Sarazenen, 1072 an die Normannen. Unter den Bourbonen erhält es 1781 eine Universität. 1861 kommt P. zu Italien. → Panormitanus

Palimpsest (N.) Wiederabgeschabtes (und erneut beschriebenes Pergament)

Lit.: Hoeflich, M., Law beyond Byzantium, ZRG GA 104 (1987), 261

Pandekten ([F.Pl.] Allesumfassendes) ist der griechische Name der → Digesten.

Lit.: Kaser; Söllner § 22; Köbler, DRG 50, 53, 80; Glück, C., Ausführliche Erläuterung der Pandekten, Bd. 1ff. 1797ff.; Bluhme, F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 4 (1818), 257; Bekker, E., System des heutigen Pandektenrechts, Bd. 1f. 1886ff., Neudruck 1978; Windscheid, B., Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1ff. 1862ff., 7. A. 1891; Bauer, A., Libri Pandectarum, Bd. 1 2005

Pandektensystem ist die systematische Gliederung des Privatrechts (der römischen, [aber] naturrechtlich geordneten Pandekten) in grundsätzlich fünf Teile. Das P. geht vom Institutionensystem (Personen, Sachen, Klagansprüche) aus, fasst bestimmte allgemeine Begriffe mit dem Personenrecht zu einem allgemeinen Teil zusammen und verselbständigt die schlecht einzugliedernden Materien des Familienrechts und des Erbrechts. Es wird auf Grund des naturrechtlichen Systemdenkens (→ Pufen­dorf, Dabelow, Nettelbladt) von Gustav → Hugo (Institutionen des heutigen römischen Rechts, 1789) angeregt, von Georg Arnold Heise in seinem Grundriss des Systems des gemeinen Zivil­rechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807) ausgeführt, durch → Savigny, der ihm in seiner Pandek­tenvorlesung folgt, allgemein verbreitet und als erstem Gesetz im privatrechtlichen Gesetzbuch für den Kanton Zürich von 1853ff. und danach im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578

Pandektenwissenschaft → Pandektistik

Pandektistik (Pandektenwissenschaft) ist die Wissenschaft vom den Pandekten entnom­menen römischen Privatrecht im 19. Jh. Ihre Grundgedanken finden sich bei → Savigny (Privatautonomie [Kant], Grundsätze, widerspruchsfreies System, Vorrang der Wissenschaft). Das Hauptwerk stammt von Georg Friedrich → Puchta (1798-1846), der darin eine zusammenfassende Darstellung der gesamten Regeln des Privatrechts auf der Grundlage auch der nichtrömischen Quellenbereiche als dem Gegenstand nicht angemessen ablehnt. Ungeklärt ist die Frage, ob die P. eher der Beibehaltung des Überkommenen gedient hat oder der freiheitlichen Veränderung. Die P. wirkt sich auch auf die Schweiz, Österreich und England aus. Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Deutschen Reichs (1900) verliert sie an Bedeutung gegenüber Gesetzespositivismus und Zweckjurisprudenz.

Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 3, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 186, 188, 205; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Wissenschaft und Kodifi­kation im 19. Jh., hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Polay, E., Ursprung, Entwicklung und Untergang der Pandektistik, 1981; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Wagner, H., Die politische Pandektistik, 1985

Paneuropa (Ganzeuropa) ist der Name einer in Wien 1923 von Richard Coudenhove-Kalergi begründeten Bewegung zur friedlichen Vereinigung aller europäischen Demokratien. Sie nimmt gedanklich die europäischen Gemeinschaften in gewisser Weise voraus.

Lit.: Coudenhove-Kalergi, Paneuropa, 1923; Ziegerhofer-Pretterthaler, A., Botschafter Europas, 2004

Panisbrief ist das seit dem 14. Jh. (21. 1. 1360) nachweisbare Schreiben, in dem der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) einem Laien das Recht verleiht, lebenslänglich von einer kirchlichen Anstalt mit Unterhaltsleistungen versorgt zu werden.

Lit.: Hirschmann, H., Vom kaiserlichen Recht der Panisbriefe, Diss. jur. Marburg 1973

Pankarte (lat. [F.] pancarta) ist nach spätantiken Ansätzen seit der Mitte des 9. Jh.s die frühmittelalterliche Urkunde, mit der nach Verlust von Urkunden allgemein der bisherige Besitzstand bestätigt wird.

Lit.: Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reiche, ZRG GA 1 (1880), 89

Pannonien ist das zwischen Alpen, Donau und Save gelegene, 14-9 v. Chr. von den Römern unterworfene Gebiet, das in der Völkerwanderung zunächst von germanischen Stämmen, danach von Awaren bzw. → Ungarn erobert wird.

Panormitanus (lat. [Adj.]) von Palermo, → Nikolaus de Tudeschis

Papianus ist die ältere, auf einem Missverständnis der Zusammengehörigkeit von Stücken von Handschriften beruhende Bezeichnung der → Lex Romana Burgundionum.

Papinianus, Aemilius (Afrika ? um 150-Rom 212), vielleicht Schüler und Nachfolger (als lat. advocatus [M.] fisci) des Cervidius Scaevola, wird unter dem mit ihm eng befreundeten Kaiser Septimius Severus (193-211) (lat.) assessor (M.) der Gardepräfekten, Leiter einer kaiserlichen Kanzlei (lat. magister [M.] libellorum) und (203-212) Gardepräfekt (mit Paulus und Ulpian als Assessoren). Seine bedeutendsten Werke sind 37 Bücher (lat.) quaestionum (Fragen, vor 208) und 19 Bücher (lat.) responsorum (Antworten, 204-212), die durch Kürze, Scharfsinnigkeit und Eigenständigkeit ausge­zeichnet sind. 212 wird P. von Kaiser Caracalla wegen des Hinweises, ein Bruder­mord lasse sich leichter begehen als rechtfertigen, hingerichtet. Nach dem Zitier­gesetz von 426 soll bei Stimmengleichheit der sog. Zitierjuristen P. den Ausschlag geben. In den Digesten stehen (mehr als 600) Auszüge aus Schriften des P. so, dass sie den Studierenden des dritten Jahrganges treffen.

Lit.: Söllner §§ 5, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 224

Papirius ist ein im Übrigen unbekannter römischer Oberpriester (lat. [M.] pontifex), der am Ende des 6. Jh.s zweifelhafte Königsgesetze als (lat.) ius (N.) Papirianum (Recht des Papirius) veröffentlicht haben soll.

Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Papirius, Iustus, ist der römische Jurist der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr., der Entscheidungen, Antworten, Dienstanwei­sungen und Festsetzungen (Konstitutionen) der Kaiser in 20 Büchern gesammelt haben soll, von denen 18 Bruchstücke in den Digesten aufgenommen werden.

Lit.: Köbler, DRG 31; Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 4 1975, 493

Papst ist im katholischen Kirchenrecht der Träger der obersten Gewalt der Kirche mit Sitz im Vatikan in Rom (Heiliger Stuhl). Der Titel P. (lat. papa) ist seit der zweiten Hälfte des 4. Jh.s für den Bischof von Rom als den Nachfolger des Apostels Petrus bezeugt. Seit dem 5. Jh. wird er ihm allmählich vorbehalten. 1075 bestimmt P. Gregor VII. im (lat.) → Dictatus (M.) papae, dass der Titel P. nur dem Bischof von Rom zustehe. Als oberster Hirte der Kirche ist der P. Bischof von Rom. Seit dem Ende des 5. Jh.s sieht der P. sich als eine der beiden nebeneinander stehenden Gewalten. 751 verbindet sich der karolingische König mit ihm. Infolge der ottonischen Reichskirchen­politik und kirch­licher Reformüberlegungen kommt es seit 1073/1075 zum → Investiturstreit und wie­teren Auseinander­setzungen zwischen Kaiser und P. Der in deren Gefolge vom P. zu Hilfe gerufene König von Frankreich verbringt den P. von 1309 bis 1376 nach Avignon. 1517 löst Luther die Spaltung der Kirche in Katholiken und Protestanten aus, auf die der P. u. a. mit der → Gegenreformation reagiert. Der Abwendung von der Kirche infolge von Aufklärung und Liberalismus stellt der P. 1869/1870 das Unfehlbarkeitsdogma entgegen. Die Aufhe­bung des Kirchenstaates (am 20. 9. 1870) durch das Königreich →Italien beschneidet seine weltlichen Möglichkeiten. Die Leitungsgewalt des Paps­tes ist eine Höchstgewalt und eine unmittelbare universale Vollgewalt. Gewählt wird der P. im sog. Konklave von den dazu berechtigten Kardinälen, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen. Wählbar ist jeder katholische Christ. Erforderlich ist grundsätzlich eine Zweidrittelmehrheit (bis zum 28. Wahlgang). Seit 1389 werden nur Kardinäle gewählt. Der 269. P. (Johannes Paul II.) und der 270. Papst (Benedikt XVI.) sind seit langem die ersten Nichtitaliener.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 109, 129; Weyl, R., Die Beziehungen des Papsttums zum fränkischen Staats- und Kirchenrecht unter den Karolingern, 1892; Domeier, V., Die Päpste als Richter über die deutschen Könige, 1897, Neudruck 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Päpste und Papsttum, hg. v. Denzler, G., Bd. 1ff. 1971ff.; Fritze, W., Papst und Frankenkönig, 1973; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles, 1975; Drabek, A., Die Verträge der fränkischen und deutschen Herrscher mit dem Papsttum, 1976; Fuhrmann, H., Von Petrus zu Johannes Paul II., 2. A. 1984; Zimmermann, H., Das Papsttum im Mittelalter, 1981; Fichtinger, C., Lexikon der Heiligen und Päpste, 1983; Schatz, K., Der päpstliche Primat, 2000;   Frenz, T., Papsturkunden, 2. A. 2000; Schimmelpfennig, B., Das Papsttum, 4. A. 1996; Fischer-Wollpert, R., Lexikon der Päpste, 2. A. 1988; Wucher, A., Von Petrus zu Paul, 1997; Zapperi, R., Die vier Frauen des Papstes, 1997; Fuhrmann, H., Die Päpste, 1998; Duffy, E., Die Päpste, 1999; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Weber, C., Genealogien zur Papstgeschichte, 1999; Miethke, J., De potestate papae, 2000; Hirschmann, S., Die päpstliche Kanzlei und ihre Urkundenproduktion (1141-1159), 2001; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the Early Middle Ages, 2001; Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hehl, E. u. a., 2002; Hundert Jahre Papsturkundenforschung, hg. v. Hiestand, R., 2003; Fuhrmann, H., Die Päpste, 2004; Johrendt, J., Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der päpstlichen Urkunden (896-1046), 2004; Schwaiger, G./Heim, M., Kleines Lexikon der Päpste, 2005; Reinhardt, V., Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia (1431-1503), 2005; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005; Böhmer, J., Regesta imperii. Papstregesten, 2006; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007; Scholz, S., Politik – Selbstverständnis – Selbstdarstellung. Die Päpste in karolingischer und ottonischer Zeit, 2006; Hack, A., Codex Carolinus, 2006f.; Gresser, G., Clemens II., 2007; Eigenbild im Konflikt, hg. v. Matheus, M. u. a., 2008

Papstwahldekret ist das Dekret Papst Nikolaus’ II. von 1059, nach dem Päpste nur durch Kardinalbischöfe zu wählen sind.

Papyrus ist der aus dem Mark eines Riedgrases (Papyrusstaude) in Ägypten hergestellte beschreibbare Stoff. Die älteste erhaltene Papyrusrolle stammt von etwa 3000 v. Chr. Vom 4. Jh. (332) v. Chr. bis zum 7. Jh. (641) n. Chr. werden in Ägypten zahlreiche, seit dem späten 18. Jh. allmählich in Europa bekannt werdende Papyrusurkunden herge­stellt. Seit dem Frühmittelalter wird P. als Beschreibstoff von dem auch bei höherer Luftfeuchtigkeit dauerhaften Pergament und seit dem 11. Jh. n. Chr. von dem billigeren und leichteren Papier verdrängt. Aus dem Mittelalter sind nur wenig mehr als 100 Papyrusurkunden erhalten.

Lit.: Tjäder, O., Die nichtliterarischen lateinischen Papyri Italiens, Bd. 1ff. 1955ff.; Seidl, E., Ptolomäische Rechtsgeschichte, 2. A. 1962; Rupprecht, A., Kleine Einführung in die Papyruskunde, 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Wolff, H., Vorlesungen über juristische Papyrusurkunde, hg. v. Wolf, J., 1998

Paradies ist nach biblischer Ansicht der Lebensraum des Menschen zwischen Schö­pfung und Sündenfall, in dem das Recht noch keine tatsächliche Bedeutung hat, weil der Mensch es (zunächst) nicht bricht.

Lit.: Krauss, H., Das Paradies, 2004

Paragraph (§) ist (das Zeichen für) ein(en) Abschnitt hauptsächlich eines Gesetzes. Die Herkunft des Zeichens ist streitig (aus c bzw. cc für [lat.] capitulum [N.] bzw. capitulum capituli?).

Lit.: Köbler, DRG 107, 140; Weidmüller, W., Paragraphzeichen, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel, Frankfurter Ausgabe 22 (1966), 2041; Harder, M., Der Paragraph, (in) Tradition und Fortentwicklung im Recht, hg. v. Slapnicar, K., 1991

Parangaria (lat.[F.]) ist eine mittelalterliche Abgabe.

Parapherna (lat.) sind im spätrömischen Recht Ausstattungsgegenstände.

Lit.: Kaser § 59 IV; Köbler, DRG 58

Paraveredus (lat.[M.]) (Postnebenpferd) ist eine frühmittelalterliche Leistungsverpflich­tung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dannenbauer, H., Paraveredus - Pferd, ZRG GA 71 (1954), 55

Parentel ist die von einem Stammelternpaar und deren Abkömmlingen gebildete Familienschaft. Dabei stammt die erste P. (Linie) vom Erblasser, die zweite von seinen Eltern, die dritte von seinen Großeltern usw. Jede vorgehende P. schließt die nachfolgende aus. Innerhalb einer P. entscheidet die Nähe des Verwandtschaftsgrads, doch ist das Eintrittsrecht anerkannt.Nach einer Ansicht ist das Denken in Parentelen germanistischer Herkunft. Dem steht allerdings die Uneinheitlichkeit der Gesamtheit der späteren Quellen gegenüber. Systematisch entwickelt sind die Parentelen 1740 von → Darjes (1717-1791). In Ablehnung anderer erbrechtlicher Vor­stellungen (Vier­klassensystem Justinians, Dreiliniensystem u. a.) nimmt Joseph II. das Parentelensystem (Linealgradualordnung) mit 6 Parentelen bezüglich des freivererblichen Vermögens in sein Erbfolgepatent von 1786 auf und bewirken Martini und Horten die Aufnahme der P. in das österreichische → Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812 (1914 Grenze bei Urgroßeltern). Auch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (18961900) und das Schweizer Zivil­ge­setzbuch (1907/1911) entscheiden sich für die P. Dem entspricht im Ergebnis auch der amerikanische Uniform Probate Code von 1969/1975.

Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 210; Darjes, J., Institutiones jurisprudentiae universales, 1740; Majer, J., Germaniens Urverfassung, 1798; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge, 1970, 41; Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Parentelensystem → Parentel

Paris an der Seine, 54 v. Chr. als Lutetia erstmals erwähnt, ist der Hauptort der keltischen Parisier, den die merowingischen Herrscher der → Franken übernehmen (u. a. 614 Edikt von P. Chlothars II.). Mit der Durchsetzung der Grafen von P. 987 als Könige des westfränkischen Reichs wird der Grund für P. als Hauptstadt Frankreichs gelegt. 1219 wird das wohl kurz zuvor aufgenommene Studium des Rechts in P. vom Papst erfolglos untersagt. 1250 wird das Parlament de Paris als Obergericht des Königs sichtbar. Die coutumes von P. erlangen besondere Bedeutung. Mit dem Sturm auf die Bastille in P. beginnt 1789 die französische Revolution. 1814 und 1815 werden nach den Niederlagen Napoleons Friedensverträge von P. geschlossen. 1871 versucht die Pariser Kommune erfolglos die Beseitigung des zentralistischen bürgerlichen Staates. Nach dem ersten Weltkrieg werden in den Vororten von P. 1919 und 1920 Friedensverträge abge­schlossen (Versailles 28. 6. 1919 mit Deutschland, Saint Germain 10. 9. 1919 mit Österreich u. a.).

Lit.: Köbler, DRG 100; Bourjon, F., Le droit commun de la France et la coutume de Paris, 1747; Glasson, E., Le parlement de Paris, 1901; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Martin, O., Histoire de la coutume de la Prévôté et Vicomté de Paris, Bd. 1f. 1922ff.; Martin, O., La coutume de Paris, 1925; Lemercier, P., Les justices seigneuriales de la région Parisienne, 1933; Leff, G., Paris and Oxford, 1968; Hartig, I., Die Pariser Kommune, 1871; Nève, P., Recent work on the superior courts, The Irish Jurist, 23 1988, 129; Paris, Genèse d’un paysage, 1989; Geschichte der Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in Paris, 2004; Carbonniéres, L. de, La procédure devant laq chambre criminelle du Parlement de Paris au XIVe siècle, 2004; Kouamé, T., Le collège de Dormans-Beauvais, 2005

Pariser Edikt ist das unter dem fränkischen König Chlothar II. in Paris am 18. 10. 614 entstandene Kapitular mit 24 Kapiteln verschiedensten Inhaltes.

Lit.: Kocher, G., Das Pariser Edikt von 614, 1976

Pariser Übereinkunft ist die völkerrechtliche Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883.

Parität (F.) Gleichheit (der Konfessionen)

Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Heckel, M., Parität, ZRG KA 80 (1963), 261; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main 1973

Parlament ist das dem Besprechen von Angelegenheiten dienende Beratungsgre­mium, insbesondere die zur Gesetzgebung berufene Volksvertretung. Das P. findet sich in England in Anfängen seit 1100, in entwickelter Form seit 1295, in Italien und Spanien seit der Mitte des 12. Jh.s und in Frankreich seit dem 14. Jh. Ihm gehören gewisse → Stände an. Es befasst sich mit Beilegung von Streitigkeiten, Erbringung von Leistungen und Erörterung sonstiger bedeutsamer Fragen. Aus dem ständischen P. wird durch Aufklärung und Revolution oder Evolution seit dem späten 18. Jh. die durch Indemnität, Immunität und Redefreiheit geschützte Vertretung des gesamten Volkes (→ Volkssouveränität) zum Zweck der → Gesetzgebung bzw. umfassenden politischen Gestaltung. Besonders bedeutsam ist dabei die Wahlrechtsreform in England von 1832. Die Veranwortlichkeit der Staatsführung gegenüber dem P. wird im frühen 20. Jh. durchgesetzt. Seit dieser Zeit wird auch die Frau über das Wahlrecht in das P. einbezogen. Durch → Ermächtigungsgesetz kann das P. ausgeschaltet werden.

Lit.: Köbler, DRG 191, 230; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 649; Registre des Parlements de Beaune et de Saint-Laurent-lès-Chalon (1357-1380), hg. v. Petot, P., 1927; Marongiu, A., Medieval Parliaments, 1968; Achterberg, N., Grundzüge des Parlamentsrechts, 1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1 1980, Bd. 2 1974; Jekewitz, J., Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit, 1977; Der Reichstag, 1981; Von der Ständeversammlung zum Parlament, 1982; Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989; Wirsching, A., Parlament und Volkes Stimme, 1990; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der parlamentarischen Redefreiheit, 1991; Loach, J., Parliament under the Tudors, 1991; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Kirsch, M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; L’istituzione parlamentare nel XIX secolo, hg. v. Manca, A., 2000; Boetticher, C., Parlamentsverwaltung und parlamentarische Kontrolle, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in den konstitutionellen Verfassungs­systemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004; Manca, A., Öffentlichkeit und Organisation der Parla­ments­arbeit im konstitutionellen Deutschland, ZNR 2007, 215

parlamentarisch, Adj., das Parlament betref­fend, z. B. parlamentarische Demokratie (Demokratie mit dem Parlament als politischem Mittelpunkt z. B. Schweiz), parlamentarische Monarchie (Monarchie mit dem Parlament als politischem Mittelpunkt z. B. Großbritannien)

Parlamentarischer Rat in Bonn ist ein von den Landtagen der westlichen Besatzungs­zonen des → Deutschen Reiches gewähltes Beratungsgremium von 65 Abgeordneten (Konrad Adenauer, Hannsheinz Bauer, Ludwig Bergsträßer, Paul Binder, Adolf Blomeyer, Heinrich von Brentano, Johannes Brockmann, Paul de Chapeaurouge, Thomas Dehler, Georg Diederichs, Fritz Eberhard, Adolf Ehlers, Hermann Fecht, Albert Finck, Andreas Gayk, Otto Heinrich Greve, Rudolf Heiland, Wilhelm Heile, Hubert Hermans, Theodor Heuss, Anton Hilbert, Fritz Hoch, Hermann Höpker Aschoff, Werner Hofmeister, Rudolf Katz, Theophil Kaufmann, Gerhard Kroll, Adolf Kühn, Karl Kuhn, Wilhelm Laforet, Robert Lehr, Lambert Lensing, Fritz Löwenthal, Friedrich Maier, Hermann von Mangoldt, Karl Sigmund Mayr, Walter Menzel, Willibald Mücke, Friederike Nadig, Erich Ollenhauer, Hugo Paul, Anton Pfeiffer, Max Reimann, Heinz Renner, Heinrich Rönneburg, Albert Roßhaupter, Hermann Runge, Hermann Schäfer, Kaspar Gottfried Schlör, Carlo Schmid, Adolph Schönfelder, Josef Schrage, Carl Schröter, Josef Schwalber, Hans-Christoph Seebohm, Kaspar Seibold, Josef Seifried, Elisabeth Selbert, Jean Stock, Walter Strauß, Adolf Süsterhenn, Friedrich Wilhelm Wagner, Felix Walter, Helene Weber, Helene Wessel, Ernst Wirmer, Friedrich Wolff, Hans Wunderlich, Gustav Zimmermann, Georg August Zinn, beratend Jakob Kaiser, Paul Löbe, Hans Reif, Ernst Reuter, Otto Suhr), das den vom Herrenchiemseer Konvent erarbeiteten Entwurf einer Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (→ Grundgesetz) seit 1. 9. 1948 unter dem Präsidium von Konrad Adenauer überarbeitet und am 8. 5. 1949 mit 53 zu 12 Stimmen annimmt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 256; Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Bd. 1ff. 1975ff.; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf Herren­chiemsee, Bd. 2 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Lange, E., Die Würde des Menschen ist unantastbar, 1993 (mit Überblick über die Mitglieder des parlamentarischen Rates); Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat, 1998; Lange, E., Gestalter des Grundgesetzes, 1999; Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle hg. v. deutschen Bundestag, Bd. 1ff.

Parlamentarisches System ist die politische Gestaltung, bei der die Regierung vom Vertrauen des → Parlaments abhängt. Das parlamentarische System zeigt sich in England 1834/1835, in Deutschland theoretisch seit 1840 und praktisch am 28. 10. 1918.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bagehot, W., The English Constitution, 1867, Neudruck 1963; Beyme, K. v., Die parlamentarischen Regierungssysteme in Europa, 1970; Parlamentarismus, hg. v. Kluxen, K., 3. A. 1971; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Bd. 1 1974; Thaysen, J., Parlamentarisches Regierungssystem, 2. A. 1976; Botzenhardt, M., Deutscher Parlamentarismus 1848-1850, 1977; Der moderne Parlamentarismus, hg. v. Bosl, K. u. a., 1977; Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Parlamentarismus in Tirol, hg. v. Kathrein, I. u. a., 1988; Schumacher, M., Kommission für Geschichte des Parlamentarismus, 1988; Goldt, C., Parlamentarismus im Königreich Sachsen, 1996; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen Parlamentarismus, 1997; Zeh, W., Parlamentarismus, 6. A. 1997

Parlamentarismus → parlamentarisches System

Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und englischer Parlamentarismus, 1939; Der moderne Parlamentarismus und seine Grundlagen in der ständischen Repräsentation, hg. v. Bosl, K., 1977; Obenaus, H., Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, 1984; Pollmann, K., Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Möller, H., Parlamentarismus in Preußen 1919-1932, 1985; Brandt, H., Parlamentarismus in Württemberg 1819-1870, 1987; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Parlamentarismus in Europa, hg. v. Recker, M . u. a., 2004; Braun, M., Der badische Parlamentarismus, 2009

Parlament de Paris → Parlament, Paris

Lit.: Rogister, J., Louis XV and the Parlament of Paris, 1995

Parma am Nordfuß des Apennins kommt über Etrusker, Römer und Langobarden an die Franken. Im 12. Jh. erlangt es gewisse Selbständigkeit, fällt aber 1322 an den päpstlichen Kirchenstaat. 1545 wird es Teil des von Papst Paul III. geschaffenen Herzogtums Parma und Piacenza, das 1860 Sardinien-Piemont und 1861 damit → Italien eingegliedert wird.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pighini, G., Storia di Parma, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2, 2, 183, 3, 1, 254, 3, 2, 2361

Parömie (F.) Sprichwort, Regel

parricidium (lat. [N.]) arge Tötung

Lit.: Kaser § 36 II 2; Söllner § 8; Köbler, DRG 28, 34, 35

pars (F.) sanior (lat.) klügerer Teil (bei einer Abstimmung), → Mehrheit

Parsberg

Lit.: Jehle, M., Parsberg, 1981

Partei ist im Verfassungsrecht die Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Parlament teilnehmen wollen, wenn sie nach dem Ge­samtbild der Verhältnisse eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bietet. Im Verfahrensrecht ist P., von wem und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird. Im Privatrecht ist P. des Schuldverhältnisses der Gläubiger und der Schuldner. Der Begriff der P. ist ansatzweise bereits im Altertum vorhanden (lat. [F.] factio), im Verfahrensrecht und im Schuldrecht stehen sich Parteien von Anfang an gegenüber. Als Fremdwort erscheint P. als Übernahme aus dem Altfranzösischen im Mittelhochdeutschen. In England sind um 1680 Tories und Whigs ne. parties, in Deutschland 1784. Die politische P., der seit dem 17. Jh. parteiähnliche Vorläufer (Ver­eine, z. B. Sprachgesellschaften, verstärkt seit der Mitte des 18. Jh.s z. B. patriotische Gesellschaften, Lesegesellschaften, Geheim­bün­de wie die Illuminaten, Freimaurer, Gold­kreuzer, Rosenkreuzer, politische Diskus­sions­kreise wie die Berliner Mittwochs­gesellschaft von 1783 oder studentische Reformbewegungen) vorausgehen, bestimmt seit dem 19. Jh. maßgeblich das öffentliche Leben (England Carlton Club 1832, Deutschland um 1848, Österreich Ende 19. Jh.s [nach dem Vereinsgesetz vom 15. 11. 1867]). Ab etwa 1860 werden die von 1832 bis 1848 verbotenen, 1848/1849 eine Zahl von 2000 mit vielleicht 800000 Mitgliedern erreichenden, danach aber für einige Zeit wieder zurücktretenden politischen Vereine als P. bezeichnet. Die wichtigsten politischen Parteien vertreten liberale, konservative, sozial­demokratische, kommunistische oder am Ende des 20. Jh.s öko­logische Ziel­setzungen.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 18 IV, 27 IV; Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 735; Bachem, K., Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1968; Mommsen, W., Deutsche Parteiprogramme, 1952; Deutsche Parteiprogramme 1861-1956, hg. v. Treue, W., 1954, 4. A. 1968; Bergsträßer, L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971; Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Brandt, D., Die politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1974; Ritter, G., Die deutschen Parteien 1830-1914, 1985; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, (in) Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey, 1986, 97; Lang, J. v., Die Partei, 1989; Lösche, P., Kleine Geschichte der deutschen Parteien, 2. A. 1994; Dittmer, L., Beamtenkonservatismus und Modernisie­rung, 1992; Fenske, H., Deutsche Parteiengeschichte, 1994; Soug, S., Politische Parteien und Verbände, 1996; Stein, K., Parteiverbote, 1999; Parteien im Wandel vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, hg. v. Dowe, D. u. a., 1999; Olzog, G., Die politischen Parteien, 25. A. 1999; Grießmer, A., Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen Reich, 2000; Stalmann, V., Die Partei Bismarcks, 2000; Alexander, M., Die freikonservative Partei 1890-1918; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Richter, L., Die Deutsche Volkspartei 1918-1933, 2002; Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2005

Parteibetrieb ist das Betreiben eines Verfahrens durch eine → Partei. Der Verfahrensgrundsatz des Parteibetriebs beherrscht das Verfahren von Anfang an. Vor allem im Strafverfahren ist der P. aber vom Amtsbetrieb weitgehend verdrängt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 201; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975

Parteieid ist der von der → Partei zu leistende Eid. Er ist ein problematisches Aussagebekräftigungsmittel. Dennoch findet er sich sowohl im römischen Recht wie auch im deutschen Recht. → Reinigungseid

Lit.: Kaser; Kroeschell, DRG 2; Cappelletti, M., La testimonianza della parte, 1962; Münks, A., Vom Parteieid zur Parteivernehmung, 1991

Parteivernehmung ist das seit 27. 10. 1933 zulässige Beweismittel der Vernehmung einer Partei im deutschen Zivilprozess.

Partenreederei ist die → Reederei, bei der das einzelne Schiff im anteiligen Eigentum mehrerer Reeder steht. Die P. wird im römischen Recht als (lat. [F.]) societas angesehen. Sie ist im Mittelalter allgemein verbreitet. Das → Consolat (N.) del Mar (Barcelona 1348) regelt sie sehr ausführlich. Besonders zum Ende des 19. Jh.s wird die P. überwiegend als Innengesellschaft betrieben, bei der nach außen nur einer der Reeder auftritt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die P. eine Gesellschaft, deren Gesellschaftsvermögen ein Schiff voraussetzt und deren Anteile (Parten) nach festen Quoten bemessen und grundsätzlich veräußerlich und vererblich sind. Diese Gesellschaft ist regelmäßig Außengesellschaft.

Lit.: Ruhwedel, E., Die Partenreederei, 1973

partilular, Adj., einen Teil (lat. [F.] pars) betreffend

Partikularismus ist der Zustand, in dem innerhalb eines Ganzen stets der kleineren Einheit der Vorzug gegeben wird.

Lit.: Rörig, F., Ursachen und Auswirkungen des deutschen Partikularismus, 1937

Partikularrecht (Wort 18. Jh.) ist das in einem beschränkten Bereich geltende Recht im Gegensatz zu einem allgemeinen Recht. Schon im Frühmittelalter stehen im fränkischen Reich die verschiedenen Volks­rechte (Franken, Sachsen, Alemannen, Bayern, Thüringer, Friesen, Langobarden us.) nebeneinander. Seit dem Hochmit­telalter werden sie allgemein durch zahlreiche Landrechte, Stadtrechte und auch Dorfrechte abgelöst. 1495 stellt die Reichskammerge­richts­ordnung den (einheitlichen) gemeinen Rechten des Reiches die (grundsätzlich vorrangigen, aber beweisbedürftigen, unter­schiedlichen) redlichen, ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der (zahlreichen) Fürsten­tümer, Herrschaften und Gerichte gegenüber. Seit dem 17. Jh. versucht die Wissenschaft, das einheimische P. zu einem gemeinen deutschen (Privat-)Recht zusammenzufassen, das sich aber weder gegenüber dem P. noch gegenüber dem gemeinen (römischen) Recht durchzusetzen vermag. Am Ende des 19. Jh.s gilt für etwa 20 Millionen Deutsche das Allgemeine Landrecht Preußens, für etwa 17 Millionen das gemeine Recht, für etwa 8 Millionen das französische Recht (Code civil), für etwa 3,5 Millionen das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens und für weniger als 0,5 Millionen sonstiges Recht. Seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das P. im Bereich des bürgerlichen Rechts bis auf geringe Reste zugunsten einer neuen Rechtseinheit beseitigt (ähnlich im Strafrecht, Strafprozess­recht und Zivilprozessrecht), doch besteht das Grundproblem auf europäi­scher Ebene fort.

Lit.: Köbler, DRG 137; Nahmer, W. v. d., Handbuch des rheinischen Partikularrechts, Bd. 1ff. 1831ff.; Bluhme, F., Übersicht der in Deutschland geltenden Rechtsquellen, 3. A. 1863, 162; Deutsche Rechts- und Gerichtskarte 1896, Neudruck 1996; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 189; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 586; Kroeschell, K., Universales und partikulares Recht, (in) Vom nationalen zum transnationalen Recht, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1995, 265; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002

Partnerschaft ist eine seit 1994 zulässige registerfähige Gesellschaft für die gemeinsame Berufsausübung mehrerer freiberuflich tätiger Menschen (z. B. Rechts­anwälte).

Lit.: Seibert, Die Partnerschaft, 1994

Partnership Act (1980) ist das das Gesellschaftsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechts.

Partsch, Joseph (Breslau 2. 9. 1882-Berlin 30. 3. 1925), Sohn eines Geographen, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Genf, Breslau und Leipzig (Mitteis, Strohal) 1906 außerordentlicher Professor in Genf, 1910 Professor in Göttingen, 1911 in Freiburg im Breisgau, 1920 in Bonn und 1921 ordentlicher Professor in Berlin. Wissenschaftlich widmet er sich unterschiedlichen Gegenständen der Rechtsgeschichte des Altertums.

Lit.: Lenel, O., Josef Partsch, ZRG RA 45 (1925), V

pascuarium (lat. [N.]) Weideabgabe

Pass ist die zum Ausweis eines Menschen bei Einreise, Ausreise und Aufenthalt im Ausland grundsätzlich erforderliche öffentliche Urkunde. Der P. ist dem Altertum und dem Mittelalter im Ansatz bekannt (746 König Ratchis der Langobarden mit persönlichem Brief für fremde Reisende). Seit dem Hochmittelalter gewinnt er mit der Territorialisierung des Rechtes an Bedeutung. Besonders gefördert wird der P. in Frankreich (1464 passeport für Briefboten, später auch Soldaten), wo er seit 1791 ausgebaut und mit Passzwang versehen wird. Seit 1815 ist auch im Deutschen Bund im Gegensatz etwa zu England der P. rechtstatsächlich nahezu unabdingbar. Seit dem ersten Weltkrieg herrscht allgemein Passzwang, doch wirkt die europäische Einigungsbe­wegung erneut auf Beseitigung der damit verursachten Ein­schränkungen hin (u. a. Abkommen von Schengen). Der Inhaber eines Passes steht im Ausland unter diplomatischem und konsularischem Schutz. Daneben ist Pass auch der Übergang über ein Gebirge.

Lit.: Hübner § 11; Laur-Belart, R., Studien zur Eröffnungsgeschichte des Gotthardpasses, 1924; Krause, J., Das deutsche Passrecht, 1925; Medert, K./Süßmuth, W., Pass- und Personalausweisrecht, 2. A. 1992; Fahrmeir, A., Citizens and Aliens, 2000; Fahrmeir, A., Passwesen und Staatsbildung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, HZ 271 (2000), 57; Groebner, V., Der Schein der Person, 2004

Passau

Lit.: Maidhof, A., Das Passauer Stadtrecht, 1927; Maidhof, A., Das Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358; Veit, L., Passau. Das Hochstift, 1978; Breinbauer, J., Otto von Lonsdorf, 1992; Passau in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Becker, W., 1999; Passau – Quellen zur Stadtgeschichte, hg. v. Boshof, W. u. a., 2004; Knorring, M. v., Die Hochstiftspolitik des Passauer Bischofs Wolfgang von Salm, 2006

Pasukanis, Evgenij Bronislavovic (1881-1937) ist einer der Begründer der sowjetischen Rechtstheorie (Allgemeine Rechtstheorie und Marxismus, 1924). Er vertieft die Ansicht, dass das bürgerliche Recht mit der bürgerlichen Gesellschaft absterbe. Bereits 1931 muss er sich wegen der Notwendigkeit von Gesetzen auch im Sowjetstaat hiervon lossagen. 1937 wird er als Volksschädling beseitigt.

Lit.: Law and Marxism, hg. v. Arthur, C., 1978; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972, 194

Pataria ist eine in Mailand, Cremona, Piacenza und Brescia im dritten Viertel des 11. Jh.s bedeutsame religiös-soziale, die Entwicklung zur Stadtgemeinde beschleunigende Reformbe­wegung.

Lit.: Violante, C., La pataria milanese, 1955; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973, 321; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001

Pate ist der den kindlichen Täufling der christlichen Kirche vertretende, neben den Eltern stehende erwachsene Christ. Nach älteren Anfängen wird er seit dem 3. Jh. bedeutsam.

Lit.: Dick, E., Das Pateninstitut, Z. f. kath. Theologie 63 (1939), 1; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Jussen, B., Patenschaft und Adoption, 1991

Patent ist allgemein der offene Brief und seit dem 19. Jh. das einem Erfinder bzw. dem für ihn wirtschaftlich tätigen Verwerter (z. B. Verleger) (durch eine solche Urkunde) vom Staat ausschließlich erteilte, zeitlich (auf 20 Jahre) begrenzte Recht, eine Erfindung gewerbsmäßig zu nutzen. Die ersten Ansätze hierzu erscheinen im Spätmittelalter (König Edward III. von England [1327-1377] zugunsten des flämischen Webers Johann Kempe, Venedig 1469). Seitdem erteilen Landesherren Schutzprivilegien für Erfindungen. In Venedig begegnet bereits 1474 in Verfestigung des gewohnheits­rechtlichen Zustandes das erste Patentgesetz, das Neuheit, Ausführbarkeit und Nützlichkeit der Erfindung voraussetzt und zeitlich befristeten Schutz gegen unerlaubte Nachahmung gewährt. 1623/4 lässt das englische Statute of Monopolies zeitlich befristete Ausnahmen vom Monopolverbot für Privilegien bzw. Patente zu. In Frankreich wird nach Aufhebung des Privilegienwesens (1789) 1791 ein vom → geistigen Eigentum des Erfinders ausgehendes Patentgesetz erlassen, in den deutschen Staaten seit 1820 (Österreich, Bayern 1825, Württemberg 1828). Im Deutschen Reich wird 1877 ein erstes Patengesetz und 1891 ein verbessertes Patentgesetz geschaffen. Damit wird das Privilegienwesen endgültig abgelöst. 1903 tritt das Deutsche Reich der Pariser Verbandsübereinkunft bei. 1973 wird eine europäische Übereinkunft über die Erteilung europäischer Patente erreicht, auf deren Grundlage in München 1977 ein europäisches Patentamt errichtet wird.

Lit.: Wehr, J., Die Anfänge des Patentwesens in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1936; Zycha, A., Beiträge zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 62 (1942), 295; Berkenfeld, E., Das älteste Patentgesetz der Welt, GRUR 1949, 139; Silberstein, M., Erfindungsschutz und merkantilistische Gewerbeprivilegien, 1961; Heß, G., Die Vorarbeiten zum deutschen Patentgesetz, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Beier, F., Gewerbefreiheit und Patentschutz, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 183; Öhlschlegel, H., Das Bergrecht als Ursprung des Patentrechts, 1978; Hundert Jahre Patentamt, 1977; Wadle, E., Gewerbliche Schutzrechte und Unternehmens­organisation, (in) Recht und Entwicklung der Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979, 343; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4067; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Kinkeldey, M., Der Ausschluss der Juden aus der Patentanwaltschaft, 1998; Feldmann, K., Die Geschichte des französischen Patentrechts und sein Einfluss auf Deutschland, 1998; Patentschutz und Innovation, hg. v. Boch, R., 1999; Gehm, M., Das Patentwesen in der bayerischen Pfalz, ZRG GA 120 (2003), 216; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Seckelmann, M., Industrialisierung, Internationalisie­rung und Patentrecht im deutschen Reich 1871-1914, 2006; Heppe, R. v., Patentverletzungen, 2007; Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008; Mächtel, F., Das Patentrecht im Krieg, 2009

pater (lat. [M.]) Vater (im römischen Recht grundsätzlich der, den die Ehe mit der Mutter als solchen ausweist)

Pater (M.) familias ist im römischen Recht der Hausvater, der über das eheliche Kind, das eheliche Kind des Sohnes usw., die Frau und den aufgenommenen gewaltfreien Haus­fremden die im privaten Bereich bedeutsame Hausgewalt (lat. potestas [F.]) hat.

Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I, 60; Söllner §§ 4, 5, 8, 12; Köbler, DRG 21

Paternalismus (M.) auf das Wohl eines anderen auch gegen dessen Willen gerichtetes Verhalten

Lit.: Gutmann, T., Paternalismus – eine Tradition deutschen Rechtsdenkens?, ZRG GA 122 (2005), 150; Grenzen des Paternalismus, hg. v. Fateh-Moghadeam, B., 2008

Pater semper incertus (lat.). Der Vater ist immer ungewiss. → mater semper certa est

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Patria potestas (lat. [F.]) ist die im altrömischen Recht nahezu unbeschränkte Hausgewalt des (lat.) → pater (M.) familias über Kinder und Frau ([lat.] in manu), die einer Frau nicht zugänglich ist Die der p. p. unterstehenden Menschen sind vermögensun­fähig und erwerben Besitz und Eigentum für den pater familias, der seinerseits für rechts­geschäftliche und deliktische Verpflich­tungen haftet (z. B. Noxalhaftung).. Die p. p. istrechtlich weitgehend uneingeschränkt, unterliegt aber der Aufsicht der Zensoren. Die p. p. schwächt sich allmählich ab. Seit dem Spätmittelalter wird sie in dieser veränderten Form im Heiligen Römischen Reich allmählich aufgenommen und mit dem heimischen Recht verschmolzen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) teilt in unterschiedlicher Ausgestaltung beiden Eltern die elterliche Gewalt zu.

Lit.: Kaser §§ 4 I 1, 58 IV 2, 60; Hübner; Thomas, A., Die Anschauungen der Naturrechtslehrer über die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern, Diss. jur. Rostock 1915; Wacke, A., „Elterliche Sorge“, FamRZ 27 (1980), 205

Patriarchat ist die von den Anfängen bis in das 20. Jh. erkennbare Vorrangstellung von Vätern bzw. Männern im Familienrecht im Gegensatz zum → Matriarchat und der partnerschaftlichen Gleichberechtigung. Im Kirchenrecht ist P. ein kirchenrechtliches Zuständigkeitsgebiet (z. B. des Patriarchen von Antiochia, Alexandria, Jerusalem, Kon­stan­­tinopel, Rom).

Lit.: Mitterauer, M./Sieder, R., Vom Patriarchat zur Partnerschaft, 2. A. 1980; Lerner, G., Die Entstehung des Patriarchats, 1991; Schweizer, C., Hierarchie und Organisation, 1991

Patricius (lat. [M.] Väterlicher) ist seit dem frühen 4. Jh. (Kaiser Konstantin) ein römischer Ehrentitel, der bis zum 12. Jh. begegnet.

Lit.: Weyl, R., Bemerkungen über das fränkische Patrizieramt, ZRG GA 17 (1896), 85; Heil, W., Der konstantinische Patriziat, 1966; Winkelmann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985

Patrimonialgerichtsbarkeit (Bezeichnung 18. Jh.) ist die sich schon im Mittelalter allmählich entwickelnde, dem Gerichtsherrn unverzügliche Vollstrec­kung eigener Forderungen gegenüber Eingesessenen er­mög­lichende Gerichtsbarkeit des → Grund­herrn (in bürgerlichen Angelegenheiten, einfacheren Straffällen, Polizeiangelegen­heiten und Steuerangelegenheiten , die durch Verleihung von Gerichtsrechten seitens der Landesherrn zustande kommt. Gegen sie (1837 in Preußen 6597 Patrimonialgerichte mit 3,28 Millionen Gerichtszugehörigen = 23,9 Prozent der Bevölkerung, 970 an preußischen Patrimo­nialgerichten tätige Juristen, 1849 Patrimonialrichter) richtet sich trotz ihrer (geringfügigen) Kostengünstigkeit der politi­sche Liberalismus des 19. Jh.s. Nach zahlreichen kleineren Veränderungen (Einführung obergerichtlicher Approbation für Justiziare, Durchsetzung ihrer Unkünd­barkeit, Besoldung mit festem Gehalt, Ab­schaffung der Kammerjustiz, Einglie­derung in den Instanzen­zug, Zunahme der Visitationen) verschwindet sie seit 1848 ganz (Österreich 1848, Preußen 2. 1. 1849 bzw. 1851, zuletzt 1879 in Mecklenburg, Lippe und in der Grafschaft Schönburg in Sachsen).

Lit.: Wachsmuth, C., Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonialgerichtsverfassung, 1808; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungs­rechts, 1954; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Werthmann, S., Vom Ende der Patrimonial­gerichts­barkeit, 1995; Thauer, J., Gerichtspraxis in der ländlichen Gesellschaft, 2001; Wienfort, M., Patrimonialgerichte in Preußen, 2001

patrimonium (lat. [N.]) Erbgut, Gut

Lit.: Kaser §§ 18 I 1, 30 I 2; Köbler, DRG 36; Köbler, LAW

Patriziat ist die Gesamtheit der Angehörigen der römischen und der mittelalterlich-städtischen Oberschicht.

Lit.: Roth v. Schreckenstein, K. Frhr. v., Das Patriziat in den deutschen Städten, 1856, Neudruck 1970; Keller, S., Patriziat und Geschlechterherrschaft in der Reichsstadt Lindau, 1908; Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Klocke, F. v., Das Patriziatsproblem und die Werler Erbsälzer, 1965; Deutsches Patriziat 1433-1740, hg. v. Rössler, H., 1968; Heers, J., La ville au Moyen Age, 1990

Patrizier ist im altrömischen Recht der Angehörige einer durch Vermögen und Ansehen gekennzeichneten Familie im Gegensatz zum Plebejer. Seit dem 16. Jh. versteht man unter P. auch den Angehörigen der eine Oberschicht der (mittelalterlichen) Stadt bildenden regierenden Familien. Diese Oberschicht entsteht aus Ministerialen des Stadtherrn, aus Kaufleuten und teilweise auch aus aufsteigenden Handwerkern. Mit dem Ausgang des Mittelalters ist das → Patriziat weitgehend abgeschlossen. In verschiedenen Städten wie z. B. Frankfurt am Main sondert es sich vom Handel ab und nähert sich dem Adel auf dem Land an. Es vermag sich seine Vorrechte bis in das 19. Jh. zu erhalten.

Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 7; Kroeschell, DRG 2; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Dreher, A., Das Patriziat der Reichsstadt Ravensburg, 1966; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Deutsches Patriziat, hg. v. Rössler, H., 1968; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Bechtold, D., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981; Körner, H., Frankfurter Patrizier, 2003

patrocinium (lat. [N.]) Schutzpflicht z. B. des früheren Herrn gegenüber einem früheren Sklaven oder eines Heiligen gegenüber einer Kirche

Lit.: Beck, M., Die Patrozinien der ältesten Landkirchen im Archidiakonat Zürichgau, 1933

Patron (lat. [M.] patronus) ist im römischen Recht der Schutzherr eines Freigelassenen, dem gewisse Rechte auch nach der Freilassung zustehen, im Kirchenrecht der die Kirche schützende Heilige.

Lit.: Kaser § 4 1b; Söllner §§ 4, 5, 12; Brown, P., Die Heiligenverehrung, 1991

Patronat ist die Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Schutzherrn einer meist auf dessen Grund und Boden gebauten mittelalterlich-frühneuzeitlichen Kirche in Bezug auf diese. Das P. entsteht im 12./13. Jh. aus der Ablehnung des Laieneigentums an Kirchen in der kirchlichen Reformbewegung des 11. Jh.s. Seitdem ist die Fürsorge für die Kirche entscheidend. Der Patron hat ein Vorschlagsrecht für das vom Bischof verliehene geistliche Amt. Das P. wirkt sich in Form der Kirchenbaulast bis in die Gegenwart aus. Seit dem (lat.) Codex (M.) iuris canonici (1917) können neue Patronate nicht mehr entstehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wahrmund, L., Das Kirchenpatronatsrecht, Bd. 1f. 1894ff.; Gilgen, H. zur, Das Patronatsrecht im Kanton Luzern, 1923; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 3. A. 1972; Landau, P., Jus patronatus, 1975; Church and Society in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Landau, P., Patronat, Theologische Realenzyklopädie, Bd. 26 1996, 106

Patrozinium ist im Kirchenrecht seit dem 4. Jh. das Schutzverhältnis eines Heiligen (z. B. → Martin) zu einer einzelnen, später meist nach ihm benannten Kirche. Das P. lässt für quellenarme Zeiten Rückschlüsse auf die Zeit oder auf andere Umstände der Entstehung einer Kirche zu.

Lit.: Deinhardt, W., Patrozinienkunde, Hist. Jb. 56 (1936), 174; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Prinz, F., Askese und Kultur, 1980, 75

Paulskirche in Frankfurt am Main ist der Ort der deutschen, aus Wahlen hervorgegangenen  Nationalversammlung von 1848/9 (18. 5. 1848-28. 4. bzw. 31. 5. 1849). Hier wird eine formelle → Verfassung be­schlossen, die aber nicht in die Rechtswirk­lichkeit umgesetzt zu werden vermag.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955), 359; Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Wollstein, G., Das „Großdeutschland“ der Paulskirche, 1977; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche, 1978; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998; Bert, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten, 1996; Jansen, C., Einheit, Macht und Freiheit, 1999

Paulskirchenverfasssung ist die von der in der Frankfurter Paulskirche tagenden verfassunggebenden Nationalversammlung beschlossene Verfassung. Sie enthält einen am 27. 12. 1848 verabschiedeten Katalog der Grundrechte (Reichsbürgerrecht, Unverletz­lichkeit, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, Gewerbefreiheit, Berufs­freiheit, Lehrfreiheit, Wissenschaftsfreiheit, Vereinsfreiheit, Petitionsrecht, Eigentums­schutz, Wohnungsschutz, Schwurgericht). Der organisatorische Teil vom 27. 3. 1849 sieht einen Bundesstaat mit einem erblichen Kaiser (am 3. 4. 1849 Annahme vom König von Preußen abgelehnt) und einen Reichtstag mit Staatenhaus und Volkshaus vor.

Lit.: Köbler, DRG 194; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998

Paulus, Iulius (3. Jh. [† 222-235]), ein Schüler des Cervidius Scaevola, erscheint zuerst als Advokat, dann (neben → Ulpian) als Assessor des Gardepräfekten → Papinianus und als Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und Mitglied des kaiserlichen Rates. Seiner sammelnden, sichtenden und einheitlich darstellenden, oft eigene Ansichten äußernden Tätigkeit werden 86 Titel mit 305 bzw. 320 Büchern zugeschrieben, von denen Kommentare zum prätorischen Edikt (80 Bücher), zu den drei Büchern Zivilrecht des Sabinus (16 Bücher), Responsen (23 Bücher) und Quaestionen (26 Bücher) die wichtigsten sind. Nicht von ihm stammen die sog. → Paulussentenzen. P. ist einer der fünf Zitierjuristen des Zitiergesetzes (426). Die → Digesten bestehen zu einem Sechstel aus (mehr als 2000) Auszügen aus seinen Werken.

Lit.: Söllner §§ 15, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechts­wissenschaft, 1961; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Schmidt-Ott, J., Pauli Quaestiones, 1993; Spengler, H., Dogmatik, Systematik, Polemik, 2000

Paulus de Castro (Castro westlich des Lago de Bolsena 1360/1362-20. 7. 1441) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia (Baldus) und Pavia Professor in Avignon, Siena, Florenz, Bologna und Padua. Von ihm stammen Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie viele Gutachten.

Lit.: Lange, H., Die Rechtsquellenlehre in den Consilien Paul de Castros, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 421; Romano, A., La giurisprudenza consulente e Paolo di Castro, (in) Rivista di storia del diritto italiano 61 (1988), 141; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 813

Paulussentenzen (lat. Pauli sententiae [F.Pl.]) sind eine im späten 3. Jh. oder im 4. Jh. entstandene, dem Juristen → Paulus fälschlich zugeschriebene, aber aus seinen Werken hervorgehende einflussreiche frühnachklassische Juristenschrift in fünf Büchern, von der Bruchstücke vor allem in den → Digesten Justinians und in der (lat.) → Lex (F.) Romana Visigothorum erhalten sind.

Lit.: Kaser § 2 II 5a; Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2 a; Kaser, M./Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956

pauperies (lat. [F.]) Armut, der von einem vierfüßigen Tier verursachte Schaden

Pauperismus ist die Bezeichnung für die im späteren 18. Jh. aus dem Bevölkerungs­wachstum bei stagnierender Wirtschaft infolge kräftiger Preissteigerungen bei geringer Reallohnzunahme entstehende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.

Lit.: Köbler, DRG 135; Matz, K., Pauperismus und Bevölkerung, 1980; Labande, E., Pauper et peregrinus, 2004

Pavia am Tessin wird nach Umbenennung aus Ticinum 572 von den Langobarden erobert und allmählich zur Hauptstadt des langobardischen Reiches gemacht. Vielleicht aus einer Schule der freien Künste (825) entwickelt sich eine spärlich bezeugte Rechtsschule, in der (lat.) → Liber (M.) Papiensis (11. Jh.), (lat. [F.]) → Lombarda (Ende 11. Jh.) und (lat.) Expositio (F.) ad librum papiensem (Erläuterung zum Pavianer Buch) um 1100) entstehen, die aber die rechtswissenschaftliche Tätigkeit in → Bologna kaum beeinflusst. 1356 gelangt P. an Mailand. 1361 wird eine Universität errichtet. 1393 werden 1470 überarbeitete (lat.) Statuta (N.Pl.) regiminis potestatis Papiensis (Statuten der Herrschaft in Pavia) aufge­zeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Storia della Università di Pavia, 1925; Vaccari, P., Pavia, 1956; Vaccari, P., Storia della università di Pavia, 2. A. 1957; Zorzoli, M., Le tesi legali all’ università di Pavia, 1980; Storia di Pavia, 1987ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 34

pax (lat. [F.]) Friede, → Gottesfriede, Landfriede

pax (F.) Dei (lat.) Friede Gottes

pecia (lat. [F.]) Handschriftenteil als Schreibvorlage im 12.-14. Jh.

Lit.: Destrez, J., La pecia, 1935; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 67,153

Peculium (lat. [N.], Kleintierherde) ist schon im altrömischen Recht das vom Herrn eines Sklaven diesem zur tatsächlichen Bewirt­schaftung überlassene oder vom Gewaltunter­worfenen selbst gewonnene Sondergut. Der Gewalthaber kann Besitz ohne eigenen Besitzwillen begründen und haftet für Geschäftsschulden bis zum Wert des p.

Lit.: Kaser §§ 11 II 1a, 12 III, 15 I 3, 49 II, 60; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Wesener, G., Peculia – bona adventicia – freies und unfreies Kindesgut, (in) Iuris vincula Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393

pecunia (lat. [F.]) Geld

Lit.: Kaser § 32 II 2b; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983

peer (engl., zu lat. par, gleich) Adliger, Lord (14. Jh.)

peinlich (zu lat. [F.] poena, Strafe) die Strafe vor allem an Leben und Leib betreffend, z. B. peinliche Frage im Inquisitionsverfahren

Lit.: Köbler, DRG 115, 119; Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1800; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273

Peinliche Gerichtsordnung Karls V. → Constitutio Criminalis Carolina

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138, 156, 158; Meier, A., Die Geltung der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V., 1929; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288

Peira, Pira (griech. [F.], Erprobung, Unternehmen, Kenntnis) ist ein zu Beginn des 11. Jh.s entstandenes, aus 75 unsystema­tischen Titeln gebildetes praktisches Lehr­buch des byzantinischen Rechtes. Die P. beruht teilweise auf Gutachten, Urteilen und Abhandlungen des Richters am byzantini­schen Hofgericht Eustathios Rhomaios, die sein Sekretär verarbeitet (lat. Practica [F.] ex actis Eustathii Romani, Praktisches aus den Akten des Eustathius Rhomaius). Sie ist noch im 14. Jh. (→ Harmenopulos) bekannt.

Lit.: Oikonomides, N., The Peira of Eustathios Rhomaios, (in) Fontes minores, hg. v. Simon, D., 7 1986, 169; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006

Peloponnes ist die griechische Halbinsel südlich der Landenge von Korinth. In griechischer Zeit sind Argos, Korinth und Sparta die wichtigsten Orte. 395 n. Chr. wird der P. Teil Ostroms, in der ersten Hälfte des 15. Jh.s fällt er weitgehend an die Osmanen, gegen die 1821 ein Unabhängigkeitskrieg beginnt. → Griechenland

Pene → lat. (F.) poena

Pension (F.) Ruhegehalt des Beamten, Unterkunft

Pepo (2. Hälfte des 11. Jh.s) ist ein nicht näher bekannter Vorläufer des Irnerius in Bologna.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 151

per aes et libram (lat.) mit Kupfer und Waage, → Manzipation, mancipatio

Lit.: Kaser § 7 I 3; Söllner § 8

Perduellio (lat. [M.]), arger Krieg, ist im altrömischen Recht der mit einer öffentlichen Strafe belegte Landesverrat bzw. Volksverrat.

Lit.: Köbler, DRG 20, 31; Söllner § 8

peregrinus (lat. [M.]) Fremder, Peregrine, Nichtrömer, nicht römischer Bürger, bedeutngslos ab 212 n. Chr.

Perestroika (russ.) Umbau (1985-1990 in der Sowjetunion)

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Modrow, H., Die Perestroika, 1998

Pergament ist die abgeschabte Tierhaut als Beschreibstoff vor allem im frühen und hohen Mittelalter (ältestes erhaltenes Exemplar 3./2. Jh. v. Chr.). Das P. verdrängt seit dem Frühmittelalter den Papyrus und unterliegt seinerseits seit dem 11. Jh. dem Papier.

Lit.: Pergament, hg. v. Rück, P., 1991

Periculum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Gefahr der Tragung eines Verlustes. Insbesondere trägt der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache nach Vertragsabschluss (bzw. Perfektion), so dass er zahlen muss, auch wenn er nichts erhält.

Lit.: Kaser §§ 34 III 2, 41 IV, 42 II 2, 62 IV 4; Köbler, DRG 46; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998

Periculum est emptoris (lat.). Die Preisgefahr trägt der Käufer.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 170-um 230, Digesten 18, 6, 8, pr.)

Perneder, Andreas (Ried um 1499-München 1543) wird nach dem Rechtsstudium in Ingolstadt Richter und Rat in München. Sein Versuch eines großen praktischen Handbuches des geltenden Rechts ist nicht ganz vollendet. Dazu gehören deutsche (F.Pl.) Institutiones (unter Berücksichtigung des deutschen allgemeinen Rechts, des bay­erischen Landrechts und der Stadtrechts­reformationen von Nürnberg, Worms und Freiburg im Breisgau), Gericht­licher Prozess, Lehenrecht, Von straff und Peen und schließlich (lat.) Summa (F.) Rolandina (Be­arbeitung der Summa artis notariae des Rolandus Passagerii). Sie werden anscheinend 16mal aufgelegt. Dennoch unterliegen sie letztlich der lateinisch bleibenden Rechts­literatur.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 172; Söllner, A., Die Literatur zum gemeinen und partikularen Recht, (in) Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977, 556; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungs­lehre der Rezeptionszeit, 1977, 167

Perpetuatio (F.) obligationis ist im römischen Recht die noch von den Juristen des 1. Jh.s entwickelte Fiktion der Fortdauer einer Verbindlichkeit trotz Unterganges der geschuldeten bestimmten Sache für den Zeitpunkt der (lat.) litis contestatio (F.).

Lit.: Kaser § 37 I, II

Perser ist der Angehörige des persisch sprechenden, aus den Indogermanen hervorgegangenen, westlich Indiens ansässigen Volkes.

Lit.: Winter, E./Dignas, B., Rom und das Perserreich. 2001; Klinkott, H., Der Satrap, 2005; Baykal, H., Vom Perserreich zum Iran, 2007

Person ist, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Seit neben dem Menschen auch weitere Träger von Rechten und Pflichten anerkannt werden, entwickelt sich P. zu einem Oberbegriff sowohl des Menschen als der natürlichen P. wie auch der juristischen P. In diesem Sinn spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat. [F.]) persona ficta (erdachten P.) der (lat. [F.]) → universitas, die aber noch keine vollständige P. ist. Im 16. Jh. entsteht aus lateinisch persona der allgemeine Begriff der P.

Lit.: Kaser § 13 I; Hübner; Köbler, DRG 121; Coing, H., Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962; Watson, A., The Law of Persons, 1967; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Der beurkundete Mensch, hg. v. Füchtner, H., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Ueberschär, E., Die Entwicklung der bürgerlichen Rechtsperson, Diss. jur. Jena 1993; Kobusch, T., Die Entdeckung der Person, 1993

persona (lat. [F.]) Person

Personalarrest ist die vorläufige Festnahme eines Menschen zur vorläufigen Sicherung einer gefährdeten Vollstreckung in das Vermögen. Der P. als ein Fall des → Arrestes entwickelt sich aus dem Handhaftverfahren. Er wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. In der Gegenwart ist der P. statthaft, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass die Zwangsvollstreckung in vorhandenes Vermö­gen gefährdet wird.

Lit.: Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922, 25

Personalfolium ist das über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, geführte gemeinschaftliche Grundbuchblatt. Es ist gegenüber anderen Grundsätzen der Grundbuchführung (-.> Realfolium) die Ausnahme.

Lit.: Hübner 235

Personalitätsprinzip ist der auf personale Merkmale im Gegensatz beispielsweise zu territorialen Gegebenheiten abstellende Grundsatz. Das P. gilt im römischen Recht, doch unterstehen die Rechtsbeziehungen zwischen Römern und Fremden, zwischen Fremden verschiedener Völker und zwischen den Abkömmlingen unterworfener Völker (lat. [M.Pl.] dediticii) dem römischen (lat.) ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Vielleicht bei den Germanen, jedenfalls im Frühmittelalter gilt ebenfalls meist das P. (der → Volksrechte). Seit dem 12. Jh. wird dieses aber zunehmend vom Grundsatz der Territorialität (der → Landrechte) abgelöst. Es wirkt jedoch im Personalstatut des internationalen Privatrechts fort.

Lit.: Kaser § 3 III 2a; Söllner §§ 18, 25; Kroeschell, DRG 1; Stouff, L., Ètude sur le principe de la personnalité des lois, 1894; Schönbauer, E., Studien zum Personalitätsprinzip im antiken Recht, ZRG RA 49 (1929), 345; Gualazzini, U., La fine della personalità della legge nel cremonese, Bollettino storico cremonese 2, 1, (1931), 94; Gutermann, S., The Principle of the Personality of Law, University of Miami Law Review 21 (1966), 259; Köbler, G., Land und Landrecht im Frühmittelalter, ZRG GA 86 (1969), 2, 30; Guterman, S., The Principle of the Personality of Law, 1990

Personalkredit ist das personal gesicherte Darlehen. Die Sicherung durch einen → Bürgen oder durch → Einlager reicht dabei weit zurück. Eine starke Belebung erfährt der P. seit dem 19. Jh.

Lit.: Les suretés personelles, Recueils de la société Jean Bodin 29ff. 1971ff.

personal property (N.) Fahrnis, bewegliche Sache

Personalservitut ist die nur einer bestimmten Person zustehende persönliche, mit dem Tod des Berechtigten endende  → Dienstbarkeit (beschränktes dingliches Recht z. B. Ge­brauch [usus], Woh­nung [habitatio] oder Gebrauch und Fruchtziehung [usus­fructus] im Gegensatz zum Realservitut (Grunddienst­barkeit). Im Allgemeinen Bürgerlichen Ge­setzbuch Österreichs (1811) wird auch die unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit anerkannt (§ 479 ABGB), im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090ff. BGB).

Lit.: Kaser §§ 28 I 1, 29 I

Personalunion ist die (rechtlich zufällige, seit dem 18. Jh. als solche erkannte) politische Verbindung zweier oder mehrerer monar­chischer, rechtlich von einander unabhängiger selbständiger → Staaten unter einem Herr­scher (z. B Spanien/Heiliges römisches Reich 1519-1556, Sachsen/Polen 1697-1763, Groß­brit­an­nien/Hannover 1714-1837, Niederlan­de/­Luxemburg 1815-1890, Preu­ßen/­Neuen­burg 1707-1857). → Staats­lehre

Lit.: Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, 3. A. 1914, Neudruck 1959, 759; Lewy, H., Personalunion und Realunion, Diss. jur. Greifswald 1918; Favre, H., Neuenburgs Union mit Preußen, 1932

Personalvollstreckung ist die Vollstreckung in die Person des Schuldners. Sie ist im altrömischen Recht mit Hilfe der (lat.) → legisactio (F.) per manus iniectionem möglich (Verkauf über den Tiber). Tatsächlich findet auch Schuldknechtschaft zwecks Abarbeitung einer Schuld statt. Gegen die Zeitenwende wird die P. durch die Vermögensvoll­streckung zurückgedrängt. Die P. findet sich auch im Mittelalter. Erst 1868 wird die Schuldknechtschaft gesetzlich im Norddeut­schen Bund und in Österreich beseitigt.

Lit.: Kaser §§ 81 III 1, 85 II 2, 87 I 10; Köbler, DRG 20, 86; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004

Personenname ist der → Name einer → Person im Gegensatz z. B. zum Ortsnamen. Personennamen erscheinen (einnamig - mehrgliedrig) in den frühesten Quellen. Sie werden meistens durch die Eltern gegeben. Seit dem 3. Jh. v. Chr. werden in Rom drei Namen üblich (Vorname, Name, Geschlechts­name). Im deutschen Bereich tritt seit dem Hochmittelalter zum Namen ein Beiname (oder Familienname) hinzu. In Österreich wird 1776 die freie Namensänderung ausge_schlossen. Am Ende des 19. Jh.s wird in Deutschland das Namensrecht als Per­sönlichkeitsrecht erkannt. Der P. kann rechtlich bedeutsame Aufschlüsse bieten.

Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1 2. A. 1901, Neudruck 1966; Socin, A., Mittelhoch­deutsches Namenbuch, 1903, Neudruck 1966; Schön­feld, W., Wörterbuch der altgermanischen Personen- und Völkernamen 1911, 2. A. 1965; Lutz, O., Recht in Familiennamen, 1925; Leiß, L., Bayerische Fami­liennamen und Rechtsgeschichte, 1934; Bach, A., Deutsche Namenkunde, Teil 1 Bd 1f. 2. A. 1952f.; Scheffer-Erhardt, C., Alt-Nürnberger Namenbuch, 1959; Kaufmann, H., Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen, 1965; Geuenich, D., Die Personennamen der Klosterge­meinschaft von Fulda, 1976; Meyerholz, H., Bodenständige Familien in den Grafschaften Hoya und Diepholz, 1976; Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen, 1987; Sonderegger, S., Prinzipien germanischer Personennamengebung, (in) Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997, 1; Personennamen des Mittelalters, hg. v. d. Bayerischen Staatsbibliothek, 2. A. 2000 (Namensformen für 13000 Personen, 3500 Personennamen); Berger, E., Erwerb und Änderung des Familiennamens, 2002; Dictionnaire historique de l’anthroponymie romane (Patronymica Ro­manica) hg. v. Cano González, A. u. a., Bd. 1ff. 2003ff.

Personenrecht ist das die → Person be­treffende Recht im Gegensatz etwa zum → Sachenrecht (oder zum → Schuldrecht). Auf der Grundlage der griechischen Philosophie unterscheidet für das römische Recht nach Quintus Mucius Scaevola vor allem → Gaius (um 160 n. Chr.) zwischen (lat.) personae (F.Pl., Personen) und res (F.Pl., Sachen) sowie actiones (F.Pl., Klagansprüchen). Dem folgt man seit der Aufnahme des römischen Rechts im Spätmittelalter zunehmend. Erst im → Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 wird das P. aber einer der drei Teile der Kodifikation.

Lit.: Mühlpfort, W., Disputatio de iure personarum, 1611; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Quin, E., Personen­rech­te und Widerstandsrecht, 1999

Personenstandsgesetz von 6. 2. 1875 ist das im Kulturkampf die weltliche Zuständigkeit für das Personenstandswesen durchsetzende Gesetz des Deutschen Reiches.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 209; Schubert, W., Zur Vorgeschichte und Entstehung der Personenstandsgesetze, ZRG GA 97 (1908=, 43

Personenverband ist die zu einer Einheit tendierende Mehrheit von Menschen. Sie findet sich seit dem Altertum und dem Frühmittelalter. Sie bildet eine Vorform der → juristischen Person.

Lit.: Hübner 57, 121; Köbler DRG 36, 57, 238, 266

Persönlichkeitsmissachtung wird im klassischen römischen Recht als (lat. [F.]) → iniuria erfasst.

Lit.: Köbler, DRG 27

Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen gegenüber jedermann auf Achtung seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner einzelmenschlichen Besonderheit. Als besondere Persönlichkeitsrechte werden das Recht am Namen seit längerer Zeit und das Recht am eigenen Bild seit kürzerer Zeit (vgl. RGZ 45,170 zu zwei Fotografien Bismarcks auf dem Totenbett 1898) geschützt. 1954 an­er­kennt der Bundesgerichtshof der Bundes­republik Deutschland ein allgemeines P. (BGHZ 13, 334). Als seine geschichtlichen Vor­läufer können dabei Hugo Donellus (1590), die Naturrechtler und eine Minder­meinung des 19. Jh.s (Puchta, Gierke, Wind­scheid) angesehen werden. Seit 1999 anerkennt der Bundesgerichtshof Deutsch­lands die Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts (post­mor­tales Persönichkeitsrecht nach Marlene Dietrich).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206, 266, 271; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlich­keitsrechts, AcP 158 (1959/60), 503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts, 1962; Ham­precht, K., Persönlichkeitsrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1965; Herrmann, M., Der Schutz der Persönlichkeit, 1968; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1981; Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR 1982, 132; Coing, H., Die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte, (in) Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988, 75; Seifert, F., Postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts, NJW 1999, 1899; Klippel, D./Lies-Benachib, G., Der Schutz von Persönlichkeitsrechten um 1900, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 343; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002; Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004; Fischer, A., Die Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004; Martin, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, 2007

pertinentiae (lat. [F.Pl.]) Zubehörstücke

Perugia am oberen Tiber beruht auf dem etruskischen Perusia. 1549 kommt es an den Kirchenstaat, mit diesem 1870 an Italien (1861). Es ist Sitz einer Universität.

Lit.: Ermini, G., Storia della università di Perugia, 2. A. 1971; Valleranci, M., Il sistema giudiziario, 1991; Stader, I., Herrschaft durch Verflechtung, 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33

Peterspfennig ist die aus England seit dem 8. Jh. dem Papst als dem Nachfolger des Petrus geleistete Abgabe (Pfennig), die im Hochmittelalter und im Spätmittelalter auch in Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Polen und Ungarn entrichtet wird. Seit 1871 ist der P. eine freiwillige Spende der Bistümer.

Lit.: Jensen, O., Der englische Peterspfennig, 1903; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A., 1972, 307; Maschke, E., Der Peterspfennig in Polen, 2. A. 1980

Peter von Andlau (Andlau ? um 1420-Basel 5. 3. 1480) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Heidelberg (1439) und des Rechtes in Pavia (1443) nach der Promotion 1444 Kaplan in Basel und Leiter juristischer Disputationen (1450) sowie 1460 Professor (1471 Rektor). Mit dem 1460 erschienenen (lat.) Libellus (M.) de Cae­sarea monarchia (De imperio Romano, Büchlein über die kaiserliche Monarchie bzw. Über das römi­sche Reich) verfasst er unter kurialistischer Sicht die erste zusammen­hängende Dar­stellung des deutschen Staatsrechts (Entstehung und Funktion von Herrschaft und Regierung, Reiche des Altertums, Übergang der Herrschaft, Kur­fürsten, Adel, Reichstag, Kriegswesen, Pflich­ten des Kaisers, Pflichten gegenüber dem Kai­ser, Ende des römischen Reiches). Auf der Grundlage der Bibel, des gelehrten Rechtes, der Schriften Jordanus von Osnabrücks, Thomas von Aquins, Felix Hemmerlins und Enea Silvio Piccolominis sowie der Goldenen Bulle schlägt er Aufnahme des römischen Rechts durch engen Anschluss der Fürsten an den Kaiser und durch gelehrte Richter vor.

Lit.: Hürbin, J., Eine Ergänzung des „Libellus de Caesarea monarchia“ Peters von Andlau, ZRG GA 16 (1895), 41; Hürbin, J., Peter von Andlau, 1897; Hürbin, H., Die Quellen des „Libellus de Cesarea monarchia“, ZRG GA 18 (1897), 1; Scheffels, G., Peter von Andlau, Diss. phil. Berlin 1955; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1966; Peter von Andlau, Kaiser und Reich, hg. v. Müller, R., 1998

Petition ist seit dem frühen 19. Jh. die Bittschrift an eine amtliche Stelle. Ein Recht zu einer P. ist zunächst ein Recht des Parlamentes gegenüber dem Fürsten (Bayern 1818). Daneben erscheinen in England seit 1272 private Petitionen an das Parlament (rund 170000 erhalten, zunächst anglonor­mannisch, ab 1440 mittelenglisch) und kommt seit 1689 in England dem Einzelnen ein Recht zu, sich mit einer P. an den König, die Regierung, die Volksvertretung oder eine Behörde zu wenden, ohne dadurch Nachteile befürchten zu müssen. Hieraus wird im frühen 19. Jh. ein Mittel zur öffentlichen Erbringung politischer For­derungen, das die Reaktion seit 1819 zu unterdrücken versucht. 1848 wird das allgemeine Petititionsrecht verfassungsmäßig durchgesetzt.

Lit.: Becker, K., Die Entwicklung des Petitions- und Beschwerderechts, Diss. phil. Greifswald, 1913; Gisiger, W., Das Petitionsrecht in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Hoffmann, D., Das Petitionsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Pistottnik, K., Das Petitionsrecht, Diss. jur. Wien 1969; Kumpf, J., Petitionsrecht und öffentliche Meinung, 1983; Mohme, D., Das Petitionsrecht, 1992; Dodd, G., Justice and Grace, 2007; Medieval Petitions, hg. v. Ormrod, W. u. a., 2009

petitorisch (begehrend [aus dem Eigentum])

Lit.: Fiedler, A., Der petitorische Rechtsschutz, 1995

Petrus Crassus (2. Hälfte 11. Jh.) verteidigt in Ravenna Heinrich IV. 1084 in der (lat.) Defensio (F.) Heinrici IV. regis mit Hilfe des römischen Rechts gegen die Behauptung, dass der König sein Amt durch Wahl erlangen müsse.

Lit.: Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil. München 1934, 905

Petrus de Bellapertica (Pierre de Belleperche) (um 1250 geboren-Lucenay-les-Aix-Jan. 1308) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans um 1280 Professor, 1296 Bediensteter des Königs und 1306 Bischof von Auxerre sowie Kanzler von Frankreich. Überliefert sind von ihm vor allem Vorlesungen (lecturae), Repetitionen und Distinktionen.

Lit.: Feenstra, R., L’Ecole de droit d’Orléans, Revue d’histoire des Facultés de droit 13 (1992), 36; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 546

Petrus de Vinea (Capua vor 1190-San Miniato April 1249), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna 1221 Notar (?) und 1224 Richter Friedrichs II. Von ihm stammen die Novellenregeln der Konstitutionen von Melfi. Wahrscheinlich wegen Amtsmiss­brauchs wird er im März 1249 geblendet.

Lit.: Huillard-Bréholles, J., Vie et correspondance de Pierre de la Vigne, 1865, Neudruck 1966; Baethgen, F., Dante und Petrus de Vinea, 1955; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002

Petschaft (N.) Siegel

Pfaffenkind ist das von einem zur Ehelosigkeit verpflichteten Geistlichen er­zeug­te uneheliche KindKind.

Pfahl ist der festere, längere Holzstock. Pfählen ist im Spätmittelalter und in früher Neuzeit eine seltene, durch Durchbohren mit einem P. vollzogene Todesstrafe (z. B. CCC Art. 131 für Kindestötung).

Lit.: Baltl/Kocher; Brunner, H., Über die Strafe des Pfählens, ZRG GA 26 (1905), 258; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 499, Neudruck 1964; Meyer, H., Menschengestaltige Ahnenpfähle aus germanischer und indogermanischer Frühzeit, ZRG GA 58 (1938), 42

Pfahlbürger ist der außerhalb der Stadtmauer lebende, durch die Pfähle einer Vorstadtbefestigung geschützte (str.) Bürger der mittelalterlichen Stadt (1231/2). Da der P. die Rechte eines Bürgers beansprucht, entsteht vielfach Streit mit Landesherren. Mit Abschluss der Landesherrschaft verschwinden die P. wieder.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schmidt, M., Die Pfahlbürger, Z. f. Kulturgeschichte 9 (1902), 241; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Schröder, E., Pfahlbürger, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 52; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980

Pfählen ist eine mittels Durchbohrens des menschlichen Körpers mit einem hölzernen Pfahl vollzogene, an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit (z. B. in Art. 131 der Constiutito Criminals Carolina von 1532) sichtbare Art der Todesstrafe.

Lit.: Brunner, H., Über die Strafe des Pfählens im älteren deutschen Recht, ZRG GA 26 (1905), 258

Pfalz ist der Palast der Herrschers im Mittelalter. Die P. nimmt ihren Ausgang von dem Hügel Palatinus, auf dem in Rom das Haus des Prinzeps Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) steht. Seit dem Frühmittelalter beherrscht der fränkische bzw. deutsche König sein Reich durch Ziehen von P. zu P.

Lit.: Köbler, DRG 83; Buchner, M., Zur Interpretation des palatinus regalis aulae, ZRG GA 35 (1914), 441; Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Brühl, C., Palatium, Bd. 1f. 1975ff.; Die deutschen Königspfalzen, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.; Binding, G., Deutsche Königspfalzen, 1996; Orte der Herrschaft, hg. v. Ehlers, C., 2002; Splendor palatii, hg. v. Fenske, L. u. a., 2002

Pfalz ist das aus dem Herrschaftsgebiet des fränkischen Pfalzgrafen Lothringens nach der Belehnung Konrads von Staufen durch Kaiser Friedrich I. (1155/1156) entstehende Land am mittleren Rhein. Nach dem Übergang an die Wittelsbacher (1214) kommt 1329 die obere P. (Oberpfalz) zwischen Regensburg und Fichtelgebirge zur P. hinzu. 1945 wird die linksrheinische P. von Bayern getrennt und mit anderen Gebieten zu → Rheinland-Pfalz vereinigt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Häusser, L., Geschichte der rheinischen Pfalz, 1845; Lossen, R., Staat und Kirche in der Pfalz, 1907; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Pfalzatlas, hg v. Alter, W., Bd. 1 1964, 393; Karst, T., Das kurpfälzische Oberamt Neustadt an der Haardt, 1960; Cohn, H., The government of the Rhine Palatinate, 1965; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Press, V., Die Grundlagen der kurpfälzischen Herrschaft in der Oberpfalz, Verh. d. hist. Ver. Oberpfalz 117 (1977), 31; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Kern, B., Das Pfälzer Landrecht und die Landesordnung von 1582, ZRG GA 100 (1983), 274; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1985; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Schaab, M., Geschichte der Kurpfalz, 1988; Lenz, R., Kellerei und Unteramt Dilsberg, 1989; Rose, M., Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert 1994; Kurpfalz, hg. v. Schweickert, A., 1997; Kohnle, A., Kleine Geschichte der Kurpfalz, 2005; Martin, M., Pfalz und Frankreich, 2008

Pfalzgraf ist ein Titel im fränkisch-deutschen Reich im Mittelalter und in der Frühneuzeit. Zuerst wird ein (lat.) comes (M.) palatii bei Gregor von Tours genannt (577, 587, Diplom Chlodwigs II. vom 22. 6. 654), der vermutlich den Hof des Königs leitet, aber bald vom Hausmeier verdrängt wird. Als der Hausmeier 751 zum König aufsteigt, wird der P. wieder oberster Amtsträger in weltlichen Sachen und vertritt vor allem den König im Gericht. Seit dem frühen 9. Jh. erscheint ein (vom König eingesetzter) P. der einzelnen Völker oder Stämme (z. B. Sachsen, Bayern usw.), aus dem sich der P. bei Rhein (als P. des Herzogtums Lothringen) zum Landesherrn (der → Pfalz) und Kurfürsten (Reichsvikar, Vorsitz im Fürstengericht) entwickelt, während die Stellung und die Rechte der anderen Pfalzgrafen bereits im 10. Jh. weitgehend verlorengehen. Im Reich bleibt lange der → Hofpfalzgraf.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Meyer, H. E., Die Pfalzgrafen der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 42 (1921), 380; Litzel, M., Der Ursprung der deutschen Pfalzgrafschaften, ZRG GA 49 (1929), 233; Gerstner, R., Die Geschichte der lothringischen und rheinischen Pfalzgrafschaft, 1942; Arndt, J., Hofpfalzgrafenregister, Bd. 1ff. 1964ff.; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Eberl, I., Die Entwicklung des Pfalzgrafen, 1995; Paulus, C., Das Pfalzgrafenamt in Bayern im frühen und hohen Mittelalter, 2007

Pfalzgrafen bei Rhein → Pfalzgraf, Pfalz

Pfand (lat. [N.] pignus) ist schon im römischen Recht die zur Sicherung eines Anspruchs dienende Sache bzw. das an ihr bestehende Recht. Im engeren Sinn wird aus dem P. das Grundpfand (an unbeweglichen Sachen) ausgeschieden. Am P. besteht das → Pfandrecht. Möglich ist in Rom neben der durch das Erlöschen eines bestehenden Pfand­rechts bedingeten Verpfändung seit der Hochklassik auch die Verpfändung derselben Sache für Forderungen mehrerer Gläubiger, wobei das Prioritätsprinzip bedeutsam ist. das aber durch verschiedene Rangprivilegien durchbrochen ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim, Gauodernheim, Ingelheim 1375-1648, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Krämer, G., Das besitzlose Pfandrecht, 2005

Pfandbrief ist eine festverzinsliche, unkündbare Schuldverschreibung eines Kreditinstitutes (Pfandbriefanstalt), durch deren Ausgabe dieses sich Mittel verschafft, die es unter hypothekarischer Sicherung als Darlehen ausgibt. Der P. beruht auf einer Kabinettsorder König Friedrichs II. von Preußen (1769). Erst seit der Mitte des 19. Jh.s haftet dabei der Grundstückseigentümer dem Inhaber des Pfandbriefes nicht mehr. Aus Ausgleich hierfür wird in der Folge nach französischem Vorbild dem Inhaber ein Vorzugsrecht im Konkurs (Insolvenz) des Kreditinstitutes gewährt.

Lit.: Rabe, H., Darstellung des Wesens der Pfandbriefe, 1819; Pavlicek, A., Das Pfandbriefrecht, 1895; Wegener, E., Zur Vorgeschichte des Pfandbriefes, (in) Schmollers Jb. 44 (1920), 172; Geiecke, E., Die Entstehung und Entwicklung der ritterschaftlichen Kreditinstitute, Diss. jur. Bonn 1978; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002

Pfandlehen ist das seit dem 12. Jh. sichtbare, in der Zulässigkeit umstrittene Lehen eines Pfandes, bei dem der Pfandgläubiger eine Sache nicht nur als Pfand, sondern zugleich als Lehen erhält.

Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967, 252; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 243; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978, 230

Pfandleihunternehmer ist der Darlehens­ge­ber, der gewerbsmäßig Darlehen gegen Verpfändung beweglicher Gebrauchsge­genstände gibt. Im Mittelalter betreiben die Juden das Pfandleihgeschäft. In der Neuzeit bestehen Pfandleihbanken (Berlin 1717, Hanau 1738), deren Stellung ab dem späten 18. Jh. gesetzlich geregelt wird (Preußen 1787, Bundesrepublik Deutschland 1961). Der Pfandleihunternehmer ist seit 1939 nicht mehr Kreditinstitut (Bank).

Lit.: Loeffler, F., Die gewerbliche und private Pfandleihe, 1929; Burchard, J., Der Begriff des Pfandleihgewerbes, Diss. jur. Göttingen 1929; Lenzen, G., Das deutsche Pfandleihrecht, 1929

Pfandrecht ist objektiv die Gesamtheit der für das → Pfand geltenden Rechtssätze und subjektiv das zur Sicherung einer Forderung (z. B. Rückzahlung eines Darlehens) be­stimm­te dingliche Recht an einem Gegen­stand, kraft dessen der Gläubiger berechtigt ist, sich aus dem belasteten Grundstand (vorzugsweise) zu befriedigen. Im altrö­mischen Recht ist (bei handgreifbaren Sachen) die (lat. [F.]) → mancipatio oder → in iure cessio (F.) unter der Bestimmung der Rückübertragung gegen spätere Leistung, bei nicht handgreifbaren Sachen vermutlich eine formlose Bestellung des Pfandes (lat. [N.] pignus) durch später entbehrliche Sach­hingabe nötig bzw. möglich. Im klassischen römischen Recht verbleibt der Besitz beim Schuldner, wird das P. vom Bestand der For­derung abhängig und entstehen Pfandrechte kraft Rechtssatzes und öffentlicher Einzel­anordnung. Voraussetzungen eines Pfand­rechts sind Eigentum des Pfandbestellers, form­lose Vereinbarung der Pfandbestellung und Bestehen einer zu sichernden Forderung. Pfandgegenstand kann auch eine Forderung sein. Vermutlich gibt es auch bei den Ger­manen ein P. zur Sicherung einer Leistung. Der Pfandgläubiger erhält die Sache bis zur Leistung. Erfolgt diese nicht, behält der Besitzer die Sache (Sachhaftung). Im Frühmittelalter können allmählich auch Liegenschaften als Pfand gegeben werden. Im Hochmittelalter kann das Pfand an Liegenschaften bloßes Substanz­pfand sein, wobei seit dem 14. Jh. der anfängliche Verfall bei Nichtauslösung durch den Verkauf ersetzt wird und an die Stelle der tatsächlichen Übertragung die Eintragung in ein Buch tritt. Ist das Liegenschaftspfand Nutzpfand, so werden die nach der tat­säch­lichen Über­tragung gezo­genen Nutzungen nicht auf die Lösungs­summe angerechnet. Das Fahrnis­pfand ist meist Faustpfand, wobei die Übergabe in der spätmittelalterlichen Stadt durch Eintragung in das Stadtbuch (evtl. Pfandbuch) ersetzt werden kann und bei Pfandreife regelmäßig Pfandverkauf erfolgt. Die Aufnahme des römischen Rechts (Hypothek) seit dem Spätmittelalter entwertet das P., so dass zur Sicherung für das Grund­pfand besondere → Hypotheken­bücher entwickelt werden (Berlin 1693, Preußen 1722) und das Fahrnispfand wieder allgemein Faustpfand wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das Grundpfand an Ei­nigung und Eintragung bzw. Eintra­gungs­ersatz gebun­dene Hypothek, Grund­­schuld oder Renten­schuld, das Fahr­nis­pfand grund­sätzlich Faustpfand, wenn­gleich besitz­lose Pfand­rechte immer mehr die Oberhand gewinnen. Rechtstatsächlich tritt im 20. Jh. das Pfandrecht hinter der den Besitz beim Schuldner belassenden Sicherungsüber­eig­nung zurück.

Lit.: Kaser §§ 22 II, 1, 31; Söllner § 18; Hübner 402, 469; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Kohler, J., Pfandrechtliche Forschungen, 1882; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Kapras, J., Das Pfandrecht im böhmisch-mährischen Stadt- und Bergrechte, 1906; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Lieberwirth, R., Die gesetzlichen Pfandrechte, Diss. jur. Halle 1952 (ungedruckt); Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzipes 1971; Wesener, G., Zur Entwicklung des Pfandrechts, FS H. Demelius, 1973, 257; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, Diss. jur. Tübingen 1975; Wiegand, W., Zur Entwicklung der Pfandrechtstheorie im 19. Jahrhun­dert, ZNR 1981, 1; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Mincke, W., Die Akzessorietät des Pfandrechts, 1987; Schanbacher, D., Die Konvaleszenz von Pfandrechten, 1987; Repgen, T., Das Vermieter­pfandrecht im Kaiserreich, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 231; Krämer, G., Das besitzlose Pfandrecht -_ Entwicklungen in der römischen Republik, 2007

Pfandsatzung → verpfänden, Pfandrecht

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Pfandschaft ist im Hochmittelalter, Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Verpfändung von Herrschaftsrechten. Sie wird seitens des Königs 1171, seitens der Landesherren 1197 sichtbar und hält seitens des Königs bis 1628 und seitens der Landesherren bis 1803 an. Bis 1500 verpfänden die Könige in mehr als 1000 Fällen Reichsgut (Herzogtümer, Grafschaften, Herrschaften, Vogteien, Gerichte, Städte, Dörfer, Höfe usw.). Die P. gewährt dem Pfandnehmer Pfandherrschaft. Sie endet mit der Auslösung durch den Schuldner oder durch die Ablösung durch einen Dritten. Der König ist vielfach zur Auslösung nicht in der Lage.

Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1987; Krause, H., Pfandherrschaften als verfasssungsgeschichtliches Problem, Der Staat 9 (1970), 387, 515; Tewes, L., Die Amts- und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln, 1987

Pfändung ist die in der Gegenwart grund­sätzlich dem Staat vorbehaltene Beschlag­nahme eines Gegenstands zwecks Sicherung oder Befriedigung eines Gläubigers wegen einer Geldforderung. Im altrömischen Recht ist die außergerichtlich, aber förmlich vollzogene private Pfändung (lat. legis actio [F.] per pignoris capionem) als Ausnahme neben der allgemeinen Personalvollstreckung möglich. Im Kognitionsverfahren werden bei Geldschulden Gegenstände gepfändet und versteigert. Im Frühmittelalter ist die außergerichtliche P. beweglicher Sachen in den Volksrechten erkennbar. Die P. zwecks Verwirklichung (Vollstreckung) des Urteils wird aber bald von der Genehmigung des Richters abhängig oder überhaupt Amts­trägern überlassen. Die Nichtauslösung des Pfandes hat den Verfall zur Folge. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt vor allem in der Stadt die Vollstreckung durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, während die außergerichtliche Pfändung durch einen Verfahrensbeteiligten zurücktritt. Allerdings ist die Gestaltung sehr unterschiedlich. In der Neuzeit entwickelt sich das unter dem Einfluss des gelehrten Rechts stehende moderne Vollstreckungsverfahren, das 1877/1879 im Deutschen Reich verein­heitlicht wird.

Lit.: Kaser §§ 81 III 2, 87 I 10; Hübner 170; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Nägeli, A., Das germanische Selbstpfändungsrecht, Diss. jur. Zürich 1876; Bayer, W., Das Recht aus erlaubter eigen­mächtiger Pfändung, Diss. jur. Berlin 1899; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Steiger, M., Das Pfändungsrecht der bayerischen Städte und Märkte auf dem Land, 1987; Schildt, B., Die Pfändung um Schaden und Schuld, (in) Recht und Rechtswis­senschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998, 41; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im römischen Recht, 1999; Ludwig, M., Der Pfändungsschutz für Lohneinkommen, 2001; Schubert, W., Das Zwangs­voll­streckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 351

Pfändungsklausel ist die in Urkunden seit dem Hochmittelalter enthaltene Vereinbarung der Berechtigung des Gläubigers, bei Nichtleistung den Schuldner ohne vorheriges Verfahren zu pfänden. Die P. geht in der Neuzeit in der Unterwerfung unter die sofortige → Zwangs­vollstreckung auf.

Lit.: Kisch, G., Die Pfändungsklausel, ZRG GA 35 (1914), 41

Pfandverfall ist die Umwandlung des Pfandrechts des Pfandgläubigers in das Vollrecht (Eigentum) bei Nichtauslösung im Zeitpunkt der Fälligkeit. Der P. tritt allmählich hinter dem Pfandverkauf zurück.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 248

Pfandvertrag ist der Vertrag über die Bestellung eines Pfandes oder Pfandrechts durch den Schuldner für den Gläubiger oder Pfandgläubiger. Er ist im römischen Recht (lat. [N.] pignus, Pfand) Realvertrag. Er entsteht mit der Gabe der Pfandsache an den Pfandgläubiger.

Pfarrei → Pfarrer, Pfarrgemeinde

Pfarrer ist der Leiter einer christlichen Gemeinde mit eigener Kirche. Seit dem Konzil von Reims (630) soll eine Pfarre einen Pfarrer haben. Der P. spendet anstelle des Bischofs das Taufsakrament, bringt die Eucharistie dar und erteilt das Bußsakrament. Im 8. Jh. wird er zum Herrn des von den Gemeindeangehörigen zu leistenden Zehnten. In der Folge wird die Stellung des Pfarrers rechtlich genauer festgelegt.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hagen, A., Pfarrei und Pfarrer nach dem Codex iuris canonici, 1935; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Arend, S., Zwischen Bischof und Gemeinde, 2003

Pfarrgemeinde ist die von einem → Pfarrer zu betreuende christliche Gemeinde. Nach frühen Gemeindebildungsansätzen entsteht im 5./6. Jh. die Verpflichtung der P., an den höheren Festtagen den Gottesdienst des Pfarrers zu besuchen. Die Zugehörigkeit zur P. wird durch den Wohnsitz bestimmt und in der frühen Neuzeit genau festgelegt.

Lit.: Haff, K., Die Urpfarreien in Ostschwaben und Tirol als Markgenossenschaften und Siedlungsverbän­de, ZRG GA 65 (1947), 234; Grass, F., Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols, 1950; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, 180; La parrocchia, hg. v. Paravicini Bagliani, A., 1995

Pfarrkirche ist die planmäßig mit einem → Pfarrer zu besetzende Kirche einer Pfarrgemeinde. Sie entsteht im 5. Jh. Für ihre Baulast sind Kirchengut, Patron und Pfarrgemeinde zuständig.

Lit.: Noser, H., Pfarrei und Kirchengemeinde, 1957; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Vogt, H., Bilder der frühen Kirche, 1993; Reitemeier, A., Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters, 2005

Pfarrsprengel ist das örtliche Zuständigkeits­gebiet eines Pfarrers. Der P. entsteht noch im Altertum (z. B. Rom Mitte 4. Jh.s). Im Frühmittelalter bilden sich zunächst große Urpfarreien. Seit dem 8. Jh. verfeinert und verfestigt sich die Einteilung.

Lit.: Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizial­wesens, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Pfeffinger, Johann Friedrich (Straßburg 5. 5. 1667-Lüneburg 27. 8. 1730), Lehrer der Ritterakademie Lüneburg, gibt in der Bearbeitung von Vitrarius, P., Institutiones iuris publici (1686, Einrichtungen des öffentlichen Rechts) ein nach dem Institutionenschema (Personen, Sachen, Rechte) gegliedertes Handbuch des öffent­lichen Rechtes des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).

Lit.: Bleeck, K., Adelserziehung auf deutschen Ritterakademien, 1977

Pfeifergericht heißt das Verfahren der Erneuerung eines Rechtes auf Zollfreiheit (in Frankfurt am Main) seitens des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).

Lit.: Wyss, A., Ein Mainzer Seitenstück zum Frankfurter Pfeifergericht, ZRG GA 22 (1901), 356; Reuter, F., Zollfreiheit und Pfeifergericht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 33 (1975)

Pfennig (lat. [M.] denarius) ist seit dem Frühmittelalter eine kleine Münze (264 Pfennige pro Pfund von 327 Gramm, E. 8. Jh. 240 Pfennige pro Pfund von 367 Gramm, 11. Jh. 320 Pfennige pro Mark, 15. Jh. 1200-1400 Pfennige pro Mark, E. 19. Jh. 100 Pfennige pro Mark), die 2002 dem (europäischen) Cent weicht.

Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geld­geschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986

Pflanzenschutz ist der Schutz der Pflanzen vor Gefahren. Er ist in einem besonderen Pflanzenschutzgesetz geregelt.

Lit.: Sucker, U., Die biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft und die Entstehung eines reichseinheitlichen Pflanzenschutzgesetzes (1914-1937), 1999

Pflegekind ist das auf Grund einer Erlaubnis (des Jugendamtes) von einer Pflegeperson in Familienpflege aufgenommene Kind. Die Rechtsverhältnisse der bereits dem römischen Recht bekannten Pflegekinder sind erst in der jüngeren Vergangenheit stärker verrechtlicht.

Lit.: Tirey, A., Das Pflegekind in der Rechtsgeschichte, 1996

Pfleger (lat. [M.] curator) ist der Verwalter einer Angelegenheit. Im Mittelalter werden beispielsweise der Vormund oder auch ein Amtsträger P. genannt. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird (lat.) → curator (M.) durch P. wiedergegeben. Im Zusammenhang damit ist die Pflegschaft im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein durch das Vormundschaftsgericht zu begründendes Fürsorgeverhältnis eines Menschen (Pflegers) für einen anderen (Pflegebefohlenen) zur Besorgung einer besonderen Angelegenheit.

Lit.: Kaser § 64; Hübner; Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975

Pflegeversicherung ist die in Deutschland durch Gesetz vom 22. 4. 1994 zum 1. 1. 1995 eingeführte Sozialversicherung für den Pflegefall

Pfleghafter ist der Angehörige eines im Sachsenspiegel (1221/4) besonders genannten, sonst nur selten (1214, 1219, 1250, Anfang 15. Jh.s) bezeugten Standes von abgabepflichtigen Freien.

Lit.: Amira, K. v., Pfleghafte, ZRG GA 28 (1907), 435; Molitor, E., Pfleghafte, ZRG GA 32 (1911), 330; Beyerle, K., Die Pfleghaften, ZRG GA 35 (1914), 212; Heck, P., Pfleghafte und Grafschaftsbauern, 1916; Molitor, E., Die Pfleghaften des Sachsenspiegels, 1941; Hagemann, A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111

Pflegschaft (lat. [F.] cura) ist die fürsorgliche Besorgung einer Angelegenheit eines dieser Fürsorge Bedürftigen (Pfleglings) durch einen Pfleger (lat. curator). Im römischen Recht kennen bereits die Zwölftafelgesetze von 451/450 v. Chr. die Pflegschaft eines Geisteskranken (lat. cura furiosi) und die Pflegschaft  eines Verschwenders (lat. cura prodigi). Sie steht dem nächsten Agnaten, hilfsweise den Gentilen, notfalls einem vom Magistrat bestellten curator (Pfleger) zu. Später kann auch der durch die (lat.) lex Laetoria von etwa 200 v. Chr. geschützte Minderjährige (lat. minor XXV annis) für ein einzelnes Geschäft, ab Marc Aurel (2. Jh. n. Chr.) auch für die gesamte Geschäftsführung einen curator erbitten, dessen vorherige Einwilligung oder nachträgliche Genehmi­gung das Fehlen einer Übervorteilung bei dem Geschäft durch den Gegner sichert. Möglich ist auch eine (lat.) cura für einen Stummen, einen Tauben, einen Gebrechlichen oder eine Leibesfrucht (lat. nascituru). Seit dem Spätmittelalter wird die P. im Heiligen römischen Reich aufgenommen, aber vielfach nicht eindeutug von der Vormundschaft abge­grenzt. Pfleger

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 210

Pflicht ist die Anforderung eines bestimmten Verhaltens. Die P. ist das Gegenstück zu einem (subjektiven) → Recht und vielfach die Auswirkung von (objektivem) Recht.

Lit.: Köbler, WAS; Grundrechte und Grundpflichten in der Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schreiber, H., Der Begriff der Rechtspflicht, 1966; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986; Luchterhandt, O., Grundpflichten als Verfassungs­problem, 1988

Pflichtteil ist der unentziehbare Mindestanteil naher Angehöriger am Nachlass eines Erb­lassers. Bereits im klassischen römischen Recht engt im 1. Jh. v. Chr. die Einführung der (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testa­mentes) die Freiheit des Erblassers ein. Kinder, Eltern und Geschwister eines frei geborenen Erblassers können nämlich ein Testament anfechten, wenn es gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen. Im spätantiken römischen Recht muss nahen Angehörigen (seit Konstantin [306-337] Abkömmlinge, Vorfah­ren und durch den Vater verwandte Brüder des Erblassers) ein Viertel des gesetzlichen Erbteils zugewendet werden. Ist der Angehörige ganz übergangen, kann er das Testament angreifen. In anderen Fällen kann er Ergänzung auf das ihm zustehende Viertel verlangen. Justinian erhöht den P. bei mehr als vier Kindern auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (536) und ordnet wenig später das Pflichtteilsrecht umfassend. Mit dem Testament wird im Spätmittelalter auch vielerorts der P. des römischen Rechts aufgenommen (anders z. B. Tirol bis 1811), wobei im Bürgerlichen Gesetzbuch des deut­schen Reiches (1896/1900), im Zivilgesetz­buch der Schweiz (1907/1911) und seit 15. 6. 1978 auch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz­buch Österreichs (neben nahen Abkömmlingen [Hälfte] und nahen Vorfahren [ein Drittel]) der überlebende Ehegatte in den Kreis der Pflichtteilsbe­rechtigten einbezo­gen wird und die deutschen und öster­reichi­schen Gesetz­bücher dem Pflicht­teilsberech­tigten nur einen schuldrecht­lichen Anspruch gegen den Erben gewähren. Das französische und spanische Recht lassen nur eine beschränkte Vergabe durch Testament zu. Das englische Recht gewährt bedürftigen Ange­hörigen einen Unterhalts­an­spruch gegenüber dem Nachlass.

Lit.: Kaser §§ 65 II 2, 69 I 2, 70; Köbler, DRG 38; Heuberger, W., Geschichtliche Entwicklung des Pflichtteilsrechts, Diss. jur. Leipzig 1912; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Wacke, A., Die Rechtswirkungen der lex Falcidia, FS M. Kaser, 1973, 209; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, 1979, 95; Coing, H., Zur Entwicklung des Pflichtteilsrechtes, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 25; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Jaeschke, F., Pflichtteilsentzug, 2002

Pflugschar ist der zum Aufreißen der Erde bestimmte Teil des Pfluges. Das Schreiten über (9) glühende Pflugscharen ist im Mittelalter eine Form des → Gottesurteils.

Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956

Pfründe ist die einem kirchlichen Amtsträger zustehende Unterhaltsleistung aus den Erträgnissen eines Vermögens. Die Verding­lichung des Unterhaltsanspruchs erfolgt dabei nach Ansätzen im Altertum seit dem Frühmittelalter. Im Laufe des Mittelalters wird die P. zu einer eigenen (Vorform der) → juristischen Person (ausgestattetes Kirchen­amt).

Lit.: Groß, C., Das Recht an der Pfründe, 1887; Stutz, U., Lehen und Pfründe, ZRG GA 20 (1899), 213; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 203; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Willich, T., Wege zur Pfünde, 2002

Pfund (lat. [F.] libra) ist im Mittelalter eine Gewichtseinheit, die seit dem 7. Jh. auch als Rechnungsmünze (264 bzw. 240 Pfennige) Verwendung findet und in der Lira Italiens (bis 2002) und dem Pfund Großbritanniens fortlebt.

Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896, Neudruck 1972; Spufford, P., Money, 1988

Philipp von Leyden (Leiden 1326/7?-9. 6. 1382) wird nach dem Studium der freien Künste, Theologie und (1339/4) des Rechts in Orléans 1351/1352 Kanzleimitarbeiter der Grafen von Holland und nach anderen Tätigkeiten 1371 Vikar des Bischofs von Utrecht. In seinem Hauptwerk ([85 „casus“ in] De cura reipublicae, Von der Pflege des Staates) verwendet er das römische Staatsrecht zugunsten der Grafen von Holland.

Lit.: Berges, W., Die Fürstenspiegel, 1938, Neudruck 1952, 249; Wilfert, H., Philipp von Leyden, 1925; Feenstra, R., Philipp of Leyden, 1970; Leupen, P., Philipp of Leyden, 1981; Feenstra, R., Philip of Leyden en zijn bibliotheek, 1994

Phillipe de Beaumanoir → Beaumanoir

Phillips, George (Königsberg 6. 1. 1804-Aigen bei Salzburg 6. 9. 1872), englisch-schottischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn) 1827 außerordentlicher Professor in Berlin, 1834 Professor in München, 1849 in Innsbruck und 1851 in Wien. Er veröffentlicht eine englische Rechtsgeschichte (1825, 1827/8), ein gemeines deutsches Privatrecht (1830), eine deutsche Rechtsgeschichte (1845) und ein siebenbändiges Kirchenrecht (1845ff.).

Lit.: Lentze, H., Phillips, FS F. Loidl, Bd. 1 1970, 160

Philosophie ist die gedankliche Beschäftigung des Menschen mit dem Sein. Als rationale Bemühung um Orientierung durch Theorie wird sie zuerst im griechischen Altertum (Thales, Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Heraklit, Parmenides, Melissos, Zenon, Empedokles, Anaxagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles) sichtbar. Seit der Neuzeit verselbständigen sich aus der P. besondere Fachwissenschaften. Im 19. Jahrhundert steigt die Zahl der Vorlesungen in Vergangenes in seiner noch nicht aufgebrauchten Bedeutung neu verstehender und damit hermeneu­tisierender Philosophiegeschichte sehr stark an und sinkt dementsprechend in Ethik und Naturrecht. Eine Unterart der P. ist die → Rechtsphilosophie.

Lit.: Maurach, G., Geschichte der römischen Philosophie, 2. A. 1997; Philosophische Jurisprudenz, hg. v. Pieper, A., 1998; The Cambridge History of Seventeenth-Century Philosophy, hg. v. Garber, D. u. a., 1998; Schneider, U., Philosophie und Universität, 1999; Solomon, R./Higgins, K., Eine kurze Geschichte der Philosophie, 2000; Höffe, O., Kleine Geschichte der Philosophie, 2001; Fleischer, M., Anfänge europäischen Philosophierens. Heraklit – Parmenides – Platons Timaios, 2001; Handbuch Frühe griechische Philosophie, hg. v. Long, A., 2001; Wechselseitige Beeinflussungen und Rezeptionen von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2001; Helferich, C., Geschichte der Philosophie, 3. A. 2001; Hirschberger, J., Geschichte der Philosophie, 2003; Libera, A. de, Denken im Mittelalter, 2003; Schupp, F., Geschichte der Philosophie im Überblick, Bd. 1ff. 2003; Philosophen, hg. v. Lutz, B., 2004; Ries, W., Philosophie der Antike, 2005; Decorte, J., Eine kurze Geschichte der mittelalterlichen Philosophie, 2005; Philosophie, hg. v. Papineau, D., 2006; Albert, K., Platons Erbe, 2008

Phönizier ist der Angehörige eines zwischen 1500 v. Chr. und 300 v. Chr. am östlichen Mittelmeerufer sichtbaren Volks. Vermutlich entwickeln die P. die Buchstabenschrift. Handeltreibend erreichen sie wohl England und umschiffen vielleicht Afrika. Als Punier erscheinen sie im westlichen Mittelmeer, wo sie von den Römern in den punischen Kriegen (Hannibal) besiegt und eingegliedert werden.

Lit.: Markoe, G., Die Phönizier, 2003; Jongeling, K., Handbook of Neo-Punic Inscriptions, 2008

Physiokrat → Physiokratismus

Physiokratismus ist die wirtschaftspolitische Strömung des 18. Jh.s (François Quesnay 1694-1774), die den Boden als eigentliche Quelle des Reichtums ansieht, den Ackerbau zum wichtigsten Berufszweig erklärt, zur Verbesserung des Ertrages das Eigentum der Bauern am bewirtschafteten Land befürwortet und sich später gegen die zunehmenden Eingriffe des Staates, die eine Verbesserung der Einnahmen, die Sicherung der all­gemeinen Versorgung und dann auch die Einordnung des Bauern in die Gesamtge­sellschaft anstreben, wendet. Obwohl der P. das Interesse einiger Landesherren findet, bewirkt er kaum praktische Veränderungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Köbler, DRG 133, 134, 174, 192; Guyot, Y., Quesnay et la physiokratie, 1896; Beer, M., An inquiry into physiocracy, 1939; Woog, H., Le tableau économique of François Quesnay, 1950; Klippel, D., Der Einfluss der Physiokraten, Der Staat 23 (1984), 205; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994

Piacenza → Parma

Lit.: Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001

Piast ist der Angehörige einer sich auf einen Bauern Piast aus Kruschwitz zurückfüh­renden, geschichtlich am Ende des 10. Jh.s nachweisbaren Familie, die unter Boleslaw I. Chrobry ihre Herrschaft von Kiew bis zur Mark Meißen ausdehnt. Ihre polnische, seit 1320 königliche Linie wird 1370 von den Jagiellonen beerbt. Die herzögliche Linie in Massowien erlischt 1526, die schlesische 1625/1675.

Lit.: Balzer, O., Genealogia Piastow, 1895; Jasinski, K., Rodowod pierwszych Piastow, 1992

Picard, Edmond-Désiré (Brüssel 1836-1924), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Brüssel Advokat, 1884 Professor und Politiker. 1878 gründet er die 136 Bände umfassende Rechtsenzyklopädie Pandectes Belges. Beeinflusst ist er von Rudolf von → Ihering.

Lit.: Pasquier, A., Edmond-Désiré Picard, 1945 

Piccolomini, Enea Silvio

Lit. : Meusel, A., Enea Silvio als Publizist, 1905; Battaglia, F., Enea Silvio Piccolomini e Francesco Patrizi, 1936; Kallen, G., Aeneas Silvius Piccolomini als Publizist, 1939; Kisch, G., Enea Silvio Piccolomini und die Jurisprudenz, 1967

Piemont ist das Gebiet der westlichen Poebene und der Westalpen. Über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und Franken fällt es um 1046 an die Grafen von Savoyen. Seit dem frühen 18. Jh. benennt sich P. nach dem 1717/1720 erlangten Sardinien. Aus ihm entwickelt sich 1859/1861 das Königreich Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Viora, M., Le costituzioni piemontesi, 1928; Beltrutti, G., Storia del Piemonte, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Nada Patrone, A., Il medioevo in Piemonte, 1986; Tabacco, G., Piemonte medievale, 1985

pietas (lat. [F.]) richtiges Verhalten, Frömmigkeit

Lit.: Ulrich, T., Pietas (pius) als politischer Begriff, Diss. phil. Breslau 1929; Dürig, W., Pietas liturgica, 1958; Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2002; Geschichte des Pietismus, hg. v. Brecht, M. u. a., 2004

Pignus (lat. [N.]) ist schon im altrömischen Recht das → Pfand. Die Hingabe einer Sache zur Sicherung einer Schuld geschieht bei handgreifbaren Sachen durch (lat. [F.]) → mancipatio oder (lat. [F.]) → in iure cessio unter der Bestimmung, dass die hingegebene Sache gegen eine spätere Leistung zurückzu­übertragen ist. Bei nicht handgreifbaren Sachen ist vermutlich eine formlose Bestellung eines Pfandes (p.) durch später entbehrlich werdende Sachhingabe möglich. Unterbleibt die Auslösung, so behält der Pfandnehmer die Sache (Verfall). Im klassischen römischen Recht ist p. ein Realkontrakt, bei dem die Sache hingegeben wird unter der Abrede, dass der Pfandgläubiger sie als Pfand besitzen und je nach dem Verhalten der Gegenseite verwerten oder zurückgeben soll. Pignus tacitum ist das stillschweigende, möglichen neuen Gläubi­gern unbekannte P.

Lit.: Kaser §§ 31 I 2, III IV; Söllner § 9, 18; Köbler, DRG 26, 45; Köbler, LAW; Schanbacher, D., Beobachtungen zum sog. pignus Gordianum, ZRG RA 114 (1997), 233; Braukmann, M., Pignus, 2008

Pilius (da Medicina), Pillius (Medicina bei Bologna um 1150-nach 1207) ist um 1180 Rechtslehrer in (Modena und) Bologna? und 1192 Hofrichter Kaiser Heinrichs VI. Er verfasst zahlreiche verschiedene Werke (Summe, Glossen zum [lat.] Liber [M.] bzw. Liber feudorum, [lat.] Libellus [M.] disputatorius, Disputationen, Quaestionen, Distinktionen, Einzeluntersuchungen).

Lit.: Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Santini, G., Università e società nel XII secolo, 1979; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990, 71; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 226

Pillersdorf (Pillersdorff), Franz Xaver von (1786-1862) ist 1848 Innenminister →Österreichs. Nach ihm wird vielfach die erste, in seiner Amtszeit erarbeitete österreichische Verfassung benannt.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 193

Pillersdorfsche Verfassung (Aprilverfas­sung) ist die nach dem damaligen Innenminister benannte, nach Unruhen am 15. 3. 1848 angekündigte, am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. von → Österreich für die nichtungarischen Länder ausgenommen auch Lombardo-Venetien) gewährte (oktroyierte) Verfas­sung. Sie kennt Gewal­tenteilung, Gegenzeich­nung der Vollzugshand­lungen des Kaisers durch den verantwortlichen Minister, Reichstag (Parlament) bestehend aus Senat und Abgeord­netenkammer bei absolutem Vetrorecht des Kaisers sowie einen Grundrechtskata­log. Auf Forderungen von Demonstranten hin wird sie abgeändert (Einkammersystem ohne Steuerzensus) bzw. nach der Erhebung vom 15. 9. 1848 zurückgezogen. Inhaltlich ent­spricht ihr der ihr zeitlich folgende, vom österreichischen Reichstag in Kremsier erarbeitete, aber auf dem Grundsatz der Volkssouveränität aufbauende → Kremsierer Entwurf. Mit der Märzverfassung wird sie am 4. 3. 1849 aufgehoben.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 171, 193

Pillius → Pilius

pincerna (lat. [M.]) Schenk

Lit.: Köbler, DRG 83

pipe roll (engl.) Schatzkammerrolle des Königs (seit 1130)

Pippin ist der Leitname der austrasischen Hausmeier des merowingischen Königs bzw. der karolingischen Könige. Nach Pippin dem Jüngeren (714/715-24. 9. 768) ist die pippinische Schenkung benannt.

Lit.: Köbler, DRG 82; Schieffer, R., Die Karolinger 1992, 50

Pippinische Schenkung ist die an die päpstliche Salbung (751?, 754) anschließende „Gabe“ (Rückgabe) des fränkischen Königs Pippin des Jüngeren an Papst Stephan II. im Jahre 754 (756). Sie umfasst das (von den Langobarden entzogene) Gebiet von Luni, Parma, Reggio und Mantua bis Monselice, den Exarchat Ravenna, Venetien, Istrien, Benevent und Spoleto. Die Überlieferung der Gabe ist teils lückenhaft, teils unklar. Die p. S. legt, auch wenn sie nicht vollständig verwirklicht wird, den Grundstein für die Entstehung des → Kirchenstaates (Vatikan).

Lit.: Köbler, DRG 82; Sybel, H. v., Die Schenkungen der Karolinger an die Päpste, HZ 44 (1880), 47; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchenstaates, 1899; Quellen zur Entstehung des Kirchenstaates, hg. v. Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1972; Jarnut, J., Quierzy und Rom, HZ 220 (1975), 265; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984

Pirckheimer, Willibald (Eichstätt 5. 12. 1470-Nürnberg 22. 12. 1530) wird nach dem Rechtsstudium in Padua und Pavia Ratsherr in Nürnberg. 1528/1529 befürwortet er für die Ausgabe der → Digesten durch Haloander einen Zuschuss Nürnbergs.

Lit.: Thieme, H., Willibald Pirckheimers Corpus iuris, Festgabe A. Bruckner, Basler Z. f. Altertumskunde 74 (1974), 259; Holzberg, N., Willibald Pirckheimer, 1981

Pisa am unteren Arno kommt im 3./2. Jh. von den Etruskern an die Römer. Im 4. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, fällt aber 1406 an Florenz und 1860/1861 an Italien. Seine Universität wird um 1395 gegründet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Tolaini, E., Pisa, 1992; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33

Pisanelli, Giuseppe (1812-1879) wird nach dem Rechtsstudium in Neapel 1839 Rechtslehrer in Neapel und später einer der führenden Rechtspolitiker Italiens. Er beeinflusst die 1865 veröffentlichten itali­enischen Gesetzbücher für Privatrecht und Zivilprozessrecht maßgeblich.

Lit.: Lettere inedite di Giuseppe Pisanelli, hg. v. Confessore, O., 1979

Pithou (Pithoeus), Pierre (1539-1596) wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und Valence (Cujas) Anwalt in Paris, Berater und Privatgelehrter, 1573 Amtmann und 1582 Generalprokurator. Er bearbeitet und veröffentlicht unterschiedliche Quellen (Edic­tum Theoderici, Leges Visigothorum, 1579, Codex canonum vetus Ecclesiae Romanae, 1609).

Lit.: Grosley, J., Vie de Pierre Pithou, Bd. 1f. 1756

Placentinus (Piacenza 1130?-Montpellier 12. 11. 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Lehrer des weltlichen Recht in Mantua, Montpellier (1163-1184/1185, 1190/1191-1192), Bologna und Piacenza. Er verfasst Summen (z. B. Cum essem Mantua/Libellus de actionum varietatibus, Summa codicis, Summa institutionum, Sum­ma trium librorum), Distinktionen, Disputa­tionen, Glossen, Monographien und Kom­men­tierungen.

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts, 2. A. 1834ff., Neudruck 1956, 4, 244ff., 537ff.; Tourtoulon, P. de, Placentinus, 1896, Neudruck 1972; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 207

Placitum (lat. [N.]) ist im Frühmittelalter der Beschluss und die ihn fassende Versammlung (Ding).

Lit.: Köbler, LAW; Manaresi, C., I placiti del Regnum Italiae, Bd. 1ff. 1955ff. (484 Nummern bis 1100); Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Plädoyer (N.) Schlussvortrag im Strafprozess

plagium (lat. [N.]) Anmaßung des Herrenrechts

Lit.: Köbler, DRG 35

Planck, Gottlieb (Göttingen 24. 6. 1824-20. 5. 1910), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen und Berlin (Puchta) Richter (1859-1863 infolge der Auflösung des Obergerichts Dannenberg ohne Amt, 1879 Ruhestand) und Rechtspolitiker. Trotz Erblindung bearbeitet er von 1874 an den ersten Teilentwurf des Familienrechts des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900). Seit 1889 lehrt er als ordentlicher Honorarprofessor in Göttingen.

Lit.: Köbler, DRG 183; Frensdorff, F., Gottlieb Planck, 1914; Schubert, W., Beratung des BGB. Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, 1978, 80; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 299; Schroeder, K., Gottlieb Planck, JuS 2000, 1046

Planiol, Marcel (1853-1931) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Grenoble (1880), Rennes (1881) und Paris (1887). Seit 1894 veröffentlicht er den (franz.) Traité élémentaire de droit civil (Grundriss des bürgerlichen Rechts), durch den er den → Code civil erfolgreich in die gesamt­französische Entwicklung einbindet.

Lit.: Marcel Planiol, hg. v. Berhélemy, H. u. a., 1931

Planitz, Hans (Kaditz bei Dresden 4. 5. 1882-Wien 16. 1. 1954), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Tübingen und Leipzig (Lamprecht) 1909 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1913 ordentlicher Professor in Basel, 1914 in Frankfurt am Main, 1919 in Köln und 1941 in Wien. Seine Arbeiten betreffen vor allem das Vollstreckungsrecht, das Sachenrecht und die Stadtgeschichte.

Lit.: Planitz, H., Die Pfändung, 1912; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., Bd. 2 1951, 126

Plantagenet ist die in der Mitte des 12. Jh.s nach dem Ginster (lat. planta [F.] genista) als Helmzier (oder zum Sichtschutz bei der Jagd) benannte Familie (Grafen von → Anjou, Maine und Tourraine), die nach der Verbindung mit der Erbtochter des Königs von England (1128) 1144 das Herzogtum der → Normandie und 1154 in Verfolgung eines durch Mathilde von England vermittelten Erbanspruchs das Königtum in → England erreicht und einschließlich der Nebenlinien Lancaster und York bis 1485 herrscht (offizieller Beiname Plantaginet seit 1460 durch Herzog Richard von York).

Lit.: Fowler, K., The Age of Plantagenet and Valois, 1967; Lauffray, C./Lauffray, P., Die Plantagenets, 1984; La cour Plantagenêt, hg. v. Aurell, M., 2000; Berg, D., Die Anjou-Plantagenets, 2003; Favier, J., Les Plantagenêts, 2004

Plantagenwirtschaft ist eine landwirtschaft­liche Bewirtschaftungsform (z. B. im römi­schen Weltreich, in den neuzeitlichen Kolonien).

Lit.: Köbler, DRG 28

Planwirtschaft ist die vom (zentralstaat­lichen) Plan bestimmte Wirtschaft (z. B. seit 1918 in der Sowjetunion, ab 1945 in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der Deutschen Demokratischen Republik). Die Entschei­dungsfreiheit von Unternehmern entfällt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 249; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demo­kratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Hoffmann, D., Aufbau und Krise der Planwirtschaft, 2002

Plea rolls (engl. [N.Pl.]) sind die seit dem Jahre 1194 fast lückenlos erhaltenen Prozessrollen des → englischen Rechts.

Lit.: Select pleas in manorial and other seignorial courts, hg. v. Maitland, F., 1889; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Plebejer ist im altrömischen Recht der Angehörige des einfachen, nichtpatrizischen Volkes. Die anfänglichen Unterschiede werden in der Republik eingeebnet und verschwinden durch jüngere gesellschaftliche Gegensätze. Danach bezeichnet P. untechnisch den Angehörigen  des einfachen Volkes.

Lit.: Söllner §§ 4, 5, 8

Plebiscitum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht die Entscheidung der Versammlung (lat. concilium) der (lat. [F.]) plebs, die als Rechtsquelle anerkannt bzw. den Beschlüssen der allgemeinen Volksver­sammlung (Gesetzen) gleichgestellt wird (287 v. Chr. lex Hortensia). Danach werden die meisten Gesetze auf dem einfacheren Weg des p. beschlossen (z. B. lex Aquilia de damnis). → Plebiszit

Lit.: Kaser §§ 2 II 2a, 3 II 1; Söllner §§ 6, 15; Köbler, DRG 13, 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Plebiszit ist in der Neuzeit der Volksentscheid bzw. die Volksabstimmung. → plebiscitum

Lit.: Mittenberger-Huber, A., Das Plebiszit in Bayern, 2000

plebs (lat. [F.]) Volk

Plenipotenz (F.) Gewaltenfülle (z. B. des Papstes)

Lit.: Wyduckel, D., Princeps legibus solutus 1979, 88

plenitudo (F.) potestatis (lat.) Gewaltenfülle → Plenipotenz

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Pluralismus ist die Lehre vom Nebeneinander mehrerer Verschiedenheiten. Mit der Lösung von einer einzigen Einheit ist der P. möglich. Weltanschaulich gründet sich der P. des ausgehenden 20. Jh.s auf die Aufgabe der Unbedingtheit der christlichen Tradition in der abendländischen Kultur.

Lit.: Köbler, DRG 253; Le pluralisme juridique, hg. v. Gilissen, J., 1972; Bast, J., Totalitärer Pluralismus, 1999; The Adventure of Religious Pluralism in Early Modern France, hg. v. Cameron, K. u. a., 2000

Pluris petitio (lat. [F.]) ist die (nach Gaius in vier Weisen mögliche) Zuvielforderung des Klägers im römischen Recht, die zeitweise eine Straffolge wegen unbedachter Ver­fah­rensfüh­rung, im Übrigen die Abwei­sung der Klage und den Verlust des Klag­anspruchs nach sich zieht.

Lit.: Kaser §§ 34 II, 53 III, 83 I, 87 I, II; Köbler, DRG 62

Podestà (M.) (meist auswärtiger, adliger oder gelehrter, aus Misstrauen auf Zeit bestimmter, danach im Syndikatsprozess überprüfter) Machtinhaber der hochmittel­alterlichen Stadt Italiens

Poena (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die Vermögensleistung, durch die bei einem Unrechtserfolg das Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft abgelöst werden kann. Dabei soll, wer einem anderen (nur ?) ein Bein bricht, (nur) die feste und daher bei Währungsverfall gefährdete Summe (Buße) von 300 Pfund Kupfer (p.) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer, bei sonstigem Unrecht 25 Pfund Kupfer. In der Spätantike ist die dem Ersatz des Schadens dienende Leistung (lat.) p., damnum, satisfactio oder compositio. Dagegen bezeichnet Tacitus (98 n. Chr.) den Ausgleich eines Unrechtserfolges durch Pferde und Rinder bei den Germanen auch als p. Seit dem Hochmittelalter ist p. die peinliche Strafe an Leben oder Leib.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 35 II, 50 I; Köbler, DRG 26, 27, 65, 74, 119; Köbler, LAW

Poena (F.) arbitraria (lat.) ist auf Grund hochmittelalterlicher Ansätze (Vincentius Hispanus, Papst Innozenz IV.) in der frühen Neuzeit die der (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Carolina von 1532 bekannte Ermessensstrafe oder auch außerordentliche Strafe (lat. poena extraordinaria). Über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus findet sie Anwendung bei ungeregelten strafwürdigen Geschehnissen (z. B. Abschneiden vom Galgen) und bei Sonderfällen geregelter Tatbestände. Mit der Aufklärung wird die p. a. zurückgedrängt (z. B. Josephinisches Ge­setzbuch 1787).

Lit.: Schaffstein, F., Die europäische Strafrechts­wissenschaft, 1954, 29; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000

Poena (F.) dupli (lat.) ist im römischen Recht die in bestimmten Fällen eintretende Verdoppelung einer Schuld (z. B. Leugnen bei Klage aus unerlaubter Handlung). Verschiedentlich greift späteres Recht hierauf zurück.

Lit.: Köbler, DRG 27

poena (F.) extraordinaria (lat.) außerordentliche Strafe → poena arbitraria

Lit.: Söllner §§ 8; Kroeschell, DRG 3

poena (F.) ordinaria (lat.) ordentliche (gesetzlich festgelegte) Strafe

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Pönalklage ist die auf Ausgleich eines Unrechts durch Verurteilung des Täters zu einer Buße gerichtete Klage des römischen Rechtes. Sie ist auf der Seite des Beklagten bis zur (lat.) litis contestatio (F., Streit­be­festigung) unvererblich, auf der Seite des Klägers bei vor allem gegen die Person gerichtetem Unrecht (z. B. lat iniuria). Sie ist im (lat.) ius civile (Zivilrecht) unbefristet, im (lat.) ius honorarium (Amtsrecht) auf ein Jahr befristet, wird aber mit Streitbefestigung stets vererblich und unbefristet.

Poenitentiale → Paenitentiale

Pogrom (russ., N.) Zerstörung, Verfolgung (z. B. in Russland im 19. und 20. Jh. gegenüber Juden, danach auch in anderen Ländern z. B. Deutsches Reich 1938)

Polen ist der mitteleuropäische, von Slawen gebildete Staat zwischen Karpaten und Ostsee, dessen Anfänge um 960 sichtbar werden. Im 12. und 13. Jh. zerfällt P., das vor 1200 nur wenige Urkunden überliefert (1189 erstes schriftliches Urteil) in mehrere Herzogtümer verschiedener Linien der Piasten. 1320 finden Großpolen (Posen, Kalisch, Gnesen) und Kleinpolen (Krakau, Sandomir) wieder zusammen, während Schlesien sich an Böhmen anschließt und Masowien (Warschau) bis 1526 selbständig bleibt. Im 14. Jh. erhält das Königreich P. ein Landrecht. 1386 folgt im Königtum der Familie der → Piasten bis 1572 die der Jagiellonen (→ Litauen). 1772, 1793 und 1795 wird P. zwischen → Russland, → Preußen und → Österreich aufgeteilt, im 19. Jh. (1807 Errichtung eines Herzogtums Warschau aus preußischen Gebieten durch Napoleon, das 1815 in veränderter Gestalt als Kongresspolen mit Russland in Personalunion vereinigt wird, Großherzogtum Posen Preußens, Republik Krakau) aber teilweise wiederhergestellt. Am 11. 11. 1918 wird das seine Unabhängigkeit ausrufende P. in eine Republik umgewandelt. Bis 1921 gewinnt es Westpreußen, Posen, Westfalen und russische Gebiete im Osten, bis 1923 das Wilnagebiet und Ostgalizien. 1939 wird P. zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion geteilt, 1945 aber unter Verschiebung nach Westen (1990 Oder/Neiße) und Entdeutschung erneuert. Seit 1. 5. 2004 ist Polen Mitglied­staat der Europäischen Union.→ pol­nisches Recht

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 191, 223, 246; Beer, A., Die erste Teilung Polens, 1873; Lord, H., The Second Partition of Poland, 1916; Handelsman, M., Die mittelalterliche polnische Sozialgeschichte, 1920; Grünenthal, O., Das Statut von Wiślica in polnischer Fassung, 1925; Ptašnik, J., Städte und Bürgerschaft im alten Polen, 1934 (polnisch); Schaeder, H., Geschichte der Pläne zur Teilung des alten polnischen Staates seit 1386, 1937; Wojciechowski, Z., L’état polonais au moyen-âge, 1949; Tischer, K., Das älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Luciński, J., (Die Entwicklung des Königsguts in Polen), 1970; Meyer, E., Grundzüge der Geschichte Polens, 3. A. 1990; Kossmann, O., Polen im Mittelalter, Bd. 1f. 1971ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,551, 3,2,2099,2111,2119,2805, 3,3,3506,­3509,3745; Rhode, G., Geschichte Polens, 3. A. 1980; Jedruch, J., Constitutions, elections and legislatures of Poland 1493-1977, 1982; Ludwig, M., Besteuerung und Verpfändung königlicher Städte im spätmittelalterlichen Polen, 1984; Schnur, R., Einflüsse des deutschen und des österreichischen Rechts in Polen, 1985; Urban, T., Deutsche in Polen, 4. A. 2000; Lityński, A., Der polnische Reformgedanke in den Jahren des vierjährigen Reichstages (1788-1792), ZRG GA 108 (1991), 389; Zernack, K., Polen und Russland, 1994; Schmidt-Roesler, A., Polen, 1996; Rzeplinski, A., Die Justiz in der Volksrepublik Polen, 1996; Schreiner, P., Königin Richeza, Polen und das Rheinland, 1996; Lerski, G., Historical Dictionary of Poland, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesell­schaften, Bd. 3 1997; Kempen, B., Die deutsch-polnische Grenze, 1997; Urban, T., Polen, 2. A. 2003; Bingen, D., Die Polenpolitik der Bonner Republik, 1998; Krzeminski, A., Polen im 20. Jahrhundert, 1998; Hoensch, J., Geschichte Polens, 3. A. 1999; Kuehn, H., Das Jahrzehnt der Solidarnosc, 1999; Donnert, E., Die Adelsrepublik Polen, (in) Republikbegriff und Republiken, 2000, 47; Davies, N., Im Herzen Europas, 2000, 3. A. 2002; Adamska, A., From memory to written record in the periphery of medieval latinitas - The case of Poland in the eleventh and twelfth centuries, (in) Charters and the Use of the Written Word in Medieval Society, hg. v. Heidecker, K., 2000; Köbler, G., Rechtspolnisch, 2001; Glatz, W., Die Entwicklung des polnischen Zivilrechts. Darstellung und Bewertung unter dem Aspekt wirtschaftlichen Wandels, 2001; Wyczanski, A., Polen als Adelsrepublik, 2001; Fried, J., Otto III. und Boleslaw Chrobry, 2. A. 2001; Deutsch-polnische Beziehungen in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Lawaty, A. u. a., Bd. 1f. 2000; Gehrke, R., Der polnische Westgedanke, 2001; Madajczyk, P., Niemcy polscy 1944-1989, 2001; Alexander, M., Kleine Geschichte Polens, 2003; Die polnische Heimatarmee, hg. v. Chiari, B., 2003; Das Reich und Polen, hg. v. Wünsch, T., 2003; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Redecker, N. v., Die polnischen Vertreibungsdekrete, 2003, 2. A. 2004; Landgrebe, A., Wenn es Polen nicht gäbe, 2003; Stachura, P., Poland, 1918-1945, 2004; Deutsches Sachenrecht in polnischer Gerichtspraxis, hg. v. Dajczak, W. u. a., 2005; Polen und der Osten, hg. v. Chwalba, A., 2005; Gulczynski, A., Das napoleonische Gesetzbuch (Code civil) und sein Einfluss auf die Stabilisierung des Familiennamens in den polnischen Gebieten, ZNR 27 (2005), 49; Heyde, J., Geschichte Polens, 2006; Umsiedlung der Polen aus den ehemaligen Ostgebieten nach Polen in den Jahren 1944-1947, hg. v. Ciesielski, S., 2006; Aleksic, A., Die altpolnische Rechtster­minologie am Beispiel von Ortyle Magdeburskie, 2006 (Magisterarbeit); Lange, H./Kriechbaum, M., Römi­sches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 980; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Nagórko, A., Lexikologie des Polnischen, 2007; Fiedorczyk, P., Reconciliation with the Communist Past, ZRG GA 125 (2008), 295; Mallmann, K. u. a., Einsatzgruppen in Polen, 2008

Policey s. Polizei

polis ([F.] griech.) Stadt, Staat → Polizei

Lit.: Die griechische Polis, hg. v. Hoepfner, W. u. a., 1993; Beck, H., Polis und Koinon, 1997; The Polis, hg. v. Hansen, M., 1997; Welvei, K., Die griechische Polis, 2. A. 1998; Leppin, H., Thukydides und die Verfassung der Polis, 1999; Polis & Politics, hg. v. Flensted-Jensen, P. u. a.; Blok, J., Recht und Ritus der Polis, HZ 278 (2004), 1; Hansen, M., Polis, 2006; The Return of the Polis, hg. v. Hansen, M., 2007

Politbüro (politisches Büro) ist das oberste Führungsorgan kommunistischer Parteien im 20. Jh. (z. B. Sowjetunion seit 1917).

Politik ist das auf die Gestaltung des (öffentlichen) Lebens gerichtete Verhalten. Zunächst vor allem Gesellschaftslehre (Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin) wird P. seit der frühen Neuzeit (Machiavelli) zur Machttechnik.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 789; Groß, L., Die Reichspolitik der Habsburger, N. Jb. f. dt. Wiss. 13 (1937); Schmidt, E., Die Justizpolitik Friedrichs des Großen, 1962; Kunisch, J., Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Fricke, K., Politik und Justiz in der DDR, 1979; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1981; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Classen, C., Recht – Rhetorik - Politik, 1985; Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Lexikon der Politik, hg. v. Nöhlen, D. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Angermeier, H., Politik, Religion und Reich bei Kardinal Melchior Khlesl, ZRG GA 110 (1993), 249; Das Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert, hg. v. Miethke, J., 1992; Althoff, G., Spielregeln der Politik im Mittelalter, 1997; Henning, O., Geschichte des politischen Denkens, 1998; Klassiker des politischen Denkens, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1f. 2001; Bleek, W., Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland, 2001; Berg-Schlosser, D./Stammen, T., Einführung in die Politikwissenschaften, 7. A. 2003; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Geschichte des politischen Denkens, 2004; Ottmann, H., Geschichte des politischen Denkens, Bd. 2, Teilbd. 2 Das Mittelalter, 2004; Porträtgalerie der politischen Denker, hg. v. Mayer-Tasch, P. u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik, hg. v. Jahn, B., 2004; Botsch, G., Politische Wissenschaft im zweiten Weltkrieg, 2005; Miethke, J., Mittelalterliche Politiktheorie, 2007; Politik und Sprache im fühneuzeitlichen Europa, hg. v. Nicklas, T. u. a., 2007; Miethke, J., Politiktheorie im Mit­tel­alter, 2008; Science politique et droit public dans les facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008; Das Politische, hg. v. Gangl, M., 2008; Hölkeskamp, K., Mythos und Politik, HZ 288 (2009), 1; Studien zur politischen Kultur Alteuropas, hg. v. Gotthard, A. u. a., 2009

politisch, Adj. die Allgemeinheit und die in ihr vertretenen Zielsetzungen betreffend

Politische Justiz ist allgemein die nach politischen Gesichtspunkten handelnde, partei­politsch abhängige → Justiz, im engeren Sinn die den Prozess zu politischen Zwecken missbrauchende Justiz.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933, 1966; Politische Strafjustiz 1951-1968, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1998; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000

Politische Klausel ist seit dem 19. Jh. die Klausel in Konkordat oder Kirchenvertrag, die es dem Staat ermöglicht, staatspolitische Einwendungen gegen einen von der Kirche für ein Führungsamt in Aussicht Genommenen zu erheben.

Lit.: Weber, W., Die politische Klausel in den Konkordaten, 1940; Kaiser, J., Die politische Klausel der Konkordate, 1949; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 737; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, 105

Politische Partei ist die auf Teilhabe an der → Politik ausgerichtete → Partei. Sie tritt in England seit 1832 deutlicher hervor (Carlton Club 1832, Reform Club 1836, Complete Suffrage Union 1865). Im → Deutschen Bund erscheinen örtliche Vereinigungen zur Unterstützung von Kandidaten bereits vor 1848, doch zeigen sich fraktionsähnliche Clubs erst in der Frankfurter Paulskirchenver­sammlung von 1848 (Demokratische Linke, liberale Mitte, Konservative).

Lit.: Bergsträsser, L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Seifert, K., Die politischen Parteien, 1975

Politischer Prozess ist der zu politischen Zwecken missbrauchte Prozess. Er findet sich schon sehr früh an vielen Orten. Üblich wird die Benennung im 19. Jh.

Lit.: Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933, 1966; Jacta, M. [Schwinge, E.], Berühmte Strafprozesse, 1967ff.; Tolksdorf, M., Politische „Prozesse“ der Merowinger, 1980

Polizei, Policey, ist im klassischen Sinn die Gesamtheit der auf Abwehr von Gefahren und Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichteten Staatstätigkeit, im institutionellen Sinn die Gesamtheit der durch die im Vollzugsdienst beschäftigten Dienstkräfte ausgeführten Staatstätigkeiten. Um 1500 (1464) wird P. (Policey) als zu (griech. [F.]) politeia gebildetes Lehnwort (aus Frankreich [14. Jh., Übersetzung Aristoteles’ durch Nicolas Oresme 1371], unmittelbare Übernahme in ordonnances des Königs) über die burgundische Kanzlei (?) in die deutsche Sprache eingeführt. Unter der guten Ordnung und P. ist dabei alle auf die Wahrung und Förderung des geordneten Zustandes des Gemeinwesens gerichtete, sich im Absolu­tismus erheblich verdichtende Staatstätigkeit zu verstehen. Darunter können die verschie­densten Angelegenheiten vereinigt werden. Allerdings engt sich bereits im 18. Jh. dieser Polizeibegriff wohl unter dem Einfluss der Gewaltenteilungslehre, des Physiokratismus und anschließend des Li­beralismus sachlich auf einen Teilbereich der Verwaltung (Gefahrenabwehr) und institutionell auf eine Behörde und deren Mitglieder ein. Johann Stephan → Pütter (1725-1807) beschränkt die Zuständigkeit der P. auf die Abwehr von Gefahren. Dem folgt das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II, 17 § 10). Dieser aufgeklärte Polizeibegriff wird in Preußen aber schon 1808 wieder aufgegeben. Dagegen erlassen Bayern (1861), Baden (1863) und Württemberg (1871) rechts­staat­lich geprägte Polizeistrafgesetz­bücher. In Öster­reich wird die Polizei unter Maria Theresia (1740-1780) gegründet, unter ihrem Sohn Joseph II. ausgebaut und 1848 um die Gendarmerie (bis 2006) ergänzt, die an Stelle der Grundherrschaften für die öffentliche Sicherheit zuständig ist und zur Unterstützung der Justiz Recherchen unmittelbar über­nehmen soll. In Preußen spricht das Oberverwaltungsgericht 1882 im sog. → Kreuzbergurteil der P. die Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohl­fahrtspflege, sofern nicht eine spezielle rechtliche Grundlage vorliegt, ab. Nach dem Polizeibeamtengesetz (1927), dem Polizeikostengesetz (1929) und dem Gesetz über die Aufhebung veralteter Polizei- und Strafgesetze von 1931 schafft Preußen am 31. 1. 1932 mit seinem Polizeiverwaltungsgesetz einen wichtigen einheitlichen modernen Baustein für deutsches Verwaltungsrecht. Im Dritten Reich dient die P. der Durchsetzung totalitärer Herr­schaft. Nach 1945 wird unter dem Einfluss der alliierten Besatzungsmächte die innere Verwaltung entpolizeilicht und weitgehend neuen Ord­nungsbehörden über­tragen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 134, 151, 198, 203, 233, 234; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 875; Delamare, N., Traité de la police, 1705ff.; Westphal, E., Das deutsche Staatsrecht, 1784, 358; Berg, H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Mayer, H., Polizeigewalt in Hessen, 1951 (Diss.); Schmucker, H., Das Polizeiwesen im Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Knemeyer, F., Polizeibegriffe, Archiv f. öff. Recht 92 (1967), 153; Lieberich, H., Die Anfänge der Polizeigesetzgebung, FS M. Spindler, 1969, 307; Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971, 13. A. 2001; Schulze, R., Die Polizeigesetzgebung, 1978; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 98; Schulze, R., Policey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982; Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983; Preu, P., Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983; Der „Polizeiverein“ deutscher Staaten, hg. v. Siemann, W., 1983; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Die Anfänge der politischen Polizei 1806-1866, 1985; Gessner, K., Geheime Feldpolizei, 1986; Harnisch­macher, R./Semerak, A., Deutsche Polizeigeschichte, 1986; Naucke, W., Vom Vordringen des Polizeigedankens im Recht, FS A. Erler, 1986, 177; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jh., FS A. Erler, 1986, 199; Leßmann, P., Die preußische Schutzpolizei, 1989; Just, S., Polizeibegriff und Polizeirecht im National­sozialismus, Diss. jur. Würzburg 1990; Härter, K., Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992; Philipp, M., Das Regentenbuch des Mansfelder Kanzlers Georg Lauterbeck, 1996 (erste umfassende Lehre der guten policey); Policey in Europa, hg. v. Stolleis, M., 1996; Die deutsche Polizei und ihre Geschichte, hg. v. Nitschke, P., 1996; Durand, B., La notion de police en France, 1996; Wilhelm F., Die Polizei im NS-Staat, 1997; Hachenberg, K., Die Entwicklung der Polizei in Köln, 1997; Knöbl, W., Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozess, 1998; Banach, J., Heydrichs Elite, 3. A. 2002; Winter, M., Politikum Polizei, 1998; Kissling, P., „Gute Policey“ im Berchtesgadener Land, 1999; Jäger, J., Die informelle Vernetzung politischer Polizei nach 1848, ZRG GA 116 (1999), 266; Matsumoto, N., Polizeibegriff im Umbruch, 1999; Wilhelm, F., Die Polizei im NS-Staat, 2. A. 1999; Stahlschmidt, J., Policey und Fürstenstaat, Diss. jur. Bochum 1999; Jäger, J., Die informelle Vernetzung politischer Polizei, ZRG 116 (1999), 266; Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, hg. v. Härter, K., 2000; Landwehr, A., Policey im Alltag, 2000; Wüst, W., Die „gute“ Policey im Reichskreis, Bd. 1ff. 2001ff.; Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und Sicherheitspersonal in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert, hg. v. Holenstein, André u. a., 2002; Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002; Gute Policey als Politik im 16. Jahrhundert, hg. v. Blickle, P. u. a., 2003; Naas, S., Die Entstehung des preußischen Polizeiverwaltungsge­setzes von 1931, 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Iseli, A., Bonne police, 2003; Gut, F., Mit der Pranke und dem Zürcher Schild, 2003; Napoli, P., La naissance de la police moderne, 2003; Weinhauer, K., Schutzpolizei in der Bundesrepublik, 2003; Simon, T., Gute Policey, 2004; Eibich, S., Polizei, „Gemeinwohl“ und Reaktion, 2004; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in Paris, 2004; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Curilla, W., Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in Weißrussland 1941-1944, 2005; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005; Schwegel, A., Der Polzeibegriff im NS-Staat, 2005; Möller, C., Medizinalpolizei, 2005; Polizei, Recht und Geschichte, hg. v. Gebhardt, H, 2006; Die lokale Policey, hg. v. Wüst, W., 2008; Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Iseli, A., Gute Policey, 2009

Polizeigesetzgebung → Polizei, Polizeiord­nung

Polizeiordnung ist die in der frühen Neuzeit zur Wahrung und Schaffung der guten → Polizei erlassene → Ordnung. Sie findet sich in Ansätzen bereits in der spätmittel­alterlichen Stadt (Nürnberg 1281). Durch sie sorgt die Obrigkeit für gute → Ordnung und → Polizei, sei es bewahrend, sei es gestaltend. Einer ihrer wichtigsten Gegenstände sind die Luxusverbote. Im Laufe der frühen Neuzeit verlagert sich das Schwergewicht vom religiös-moralischen zum wirtschaftlich-rationalen Bereich.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 113, 138, 139; Segall, J., Geschichte und Strafrecht der Reichspolizei­ordnungen, Diss. jur. Gießen 1914; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Quellen zur neueren deutschen Privatrechts­geschichte, Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Dorf-Policey-Ordnung und Instruction für die Dorf-Scholzen für das Herzogthum Schlesien, hg. v. Wacke, G., 1971; Brauneder, W., Das Strafrecht in den österreichischen Polizei­ordnungen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Buchholz, W., Anfänge der Sozialdisziplinierung, ZHF 18 (1991); Härter, K., Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, hg. v. Härter, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Rigaudière, A., Les ordonnances de police, 1996; Weber, M., Die schlesischen Polizei- und Landesordnungen, 1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Linck, S., Der Ordnung verpflichtet, 2000; Weber, M., Die Reichspolizei­ordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002; Brück, A., Die Polizeiordnung Herzog Christians von Braun­schweig-Lüneburg vom 6. Oktober 1618, 2003

Polizeirecht ist das die → Polizei betreffende → Recht.

Lit.: Köbler, DRG 259; Berg, H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jahrhundert, FS A. Erler, 1986, 199; Geschichte der deutschen Volkspolizei, 2. A. 1987; Hartleif, W., Das Polizeirecht in Düsseldorf, Diss. jur. Köln 1990; Just, S., Polizeibegriff und Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg 1990; Popp, R., Disziplinierung durch Polizeirecht, Diss. jur. Regensburg 1995; Handbuch des Polizeirechts, hg. v. Lisken, H. u. a., 2. A. 1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Pauly, J., Die Entstehung des Polizeirechts als wissenschaftliche Disziplin, 2000

Polizeistaat ist in jeweils verschiedenem Sinn der von der → Polizei geprägte Staat des aufgeklärten Absolutismus (Wohlfahrtsstaat) wie der totalitären Diktatur (Unrechtsstaat).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Vollmer, B., Volksopposition und Polizeistaat, 1957; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Gutmann, T., Paternalismus, ZRG GA 122 (2005) 150

Polizeiwissenschaft ist die in der späteren Aufklärung erwachsende Wissenschaft von der → Polizei (bzw. Verwaltung).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Justi, J. v., Ausführliche Vorstellung der gesamten Polizeiwissenschaft, Bd. 1f. 1760f., Neudruck 1965; Pfeiffer, J. v., Polizei­wis­senschaft, 1779, Neudruck 1970; Maier, H., Die ältere deutsche Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft), Politica 13 (1966)

Pollock, Sir Frederick (1845-1937), wird nach dem Studium in Cambridge und der Rechtsausbildung in Lincoln’s Inn 1871 Anwalt. 1876 veröffentlicht er (engl.) Principles of Contract (Vertragsgrundsätze). Von 1883 bis 1903 ist er Professor in Oxford und lehrt zeitweise auch an den Inns of Court und in Indien. 1895 verfasst er ein Kapitel von → Maitlands History of English Law.

Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984, 421

Polnisches Recht ist das in → Polen geltende Recht. Es ist lange Zeit ein niemals vollständig aufgezeichnetes Gewohnheits­recht (Landrecht), zu dem nur wenige privatrechtliche Gesetze (z. B. [lat.] Formula [F.] processus 1523, Hypothekengesetz 1588, Wechselgesetz 1775), aber mehrere partikulare Rechtsfestlegungen (z. B. Statuten Masowiens 1532, 1540, preußische Korrektur 1598, litauische Statuten 1529, 1566, 1588) kommen. Streitig ist dabei die Frage des Einflusses des → deutschen Rechts. Jedenfalls in den Städten ist er nachweisbar (Magdeburger Recht, Neumarkter Recht, Kulmer Recht, Lübecker Recht). Im 16. Jh. stellt der Krakauer Jurist Bartholomäus Groicki aus dem heimischen, römischen und sächsischen Recht ein (lat.) ius (N.) municipale Polonicum (polnisches Stadtrecht) zusammen und bearbeitet 1559 die (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) für Polen. 1772 wird Polen geteilt. Am 3. 5. 1791 gibt sich Polen ein grundlegendes Verfassungsgesetz, wird aber 1793 und 1795 zwischen Russland, Preußen und Österreich weiter aufgeteilt. 1807-15 gilt im Herzogtum Warschau französisches Recht. Das 1818 geschaffene Strafgesetzbuch des Königreichs Polen folgt österreichischem Vorbild, das gleichzeitige Hypothekengesetz preußischem. 1847 wird das Strafgesetzbuch erneuert. Im Übrigen gelten die bisherigen Regeln fort. 1928 wird nach der Erneuerung Polens (1918) durch ein Straf­prozessgesetzbuch, 1930 durch ein Zivilpro­zessgesetzbuch, 1932 durch ein Strafgesetzbuch und 1933 durch ein Obliga­tionengesetzbuch und ein Handelsge­setzbuch das Recht vereinheitlicht und neu gestaltet. 1945/1946 wird das Privatrecht verein­heitlicht und 1964 in einem Zivilgesetzbuch sowie einem Familien- und Vormundschafts­gesetz­buch neu gefasst.

Lit.: Kutrzeba, S., Geschichte der Quellen des alten polnischen Rechts, 1926 (polnisch); Koranyi, K., Podstawy średniowiecznego prawa spadkowego (= Die Grundlagen des mittelalterlichen Erbrechts), 1930; Wojciechowski, Z., Das Ritterrecht in Polen, 1930; Matuszewski, J., Das älteste polnische Gewohnheits­rechtsbuch, 1959 (mitteldeutsch um 1300?); (Urteile der Obergerichte großpolnischer Städte aus dem 15. und 16. Jahrhundert), hg. v. Maisel, W., 1959; Bardach, J., Historia panstwa i prawa Polski, 2. A. 1964; Polish Law throughout the Ages, hg. v. Wagner, W., 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 2 1976, 3,2,1982; Bardach, J. u. a., Historia panstwa i prawa polskiego, 1976; Sporn T., Die Stadt zu polnischem Recht, 1978; Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Willoweit, D./Schick, W., 1980; Maisel, W., Archelogia prawna Polski (Polnische Rechtsarchäologie), 1982; Sliwowski, J., Der Einfluss der Franziskana auf das erste polnische Strafgesetzbuch von 1818, ZRG GA 100 (1983), 284; Kren, J., Polnisches Recht und preußisches Recht, ZNR 1983, 147; Schnur, R., Einflüsse des deutschen und österreichischen Rechts in Polen, 1985; Ebel, F., Poloniae historia iuris – Neuere Literatur zur polnischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 105 (1988), 331; Matuszewski, J., Chan (der Adelserschleichung Überführter), 1991; Lityński, A., Die Kodifikationskommission und ihre Arbeiten am Strafgesetzbuch der zweiten polnischen Republik, ZRG GA 112 (1995), 382; Najstarszy zwod prawa polskiego, hg. v. Matuszewski, J. u. a., 1995; Die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791, hg. v. Reinalter, H., 1997; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3, hg. v. Mohnhaupt, H., 1997

Polygamie (griech.) ist die Mehrehe oder Vielehe. Sie ist bei den Germanen zulässig. Das Christentum schließt sie aus. Das Naturrecht hält sie für möglich, doch setzt sich dies in den naturrechtlichen Kodifikationen nicht durch.

Lit.: Freisen, J., Geschichte des kanonischen Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963, 364; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 1972, 63; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987

Polyptychon (N.) vielfältiges (Verzeichnis z. B. St. Germain-des-Prés 825/828)

Lit.: Das Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés, hg. v. Hägermann, D., 1993; Elmshäuser, K./Hedwig, A, Studien zum Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés, 1993

Pommerellen

Lit.: Kasiske, K., Das deutsche Siedelwerk des Mittelalters in Pommerellen, 1938

Pommern ist das beiderseits der Mündung der Oder in die Ostsee liegende, zu 1046 als P. benannte Gebiet, das nach Abzug der Germanen im 6./7. Jh. von → Slawen besiedelt wird und in dem die Herrschaft der → Greifen 1181 als Herzogtum des deutschen Reiches anerkannt wird. 1648 bzw. 1815 gelangt es an Brandenburg, 1945/1990 im östlichen Teil an Polen. Besonders bedeutsam sind dement­sprechend nacheinander lübi­sches, gemeines und preußisches Recht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern, ZRG GA 9 (1888), 104; Linke, L., Die pommerschen Landesteilungen im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Greifswald 1935, Dokumentation der Vertreibung der Deutschen, hg. v. Schieder, T., 1953f.; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Benl, R., Die Gestaltung der Bodenrechtsverhältnisse in Pommern, 1986; Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und Finanzverwaltung, 1992; Pommern, hg. v. Lucht, D., 1995; Pommersches Wörterbuch, hg. v. Hermann-Winter, R. u. a., Bd. 1f. 1997ff.; .Pommern, hg. v. Buchholz, W., 1999; Schmidt, R., Das historische Pommern, 2006; Kurzer Abriss der mecklenburgischen und vorpommerschen Verfassungsgeschichte, verantw. v. Kuhn, H., 2007

Pomponius, Sextus (Mitte des 2. Jh.s n. Chr.) ist ein römischer, über seine 300 Bücher hinaus kaum bekannter Jurist. Drei Kommentare betreffen die Darstellung des römischen Rechts durch Mucius Scaevola (39 Bücher), durch → Sabinus (35 bzw. 36 Bücher) und das → Edikt. In dem auszugsweise in den → Digesten überlieferten Einführungslehrbuch Enchiridion stellt P. kurz und klar die Geschichte der römischen Rechtsquellen bis zur eigenen Gegenwart, die römischen Ämter und die römischen Juristen bis Julian dar.

Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 39; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 170; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 203

Pönalklage ist die auf Sühne Pönformel ist eine in Urkunden des Mittelalters enthaltene Klausel, die nach antikem Vorbild einen Rechtsnachteil (Pön [lat. poena], meist Geldsumme) für den Fall des Zuwiderhandelns (eines Dritten) festlegt.

Lit.: Voltelini, H., Die Fluch- und Strafklauseln, MIÖG Ergänzungsband 11 (1929), 64; Studtmann, J., Die Pönformeln der mittelalterlichen Urkunden, AUF 12 (1932), 252

Pontes de Miranda, Francisco C. (1893-1979) wird nach dem Rechtsstudium in Recife in Brasilien Richter in Rio de Janeiro. In den 60 Bänden seines Tratado de Direito Privado (1954ff.) stellt er fast das gesamte, in erheblichem Umfang europäisch geprägte Recht Brasiliens dar.

Lit.: Menezes, D., A Teoria cientifica do direito de Pontes de Miranda, 1934; En homenagem a Pontes de Miranda, 1988

pontifex (lat. [M.]) Brückenbauer, Priester (z. B. pontifex maxismus, Leiter der bedeutsam­sten römischen, anfangs auch für die Pflege des Rechtes zuständigen Priesterschaft, im Prinzpat der Prinzeps, seit dem 5. Jh. n. Chr. der Papst)

Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 9, 11, 14; Schieffer, R., Der Papst als pontifex maximus, ZRG KA 57 (1971), 300

Pontifikalien sind die Insignien des Bischofs (Mitra, Stab, Ring, Brustkreuz, Dalmatik, Tunika, Handschuhe, Sandalen). Sie stehen seit dem 14. Jh. im Wesentlichen fest. Ihr Gebrauch ist sorgfälig geregelt.

Lit.: Wickham, L., Church Ornaments, 1917; Klauser, T., Der Ursprung der bischöflichen Insignien, 1960; Nabuco, J., Ius pontificalium, 1956

Pontifikaljurisprudenz ist im altrömischen Recht die Rechtskunde der (lat. [M. Pl.]) pontifices des 5.-3- Jh.s v. Chr. (z. B. für Klageformeln und Geschäftsgestaltung), aus der sich allmählich eine weltliche Jurispru­denz entwickelt.

Pontius de Ilerda ist ein aus Lerida in Katalonien stammender, zwischen 1170 und 1180 geborener, in Bologna ausgebildeter Jurist, von dem eine Summa arboris actionum und die Schrift Quoniam nonnulli stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 303

Populäre Rechtsliteratur ist der Name für die das römische Recht seit dem Spätmittelalter vereinfachend einführende Li­teratur (z. B. Übersetzungen der Institutionen Justinians [→ Murner 1519, → Perneder 1544, Gobler → 1551], Formelbücher oder Prozessschriften [→ Klag­spiegel 1436?, → Laienspiegel 1495/1509]).

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privat­rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, § 9

populus (lat. [M.]) Volk

Lit.: Köbler, DRG 18, 36; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Millar, F., The Crowd in Rome, 1998

Pornographie ist die aufreizende Darstellung geschlechtlicher Erscheinungen.

Lit.: Scholz, S., Die Entwicklung der österreichischen Pornographiegesetzgebung, 1999

Portalis, Jean-Etienne-Marie (1745-1807) wird nach dem Rechtsstudium Advokat in Aix-en-Provence. Seit 1794 kommt er im Zuge der französischen Revolution (1789) in hohe Ämter und wird 1804 in das Redaktionsgremium des → Code civil berufen. Er setzt sich an vielen Stellen erfolgreich für die Lösungen des römischen Rechts ein.

Lit.: Portalis, J., De l’usage et de l’abus de l’esprit philosophique, 1820; Lavollée, R., Portalis, 1869; Schimséwitsch, L., Portalis, 1936; Plesser, M., Jean Etienne Marie Portalis und der Code civil, 1997

Portugal (benannt nach dem porto [Hafen] von Cale) ist der südwesteuropäische Staat, dessen Gebiet nacheinander von Lusitaniern, Römern (139 v. Chr., 27 v. Chr. von [lat.] Hispania [F.] ulterior abgesonderte Provinz [lat.] Lusitania), Sweben/Westgoten (5. Jh.) und Arabern (712) beherrscht wird. Nach der Rückeroberung des Nordens erreicht die Grafschaft um Porto am Ende des 11. Jh.s (1095) weitgehende Unabhängigkeit von Leon und → Kastilien. 1139 nimmt Alfons I. nach einem Sieg über die Araber (Mauren) den Königstitel an. Bis zur Mitte des 12. Jh.s wird die christliche Rückeroberung (1147 Lissabon) weitgehend, bis 1249 gänzlich abgeschlossen. Um die Wende vom 14. zum 15. Jh. wird im königlichen Auftrag mit der Zusammenstellung des Rechts begonnen (Livro das Leis e Posturas, Ordenações de D. Duarte, Ordenações Afonsinas [um 1454 bzw. 1446/1447], Ordenações Manuelinas 1512/­1513 bzw. 1521). Seit dem 15. Jh. wird P. mit Unterstützung Englands Weltmacht, die 1494/1529 die Interessensphären mit → Spanien aufteilen kann. Für kurze Zeit fällt P. dann an Spanien (1580/15811-1640). In dieser Zeit (1603 Ordenações Filipinas) werden Gesetze erneut gesammelt und 1769 in der Lei da Boa Razão aktualisiert. Im 19. Jh. wird unter dem Einfluss Frankreichs das Recht kodifiziert (Código comercial/­Handelsgesetzbuch 1833 bzw. 1888, Código civil/Bürgerliches Gesetzbuch 1867, Código do processo civil/Zivilpro­zessordnung 1876, Código do processo comercia 1896, Código de fallências 1897). 1910 wird Portugal Republik, steht aber lange Jahre unter diktatorischer Herrschaft. 1939 wird der (port.) Código do processo civil (Zivil­prozessgesetzbuch) erneuert. Nach 1945 gehen die Kolonien verloren. 1965 wird ein neuer Código civil mit einem allgemeinen Teil nach deutschem Vorbild geschaffen. Seit 1. 1. 1986 ist P. Mitglied der Europäischen Ge­meinschaft(en) bzw. der Europäischen Union (1993).

Lit.: Merêa, M., O mais antigo morado de Portugal? 1921; Cabral de Moncada, L., A reserva hereditária, 1916f.; Cabral de Moncada, L., A „traditio“ e a transferência da propriedade imobiliária, 1921; Merêa, P., Die Erforschung der nationalen Rechtsgeschichte in Portugal, Zeitschrift für vergleichende Rechtswis­senschaft 40 (1923), 339; Mayer, E., Historia de las instituciones sociales y politicas de España y Portugal, Bd. 1f. 1925f.; Cabral de Moncada, L., O tempo o trastempo e a prescriçåo, 1929; Merêa, P., Novos estudos de história do direito, 1937; Merêa, P., Sôbre a palavra angueira, Biblos 16, 2 (1940); Merêa, P., Sôbre as origens da terça, (um 1943); Merêa, P./Girão, A., Territorios portugueses no século 11, ( um 1950); Almeida Costa, M., Raízes do censo consignativo, 1961; Scholz, J., Literaturgeschichtliche und vergleichende Anmerkungen zur portugiesischen Rechtsprechung im ancien régime, Revista Portuguesa de historia 14 (1973), 95; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,896, 2,2,282,893,1319, 3,1,687, 3,2,2443, 3,3,3494,3743,3847,3921,4000,4131; Braga da Cruz, G., O direito subsidiário na história do direito português, Revista Portuguesa de História 14 (1974); Almeida Costa, M., Die Verträge über Rechte an Grund und Boden und das Wirtschaftsleben Portugals im Mittelalter, ZRG GA 95 (1978), 34; Thomashausen, A., Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, 1981f.; Julio de Almeida Costa, M., Historia do Direito Portugues, 1982; Albuquerque, M. de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Espinosa Comes de Silva, N., Historia do Direito Portugues, 1985; Decker, G./Decker, A., Portugal, 2. A. 1992; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993; Sänger, R., Portugals langer Weg nach Europa, 1994; Fallstudien zur spanischen und portugiesischen Justiz, 15. bis 20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994; Auf dem Weg zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a., 1997; Bernecker, W./Pietschmann, H., Geschichte Portugals, 2001; Oliveira Marques, A. de, Geschichte Portugals, 2001; Rechtsentwicklungen in Portugal, Brasilien und Mácau, hg. v. Jayme, E. u. a., 2002; Cerqueira, A/Seelaender, L., Polizei, Ökonomie und Gesetzgebungslehre – Ein Beitrag zur Analyse der portugiesischen Rechtswissenschaft am Ende des 18. Jahrhunderts, 2003; Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 952; Franquismus und Salazarismus, hg. v. Fernández-Crehuet Lopez, D. u. a., 2008

Posen an der mittleren Warthe erhält 1253 Magdeburger Stadtrecht und kommt 1793 an Preußen. Seit dem Übergang an Polen (1919) ist es Sitz einer Universität. Zwischen 1389 und 1419 verfasst der Stadtschreiber Heinrich von Peisern auf deutsch das in einer einzigen Handschrift überlieferte, in vier Bücher (Verfassung und Verfahren, Strafe, Erbe, Schulden und Familie) mit 163½ Kapiteln bzw. fünf Bücher geteilte Rechtsbuch Posens nach Magdeburger Recht.

Lit.: Friese, V., Zur Gründungsurkunde von Posen, ZRG GA 26 (1905), 91; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Ereciński, T., Das Gewerberecht der Stadt Posen im Mittelalter, 1934 (polnisch); Goerlitz, T., Das Rechtsbuch der Stadt Posen, ZRG GA 60 (1940), 143; Die Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, 1944; Maisel, W., Sądownictwo miasta Poznania do końca XVI wieku (Das Gerichtswesen der Stadt Posen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts), 1961. 413 (deutsche Zusammenfassung S. 351-358); Maisel, W., Poznańskie prawo karne do końca XVI wieku (Das Posener Strafrecht bis zum Ende des 16. Jahrhunderts), 1963 (deutsche Zusammenfassung S. 315-318); Poznańska księga prawa Magdeburskiego i Miśnieńskiego (Das Posener Buch des Magdeburger und Meißner Rechts), hg. v. Maisel, W., 1964; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Wilkierze Poznańskie, hg. v. Maisel, W., Bd. 1ff. 1966ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 53; Serrier, T., Provinz Posen, 2005.

positio (lat.[F.]) Tatsachenbehauptung, Artikel (im gelehrten Prozess)

Lit.: Köbler, DRG 117, 155

Positive Forderungsverletzung ist die seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) anscheinend nicht unter Unmöglichkeit und Verzug fallende sonstige Pflichtverletzung des Schuldners. Seit 1902 (Staub) wird sie als besondere Leistungsstörung anerkannt.

Lit.: Kaser §§ 33 III IV 3, 37 I, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 214; Harting, F., Die positiven Vertragsverletzungen, Diss. jur. Hamburg 1967; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Kotulla, M., Die historischen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechtsinstituts der positiven Forderungsverletzung, ZRG GA 108 (1991), 358; Glöckner, H., Die positive Vertragsverletzung, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 155

Positives Recht ist das vom Menschen geschaffene Recht im Gegensatz zum → Natur­recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Positivismus ist die geistesgeschichtliche Strömung, welche die übernatürliche Er­klärung der Welt durch die Theologie für ebenso unzutreffend hält wie die philosophische Erklärung mit Hilfe von abstrakten Ideen. Entscheidend ist dieser von Auguste Comte (1798-1857, Discours sur l’esprit positif, 1844) begründeten Sicht die wissenschaftliche Zusammenfassung der tatsächlichen Erschei­nungen (des durch Beobachtung Erfahrbaren, Gegebenen, Wirk­lichen oder Positiven) in Gesetzen, durch die der Gesellschaft ein glückliches Leben gesichert werden soll. Dies wirkt sich im Recht durch die Suche nach einem System rein juristischer, positiver und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelöster Begriffe aus, die im letzten Drittel des 19. Jh.s durch einen Ge­setzespositivismus abgelöst wird. Umstritten ist die Bedeutung des P. für den National­sozialismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179, 188, 228, 254; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Dilcher, G., Der rechtswissenschaftliche Positivismus, ARSP 61 (1975), 497; Tripp, D., Der Einfluss des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen Positivismus, 1983; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und Nationalsozialismus, (in) Recht und Politik, 1983, 195; Tripp, D., Der Einfluss des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen Positivismus auf die deutsche Rechtslehre im 19. Jahrhundert, 1983; Fuchs-Heinritz, W., Auguste Comte, 1998; Repplinger, R., Auguste Comte und die Entstehung der Soziologie, 1999

Possessio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Besitz. Er nimmt seinen Ausgang davon, dass jemand ein der Allgemeinheit gehöriges Stück Land zu Gebrauch und Nutzen übernimmt. Seine Stellung wird durch → Interdikte des Magistrats gesichert.

Lit.: Kaser § 19; Köbler, DRG 2, 39, 162; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des Common Law, 2003; Vandendriessche, S., Possessio und Dominium im postklassischen römischen Recht, 2006

Possessio (F.) civilis (lat.) ist im klassischen römischen Recht der Besitz nach zivilem Recht, der seinen Ausgang von der tatsächlichen Herrschaft über eine Sache nimmt, die beim Herausgabeverfahren (Vindikation) auf Seiten des Gegners vorausgesetzt wird.

Lit.: Kaser §§ 19 II, 25 II; Köbler, DRG 39

Possessio (F.) corporalis (lat.) ist im spätantiken römischen Recht der körperliche Besitz ohne den Willen, wie ihn der Eigentümer hat.

Lit.: Kaser § 19 VI

Possessio (F.) iuris (lat.) ist im späteren römischen Recht der Rechtsbesitz dessen, der einen (lat. [M.]) → ususfructus oder eine Prädialservitut tatsächlich ausübt.

Lit.: Kaser §§ 19 IV, 28 III, 29 I 5

Possessio (F.) triduana (lat.) ist im Frühmittelalter das dreitägige Haben einer Sache.

Pößneck

Lit.: Die Schöffenspruchsammlung der Stadt Pößneck, Bd. 1ff. 1957ff.

Post ist die schriftliche Nachricht, die Beförderung von Menschen und Sachen sowie die dahinterstehende Organisation. Die P. ist schon dem Altertum bekannt, wenn auch nicht jedermann eröffnet. Erst im Spätmittelalter aber entwickelt sich über Stafetten in Oberitalien die P. im modernen Sinn, wobei das Wort im deutschen Sprachraum erstmals unter dem 8. 12. 1490 belegt ist. Die erste feste Route (1490) betrifft die Verbindung von Innsbruck nach Brüssel (Mecheln, 1507 45 Postbedienstete im Heiligen römischen Reich). Zu deren Sicherung erteilt Kaiser Karl V. den von Taxis ein Monopol für eine allgemein zugängliche P. Als Beförderungsgeschwin­digkeit wird mit 7,5 Kilometern pro Stunde gerechnet. 1534 beginnt die Periodizität des Postverkehrs. Seit dem Ende des 16. Jh.s (1597) beansprucht der Kaiser die P. als → Regal (1615 Erblehen), ohne dieses Ziel voll­ständig durchsetzen zu können. Der Personen­verkehr im Linientransport beginnt in Frank­reich um 1625. Durch technische Verbesse­rungen erhöht sich die Beförde­rungsge­schwindigkeit zunehmend. Seit 1712 beginnt im Heiligen römischen Reich der Bau von Chausseen. 1756 kommen in Nürnberg täglich 138 Posten an. Seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geht man zum sys­tematischen Straßenbau mit Überwachung und Reparatur über. Im 19. Jh. ist die P. nicht einheitlich. 1867 gelingt es Preußen, von dem Haus Thurn und Taxis das Postregal zu erwerben. 1871 wird das Postwesen in der Verfassung des Deutschen Reiches grundsätzlich geregelt. Am Ende des 20. Jh.s (1989ff.) wird die Post (und Tele­kommunikation) unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika privatisiert.

Lit.: Köbler, DRG 148, 233; Hudemann, E., Geschichte des römischen Postwesens, 2. A. 1878; Obmann, F., Die Anfänge des Postwesens und die Taxis, 1909.; Kießkalt, E., Die Entstehung der Post, 1930; Münkler, W., Entwicklungsgeschichte des Postregals in Hessen-Darmstadt, Diss. jur. Marburg 1973; Dallmeier, M., Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, 1987; Wyss, A., Die Post in der Schweiz, 1987; La circulation des nouvelles au moyen âge, 1994; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Lotz, W., Die Deutsche Reichspost 1933-1945, 1999; Ueberschär, G., Die Deutsche Reichspost 1933-1945, 1999; Kolb, A., Transport und Nachrichtentransfer im römischen Reich, 2001; Klaes, S., Die Post im Rheinland, 2001; Hesse, J., Im Netz der Kommunikation, 2001; Die deutsche Reichspost 1933-1945, bearb. v. Lotz, W., 2002; Behringer, W., Im Zeichen des Merkur, 2003; Lotz, W., Die deutsche Post von der Postreform bis zum Börsengang 1989-2000, 2007

Postgeheimnis ist die den Befördernden obliegende Geheimhaltungspflicht der in der → Post enthaltenen Nachrichten. Die Frage des Postgeheimnisses wird vereinzelt schon früh gesehen. 1690 wird die Unverletzlichkeit auf allen Postwegen im Reich garantiert. 1848 wird das P. in die Verfasssung einbezogen. 1919 wird dies durch die Weimarer Reichs­ver­fassung wiederholt.

Lit.: Bohley, E., Die Verletzung des Post-, Telegraphen- und Fernmeldegeheimnisses, Diss. jur. Frankfurt am Main 1927; Schötz, H., Die Verletzung des Postgeheimnisses durch Beamte, Diss. jur. Erlangen 1933; Melzer, W., Das Post- und Fernmeldegeheimnis, 1971

Postglossator ist der dem → Glossator zeitlich (ab etwa 1230) folgende spät­mittel­alterliche Jurist vor allem Italiens. → Konsiliator, Kommentator

Lit.: Söllner §§ 2, 25; Kroeschell, DRG 2; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 6ff., 2. A. 1850f.; Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Fränkel, R., Zur Zessionslehre der Glossatoren und Postglossatoren, ZHR 66 (1910), 305; Stampe, E., Das Zahlkraftrecht der Postglossatorenzeit, 1928

Postliminium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Rückkehr in den früheren Rechtszustand nach Ende der Kriegsge­fangenschaft.

Lit.: Kaser §§ 15 II 2, 26 I 1, 58 VII 1b

Postregal → Post

Lit.: Waitz, W., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, 1939

Postumus (lat. [M.]) (, posthumus) ist der nach dem Tod des Vaters Geborene. Er wird, soweit dies seinem Vorteil dient, während der Schwangerschaft als bereits geboren betrachtet (lat. → nasciturus pro iam nato habetur).

Lit.: Kaser §§ 13 II 1, 66 I 1, 68 III 3, 69 II 3

Postwertzeichen ist das dem Nachweis der Entrichtung der Beförderungsgebühr dienende Wertzeichen. Es erscheint in Ansätzen in Paris seit 1653, danach in England 1840 sowie im Deutschen Bund in Bayern am 1. 11. 1849.

Lit.: Kohler, J., Die Briefmarke im Recht, Archiv f. bürgerl. Recht 6 (1892), 316; Andrae, W., Die privatrechtliche Natur der Briefmarke, Diss. jur. Jena 1933; Müller, W., Die Briefmarke, Diss. jur. Erlangen 1958

potens (lat.) mächtig

potestas (lat. [F.]) Gewalt, Macht

Pothier, Robert-Joseph (Orléans 9. 1. 1699–2. 3. 1772) Präsidialgerichtsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1720 Präsidial­gerichtsrat in Orléans, 1743 Rat der Do­mänenkammer, 1746 Magistratsbeamter und 1749 Professor für französisches Recht in Or­léans. Von → Domat beeinflusst, fasst er als Vertreter der → eleganten Jurisprudenz des späten → usus modernus pandectarum in den Pandectae Justineanae (1748) die römischen Digesten zu einem systematisch neugeordneten kurzen Werk zusammen. Danach stellt er die 1740 von ihm erstmals herausgegebene Coutume d´Orléans dem rö­mischen Recht gegenüber (1760). Schließlich veröffentlicht er Abhandlungen zum Zivilrecht (z. B. traité des obligations 1761) und zum Prozessrecht, mit denen er die Systematik und das Schuldrecht des Code civil (1804) und damit die Rechtseinheit Frankreichs vorbereitet.

Lit.: Fenet, P., Pothier analysé, 1826; Arnaud, A., Les origines doctrinales, 1964; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; König, H., Pothier und das römische Recht, 1971; Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168

Potsdam an der Havel wird 993 urkundlich erwähnt. Das Edikt von P. vom 8. 11. 1685 gewährt französischen Hugenotten Aufnahme in Preußen. Das Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945 erfasst Beschlüsse der (zunächst 3) Alliierten über die Zukunft des besiegten Deutschen Reiches (z. B. Aufteilung in vier Besatzungszonen, Einsetzung eines Alliierten Kontriollrats als höchste Regierungsgewalt in Berlin, Abrüstung, Entmilitarisierung, Ver­urteilung von Kriegsverbrechern, vorläufige Anerkennung der Oder-Neiße-Linie).

Lit.: Übersicht über die Bestände des brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam, Teil 1f., bearb. v. Beck, F. u. a., 1964ff.; Meissner, B./Veiter, T., Das Potsdamer Abkommen, 1986; Hahn, P., Geschichte Potsdams, 2003

Pound, Roscoe (1870-1964) wird nach dem Studium von Botanik und Rechtswissenschaft in Harvard Anwalt, 1899 Assistant Professor in Nebraska, danach Professor in Nebraska, an der Northwestern University (1907), Chicago (1909) und in Harvard (1919). Er ist der führende Vertreter der (engl.) → sociological jurisprudence mit dem Ziel, das Recht als (engl.) social engineering (gesellschaftliche Verbesserungstätigkeit) zu verstehen. Ihm zufolge müssen Gesetzgeber wie Richter stets die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns beachten.

Lit.: Sayre, P., The Life of Roscoe Pound, 1948; Fikentscher, W., Roscoe Pound, FS K. Larenz, 1973, 93

Präambel (F.) Vorspruch

Lit.: Dietze, H., Der Gesetzesvorspruch, 1939; Papenheim, A., Präambeln in der deutschen Verfas­sungsgeschichte, Diss. jur. Münster 1998

Practica nova imperialis Saconica rerum criminalium - > Carpzov

praebenda (lat. [N.Pl. bzw. später F.]) Pfründe

Praeceptio Chlotharii II. ist das Kapitular des merowingischen Königs Chlothar II. (584–629) von etwa 600 (616?, 617?, 586-600), das sich mit Verfahren, Erbe, Ehe, Ersitzung sowie Kirche befasst.

Lit.: Boretius, A., Capitularia regum Francorum, Bd. 1 1883, Neudruck 1969, 18; Kocher, G., Das Pariser Edikt, 1976; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997

praeceptum (lat. [N.]) Vorschrift

praeda (lat. [F.]) Beute

Lit.: Redlich, Fritz, De praeda militari, 1956

praefectus (lat. [F.]) Vorgesetzter, Vorsteher

praefectus (M.) praetorio (lat.) Prätorianer­präfekt, Vorsteher der Leibgarde des Kaisers

Lit.: Kaser § 87 I 2; Söllner 14, 16, 17; Köbler, DRG 55

praefectus (M.) urbi (lat.) Stadtpräfekt

Lit.: Kaser § 87 I 2, II 2; Söllner §§ 14, 17; Köbler, DRG 55

praeiudicium (lat. [N.]) Vorentscheidung, Vorbescheid

Lit.: Kaser §§ 60 I 4, 83 II 10

praes (lat. [M.]) Bürge

Lit.: Kaser §§ 7 III, 1, 57 II 1

praescriptio (lat. [F.]) Vorschrift, Vor­schreibung

Lit.: Kaser §§ 4 II 2, 25 IV 1, 83 II 12, 87

praeses (lat. [M.]) Vorsitzender

praestare (lat.) leisten

Lit.: Kaser § 34 I 1; Köbler, DRG 43

praesumptio, praesumtio (lat. [F.]) Vermutung

Lit.: Kaser §§ 84 I 1, 87 II 6; Köbler, DRG 29

praesumptio (F.) Muciana (lat.) → Vermu­tung des Quintus → Mucius Scaevola (der in der Ehe anfallende Erwerb stammt vermutlich vom Ehemann [in Österreich 1978 aufge­hoben], Gegenbeweis möglich)

Lit.: Kaser § 59 I 3; Köbler, DRG 29

Praetor (lat. [M.], Prätor) ist im altrömischen Recht der beim Sturz des Königs 509 v. Chr. diesem folgende höchste römische Amtsträger, der 367 v. Chr. die Zuständigkeit für die Streit­verfahren errringt(, oder der 367 v. Chr. zur Entlastung der Konsuln geschaffene Magistrat). 242 v. Chr. wird eine zweite Prätorenstelle geschaffen, zu der später weitere Provinzpräturen hinzukommen. An der Wende des 2. zum 1. Jh. v. Chr. werden die Prätoren an die Stadt Rom gebunden. Der P. kann Edikte verkünden.

Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 80 II 3; Köbler, DRG 18, 31, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kunkel, W./Wittmann, R., Die Magistratur, 1995; Brennan, T., The Praetorship in the Roman Republic, 2000

Praetor (M.) peregrinus (lat.) ist im klassischen römischen Recht der seit 242 v. Chr. (Eroberung Siziliens) für Streitigkeiten mit einem Fremden (lat. [M.] peregrinus) zuständige → praetor.

Lit.: Kaser § 80 II; Söllner §§ 6, 9; Köbler, DRG 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Praetor (M.) urbanus (lat.) ist der seit der Aufteilung der Prätur 242 v. Chr. für Streitigkeiten römischer Bürger untereinander zuständige → praetor.

Lit.: Kaser § 80 II 3a, 4a; Söllner §§ 6, 9, 15; Köbler, DRG 18, 32; Wieacker, F., Römische Rechts­ge­schichte, Bd. 1 1988

Präfekt (M.) Vorsteher

Lit.: Eckhardt, K., Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163

Präfektur ist der in Anlehnung an den römischen (lat. [M.]) praefectus geschaffene Zuständigkeitsbereich eines Amtsträgers, wobei in der Spätantike das römische Reich in vier Präfekturen mit je einem Prätorianer­präfekten geteilt ist.

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungs­rechts, 1954, 52; Claude, D., Niedergang, Renaissance und Ende der Präfekturverwaltung, ZRG, GA 114 (1997), 352

Prag an der Moldau entsteht (als Burg) vermutlich im späten 9. Jh. 973 wird es Sitz eines Bistums, das Karl IV. 1344 zum Erzbistum erheben lässt. Um 1235 ist die vorstädtische Zeit abgeschlossen. 1348 richtet Karl IV. in P. eine Universität ein (, aus der sich 1372 eine eigenständige Rechtsfakultät ab­spaltet, die 1418 aufgelöst, 1638 neu gegrün­det und 1654 in die neue Universität eingefügt wird [1784 deutsche statt lateinischer Unterrichtssprache] und aus der 1881/1882 je eine deutsche Universität und eine böhmische Universität werden). 1918 wird die auch wegen der beiden Prager Fensterstürze vom 30. 7. 1419 (siebener danach ermordeter Ratsherren durch Hussiten), 23. 5. 1618 (zweier überlebender kaiserlicher Statthalter und eines Schreibers durch Protestanten) und 10. 3. 1948 (Außenminister Jan Masaryk, Opfer der Geheimpolizei?) und des Prager Frühlings (März 1968 durch Alexander Dubček, Reformmaßnahmen durch die Sowjetunion am 21. 8. 1968 gewaltsam beendet) bekannte Stadt, deren einzelne Teile erst 1781 rechtlich zusammen­gefasst werden, Hauptstadt der → Tschechoslowakei bzw. 1993 der Tschechei.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100; Tomek, W., Geschichte der Stadt Prag, Bd. 1. 1857, Neudruck 1972; Zycha, A., Prag, 1912; Weizsäcker, W., Die Altstadt Prag und das Nürnberger Recht, ZRG GA 60 (1940), 117; Schlüter, O., Prag, 5. A. 1943; Dejiny Prahy, hg. v. Janácek, J., 1964; Fiala, Z., Die Anfänge Prags, 1967; Seibt, F., Von Prag bis Rostock, FS W. Schlesinger, Bd. 1 1973, 406; Die Universität zu Prag, 1986; Mezník, J., Praha pred husitskou revolucí, 1990; Oberkofler, G., Die Vertreter des römischen Rechts, 1991; Nebor, L./Rohan, B., Prag, 1993; Fuchs, M., Die Prager Rechtsfakultät, Monatshefte für osteurop. Recht 1998, 3, 167; Universitäten in nationaler Konkurrenz, hg. v. Lemberg, H., 2003; Prag, hg. v. Zimmermann, H., 2007; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Prägestätte ist der Ort, an dem eine → Münze hergestellt wird (z. B. für die Deutsche Mark A Berlin, D München, E Muldenhütten, F Stuttgart, G Karlsruhe, J Hamburg).

Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975

pragmatisch, Adjektiv, tüchtig, sachlich sachbezogen, zielorientiert (z. B. prag­ma­ti­sche bzw. gemeinsame Angelegenheiten im Ausgleich Öster­reichs gegenüber Ungarn 1867, auswärtige Angelegenheiten, Kriegswe­sen und die dafür nötigen Gelder im Gegensatz zu den dualistischen Angele­genheiten)

Lit.: Olechowsji-Hrdlicka, K., Die gemeinsa­men Ange­le­genheiten, 2001

Pragmatische Sanktion (lat. sanctio [F.] pragmatica) ist allgemein das bedeutende kaiserliche Gesetz. In der pragmatischen Sanktion von Bourges (1438, aufgehoben 1461) führt König Karl VII. von Frankreich Teile der Beschlüsse des Konzils von Basel durch Gesetz in Frankreich ein. 1549 gestaltet Karl V. in einer pragmatischen Sanktion die Erbfolge für das burgundisch-niederländische Erbe. Am 19. 4. 1713 erlässt Karl VI.(1685-1740) auf der Grundlage eines (lat.) pactum (N.) mutuae successionis (Vertrag über die gegenseitige Erbfolge) von 1703 und in Abkehr vom salischen Erbfolgerecht ein Hausgesetz der Habsburger als p. S. (Erklärung über die Vereinheitlichung des habsburgischen Thronfolgerechts) Dieses geht von der Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder aus. Weiter bestimmt es die → Primogenitur im männ­lichen und hilfsweise weiblichen Stamm und damit den Vorrang der ehelichen Söhne Karls VI. vor den (fehlenden) ehelichen Söhnen Josephs I. 1678-1711) und der ehelichen Töchter des letzten(, ebenfalls ohne männlichen Thronerben versterbenden) Throninhabers (Karls VI.) vor den ehelichen Töchtern Josephs I. Seit 1720 wird die p. S. den Ständen der habsburgischen Länder (zuletzt 1723 Ungarn), danach europäischen Staaten und 1732 dem Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zur Billigung vorgelegt. Sie wirkt sich 1740 wegen Fehlens männlicher Erben zu Gunsten Karls VI. 1720 geborener ältester ehelicher Tochter Maria Theresia aus, deren Erbrecht aber von Bayern und Sachsen bestritten wird (österreichischer Erbfolgekrieg). Ihre 1748 allgemein anerkannte Geltung endet 1918.

Lit.: Köbler, DRG 131; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Sanctio pragmatica, ZRG RA 25 (1904), 51; Valois, N., Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges, 1906; Die pragmatische Sanktion, hg. v. Turba, G., 1913; Michael, W., Das Original der pragmatischen Sanktion Karls VI., 1929 (SB Wien); Schönbauer, E., Die pragmatische Sanktion, Forschungen und Fortschritte 35 (1961), 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1979; http://www.­koeblergerhard.de/Fontes/PragSankt1713.htm

Präjudiz ist das Vorurteil oder die Vorentscheidung. Insbesondere in einem richterlichen Fallrecht (z. B. England) ist das P. außerordentlich bedeutsam ([lat.] stare decisis, bei Entschiedenem bleiben). In der Rechts­wirklichkeit halten sich aber auch sonst Untergerichte regelmäßig an die vorliegenden Entscheidungen von Obergerichten.

Lit.: Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956, 73ff.; Cross, R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Dawson, J., The Oracles of Law, 1968; Schlüter, W., Das obiter dictum, 1973; Weller, H., Die Bedeutung der Präjudizien, 1979

Prälat ist im katholischen Kirchenrecht der hohe kirchliche Amtsträger, der kraft seines Amtes Leitungsgewalt hat oder aus anderen Gründen den Titel P. ehrenhalber führt (z. B. Erzbischof, Bischof, Abt). Der P. zählt im Heiligen Römischen Reich teilweise zu Kurfürsten und Reichsfürsten, in den Ländern zu den Landständen (Äbte, Pröpste, selten Bischöfe).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 149; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Aulinger, R., Das Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980, 106

Prälatenbank ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das Kollegium der nichtfürstlichen Geistlichen im Reichstag und Kreistag und die Gesamtheit der Geistlichkeit im Landtag.

Lit.: Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968

Prälegat

Lit.: Wimmer, M., Das Prälegat, 2004

Prämonstratenser ist der Angehörige des von Norbert von Xanten in Prémontré bei Laon 1120 begründeten → Ordens, der 1122 in Cappenberg seine erste deutsche Nieder­lassung errichtet.

Lit.: Winter, F., Die Praemonstratenser, 1865; Grassl, B., Der Praemonstratenserorden, 1934; Horstkötter, L., Der heilige Norbert und die Praemonstratenser, 1974; Gehle, B., Die Praemonstratenser in Köln, 1978; Backmund, N., Geschichte des Prämonstratenser­ordens, 1986; Penth, S., Prämonstratenser und Staufer, 2003; Studien zum Prämonstratenserorden, hg. v. Crusaius, I. u. a., 2003

Pranger ist im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit eine Einrichtung (z. B. Halseisen, Schandpfahl), mit deren Hilfe ein Mensch wegen eines Verstoßes öffentlich zur Schau gestellt werden kann (Ehrenstrafe). Der P. ist seit dem 13. Jh. unter verschiedenen Namen und in verschiedenen Formen bezeugt. Vielleicht stammt er aus dem kirchlichen Bereich. Verwendet wird er bei Friedensbruch, (kleinem) Diebstahl, Betrug, Lästerung, Unzucht, Beleidigung, falschem Maß und Gewicht usw.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119; Wielandt, F., Pranger und Prangerstrafe in Konstanz, ZRG GA 54 (1934), 253; Bader-Weiß, G./Bader, K., Der Pranger, 1935; Hefele, F., Vom Pranger, Schau-ins-Land 62 (1935), 56; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Horna, R., Pranýř, 1941 (tschechisch); Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1946; Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949; Carlen, L., Der Pranger im Wallis, ZRG GA 73 (1956), 396; Horna, R., Der Pranger in der Tschechoslowakei, 1965; Maisel, W., Der Pranger in Posen, ZRG GA 93 (1976), 340; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Prärogative (F.) Vorrecht (z. B. des Mo­narchen in der konstitutionellen Monarchie Einberufung des Parlaments, Auflösung des Parlaments, Ernennung eines Ministers, Ent­lassung eines Ministers, Begnadigung)

Präsentationsrecht ist das Recht, einen Kandidaten für ein Amt vorzuschlagen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2

präsidentiell (Adj.) den Präsidenten betreffend (z. B. präsidentielle Demokratie in frn Vereinigten Staaten von Amerika oder in Frankreich)

Präsidialsystem ist das politische System, in dem ein Präsident die wesentlichen Entscheidungen trifft, wobei er sich auch ei­nes Präsidialkabinetts oder einer Präsidialre­gierung bedienen kann.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gessner, D., Agrardepression und Präsidialregierung in Deutschland 1930-1933, 1978

Pratobevera, Carl Joseph (Bielitz/Schlesien 17. 2. 1769-Wien 6. 12. 1853) wirkt am Strafgesetzbuch Österreichs von 1803 (Revision) und am Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (Endredaktion) mit und gibt von 1815 bis 1824 die Materialien für Gesetz­kunde und Rechtspflege heraus.

Lit.: Ein österreichischer Jurist im Vormärz, hg. v. Neschwara, C., 2009

Prätor → praetor

Prävention (F.) Zuvorkommen, Verhütung

Precaria (lat. [F.]) ist im Frühmittelalter die Leihe von Grundstücken. Sie gewährt dem Leihenehmer ein Nutzungsrecht und dem Leihegeber eine Gegenleistung (Abgabe, Dienst). Sie kann frei widerruflich, auf Zeit vereinbart oder vererblich sein. Das Leihegut kann vom Leihenehmer stammen (sog. precaria oblata), vom Leihegeber (sog. precaria data) oder zu je einem Teil von beiden (sog. precaria remuneratoria). Ein Zusammenhang mit dem (lat. [N.]) → precarium ist unsicher.

Lit.: Hübner 348; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Haff, K., Die königlichen Prekarien im Capitulare Ambrosianum, ZRG GA 33 (1912), 453; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948), 1; Voltelini, H., Precaria und Benefizium, VSWG 16 (1922), 259

precaria (F.) data (lat.) gegebene → precaria

precaria (F.) oblata (lat.) empfangene → precaria

precaria (F.) remuneratoria (lat.) belohnte → precaria

precario ([lat.] durch Bittleihe) → Interdikt

Precarium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Bittleihe. Das p. betrifft die Leihe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zu Gebrauch oder Nutzung unter der Möglichkeit des jederzeitigen freien Widerrufs des Gebers. Dritten gegenüber ist der Empfänger durch ein Interdikt geschützt. Das p. ist grund­sätzlich unentgeltlich. Ein Zusammenhang mit der (lat. [F.]) → precaria ist unsicher.

Lit.: Kaser §§ 19 II 2, 19 IV 2, 39 II, 42 II 6; Köbler, DRG 40, 63, 64; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 264; Kaser, M., Zur Geschichte des precarium, ZRG RA 89 (1972), 45

Preis ist der Gegenwert für die Erlangung einer Leistung, insbesondere für den Verkauf einer Ware, der nach (bereits seit Plato) umstrittener Ansicht auch gerechter P. sein soll. → iustum pretium

Lit.: Kaser § 41; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 240; Crebert, H., Künstliche Preissteigerung durch Für- und Aufkauf, 1916; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Welti, M., Der gerechte Preis, ZRG GA 113 (1996), 424; Gerhard, H./Engel, A., Preisgeschichte der vorindustriellen Zeit, 2006

Preisbindung ist die Bindung der Verkäufer bestimmter Waren an einheitliche Festpreise. Sie wird in verschiedenen Zeiten versucht (Spätantike, Spätmittelalter, Merkantilismus, 20. Jh. [10. 4. 1948]). Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 erlaubt die vertikale Preisbindung für Markenartikel, Verlagserzeugnisse und land­wirtschaftliche Erzeugnis. 1973 wird sie grundsätzlich aufgegeben, für Bücher aber beibehalten.

Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Kelter, E., Die obrigkeitliche Preisregelung, 1935; Bog, I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1 1971, 486

Premis (Bremse) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld um 1350 deutsch verfasste, handschriftlich seit 1408 (in sechs Hand­schriften 1483) belegte kurze Anwei­sung, wie man vor Gericht den Gegner zu eindeutigen Erklärungen veranlassen kann (12 Zeilen Vor­rede, 39 Zeilen Text). → Cautela

Lit.: Oppitz, K., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66

Premysl → Przemyslide

Presbyter (Älterer) ist in den Anfängen des Christentums der Angehörige eines kollegi­alen Gemeindeleitungsorganes. Später setzt sich der Bischof als Erstverantwortlicher durch, doch bilden Bischof und P. (→ Priester) gemeinsam ein Presbyterium. Die Weihe zum P. ist eine besondere kirchen­rechtliche Handlung. In der protestantischen Kirche ist P. ein von der Gemeinde in den Gemeindekirchenrat gewählter Vertreter.

Lit.: Campenhausen, H. v., Kirchliches Amt, 2. A. 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Pressburg (Bratislava), nördlich von Wien, wird nach der Neugründung um die Jahrtausendwende von → Bayern besiedelt. Nach der 1217 erfolgten Verleihung des Stadtrechts wird es 1405 Freistadt Ungarns. Etwa zu dieser Zeit entwickelt sich ein besonderes Grund- und Satzbuch in P. (1439). Zwischen 1467 und 1471 hat P. eine juristische Fakultät an der 1467 bis 1490 bestehenden, danach wegen fehlender materieller Grundlagen verfallenden Universi­tät. Von 1526 bis 1784 ist P. Hauptstadt des habsburgischen Ungarn. Am 26. 12. 1805 verliert Österreich im Frieden von P. für kurze Zeit große Gebiete. 1918 fällt P. an die Tschechoslowakei. 1919 wird P. Sitz einer Universität, 1993 Hauptstadt der Slowakei, mit der es 2004 in die Europäische Union gelangt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45, 40 (1919), 70; Oer, R. Freiin v., Der Friede von Pressburg, 1965; Städte im Donauraum, hg. v. Marsina, R., 1993

Presse ist seit dem Anfang des 16. Jh.s die Druckmaschine und dem folgend seit der Mitte des 16. Jh.s die Gesamtheit der zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse (1650 Leipziger Einkom­mende Zeitungen sechsmal wöchentlich).

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 899; Groth, O., Die unerkannte Kulturmacht, Bd. 1ff. 1960ff.; Rohls, J., Der Begriff der Presse, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Eisenhardt, U., Der Deutsche Bund und das badische Pressegesetz von 1832, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980; Fischer, H., Handbuch der politischen Presse in Deutschland, 1981; Knüpfer, V., Presse und Liberalismus in Sachsen, 1996; Kurzweg, M., Presse zwischen Staat und Gesellschaft, 1999; Stöber, R., Deutsche Pressege­schichte, 2000; Pressewesen der Aufklärung, hg. v. Doering-Manteuffel, S. u. a., 2001; Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Unter Druck gesetzt, hg. v. Wilke, J., 2002

Pressefreiheit ist die Freiheit der Verbreitung von Meinungen, Nachrichten, Mitteilungen und sonstigem Gedankengut durch Druck­erzeug­nisse. Ihr geht die von der Kirche nach Erfindung des Buchdrucks (in Mainz 1485 und) allgemein 1487 den Bischöfen übertragene Vorzensur voraus, in deren Gefolge es der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) den Reichsfürsten 1530 zur Pflicht macht, den Druck und die Verbreitung von Neuem in Sachen des Glaubens zu verhindern. Demgegenüber beseitigt England 1695 die → Zensur (Licensing Act von 1662). Am 14. 9. 1770 verfügt König Christian VII. von Dänemark (auch) für Schleswig und Holstein eine uneingeschränkte Freiheit der Presse. 1774 ist das Wort in Deutschland erstmals belegt (Preßfreiheit). 1776 verlangen die Virginia Bill of Rights und 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, einige deutsche Landesver­fassungen (Nassau 1814, Sachsen-Weimar-Eisenach 1816, Bayern 1818) und 1848 die Frankfurter Paulskirchenverfassung P. (Press­freiheit). Seitdem wird die P. durch politische Beeinflussung und mehrfach durch Gesetz eingeschränkt (z. B. Österreich 1852-1867, Deutsches Reich 1933-1945).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 193; Krempel, O. Das Zensurrecht, Diss. jur. Würzburg 1921; Scheuner, U., Pressefreiheit, 1965; Czajka, D., Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, 1968; Eisenhardt, U., Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, Der Staat 10 (1971), 339; Schwab, D., Pressefreiheit als Menschenrecht, FS W. Mallmann, 1978, 245; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981, 205; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Mann, R., Die Garantie der Pressefreiheit, 1993; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Wilke, J., Die Ent­deckung von Meinungs- und Pressefreiheit als Men­schenrechte im Deutschland des späten 18. Jahrhun­derts (in) Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995, 121; Westerkamp, D., Pressefreiheit und Zensur im Sachsen des Vormärz, Diss. jur. Hagen 1999; Blumenauer, E., Journalismus zwischen Pressefreiheit und Zensur, 2000; Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Rumphorst, R., Journalisten und Richter, 2001; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003; Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004; Mussgnug, D., Zur Diskussion über Preßfreyheit und Menschenrecht am Ende des 18. Jahrhunderts, ZNR 2008, 20

Presserecht ist die Gesamtheit der die → Presse betreffenden Rechtssätze. Damit beginnt das P. in der Kirche bereits seit 1485, im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) mit einem Edikt Karls V. von 1521. Mit dem 18. Jh. verlagert sich das Schwergewicht von den religiösen Schriften auf die politischen Schriften (z. B. 1715). Allerdings ist das P. partikular unterschiedlich. Einheitlich bleibt es aber bis 1848 im Großen und Ganzen bei einem Pressepolizeirecht. Eine freiheitliche Rege­lung bringt erst das Pressegesetz Badens vom 28. 12. 1831 (bis 5. 7. 1832) und 1. 3. 1848 bzw. 10. 4. 1849, in dem jede Zensur beseitigt ist. Am 17. 5. 1874 schafft das Deutsche Reich ein einheitliches Reichspressgesetz, das seit 1949 durch Landespressegesetze ersetzt wird.

Lit.: Mannheim, H., Preßrecht, 1927; Löffler, M./Ricker, R., Handbuch des Presserechts, 1978; Dunkhase, D., Das Pressegeheimnis, 1998; Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004

pretium (lat. [N.]) Preis, → iustum p.

Preuß, Hugo (Berlin 28. 10. 1860-9. 10. 1925), wohlhabender Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg Privatgelehrter und Politiker, 1906 Professor an der Handelshochschule in Berlin. 1918 beruft ihn der die Geschäfte des Reichskanzlers ausführende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (Ebert) als In­nenminister und beauftragt ihn mit dem Ent­wurf einer → Verfassung. Im Landtag Preußens vertritt P. die DDP.

Lit.: Köbler, DRG 227, 230; Schmoller, G., W. Rathenau und H. Preuß, 1920; Feder, E., Hugo Preuß, 1926; Schmitt, C., Hugo Preuß, 1930; Gillessen, G., Hugo Preuß, 1955, Neudruck 2000; Grass­mann, S., Hugo Preuß und die deutsche Selbstverwaltung, 1965; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 428; Faatz, A., Hugo Preuß, Diss. jur. Trier 1999; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002; Preuß, H., Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 2006ff.

Preußen ist zunächst das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung und Memelmün­dung. Über den die → Ostsiedlung betreiben­den → Deutschen Orden gelangt P., dessen Gewohnheitsrecht (lat. Jura Prutenorum) ein Unbekannter um 1340 auf Deutsch aufzeichnet und das nach Übergang zur Reformation am 8. 4. 1525 zum weltlichen Herzogtum (unter Lehnshoheit Polens [bis 1660]) wird, 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1620 erhält es auf Grund eines Entwurfes des Königsberger Professors Levin Buchius’ ein vereinheitlichtes Landrecht. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten von Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs P., in dem der Kurfürst sich selbst zum König in P. krönt (1772 König von P.). Im 18. Jh. wird P. vor allem unter Friedrich dem Großen europäische Großmacht. (1772, 1793, 1795 Gewinne aus den Teilungen Polens) 1794 kodifiziert (dieses vor allem Brandenburg fortsetzende) P. sein Recht im → Allge­meinen Landrecht. 1807 verliert das mit dem Ende des Heiligen römischen Reiches (1806) selbständig werdende P. nach Niederlagen gegen Frankreich im Frieden von Tilsit mehr als die Hälfte seines Gebiets und beginnt daraufhin mit Reformen in zahlreichen Bereichen (Stein-Herdenbergsche Reformen). 1815 wird es im früheren Umfang wieder­hergestellt. Im 19. Jh. ringt es mit Österreich im → Deutschen Bund um den Vorrang. Von 1859 bis 1866 durchläuft es im Streit um eine Heeresreform einen Verfassungskonflikt umd die Billigung des Haushalts durch das Abgeornetenhaus, in dem sich Otto von Bismarck als Ministerpräsident durchsetzt (1866 Billigung der Indemnitäts­vor­lage).. 1866 siegt Preußen gegen (Ös­terreich und) den Deutschen Bund militärisch. 1867 gründet es nach dem dadurch herbeigeführten Ende des Deutschen Bundes (1866) und einigen Annexionen gegnerischer Staaten den → Nord­deutschen Bund, dem 1871 nach dem Sieg über Frankreich das zweite → Deutsche Reich folgt. In ihm hat P. eine beherrschende Stellung (rund zwei Drittel des Staatsgebiets und etwa drei Fünftel der Bevölkerung). 1920 wird es Freistaat. Am 20. 7. 1932 setzt die Regierung des Deutschen Reiches die Re­gierung Preußens ab (Preu­ßen­schlag) und stellt P. unter kommissarische Verwaltung. Mit Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates vom 25. 2. 1947 wird es wegen seiner durch die beiden Weltkriege bezeugten Gefähr­lichkeit unter Aufteilung seiner Gebiete auf zum Teil neue Länder (z. B. Nordrhein-Westfalen, Nieder­sachsen) als Staat aufgelöst.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 93, 131, 132, 140, 149, 155, 169, 170, 171, 172, 186, 193, 206, 211, 232, 245, 256; Voigt, J., Geschichte Preußens, 1827ff., Neudruck 1968; Codex diplomaticus Prussicus, Bd. 1ff., 1826ff.; Ranke, L. v., Zwölf Bücher preußischer Geschichte, 2. A. 1874ff.; Neues preußisches Urkundenbuch, 1882ff.; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903, Neudruck 1979; Die preußischen Landeskulturgesetze, hg. v. Nobiling, 1901; Tümpel, L., Die Entstehung des brandenburgisch-preußischen Einheitsstaates, 1915; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Giese, F., Preußische Rechtsgeschichte, 1920; Koch, W., Hof- und Regierungsverfassung König Friedrichs I. von Preußen (1697-1710), 1926; Schmidt, E., Rechtsentwicklung in Preußen, 2. A. 1929, Neudruck 1961; Die Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und Hardenberg, Teil 1, hg. v. Winter, G., 1931; Kahlstorf, E., Rechtsgeschichte der Marienburger Werder, Diss. jur. Würzburg 1935; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Mortensen, H./Mortensen, G., Die Besiedlung des nordöstlichen Ostpreußens, Bd. 1f. 1937f.; Weise, E., Die Staatsverträge des deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert, Bd. 1 1939; Kaminski, K., Verfassung und Verfassungskonflikt in Preußen 1862-1866, 1938; Hintze, O., Regierung und Verwaltung, 1943, 2. A. 1967; Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen (1804-1918), 1955; Bussenius, C., Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen, 1960; Urkunden und Akten zur Geschichte der preußischen Verwaltung in Südpreußen und Neuostpreußen 1793-1806, hg. v. Hubatsch, W., 1961; Matuszewski, J., Jura Prutenorum, 1963; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Schoeps, H., Preußen, 8. A. 1968; Historisch-gographischer Atlas des Preußenlandes, hg. v. Mortensen, H. u. a., Lieferung 1ff. 1968ff.; Eimers, E., Das Verhältnis von Preußen und Reich in den ersten Jahren der Weimarer Republik, 1969; Der Verfassungskonflikt in Preußen 1862-1866, hg. v. Schlumbohm, J., 1970; Hülle, W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971; Hubatsch, W., Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1491,2645, 3,3,2880,3687; Die Denkwürdigkeiten des Burggrafen und Grafen Christoph zu Dohna (1665-1733), 1974; Grundriss der deutschen Verwaltungs­geschichte, hg. v. Hubatsch, W., 1975ff.; Hubatsch, W., Die stein-hardenbergischen Reformen, 1977; Schulze, R., Die Polizeigesetzgebung, 1978; Schubert, W., Preußens Pläne zur Vereinheitlichung des Zivilrechts nach der Reichsgründung, ZRG GA 96 (1979), 243; Krimpenfort, W., Der Grundbesitz der Landstädte des Herzogtums Preußen, 1979; Vetter, Klaus, Kurmärkischer Adel und preußische Reformen, 1979; Schmidt, E., Beiträge zur Geschichte des preußischen Rechtsstaates, hg. v. Merten, D. u. a., 1980; Stump, U., Preußische Verwaltungs­gerichtsbarkeit 1875-1914, 1980; Thadden, R. v., Fragen an Preußen, 1981; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1980ff.; Quellen zur preußischen Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schubert, W./Regge, J., Bd. 1ff. 1981ff.; Hubatsch, W., Grundlinien preußischer Geschichte, 1983; Grünert, E., Die preußische Bau- und Finanzdirektion in Berlin, 1983; Paukert, H., Preußische Verwaltung und katholische Hierarchie in den Rheinprovinzen zur Zeit der Restauration, 1983; Peter von Dusburg, Chronik des Preußenlandes, übersetzt und erläutert v. Scholz, K. u. a., 1984; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der Auseinandersetzungsbehör­den bei der Durch­führung der preußischen Agrarreformen, 1985; Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, hg. v. Schwabe, K., 1985; Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Landwehr, G., Staatszweck und Staatstätigkeit in Preußen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Salmonowicz, S., Preußen aus polnischer Sicht, 1987; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1867-1918, bearb. v. Mann, B., 1988; Anderson, M., Windthorst, 1988; Aschoff, H., Rechtsstaatlichkeit und Emanzipation, 1988; Das nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Willoweit, D. War das Königreich Preußen ein Rechtsstaat?, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft in einer politischen Gesellschaft, 1989; Paravicini, W., Die Preußenreisen des europäischen Adels, 1989; Real, W., Karl Friedrich von Savigny 1814-1875, 1990; Die Mittwochs-Gesellschaft im Kaiserreich, hg. v. Besier, G., 1990; Sellert, W., Ludwig Windthorst als Jurist, 1991; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992; Kühne, T., Handbuch der Wahlem, 1994; Jelowik, L., … verlange ich von seiner Majestät dem König, ZRG GA 111 (1994), 422, Haunfelder, B., Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867, 1994 (1917 Abgeordnete); Beck, C., The Origins of the Authoritarian Welfare State in Prussia, 1996; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Preußen und das Reichsgericht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1998; Ebel, F., „Der papierne Wisch“, 1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999; Die Protokolle des preußischen Staatsministeriums 1817-1934/1938, Bd. 1ff. 1999ff.; Ohlff, H., Preußens Könige, 1999; Preußens Herrscher, hg. v. Kroll, F., 2000; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2000; Preußen, hg. v. Schoeps, J., 2000; Preisendörfer, B., Staatsbildung als Königskunst, 2000; Bahl, P., Der Hof des großen Kurfürsten, 2000; Krockow, C. Graf v., Preußen, 2001; Straub, E., Eine kleine Geschichte Preußens, 2001; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2001; Vondenhoff, C., Hegemonie und Gleichgewicht im Bundesstaat, 2001; Preußens Weg in die politische Moderne, hg. v. Holtz, B. u. a., 2001; Preußische Stile, hg. v. Bahners, Patrick, 2001; Bringmann, W., Preußen unter Friedrich Wilhelm II., 2001; Neugebauer, W., Geschichte Preußens, 2002; Kunisch, J., Friedrich der Große und die preußische Königskrönung von 1701, 2002; Die preußische Rangerhöhung und Königskrönung 1701, hg. v. Barmeyer, H., 2002; Päsler, R., Deutsch­sprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500, 2003; Dierk, W., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003; Kittstein, L., Politik im Zeitalter der Revolution, 2003; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Kotulla, M., Das konstitutionelle Verfassungs­werk Preußens, 2003; Preußen in Ostmitteleuropa, hg. v. Weber, Matthias, 2003; Neugebauer, W., Geschichte Preußens, 2004; Vom Kurfürstentum zum Königreich der Landstriche, hg. v. Lottes, G., 2004; Kulturge­schichte Preußens königlich polnischen Anteils, hg. v. Beckmann, S. u. a., 2005; Haas, S., Die Kultur der Verwaltung, 2005; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte, 2005; Preußens Herrscher, hg. v. Kroll, F., 2006; Das Thema Preußen in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Neugebauer, W., 2006; Schleyer, B., Friedrich Wilhelm Bornemann (1798-1864), 2006; Gärtner, F., Joachim Georg Darjes und die preußische Gesetzes­reform, 2007; Manten, G., Das Notbischofsrecht der preußischen Könige und die preußische Landeskirche, 2007; Gerhardt, J., Der erste vereinigte Landtag in Preußen, 2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffent­lichkeit in Preußen, 2007; Ein Staatsstreich?, red. Weiduschat, G., 2007; Ribhegge, W., Preußen im Westen, 2008; Stalmann, V., Linksliberalismus in Preußen, 2008; Krise, Reformen - und Finanzen, hg. v. Kloosterhuis, J. u. a., 2008; Grypa, D., Der diploma­tische Dienst des Königreichs Preußen (1815-1866), 2008; Das preußische Kultusministerium, Bd. 1f. 2009; Straubel, R., Biographisches Handbuch der preußi­schen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15, 2009; Baumgart, P., Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F., 2009

Priester ist allgemein der mit der Vornahme kultischer Handlungen besonders betraute Mensch. → Presbyter

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 14; Schröder, R., Gesetzessprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 9. A. 1980; Köbler, G., Ewart. Ein Beitrag zur Lehre vom altgermanischen Priesteramt, ZRG KA 89 (1972), 306; Zollitsch, R., Amt und Funktion des Priesters, 1974; Godding, R., Prêtres en Gaule mérovingienne, 2001; Stepper, R., Augustus et sacerdos, 2003; Rüpke, J., Römische Priester in der Antike, 2007; Gußmann, O., Das Priesterverständnis des Flavius Josephus, 2008

Priesterweihe ist im katholischen Kirchenrecht das Sakrament, in dem in einer rituellen Handlung der Bischof einem Menschen den Heiligen Geist und die Befähigung zur Vornahme heiliger Handlungen (amtliche Verkündigung des Wortes Gottes, Spendung von Sakramenten, unterstützende Leitung des Volk Gottes) vermittelt. Die P. kann nur einem Mann gespendet werden, der dafür geeignet, befähigt und vorgebildet ist, vorher die Diakonatsweihe erhalten hat und sich zu einem ehelosen Leben verpflichtet. Die P. unterscheidet den Amtsträger wesentlich vom einfachen Gläubigen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hinschius, P., System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 1 1869, 1; Müller, H., Zum Verhältnis zwischen Episkopat und Presbyterat, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Primas (Oberbischof) ist der hervorragende Bischof (z. B. Karthago 4. Jh., Thessaloniki, Arles 5. Jh., Toledo, Pisa, Canterbury, York, St. Andrews, Armagh, Reims, Rouen, Lyon, Narbonne, Bourges, Vienne, Lund, Gnesen, Gran, Prag, Mainz, Trier, Köln, Hamburg, Bremen, Magdeburg, Salzburg, Tarragona, Mecheln, Warschau 19. Jh.), seit 1971 nur noch der Papst.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Primogenitur (Erstgeburt, Erstgeburtsrecht) (Ansätze in Flandern, Brabant, Savoyen 1252, Henneberg 1310, Hessen 1311, Katzenelnbogen 1331, Bayern 1341, Holland 1347, Braunschweig 1351, Goldene Bulle für Kurfürstentümer 1356, Württemberg 1361, Lippe 1368, Hanau 1375, Baden 1380)

Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982

Princeps (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der von Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) angenommene Titel und im germanisch-deutschen Bereich der Erste, Große oder Fürst.

Lit.: Söllner § 14; Köbler, DRG 29, 30, 69, 71, 83, 311; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Koller, H., Die Bedeutung des Titels „princeps“ in der Reichskanzlei, MIÖG 68 (1960), 75; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978

Princeps legibus solutus est (lat.) ist die lateinische Formulierung des Satzes, dass der Fürst nicht an die Gesetze gebunden ist. In Rom gibt es eine Freistellung von Gesetzen bereits in vorchristlicher Zeit. In Digesten 1. 3. 31 wird die auf Ulpian zurückgeführte Formel princeps legibus solutus (der Prinzeps selbst ist nicht an die [von ihm al Augustus geschaffene] Ehegesetzgebung gebunden) aus dem Sachzusammenhang gelöst von Justinian übernommen. Kaiser Friedrich II. greift hierauf 1245 wieder zurück. Dem folgen Rudolf von Habsburg 1282 oder der König von Frankreich, so dass → Baldus den König im Königreich dem Kaiser gleichstellen kann. In der frühen Neuzeit ist die Bedeutung umstritten. Teils hält man im Anschluss an Jean → Bodin (1576) an der Formel fest, teils schwächt sich ihre Geltungskraft unter dem Einfluss von Jacques Cujas und danach der Aufklärung ab. Im 19. Jh. wird der Herrscher an die Gesetze gebunden (Bayern 1818, Württemberg 1819, Preußen 1850).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wyduckel, D., Princeps legibus solutus, 1979; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Vespasian, 69-79, Ulpian, um 170-223, Digesten 1, 3, 31)

Prinz (M.) Fürstensohn, Prinz, Fürst

Prinzeps → princeps, Prinzipat

Prinzgemahl

Lit.: Rassow, P., Der Prinzgemahl, 1950

Prinzipalkommissar ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der seit dem 15. Jh. erscheinende Vertreter des Kaisers auf dem Reichstag seit der Einrichtung des immerwährenden (ständig tagenden) Reichstages in Regensburg (1663).

Lit.: Moser, J., Deutsches Staatsrecht, Bd. 44 1751, 145; Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro romano impero, Bd. 2 1959, 9

Prinzipat ist im römischen Recht die Herrschaft des (lat.) princeps (Ersten, Augustus 27 v. Chr.-14 n. Chr.) vom Ende der Republik bis zum allmählichen Übergang zum Dominat im dritten Jahrhundert.

Lit.: Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 25ff.; Köbler, DRG 32; Schönbauer, E., Wesen und Ursprung des römischen Prinzipats, ZRG RA 47 (1927), 264; Kornemann, Doppelprinzipat und Reichsteilung, 1930; Nörr, D., Imperium und Polis, 2. A. 1969; Volkmann, H., Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Prinzipat und Kultur, hg. v. Kühnert, B. u. a., 1995

Prinzregent ist der regierende → Prinz.

Lit.: Schamari, H., Kirche und Staat, Bd. 1f. 1983

Prior (M.) Stellvertreter, Abt

Prior tempore potior iure (lat.). Wer zuerst kommt, hat das bessere Recht.

Lit.: Kaser § 31 III 3; Wacke, A., Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, JA 1981, 94; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Priorität (F.) zeitliche Abfolge und Beachtung der zeitlichen Abfolge für die Stellung einevon mehreren Rechten (z. B. Grundsatz im Grundbuchrecht)

Prise

Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main 1970

Pristavel (M.) slawischer Ortsvorsteher, Fischereiaufseher (1375-1907)

Lit.: Vogel, W., Der Verbleib der wendischen Bevölkerung, 1960, 83

Pritzwalk

Lit.: Urkunden der Stadt Pritzwalk in Regesten (1256-1703), hg. v. Neitmann, K., 2007

privat, Adj., besondere im Gegensatz zu allgemein, öffentlich, staatlich

Privatautonomie ist der Grundsatz, dass der Einzelne berechtigt ist, seine Lebens­ver­hältnisse im Rahmen der Rechts­ordnung eigenverantwortlich zu gestalten. Die P. ist der Ausgangspunkt menschlichen Lebens. Sie wird mit zunehmender Verstaatlichung eingeschränkt und deswegen in der Aufklärung als allgemeiner Grundsatz (lat. autonomia [F.] privata) hervorgehoben und vom Liberalismus betont. Im römischen Recht ist demgegenüber die Vertragsfreiheit durch die Ty­pengebundenheit der Klagan­sprü­che einge­schränkt.

Lit.: Köbler, DRG 214, 270; Püls, J., Parteiautonomie, 1995

Privatfürstenrecht ist das den Fürsten als Privatperson betreffende Recht, das nach älteren Ansätzen bei Grotius und Pufendorf im 18. Jh. als eigenes Rechtsgebiet erkannt wird. Es betrifft sachlich vor allem Erbrecht (z. B. Promogenitur) und Familienrecht (z. B. Familienfideikommiss), persönlich nach 1806 die Standesherren. Es endet in Deutschland mit dem Übergang zur Republik (Art. 109 II WRV).

Lit.: Struve, B., Jurisprudentiae heroicae, Bd. 1ff. 1743ff.; Mayer, C., Allgemeine Einleitung ins Privatfürstenrecht, 1783; Rehm, H., Modernes Fürstenrecht, 1904; Albers, B., Begriff und Wirklichkeit des Privatfürstenrechts, 2001; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Gottwald, D., Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009

Privatgerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit im grundherrschaftlichen Hofgericht, Märker­ding, Niedergericht und Patrimonialgericht. Sie endet spätestens 1877/1879.

Privatrecht ist die Gesamtheit aller Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter nicht ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt in seiner Eigenschaft als solcher ist. Ein (lat.) → ius (N.) privatum (privates Recht) unterscheidet bereits das römische Recht. Zu einer Herausbildung eines besonderen (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichen Rechts) kommt es danach erst seit dem 16. Jh. Eine grundsätzliche Trennung zwischen öffentlichem Recht und P. erfolgt im 18. und 19. Jh. Sachlich zählen zum P. Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht, Erbrecht und Familienrecht sowie Handelsrecht und (teilweise) Arbeitsrecht. Geprägt ist das P. besonders durch die Aufnahme römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter.

Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 1, 8, 54, 159, 184, 189; Eichhorn, H., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1910ff., Neudruck 1963; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetz­bücher, 1953; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Kaser, M., Römisches Privatrecht, 1960; Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 19. A. 2008; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1 (1967), 195; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Steindl, H., Zur Genese des Privatrechts als „allgemeinem Wirtschaftsrecht“, (in) FG H. Coing, 1982, 349; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 10. A. 2005; Schröder, J., Privatrecht und öffentliches Recht, FS J. Gernhuber, 1993, 961; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung und Rechtswissenschaft, 1997; Auf dem Wege zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a., 1997; Wolf, W., Vom alten zum neuen Privatrecht, 1998; Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G., 1998; Repgen, T., Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 2001; Hamza, G., Die Entwicklung des Privatrechts auf römischrechtlicher Grundlage, 2003

Privatrechtsgeschichte ist die Geschichte des → Privatrechts. Sie wird als P. der Neuzeit 1935 besonders eingerichtet. Sie ist Teil der umfassenden → Rechtsgeschichte.

Lit.: Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands, hg. v. Beyerle, F. u. a., 1936ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte (begründet vo. Molitor, Erich 1949), 2. A. 1975, 2. A. 1979, 3. A. 1979, 4. A. 1982, 5. A. 1985, 6. A. 1988, 7. A. 1993, 8. A. 1996, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Gmür, R., Über das Coingsche Handbuch, ZRG GA 102 (1985), 283; Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte, 5. A. 2005; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 2. A. 2002

Privatrechtssystem ist die Erfassung des Privatrechts in einem System. Ein solches P. ist dem römischen Recht höchstens in Ansätzen bekannt (z. B. → Gaius) und auch dem Mittelalter fremd. Erst die Naturrechtslehrer des 17. Jh.s versuchen, (lat.) more geometrico (in geometrischer Art) ein P. zu entwickeln (→ Grotius, → Pufendorf, → Wolff, → Nettelbladt), auf dessen Grundlage Kodifikationen geschaffen werden. Im 19. Jh. entstehen zeitgebundene geschlossene Systeme des Privatrechts (→ Savigny, → Puchta, → Gerber).

Lit.: Coing, H., Bemerkungen zum überkommenen Zivilrechtssystem, FS H. Dölle Bd. 1 1963, 25; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, (in) Wissenschaft und Kodifika­tion, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Leiser, W., Schichtspezifisches Privatrecht, ZRG GA 93 (1976), 1; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Otte, G., Der sog. Mos geometricus in der Jurisprudenz, Quaderni Fiorentini 8 (1979), 179; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der Allgemeinen Lehren des deutschen Privatrechts, 1980; Moos, P. v., Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004

Privatstrafe ist die privat verhängte, der öffentlichen Strafe ähnelnde Rechtsfolge. Sie kommt dem Verletzten zugute oder wird von ihm vollzogen. Die P. wird mit der Verstaatlichung des gesellschaftlichen Lebens durch die öffentliche Strafe abgelöst. Versteht man Strafe als von der Allgemeinheit verhängtes Übel ohne unmittelbaren Nutzen für das Opfer, so ist die P. problematisch.

Lit.: Levy, E., Privatstrafe und Schadensersatz im klassischen römischen Recht, 1915; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe in der mittelalterlichen Rechtstheorie, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe vom Mittelalter bis zum BGB, 1970; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004

Privaturkunde ist für das Mittelalter die nicht von Kaiser, König oder Papst ausge­stellte Urkunde, im heutigen Verständnis die von einer nicht hoheitlich tätigen Person ausgestellte Urkunde. Nach Brunner ist im Frühmittelalter (lat. [F.]) notitia die schlichte, objektiv gehaltene Beweisurkunde, (lat. [F.]) carta die dispositive, subjektiv gehaltene Konstitutivurkunde. Prägend ist die Herkunft aus dem spätrömischen Schriftwesen, charakteristisch für die karolingische Zeit die Verwendung der karolingischen Minuskel.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4; Brunner, H., Carta und notitia, FS T. Mommsen 1877, 570; Posse, O., Die Lehre von den Privaturkunden, 1887, Neudruck 1974; Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911, Neudruck 1969; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1967; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Die Privaturkunden der Karolingerzeit, hg. v. Erhart, P. u. a., 2009

Privileg ist das einem oder mehreren Einzelnen von einem Zuständigen im Gegensatz zur Allgemeinheit eingeräumte Vorrecht. Im altrömischen Recht ist (lat. [N.]) privilegium das Sondergesetz für den einzelnen dadurch nicht benachteiligten Menschen, später das Sonderrecht zugunsten bestimmter Menschen­gruppen. Im Mittelalter ist P. die begünstigende, als ausschließlich behauptete Herrschaftsrechte gewissermaßen weiterrei­chende Herrschaftshandlung zuguns­ten eines Einzelnen, die meist in einer Urkunde festgehalten wird (z. B. etwa 900 Königs­urkunden zur Immunität, 1400 Königsurkunden zur Gerichtsbarkeit). Die Gewährung eines Privilegs verändert Recht zugunsten des Empfängers. Seit dem 12. Jh. führt man die Befugnis zur Privilegierung auf die Gesetzgebungszuständigkeit zurück. In der französischen Revolution (1789) werden in Frankreich alle Privilegien beseitigt. Im Übrigen wird das P. im 19. Jh. durch den → Gleichheitsgrundsatz eingeschränkt. Diese Entwicklung verstärkt sich im 20. Jh. noch. An die Stelle des Privilegs tritt die gesetzlich geregelte Konzession.

Lit.: Kaser § 3 VI; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104, 114, 153, 167; Lindner, D., Die Lehre vom Privileg, 1917; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 39; Mohnhaupt, H., Untersuchungen zum Verhältnis Privileg und Kodifikation, Ius commune 5 (1975), 71; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien im frühen Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 118; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non appellando, 1980; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 185; Österreichische Fabriksprivilegien, hg. v. Otruba, G. 1981; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 1983, 396; Dölemeyer, B., Vom Privileg zum Gesetz, Ius commune 15 (1988), 57; Lucha, G., Kanzleischrift­gut, 1993; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Das Privileg im europäischen Vergleich, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., Bd. 1f. 1997ff.; Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004; Koppitz, H., Die kaiserlichen Druckprivilegien, 2007; Wadle, E., Privilegien für Autoren oder für Verleger?, ZRG GA 124 (2007), 144; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19. Jahrhundert, 2007

privilegium (N.) de non appellando (lat.) Privileg des Ausschlusses der → Appellation an die Reichsgerichtsbarkeit (bis zur Mitte des 15. Jh.s im weitem Umfang erteilt)

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3

privilegium (N.) de non evocando (lat.) Privileg des Ausschlusses der Ansichziehung (Evokation) eines Rechtsstreites seitens des Königs (bis 1487 bedeutsam)

privilegium (N.) dotis (lat.) Vorrecht der Mitgift nach römisch-gemeinem Recht

Lit.: Kaser § 31 III 3; Hübner 413, 689

privilegium (N.) impressorium (lat.) Druckprivileg

Privilegium (N.) maius (lat.) sind die im Winter 1358/1359 unter Herzog Rudolf IV. von → Österreich in seiner Kanzlei unter Verwendung des echten Siegels des privilegium minus herge­stellten fünf falschen Urkunden, in denen zwecks Gleichstellung mit den Kurfürsten und Benachteiligung der Brüder Rudolfs IV. vom Fälscher Österreich bzw. seinem Herrscher zahlreiche Rechte gewährt werden (Erhebung zum Pfalzerzherzog, Berechtigung zum Tragen einer Bügelkrone, Unteilbarkeit, Ältestenerb­recht [des Sohnes und hilfsweise der Tochter], Bestimmungsrecht bei Erbenlosigkeit, Beleh­nung in Österreich, Ausschließung des königlichen Hofgerichts, Beschränkung der Heerfolge auf eine symbolische Handlung, Beseitigung der Hoffahrtspflicht). Das auch für die zukünftig beherrschten Länder Österreichs gelten wollende (gefälschte) p. m wird trotz des dem privilegium minus entnommenen (echten) Siegels von Kaiser Karl IV. 1360 unter dem Einfluss Francesco Petrarcas wegen eingefügter angeblicher Urkunden Caesars und Neros nicht anerkannt. Die Anerkennung erfolgt aber unter den Habsburgern Friedrich III. (1442, 6. 1. 1453, Zustimmung der Kurfürsten), Karl V. (1530) und Karl VI. (1729). Danach  gilt das p. m. bis 1806 als Recht des Heiligen römischen Reiches. Im 19. Jh. wird die plumpe Fälschung entlarvt und als p. m. (1852) bezeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 95, 111; Baltl/Kocher; Erben, W., Das Privilegium Friedrichs I. für das Herzogtum Österreich, 1902; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 3 1988, 201; Moraw, P., Das privilegium maius und die Reichsverfassung, 1988

Privilegium (N.) minus (lat.) ist das am 17. 9. 1156 von → Friedrich I. Barbarossa dem Babenberger Heinrich (II.) Jasomirgott erteilte, seit 1852 als p. m. bezeichnete Privileg über den am 8. 9. 1156 unter Fürstenspruch erfolgten Vorgang der Ver­selbständigung Österreichs von Bayern. Es beruht darauf, dass der nach dem Tod des aus Sachsen kommenden Kaisers Lothar von Süpplin­genburg 1138 als Enkel Kaiser Heinrichs IV. zum König gewählte → Staufer Konrad III. dem unterlegenen, mit einer Tochter Lothars verheirateten Mitbewerber Heinrich dem Stolzen aus der Familie der → Welfen aus machtpolitischen Überlegungen das Herzogtum Bayern mit der Begründung entzieht, dass niemand gleichzeitig Herzog in zwei Herzogtümern sein könne, und es 1139 seinem Stiefbruder Leopold IV. aus der Familie der → Babenberger als dem Markgrafen der Markgrafschaft → Österreich zuteilt, Friedrich I. aber als Nachfolger Konrads III. den als Nachfolger seines Vaters Heinrichs des Stolzen gegen den Entzug aufbegeh­renden, inzwischen mündig gewordenen welfischen Vetter → Heinrich den Löwen zufriedenstellen will. Zu diesem Zweck gewährt er trotz Widerspruchs des Babenbergers Heinrich Jasomirgott 1154 Bayern den Welfen zurück, löst hieraus aber am 8. 9. 1156 Österreich als selbständiges, territorial (nicht völlig klar) gekennzeichnetes → Herzogtum heraus. Der neue Herzog und seine Gattin werden gemeinsam belehnt. Es wird ihnen und ihren Nachfolgern die Erblichkeit im männlichen und im weiblichen Stamm (Weiberlehen) zugesichert. Bei Kinderlosigkeit sollen der belehnte Herzog und seine Gattin das (persönliche) Recht (lat. [N.] ius) haben, den Nachfolger frei zu bestimmen (lat. [Gen. Sg.] affectandi, Designationsrecht). Ohne Zustimmung des Herzogs soll niemand eine Gerichtsbarkeit im neuen Herzogtum ausüben. Die Pflicht des Herzogs, zu Hoftagen zu erscheinen, wird auf Hoftage in Bayern und die Pflicht zur Heerfolge auf Kriegszüge in benachbarten Ländern des Herzogtums beschränkt. Die notwendigen lehnrechtlichen Handlungen werden feierlich vollzogen (Rückgabe von sieben Fahnen für Bayern und Österreich durch Heinrich Jasomirgott an Friedrich I., Hingabe dieser sieben Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich den Löwen, Rückgabe von zwei Fahnen durch Heinrich den Löwen an Friedrich I., Erhebung Österreichs zum Herzogtum, Überreichung zweier dies ve­sinnbildlichender Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich Jasomirgott). Das Original des p. m. ist nicht erhalten, da es vermutlich 1358/1359 bei der Erstellung des gefälschten privilegium maius durch Herzog Rudolf IV. vernichtet wird. Erhalten ist eine Abschrift der Mitte des 13. Jh.s aus Klosterneuburg.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Tangl, M., Die Echtheit des österreichischenj Privilegium minus, ZRG 25 (1904), 258; Schrader, E., Zur Gerichtsbestimmung des Privilegium minus, ZRG GA 69 (1952), 371; Fichtenau, H., Von der Mark zum Herzogtum. 1958; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977, Neudruck 2006; Die Geburt Österreichs, hg. v. Schmid, P. u. a., 2007

Privilegium (N.) Ottonianum (lat.) ist das in einer gleichzeitigen Prunkausfertigung erhaltene, die Rechte des Papstes einschließlich der karolingischen Schenkungen und der Vereinbarungen über die Papstwahl bestätigende Privileg Kaiser Ottos I. für Papst Johannes XII.

Lit.: Sickel, T., Das Privilegium Ottos I., 1983; Zimmermann, H., Das dunkle Jahrhundert, 1971, 134

probatio (lat. [F.]) Beweis

proceres (lat. [M.Pl.]) Vornehme, Große

Proculus (20/10 v. Chr.-50/70 n. Chr.) ist der römische Rechtskundige, der seit 33 n. Chr. Haupt der nach ihm benannten Rechtsschule ist, zu der → Labeo filius und → Nerva pater sowie Neraz und Celsus zählen und der die Rechtsschule des → Sabinus gegenübersteht. Sein wichtigstes Werk sind (lat. [F.Pl.]) epistulae (Briefe) in wohl 12 Büchern. Daneben wird er von vielen bekannten Rechtskundigen zitiert.

Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 123; Krampe, C., Proculi Epistulae, 1970

Procurator (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Prozessvertreter oder Verwalter (z. B. der Geschäfte des Freilassers [lat. patronus]) auf Grund Befehls oder Geschäftsführung ohne Auftrag oder schließlich auch Auftrags. Der p. kann über das Vermögen verfügenspäter den patronus auch durch Geschäfte verpflichten.

Lit.: Kaser §§ 11 II 1b, 20 I 1, 44 II 1, 49 II 4, 82 IV; Köbler, DRG 33, 44, 47, 57; Köbler, LAW; Klinck, F., Zur Bedeutung des Wortes procurator in den Quellen des klassischen Rechts, ZRG RA 124 (2007), 25

Prodigus (lat. [M.]) ist bereits im altrömischen Recht der vom Magistrat durch Interdiktion entmündigte Verschwender, für den ein (lat. [M.]) curator (Pfleger) treuhänderisch handelt.

Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Köbler, DRG 22

Produkthaftung ist die in Deutschland ab 1. 1. 1990 geltende, durch eine Richtlinie der → Europäischen Gemeinschaft veranlasste → Gefährdungshaftung des Herstellers eines Produktes. Sie steht neben der von der Rechtsprechung entwickelten Produzenten­haftung, ohne sie verdrängen zu können.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271; Bartl, H., Produkthaftung nach neuen EG-Recht, 1989; Honsell, H., Produkthaftungsgesetz und allgemeine Delikts­haftung, JuS 1995, 211

Produktionsmittel (N.) das zur Herstellung eines Erzeugnisses erforderliche Mittel (z. B. Werkzeug, Maschine, Gebäude)

Produzentenhaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s von der Rechtsprechung nach amerikanischem sowie französischem Vorbild entwickelte deliktische Haftung (Verschuldenshaftung) des Produzenten für von seinen Erzeugnissen verursachten Schaden (vgl. BGHZ 51, 91 Hühnerpest). Für bestimmte Pflichtverletzungen besteht dabei eine Verschul­densvermutung, wodurch die Bejahung von Schadensersatzansprüchen erleichert wird. Seit 1990 ist die P. durch eine Produkthaftung ergänzt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271

Profess (lat. professio [F.] religiosa) ist die Ablegung des Ordensgelübdes (Armut, Keuschheit, Gehorsam). Bestimmte kirchenrechtliche Wirkungen (z. B. Erwerbs­unfähigkeit, Ehehindernis, Erbunfähigkeit) treten seit dem 18./19. Jh. nach weltlichem Recht nicht mehr ein.

Lit.: Hübner 57; Martin, A., Die Bedeutung des Ordensgelübdes, 1924; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

professio (F.) iuris (lat.) Bekenntnis zu einem für den Bekennenden anwendbaren Recht (vor allem zu einem → Volksrecht im Frühmittel­alter)

Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, 1954, 117f., 186, 259

Professor ist seit dem Hochmittelalter (13. Jh.) vor allem der Universitätslehrer. Dabei ist in der Rechtswissenschaft im 15. Jh. noch der erste Dekretalist der vornehmste Rechtslehrer, in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s dagegen der Lehrer des weltlichen Codex. Die Versorgung erfolgt noch im 15. Jh. überwiegend durch Benefizien (Pfründen).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 143, 186; Schwarz, A., Der Einfluss der Professoren auf die Rechtsentwicklung, (in) Rechtsgeschichte und Gegen­wart, 1960, 181; Ebel, W., Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962, 1962; Pick, E., Die Professoren des Rechts, FS O. v. Mühl, 1981, 509; Belloni, A., Professori giuristi a Padova, 1986; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993, 139; Schmeiser, M., Akademischer Hasard, 1994; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten, 1997; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Irrgang, S., Peregrinatio academica, 2002

Profos (zu lat. [M.] praepositus) Ankläger im Heer, Vollstreckungsbediensteter

Pro herede gestio (lat.[F.]) ist im klassischen römischen Recht das Verhalten wie ein Erbe, durch das die Außenerben die Erbschaft annehmen.

Lit.: Kaser § 71 II 2a; Köbler, DRG 38

Project des Codicis Fridericiani Marchici ist die (von Cocceji) nach seiner königlichen Majestät von Preußen selbst vorge­schriebenem Plan entworfene Cammerge­richtsordnung, nach der alle Prozesse in einem Jahr durch drei Instanzen zum Ende gebracht werden sollen und müssen nebst dem Project einer Sportul-Ordnung und eines Pupillen-Collegii in Preußen von 1748. Das P. folgt dem Project eines Codicis Fridericiani Pomeranici (für Pommern) für die Mark Brandenburg nach. Im ersten Teil handelt die Ordnung in 18 Titeln von unseres Hof- und Cammer-Gerichts-Bestellung und vom rich­ter­lichen Amt überhaupt, im zweiten Teil in sieben Titeln von denen bishero bei dem Cammergericht (lat.) ratione modi procedendi einge­schlichenen Missbräuchen und deren Remedierung, im dritten Teil in 44 Titeln von dem (lat.) processu summario et ordinario in genere und im vierten Teil in neun Titeln von einigen besonderen Processen, als in Bagatellsachen, in summariissimo, in Injurien, in causis fiscalibus, bei Kom­missionen, und Ver­suchung der Güte, zwi­schen Pächtern und Gutsherren, Obrig­keiten und Untertanen, Pupillen und Vormündern, item wegen streitiger Grenze sowie in Konkursen usw. Zur Seite steht das Project einer nach seiner königlichen Majestät von Preußen vorge­schiebenem Plan errichteten Tribunal­ordnung, das Project der Sportel­ordnung bei dem Kammergericht und das Project eines neuen Pupillen-Collegii. Das P. d. C. F. M. geht einem gescheiterten Project eines (lat.) Corpus juris Fridericiani von 1749/1751, dem Corpus (N.) iuris Fridericianum (lat.) (Erstes Buch vom 26. April 1781, Prozessrechtsgesetzbuch Fried­richs des Großen bzw. seines Groß­kanzlers → Carmer, das den Unter­suchungs­grundsatz in den Zivilprozess ein­führt) und der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1793 voraus.

Lit.: Codex Fridericianus Marchicus m. einer Einlei­tung v. Mohnhaupt, H. 2000; http://www.koeblerger­hard.de/Fontes/ProjectdesCodicisFridericianiMarchici1748.htm

Project des Corpus juris Fridericiani ist der im Ergebnis gescheiterte Versuch Friedrichs des Großen von Preußen, durch Cocceji das materielle Recht des Landes durch Gesetz zur vereinheitlichen (Personenrecht 1749, Sa­chenrecht 1751, Obligationenrecht 1753 bei Versendung verloren). Ihm folgen das Allge­meine Gesetzbuch (ab 1784) bzw. das Allgemeine Landrecht von 1794 nach.

Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Projectdes­CorporisJurisFridericiani1-1749.pdf; http://www.­koeb­lergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani2-1751.pdf

Prokulianer ist der Anhänger der nach Proculus benannten römischen Rechtsschuler. Die P. stehen den Sabinianern gegenüber. Sie werden als innovativ eingestuft und betonen die Zusammenhänge und Ableitungen.

Prokura ist die seit der Neuzeit vom Inhaber eines Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilte besondere Ver­tretungsmacht.

Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913

Prokurator (lat. [M.] procurator) ist der Vertreter einer Partei in einem gerichtlichen Verfahren bezüglich der formgerechten Vornahme der Prozesshandlungen vor Gericht. Der vom Advokaten geschiedene P. ist dem römischen Recht wie dem kirchlichen Recht bekannt. Beim Reichskammergericht wird nach 1521 die Trennung beseitigt. Allgemein wird sie in Deutschland 1877/1879 aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 117, 153; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 119; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 156, 453; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 161, 207, 211, 217; Baumann, A., Das Reichskammergericht in Wetzlar, ZRG GA 115 (1998), 498; Baumann, A., Anwälte am Reichskammerericht, 2001; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006

Proletariat (N.) besitzlose Klasse

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 17, 177; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984

promissio (lat. [F.]) Versprechen

Promotion (F.) Vorwärtsbewegung, Qualifi­kationsverfahren zum Erwerb des Doktorgrads

Lit.: Promotionen und Promotionswesen an deutschen Hochschulen der Frühmoderne, hg. v. Müller, R., 2001; Münch, I. v., Promotion, 2002, 2. A. 2003, 3. A. 2006; Examen, Titel, Promotionen, hg. v. Schwinges, R. 2007; Bilder - Daten - Promotionen., hg. v. Müller, R., 2007; Baur, S., Vor vier Höllenrichtern, 2009

Promptuarium (N.) iuris (lat.) ist das alphabetisch geordnete, 1408 bis 1422 von Ulrich von Albeck verfasste Rechtslexikon, dessen Handschrift in Graz liegt.

Lit.: Pfaff, I., Das promptuarium iuris des Reichskanzlers und Bischofs Ulrich von Albeck, ZRG RA 42 (1921), 158

Property Acts (1922-5) sind neun das Sachenrecht betreffende Einzelgesetze des → englischen Rechts.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

proportional (Adj.) verhältnismäßig

proprietas (lat. [F.]) Eigentum

Lit.: Kaser § 22 II 2; Köbler, DRG 60, 124; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1

Propst ist im frühmittelalterlichen Kloster der dem Abt folgende Vorgesetzte, der teils vom → Prior verdrängt wird, teils das Amt des → Archidiakons erlangt. In der evangelischen Kirche lebt der P. bis zur Gegenwart fort.

Lit.: Merzbacher, F., Johann von Allendorf, 1955; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Rauch, G., Pröpste, Propstei und Stift von S. Bartholomäus in Frankfurt, 1975

proscriptio (lat. [F.]) Ächtung

Prostitution (F.) ist die gewerbsmäßige Hingabe des Körpers zu geschlechtlichen Zwecken. Sie findet sich als naheliegende Folge bereits bei den monogamen Kultur­völkern des Altertums. Vom Christentum wird die P. bekämpft und zurückgedrängt. Mit der Geldwirtschaft entstehen in den mittelalterlichen Städten Frauenhäuser, in denen die P. erlaubt ist. Im 19. Jh. setzt sich der Grundsatz der Gewerbefreiheit auch für die P. durch. 1927 wird in Deutschland ein Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechts­krankheiten eingeführt. Bestimmte Formen der Förderung der P. sind strafbar. Am Beginn des 21. Jahrhunderts wird in Deutschland (2001) die P. legalisiert.

Lit.: Dufour, F., Weltgeschichte der Prostitution, 1905; Schuster, B., Die unendlichen Frauen, 1996; Stumpp, B., Prostitution in der römischen Antike, 1998; Falck, U., VEB Bordell, 1998; Gleß, S., Die Reglementierung von Prostitution, 1999; Stumpp, B., Prostitution in der römischen Antike, 2001; Malkmus, K., Prostitution in Recht und Gesellschaft, 2005; Hemmie, D., Ungeordnete Unzucht, 2007

Protektorat ist seit dem 19. Jh. die Schutzherrschaft eines Staates oder mehrerer Staaten über einen Staat bzw. dessen Gebiet (z. B. 1806 Rheinbund, 1815 Republik Krakau, 1881 Tunesien, 1912 Marokko, 1914 Ägypten).

Lit.: Kienz., J., Die Staatenverbindungen, 1929, 288; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Protest ist allgemein die Rechtsverwahrung, die bis zu einem Akt politischer Opposition reichen kann (Hannover 1837). Im Wechsel­recht ist P. seit der frühen Neuzeit die öffentliche Beurkundung der Verweigerung der Annahme oder Zahlung bei Vorlage bestimmter Wertpapiere.

Lit.: Kück, H., Die „Göttinger Sieben“, 1934; Becker, H., Protestatio, Protest, ZHF 5 (1978), 385; Ehls, M., Protest und Propaganda, 1997

Protestant ist allgemein der Protestierende, insbesondere der gegen die kaiserliche Religionspolitik des 16. Jh.s und einen Beschluss der katholischen Reichstagsmehr­heit im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) (in Speyer am 19. 4. 1529) für eine bestimmte religiöse Einstellung Protestie­rende.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Reingrabner, G., Protestanten in Österreich, 1981; Graf, E., Der Protestantismus, 2000; Greschat, M., Protestantismus in Europa, 2005; Steiner, S., Reisen ohne Wiederkehr, 2006; Geheimprotestantismus und evangeliche Kirche in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg, hg. v. Leeb, R. u. a., 2009

Protestatio facto contraria non valet (lat.) Die im Widerspruch zum Handeln stehende Verwahrung gilt nicht.

Lit.: Teichmann, A., Protestatio facto contraria, FS K. Michaelis, 1972, 294; Köhler, H., Kritik der Regel, JZ 1981, 454; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Glosse Protestetur zu Liber sextus 1, 6, 25)

Protokoll ist im engeren Sinn ein Teil einer Urkunde, im weiteren Sinn eine durch Unterschrift oder Genehmigung als richtig anerkannte Niederschrift über eine Verhand­lung.

Lit.: Kaser § 87 II 6; Kroeschell, DRG 2, 3; Protocolle der deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1851-1866; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearb. v. Achilles, A. u. a., Bd. 1ff. 1987ff., Neudruck 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986

Protonotar (M.) oberster Schreiber

Protonotarius (lat. [M.]) ist der oberste Schreiber, der im Deutschen Reich seit dem 12. Jh. (1150 Reichskanzlei) erscheint.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912

Provence ist das die älteste römische Provinz in Gallien bildende Gebiet zwischen Mittelmeer, Rhone, Var und Alpen. Die P. kommt 1032 an das → Deutsche Reich, 1481 an → Frankreich. Sie ist dort ein Gebiet des Schriftrechts (droit écrit, römischen Rechts).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Buchner, R., Die Provence in merowingischer Zeit, 1933; Busquet, R., Histoire de la Provence, 4. A. 1966; Poly, J., La Provence, 1976

Provinz ist ein räumlicher Teil eines Staates oder einer sonstigen Einrichtung (z. B. nach römischem Vorbild seit dem 4. Jh. die christliche Kirche) seit dem römischen Altertum (227 v. Chr.). In Rom steht ein Statthalter an der Spitze der 297 n. Chr. mehr als 100 Provinzen. Im Frühmittelalter entspricht die P. dem Siedlungsgebiet eines Volkes. In der Neuzeit teilen verschiedene Staaten ihr Gebiet in Provinzen (Frankreich bis 1789, Preußen 1815).

Lit.: Söllner §§ 12, 14; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910; Wagner, P., Die geschichtliche Entwicklung der Metropolitangewalt, Diss. phil. Bonn 1917 masch.schr.; Jeserich, K., Die preußischen Provinzen, 1931; Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Die Provinzen des römischen Reiches, hg. v. Bechert, T., 1998

Provinzialedikt (N.) das vom römischen Priovinzialstatthalter verkündete Edikt

Provinziallandtag ist der Landtag einer Provinz.

Lit.: Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag bis zum Jahre 1874, 1918; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999

Provinzialrecht ist das besondere Recht einer Provinz im Verhältnis zum allgemeinen Recht.

Lit.: Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1804ff.

Provinzialstand ist der eine → Provinz betreffende → Stand (Landstand, z. B. in Preußen).

Lit.: Stephan, J., Die Entstehung der Provinzialstände in Preußen 1823, Diss. phil. Berlin 1914; Roebers, R., Die Einrichtung der Provinzialstände in Westfalen, Diss. phil. Münster 1915; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation, HZ 208 (1969), 265

Pro viribus hereditatis (lat.) (für die Mittel der Erbschaft) ist die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Wert des Nachlasses.

Lit.: Köbler, DRG 162

Provision ist im Kirchenrecht seit dem Mittelalter die Übertragung eines freien Kir­chenamtes durch die zuständige Stelle an einen geeigneten Menschen.

Lit.: Bauer, H., Päpstliche Provisionen für niedere Pfründen, 1911; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts, 1915; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

provocatio (lat. [F.]) Anrufung der Volksversammlung gegen ein magistratisches Strafurteil

Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Prozess ist ein rechtlich geordneter, von Lage zu Lage sich entwickelnder Vorgang zur Gewinnung einer (richterlichen) Entscheidung über ein behauptetes materielles Rechtsver­hältnis. Das gerichtliche Verfahren entsteht vermutlich aus der rechtlichen Ordnung des außergerichtlichen Streites wegen der mit der → Selbsthilfe verbundenen schädlichen Folgen ganz allmählich. Bereits das altrömische Recht verlangt dabei, dass in allen nicht ganz eindeutigen Streitfällen eine Überprüfung in einem öffentlichen Verfahren (Erkenntnis­verfahren) stattfindet und dass der verfolgende Zugriff (Vollstreckungsver­fahren) nur in bestimmten Formen erfolgt. Kennzeichnend ist die wohl der Entlastung der Höchstmagistrate und zugleich der Rechtssicherheit der Betroffenen dienende Zweiteilung des Verfahrens in zwei Abschnitte (lat. in iure, vor Gericht bzw. apud iudicem, vor dem Richter). In Fällen allgemeiner Bedeutung befindet vielleicht anfangs der König, danach ein einzelner Magistrat, gegen deren Entscheidung jeder männliche freie Bürger die Volksversamm­lung anrufen kann (lat. [F.] → provocatio). Später wird das Legisaktionen­verfahren (→ legisactio) zum → Formularverfahren und dieses zum → Kog­nitionsverfahren. Über Verfahren bei den Germanen berichtet Tacitus (98 n. Chr.) in Umrissen. Das Frühmittelalter überliefert eine Reihe von Berichten über einzelne Verfahren, die das Nebeneinander von Richtern und Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) erkennen lassen. Seit dem 12. Jh. wird in Anknüpfung an das römische Recht Prozessrechtsliteratur sichtbar. Seit dem Spätmittelalter wird der in Oberitalien ausgebildete römisch-kanonische P. (→ Schriftlichkeit, tatsächlicher Anwaltszwang, Artikulierung, → Berufsrichter, → Ap­pella­tion, Reichskammergerichtsprozess, Reichs­hofratsprozess, sächsischer Prozess) aufge­nommen und der Strafprozess verselbständigt. Im 19. Jh. setzt sich der in Frankreich ausgebildete liberale P. durch. Die Zahl der Prozesse ist groß.

Lit.: Kaser §§ 80ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19f. u. ö.; Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893; Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses, hg. v. Wahrmund, L., Bd. 1ff. 1905ff.; Gál, A., Die Prozessbeilegung nach den fränkischen Urkunden des 7.-10. Jahrhunderts, 1910; Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Kafka, F., Der Proceß, 1925; Mitteis, H., Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich, 1927 (SB Heidelberg); Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nörr, K., Die Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Buchda, G., Über die „Vorrede“ im sächsischen Prozess des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 91 (1974), 90; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Battenberg, F., Herrschaft und Verfahren. Politische Prozesse im mittelalterlich römisch-deutschen Reich, 1995; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio finita“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Macht und Recht, hg. v. Demandt, A., 1990; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Große Prozesse, hg. v. Schultz, U., 3. A. 2001; Große Prozesse der römischen Antike, hg. v. Manthe, U. u. a., 3. A. 2001; Dubischar, R., Prozesse die Geschichte machten, 1997; Ferrari Zumbini, R., La lotta contro il tempo nel processo altomedievale, 1997; Prozessakten als Quelle, hg. v. Baumann, Anette, 2001; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten Zug, 2002; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005; Les procès politiques (14.-17. siècle, hg. v. Bercé, Y., 2007

Prozessbuße ist die Buße einer Partei, eines Richters, Urteilers, Zeugen oder Schelters bei Verletzung einer Regel im → Prozess. Sie findet sich vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit.

Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck 1971; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 176; Lampe, W., Die dilatura im germanischen Recht, Diss. jur. Göttingen 1921 masch.schr.; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 435; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess am Ende des alten Reiches, Diss. jur. Münster 1966; Wesener, G., Römisch-kanonisches Prozessrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 360

Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit Prozesshandlungen selbst oder durch einen Prozessbevollmächtigten wirksam vorzuneh­men oder entgegenzunehmen. Sie wird erst im 19. Jh. von der Parteifähigkeit und der Postulationsfähigkeit getrennt. Im älteren Recht ist sie entsprechend der Geschäfts­fähigkeit ständisch geprägt und im Einzelnen örtlich und zeitlich verschieden gestaltet.

Lit.: Kaser § 82 II 3e; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Etzbach, E., Die Stellung der Parteien im Prozess, Diss. jur. Köln 1973

Prozessformel ist bereits im altrömischen Recht die zu jeder → Legisaktion gehörige, genau vorgeschriebene Spruchformel. Sie be­steht nach ihrer Vermehrung im Formularprozess aus (lat. [F.]) praescriptio, intentio und condemnatio. Auch das englische Prozessrecht kennt seit dem Hochmittelalter eine beschränkte Zahl von Formularen des → writ.

Lit.: Kaser § 83; Köbler, DRG 19, 33

Prozessgefahr ist im Hochmittelalter die Gefahr (mhd. vare), den → Prozess durch bloßes Versprechen beim Vortrag vor Gericht zu verlieren. Ihre Herkunft ist unklar (germanisch?, gelehrt). Zur Umgehung bedient man sich des → Fürsprechers als eines Vertreters im Wort, dessen Vortrag die Partei genehmigen muss. Sichtbar wird die P. in Stadtrechten, die ihren Ausschluss als Privilegierung erwähnen. Nach neuerer Ansicht ist im sächsisch-magdeburgischen Recht allenfalls das Beweisrecht von Form­strenge geprägt, wobei Formverstöße oft ausgeglichen werden können.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Meyer, T., Gefahr vor Gericht, 2009

Prozesshandlung ist die prozessgestaltende Beteiligung der Partei und der Streitgehilfen bzw. ihrer Vertreter an einem → Prozess (z. B. Klage). Als allgemeiner Begriff wird die P. von Daniel → Nettelbladt (1719-1791) erkannt.

Lit.: Köbler, DRG 156; Grunst, B., Prozesshandlungen im Strafprozess, 2002

Prozesskosten sind die bei einem → Prozess entstehenden Kosten. Sie trägt bereits im spätantiken römischen Recht die unter­liegende Partei. Seit dem Spätmittelalter lösen die dem Staat zustehenden P. die dem Richter unmittelbar anfallenden Ansprüche ab. Dabei wird der Grundsatz, dass der Unterliegende die Kosten zu tragen habe, durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden diese Ausnahmen zurückgedrängt.

Lit.: Kaser § 87 I 8; Köbler, DRG 56; Weber, A., Über die Prozesskosten, 5. A. 1811; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965, 333; Sellert, W., Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozesserfolg, FS A. Erler, 1976, 509

Prozesskostenhilfe ist die in Deutschland 1980 das ältere → Armenrecht ablösende finanzielle Unterstützung einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Führung eines Prozesses nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.

Lit.: Köbler, DRG 263; Birkl, N., Prozesskosten- und Beratungshilfe, 2. A. 1981

Prozessmaxime ist der leitende Grundsatz des Verfahrensrechts (z. B. Mündlichkeit/­Schriftlichkeit, Öffentlichkeit/Heimlichkeit, Par­teibetrieb/Amtsbetrieb, Verhandlungs­grundsatz, Untersuchungsgrundsatz, Instrukti­onsmaxime, Eventualmaxime, Unmittelbar­keit, Konzentrationsmaxime). Bewusst formu­liert werden die Prozessmaximen erst im 19. Jh.

Lit.: Gönner, N., Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses, 1801; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Jauernig, O., Verhandlungs­maxime, Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 332; Caenegem, R., History of European Civil Procedure, 1973; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975

Prozessordnung ist die gesetzliche Ordnung des → Prozesses auf der Grundlage des seit dem 12. Jh. erscheinenden Schriftums. → Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung → Gerichtsordnung

Lit.: Marquordt, G., Vier rheinische Prozessordnungen, 1938

Prozesspartei ist die → Partei im → Prozess.

Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1

Prozessrecht ist das für den → Prozess geltende Recht. Es ist in der älteren Zeit vielfach Gewohnheitsrecht, seit dem Spätmittelalter zunehmend gesetztes Recht. Nach M. Schmoeckel entsteht das römisch-kanonische Prozessrecht im 9. Jh. gelegentlich des Ehestreits Lothars II. Im 19. Jh. werden P. und materielles Recht stärker getrennt.

Lit.: Söllner §§ 8, 9, 16; Kroeschell, DRG 2; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat, Diss. jur. Gießen 1988; Aspecten van het Middeleeuwse Ro­meinse Recht, hg. v. Waelkens, L.,, 2008, 109ff.

Prozessverschleppung ist die gewollte Verzögerung eines Rechtsstreits durch verspätetes Vorbringen von Behauptungen und Beweismitteln. Sie ist bereits für den spätantiken römischen Prozess ein Problem. Dieses wird auch im mittelalterlichen gelehrten Prozessrecht erkannt. Die im 16./17. Jh. zur Abhilfe eingeführte → Eventualmaxime erreicht ihren Zweck ebensowenig wie preußische Beschleu­nigungsmaßnahmen von 1781 und 1793. Auch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879 löst die Frage nicht erfolgreich.

Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 413, 496; Schubert, W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung, ZRG GA 85 (1968), 127; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozess­maximen, 1975

Prozessvertretung ist die Vertretung des Klägers oder des Beklagten im → Prozess. Sie ist im römischen Recht zulässig, doch wirkt der im Namen eines anderen geführte Prozess nicht ohne weiteres für und gegen den Vertretenen, so dass die vom (lat. [M.]) cognitor oder procurator erzielten Wirkungen besonders auf den Vertretenen übergeleitet werden müssen. Im Mittelalter wird zur Vermeidung der → Prozessgefahr ein → Fürsprecher und allmählich auch ein Vertreter in der Sache zugelassen (Königsgericht, Stadtrechte 13. Jh., Kammergerichtsordnung 1471). Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts zieht dabei der gelehrte Jurist als → Advokat oder → Prokurator die P. mehr und mehr an sich.

Lit.: Kaser § 82 IV; Köbler, DRG 116; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1989, Neudruck 1973

Prügelstrafe ist die mit einem Prügel vollzogene Leibesstrafe. Sie ist anscheinend in älterer Zeit eine auf Unfreie und später auch niedrige Freie beschränkte Maßnahme. Seit dem Hochmittelalter wird sie auch allgemeiner an Freien vollzogen. Im 19. Jh. wird die P. beseitigt (Nassau 1809, Baden 1831, Braunschweig 1837, Darmstadt 1841, Preußen 1848, Österreich 1848 [bis 1852] bzw. 1867, Bayern 1861, Mecklenburg 1871).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 983; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906, Neudruck 1970, 329; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZRG GA 102 (1985), 206; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994

Ptolemäus (Ptolemaios), Klaudios (um 100-170 n. Chr.)

Lit.: Klaudios Ptolemaios, Handbuch der Geographie, hg. v. Stückelberger, A. u. a., 2006 (6345 Örtlichkeiten, 1404 Völker- und Landschaftsnamen, 200 großflächige Bereichsbezeichnungen)

Przemyslide (Přemyslide) ist der Angehörige eines sich auf einen Przemysl bzw. Přemysl (den Pflüger) zurückführenden, vor 890 sichtbaren Geschlechts, das die Herrschaft in → Böhmen erlangt, aber 1306 erlischt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wegener, W., Die Přemysliden, 1957; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1 1966; Zemlicka, J., Přemysl Otakar I., 1990

Pseudoisidorische Fälschungen (Isidor Mercators) sind mehrere (zugunsten der Bischöfe) fälschende Sammlungen kirchen­rechtlicher Bestimmungen der Mitte des 9. Jh.s mit rund 10000 Einzelteilen (unter Verwendung etwa der Historia tripartita des Epiphanius-Cassiodor der einstmals Corbier Handschrift Sankt Petersburg, Russische Nationalbibliothek Lat. F. v. I. 11 oder der Konzilsakten von Chalkedon in der Version des Rusticus der einstmals Corbier Handschrift Paris, Bibliothèque Nationale Lat. 11611). Vermutlich werden die pseudo­isidorischen Fälschungen (auf dem po­litischen Hintergrund des Streits um die Einheit des Karolingerreichs zwischen 829 und 835 unter dem kaiserfeindliche Bischöfe maßregelnden Kaiser Ludwig dem Frommen) im westfränkischen Gebiet zwischen 847 und 852 von mehreren Verfassern (unter Abt Paschasius Ratbertus von Corbie an der Somme?) hergestellt. Der Gesamtnachweis der Fälschung gelingt erst der neuzeitlichen Wissenschaft.

Lit.: Fuhrmann, H., Einfluss und Verbreitung der pseudoisidorischen Fälschungen, Bd. 1ff. 1972ff.; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 2 1988, 111; Zechiel-Eckes, K., Fälschung hinter Klostermauern, 2001 (Konstanzer Arbeitskreis); Fortschritt durch Fälschungen?, hg. v. Hartmann, W. u. a. 2002; Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors, 2006; Schon, K., Die Capitula Angilramni – Eine prozessrechtliche Fälschung Pseudoisidors, 2006

Psychiatrie (F.) Seelenheilkunde (Johann Christian Reil, Halle 1808)

Lit.: Faulstich, H., Zwischen Staatsanstalt und Lokalversorgung, 2007

Psychologie (F.) Seelenkunde

Lit.: Psychologie als Argument in der juristischen Literatur des Kaiserreichs, hg. v. Schmoeckel, M., 2009

Publicanus (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der wohl seit dem 4. Jh. zur Verwirklichung eines Systems indirekter Finanzverwaltung tätige, im Prinzipat durch öffentliche Verwaltung ersetzte Steuerpächter.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 18; Köbler, DRG 32; Baldian, E., Zöllner und Sünder, 1997

publicum ius (N.) → ius publicum, Recht

Publikation (F.) Veröffentlichung (von Gesetzen), bis in das 19. Jh. materielle P. z. B. durch Verlesen, danach formelle P. im Ge­setz­blatt (z. B. in Österreich das ab 1. 10. 1849 erscheinende Allgemeine Reuchs-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaiser­tum Österreich, 1870 Reichsgesetzblatt, 1920 Bundesgesetzblatt, 1938 Reichsgesetzblatt, 1945 Staatsgesetzblatt, Bundesgesetzblatt, seit 2004 authentische Fassung im Internet)

Lit.: Liebenow, W., Die Promulgation, Diss. jur. Greifswald 1901; Englisch, P., Die Publikation der Gesetze und Verordnungen, Diss. jur. Breslau, 1912; Hubrich, E., Die Entwicklung der Gesetzespublikation in Preußen, 1918; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Schennach, M., Zuschreiben von Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133

Publizistik (F.) Veröffentlichungskunde, Gesamtheit der Veröffentlichungen, Staats­rechtslehre

Lit.: Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Darmstadt, R., Der deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Roeck, B., Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Das Publikum politischer Theorie, hg. v. Miethke, J., 1992

Publizität ist die Offenkundigkeit bzw. die mit einer jedermann erkennbaren Eintragung in ein öffentliches Register verbundene Rechts­wirkung. Das Prinzip der P. findet sich in verschiedener Gestalt in fast allen Zeiten. Seine Zurückdrängung in der frühen Neuzeit wird im 19. Jh. wieder beseitigt.

Lit.: Kaser §§ 18 I 3a, 22 II 2b, 24 II 1, 32 II 4c, 76 II 2; Hübner 15f., 147; Ramella, A., La publicità nel diritto moderno, 1901; Meyer, H., Das Publizitätsprinzip, 1909; Keim, O., Das sog. Publizitätsprinzip, 1930; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936

Puchta, Georg Friedrich (Cadolzburg 31. 8. 1798-Berlin 8. 1. 1846), Justizamtmannssohn, wird nach der Schule in Nürnberg (Hegel) und dem Rechtsstudium in Erlangen 1823 außerordentlicher Professor in Erlangen (, wo er 1827 eine Neuausrichtung seines Forschungsprogramms von der römischen Rechtsgeschichte zur Praxis des zeitgenös­sischen römischen Rechts ankündigt), 1828 ordentlicher Professor in München, 1835 in Marburg, 1837 in Leipzig und 1842 als Nachfolger Savignys in Berlin. Nach dem in langen Gedankenketten durchkonstruierten, philosophisch und politisch klar durch­dachten, im Wesentlichen auf Schelling gründenden und deshalb bald nicht mehr verstandenen Gesamtkonzept Puchtas ist der von den → Juristen geprägte → Volksgeist die Quelle des zugleich geschichtlichen und vernünftigen Rechts. Da das Recht vernünftig ist, bildet es ein System. In Erkenntnis dieses Systems fördert die Wissenschaft durch Deduktion neu entstehende Rechtssätze zutage (→ Begriffsjurisprudenz). In seinen Lehrbüchern stellt P. allerdings im Wesent­lichen nur das geltende Recht systematisch dar. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird seine zeitgebundene, Außer­juristisches ausschließende Betrachtungsweise zuneh­mend abgelehnt.

Lit.: Köbler, DRG 185, 186, 188; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Puchta, G., Lehrbuch der Pandekten, 1838; Puchta, G., Cursus der Institutionen, Bd. 1f. 1841f., 10. A. 1893ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bohnert, J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Bohnert, J., Beiträge zu einer Biographie Georg Friedrich Puchtas, ZRG 96 (1979), 229; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtions­automat?, 1986, 198; Landau, P., Puchta und Aristoteles, ZRG RA 109 (1992), 1; Hannes, F., Puchta als Kirchenrechtler, Diss. jur. Bonn 1995; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004; Georg Friedrich Puchta Briefe an Gustav Hugo, hg. v. Jakobs, H., 2009; Mecke, C., Begriff und System des Rechts bei Georg Friedrich Puchta, 2009

puer (lat. [M.) Knabe, Knecht

Pufendorf, Friedrich Esajas von (Bückeburg 12. 9. 1707-Celle 25. 8. 1785), Oberappella­tionsgerichtsratssohn und Großneffe Samuel von Pufendorfs, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Böhmer, Thomasius, Wolff) Advokat in Celle und 1739 Richter. Neben Anderem verfasst er (bis 1772?) einen Entwurf eines Landrechtes von → Hannover, der (2007) im Obergut Lenthe in einem Manuskript (von 1769) mit 42 Titeln und in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen in einem etwas jüngeren Manuskript mit 128 Titeln und 1570 Paragraphen überliefert ist.

Lit.: Pufendorf, Friedrich Esajas, Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970 (128 Titel); http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­Pufen­dorfFriedrichEsajasEntwurfeineshannoverschenLandrechts1772-erweiterteFassung.pdf; Auffenberg, U., Fried­rich Esaias von Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Gesetzbuches mit Edition, Diss. jur. Frankfurt am Main 2007 (58 bzw. 42 Titel)

Pufendorf, Samuel von (Dorfchemnitz bei Sayda 8. 1. 1632-Berlin 26. 10. 1694), Pfarrerssohn, wird nach der Schule in Grimma und einem mehrseitigen Studium in Leipzig und Jena Hauslehrer, 1661 Professor des Naturrechts und Völkerrechts der philo­sophischen Fakultät in Heidelberg, 1670 Professor in Lund, dann Hofgeschichts­schreiber in Stockholm und 1688 in Berlin. 1667 veröffentlicht er unter dem Namen Severinus de Monzambano das kritische Werk (lat.) De statu imperii Germanici (Vom Zustand des deutschen Reichs), 1672 De iure naturae et gentium libri octo (Vom Naturrecht und Völkerrecht acht Bücher) und in kürzerer Fassung 1673 De officio hominis et civis (Von der Pflicht des Menschen und Bürgers mit drei Arten der Pflichten des Menschen gegenüber Gott, gegenüber sich selbst und gegenüber dem Mitmenschen). Dabei verwertet er die neuen naturwis­senschaftlichen Erkenntnisse umfassend und bildet in geometrischer Art für das private Recht ein Gesamtsystem von Vernunftsätzen, die dem vernünftigen Einzelnen einleuchten müssen (Naturrecht als Pflichtenlehre).

Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 147, 148, 159, 165, 166, 206; Severinus de Monzambao (Samuel von Pufendorf), De statu imperii Germanici, 1667, hg. v. Salomon, F., 1910; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Platz, J., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 306; Denzer, H., Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel von Pufendorf, 1972; Palladini, F., Discussioni seicentesche su Samuel Pufendorf, 1978; Randelzhofer, A., Die Pflichtenlehre bei Samuel von Pufendorf, 1983; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 232, 282; Döring, D., Pufendorf-Studien, 1992; Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers, hg. v. Luig, K., 1994; Behme, T., Samuel von Pufendorf, 1995; Samuel Pufendorf und die Frühaufklärung, hg. v. Palladini, F. u. a., 1996; Samuel Pufendorf, Gesammelte Werke, hg. v. Schmidt-Biggemann, W., Bd. 1ff 1996ff.; Samuel Pufendorf und seine Wirkungen, hg. v. Geyer, B. u. a., 1997; Palladini, F., La Biblioteca di Samuel Pufendorf, 1999; Müller S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Haas, J., Die Reichstheorie in Pufendorfs Severinus de Monzambano, 2006; Späthumanismus und reformierte Konfession, hg. v. Strohm, C. u. a., 2006, 293

Pulltag (M.) Zinshühnertag

Lit.: Loch, A., Der Pulltag, ZRG GA 48 (1928), 448

Punitur ne peccetur (lat.). Bestraft wird, damit kein Unrecht geschieht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Punitur quia peccatum est (lat.). Bestraft wird, weil Unrecht begangen wurde.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Pupillarsubstitution ist im klassischen römi­schen Recht die Bestimmung eines Nacherben für einen (als Erben eingesetzten) unmün­digen Abkömmling durch den Erblasser hinsichtlich des vererbten und des von dritter Seite empfangenen Vermögens für den Fall, dass der Abkömmling vor Errei­chung der Mündigkeit stirbt (Institu­tionen 2.16).

Lit.: Kaser § 68 II 5b; Söllner § 11; Köbler, DRG 38

pupillus (lat. [M.]) Mündel

Purgold, Johannes (um 1470-Eisenach nach 1534) ist von 1490 bis 1534 Stadtschreiber von → Eisenach. 1503/1504 bearbeitet er das Eisenacher Rechtsbuch des Johannes Rothe in einem in 3 Handschriften erhaltenen, in 12 Bücher eingeteilten Rechtsbuch, das er später ergänzt. Er hat juristische Kenntnisse, ohne dass er als Student der Rechtswissenschaft nachweisbar ist.

Lit.: Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts, hg. v. Ortloff, F., 1860, Neudruck 1967; Johannes Rothe, Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950, XIV; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57f.

putare (lat.) glauben, meinen

putatitv, Adj., vermeintlich, eingebildet, irrtümlich (z. B. Putativnotstand)

Pütter, Johann Stephan (Iserlohn 23. 6. 1725-Göttingen 12. 8. 1807), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1738, Wolff), Halle (Heineccius, Böhmer, Ludewig), Jena (Estor) und Marburg (mit 19 Jahren) 1744 Rechtslehrer in Marburg und 1746 (mit 21 Jahren) Professor in → Göttingen. Dort wird er der bedeutendste Staatsrechtslehrer seiner Zeit. Daneben ist er der erste wirkliche Verfassungsgeschichtler, gibt den Anstoß zu Überlegungen zu juristischer Systematik, bereitet die moderne Rechtsvergleichung vor und legt mit der Lehre vom → geistigen Eigentum den Grund für ein fortschrittliches → Urheberrecht.

Lit.: Pütter, J., Neuer Versuch einer juristischen Encyclopädie und Methodologie, 1767; Pütter, J., Institutiones iuris publici Germanici, 1770; Pütter, G., Der Büchernachdruck, 1774; Pütter, G., Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Teil 1ff. 1786, Neudruck 2001; Mohl, R. v., Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1856, 425; Schlie, U., Johann Stephan Pütters Reichsbegriff, 1961; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung, Diss. jur. Göttingen 1967; Ebel, W., Der Göttinger Professor Johann Stephan Pütter, 1975; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 75

 

 

Q

 

Quadripartitus ist das um 1114 entstandene, in vier Teile gegliederte, in zwei Teilen erhaltene anglolateinische Rechtsbuch, in dem ein Weltgeistlicher kontinentaler Herkunft angelsächsische Gesetze in die lateinische Sprache übersetzt und um 1100 entstandene Staatsschriften sammelt. Teil 3 ist vermutlich in den (lat.) → Leges (F.Pl.) Henrici Primi erhalten.

Lit.: Liebermann, F., Quadripartitus, 1892; Richardson, H./Sayles, G., Law and Legislation, 1966

quadrupes (lat. [Adj., M., F.]) vierfüßig, Vierfüßler

Lit.: Köbler, DRG 27, 48

quadruplum (lat. [N.]) Vierfaches

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 48, 65

quaestio (lat. [F.]) Frage, Untersuchung (z. B. quaestio lance et licio, Haussuchung mit Schüssel und Schurz? im römischen Recht gegenüber einem des Diebstahls Verdäch­tigen, etruskisch?)

Lit.: Köbler, DRG 34; Bazan, B./Wippel, J., Les questions disputées, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; 385

Quaestiones ac monita (lat.) ist der Name für eine vielleicht zwischen 967 und 1019 entstandene, in einer Handschrift des 11. Jh.s der Abtei Susa (Piemont) gefundene Samm­lung von kurzen Stücken des salfränkischen, langobardischen und römischen Rechts.

Lit.: Conrat, M., Geschichte der Quellen, 1891, 67, 274

quaestor (lat. [M.]) Sucher, Frager, Ermittler (von Vermögenswerten)

Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 18

quanti interest (lat.) was es ihm wert ist

Lit.: Köbler, DRG 42

Quantifizierung

Lit.: Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, ZRG GA 116 (1999), 482

quanto locupletior (lat.) um wieviel reicher

Lit.: Köbler, DRG 36

Quarta (F.) Falcidia (lat.) ist im klassischen römischen Recht das falzidische Viertel des Vermögens, das nach einer lex Falcidia (40 v. Chr.) der Erblasser zugunsten der Erben von Belastungen durch Vermächtnisse unberührt lassen muss.

Lit.: Kaser §§ 67 II 3, 76 V 2, 77 II 6; Söllner § 15; Köbler, DRG 39

Quartierlast ist die nach Anfängen in Spätantike und Frühmittelalter seit dem 15. Jh. deutlicher erkennbare Belastung der Bevölkerung mit einer Unterbringungslast zugunsten von Soldaten.

Lit.: Löbel, K., Naturalleistungen, Diss. jur. Leipzig 1908; Böhmert, H., Die Quartierleistungspflicht, Diss. jur. Leizpig 1937; Paetzold, F., Das Bundesleistungsgesetz, Diss. jur. Göttingen 1961

Quasidelikt ist das dem Delikt nahestehende, aber kein Delikt seiende Schuldverhältnis des spätantiken römischen Rechts (Institutionen 4.5, z. B. Schädigung durch Übernahme einer überfordernden Aufgabe, Rechtsbeugung, Auswerfen und Ausgießen aus einem Haus).

Lit.: Kaser §§ 36 IV, 46 III 3, 51 VI; Köbler, DRG 62; Feenstra, R., Die Quasi-Delikte bei Hugo Grotius, (in) Iurisprudentia universalis, 2002, 175

Quasikontrakt ist das kein Vertrag seiende, aber dem Vertrag nahestehende Schuldver­hält­nis des spätantiken römischen Rechts (Institutionen 3.27, z. B. Gemeinschaft, Geschäftsführung ohne Auftrag, Vormund­schaft, Auseinandersetzung von Miteigentum, Auseinandersetzung von Erbschaft, Ver­mächt­nis, irrtümliche Leistung auf eine nicht bestehende Schuld).

Lit.: Kaser §§ 38 I 2, 43 II 2, 44 II 1; Köbler, DRG 62

Quattuor doctores (lat. [M.Pl.) sind (die) vier (besonders bekannten) Lehrer des römischen Rechts im 12. Jh. (Bulgarus, Hugo, → Jacobus, → Martinus).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 106; Pace, G., Garnerius Theutonicus, Rivista internazionale di diritto comune 2 (1991), 123; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Quedlinburg

Lit.: Quedlinburgische Geschichte, Bd. 1f. 1922; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980

Querela (F.) inofficiosi testamenti (lat.) ist seit dem klassischen römischen Recht die Beschwerde des pflichtwidrigen Testamentes, mit der Kinder und Geschwister eines freigeborenen Erblassers ein Testament vor den Zentumviri, später im Kognitionsver­fahren, anfechten können, wenn es gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen.

Lit.: Kaser §§ 9 I 1, 59 I, 65 II 2, 70 I; Köbler, DRG 38, 60

Quesnay, François (1694-1774) ist der bekannteste Vertreter des → Physiokratismus.

Lit.: Köbler, DRG 134; Guyot, Y., Quesnay et la physiocratie, 1896

Quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia (lat.). Was die → Glosse (als Ergebnis der Tätigkeit der → Glossatoren) nicht anerkennt, anerkennt das Gericht nicht.

Lit.: Landsberg, E., Über die Entstehung der Regel Quicquid non agnoscit glossa, nec agnoscit forum, 1880

Qui tacet consentire videtur (lat.). Wer schweigt, scheint zuzustimmen. Nach Ansicht der Kanonisten und Legisten des 13. Jh.s ist die Anwendbarkeit dieses Satzes von Fall zu Fall zu prüfen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Bonifaz VIII. um 1235-1303, Liber sextus [1298] 5, 13, 43); Schwartze, S., Qui tacet, consentire videtur, 2003

quinquaginta decisiones (lat. [F. Pl.]) fünfzig Entscheidungen, eine Sammlung Tribonians von 50 Konstitutionen Justinians zur Klärung rechtlicher Streitfragen

Quittung ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte schriftliche Empfangsbekenntnis des Gläubigers einer Schuld.

Lit.: Kaser § 53 I 1; Dilloo, W., Die Quittung, Diss. jur. Berlin 1895; Dryander, G., Die rechtliche Bedeutung der Quittung, Diss. jur. Greifswald 1899

Quod non est in actis non est in mundo (lat.). Was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt (frühe Neuzeit).

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007

Quod omnes tangit debet ab omnibus approbari (lat.). Was alle betrifft, muss von allen gutgeheißen werden.

Lit.: Post, G., Studies in Medieval Legal Thought, 1964, 163; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Codex Justinianus 5, 59, 5 § 2 am Ende, 534)

Quot homines tot sententiae (lat.). Wie viele Menschen, so viele Meinungen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Terenz, 2. Jh. n. Chr., Phormio 454)

Quote (F.) Anteil

Lit.: Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadens­ersatz­recht, 1977

 

 

R

 

Rabatt (M.) Nachlass, Preisnachlassw

Lit.: Matz, J., Die Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005

Rabel, Ernst (Wien 28. 1. 1874-Zürich 27. 9. 1955), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium in Wien (Ludwig Mitteis) und einer kurzen Tätigkeit als Anwalt außerordentlicher Professor in Leipzig, ordentlicher Professor in Basel (1906), Kiel (1910), Göttingen (1911), München (1916) und Berlin (1926), ehe er unter dem Druck des → Nationalsozialismus 1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika auswandert. Von der vergleichenden Rechts­geschichte herkommend fördert er maßgeb­lich die Rechtsvergleichung zwecks Findung allgemein annehmbarer Lösungen moderner Rechtsprobleme.

Lit.: Rabel, E., Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1f. 1936ff.; Wolff, H., Ernst Rabel, ZRG RA 73 (1956), XI; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 571ff.; Kunze, R., Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 2004; Utermark, T., Rechtsgeschichte und Rechtsverglei­chung bei Ernst Rabel, 2005

Rache ist die Vergeltung einer tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsverletzung durch den Verletzten. Sie ist → Selbsthilfe (→ Fehde). Sie wird seit dem frühen Recht vom staatlichen Gewaltmonopol zurückgedrängt und allmählich vollständig ausgeschlossen.

Lit.: Kaser § 32 II 1; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 26, 70, 71, 74, 91; Günther, L. Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage im altgermanischen Rechtsleben, Wiss. Ak. des NSD. Dozentenbundes 1941, 280; La Vengeance 400-1200, hg. v. Barthélemy, D u. a., 2006

Rachinburge (lat.-afrk. rachinburgius [M.]) ist vom 6. bis zum 8. Jh. der erfahrene Franke, der auf dem Malberg gemeinschaftlich mit meist 6 anderen Rachinburgen das Urteil findet. Er wird teils als Ratsbürge, teils als Rechenbürge erklärt. Zwischen 770 und 780 ersetzt König Karl der Große die Rachinburgen durch ständige → Schöffen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Hübner, R., Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981, 50; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993

Radbruch, Gustav Lambert (Lübeck 21. 11. 1878-Heidelberg 23. 11. 1949), Kaufmanns­sohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig (Sohm, Binding) und Berlin in Heidelberg (Lilienthal) außerordentlicher Professor, danach ordent­licher Professor in Königsberg, 1919 in Kiel, 1926 in Heidelberg sowie nach Ende der im Mai 1933 angeordneten Entlassung aus dem öffentlichen Dienst 1945 wieder in Heidelberg. 1921/2 und 1923 wirkt er als sozialdemo­kratischer Reichsjustizminister, der sich für Sicherung und Resozialisierung als Strafzwecke einsetzt. In seinen neu­kantianischen Grundzügen der Rechtsphiloso­phie betont er zunächst unter Verneinung des Naturrechts Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und soziale Zweckmäßigkeit, nach 1945 vor allem den Vorrang des übergesetzlichen Rechtes vor dem mit Hilfe eines Gesetzes geschaffenen Unrecht.

Lit.: Köbler, DRG 236; Radbruch, G., Rechts­philosophie, 8. A. 1973; Spendel, G., Gustav Radbruch, 1967; Otte, H., Gustav Radbruchs Kieler Jahre 1919-1926, 1982; Radbruch, G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1987ff.(Bd. 20 Gesamtregister 2003); Adomeit, K., Gustav Radbruch, NJW 1999, 3465; Durth, H., Der Kampf gegen das Unrecht, 2001; Wiegand, M., Unrichtiges Recht, 2004; Klein, M., Demokratisches Denken bei Gustav Radbruch, 2007

Rädelsführer ist, wer eine führende Rolle in einer kleineren Gruppe von Menschen (Straftätern) einnimmt. Der R. wird in der Neuzeit in einzelnen Straftatbeständen besonders hervorgehoben.

Rädern ist die jedenfalls bereits im Frühmittelalter bezeugte, unter Verwendung eines Rades entweder durch Brechen des Rückgrats oder der Körperglieder erfolgende → Todesstrafe.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, H., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 496; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 106, 204; Scheele, F., di sal man alle radebrechen, Bd. 1 1992; Am Anfang war das Rad, hg. v. Kemper, P., 1997

Radfahrer ist der Nutzer des in Mannheim 1817 von Karl Drais erfundenen Fahrrads.

Lit.: Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194

Radizierung (F.) Verdinglichung, Ver­knüpfung mit einem Recht an einer Liegenschaft

Radolfzell am Bodensee wird 1100 Begünstigter eines von Kaiser Heinrich IV. dem Abt von Reichenau für R. verliehenen Marktrechts. 1267 wird es Stadt. Am 18. 12. 1506 erlässt König Maximilian für die im 14. Jh. an Habsburg gelangte Stadt eine handschriftlich überlieferte, die malefitz-Recht benannte Halsgerichtsordnung, die eine Indizienlehre für die Folter noch nicht kennt.

Lit.: Albert, P., Geschichte der Stadt Radolfzell, 1896; Ruoff, F., Die Radolfzeller Halsgerichtsordnung von 1506, 1912; Die maximilianischen Halsgerichtsordnun­gen, hg. v. Schmidt, E., 1949; Geschichte der Stadt Radolfzell, hg. v. Götz, F., 1967

Raetia → Rätien

Ragusa

Lit.: Bjelovučič, H., The Ragusan republic, 1970; Mitić, I., Die Republik Ragusa, ZRG GA 101 (1984), 301; Steindorff, L., Noch einmal Dubrovnik, ZRG GA 103 (1986), 248

Raiffeisengenossenschaft ist die von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (Hamm/Sieg 30. 3. 1818-Neuwied 11. 3. 1888) nach 1847 gegründete ländliche Selbsthilfekreditgenossenschaft.

Lit.: Köbler, DRG 174, 177; Werner, W., Zur Vorgeschichte der österreichischen Raiffeisen­bewegung, 1993; Klein, W., Werk und Nachwirkung des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 1997

Raimundus Lullus (Ramon Lull) ist der auf Palma de Mallorca zwischen 1232 und 1235 geborene, länger am Hof des Königs von Aragonien lebende, 1315 oder 1316 verstorbene Gelehrte, dessen Philosophie und Methodik die Rechtswissenschaft beeinflusst (z. B. Liber principiorum iuris [Buch der Rechtsgrundsätze], ars iuris [Kunst des Rechtes], ars de iure [Kunst vom Recht], ars brevis quae est de inventione mediorum iuris civilis [Kurze Kunst über die Erfindung von Mitteln des Zivilrechts, liber de modo applicandi novam logicam ad scientiam iuris et medicinae [Buch über die Art der Anwendung der neuen Logik auf die Wissenschaft des Rechts und der Medizin]).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 487

Raimund von Peniaforte → Raymundus de Penyafort

Rainerius de Forlivio ist ein wohl am Ende des 13. Jahrhunderts in Forli geborener, in Bologna ausgebildeter, in Castel San Piero, Pisa und Padua lehrender, 1358 verstorbener Jurist (Kommentare, additiones, repetitiones, Traktate, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 734

Raitkammer (Rechnungskammer, Finanzbe­hörde [König Maximilians in Tirol 1491])

Raleigh, William (†1250) wird 1214 Schreiber bei dem Richter Martin Pateshul, 1229 Richter, 1234 Richter an King’s Bench, 1239 Bischof von Norwich und 1252 Bischof von Winchester. Er gilt teilweise als bedeutendster Richter des mittelalterlichen → England.

Lit.: Meekings, C., Studies in the 13th Century justice, 1981

Randa, Antonín (1834-1914) wird nach dem Rechtsstudium in Prag dort 1862 außer­ordentlicher Professor, 1868 ordentlicher Professor und 1904 Minister. Er ist der wichtigste Vertreter der tschechischen Rechtswissenschaft des 19. Jh.s.

Lit.: Randa jubilejni památnik, 1934; Antologie ceské právní vedy, 1993, 113

Rang ist die bestimmte Stufe innerhalb einer Ordnung. Bedeutsam ist dabei vor allem auch ein R. eines Sachenrechtes für die Reihen­folge der Befriedigung bei zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichendem Vermögen des Schuldners in der Einzel­zwangsvollstreckung. Hier gilt bereits im römischen Recht der Grundsatz der Priorität (einer bestimmten vom Recht dafür festgelegten Handlung), der allerdings durchbrochen werden kann. Im geltenden deutschen Recht dient auch die → Vormerkung der Sicherung des Ranges.

Lit.: Kaser §§ 31 I 1c, 31 III 3; Hübner; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 2, 1935, 5, 21, 78 u. ö.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Ranshofen am Inn ist Ort einer bayerischen Pfalz, in der 985/995 ein Gesetz (lat. [F.] constitutio) des Herzogs erlassen wird, das sich mit der Flucht und den Handlungen Unfreier befasst.

Lit.: Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929, 167

Rantzau bei Plön ist Sitz einer reichsun­mittelbaren Grafschaft, in deren Gut Ascheberg der Graf 1739 mit der Abschaffung der Leibeigenschaft beginnt.

Lit.: Köbler, DRG 174; Ranert, M., Die Grafschaft Rantzau, 1840

Ranulf de → Glanvill

rapina (lat. [F.]) Raub

Lit.: Kaser § 51 IV; Köbler, DRG 49, 65; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961

raptus (lat. [M.]) Raub, Vergewaltigung

Rasen (M.) ist die grasbewachsene Erde. Der R. kann als Rechtssymbol Verwendung finden. Im altnordischen Recht erscheint das Gehen unter den R. bei der Begründung der Blutsbrüderschaft, beim Gottesurteil und bei der Sühne eines Unrechtserfolges.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 163; Maurer, K., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 5 1910, 672

Rasse ist die durch kennzeichnende gleiche Merkmale abgrenzbare Art einer Gattung von Lebewesen. In Anlehnung an die Vererbungs­lehre Gregor Mendels entwickelt Adolf → Hitler die ideologische Vorstellung vom Vorzug der arischen Rasse insbesondere gegenüber den Juden und „Nichtariern“. Die Anwendbarkeit der Vorstellung der R. auf den Menschen ist in der Gegenwart zweifelhaft geworden.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 135; Nicolai, H., Grundsätzliches über das Verhältnis von Rasse und Recht, Deutsches Recht 1934, 74; Stuckart, W./Globke, H., Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz, Ehegesundheitsgesetz, 1936; Meyer, H., Rasse und Recht bei den Germanen und Indogermanen, 1937; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Weingart, P./Kroll, J./Bayertz, K., Rasse, Blut, Gene, 1988; Historische Rassismusforschung, hg. v. Danckwortt, B. u. a., 1995; Hetzel, M., Die Anfechtung der Rassenmischehe, 1997; Zwerger, J., Was ist Rassismus? 1997; Senn, M., Die Verrechtlichung der Volksgesundheit, ZRG 116 (1999), 407; Puschner, U., Die völkische Bewegung, 2001; Simon, J., Kriminalbiologie und Zwangs­sterilisation, 2001; Essner. C., Die Nürnberger Gesetze, 2002; Przyrembel, A., Rassenschande, 2003; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003; Rassenforschung a Kaiser-Wilhelm-Instituten, hg. v. Schmuhl, H., 2003; Fredrickson, G., Rassismus, 2004

Rat ist der Vorschlag für ein Verhalten und von dort abgeleitet eine Gruppe beratender Menschen. In der Stadt erscheint nach antikem und italienischem Vorbild (Pisa, Mailand, Asti, Genua, Arezzo, z. T. noch 11. Jh.) seit dem Ende des 12. Jh.s ein R. (Speyer 1188, Basel 1190) als oberstes, den Stadtherrn ablösendes oder ergänzendes Herrschaftsgre­mium der ratsfähigen Geschlechter (mit meist zwischen 12 und 20, gelegentlich aber auch bis zu 400 Ratsherren, sowie dem → Bürgermeister als Vorsitzendem). Wenig später umgeben sich auch König und Landesherren mit einem R. (Hofrat, Reichshofrat, Staatsrat). Verstärkt werden dabei seit 1430 Juristen einbezogen. In der späteren Neuzeit entwickelt sich etwa auch ein Bundesrat, Reichsrat, Nationalrat, Minis­terrat, Rat der Volksbeauftragten, Parlamenta­rischer Rat, Betriebsrat, Zentralrat oder Europarat.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 11, 112, 113, 115, 149, 150, 153; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Hoch, C. Frhr. v., Der österreichische Staatsrath, 1879, Neudruck 1972; Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung, 1890; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Tait, J., The origin of town councils, English Historical Review 44 (1929), 177; Tait, J., The common council of the borough, The English Historical Review 46 (1931), 1; Köthe, J., Der fürstliche Rat, 1938; Vogelgesang, G., Kanzlei- und Ratswesen, 1939; Schlotterose, B., Die Ratswahl in den deutschen Staaten des Mittelalters, Diss. phil. Münster 1953 masch.schr.; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Hess, U., Geheimer Rat, 1962; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Laufs, A., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil, 1963; Lieberich, H., Die gelehrten Räte, Zs. f. bay. LG. 27 (1964), 120; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Moraw, P., Beamtentum und Rat König Ruprechts, ZGO 116 (1968), 59; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Histoire comparée de l’Administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Heydenreuter, R., Der landesherrliche Hofrat, 1981; Schulten, G., Entstehung und Entwicklung des Ratswesens, Diss. phil. Tübingen 1982; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen, 1986; Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Die Rolle der Juristen, hg. v. Schnur, R., 1986; Fischer, S., Der Geheime Rat, 1987; Rosch, G., Der venezianische Adel, 1989; Engel, E., Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Reinle, C., Ulrich Riederer (ca. 1406-1462), 1993; Koch, B., Räte auf deutschen Reichsversammlungen, 1999; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1999; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Ratsprotkolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002; Poeck, D., Rituale der Ratswahl, 2003

Rat der Volksbeauftragten ist das am 10. 11. 1918 gebildete vorläufige Regierungsor­gan des Deutschen Reiches mit 6 Mitgliedern, das am 11. 11. 1918 mit den alliierten Siegermächten des ersten Weltkrieges einen Waffenstillstand schließt und am 10. 2. 1919 die Macht an die Nationalversammlung abgibt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Hock, K., Die Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, 1987; Melzer, L., Die Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, Diss. jur. Hamburg 1988; Roß, S., Biographisches Handbuch der Reichsrätekongresse, 2000

Rätebewegung ist die politische Bewegung des 20. Jh.s, welche die Lenkung eines Gemeinwesens durch Räte (Arbeiterräte usw.) anstrebt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Tormin, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Kolb, E., Die Arbeiterräte, 1962; Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Der Zentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik, hg. v. Kolb, E. u. a., 1968; Matthias, E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970; Die Rätebewegung, hg. v. Hillmann, 1970; Dähn, Rätedemokratische Modelle, 1975

Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe → Comecon

Rathaus ist das vom Rat der Stadt für seine Bedürfnisse seit dem 13. Jh. geschaffene Haus (z. B. Volterra, Siena, Florenz, Lübeck, Stralsund, Brügge, Brüssel, Goslar, Pader­born, Rothenburg, Nürnberg, Schwäbisch Hall oder Augsburg).

Lit.: Stiehl, O., Das deutsche Rathaus, 1905; Gruber, K., Das deutsche Rathaus, 1943; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München, 1972; Das Rathaus im Kaiserreich, hg. v. Mai, E. u. a., 1982; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Albrecht, S., Mittelalterliche Rathäuser in Deutschland, 2004

Rätien ist das Siedlungsgebiet der nichtindo­germanischen Räter um den oberen Inn, das 15 v. Chr. von den Römern erobert wird und im 5. Jh. an die Alemannen übergeht. Im Frühmittelalter gilt dort die (lat.) → Lex (F.) Romana Curiensis (römisches Recht Chur­rätiens).

Lit.: Köbler, DRG 28; Baldauf, O., Das karolingische Reichsgut in Unterrätien, 1930; Heuberger, R., Raetia, Klio 24 (1931), 348; Heuberger, R., Rätien im Altertum und Frühmittelalter, 1932; Clavadetscher, O., Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Clavadetscher, O., Nochmals zum churrätischen Reichsgutsurbar aus der Mitte des 9. Jahrhunderts, ZRG G 76 (1959), 319; Dilger, A., Textkritische Untersuchungen einer Handschrift aus der römischen Provinz Raetia II, ZRG GA 88 (1971), 172; Müller, I., Glanz des rätischen Mittelalters, 1971; Die Bayern und ihre Nachbarn, Bd. 1 1985; Clavadetscher, O., Rätien im Mittelalter, 1994 (Aufsätze); Erhart, P. u. a., Urkun­denlandschaft Rätien, 2004; Kakoschke, A., Die Personennamen in der römischen Provinz Rätien, 2008

Ratingen

Lit., Redlich, O. u. a., Geschichte der Stadt Ratingen, 1926; Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte, Bergische Städte, Ratingen, bearb. v. Redlich, O., 1928

Rationalismus ist die von René Descartes (1596-1650) begründete Denkhaltung, die allein von der Vernunft und von allgemeinen logischen Ableitungen aus Grundeinsichten (Axiomen) her deduktiv zur Wahrheit gelangen will.

Lit.: Köbler, DRG 136; Cassirer, E., Descartes, 1939; Schmidt, G., Aufklärung und Metaphysik, 1965; Flasch, K., Das philosophische Denken im Mittelalter, 1986; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus? 1996

Ratsgerichtsbarkeit ist die seit dem ausgehenden 12. Jh. vom → Rat der Stadt von der niederen Strafgerichtsbarkeit her allmäh­lich erlangte Zuständigkeit in Gerichts­angelegenheiten. Sie ist in den Einzelheiten örtlich ziemlich verschieden gestaltet.

Lit.: Wackernagel, J., Die Entstehung der städtischen Ratsgerichtsbarkeit im Mittelalter, FG der Basler Juristenfakultät zum Schweizer Juristentag, 1920, 113; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben, 1954; Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980

Ratsherr ist das einzelne Mitglied des → Rates einer → Stadt.

Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Spieß, W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 2. A. 1970

Ratsurteil → Ratsgerichtsbarkeit

Ratsverfassung → Rat

Raub (lat. [F.] rapina) ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache mit Gewalt gegen einen Menschen oder unter Anwen­dung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben in der Absicht, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Im Mittelalter gilt der (offene) R. als weniger verbrecherisch als der (heimliche) Diebstahl. Rechtsfolge ist meist die Enthauptung (statt des Hängens).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 49, 123, 158; Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Radbruch, G., Der Raub in der Carolina, FS M. Pappenheim, 1931, 37; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens, 1931, 482; Leesment, L., Pflugraub im Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 534; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Landmesser, M., Der Raub, Diss. jur. Mainz 1966; Küther, C., Räuber und Gauner in Deutschland, 1976; Danker, U., Räuberbanden im alten Reich, 1988; Lange, K., Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und Gauner, 2001; Schüßler, M., Raubüberfälle auf Hansekaufleute, ZRG 120 (2003), 355

Raubehe ist die angeblich durch → Raub einer → Frau begründbare → Ehe.

Lit.: Hübner 626; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883

Räuber → Raub

Lit.: Danker, U., Räuberbanden im alten Reich um 1700, 1988; Schurke oder Held?, hg. v. Siebenmorgen, H., 1995; Schubert, E., Räuber und Henker, 2007

Raubritter ist der im Spätmittelalter nach Verlust seiner Bedeutung im Heereswesen Raub als Unterhaltsgewinnungsmittel betrei­bende Ritter (z. B. Eppelein von Gailingen in Franken).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rösener, W., Zur Problematik des spätmittelalterlichen Raubrittertums, FS B. Schwineköper, 1982, 469; Görner, R., Raubritter, 1987; Andermann, U., Ritterliche Gewalt und bürgerliche Selbstbehauptung, 1991; Raubritter, hg. v. Andermann, K, 1997

Ravanis Jacobus de Ravanis

Ravenna im Mündungsdelta des Po ist im 5. Jh. Residenz des weströmischen Kaisers und seiner Nachfolger (u. a. Theoderichs des Großen). Vielleicht besteht dort im 11. Jh. eine Rechtsschule. 1440 gelangt R. an Venedig, 1509 an den Kirchenstaat und 1870 an → Italien (1861).

Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1 2. A. 1834, 337; Deichmann, F., Ravenna, Bd. 1ff. 1969ff.; Storia di Ravenna, hg. v. Susini, G. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Ravensberg

Lit.: Riepenhausen, H., Die bäuerliche Siedlung des Ravensberger Landes bis 1770, 1938

Ravensburg an der Schussen wird vielleicht schon vor 1276 Reichsstadt. Zwischen 1380 und 1530 ist R. Sitz der großen Ravensburger Handelsgesellschaft der Patrizier Humpiß, Mötteli und Muntprat, die Leinwandhandel im Süden und Westen Europas betreibt. Sie unterliegt am Beginn der Neuzeit der neueren Wirtschaftsgesinnung der Augsburger Kauf­leute.

Lit.: Heyd, W., Beiträge zur Geschichte des deutschen Handels, 1890; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1ff. 1923, Neudruck 1964; Die älteren Stadtrechte der Reichsstadt Ravensburg, bearb. v. Müller, K., 1924; Rehme, P., Das rechtliche Wesen der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, ZRG GA 47 (1927), 487; Steiner, H., Das Familien- und Erbrecht der Stadt Ravensburg, Diss. jur. München 1959; Dreher, A., Geschichte der Stadt Ravensburg, 1972; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Eitel, P., Die große Ravensburger Handelsgesellschaft, 1985; Lutz, A., Zwischen Beharrung und Aufbruch, 2005

Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte) (Villafranca de Penades bei Barcelona um 1180-Barcelona 6. 1. 1275), hochadliger Katalane, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Rechtslehrer in Bologna, Dominikaner und Pönitentiar an der Kurie, 1238 Generalmagister der Dominikaner. 1222/1229 verfasst er eine (lat.) Summa (F.) de casibus conscientiae (Summe über Fälle des Gewissens) bzw. Summa de poenitentia (Summe über die Reue), mit der er die Entwicklung des Strafrechts beein­flusst, und 1230/1234 den die nachgrati­anischen → Dekretalen der Päpste sam­melnden (lat.) → Liber (M.) extra.

Lit.: Köbler, DRG 102; Schwertner, T., St. Raymond of Pennafort, 1935; Valls Taberner, F., San Ramon de Peniaforte, 1936; Kuttner, S., Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae, ZRG KA 70 (1953), 419; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 287

Raymund von Wiener Neustadt (?) ist der unbekannte(, möglicherweise unter der Herrschaft der Anjou von Italien nach Ungarn gezogene) Verfasser einer (lat.) Summa (F.) legum brevis levis et utilis (Kurze, leichte und nützliche Gesetzessumme) des ausgehenden 13. oder frühen 14. Jh.s, die das römische Privatrecht, Staatsrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht im dreigeteilten Schema (des Gaius) von Personen, Sachen und Klagansprüchen populär darstellt und auf ein davon abweichendes (ostmitteleuropäisches) Recht hinweist. Die Summe stammt vielleicht aus Italien (Neapel?). Die Mehrheit der in der Gegenwart bekannten 15 Handschriften ist im polnisch-slowakischen Gebiet erhalten, zu dem auch sachlich gewisse Bezüge bestehen könnten. Vielleicht ist R..

Lit.: Tomaschek, J., Über eine in Österreich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschriebene Summa legum, 1883; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Die Summa legum brevis levis et utilis, hg. v. Gál, A., 1926

real (Adj., zu lat res, F., Sache) sachlich, körperlich, tatsächlich

Realfolium ist das für ein Grundstück unabhängig von der Person des jeweiligen Ei­gen­tümers angelegte Blatt des → Grundbuches.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125

Realkontrakt → Realvertrag

Reallast ist die dingliche Belastung eines Grundstücks mit aus dem Grundstück zu entrichtenden wiederkehrenden Leistungen (z. B. Verköstigung, Geld). Sie ist zwar dem klassischen römischen und justinianischen Privatrecht unbekannt, findet sich aber im gesamten römischen öffentlichen Recht und auch im Frühmittelalter in Herrschafts­verhältnissen, in deren Rahmen Leistungs­pflichten als mit Grundstücken verbunden betrachtet werden.. Seit dem Spätmittelalter nähert sich die R. der Darlehenshypothek. In der frühen Neuzeit wird die R. teilweise als hypothekarisch gesichertes Forderungsrecht angesehen, teils als deutschrechtliche → Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus iuris Ger­manici. In Frankreich wird die mit feudalem Herr­schaftsrecht zusammenhän­gende R. durch Dekret vom 17. 7. 1793 entschä­digungslos aufgehoben. Im Gegensatz zum öster­reichischen Allgemeinen Bürgerli­chen Gesetzbuch (1811/2) nimmt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die R. als beschränktes dingliches Recht auf. In Österreich wird die R. in dem Grundbuchs­gesetz (1871) und in der Exekutionsordnung (1896) berücksichtigt.

Lit.: Kaser § 28 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 125, 213; Schwind, E. v., Die Reallastenfrage, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 33 (1894), 1; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern, 1905; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961

Reallexikon (Sachlexikon)

Lit.: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hg. v. Hoops, J., 1911-1919, 2. A. 1973-2007 (35 Bände, 5124 Artikel, 3376 Abbildungen, 952 Tafeln, 2 Registerbände, 1443 Autoren, zahlreiche Ergänzungs­bände)

real property (engl. [N.]) Liegenschaft, unbewegliche Sache

Realservitut ist die Belastung eines Grund­stücks mit einer Dienstbarkeit (Servitut) zu Gunsten eines anderen Grundstücks (Grunddienstbarkeit z. B. Wegerecht). Das römische Recht unter­scheidet zwischen älteren Feldservituten (auf dem Land) und jüngeren Gebäudeservituten (in der Stadt), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs zwischen Feldservituten und Hausservituten (§§ 474ff.)..

Realteilung (F.) tatsächliche Aufteilung

Realunion ist die verfassungsmäßig fest­gelegte Vereinigung zweier selbständiger Staaten unter einheitlichem Staatsoberhaupt und mit gemeinschaftlichen Einrichtungen bzw. Organen (z. B. Norwegen-Island seit 1263, Österreich-Ungarn 1867-1918, Norwegen-Schweden 1815-1905, Dänemark-Island 1918). Sie ist von der bloßén zufälligen Personalunion zu unterscheiden. Bedeutsam hierfür sind gemeinsame Organe.

Lit.: Jellinek, G., Die Lehre von den Staatenverbindungen, 1882; Hatschek, J., Das Recht der modernen Staatenverbindung, 1909; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Realvertrag oder Realkontrakt ist im klassischen römischen Recht und dem ihm folgenden Rechten der durch (Willensüber­einstimmung und) Hingabe einer Sache erst wirklich zustande kommende → Vertrag (Darlehen, Leihe, Verwahrung, Pfand, im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Öster­reichs von 1811/1812 auch der Trödelvertrag, § 1086).

Lit.: Kaser § 38 II 1a; Köbler, DRG 45, 74, 91, 126, 208

Rebus sic stantibus omnis promissio intellegetur (lat.). Bei jedem Versprechen wird davon ausgegangen, dass die Umstände gleichbleiben werden.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Seneca, 4-65 n. Chr., De beneficiis 4, 34, 3-4, 35, Thomas von Aquin, 1225?-1274, Summa theologica 2, 2, 110, 3, rat. 5)

receptum (lat. [N.]) Garantieerklärung, Versprechen, Verpflichtung (z. B. des Bankiers [r. argentarii], des Wirtes, des Schiffers oder des Stallwirtes)

Lit.: Kaser §§ 37 III 2, 46 III; Köbler, DRG 47, 64

recessus (M.) imperii (lat.) Reichsabschied

Rechnung ist der Vorgang und das Ergebnis des Erfassens und Behandelns von Gege­benheiten durch Zahlen.

Lit.: Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000; Die ältesten Rechnungsbücher des Klosters Scheyern 1339-1363, hg. v. Toch, M., 2000; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003; Die Aachener Stadtrechnungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004; Stadtkölnische Reiserechungen, bearb. v. Militzer, K., 2007; Mihm, M. u. a., Mittelalterliche Stadtrechnungen, 2007f.

Rechnungshof ist das die Rechnung, die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungs­mäßigkeit der Haushaltsführung des Staates überprüfende staatliche Organ seit dem 18. Jh. (1761 Österreich Rechen-Cammer, 1854 oberste Rechnungs-Kontroll-Behörde, 1919 Staatsrechnungshof).

Lit.: Städtehaushalt und Rechnungswesen, hg. v. Maschke, E. u. a., 1977; Brodersen, C., Rechnungs­prüfung für das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Zavelberg, H., 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung, (in) Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 43; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Rechnungsprüfung ist die Überprüfung einer Rechnungsgestaltung. Sie beruht auf der im 12. Jh. sich ausbildenden Rechnungslegung.

Lit.: List, H., Die geschichtliche Entwicklung der Rechnungsprüfung, Diss. jur. Tübingen 1998; Mersiow­sky, M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, 1999

Recht (lat. ius [N.]) ist die menschliche, auf die Gerechtigkeit abstellende Sollensordnung (R. im objektiven Sinn) und der in ihr dem Einzelnen zustehende Anspruch (R. im subjektiven Sinn). Das R. ist ein Ergebnis des menschlichen Zusammenlebens. Es entsteht anfangs wohl regelmäßig aus der Sitte als dem Üblichen. Hinzu kommt zu einem unbekannten Zeitpunkt die bewusste Setzung (Gesetz, z. B. Codex Urnammu 2100 v. Chr., Codex → Hammurapi des babylonischen Königs Hammurapi [1728-1686 v. Chr.]?, Lykurg, Solon, Drakon, → Zwölftafelgesetz in Rom 451/450 v. Chr.). In Rom erfolgt die Auslegung des Gesetzes wegen der Nähe von R. und Religion zuerst durch Priester, danach durch den rechtswissenschaftlich gebildeten Fachmann (Rechtskundigen). Verstanden wird diese Tätigkeit als (lat.) ars (F.) boni et aequi (Kunst des Guten und Gerechten, Celsus filius 129 n. Chr.). Der oströmische Kaiser → Justinian (527-565) fasst am Ende der spätrömischen Zeit das römische R. in → Institutionen, → Codex und → Pandekten (sowie → Novellen) zusammen. Das R. der Germanen ist ungeschrieben und wohl weitgehend durch Übung entstanden. Auf einen Rechtsgott wird es ebensowenig zurückgeführt wie in Rom. Als Gemenge von hergebrachten Sätzen (→ Weistümer) und neuen Beschlüssen (→ Konstitutionen) zeichnen die von den Germanen abstammenden Einzelvölker nach dem Vorbild der Römer und der Kirche ihr R. in den sog. → Volksrechten oder Stammes­rechten zwischen dem 5. und 9. Jh. auf. Dieses R. muss nicht notwendig alt und gut sein, obwohl es vielfach alt und anerkannt ist. Seit dem 12. Jh. wird das R. nicht mehr personal, sondern territorial bestimmt (→ Landrecht, → Stadtrecht). Neben das partikulare R. tritt das allgemeine (→ gemeine) R. (kirchliches R., wiederentdecktes römisches R.). Seit dem Spätmittelalter wird dieses in den Universitäten → gelehrte R. fast überall teilweise aufgenommen, an die zeitgenössischen Bedürfnisse (lat. usus [M.] modernus, moderner Gebrauch) angepasst und geordnet und der Begriff des Rechts zunehmend positiviert. Seit dem 17. Jh. wird das R. verstärkt auf seine Natürlichkeit bzw. Vernünftigkeit überprüft (→ Vernunftrecht, säkulares → Naturrecht). Im Ergebnis wird es vielfach in nationalen Gesetzbüchern festgelegt ([Bayern 1751-1756,] Preußen 1794, Frankreich 1804ff., Österreich 1811/­1812, Spanien 1829ff., Italien 1865ff., Deutschland 1871ff.). Bis zur Gegenwart steigt die Flut rechtlicher Regelungen auf allen Ebenen (Vereinte Nationen, Europa, Staat, Provinz/Region/­Land, Kommune usw.) ins Unüberschaubare an (Deutschland 1996 ca. 85000 bundesgesetzliche Regelungen). Vorrangige Bedeutung erlangt dabei die → Verfassung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 3, 14, 29, 47, 51, 69, 79, 108, 113, 137, 140, 149, 180, 191, 205, 226, 229, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Z. f. geschichtliche Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff., Neudruck 1965; Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Müller, G., Recht und Staat in unserer Dichtung, 1924; Holland, T., The elements of jurisprudence, 13. A. 1924; Stammler, R., Deutsches Rechtsleben, B. 1f. 1928ff.; Rehfeldt, B., Die Vergeistigung des Rechtes, ZRG GA 67 (1950), 373; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Rehfeldt, B., Die Wurzeln des Rechtes, 1951; Odenheimer, J., Der christlich-kirchliche Anteil an der Verdrängung der mittelalterlichen Rechtsstruktur und an der Entstehung der Vorherrschasft des staatlich gesetzten Rechts im deutschen und französischen Rechtsgebiet, 1957; Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206; Schönfeld, W., Über die Heiligkeit des Rechts, 1957; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 4. A. 1962; Sawer, G., Law in Society, 1965; Hattenhauer, H., Zur Autorität des germanisch-mittelalterlichen Rechtes, ZRG GA 83 (1966), 258 (Antrittsvorlesung); Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Böckenförde, E., Der Rechtsbegriff, Archiv f. Begriffsgesch. 12 (1968), 145; Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 2. A. 1969; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Schmelzeisen, G., Objektives und subjektives Recht – zu ihrem Verhältnis im Mittelalter, ZRG GA 90 (1973), 101; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; NS-Recht in historischer Perspektive, 1981; Gmür, R., Rechtswirkungsdenken in der Privatrechts­geschichte, 1981; Schlosser, H., Rechtsgewalt und Rechtsbildung im ausgehenden Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 9; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Das römische Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Würtenberger, T., Zeitgeist und Recht, 1987; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Henke, W., Recht und Staat, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 2. A. 1989; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten, hg. v. Schulze, R., 1992; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts, 1993; Recht und Verfahren, hg. v. Kroeschell, K., 1993; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechts­geschichte, ZRG GA 111 (1994), 275; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 315; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Gaudemet, J., Les naissances du droit, 1997; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Bd. 1, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Diestelkamp, B., Recht und Gericht im heiligen römischen Reich, 1999; Blanke, H., Das Recht als Mittel der Machtpolitik, 2002; Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. v. Cordes, A. u. a., 2002; Rudolph, H., Rechtskultur in der frühen Neuzeit, HZ 278 (2004) 347; Uertz, R., Vom Gottesrecht zum Menschenrecht – Das katholische Staatsdenken in Deutschland (1789-1965), 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow, L., 2005; Stier, A., „Richtiges Recht“, 2006; Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen Welt­verkehr, 2006; Rechtsveränderungen im politischen und sozialen Kontext mittelalterlicher Rechtsvielfalt, hg. v. Esders, S. u. a., 2006; Schröder, J., Zur Entwicklung des Rechtsbegriffs in der Neuzeit, Gedächtnisschrift Jörn Eckert 2008, 835

Recht am Bild ist im 20. Jh. ein → Persönlichkeitsrecht eines Menschen an den von ihm angefertigten Abbildungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist im deutschen Recht der Gegenwart ein absolut geschütztes Recht des § 823 I BGB.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Recht und Dichtung

Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Schmidt-Wiegand, R., Recht und Dichtung, HRG, Bd. 4 1985, 232

Recht zur Sache s. (lat.) ius ad rem

Rechtliches Gehör ist die rechtmäßige Anhörung eines Betroffenen. Die bereits dem griechischen (attischen) Verfahren im Alter­tum bekannte Notwendigkeit des rechtlichen Gehöres für ein einwandfreies Entscheidungs­verfahren wird schon bei Seneca (4 v. Chr.-65 n. Chr., lat. audiatur et altera pars, es werde auch die andere Seite gehört) betont. Als eigenständiger Grundsatz tritt das rechtliche Gehör erst im Gefolge der Aufklärung hervor.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, 1976, 12; Wacke, W., Audiatur et altera pars, Jur. Arbeitsblätter 12 (1980), 594; Bretschneider, T., Die Rechtsprechung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs, 2006

Rechtlosigkeit ist das Fehlen der → Rechtsfähigkeit. Die R. ist in gewissem Umfang Begleiterscheinung der ständischen Verschiedenheit vom Altertum bis ins 19. Jh. (Frankreich 1789 egalité).

Lit.: Kaser; Hübner § 14; Budde, J., Über Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842; Schröder, H., Die Rechtlosigkeit der Frau im Rechtsstaat, 1979

Rechtsaltertum ist die sinnlich erkennbare Erscheinung vergangenen Rechts (Gegenstän­de, Symbole, Quellen, Institute).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1992, 1994; Koch, E., Rheinhessische Rechts­altertümer, 1939; Höfel, O., Rechtsaltertümer Rhein­hessens, 1940; Amira, K. v., Germanisches Recht, 4. A., Bd. 2, ergänzt v. Eckhardt, K., 1967; Oestmann, P., Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter, 2000

Rechtsanwalt ist der unabhängige fach­männische Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Er ist rechtswissen­schaftlich geschult. Er erscheint seit dem 12. Jh., wobei zeitweise zwischen → Advokat und → Prokurator unterschieden wird. Im Gegensatz zum → Fürsprecher ist er Vertreter in der Sache. Nach Freigabe der Rechts­anwaltschaft 1879 entwickelt sich der Rechtsanwaltsberuf zumal in Berlin zu einer klassisch jüdischen Profession (1933 19208 Rechtsanwälte im Deutschen Reich, etwa 5000 nichtarisch, in Berlin 1835 von 3400 = 54 Prozent jüdische Rechtsanwälte). Im 20. Jh. nimmt die Zahl der Rechtsanwälte entsprechend der Zunahme der Studierenden der Rechtswissenschaft (Erstsemester 1960 3173, 1970 6703, 1980 14446, 1990 15953, 2000 18455) stark zu (Deutschland 1960 18720, 1970 23599, 1980 37314, 1990 59455, 2000 110367).

Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Hachenburg, M., Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927; Kollmann, Zur Entwicklung des Ausbildungs- und Prüfungswesens, FS Laforet, 1952, 445; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Huffmann, H., Geschichte der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1969; Heinrich, R., 100 Jahre Rechtsanwaltskammer München, 1979; Ostler, F., Die deutschen Rechtsanwälte 1871-1971, 2. A. 1982; Entstehung und Quellen der Rechtsan­waltsordnung von 1878, hg. v. Schubert, W., 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Die Geschichte des deutschen Anwaltsvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Rechtsanwälte und ihre Selbstverwaltung, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, 1998; Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933, hg. v. Ladwig-Winters, S. u. a., 1998, 2. A. 2007; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Roth, C., Der Weg zu einem einheitlichen anwaltlichen Berufsrecht im wiedervereinigten Deutschland, Diss. jur. Regensburg 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundes­gerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Officium advocati, hg. v. Mayali, L. u. a., 2000; Schümann, D., Ein Beitrag zur Geschichte der mecklenburgischen Anwaltschaft, 2000; Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft – Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Wrabetz, P., Österreichs Rechtsanwälte, 2004; Wettmann-Jungblut, P., Rechtsanwälte an der Saar 1800-1960, 2004; Brunn, H./Kirn, T., Rechtsnwälte – Linksanwälte 1971-1981, 2004; Rüping, H., Rechts­anwälte im Bezirk Celle, 2006; Anwalt ohne Recht, hg. v. Bundesrechts­anwaltskammer, 2007; 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, hg. v. Pöllath, R., 2009

Rechtsanwendung (Zuordnung oder Zurechnung von einzelnen Sachverhalten zu allgemeinen Tatbeständen, → Subsumtion) ist die bewertende Anwendung der abstrakten Rechtssätze (Sollen) auf konkrete Sachverhalte (Sein). Sie entsteht mit den Anfängen von Rechts­vorstellungen. Sie erfolgt durch jedermann, insbesondere durch Urteiler und fachlich Vorgebildete.

Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Eckert, J., Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung, Der Staat 1998, 571; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005

Rechtsarchäologie ist die bewusste Beschäftigung mit den Gegenständen des ver­gangenen Rechts (Örtlichkeiten, Geräten, Darstellungen, Handlungen [str.], Wort von Amira 1890). Die R. wird bereits im 17. Jh. sichtbar. Am nachdrücklichsten ist sie wissenschaftliches Untersuchungsobjekt bei Karl von → Amira.

Lit.: Köbler, DRG 5; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Funk, W., Deutsche Rechtsdenkmäler, 1938; Frölich, K., Mittelalterliche Bauwerke als Rechtsdenkmäler, 1939; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Möller, T., Sühne- und Erinnerungsmale in Schleswig-Holstein, Nordelbingen 17/18 (1942), 89; Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege im niederdeutschen Bereich, 1946; Frölich, K., Denkmäler mittelalterlicher Strafrechts­pflege, 1946; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Hopf, H., Studien zu den Bildstöcken in Franken, 1970; Forschungen zur Rechtsarchäologie und zur rechtlichen Volkskunde, Bd. 1ff. 1978ff.; Carlen, L., Rechtsarchäologie in der Schweiz, FS H. Baltl, 1978; Maisel, W., Archeologia prawna polski, 1982; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1989; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Rechtsarchäologie und Rechtsikono­graphie, hg. v. Win, P. de, 1992; Carlen, L., Sinnen­fälliges Recht, 1995 (Aufsätze); Bilder, Texte, Rituale, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2000

Rechtsbehelf ist der vom objektiven Recht gewährte Behelf zur Ermittlung subjektiver Rechte.

Lit.: Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985

Rechtsbesitz ist der Besitz eines Rechtes. Seine Möglichkeit hängt ab von dem Verständnis des → Besitzes und der Sache. Dort wo Besitz nur die tatsächliche Herrschaft über körperliche Gegenstände (Sachen [im körperlichen Sinn]) betrifft, ist R. systemwidrig. In Österreich ist R. hinsichtlich dauernder Ausübung zugänglicher Rechte möglich, die mit der Innehabung einer körperlichen Sache verbunden sind (z. B. Mietrecht).

Lit.: Köbler, DRG 162; Wesener, G., Zur Dogmengeschichte des Rechtsbesitzes, FS W. Wilburg, 1975, 453; Graff, J., Die Lehren vom Rechtsbesitz, Diss. jur. Köln 1983; Beermann, C., Besitzschutz bei beschränkten dinglichen Rechten, 2000

Rechtsberatung ist die Beratung von Laien durch Juristen in Rechtsfragen. Sie ist ursprünglich grundsätzlich erlaubt.Seit 1877 können im deutschen Reich Personen, die das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände in der mündlichen Verhandlung ausgeschlos­sen werden (§ 143 II ZPO). Seit 1883 kann die gewerbsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten untersagt werden. Seit 1898 kann die Justizverwaltung geschäfts­mäßige Vertreter (Rechtskonsulen­ten) als sog. Prozessagenten zulassen. Auf seit April 1932 verstärktes Drängen der Rechtsanwaltschaft wird 1935 im deutschen Reich ein Rechtsberatungsmiss­brauchsgesetz geschaf­fen, das gleichzeitig die Rechtsbera­tung durch jüdische Rechtskonsulenten regelt. (1938 wird noch verbliebenen jüdeischen Rechtsanwälten der Beruf verboten und werden 172 als Rechtskonsulenten für Juden zugelassen. Das Gesetz wird 2007 durch das im Wesentlichen ab 1. 7. 2008 geltende Rechtsdienstleistungs­gesetz ersetzt, das den Grundsatz der Rechtsberatung durch Vollju­risten aufrecht­erhält, aber gewisse Einschrän­kungen herbei­führt..

Lit.: Rücker, S., Rechtsberatung, 2007

Rechtsbeugung ist die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Anwendung oder Nichtanwendung von Recht durch einen Richter, anderen Amtsträger oder Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei. Im römischen Recht ist dies ein Fall des (lat. [N.]) falsum (Fälschung, Betrug), das eine Strafe nach sich zieht. Im Mittelalter werden Rechtsweigerung und R. nicht klar getrennt, so dass als Folge vielfach nur ein verfahrensrechtlicher Rechtsbehelf gewährt wird. Ein besonderer Straftatbestand des Amtsverbrechens der R. wird erst von Martin 1825 gefordert. Bis zur Mitte des 19. Jh.s setzt er sich trotz geringer tatsächlicher Bedeutung durch. Seit 2003 haftet der Staat für die europarechtswidrige Rechtsan­wendung seiner Höchstgerichte, die beispielsweise ein Vorabentscheidungs­verfahren einleiten, nach einer eindeutigen Zwischenauskunft des Europäischen Gerichts­hofs ihr Vorabentschei­dungsersuchen zurück­nehmen und trotz einer eindeutigen Stellung­nahme der Europäischen Kommission überra­schend rechtswidrig gegen die Zwi­schenauskunft des Europäischen Gerichtshofs entscheiden (z. B. C-224/2001).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Martin, C., Lehrbuch des deutschen gemeinen Kriminalrechts, Bd. 1f. 1821ff.; Cohn, G., Die Verbrechen im öffentlichen Dienst, 1876; Stock, U., Entwicklung und Wesen des Amtsverbrechens, 1932; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Schmidt-Speicher, U., Hauptprobleme der Rechts­beugung, 1982; Spendel, G., Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Kraut, G., Rechtsbeugung, 1997; Möller-Heilmann, B., Die Strafverfolgung 1999; Hohoff, U., An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbe­standes, 2000

Rechtsbuch ist das das Recht betreffende Buch bzw. die (umfassende) Aufzeichnung des geltenden Rechts (durch eine Privatperson) (rechtbuk [= mnd. rechtbōk] Berliner Stadtbuch 1397). Das R. ist insbesondere im Hochmittelalter und Spätmittelalter bedeutsam, in denen es die durch spärliche Gesetzgebungstätigkeit gelassene Lücke füllt. Das R. ist nur Rechtserkenntnisquelle. Bekannte Beispiele sind die (lat.) Constituta (N.Pl.) usus et legis (Festgesetztes des Gebrauchs und Rechts) bzw. Constitutum (N.) usus (Festgesetztes des Gebrauchs) von Pisa (Mitte 12. Jh.), der Liber feudorum (Buch der Lehen), der → Sachsenspie­gel, → Deutschenspiegel, → Schwabenspiegel, das Kleine Kaiserrecht, das Eisenacher R., das Freisinger R., das Görlitzer R., das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch oder das Zwickauer R., die → Coutumes, die → Fueros, die → Siete Partidas, der (lat.) Liber legis Scaniae, → Gragas, → Ostgötalagh, → Westgötalagh oder die Werke des Ranulf de → Glanvill und des Henry de → Bracton. Teilweise werden auch das (lat.) Corpus (N.) iuris civilis oder einzelne römischrechtliche Werke (Florentiner R., Tübinger R.) als R. verstanden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Siegel, H., Die deutschen Rechtsbücher, 1899; Homeyer, G., Die deutschen Rechtsbücher, neu bearb. v. Borchling, C./Eckhardt, K./Gierke, J. v., Abteilung 2 Verzeichnis der Handschriften 1931, Abteilung 1 Verzeichnis der Rechtsbücher, bearb. v. Eckhardt, K., 1934; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990; Oppitz, U., Ergänzungen zu „Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters“, ZRG GA 113 (1996), 345, 114 (1997), 444, 117 (2000), 607, 640 (Päsler, Ralf G.), 120 (2003), 371 (Oppitz, U.); Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435

Rechtsbuch nach Distinktionen → Meißener Rechtsbuch

Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung → Weichbild

Rechtseinheit ist die Einheit des geltenden Rechts in einem bestimmten Gebiet. → Kodifikationsstreit

Lit.: Söllner § 1; Hübner 24; Kroeschell, DRG 3; Getz, H., Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert, 1966; Wrobel, H., Die Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995; Koch, E., 10 Jahre deutsche Rechtseinheit, 2001; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit – partikulare und nationale Gesetzgebung (1780-1866), 2004

Rechtsentscheid ist in Deutschland seit 1990 die Entscheidung des Oberlandesgerichts oder Bundesgerichtshofs in Wohnraummietver­tragsrechtsfragen bei Abweichungswillen eines Landgerichts von der Rechtsprechung der Obergerichte.

Lit.: Willingmann, A., Rechtsentscheid, 2000

Rechtsenzyklopädie ist die umfassende Darstellung des Rechtes in alphabetisch oder systematisch geordneter Form. Sie erscheint seit dem Spätmittelalter (→ Durantis, W., Speculum iuris [Rechtsspiegel], E. 13. Jh., → Lagus, K., Iuris utriusque methodica traditio [Methodische Behandlung beider Rechte], 1543, → Gothofredus, J., Manuale iuris [Rechtshandbuch], 1654, Hunnius, H., Encyclopae­dia universi iuris [Enzyklopädie des gesamten Rechts], 1642ff. u. a.). Eine wissenschaftliche Grundlegung erfährt sie durch → Leibniz (Nova methodus discendae docendaeque iurisprudentiae, Neue Methode des Lernens und Lehrens der Rechtswis­senschaft, 1667). Auf ihr bauen die entsprechenden Werke von → Nettelbladt (1749), → Pütter (1757), Reitemeier (1785) und → Hugo (1792) auf. Seit dem 19. Jh. tritt die R. zu Lasten des Rechtsüberblicks der Studierenden wieder zurück.

Lit.: Ortloff, H., Die Encyclopädie der Rechtswissenschaft, 1857; Buschmann, A., Enzyklopädie und Jurisprudenz, Archiv f. KG. 51 (1969), 296; Volk, K., Die juristische Enzyklopädie des Nikolaus Falck, 1970; Enzyklopädien der frühen Neuzeit, hg. v. Eybl, F. u. a., 1995; Mohnhaupt, H., Methode und Ordnung der Rechtsdisziplinen und ihrer Hilfswissenschaften in den Rechtsenzyklopädien, ZNR 1999, 85; Kiesow, R., Das Alphabet des Rechts, 2004

Rechtserkenntnisquelle ist die Rechtser­kenntnis ermöglichende Quelle (z. B. → Rechtsbuch). Sie bringt nicht notwen­digerweise neues Recht zur Entstehung.

Lit.: Köbler, DRG 4, 80, 82

Rechtsethnologie ist die vergleichende recht­liche Volkskunde, die aus dem Vergleich einzelner tatsächlicher Rechtskulturen allgemeine rechtliche Entwicklungsregeln er­schließen und nach Möglichkeit dadurch rechtsgeschichtliche Überlieferungslücken schließen will.

Lit.: Bibliographische Einführung in die Rechtsge­schichte und Rechtsethnologie, hg. v. Gilissen, J. u. a. (Bd. Deutschland 1970, Österreich 1979, Schweiz/Suisse 1963); Roberts, S., Ordnung und Konflikt, 1981; Schulze, R., Das Recht fremder Kulturen, Hist. Jb. 110 (1990), 446

Rechtsetzung ist die bewusste Setzung von Recht durch ein willensgetragenes Verhalten. Der wichtigste Fall der R. ist die Gesetz­gebung.

Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechts­ent­wurf von 1594, 1973; Lillig, K., Rechtssetzung im Her­zog­tum Pfalz-Zweibrücken, 1985

Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten (z. B. Eigentum) und Pflichten (z. B. Steuerschuld) zu sein. Eine allgemeine gleiche R. ist bis in das 19. Jh. nicht anerkannt. Vielmehr sprechen alle ständischen Gesellschaften Rechte in unter­schiedlicher Weise zu oder ab. Im Laufe des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung der allgemeinen gleichen R. aller Menschen von der Geburt bis zum Tod (hilfsweise bis zur Todeserklärung) aber durch. Daneben wird auch die R. der juristischen Person allgemein anerkannt.

Lit.: Kaser § 13 I, II; Hübner 50ff.; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 160, 167, 206, 207, 238; Ostheim, R., Zur Rechtsfähigkeit von Verbänden, 1967; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Jobbágyi, G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht, ZRG GA 110 (1993), 513; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände im Wechsel der Rechtsordnung, ZRG GA 116 (1999), 314; Mahr, J., Der Beginn der Rechtsfähigkeit, 2007

Rechtsfindung ist die Ermittlung des Rechts im subjektiven Sinn im Einzelfall.

Lit.: Kroeschell, K., Rechtsfindung, FS Hermann Heimpel Bd. 3, 1972, 498; Schmelzeisen, G., Rechtsfindung im Mittelalter, ZRG GA 91 (1974), 73

Rechtsfolge ist die vom Recht an ein Verhalten (→ Tatbestand bzw. Sachverhalt) geknüpfte Folge. Sie ergibt sich aus dem Aufbau des Rechtssatzes als einer rechtsfolgebewehrten Sollensregel. Im Rechtssatz wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen (allgemeiner Tatbestand, dem entsprechender einzelner Sachverhalt) eine bestimmte R. eintreten soll.

Lit.: Kaser § 1ff.; Hübner; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913

Rechtsgang ist die ältere wissenschaftliche Bezeichnung für das an einen Unrechtserfolg anschließende → Verfahren im germanischen und frühmittelalterlichen Recht.

Lit.: Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ziekow, J., Recht und Rechtsgang, 1986

Rechtsgeltungsquelle ist die Quelle dafür, dass etwas als Recht gilt. Rechts­geltungsquellen sind bereits im altrömischen Recht → Gesetz und → Gewohnheit(srecht). Im klassischen römischen Recht stehen Volksgesetze, Plebiszite und Senatuskonsulte sowie die praktische Rechtspflege durch die Prätoren nebeneinander, zu denen die → Auslegung durch die Rechtskundigen hinzukommt. Seit der Zeitenwende bildet sich daneben eine unmittelbare Rechtssetzung des Prinzeps in Entscheidungen (lat. [N.Pl.] decreta), Antworten (rescripta) und Dienstanweisungen (mandata) heraus, die bald als gesetzesgleich (lat. [F.Pl.] constitutiones) gelten. Im spätantiken Recht richtet der Herrscher Konstitutionen als Erlasse an das Volk oder den Senat oder als Anordnung an einzelne Amtsträger. Bei den Germanen wie im Frühmittelalter steht das Gewohnheitsrecht im Vordergrund, ohne dass Rechtssetzung ausgeschlossen ist. Seit dem Hochmittelalter wird das Gesetz immer bedeutsamer.

Lit.: Köbler, DRG 4 u. a.

Rechtsgeographie

Lit.: Merk, W., Wege und Ziele der geschichtlichen Rechtsgeographie, FS Traeger, 1926

Rechtsgeschäft ist ein auf dem Parteiwillen aufbauender Gesamttatbestand, der einen mit einer Willenserklärung angestrebten Rechts­erfolg herbeiführt. Das R. entsteht mit der Ausbildung von Verkehrsgeschäften (Tausch, Gabe). Als rechtswissenschaftliche Grund­figur des Privatrechts wird es erst am Beginn des 19. Jh.s erfasst. Es gibt einseitige Rechts­geschäfte (z. B. Auslobung, Kündigung, Erbeinsetzung) und zweiseitige Rechtsge­schäfte (z. B. Vertrag). Bereits im Hoch­mit­tel­alter werden Rechtsgeschäfte in Stadtbü­chern (Rechtsgeschäftsbüchern wie et­wa Kaufbüchern, Gültbüchern oder Testa­ment­büchern) eingetragen.

Lit.: Kaser § 5 I; Hübner 10, 521; Köbler, DRG 164, 208, 238, 266; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980; Müller, M., Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte, 1989; Scheerer, B., Die Abgrenzung des Rechtsgeschäfts, 1990; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns an der Rechtsgeschäftslehre des ersten Entwurfs, ZRG GA 114 (1997), 73

Rechtsgeschichte ist die (Lehre von) vergangene(n) rechtliche(n) Sollensord­nung(en). Ein rechtsgeschichtlicher Abriss findet sich bereits bei → Pomponius (Mitte 2. Jh. n. Chr.). Auch einige Prologe der Volksrechte liefern kurze Nachrichten über Rechtsentwicklungen. Sonstige rechtsge­schicht­liche Überblicke des Mittelalters sind nicht erhalten. Die erste R. bietet → Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) 1515 (lat. Historia [F.] iuris, Rechtsgeschichte). Für das deutsche Recht bildet Hermann → Conrings (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) den Beginn der eige­nen nationalen (deutschen) Rechts­geschichte neben der römischen Rechts­geschichte und der kirchlichen Rechts­geschichte. Mit Johann Friedrich Reitemeier (Enzyklopädie und Geschichte der Rechte in Deutschland 1785) ist Gustav Hugo der erste, der die Rechtsgeschichte (1790) in Epochen und jede Epoche in einer Systematik aufteilt. In der Folge sind besonders → Eichhorn (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1808ff.) und → Brunner (Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906, 1928, Neudruck 1958/61) für die deutsche, von der römischen Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte grund­sätzlich getrennte Rechtsgeschichte hervorzu­heben. Bis zum Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Deutschen Reiches von 1900 ist die R. Teil des geltenden Privatrechts. 1935 werden in der Absicht einer im Ergebnis verfehlten Studienreform die Privatrechts­geschichte der Neuzeit und die → Verfassungsgeschichte der Neuzeit aus der allgemeinen Rechtsgeschichte ausgesondert, finden danach aber überwiegend wieder zurück. Seit etwa 1975 wird eine besondere juristische → Zeitgeschichte aus nahelie­genden Gründen gefordert. Nicht zuletzt als Folge dieser vielfältigen Differenzierung verfällt die Rechtsgeschichte als juristischen Lehrfach. Die erste sämtliche Teile der R. knapp als Einheit zusammen­fassende Darstellung stammt von Gerhard Köbler (1977, 5. A. 1995, 6. A. 2005). Die erste europäische Rechtsgeschichte ist von Hans Hattenhauer verfasst (1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004). Obwohl die R. das Verständnis des Rechts der Gegenwart erleichtert, bildet der hierfür erforderliche geistige Aufwand für den Durchschnittsjuristeneine beachtliche Zu­gangs­­schwelle.

Lit.: Söllner § 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 1, 3, 7, 30, 142; Roth, P., Die rechtsgeschichtlichen Forschungen seit Eichhorn, ZRG 1 (1861); Taranowsky, Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte, ZRG GA 27 (1906), 190; Moeller, E., Die Trennung der deutschen und der römischen Rechtsgeschichte, 1905; Frensdorff, F., Das Wieder­erstehen des deutschen Rechts, ZRG GA 29 (1908), 1; Vinogradoff, P., Outlines of Historical Jurisprudence, Bd. 1f. 1920ff.; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in das Studium der germanischen Rechtsgeschichte, 1922; Hübner, R., Wert und Bedeutung der Vorlesung über deutsche Rechtsgeschichte, 1922; Stutz, U., Alfons Dopsch und die deutsche Rechtsgeschicht, ZRG GA 46 (1926), 331; Smith, M., A general view of European legal history, 1927; Smith, M., The Development of European Law, 1928; Decugis, H., Les étapes du droit, 1942; Mitteis, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 1949(, Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992); Dulckeit, G., Philosophie der Rechts­geschichte, (1950); Planitz, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 1950, 2. A. 1960, 3. A. 1971; Planitz, H./Buyken, T., Bibliographie zur deutschen Rechtsgeschichte, 1952; Zur deutschen Rechtsgeschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 18 (1968), 375; Marxistische Beiträge zur Rechts­geschichte, hg. v. Abteilung Staats- und Rechtsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, 1968; Repertorium bibliographicum, hg. v. Feenstra, R., 1969, Supplementum 1975, 2. A. 1980; Hattenhauer, H., Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des deutschen Rechts, 1971, 4. A. 1996; Kroeschell, K., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 12. unv. A. 2005, Bd. 2 9. A. 2006, Bd. 3 4. unv. A. 2005; Sjöholm, E., Rechtsgeschichte als Wissenschaft und Politik, 1972; Paradisi, B., Apologia della storia giuridica, 1973; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 3. A. 2003; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, hg. v. Ranieri, F., 1977; Köbler, G., Rechtsgeschichte 1977, Deutsche Rechts­geschichte 6. A. 2005; Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Cavanna, A., Storia del diritto moderno in Europa, 1979; Horváth, P., Vergleichende Rechtsgeschichte, 1979; Senn, M., Rechtshistorisches Selbstverständnis im Wandel, 1982; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die Fachtradition der deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Robinson, O./Fergus, T./Gordon, W., An Introduction to European Legal History, 1985; Köbler, G., Wege deutscher Rechtsgeschichte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 182; Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1989; Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1989ff.; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in) Geschichtliche Rechtswissen­schaft: Ars tradendo innovandoque aequitatem sectandi, hg. v. Köbler, G. u. a., 1990, 207ff.; Europäische Rechts- und Verfassungs­geschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Caenegem, R. van, Legal History, 1991; Hattenhauer, Hans, Europäische Rechtsgegeschichte 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Robinson, O./Fergus, T./Gordon, W. European Legal History, 2. A. 1994, 3. A. 2000; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1996; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 310; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Nunnweiler, A., Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit, 1996; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsge­schichte im Wandel der Forschung, ZRG GA 111 (1994), 275; Senn, M., Rechtsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2003, 4. A. 2007; Norm und Tradition, hg. v. Caroni, P. u. a., 1998; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Bader, K./Dilcher, G., Deutsche Rechtsgeschichte, 1999; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Lupoi, M., The Origins of the European Legal Order, 2000; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Kunkel, W./Schermaier, M., Römische Rechtsge­schichte, 13. A. 2001; Het nut van rechtsgeschiedenis, hg. v. Heirbaut, D./Lambrecht, D., 2000; Rechtsgeschichtswissenschaft in Deutschland 1945-1952, hg. v. Schröder, H. u. a., 2001; Meder, S. Rechtsgeschichte, 2002, 2. A. 2005, 3. A. 2008; Hense, T., Konrad Beyerle, 2002; Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte, hg. v. Eckert, J., 2003; Fasel, U., Repetitorium zur Rechtsgeschichte, 2004; Dürselen, F., Franz Beyerle (1885-1977), 2005; Caroni, P., Die Einsamkeit des Rechtshistorikers, 2005; Senn, M./Thier, A., Rechtsgeschichte III. Textinterpreta­tionen, 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow, L., 2005; Köbler, G., Deutsche Rechtshistoriker, 2006; Senn, M. u. a., Rechtsgeschichte, 2006; Schmoeckel, M./Stolte, S., Examinatorium Rechtsgeschichte, 2008; Lesaffer, R., European Legal History, 2009

Rechtsgewohnheit ist nach einer am Ende des 20. Jh.s ausgebildeten Ansicht die rechtlich bedeutsame, aber noch nicht zum Recht gewordene Gewohnheit als Vorstufe des → Gewohnheitsrechts im Mittelalter.

Lit.: Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992

Rechtsgut ist das durch Straftatbestände geschützte rechtliche Gut des Menschen. Der Begriff wird nach Feuerbachs Ausrichtung des Verbrechens auf die Verletzung subjektiver Rechte zwischen 1820 und 1840 von Birnbaum im Kern entwickelt (Gut als Verbrechens­objekt). Karl Binding weist dem R. eine zentrale Stellung im Strafrecht zu und Franz von Liszt macht es zum Mittelpunkt seiner evolutionistisch geformten Rechtslehre.

Lit.: Sina, P., Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, 1962; Würtenberger, T., Das System der Rechtsgüterordnung in der deutschen Strafgesetzgebung seit 1532, 1973

Rechtshängigkeit ist das Schweben einer Streitsache in einem Urteilsverfahren. Die R. ist bereits dem altrömischen Recht bekannt, in dem mit der Streiteinsetzung (lat. → litis contestatio [F.]) der Parteien durch den Magistrat diese sich dem Spruch des Richters unterwerfen und ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist.

Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 44

Rechtshilfe ist die Hilfe, die von Gerichten und von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten im Hinblick auf eine Tätigkeit der Rechtspflege geleistet werden kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Im Hochmit­telalter und Spätmittelalter erfolgt sie einigermaßen unförmlich auf Grund von Vereinbarungen oder Gewohnheiten. In der frühen Neuzeit wird sie innerhalb desselben Staates selbstver­ständlich. Gesetzlich geregelt wird sie 1869 für den Norddeutschen Bund und 1874 für das Deutsche Reich. Darüber hinaus wird 1958 das Haager Abkommen über den Zivilprozess geschlossen. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird der Zivilprozess überhaupt an einzelnen Stellen vereinheitlicht.

Lit.: Endemann, W., Die Rechtshilfe, 1869

Rechtshistoriker ist der die Rechtsgeschichte untersuchende Wissenschaftler. Er ist von der Fachzugehörigkeit an sich Historiker, aus praktischen Gründen grundsätzlich aber ausgebildeter Jurist. Die deutschsprachigen R. treffen sich seit 1927 zweijährlich auf einem an wechselnden Orten abgehaltenen Rechts­historikertag zu wissenschaftlichen Ausspra­chen (Heidelberg 1927, Göttingen 1929, Jena 1932, Köln 1934, Tübingen 1936, Marburg 1947, Heidelberg 1949, Gmunden/Traunsee 1951, Würzburg 1952, Hamburg 1954, Freiburg im Breisgau 1956, München 1958, Saarbrücken 1960, Mainz 1962, Wien 1964, Basel 1966, Münster 1968, Salzburg 1970, Erlangen-Nürnberg 1972, Tübingen 1974, Linz 1976, Berlin 1978, Augsburg 1980, Zürich 1982, Graz 1984, Frankfurt am Main 1986, Bielefeld 1988, Nimwegen 1990, Köln 1992, Bern 1994, Wien 1996, Regensburg 1998, Jena 2000, Würzburg 2002, Bonn 2004, Halle 2006, Passau 2008).

Rechtsirrtum ist der Irrtum über die bestehende Rechtslage (z. B. über ein rechtliches Verbot). Bereits das römische Recht berücksichtigt den R. weniger stark als den Irrtum über eine Tatsache. Dies wird im Hochmittelalter von den Juristen fortgeführt, während die Moraltheologen auf die tatsäch­liche Kenntnis einer Vorschrift abstellen. Auch die neuzeitlichen Kodifikationen halten insgesamt an der Schlechterstellung des Rechtsirrtums fest. Im deutschen Strafrecht der Gegenwart wird die Einsichtsfähigkeit des Täters berücksichtigt.

Lit.: Kaser §§ 8 II 4, 26 II 3; Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965, 41; Lichti, J., Der Rechtsirrtum, 1950; Mayer-Maly, T., Error iuris, (in) Ius humanitatis, hg. v. Miehsler, H. u. a., 1980, 147; Winkel, L., Error iuris nocet, 1983

Rechtskraft ist formell die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung, materiell die Maßgeblich­keit des Inhalts einer Entscheidung. Bereits das spätere römische Recht kennt mit der Mehrstu­figkeit des Verfahrens die formelle R. Wieweit das Mittelalter sich der Vorstellung der R. bewusst ist, ist zweifelhaft. Erst mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die R. deutlich sichtbar. Die materielle R. setzt sich nur allmählich in der Neuzeit durch. Im Dritten Reich wird die R. teilweise zu Lasten Angeklagter einge­schränkt.

Lit.: Kaser §§ 84 II 3a, 87 II 7b; Köbler, DRG 56; Gál, A., Rechtskraft des fränkischen Urteils?, ZRG GA 33 (1912), 315; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 367; Gaul, H., Die Entwicklung der Rechtskraftlehre seit Savigny, FS W. Flume, Bd. 1 1978, 443; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Hanne, N., Rechtskraftdurchbrechungen von Strafentscheidungen im Wechsel der politischen Systeme, 2005

Rechtsmangel ist die Nichterfüllung der Verpflichtung, einen Gegenstand frei von Rechten Dritter zu verschaffen. Bereits im klassischen römischen Recht muss der Verkäufer (bei → Entwerung des Käufers) dafür einstehen, dass die Sache nicht von Dritten auf Grund eines Rechtes heraus­verlangt werden kann und deswegen gegebenenfalls den doppelten Kaufpreis (lat. [N.] duplum) leisten. Im Hochmittelalter muss der Verkäufer den Käufer gegen Ansprüche Dritter auf die verkaufte Sache schirmen und damit gegen Rechtsmangel Gewähr leisten, andernfalls den Kaufpreis erstatten und teilweise noch eine Buße erbringen. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird der Verkäufer verpflichtet, das Eigentum zu verschaffen.

Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46, 64, 127, 165; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmängelhaftung des Veräußerers, ZRG GA 77 (1960), 87; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel, Diss. jur. Hamburg 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Rechtsmedizin

Lit.: Die unglaublichsten Fälle der Rechtsmedizin, hg. v. Rothschildt, M, 2005; Auf Messers Schneide, hg. v. Rothschild, M., 2006

Rechtsmissbrauch ist die unberechtigte Ausübung eines an sich bestehenden Rechtes, der mit unterschiedlichen Mitteln vorsichtig begegnet wird (u. a. Treu und Glauben). Die heutige Rechtsmissbrauchslehre wird als Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsden­kens eingeordnet.

Lit.: Kaser § 4 IV; Köbler, DRG 24; Kroeschell, 20. Jh.; Haferkamp, H., Die heutige Rechtsmiss­brauchslehre, 1995

Rechtsmittel ist das rechtliche Mittel, mit dem eine Partei eine ihr ungünstige Entscheidung vor Rechtskraft im Wege der Nachprüfung durch ein höheres Gericht zu beseitigen sucht (z. B. → Berufung, → Revision, Beschwerde, → Appellation). Als erstes allgemeines R. entsteht unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) die Appellation. Seit dem Spätmittelalter werden R. mit dem gelehrten Prozess aufgenommen. Das gewöhnliche R. ist dabei die Appellation, neben der Oberappellation, Revision, → Supplikation und Restitution stehen können. Die → Nichtigkeit (Nullität) wird mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, doch werden Appellation und Nichtigkeitsklage in der Verfahrenswirklichkeit einander vielfach angenähert. In der deutschen Zivilprozess­ordnung von 1877/1879 wird das R., das den Rechtsstreit in vollem Umfang zur Neuverhandlung bringt (→ Berufung), von dem R., das nur auf die Verletzung des Rechts gestützt werden kann (→ Revision), unter­schieden. Gegen Beschlüsse wird die Beschwerde gewährt. Die außerordentlichen R. des gemeinen Rechts sind als Wiederauf­nahmeklage gestaltet.

Lit.: Kaser § 87 I 9; Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Gilles, P., Rechtsmittel im Zivilprozess, 1972; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Oer, R. Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1998

Rechtsnorm ist der aus → Tatbestand und Rechtsfolge zusammengesetzte einzelne Satz des Rechtes. Die Bezeichnung erscheint im späteren 19. Jh.

Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970

Rechtsordnung ist die in eine Ordnung gebrachte Gesamtheit der Rechtsnormen (Rechtssätze) einer Rechtsgemeinschaft. Diese Vorstellung erscheint erst seit der frühen Neuzeit, wird aber von dort aus auf ältere Rechtsgemeinschaften zurücküber­tragen.

Lit.: Hippel, F. v., Die Perversion von Rechtsordnungen, 1955; Conrad, H., Individuum und Gesellschaft in der Privatrechtsordnung, 1956; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, 1971; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechts­ordnung, 1974; Die schweizerische Rechtsordnung, 1988; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995

Rechtspflege → Gericht, → Prozess

Lit.: Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Luig, K., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, (in) Panorama der fridericianischen Zeit, Bd. 1, hg. v. Ziechmann, J., 1985, 381; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in Köln, Diss. jur. Köln 1987; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd. 1f. 1989ff.; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989

Rechtspfleger ist der Beamte des gehobenen Dienstes in Deutschland, dem zur Entlastung des Richters bzw. zur Verbilligung der Rechtspflege im frühen 20. Jh. bestimmte Aufgaben der Rechtspflege übertragen werden (1957 Rechtspflegergesetz).

Lit.: Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993; Meyer-Stolte, K. u. a., Rechtspflegergesetz, 4. A. 1994; Walden, K., Für Führer, Volk und Vaterland, 1995

Rechtsphilosophie ist die Lehre von den Grundfragen und Grundwerten des Rechts. Rechtsphilosophische Fragestellungen finden sich spätestens seit der griechischen Philosophie. Die R. entwickelt sich im 19. Jh. aus dem → Naturrecht. Strömungen im 19. Jh. sind vor allem → Idealismus, → Ma­terialismus und → Positivismus, im 20. Jh. → Neuhegelianismus und → Neukantianismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Rechtsidee und Staatsgedanke, FG Julius Binder, hg. v. Larenz, K. u. a., 1930; Larenz, K., Deutsche Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, 1934; Cairns, H., Legal Philosophy from Plato to Hegel, 1949; Klein-Bruckschwaiger, F., Die Geschichte der Rechtsphilosophie in der Naturrechtslehre von Karl Anton von Martini, ZRG GA 71 (1954), 374; Friedrich, C., Die Philosophie des Rechts, 1955; Friedrich, C., The philosophy of law, 1958; Henkel, H., Einführung in die Rechts­philosophie, 1964; Sforza, W., Rechts­philosophie, 1966; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie des jungen Marx, 1970; Rode, K., Geschichte der europäischen Rechtsphilosophie, 1974; Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner, H., 1983; Hellmuth, E., Naturrechts­philosophie und büro­kratischer Werthorizont, 1985; Thomann, M., Rechtsphilosophie und Naturrecht bei Gottlieb Konrad Pfeffel, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 536; Kants Rechtsphilosophie, hg. v. Kusters, G., 1988; Coing, H., Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. A. 1993; Strömholm, S., Kurze Geschichte der abendländischen Rechtsphilosophie, 1991; Decker, C., Katalog der rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1990,1995; Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 5. A. 1997; Kaufmann, A., Rechtsphilosophie, 2. A. 1997; Goller, P., Naturrecht, Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? 1997; Roca, M., Eine europäische Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, JZ 1997, 881; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998; Texte zur Rechtsphilosophie, hg. v. Seelmann, K., Bd. 1 2000; Seelmann, K., Rechtsphilosophie, 4. A. 2007; Grunert, F., Normbegründung und politische Legitimität, 2000; Hofmann, H., Einführung in die Rechts- und Staatsphilosophie, 2000, 2. A. 2003; Schröder, I., Zur Legitimationsfunktion der Rechtsphilosophie im Nationalsozialismus, 2002; Integratives Verstehen, hg. v. Alexy, R., 2005

Rechtspolitik ist die das Recht betreffende Politik.

Lit.: Die Renaissance der Rechtspolitik, hg. v. Brigitte Zypries, 2008

Rechtspositivismus ist die das Recht betreffende positivistische Haltung (z. B. John Austin, Georg Jellinek, Hans Kelsen, Herbert L. A. Hart). Sie bezieht sich auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der gesell­schaftlichen Wirklichkeit und damit auch von der Geschichte gelösten Begriffen, aus denen Lösungen gewonnen werden. Die Geltung des Rechtes ist danach unabhängig von subjektiven Wertvorstellungen wie richtig oder falsch. Der Gesetzespositivismus gründet das Recht auf das den Volkswillen verkörpernde → Gesetz.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 228; Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 2. A. 1960; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und Nationalsozialismus, (in) Recht und Politik 1983, 195; Rechtspositivsmus und Wertbezug des Rechts, hg. v. Dreier, R., 1990; Seibold, G., Hans Kelsen und der Rechtspositivismus, 2007

Rechtsprechung ist die Entscheidung konkreter Rechtsfragen durch die dafür zuständige Stelle. Sie reicht sachlich in die Frühzeit der Rechtsgeschichte zurück. → Gericht

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Haff, K., Der germanische Rechtsprecher, ZRG GA 66 (1948), 364; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Dreisbach, H., Der Einfluss der Carolina auf die Rechtsprechung, Diss. jur. Marburg, 1969; Volkmann, H., Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Walter, G., Die französische Rechtsprechung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972; Spendel, G., Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Repertorium ungedruckter Quellen zur Rechtsprechung, Deutschland 1800-1945, hg. v. Dölemeyer, B., 1995; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997

Rechtsquelle ist der Ursprungsort von Rechtssätzen. → Rechtserkenntnisquelle, → Rechtsgeltungsquelle

Lit.: Söllner § 15; Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Stobbe, O., Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Bd. 1f. 1860ff., Neudruck 1965; Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Planitz, H., Quellenbuch der deutschen, öster­reichischen und Schweizer Rechtsgeschichte, 1948; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, Neudruck 1984; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Dießelhorst, M., Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle, 1968; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Bühler, T., Rechtsquellenlehre, Bd. 1f. 1977ff.; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung, 1983; Wiegand, W., Die privatrechtlichen Rechtsquellen, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 237: Schrage, E., Utrumque ius. Eine Einführung in das Studium der Quellen des mittelalterlichen gelehrten Rechts, 1992

Rechtsreformation → Reformation

Rechtssatz → Rechtsnorm

Rechtsschein ist der äußerliche Anschein des Bestehens eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Rechtes. Er kann Rechts­wirkungen äußern (z. B. unrichtiges Grund­buch). Ihn gibt es seit Entstehung des Rechts.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Peterka, O. Das offene zum Scheine Handeln im deutschen Recht des Mittelalters, 1911; Meyer, H., Vom Rechtsschein des Todes, 1912; Canaris, C., Vertrauenshaftung, 1971

Rechtsschule ist die Lehrstätte (in der Spätantike in Rom, Karthago, Konstantinopel [zwei Rechtslehrer mit nur wenig Entgelt leistenden Hörern], Beirut [Beryt], Athen, Alexandria und Caesarea) oder Geistes­richtung innerhalb der Jurisprudenz bzw. Rechtswissenschaft und auch der mit ihr verbundene Inhalt. → freie Rechtsschule, → historische Rechtsschule, → Prokulianer, → Sa­binianer, → Ravenna, → Pavia, → Verona, → Bologna, → Universität

Lit.: Söllner §§ 16, 21; Köbler, DRG 53, 187, 189; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39, Bd. 2, 1,2ff.; Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Coing, H., Die französische Rechtsschule zu Koblenz, FS F. Wieacker, 1978, 195

Rechtsschutz ist der durch die → Rechts­ordnung gewährleistete Schutz von Rechts­gütern. → Gericht, Rechtsnorm, Strafrecht

Lit.: Köbler, DRG 208; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 1962; Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Lohmann, U., Gerichts­verfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1986; Engbers, E., Small claims und effektiver Rechtsschutz, 2003

Rechtssicherheit ist die Beständigkeit der bei einem Verhalten eintretenden Rechtsfolgen. Die R. steht in einem Spannungsverhältnis zur Einzelfallgerechtigkeit. Verstärkt strebt man nach R. seit der Aufklärung. Im Dritten Reich wird unter dem Schlagwort der R. der Rechtsstaat ausgehöhlt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Meyer, A., Die Notariatsordnungen, 1971; Göring, H., Die Rechtssicherheit, 1935

Rechtssoziologie ist die Lehre von der sozialen Wirklichkeit des Rechts. Sie entwickelt sich ansatzweise seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s (→ Marx, → Ihering, → freie Rechtsschule). Nach Unterbrechung durch den National­sozialismus gewinnt die R. unter amerikanischem Einfluss in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s an Boden.

Lit.: Köbler, DRG 228; Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie, 1969; Rechtsgeschichte und Rechtssoziologie, hg. v. Killias, M. u. a., 1985; Rehbinder, M., Rechts­soziologie, 6. A. 2007

Rechtsspiegel → Rechtsbuch

Rechtssprache ist die besondere Sprache, in der Recht zum Ausdruck gebracht wird. Die R. ist in der Gegenwart die von der Allge­meinsprache schwer abgrenzbare Fach­sprache des wissenschaftlich gebildeten → Juristen. Ihre Besonderheiten betreffen vor allem den Wortschatz, daneben auch Syntax und Grammatik. Besonders bedeutsam für die deutsche R. des frühen Mittelalters ist das Ver­hältnis von lateinischer Überlieferung und volkssprachiger Rechts­wirk­lichkeit.

Lit.: Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1843; Gradenwitz, O., Wortverzeich­nis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.; Günther, L., Recht und Sprache, 1898; Beiträge zum Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, 1908; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtssprachliches, ZRG GA 32 (1911), 338; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtssprachgeographie, 1926 (SB Heidel­berg); Saueracker, K., Wortschatz der peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929; Merk, W., Werdegang und Wandlungen der deutschen Rechtssprache, 1933; Dölle, H., Vom Stil der Rechts­sprache, 1949; Dilcher, G., Paarformeln in der Rechts­sprache des frühen Mittelalters, 1961; Sonderegger, S., Die ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache, FS K. Bader, 1965, 419; Bergh, J. van den, Themis en de Muzen, 1964; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Oplatka-Steinlin, H., Untersuchungen zur neu­hochdeutschen Gesetzesspra­che, 1971; Matzinger-Pfister, R., Paarfor­mel, Synony­mik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973; Elsener, F., Deutsche Rechts­sprache und Rezeption, (in) Tradition und Fortschritt im Recht, FS Tübinger Juristenfakultät, 1977; Köbler, G., Deutsche Sprachgeschichte und Rechtsgeschichte, (in) Sprachgeschichte, hg. v. Besch, W. u. a., 1984, 56; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Kühn, P., Deutsche Wörterbücher, 1978; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeutschen Stadtrechtsrefor­mationen, 1990; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch, 1991; Heller, M., Reform der deutschen Rechtssprache im 18. Jahrhundert, 1992; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004, 14. A. 2007; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Sieber, A., Deutsche Fachsprache des Rechts, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 149; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 389; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Garovi, A., Rechts­sprachlandschaften der Schweiz, 1999; Seifert, J., Funktionsverbgefüge in der deutschen Gesetzessprache (18.–20. Jahrhundert), 2004

Rechtssprecher → Gesetzessprecher

Rechtssprichwort ist das einen rechtlichen Tatbestand erfassende Sprichwort (z. B. → Aller guten Dinge sind drei). Seine Volkstümlichkeit ist vielfach zweifelhaft. Deutsche Rechtssprichwörter, deren Zahl die neueste Zusammenstellung mit etwa 1800 benennt, lassen sich nicht vor dem Hochmit­telalter sicher belegen. Ihre tat­sächliche Bedeutung scheint eher gering.

Lit.: Graf, E./Dietherr, M., Deutsche Rechtssprich­wörter, 2. A. 1869; Winkler, L., Deutsches Recht im Spiegel deutscher Sprichwörter, 1927; Schmidlin, B., Die römischen Rechtsregeln, 1970; Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG 89 (1972), 215; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998, 7. A. 2007; Janz, B., Rechtssprichwörter im Sachsenspiegel, 1989; Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Neuausgabe 2002); Die Sprache des Rechts, hg. v. Lerch, K., 2004

Rechtsstaat ist der bewusst auf die Verwirklichung von Recht ausgerichtete Staat. Dieses Staatsziel wird am Ende des 18. Jh.s in Ablösung des absolutistischen Wohlfahrtsstaats von den Vertretern der liberalen Aufklärung gefordert. Als Grundlage werden → Verfassung und → Gesetzgebung durch eine Volks­vertretung angesehen. Nach 1848 verengt sich dies auf den formalen Rechtsschutz im Zivilprozess (1877/1879) und in Verwaltungs­angelegen­heiten (1863ff.). Das Handeln der Verwaltung wird allgemein nachprüfbar, wobei Ermessensbegriffe weniger und unbestimmte Rechtsbegriffe stärker erfasst werden. Der Nationalsozialismus beseitigt die dadurch erreichten Errungenschaften. Nach 1945 wird der R. verstärkt ausgebaut.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198, 199; Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R., Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte, 1872, Neudruck 1968; Maier, H., Zur Frühgeschichte des Rechtsstaats in Deutschland, Neue Polit. Lit. 7 (1962), 234; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat bei Otto Bähr und Rudolf von Gneist, Diss. jur. Köln 1968; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Laufs, A., Die rechtsstaatlichen Züge des Bismarck-Reiches, FS H. Thieme, 1977, 72; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Willoweit, D., War das Königreich Preußen ein ,Rechtsstaat‘?, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989, 451; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; Der europäische Rechtsstaat, hg. v. Brand, J. u. a., 1994; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Vertrauen in den Rechtsstaat, hg. v. Goydke, J. u. a., 1995; Rechtsstaatlichkeit in Europa, hg. v. Hofmann, R. u. a., 1996; Wetzler, C., Rechtsstaat und Absolutismus, 1997; Hilger, C., Rechtsstaats­begriffe im Dritten Reich, 2003; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122 (2005), 367; Hetzer, W., Rechtsstaat oder Ausnahmezustand?, 2008

Rechtsstudium → Rechtswissenschaft, Studium, Universität

Rechtssubjekt ist der Träger von Rechten und Pflichten (z. B. Mensch, juristische Person). Sachlich gibt es Rechtssubjekte mit der Entstehung von Recht. Als solche erfasst werden sie aber erst im 19. Jh.

Lit.: Kaser § 13 I 1; Köbler, DRG 206

Rechtssumme ist die zusammenfassende Darstellung eines Titels oder mehrerer Titel des (lat.) → corpus (N.) iuris civilis oder auch anderer gelehrter Rechtstexte. Rechtssummen finden sich vor allem in Oberitalien im 12. bis 14. Jh. (z. B. Summa aurea [Goldene Summe] des Hostiensis, Summa de casibus poeni­tentiae [Summe über Bußfälle], Summa legum brevis levis et utilis [Kurze, leichte und nützliche Rechtssumme], Summa Johannis [Bruder Bertholds 1300/40 in 80 Hand­schriften überlieferte deutsche Darstellung des Kirchenrechts für Laien]).

Lit.: Trusen, W., Anfänge der gelehrten Rechte in Deutschland, 1962, 119; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964, (in) Ius Romanum medii aevi 5, 6; Placentini Summa Codicis, hg. v. Calasso, F., 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 67, 172; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980; Weck, H., Die Rechtssumme Bruder Bertholds, 1982 (Wörterbuch 2006)

Rechtssymbol ist eine Handlung oder ein Gegenstand, die bzw. der ein Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis versinnbildlicht.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Herwegen, I., Germanische Rechtssymbolik, 1913; Puetzfeld, C., Deutsche Rechtssymbolik, 1936; Erler, A., Das Hissen eines Besens, ZRG GA 62 (1942), 371; Gathen, A., Die Rolande als Rechtssymbole, 1960; Lurker, M., Lexikon der Symbolkunde, Bd. 1f. 1964ff.; Anderegg, S., Der Freiheitsbaum, 1968; Bauer, W. u. a., Lexikon der Symbole, 7. A. 1985; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Rechtssymbolik und Wertevermittlung, hg. v. Schulze, R., 2004

Rechtssystem ist die Gesamtheit von Rechts­einrichtungen in einleuchtender Ordnung. Ein R. ist den Römern noch fremd. Es findet sich erst bei → Leibniz (1646-1716) und Christian → Wolff (1679-1754). Neu gefasst wird es von → Savigny (1779-1861) und → Puchta (1798-1846). Der Gegenwart ist es zweifel­haft, ob es ein geschlossenes R. geben kann. → System

Lit.: Savigny, F., System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 1 1840; Hatschek, J., Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems, Archiv f. öff. Recht 24 (1909), 442, 26 (1910), 458; Coing, H., Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens, 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff, 1969; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1976; Schlosser, H., Das „wissenschaftliche Prinzip“ der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme, 1984; Mayer, D., Grundlagen des nationalistischen Rechts­systems, 1987; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998

Rechtstag → endlicher Rechtstag

Rechtstatsache ist die das Recht berührende Tatsache bzw. die Tatsache, dern Kenntnis für eine sachgemäße Anwendung der Rechtssätze erforderlich ist. Rechtstatsachen gibt es seit der entstehung des Rechts. Für die R. interessiert sich besonders die Rechts­sozio­logie des 20. Jh.s.

Lit.: Heinz, W., Rechtstatsachenforschung heute, 2. A. 1998

Rechtstheorie ist die Beschäftigung mit den allgemeinen Fragen des Rechtes, insbeson­dere mit seiner logischen Struktur. Die R. als Gegensatz zur Rechtspraxis wird schon in philosophisch-rhetorischen Frage­stellungen des Altertums sichtbar. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird sie aber bewusst von Naturrecht und Rechtsphiloso­phie abgesetzt und auch auf frühere Zeiten zurückübertragen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ramm, T., Staat und Recht, Diss. jur. Marburg 1950; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Gernhuber, J., Das völkische Recht, FS E. Kern, 1968, 167; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechts­theorie, 1974; Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Schröder, J., „Communis opinio“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 404; Scherner, K., Arme und Bettler in der Rechtstheorie des 17. Jahrhunderts, ZNR 1988, 129; Brockmöller, A., Die Entstehung der Rechtstheorie im 19. Jahrhundert, 1997; Kelly, J., A short history of Western legal theory, 1997; Funke, A., Allgemeine Rechtslehre als juristische Strukturtheorie, 2004; Vesting, T., Rechtstheorie, 2007; Lahusen, B. u. a., Zufall, Abfall, Ausfall, 2008

Rechtsunterricht → Juristenausbildung

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen des 18. und 19. Jahrhunderts, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Weimar, P., Die legistische Literatur, Ius commune 2 (1969), 43; Scheltema, H., L’enseignement de droit, 1970; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen, 1982; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GiessenerjuristischeVorlesungen1607-2007.htm

Rechtsvergleichung ist die vergleichende Betrachtung verschiedener Rechtsordnungen, insbesondere räumlich verschiedener, gleich­zeitig geltender Rechtsordnungen. Sie wird ansatzweise bereits im Altertum betrieben. Besondere Bedeutung erlangt sie in der jüngeren Vergangenheit (19./20. Jh., z. B. → Feuerbach, → Gans, → Bachofen, → Mittermaier, → Rabel).

Lit.: Constantinesco, L., Rechtsvergleichung, Bd. 1f. 1971f.; Coing, H., Rechtsvergleichung als Grundlage der Gesetzgebung, Ius commune 7 (1978), 160; Großfeld, B., Macht und Ohnmacht der Rechts­vergleichung, 1984; Wadle, E., Einhundert Jahre Rechtsvergleichende Gesellschaften, 1994; Stolleis, M., Nationalität und Internationalität, 1998

Rechtsverweigerung ist die Verweigerung des rechtlich Gebotenen, insbesondere eines rechtlichen Verfahrens durch die zuständige Person. Sie findet sich an unterschiedlichen Stellen (z. B. sind nach → Lex Salica 57 urteilsverweigernde Rachinburgen bußpflich­tig, wird das → Reichskammergericht 1495 für Fälle von R. zuständig oder kann im Deutschen Bund bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die → Bundesversammlung angerufen werden). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s gewährt die deutsche Verfassung demgegenüber eine Rechtsweggarantie.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 92, 153, 200; Perels, K., Die Justizverweigerung im alten Reiche, ZRG GA 25 (1904), 1; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Wollschläger, C., Ungleiche Justizgewähr und Zivilprozesshäufigkeit, FS H. Coing, 1982, 435

Rechtsweisung → Weistum

Rechtswidrigkeit ist der Widerspruch zur Rechtsordnung. Die R. erscheint zusammen mit dem Recht. Sie ist besondere Voraussetzung für verschiedene Rechtsfolgen (z. B. Strafe, Schadensersatz).

Lit.: Kaser § 36 II 5; Köbler, DRG 204; Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstand, 1985

Rechtswissenschaft ist die die rechtliche Sollensordnung betreffende Wissenschaft. R. entsteht als Jurisprudenz (Rechtsklugheit) im klassischen römischen Recht, verliert sich danach aber mit dem Zurücktreten der Rechtskundigen in Rom (3. Jh. n. Chr.) weitgehend. Seit dem Ende des 11. Jh.s wird die R. in Bologna (neu) begründet (→ Glossatoren). Von hier breitet sie sich als universitär betriebene Wissenschaft über ganz Europa aus (→ Kom­mentatoren, → mos Gallicus, → usus mo­dernus, → Naturrecht, → historische Rechts­schule, → Pandektistik). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der rechtswissenschaftlichen Bildungs­stätten nochmals sprunghaft zu. Um 1995 gibt es rund 750000 Studierende der R. in Europa.

Lit.: Söllner § 11, 16; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 2, 8, 29, 51, 105, 143, 184, 228, 254; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechts­wissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Jerusalem, F., Kritik der Rechtswissenschaft (1949); Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, hg. v. Wolf, E., 1950; Schmitt, C., Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, 1950; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechts­wissenschaft, 1961; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Rehfeldt, B., Einführung in die Rechtswissenschaft, 1962; Ogris, W., Der Entwicklungsgang der österreichischen Privatrechts­wissenschaft, 1968; Coing, H., Die ursprüngliche Einheit der europäischen Rechtswis­senschaft, 1968; Philosophie und Rechtswissenschaft, hg. v. Blühdorn, J. u. a., 1969; Stephanitz, O. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Jörgensen, S., Grundzüge der Entwicklung der skandinavischen Rechtswissenschaft, JZ 25 (1970), 529; Kleinheyer, G./Schröder, J., Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, 4. A. 1996, 5. A. 2008; Tarello, G., Storia della cultura giuridica moderna, Bd. 1 1976; Stühler, H., Die Diskussion um die Erneuerung der Rechtswissenschaft von 1780-1815, 1978; Dubischar, R., Theorie und Praxis in der Rechtswissenschaft, 1978; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten an der Wende zum 19. Jahrhundert, 1979; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Herberger, M., Rechtswissen­schaftsge­schichte, Rechtshistorisches Journal 3 (1984), 150; Gouron, A., La science du droit le Midi, 1984; Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Rechtswissenschaft im NS-Staat. Der Fall Eugen Wohlhaupter, hg. v. Hattenhauer, H., 1987; Radding, C., The Origins of Medieval Jurisprudence, 1988; Bürge, A., Neue Quellen zur Begegnung der deutschen und französischen Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, ZRG GA 110 (1993), 546; Lange, H., Die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft, 1993; Rechtswissenschaft in der Bonner Republik, hg. v. Simon, D., 1994; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; La science juridique française et la science juridique allemande de 1870 à 1918, hg. v. Beaud, O., 1997; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, hg. v. Acham, K. u. a., 1998; Eine deutsch-französische Rechtswis­senschaft?, hg. v. Beaud, O. u. a., 1999; Braun, J., Einführung in die Rechtswissenschaft, 3. A. 2007; Sailer, R., Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG GA 119 (2002), 106; Der Gestaltungsanspruch der Wissenschaft, hg. v. Acham, K. u. a., 2007; Das Proprium der Rechtswissenschaft, hg. v. Engel, C., 2007; http://www.koeblergerhard.de/­werwarwer20020226.htm

Rechtswohltat → beneficium

Lit.: Kaser § 32 III; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985

Rechtswort → Rechtssprache

Lit.: Köbler, DRG 10; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.: Freudenthal, K., Arnulfingisch-karolingische Rechtswörter, 1949; Hyldgaard-Jensen, K., Rechtswortgeographische Studien 1, 1964; Schmidt-Wiegand, R., Studien zur historischen Rechtswortgeographie, 1978; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch, Historical Lexicography of the German Language 2, hg. v. Goebel, U. u. a., 1991, 675; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004, 14. A. 2007

Rechtszug ist der jeweils einem bestimmten Gericht zugeordnete Verfahrensabschnitt eines Rechtsstreits. Voraussetzung für einen R. ist eine mehrstufige Gerichtsbarkeit. Sie entsteht in Rom seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) und danach wohl neu im Hochmittelalter. Die deutsche ordentliche Gerichtsbarkeit kennt seit 1877/1879 den meist dreistufigen Rechtszug, dem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch die Überprüfung einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht und europäische Gerichte nachfolgen kann. Nur in einem weiteren Sinn ist R. auch die Einholung einer Rechtsauskunft bei einer anderen Stelle (z.B → Oberhof).

Lit.: Kaser § 87 I 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Seelmann, W., Der Rechtszug im älteren deutschen Recht, 1910; Kern, E., Geschichte des Gerichts­verfassungsrechts, 1954; Jänichen, H., Der Rechtszug im Spätmittelalter am oberen Neckar, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 15 (1956), 214; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

recognitio (lat. [F.]) Beglaubigung

Lit.: Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977

Records sind die bis 1731 in lateinischer Sprache geführten Protokolle der Gerichte des → englischen Rechts (im Gegensatz zu den in Lawfrench gehaltenen reports [der jungen Anwälte] der year books).

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

Reconquista (F.) Wiedergewinnung Spaniens durch die Christen gegen die Araber (8.-15. Jh.)

Lit.: Lomax, D., Die Reconquista, 1980; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993

Rectitudines (F.Pl.) singularum perso­narum (lat.) (Rechte einzelner Personen) ist der Name des im → Quadripartitus enthaltenen lateinischen Traktats des frühen englischen Rechts (Mitte 10. Jh., überarbeitet um 1020 ?) über die Pflichten der Hintersassen nach Hofrecht.

Lit.: Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909; Loyn, H., Anglo-Saxon England and the Norman Conquest, 1962

rector (lat. [M.]) Leiter, Richter

recuperator (lat. [M.]) Wiederbeschaffer

Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 19; Schmidlin, B., Das Rekuperatorenverfahren, 1963

recursus (lat. [M.]) Rücklauf, Rekurs

Recursus (M.) ab abusu (lat., Rekurs vom Missbrauch) ist in Frankreich seit dem Spätmittelalter die Beschwerde bei den staatlichen Gerichten gegen den Missbrauch der geistlichen Gewalt.

Lit.: Eichmann, E., Der recursus ab abusu, 1903; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, Kap. 18

Recursus (M.) ad comitia (lat.) (Rekurs zum Reichstag) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) seit dem Ende des 17. Jh.s die Anfechtung von Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshof­rates vor dem Reichstag. Der r. a. c. bleibt meist ohne Auswirkung.

Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 398

Rede ist die Darlegung einer Gedankenfolge gegenüber der Öffentlichkeit in mündlicher Form. Mit der Kunst der beeindruckenden und möglichst überzeugenden R. befasst sich bereits in der griechischen und römischen Antike die Rhetorik. In England entwickelt sich seit 1688, in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1776 und in Frankreich seit 1789 eine feste Einrichtung der öffentlichen, vor allem im Parlament gehaltenen R. Die ersten modernen politischen Reden in deutscher Sprache finden sich in den nach der französischen Revolution an Frankreich gelangten linskrheinischen Gebieten.

Lit.: Politische Reden 1 (1792-1867), 2 (1869-1914), hg. v. Wende, P., 1990

Redefreiheit → Parlament, Meinungsfreiheit

reditus, redditus (lat. [M.]) Rückkehr, Einkunft, Abgabe

Redintegranda (zurückgewährend) ist das Anfangswort eines auf die pseudoisidorischen Dekretalen des 9. Jh.s zurückgehenden canons → Gratians (um 1140), nach dem ein vertriebener Bischof gegen ein Strafverfahren gegen ihn eine Einrede hat, so lange er nicht wieder in sein Amt eingesetzt wird, und jedes Urteil, das vor dieser Wiedereinsetzung ergeht, fehlerhaft ist. Später entwickelt sich über die (lat.) actio (F.) spolii hieraus die Besitz­schutzklage.

Lit.: Hübner § 29 III 2b; Bruns, C., Die Besitzklagen, 1874

Redjeva (Ratgeber) ist im hochmittel­alterlichen Recht Frieslands ein Berater von Richter und → asega, der in der Mitte und im Osten bald den asega ersetzt.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981; Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch, 1983

Reeder ist der Schiffseigner.

Reederei ist die Verbindung mehrerer Schiffseigner. Sie findet sich der Sache nach bereits im Altertum. Eine umfassende gesetzliche Regelung bringen das preußische → Allgemeine Landrecht von 1794, das → Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und das → Handelsgesetzbuch von 1897/1900.

Lit.: Hübner; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Seamen in Society, hg. v. Adam, P., 1980; Schmidt, K., Die Partenreederei, 1995

Referendar (lat. [M.] referendarius) ist im spätantiken römischen Recht (427 n. Chr.) der kaiserliche Berichterstatter. Als Titel für hohe Amtsträger erscheint R. auch im Mittelalter (z. B. in Italien im 7.Jh., in der päpstlichen Kanzlei im 14. Jh.). Seit 1748 ist in → Preußen der angehende Jurist nach zwei von insgesamt drei Prüfungen R., seit 1869 nach einer von insgesamt zwei Prüfungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jescheck, H., Die juristische Ausbildung in Preußen und im Reich, 1939; Bleek, W., Von der Kameralausbildung zum Juristenprivileg, 1972; Mehrlein, A., Die Zweiteilung der Juristenaus­bildung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Classen, P., Kaiserreskript, 1977

Referendum (N.) Volksabstimmung

Reform (F.) Wiederherstellung einer (früheren) Form

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Weis, E., Montgelas, 1971; Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Angermeier, H., Die Reichsreform, 1984; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449), hg. v. Hlaváček, I. u. a., 1996; Kaufhold, M., Die Rhythmen politischer Refor­men im späten Mittelalter, 2008

Reformatio in peius (iudici appellato non licet) (lat.). (Die Rechtsmittelinstanz darf das Urteil) nicht zu Lasten des Anfechtenden abändern. Im Dritten Reich wird das Verbot der r. i. p. eingeschränkt.

Lit.: Köbler, DRG 235; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 49, 1, 1, pr.)

Reformatio (F.) Sigismundi (lat.) (Reformation Sigmunds) ist die vermutlich am Ende des Jahres 1439 in Basel in kurzer Zeit entstandene, in 16 Handschriften überlieferte Reformschrift eines unbekannten Verfassers. Sie fordert von den Geistlichen eine Beschränkung auf geistliche Aufgaben und von den weltlichen Herren Aufhebung der Unfrei­heit, der Freizügigkeitsbeschrän­kung sowie Schutz vor Wucher und überhöhten Abgaben. Sie ist Ausdruck eines Verlangens nach Veränderung noch vor dem eigentlichen Beginn der Neuzeit.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Angermeier, H., Der Ordnungsgedanke in den Reichsreformbestrebungen, Diss. phil. München 1954 masch.schr.; Dohna, L. Graf zu, Reformatio Sigismundi, 1960; Reformation Kaiser Siegmunds, hg. v. Koller, H., 1964; Struve, T., Reform oder Revolution?, ZGO 126 (1978), 73; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992, 117

Reformation ist die Zurückbildung eines gegenwärtigen (schlechten) Zustands (bzw. einer gegenwärtigen Form) in einen ursprünglichen (einwandfreien) Zustand (bzw. eine ursprüngliche Form) bzw. die Veränderung zum Guten. In der christlichen Kirche ist R. die von Martin → Luther (1483-1546) am 31. 10. 1517 durch Anschlag von 95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg in Gang gesetzte Erneu­erungsbewegung, welche die Erlösung des sündigen Menschen statt auf (käufliche) gute Werke (→ Ablass) auf die Gnade Gottes zurückführt und die nach wechselvollem Verlauf eines Religionskrieges 1555 im → Augsburger Religionsfrieden anerkannt wird. Sie stärkt die Staatsgewalt einersweits, die Freiheit andererseits. Im Recht ist R. die unterschiedlich weit reichende Veränderung des einheimischen Rechtes durch Aufnahme römisch-kano­nistischer Rechtsregeln in neu gefasste Stadtrechte und Landrechte (z. B. → Nürnberg 1479/84, → Tübingen 1497, → Worms 1499, → Frankfurt 1509, → Bayern 1518, → Freiburg im Breisgau 1520, Brandenburg 1527, Innerösterreich 1533, Württemberg 1555, Solms 1571, Kursachsen 1572) während des 15. bis 17. Jh.s. Dabei werden der Süden und das Schuldrecht, Fahrnisrecht und Erbrecht stärker verändert als der Norden und das Liegenschaftsrecht und das Ehegüterrecht.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 232; Köbler, DRG 129, 130, 138; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 313; Burdach, K., Reformation, Renaissance, Humanismus, 1918; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Heckel, J., Lex charitatis, 1953; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht, 1957; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lortz, J., Die Reformation in Deutschland, Bd. 1f. 6. A. 1982f.; Weltwirkung der Reformation und Gegenreformation, 2. A. 1982; Wohlfeil, R., Einführung in die Geschichte der Reformation, 1982; Martin Luther und die Reformation im Reich (Katalog), hg. v. Boll, G., 1983; Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; Blickle, P., Gemeindereformation, 1985; Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland, hg. v. Schilling, H., 1986; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeut­schen Stadtrechtsreformationen, 1990; Blickle, P., Die Reformation im Reich, 3. A. 2000; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 4. A. 1997; Keune, H., Die Durchsetzung der Reformation in den Territorien, Diss. jur. Bonn 1999; Die deutsche Reformation zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Brady, T., 2001; Burkhardt, J., Das Reformationsjahrhundert, 2002; Oberman, H., Zwei Reformationen, 2003; Ganzer, K., Die religiösen Bewegungen im Italien des 16. Jahrhunderts, 2003; Berman, H., Law and Revolution II, 2003; Mörke, O., Die Reformation, 2005; Hamm, B./Welker, M., Die Reformation, 2008

Regal ist das vom König beanspruchte Recht (lat. [ius] regale), das seit (dem Wormser Konkordat von) 1122 so bezeichnet wird. Auf dem Reichstag in Roncaglia erfolgt 1158 eine (unvollständige) Aufzählung der Regalien. Einzelne Regale sind etwa Salzregal, Berg­regal, Judenregal, Zollregal, Marktregal, Münz­regal, Schatzregal, Boden­regal, Wege­regal, Geleits­regal, Stromregal, Wasserregal, Mühlenregal, Forstregal, Jagd­regal, aber auch Gesetzgebung, Privi­legienerteilung, Kriegser­klä­rung, Universi­tätsgründung oder Verlei­hung des Doktor­grades. Seit dem 12. Jh. gehen die Regale (Regalien) vom König auf die Landesherren über und es entstehen nur noch vereinzelt neue Regale (z. B. Postregal, Bücherregal als Oberaufsicht über das Bücherwesen). In der Hand des Landesherrn werden die Regale Teil der allgemeinen Staatsgewalt (Hoheitsrecht) bzw. privat­rechtlich-fiska­lisches Recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109, 113, 124, 150, 167; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Pöschl, A., Die Regalien der mittelalterlichen Kirchen, 1928; Thieme, H., Zur Funktion der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Classen, P., Der Prozess um Münsteuer (1154-[11]76) und die Regalienlehre Gerhochs von Reichersberg, ZRG GA 77 (1960), 324; Appelt, H., Der Vorbehalt kaiserlicher Rechte in den Diplomen Friedrich Barbarossas, MIÖG 68 (1960), 81; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittealater, ZRG GA 84 (1967), 128; Lot, F./Fawtier, R., Histoire des institutions françaises, Bd. 2 1985; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Howell, M., Regalian Right in Medieval England, 1962; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975

Regen

Lit.: Burkhardt, M., Regen, Landgericht Zwiesel und Regen, Pfleggericht Weißenstein, 1975

Regensburg an der Donau wird nach römischen Anfängen (80 n. Chr.) im Frühmittelalter Hauptsitz des bayerischen Herzogs, im Hochmittelalter Reichsstadt (1245). Von 1663 bis 1806 tagt dort der immerwährende → Reichstag. 1962 wird R. Sitz einer Universität.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Lindner, L., Das bürgerliche Recht der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1909; Regensburger Urkundenbuch, Bd. 1 1913; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, 1914, Neudruck 1978; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Ziegler, A., Beiträge zur Rechtsgeschichte von Regensburg, 1931; Morré, F., Rats­verfassung und Patriziat in Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für Regensburg und Oberpfalz 85 (1935); Klebel, E., Landeshoheit in und um Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg 90 (1940); Die Traditionen des Hochstifts Regensburg, hg. v. Widemann, J., 1943; Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Juden in Regensburg 1453-1738, bearb. v. Straus, R., 1960; Fürnrohr, Der immer­währende Reichstag zu Regensburg, 1963; Ambronn, K., Verwaltung, Kanzlei und Urkundenwesen der Reichsstadt Regensburg im 13. Jahrhundert, 1968; Bierther, K., Der Regensburger Reichstag von 1640/1641, 1971; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Eikenberg, W., Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg, 1976; Schmid, D., Regensburg 1, 1976; Kraus, A., Regensburg 1989; Schmid, A., Regensburg, 1994; Schmuck, J., Ludwig der Bayer und die Reichsstadt Regensburg, 1997; Geschichte der Stadt Regensburg, hg. v. Schmid, P., 2000; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005; Friedrich, S., Drehscheibe Regensburg, 2007; Schmidt, R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 82; Trapp, E., Welterbe Regensburg, 2008

Regent ist der Herrscher oder Fürst oder der Mensch, der für einen anderen im Falle einer Verhinderung die Regierungsgewalt ausübt.

Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; Elpers, B., Regieren, Erziehen, Bewahren, 2003; Puppel, P., Die Regentin, 2004

Regest ist die Angabe von Ausstellungs­datum, Ausstellungsort, Aussteller, Adressat, Inhalt und Fundstelle einer Urkunde, Regesten die meist chronologische geordnete Mehrheit einzelner Regeste (Urkundenver­zeichnis) (z. B. der Kaiser und Könige des deutschen Reichs [Bd. 1 Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751-918, Bd. 2 Sächsisches Haus 919-1024, Bd. 3 Salisches Haus 1024-1125, Bd. 4 Ältere Staufer 1125-1197, Bd. 5 Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II. Heinrich usw., Bd. 14 Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian I. 1493-1519]).

Lit.: Köbler, DRG 145; Böhmer, J. F., Regesta imperii, Bd. 1ff. 1831ff., 2. A. 1889ff.; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 4. A. 1968ff.; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente des Mittelalters, Bd. 1ff. 1964ff.; Santifaller, L., Bericht über die Regesta imperii (1829-1967), Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss. 106 (1969), 299; Die Regesta Imperii, hg. v. Zimmermann, H., 2000; REGESTA IMPERII online – RI OPAC online http://www.regesta-imperii.org; Heinig, P., Regesta imperii, DA 62 (2006), 631, 63 (2007), 613

Regierung ist das kollegiale Verfassungs­organ, dem die Staatsleitung zusteht bzw. (Bezirksregierung) eine mittlere Landesbe­hörde. Von R. wird seit dem ausgehenden Spätmittelalter gesprochen. In der kon­stitutionellen Monarchie gewinnt die R. als Spitze der ausführenden Gewalt tatsäch­lich allmählich eine gewisse Eigenständigkeit ge­genüber dem Herrscher, im parlamentari­schen System ist sie vom Vertrauen des Parlamentes abhängig und wird deshalb von der Mehrheitspartei oder einer Mehrheitskoa­lition gestellt. (Politische) Akte der Regierung sind (nach nachrevolutionärem französischem Vorbild) grundsätzlich verwaltungsgerichtli­cher Überprüfung entzo­gen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 247; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 361; Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899; Schlitter, H., Die Regierung Josephs II., 1900; Meyer, F., Der Begriff der Regierung im Rechtsstaat, 1948; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, 1970; Scheibelreiter, G., Der Regierungsantritt des römisch-deutschen Königs (1056-1138), Diss. phil. Wien 1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Frotscher, W., Regierung als Rechtsbegriff, 1975; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1975; Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten 1815/1933, hg. v. Schwabe, K., 1983; Reuschling, H., Die Regierung des Hochstifts Würzburg, 1984; Lodemann, C., Die Geschichte des französischen acte de gouvernement, 2005

Regiment (N.) Leitung, Heeresteil, Behörde (z. B. 1499 für die oberösterreichischen Län­der in Innsbruck, 1501 für die nieder­öster­reichischen Länder in Linz bzw. 1510 Wien, 1564 für die inner­österreichischen Länder in Graz, 1744 Lan­desjustizstellen, 1763 in Gubernien aufgegangen)

Regino von Prüm (Altrip um 840 ?-Trier 892), aus fränkischem Adel (?), wird 892 Abt von Prüm (893 Anlegung des Prümer Urbars) und nach Vertreibung 899 Abt von St. Martin in Trier. Um 906 verfasst er das in zwei Bücher geteilte kirchenrechtliche Handbuch (lat.) De synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis (Über Synodalsachen und kirchliche Disziplinen) mit 96 Fragen an den Pfarrer und 89 Fragen an die Gemeinde­glieder. Es wird von → Burchard von Worms verwertet.

Lit.: Libri duo de synodalibus causis, hg. v. Wasserschleben, F., 1840; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, Bd. 1 1907; Hellinger, W., Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm, ZRG KA 48 (1962), 1, 49, (1963), 76; Lotter, F., Ein kanonistisches Handbuch über die Amtspflichten, ZRG KA 62 (1976), 1; Schleidgen, W., Die Überlie­ferungsgeschichte der Chronik des Regino von Prüm, 1977; Schmitz, G., Ansegis und Regino, ZRG KA 74 (1988), 95; Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, hg. v. Hartmann, W., 2004

Register (N.) Verzeichnis (z. B. römischer Behörden im Altertum, der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. oder allgemein üblich seit dem 12./13. Jh.)

Lit.: Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien, 1984

regnum (lat. [N.]) Reich, Königreich

Lit.: Herkenrath, R., Regnum und imperium – das Reich in der frühstaufischen Kanzlei (1138-1155), 1969; Goetz, H., Regnum – zum politischen Denken der Karolingerzeit, ZRG GA 104 (1987), 110; Staat- und Volkwerdung, hg. v. Brühl, C., 1995; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002

regnum (N.) Teutonicum (lat.) deutsches Reich (um 1000)

Lit.: Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970

Regredienterbe (M.) weichender Erbe

Regress ist der Rückgriff eines zunächst zu einer Leistung Verpflichteten auf einen weiteren, vielfach nur im Innenverhältnis zur Erbringung der Leistung Verpflichteten. Er findet sich bereits im römischen Recht. Von der dortigen Verpflichtung des Gläubigers, dem leistenden Bürgen seine Forderung gegen den Schuldner abzutreten, ausgehend entwickelt sich für viele unterschiedliche Fälle des Regresses ein allgemeiner Forde­rungsübergang kraft Gesetzes.

Lit.: Kaser § 52 II 2; Schulz, F., Rückgriff und Weitergriff, 1907; Selb, W., Schadensbegriff und Regreßmethoden, 1963

regula (lat. [F.]) Richtschnur, Regel (z. B. regula iuris)

Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 53

Regula (F.) aurea (lat.) (goldene [Verhaltens-]Regel) ist die schon dem Altertum geläufige Vorstellung, dass man so handeln solle, wie man wünsche, dass alle handeln würden bzw. alles unterlassen solle, von dem man wünsche, dass es andere unterlassen würden.

Lit.: Philippidis, L., Die Goldene Regel, 1929; Dihle, A., Die Goldene Regel, 1962; Spendel, G., Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, FS F. v. Hippel, 1967, 491

Regula (F.) Benedicti (lat.) (Bene­dik­tinerregel) ist die in der ersten Hälfte des 6. Jh.s von Benedikt von Nursia (um 480-557) für den von ihm geleiteten ältesten abend­ländischen Mönchsorden (→ Benedik­tiner) als (lat. [F.]) lex (Gesetz) geschaffene, in 73 Kapitel gegliederte Klosterregel (Verfassung, Tugendlehre, Gottes­dienst, Strafe, Verwal­tung, Wahl, Aufnahme). Ihre Quellen sind die Bibel, Augustinus, monastisches Schriftum und die nach 500 (Rom 1. Viertel 6. Jh.) entstandene anonyme (lat.) regula (F.) magistri (Regel des Meisters).

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Die Benediktusregel, hg. v. Steidle, B., 4. A. 1980; Jakobs, U., Die Regula Benedicti als Rechtsbuch, Diss. jur. Frankfurt am Main 1985; Regula Benedicti, 1992

Regulae (F.Pl.) Ulpiani (Regeln Ulpians) sind der vermutlich am Ende des 3. oder Anfang des 4. Jh.s aus Schriften des Gaius, Ulpian und Modestin hergestellte römische Rechtstext, von dem ein Auszug in einer Handschrift der ersten Hälfte des 4. Jh.s erhalten ist.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2b; Köbler, DRG 52

Regularkanoniker ist der sich einer weitergehenden Lebensordnung (Regel) unterstellende → Kanoniker.

Lit.: Weinfurter, S., Neuere Forschungen zu den Regularkanonikern, HZ 224 (1977), 379

Regulierungsedikt ist das am 14. 9. 1811 in → Preußen erlassene Edikt die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend, das nach dem 1798 im linksrheinischen Gebiet verwirklichten Vorbild Frankreichs dem einzelnen Bauern Eigentum an Grund und Boden verschafft. → Bauernbefreiung

Lit.: Köbler, DRG 174; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Reich ist das Herrschaftsgebiet eines Herrschers. Dabei steht im Altertum das (lat.) imperium (N.) Romanum (römische Reich) im Vordergrund. Von den dessen weströmischen Teil auflösenden Reichen einzelner germa­nisch/germanistischer Völker gewinnt das fränkische Reich die größte Bedeutung. Unter dem Karolinger Karl dem Großen wird es an Weihnachten 800 zum Kaiserreich. Nach seiner Teilung (843/887) bleibt die Kaiserwürde im ostfränkischen Reichsteil, der sich zum deutschen R. entwickelt. Hier treten bald König/Kaiser und → Reichsstände einander gegenüber. An deren Gegensatz zerbricht unter dem Druck Napoleons bzw. Frankreichs das R. am 6. 8. 1806 als Heiliges römisches R. (deutscher Nation). Das von Bismarck 1871 geschaffene zweite Deutsche R., das Adolf Hitler 1933 zum → Dritten R. umwandelt, ist demge­genüber ein eher kurzlebiger National­staat. Nach 1945 ist der Begriff R. für die Gegenwart durch Bund ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 94, 101, 109, 112, 133, 138, 147, 150, 169, 172, 233; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 423; Becker, J., Kritik der deutschen Reichsverfassung, 1796ff.,  hg. v. Burgdorf, W., 2009; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Krammer, M., Der Reichsgedanke des staufischen Kaiserhauses, 1908; Heine, H., Das Werden des deutschen Reichs, 2. A. 1944; Thamm, M., Die Terminologie des Wortes „Reich“, Diss. phil. Frankfurt 1959; Wolfram, H., Splendor imperii, 1963; Herkenrath, R., Regnum und imperium, 1969 (SB Wien); Steinbach, H., Die Reichsgewalt und Niederdeutschland in nachstaufischer Zeit, 1968; Binder, H., Reich und Einzelstaaten während der Kanzlerschaft Bismarcks, 1971; Moraw, P., König, Reich und Territorium, 1971; Mühlen, P. v. zur, Die Reichstheorien in der deutschen Historiographie des frühen 18. Jahrhunderts, ZRG GA 89 (1972), 118; Duchhardt, H., Protestantisches Kaisertum und Altes Reich, 1977; Schubert, E., König und Reich, 1979; Müller-Mertens, E., Die Reichsstruktur im Spiegel der Herrschaftspraxis Ottos des Großen, 1980; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Aretin, K., Frhr. v., Das Reich, 1988; Weisert, H., Der Reichstitel bis 1806, Archiv für Diplomatik 40 (1994), 441; Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press, V. u. a., 1995; Vogler, G., Absolutistische Herrschaft und ständische Gesellschaft, 1996; Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v. Kunisch, J., 1997; Recht und Reich im Zeitalter der Reformation, hg. v. Roll, C., 2. A. 1997; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Schatz, J., Imperium, pax et iustitia, 2000; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004; Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Klueting, H. u. a., 2004; Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen Europa, hg. v. Schneidmüller, B., 2006

Reichenau ist die Insel im unteren Bodensee, auf der um 724 eine rasch bedeutend werdende Bendediktinerabtei gegründet wird, aus der eine Formelsammlung des späten 8. Jh.s überliefert ist.

Lit.: Die Kultur der Reichenau, Bd. 1, hg. v. Beyerle, K., 1925; Die Gründungsurkunden der Reichenau, hg. v. Classen, P., 1977; Schmidt, R., Reichenau und St. Gallen, 1985; Richter, M., Neues zu den Anfängen, ZGO 144 (1996), 1; Rappmann, R./Zettler, A., Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft, 1998; Verblichener Glanz, hg. v. Kreutzer, T., 2007

Reichsabschied (lat. recessus [M.] imperii) ist seit 1497 die in Deutsch gehaltene Zusammenfassung der Beschlüsse des Reichstages des Heiligen römischen Reiches am Ende der Tagung. Der R. enthält die jeweils vom Reichstag geschaffenen Gesetze. Der R. erlangt mit der Verlesung in einer Schlusssitzung Gesetzeskraft. Die weitere Verbreitung des Reichsabschiedes ist den Reichsständen überlassen. Der jüngste R. stammt von 1654.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 6, 148; Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, hg. v. Schmauß, J. u. a., Teil 1ff. 1747, Neudruck 1967; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 134; Laufs, A., Der jüngste Reichsabschied von 1654, 1975; Hof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994

Reichsabt ist der Abt einer reichsun­mittelbaren Abtei.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Vogtherr, T., Die Reichsabteien der Benediktiner, 2000

Reichsacht ist die im Hochmittelalter und Spätmittelalter für das gesamte → Reich verhängte → Acht. Die hofgerichtliche und kammergerichtliche R. können nur gegen den ausgesprochen werden, der trotz dreimaliger Ladung vor den König oder das königliche Gericht ausbleibt. Löst sich der Geächtete nicht aus der R., kann gegen ihn die Reichsaberacht verhängt werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984

Reichsadel ist der mit dem → Reich besonders verbundene → Adel. Dies ist insbesondere der reichsunmittelbare Adel mit Reichsstandschaft im Reichstag. Im weiteren Sinn zählt hierzu auch der durch das Reich seit dem 14. Jh. (1346) geschaffene Briefadel.

Lit.: Bornhak, C., Deutsches Adelsrecht, 1929

Reichsadler ist der als Symbol des → Reiches verwendete → Adler.

Reichsamt ist die im zweiten Deutschen Reich seit 1870/1 zur Abwehr der liberalen Wunschvorstellungen eines verantwortlichen Reichsministeriums (Reichskanzleramtes) ge­bildete selbständige Reichsbehörde (1870/1 auswärtiges Amt, 1872 Admiralität, 1873 Reichseisenbahnamt, 1876/80 Reichspostamt, 1877 Reichsjustizamt, 1879 Amt für Inneres, 1879 Reichsschatzamt). Der Leiter eines Reichsamtes wird bald dem Kaiser unmittelbar verantwortlich. Die Zahl der Reichsämter erhöht sich später noch.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 196

Reichsapfel ist die als Symbol des Reiches verwendete Kugel, die auf der Grundlage antiker Vorbilder im Mittelalter (Heinrich II., Heinrich IV. [1106], Heinrich VI. [1191]) erscheint. Der noch vorhandene R. stammt vielleicht noch aus dem 12. Jh.

Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Schramm, P., Sphaira, Globus, Reichsapfel, 1958

Reichsarbeitsdienst ist der auf der Grundlage früherer freiwilliger Arbeitsdienste der studentischen Arbeitslagerbewegung von Adolf → Hitler 1935 zur Beseitigung der Arbeits­losigkeit eingerichtete Arbeitsdienst mit einer halbjährigen Arbeitsdienstpflicht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Reichsarchiv ist das 1919 in Potsdam gegründete zentrale Archiv des Deutschen Reiches. Ältere Versuche der Einrichtung eines Reichsarchivs bleiben erfolglos. Nachfolger ist in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesarchiv.

Lit.: Lünig, J., Teutsches Reichsarchiv, Bd. 1ff. 1713ff.; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.

Reichsbank ist die am 1. 1. 1876 errichtete Zentralnotenbank des zweiten Deutschen Reiches zur Regelung des Geldumlaufes, Erleichterung der Zahlungsausgleichungen und Nutzbarmachung des verfügbaren Kapitals, die tatsächlich 1945 und formal am 2. 8. 1961 aufgelöst wird.

Lit.: Beutler, R., Die Reichsbank, 1909; Wussow, H., Die Zentralbanken, Diss. jur. Frankfurt am Main 1955 masch.schr.

Reichsbistum ist das im fränkisch-deutschen Reich bestehende Bistum bzw. das reichsunmittelbare Bistum.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964

Reichsbürgergesetz ist das im Dritten Reich am 15. 9. 1935 geschaffene Gesetz, das als Reichsbürger nur die Staatsbürger deutschen oder artverwandten Blutes ansieht.

Lit.: Köbler, DRG 222; Stuckart/Globke, H., Reichsbürgergesetz, 1936

Reichsdeputation ist der vom Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) seit dem 16. Jh. gebildete Ausschuss. Die R. kann ordentliche R. oder außerordentliche R. sein.

Lit.: Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 74, 253

Reichsdeputationshauptschluss ist der - von der Reichskirche einigermaßen widerstands­los hingenommene - Beschluss (Haupt­schluss) der letzten außerordentlichen mit Mainz, Böhmen, Sach­sen, Brandenburg, Bayern, Hessen-Kassel, Württemberg und dem Hoch- und Deutsch­meister besetzten → Reichsdeputation des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) vom 25. 2. 1803 (24. 3. 1803 ohne Gegenstimmen Reichs­gutachten des Reichstags, 28. 4. 1803 Genehmigung des Kaisers [mit einigen Ausnahmen]). Der R. beendet auf Grund eines von → Frankreich und → Russland vorgelegten Entwurfes rechtsrheinisch für drei Kurfürstentümer (Köln, Trier, Pfalz), 24 Fürs­tentümer [19 Reichsbistümer], 44 Reichs­abteien und 41 Reichsstädte (112 Reichsstände) die Selbständigkeit und teilt ihr Gebiet (rund 10000 Quadratkilometer geistliches Gebiet mit 3,161 Millionen Einwohnern) zur bereits auf dem Rastatter Kongress (1797-1799) beschlossenen Entschädigung für linksrheinische Verluste an Frankreich [Friede von Lunéville 1801] anderen Reichsständen (Baden, Bayern, Preußen, Württemberg) zu. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) endet auch der formell rechtmäßig zustande gekommene, inhaltlich mangels Zustimmung der Betroffenen rechtswidrige, tatsächlich aber auf Grund der normativen Kraft des Faktischen rechtswirksame R., doch wirken die durch ihn geschaffenen Veränderungen fort.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 132; Gaspari, A., Der Deputations-Receß, 1803, hg. v. Becker, H., 2003; Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Schroeder, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, JuS 1989, 351; Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803, hg. v. Hufeld, U., 2003; Knecht, I., Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803, 2007; Klueting, H., Zweihundert Jahre Reichsdepu­tationshauptschluss, HZ 286 (2008), 403; Olschewski, B., Herrschaftswechsel - Legitimitätswechsel, 2009

Reichsdienstmann ist der im Dienst des → Reiches stehende Dienstmann oder Ministeriale. Seit der karolingischen Zeit steigt er aus der Unfreiheit in den niederen Adel (14. Jh.) auf. 1128 wird er erstmals als (lat.) ministerialis (M.) regni ausdrücklich genannt.

Lit.: Köbler, DRG 98; Weimann, K., Die Ministerialität im späten Mittelalter, 1924; Segner, U., Die Anfänge der Reichsministerialität, 1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969

Reichsdorf ist das reichsunmittelbare Dorf. Aus dem umfänglichen Reichsgut lassen sich später noch etwas mehr als 100 Reichsdörfer (120 Reichsflecken und Reichshöfe) sichern. Sie sind frei von grundherrlichen Lasten und Träger von gerichtlichen Rechten. Bis zum Jahre 1803 geraten sie außer Gochsheim, Sennfeld, Sulzbach, Soden und den freien Leuten auf der Leutkircher Heide unter eine Landesherrschaft.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 110; Hugo, G., Verzeichnis der freien Reichsdörfer, Z. f. Archivkunde 2 (1836), 446; Weber, F., Geschichte der fränkischen Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld, 1913; Kaufmann, E., Geschichte und Verfassung der Reichsdörfer Soden und Sulzbach, Diss. phil. Frankfurt am Main 1951, Neudruck 1984

Reichserbhofgesetz ist das die Testierfreiheit des Eigentümers eines Erbhofs zugunsten der Wirtschaftsfähigkeit einschränkende deutsche Reichsgesetz vom 1. 10. 1933 (21,6 % der Höfe im deutschen Reich und 27,9 Prozent der Höfe in Bayern sind Erbhöfe), das von den Betroffenen im Großen und Ganzen angenommen wurde.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 239; Grundmann, F., Agrarpolitik im „Dritten Reich“, 1979; Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts zwischen 1933 und 1953, 1989; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus konkretem Ordnungsdenken, ZNR 14 (1992), 55; Schobert, G., Die Anwendung des Reichserbhofgesetzes im ehemaligen Amtsgerichts­be­zirk Pfaffenhofen, 2007; Böse, C., Die Entstehung und Fortbildung des Reichserbhofgesetzes, 2008

Reichsexekution ist die Vollstreckung von Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshofrats sowie die Sicherung des Landfriedens im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Die Ordnung der R. ist in verschiedenen Reichsabschieden des 16. Jh.s behandelt (vor allem 1555). Die rechts­tatsächliche Bedeutung der R. ist gering.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Ernst, V., Die Entstehung der Exekutionsordnung von 1555, Württemberg. Vjh. f. LG. N.F. 10 (1901), 1; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1971

Reichsfahne ist die vor allem als Kriegsfahne als Symbol des Reiches verwendete → Fahne. Ihre anfängliche Farbe ist streitig (rot?, gold?, gold und silbern?, gold und rot?, weiß und rot?). Im 12. Jh. wird der → Adler in sie aufgenommen. 1848 werden Schwarz-Rot-Gold, 1871 Schwarz-Weiß-Rot und 1919 Schwarz-Rot-Gold als Farben festgelegt. Das Hakenkreuz des Dritten Reiches bleibt kurzes Zwischenspiel.

Lit.: Buschkiel, L., Die deutschen Farben, 1935; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbol, Bd. 2 1955, 643

Reichsfarben → Reichsfahne

Lit.: Wentzcke, P., Die deutschen Farben, 2. A. 1955

Reichsfinanzen sind die Einkünfte des → Reiches. Sie bestehen im Mittelalter vor allem aus den Erträgnissen der Königshöfe, aus jährlichen Gaben und aus Bannabgaben, Friedensgeldern, Zöllen und Münzabgaben. Durch die Vergabung des Königsgutes werden sie geringer. Im zweiten Deutschen Reich stehen dem Reich die Zölle und Verbrauchsabgaben bis zur Höhe von 130 Millionen Mark, die Posteinkünfte und Beiträge der Einzelstaaten (Matrikular­beiträge) zu. Seit 1881 werden zur Verbesserung der bedrängten Finanzlage besondere Reichssteuern festgesetzt.

Lit.: Köbler, DRG 196, 233; Troe, H., Münze, Zoll und Markt, 1937; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1; Schulze, W., Reichskammergericht und Reichsfinanz­verfassung, 1989

Reichsfinanzhof ist das mit Gesetz vom 26. 7. 1918 geschaffene, in München zum 1. 10. 1918 eingerichtete oberste deutsche Gericht in Finanzstreitigkeiten bzw. Steuersachen. Sein Nachfolger ist der Bundesfinanzhof.

Reichsfiskal → Fiskal

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Reichsforst → Forst

Reichsfürst ist der sich im 12./13. Jh. aus dem Reichsadel aussondernde reichsunmittel­bare Fürst (um 1190 92 geistliche und 22 weltliche Reichsfürsten). Er kann weltlicher R. (Herzog oder herzogsgleich) oder geistlicher R. (Erzbischof, Bischof, Abt, Äbtissin) sein. Mehr als einfacher R. ist der → Kurfürst. Im Hoch­mittelalter beträgt die Zahl der Reichsfürsten etwa 110 bis 120, von denen drei Viertel geistliche Reichsfürsten sind. Es gibt weder landrechtlich noch lehnrechtlich eindeutige rechtliche, die Reichsfürsten von anderen hochadligen Geschlechtern abhebende Voraussetzungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 135, 148, 153; Ficker, J.(/Puntschart, P.), Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1f. 1861ff., Neudruck 1961; Schönherr, F., Die Lehre vom Reichsfürstenstande, 1914; Moeller, R., Die Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Stengel, E., Land- und lehnrechtliche Grundlagen des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 66 (1948), 294; Engelbert, G., Die Erhebungen in den Reichsfürsten­stand, Diss. phil. Marburg 1948 (masch.schr.); Hinz, G., Territorialstaatsbewusstsein und Reichsgedanke, 1956; Schubert, E., König und Reich, 1979; Klein, T., Die Erhebungen in den weltlichen Reichsfürstenstand 1500-1806, Bll. f. dt. LG 122 (1986) 137ff.; Vom Reichsfürstenstande, hg. v. Heinemeyer, W., 1987; Arnold, B., Princes and Territories, 1991; Willoweit, D., Fürst und Fürstentum in den Quellen der Stauferzeit, Rhein. Vjbll. 63 (1999); Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Der zweite Mann im Staat, hg. v. Kaiser, M. u. a., 2003

Reichsfürstenrat ist der seit dem 15. Jh. (1471, 1486) von den → Reichsfürsten, reichsständischen Grafen und Herren und den nicht gefürsteten Prälaten gebildete Rat innerhalb des Reichstags. Er besteht aus einer geistlichen, vom Herzog (Pfalzerz­herzog) von Österreich angeführten Bank und einer weltlichen, vom Herzog von Bayern angeführten Bank. Nach der Reformation verbleibt eine katholische Mehrheit der Stimmen. 1792 weist der R. 94 (35 geistliche und 59 weltliche) Virilstimmen und 6 (2 geistliche und 4 weltliche) Kuriatstimmen auf, 1803 127 Virilstimmen und 4 Kuriatstimmen.

Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichs­fürstenrat, 1882; Schubert, E., König und Reich, 1979

Reichsgebiet ist das Gebiet des → Reiches.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kirn, P., Politische Geschichte der deutschen Grenzen, 4. A. 1958; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993

Reichsgericht ist allgemein das für das → Reich zuständige Gericht. Dies ist für das fränkisch-deutsche Reich das Gericht des Königs, seit 1495 das → Reichskammerge­richt und danach neben ihm der → Reichshofrat. 1848 geplante Reichsgerichte scheitern mit den Verfassungen. Für das zweite Deutsche Reich wird am 1. 10. 1879 ein neues R. mit fünf (1893 6) Zivilsenaten und drei (1893 4) Strafsenaten in Leipzig eröffnet (1893 81 Richter), das dem Reichs­oberhandelsgericht bzw. dem Bundesober­handelsgericht nach­folgt. Es ist hauptsächlich Revisionsgericht. Ihm organi­satorisch eingegliedert und personell mit ihm verknüpft sind Staatsge­richtshof und Reichsarbeits­gericht. Sein zweiter Senat ist für das rheinische Recht zuständig und orientiert sich in seinen Entscheidungen (bis 1900 rund 1000) an der französischen Rechtsprechung zum Code civil. Am 19. 4. 1945 bzw. nach der Bildung einer Kommission zur Bewahrung der Sachwerte des Reichsgerichts innerhalb der sowjetischen Besatzungszone am 8. 10. 1945 wird es geschlossen. Die amtliche Sammlung seiner Entscheidungen umfasst 172 Bände mit mehr als 15000 Entscheidungen auf etwa 91000 Seiten. → Bundes­gerichtshof. Von 1869 bis 1918 besteht auch in Österreich ein R. (mit einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und 12 Mitgliedern) als Verfassungsgericht (Zustän­dig­keits­streitigkeiten, Grundrechts­an­ge­legen­hei­ten, Kausalgerichtsbarkeit), dem 1919 der Verfas­sungs­gerichtshof folgt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 195, 200, 215, 218, 231; Fünfzigjahrfeier des Reichsgerichts, 1929; Die Reichsgerichtspraxis, hg. v. Schreiber, O., Bd. 1ff. 1929; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungs­rechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Kaul, F., Ge­schichte des Reichsgerichts, 1971; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Kolbe, D., Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin Bumke, 1975; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Ober­tribunals, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419; Dauer, F., Die Bibliothek des Reichsgerichts, 1991 (1945 rund 300000 Bände); Sammlung sämtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts in Zivilsachen, hg. v. Schubert, W., 1992ff.; Wiegendrucke der Bibliothek des Reichsgerichts, bearb. v. Otto, J., 1994; Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Bürgerliches Gesetzbuch, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1994ff.; Das Reichsgericht, hg. v. stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, 1995; Grimm, D., Das Reichsgericht in Wendezeiten, NJW 1997, 2719; Müller, K., Die Hüter des Rechts, 1997; Nachschlagewerk des Reichsgerichts Preußisches Landrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1998; Weidenthaler, H., Die Strafsenate des Reichsgerichts, Diss. jur. Würzburg 1999; Dorsch, T., Der Reichsgerichtsbau in Leipzig, 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Möller, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen, 2001; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Gesetzgebung des Deutschen Reichs, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 2005; RGZ – Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen 1880-1945. Archiv-DVD. 2004; Neschwara, C., Verfassungsgerichts­bar­keit im Spannungsfeld von Monarch und Parlament – Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006), 310; 125 Jahre Reichsgericht, hg. v. Kern, B. u. a., 2006; (Müller, S.,) Das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, 2008; Geyer, S., Den Code civil „richtiger“ auslegen, 2008

Reichsgesetz ist das vom → Reich ge­schaffene bzw. für das Reich geltende → Gesetz. Im Heiligen römischen Reich entsteht das R. auf Vorschlag (Proposition) des Kaisers durch Zustimmung der drei Kurien Kurfürstenkollegium, Reichsfürstenrat und Städtekollegium (Reichsgutachten) und des Kaisers (Reichsschluss). Wegen des ver­wickelten Verfahrens ist das R., von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Con­stitutio Criminalis Carolina, Reichs­kam­mer­gerichts­ordnung, Reichspoli­zei­ordnung), nicht sehr bedeutsam. Dagegen wird im zweiten Deutschen Reich durch R. das deutsche Reichsrecht auf fast allen Gebieten vereinheitlicht (→ Strafgesetzbuch, → Straf­prozessordnung, → Zivilprozessordnung, → Bürgerliches Gesetzbuch). Seit dem 19. Jh. wird das R. formell im Reichsgesetzblatt publiziert.

Lit.: Köbler, DRG 148; Zeumer, K., Studien zu den Reichsgesetzen des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 23 (1902), 61; Hartz, W., Die Gesetzgebung des Reichs, 1931; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Diestelkamp, B., Die deutsche Reichsgesetzgebung im 19. und 20. Jahrhundert, (in) Särtryk ur Rättshistorika studier (Serien II) Bd. 7 1982, 206

Reichsgesetzgebung → Reichsgesetz

Reichsgraf ist seit der frühen Neuzeit der zum → Reich in unmittelbarer Beziehung stehende → Graf.

Lit.: Böhme, E., Das fränkische Reichsgrafenkollegium im 16. und 17. Jahrhundert, 1989; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Arndt, J., Das niederrheinsch-westfälische Reichsgrafenkollegium, 1991; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992

Reichsgut ist im Mittelalter das dem → Reich zustehende Gut (Eigen, Lehen usw.). Die Abgrenzung des Reichsguts vom Hausgut ist kaum sicher durchzuführen. Seit dem Spätmittelalter ist das alte R. dem König verloren. Er muss sich allein auf sein Hausgut stützen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 112, 150; Niese, H., Die Verwaltung des Reichsgutes im 13. Jahrhundert, 1905; Kraft, R., Das Reichsgut im Wormsgau, 1934; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967; Faußner, H., Herzogsgut und Reichsgut, ZRG GA 85 (1968), 1; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993

Reichshaftpflichtgesetz ist das vor allem die → Gefährdungshaftung für Personenschäden bei dem Betrieb einer Eisenbahn anordnende Gesetz des zweiten Deutschen Reichs von 1871.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216; Schubert, W., Das Reichshaftpflichtgesetz ZRG GA 100 (1983), 238

Reichsheer → Heer

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Frauenholz, E. v., Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1ff. 1935ff.; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943

Reichsheimstättengesetz ist das am 10. 5. 1920 nach amerikanischem Vorbild zur Sicherung einkommensschwacher Familien geschaffene deutsche Reichsgesetz, das dem Staat eine Art Obereigentum an der Heimstätte vorbehält.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 52; Wormit, H., Das Reichsheimstättengesetz, 2941, 4. A. 1967

Reichshistorie ist im 17. und 18. Jh. eine Hilfswissenschaft des deutschen Staatsrechts, die vor allem in Gießen, Marburg, Jena, Helmstedt, Halle und Göttingen gepflegt wird (→ Thomasius, → Ludewig, → Gundling, → Pütter).

Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Roeck, B., Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Aufklärung und Geschichte, hg. v. Bödeker, H., 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988

Reichshofgericht → Hofgericht

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 114; Franklin, O., Das Reichshofgericht, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Vogel, Beiträge zur Geschichte des deutschen Reichshofgerichts, ZRG GA 2 (1881), 151; Hüttebräuker, L., Ein Reichshofgerichtsprozess zur Zeit Karls IV., ZRG GA 56 (1936), 178; Wohlgemuth, Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts, 1973; Battenberg, F., Gerichtsschrei­beramt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1451, 1974; Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, bearb. v. Battenberg, F. u. a., 1987

Reichshofkanzlei ist die 1558/1559 für den Schriftverkehr des Reiches eingerichtete Kanzlei in Wien, die neben der Reichskanzlei und der Kanzlei des Reichskammergerichts steht. Sie nimmt die Kanzleigeschäfte des Reichshofrats wahr.

Lit.: Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei, 1933

Reichshofrat bzw. anfangs königlicher oder kaiserlicher Hofrat ist der nach mit­telalterlichen Vorläufern (am 13. 12.) 1497 begründete Hofrat (für Rechtssachen aus Reich und Erbländern und Gnadensachen) des Königreichs bzw. Kaisers des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) in Wien (1559 Reichshofrat, Ordnung vom 3. 4. 1559). Er wird zunächst zur obersten Regierung und Justizbehörde bestimmt. Er entwickelt sich aber allmählich zu einem mit dem → Reichs­kammergericht konkurrieren­den Gericht des ihn allein besetzenden und finanzierenden Kaisers (im 18. Jh. ganz überwiegend Reichshöchst­gericht). Es ist mit dem Hofratspräsidenten als Vertreter des Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt. Es ist zuständig für kaiserliche Reservatrechte und Privilegien, Reichslehns­sachen und Kriminal­klagen gegen Reichsun­mittelbare, örtlich auch für Reichsitalien, ab 1620 nicht mehr  für die österreichischen Erbländer Bei einem Zu­ständigkeitsstreit mit dem Reichskam­mer­gericht entscheidet die frühere Befassung. Allmählich gewinnt der R. im Verhältnis zum Reichskammergericht wegen der kürzeren Verfahrensdauer das größere Gewicht (viel­leicht 100000 Sacheinheiten bzw. Verfahren, etwa 70000 Akten aus der Prozesstätigkeit). Geordnet ist sein wenig strenges und wohl deswegen auch schnelleres Verfahren in Reichshofrats­ord­nungen (z. B. 1527, 1537, 1541, (lat. [M.]) ordo consilii (Ratsordnung) um 1550, 1559, 1594, 1617, 1626). Von 1559 bis 1806 sind 445 Reichshofräte tätig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150, 153, 200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskam­mergerichts und Reichshofrats, 1792; Fellner, T./Kretschmayr, H., Die österreichische Zentralver­waltung, 1907, Neudruck 1970, Nr. 4, 10, 12, 15; Gschließer, O. v., Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Reichshofrat und Reichskammergericht, 1965; Landes, D., Achtverfahren vor dem Reichshofrat, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates 1550-1766, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Hammerschmidt, E., War Hiob Ludolf Reichshofrat?, ZRG GA 104 (1987), 268; Reichshofrat und Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats, 2001; Hartmann-Polomski, C., Die Regelung der gerichtsinternen Organisation und des Geschäftsgangs der Akten als Maßnahmen der Prozessbeschleunigung am Reichshofrat, 2001; Ortlieb, E./Polster, G., Die Prozessfrequenz am Reichshofrat, ZNR 2004, 189; Ortlieb, E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291; Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Ullmann, S., Geschichte auf der langen Bank. Die Kommissionen des Reichshofrats, 2006; Ehrenpreis, S., Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt, 2006

Reichshofratsprozess ist der seit dem Ende des 16. Jh.s vom → Reichshofrat ausgebildete besondere → Prozess. Er ist nicht durch ausführliche Prozessordnungen überliefert, weil der Reichshofrat sich stets auch als politisches Organ versteht. Er übernimmt den Reichs­kammergerichtsprozess nur soweit dies zweckmäßig erscheint und schränkt die Formalitäten des Prozesses stark ein. Dennoch ist er schriftlich. Die Artikulation hat nur geringe Bedeutung. Es gilt die Eventual­maxime. Ein Beweisinterlokut fehlt. Endurteile sind ziemlich selten. Gegen Urteile sind Revision, Nichtigkeitsklage und (lat.) → recursus (M.) ad comitia (Rekurs an den Reichstag) zugelassen.

Lit.: Gschließer, O. v. Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Die Akten des kaiserlichen Reichshofrats Serie Alte Prager Akten, Bd. 1ff. bearb. v. Ortlieb, E., 2008ff.

Reichsinsignie ist das (weltliche) symbo­lische Zeichen des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation). → Insignie(n), Reichskleinod(ein)

Lit.: Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954

Reichsitalien ist der von 774 (Sieg Karls des Großen über die Langobarden) bis 1806 (Ende des Heiligen römischen Reichs) zum fränkisch-deutschen → Reich gehörige Teil → Italiens. Seine Zugehörigkeit ist im Hochmittelalter am deutlichsten. Eine genaue Kenntnis über alle Herrschaftsrechte in R. (um 1530 Mailand, Savoyen-Piemont, Parma-Piacenza, Modena-Reggio, Mantua, Mont­ferrat, Florenz, Siena, Genua, Lucca und etwa 250 kleinere Lehen) besteht anscheinend zu keiner Zeit, zumal die sog. mathildischen Güter zwischen dem Papst und dem König bzw. Kaiser des Heilgen römischen Reichs streitig sind.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pugliese, S., Le prime strette dell’Austria in Italia, 1932; Manaresi, C., I placiti del „Regnum Italiae“, Bd. 1ff. 1955ff.; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1f. 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Pauler, R., Das regnum Italiae, 1982

Reichsjustizamt ist das im zweiten Deutschen Reich seit 1877 für das Recht zuständige → Reichsamt.

Lit.: Köbler, DRG 196; Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes, 1977; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1995

Reichsjustizgesetz ist das zum Anfang des Jahres 1877 veröffentlichte, am 1. 10. 1879 in Kraft getretenen, die Gerichtsbarkeit be­treffende Gesetze des zweiten Deutschen Reichs. Reichsjustizgesetze sind Gerichtsver­fassungsgesetz, Zivilpro­zessordnung, Straf­pro­zessordnung, Konkurs­ordnung, Rechtsan­waltsordnung und Gerichtskostengesetz).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 182; Müller, H., Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes, Diss. jur. Tübingen 1939; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Sellert, W., Die Reichsjustizgesetze von 1877, JuS 17 (1977), 781

Reichskammergericht ist das als Gericht der Reichsstände im Zuge der Reform des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) 1495 aus dem königlichen Kammergericht entstehende Gericht. Seine Verfassung ist in der Reichskammergerichts­ordnung von 1495 sowie späteren Reichskammergerichts­ord­nungen (z. B. 1555) geregelt. Es ist mit einem vom Kaiser ernannten Kammerrichter (Vor­sitzer) und erst 16, 1556 32, später bis zu 41, von unterschiedlichen Berechtigten (Kaiser, Kurfürsten, sonstigen Reichsfürsten) vorge­schlagenen (präsentierten), grundsätz­lich je zur Hälfte adligen und gelehrten Beisitzern (Assessoren, Urteilern), die anfangs zwei (1530), später vier Senaten zugeteilt sind, zu schwach und meist nicht vollständig besetzt. Es ist 1495 in Frankfurt am Main, 1527 in Speyer und 1693 in Wetzlar untergebracht. Die österreichischen Erbländer sind ausgenommen. Zuständig ist es teils in erster, teils in letzter Instanz vor allem für Rechtsverweigerung, Landfriedensbruch, bür­gerliche Klagen gegen Reichsunmittelbare sowie die angesichts der sich häufenden Nichtappellationsprivilegien immer selteneren noch zulässigen Appel­lationen (auch in Polizeisachen). In Anspruch genommen wird es bei durch­schnittlich etwa 250 Eingängen im Jahr (um 1500 70, um 1600 700, um 1700 200) örtlich vor allem am Rhein (also in der Nähe Speyers bzw. Wetzlars), ständisch hauptsächlich von städtischer Oberschicht und adliger Unter­schicht sowie sachlich in Bezug auf Geldwirtschaft und Landfrieden (bis 1550 etwa 10000, bis 1594 etwa 30000, bis 1693 etwa 55000, bis 1760 etwa 60000, bis 1806 etwa 75000 Streitsachen, davon acht tatsäch­lich durchgeführte Revisionsver­fahren). Es urteilt nach den hergebrachten örtlichen Ge­wohnheiten und Statuten sowie theoretisch sub­sidiär, praktisch aber vorrangig nach den gemeinen Rechten (römisch-kanonischem Recht des → usus modernus pandectarum). In sein Umfeld gehören Fiskalprokurator, Prokuratoren und → Advokaten. Vielleicht lässt sich eine steigende Zahl von Klagen im ausgehenden 18. Jh. mit einem neuen Glauben an alte Freiheiten in alten Urkunden erklären, der Frankreichs revolutionäre Ver­nichtung der alte Unfreiheiten bezeugenden alten Urkunden gegenübersteht. Mit dem Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) geht es 1806 unter. Seine Akten werden danach auf zahlreiche Archive verteilt. Erhalten sind in der Gegenwart noch 69000 Prozessakten und Entscheidungen (einschließ­lich von Zwi­schenurteilen) in den noch erhaltenen Urteilsbüchern zu 47500 Prozessen (vorwiegend zwischen 1684 und 1806) bzw. 76203 Reichs­kammergerichtsakten in 46 Archiven (1847-1852 71617 Prozessakten nach dem Wohnsitz des Beklagten verteilt auf die vierzig Staaten - Anhalt-Bernburg, An­halt-Dessau, Anhalt-Köthen, Baden, Bayern, Braunschweig, Bre­men, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Hessen-Darm­stadt, Hessen-Homburg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Hol­stein-Lauen­burg, Kur­hessen, Liechtenstein, Limburg, Lübeck, Lippe, Luxemburg, Meck­lenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Nas­sau, Oldenburg, Österreich, Preußen [1924 auf 12 Staatsarchive aufgeteilt], Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar, Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarz­burg-Sondershausen, Waldeck, Württemberg, Bel­gien) (am 31. 3. 2003 43303 Akten verzeichnet und 69 Inventarbände bereits erschienen, virtuelle Vereinung möglich und sinnvoll, vgl. http://www.hoechstgerichtsbar­keit.­rub.de <http://www.hoechstgerichtsbar­keit.­rub.de/>; Schildt, B., Virtuelle Zusam­menführung und inhaltlich-statistische Analy­se der überlieferten Reichskammergerichts­prozesse, (in) Forschung in der digitalen Welt. Sicherung, Erschließung und Aufbe­reitung von Wissensbeständen, hg. v. Hering, R. u. a., 2006, 125ff.).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 137, 147, 153, 200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und Reichshofrats, 1792; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Spangenberg, H., Die Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG GA 46 (1926), 231; Repertorium der Akten des Reichskammergerichts Untrennbarer Bestand, bearb. v. Koser, O., Bd. 1f. 1933ff., Neudruck 2006; Repertorium der Akten des ehemaligen Reichskammergerichts im Staatsarchiv Koblenz, bearb. v. Looz-Corswarem, O. Graf zu u. a., 1957; Latzke, W., Das Archiv des Reichskam­mergerichts, ZRG GA 78 (1961), 321; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Pitz, E., Ein niederdeutscher Kammergerichtsprozess von 1525, 1969; Heusinger, B., Vom Reichskammer­gericht, 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Weitzel, J., Zur Zu­ständigkeit des Reichskammergerichts als Appel­lationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973; Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Diestelkamp, B., Das Reichskam­mergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, FS A. Erler, 1976, 435; Duchhardt, H., Die kurmainzischen Reichskam­mergerichtsassessoren, ZRG GA 94 (1977), 88; Schulz, P., Die politische Einflussnahme auf die Entstehung der Reichskammergerichtsordnung 1548, 1980; Dick, B., Die Entwicklung des Kameral­prozesses, 1981; Findbuch zu den Reichskammer­gerichtsakten 1524-1806 (in Oldenburg), bearb. v. Eckhardt, A., 1982; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskam­mergericht, 1984; Eberling, H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Ranieri, F., Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption, 1986; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Ebeling, H., Findbuch zum Bestand Reichskammergericht (1515-1806), Rep. 900 (des Staatsarchivs Osnabrück), 1986; Stein-Stegemann, H., Findbuch der Reichskammerge­richtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987; Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar, 1988; Hausmann, J., Die Kameralfreiheiten des Reichskammergerichtspersonals, 1989; Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, hg. v. Diestelkamp, B., 1990; Kratsch, D., Justiz – Religion – Politik, 1990; Reichskammergerichtsakten im hessischen Staatsarchiv Darmstadt und im gräflich solmsischen Archiv in Laubach, bearb. v. Korte-Böger, A. u. a., 1990; Die politische Funktion des Reichskam­mergerichts, hg. v. Diestelkamp, B., 1993; Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, hg. v. Brunotte, A. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.; Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Reichskammergericht, Bd. 1ff. 1994ff.; Diestelkamp, B., Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke, 1994; Frieden durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, hg. v. Scheurmann, I., 1994; Fern vom Kaiser, hg. v. Hausmann, J., 1995; Diestelkamp, B., Rechtsfälle aus dem alten Reich, 1995; Friedenssicherung und Rechtsgewährung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1997; Inventar der lippischen Reichskammergerichtsakten, bearb. v. Bruckhaus, M. u. a., 1997; Findbuch der Akten des Reichskammergerichts im Landesarchiv Magdeburg, Bd. 1, bearb. v. Lücke, D., 1997; Baumann, A., Das Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) und seine Prokuratoren, ZRG GA 115 (1998), 474; Reichskammergericht, Köln Bd. 1ff., bearb. v. Kordes, M., 1998; Sailer, R., Untertanen­prozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Oer, R. Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1999; Reichshofrat und Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht in Speyer (1495-1690), ZRG GA 117 (2000), 550; Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495-1806, Frankfurter Bestand, bearb. v. Kaltwasser, I., 2000; Baumann, A., Die Gesellschaft der frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse, 2001; Volk, O., Die Wohnungen der Kameralen in Wetzlar, 2001; Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht, 2002; Klass, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Das Reichskammergericht am Ende des alten Reiches und sein Fortwirken im 19. Jahrhundert, hg. v. Diestelkamp, B., 2002; Prange, W., Vom Reichskammergericht in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, 2002; Stein, A., Advokaten und Prokuratoren am Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) als Rechtslehrer und Schriftsteller, 2002; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter Teil 2, 2003; Schildt, B., Inhaltliche Erschließung und ideelle Zusammenführung der Prozessakten des Reichskammergerichts mittels einer computerge­stütz­ten Datenbank, ZNR 25 (2003), 269; Das Reichskammergericht, hg. v. Diestelkamp, B., 2004; Gedruckte Relationen und Voten des Reichskammergerichts, bearb. v. Baumann, A., 2004; Oestmann, P., Aus den Akten des Reichskammer­gerichts, 2004; In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Mader, E., Die letzten „Priester der Gerechtigkeit“, 2005; Ortlieb, E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291; Mader, E., Das Reichskammergericht, der Reichsdeputationshauptschluss und die Auflösung, 2006 (Vortrag); Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006; Schildt, B., Reichskammergericht, JURA 2006, 493; Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Diestelkamp, B., Prozesskosten in Verfahren am Reichskammergericht, (in) FS Wilhelm Brauneder,2008, 81; Friedrich, W., Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Ein Zivil­pro­zess am Reichskammergericht, hg. v. Oestmann, P., 2009

Reichskammergerichtsprozess ist der → Prozess vor dem Reichskammergericht. Er wird bereits in der Reichskam­mer­gerichtsordnung des Jahres 1495 erstmals und lückenhaft und in insgesamt mehr als 15 Reichskam­mergerichts­ordnungen (z. B. 1555) vertieft geregelt. Er beruht auf dem in Oberitalien entwickelten römisch-kanonischen Prozessrecht des Spätmittel­alters. Der R. ist schriftlich. Es gelten der Verhandlungsgrundsatz, die Dispositions­maxime und das Prinzip der Artikulation. Nach Litiskontestation (→ litis contestatio) und Ablegung des → Kalumnieneides kann der Beklagte auf den artikulierten Prozessvortrag des Klägers antworten. Über die bestrittenen Artikel wird Beweis erhoben. Nach der Beweisaufnahme kann der Beklagte artikuliert Einwände vorbringen. Da hierdurch die Prozessdauer verlängert wird, bemüht sich das Reichskammergericht bereits 1521 um Beschleunigung. 1654 wird die Artikulation beseitigt.

Lit.: Ludolff, G., Corpus iuris cameralis, 1724; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Maass, P., Die Zivilprozessreform des jüngsten Reichsabschiedes, Diss. jur. Münster 1925; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin 1966; Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005

Reichskanzlei ist die → Kanzlei des → Reiches bzw. Hofes. Ihr steht 870 erstmals, seit 965 auf Dauer, seit dem 11. Jh. als Reichs­erzkanzler der → Erzbischof von → Mainz vor. König Maximilian I. trennt 1498 von der R. eine Hofkanzlei, die 1558 mit der R. zur Reichshofkanzlei verbunden wird.Seit Beginn des 17. Jh.s hat die R. ihren festen Sitz in Wien, wobei sich der Erzbischof von Mainz durch einen Reichsvizekanzler vertreten lässt. Für die österreichischen Erbländer treten österreichische Hofkanzlei und böhmische Hofkanzlei an ihre Stelle.. Im zweiten Deutschen Reich ist (seit 1879) die R. die Geschäftsstelle des Leiters der Reichsregierung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150; Forstreiter, E., Die deutsche Reichskanzlei, Diss. phil. Wien 1924; Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshof­kanzlei von 1559 bis 1806, 1933; Walter, A., Die deutsche Reichskanzlei, 1938; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad III., 1956; Koch, W., Die Reichskanzlei in den Jahren 1167 bis 1174, 1973; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1174 bis 1180, 1977; Koch, W., Die Schrift der Reichskanzlei im 12. Jahrhundert (1125-1190), 1979; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938, hg. v. Repgen, K., Teil 1 Bd. 1ff. 1983ff.; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1181 bis 1190, 1985; Wahl --und Krönungsakten des Mainzer Reichserzkanz­lerarchivs 1486-1711, bearb. v. Schlösser, S., 1993; Neumann, M., Von der Reichskanzlei zum Bundeskanzleramt, AöR 1999, 1; Schütz, A., Kronrat und Reichskanzlei als Zentralbehörden des Reiches unter Ludwig dem Bayern, 2002

Reichskanzler ist der Leiter der Reichskanzlei bzw. im zweiten Deutschen Reich der Vorsitzende des Bundesrats bzw. de facto einzige Minister des Reiches, der meist zugleich Ministerpräsident Preußens ist (z. B. Otto von Bismarck). Gegenüber dem Reichs­­tag ist der R. erst ab 28. 10. 1918 verantwortlich. Ab 1919 wird der R. als Leiter der aus mehreren Ministern bestehen­den Reichsregierung vom Reichspräsidenten ernannt. Am 2. 8. 1934 vereinigt R. Adolf Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg das Amt des Reichspräsidenten mit dem Amt des Reichskanzlers. Mit seinem Tod endet die Reihe der R. In der Bundesrepublik Deutschland tritt 1949 der Bundeskanzler an seine Stelle.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 195, 196, 222, 230; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Conze, W., Brüning als Reichskanzler, HZ 214 (1972), 310; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997; Kurmainz, das Reicherzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Fesser, G., Reichskanzler Fürst von Bülow, 2003; Hömig, H., Brüning, 2005

Reichskirche ist die → Kirche im fränkisch-deutschen Reich. Dies betrifft in der älteren Zeit die dem König bzw. Kaiser unmittelbar zugeordneten Erzbistümer, Bistümer, Klöster, Stifter und Kirchen, später nur das reichs­unmittelbare Kirchenwesen. 1803 wird die bestehende R. säkularisiert und mediatisiert.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 77; Boerger, R., Die Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten, 1901; Hauck, A., Die Entstehung der geistlichen Territorien, 1909; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964; Heckel, J., Staat und Kirche, 1968; Köhler, O., Die ottonische Reichskirche, FS G. Tellenbach, 1968, 141; Investiturstreit und Reichsverfassung, 1973; Zielinski, H., Der Reichsepiskopat, 1984; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993; Bigott, B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002

Reichskirchensystem ist im 10. und 11. Jh. die Heranziehung der Kirche zur Reichsverwaltung. Seit Kaiser Otto I. werden geistliche Würdenträger mit weltlichen Aufgaben (z. B. Grafschaften) betraut. Dieses R. findet im → Investiturstreit sein Ende, doch lebt es in der veränderten Form der geistlichen Reichsfürsten fort.

Lit.: Köbler, DRG 85; Santifaller, L., Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Beumann, H., Reformpäpste als Reichsbischöfe, FS F. Hausmann, 1977, 21; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997

Reichskleinod ist das dem Reich gehörige Kleinod. Reichskleinodien sind der das Heilige römische Reich (deutscher Nation) sichtbar darstellende, bei den Krönungen in Aachen bzw. Frankfurt verwendete Reichsschatz (einziger nahezu unverändert erhaltener Kronschatz Europas). Zu den R. zählen die → Krone (Reichskrone), das Reichskreuz, das Reichsreliquiar, die heilige Lanze, der → Reichsapfel, das Zepter, das Reichsschwert (Mauritiusschwert), der Krönungsmantel (Krönungsornat) und einige weitere Kleinode (und Reliquien) (sowie der Säbel Karls des Großen, die Stephansburse und das Reichs­evangeliar als sog. Aachener Kleinodien). Sie begleiten anfangs den König auf seinen Zügen. In salischer Zeit sind sie meist im Dom in Speyer, danach in der Reichsfeste Trifels, seit 1273 in der habsburgischen Kiburg, seit 1350 in Prag bzw. der Karlsfeste (Karlsstein), 1421 in Blutenburg in Ungarn, seit 1424 in Nürnberg, seit 1800 über Regensburg (1796) und Passau in Wien (1938 bis 1946 nochmals in Nürnberg). → Insignie(n), Reichsinsignie(n)

Lit.: Schlosser, J., Die deutschen Reichskleinode, 1920; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Grass, N., Reichskleinodienstudien, 1965; Pleticha, H., Des Reiches Glanz, 1989; Schroeder, K., Die Nürnberger Reichskleinodien in Wien, ZRG GA 108 (1991), 232; Kubin, E., Die Reichskleinodien, 1991; Die Reichskleinodien, hg. v. d. Gesellschaft für staufische Geschichte, 1997; Gsell, K., Die Rechtsstreitigkeiten um den Reichsschatz, 2001

Reichskonkordat ist das am 20. 7. 1933 unterzeichnete und am 10. 9. 1933 in Kraft getretene → Konkordat zwischen dem Deut­schen Reich und der katholischen Kirche.

Lit.: Volk, L., Das Reichskonkordat, 1972; Listl, J., Die Fortgeltung und die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung des Reichskonkor­dats, FS L. Carlen, 1989, 309

Reichskreis ist der 1500 bzw. 1512 im Zuge der Reichsreform geschaffene Kreis im Heiligen Römischen Reich. Es werden ins­gesamt 6 (bayerisch, fränkisch, nieder­sächsisch, oberrheinisch, schwäbisch, west­fälisch) bzw. 10 Reichskreise gebildet (österreichischer, burgundischer, kurrhei­nischer, fränkischer, bayerischer, schwä­bischer, oberrheinischer, niederrhei­nisch-­west­fälischer, obersächsi­scher, nieder­säch­si­scher R.), in welche die meisten Gebiete des Reiches eingegliedert werden (ausgenommen vor allem die Länder der Wenzelskrone und der Schweiz). Nur im Südwesten (Schwaben, Franken, Oberrhein) erlangt der R. über längere Zeit eine gewisse Bedeutung für die Landfrie­denswahrung, Urteils­exekution und Truppenkontin­gentie­rung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 147; Simmern, E. Langwerth v., Die Kreisverfassung Maximilians I., 1896; Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Wallner, E., Die kreisansässigen Reichsterritorien, MIÖG Ergänzungsbd. 11 (1929), 681; Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise, 1950; Wines, R., The Franconian Reichskreis, Diss. phil. Ann Arbor Michigan 1961; Mally, A., Der österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967; Borck, H., Der schwäbische Reichskreis im Zeitalter der französischen Revolutionskriege 1792-1806, 1970; Sicken, B., Der fränkische Reichskreis, 1970; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziation, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975; Schneider, A., Der niederrheinisch-westfälische Kreis, 1985; Dotzauer, W., Der kurrheinische Reichskreis, Nass. Ann. 98 (1987), 61; Magen, F., Reichsexekutive und regionale Selbstverwaltung, 1992; Gittel, U., Die Aktivitäten des Niedersächsischen Reichskreises, 1997; Hartmann, P., Der bayerische Reichskreis, 1997; Dotzauer, W., Die deutschen Reichskreise, 1998; Reichskreis und Territorium, hg. v. Wüst, W., 2000; Nicklas, T., Macht oder Recht, 2002

Reichskrieg ist der auf Grund einer Reichskriegserklärung des Kaisers und der Reichsstände zwischen 1648 und 1806 gegen einen fremden Staat geführte → Krieg.

Lit.: Weigel, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen Reichs, 1912

Reichskriegsgericht ist das nach der Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit durch Gesetz vom 17. 8. 1920, der Auflösung des zum 1. 10. 1900 eingerichteten Reichsmilitär­gerichts und der Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit zum 1. 1. 1934 durch Gesetz vom 26. 6. 1936 geschaffene oberste Gericht der Wehrmacht Deutschlands, das sich vor allem im Krieg zum Instrument mili­tärischer Kommandogewalt und politischer Macht entwickelte.

Lit.: Gribbohm, G., Das Reichskriegsgericht, 2004; Gribbohm, G., Das Reichsmilitärgericht, 2007

Reichskristallnacht (Novemberpogrom) ist die Nacht vom 8. auf den 9. 11. 1938, in welcher der deutsche Reichsinnenminister Goebbels während eines Kameradschafts­a­bends der nationalsozialistischen Parteiführer im alten Münchener Rathaussaal durch mündliche Weisung die Beschädigung von jüdischen Einrichtungen wegen der Tötung eines deutschen Legationssekretärs durch einen 17jährigen Juden in Paris einleitet. Im Verlauf der R. werden etwa 200 Synagogen zerstört, 7500 jüdische Geschäfte demoliert und 91 Juden getötet. Eine Verordnung vom 12. 11. 1938 verpflichtet die jüdischen Gewerbetreibenden zur Schadensbeseitigung und zu einer Sühneleistung von 1 Milliarde Reichsmark.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Gruchmann, L., Reichskristallnacht und Justiz im Dritten Reich, NJW 1988, 2856; Graml, H., Reichs­kristallnacht, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht in Hessen, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht, 1997

Reichskrone → Krone

Reichsland Elsass-Lothringen → Elsass, Lothringen

Reichslandfriede → Landfriede

Reichslandvogtei ist die von König Rudolf von Habsburg (1273-1291) eingerichtete Ver­waltungseinheit für Reichsgut (z. B. in Schwaben, Elsass, Speyergau, Mittelrhein, Wetterau). Die R. geht im Spätmittelalter in den Ländern auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreibmüller, H., Die Landvogtei im Speiergau, 1905; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogteien im Elsass, 1905; Becker, J., Die Reichslandvogtei Kaysersberg, Wiss. Beilage zum Jahresbericht des bischöflichen Gymnasiums zu Straßburg, 1906; Schreibmüller, H., Die Landvogtei im Speyergau, 1905; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980

Reichslehen ist das vom König des deutschen Reichs verliehene → Lehen. Durch die Annahme des Titels Kaiser von Österreich durch Franz II. wird der Reichslehensverband 1804 bzw. durch das Ende des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) 1806 aufgelöst.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979

Reichsmatrikel ist die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) geführte → Matrikel (z. B. Reichsheeresmatrikel von 1422).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens, 1910; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Reichsheeresmatrikel1422.htm

Reichsmerkantilismus → Merkantilismus

Reichsministeriale → Reichsdienstmann

Lit.: Segner, U., Die Anfänge der Reichministerialität, 1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.

Reichsmünze → Münze

Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896, Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975

Reichsnotariatsordnung → Notar

Reichsoberhandelsgericht ist das durch gesetzliche Umbenennung vom 16. 4. 1871 (2. 9. 1871 Plenarbeschluss) und örtliche Aus­dehnung auf die süddeutschen Staaten vom 22. 4. 1871 aus dem am 12. 6. 1869 in Leipzig geschaffenen → Bundesober­handelsgericht hervorgegangene oberste Gericht in Handels­sachen des zweiten Deutschen Reichs in Leipzig. Es geht am 1. 10. 1879 im → Reichsgericht auf.

Lit.: Köbler, DRG 195; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 83; Weiß, A., Die Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das Bundes- und spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001

Reichspfand → Pfand

Reichspolizeiordnung ist die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) geschaffene → Polizeiordnung (z. B. 1530, 1548, 1577).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138; Segall, L., Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914; Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002

Reichspräsident ist das Staatsoberhaupt des zweiten Deutschen Reichs von 1919 bis 1934 (Ebert, Hindenburg). Funktionell ist der R. als Nachfolger des Kaisers mit bedeutsamen Befugnissen ausgestattet. Nach dem 12. 8. 1934 übernimmt → Hitler seine Aufgaben.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Pünder, Der Reichspräsident, 1961; Friedrich Ebert als Reichspräsident, hg. v. Kolb, E., 1997

Reichspublizistik ist das das deutsche Reich bzw. das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) betreffende politisch-juristische Schrifttum (z. B. des → Manegold von Lautenbach, → Petrus Crassus, Deusdedit, Anselm von Lucca, Bonizo von Sutri, → Petrus de Vinea, → Jordan von Osnabrück, → Alexan­der von Roes, → Engelbert von Admont, Tolomeo von Lucca, → Marsilius von Padua, → Wilhelm von Ockham, → Lupold von Bebenburg, Konrad von → Megenberg, Nikolaus von → Kues oder → Peter von And­lau im Mittelalter bzw. → Goldast, → Freher, Hermann Vultejus, Gottfried Antonius, → Arumaeus, → Lim­naeus, → Reinkingk, → Althusius, → Conring, → Pufendorf, → Lünig, → Thoma­sius, → Ludewig, → Gundling, → Mascov, Schmauß, → Pütter, → Wolff oder → Moser) in der frühen Neuzeit.

Lit.: Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1776ff.; Mirbt, C., Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., 1894, Neudruck 1965; Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil. München 1934; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1960; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jakob Mosers, 1968; Bussi, E., Il diritto pubblico des Sacro romano impero, 2. A. 1970; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Neumaier, K., Ius publicum, 1974; Ullmann, W., Law and Politics in the Middle Ages, 1975; Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Wyduckel, D., Princeps legibus solutus, 1979; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Peters, W., Späte Reichspublizistik und Frühkonstituti­onalismus, 1993

Reichsrat ist ein Staatsorgan des 19. Jh.s (Österreich Kremsierer Entwurf, Märzver­fassung 1849, kaiserliches Patent vom 13. 4. 1851, kaiserliches Patent vom 20. 8. 1851, kaiserliches Patent vom 5. 3. 1860 verstärkter R. als Vorläufer des Parlaments → Oktober­diplom vom 20. 10. 1860, → Februarpatent vom 26. 2. 1861 (aufgelöst und durch Staatsrat ersetzt, Herrenhaus und Abgeordnetenhaus), → Dezember­ver­fassung vom 21. 12. 1867 mit einem aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bestehenden R.) bzw. des 20. Jh.s (Deutsches Reich 14. 8. 1919). Hier kann der R., in dem jedes Land mindestens eine und → Preußen als vorherrschendes Land höchstens zwei Fünftel aller Stimmen hat, gegen Gesetze einen Einspruch erheben, der aber vom Reichstag überstimmt werden kann. Dabei wird der R. zwischen 1919 und 1932 mit mehr als 1280 Gesetzen befasst. Am 14. 2. 1934 wird der R. aufgelöst. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist R. das → Reichsregiment von 1500 bzw. 1521.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 230, 232; Baltl/Kocher; Samanek, V., Kronrat und Reichs­herrschaft im 13. und 14. Jahrhundert, 1910; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Rose, G., Der Reichsrat der Weimarer Republik, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1964; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974; Lilla, J., Der Reichsrat, 2006

Reichsrecht ist das ein → Reich betreffende Recht. Es steht meist im Gegensatz zu einem (möglicherweise vorrangigen) Recht eines örtlich kleineren Gebietes (z. B. Landesrecht), zum Recht eines anderen Staates oder zum internationalen Recht (z. B. Völkerrecht). Im zweiten Deutschen Reich bricht R. Landesrecht.

Lit.: Köbler, DRG 102, 227, 231; Baltl/Kocher; Mitteis, L., Reichsrecht und Volksrecht, 1891, Neudruck 1963; Pfundtner, H./Neubert, R., Das neue deutsche Reichsrecht, 1933ff.; Diestelkamp, B., Zur Krise des Reichsrechts im 16. Jahrhundert, (in) Säkulare Aspekte der Reformationszeit, hg. v. Angermeier, H., 1983, 49; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht, 2002

Reichsrechtsbuch → Mühlhausen

Reichsreform ist (seit 1850) die Gesamtheit der Reformbestrebungen im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) zwischen 1410 und 1555. Als Ergebnisse der R. sind → Reichskammergericht und → Reichskreise hervorzuheben. → Reformatio Sigismundi

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 147; Molitor, E., Die Reichsreformbestrebungen, 1921, Neudruck 1969; Angermeier, H., Begriff und Inhalt der Reichsreform, ZRG GA 75 (1958), 181; Laufs, A., Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Hödl, G., Königtum, Reichsregierung und Reichsreform 1438-1439, 1978; Angermeier, H., Die Reichsreform 1410-1555, 1984; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Quellen zur Reichsreform im Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 2001; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007

Reichsregierung ist die Regierung eines Reichs, insbesondere die aus Reichskanzler und Staatssekretären bzw. Ministern bestehende Regierung des zweiten Deutschen Reiches.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 196, 230; Baltl/Kocher

Reichsregiment oder → Reichsrat ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) 1500 (bis 1502) und 1521 (bis 1530 in Abwesenheit Kaiser Karls V.) das dem Kaiser zur Seite gestellte, im Ergebnis aber gescheiterte Reichsorgan der Reichsstände.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kraus, V. v., Das Nürnberger Regiment, 1883, Neudruck 1969; Grabner, A., Zur Geschichte des zweiten Nürnberger Regimentes, 1903, Neudruck 1965; Das Wappenbuch des Reichsherolds Caspar von Sturm, bearb. v. Arndt, J., 1984; Roll, C., Das zweite Reichsregiment, 1996

Reichsregister

Lit.: Das Reichsregister König Albrechts II., bearb. v. Koller, H., 1955

Reichsritter ist im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) der dem Reich unmittelbar verbundene Ritter. Er erscheint seit dem frühen 15. Jh. (1422), organisiert sich seit etwa 1540 in drei 1577 vereinigten Ritterkreisen (Schwaben, Franken, Rhein) mit 14 Kantonen und muss 1802/1803/1805 die Mediatisierung (von etwa 1730 Rittergütern mit 450000 Einwohnern) in den Territorien hinnehmen. Der R. ist dem Kaiser unmittelbar unterstellt und unterliegt keiner Landeshoheit. Im Reichstag ist der R. nicht vertreten.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130, 132; Roth von Schreckenstein, C., Geschichte der ehemals freien Reichsritterschaft, Bd. 1f. 1859ff.; Eberbach, O., Die deutsche Reichs­ritterschaft, 1913; Ruch, W., Die Verfassung des Kantons Hegau-Allgäu-Bodensee, 1955; Riedenauer, E., Kontinuität und Fluktuation im Mitgliederstand der fränkischen Reichsritterschaft, Gesellschaft und Herrschaft (FS Karl Bosl) 1969, 225; Inventar des Archivs der niederrheinischen Reichsritterschaft, bearb. v. Böhn, G., 1971; Danner, W., Die Reichsritterschaft im Ritterkantonsbezirk Hegau, 1971; Hellstern, D., Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, 1971; Mauchen­heim, H. v., Des Heiligen römischen Reichs unmittelbar freie Ritterschaft zu Franken Ort Steigerwald, 1972; Stetten, W. v., Die Rechtsstellung der unmittelbaren freien Reichsritterschaft (Odenwald), 1973; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982; Adel in der Frühneuzeit, hg. v. Endres, R., 1991; Ulrichs, C., Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft, 1997; Riedenauer, E., Fränkische Landesgeschichte und historische Landeskunde, 2001; Neumaier, H., Dass wier khein annder Haupt …, 2005

Reichsschluss (lat. conclusum [N.] imperii) ist der nach Zustimmung des Kaisers zu den Ergebnissen der Beratung der Reichsstände entstehende Gesetzesbeschluss des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), der dem → Reichsabschied vorausgeht.

Lit.: Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des Heiligen römischen Reichs in den Reichsschlüssen, 1970

Reichssiegel ist das vom Herrscher oder anderen Organen für das → Reich verwendete Siegel.

Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914, Neudruck 1969; Posse, O., Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, Bd. 1ff. 1909ff.; Battenberg, F., Das Hofgerichtssiegel, 1979

Reichsstaatsrecht → Reichspublizistik, Staatsrecht

Lit.: Quellensammlung zum deutschen Reichsstaats­recht, hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984

Reichsstadt ist im Heiligen Römischen → Reich (deutscher Nation) die dem Reich bzw. Kaiser unmittelbar, d. h. nicht mittels eines Landesherrn unterstehende → Stadt. Sie ent­steht seit der Stauferzeit des 13. Jh.s. Die R. kann dauerhaft die Ratsverfassung sichern und die stadtherrlichen Rechte an sich bringen. Zeitweise gibt es bis zu 125 Reichsstädte (z. B. Regensburg, Nürnberg, Speyer, Worms, Besançon, Frankfurt am Main, Wetzlar, Dortmund), die zusammen (gefestigt seit 1648) den dritten → Reichsstand im Reichstag bilden (schwäbische Städtebank mit Vorsitz Ulms, rheinische Städtebank mit Vorsitz Kölns). In der frühen Neuzeit geht die Zahl zugunsten der Territorialstaaten zurück (1792 51, davon 47 rechtsrheinisch). 1803 werden die meisten (45) noch verbleibenden Reichsstädte mediatisiert (dabei 15 an Bayern, 9 an Württemberg, 7 an Baden). Die letzten Überreste bilden 1803 Frankfurt am Main (bis 1866), Hamburg, Bremen, Lübeck (bis 1937), Augsburg (bis 1806), und Nürnberg (bis 1806), in der Gegenwart die Stadtstaaten Bremen und Hamburg.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 111, 132, 148; Hugo, G. W., Die Mediatisierung der deutschen Reichsstädte, 1838; Hugo, G. W:, Das Gebiet der deutschen Reichsstädte, 1844; Ehrentraut, M., Untersuchungen über die Frage der Frei- und Reichsstädte, 1902; Müller, K., Die oberschwäbischen Reichsstädte, 1912; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962; Laufs, A., Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg, 1969; Eitel, P., Die oberschwäbischen Reichsstädte im Zeitalter der Zunftherrschaft, 1970; Maier, W., Stadt und Reichsfreiheit, 1972, Buchstab, G., Reichsstädte, Städtekurie und westfälischer Friedenskongress, 1976; Heitzenröder, W., Reichsstädte und Kirche in der Wetterau, 1982; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Redies, R., Reichsstädte im deutschen Südwesten, 2004; Krischer, A., Reichsstädte in der Fürstengesellschaft, 2006; Das Ende der kleinen Reichsstädte 1803 im süddeutschen Raum, hg. v. Müller, R. u. a., 2007

Reichsstand ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das auf dem Reichstag vertretene Kollegium (Kurfürsten [1356], [Reichs-]Fürsten, Reichsstädte [1471]). Am Ende des 18. Jh.s gibt es bei drei Reichsständen 9 → Kurfürsten, 33 geistliche und 61 weltliche Fürstentümer, 2 Prälaten­bän­ke (40 Mitglieder), 4 Grafen- und Herren­bänke (103 Mitglieder) (→ Reichsfürsten) und 2 Städtebänke (51 Mitglieder) (→ Reichsstädte). Bis 1806 ist die Frage, wer Reichsstandschaft erwerben kann, umstritten.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 148, 150; Moser, J., Von der Landeshoheit der teutschen Reichsstände, 1773; Reuter, R., Der Kampf um die Reichsstandschaft der Städte, 1919; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches Reich, Bd. 1 1967; Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft, 1971; Reichs­stände und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Decker, K., Frankreich und die Reichsstände, 1981; Rheden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Kloster­herrschaft, 1982; Wild, W., Steuern und Reichsstand­schaft, 1984; Krieger, K., König, Reich und Reichs­reform, 1992; Reichsständische Libertät, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1999; Ackermann, J., Verschul­dung, Reichsdebitverwal­tung, Mediatisierung, 2004

Reichsstatthalter ist im Dritten Reich seit 7. 4. 1933 der über die Landesregierung gestellte Vertreter des Reichskanzlers, der die Landesregierung ernennt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 232; Baltl/Kocher

Reichssteuer ist die dem → Reich zustehende → Steuer. Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) ist der Versuch, allgemeine Reichssteuern einzuführen, erfolglos. Im zweiten Deutschen Reich gelingt er seit 1881 (Stempelsteuer, 1902 Schaumweinsteuer, 1906 Erbschaftsteuer u. a., 1913 außergewöhnliche Einkommensteuer, 1916 Vorläufer der Um­satzsteuer, 1917 Beförderungsteuer).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 148, 196; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Müller, H., Reichssteuern und Reichsreform­bestrebungen, 1880; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/3; Gerlot, W., Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen Reichs, 1913; Bussi, E., Il diritto pubblico del sacro Romano impero, Bd. 2 1959; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern, ZHF 2 (1975), 43; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1

Reichsstift ist das besondere → Stift des Reichs.

Lit.: Kellner, W., Das Reichsstift St. Bartholomäus zu Frankfurt am Main, 1962; Rauch, G., Pröpste, Propstei, und Stift von St. Bartholomäus in Frankfurt, 1975

Reichsstrafgesetzbuch ist das 1871 aus dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und damit aus dem preußischen, stark vom französischen Code pénal beeinflussten Strafgesetzbuch von 1871 entwickelte Straf­gesetzbuch des Deutschen Reichs.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181

Reichsstraße ist die mit dem Reich besonders verbundene, dem überörtlichen Verkehr dienende → Straße. Aus ihr entwickelt sich (in der Bundesrepublik Deutschland 1949) die Bundesstraße.

Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Landau, G., Beiträge zur Geschichte der alten Heer- und Handelsstraßen in Deutschland, 1958

Reichssynode ist eine die Geistlichkeit des → Reichs erfassende → Synode.

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Reichstag ist das die Gesamtheit des Volkes repräsentierende, bei der Gesetzgebung mitwirkende Kollegialorgan des Reiches. Der R. des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) entwickelt sich aus der Einladung des Königs zwecks Rates und Hilfe an die Großen des Reichs an seinen Hof (Reichsver­sammlung [814-839 61, meist im Februar, Mai, Juni, August, September, Ok­tober, oft als lat. conventus oder placitum bezeichnet, meist zwischen Maas und Rhein, Dauer unterschiedlich, kein Forum der Reprä­sentation im modernen Sinne], Hoftag). Seit 1356 sollen sich dabei die Kurfürsten jährlich beim König versammeln (zwischen 1349 und 1471 80 Reichsversammlungen) . Möglich sind auch königslose Treffen. Seit dem frühen 15. Jh. gehen Kurfürsten und Reichsstädte aus Not Selbstverpflichtungen ein. Hinzu kom­men später Fürsten, Grafen und Herren. Kurz vor 1500 ist diese von oben ausgehende Entwicklung zu einem aus drei → Reichs­ständen gebildeten R. abgeschlossen und die Teilhabe an der Leitung des Reichs bis zu dessen Ende gesichert. Als bekannte Hoftage bzw. (ab 1470/1480) Reichstage werden dabei im Übrigen hervorgehoben die Hoftage bzw. Reichstage von (Aachen [802/3],) Augsburg (1529), (Frankfurt am Main ([1442]), Freiburg im Breisgau (1498), Köln (1512), Konstanz (1507), Lindau (1496), (Mainz [1085],) Nürnberg (1524), Regensburg (1532, seit 1663 Gesandten­kongress als immerwährender R.), (Roncaglia [1158],) Speyer (1526) und Worms ([1231,] 1495, 1521) (sowie Würzburg [1168]). Im 19. Jh. ist demgegenüber der R. in der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung von 1849 ein aus Staatenhaus und Volkshaus zusam­mengesetztes Organ, das aber nicht verwirklicht wird. In Österreich erscheint ein aus Senat und Abgeordnetenkammer bestehender R. in der Aprilverfassung des Innenministers → Pillersdorf vom 25. 4. 1848 (1860 Reichsrat).Am 22. 7. 1848 wird auf Grund dieser Verfassung in Wien ein aus einer gewählten Kammer bestehender R. eröffnet, der am 22. 10. 1848 nach Kremsier verlegt und durch kaiserliches Manifest am 4. 3. 1849 aufgelöst wird. Der in der Verfassung vom März 1849 vorgesehene R. wird nicht einberufen. 1860/1861 wird statt des Reichstags ein Reichsrat festgelegt. Im Nord­deutschen Bund (1867) und im zweiten Deutschen Reich (1871) ist R. die hinter Kaiser und Bundesrat an dritter Stelle stehende, durch Mehr­heitswahlrecht bestimmte Volksvertre­tung, die an der Gesetzgebung entscheidend mitwirkt. Am 28. 10. 1918 wird der Reichs­kanzler vom Vertrauen des Reichs­tages abhängig. 1933 überträgt das Ermächtigungs­gesetz das Gesetzgebungsrecht des Reichstags auf die Reichsregierung, woraufhin bis 1945 985 Regierungsgesetze und nur noch 8 Reichstagsgesetze (1933 1, 1934 1, 1935 3, 1937 1, 1939 2, Reichsgesetzblatt dieses Jahres mit Umfang von 2509 Seiten) verabschiedet werden. Am 27. 2. 1933 steckt wohl der niederländische Kommunist van der Lubbe das Gebäude des deutschen Reichstags in Brand.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 106, 110, 131, 135, 148, 177, 193, 194, 195, 230; Baltl/Kocher; Deutsche Reichstagsakten; Sammlung sämtlicher Drucksachen des Reichstages, 1871ff.; Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Bemmann, R., Zur Geschichte des deutschen Reichstages im 15. Jahrhundert, 1907; Borell, A., Die soziologische Gliederung des Reichsparlaments, Diss. phil. Gießen 1933; Stoltenberg, G., Der deutsche Reichstag, 1955; Aus Reichstagsakten des 15. und 16. Jahrhunderts, 1958; Tetleben, V. v., Protokoll des Augsburger Reichstages 1530, hg. v. Grundmann, H., 1958; Weber, H., Die Reichsversammlungen im ostfränkischen Reich 840-918, Diss. phil. Würzburg 1962; Deuerlein, E., Der Reichstag von 1871 bis 1933, 1962; Fürnrohr, W., Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963, 2. A. 1987; Schwarz, M., Mitglieder des Reichstages, 1965; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Becker, H., Der Speyerer Reichstag von 1570, 1969; Das Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars Felix Hornung vom Augsburger Reichstag 1555, hg. v. Lutz, H. u. a. 1971; Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 1ff. 1972ff.; Vocelka, R., Der Reichstag im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Wien 1974; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1974; Westphal, G., Der Kampf um die Freistellung auf den Reichstagen, 1975; Brandt, D., Die politischen Parteien, 1975; Rauh, M., Die Parlamentarisierung des Deutschen Reichs, 1977; Neuhaus, H., Reichstag und Supplikationsausschuss, 1977; Schubert, E., König und Reich, 1979; Moraw, P., Versuch über die Entstehung des Reichstages, (in) Politische Ordnung und soziale Kräfte im Alten Reich, hg. v. Weber, H., 1980, 1; Aulinger, R., Das Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980; Der Reichstag, 1981; Neuhaus, H., Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Regierung, Bürokratie und Parlament, hg. v. Ritter, G., 1983; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3; Der Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867-1870, bearb. v. Haunfelder, B. u. a., 1989 (466 Parlamentarier); Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden Reichstags, 1991; Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden Reichstags, 1991; Hubert, P., Uniformierter Reichstag, 1992; Martin, T., Auf dem Weg zum Reichstag, 1993; Härter, K., Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Hof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994; Speicher, S., Der Reichstag, 1995; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Bahar, A./Kugel, W., Der Reichstagsbrand, 2000; Biefang, A., Bismarcks Reichstag, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Statisten in Uniform, hg. v. Lilla, J., 2004; Annas, G., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004; Cullen, M., Der Reichstag, 2005; Handbuch der Reichstagswahlen 1890-1918, bearb. v. Reibel, C., 2007; Eichler, D., Fränkische Reichsversammlungen unter Ludwig dem Frommen, 2007; Kellerhoff, S., Der Reichstagsbrand, 2008

Reichstagsakten sind die in der Arbeit des → Reichstages des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) entstandenen, seit 1857 zur Veröffentlichung vorbereiteten Akten (zwischen 1376 und 1662).

Lit.: Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 1ff. 1867, Neudruck 1956f.; Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 1ff. 1972ff.; Deutsche Reichs­tagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 1ff. 1893ff., Neudruck 1962f.; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966

Reichstagsbrand ist der wohl von (dem niederländischen Kommunisten van der Lubbe als) einem Einzelnen verursachte Brand des Gebäudes des Deutschen Reichs­tages in Berlin am 27. 2. 1933, als dessen Folge von (Adolf → Hitler bzw.) dem Reichspräsidenten Hindenburg am 28. 2. 1933 durch Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat zahlreiche Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Tobias, F., Der Reichstagsbrand, 1962; Mommsen, H., Der Reichstagsbrand, Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964), 351

Reichsteilung ist die Aufteilung eines → Reiches. Im August 843 teilen die Söhne Lothar, Ludwig und Karl des fränkischen Kaisers Ludwig des Frommen in Verdun das Reich, woraus sich ungeplant (ab 887) die Entwicklung zu → Deutschland und → Frankreich ergibt.

Lit.: Köbler, DRG 76; Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichsteilung im Imperium Romanum, 1930; Der Vertrag von Verdun, hg. v. Mayer, T., 1943; Ganshof, F., Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Vertrages von Verdun, DA 12 (1956), 313

Reichsunmittelbarkeit ist die unmittelbare d. h. nicht durch einen anderen (Landesherrn) vermittelte Zugehörigkeit von Gütern oder Personen zum Heiligen römischen Reich (deutscher Nation). Sie entsteht ansatzweise im Hochmittelalter (13. Jh.). 1471 sieht die Kriegssteuerordnung vor, dass die der Verteidigung gegen die Türken dienende Reichssteuer durch den jeweiligen Landes­herrn von seinen Untertanen einzuheben ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die R. im Einzelfall festzulegen. R. haben → Kurfürsten, → Reichsfürsten, Reichsgrafen, → Reichs­städte, → Reichsritter und → Reichsdörfer. Persön­liche R. kommt Reichshofräten, Reichskam­mergerichtsasses­soren und Domkapi­teln wäh­rend der Sedisvakanz und Angehörigen reichs­ständischer Familien zu. Die R. endet 1806.

Lit.: Köbler, DRG 94, 110, 135; Moser, J., Von denen Teutschen Reichsständen, 1767, Neudruck 1967; Engelbert, G., Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 masch.schr.; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Müller-Ueltzhöffer, B., Der 500jährige Rechtsstreit des Klosters Neresheim, 2002

Reichsurteil → Reichsweistum

Reichsverfassung ist die Grundordnung eines → Reichs bzw. die formelle Verfassung eines Reichs seit dem 19. Jh. (z. B. 27. 3. 1849, 16. 4. 1871). → Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation), Deutsches Reich, Österreich, Kaiser, Reichstag

Lit.: Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, 1876; Jastrow, J., Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der Reichsverfassung, 1882; Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914; Beyerle, K., Zehn Jahre Reichsverfassung, 1929; Stengel, E., Die Quaternionen der deutschen Reichsverfassung, ZRG GA 74 (1957), 256; Dürig, G./Rudolf, W., Texte zur deutschen Verfassungs­geschichte, 2. A. 1979; Das Staatsrecht des Heiligen römischen Reichs deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Schmidt, G., Der Städtetag in der Reichsverfassung, 1984; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Grimm, D., Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988; Kröger, K., Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte, 1988; Buschmann, A., Reichsgrundgesetze und Reichsverfassung des Heiligen Römischen Reiches, FS H. Baltl 1998, 21; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002

Reichsversicherungsamt ist die oberste Behörde der → Sozialversicherung im zweiten Deutschen Reich seit 1884. Im März 1945 stellt das R. seine Tätigkeit ein. Nachfolger wird teilweise 1954 das Bundessozialgericht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Staatsbürger und Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., R., Bd. 1 1963; Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, Bd. 1 1979; Festgabe aus Anlass des 100jährigen Bestehens der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, hg. v. Deutschen Sozialrechtsverband, 1984

Reichsversicherungsordnung ist das die Sozialversicherungsgesetze des zweiten Deut­schen Reichs vom 15. 6. 1883 (Krankenversicherung), 6. 7. 1884 (Un­fallversicherung) und 22. 6. 1889 (Alters­versicherung und Invalidenversicherung) zusammenfassende Gesetz vom 19. 7. 1911. Die R. wird am Ende des 20. Jh.s abschnittsweise vom → Sozialgesetzbuch abgelöst.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 183; Rother, K., Die Reichsversicherungsordnung 1911, 1994

Reichsverwaltung

Lit.: Spangenberg, H., Die Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG GA 46 (1926), 231

Reichsverwaltungsgericht ist das nach jahrzehntelangem Drängen durch Erlass vom 3. 4. 1941 unter Zusammenlegung mehrerer Gerichte und Ämter (Oberwaltungsgericht Preußens, Verwaltungsgerichtshof [Öster­reichs], Reichsdienststrafhof u. a.) ohne Zu­ständigkeitwsveränderungen geschaf­fene o­berste Gericht der Verwaltungs­gerichtsbarkeit im Deutschen Reich. Seine Entscheidungen sind in zwei Bänden veröffentlicht. 1945 (bzw. formell am 10. 10. 1946) wird es aufgelöst. Funktionell folgt ihm das → Bundesverwal­tungs­gericht.

Lit.: Gulden, H., Das künftige Reichsverwaltungs­gericht, Diss. jur. Heidelberg 1928; Frank, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Deutsches Recht 1941, 1169; Gaiser, H., Das Reichsverwal­tungsgericht, Diss. jur. Tübingen 1948; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991

Reichsverweser ist der Verwalter eines → Reichs (z. B. Dänemark 1023/1024, Erzherzog Johann am 29. 6. 1848 für das geplante Deutsche Reich).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2. A. 1975, 623

Reichsvikar ist der Verwalter eines → Reiches. Im Hochmittelalter wird der R. zu einer festen Einrichtung für die Zeit zwischen dem Tod eines Königs und der Wahl des neuen Königs des deutschen Reiches. (z. B. 1276/1281 Pfalzgraf bei Rhein, 1356 auch der Herzog von Sachsen). Grundsätzlich muss der neue Herrscher alle Handlungen des Reichsvikars bestätigen.

Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Wendehorst, A., Das Reichsvikariat nach der Goldenen Bulle, 1951; Hermkes, W., Das Reichsvikariat in Deutschland, 1968; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; De vicariatus controversia, 2004

Reichsvogt ist der vom → Reich im Hochmittelalter zur Verwaltung von Reichsgut bestellte → Vogt (z. B. in Aachen, Wetzlar oder Goslar).

Lit.: Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, Diss. phil. Gießen 1928; Wilke, S., Das Goslarer Reichsgebiet, 1970; Flach, D., Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes, 1976

Reichsvogteistadt ist die bischöfliche Stadt des Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation), deren Vogtei das Reich hat (Augsburg, Konstanz, Basel, Chur).

Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte, 1967

Reichswald ist der seit dem Mittelalter dem → Reich zustehende Wald (z. B. Dreieich, Büdingen, Aachen, Kleve, Unterelsass, Kaiserslautern, Nürnberg).

Lit.: Zeyher, M., Der Schönbuch, 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957; Nieß, W., Die Forst- und Jagdgeschichte der Grafschaft Ysenburg, 1974; Rabus, I., Der Nürnberger Reichswald, 1974; Bäcker, H., Reichswald und Reichswaldgenossenschaft, Diss. jur. Mainz 1978

Reichswappen ist das Wappen eines → Reiches. Im 12. Jh. erscheint der → Adler im Wappen des Kaisers des Heiligen römischen Reiches. Am Ende des 13. Jh.s zeigt das vom Wappen des Königs geschiedene R. den schwarzen einköpfigen Adler im goldenen Schild. Seit 1400 wird der Doppeladler R. 1847/1848 übernimmt die Bundesversamm­lung den schwarzen Doppeladler. 1871 führt das zweite Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen Adler im goldenen Schild als R. ein.

Lit.: Korn, J., Adler und Doppeladler, Diss. phil. Göttingen, 2. A. 1976

Reichswehr ist die Bezeichnung des durch den Versailler Friedensvertrag auf 100000 Mann beschränkten Heeres des zweiten Deutschen Reiches (Gesetz v. 23. 3. 1921) bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. 3. 1935.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Vogelsang, T., Die Reichswehr und die Politik, 1959

Reichsweistum ist die von den Reichsfürsten im Mittelalter urteilsartig gegebene Entscheidung (z. B. Rhens 1338). Die Abgrenzung zum Urteil wie zum Gesetz ist zweifelhaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Franklin, O., Sententiae curiae regiae, 1870; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281

Reichswirtschaftsgericht ist die 1919 aus dem 1915 geschaffenen Reichsschiedsgericht für Kriegsbedarf hervorgegangene, 1920 in ein Gericht umgewandelte Behörde. 1941 geht das R. im → Reichsverwaltungsgericht auf.

Lit.: Jahn, J., Das Reichswirtschaftsgericht, 1940; Klin­ger, H., Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht, (in) Staatsbürger und Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., Bd. 1 1963, 103

Reichszivilprozessordnung → Zivilprozess­ordnung

Reims an der Vesle, aus dem römischen Durocortorum der Remer hervorgegangen, ist seit 290 Bistum, seit dem 8. Jh. Erzbistum. R. beansprucht die Stellung als Krönungsort des französischen Königs. Seit dem Hochmittel­alter tritt es als Machtmittelpunkt hinter → Paris zu­rück. Seit 1969 ist R. Sitz einer Universität.

Lit.: Brühl, C., Reims als Krönungsstadt des französischen Königs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1950; Devisse, J., Hincmar, archevêque de Reims, Bd. 1ff. 1972ff.; Desportes, P., Reims et les Remois, 1979; Kaiser, R., Bischofsherrschaft zwischen Königtum und Fürstenmacht, 1981

Reimvorrede ist eine gereimte Vorrede (z. B. des Sachsenspiegels).

Lit.: Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984

Reine Rechtslehre ist die auf der positivistischen Grundlage der neukantiani­schen Zuordnung der Rechtsnorm zum Sollen von Hans → Kelsen (1881-1973) bis 1934 entwickelte, alle nichtrechtlichen Elemente, insbesondere die politische Ideologie ausscheidende Rechtslehre. In ihr stellt die Rechtsordnung einen Erzeugungszusam­menhang von Rechts­normen dar, der sich letztlich auf eine hypothetische Grundnorm zurückführen lässt. Diese nicht gesetzte, aber vorausgesetzte hypothetische Grundnorm hat rechtser­zeugenden Charakter, der Zwangsakt als Endpunkt des Rechts­erzeugungsvorgangs nur rechtsanwendenden Charakter. Adolf J. Merkl überträgt die von Kelsnen für das Verfassungsrecht entwickelte Vorstellung auf das Verewaltungsrecht, Alfred verdross auf das Völkerrecht.

Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, 2. A. 1960; Schild, W., Die reinen Rechtslehren, 1975; Der Einfluss der reinen Rechtstheorien, Bd. 1ff. 1978ff.; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokra­tie bei Hans Kelsen, 1984

Reinhart Fuchs ist die nach 1192 von einem elsässischen Dichter geschaffene, das Verfah­ren des ausgehenden 12. Jh.s volkssprachig darstellende Dichtung.

Lit.: Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984

Reinigungseid ist der Eid des Beschuldigten, mit dem er seine Unschuld erweisen kann. Er entspricht einem Beweisrecht. Er verschwin­det mit dem 18. Jh.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loening, R., Der Reinigungseid bei Ungerichtsklagen im deutschen Mittelalter, 1880; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der Strafrechtspflege, 3. A. 1965

Reinkingk (Reinking), Dietrich (Theodor) (Windau in Kurland 10. 3. 1590-Glückstadt 15. 12. 1664), Gutsherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Marburg (Vultejus) und Gießen (Antonius) 1617 außerordent­licher Professor in Gießen, 1618 Hofrat, 1625 Vizekanzler und 1632 Kanzler (zuerst in Schwerin, 1636 in Bremen, 1648 in Schleswig und Holstein). Sein 1619 er­schienenes kaiserfreundliches Hauptwerk (lat. Tractatus [M.] de regimine seculari et ecclesiastico, Abhandlung über weltliche und kirchliche Herrschaft) räumt dem Kaiser Souveränität ein und wird damit seit 1648 der Wirklichkeit nicht mehr voll gerecht.

Lit.: Jessen, H., Biblische Policey, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1962; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995

reipersekutorisch (sachverfolgend)

Lit.: Köbler, DRG 19

reipus (lat.-afrk. [M.]) Reifgeld, Verlobungsgebühr, vor 819

Reise ist die Fortbewegung eines Menschen an einen anderen Ort außerhalb des Wirt­schaftsverkehrs.

Lit.: Drabek, A., Reisen und Reisezeremoniell der römisch-deutschen Herrscher im Spätmittelalter, 1964; Hans Dernschwam’s Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien (1553/55), 1923, hg. v. Babinger, F. 1923, Neudruck hg. v. Schnur, R., 1986; Paravicini, W., Die Preußenreisen des europäischen Adels, 1989; Unravelling Civilisation – European Travel and Travel Writing, hg. v. Schulze-Forberg, H., 2005; Prein, P., Bürgerliches Reisen im 19. Jahr­hundert, 2005

Rei vindicatio (lat. [F.]) ist die Herausgabe­klage des Eigentümers des klassischen rö­mischen Rechtes, bei welcher der nichtbe­sit­zen­de (zivile) Eigentümer dem besitzenden Nichteigentümer (z. B. Dieb) gegenübersteht, wobei neben der Herausgabe (Restitution) der Sache auch Sachschäden, Früchte, und Aufwendungen zu beachten sind. Aus der r. v. entwickelt sich im Hochmittelalter auch die zeitweise bedeutsame Unter­scheidung von → Ober­eigentum und Unterei­gentum. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 entspricht ihr § 985.

Lit.: Kaser §§ 4 I 1a, 21 I 2b, 22 II, 27 I, 59 II 7b, 81 II 1, 83 II 5; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 48, 61, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 174, 191, 294, 297, 307; Pennitz, M., Der „Enteignungsfll“ im römischen Recht, 1991; Wimmer, M., Besitz und Haftung des Vindikationsbeklagten, 1996

Rekkesvind (Reccesvinth) ist der für die Fortbildung der (lat.) → Lex (F.) Visigotho­rum bedeutsame westgotische König (653-672).

Lit.: Köbler, DRG 80, 82; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989

Reklamationsrecht (N.) Beschwerderecht beim fränkischen König

Lit.: Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981

Rekognitionszins (M.) Anerkennungszins

Rektor ist der Leiter, insbesondere der Leiter einer Universität.

Lit.: Köbler, Jurist; Schwinges, R., Rektorwahlen, 1992

Rekuperator → (lat.) recuperator (M.)

Relation (lat. [F.] relatio) ist aus dem römisch-kanonischen gelehrten Prozessrecht kommend in der Neuzeit der Bericht im Rahmen der juristischen Tätigkeit. Die R. besteht im Zivilverfahrensrecht aus der Erzählung der un­streitigen Tatsachen, der Prozessgeschichte einschließlich der Beweise und einem Ent­scheidungsvorschlag. Für die Besetzung von Stellen am Reichskam­mergericht wird 1570, für die Besetzung einer Oberratsstelle in Württemberg wenig später die Erstellung einer Proberelation vorgesehen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Koch, C., Anleitung zum Referieren bei preußischen Gerichtshöfen, 2. A. 1836; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Flasch, K., Das philosophische Denken, 1986

relativ (verhältnismäßig) z. B. Mehrheit, Naturrecht, Unwirksamkeit

Religion ist das Ergriffenwerden vom Göttlichen. Indogermanen, Römer und Germanen kennen in ihrer R. eine Vielzahl von an Naturerscheinungen angelehnten, durch menschenähnliche Züge gekenn­zeichneten Göttern, die an unterschiedlichen Orten verehrt werden. Seit dem 1. Jh. n. Chr. breitet sich im römischen Weltreich die von Jesus Christus auf jüdischer Grundlage gestiftete christliche, auf einen einzigen, Gerechtigkeit verwirklichenden Gott ausge­rich­tete R. aus, die zur Staatsreligion wird und seit dem 3./4. Jh. auch auf die Germanen über­greift. Zwischen der Taufe Chlodwigs (zwischen 497 und 507) und der Salbung Pippins des Jüngeren zum König (751) erlangt die christliche R. im Frankenreich eine beherrschende Stellung. Glaubenssätze verän­dern in vielfacher Weise das hergebrachte Recht. Seit dem Hochmittel­alter wird abstrakt auch in weltlicher Sicht das (angeblich gute, alte) → Recht auf Gott zurückgeführt. Mit der Reformation Martin → Luthers (1517) begin­nen grundsätzliche Zweifel an der selb­verständlichen Richtigkeit religiöser Aussa­gen. Die Aufklärung wendet sich allgemein gegen unkritisch akzeptierte Dogmen. Seit dem 19. Jh. wird der Einfluss der R. auf das Recht zurückgedrängt (→ Kulturkampf) und die Trennung von Kirche und Staat bejaht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s dringt die Vorstellung einer multikulturellen Gesell­schaft vor.

Lit.: Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen, 9. A. 1980; Heck, E., Der Begriff religio, 1971; Heiler, F., Die Religionen der Menschheit, 4. A. 1982; Feil, E., Religion, 1986; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Ruthmann, B., Die Religionsprozesse am Reichskammergericht, 1996; Kippenberg, H., Die Entdeckung der Religionssgeschichte, 1997; Religion in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Betz, H. u. a., 4. A. Bd. 1f. 1998ff.; Handbuch der Religionsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., Bd. 1ff. 1999ff.; Küng, H., Die Weltreligionen auf dem Weg, 1999; Zwischen Krise und Alltag, hg. v. Batsch, C. u. a., 1999; Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffarth, J. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Rémond, R., Religion und Gesellschaft in Europa, 2000; Feil, E., Religio, Bd. 3 2000; Müller-Karpe, H., Grundzüge antiker Menschheitsreligion, 2000; Rüpke, J., Die Religion der Römer, 2001; Religion in den germanischen Provinzen Roms, hg. v. Spickermann, W., 2001; Elsas, C., Religionsgeschichte Europas, 2002; Ohlig, K., Religion in der Geschichte der Menschheit, 2002; Heckel, M., Der Rechtsstatus des Religionsunterrichts, 2002; Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K., 2002; Kippenberg, H./Stuckrad, K. v., Einführung in die Religions­wissenschaft, 2003; Oberste, J., Zwischen Heiligkeit und Häresie, 2003; Multireligiosität im vereinten Europa, hg. v. Lehmann, H., 2003; Spieckermann, W., Germania superior, 2003; Heinig, H., Öffentlich-rechtliche Religionsgesell­schaften, 2003; Angenendt, A., Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, 2003; Graf, F., Die Wiederkehr der Götter, 2004; Quack, A., Heiler, Hexer und Schamanen, 2004; Religionen der Welt, hg. v. Bowker, J., 2004; Scharfe, M., Über die Religion, 2004; Religionen und Kulturen der Erde, hg. v. Grabner-Haider, A./Prenner, K., 2004; Religion und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Hartmann, P., 2004; Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffahrt, C. u. a., 2004; Antes, P., Grundriss der Religionsgeschichte, 2006; Religiöse Prägung und politische Ordnung in der Neuzeit, hg. v. Löffler, B./Ruppert, K., 2006; Rüpke, J., Historische Religionswissenschaft, 2007; Religiöse Bewegungen im Mittelalter, hg. v. Bünz, E. u. a., 2007; Die Religion des Imperium Romanum, hg. v. Cancik, H. u. a., 2008; Römische Religion im Wandel, hg. v. Bendlin, A. u. a., 2008; Medien religiöser Kommunikation im imperium Romanum, hg. v. Schörner, G. u. a., 2008; Imperium et comitatus - Das Reich und die Religion, hg. v. Nitschke, P. u.- a., 2009

Religionsfreiheit ist die Freiheit der Religion und ihrer Ausübung. Die R. entwickelt sich seit der → Reformation Martin → Luthers. 1526, 1552 bzw. 1555 wird sie den Landesherren zuerkannt. 1648 wird sie auf das reformierte Bekenntnis ausgedehnt. 1788 gewährt Preußen im sog. Wöllnerschen Religionsedikt persönliche Gewissensfreiheit, 1803/1818 Bayern, 1818 Baden, 1819 Württemberg und 1831 das Kurfürstentum Hessen. Allerdings bleibt bis 1918 die R. ein Recht des Einzelnen gegenüber dem andersgläubigen Staat. Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 begründet dann allgemeine R. (Bekennt­nisfreiheit, Kultusfreiheit, religiöse Vereini­gungs­frei­heit).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Fürstenau, H., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1891, Neudruck 1975; Listl, J., Das Grundrecht der Religionsfreiheit, 1971; Lutz, H., Zur Geschichte der Toleranz und Reli­gionsfreiheit, 1977; Zippelius, R., Religionsfreiheit, Staat und Kirche, 1997; Religionsfreiheit und Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007; Kaupisch, J., Das Grundrecht der Religionsfreiheit in seiner historischen Entwicklung, 2008

Religionsfriede ist der zur Beendigung eines Religionskrieges vereinbarte Friede (z. B. Augsburger R. vom 25. 9. 1555).

Lit.: Wolf, G., Der Augsburger Religionsfriede, 1890; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfrieden und das Reichskammergericht, 1976; Der Augsburger Reli­gionsfriede, hg. v. Wüst, W. u. a., 2005; Wolgast, E., Religionsfrieden als politisches Problem der frühen Neuzeit, HZ 282 (2006), 59; Religionsfreiheit und Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007

Religionsgmeinschaft ist die Gemeinschaft der Anhänger einer Religion zu deren Ausübung unabhängig von einer besonderen öffent­lichrechtlichen Stellung.

Religionskrieg ist der wegen der → Religion geführte → Krieg (z. B. 1419-36 Hussiten­kriege, 1547 Schmalkaldischer Krieg, Dreißigjähriger Krieg 1618-48).

Lit.: Köbler, DRG 95, 130; Religionskriege im alten Reich und in Alteuropa, hg. v. Brendle, F. u. a., 2006

Religionsmündigkeit ist die → Mündigkeit in Religionsangelegenheiten. Nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 erlangt das Kind mit 10, 12 und 14 Jahren stufenweise R.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Religionsverbrechen ist die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Zeiten gegen die jeweilige → Religion ge­richtete, mit einer Strafe verfolgte Handlung (z. B. Zauberei u. a.).

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 1; Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941

Religiöse Kindererziehung ist die Erziehung von Kindern in Religionsangelegenheiten. Im Mittelalter ist die christliche r. K. durch die Eltern unstreitig. Dementsprechend verbietet es die Kirche, Judenkinder gegen den Willen ihrer Eltern zu taufen. Zum Problem wird die r. K. mit der Reformation und der Aufklärung. Hier entwickelt sich der Grundsatz, dass in glaubensverschiedenen Ehen zunächst die zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung, hilfsweise die Religion des Vaters entscheidet (Preußen 1803, dagegen das Geschlecht des Kindes nach dem Allgemeinen Landrecht von 1794). Nach Landesrecht entstehen bis 1921 31 verschiedene Rechtsgebiete. Mit Reichsgesetz vom 15. 7. 1921 wird eine 1939 auch auf Österreich erstreckte einheitliche Regelung getroffen, wonach beide Eltern die r. K. gemeinsam bestimmen, nach Vollendung des 12. Lebensjahres das Kind nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden kann und nach Vollendung des 14. Lebensjahres das Kind über seine Religion selbst bestimmen kann.

Lit.: Hübler, B., Die religiöse Erziehung der Kinder, 1888; Roth, H., Die religiöse Kindererziehung nach schweizerischem Recht, Diss. jur. Zürich 1920; Pfordten, v. d. T., Gesetz über die religiöse Kin­dererziehung, 1922; Kammerloher-Lis, S., Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung, 1999

Reliquie ist in der christlichen → Religion ein Überrest eines herausgehobenen Menschen (z. B. eines Heiligen). Die Verehrung einer R. wird vermutlich seit dem 4. Jh. in der westlichen christlichen Kirche aus älteren Ansätzen (z. B. Heroenverehrung in Griechenland) übernommen. Sie gewinnt im Mittelalter große Bedeutung. In der Gegenwart ist sie fragwürdig (z. B. bei Windel Christi, Grabtuch Christi u. a.), weil sie zu oft von heuchlerischen Geschäfte­machern zu Lasten der Armen und Schwa­chen zu Wallfahrtsrummeln missbraucht wird.

Lit.: Pfister, F., Der Reliquienkult im Altertum, 1909ff.; Heinerth, H., Die Heiligen und das Recht, 1939; Braun, J., Die Reliquiare des christlichen Kultus, 1940; Angenendt, A., Heilige und Reliquien, 1994; Mayr, M., Geld, Macht und Reliquien, 2000; Von goldenen Gebeinen, hg. v. Mayr, M., 2001

Remissorium (N.) ist das knappe, alphabetisch geordnete Nachschlagwerk (Inhaltsverzeichnis) des 15. Jh.s hauptsächlich zum sächsischen Recht (z. B. das in 19 Handschriften von 1452 bis 1472 überlieferte R. des Dietrich von Bocksdorf, das R. des Tammo von Bocksdorf, das R. des Kaspar Popplau, das R. Zu fromen und bequemikeit, das R. (lat. [F.] Summa totius Brodii (Summe des ganzen Brodius) oder das R. zum Meißener Rechtsbuch).

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 78

Renaissance (Wiedergeburt) ist die kulturelle Wiederanknüpfung an das Vorbild des Altertums zu Beginn der Neuzeit. Die R. nimmt ihren Ausgang von Italien. Von einer karolingischen R. wird für die Zeit Karls des Großen gesprochen, von einer R. des 12. Jh.s für die Zeit der Staufer.

Lit.: Köbler, DRG 79, 135; Burckardt, J., Die Kultur der Renaissance in Italien, 1859, 10. A. 1976; Burckhardt, J., Die Kultur der Renaissance in Italien, hg. v. Günther, H., 1989; Andersen, E., The Renaissance of Legal Science after the Middle Ages, 1974; Die Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, hg. v. Weimar, P., 1969, 1981; Burke, P., Die Renaissance in Italien, 1984; Lexikon der Renaissance, hg. v. Gurst, G. u. a., 1989; Cortese, E., Il Rinascimento giuridico medievale, 1992; Maclean, I., Interpretation and meaning in the renaissance, 1992; Hale, J., Die Kultur der Renaissance, 1994; Das 16. Jahrhundert, hg. v. Kuester, E., 1995; Lexikon der Renaissance (CD-ROM), hg. v. Gurst, G., 1996; Burke, B., Die europäische Renaissance, 1998; Die Renaissance und ihre Antike, hg. v. Rudolph, E., 1998; Lexikon der Renaissance, hg. v. Münkler, R. u. a., 2000; Reinhardt, V., Die Renaissance in Italien, 2002; Das Zeitalter der Renaissance, hg. v. Carbonell, C. u. a., 2003; The Renaissance, hg. v. Martin, J., 2003; Burke, P., Die europäische Renaissance, 2005; Günther, H., Was ist Renaissance?, 2009

Rendsburg

Lit.: Kaack, H., Die Ratsverfassung und –verwaltung der Stadt Rendsburg, 1976

Renner, Karl (Unter Tannowitz in Südmähren 14. 12. 1870-Wien 31. 12. 1950), Winzerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Bibliothekar und sozialdemo­kra­ti­scher/austromarxistischer Po­litiker (1907 Abgeordneter), von Oktober 1918 bis März 1919 Leiter der Staatskanzlei, von März 1919 bis Juni 1920 Regierungschef (Staatskanzler, Schöpfer der provisorischen Verfassung, Unterzeichner des Friedensvertrags von Saint Germain, Initiator des Habsburgergesetzes) und von 1931 bis 1933 Nationalratspräsident (Rücktritt am 4. 3. 1933). Er befürwortet 1938 den → Anschluss an das Deutsche Reich und 1945 als Staatskanzler einer provisorischen Regierung die Wiederherstellung (Unabhän­gig­keits­erklä­rung) der Republik Österreich, deren Präsident er von 1945 bis 1950 wird.

Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 280; Schmitz, G., Karl Renners Briefe aus Saint Germain, 1991

renovatio (lat. [F.]) Erneuerung (z. B. renovatio imperii [Romanorum], Erneuerung des römischen Reichs im Mittelalter [vom Papst als eine von ihm - nicht zwingend dem deutschen König - zu übertragende Aufgabe angesehen)

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schramm, P., Kaiser, Rom und Renovatio, Bd. 1 1929; Charlemagne’s Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990

Rente ist das auf Vermögen, Versi­cherungs­anspruch oder Versorgungsan­spruch beru­hende Einkommen. Die privat­rechtliche R. entsteht im Hochmittelalter aus der Vereinbarung, dass vom Renten­schuldner auf eine gewisse Dauer regelmäßige Leistungen an den Renten­gläubiger zu erbringen sind. Diese Vereinbarung wird vielfach bei Zahlung bzw. Hingabe einer Geldsumme (Kapital) geschlos­sen und ersetzt bis zur Aufhebung des kanonischen Zinsverbots das ver­botene ver­zins­liche → Darlehen. Sie kann als Reallast so mit einem Grundstück verknüpft sein, dass dessen jeweiliger Eigentümer als jeweiliger Verpflichteter erscheint. Vielleicht ist sie aus der Erbleihe entstanden (str.). Bei der Verpflichtung ist zwischen der auf Dauer angelegten, nicht durch Erfüllung tilgbaren Stammverpflich­tung und der zum jeweiligen Fällig­keits­zeitpunkt erzeugten selbständigen Einzelver­pflichtung zu unterscheiden. Die Einzelver­pflichtung kann auf Geld oder Naturalleistung lauten. Die wichtigste Erscheinungsform die­ser privatrechtlichen R. ist die → Leibrente. Die → Ewigrente kann nur unter besonderen Umständen (z. B. Verzug, Wiederkaufsrecht, einverständliche Auflösung, Gesetz) enden. Mit dem Vor­dringen des verzinslichen Darlehens und der Hypothek tritt die privatrechtliche R. seit dem 18. Jh. zurück. Die sozialversiche­rungs­rechtliche R. entsteht seit 1881 (Bis­marcksche Sozialversicherungs­gesetzgebung) als öffentlichrechtlicher An­spruch des (zwangsweise) Sozialversicherten gegen den Sozialversicherungsträger im Sozial­versicherungsfall (Krankheit, Unfall, Invalidi­tät, Alter).

Lit.: Hübner 195; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125, 135; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG GA 7 (1886), 116; Stern, M., Das zweite Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von 1320-1350, 1935; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961; Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung, hg. v. Fisch, S. u. a., 2000

Rentenbank ist das im 19. Jh. geschaffene landwirtschaftliche Kreditinstitut, das den von grundherrschaftlichen → Hintersassen zu Eigentümern gewordenen Bauern die Tilgung ihrer Entschädigungsverpflichtung durch langfristige verzinsliche Darlehen ermöglicht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 174

Rentengrundherrschaft ist die seit dem Hochmittelalter von Naturalleistungen auf Geldleistungen umgestellte Grundherrschaft, in welcher der Nebenhof vom Haupthof gelöst und Land auf Zeit gegen Geld verpachtet wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96

Rentenkauf ist das der Begründung der privatrechtlichen → Rente durch Hingabe einer Geldsumme („Kauf“) dienende, seit dem Hochmittelalter sichtbare Rechtsgeschäft. R. ist daneben auch der kaufweise erfolgende Erwerb einer bereits bestehenden Rente.

Lit.: Hübner 395; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Rörig, F., Kündigungsrecht des Rentners beim Rentenkauf, ZRG GA 57 (1937), 451, Cremer, O., Der Rentenkauf im mittelalterlichen Köln, Diss. jur. Köln 1937; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschafts­ethik, 1961; Gabrielsson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäfte, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt, 1974; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975; Schmelzeisen, G., Zinsvertrag und Rentenkauf, ZRG GA 95 (1978), 229

Rentenschuld ist die im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) zugelassene, in der Weise bestellte Grundschuld, dass in regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist.

Lit.: Köbler, DRG 213; Hensel, R., Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006

Rentenwirtschaft → Rentengrundherrschaft

Renuntiation ist der Verzicht auf eine rechtliche Möglichkeit. Vom 13. Jh. bis zum 17. Jh. erscheinen in Urkunden zahlreiche Renuntiationsklauseln, in denen auf → Einreden des römischen Rechtes (z. B. Arg­listeinrede, Nichtzahlungseinrede) verzichtet wird. Ihre weite Verbreitung könnte dadurch ermöglicht sein, dass der Verzicht auf Rechte als solcher bereits unabhängig vom römischen Recht bekannt ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211

Reparation (F.) Kriegsschadensersatzleistung

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Liesem, K., Die Reparations­verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg unter besonderer Berück­sichtigung der Zwangsarbeiterentschädigung, 2005

repetundae (lat. [F.Pl.]) bei Provinzausbeutung Zurückzuverlangendes

Lit.: Kaser § 8 IV 2; Köbler, DRG 34

replicatio (lat. [F.]) Gegenrede (z. B. des Klägers im [lat.] iudicium stricti iuris, dass eine [lat.] exceptio des Beklagten wegen einer Vereinbarung oder wegen Arglist des Beklagten oder wegen Verkaufs und Übergabe einer Sache nicht berücksichtigt werden darf)

Lit.: Kaser §§ 82 II 4c, 83 II 11

Replik (zu lat. [F.] replicatio) ist die Entgeg­nung des Klägers auf eine prozesshindernde Einrede des Beklagten im Zivilverfahren vor dem → Reichskammergericht (Kameralpro­zess). Im 19. Jh. wendet sich die R. auch gegen die Begründetheit der Klage.

Lit.: Köbler, DRG 155; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 162

Report (M bzw. N.) nichtamtliche Aufzeichung von Verhandlungen in den Gerichtshöfen des englischen Königs in Westminster durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536

Lit.: Year Books (Edwards II. 1307-1327), Bd. 1ff. 1903ff.

Repräsentation ist die Verkörperung einer Gesamtheit durch Vertreter. Auf kirchlicher Grundlage erscheint R. im 13. Jh. als die R. der Herrschaft Gottes in der Monarchie. Von den Vertretern des Mehrheitsprinzips wird R. durch Papst und Konzil vertreten. Bodin geht von der R. des Staates durch den Monarchen aus. Demgegenüber werden die Stände in den Ländern des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) erst spät als R. des Volkes angesehen. In England unterscheidet bereits John Locke zwischen R. durch den König und R. durch die beiden Kammern des Parla­mentes. In Frankreich tritt die R. der Nationalversammlung 1789 an die Stelle und 1791 neben die R. durch den König. In den Staaten des Deutschen Bundes ist die Frage der R. streitig.

Lit.: Hübner 766; Kroeschell, DRG 2; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 509; Brandt, H., Landständische Repräsentation im Vormärz, 1968; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Representative Institutions, 1971; Hofmann, H., Repräsentation, 1974, 3. A. 1998, 4. unv. A. 2003; Bosl, K., Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, 1974; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, 1979; Hartmann, V., Repräsentation in der politischen Theorie und Staatslehre in Deutschland, 1979; Neuhaus, H., Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Kimme, J., Das Repräsentativsystem, 1988; Höfische Repräsentation, hg. v. Ragotzky, H. u. a., 1990; Vec, M., Zeremonialswissenschaft im Fürstenstaat, 1997; Die Repräsentation der Gruppe, hg. v. Oexle, G., u. a., 1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 3. A. 2000; Dillinger, J., Die politische Repräsentation der Landbevölkerung, 2008

Repräsentationsrecht (N.) Eintrittsrecht

repräsentativ (Adj.) würdig, typisch, stellvertretend, Repräsentation betreffend

Repräsentativsystem ist das die Teilnahme der Herrschaftsunterworfenen an allen wichtigen Entscheidungen durch eine aus Repräsentanten gebildete Vertretungskörper­schaft ermöglichende politische System. Vom R. wird in den (flächenmäßig sehr großen und verkehrsmäßig schlecht erschlossenen) Ver­einigten Staaten von Amerika seit dem ausgehenden 18. Jh., in den Staaten des Deutschen Bundes seit der Mitte des 19. Jh.s gesprochen. Das R. wird zumeist durch ein periodisch gewähltes → Parlament ver­wirklicht (mittelbare Demokratie), das danach andere Staatsorgane bestimmt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Kimme, J., Das Repräsentativsystem, 1988

Repressalie ist die Beantwortung einer Rechtsverletzung mit einer gleichwertigen, angemessenen, auf die Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustandes gerichteten Maßnahme. Die R. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie wird seit dem Spätmit­telalter juristisch erfasst (Bartolus, Francisco de Vitoria, Grotius). Das 19. Jh. schränkt die R. in zweiseitigen Abkommen und in der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 ein.

Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner, ZRG GA 56 (1936), 150; Hohl, F., Bartolus de Saxoferrato: tractatus repressaliarum, Diss. jur. Bonn 1954 masch.schr.; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Republik (lat. res [F.] publica) ist im römischen Recht die Gesamtheit der Angelegenheiten von allgemeinem Nutzen. Bereits das Altertum kennt aber auch R. als einen die Staatsform enger kennzeichnenden, der Monarchie entgegengesetzten Begriff (Aristoteles, Cicero). Dieser wird im Hoch­mittelalter aufgenommen (Ptolemäus von Lucca) und von → Machiavelli (1469-1527) dem Fürstentum gegenübergestellt (allgemei­ner noch Bodin 1576). Mit dieser Staatsform verknüpft → Montesquieu wiede­rum Gemeinsinn, Vaterlandsliebe und Ge­setzestreue. Der in Frankreich 1792 verwirklichten R. folgen nach dem geschei­terten Versuch von 1848 das Deutsche Reich und Österreich 1918. Allerdings tritt die Frage der äußeren Staatsform insgesamt als weniger bedeutsam hinter dem Gesichtspunkt der Herrschaft des Volkes durch eine Repräsen­tativverfassung zurück. Der bloße Name R. verbürgt auch keineswegs Rechtsstaatlichkeit (→ Deutsche Demo­kratische Republik).

Lit.: Söllner §§ 2, 6, 9, 12; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 18, 170, 171, 220, 230, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 549; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Christ, K., Krise und Untergang der römischen Republik, 1979, 5. A. 2007, 6. A. 2008; Bleicken, J., Die Ver­fassung der römischen Republik, 7. A. 1995; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokrati­sche Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Kolb, B., Die Weimarer Republik, 1984; The Invention of the Modern Republic, hg. v. Fontana, B., 1994; Bleicken, J., Geschichte der römischen Republik, 5. A. 1999; Republikbegriff und Republiken seit dem 18. Jahrhundert, hg. v. Reinalter, H., 2000; Hölkeskamp, K., Rekonstruktionen einer Republik, 2004

Republikanischer Richterbund ist der 1922 zum Schutz der Weimarer → Republik gegen antirepublikanische Bestrebungen gegründete Bund von Richtern.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schulz, B., Der Republika­nische Richterbund (1912-1933), 1982

Republikanischer Schutzbund ist der 1923 als Gegenbewegung zu den konservativen Heim­wehren gegründete, 1928 etwa 80000 Mitglieder zählende, am 30./31. 3. 1933 durch die Regierung Dollfuß aufgelöste und nach dem Februar 1934 zerschlagene paramilitä­rische Wehrverband der sozialdemokra­ti­schen Partei Österreichs.

Lit.: Gieler, Die Wehrverbände in der ersten Republik, 1965

repudium (lat. [N.]) Verstoßung (der Ehefrau)

Lit.: Kaser § 58 VII 2a

Res (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Gegenstand bzw. das Rechtsobjekt (einschließlich der Sklaven, bei Gaius [um 160 n. Chr.] auch der Obligationen) bzw. das gesamte Vermögen (z. B. Erbschaft). Dement­sprechend gibt es eine (lat.) res corporalis (körperlicher Gegenstaqnd) und eine (lat.) res incorporalis (unkörperlicher Gegenstand). Eigen­tum ist nur an körperlichen res (Gegenständen [und Sklaven]) möglich. Der römische Begriff der r. corporalis ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, der weite, auch Unkör­perliches einschließende res-Begriff in das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) und grundsätzlich das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch Ös­terreichs (1811, § 285). Die res kann außerhalb des Privatrechtsverkehrs stehen (z. B. Luft, Meer, Tempel), kann res mancipi oder res nec mancipi, res mobilis (beweglich) oder res immobilis (unbe­weglich), verbrauchbar oder unver­brauch­bar, vertretbar oder unvertretbar, teilbar oder un­teilbar oder herrenlos sein.

Lit.: Kaser § 18 I; Köbler, DRG 30, 39; Köbler, LAW; Holthöfer, E., Sachteil und Sachzubehör im römischen und gemeinen Recht, 1972; Rüfner, T., Vertretbare Sachen? 2000

Res (F.) communis omnium (lat.) ist im römischen Recht die allen gemeinsame Sache (z. B. Luft, Regenwasser, Meer).

Lit.: Kaser § 18 I 2b

Res (F.) corporalis (lat.) körperliche Sache im Gegensatz zum unkörperlichen Gegenstand (lat. res incorporalis bei Gaius)

Lit.: Kaser § 19 I 1

Res (F.Pl.) cottidianae (lat.) ist eine von → Gaius (um 160 n. Chr.) geschaffene oder im 3. Jh. auf Grund von Gaius entstandene römischrechtliche Schrift, aus der Bruch­stücke in den Digesten überliefert sind.

Lit.: Dulckeit/Kaser/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52

Rescriptum (lat. [N.]) ist im nachchristlichen römischen Recht die Antwort des Prinzeps auf eine Anfrage, die bald als gesetzesgleich gilt.

Lit.: Kaser § 2 II 3a; Köbler, DRG 31

Res (F.) divini iuris ist die unter der Herrschaft der Götter stehende Sache des römischen Rechts (z. B. Tempel, Grabstätte, Stadttor, Grenzrain).

Lit.: Kaser § 18 I 2a

reservatio (F.) mentalis (lat.) geheimer Vorbehalt bzw. → Mentalreservation

Lit.: Kaser § 8 III

Reservatrecht ist in der frühen Neuzeit das dem Kaiser des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) vorbehaltene Recht.

Lit.: Köbler, DRG 147; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958

Reservatum (N.) ecclesiasticum (lat.) ist der geistliche Vorbehalt, dass bei einem Religionswechsel eines geistlichen Landesherrn der frühen Neuzeit der Grundsatz (lat.) → cuius regio, eius religio (Wessen Gebiet, dessen Religion) nicht gilt.

Lit.: Köbler, DRG 130

Res (F.) extra commercium (lat.) (Sache außerhalb des Rechtsverkehrs) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige Sache (z. B. [lat.] res divini iuris (Sache göttlichen Rechts wie Tempel), res communis omnium (gemeinsame Sache aller wie Luft, Meer), res publica (öffentliche Sache wie Straße, Wasserleitung).

Lit.: Kaser § 18 I 2; Evans Jones, R./MacCormack, G., The sale of the res extra commercium, ZRG RA 112 (1995), 330

Residenz (F.) Wohnort, Hauptstadt

Lit.: Residenz, hg. v. Andermann, K., 1992; Südwestdeutsche Bischofsresidenzen außerhalb der Kathedralstädte, hg. v. Press, V., 1992; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003

res (F.) iudicata (lat.) ausgeurteilte Sache, entschiedener Rechtsstreit

Lit.: Kaser § 84 II 1

Reskript (zu lat. [N.] rescriptum) ist das eine Rechtsansicht zu einer Rechtsanfrage enthaltende Schreiben des römischen Kaisers (in einem Einzelfall). Es wird im 5. Jh. vom Papst übernommen und bis in die Gegenwart beibehalten. Im weltlichen Recht wird das R. dagegen später nur ganz vereinzelt verwendet (z. B. Reskriptprozess vor dem Reichshofrat).

Lit.: Kaser § 87 IV; Söllner § 15; Gaudemet, J., La formation du droit séculier et du droit de l’église, 2. A. 1979; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 181

Res (F.) mancipi (lat.) ist seit dem altrömischen Recht die (in der Spätantike aufgegebene) handhabbare Sache (italisches Grundstück, Sklave, Rind, Pferd, Esel, Maulesel, Feldservitut [iter, actus, via, aquae­ductus, Weg, Trift, Fahrweg, Wasserleitung]). Nur für die r. m. ist die (lat. [F.]) → mancipatio (Handgreifung, Übertragung im Verfahren der Handgreifung) möglich. Formlose Übergabe (lat. [F.] traditio) begründet nur bonitarisches Eigentum.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1c, 18 I 3a, 22 II 2b; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 40, 60

Res (F.) nec mancipi ist seit dem altrömischen Recht jede Sache, die nicht → res mancipi ist. Sie wird durch (lat. [F.]) → traditio (Übergabe) erworben.

Lit.: Kaser § 18 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 60

res (F.) nullius (lat.) herrenlose Sache (z. B. wildes Tier in Freiheit, derelinquirte Sache

Resozialisierung ist die Wiedereingliederung eines gegen Straftatbestände als Gesell­schafts­regeln verstoßenden Straftäters in die Gesellschaft. Die R. als Strafzweck wird nach älteren frühneuzeitlichen Ansätzen in England und in den Niederlanden (→ Zuchthaus) von Franz von → Liszt im Marburger Programm (1882) für ver­besserliche Zustandstäter aufgegriffen. Seitdem gewinnt sie erheblich an Bedeutung, ohne andere Strafzwecke vollständig verdrängen zu können.

Lit.: Köbler, DRG 204, 264, 265; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Respondierjurist ist im römischen Recht der vom Prinzeps durch das Recht, auf eine Anfrage in seinem Namen eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu geben (lat. ius [N.] respondendi), hervorgehobene Rechts­kundige.

Lit.: Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 30; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

responsum (lat. [N.]) Antwort, Gutachten

Res (F.) privata (lat.) ist im spätantiken römischen Recht das Staatsland, an dem ein unbefristetes Pachtverhältnis begründet werden kann.

Lit.: Kaser § 30 I 2

Res (F.) publica (lat.) ist im römischen Recht die Gesamtheit der Römer und die im Eigentum des Staates stehende Sache (z. B. Straße, Fluss, Wasserleitung). → Republik

Lit.: Kaser §§ 17 II 1a, 18 I 2c

Res (F.) religiosa (lat.) ist im römischen Recht die in gewisser Weise nichtprivatrechtsfähige Grabstätte.

Lit.: Kaser § 18 I 2a

Res (F.) sacra (lat.) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige geweihte Sache (z. B. Tempel). Nach katholischem Kirchenrecht darf die r. s. nicht zu weltlichem Gebrauch verwendet werden.

Lit.: Kaser § 18 I 2a; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 274

Res (F.) sancta (lat.) ist im römischen Recht die unter göttlichem Schutz stehende weltliche Sache (z. B. Stadttor, Grenzrain).

Lit.: Kaser § 18 I 2a

Ressort (N.) Arbeitsgebiet, Zuständigkeits­bereich

Lit.: Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953

Restauration (F.) Wiederherstellung eines früheren Zustandes (z. B. des klassischen römischen Rechts durch Justinian, älterer politischer Zustände in England 1660-1688, Frankreich 1815 oder im Deutschen Bund 1815-1848)

Lit.: Köbler, DRG 62; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 179; Haller, C. v., Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 1ff. 2. A. 1820ff., Neudruck 1964; Bertier de Sauvigny, G. de, La Restauration, 1955; Kann, R., The problem of restoration, 1968; Restauration und Frühliberalismus, hg. v. Brandt, H., 1979; Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Sellin, V., Die geraubte Revolution, 2001

restituere (lat.) einen Zustand herstellen oder wiederherstellen

Lit.: Kaser §§ 27 I 7, 34 II 3, 37 IV, 50 II 6; Köbler, DRG 42

Restitutio (F.) in integrum (lat.) ist im klassischen römischen Recht die vom Prätor in bestimmten Fällen verfügbare Wiederher­stellung des früheren Zustandes (z. B. nach einem Betrug, bei Zwang oder geringem Alter). Um eine Verurteilung zu vermeiden, muss der Beklagte den früheren Zustand wiederherstellen. Verfahrensmäßig betrifft die r. i. i. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens.

Lit.: Köbler, DRG 33, 43; Kupisch, B., Restitutio in integrum und vindicatio utilis bei EIgentumsüber­tra­gungen, 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 177, 197, 264, 413, 420

Restitution (F.) Wiederherstellung, Rücker­stattung

Lit.: Nufer, G., Über die Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1969)

Restitutionsedikt ist der Erlass Kaiser Ferdinands II. vom 6. 3. 1629, der die Rück­erstattung bestimmter an Protestanten gelangter Güter anordnet, 1648 aber zugunsten des Besitzstands vom 1. 1. 1624 (→ Normaljahr) aufgegeben werden muss (zwei Erzbistümer, 13 Bistümer, mehr als 500 Klöster, Stifte und Kirchengüter).

Lit.: Frisch, M., Das Restitutionsedikt, 1993 (Diss. jur. Tübingen 1991); Heckel, M., Das Restitutionsedikt, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

retentio (lat. [F.]) Zurückbehaltung

Lit.: Kaser §§ 26, 27, 37, 38, 48, 59

Retraktrecht → Näherrecht

Reugeld ist die vereinbarte Geldleistung, von deren Bewirkung die Wirksamkeit eines Rücktritts abhängig gemacht sein kann.

Lit.: Hübner

Reunion ist die Wiederangliederung eines verlorenen Gebietes (z. B. Frankreichs 1679-1686).

Lit.: Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961

Reuß ist die nach Henricus Ruthenus (Heinrich Reuß, † 1292/1294) benannte Grafschaft im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) und ein Mitglied des Deutschen Bundes. R. geht am 1. 5. 1920 in → Thüringen auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, H., Die Entwicklung des Gerichtswesens, Diss. jur. Jena 1952; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007

Reutlingen

Lit.: Jäger, W., Die freie Reichsstadt Reutlingen, 1940; Fischer, G., Die freie Reichsstadt Reutlingen, Diss. jur. Tübingen 1959; Kopp, H., Die Anfänge der Stadt Reutlingen, 1961

Reval ist Sitz eines 1219 vom König von Dänemark gegründeten Bistums, dessen Bischof seit 1512 als Reichsfürst des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) gilt. 1230 entsteht R. als deutsche Stadt, die 1226 rigisches, 1257 lübisches Recht übernimmt. 1918 wird R. (estnisch Tallinn „Dänenburg“) Hauptstadt der Republik → Estland. Das lübische Recht gilt bis zur Annexion durch die Sowjetunion (1944).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des Revaler Stadtrechts, hg. v. Bunge, F. v. u. a., 1843ff.; Mickwitz, G., Aus Revaler Handelsbüchern, 1938; Das Revaler Ratsurteilsbuch (1515-1554), hg. v. Ebel, W., 1952; Revaler Regesten, bearb. v. Seeberg-Elverfeldt, R., Bd. 1f. 1966ff.; Ebel, W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971, 87, 203; Johansen, P. u. a., Deutsch und Undeutsch im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reval, 1973; Reval und die baltischen Länder, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1980; Gierlich, E., Reval, 1991

Reversalie (F.) Wechselseitigkeitszusage

Revigny → Jacobus de Ravanis

Revindikation (F.) Wiedererlangung, Wieder­geltendmachung

Revision ist das → Rechtsmittel zur Nachprüfung eines Urteils in rechtlicher Hinsicht. Die R. ist vermutlich der römischrechtlichen (lat.) supplicatio (F.) ad imperatorem (Bittschrift an den Kaiser) nachgebildet. Für die R. ist am Reichs­kammergericht die Visitationskom­mission zuständig, die ihre Aufgabe (etwa 2000 Revisionen) aber nicht ausführt. Gleichwohl wird die R. in den Ländern aufgenommen und durch die Reichsjustizgesetze von 1877/1879 einheitlich eingeführt.

Lit.: Köbler, DRG 153, 202, 203, 235, 263; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, 1965, 237; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 511; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 373; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 215; Kocher, G., Tiroler Rechtsleben vor dem ABGB, FS E. Hellbling, 1981, 597; Mencke, K., Zur Entwicklung der ordentlichen Visitationen, 1984; Braun S., Geschichte der Revision im Strafverfahren, 1996; Oer, R. Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1998; Schubert, W., Die Revision in Zivilsachen, ZRG GA 124 (2007), 167

Revokationsrecht (zu lat. [F.] revocatio) (Rückrufsrecht) → Näherrecht

Lit.: Köbler, DRG 57

Revolution ist die plötzliche grundlegende Umgestaltung eines bestehenden gesellschaft­lichen Zustandes. Über einen von Nikolaus Kopernikus geprägten Buchtitel (1543) wird das lateinische Femininum revolutio (Umwälzung) 1688 in England auf die Glorious Revolution angewendet. Eindrucks­vollstes (und als erste R. allgemein anerkanntes) Beispiel der R. ist die R. in Frankreich (1789). Ihr folgen weitere bekannte, teilweise erfolgreiche Revolutionen in Frankreich (1830, 1848), im Deutschen Bund (1848), Russland (1917) und Deutschland (1918).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 32, 179; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984; Helfert, K., Geschichte der österreichischen Revolution, Bd. 1f. 1907ff.; Rosenstock-Huessy, E., Die europäischen Revolutionen, 1951; Grieswank, K., Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, 2. A. 1969; Revolution und Gesellschaft, hg. v. Schieder, T., 1973; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Deutschland und die französische Revolution, hg. v. Voss, J., 1982; Berman, H., Law and Revolution, 1983; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Schulin, E., Die französische Revolution, 1988; Berteaud, J., Alltagsleben während der französischen Revolution, 1989; Revolution und konservatives Beharren. Das alte Reich und die französische Revolution hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1990; Goldstone, J., Revolution and Rebellion, 1991; Berman, H., Recht und Revolution, 1991; Revolution und Gegenrevolution 1789-1830, hg. v. Dufraisse, R., 1991; Härter, K., Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Würgler, A., Unruhen und Öffentlichkeit, 1995; Hein, D., Die Revolution von 1848/9, 1998; 1848. Revolution in Deutschland, hg. v. Dipper, C. u. a., 1998; Mommsen, W., 1848 – Die ungewollte Revolution, 1998; Achtzehnhundertacht­undvierzig/achtzehnhundertneunundvierzig, hg. v. badischen Landesmuseum, 1998; Kärcher, T., Bibliographie zur Revolution von 1848/1849, 1998; Die deutsche Revolution, hg. v. Beutin, W. u. a., 1999; Zwischen Königtum und Volkssouveränität, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v. Gall, L., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v. Langewiesche, D., 2000; Große Revolutionen der Geschichte, hg. v. Wende, P., 2000; Riem, A., Was sollten Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu sicher?, hg. v. Welker, K., 2000; Sperber, J., Revolutionary Europe, 1780-1850, 2000; Moore, R., Die erste europäische Revolution, 2001; Erbe, M., Revolutionäre Erschütterungen und erneuertes Gleichgewicht, 2002; Nach der Revolution 1848/49, hg. v. Jansen, C., 2004; Deutschland – ein Land ohne revolutionäre Traditionen?, hg. v. Bavaj, R. u. a., 2005; Akteure eines Umbruchs, hg. v. Bleiber, H. u. a., 2007; Scriba, F., „Legale Revolution“?, 2008; Müller, F., Die Revolution von 1848/49, 3. A. 2009

rex (lat. [M.]) König

Lit.: Lapis, B., Rex utilis, 1986

Rex non potest peccare (lat.). Der König kann kein Unrecht tun.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Reykjavik auf Island wird 877 von Wikingern angelegt und wird Hauptstadt → Islands. 1911 erhält es eine Universität.

Reyscher, August Ludwig (Unterrixingen in Württemberg 10. 7. 1802-Cannstatt 1. 4. 1880), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1829 Privat­dozent, 1831 außer­ordentlicher Professor und 1837 ordentlicher Professor. 1851 muss er seine Universitätstätigkeit aus politischen Gründen aufgeben und wird Anwalt. In seinen zahlreichen vielseitigen Werken bemüht er sich als liberaler Pragmatiker um Fortschritte in zeitgenössischen Grundfragen.

Lit.: Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974

Rezeption ist die Aufnahme einer Kulturer­scheinung durch andere (z. B. Rad, Buch­druck, Rechner, Jazz, Kugelschreiber), insbesondere die Aufnahme des antiken römischen Rechts im mittelalterlich-neuzeitlichen Europa. Diese R. beginnt mit der Wiederentdeckung der Digesten in Italien im späten 11. Jh. Sie vollzieht sich über den Rechtsunterricht an den neu entstehenden Universitäten (Bologna, Padua, Perugia, Paris, Oxford, Cambridge, Salamanca u. a.) und über die fachmännisch besetzte kirchliche Gerichts­barkeit. Die Gründe für den Erfolg der R. sind streitig. Daran, dass das ein­heimische Recht neu entstehende Rechtsfragen nicht hätte beantworten können, kann es, wie die Aussparung mancher Gebiete (Hansestädte, England) beweist, nicht gelegen haben. Am ehesten wird man annehmen dürfen, dass die geschlossene große Masse der vernunftmäßig einleuchtenden, schriftlich festgelegten und in jahrhundertelanger Feinarbeit wissenschaft­lich durchdrungenen Konfliktlösungen sich gegenüber der unüber­sichtlichen und verwirrenden Vielfalt der aus verschiedensten Quellen stammenden einhei­mischen Sätze der ungelehrten Laienurteiler als überlegen erweist bzw. als überlegen eingestuft wird. Den Ausgangspunkt der R. bilden die → Glossatoren und → Kom­mentatoren in Ita­lien. Beschleunigt wird die R. im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) durch § 3 der Reichskammergerichts­ordnung von 1495. In Erscheinung tritt die R. über die Urteile der Gerichte hinaus in → Reformationen (Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Bayern 1518, Freiburg im Breisgau 1520 und andernorts) und in der zunächst populären, dann wissen­schaftli­chen Literatur (z. B. Klagspiegel, Laienspiegel, → usus modernus pandec­tarum). Noch nach den rö­mischrechtlich beeinflussten → Kodifika­tionen des Ver­nunftrechts erfolgt über → historische Rechts­schule und → Begriffs­jurisprudenz sowie Pandektistik im 19. Jh. ein weiterer Schub von R. Im Übrigen ist die R. des römischen Rechts in Europa nur ein besonders eindrucksvoller Fall von Rechtsrezeption überhaupt.

Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 1, 2, 17, 25; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 5, 28, 108, 137, 159, 205; Baltl/Kocher; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff.; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Below, G. v., Die Ursachen der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, 1905; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 2. A. 1962; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Mitteis, H., Zur Geschichte der Rezeption in Österreich, ZRG GA 66 (1948), 524; Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts im Urteil der deutschen Rechtswissenschaft, 1955; Trusen, F., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V 6, 1964; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden, ZRG GA 82 (1965), 316; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Verzeichnis der Handschriften zum römischen Recht bis 1600, Bd. 1f. 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Fried, P., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Nève, P., Recht en Continuiteit, 1977; Beyerle, F., Rezeption, Rezeptionsreife und Überwindung, ZRG GA 95 (1978), 115 (Vortrag vom 18. 11. 1942); Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1ff. 1985ff.; Strauss, G., Law, Resistance and the State, 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung, 1989; Elsener, F., Studien zur Rezeption, hg. v. Ebel, F. u. a., 1989 (Aufsätze); Fried, J., Die Rezeption Bologneser Rechtswissenschaft in Deutschland im 12. Jahrhundert, (in) Viator 21 (1990), 103; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 5. A. 1991; The Reception of Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Scholl, T., Die Rezeption des kontinental-europäischen Privatrechts in Lateinamerika, 1999; Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike in fünfzehn Bänden. Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte, hg. v. Landfester, M., Band 13ff. 1999ff.; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Janssen, H., Die Übertragung von Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des englischen Kolonialrechts, 2000; Kordes, M., Von der Ansprache zum libellus actionis, Rhein. Vjbll. 66 (2002), 211; Avenarius, M., Rezeption des römischen Rechts in Russland, 2004; Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte, 2005; Lan­ge, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittel­alter, Bd. 2 2007.

Rezess (lat. [M.]) Rückschritt, Vergleich

Rheinbund ist (nach einem älteren R. zwischen Mainz, Trier, Köln, Pfalz, Münster u. a. mit Schweden und Frankreich vom 15. 8. 1658 bis 15. 8. 1668) der am 12. 7. 1806 auf Druck → Napoleons von zunächst 16 dem Rhein benachbarten deutschen Fürsten (u. a. Bayern, Württemberg, Baden, Mainz, Hessen-Darmstadt, Berg, Kleve, Nassau) mit Frank­reich als Alliiertem und Napoleon als Protektor in Paris geschlos­sene Bund, der sich zur französischen Heerfolge und zur wider­rechtlichen Trennung vom Heiligen römi­schen Reich (deutscher Nation) verpflichtet. Am 1. 8. 1806 treten die Mitglieder aus dem Reich aus und erklären sich als souverän. Das Ziel eines Staatenbundes mit gemeinamen Staatsorganen scheitert am Widerstand der größeren Mitgliedstaaten. Der später noch erweiterte R. (Würzburg, Sachsen, West­phalen), dem 1811 nur Preußen, Österreich, Braunschweig und Hessen-Kassel nicht angehören, löst sich nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 133, 192; Klüber, G., Staatsrecht des Rheinbundes, 1808; Beck, C., Zur Verfassungsgeschichte des Rheinbundes, 1890; Bitterauf, T., Geschichte des Rheinbundes, Bd. 1 1905; Schnur, R., Der Rheinbund von 1658, 1955; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991; Schuck, G., Rheinbundpatriotismus und politische Öffentlichkeit zwischen Aufklärung und Frühliberalismus, 1994; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007

Rheinfelden

Lit.: Schib, K., Geschichte der Stadt Rheinfelden, 1961

Rheingau

Lit.: Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch von 1643, 1913; Richter, P., Der Rheingau, 513

Rheinischer Bund ist der im Juli 1254 von Städten und Landesherren am mittleren Rhein abgeschlossene, später von Basel bis Bremen und Aachen bis Regensburg reichende nach Frieden strebende Bund, der nach der Doppelwahl zum deutschen König im Januar 1257 endet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bielfeldt, E., Der rheinische Bund von 1254, 1937; Voltmer, E., Der rheinische Bund, 1986

Rheinischer Städtebund von 1381 ist ein am 20. 3. 1381 von Städten am Rhein ge­schlossener, 1388/1389 dem Pfalzgrafen bei Rhein unterlegener Bund.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981

Rheinisches Recht ist das links des Rheins im 19. Jh. eingeführte französische Recht, das durch die Gesetzbücher des Deutschen Reiches (1871-1900) abgelöst wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180; Cretschmar, Das rheinische Civilrecht, 4. A. 1896; Die Gutachten der rheinischen Immediat-Justiz-Kommission und der Kampf um die rheinische Rechts- und Gerichts­verfassung 1814-1819, bearb. v. Landsberg, E., 1914, Neudruck 2000; Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1969; Vom Recht im Rheinland, hg. v. kölnischen Stadtmuseum, 1969; Faber, K., Recht und Verfassung, 1970; Huffmann, H., Geschichte der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1971; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Das französische Recht in Deutschland zu Beginn der Restaurationszeit (1814-1820), ZRG GA 94 (1977), 128; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Schubert, W., Savigny und die rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Becker, H., Das rheinische Recht, JuS 25 (1985), 338; Rheinisches Recht und europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1998; Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Kleinbreuer, S., Das rheinische Strafgesetzbuch, Diss. jur. Bonn 1999; Schäfer, M., Der Übergang vom rheinischen Recht zu den Reichs­justizgesetzen am Beispiel des Landgerichtsbezirkes Bonn, Diss. jur. Bonn 2001; Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationsgerichtshof in Berlin (1819-1852), 2003; Einhundertfünfundzwanzig [125] Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A., 2003; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004; Müller-Hogrebe, C., Der rheinische Jurist Joseph Bauerband, 2005; Haferkamp, H. u. a., Neue Wege zur Rechtsgeschichte, ZRG GA 123 (2006), 372; Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007

Rheinland

Lit.: Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien, 1922; Aubin, H./Frings, T./Müller, J., Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden, 1926; Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a. 1969 (FS OLG Köln); Rheinischer Städteatlas, hg. v. Ennen, E., 1972ff. (Programm umfasst 172 Städte in Nordrhein-Westfalen und 15 Städte in Rheinland-Pfalz, z. B. Dinslaken, Geldern, Heimbach, Ratingen, Wesseling); Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, hg. v. Nikolay-Panter, M . u. a. 1994 (Aufsätze); Rheinische Landesgeschichte an der Universität Bonn, hg. v. Groten, M. u. a., 2007; Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Die Rheinlande und das Reich, 2007; Frankreich am Rhein, hg. v. Theis, K. u. a., 2009

Rheinland-Pfalz ist das am 30. 8. 1946 aus Teilen Bayerns und Preußens geformte Land, das Bundesland der 1949 entstehenden Bundesrepublik Deutschland wird.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schaus, E., Stadtrechtsorte und Flecken, 1958; Quellen zur Geschichte der Herrschaft Landskron an der Ahr, bearb. v. Frick, H. u. a., 1966; Rheinland-Pfalz, hg. v. Götz, W., 1967; Dotzauer, W., Der historische Raum des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, Bd. 1f. 1992f.; Kißener, M., Kleine Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, 2006

Rheinpfalz ist das großenteils links des Rheins gelegene Gebiet des Pfalzgrafen bei Rhein, das 1214 an die 1180 zum Herzog von Bayern erhobene Familie der Wittelsbacher gelangt, aber durch Teilung von 1329 bis 1777 (Aussterben der Linie der Herzöge von Bayern) von Bayern getrennt wird. 1946 wird der achte Regierungsbezirk Bayerns als Folge der Zuteilung zur Besat­zungszone Frank­reichs von Bayern gelöst ein Teil des neuen Bundeslands Rheinland-Pfalz.

Rheinprovinz ist die 1822 aus den vor allem 1815 an Preußen gelangten Gebieten bzw. aus der Provinz Jülich-Kleve-Berg und dem Großherzogtum Niederrhein gebildete Provinz mit Sitz in Koblenz, die 1945/1946 in Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen aufgeht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz, hg. v. Schultheis, K./Fabricius, W., Erläuterungen Bd. 2 1898; Fabricius, W., Kirchliche Organisation, 1903; Fabricius, W:, Die Herrschaften des unteren Nahegebietes, 1914; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1 1900; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Romeyk, H., Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, 1985; Romeyk, H., Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945, 1994; Smets, J., Les pays rhénans, 1997

Rheinschifffahrt → Binnenschiffahrt

Rheinschifffahrtsgericht ist das im 19. Jh. (15. 8. 1804, 24. 3. 1815, 13. 3. 1831, 17. 10. 1868) völkervertragsrechtlich geschaffene Gericht für Streitigkeiten in Rheinschiff­fahrtsangelegenheiten. Für dieses gilt ein besonderes Gesetz von 1937 bzw. 1952. Das R. ist Abteilung des Amtsgerichts in Kehl, Mannheim, Mainz, St. Goar und Duisburg-Ruhrort sowie des Oberlandesgerichts in Köln und Karlsruhe.

Lit.: Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Köln, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Kissel, O., Gerichtsverfassungsgesetz, 1981, 2. A. 1994, 5. A. 2008; Scherner, K., Die Rheinakten von 1831 und 1868, Z. f. europ. Privatrecht 1997, 58

Rhenen

Lit.: Iterson, W. van, De stad Rhenen, 1960

Rhens (bei Koblenz), früher Rhense → Kurverein

Rhetorik ist die im Altertum entwickelte Redekunst (z. B. [Rhetor] Marcus Fabius Quintilianus 35-100 n. Chr.). Sie befasst sich auch besonders mit der Rede vor Gericht, so dass der Redner vielfach rechtliche Kenntnisse benötigt und hat. Vermutlich von dort aus beginnt in Oberitalien seit dem 11. Jh. die Wiederbeschäftigung mit dem → römischen Recht.

Lit.: Söllner §§ 9, 11; Köbler, DRG 16, 106; Quintilianus, Marcus Fabius, Ausbildung des Redners, hg. v. Rahn, H., 3. A. 2006; Wesel, U., Rhetorische Statuslehre, 1967; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Dronke, P., Mittelalterliche Rhetorik, 1982; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Köbler, G., Burgreht und diotreht, FS Schmidt-Wiegand, R., 1987; Classen, C., Recht, Rhetorik, Politik, 1985; Copeland, R., Rhetoric, 1991; Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hg. v. Ueding, G., Bd. 1ff. 1992ff.; Fuhrmann, M., Die antike Rhetorik, 4. A. 1995; Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997; A Handbook of Classical Rhetoric, hg. v. Porter, S., 1997

Rhodos → lex Rhodia

Lit.: Wiemer, H., Krieg, Handel und Piraterie, 2003

Richard von Ely → Dialogus de scaccario

Richert, Johan Gabriel (1784-1864) wird nach dem Rechtsstudium in → Lund Richter. In verschiedenen Gesetzgebungskommissio­nen setzt er sich für liberales Recht ein. 1845 erreicht er die Gleichstellung von Söhnen und Töchtern im Erbrecht, 1863 ein modernes Kriminal­gesetz­buch.

Lit.: Warburg, K., Johan Gabriel Richert, 1905; Den historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982, 53

Richten ohne Urteil ist ein im Mittelalter anscheinend mögliches Entscheidungsverfah­ren des Richters ohne Zuziehung von Urteilern, für das aber kein feststehender Gesichtspunkt erkennbar ist.

Lit.: Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 403

Richter ist das zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten berufene Organ der Rechtspflege. Im zweigeteilten römischen Verfahren ist dies der vom Magistrat ermittelte, ehrenamtlich tätige (lat. [M.]) → iudex, im Kognitionsverfahren der öffentliche Amtsträger. Bei den Germanen leiten ein König oder mehrere Vornehme die → Volks­versammlung und damit auch die Streitent­scheidung. Im fränkischen Frühmittelalter erfüllt diese Aufgabe an Stelle des Königs der (lat.-afrk. [M.]) → thunginus bzw. später der → Graf. Ihm obliegt grundsätzlich nicht das den Rachinburgen oder → Schöffen überlassene Urteilen. Im Hochmittelalter wird in der Kirche der gelehrte → Jurist Einzelrichter und bewirkt die Unzuständigkeit des Richters die Nichtigkeit seines Urteils. Von hier aus verdrängt der R. in der frühen Neuzeit den Schöffen aus der Urteilstätigkeit. Der Liberalismus des 19. Jh.s führt den ehrenamtlichen Laienrichter wieder teilweise in die Gerichtsbarkeit zurück, in welcher der R. allgemein → Unabhängigkeit (Unabsetz­barkeit, Weisungsfreiheit) erlangt. In man­chen Staaten kann der R. die Verfas­sungs­mäßigkeit eines von ihm anzuwen­denden Gesetzes selbst beurteilen (Vereinigte Staaten von Amerika, Deutsches Reich von 1925 an), während andernorts dafür besondere Verfas­sungsgerichte zustän­dig sind (Bundes­re­publik Deutschland, Österreich).

Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 81 II 2, 82 II 5, 87 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 84, 86, 114, 115, 197, 124, 201, 202, 228, 234, 235, 262; Köbler, WAS; Heinemann, F., Der Richter und die Rechtspflege, 1900; Lenel, P., Die Scheidung von Richtern und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Clavadetscher, O., Die geistlichen Richter des Bistums Chur, 1964; Flume, W., Richter und Recht, 1966; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Küper, W., Die Richteridee der Strafprozessordnung und ihre geschichtlichen Grundlagen, 1967; Köbler, G., Richten, Richter und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971; Conrad, H., Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat, 1971; Kötschau, U., Richterdisziplinierung in der preußischen Reaktionszeit, (Diss. jur. Kiel) 1976; Battenberg, F./Eckhardt, A., Der Richter in eigener Sache, ZRG GA 95 (1978), 79; Hempel, N., Richterleitbilder in der Weimarer Republik, 1978; Olzen, D., Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Schulz, B., Der republikanische Richterbund (1921-1933), 1982, Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz, ZRG GA 106 (1989), 46; Ormond, T., Richterwürde und Regierungstreue, 1994; Europäische und amerikanische Richterbilder, hg. v. Gouron, A. u. a., 1996; Le juge et le jugement, hg. v. Jacob, R., 1996; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und Wirklichkeit, 1996; Immisch, L., Der sozialistische Richter, 1997; Gritschneder, O., Furchtbare Richter, 1998; Albert, T., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001; Nobili, M., Die freie richterliche Überzeugungsbildung, 2001; Lepsius, Susanne, Der Richter und die Zeugen, 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Ziegler, P., 200 Jahre Friedensrichter, 2003; Strodthoff, B., Die richterliche Frage- und Erörterungspflicht, 2004; Auer, M., Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreieheit, 2005; Adler, S., Das Verhältnis von Richter und Parteien in der preußischen und deutschen Zivilpro­zessgesetzgebung, 2006; Auf dem Scheiterhaufen der Paragraphen, hg. v. Scheiber, O., 2007

Richterablehnung ist die Zurückweisung eines Richters wegen Befangenheit. Die R. ist bereits dem spätantiken Verfahren bekannt. Sie wird im Mittelalter im gelehrten Verfahren übernommen, doch kennt auch das einheimische Recht Einschränkungen der richterlichen Tätigkeit.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 111, 119; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963, 33, 71; Kaser, M., Das römische Zivilpozessrecht, 1966, 424, 440; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 77

Richterbrief ist im Dritten Reich das der Lenkung der Tätigkeit des Richters dienende parteipolitisch beeinflusste Rundschreiben.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Richterbriefe, hg. v. Boberach, H., 1975; Wahl, B., Die Richterbriefe, Diss. jur. Heidelberg 1981

Richterrecht ist das von dem im gewaltenge­teilten Staat für die Rechtsprechung zustän­digen → Richter geschaffene Recht. Seine Zulässigkeit ist streitig. Insbesondere die → freie Rechts­schule befürwortet allgemein R. Tatsächlich setzt es sich vor allem dort durch, wo der Gesetzgeber nicht entscheidungsfähig ist.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 4, 227, 254; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Larenz, K., Richterliche Rechtsfortbildung als methodisches Problem, NJW 1965, 1; Rehbinder, M., Zur Rechtsqualität des Richterspruchs, JuS 1991, 542; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhandlungsrecht, 1997; Richterrecht und Rechtsfortbildung in der europäischen Rechtsgemeinschaft, hg. v. Schulze, R./Seif, U., 2003

Richterstuhl ist der Sitz des Richters.

Lit.: Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Richthofen, Karl Otto Johannes Theresius (Damsdorf 30. 5. 1811-6. 3. 1888) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny, Eichhorn) und Göttingen (Jacob Grimm) außerordentlicher Professor in Berlin. 1840 veröffentlicht er die friesischen Rechtsquellen und ein altfriesisches Wörter­buch, 1863 die (lat.) → Lex (F.) Frisionum.

Lit.: Brunner, H., Karl von Richthofen, ZRG GA 9 (1888), 247

Richtlinie ist der Grundsatz oder die Anweisung für ein bestimmtes Verhalten. Insbesondere kann in der → Europäischen Union der Rat oder die Kommission eine verbindliche R. für den staatlichen Gesetz­geber erlassen.

Lit.: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981

Richtschwert ist das Schwert als Vollzugsgerät der → Todesstrafe.

Lit.: Kühn, U., Inschriften und Verzierungen auf Richtschwertern, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1969; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Richtstätte ist der Ort des Vollzuges der Todesstrafe (z. B. Galgenbühl).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Richtsteig Landrechts ist das vom märkischen Hofrichter Johann von Buch (1285/1290-nach 1356) verfasste Werk über das Gerichtsverfahren nach dem → Sachsen­spiegel. Der R. L. ist vermutlich zwischen 1325 und 1333/1334 entstanden. Er folgt gelehrtem Vorbild (Gerichtsperson, Klage­arten). Er ist durch 75 Handschriften in fünf vor allem regionalsprachlich verschiedenen Formen überliefert.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 103, 107; Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 64

Richtsteig Lehnrechts ist das vermutlich in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s vielleicht von Gerke von Kerkow verfasste Werk über das Verfahren des sächsischen Lehnrechts in anfangs wohl 31 Artikeln, das in 20 Handschriften überliefert ist.

Lit.: Homeyer, C., Des Sachsenspiegels zweiter Teil, Bd. 1 1842, 409; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 65

Riegger, Joseph Anton Stephan von (Innsbruck 1742-Prag 1795), Rechtspro­fessorensohn, wird 1764 Privatdozent in Wien und 1765 Professor in Freiburg im Breisgau, 1778 in Prag. In Freiburg im Breisgau hält er als erster deutsche Vorlesungen.

Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter von Riegger, 1797

Riegger, Paul Joseph (Freiburg im Breisgau 1705-Wien 1775) wird nach dem Rechts­studium in Freiburg im Breisgau 1733 Professor in Innsbruck und 1753 in Wien. Er tritt für den Vorrang des Staates gegenüber der Kirche ein.

Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter von Riegger, 1797; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973

Riga an der Düna wird 1201 als Markt deutscher Kaufleute gegründet und kommt 1582 an Polen, 1621 an Schweden und 1710 an Russland. 1285 nimmt die Stadt hamburgisches und später auch lübisches Recht auf. Das daraus entwickelte rigische Recht wird an viele umliegende Städte weitergegeben. Von 1918 bis 1940 und seit 1991 ist R. Hauptstadt von → Lettland.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des rigischen Stadtrechts, hg. v. Napiersky, J., 1876, Neudruck 1976; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Lenz, W. jun., Riga, 1968; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989; Riga, hg. v. Oberländer, E. u. a., 2004; Riga und der Ostseeraum, hg. v. Misns, I. u. a., 2005

Ring ist das kreisförmiges Gebilde, das als Symbol für ein Recht oder Rechtsverhältnis verwendet wird (z. B. Ehering).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Zallinger, O., Die Ringgaben bei der Heirat, 1931 (SB Wien); Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 22 (1933), 1; Labhart, V., Zur Rechtssymbolik der Bischofsringe, 1963; Chadour, A., Ringe, 1994

Rinteln ist von 1620/1621 bis 1809 Sitz einer Universität.

Lit.: Feige, R., Das akademische Gymnasium Stadt­hagen und die Frühzeit der Universität Rinteln, 1956

Ripert, Georges (1880-1958) wird nach dem Rechtsstudium in Aix-en-Provence Rechts­lehrer in Aix-en-Provence (1906) und Paris (1918). Er führt den (franz.) Traité élémentaire de droit civil → Planiols fort und erweitert ihn zu einem 14bändigen Gesamtwerk. Dabei geht er von der Überlegenheit des Gesetzesanwenders gegen­über dem Gesetz aus.

Lit.: Rousselet, M., Notice sur la vie et les travaux de Georges Ripert, 1960

Ripuarier (Ribvarier) ist der (Bewohner eines um Köln liegenden Gebiets oder) der Angehörige eines um Köln fassbaren Teil­stammes der Franken, dessen Recht vielleicht schon im 7. Jh., jedenfalls 763/4 und in einer etwas jüngeren Fassung in der (lat.) → Lex (F.) Ribvaria aufgezeichnet wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Nonn, U., Pagus und comitatus, 1983

risorgimento (M.) Wiedererhebung (Italiens zu einem einheitlichen Staat nach 1848 durch eine Freiheitsbewegung [Cavour, Garibaldi] unter Führung Sardinien-Piemonts bis 1861)

Ritter (lat. [M.] eques, miles) ist der Angehörige einer durch reiterliches Verhalten gekennzeichneten Menschengruppe. Bereits das klassische römische Altertum kennt einen hervorgehobenen Stand der (lat. [M.Pl.]) equites (ordo equester Geldadel). Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.) entsteht der im 11. Jh. vielleicht zuerst im westfränkischen Bereich sichtbare, spätestens um 1250 durch Ritter­bürtigkeit nach unten abgeschlossene und damit zum Geburtsstand werdende Berufs­stand der durch Reiterdienst aus der Allgemeinheit herausgehobenen, auf der Burg vorbildlich lebenden R. Er bildet bald den niederen Adel, der vielfach zu einem der → Landstände wird (z. B. Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol). Allerdings erweisen sich die Ritterheere im 14. Jh. als schlagbar (Sempach 1386), weshalb der R. an Bedeutung verliert. Auf der Suche nach einer anderweitigen Lebensgrundlage wird der R. vielfach Gutsherr, Beamter, verschiedentlich aber auch → Raubritter. Seit dem 15. Jh. schließen sich die → Reichsritter besonders zusammen, verlieren ihre reichsunmittelbare Stellung aber 1803.

Lit.: Söllner §§ 6, 9, 12, 13, 14; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 29, 79, 98, 111, 112, 121, 199; Köbler, WAS; Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag, Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1919); Wretschko, A., Zur Erteilung der Ritterwürde durch den Kaiser im 16. Jahrhundert, ZRG GA 46 (1926), 374; Sandberger, D., Studien über das Rittertum in England, 1937; Schulze, W., Die Gleve, 1940; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaften mit S(ank)t Jörgenschild in Schwaben, 1961; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 1971, 2. A. 1974; Das Rittertum, hg. v. Borst, A., 1976; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1976; Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985; Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschafts­korporationen, Diss. jur. Münster 1987; Keen, M., Das Rittertum, 1987; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990; Gasparri, S., I milites cittadini, 1992; Paravicini, W., Die ritterlich-höfische Kultur, 1994; Erkens, F., Militia und Ritterschaft, HZ 258 (1994), 623; Böninger, L., Die Ritterwürde in Mittelitalien, 1995; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Fleckenstein, J., Rittertum und ritter­liche Welt, 2002; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004; Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit, hg. v. Laudage, J., 2006; Ehlers, J., Die Ritter, 2006; Barthélemy, D., La chevalerie, 2007

Ritterbund ist der im 14./15. Jh. sichtbare Zusammenschluss von → Rittern zu gemein­samem Handeln (z. B. Sterner, St. Jörgen­schild).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mau, H., Die Rittergesellschaften mit St. Jörgenschild, 1941; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Deutscher Adel, hg. v. Rössler, H., 1965; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994

Rittergut ist das einem Ritter (Adeligen) übertragene Landgut, mit dessen Besitz die Landstandschaft verbunden ist (in Brandenburg im 19. Jh. 1610 Rittergüter [mit mehr als 100 Hektar], jeder fünfte Rittergutseigentümer Millionär). Es ist meist Lehen. Der Inhaber ist von Steuern befreit. Das R. ist oft Mittelpunkt einer → Grundherrschaft oder Gutsherrschaft, der Inhaber meist Träger von Polizeigewalt und Patrimonialgerichtsbarkeit.

Lit.: Müller, R., Die Rechtsbeziehungen zwischen den Rittergutsherren und den Bauern der Herrschaft Neuschönfels in Sachsen, 1937; Hüllemann, H., Die Geschichte der Rittergüter in Reuß älterer Linie, 1939; Reinicke, W., Landstände im Verfassungsstaat, 1975, 318; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Flügel, A., Bürgerliche Rittergüter, 2000; Schiller, R., Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, 2003; Halama, A., Rittergüter in Mecklenburg-Schwerin, 2006

Ritterorden ist der von → Rittern seit dem 12. Jh. gebildete → Orden (z. B. Templerorden 1118/1119, → Deutscher Orden 1190/11988, Johanniterorden, Malte­ser­orden, Schwertbrüderorden 1202).

Lit.: Riley-Smith, J., The Knights of St. John, 1967; Pernoud, R., Les Templiers, 2. A. 1977; Die geistlichen Ritterorden Europas, hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Geschichte und Recht geistlicher Ritterorden besonders in der Schweiz, hg. v. Carlen, L., 1990; Ritterorden und Adelsgesellschaft im spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991; Ranft, A., Adelsgesell­schaften, 1994; Demurger, A., Die Ritter des Herrn, 2003; Die Ritterorden in der europäischen Wirtschaft des Mittelalters, hg. v. Czaja, R. u. a., 2003; International Mobility in the Military Orders, hg. v. Burgtorf, J. u. a., 2006

Ritterschaft ist die Gesamtheit von → Rittern.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982; Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur. Münster 1987

Ritterspiegel ist das in einer Handschrift überlieferte, wohl zwischen 1410 und 1420 von Johannes → Rothe verfasste Gedicht in mittelthüringischer Sprache über die Stellung und Aufgaben des Ritters.

Lit.: Johannes Rothe, Der Ritterspiegel, hg. v. Neumann, H., 1936

Ritual ist der in Gewohnheit formalisierte Ablauf eines Geschehens (z. B. Krönung, Gerichtsverfahren).

Lit.: Spektakel der Macht - Rituale im alten Europa 800-1800, 2008; Dilcher, G., Mittelalterliches Recht und Ritual in ihrer wechselseitigen Beziehung, Frühmittelalt. Studien 41 (2007), 297

Rivail → Aymar du Rivail

Rivallius → Aymar du Rivail

Robe ist die Amtstracht des Richters, Staatsanwalts oder Rechtsanwalts. Sie geht auf den langen schwarzen Mantel zurück, den seit der frühen Neuzeit die Gelehrten als doktoralisches Ehrenkleid anlegen. Zuerst in Frankreich tragen dann auch die → Richter als Justizbeamte einen solchen Talar als eine besondere Standeskleidung. 1790 wird das zwischenzeitlich prunkvoll gestaltete Gewand durch einen schwarzen Talar ersetzt. Mit dem französischen Recht dringt diese Bekleidung in deutsche Staaten vor. Durch die Reichsjustiz­reform von 1879 wird sie vereinheitlicht und wenig später auf alle Richter ausgedehnt (Österreich 1897, 1962).

Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 225; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957; Hargreaves-Mawdsley, W., A history of legal dress in Europe, 1963; Hülle, W., Historisches über Gerichtsroben, Dt. Richterzeitung 58 (1980), 345; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Robot (slaw. [F.]) Arbeit, teoils bemessener, teils unbemessener Frondienst (in Nieder­österreich 1772/­in der Steiermark 1778 einschränkendes Robotpatent Maria There­sias, 1848 Aufhe­bung)

Lit.: Grüll, G., Die Robot in Oberösterreich, 1952

Rodung ist die Urbarmachung von bewaldetem Land. Sie kann im Mittelalter zu Freiheit oder rechtlicher Besserstellung führen (z. B. in der → Ostsiedlung).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Schulze, H., Rodungsfreiheit und Königsfreiheit, HZ 219 (1974), 529

Roes → Alexander von

Roesler, Hermann (1834-1894) wird nach dem Studium von Recht und Wirtschaft in Erlangen und München 1861 Professor für Staatswissenschaft in Rostock. 1878 wird er juristischer Berater → Japans. Er gestaltet das Handelsgesetzbuch (1890) und die Verfassung (1889) maßgeblich mit. 1893 kehrt er nach Europa zurück.

Lit.: Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen Staates und das deutsche Staatsrecht, 1975; Hermann Roesler, hg. v. Bartels-Ishikawa, A., 2007

Roffredus ist der um 1170 geborene, aus Benevent stammende, wohl 1243 noch lebende Jurist, von dem De libellis et ordine iudiciorum (Von Büchern und der Ordnung der Gerichte), Libelli de iure canonico (Bücher über das kanonische Recht), Quaestiones (Fragen), Glossen und kleinere Schriften stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 318

Rogerius ist der in Bologna wirkende, viel­leicht um 1170 verstorbene Glossator, von dem eine Summa Codicis, Glossen, vielleicht Dissensiones dominorum, Distinktionen, De praescriptionibus, Quaestiones super Institut­is, Enodationes quaestionum super Codice, ein Catalogus praescriptionum und vielleicht die Summa Trecensis stammen.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 192

Roland ist der am 15. 8. 778 beim Rückzug Karls des Großen aus Spanien gefallene Markgraf der bretonischen Mark. Er ist die Hauptgestalt des wohl um 1080 von einem unbekannten Verfasser geschaffenen Rolands­liedes. Möglicherweise gehen auf ihn die Rolandssäulen zurück, die sich seit dem Hochmittelalter auf Marktplätzen vor allem Norddeutschlands (als Symbol der Kaiserrechte ? oder des Rechts allgemein ?) finden (z. B. in Bremen).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Heldmann, K., Die Rolandsbilder Deutschlands, 1904; Heldmann, K., Rolandsspielfiguren, 1905; Jostes, F., Roland in Schimpf und Ernst, 1906; Puntschart, P., Der Roland von Ragusa, ZRG GA 30 (1909), 299; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Hoede, K., Deutsche Rolande, 1934; Goerlitz, T., Der Ursprung und die Bedeutung der Rolandsbilder, 1934; Gathen, A., Rolande als Rechtssymbole, 1960; Mitić, I., Die Rolandsäule in Ragusa, ZRG GA 82 (1965), 306; Siebs, B., Jedute und Roland, ZRG GA 84 (1967), 293; Ott-Meimberg, M., Kreuzzugsepos oder Staatsroman?, 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechts­geschichte, 1988; Rempel, H., Die Rolandsstatuen, 1989; Munzel-Everling, D., Rolande der Welt. CD-ROM. 2004 (www.Munzel-Everling.de)

Rolandus von Bologna

Lit.: Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von Bologna, 2004

Rôles d’Oléron → Oléron

Rom ist die nach antiker Tradition 753 v. Chr. von Romulus gegründete Hauptstadt (um 500 v. Chr. 10000?, 25000? oder 50000? Einwohner, um 0 1000000, um 300 n. Chr. 500000, 1790 große Privathäuser domus, 46602 große Mietshäuser insulae) des 509 v. Chr. (?) vom Königreich zur Republik und 27 v. Chr. von der Republik zum Prinzipat gewordenen römischen Weltreiches. In ihr hat seit dem 1. Jh. n. Chr. der Papst seinen Sitz. 754/756 erhält er Rom durch den fränkischen König Pippin als Gabe. Während des Mittelalters krönt er dort den deutschen König zum Kaiser. Zwischen 1143 und 1155 richten die Bürger wieder einen Senat ein. 1526/1527 werden 53689 Einwoh­ner gezählt. Am 6. 5. 1527 wird R. vom Heer Kaiser Karls V. erstürmt (sacco di Roma). 1870 fällt R. an Italien, 1871 wird es dessen Hauptstadt.

Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 51; Leopold, H., De spegel van het verleden, 1918; Schramm, P., Kaiser, Rom und renovatio, 2. A. 1957; Schneider, F., Rom und Romgedanke im Mittelalter, 2. A. 1959; Dahlheim, W., Stadt und Imperium, 1992; Storia di Roma, hg. v. Schiavone, A., 1993; Roma, hg. v. Hubert, E., 1993; Lunliffe, B., Rom und sein Weltreich, 4. A. 1994; Bellen, H., Grundzüge der römischen Geschichte, 1994; Bengtson, H., Römische Geschichte, 7. A. 1995; Kolb, F., Rom, 2. A. 2002; Christ, K., Geschichte der römischen Kaiserzeit, 4. A. 2002; Fuhrmann, F., Rom in der Spätantike, 2. A. 1995; Krautheimer, R., Rom, 2. A. 1996; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 1997; Schulz, R., Herrschaft und Regierung, 1997; Die späte römische Republik, hg. v. Bruhns, H. u. a., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Bellen, H., Grundzüge der römischen Geschichte, 1998; Heuß, A., Römische Geschichte, 9. A. 2003; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Bleicken, J., Geschichte der römischen Republik, 5. A. 1999; Strothmann, J., Kaiser und Senat, 1998; Witschel, C., Krise, Rezession, Stagnation, 1999; Dahlheim, W., An der Wiege Europas, 2000; Gatto, L., Storia di Roma nel Medioevo, 2. A. 2000; Ball, W., Rome in the East, 2000; Roma nell’alto medioevo, 2001; König, I., Kleine römische Geschichte, 2001; Carandini, A., Die Geburt Roms, 2001; Die frühen römischen Historiker, hg. v. Beck, H. u. a., Bd. 1f. 2001ff.; Fellmeth, U., Brot und Politik, 2001; Kuhoff, W., Diokletian und die Epoche der Tetrarchie, 2001; Bringmann, K., Geschichte der römischen Republik, 2002; Kolb, F., Rom, 2. A. 2002; Schuller, W., Das römische Weltreich, 2002; Roma fra Oriente e Occidente, 2002; Syme, R., Die römische Revolution, 2003; Bringmann, K., Römische Geschichte, 8. A. 2004; Bringmann, K., Krise und Ende der römischen Republik, 2003; Fugmann, J., Königszeit und frühe Republik in der Schrift De viris illustribus urbis Romae, Bd. II, 2 2003; Index numerorum. Ein Findbuch zum Corpus inscriptionum latinarum, hg. v. Fassbender, A., 2003; Weeber, K., Nachtleben im alten Rom, 2004; Hölkeskamp, K., Rekonstruktion einer Republik, 2004; Bauer, F., Das Bild der Stadt Rom im Frühmittelalter, 2004; Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R., 2004; The Cambridge Companion to the Roman Republic, hg. v. Flower, H., 2004; Matyszak, P., Geschichte der römischen Republik, 2004; Hölkeskamp, K., Senatus populusque Romanus, 2004; Christ, K., Pompeius, 2004; Luik, M., Der schwierige Weg zur Weltmacht, 2005; Beck, H., Karriere und Hierarchie, 2005; Rüpke, J., Fasti sacerdotum, 2005 (mit etwa 4000 Biographien); Eich, P., Zur Metamorphose des politi­schen Systems in der römischen Kaiserzeit, 2005; Ward-Perkins, B., The Fall of Rome and the End of Civilization, 2005; Kunst, C., Leben und Wohnen in der römischen Stadt, 2006, 3. A. 2008; Heftner, H., Von den Gracchen bis Sulla, 2006; Dreyer, B., Die Innenpolitik der römischen Republik, 2006; Langer, V., Declamatio Romanorum, 2007; Kolb, F., Das antike Rom, 2007; Heather, P., Der Untergang des römischen Weltreichs, 2007 (übersetzt aus dem Englischen); Spielvogel, J., Septimius Severus, 2006; Brandenburg, H., Die frühchristlichen Kirchen in Rom, 2008; Römische Religion im Wandel, hg. v. Bendlin, A. u. a., 2008; Reinhardt, V., Blutiger Karneval - Der Sacco di Roma 1527, 2009; Jördens, A., Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit, 2009; Eine politische Kultur (in) der Krise?, hg. v. Hölkeskamp, K., 2009

Roma (oder auch Sinti) ist die Eigenbe­zeichnung für die früher meist als → Zigeuner benannten Angehörigen einer Volksgruppe.

Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003

Roma locuta causa finita (lat.). Hat Rom gesprochen, ist die Angelegenheit beendet.

Lit.: Adam, K., Causa finita est, FS A. Ehrhard, 1922, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Augustus, 354-430, Sermones 131, 10)

Romanist ist seit dem 19. Jh. der Vertreter des römischen Rechts oder der vom Lateinischen abgeleiteten Sprachenfamilie im Gegensatz zum → Germanisten.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schlösser, R., Die romanischen Sprachen, 2001

Romantik ist die geistige, sich von der Vernunft als allein bestimmendem Umstand abkehrende, das Gefühl, den Traum und das Irrationale betonende Bewegung in Europa zwischen 1790 und 1830. Sie beeinflusst die → historische Rechtsschule (Savigny, Grimm). Sowohl Märchen wie Liedgut und Recht werden auf das eigene Volk bezogen (→ Volksgeist).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 178; Busse, G., Die Romantik, 1982

Römer ist der Bewohner → Roms bzw. der Angehörige der das römische Weltreich tragenden Bevölkerung.

Lit.: Köbler, DRG 16; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Christ, K., Die Römer, 3. A. 1994; Fischer, T., Die Römer in Deutschland, 1999; Wolters, R., Die Römer in Germanien, 2000; Die Ursprünge des römischen Volkes – Origo gentis Romanae, hg. v. Sehlmeyer, M., 2004; Johne, K., Die Römer an der Elbe, 2006; Thiel, A., Die Römer in Deutschland, 2008

Römermonat ist die Bezeichnung für die 1541 auf 128000 Gulden berechneten Kosten der monatlichen Unterhaltung und Besoldung des Heeres im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation), die mit Hilfe der → Reichsmatrikel auf die einzelnen Reichs­stände verteilt werden.

Lit.: Weigl, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen Reiches, 1912, 15

Römerstadt ist die im römischen Reich zur → Stadt entwickelte Siedlung. Sie bildet auch nach Ende des weströmischen Reiches im Frühmittelalter vielfach den Ausgangspunkt für eine Stadt (z. B. Nyon, Augst, Trier, Köln, Neuss, Bonn, Xanten, Mainz, Straßburg, Augsburg, Kempten, Regensburg, Passau, Wien). Die Zusammenhänge sind im Einzelnen aber sehr unterschiedlich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980

Römerstraße ist die von den Römern im Altertum angelegte, meist sehr gerade und gepflasterte Straße.

Lit.: Pekáry, T., Untersuchungen zu den römischen Reichsstraßen, 1968; Bender, H., Römische Straßen, 1975

Römischer König ist ein zeitweise vom deutschen König im Heiligen römischen Reich verwendeter Titel.

Lit.: Beumann, H., Der deutsche König als „Roma­norum rex“, 1981

Römisches Recht ist die Gesamtheit der von Römern geschaffenen Rechtssätze. Die wichtigsten römischen Rechtsquellen sind die → Zwölftafelgesetze (451/450 v. Chr., daneben z. B. 231 Gesetze zwischen 367 und 134 v. Chr.), die Werke der römischen → Jurisprudenz (3. Jh. v.-3. Jh. n. Chr.) und die Gesetzgebung (Co­dex, Institutionen, Digesten bzw. Pandekten, Novellen) des oströmischen Kaisers → Justinian (527-565). Sachlich ist das Privatrecht von besonderer Bedeutung. Das römische, im spätantiken römischen Reich nur in Rechtsschulen in Rom, Karthago, Kon­stantinopel, Beirut, Athen (bis 529), Alexandria und Caeserea (bis 533) gelehrte Recht wird auch nach dem Untergang Westroms (476 n. Chr.) in gewisser Weise fortgeführt sowie seit dem ausgehenden 11. Jh. wiederbelebt und danach in vielen Gebieten Europas in umfangreichen Teilen aufgenom­men (rezipiert). Es gilt subsidiär als → gemeines Recht (lat. ius [N.] commune) bis zu den Kodifikationen der mittleren Neuzeit (Allgemeines Landrecht Preußens 1794, Code civil Frankreichs 1804, Allge­meines Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs 1811) und hat auch im Zuge der europäischen Einigung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch gewisse Ausstrahlungskraft.

Lit.: Kaser §§ 1ff.; Waldstein/Rainer §§ 1ff.; Söllner §§ 1ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 16, 101, 137, 159; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff., 2. A. 1834ff.; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Dante dal Re, I precursori italiani di una nuova scuola di diritto romano nel secolo XV, 1878; Conrat, M., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im früheren Mittelalter, Bd. 1 1891; Halban, A. v., Das römische Recht in den germanischen Volksstaaten, Teil 1ff. 1899ff.; Vinogradoff, P., Roman Law in Medieval Europe, 1909; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur, 1938; Heumann, G./Seckel, E., Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Kaser, M., Römisches Privatrecht, 1960; Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 19. A. 2008; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V 6, 1964; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Sturm, F., Das römische Recht in der Sicht von G. W. Leibniz, 1968; König, H., Pothier und das römische Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts, 1979; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Lamberg, P., Die Popularisierung des römischen Rechts durch Oswald von Wolkenstein, ZRG GA 100 (1983), 213; Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985; Das römische Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Zulueta, F., de/Stein, P., The Teaching of Roman Law, 1990; Kunkel, W., Römische Rechtsgeschichte, 12. A. 1990; Bretone, M., Geschichte des römischen Rechts, 2. A. 1998; Liebs, D., Römisches Recht, 6. A. 2004; Hausmaninger, Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1993; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1995; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Hausmaninger, H./Selb, W., Römisches Privatrecht, 8. A. 1997; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Honsell, H., Römisches Recht, 5. A. 2001; Mayer-Maly, T., Römisches Recht, 2. A. 1999; Bürge, A., Römisches Privatrecht, 1999; Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Stein, P., Roman Law in European History, 1999; Manthe, U., Geschichte des römischen Rechts, 2. A. 2003; Kunkel, W./Schermaier, M., Römische Rechtsgeschichte, 13. A. 2001, 14. A. 2005; Fögen, M., Römische Rechtsgeschichten, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th Century, 2003; Spruit, J., Cunabula iuris, 2003; Börsch, M., Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Jacob, P., Reformbestrebungen Aurelians in Politik und Rechtsentwicklung, 2004; Behrends, O., Institut und Prinzip, 2004 (Gesammelte Aufsätze); Stein, P., Le droit Romain et l’Europe, 2. A. hg. v. Dunand, J. u. a. 2004; Meyer, E., Legitimacy and Law in the Roman World, 2004; Kienast, D., Römische Kaisertabelle, 3. A. 2004; Kirov, J., Die soziale Logik des Rechts, 2005; Usus antiquus iuris Romani, hg. v. Ernst, W. u. a., 2005; Hecht, B., Störungen der Rechtslage in den Relationen des Symmachus, 2006; Rainer, M., Römisches Staatsrecht – Republik und Kaiserzeit, 2006; Pichonnaz, P. u. a., Lexique de droit romain, 2006; Langer, V., Declamatio Romanorum, 2007; Kaiser, W., Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze, 2007; Harke, J., Römisches Recht, 2008; Pichonnaz, P., Fondements romains du droit privé, 2008; Lhuillier-Martinetti, D., L’Individu dans la famille à Rome au 4ième siècle, 2008; Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechts, hg. v. Avenarius, M., 2008; Rüfner, T., Gerichtsstand und Ladungszwang, 2009

Römisches Recht in Deutschland ist das seit dem Mittelalter in Deutschland in einem Rationalisierungsvorgang (Rezeption) aufge­nommene → römische Recht. Es wird damit ein Teil des → deutschen Rechtes.

Lit.: Köbler, DRG 1ff.; Schaeffner, W., Das römische Recht in Deutschland, 1859; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V, 6, 1964; Wieacker, F., Privat­rechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996

Römisches Reich ist das (seit 753 v. Chr.) um Rom entstehende Reich. Es wird nach Vertreibung des (etruskischen?) Königs (509 v. Chr.) Republik mit jährlicher Neubesetzung der wichtigsten Ämter (Magistrate wie Kon­suln und Prätoren), Senat und Volksver­sammlungen. Durch Siege über seine Nachbarn dehnt es sich allmählich rund um das Mittelmeer bis weit nach Westeuropa (Spanien, Gallien, Britannien), Mitteleuropa (Rhein, Donau), Asien und Afrika aus. Nach langen Bürgerkriegen und der Diktatur Gaius Julius Caesars stellt Augustus 27 v. Chr. äußerlich die Republik wieder her, leitet aber sachlich zum Prinzipat über, das sich in Rom auf die Stellung als Volkstribun und in den Provinzen auf ein ehemaliges Konsulat stützt. Am Ende des 3. Jahrhunderts wandelt sich das römische Reich zu einer in eine westliche und eine östliche Hälfte (Konstantinopel) geteilten Monarchie (Dominat).. Westrom fällt 476 n. Chr. an Germanen, das stetig zurückgedrängte Ostrom (Byzanz) 1453 n. Chr. an die Türken.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, 1871ff.; Bleicken, J., Römische Geschichte, 10. A. 2007; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 8. A. 1999; Rainer, J., Römisches Staatsrecht 2006

römisches Vulgarrecht → Vulgarrecht

Römische Verträge sind die am 25. 3. 1957 in Rom zwischen Deutschland, Frank­reich, Italien, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden abgeschlossenen Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft (zum 1. 1. 1958). Sie sind wesentliche Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Euro­päischen Union. Sie werden 1986 durch die Einheitliche Europäische Akte und danach durch den Vertrag von Maastricht, den Vertrag von Amsterdam und den Vertrag von Maastricht angepasst bzw. umgewandelt.

Lit.: Köbler, DRG 246; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996

Römisch-kanonisches Verfahren ist das in Oberitalien im Hochmittelalter und Spätmittelalter auf der Grundlage des römi­schen Verfahrensrechtes entwickelte, in Deutschland seit dem Spätmittelalter aufgenommene gelehrte Verfahren (→ Prozess).

Lit.: Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981

Romulus Augustulus (* um 459) ist der am 4. 9. 476 von → Odowakar abgesetzte letzte weströmische Kaiser.

Lit.: Söllner § 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 50, 67; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967; Henning, D., Periclitans res publica, 1999

Roncaglia bei Piacenza ist seit dem 11. Jh. mehrfach der Ort deutscher Hoftage, auf denen auch Recht geschaffen wird (z. B. 1136, 1154, 1158). Zu den sog. ronkalischen Gesetzen zählen das Privileg der Scholaren auf Freiheit und Sicherheit („Habita“, 1154 ?) und die von Juristen verfasste Darlegung der Regalien („Regalia sunt“, 1158). Sie werden teilweise in die → (lat.) Libri (M.Pl.) feudorum (Lehnbücher, Lehnrechtsbücher) aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94, 101, 106; Erler, A., Die ronkalischen Gesetze des Jahres 1158, ZRG GA 61 (1941), 127; Colorni, V., Le tre leggi perdute di Roncaglia (1158) ritrovate in un manoscritto parigino (Bibl. Nat. Cod. Lat. 4677), Scritti in memoria di Antonio Giuffrè 1966,( deutsch übersetzt v. )Dolezalek, G., Die drei verschollenen Gesetze von Roncaglia, 1969; Stelzer, W., Zum Scholarenprivileg Friedrich Barbarossas, DA 34 (1978), 123; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994

Rosenheim

Lit.: Diepolder, G. u. a., Rosenheim, 1978

Ross, Alf (1899-1979) wird nach Rechtsstudien in Dänemark, Österreich, Frankreich und England 1938 Professor in Kopenhagen. Seine Arbeiten sind von Hans → Kelsen beeinflusst. Seine Rechtsmeta­physik ablehnende Rechtsquellenlehre stellt vor allem auf die Rechtswirklichkeit ab.

Lit.: Tamm, D., Dansk retsvidenskabs historie, 1992, 243

Rousseau, Jean-Jacques (Genf 18. 6. 1712-Ermenonville 2. 7. 1778) legt als aufgeklärter Philosoph in seinem Werk Du contrat social (Vom Gesellschaftsvertrag) 1762 eine we­sentliche Grundlage für den Gedanken der Volkssouveränität.

Rostock an der Warnow wird nach einer wendischen Siedlung um 1200 Sitz deutscher Kaufleute, der 1218 lübisches Recht erhält. 1419 wird in R. die erste Universität Norddeutschlands errichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, P., Die Rostocker Stadtverfassung. Diss. phil. Rostock 1929; Freynhagen, W., Die Wehrmachtver­hältnisse der Stadt Rostock im Mittelalter, 1930; Römer, H., Das Rostocker Patriziat, Diss. phil. Rostock 1932; Leps, C., Das Zunftwesen der Stadt Rostock, Hansische Geschichtsblätter 58 (1933), 122, 59 (1934), 177; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Roloff, H., Beiträge zur Geschichte der Universitätsbibliothek Rostock im 19. Jahrhundert, 1955; Haalck, J., Die Rostocker Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/1959); Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Geschichte der Universität Rostock, hg. v. Heidorn, G. u. a., Bd. 1f. 1969; Schnitzler, E., Die Gründung der Universität Rostock, 1974; Schultz, H., Soziale und politische Auseinandersetzungen in Rostock im 18. Jahrhundert, 1974; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; 777 Jahre Rostock, hg. v. Pelc, O., 1995; Asche, M., Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008; Becker, S., Die Spruchtätigkeit der juristischen Fakultät Rostock, 2003; Roloff, G., Die Spruchaktentätigkeit der juristischen Fakultät der Universität Rostock und Bützow, 2003; Pluns, M., Die Universität Rostock 1418-1563, 2007; Buddrus, M. u. a., Die Professoren der Universität Rostock im Dritten Reich, 2007

Rota (F.), Rad, ist der Name der in einem Saal mit radförmigem Fußbodenmosaik in Avignon im 14. Jh. beratschlagenden Richter (lat. [M.Pl.] auditores, Hörer), dessen Name auch nach der Rückkehr des Papstes nach Rom bestehen bleibt. Für das Verfahren bei (einem Richter) der R. entwickeln sich eigene Rechtssätze, die für viele andere Gerichte vorbildlich werden. Im Jahre 1908 richtet Papst Pius X. die Sacra Romana R. als Instanzgericht vor allem für Eheprozesse ein.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 89 (1972), 1; Puza, R., Res iudicata, 1973; Nörr, K., Ein Kapitel aus der Geschichte der Rechtsprechung, Ius commune 5 (1975), 192

Rotes Kreuz ist die von dem Schweizer Henri Dunant als Folge seiner Eindrücke von der Schlacht bei Solferino (24. 6. 1859) aufgebaute internationale humanitäre Hilfsor­ganisation mit nationalen Gesell­schaften vom Roten Kreuz und inter­nationalen Dach- und Hauptorganisationen (Liga der Rot-Kreuz-Gesellschaften, Internationales Komitee vom Roten Kreuz).

Lit.: Dunant, H., Un souvenir de Solférino, 1862; Zorn, P., Die beiden Haager Friedenskonferenzen, 1915; Das Genfer Rotkreuzabkommen vom 12. Aug. 1949, 5. A. 1965; Heudtlass, W./Gruber, W., J. Henri Dunant, 4. A. 1985; Riesenberger, D., Für Humanität und Frieden, 1992

Roth, Paul (Nürnberg 11. 7. 1820-München 28. 3. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in München 1850 außerordentlicher Professor in Marburg, 1853 ordentlicher Professor in Rostock, 1858 in Kiel und 1863 in München. Seine rechtsgeschichtlichen Arbeiten sind von Georg → Waitz stark beeinflusst. 1858 veröffentlicht er zusammen mit Victor von Meibom den ersten Band eines noch partikularistisch motivierten kurhessischen Privatrechts, 1871ff. trotz allmählichen Stand­ortwechsels in der Kodifikationsfrage drei Bände Bayerisches Civilrecht und 1880ff. ein System des Deutschen Privatrechts. Roths Bedeutung für die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) ist nicht sicher festzustellen.

Lit.: Gagnér, S., Zielsetzungen und Werkgestaltungen in Paul Roths Wissenschaft, FS H. Krause, hg. v. Krause, H. u. a., 1975, 276

Rothe, Johannes (Creutzberg/Thüringen vor 1360-Eisenach 1434), aus begüterter Familie, wird Geistlicher, Ratsschreiber und Notar in → Eisenach. Er verfasst zwischen 1380 und 1394 das in einer Handschrift überlieferte Eisenacher Rechtsbuch und verschiedene poetische Werke (u. a. → Ritterspiegel).

Lit.: Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950; Wolf, H., Johannes Rothes Ratsgedichte, 1971; Fortuna vitrea 6, hg. v. Haug, W. u. a., 1991, 69

Rothenburg

Lit.: Woltering, H., Die Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, 1966, 1972

Rott

Lit.: Haff, K., Zur Rechtsgeschichte der mittel­alterlichen Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Haff, K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG GA 31 (1910), 424

Rotteck, Karl Wenzeslaus Rodecker von (Freiburg im Breisgau 18. 7. 1775-26. 11. 1840), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg 1798 Professor für Weltgeschichte, 1818 für Vernunftrecht und Staatswissenschaft. Neben wenig erfolgreichen Lehrbüchern für Staatsrecht und Vernunftrecht verfasst er nach politisch begründetem Verlust seiner Pro­fessur (1832-1840) zusammen mit Welcker ab 1834 das aufgeklärt-liberale Staatslexikon (mit Stichwörtern wie „Constitution“, „Freiheit“, „Naturrecht“).

Lit.: Köbler, DRG 179; Zehntner, H., Das Staats­lexikon von Rotteck und Welcker, 1929; Ehmke, H., Karl von Rotteck, 1964

Rotterdam an der neuen Maas wird nach 1240 auf einem Schutzdamm der Rotte errichtet. 1299/1340 erhält es Stadtrecht. Seine Universität wird 1912/73 eingerichtet.

Rottweil am oberen Neckar, in dessen Gebiet eine Römerstadt liegt, wird 771 als Königshof genannt und entwickelt sich im 14. Jh. zur Reichsstadt mit ansehnlichem Gebiet. Seit dem 13. Jh. ist ein bis 1784 bestehendes kaiserliches Hofgericht in R. bezeugt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das ältere Recht der Stadt Rottweil, hg. v. Greiner, 1900; Mack, E., Das Rottweiler Steuerbuch von 1441, 1917; Glitsch, H./Müller, K., Die alte Ordnung des Hofgerichts zu Rottweil (um 1435), ZEG GA 41 (1920), 281; Steinhäuser, A., Das Rottweiler Hofgericht im Bilde, 1940; Leist, J., Reichsstadt Rottweil, 1962; Laufs, A., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil 1650-1806, 1963; Elben, R., Das Patriziat der Reichsstadt Rottweil, 1964; Maurer, H., Rottweil und die Herzöge von Schwaben, ZRG GA 85 (1968), 58; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts, 1969; Spreter von Kreudenstein, T., Johann Spreter von Kreudenstein, 1989; Weber, E., Städtische Herrschaft und bäuerliche Untertanen, 1992; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396

rotulus (lat. [M.]) Rädchen, Rolle → Ander­nach

Rotwelsch (N.) „unverständlicher“ Wortschatz der Bettler, Gauner und Diebe seit dem 14. Jh. (z. B. Moos statt Geld)

Lit.: Kluge, F., Rotwelsch, 1901; Wolf, S., Wörterbuch des Rotwelschen, 1956; Wexler, P., Three Heirs to a Judeo-Latin Legacy, 1988; Schüßler, M., Die Entwicklung der Gauner- und Verbrechersprache Rotwelsch in Deutschland von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, ZRG GA 118 (2001), 387; Weiland, T., Das Hundeshagener Kochum, 2003

Rousseau, Jean-Jacques (Genf 28. 6. 1712-Ermenonville/Oise 2. 7. 1778), Uhrmachers­sohn, wird nach schwieriger Jugend Lakai und Schriftsteller. In seinem Du contrat social (1762, Vom Gesellschaftsvertrag) entwickelt er die aufklärende Lehre vom → Gesellschaftsvertrag, nach der alles menschliche Gemeinleben auf einem Vertrag aller beteiligten Einzelnen beruht. Die Staatsgewalt steht deshalb dem Volk zu, das den mit seiner Führung Beauftragten (z. B. König) bei Erfolglosigkeit seines Amtes entheben kann (→ französische Revolution).

Lit.: Köbler, DRG 136, 148, 191; Vossler, O., Rousseaus Freiheitslehre, 1963; Spaemann, R., Rousseau, 1980; Stackelberg, J. v., Jean-Jacques Rousseau, 1999; Sturma, D., Jean-Jacques Rousseau, 2001; Kersting, W., Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002; Hentig, H., v., Rousseau, 2004; Kuster, F., Rousseau, 2005; Kapossy, B., Iselin contra Rousseau

Rubrum (N.) (Rotes) ist der früher mit roter Tinte geschriebene Kopf eines Urteils, wie er sich im gelehrten Prozessrecht entwickelt.

Rückfall ist das erneute Begehen einer vorsätzlichen Straftat nach zwischenzeitlicher Verurteilung. Der R. wird nach älteren, einfacheren Ansätzen im französischen → Code pénal von 1810 als allgemeiner Straf­schärfungsgrund behandelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Voraus­setzungen für die Bejahung eines Rückfalles in Deutschland eingeengt. 1986 wird die Rück­fallvorschrift ganz aufgehoben. Im deutschen Privatrecht ist der R. das in verschiedenen Rechtsquellen vorgesehene Zurückfallen von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen an die sie ursprünglich erbringende Seite.

Lit.: Hübner; Friedländer, G., Der Rückfall, 1872; Effertz, J., Die strafrechtliche Behandlung des Rückfalls, 1927; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 39; Frosch, H., Die allgemeine Rückfallvorschrift, 1976; Durand, B., Arbitraire du juge et consuetudo delinquendi, 1993

Rückgriff → Regreß

Lit.: Kaser §§ 52 II 2, 56 II 4, 57 II 4a

Rückkauf ist der Kauf des verkauften Gutes durch den Verkäufer. Er findet sich auch im Umkreis des Näherrechtes.

Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 41 VII; Kroeschell, DRG 1

Rückstellung ist die Rückführung der zwischen 1933 und 1945 entzogenen Güter auf die ursprünglich Berechtigten.

Rücktritt ist die vom Handelnden ausgehende nachträgliche Zurücknahme einer Handlung durch ein entgegengesetztes Verhalten. Der R. von einem → Rechts­geschäft ist im Privatrecht auf vielleicht kirchenrechtlicher Grundlage auf Grund einer Vereinbarung oder auf Grund einer Rechtsvorschrift (z. B. Wandlungsrecht im Kaufrecht) möglich. Im Strafrecht kann der Täter vom → Versuch zurücktreten, wobei beides im Strafgesetzbuch Preußens von 1851 noch in einer Vorschrift verbunden ist, 1871 für das Deutsche Reich aber in zwei Vorschriften aufgespaltet wird.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 270; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913; Scherner, K., Rücktritt wegen Nichterfüllung, 1965; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 443, 450; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995; Hellwege, P., Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, 2004

Rückversicherung ist die Versicherung des Versicherers gegen zu hohe Versicherungs­leistungen.

Lit.: Mossner, B., Die Entwicklung der Rückversicherung bis zur Gründung selbständiger Rückversicherungsgesellschaften, 1959

Rückwirkung ist die Auswirkung eines Ereignisses auf die vorangehende Zeit. Sie ist im Recht teilweise möglich. Im Strafrecht ist sie (schon durch Konstitutionen aus der Zeit der Kaiser Theodosius I., II. und Valentinian III. und aus allgemeinen Überlegungen der Aufklärung) zu Lasten eines Handelnden aus rechtsstaatlichen Gründen ausgeschlossen.

Lit.: Kaser § 10 I 1f.; Köbler, DRG 236, 267; Schöckel, G., Die Entwicklung des strafrechtlichen Rück­wirkungsverbots, 1968; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Werber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998; Stüsser, J., Rückwirkende Rechtsprechungs­änderungen, Diss. jur. Bonn 1998; Daemgen, M., Rück- oder Fortwirkun g im Privatrecht, 2005

Rudolf IV. (1. 11. 1339–Mailand 27. 7. 1365), (der) Stifter (der Domkirche zu Sankt Stephan in Wien) und Gründer der Universität Wien, habsburgischer Herzog von Österreich, lässt 1358/1359 zum Ausgleich der Privilegierung der Kurfürsten in der Goldenen Bulle (1356) von einem unbekannten Fälscher das (lat.) sog. → privilegium (N.) maius (größeres Privileg) herstellen, verstirbt aber zu früh, um seine großen Pläne verwirklichen zu können.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Winter, E., Rudolf IV. von Österreich, 1934; Baum, W., Rudolf IV. der Stifter, 1996

Rudolf von Habsburg (Limburg im Breisgau 1. 5. 1218-Speyer 15. 7. 1291) ist der erste habsburgische deutsche König (22. 7. 1273). Er versucht den im → Interregnum einge­tretenen Verlust des → Reichsgutes rück­gängig zu machen und Friedensgebote durchzusetzen. 1282 belehnt er seine Söhne mit → Österreich.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Redlich, O., Rudolf von Habsburg, 1903; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291) König werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Rudolf von Habsburg, hg. v. Boshof, E. u. a., 1993; Kunze, U., Rudolf von Habsburg, 2001; Krieger, K., Rudolf von Habsburg, 2003

Ruf

Lit.: Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003

Rufinus (- vor 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Kirchenrechtsleh­rer, dann Bischof von Assisi und zwischen 1180 und 1186 Erzbischof von Sorrent. Um 1164 verfasst er die (lat.) Summa (F.) decretorum (Summe der Dekrete). Sie bildet die Grundlage der späteren Dekretistik.

Lit.: Singer, H., Rufinus‘ von Bologna „Summa decretorum“, 1902; Weigand, R., Frühe Kanonisten, ZRG KA 76 (1990), 138; Rufinus von Sorrent, De bono pacis, hg. v. Deutinger, R., 1997

Rüge ist die Behauptung einer Rechts­verletzung. Vermutlich gibt es bereits im Frühmittelalter die Pflicht, bestimmte Geschehnisse (öffentlich) in bestimmter Form vorzubringen. In späterer Zeit finden sich verschiedene davon vielleicht beeinflusste Einrichtungen (z. B. → Sendgericht, → Feme). Ungewiss ist der Zusammenhang der R. mit dem sie seit dem Hochmittelalter allmählich verdrängenden → Inquisitions­prozess.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses, ZRG GA 68 (1951), 234; Landwehr, G., Rügegericht und Gogericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994

Rügen

Lit.: Scheil, U., Zur Genealogie der einheimischen Fürsten von Rügen, 1962; Büttner, B., Die Pfarreien der Insel Rügen, 2006

Rügisches Landrecht ist das auf der Osteeinsel Rügen geltende, von dem stu­dierten Gerichtsschreiber Matthäus Neumann (um 1490-Stralsund 25. 4. 1556) in mittel­niederdeutscher Sprache aufgezeichnete Ge­wohnheitsrecht. Es ist in mehreren Fas­sungen in rund 20 Handschriften überliefert. Ausführlich behandelt es das Recht der freien Bauern und des Adels. Es enthält nur wenige römisch-rechtliche Merkmale.

Lit.: Frommhold, G., Zur Überlieferung des rügischen Landrechts, ZRG GA 16 (1895), 1; Das rügische Landrecht, hg. v. Frommhold, G., 1896; Steudtner, K., Matthäus Neumann und sein Werk, Greifswald-Stralsunder Jb. 11 (1977), 42; Herrmann, Slawen, 2. A. 1985

Ruhrgebiet ist das an der Ruhr gelegene, nach 1918 von Frankreich begehrte deutsche Industriegebiet, zu dessen Kontrolle 1951 die → Montanunion geschaffen wird.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246; Das Ruhrgebiet in Rheinland und Westfalen, hg. v. Ditt, K. u. a., 2008

Rumänien oberhalb der unteren Donau ist zunächst von Dakern besiedelt, deren Gebiet im Altertum romanisiert wird. Nach dem Durchzug von Germanen, Hunnen, Slawen und Awaren erscheint im 13. Jh. das Volk der Rumänen. Die Fürstentümer → Moldau und Walachei sind den → Osmanen (Türken) bis in das 18. Jh. tributpflichtig. Am 24. 1. 1862 ruft der moldawische Oberst Cuza die Vereinigung der Fürstentümer Moldau und Walachei als R. aus. Nach seiner Abdankung 1866 tritt Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen die Nachfolge an. Russland annektiert den östlichen Teil Moldaus zwischen Pruth und Dnjestr (Bessarabien). Auf dem Berliner Kongress wird 1878 die Souveränität Rumäniens bestätigt. 1919/1920 erhält R. die Bukowina, die Dobrudscha, Siebenbürgen und Banat bzw. Bessarabien. 1940 verliert es Bessarabien und Teile der Bukowina an die Sowjetunion. Am 30. 12. 1947 dankt der König ab. 1948 wird R. Volksrepublik. Der Diktator Ceaucescu wird 1991 im Zuge der Lösung aus der Bevormundung durch die → Sowjetunion getötet. Moldau löst sich 1990/1991 von der Sowjetunion ab.

Lit.: Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Huber, M., Grundzüge der Geschichte Rumäniens, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3, 5, 91; Georgescu, V. u. a. Judecata domneascâ yn Tara Românesascâ, 1982; Verseck, K., Rumänien, 1988; Hitchins, K., Rumania, 1994; Völkl, E., Rumänien, 1995; Die Rumänen und Europa, hg. v. Heppner, H., 1997; Oschlies, W., Ceausescus Schatten schwindet, 1998; Mileck, J., Zum Exodus der Rumäniendeutschen, 1999; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Böhm, J., Die Gleichschaltung der deutschen Volksgruppe, 2003; Binder-Iijima, E., Die Institutionalisierung der rumä­nischen Monarchie, 2003; Balta, S., Rumänien und die Großmächte in der Ära Antonescu (1940-1944), 2005; Akten um die deutsche Volksgruppe in Rumänien 1937-1945, hg. v. Popa, K., 2005; Böhm, J., Hitlers Vasallen der deutschen Volksgruppe in Rumänien, 2006; Rumänien, hg. v. Kahl, T. u. a., 2006; Verseck, K., Rumänien, 3. A. 2007; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Scharr, K. u. a., Rumänien, 2008

Rumelien ist das europäische Gebiet der Herrschaft der → Osmanen (Türken) seit 1352/1354, das um 1850 Thrakien und → Makedonien umfasst.

Lit.: Inalcik, H., The Ottoman Empire, 1973, 104

Rumpfparlament ist das infolge politischer Maßnahmen nicht mehr vollständige Parla­ment (z. B. Österreich 1933).

Runde, Justus Friedrich (Wernigerode 27. 5. 1741-Göttingen 28. 2. 1807) wird nach dem Studium der Theologie in Halle und des Rechts in Göttingen 1771 Professor in Kassel, 1785 in Göttingen. 1791 verfasst er Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts in deutscher Sprache. Als Rechtsquelle verwendet er im Zweifel allgemeine, aus der Natur der Sache selbst entnommene Rechtsgrundsätze.

Lit.: Köbler, DRG 205; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 93; Kroeschell, K., Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, (in) Wissen­schaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 249

Rundfunk ist die drahtlose Übertragung von Nachrichten durch ursprünglich aus elektri­schen Funken entwickelte elektromagnetische Wellen. Diese werden 1856 von J. C. Maxwell erkannt und seit 1895 von G. Marconi in Großbritannien zur Nachrichten­übermittlung genutzt. Am 22. 12. 1920 überträgt die Haupt­funkstelle Königs­wusterhausen ein Konzert.

Lit.: Dussel, K., Deutsche Rundfunkgeschichte, 1999, 2. A. 2004; Cebulla, F., Rundfunk und ländliche Gesellschaft 1924-1945, 2004

Rune ist das von Germanen wohl im 1. Jh. n. Chr. nach norditalienischem Vorbild ent­wickelte, im Hochmittelalter den lateinischen Buchstaben unterliegende Schriftzeichen (anfangs 24 Zeichen, seit dem Frühmittelalter 16 Zeichen) (rund 350 ältere und rund 2300 Inschriften des 10. und 11. Jh.s bekannt, insgesamt rund 6500, meist aus Südskandinavien).

Lit.: Köbler, DRG 66; Grimm, W., Über deutsche Ru­nen, 1821ff., hg. v. Düwel, K., 2009; Düwel, K., Runenkunde, 2. A. 1983, 4. A. 2008; Runische Schriftkultur, hg. v. Düwel, K., 1994; Sawyer, B., The Viking-age Rune-stones, 2000; Gronvik, O., Über die Bildung des älteren und des jüngeren Runenalphabets, 2001; http://www.­koeb­ler­gerhard.de/Fontes/Runen­inschriften.htm

Ruoda

Lit.: Goldmann, E., Ruoda, 1923

Ruprecht von Freising (um 1270-nach 1328) ist der als Fürsprecher in und um Freising erkennbare, ungelehrte, den → Schwaben­spiegel verwendende Verfasser des → Frei­singer Rechtsbuchs von 1328.

Lit.: Köbler, DRG 103; Knapp, H., Das Rechtsbuch Ruprechts von Freising (1328), 1916; Freisinger Rechtsbuch, hg. v. Claußen, H., 1941, XV

Rus → Russland

Russland geht auf die alte, ihrer Herkunft nach umstrittene Bezeichnung Rus für (germa­nistische) Stämme zurück, die vermutlich unter dem skandinavisch-warägischen Heerführer Rurik in slawischem Gebiet im 9. Jh. ein Reich um Kiew gründen. Dieses zunehmend sla­wisierte, unter Wladimir dem Heiligen (977-1015) christianisierte Reich zerfällt um 1125. 1236 dringen von Osten Mongolen vor, die unter Führung des sich im späten 15. Jh. nach dem Fall Ostroms Zar nennenden Fürsten von → Moskau bis 1480 wieder zurückgedrängt werden. Das einheimische, von oströmisch-byzantinischem Recht beeinflusste Gewohnheitsrecht (Straf­recht, Erbrecht, Handelsrecht, Verfahrens­recht) wird als Russkaja Prawda (russische Wahrheit) bereits in der ersten Hälfte des 11. Jh.s aufgezeichnet (erhalten in Abschriften seit dem späten 13. Jh.). Dazu kommt das kirchlich-byzantinische Recht (slaw. → Kormcaja). In der frühen Neuzeit wird R. ein autokratischer, nach Osten (Sibirien 1582) und Süden (Ukraine 1654) ausgreifender Einheitsstaat (1547 Zar), der sich im 18. Jh. dem Westen und der Aufklärung nähert (Katharina die Große). Sankt Petersburg wird Hauptstadt. Deutsche Siedler (Russland­deutsche) werden geholt. Das weltliche Recht wird 1645 auf der Grundlage der Russkaja Prawda und späterer Rechtsbücher im Codex Aleksy Michailovic in 25 Kapiteln und 963 Artikeln zusam­mengefasst (Privatrecht, Zivilprozess­recht, Strafrecht, Handelsrecht, Verwaltungs­recht, Kirchenrecht). Kodifika­tionsversuche schei­tern. 1755 erhält Moskau eine Universität. Im 19. Jh. ist R. europäische Großmacht, die als Führerin des Panslawismus handelt. Bemühungen, das Recht nach dem Vorbild des → Code civil Frankreichs zu kodifizieren, scheitern nach dem erfolglosen Angriff Napoleons auf R. 1813. Eine neue, anfangs chronologisch, später aber unter Ausson­derung überholter Sätze lose sys­tematisch geordnete, rechtswissenschaft­lich rückstän­dige, im Wesentlichen nur das bestehende ständische Recht zusammen­fassende Sammlung der Gesetze (Svod Zakonov Rossijskoj Imperii) in 8 Teilen, 15 Bänden und 60000 Artikeln entsteht 1833. Sie dient hauptsächlich dem Behördengebrauch. Sie wird durch die Rechtsprechung ergänzt und überholt. 1845 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Die Leibeigenschaft wird 1861 durch Bauern­befreiung beseitigt. Die Gewaltentren­nung wird 1864 eingeführt. Gleichzeitig erfolgt eine westlich orientierte Justizreform. Das neue Recht wird aber tatsächlich fast nur in den Städten angewendet. Zu dieser Zeit beginnt auch eine vorsichtige Beschäftigung mit dem römischen Recht an den Univer­sitäten. Entwürfe einer seit 1882 an einem Zivilgesetzbuch arbeitenden Kommission werden (1899, 1903) nicht in Kraft gesetzt. Im März 1917 wird in einer Revolution (Meuterei und Demonstration der Arbeiter am 27. 2. 1917, Februarrevolution, nach gregorianischem Kalender am 12. 3. 1917) der Zar gestürzt (Abdankung am 2. 3. 1917 bzw. nach gregorianischem Kalender am 15. 3. 1917, Republik) und eine bürgerliche Regierung eingesetzt. Am 25. Oktober 1917 (= 7. 11. 1917) gewinnen die Sozialisten (Bolschewis­ten) unter Uljanow (Lenin 1870-1924) durch gewaltsame Absetzung der Regierung die Oberhand (Oktoberrevolution mit 6 Toten unter den Angreifern). Russland wird in die Räterepublik der → Sowjetunion verwandelt. 1918 werden revolutionäre Gesetzbücher für Eherecht, Familienrecht, Vormundschafts­recht und Ar­beitsrecht geschaffen, 1922 für R. ein Zivilgesetzbuch erlassen. Bis 1935 wird unter Stalin (Jossif Wissarionowitsch Dschugasch­wili aus Geor­gien, 1878-1953, 1922 Generalsekretär der Kommunistischen Partei) in der Sowjetunion eine sozialistische (marxistische) Rechts­ordnung begründet. 1960 wird ein neues Strafgesetzbuch eingeführt. 1964 werden Zivil­gesetzbuch (458 Artikel) und Zivilprozess­ordnung erneuert. Auf der Grundlage von Grundlagengesetzen der Sowjetunion (1968/70) erlässt R. ein Familiengesetzbuch vom 30. 7. 1969 und ein Arbeitsgesetzbuch vom 9. 12. 1971. Nach einer von Michael Gorbatschow eingeleiteten Reformbewegung wird 1991 die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (Sowjet­union) in die Gemeinschaft unab­hängiger Staaten (GUS) überführt, deren wichtigstes Mitglied das erneuerte R. unter Boris Jelzin ist. Zum 1. 1. 1995 tritt hier der erste Teil eines neuen Zivilgesetzbuches in Kraft. 1996 wird in R. zum 1. 1. 1997 das Strafgesetzbuch erneuert.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Handbuch des gesamten russischen Zivilrechts, hg. v. Klibansky, Bd. 1ff. 1911; Langhans-Ratzeburg, M., Die Wolgadeutschen, 1929; Stupperich, R., Die Anfänge der Bauernbefreiung in Russland, 1939; Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,996, 3,2,228; Wortmann, R., The Development of a Russian legal Consciousness, 1976; Peterson, C., Peter the Great’s Administrative and Judicial Reforms, 1979; Kaiser, H., The Growth of the Law in Medieval Russia, 1980; Handbuch der Geschichte Russlands, hg. v. Hellmann, M., Bd. 1 1981; Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A. 1984; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Systeme, 2. A. 1988; Kwiatkowska, I., De legibus poenas sancientibus anno 1649 a Russis conscriptis, 1984; Steenberg, S., Die Russlanddeutschen, 1989; Stökl, G., Russische Geschichte, 5. A. 1990; Silnizki, M., Geschichte des gelehrten Rechts in Russland, 1997; Baberowski, J., Das Justizwesen im späten Zarenreich 1864-1914, ZNR 1991, 56; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums, 1992; Kappeler, A., Russland, 2. A. 1993; Götz, R./Halbach, U., Politisches Lexikon Russland, 1994; Zernack, K., Polen und Russland, 1994; The Cambridge Enciclopedia of Russia, hg. v. Brown, A. u. a., 1994; Martin, J., Medieval Russia, 1995; 7. Internationale Konferenz zur Geschichte des Kiever und des Moskauer Reiches, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Baberowski, J., Autokratie und Justiz, 1996; Mildner, K., Lokale Politik und Verwaltung in Russland, 1996; Hösch, E., Geschichte Russlands, 1996; Franklin, S./Shepard, J., The Emergence of Rus, 1996; Russian legal theory, hg. v. Butler, W., 1996; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lotman, J., Russlands Adel, 1997; Russen und Russland, hg. v. Koenen, G./Kopelew, L., 1997; Silnizki, M., Geschichte des gelehrten Rechts in Russland, 1997; Kappeler, A., Geschichte Russlands, 1997; Altrichter, H., Russland, 1997; Torke, H., Einführung in die Geschichte Russlands, 1997; Deutsche Geschichte im Osten Europas, Russland, hg. v. Stricker, G., 1997; Russia, hg. v. Freeze, G., 1997; Donnert, E., Russland 860-1917, 1998; Vogelsberger, H., Die letzten Zaren, 1998; Lotman, J., Russlands Adel, 1997; Pritsak, O., The Origins of the Old Rus, 1998; Gestwa, K., Proto-Industrialisierung in Russland, 1999; Gorbatschow, M., Über mein Land, 2000; Luks, L., Geschichte Russlands und der Sowjetunion, 2000; Köbler, G., Rechtsrussisch, 2001; Kappeler, A., Russland als Vielvölkerreich, 2001; Russlands lange Vorgeschichte, hg. v. Schramm, G., 2001; Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion, hg. v. Bohn, T. u. a., 2002; Löwe, H., Stalin, 2002; Handbuch der Geschichte Russlands, hg. v. Plaggenborg, S., Bd. 4 und 5 2002; Schmidt, C., Russische Geschichte 1547-1917, 2003, 2. A. 2009; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 2003; Haumann, H., Geschichte Russlands, 2003; Goehrke, C., Russischer Alltag, Bd. 1ff. 2003ff.; Avenarius, M., Rezeption des römischen Rechts in Russland, 2004; Kolbinger, F., Im Schleppseil Europas?, 2004; Gestwa, K., Der Blick auf Land und Leute, HZ 279 (2004), 63; Hildermeier, M., Russische Revolution, 2004; Baranowski, G., Die Russkaja Pravda, 2005; Koenen, G., Der Russland-Komplex, 2005; The Siberian Saga, hg. v. Stolberg, E., 2005; Linke, H., Geschichte Russ­lands, 2006; Schulz, E., Das Verbraucher­schutz­recht in Russland, 2006; Rustemeyer, A., Dissens und Ehre, 2006; Litzinger, H., Juristen und die Bauernfrage, 2007; Stadelmann, M., Die Romanovs, 2007; Russland 1905, hg. v. Aust, M. u. a., 2007; Die russische Revolution, hg. v. Haumann, H., 2007; Zielinski, M., Der Transfer juristischen Gedankenguts innerhalb Europas, 2007; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Baranowski, G., Der Entwurf einer Verfassungs­urkunde für Russland von 1804, (in) FS Wilhelm Brauneder 2008, 11; Baranowski, G., Die Gerichts­urkunde von Pskov, 2008; Schmidt, C., Russische Geschichte 1547-1917, 2009; Goerke, C., Russland, 2009

Russkaja Prawda (F.) russische Wahrheit → Russland

Rutscherzins ist im Mittelalter der bei nicht rechtzeitiger Leistung erhöhte (rutschende) Grundzins in der → Grundherrschaft.

Lit.: Hübner; Löning, R., Der Vertragsbruch, 1876, 80f.; Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 272

 

 

S

 

SA (Sturmabteilung im Nationalsozialismus)

Lit.: Schmiechen-Ackermann, D., Nationalsozialismus und Arbeitermilieu, 1998; Longerich, P., Geschichte der SA, 2003

Saar ist das Gebiet um die Saar mit dem Hauptort → Saarbrücken, das 1918 und 1945 von Frankreich begehrt wird, aber am 13. 1. 1935 (Volksabstimmung vom 13. 1. 1935 mit einer Mehrheit von mehr als 90 Prozent für eine Heimkehr) und am 1. 1. 1957 (23. 20. 1955 Ablehnung des internationalisierenden Saarstatuts mit 67,7 Prozent) zu Deutschland zurückkehrt (Saarland).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fischer, P., Die Saar zwischen Deutschland und Frankreich, 1959; Jacoby, F., Die nationalsozialistische Herrschafts­übernahme an der Saar, 1973; Klitscher, E., Zwischen Kaiser und französischer Krone, 1986; Die Saar 1945-1955, hg. v. Hudemann, R., 1992; Heinen, A., Saarjahre, 1996; Elzer, H., Die deutsche Wiederver­einigung an der Saar, 2007; Becker, F., Deutsch die Saar, immerdar, 2007

Saarbrücken an der Saar erscheint nach älteren unterbrochenen Siedlungsspuren 999 als vielleicht schon um 850 bestehende Burg. 1321 erhält der Ort Stadtrecht. 1948 wird unter Frankreich (1945-1957) eine Universität gegründet.

Lit.: Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Herrmann, H., Städte im Einzugsbereich der Saar, 1992; Geschichte der Stadt Saarbrücken, hg. v. Wittenbrock, R., Bd. 1f. 1999

Saarland ist das am 1. 1. 1957 aus dem von Frankreich zurückgegebenen Saargebiet gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Es gehört vor 1918 haupt­sächlich zu Preußen und vordem zu Nassau (1381).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ham, H. v., Die Gerichtsbarkeit an der Saar im Zeitalter des Absolutismus, 1938; Grenz-Fall - das Saarland, hg. v. Hudemann, R., 1997; Hahn, M., Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956-1970, 2003; Küppers, H., Johannes Hoffmann (1890-1967), 2008

Sabinianer ist der Angehörige der nach → Sabinus benannten, eher traditionsverhafteten und pragmatischen Schule der römischen Rechtswissenschaft (z. B. Cassius, Iulianus, Iavolenus) im Gegensatz zum Prokulianer.

Sabinus, Masurius (1. Jh. n. Chr.), von einfacher Herkunft, wird 22 n. Chr. Haupt der Rechtsschule der → Sabinianer oder Cassianer und mit 50 Jahren Ritter. Sein Hauptwerk sind (lat.) Libri (M.Pl.) tres iuris civilis (Drei Bücher römisches Recht) in der aus Nachfolgewerken erschlossenen Reihen­folge Erbe, Personen, Verkehrsgeschäfte, unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Be­reicherung.

Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 2 III 1; Söllner §§ 16, 21, 24; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967; Behrends, O., Institutionelles und prinzipielles Rechtsdenken, ZRG RA 95 (1978), 187

sacebaro → sakebaro

sacer (lat.) geweiht, verflucht

Lit.: Köbler, DRG 27

sacerdotium (lat. [N.]) Priestertum, Kirche (in Gegensatz zu [lat. N.) imperium [Kaisertum] oder regnum [Königtum])

Lit.: Von sacerdotium und regnum, hg. v. Erkens, F. u. a., 2002

Sachbeschädigung ist das rechtswidrige Beschädigen oder Zerstören einer einem anderen gehörigen Sache, das bereits im Altertum Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. → lex Aquilia

Lit.:Kaser § 51 II; Söllner § 8; Köbler, DRG 26, 27; König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht, Diss. jur. 1945 (ungedruckt); Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958

Sache (lat. [F.] res) ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Seutschen Reichse (1900) der körperliche Gegenstand, im weiteren Sinn jeder Gegenstand (z. B. nach dem Allge­meinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreich svon 1811 [§ 285] alles, was nicht Person bzw. Mensch ist). Im Anschluss an den bzw. im Gegensatz zu dem bei Gaius (um 160 n. Chr.) Körperliches (res corporalis) und Unkörperliches (res incorporalis) verbinden­den, aber auch gegenüberstellenden res-Begriff des römischen Recht vertritt das heutige deutsche Recht einen engen Sachbegriff des körperlichen Gegenstands. Unterschieden werden innerhalb des körperlichen Gegenstands bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Besitz, Eigentum und beschränkte dingliche Rechte an Sachen.

Lit.: Kaser § 18; Köbler, DRG 15, 24, 39, 60, 73, 90, 123, 140, 162, 207, 211, 269; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit, 1993; Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001

Sachenrecht ist objektiv die Gesamtheit der Sachen betreffenden Rechtssätze. Ein S. (lat. res [F.Pl.]) sondert unter griechischem Einfluss bereits der römische Rechtskundige → Gaius (um 160 n. Chr.) ab. Dies wird in der mittleren Neuzeit wieder aufgegriffen (z. B. Projekt des Codicis Juris Fridericiani 1751, str.), wenngleich die Sache unterschiedlich weit gefasst wird. Im Mittelpunkt des Sachenrechts steht das → Eigentum als absolutes Herrschaftsrecht. Ihm stehen beschränkte dingliche Rechte (z. B. Pfand, Dienstbarkeit, Erbbaurecht) und die tatsäch­liche Gege­benheit Besitz gegenüber. Das einzelne subjektive S. (dingliche Recht) gewährt eine auf die einzelne Sache gerichtete, gegen jedermann (absolut) wirkende Herrschafts­befugnis, die in Rom mittels einer (lat. [F.] actio) durchgesetzt werden kann.

Lit.: Rückert, L., Untersuchungen über das Sachenrecht der Rechtsbücher, 1860; Platz, L., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961 masch.schr.; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1996; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht, Bd. 1ff. 1982ff.; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Sachenrecht, 5. A. 1996; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Füller, J., Eigenständiges Sachen­recht?, 2006

Sachgesamtheit (F.) aus mehreren selbständigen Sachen gebildete Einheit (lat. corpus ex distantibus, z. B. Tierherde, Briefmarkensammlung, Bibliothek), die unterschiedlich behandelt werden kann

Lit.: Hammerstein, J., Die Herde im römischen Recht, 1975; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit als Gegenstand des klasischen römischen Rechts, 1993

Sachhaftung ist die Haftung einer Sache (z. B. eines Pfandes) unabhängig von einer Person.

Lit.: Kaser §§ 31 I 2, 32 II 3

Sachmangel ist die Abweichung einer Sache von der von den Parteien vorausgesetzten Beschaffenheit. Bereits der römische Marktädil gewährt dem Käufer einer mangelhaften Sache unabhängig von Verschulden → Wandlung und → Minderung, sofern nicht der Mangel bei Vertragsschluss bekannt ist. Demge­genüber geht das mittelalterliche Recht außer bei groben Mängeln bestimmter Tiere unde arglistig verschwiegenem Mangel von dem Satz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ aus. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) folgt der römischrechtlichen Gestaltung, behält aber Sonderregeln für den Viehkauf (bis 2002) bei.

Lit.: Kaser § 41; Söllner § 9; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46, 64, 127, 165, 214, 215; Klempt, W., Die Grundlagen der Sachmängelhaftung, 1967; Leiser, W., Schadensersatz wegen Sachmängeln, FS L. Schnorr von Carolsfeld, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Niedrig, H., Die Mangelrüge, 1994; Seiler, C., Vom Allgemeinen Landrecht zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1995; Olzen, D., Das kaufrechtliche Sachmängelgewährleistungsrecht des Code civil, 1996; Deller, P., Der „nach dem Vertrage“ vorausgesetzte Gebrauch, 1999; Medicus, D., Zur Geschichte der Sachmangelhaftung, (in) Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 307; Harke, J., Die Sachmängelhaftung beim Werkvertrag, ZRG RA 124 (2007), 305

Sachse ist der Angehörige eines um 150 n. Chr. bei Ptolemäus in Alexandrien erstmals erwähnten, nach seiner Bewaffnung benannten germanischen Volkes, dessen Siedlungsgebiet zwischen unterem Rhein und Elbe im Frühmittelalter von den → Franken (Karl d. Große 772-804) erobert wird.Das sächsische Recht ist in der (lat. [F.]) → Lex Saxonum und im → Sachsenspiegel aufgezeichnet. S. Sachsen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 67, 76, 131, 155, 184, 186; Köbler, Historisches Lexikon; Romer, C. v., Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachsen, Bd. 1f. 1787f.; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857; Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863/1865, Neudruck 1973; Schröder, R., Der sächsische Volksadel, ZRG GA 24 (1903), 247; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Hempel, E., die Stellung der Grafen von Mansfeld, 1917; Philippi, D., Die Erbexen, 1920; Heck, P., Die Standesgliederung der Sachsen, 1927; Meiche, A., Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmann­schaft Pirna, 1927; Lintzel, M., Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur altsächsischen Standes­gliederung, 1936; Drögereit, R., Sachsen und Angelsachsen, Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 21 (1949); Freytag, H., Die Herrschaft der Billunger in Sachsen, 1951; Hagemann, A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Schöllkopf, R., Die sächsischen Grafen 919-1024, 1957; Schnath, G., Nochmals der Ursprung des Sachsenrosses, ZRG GA 79 (1962), 242; Entstehung und Verfassung des Sachsenstammes, hg. v. Lammers, W., 1967; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979; Brüsch, T., Die Brunonen, 2000; Springer, M., Die Sachsen, 2004; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll, F., 2004; Capelle, T., Widukinds heidnische Vorfahren, 2008; Kümper, H., Sachsenrecht, 2009

Sachsen ist im Hochmit­telalter das Gebiet der Sachsen.1180 ist es von dem Staufer Friedrich I. Barbarossa in der Auseinandersetzung mit dem Welfen Heinrich dem Löwen zer­schlagenes Herzogtum und später unter den Askaniern bzw. ab 1422 den Wettinern Kurfürstentum (1485 Land zwischen den Linien der Albertiner und Ernestiner geteilt, Kurfürstenwürde 1485 an Ernestiner, 1547 an Albertiner, 1697 unter August dem Starken Erwerb der Krone des Königtums Polen). Unter Verkleinerung und Verlagerung an die mittlere Elbe (Dresden) bleibt das Land Sachsen (1806 Königreich, 1918 Freistaat, 1852 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetz­buchs, 1863/1865 Bürgerliches Gesetz­buch in fünf Büchern) bis zur Gegenwart (ausgenommen 1952-1990) erhalten, während die zersplitterten ernesti­nischen Fürstentümer 1920 in Thüringen wie­der­ver­einigt werden und das 1815 von Preußen Sachsen abgewonnene Gebiet mit anderen Gebieten  zur preußischen Provinz Sachsen und 1945 zum Land Sachsen-Anhalt (Magdeburg) wird.Sachse

Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBSachsen­1863.pdf; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Kötzschke, R., Ländliche Siedlung und Agrarwesen in Sachsen, 1953; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Richter, G., Die ernestinischen Landesordnungen, 1964; Blaschke, K., Das kursächsische Appellations­gericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Haas, G., Verfassung und Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm, Diss. jur. Jena 1967; Blaschke, K., Bevöl­kerungsgeschichte von Sachsen, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1540,2654, 3,3,2900,3699 Klein, T., Sachsen, 1982; Wissenschafts- und Universitätsge­schichte in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, hg. v. Czok, K., 1987; Otto, J., Cognitio et usus juris Romano-saxonici, Studi Senesi 107 (1995), 369; Ahcin, C., Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen von 1863/1865, 1996; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Sächsische Justiz in der sowjetischen Besatzungszone, 1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Sachsen in Deutschland, hg. v. Retallack, J., 2000; Beck, L., Herrschaft und Territorium der Herzöge von Sachsen-Wittenberg, 2000; Historisches Ortsnamen­buch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Sachsen im Spiegel des Rechts, hg. v. Schmidt-Recla, A. u. a. 2001; Jäger, V., Zur Entwicklung der staatlichen Untergerichte in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 118 (2001), 222; Keller, K., Landesgeschichte Sachsen, 2002; Klinger, A., Der Gothaer Fürstenstaat, 2002; Diktatdurch­setzung in Sachsen, hg. v. Behring, R. u. a., 2003; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Karlsch, R. u. a., Wirtschaftsgeschichte Sachsens, 2006; Krüger, N., Landesherr und Landstände in Kursachsen, 2007; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll, F., 2007; Dressel, C. v. Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800-1826, 2007; Moritz von Sachsen, hg. v. Blaschke, K., 2007; Volkmar, C., Reform statt Reformation, 2007; Ott, T., Präzedenz und Nachbarschaft, 2008

Sachsen-Anhalt ist das am 5. 7. 1945 (zum 9. 7. 1945) aus der Provinz Sachsen → Preußens und aus dem Freistaat → Anhalt nach der Auflösung Preußens gebildete Land (6. 10. 1947) der sowjetischen Besatzungs­zone, das nach seiner Auflösung (1952/1957) in der → Deutschen Demokratischen Republik zum 3. 10. 1990 mit der Hauptstadt Magdeburg wieder entsteht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Holtmann, E./Boll, B., Sachsen-Anhalt, 1995; Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, hg. v. Kilian, M., 2004

Sachsenrecht oder gemeines Sachsenrecht ist das in der frühen Neuzeit auf der Grundlage des → Sachsenspiegels (1221/4) und der Spruchtätigkeit der Gerichte in → Sachsen angewendete Recht, das erst durch das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863 abgelöst wird.

Lit.: Köbler, DRG 103, 143; Schultze-von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 58; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980

Sachsenspiegel ist das der Wiederentdeckung des römischen Rechts in Italien um 1100 und der neuen Zusammenstellung des kirchlichen Rechts durch → Gratian um 1140 zeitlich nachfolgende, von ihnen vielleicht angeregte, an unbekanntem Ort (nach Landau möglicherweise Kloster Altzelle) vielleicht zwi­schen 1221 und 1224 von → Eike von Rep­gow zunächst auf Latein geschaffene Rechtsbuch (→ Landrecht im Gegensatz zu Volksrecht und Stadtrecht). Der Verfasser bezeichnet sein Werk als (mnd.) spigel der Sachsen, in dem die Sachsen ihr Recht wie sonst Frauen im Spiegel ihr Antlitz erschauen sollen (vgl. lat. → speculum [N.] z. B. speculum ecclesiae, Spiegel der Kirche, des Honorius Augustodunensis 1. H. 12. Jh.). Die einerseits noch verwerteten, andererseits nicht mehr berücksichtigten zeitgenössischen Ereignisse lassen vielleicht eine Datierung der ersten Fassung zwischen 1221 und 1224 (1215 bis 1235) zu (str.). Die in Latein gehaltene Gestalt ist mit Ausnahme des Lehnrechts (sog. [lat.] → Auctor [M.] vetus de beneficiis) nicht erhalten. Von Eike selbst stammt noch die bald danach verfertigte völlig neuartige mittel­niederdeutsche Über­setzung, die (bis 1270) mehrfach erweitert wird, wobei auch die Textform IIa bereits im zweiten Viertel des 13. Jh.s entstanden sein dürfte. Der S. erfasst das aus verschiedensten Wurzeln erwach­sende Recht (Gewohnheits­recht, Landfrie­densgesetze) Ost­falens, bezieht aber auch allgemeinere, selbst biblische und gelehrte Quellen ein. Er ist vermutlich anfangs nur in zwei Teile (Landrecht, Lehnrecht) und Artikel gegliedert. Zitiert wird er als Ssp (LdR bzw. LehnR) nach (Buch,) Artikel und Paragraph. Vom Ende des 13. Jh.s an breitet sich der jetzt zusätzlich im Landrecht in drei Bücher geteilte S. in Hunderten von teilweise noch erhaltenen Handschriften (etwa 465, mindestens 341 Landrechtstexte, 94 Lehnrechtstexte, älteste Fragmente Kopenhagen, Königliche Biblio­thek, NKS 1479, fol. 1 [Sammelmappe] und Fragmentsammlung 12, fol. 1866, 2. Vier­tel/Mitte 13. Jh., Berlin, Staatsbibliothek Fragm. 22, 3. Viertel 13. Jh., 8 Fragmente und 2 bzw. 3 Handschriften [Leiden, Universitäts­bibliothek BPL 180 B, Ende 13. Jh./um 1300, Mirbach-Harff, Antonius Graf von, 1295, Mai 7, Arpe, Peter Friedrich, seit 1837 verschollen, 1296?] wohl noch aus dem 13. Jh.) in einem von Holland bis Polen reichenden Gebiet aus. Es werden Bil­derhandschriften (Dresdener, Heidelberger, Wolfenbütteler, Oldenburger Bilderhand­schrift), Übersetzungen (in das Lateinische und Mittelhochdeutsche usw.), Bearbeitungen (Glossen u. a. des Johann von → Buch 1325, Nikolaus → Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff) und auf seiner Grundlage zahlreiche weitere Rechtsbücher (Görlitzer Rechtsbuch 1300, Breslauer Land­recht 1356, Berliner Stadtbuch 1397, Richtsteig Landrechts 1335, Richtsteig Lehn­rechts E. 14. Jh., sächsisches Weichbild, → Deutschenspie­gel und → Schwabenspiegel usw.) verfasst. Kein Artikel des Sach­sen­spiegels ist durchgängig und ebenso kein Artikel überhaupt nicht in die späteren Rechtsbücher des sächsisch-magdeburgischen Rechts eingegangen. Insgesamt eignet sich vor allem das „städtische Milieu“ den S. (im Strafrecht, Verfahrensrecht und Erbverfah­rensrecht) an. → Sachsenrecht

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 102, 123, 124, 143; Sachsenspiegel, hg. v. Homeyer, C., 1827, 2. A. 1835ff., 3. A. 1861ff.; Schuster, H., Versuch einer Deutung von Ssp. III 73, ZRG GA 3 (1882), 136; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Schröder, R., Zur Kunde des Sachsenspiegels, ZRG GA 9 (1888), 52; De Saksenspiegel in Nederland, hg. v. Geer van Jutphaas, 1888; Frommhold, G., Erörterungen über die Reimvorrede des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 125; Schröder, R., Zu der praefatio rhytmica des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 226; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Gundlach, W., Karl der Große im Sachsenspiegel, 1899; Behre, E., Die Eigentums­verhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Jecht, R., Über die in Görlitz vorhandenen Handschriften des Sachsenspiegels, Neues lausitzisches Magazin 82 (1906); Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, 1906; Heck, P., K. v. Amira und mein Buch über den Sachsenspiegel, 1907; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Heck, P., Die Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Rosenstock, E., Die Verdeutschung des Sachsenspiegels, ZRG GA 37 (1916), 498; Stutz, U., Der rechtshistorische Gehalt der Sachsen­spiegelvorreden, ZRG GA 43 (1922), 300; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegelvokabularien, ZRG GA 44 (1924), 307; Voltelini, H. v., Der Sachsenspiegel und die Zeitgeschichte, 1924; Sinauer, E., Eine Lüneburger Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 45 (1925), 408; Das Landrecht des Sachsenspiegels nach der Bremer Handschrift von 1342, hg. v. Borchling, C., 1925; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien Heft 2 Die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und der sächsischen Weltchronik 1931 (Abh. Göttingen), Heft 3 Die Textentwicklung des Sachsenspiegels von 1220 bis 1270, 1933 (Abh. Göttingen); Sachsenspiegel Land- und Lehnrecht, hg. v. Eckhardt, K. 1933; Sachsenspiegel Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 1933; Voltelini, H. v., Ein Beitrag zur Quellenkunde des Sachsenspiegels Landrecht, ZRG GA 58 (1938), 548; Kallen, G., Friedrich Barbarossas Verfassungsreform und das Landrecht des Sachsenspiegels, ZRG GA 58 (1938), 560; Hirsch, H., Eine neu entdeckte, die zweite bekannte Handschrift des holländischen Sachsen­spiegels, ZRG GA 59 (1939), 253; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941, Neudruck 1960; Blaese, H., Die rechtliche Wirkungskraft des Sachsenspiegels im Bereich des heutigen Estlands und Lettlands, ZRG GA 62 (1942), 322; Buchda, G., Eine Bemerkung zum Sachsenspiegel II Artikel 55, ZRG GA 62 (1942), 353; Eike von Repgow, Sachsenspiegel Lehnrecht, übertr. v. Hirsch, H., 1939; Molitor, E., Der Gedankengang des Sachsenspiegels, ZRG GA 65 (1947), 15; Mess, F., Wartburgkrieg und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Buchda, G., Archäologisches zum Sachsenspiegel, ZRG GA 72 (1955), 205; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1957; Sachsenspiegel, Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 3. A. 1973; Nowak, E., Die Verbreitung und Anwendung des Sachsenspiegels, Diss. phil. Hamburg 1965, masch.schr.; Hartmann, J., Ein elbostfälisches Fragment des Sachsenspiegels, ZRG GA 82 (1965), 291; Eike von Repgow und Hoyer von Valkenstein, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Becker, H., Eine unbekannte Handschrift des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971), 190; Herkommer, H., Überlie­ferungsgeschichte der sächsischen Weltchronik, 1972; Kisch, G., Sachsenspiegelbibliographie, ZRG GA 90 (1973), 73; Ebel, W., Über das „ungezweite Gut“ in Ssp. Ldr. I 31, ZRG GA 92 (1975), 184; Benöhr, H., Erfolgshaftung nach dem Sachsenspiegel?, ZRG GA 92 (1975), 190; Rymaszewski, Z., (Lateinische Texte des Landrechts des Sachsenspiegels in Polen), 1975; Krause, H., Der Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwangs, ZRG GA 93 (1976), 21; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984; Eike von Repgow Sachsenspiegel, hg. v. Schott, C. u. a., 3. A. 1996; Gauert, A., Werla in der Nähe von Goslar, ZRG GA 105 (1988), 253; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, (in) Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991, 232; Müller, B., Die Berliner Sammelhandschrift Mgf 10, 1991; Der Sachsenspiegel als Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift. hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. v. Koolman, 2. A. 1995; Aus dem Leben gegriffen, hg. v. Fansa, M., 2. A. 1995; Der Sassen Speyghel, Bd. 1f., hg. v. Koolmann, E. u. a., 2. A. 1995; Der Sachsenspiegel aus Oppeln und Krakau, hg. v. Piirainen, I. u. a., 1996; Kroeschell, K., Von der Gewohnheit zum Recht, (in) Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998, 68; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Scheele, F., u. a., Das neu aufgefundene Fragment 80a und b, ZRG GA 115 (1988), 514; Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999; Der Sachsenspiegel, übersetzt v. Kaller, P., 2002; Der Dresdner Sachsenspiegel, 2002; Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hg. v. Lück, H. 2002; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61; Kannowski, B./Kaufmann, F., Ein Brief aus uralten Zeiten, DA 59 (2003), 548; Kümper, H., Sachsenspiegel – Eine Bibliographie, 2004; Landau, P., Der Entstehungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73; Weinert, J., Die Dresdner Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 2007; Bertelsmeier-Kierst, C., Zur ältersten Überlieferung des Sachsenspiegels, (in) Worte des Rechts, 2007, 56; Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und Osteuropa - Sachsenspiegel und Magdeburger Recht, hg. v. Eichler, E. u. a., 2008; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008; Munzel-Everling, D., Der Sachsenspiegel - Die Heidelberger Bilder­hand­schrift, 2009 (CD); Kümper, H., Sachsenrecht, 2009;

Sachsenspiegelglosse ist die von gelehrten Juristen seit dem 14. Jh. zum → Sachsenspiegel erarbeitete → Glosse (Johann von Buch um 1325, Nikolaus Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff, Stendaler Glosse). Dabei lassen sich beispielsweise die 40 (bzw. 31 noch benutzbaren) Textzeugen der Glosse zum Lehnrecht (eines unbekannten Verfassers) in vier Testklassen (kürzere Glosse, längere Glosse, Wurmsche Glosse, gemischte deutsch-lateinische Glosse) gliedern.

Lit.: Köbler, DRG 103, 107; Steffenhagen, E., Der Einfluss der Buchschen Glosse, 1893f.; Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels XI, 1922/1923; Kisch, G., Eine Torgauer Glossenhandschrift, ZRG GA 39 (1918), 365; Die Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, hg. v. Steffenhagen, E., Einleitung und Glossenprolog, 1925; Schilling, K., Das objektive Recht in der Sachsenspiegelglosse, 1931; Sinauer, E., Studien zur Entstehung der Sachsenspiegelglosse, NA 50 (1935), 475; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lieberwirth, R., Über die Glosse zum Sachsenspiegel, 1993; Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht. Buch’sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002; Kaufmann, F., Die Glossen zum Ss.-Lehrnrecht, ZRG GA 123 (2006), 284; Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht, hg. v. Kaufmann, F., 2006; Kannowski, B./Kaufmann, F., De glose vornim vnde dute mit vlite, ZRG GA 125 (2008), 50

Sächsischer Prozess ist die in → Sachsen in der frühen Neuzeit geltende Form des → Prozesses, die einige Besonderheiten bewahrt und weiterentwickelt. Der sächsische Prozess gründet sich auf das 1356 vom Kurfürstentum → Sachsen erlangte (lat. N.) privilegium (N.) de non appellando (Nichtappellationsprivi­leg), sächsische Hofgerichtsordnungen von 1488, 1493, 1529, 1548 und 1550, die kursächsischen Konstitutionen von 1572 und die Prozess- und Gerichtsordnung von 1622. Er ist grundsätzlich mündlich. Der Beklagte kann bei Säumnis und Schlüssigkeit der Klage verurteilt werden. Eine Artikulation findet nicht statt. Die (lat.) litis contestatio (F.) (Streitbefestigung) ist einfache Klage­beantwortung. Das selb­ständige Beweisver­fahren endet mit einem selbständig angreif­baren Beweisinterlokut (Beweisurteil). Es gibt nur eine Tatsacheninstanz.

Lit.: Carpzov, B., Processus iuris in foro Saxonico, 1657; Heimbach, C., Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Prozesses, 1852; Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274

Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch ist das am 2. 1. 1863 verkündete und am 1. 3. 1865 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich → Sachsen. Es umfasst fünf Bücher mit 2620 Paragraphen. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches wird es zum 1. 1. 1900 im Wesentlichen abgelöst.

Lit.: Beckhaus, F., Die gemeinrechtlichen Quellen zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, 1866; Siebenhaar, E., Jahrbuch des sächsischen Privatrechts, 1872; Grützmann, P., Lehrbuch des königlich sächsischen Privatrechts, Bd. 1f. 1887ff.; Buschmann, A., Das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch, JuS 20 (1980), 553

sächsisches Recht → Sachsenrecht

Lit.: Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980

Sächsische Weltchronik ist die erste deutschsprachige Prosachronik. Als Verfasser scheidet wohl Eike von Repgow aus. Auch die Abfassungszeit (Magdeburg 1229, 1230?, 1260, Magdeburg vor 1276) ist umstritten.

Lit.: Eckhardt, K., Zur sächsischen Weltchronik, ZRG GA 53 (1933), 311; Herkommer, H., Überlieferungs­ge­schichte der sächsischen Weltchronik, 1972; Menzel, M., Die sächsische Weltchronik, 1985; Wolf, J., Die sächsische Weltchronik, 1997; Das Buch der Welt, hg. v. Herkommer, H., 2000

sachverfolgend, Adj,, reipersekutorisch (z. B. Klage auf Ausgleich eines Vermögensverlusts im römischen Recht mit dinglichen Ansprüchen (lat. [F.] actio in rem) und schuldrechtlichen Ansprüchen(lat. [F.] actio in personam) im Gegensatz zu pönal

Sachverhalt ist ein tatsächliches Geschehen (Sein). Dementsprechend ist der S. als solcher zumindest so alt wie das Recht. Als rechtlicher Grundbegriff begegnet S. anscheinend erst im späten 19. Jh., in dem es dem Tatbestand gegeübergestellt wird.

Lit.: Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995

Sachverständiger ist der Mensch, der auf einem Gebiet besonderes Wissen hat, das er (einem Gericht in einem Rechtsstreit) zur Verfügung stellen kann. Der Sachverständige ist bereits dem Altertum bekannt. In der frühen Neuzeit gewinnt er wieder an Gewicht. In der Regel erwirbt der Sachverständige sein Wissen aus einer ausgeübten beruflichen Tätigkeit.

Lit.: Kaser §§ 84 I 2c, 87 II 6; Köbler, DRG 202; Bernet, M., Der Beizug von gerichtlichen Sachverständigen im alten Zürich, 1967; Jessnitzer, K., Der gerichtliche Sachverständige, 10. A. 1992; Olzen, D., Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Poppen, E., Die Geschichte des Sachverständigen­beweises im Strafprozess, 1984

Sachwalter

Lit.: Winterberg, H., Der Sachwalter, ZRG GA 83 (1966), 295

Säcken ist der Vollzug der Todesstrafe durch Ertränken in einem zugebundenen Sack, wie er sich vor allem im römischen Altertum findet.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

sacramentum (lat. [N.]) Eid

Sacra Rota (F.) Romana (lat.) → Rota

Lit.: Kroeschell, DRG 2

sacrum imperium (lat. [N.]) heiliges Reich

sacrum imperium Romanum (lat. [N.]) Heiliges römisches Reich

Sage ist die mündliche Überlieferung eines möglichen vergangenen, nicht sicher be­zeugten, in manchen Fällen aber vielleicht tat­sächlich so oder so ähnlich abgelaufenen Geschehens.

Lit.: Ruoff, W., Eine späte Rechtssagenbildung, ZRG GA 92 (1975), 201; http://www.sagen.at

Saint Bertin

Lit.: Coopland, G., The abbey of Saint-Bertin, 1914

Saint Denis

Lit.: Sonzogni, D., Le chartrier de l‘abbaye de Saint-Denis en France, Pecia 2 (2003), 9 (bis 987 267 Stücke)

Saint-German, Christopher (um 1460-1540) wird nach der rechtswissenschaftlichen Ausbildung in Oxford und der rechts­praktischen Ausbildung an Inner Temple Inn of Court Anwalt. 1528 verfasst er den (lat.) Dialogus (M.) de fundamentalis legum et de conscientia (engl. Dialogues between a Doctor of Divinity and a Student of the Com­mon Law, 1530/1, Zwiegespräch zwischen einem Lehrer und einem Studenten des gemeinen Rechts). Darin behandelt er die Ursprünge des kanonischen Rechtes und des englischen Rechtes und ermittelt die trotz der gegenseitigen Ausschließlichkeit bestehenden gemeinsamen Grundgedanken.

Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Coquillette, D., The Civilian Writers of Doctors’ Common, 1988

Saint Germain en Laye westlich von Paris ist der Ort des ohne unmittelbare Beteiligung Österreichs an den Verhandlungen ge­schaffenen Friedensvertrages zwischen den Alliierten des ersten Weltkrieges und Österreich vom 10. 9. 1919, in dem → Österreich auf den → Anschluss an das → Deutsche Reich und die allgemeine Wehrpflicht verzichten muss und (Gebiete [z. B. Ostgalizien, Südtirol, Trentino, Triest, Istrien u. a. an) Ungarn, die Tsche­cho­slowakei, Polen, und Jugoslawien verliert.

Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Kleinwachter, F., Von Schönbrunn bis St. Germain, 1964

Saint-Simon, Claude Henri de (1760-1825) ist ein bedeutsamer Vertreter des frühen Sozialismus in Frankreich.

Lit.: Köbler, DRG 179

Saínz de Andino, Pedro (1786-1863) wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Sevilla Anwalt, Politiker und Staatsanwalt. Er verfasst das erste spanische Handelsgesetz­buch (Código de comercio 1829, nach französischem Vorbild).

Lit.: Rubio, J., Sainz de Andino y la codificación mercantil, 1950, 27

Saio ist im frühmittelalterlichen gotischen Recht der Beauftragte eines Herrn.

Lit.: El Código de Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960; Morosi, R., I saiones, Athenaeum NS 59 (1981), 150; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989, 459; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001

saisina (lat.-afrk. [F.]) Ergreifung

Lit.: Buisson, L., König Ludwig IX., der Heilige, und das Recht, 1954

Sakebaro (lat.-afrk.) ist der königliche Amtsträger des fränkischen Frühmittelalters im Streitwesen („Streitmann“ als Helfer des Grafen).

Lit.: Kögel, R., Sagibaro, Z. f. d. A. 33 (1889), 13; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983

Sakralrecht ist im römischen Recht das von der Priesterschaft und vom Zensor außerhalb der Gerichtsbarkeit gehandhabte Recht.

Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 58 II 1, 60 I 2; Söllner § 5, 6

Sakrament (lat. [N.] sacramentum, heilige Handlung) ist im antiken Rom das an einem heiligen Ort zu hinterlegende Pfandgeld, im Christentum das in Christus gründende heilige Zeichen. Im Hochmittelalter werden sieben Sakramente angenommen (Taufe, Firmung, Buße, Kranken­salbung, Eheschließung, Priester­weihe und Eucharistie). Von ihnen anerkennt die protestantische Kirche nur Taufe und Abendmahl.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Sakrileg (N.) Tempelschändung

Lit.: Glatthaar, M., Bonifatius und das Sakrileg, 2004

Säkularisierung oder Säkularisation (zu lat. saeculum [N.] Geschlecht, Zeitalter, zuerst S. als Wechsel eines Ordensgeistlichen in den Weltklerus, 8. Mai 1646 secularisieren als kirchliches Gut in weltliche Herrschaft brin­gen) ist die bereits im römischen Altertum sichtbare Verweltlichung kirchlicher Angele­genheiten, insbesondere die Verstaatlichung von Kirchengut (z. B. 1802 linksrheinisch nach französischem Recht bzw. im → Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803, rund 10000 Quadratkilometer Gebiet mit 3161776 Untertanen betreffend) sowie die allgemeine Entkirchlichung.

Lit.: Köbler, DRG 84, 132; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 789; Erzberger, M., Die Säkularisation in Württemberg, 1902, Neudruck 1974; Die Säkularisation 1803, hg. v. Oer, R. Freiin v., 1970; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Müller, M., Säkularisation und Grundbesitz, 1980; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Schieder, W./Kuhe, A., Säkularisation und Mediatisierung, 1987; Zur Säkularisierung geistlicher Institutionen, hg. v. Crusius, I., 1996; Ziekow, J., Zur Geschichte der Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ZNR 18 (1996); Säkularisierung, hg. v. Lehmann, H., 1997; Säkularisation der Reichskirche 1803, hg. v. Decot, R., 2002; Kirchengut in Fürstenhand, hg. v. Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg u. a., 2003; Alte Klöster – neue Herren. Die Säkularisation im Süd­westen, hg. v. Himmelein, V., 2003; Die Säkularisation in Bayern, hg. v. Schmid, A., 2003; Bayern ohne Klöster?, hg. v. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, 2003; Annen, M., Säkularisierung im 19. Jahrhundert, 2004; Die Säkularisation im Prozess der Säkularisierung Europas, hg. v. Blickle, P., 2005; Friedrich, W., Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Pohlig, M. u. a., Säkularisierungen in der frühen Neuzeit, 2008; Hannöver, B., Die Säkularisation der Zisterzienserinnenklöster in Westfalen 1803 bis 1810, 2009

sala (ahd. [F.]) Gabe, Übergabe, vgl. engl. sale

Lit.: Köbler, DRG 90; Köbler, WAS

Salamanca am Tormes ist seit 1134 (Erwähnung eines Scholasters) bzw. 1218/9 Sitz einer Universität. Im 16./17. Jh. wird auf spätscholastischer Grundlage in der Schule von S. die Erkenntnis des → Naturrechts besonders gefördert.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987; Rodríguez Cruz, A., Historia de la universidad de Salamanca, 1990

Salbuch ist im Mittelalter das Güter betreffende Buch (Güterverzeichnis, Urbar).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte und Kritik der frühmittelalterlichen Güterverzeichnisse, Archiv f. Diplom. 4 (1958), 183

Salbung ist die Einreibung eines Menschen mit Salböl im Zuge einer symbolischen Handlung. Die S. stammt aus dem Orient. (751? bzw.) 754 salbt Papst Stephan II. den fränkischen König Pippin und seine Söhne Karl und Karlmann.

Lit.: Kutsch, E., Salbung als Rechtsakt im Alten Testament, 1963; Jäschke, K., Bonifatius und die Königssalbung, Archiv f. Diplom. 23 (1977), 25; Angenendt, A., Rex et sacerdos, FS K. Hauck, 1982, 100; Enright, M., Iona, Tara and Soissons, 1985; Nehlson, J., Politics and Ritual, 1986; Semmler, J., Der Dynastiewechsel von 751, 2003

Sale of Goods Act (1893) ist das das Warenkaufsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechts.

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Salerno in Kampanien wird 197 v. Chr. als römische Kolonie gegründet. Über Oströmer und Langobarden kommt es 1077 an die Normannen. Im 11. Jh. (995-1087) entsteht dort als möglicherweise erste Universität des europäischen Mittelalters eine berühmte Schule der Medizin. Nach deren Aufhebung (1812) wird 1944 eine Universität gegründet.

Lit.: Amarotta, A., Salerno, 1989

Salfranke ist der dem salischen Teilstamm angehörende → Franke. → Pactus legis Salicae

Lit.: Köbler, DRG 80

Salgut (N.) Herrengut

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Landau, G., Das Salgut, 1862; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953; Schmidt-Wiegand, R., Sali, 1968

Salicetus, Bartholomäus ist ein in Bologna zwischen 1330 und 1340 geborener, in Bologna ausgebildeter, vielleicht ab 1363 lehrender, am 28. 12. 1412 verstorbener Jurist (Commentaria in Codicem [Kommentare zum Codex], commentaria in Digestum vetus [Kommentare zum ersten Teil der Digesten], consilia [Gutachten], tractatus de mora [Abhandlung über Verzug], repetiones [Wiederholungen], lecturae [Lesungen]).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 796

Salier ist der Angehörige des von 1024 bis 1125 im Deutschen Reich als Könige herr­schenden fränkischen Geschlechts (Konrad II. 1024-1039, Heinrich III. 1039-1056, Heinrich IV. 1056-1106, Heinrich V. 1106-1125).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Bosl, K., Die Reichsministerialen der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Werle, H., Das salische Erbe, Diss. jur. Mainz 1952; Boshof, E., Die Salier, 1987, 2. A. 1992, 3. A. 1995, 4. A. 2000, 5. A. 2008; Weinfurter, S., Herrschaft und Reich der Salier, 1991; Die Salier und das Reich, hg. v. Weinfurter, S., Bd. 1ff. 1992, 2. A. 1992; Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII, hg. v. Seyffert, H., 1996; Struve. T., Die Salier und das römische Recht, 1999; Wolfram, H., Konrad II., 2001; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002, 2. A. 2008; Weinfurter, S., Das Jahrhundert der Salier, 2004; Althoff, G., Heinrich IV., 2006, 2. unv. A. 2008; Laudage, J., Die Salier, 2006; Struve, T., Salierzeit im Wandel, 2006; Salisches Kaisertum und neues Europa, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2007; Die Salier, das Reich und der Niederrhein, hg. v. Struve, T., 2008

Salische Erbfolge ist die Bevorrechtigung des ältesten Sohnes in der Erbfolge nach fränkischem Recht.

Lit.: Scheidgen, H., Die französische Thronfolge, Diss. phil. Bonn 1976; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, hg. v. Landwehr, G., 1982; Krynen, J., L’Empire du roi, 1993

Salland (N.) Herrenland

Salmann ist der → Treuhänder im mittelalterlichen Recht (ältester chronikali­scher Beleg vielleicht 1123/1124).

Lit.: Hübner; Beyerle, K., Das Salmannenrecht, 1900; Kober, A., Das Salmannenrecht und die Juden, 1907; Wallach, L., Der älteste chronikalische Beleg für salmannus, ZRG GA 54 (1934), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971

Salvatorische Klausel ist eine befreiende Klausel (z. B. in der → Constitutio Criminalis Carolina von 1532, die ausdrücklich die hergebrachten Bräuche partikularer Art unberührt lassen will).

Lit.: Kroeschell, DRG; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung, ZRG GA 77 (1960), 288

Salz ist das aus Natrium und Chlor gebildete Gewürz.

Lit.: Volk, O., Salzproduktion und Salzhandel mittelalterlicher Zisterzienserklöster, 1984

Salzburg an der Salzach wird 739 Bistum und 798 Erzbistum. 1328 erhält das Hochstift ein eigenes Landrecht. Im 14. Jh. löst es sich als Erzstift von Bayern. 1622 wird S. Sitz einer bis 1810/1818 bestehenden und 1968 wieder eröffneten Universität. 1731/1733 werden 10500 Pro­testanten vertrieben. 1803 wird S. säkularisiert (Großherzog von Toskana) und gelangt 1805, 1809 an Bayern und 1816 an → Österreich (Oberösterreich), wo es 1850 eigenes Kronland wird (1920 Bundesland, 1939-1945 Reichsgau, 1945-1955 Besatzungszone der Vereinigten Staaten von Amerika).

Lit.: Köbler, DRG 220; Salzburger Urkundenbuch, hg. v. Hauthaler, W. u. a., Bd. 1f. 1898f.; Bittner, L., Die Geschichte der direkten Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Mell, R., Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, 1903; Mayr, J., Geschichte der salzburgischen Zentralbehörden, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 54-54 (1924-1926); Putzer, P., Das Privatrecht, FS H. Eichler, 1977, 503; Pichler, J., Die ältere ländliche Salzburger Eigentumsordnung, 1979; Grass, N., Kirchenrecht und Kirchengeschichte, 1985; Hartmann, P., Das Hochstift Passau und das Erzstift Salzburg, 1988; Zaisberger, F., Die Salzburger Landtafeln, 1990; Wolfram, H., Salzburg, Bayern und Österreich, 1995; Salzburg, hg. v. Hanisch, E. u. a., 1997; Zaisberger, F., Geschichte Salzburgs, 1998; Ortner, F., Salzburgs Bischöfe, 2005; Die Säkularisation Salzburgs 1803, hg. v. Ammerer, G. u. a., 2005; Quellen zur Salzburger Frühgeschichte, hg. v. Wolfram, H., 2006; Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008

Salzregal → Regal

Salzwedel

Lit.: Stephan, J., Die Vogtei Salzwedel, 2006

Same ist der Angehörige eines nordskandi­navischen, nichtindogermanischen Volkes (Lappen in Norwegen und Schweden).

Lit.: Firsching, A., Die Samen, ihre Rechtsstellung in Schweden und ihre Rechtsstellung im Lichte der Indigenous Peoples weltweit, 2002

sanatio (lat. [F.]) Heilung

Sanhuri, Al (Alexandria 1895-1971) passt nach dem Rechtsstudium in Kairo und in Frankreich das islamische Recht von → Saria und → Megelle im ägyptischen Zivilgesetzbuch modernen Erfordernissen an.

Lit.: Hill, E., Al-Sanhuri and Islamic Law, 1987; Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989

Sankt Blasien

Lit.: Urkundenbuch des Klosters S(ank)t Blasien im Schwarzwald, bearb. v. Braun, J., 2003

Sankt Gallen südlich des Bodensees erwächst aus einer um 612 errichteten Zelle des heiligen Gallus. Im Frühmittelalter ist es einer der bedeutendsten Bildungsorte des fränkisch-deutschen Reichs, dem zwischen 760 und 950 etwa 500 Konventuale angehören, von denen ein Viertel als Urkundenschreiber tätig ist. 1411/1412 bzw. 1451 wenden sich die Stadt und die Abtei der Eidgenossenschaft der → Schweiz zu.

Lit.: Ratpert, Sankt Galler Klostergeschichten (Casus sancti Galli), hg. v. Steiner, H., 2002; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Gmür, M., Die Rechtsquellen des Kantons Sankt Gallen, Bd. 1ff. 1903ff.; Cavelti, L., Entwicklung der Landeshoheit der Abtei Sankt Gallen in der alten Landschaft, 1914; Wyßmann, Werner, Rechtsgeschichte des sanktgallischen Rheintals, 1922; Schelling, A., Urkundenbuch zur st. gallischen Handels- und Industriegeschichte, 1922f.; Ganahl, K., Studien zur Verfassungsgeschichte der Klosterherr­schaft Sankt Gallen, 1931; Moser-Nef, C., Die freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, Bd. 1ff. 1931ff.; Ehrenzeller, W., Kloster und Stadt Sankt Gallen im Spätmittelalter, 1931; Moser-Nef, C., Die freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, (1934); Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen, 1958; Müller, W., Freie und leibeigene Sankt Galler Gotteshausleute, 1961; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Müller, W., Landsatzung und Landmandat der Fürstabtei St. Gallen, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,456, 3,2,1959; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Schauri, F., Karl Beda Müller-Friedberg (Sohn) und die sankt gallischen Bestrebungen zur Kodifikation des Privatrechts, 1975; Mettler, T., Konrad Meyer (1780-1813) und die sankt gallischen Strafgesetze der Mediation, 1979; Chartularium Sangallense, hg. v. Clavadetscher, O., Bd. 3ff. 1982´3ff.; Kommentar zu Ausstellungsdaten, Actum- und Güterorten der älteren St. Galler Urkunden, hg. v. Borgolte, M. u. a., 1985; Ziegler, E., Sitte und Moral in früheren Zeiten, 1991; Die Kultur der Abtei Sankt Gallen, hg. v. Vogler, W., 2. A. 1992; Robinson, P., Die Fürstabtei St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529, 1995; Sankt Gallen, hg. v. Wunderlich, W., Bd. 1 1998; Das Kloster Sankt Gallen im Mittelalter, hg. v. Ochsenbein, P., 1998; Ratpert, St. Galler Klostergeschichten, hg. v. Steiner, H., 2002; Schaab, R., Mönch in Sankt Gallen, 2003; Jordan, G., Nichts als Nahrung und Kleidung, 2007

Sankt Goar

Lit.: Zwischen Rhein und Mosel, hg. v. Heyen, F., 1966

Sankt Pölten

Lit.: Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Gutkas, K., 1959

Sankt Trudpert

Lit.: Beiträge zur Geschichte von Sankt Trudpert, hg. v. Mayer, T., 1937

San Marino ist die vielleicht auf eine Siedlung des dalmatinischen Mönchs Marinus (6. Jh.) zurückgehende, seit dem 13. Jh. Eigenständigkeit gewinnende Republik in Mittelitalien mit den Orten Domagnano, Villa, Fiorentino, Montegiardino, Faetano und Serravalle (1371 1000 Einwohner). Die erste überlieferte Fassung des Rechts San Marinos stammt wohl aus dem ausgehenden 13. Jh.

Lit.: La tradizione politica de San Marino, hg. v. Iwaneijko, E., 1988; Vasina, E., San Marino, LexMA 7 1995, 1178; Reinkenhof, M., Die Anwendung von ius commune in der Republik San Marino, 1997

Santiago de Compostela in Galicien, wo um 830 die Gebeine des Apostels Jakobus gefunden worden sein sollen, wird Sitz eines Bischofs, 1120 eines Erzbischofs und 1501 einer Universität. Es ist einer der bedeutend­sten Wallfahrtsorte Europas.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Santiago, 1993

sapiens (lat.) wissend, weise

Sarazene (M.) → Araber

Sardinien ist die nach den bereits am Ende des 13. Jh.s v. Chr. in ägyptischen Quellen bezeugten Sarden benannte Insel im Mittelmeer, die über Karthager, Römer, Vandalen, Oströmer und Ostgoten in der Mitte des 11. Jh.s an Pisa gelangt. Nach dem Untergang der → Staufer wird 1297 Aragonien vom Papst mit S. belehnt. 1713/1714 fällt S. über Spanien erbweise an → Österreich, das es 1718/1720 im Tausch gegen Sizilien an Savoyen bzw. Piemont gibt. Das Königreich Sardinien-Piemont wird zur Keimzelle des am 17. 3. 1861 ausgerufenen König­reichs → Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pitzorno, B., Le leggi spagnuole nel regno di Sardegna, 1919; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,101, 3,2,2363, 3,3,3225; Pauli, R., Sardinien, 1986; Casula, F., La Sardegna, 1990

Saria (Scharia, Weg zur Tränke) ist das auf dem → Koran beruhende, im 7. bis 10. Jh. entstandene islamische Recht. Die S. wird als gottgewollte Ordnung verstanden. Im 19. Jh. wird die S. verschiedentlich durch europäisches Recht zurückgedrängt. Seit der Mitte des 20. Jh.s erfolgt in einzelnen Ländern eine Rückbesinnung auf sie. → Islam

Sassari (1188 Tathari) in Sardinien wird 1236 freie Kommune. 1441 wird es Sitz des Erzbischofs von Torres. 1450 erhält es eine Universität.

Lit.: Castellaccio, A., Sassari medioevale, 1992

satisfactio (lat. [F.]) Genugtuung

Satzung ist die gemeinsame Festsetzung, im Hochmittelalter vor allem das objektive ge­setzte Recht und das vereinbarte (und damit gesetzte)  → Pfand, in der Neuzeit das von einer mit Autonomie begabten juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts geschaffene Recht oder → Statut. Im Rahmen des Pfandrechts ist die sog. ältere S. ein Besitzpfand (Besitz des Pfandgläubigers) und Nutzungs­pfand, die sog. jüngere S. ein besitzloses Pfand (Besitz des Pfand­schuld­ners).

Lit.: Hübner 402, 469; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 10 (1983), 385

Säumnis ist das Nichterscheinen oder Nichtverhandeln einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung zu einem zur notwendigen Verhandlung bestimmten Termin. Dies zieht schon früh nachteilige Folgen für den Säumigen nach sich.

Lit.: Söllner § 8; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966

Savigny, Friedrich Carl von (Frankfurt am Main 21. 2. 1779-Berlin 25. 10. 1861), aus begütertem, bis 1630 lothringischem Adel, 1791/1792 verwaist, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1795, Weiss) und Göttingen (mit 21 Jahren) 1800 Dozent in Marburg, (mit 24 Jahren) 1803 außeror­dentlicher Professor, 1808 nach einer längeren Bildungsreise ordentlicher Professor in Landshut und 1810 an der neuen Universität → Berlin. Sein im Grunde unhistorisches Buch „Das Recht des Besitzes“ (1803) macht ihn wegen seiner beispielhaften Methodik allge­mein bekannt. S. vereinigt dabei → Immanuel Kants (1724-1804) Vorstellung, dass als einziges angeborenes Recht des Menschen seine Freiheit bestehe, mit Gustav → Hugos (1764-1844) Forderung nach begrifflich-systematischer Durchdrin­gung des positiven Rechtsstoffes und ermittelt in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen konstruktiv-systematisch den Besitz­willen als allgemeines logisches konsti­tuierendes Ele­ment. Naturrecht lehnt er ab. Zunehmend ver­steht er grundsätzlich das Recht als an seine geschichtlichen Voraus­setzungen (z. B. Deutsch­lands an das von Anfang an bestehende Fehlen eines ton­angebenden Mittelpunkts) gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Außerdem will er schon im Wintersemester 1802/1803 in der Methoden­lehre die Interpretation voraus­setzungslos beschreiben, indem er sie auf ihre Geschichte (historisch) und ihre Anschlüsse an die Gesellschaft (systematisch) beschränkt und damit den Wandel von der ständischen Gesellschaft zur funktionsorientierten Gesell­schaft auch im Recht widerspiegelt. Quelle des Rechts ist ihm das Volk, so dass er alles Recht zunächst als Gewohnheitsrecht entstehen lässt. Mit seinen Vorstellungen wird er zum Begründer der → historischen Rechtsschule, der nach der Befreiung Europas von der Vorherrschaft Napoleons in der Völkerschlacht von Leipzig (1813) im sog. → Kodi­fikationsstreit des Jahres 1814 mit der seit 1808 theoretisch vorbereiteten Schrift „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ gegen Thibaut ein deutsches Nationalge­setzbuch ablehnt. Auf christlicher Grundlage wendet er sich gegen die jüdische Emanzipation. Seine späteren Hauptwerke sind die Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter (1815ff.) und das System des heutigen römischen Rechtes (1840ff.). In seiner Vorlesung über das Allgemeine Landrecht (Preußens) unterzieht er dieses einem oft kri­tischen Vergleich mit dem römischen Recht. In verschiedenen dogmatischen Bereichen (z. B. → Einigung, → internationales Privatrecht, → Urheber­recht) wirkt er wegweisend. Wenig sichtbaren Erfolg beschert ihm sein viele Grundlagen schaffendes Wirken als Gesetz­revisions­minister in Preußen (1842-1848).

Lit.: Söllner §§ 16, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180, 186, 187, 206, 207, 208, 212, 214; Steig, R., Achim von Arnim über Savignys Buch vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung, ZRG GA 13 (1892), 228; Meier, E. v., Savigny, das gemeine Recht und der preußische Staat im Jahre 1818, ZRG GA 30 (1909), 318; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Rudorff, H., Jacob Grimm über Savigny, ZRG GA 36 (1915), 478; Dahl, F., Nordische Stimmen über Savigny und Gans, ZRG GA 37 (1916), 511; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts, 1923; Stoll, A., Friedrich Karl von Savigny, Bd. 1f., 1927ff.; Felgenträger, W., Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Wellek, R., Ein unbekannter Artikel Savignys über die deutschen Universitäten, ZRG GA 51 (1931), 529; Hennig, J., Vom Beruf unserer Zeit und Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, ZRG GA 56 (1936), 394; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schaffstein, F., Friedrich Carl von Savigny und Wilhelm von Humboldt, ZRG GA 72 (1955), 154, Wieacker, F., Savigny und die Gebrüder Grimm, ZRG GA 72 (1955), 232; Thieme, H., Savigny und das deutsche Recht, ZRG GA 80 (1963), 1; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Strauch, D., Recht, Gesetz und Staat bei Friedrich Carl von Savigny, 2. A. 1963; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Caroni, P., Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Thibaut und Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Schubert, W., Savigny und die rheinisch-französische Gerichts­verfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Flume, W., Savigny und die Lehre von der juristischen Person, FS F. Wieacker, 1978, 340; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Vorträge zum 200. Geburtstag von F. C. v. Savigny, hg. v. Coing, H., 1980; Hall, W. van, Friedrich Carl von Savigny als Praktiker, ZRG GA 99 (1982), 284; Hammen, H., Die Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die allgemeinen dogmatischen Grundlagen, 1983; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Schröder, H., Friedrich Karl von Savigny. Geschichte und Rechtsdenken beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in Deutschland, 1984; Behrends, O., Geschichte, Politik und Jurisprudenz in F. C. v. Savignys System, (in) Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985, 257; Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199; Ebel, F., Savigny officialis, 1987; Rückert, J., Dogmengeschichtliches und Dogmen im Umkreis Savignys, ZRG GA 104 (1987), 666; Wadle, E., Savignys Beitrag zum Urheberrecht, (in) Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Jakobs, H., Die Begründung der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1992; Rückert, J., Savignys Konzeption von Jurisprudenz und Recht, TRG 61 (1993), 65; Savignyana. Bd. 1 Pandek­tenvorlesung 1824, hg. v. Hammen, H., Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-42, hg. v. Mazzacane, A., 2. A. 2004, Bd. 3 Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C., 1994ff.; Nörr, D., Savignys philosophische Lehrjahre, 1994; Süchting, G., Geschichtlichkeit des Rechts bei Friedrich Carl von Savigny, Rechtstheorie 1995, 365; Fälle und Fallen in der neueren Methodik des Zivil­rechts seit Savigny, hg. v. Rückert, J., 1993; Zimmermann, R., Savignys Vermächtnis, 1998; Meder, S., Urteilen, 1999; Rosenberg, M. Frhr. v., Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) im Urteil seiner Zeit, 2000; Savigny, F. v., Politik und neuere Legislationen, hg. v. Akamatsu, H. u. a., 2000; Schäfer, F., Savigny und das Landrecht in Kollegnachschriften, ZRG GA 118 (2001), 367; Henne, T./Kretschmann, C., Der christlich fundierte Antijudaismus Savigny, ZRG 120 (2003), 250; Arnswaldt, W. v., Savigny als Strafrechtspraktiker, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003; Savignys Vorbereitung einer zweiten Auflage des System des heutigen römischen Rechts, hg. v. Murakami, J. u. a., 2003; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Savigny, F., Pandekten Obligationenrecht Allgemeiner Teil, hg. v. Avenarius, M., 2008

Savoyen in den Westalpen entwickelt sich aus einigen Grafschaften des 10. Jh.s. Seit dem 12. Jh. bzw. 1419 ist es mit Piemont verbunden, seit 1720 mit → Sardinien. Vom Königreich Sardinien-Piemont nimmt die staatliche Einigung → Italiens (1860, 17. 3. 1861 Königreich) ihren Anfang. S. selbst fällt 1860 an Frankreich.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, S., Die Grafen von Savoyen, 1900; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, Savoyen und die Reichsstadt Besançon, ZRG GA 79 (1962), 106; Mariotte-Löber, R., Ville et seigneurie, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Brondy, R. u. a., La Savoie, 1984; La maison de Savoie et le pays de Vaud, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 1989

scabinus (lat.-afrk. [M.]) Schöffe

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Köbler, LAW

Scaccia, Sigismondo (16./17. Jh.) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt in Rom. In seinem (lat.) Tractatus (M.) de commerciis et cambio (Abhandlung von Handel und Wechsel) erörtert er die Handelsgeschäfte im Hinblick auf das → kanonische Zinsverbot und das Wechselrecht. Damit wird er einer der Begründer des besonderen → Handelsrechts.

Lit.: Scherner, K., Die Wissenschaft des Handelsrechts, (in) Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977

Scaevola, Quintus Cervidius (2. Jh.) ist 175 (lat.) praefectus (M.) vigilum (Wachepräfekt). Er ist der bedeutendste Berater Kaiser Marc Aurels (161-180) und wohl Lehrer des → Paulus. Seine wichtigsten Schriften sind 40 (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) und 6 libri responsorum (Bücher der Antworten) mit Rechtsgutachten und Einzelentscheidungen.

Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 217; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 294f.

Scammonia

Lit.: Goldmann, E., Scammonia, ZRG GA 51 (1931), 510

scandalum (lat. [N.]) Ärgernis

Schaden → Schadensersatz

Schadensersatz (Schadenersatz) ist der Er­satz einer unfreiwilligen Einbuße an rechtlich geschützten Gütern auf Grund eines bestimmten Ereignisses durch einen anderen. Erforderlich ist jeweils ein Rechtssatz, der S. (Schadensüberwälzung vom Opfer auf einen anderen) gebietet. Der S. ist dem römischen Recht bekannt (z. B. lex Aquila de damnis 286 v. Chr.). Im Mittelalter tritt er hervor, als die Komposition (→ Kompositio­nen­system) sich allmählich in das peinliche → Strafrecht und das private Schadensersatz­recht teilt. Er ist stes an bestimmte Voraussetzungen gebunden (z. B. lat. iniuria Unrecht, culpa Schuld und damnum Schaden). Im 19. Jh. wird für einen S. ein Verschulden verlangt (Ihering) und zugleich (unter dem Einfluss Savignys) für besondere Bereiche (z. B. Eisenbahn) die kein Verschulden erfordernde → Gefähr­dungs­haftung einge­führt (Preußen 1838). Im 20. Jh. geht die allgemeine Entwicklung zur Kommerziali­sierung immaterieller Schäden. Neuseeland ersetzt 1972 die Schadenshaftung durch eine staatliche Unfallversicherung (Accident Compensation Scheme).

Lit.: Kaser § 35 I; Söllner § 8; Hübner 552, 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 46, 65, 128, 273; Schmidt, A., Die Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten, 1885; Hammer, O., Die Lehre vom Schadensersatz nach dem Sachsenspiegel, 1885; Pennrich, W., Der Inhalt des Schadensersatzes im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1953 masch.schr.; Lange, H., Schadensersatzrecht und Privatstrafe, 1955; Kaufmann, E., Das spätmittel­alterliche deutsche Schadensersatzrecht und die Rezeption der „actio iniuriarum aestimatoria“, ZRG GA 78 (1961), 93; Medicus, D., Id quod interest, 1962; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977; Hausmaninger, H., Das Schadensersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1993; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wolter, U., Das Prinzip der Naturalrestitution in § 249 BGB, 1985; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Mohnhaupt, Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Descamps, O., Les origines de la responsabilité pour faute personnelle dans le code civil de 1804, 2005; Vergau, H., Der Ersatz immateriellen Schadens, 2006

Schadensklage ist im Spätmittelalter die auf Geldzahlung wegen behaupteten Unrechts lautende Klage (in Ingelheim meist auf 100, 200, 400, 500 oder 1000 Gulden).

Lit.: Hübner 552; Kaufmann, E., Das spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht, ZRG GA 78 (1961), 93

Schaffhausen am Rhein (am Rheinfall) ist der Handelsplatz, der 1049 an das dort entstandene Benedik­tinerkloster Allerheiligen gelangt. 1190/1218 wird die hieraus ent­wickelte Stadt Reichsstadt. 1454 schließt sich S. der Eidgenossenschaft der → Schweiz als zugewandter Ort an und tritt ihr 1501 als zwölfter Ort bei. Im 19. Jh. kommt das privatrechtliche Gesetzbuch → Zürichs zur Anwendung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Werner, H., Verfassungsgeschichte der Stadt Schaffhausen, 1907; Hedinger, G., Landgrafschaften und Vogteien im Gebiet des Kantons Schaffhausen, 1922; Pestalozzi-Kutter, T., Kulturgeschichte des Kantons Schaffhausen, 1928; Leu, G., Schaffhausen unter der Herrschaft der Zunftverfassung, 1931; Schudel, R., Geschichte der Schaffhauser Staatsverfassung 1798-1834, 1933; Schudel, E., Der Grundbesitz des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen, 1936; Breiter, E., Die Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Reiniger, K., Die Verfassung der Stadt Schaffhausen 1831-1918, 1968; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Schib, K., Geschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457; Schultheiss, M., Institutionen und Ämterorganisation der Stadt Schaffhausen 1400-1500. 2006

Schafott ist die Bühne, auf der in der frühen Neuzeit der → Scharfrichter meist auf dem Marktplatz die Todesstrafe der Enthauptung vollzieht. Im 19. Jh. verschwindet das S.

Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Schildt, E., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Schandgerät ist das zur Ausführung einer Schandstrafe verwendete Gerät (z. B. Halseisen, Pranger, Schandkragen, Schand­krone).

Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen, 1901, Neudruck 1970; Löning, G., Schandlaken, Schandmantel, Schandkleid, ZRG GA 64 (1944), 335; Brückner, W., Das Bildnis in rechtlichen Zwangsmitteln, FS Harald Keller, 1963, 111; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Schandstrafe ist die in einer vorüber­gehenden Ehrenminderung bestehende Strafe (z. B. Tragen eines Strickes, eines Hundes, eines Rades, eines Steines, Halseisen, Eselreiten) des Mittelalters und der frühen Neuzeit.

Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafe, 1909, Neudruck 1970

Schankrecht ist das ausschließliche Recht zum Ausschank von Wein oder Bier an einem Ort. Das S. wird meist von einem Herrn verliehen.

Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962

Schard, Simon (Neuhaldensleben 1535-Speyer 28. 6. 1573) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Basel Beisitzer am → Reichskam­mergericht. 1566 veröffent­licht er in (lat.) De jurisdictione etc. (Von der Rechtsprechung usw.) spätmittelalterliche Schriften zum Staat. Posthum erscheint 1582 sein Lexicon iuridicum (Rechtslexikon).

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978

Scharia → Saria

Scharfrichter ist zwischen Hochmittelalter und 19. Jh. der das Todesurteil Vollziehende.

Lit.: Keller, A., Der Scharfrichter, 1921; Schuhmann, H., Gestalt und Funktion des Scharfrichters, Diss. jur. Bonn 1964; Schuhmann, H. Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sün­der, 1978; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994; Pritzker-Ehrlich, M., Schweizer Scharfrichter­kandidaten 1938/39, 1999; Pechaček, P., Scharfrichter und Wasenmeister, 2003

Schatz ist die bewegliche Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. Die Behandlung des Schatzfundes im römischen Recht ist unterschiedlich (anfangs wohl Eigentum der res nullius an Grundeigentümer, nach Hadrian zur Hälfte an den Finder und den Grundeigentümer,). Im Mittelalter hat der König das Schatzregal. Die unterschiedlichen Lösungen werden vielfach miteinander verflochten.

Lit.: Kaser §§ 20 I 1, 26 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 40, 113; Zeumer, K., Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel, MIÖG 22 (1901), 420; Eckstein, E., Das Schatz- und Fundregal, MIÖG 31 (1910), 193; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178; Fischer zu Cramburg, R., Das Schatzregal, 2001; Schmidt, A., Der Schatzfund im 19. Jahrhundert, 2002; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004

Schatzwurf ist die durch Ausderhand­schlagen einer Münze als Abgabensymbol im frühen Mittelalter erfolgende → Freilassung.

Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1 1931, 240

Schaumburg (Schaumburg-Lippe, Schauen­burg)

Lit.: Wahl, F., Verfassung und Verwaltung Schaumburg-Lippes, 1938; Möller, H., Studien zur Rechtsgeschichte der „schauenburgischen Lande“ in Holstein, 1939; Feige, R., Die Statuten des Fleckens und der Stadt Sachsenhagen, Schaumburger Heimat, Bd. 1 1939, 103; Engel, F., Die schaumburg-lippischen Archive, 1955; Husmeier, G., Geschichtliches Ortsverzeichnis für Schaumburg, 2008

Scheck ist die der Erleichterung des Zahlungsverkehrs dienende bestimmte Anweisung auf ein Bankguthaben. Im 19. Jh. wird das englische Lehnwort cheque (die auf den Staatsschatz ausgestellte Anweisung) aufgenommen. Ein besonderes Scheckgesetz wird im Deutschen Reich 1933 erlassen.

Lit.: Köbler, DRG 184; Cohn, G., Zur Geschichte des Schecks, Z. f. vergl. Rechtswiss. 1 (1878), 117; Speng­ler, M., Die Entstehung des Scheckgesetzes vom 11. März 1908, 2008

Scheidebrief (lat. libellus [M.] repudii) ist im spätantiken römischen Recht nach hellenistischem Vorbild die Form der Eheschei­dungserklärung.

Lit.: Kaser § 58 VII 2c

Scheidung → Ehescheidung

Schein → Rechtsschein

Scheinehe ist die nur zum Schein geschlossene Ehe. Sie ist nichtig.

Lit.: Eisfeld, J., Die Scheinehe in Deutschland im 19. und 20. Jahrhhundert, 2005

Scheingeschäft ist die einverständliche Abgabe einer empfangsbedürftigen → Willenserklärung zum Schein. Das S. ist im spätantiken römischen Recht unwirksam. Diese Lösung wird seit dem Spätmittelalter aufgenommen.

Lit.: Kaser § 8 III; Hübner; Wesener, Das Scheingeschäft, FS H. Hübner, 1984, 337; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005; Lumpp, S., Die Scheinehenproblematik, 2007

Scheinprozess ist die Verwendung des Verfahrens zur Erreichung außerprozessualer Ziele. Schon das altrömische Recht kennt die Übertragung einer Sache durch (lat. [F.]) → in iure cessio (In-das-Gericht-Gehen). Im Frühmittelalter kann durch S. eine unschelt­bare → Königsurkunde über ein Recht an einem Gut erlangt werden.

Lit.: Köbler, DRG 21, 90; Costede, J., Scheinprozesse, Diss. jur. Göttingen 1968

Schelling

Lit.: Jäger, G., Schellings politische Anschauungen, 1939; Hollerbach, A., Der Rechtsgedanke bei Schelling, 1957; Hofmann, M., Über den Staat hinaus, 1999

Schengener Abkommen ist das am 14. 6. 1985 zwischen den Regierungen Deutsch­lands, Frankreichs, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs getroffene, am 25. 3. 1995 in Kraft getretene Abkommen zum schritt­weisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, dem sich seitdem weitere Staaten angeschlossen haben (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Österreich, Griechenland, 1996/2001 Dänemark, Island, Norwegen, Finnland, Schweden, 21. 12. 2007 Tschechien, Ungarn, Polen, Slowakie, Slowenien, Estland, Litauen, Lettland, Bulgarien, Rumänien, Malta).

Lit.: Hummer, W./Obwexer, W., Die Schengener Abkommen, 1996

Schenk ist am fränkisch-deutschen Hof und später auch an landesherrlichen Höfen der für die Getränke zuständige Amtsträger. Im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) ist der König von Böhmen Erzschenk.

Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Köbler, DRG 83, 112; Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989)

Schenkung ist die Hingabe (z. B. Über­eignung, Abtretung) eines Gegenstands auf Dauer an einen anderen. Im klassischen römischen Recht ist die (lat. [F.]) donatio zu­nächst nur ein Rechtfer­tigungs­grund für eine unentgeltliche Zuwendung, im spätantiken rö­mischen Recht teils ein formbedürftiges Handgeschäft, teils ein Zuwendungsgrund, teils ein Konsensual­vertrag. Die S. unter Ehegatten ist verboten. Bei den Germanen gibt es nach allgemeiner Ansicht nur die gelohnte (entgeltliche) S. Mit dem römischen Recht werden dessen Regeln seit dem Spätmittelalter aufgenommen. Die nicht sofort vollzogene S. bedarf zum Schutz des Schen­kers besonderer Form (z. B. Be­ur­kundung). Die dogmatische Einordnung der S. ist noch im 20. Jh. zweifelhaft. Die S. von Todes wegen steht unter der Bedingung, dass der Schenker vor dem Beschenkten stirbt. Die tat­sächliche, wirtschaftliche Bedeutung der S. ist gering.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 8 I 2e, 24 IV 2, 38 II 4, 47, 59 I, 79; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 47, 64; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Dorn, F., Die Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991; Sticherling, P., Schenkungen in fraudem testamenti, 2005

Scherbengericht → Ostrakismus

Scheren (N.) → Haarscheren

Scherge (M.) Büttel, Gerichtsdiener

Schiedsgericht ist die außerhalb der staat­lichen Gerichtsbarkeit stehende Entschei­dungsstelle. Bereits das römische R. kennt das S. Im Mittelalter erscheint vielleicht unter oberitalienisch-kirchlichem Einfluss das S. im 13. Jh. in Süddeutschland. Es setzt eine Vereinbarung der streitenden Teile, sich dem Spruch des Schiedsgerichts zu unterwerfen, voraus. Das Verfahren ist formlos. Im Laufe der frühen Neuzeit tritt das S. zurück, wird aber im 19. Jh. (Berlin 1820) durch die Wirtschaft neu belebt. Durch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird der Spruch des Schiedsgerichts dem Urteil gleich­gestellt.

Lit.: Kaser §§ 46 III 1, 80 II; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115; Usteri, E., Das öffentlichrechtliche Schiedsgericht in der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1925; Bader, K., Das Schiedsverfahren in Schwaben, Diss. Freiburg im Breisgau 1929; Krause, H., Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, 1930; Waser, H., Das öffentlich-rechtliche Schiedsgericht, 1935; Waser, H., Das zwischenstaatliche Schiedsgericht, 1960; Quellen zur Schiedsgerichtsbarkeit im Grafenhause Savoyen 1251 bis 1300, bearb. v. Waser, Hans, 1961; Kobler, M., Das Schiedsgerichtswesen nach bayerischen Quellen des Mittelalters, 1967; Ziegler, K., Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, 1971; Lingens, K., Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ius publicum Europaeum, 1988; Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, hg. v. Brieskorn, N. u. a., 1994, 193; Schubel, B., Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher Erledigung von Strafsachen, 1997; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung, 1999; Kampmann, C., Arbiter und Friedensstifter, 2001; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Meyerhuber, S., Die privilegierte Austragsgerichtsbarkeit der freien Reichsstadt Weißenburg, 2004

Schiedsmann

Lit.: Koch, A., Die historische Entwicklung des Schiedsmannswesens in Preußen von 1808 bis 1900, 2003

Schifffahrt → Seerecht

Lit.: Straub, K., Die Oberrheinschifffahrt im Mittelalter, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1912; Spieker, H., Die Schiffsgewalt des Handelsschiffs­kapitäns im Mittelalter, 1949; Heinsius, P., Das Schiff der hansischen Frühzeit, 1956; Huber, R., Die ehemaligen Schifffahrtsrechte auf Zürichsee, Linth und Walensee, 1958; Olechnowitz, K., Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, 1960; Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Schubert, W., Das Schiffssachenrecht der Kaiserzeit und dessen Reform von 1940, ZRG GA 109 (1992), 209; Pemsel, H., Geschichte der zivilen Schifffahrt, Bd. 1ff. 2001ff.; Häfen, Schiffe, Wasserwege, hg. v. Elmshäuser, K., 2002; Rübner, H., Konzentration und Krise in der deutschen Schifffahrt, 2005; Göttlicher, A., Seefahrt in der Antike, 2006; Fimpeler, A., Die Schifffahrt und ihre Fahrzeuge auf dem Niederrhein, 2008

Schikane (F.) absichtlich errichtetes Hindernis, mutwillig verursachte Erschwernis (nach § 226 BGB unzulässig, Schikaneverbot)

Schikaneeid → Kalumnieneid

Schilderhebung ist die Erhebung auf einen Schild als Zeichen der Bestimmung zum Anführer oder König bei den Germanen.

Lit.: Mayer, E., Schilderhebung, ZRG GA 35 (1914), 436; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972

Schilling ist seit dem Frühmittelalter eine anfangs nicht ausgeprägte Rechnungseinheit für Geld. Seit dem 13. Jh. wird der S. auch ausgeprägt. Die Geldeinheit wird noch bis 2002 verwendet (Großbritannien bis 1971, Österreich seit 1925, bis 2002).

Lit.: Köbler, WAS; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck 1972; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Engler, S., Altnordische Geldwörter, 1991

Schilter, Johann (29. 8. 1632-14. 5. 1705) wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena und Leipzig Verwaltungs­beamter in Sachsen, 1681 Berater und 1699 ordentlicher Professor in Straßburg. In seinen (lat.) Exercitationes (F.Pl.) ad L libros pandectarum (1672, Übungen zu den 50 Büchern der Pandekten) verbindet er gemeinrechtliche Grundsätze mit geschicht­lichen Betrachtungen des einheimischen Rechts. In seinem (lat.) Thesaurus (M.) antiquitatum Teutonicarum (posthum 1727/8, Schatz deutscher Altertümer) bietet er auch ein wertvolles Glossar.

Lit.: Giraud, M., Eloge de Schilter, 1845; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 2 1884, Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 208

Schinder (M.) Abdecker, Henkersknecht, Scharfrichter

Lit.: Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928, Neudruck 1972, 54; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994

Schinderhannes (Johannes Wilhelm Bückler) (Miehlen im Taunus 1778?, um 1780?-Mainz [unter Herrschaft Frankreichs] 21. 11. 1803, Hinrichtung), Schinderssohn, wird im fahrenden Volk zum Anführer einer 20 Straßenraube, 30 Einbrüche und dreier Morde beschuldigter Gruppe von Straftätern.

Lit.: Radbruch G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Elwenspoek, C., Schinderhannes, 1953; Nacken, E., Die wahre Geschichte des Johannes Wilhelm Bückler, 1968; Mathy, H., Der Schin­derhannes, 1989; Schurke oder Held?, hg. v. Siebenmorgen, H., 1995; Borck, H., Unrecht und Recht, 2002; Die Mainzer Voruntersuchungsakten gegen die Schinderhannes-Bande, bearb. v. Fleck, U., elektronisches Buch auf CD-ROM, 2004

Schirm (M.) Schutz

Schisma (N.) Spaltung, Kirchenspaltung (z. B. 1054, 1378-1417)

Lit.: Bayer, A., Spaltung der Christenheit. Das sogenannte morgenländische Schisma von 1054, 2004; Ebendorfer, T., Tractatus de schismatibus, hg. v. Zimmermann, H., 2004; Vom Schisma zu den Kreuzzügen, hg. v. Bruns, P. u. a., 2005

Schlacht ist der mit Waffen ausgetragene Kampf zweier Heere.

Lit.: Erben, W., Die Schlacht bei Mühldorf 28. September 1322, 1923; Förster, S./Pöhlmann, M./Walter, D., Schlachten der Weltgeschichte, 2001; DeVries, K. u. a., Die großen Schlachten des Mittelalters, 2007

Schlesien an der mittleren und oberen Oder trägt seinen Namen nach den germanisch-vandalischen Silingen, denen Slawen folgen. Es untersteht im 10. Jh. Böhmen, danach Polen. 1138 entsteht das piastische Teilfürstentum S., das mehrfach teilt. Zahl­reiche deutsche Siedler ziehen zu. 1327/1329 unterstellen sich viele schlesische Herzöge Böhmen. 1356 entsteht das Landrecht des Fürstentums Breslau. 1526 gelangt S. mit Böhmen an → Habsburg. 1742/1744 gewinnt → Preußen im österreichischen Erbfolgekrieg große Teile Schlesiens von Ös­terreich.. 1910 sind 23% der Bevölkerung polnischsprachig. 1918/1919 fällt der bei Österreich ver­bleibende Rest (Jägerndorf, Teschen, Troppau) an die Tschechoslowakei, 1919 teilweise bzw. 1945/1990 ganz der zu Preußen gelangte Teil unter Vertreibung der Deutschen an → Polen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung, Bd. 1f. 1893; Rachfahl, F., Zur Geschichte der Grundherrschaft in Schlesien, ZRG GA 16 (1895), 108; Schlesische Lebensbilder, Bd. 1ff. 1922ff., Pfitzner, J., Geschichte der Bergstadt Zuckmantel, 1924; Bretschneider, P., Das Gründungsbuch des Klosters Heinrichau, 1927; Gottschalk, J., Beiträge zur Rechts-, Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte des Kreises Militsch, 1930; Deutsche Texte aus Schlesien, hg. v. Bindewald, H., 1935; Goerlitz, T., Das flämische und das fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht, ZRG GA 57 (1937), 138; Loesch, H. v., Die schlesische Weichbildverfassung der Kolonisationszeit, ZRG GA 58 (1938), 311; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938; Frohloff, H., Die Besiedlung des Kreises Neustadt Oberschlesien, 1938; Schilling, F., Ursprung und Frühzeit des Deutschtums in Schlesien, 1938; Uhtenwoldt, H., Die Burgverfassung in der Vorgeschichte und Geschichte Schlesiens, 1938; Quellen zur schlesischen Handelsgeschichte bis 1526, Bd. 1 bearb. v. Scholz-Babisch, M. u. a., 1940; Klein, F., Eine bauernrechtliche Quelle des 15. Jahrhunderts aus Schlesien, ZRG GA 65 (1947), 361; Loesch, H. v., Beiträge zur schlesischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1964; Menzel, J., Jura ducalia, die mittelalterlichen Grundlagen der Doma­nialverfassung in Schlesien, 1964; Loesch, H. v., Verfassungsgeschichte Schlesiens, 3. A. 1961; Grawert-May, G. v., Das staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens, 1971; Geschichte Schlesiens, Bd. 2 Die Habsburgerzeit 1526-1740, hg. v. Petry, L. u. a., 1973; Petry, L., Dem Osten zugewandt, 1983; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986; Sommer, F., Die Geschichte Schlesiens, 1987; Kontinuität und Wandel. Schlesien zwischen Österreich und Preußen, hg. v. Baumgart, P., 1990; Schlesien, hg. v. Conrads, N., 1994; Hofmann, A., Die Nachkriegszeit in Schlesien, 2000; Bartosz, J./Hofbauer, H., Schlesien, 2000; Bahlcke, J., Schlesien und die Schlesier, 2. A. 2000; Schlesier des 14. bis 20. Jahrhunderts, hg. v. Herzig, A., 2004; Conrads, N., Schlesien in der Frühmoderne, 2009

Schlesisches Landrecht → Breslauer Landrecht

Schleswig → Schleswig-Holstein

Lit.: Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277

Schleswig-Holstein ist das aus Schleswig und Holstein zusammengesetzte Land der Bundesrepublik Deutschland. Davon er­scheint Holstein um 800 als nördlicher Teil des Stammesgebietes der → Sachsen. Schleswig ist seit 1232 Herzogtum. 1326 erzwingt der Graf von Holstein den Ausschluss einheitlicher Herrschaft über Dänemark und Schleswig. 1386 erlangt er Schleswig als Lehen Dänemarks. Seitdem bleiben Schleswig als Lehen Dänemarks und Holstein als Lehen des Reiches in fester Verbindung. Seit dem 18. Jh. gehören die Herzogtümer Schleswig und Holstein zu Dänemark, sind aber verwaltungsmäßig selbständig. Daraufhin be­ginnt Dänemark Schleswig von Holstein zu trennen. Am 30. 10. 1864 muss Dänemark S. und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten. Deren gescheiterte gemeinsame Verwaltung löst 1866 das Ende des → Deutschen Bundes aus. Österreich muss sich mit der Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen einverstanden erklären. Nordschleswig kommt 1920 auf Grund einer Volksab­stimmung an Dänemark.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Falck, N., Handbuch des schleswig-holsteinischen Privatrechts, Bd. 1ff. 1825ff.; Kahler, O., Das schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Haff, K., Die Grenzen der Rechtsgebiete in Schleswig-Holstein, ZRG GA 45 (1925), 413; Carstens, W., Die Landesherrschaft der Schauenburger, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 55 (1926), 287; Hedemann-Heespen, P. v., Die Herzogtümer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, 1926; Andresen, L./Stephan, W., Beiträge zur Geschichte der Gottorfer Hof- und Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1928; Pauls, V., Hundert Jahre Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte, 1933; Jacoby, G., Herzog Johann der Ältere von Schleswig-Holstein und die Abfassung des Spade-Landesrechts, ZRG GA 55 (1935), 263; Carstens, W., Untersuchungen zur Geschichte des Adels, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 63 (1935), 66; Wohlhaupter, E., Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, Bd. 1 1938; Wohlhaupter, E., Das Recht Schleswig-Holsteins und der Norden, Zs. d. Gesellschaft f. schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 49; Wohlhaupter, E., Volkstum und Recht in Schleswig-Holstein, Kieler Blätter 1943, 67; Hauser, O., Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in Preußen, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,526, 3,3,2906; Lange, U., Die politischen Privilegien der schleswig-holsteinischen Stände, 1980; Herzog Adolfs Urteilbuch 1544-1570, hg. v. Prange, W., 1985; Krech, J., Das schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985; Opitz, E., Schleswig-Holstein, 1988; Obergerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein, 1988; Rheinheimer, M., Dorfwillkür und Obrigkeit im Herzogtum Schleswig, ZRG GA 113 (1996), 377; Bremicker, S., Schleswig-Holstein als Kondominium, 1994; Die Anfänge des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Werner, N., Die Prozesse gegen die Landvolkbewegung in Schleswig-Holstein 1929/1932, 2001; Bohn, R., Geschichte Schleswig-Holsteins, 2006; Loebert, S., Die dänische Vergangenheit Schleswigs und Holsteins in preußsichen Geschichtsbüchern, 2008; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und Schleswig-Holstein, hg. v. Tamm, D., 2008

Schlettwein, Johann August (Großobringen bei Weimar 8. 8. 1731-Dahlen/Mecklenburg 24. 4. 1802) wird nach dem Studium von Theologie, Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft in Jena (Darjes) 1763 Hofrat in Baden und Anhänger des Physiokratismus sowie 1777 Professor der ökonomischen Fakultät in Gießen.

Lit.: Krebs, A., Johann August Schlettwein, 1909; Johann August Schlettwein, hg. v. Schlettwein, C., 1981

Schlichtung

Lit.: Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989; Brauchitsch, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990

Schloss

Lit.: Merz, W., Schloss Zwingen im Birstal, 1923

Schlözer, August Ludwig (Grafschaft Hohenlohe 1735-Göttingen 1809) wird nach dem Studium der Theologie in Wittenberg und der Sprachen, Geschichte und Staats­wissenschaften in Göttingen aufgeklärter Professor in Göttingen.

Lit.: Schlözer, A., Allgemeines Staatsrecht und Staatsverfassungslehre, 1793; Fürst, F., August Ludwig Schlözer, 1928; Warlich, B., August Ludwig von Schlözer, Diss. phil. Erlangen 1972

Schlüssel ist das zum Öffnen eines Schlosses bestimmte Gerät, das als Rechtssymbol verwendet werden kann.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Mandel, G., Der Schlüssel, 1993

Schlüsselgewalt ist die durch den Schlüssel verkörperte Handlungsgewalt. In der Kirche steht die Gesamtheit der von Jesus Christus zum Heil der Menschen seiner Kirche gestifteten Gewalten nach Matthäus 16,19 Petrus bzw. seinem Nachfolger zu. In der Ehe hat seit dem Mittelalter die Frau, jetzt jeder Ehegatte im deutschen Recht die Berechtigung, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs einer Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen (Österreich 1978).

Lit.: Hübner 653, 681; Köbler, DRG 122; Rosenfeld, K., Die Schlüsselgewalt, 1900; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wagner-Ogris, E., Die dingliche Wirkung der Schlüsselgewalt, 1994

Schlyter, Carl Johann (1795-1888) wird nach dem Rechtsstudium in Lund 1816 Dozent und 1838 Professor. Er ist Schwedens erster, von der historischen Rechtsschule geprägter Rechtshistoriker. In 13 Bänden veröffentlicht er die älteren schwedischen Rechtsquellen.

Lit.: Schlyter, C., Samling af Sweriges gamla lagar, 1822ff.; Wissen, T., Minne af Carl Johan Schilter, 1890; Sandström, M., Die Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1898; Sundell, J., Karl Schlyter, 1998

Schmauß, Johann Jacob (Landau/Pfalz 10. 3. 1690-Göttingen 8. 4. 1757) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Halle (Thomasius, Gundling) Hofrat in Baden-Durlach und 1734 Professor für öffentliches Recht in Göttingen, Halle, Leipzig und Göttingen (1744). Er trennt das → Naturrecht von der kirchlichen Moral und das Staatsrecht von der Geschichte. Sein (lat.) Compendium (N.) iuris publici (Handbuch des öffentlichen Rechts) dient der praktischen Verbesserung der juristischen Ausbildung.

Lit.: Pütter, J., Versuch einer academischen Gelehrtengeschichte, Bd. 2 1788; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Ius und Historie, 1972; Sellert, W., Johann Jakob Schmauß, JuS 25 (1985), 843

Schmerzensgeld ist die Entschädigung in Geld für einen immateriellen Schaden. Seit dem 17. Jh. wird im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) unter Fortführung ein­heimischer Vorstellungen auch der bei Körperverletzung entstehende Schmerz durch einen Vermögenswert ausgeglichen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) beschränkt den Geldersatz bei Nichtver­mögensschäden auf besonders benannte Tatbestände (§§ 253, 847 BGB). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird von der Rechtsprechung S. entgegen der gesetzlichen Vorschrift unter Berufung auf das deutsche Grundgesetz auch bei bisher nicht erfassten Rechtsgüterver­letzungen gewährt.

Lit.: Köbler, DRG 166, 217, 271; Schneider, E./Biebrach, J., Schmerzensgeld, 1994; Walter, U., Geschichte des Schmerzensgeldanspruchs bis zum BGB, 2004

Schmitt, Carl bzw. eigentlich Karl (Plettenberg 11. 7. 1888-Plettenberg 7. 4. 1985, Vater Krankenkassenverwalter) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, München und Straßburg sowie der Promotion in Straßburg bei Fritz van Calker (Über Schuld und Schuldarten, 1910), der Habilitation in Straßburg (Der Wert des Staates, 1916) und einer kurzen Lehrtätigkeit (1919) an der Handelshochschule München Professor für Staatsrecht in Greifswald (1921), Bonn (1922), Berlin (1928 Handelshochschule), Köln (1933) und Berlin. 1931 sieht er als alleinigen Hüter der Verfassung den Reichs­präsidenten an. Im Prozess Preußen gegen das Reich im Juli 1932 ist ihm in Verbindung mit Kurt von Schleicher die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse das Ziel. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung wird in unklarer Motivation eine umfassende Änderung der Einstellung erkennbar. 1933 wird er Mitglied der → Nationalsozia­listischen Deut­schen Arbeiter­partei, 1934 Herausgeber der an den C. H. Beck Verlag gelangten Deutschen Juristenzei­tung. Unter betonter Ablehnung des liberalen Rechtsstaats der durch Parteienzersplitterung gekenn­zeichne­ten Weimarer Republik recht­fertigt er die na­tionalsozialistische Ordnung und bejaht die antidemokratische Selbstbe­hauptung des starken Staates als Alternative zum Un­tergang. 1937 legt er seine Parteiämter nieder. 1945 verliert er (mit 57 Jahren) sein Lehr­amt, bleibt aber trotz erheb­licher Widerstände (z. B. Ernst Friesenhahn) über Schüler im Gespräch.

Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre, 1928; Schmitt, C., Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934; Festschrift für Carl Schmitt, hg. v. Barion, H. u. a., 1959; Bendersky, J., Carl Schmitt, 1983; Hofmann, H., Legitimität gegen Legalität, 3. A. 1995; Rüthers, B., Carl Schmitt im Dritten Reich, 2. A. 1990; Noack, P., Carl Schmitt, 1993; Koenen, A., Der Fall Carl Schmitt, 1995; Rüthers, B., Altes und Neues von und über Carl Schmitt, NJW 1996, 896; Begemann, R., Das Privatrecht im Werk von Carl Schmitt, Diss. jur. Göttingen 1997; Dahlheimer, M., Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus, 1998; Hernandez Arias, J., Donoso Cortes und Carl Schmitt, 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diener, D. u. a., 1999; Blindow, F., Carl Schmitts Reichsordnung, 1999; Rüthers, B., Immer noch Neues zu Carl Schmitt?, NJW 1999, 2861; Lutz, B., Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan, 1999; Gross, R., Carl Schmitt und die Juden, 2000; Schmitt, C., Antworten in Nürnberg, hg. v. Quaritsch, H., 2000; Seiberth, G., Anwalt des Reiches, 2001; Blasius, D., Carl Schmitt, 2001; Benoist, A. de, Carl Schmitt. Bibliographie, 2003; Müller, J., A Dangerous Mind, 2003; Thiele, U., Advokative Volkssouveränität, 2003; Meier, H., Die Lehre Carl Schmitts, 2. A. 2004; Schmitt, Carl – Die Militärzeit 1915-1919, hg. v. Hüsmert, E. u. a., 2005; Kortüm, H., Wissenschaft im Doppelpaß? Carl Schmitt; Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282 (2006), 584; Mueller, J., Ein gefährlicher Geist, 2007; Großraum-Denken, hg. v. Voigt, R., 2008; Mehring, R., Carl Schmitt, 2009

Schmuggel ist das unerlaubte Verbringen von Waren ohne Zollzahlung über eine Grenze.

Lit.: Jarren, V., Schmuggel und Schmuggelbe­kämpfung in den preußischen Westprovinzen 1818-1854, 1992

Schöffe ist in der Gegenwart der ehrenamtliche Richter. Der S. erscheint zwischen 770 und 780 im fränkischen Reich (Italien 774), als Karl der Große je sieben geschworene Schöffen (lat.-afrk. [M.Pl.] scabini) anstelle der älteren → Rachinburgen zum alleinigen Abgeben von Urteils­vorschlägen bestimmt. In der Folge setzt sich der S. als Urteiler durch (meist 7, 12, 14 oder 24 Schöffen). In der frühen Neuzeit verschwinden in den meisten Gerichten allmählich die ungelehrten Schöffen, während der vom Landesherrn abhängige, beamtete, gelehrte Berufsrichter, der nicht nur den Vorsitz führt (richtet), sondern auch die Entscheidung trifft (urteilt), seinen Einzug hält. Im 19. Jh. belebt der Liberalismus den Schöffen als ehrenamtlichen Richter neben dem gelehrten Berufsrichter wieder im → Schwurgericht bzw. → Schöffengericht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86, 114, 116, 117, 118, 154; Köbler, WAS; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte, 1894, 248; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Althoffer, B., Les scabins, 1938; Kern, E., Die Gerichtsbeisitzer, FS W. Sauer, 1949, 71; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, (in) The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Ebel, F., Die Magdeburger Schöppen und das Kirchenrecht, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 64

Schöffenbarfreier ist nach dem → Sachsenspiegel (1221-1224) Eike von Repgows der zur Schöffentätigkeit geeignete Freie. Die Zahl der Quellenbelege ist gering. Die Abgrenzung von Ministerialen einerseits und Edelfreien oder Vollfreien andererseits ist nicht überzeugend zu bewältigen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Die Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels, 1887; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnungen und Rechts­wirklichkeit, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349

Schöffenbuch ist das von Schöffen seit dem Spätmittelalter z. B. über Urteile geführte Buch.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schulze, A., Das Schöffenbuch der Gemeinde Niederhalbendorf bei Schönberg O.-L., Neues lausitzisches Magazin 101 (1925), 33; Das Schöffenbuch der Dorfgemeinde Krzemienica aus den Jahren 1451-1482, hg. v. Doubek, F. u. a., 1931; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Hinz, B., Die Schöppenbücher der Mark Brandenburg, 1964

Schöffengericht ist das (seit Karl dem Großen) mit → Schöffen besetzte Gericht, insbesondere das im 19. Jh. auf Grund der Wiederbelebung des in der frühen Neuzeit mehr oder weniger erloschenen Laien­richter­tums mit Schöffen neben Berufsrichtern besetzte Gericht am Amtsgericht für kleiner Straffälle mit Straferwartungen bis zu 4 Jahren Haft.. Im am 15. 6. 1920 für Österreich geschaffenen Schöf­fen­gericht urteilen Berufsrichter und Laeien­richter als einheitliches Gericht über Schuld und Strafe.

Lit.: Köbler, DRG 203, 234; Sickel, W., Die Entstehung des Schöffengerichts, ZRG GA 6 (1885), 1; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hadding, G., Schwurgerichte in Deutschland, 1974; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, (in) The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241

Schöffenrecht → Magdeburger Schöffenrecht

Schöffenspruch ist das von Schöffen gefällte Urteil.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 105; Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Kisch, H., Schöffenspruchsammlungen, ZRG GA 39 (1918), 346; Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919; Granzin, M., Schöffen­spruchsammlung in einer Torgauer Handschrift, ZRG GA 54 (1934), 244; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, hg. v. Goerlitz, T., 1944; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, hg. v. Fijal, A. u. a., 2004

Schöffenstuhl (mnd. Schöppenstuhl) ist die Bezeichnung für das Schöffengericht im Heiligen römischen Reich, das teilweise als Oberhof tätig wird (z. B. Halle, Leipzig, Jena). Der S. zu Halle endet 1863 wegen Unterschreitens der Mindestmitgliederzahl von drei Schöffen, der zu Jena 1882.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1 1901; Vollert, M., Der Schöppenstuhl zu Jena, Z. d. Ver. thür. Gesch. N.F. 28 (1929), 189; Boehm, E., Der Schöppenstuhl zu Leipzig, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 59 (1940), 371ff.; Buchda, G., Schöffenstuhlsiegel, ZRG GA 61 (1941), 257; Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena, Diss. jur. Jena 2007

Schola

Lit.: Mayer, E., Schola-skola, ZRG GA 32 (1911), 316; Mayer, E., schola-skola, ZRG GA 33 (1912), 482

Scholastik ist die seit dem Frühmittelalter in kirchlichen Schulen (z. B. Laon, Paris) entwickelte Art, die bisher nur weiter­gegebenen christlichen Glaubensinhalte mit einer besonderen Methode neu zu durchdenken (Denkform). Die scholastische (dialektische) Methode der Wissensbe­handlung ist gekennzeichnet durch klares Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgren­zung und Unterscheidung von Begriffen, logisch geformte Beweise und Erörterungen der Gründe und Gegengründe (z. B. Anselm von Canterbury, Robert Grosseteste, Gratian, Anselm von Laon, Hugo von Sankt Viktor, Wilhelm von Conches, Thierry von Chartres, Peter Abaelard, Gilbertus Porretanus, Petrus Lombardus, Johannes von Salisbury, Vaccarius, Peter von Blois). Den Höhepunkt der S. bilden die Arbeiten des italienischen Dominikaners Thomas von Aquin (1225-1274). Überwunden wird die S. durch → Nikolaus von Kues (1401-1464). Die S. wirkt sich auch auf die mittelalterliche Rechtswissenschaft aus.

Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 99; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus, Bd. 1f. 1907ff.; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Grabmann, M., Die Geschichte der scholastischen Methode, Bd. 1f. 1909ff., Neudruck 1957; Nufer, G., Über die Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Weigand, R., Die Rechtslehre der Scholastik, Ius canonicum 16 (1976), 61; Schönberger, G., Was ist Scholastik?, 1991; Southern, R., Scholastic Humanism and the Unification of Europe, 1995ff.; Leinsle, U., Einführung in die schplastische Theologie, 1995; Die Ordnung der Praxis, hg. v. Grunert, F./Seelmann, K. 2001; Brasington, B., Ways of mercx - the Prologue of Ivo of  Chartres, 2004

Scholia (N.Pl.) Sinaitica (lat. sinaitische Erklärungen) ist der Name des im Sinaikloster überlieferten, von der antiquarisch-klassizistischen Richtung der oströmischen spätantiken Rechtswissenschaft vermutlich in Beryt geschaffenen Kommentars zu Ulpian, libri ad Sabinum (Bücher zu Sabinus) mit Hinweisen auf Parallelstellen in anderen Texten.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Krüger, H., Geschichte der Quellen und Literatur, 2. A. 1912, 362

Schollenbindung (F.) Bindung eines Menschen an ein von ihm zu bewirtschaftendes Grundstück (z. B. römische rcolonus, frühneuzeitlicher Leibeigener), diea spätestens an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert verschwindet.

Schonen im Süden Schwedens, aber bis 1658 zu Dänemark gehörig, überliefert in zahlreichen Handschriften ein zwischen 1202 und 1216 abgefasstes, in seiner ältesten Handschrift in 241 Kapitel geteiltes → Rechtsbuch (Schonisches Landrecht, Skanske Lov, Skanelagen) eines unbekannten Verfas­sers in altdänischer Sprache. Eine lateinische Summe hierzu in 150 Kapiteln (str.) ist der (lat.) Liber (M.) legis Scaniae (Rechtsbuch Schonens) des Lunder Erzbischofs Andreas Sunesson von 1202 bis 1216. Neben dem Schonischen Landrecht steht ein schonisches Kirchenrecht (von 1171?). Ein schonisches Stadtrecht (biaerke­raett) in 54 Kapiteln stammt vielleicht aus der ersten Hälfte des 13. Jh.s.

Lit.: Andersson, I., Skanes Historia, 1947ff.; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 88, 94; Anders Sunesen, hg. v. Ebbesen, S., 1985, 243; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978

Schönfelder, Heinrich (1902-1942), 1934 Amtsgerichtsrat, ist der Begründer der wichtigsten privaten Gesetzessammlung des Privatrechts und Strafrechts in Deutschland im 20. Jh. (1932) und Begründer der Lernbuchreihe Prüfe dein Wissen (1929ff.)

Lit.: Wrobel, H., Heinrich Schönfelder. Sammler Deutscher Gesetze 1902-1944, 1997

Schorndorf

Lit.: Palm, G., Geschichte der Amtsstadt Schorndorf, 1959

Schoß (1) ist der von Unterbauch und Oberschenkel gebildete Teil des menschlichen Körpers, der rechtssymbolisch verwendet werden kann (z. B. in oder auf den S. setzen, werfen oder fallen).

Lit.: Hübner 765; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Schoß (2) ist der mittelalterliche Name für eine Abgabe oder Steuer.

Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963, 60

Schottland ist der nördliche Teil der britischen Hauptinsel mit einigen vorgelagerten Inseln. S. ist im Frühmittelalter (um 850) ein eigenes Königreich, dessen Sitz am Ende des 11. Jh.s Edinburgh wird und das 1174 die Lehnshoheit des Königs von → England anerkennen muss. 1328 wird die Unabhängigkeit zurück­gewonnen. 1603 wird der aus dem Hause → Stuart stammende König auch König von → England. Beide Königreiche werden in → Personalunion, seit 1707 in → Realunion miteinander verbunden. Nach einer Volksabstimmung (1997) erhält S. zum 1. 1. 2000 wieder ein eigenes Parlament in Edinburgh mit Zuständigkeiten für Gesundheit, Wohnungsbau, Justiz, Verkehr, Landwirtschaft und Bildung. (Zentral bleibt die Verantwortung für Außenpolitik, Vertei­digung, soziale Sicherheit und makroöko­nomische Fragen). Das schottische Recht ist stärker römischrechtlich beeinflusst.

Lit.: Stair, J., The institutions of the law of Scotland, 1693; Stein, P., The Influence of Roman Law on the Law of Scotland, SDHI 23 (1957), 149; Willock, J., The origins and development of the jury in Scotland, 1966; The acts and constitutions of the realm of Scotland, hg. v. Luig, K., 1971; Regiam maiestatem. Scotiae veteres leges et constitutiones, hg. v. Luig, K., 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,989, 2,2,501,1431; Luig, K., Sammelbericht Schottische rechtshistorische Literatur der Jahre 1958-1975, ZRG GA 93 (1976), 546; Kellas, J., The Scottish political system, 3. A. 1983; Sager, P., Schottland, 5. A. 1985; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985; Gouldesbrough, P., Formulary of Old Scots Legal Documents, 1985; Sellar, W., Legal History in Scotland, ZNR 1987; Walker, D., A Legal History of Scotland, 1988ff. Bd. 1ff.; Marshall, E., General principles of Scots law, 6. A. 1995; Whyte, I., Scotland before the Industrial Revolution, 1995; The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997; Ditchburn, D., Scotland and Europe, 2001; Ford, J., Law and Opinion in Scotland, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 969

Schra (F.) Haut (als Beschreibstoff für eine Rechtsquelle)

Lit.: Schlüter, W., Die Nowgoroder Schra, 1911; Dusil, S., Die Soester Stadtrechtsfamilie, 2007

Schranne (F.) Bank, Verkaufsstand

Schreiber ist der Hersteller der geschriebenen Fassung eines Textes. Im Altertum sind S. vielfach gelehrte Sklaven. Im Frühmittelalter ist der S. zumindest seit dem 8. Jh. grundsätzlich Geistlicher. Im Hochmittelalter stellen insbesondere die Städte eigene S. ein (in Freiburg im Breisgau z. B. seit 1293 namentlich bekannt). Mit der allgemeinen Ausbreitung der Schreibkenntnisse seit der frühen Neuzeit wird der S. an vielen Stellen überflüssig. Für das Recht sind insbesondere die Urkundenschreiber, dann die Stadt­schreiber und seit dem Spätmittelalter die Gerichts­schreiber bedeutsam.

Lit.: Heuberger, R., Fränkisches Pfalzgrafenzeugnis und Gerichtsschreibertum, MIÖG 41 (1926), 46; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Breiter, E., Die Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Brod, W., Fränkische Schreibmeister und Schreibkünstler, 1968; Thiele, F., Die Freiburger Stadtschreiber im Mittelalter, 1973; Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 1986; Hoheisel, P., Die Göttinger Stadtschreiber, 1998

Schreinsbuch → Schreinskarte

Schreinskarte ist seit dem Hochmittelalter die im Heiligenschrein verwaltete Urkunde über ein Grundstücksgeschäft. Sie erscheint seit etwa 1130 in Köln (Laurenz I), wo sich 1473 insgesamt 23 Schreine befinden. Sie soll im Streitfall den Beweis erleichtern. Im Laufe der Zeit (1220-1240) werden die Schreins­karten in Schreinsbücher überführt. Seit dem 15. Jh. bildet die Eintragung eine Voraus­setzung für die Wirksamkeit des zugehörigen Rechts­geschäfts. 1798 endet die Überlie­fe­rung. Erhalten sind 68 Schreinskarten und 535 Schreinsbücher. → Grundbuch

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Kölner Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hoeniger, R., Bd. 1f. 1884ff.; Beyerle, K., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, ZRG GA 51 (1931), 318; Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung, FS A. Schultze, 1934, 175; Conrad, H., Liegenschafts­übereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Schönrath, P., Das Deutzer Schreinsbuch, 1936; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Groten, M., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, Jb. d. Kölner Gesch. Ver. 56 (1985), 1; Regesten der Urkunden des Amtleutearchivs St. Columba in Köln, bearb. v. Diederich, T., 2009

Schrift ist die Gesamtheit sichtbarer Linien (und Punkte) zur dauerhaften Wiedergabe menschlicher Sprache. Ihre ersten bildlichen Vorstufen entwickeln sich um 5000 v. Chr. Der Übergang vom gesprochenen zum geschrie­benen Wort (der noch vokallosen Schrift der Phönizier) erfolgt bei Griechen und Römern schon früh, während die Germanen über Anfänge kaum je hinaus­gelangen. Bereits die Zwölftafelgesetze Roms (451/450 v. Chr.) sind schriftlich (in Groß­buchstaben und ohne Worttrennung) veröf­fentlicht. In der römischen Kultur ist die Schrift (vielfach auf Wachstafeln oder Papyrus) selbstverständlich. Dieser Stand wird nach frühmittelalterlichen, neben den Großbuchstaben auch Kleinbuchstaben (karolingische Minuskel um 800) verwenden­den und Sätze und Wörter voneinander tren­nenden Anfängen, in denen schon früh Recht (lateinisch) (auf Pergament) verschriftlicht wird (→ Volks­rechte) und seit dem 10. Jh. beispielsweise in Venedig die Verwendung von S. erkennbar zunimmt, vielleicht im 13. Jh. (mit [Neu-]Entwicklung einer Kursiv­schrift in Gestalt der Geschäftsschrift der gotischen Kursive) wieder erreicht, seit dem allmählich Papier zum vorherrschenden Schriftträger wird. Seitdem wird Schriftlosig­keit allmählich zu einem abwertenden Merkmal. Um 1500 können etwa 2-6 % der Bevölkerung lesen und schreiben (Phänomen der Zweischriftigkeit nach Entwicklung der Humanistenschrift/Antiqua seit dem 14./15. Jahrhundert). Seit dem 15. Jh. erfolgt die Vervielfältigung von Schrift durch den Druck, seit dem 19. Jh. das durch Schulpflicht verallgemeinerte Schrei­ben mit Hilfe von Maschinen und seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1980ff.) mit Hilfe der komprimierenden, fazilisierenden und globalisierenden Elektro­nik. Verschiedentlich bedarf ein rechtliches Ver­halten zu seiner Wirksamkeit der S.

Lit.: Kaser §§ 7 IV, 87 II; Köbler, DRG 3, 9, 14, 79, 98, 108; Santifaller, L., Beiträge zur Geschichte der Beschreibstoffe im Mittelalter, 1953; Hajnal, I., L’enseignment de l’écriture, 1954; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Bischoff, B., Paläographie, 2. A. 1986; Trost, V., Skriptorium, 1991; Haarmann, H., Universalgeschichte der Schrift, 2. A. 1991; Schrift und Schriftlichkeit, hg. v. Günther, H. u. a., 1994; Wenzel, H., Sehen und Hören, 1995; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Haarmann, H., Geschichte der Schrift, 2002; Hoffmann, H., Schreibschulen des 10. und 11. Jahrhunderts im Südwesten, 2004; Ludwig, O., Geschichte des Schreibens, Bd. 1 2005; Stein, P., Schriftkultur, 2006; Beck, F. u. a., Die lateinische Schrift, 2007; Schrifträume, hg. v. Kiening, C. u. a., 2008

Schriftform ist die durch → Schrift zu wahrende → Form menschlichen Verhaltens.

Schriftlichkeit ist das in → Schrift Gehaltensein. Die S. (Literalität) löst im Verlauf der Geschichte in vielen Bereichen die ältere Mündlichkeit (Oralität) teilweise ab (z. B. Zwölftafelgesetz 451/450 v. Chr., Volksrechte 475ff., Urkunden über einzelne Rechtsgeschäfte). Vielleicht ist der 1215 auf dem vierten Laterankonzil festgelegte Proto­kollierungs­zwang ein wichtiger Schritt in der weiteren Entwicklung. Die S. als Verfahrens­grundsatz setzt sich im gelehrten Zivilprozess des Spätmittelalters durch (lat. → quod non est in actis non est in mundo, was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt). Der Liberalismus des 19. Jh.s drängt die S. im Verfahren zumindest der Idee nach zurück. Tatsächlich steigt aus Beweisgründen auch im ausgehenden 20. Jh. die Bedeutung der S. noch. Für die Gesetzgebung bzw. die Gesetze ist seit dem 19. Jh. die Veröffentlichung in einem Gesetzblatt und damit die Verschriftlichung allgemein grund­legende Entstehungsbedin­gung bzw. Gel­tungs­voraus­setzung.

Lit.: Köbler, DRG 79; Nörr, K., Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, ZZP 85 (1972), 160; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozess­maximen, 1975; Prosser, M., Spätmittelalterliche ländliche Rechtsaufzeichnungen am Oberrhein, 1991; Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter, hg. v. Keller, H. u. a., 1992; Schriftlichkeit im frühen Mittelalter, hg. v. Schaefer, U., 1993; Schrift und Schriftlichkeit, hg. v. Günther, H. u. a., 1994; Schriftlichkeit und Lebenspraxis, hg. v. Keller, H. u. a., 1999; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u. a., 2007; Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007

Schriftsasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem Hofgericht oder einer anderen Zentralbehörde zugeordnete → Landsasse.

Schriftsässigkeit ist die bevorrechtigte unmittelbare Unterstellung eines Menschen (oder einer Sache) unter die obere landesherrliche Behörde vom Spätmittelalter (etwa 1440) bis zum 19. Jh. (1848-1871).

Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungs­rechts, 1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivil­prozess, 1971

Schrobenhausen

Lit.: Hamann, S., Schrobenhausen, 1977

Schröder, Richard (Treptow a. d. Tollense 19. 6. 1838-Heidelberg 3. 1. 1917), Vater Justizrat, später Rechtsanwalt (Studium in Göttingen und Berlin, Selbsttötung), wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Richthofen, Homeyer, Beseler, Gierke) und kurz in Göttingen 1866 außerordentlicher Professor in Bonn und 1872 ordentlicher Professor in Würzburg, 1882 in Straßburg, 1885 in Göttingen und 1888 in Heidelberg. Er verfasst die Geschichte des ehelichen Güterrechts (1869ff.) und ein erfolgreiches Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (1884ff.).

Lit.: Stutz, U., Richard Schröder, ZRG GA 38 (1917), VII; Webler, M., Leben und Werk des Heidelberger Rechtslehrers Richard Carl Heinrich Schroeder, 2005

Schulchan ‘Arukh → Karo

Schuld ist einerseits die Bewertung eines Verhaltens als vorwerfbar (Verschulden), andererseits ein Verpflichtetsein zu einem Verhalten (Leistensollen). Die Vorwerfbarkeit wird grundsätzlich dort unbeachtet gelassen, wo das Eintreten eines Erfolgs bereits eine Folge nach sich zieht. Von daher könnte von einem erst allmählichen Entstehen des Ver­schuldens auszugehen sein. Verpflichtungen zur Leistung kennt schon das altrömische Recht. Innerhalb des Verschuldens wird im Laufe der Zeit zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit und weiteren Unterteilungen (unbedingter → Vorsatz, bedingter Vorsatz, grobe → Fahrlässigkeit, leichte Fahr­lässigkeit) unterschieden. Bei den Verpflich­tungen nimmt insbesondere ihre Zahl ins Unübersehbare zu. Streitig bzw. unklar ist das Verhältnis von S. als Leistensollen und → Haftung als Einstehenmüssen, insbesondere, ob in älteren Zeiten jede Schuld eine Haftung nach sich zieht oder ob neben jeder Schulds zusätzlich Haftung durch besonderes Geschäft begründet werden muss.

Lit.: Kaser § 32 II 5; Hübner 493; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 15, 26, 35, 42, 49, 62, 63, 91, 116, 126, 163, 166, 204, 213, 240, 263, 269; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Engelmann, W., Irrtum und Schuld, 1922, Neudruck 1975; Kuttner, S., Kanonistische Schuldlehre, 1935; Hasler, J., Geschichte der Verschuldungsfreiheit in der Schweiz, 1941; Rotthaus, K., Redde und Schult, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Benöhr, H., Die Entscheidung des BGB für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Luthe, R., Die zweifelhafte Schuld­fähigkeit, 1998; Hattenhauer, C., Schuldenregulierung nach dem westfälischen Frieden, 1998; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000

Schuldanerkenntnis ist der einseitig verpflichtende Vertrag, in dem der eine Teil anerkennt, dem anderen eine Leistung als abstrakte Verbindlichkeit zu schulden. Im prozessualen Sinn kennt bereits das Mittelalter der Sache nach ein S.

Schuldfähigkeit ist die Fähigkeit des Menschen, schuldhaft zu handeln.

Lit.: Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000

Schuldhaft ist die Haft wegen nicht erfüllter Schuld. Die S. entsteht aus der Schuldknechtschaft. Im Mittelalter kann bei fruchtloser Vermögensvollstreckung der Verur­teilte in private S. oder später in öffentliche S. genommen werden. Durch Gesetz vom 29. 5. 1868 (4. 5. 1868 in Österreich, 1869 Zürich, 1874 Schweiz) wird nach dem Vorbild Englands und Frankreichs (1867) die S. beseitigt.

Lit.: Köbler, DRG 116; Rintelen, M., Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Baumgart, R., Die Entwicklung der Schuldhaft im italienischen Recht des Mittelalters, 1914; Planitz, H., Der Schuldbann in Italien, ZRG GA 52 (1932), 134; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004

Schuldklage ist als Klage wegen einer Schuld eine Klageart seit dem Hochmittelalter.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Schuldknechtschaft ist die Überführung des nichtleistenden Schuldners in die Knechtschaft. Der Zugriff auf die Person des Schuldners steht im Mittelpunkt des klassischen römischen Zivilprozesses. Die S. ist auch dem germanischen und mittelalterlichen Recht bekannt. Danach wird sie von der → Schuldhaft abgelöst. Im Deutschen Reich wird die Personalexekution (Vollstreckung in einen Menschen) durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die Realexekution (Vollstreckung in Vermögen einer Person) ersetzt.

Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 81 III 1, 85 II 2a; Söllner § 8; Hübner; Köbler, DRG 33, 202; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck 1969; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004

Schuldner ist im Schuldverhältnis der zur Leistung Verpflichtete. Er muss anfangs auch mit seiner Person (Schuldhaft), später nur noch mit seinem Vermögen haften. Mehrere S. können Gesamthandsschuldner sein, Gesamt­schuldner oder Teilschuldner

Schuldnerverzug → Verzug

Schuldrecht ist das Recht der Schuldverhältnisse. Im römischen Recht wird die (lat. [F.]) obligatio bei Gaius (um 160 n. Chr.) als (lat. [F.]) res angesehen und deswegen dort behandelt. Allerdings wird streng zwischen (lat. [F.]) actio in rem (Klaganspruch gegen eine Sache) und actio in personam (Klaganspruch gegen eine Person auf ein bestimmtes Verhalten) Das S. wird als eigenes Rechtsgebiet erst in der Neuzeit erkannt und ist deswegen noch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Öster

­reichs (1811) als persönliches Sachenrecht Teil des Sachenrechts. . Inhalt­lich wird es stark vom römischen Recht geprägt. Seit dem 18. Jh. werden allgemeine Grundelemente als allgemeines Schuldrecht ausgesondert. Rechtstatsächlich nimmt das S. an Bedeutung stetig zu, weshalb das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) das S. auch vor dem Sachenrecht einordnet.

Lit.: Köbler, DRG 164, 213, 217; Meyer, E., Über das Schuldrecht der deutschen Schweiz, 1913; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der Vertragstypen im Schuldrecht, 1937; Stumpf. Karlheinz, Das Schuldrecht in den Fürstentümern Ansbach-Bayreuth im 17. und 18. Jahrhundert. Diss. jur. München 1957; Wenn, H., Das Schuldrecht Samuel Pufendorfs, 1958; Schubert, W., Windscheids Briefe an Planck, ZRG RA (1978), 283; Walliser, P., Zur Entscheidung des Schuldrechts, (in) Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, 1979; Lieb, M., Grundfragen einer Schuldrechtsreform, AcP 183 (1983), 327; Medicus, D., Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188 (1988), 168; Ebel, W., Grundlegung zu einer Darstellung eines deutschen Schuldrechts des Mittelalters, ZRG GA 105 (1988); Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Gaibler, B., Das Schuldrecht des Oberpfälzer Landrechts, 1995; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Schuld­recht, 3. A. 1996; Ranieri, F., Europäisches Obligationenrecht, 3. A. 2009

Schuldschein

Lit.: Wackernagel, J., Städtische Schuldscheine als Zahlungsmittel, Beiheft 2 der VSWG 1924, 1

Schuldturm ist der öffentliche Ort (in der Stadt), in dem der Schuldner zwecks Voll­streckung für den Gläubiger in Haft genommen wird. In Sachsen wird die Überantwortung des zahlungsunfähigen Schuldners in die Hand des Gläubigers in den kursächsischen Konsti­tutionen (1572) durch die öffentliche Haft im Schuldturm ersetzt. Die Personalexekution endet im Deutschen Reich durch Gesetz vom 16. 4. 1871.

Lit.: Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004

Schuldübernahme ist die vertragsweise Übernahme einer bestehenden Schuld durch einen neuen Schuldner (neben oder anstatt des bisherigen Schuldners). Im römischen Recht ist die S. nur als Novation oder durch Prozess­vertretung möglich. Seit dem Spätmittelalter, vermehrt seit dem 18. Jh. wird die S. zulässig. In der Mitte des 19. Jh.s wird S. zu einem Fachausdruck. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) fordert bei der den bisherigen Schuldner befreienden S. die Mitwirkung (z. B. Zustimmung) des Gläu­bigers.

Lit.: Kaser § 55 III; Hübner 567; Köbler, DRG 127, 214; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schlicht, C., Die kumulative Schuldüber­nahme, 2004; Wesener, G., Zession und Schuldüber­nahme im Codex Theresianus, in Spuren des römischen Rechts, 2007, 693

Schuldverhältnis ist das zwischen Schuldner und Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis. Es wird als allgemeine Erscheinung erst im 19. Jh. (in der Entwurfskommission des Bürgerlichen Gesetzbuchs des deutschen Reiches vielleicht durch Hermann Karl Freiherr von Leonhardi [1809-1875]) erfasst.

Lit.: Köbler, DRG 213; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetz­buchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldver­hältnisse, Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse, 1980ff.; Hadding, W., Schuldverhältnis, Forderung, rechtlicher Grund, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. 1997

Schuldverschreibung ist die Urkunde (Wertpapier), in der sich der Aussteller zur Zahlung einer bestimmten verzinslichen Geldsumme oder zu einer sonstigen Leistung an den Gläubiger verpflichtet (Schuldver­schreibungsgesetz vom 4. 12. 1899)

Lit.: Vogel, H., Das Schuldverschreibungsgesetz, 1996

Schuldversprechen ist das eine → Schuld begründende einseitige Versprechen. Es ist bereits im altrömischen Recht möglich.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 27

Schuldvertrag ist der eine → Schuld begründende Vertrag (z. B. Kaufvertrag).

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Schule ist die außerhalb der Familie durch spezialisierte Dritte (Lehrer) betriebene allgemeine Einrichtung zur Förderung der geistig-sozialen Entwicklung von Menschen, insbesondere von Kindern. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (griech. schole Muße, Ort der Muße, Lehranstalt). Im Frühmit­telalter wird sie zunächst nur von der Kirche und nur für wenige undzwar in Latein eingerichtet. Seit dem Hochmittelalter nimmt das Interesse an ihr in den Städten zu, so dass dort städtische und zwar auch deutsche Schulen entstehen. Seit der Mitte des 16. Jh.s wird eine Qualifikation der Lehrer verlangt. Im 17. Jh. wird als Folge der Aufklärung der staatliche Schulzwang verord­net (Österreich 1774 6jährige Schulpflicht). Am Ende des 18. Jh.s wird für den Gymnasialabschluss eine staatliche Prüfung (Abitur, Preußen 1788) vorgeschrieben, die im Deutschen Bund 1834 als Voraussetzung für den Hochschulzugang anerkannt wird. Das 19. Jh. beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Schulwesen und fordert vereinzelt bereits aus sozialen Gründen die Einheitsschule. Im 20. Jh. verstärkt sich die Erhöhung der Bildung durch längere Schulzeit (Verschwinden der Hauptschule zugunsten des vereinfachten Gymnasiums).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 100, 136, 151, 180; Sammlung der Verordnungen und Bekannt­machungen usw., 1835, Neudruck hg. v. Ritsch, K., 1985; Der Volksschuldienst in der Provinz Westfalen, 2. A. 1910, Neudruck hg. v. Kirchhoff, H., 1985; Buchhaas, D., Gesetzgebung im Wiederaufbau, Schul­gesetz in Nordrhein-Westfalen und Betriebsverfas­sungsgesetz, 1985; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986; Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, hg. v. Berg, C. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Orme, N., Education and Society, 1989; Revolution des Wissens, hg. v. Schmale, W. u. a., 1991; Kames, J., Das Elementarschulwesen in Köln, 1992; Herrlitz, H./Hopf, W./Titze, H., Deutsche Schulgeschichte, 1993; Schiffler, H./Winkeler, R., Tausend Jahre Schule, 4. A. 1994; Kantwill, W., Neuere Geschichte des hamburgischen Schulrechts, 1995; Busch-Geertsema, B., Schule wird Pflicht, 1996; Schule und Schüler im Mittelalter, hg. v. Kintzinger, M. u. a., 1996; Geschichte der Erziehung und der Schule in der Schweiz, hg. v. Badertscher, H. u. a., 1997; Führ, C., Deutsches Bildungswesen seit 1945, 1997; Schulliteratur im späten Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K., 2000; Die Volksschule im NS-Staat, hg. v. Apel, H., Neudruck 2000; Schmidt, D., Der pädagogische Staat. Die Geburt der staatlichen Schule aus dem Geist der Aufklärung, 2000; Kistenich, J., Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen, 2001, Wachter, A., Dorfschule zwischen Pastor und Schulmeister, 2001; Damesme, N., Öffentliche Schulverwaltung in der Stadt Köln (1794-1814), 2003; Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Kintzinger, M., Wissen wird Macht, 2003; Treml, A., Pädagogische Ideengeschichte, 2003; Schraut, S./Pieri, G., Katholische Schulbildung in der frühen Neuzeit, 2004; Lohbeck, L., Das höhere Schulwesen in Nordrhein-Westfalen, 2004; Elementarbildung und Berufsausbildung 1450-1750, hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005; Schmidt-Bleker, R., Legislative Defizite im Schulrecht der preußischen konstitutionellen Monarchie, 2005; Konrad, F., Geschichte der Schule, 2007; Moderow, H., Volksschule zwischen Staat und Kirche, 2007; Cordes, A., Juristische Bildung für Kaufmannskinder, Zs. d. Vereins für lübeckische Geschichte 87 (2007), 41; Vondenhoff, M., Die Schule zwischen Staatsanstalt und causa ecclesiastica, 2008

Schultheiß ist der als Schuldheischer im 7. Jh. im langobardischen Gebiet Italiens entstehende Amtsträger. Er übernimmt örtlich Aufgaben des Grafen. Als Amtsträger erscheint er für den König oder andere Herren häufig in Städten, aber auch in ländlichen Gebieten. Er sitzt niederen Gerichten vor und ist Ortsvorsteher (Schulze).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 87; Schröder, R., Der ostfälische Schultheiß und der holländische Overbode, ZRG GA 7 (1886), 1; Eckert, C., Der Fronbote, Diss. jur. Gießen 1897; Moeller, E. v., Der Stadtschultheiß von Bochum, ZRG GA 25 (1904), 63; Wrochem, A. v., Der Schultheiß, 1908; Merz, W., Das Schultheißenbuch des Stadtschreibers Joh. Beat Bodmer von Baden, 1920; Lappe, J., Ein westfälischer Schulzenhof, 1935; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des „centenarius“-Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29; Matuszewski, J., Die Ignoranzklausel der Schultheißprivilegien, ZRG GA 93 (1971), 154

Schulze → Schultheiß

Schumanplan ist der vor allem von Jean Monnet ausgearbeitete, am 9. 5. 1950 verkündete Plan zur Bildung der gemeinsamer Kontrolle unterstellten Europäischen Gemein­schaft für Kohle und Stahl des französischen Außenministers Robert Schuman (Luxemburg 29. 6. 1886-Scy-Chazelles 4. 9. 1963). → Montanunion

Lit.: Lücker, H./Seitlinger, J., Robert Schuman und die Einigung Europas, 2000

schupfen (stoßen) (als Ehrenstrafe)

Schupfer, Francesco (Chioggia/Venedig 1833-Rom 8. 9. 1925) wird nach dem Rechts­studium in Wien, Heidelberg und Göttingen Professor für italienische Rechtsgeschichte in Innsbruck, nach 1866 in Padua, 1878 in Rom. Seine Hauptwerke sind (ital.) Manuale di storia del diritto italiano (1892, Handbuch der italienischen Rechtsgeschichte) und Il diritto privato dei popoli germanici (Bd. 1ff. 1907ff., Das Privatrecht der germanischen Völker).

Lit.: Stutz, U., Nachruf auf Schupfer, ZRG GA 47 (1927), 896

Schupose (F.), Schuppose, kleineres, vielleicht durch Aufteilung entstandenes, landwirtschaft­lich genutztes Gut im Süden (Alemannien) im Mittelalter (seit A. 12. Jh.)

Lit.: Münger, P., Über die Schupose, 1967

Schuschnigg, Kurt (Edler von) (Riva del Garda 14. 12. 1897-Mutters 18. 11. 1977) wird über die christlichsoziale Partei ab 30. 7. 1934 Bundeskanzler → Österreichs. Auf Druck Adolf → Hitlers bestellt er am 12. 2. 1938 den nationalsozialistischen Sympathi­santen Seyss-Inquart zum Sicherheitsminister. Am 11. 3. 1938 zwingt ihn Hitler zum Rücktritt. Der neue Bundeskanzler Seyss-Inquart bittet Hitler um Hilfe. Dem → Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich stimmen 99,73 % der Österreicher zu. Nach 1945 sehen sie sich hauptsächlich als Opfer.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 223

Schüttung (F.) eigenmächtige Pfändung (fremder Tiere auf eigenem Grund)

Lit.: Hübner § 65; Planitz, H., Die Vermögens­vollstreckung, 1912, 342

Schutz ist die Fürsorge gegenüber möglichen Gefährdungen (z. B. Staatsschutz, Besitz­schutz, Mieterschutz, Kündigungs­schutz, Verbraucher­schutz, Rechtsschutz, Persönlich­keitsschutz, Mutterschutz, Jugend­schutz, Naturschutz, Namensschutz, Zeichenschutz, Bestandschutz). S. oder S. und Schirm wird in verschiedensten Gestalten von Stärkeren gegenüber Schwächeren geboten (z. B. Lehen, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Geleit, Unfreiheit, Versicherung). In der frühen Neuzeit tritt an die Stelle des Schutzes teilweise die → Polizei bzw. die staatliche Hoheitsgewalt.

Lit.: Appelt, H., Die Anfänge des päpstlichen Schutzes, MIÖG 62 (1954), 101; Semler, J., Traditio und Königsschutz, ZRG KA 45 (1959), 1; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Schöpfer, G., Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Weitnauer, H., Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, 1975; Fried, J., Der päpstliche Schutz für Laienfürsten, 1980; Hippel, E. v., Der Schutz des Schwächeren, 1982

Schutzbrief ist die einen → Schutz betreffende besondere → Urkunde.

Schutzgebiet ist die Bezeichnung für deutsche → Kolonien (z. B. Deutsch-Südwest-Afrika, Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Neuguinea, Karolinen, Marianen, Palauinseln, Marshallinseln, Deutsch-Samoa, Kiautschou).

Lit.: Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien, 1985

Schutzhaft ist die Haft zum Schutz (angeblich) des Verhafteten im Dritten Reich.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236

Schutzjude ist der (gegen Abgaben) unter den → Schutz gestellte → Jude im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation). Auf der Grundlage älterer Schutzmaßnahmen wird nach den Judenverfolgungen der Pestjahre 1347/1349 der Jude in den Kurfürstentümern durch die → Goldene Bulle (1356) in den besonderen Schutz aufgenommen. Im 19. Jh. beseitigt der Liberalismus zugunsten der vollständigen Emanzipation die Einrichtung der Schutzjuden.

Lit.: Stobbe, O., Die Juden in Deutschland, 1866, Neudruck 1968; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden, 1981

Schutzpolizei Polizei

Lit.: Weinhauer, K., Zwischen Bürgerkrieg und innerer Sicherheit, 2003

Schutzstaffel (SS) ist die 1925 entstandene Schutzeinrichtung hoher Angehöriger der → Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter­partei (1929 Himmler unterstellt, 1934 Hitler, 1939 etwa 240000, als Streitmacht Waffen-SS fast eine Million Mitglieder).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Buchheim, H., Die SS, 2. A. 1979; Die SS hg. v. Smelser, R. u. a., 2000; Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten – Die Waffen-SS 1933-1945, 7. A. 2006, 8. A. 2008; Schreiber, C., Elite im Verborgenen, 2008

Schwabe ist der Angehörige des nach den elbgermanischen Sueben benannten Volkes, dessen Name im 9. Jh. am oberen Rhein und oberer Donau neben dem der Alemannen erscheint. Örtlich bleibt Schwaben infolge des Verschwindens eines um 900 entstehenden, 1198 mit der Königswürde verbundenen Herzogtums Schwaben (mit Schwerpunkten im Bodenseeraum und im Hegau, später in Zürich, Breisach, Esslingen, Straßburg, Ulm und Rottweil) im späten 13. Jh. (Rudolf † 1290, Johann Parricida) ein bloßer Gebietsname ohne einheitliche Herrschafts­gewalt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1; Oberschwäbische Stadtrechte, Bd. 1 f. 1914ff.; Bader, K. u. a., Oberrheiner, 1942; Weller, K., Geschichte des schwäbischen Stammes, 1944; Bader, K., Der deutsche Südwesten, 1950, Neudruck 1978; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Hofacker, H., Die schwäbische Herrschaft, Z. f. württemberg. LG. 47 (1988), 71; Schwaben von den Anfängen bis 1268, hg. v. Fried, P., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2000; Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. v. Kraus, A., 2001; Hölz, T., Krummstab und Schwert, 2001; Schwaben und Italien im Hochmittelalter, hg. v. Maurer, H. u. a., 2001; Schwaben vor tausend Jahren, hg. v. Scholkmann, B., 2002; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2003

Schwaben Schwabe

Lit.: Nova Alamanniae, hg. v. Stengel, E., Bd. 1f. 1921ff.; Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Fehn, K., Siedlungsgeschichtliche Grundlagen der Herrschafts- und Gesellschaftsentwicklung in Mittelschwaben, 1966; Maurer, H., Das Land zwischen Schwarzwald und Randen im frühen und hohen Mittelalter, 1965; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Schwaben von den Anfängen bis 1268, bearb. v. Fried, P. u. a., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2003; Das Reich in der Region während des Spät­mit­telalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Kießling, R. u. a., 2005; Die Schwabenkriegschronik des Kapar Frey, bearb. v. Gutmann, A., 2009

Schwabenspiegel ist der neuzeitliche Name des durch mehr als 400 bekannte, über ganz Süddeutschland (ein­schließlich Österreichs und der Schweiz) verbreitete Handschriften überliefertev Rechts­buchs Kaiserliches Land- und Lehnrechtsbuch (→ Kaiserrecht). Der S. übersetzt den mittelniederdeutschen, in Landrecht und Lehnrecht geteilten → Sachsenspiegel Eike von Repgows wie der → Deutschenspiegel in das Mittelhochdeutsche und wird bereits 1276 vom Augsburger Stadtrecht benutzt. Es verwertet fränkische Kapitularien, hochmittel­alterliche Landfrie­den, die Institu­tionen Justinians, kanonisches Recht und vielleicht Schriften Davids von Augsburg und Bertholds von Regensburg. Es sind so unterschiedliche Fassungen überliefert, dass die Herstellung ei­ner Ur­fassung (Urschwa­benspiegel) Schwie­rigkeiten bereitet. Als älteste, vom Deutschen­spiegel verschiedene Fassung wird in neuester Zeit eine vielleicht in Regensburg zwischen 1268 und 1272 entstandene Fassung (E) angesehen. Eine durchgehend illus­trierte Handschrift liegt in Brüssel. Der S. beeinflusst jüngere Rechtsbücher (Freising, Bayern, Österreich, Kleines Kaiserrecht). Der Name S. stammt von Melchior → Goldast (1609).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 103, 120; Lassberg, F. Frhr. v., Der Schwabenspiegel, 1840, Neudruck 1971; Böhlau, H., Rockingers Resultate über die Entstehungsgeschichte, ZRG GA 4 (1883), 233; Lindner, G., Der Schwabenspiegel bei den Siebenbürger Sachsen, ZRG GA 6 (1885), 86, 141; Knapp, H., Der Beweis im Strafverfahren des Schwabenspiegels, FG J. Kohler, 1919, 25; Stutz, U., Die Witzenhäuser Schwabenspiegel-Handschrift, ZRG GA 44 (1924), 315; Voltelini, H. v., Bericht über die Arbeiten an der Ausgabe des Schwabenspiegels, Anzeiger der phil.-hist. Kl. der Ak. d. Wiss. Wien 1924, Nr. 12; Eckhardt, K., Die handschriftliche Grundlage für die Neuausgabe des Schwabenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 50; Müller, K., Zwei schwäbische Handschriften des Schwabenspiegels, ZRG GA 47 (1927), 657; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien 1, 1927; Voltelini, H. v., Ottokars österreichische Reimchronik und der Schwabenspiegel, ZRG GA 50 (1930), 385; Klebel, E., Studien zu den Fassungen und Handschriften des Schwabenspiegels, MIÖG 44 (1930), 129; Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen); Thieme, H., Eine unbekannte Schwabenspiegelhand­schrift, ZRG GA 54 (1934), 241; Lentze, H., Die Kurzform des Schwabenspiegels, 1938; Torggler, K., Zur Auslegung des Schwabenspiegeleinschubes, ZRG GA 60 (1940), 291; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Klebel, E., Zu den Quellen des Schwabenspiegels, FS K. Hugelmann, 1959, 273; Schwabenspiegel, Kurzform, mitteldeutsch-nieder­deutsche Handschriften, hg. v. Große, R., 1964; Große, R., Die mitteldeutsch-niederdeutschen Hand­schriften des Schwabenspiegels in seiner Kurzform, 1964; Becker, H., Eine unbekannte Handschrift des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971), 190; Schwabenspiegel, Form M, 1972; Schwabenspiegel, Normalform 1972; Schwabenspie­gel, Kurzform III, Fassung Kt, hg. v. Eckhardt, K., 1972 (Tambacher Handschrift von 1295); Schwaben­spiegel Kurzform, hg. v. Eckhardt, K., 2. A. 1974; Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Derschka, H., Der Schwabenspiegel und die kognitive Entwicklung des Menschen, ZRG GA 118 (2001), 100; Derschka, H, Der Schwabenspiegel, 2002; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum volkssprachlichen Ver­schrift­lichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008

Schwäbischer Bund ist der am 14. 2. 1488 von Fürsten, Adel und Städten Schwabens auf Veranlassung des Kaisers als erneuertem Herzog von Schwaben abgeschlossene, bis 1534 währende Bund.

Lit.: Bock, E., Der Schwäbische Bund, 1927, Neudruck 1968; Knapp, H., Vom Gericht des schwäbischen Bundes, ZRG GA 51 (1931), 520; Hesslinger, H., Die Anfänge des schwäbischen Bundes, 1969; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Carl, H., Der Schwäbische Bund 1488-1534, 2000

Schwäbischer Städtebund

Lit.: Blezinger, H., Der schwäbische Städtebund in den Jahren 1438-1445, 1954

Schwäbisch Gmünd

Lit.: Payer, Peter, Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, Diss. jur. Tübingen 1957; Herrmann, K. u. a., Schwäbisch Gmünd, 2006

Schwäbisch Hall

Lit.: Die Bürgerschaft der Reichsstadt Hall von 1395 bis 1600, bearb. v. Wunder, G. u. a., 1956; Kreil, D., Der Stadthaushalt von Schwäbisch Hall im 15./16. Jahrhundert, (1967); Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch Hall seit dem 15. Jahrhundert, 1971; Iländer, B., Verfassung und Verwaltung der Reichsstadt Hall (1648-1806), 2000; Schinke, E., Herrschen vor Ort, 2008

Schwägerschaft ist das Verhältnis eines Ehegatten zu den Verwandten des anderen Ehegatten. Vom Hochmittelalter an ist die S. ein kirchliches Ehehindernis (1215 vom siebten Grad auf den vierten Grad verringert).

Schwalenberg

Lit.: Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963

Schwangerschaft ist der von der Befruchtung bis zur Geburt eines Kindes reichende Zeitabschnitt im Leben einer Frau. Die S. wirkt sich im Recht teilweise bei der Leibesfrucht (lat. [M.] nasciturus), teilweise bei der Schwangeren aus (z. B. keine Ladung vor Gericht, aber Besitz eines Nachlasses bis zur Geburt im römischen Recht, Befreiung vom Fastengebot. Aufschub einer Folter oder Hinrichtung in der frühen Neuzeit). Erst 1908 erhalten Schwangere arbeitsrechtlichen Schutz (Mutterschutz), den das Mutterschutz­gesetz erweitert.

Lit.: Kaser; Hübner; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Schlieben, E., Mutterschaft und Gesetz, 1927; Koch, E., Der nasciturus als Rechtsgut, (in) Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985, 87; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004

Schwarzburg ist die 1071 erstmals erwähnte Burg an der Schwarza in Thüringen, nach der sich seit 1123 Grafen benennen, die im 16. Jh. in Schwarzburg-Sondershausen und Schwarz­burg-Rudolstadt teilen. Die 1697 bzw. 1710 zu Fürstentümern erhobenen Gebiete werden 1909 in Personalunion vereinigt. Zum 1. 5. 1920 geht S. in Thüringen auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon

Schwarzenberg, Johann Frhr. zu (Schwarzenberg/Mittelfranken 26. 12. 1463-Nürnberg 21. 10. 1528) wird nach einer Ausbildung als adliger Knappe und einer Tätigkeit im Gefolge König Maximilians 1490 Amtmann und später Hofmeister in Würzburg (1493 Wallfahrt ins Heilige Land). 1501 tritt er in den Dienst des mit ihm verschwägerten Bischofs von Bamberg (1521 Übertritt zum Luthertum), 1522 wird er Mitglied des Reichsregiments, 1524 fränkischer Hofmeister der Markgrafen von Brandenburg. Auf ihn geht über die (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (1507) die (lat.) → Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) zurück. Er ist nicht rechtsgelehrt, aber humanistisch interessiert (1534 Teutscher Cicero).

Lit.: Köbler, DRG 138, 143; Merzbacher, F., Johann Freiherr zu Schwarzenberg in würzburgischen Diensten, ZRG GA 69 (1952), 363; Hellner, J., Johann Freiherr von Schwarzenberg und Hohenlandsberg, JuS 5 (1965), 48; Trusen, W., Strafprozess und Rezeption, (in) Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984, 29

Schweden ist der zwischen Norwegen und Finnland gelegene nordeuropäische, zum 1. 1. 1995 der Europäischen Union beigetretene Staat. Sein Gebiet ist vermutlich schon im 2. oder 1. Jt. v. Chr. von → Germanen (u. a. um 100 n. Chr. [lat. M.Pl.] Suiones) besiedelt. Im Früh­mittelalter dehnen dabei die ober­schwedisch-upländischen Svear ihre Herr­schaft auch auf die Götar aus. Im Hochmittelalter kommt demgegenüber Göta­land größere Bedeutung zu. Im Zuge der Christianisierung wird Uppsala Erzbistum. Im 11. Jh. festigt sich S. Zwischen 1150 und 1323 wird das von Schweden aus chris­tianisierte Finnland einbezogen. Um 1350 erstreckt sich das Königreich S. von Kalmar bis Lappland und von der Mündung des Götaälv bis Viborg. Im 13. und 14. Jh. werden Landschaftsrechte (landskapslagar) aufgezeichnet (Westgöten­recht bzw. West­götalagh seit 1220-2. H. 13. Jh., Ostgöten­recht bzw. Ostgötalagh um 1286 bzw. um 1300, Smalandslagen vor 1296, Södermanna­lagen bzw. Södermannalagh um 1279-1285 bzw. 1327, Uplandslagen bzw. Uplandslagh 1296, Dalalagen bzw. Västmannalagan bzw. Westmannalagh 1298-1347 bzw. um 1330, Hälsingelagen bzw. Helsingelagh 1315-1332 bzw. 1329/1350). Zu den Landschaftsrechten treten Satzungen auf den Hoftagen und kirchliche Konzils­beschlüsse hinzu. Von den Stadtrechten ist das sog. Bjärköarätt (2. H. 13. Jh.) am bekanntesten. 1347 veranlasst König Magnus Eriksson ein allgemeines, in den einzelnen Landschaften allmählich aufgenom­menes Landrecht (Landslag), 1357 (1353-1360) ein bis 1734 gültiges Stadtrecht (Stadslag). Dabei steht der aus den Hoftagen entwickelte Reichsrat neben ihm. 1389 erkennt S. die Herrschaft Königin Marga­rethes von → Dänemark an. 1442 wird das Landrecht erneuert. 1448 verselbständigt sich S. wieder (König Karl VIII.). 1477 wird eine (von 1530 bis 1593 geschlossene) Universität in → Uppsala eingerichtet (1632 Dorpat, 1640 Abo, 1668 Lund). 1523 erringt das Haus Wasa das Königtum. 1527 wird die Kirche enteignet und S. wenig später dem Luthertum zugeführt. Am Ende des 16. Jh.s bildet sich der in 4 Stände (Adel, Geistliche, Bürger, Bauern) gegliederte dauernde Reichstag neben König und Reichsrat. Am Ende des 17. Jh.s (1693) setzt der König kurzzeitig den → Absolutismus durch, doch gewinnen 1718 die Stände die Macht. Am 14. 12. 1734 nimmt der Reichstag das seit 1686 allmählich geschaffene Reichsgesetzbuch zum 1. 9. 1736 an. 1772 entzieht der König dem Reichstag die gewonnenen Rechte und hebt den Reichsrat auf. 1789 wird ein oberster Gerichtshof geschaffen. 1809 wird der König abgesetzt, die Privilegierung des Adels beseitigt und der Reichsrat neu geschaffen. Finnland gelangt an Russland. 1810 wird der französische Marschall Bernadotte zum Thronfolger gewählt. 1814 kommt Norwegen von Däne­mark an S. 1866 wird das Zweikammersystem mit einkommensabhän­gigem Wahlrecht, seit 1921 allgemeinem gleichem Wahlrecht eingeführt. 1905 verselbständigt sich Norwegen. Zum 1. 1. 1995 tritt S. der → Europäischen Union bei. 2000 werden Staat und Kirche getrennt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 130; Samling af Sweriges gamla lagar, hg. v. Collin, H./Schlyter, C. u. a., Bd. 1ff. 1827ff. (13 Bände bis 1877); Amira, K. v., Altschwedisches Obligationenrecht, 1882; Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts, ZRG GA 36 (1915), 137; Bergman, C., Översikt av svensk rättsutveckling, 1918; Bergman, C., Testamentet i 1600-talets rättsbildning, 1918; Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg); Mayer, E., Die letzten Spuren eines Uradels in Südschweden und Dänemark, ZRG GA 41 (1920), 373; Kock, E., Om Hemfjöld (förtida arv) i svensk rätt, 1926; Holmbäck, Å., Frågan om äganderätten till häradsallmänningarna, Svenska Skogsvårdsföreningens tidskrift 1930; Hemmer, R., Studier rörande straffutmätingen i medeltida svensk rätt, 1928; Holmbäck, Å,./Wessen, E., Svenska landskapslagar, Bd. 1ff. 1933ff.; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungs­geschichte, 1933; Svenska Landskapslagar, tolkade och förlarade för nutidens Svenska v. Holmbäck, Å./Wessén, E., Bd. 1ff. 1933ff.; Schwedische Rechte, Älteres Westgötalag, Uplandslag, übers. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Wennström, T., Tjuvnad ock fornæmi, 1936; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1939; Wennström, T., Brott och böter, 1940; Löning, G., Zur Zufallshaftung im schwedischen Vertragsrecht, ZRG GA 62 (1942), 179; Olivecrona, K., Döma til konung, 1942; Almquist, J., Svensk juridisk litteraturhistoria, 1946; Löning, G., Die Haftung des Entleihers in der neueren schwedischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 65 (1947), 208; Gerhardt, M./Hubatsch, W., Deutschland und Skandinavien, 1950; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952, Wührer, K., Zum altschwedischen Eherecht, ZRG GA 74 (1957), 231; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 349; Wührer, K., Die schwedischen Landschaftsrechte und Tacitus’ Germania, ZRG GA 76 (1959), 1; Hafström, G., Land och lag, 1959, 2. A. 1965 (Darstellung des schwedischen mittelalterlichen Rechts); Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Thomson, A., Barnkvävningen, 1960; Hemmer, R., Die Missetat im altschwedischen Recht, 1965; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden, ZRG GA (1965), 316, 85 (1968), 248; Carlsson, L., Jag giver dig min dotter, 1965; Anners, E., Humanitet och Rationalism, 1965; Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966; Olivecrona, K., Rättsordningen, 1966; Thomson, A., Otidigt sängelag, 1966; Thomson, A., Hävdande under äktenskapslöfte, 1966 (SB Lund); Roberts, M., The early Vasas (1523-1619, 1968; Wessén, E., Svensk medeltid - 1 Landskapslagar, 2 Birgitta-Texter, 1968; Scovazzi, M., Der römische pontifex und die eriksgata der schwedischen Könige, ZRG GA 88 (1971), 198; Das Ostgötenrecht, hg. v. Strauch, D., 1971; Thomson, A., I stocken, 1972; Carlsson, L., Jag giver dig min dotter 2, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,995, 2,2,531,1027, 4,4,235; Modéer, K., Die Gerichtsbarkeit der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, ZRG GA 91 (1974), 190; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, 1975; Barudio, G., Absolutismus – Zerstörung der libertären Verfassung, 1976; Inger, G., Das Geständnis in der schwedischen Prozessrechtsgeschichte, Bd. 1 1976; Inger, G., Institutet „insättande på bekännelse“ i svensk processrättshistoria, 1976; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte des Nordens, 1976; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1978; Buchholz, W., Staat und Stände­gesellschaft in Schweden zur Zeit des Überganges vom Absolutismus zum Ständeparlamen­tarismus 1718-1720, 1979; Nicht nur Strindberg, hg. v. Müssener, H., 1979; Ekbom, C., Attungstal och mantal, 1981; Patzelt, E./Patzelt, H., Schiffe machen Geschichte, 1981; Nygren, R., Subordination och enskild integritet, 1981; Den svenska historien, 1983f.; Seth, I., Överheten och svärdet, 1984; Ankarloo. B., Trolldomsprocesserna i Sverige, 1984; Winberg, C., Grenverket. Studier rörande jord, 1985; Das schwedische Reichsgesetzbuch (Sveriges Rikes Lag) von 1734, hg. v. Wagner, W., 1986; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Claëson, S., Häradshövdingeämbetet i senmedeltidens och Gustav Vasas Sverige, 1987; Sundell, J., Tysk påverkan på svensk civilrättsdoktrin 1870-1914, 1987; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges medeltidslagar, 1988; Austrup, G., Schweden, 1988; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989; Åqvist, G., Kungen och Rätten, 1989; Anners, E., Frålagtolkning till lagstiftning, 1989; Sandström, M., Die Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1989; Anners, Erik, Från lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Sjöholm, E., Sweden’s Medieval Laws, Scandinavian Journal of History 15 (1990); Högsta Domstolen i Sverige under 200 ar, Bd. 1, 2 hg. v. Nygren, R. bzw. Modéer, K., 1990; Sundberg, J., Fr(an) Eddan t(ill) Ekelöf (Von der Edda zu Ekelöf), 1990; Sundin, J., För Gud, Staten och Folket, 1992; Frohnert, P., Kronans skatter och bondens bröd, 1993; Thunander, R., Hovrätt i funktion, 1993; Inger, G., Erkännandet i Svensk process­rättshistoria 2 (1614-1948), 1994; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Sundell, J., Mittermaier, Maurer und Amira, ZRG GA 114 (1997), 415; Findeisen, J., Schweden, 1997; Alexius, K., Politisk yttrandefrihet, 1997; Kumlien, M., Uppfostran och straff, 1997; Sundell, J., Karl Schlyter (21. Dezember 1879-21. Dezember 1959), 1998; Nilsén, P., Att stoppa munnen till pa bespottare – den akademiska undervisningen i svensk statsrätt under frihetstiden, 2001; Rättslig integration och pluralism, red. v. Önnerfors, E. u. a., 2001; Rättshistoria i forändring, red. v. Modéer, K., 2002; Eliasson, P., Skog, makt och människor, 2002; Kohler, M., Die Entwicklung des schwedischen Zivil­prozessrechts, 2003; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Nesemann, U., Die schwedische Familiengesetzge­bung, 2003; Ullgren, P., Lantadel, 2004; Lyles, M., A Call für Scientific Purity – Axel Hägerström’s Critique of Legal Science, 2006; Lundmark, L., Samernas skatteland, 2006; Giese, S., Studenten aus Mitternacht, 2008

Schweidnitz

Lit.: Rechtsdenkmäler der Stadt Schweidnitz, hg. v. Goerlitz, T. u. a., 1939; Die Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für Schweidnitz, bearb. v. Goerlitz, T. u. a., 1940

Schweigaard, Anton Martin (Kargero 1808-Oslo 1870), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach Förderung in Westerholt/­Ostfriesland, Rechtsstudium in Oslo und Aufenthalten in Berlin und Paris 1835 Dozent und 1840 Professor in Oslo und Rechts­politiker. Er veröffentlicht einen Kommentar zum norwegischen Strafgesetzbuch von 1842 (1841ff.) und eine Darstellung des norwegischen Prozesses (1849ff.). Seine Vorlesung folgt Mackeldeys Lehrbuch des römischen Rechts.

Lit.: Sorensen, O., Anton Martin Schweigaards politiske tenkning, 1986

Schweinsberg (1322 Stadt)

Lit.: Eckhardt, W., Kaiser Ludwig der Bayer und das Stadtrecht für Schweinsberg, Zs. d. Vereins f. hess. Geschichte und Landeskunde 112 (2007), 51

Schweinfurt

Lit.: Fuchs, A., Schweinfurt 1972

Schweiz ist der zwischen Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien und Frank­reich liegende, überwiegend deutschsprachige Staat. Die S. nimmt ihren Ausgangspunkt davon, dass der deutsche König zur Sicherung des Gotthardpasses 1231 den Leuten von → Uri im ehemaligen Herzogtum → Schwaben die ewige Reichs­unmittelbarkeit verspricht und vielleicht davon, dass sich wenige Tage nach dem Tod Rudolfs von Habsburg anfangs August 1291 die Leute von Uri mit den ähnlich berechtigten Leuten von → Schwyz und den Leuten von Unterwalden in einem ewigen Bündnis gegen die das Privileg missachtenden Grafen von → Habsburg verbinden, nach anderer Ansicht erst im 14. Jh. (1351 Bündnisse Zürichs mit Uri, Schwyz, Unterwalden und Luzern, 1352 mit Glarus und Zug.. Am 15. 11. 1315 besiegen diese danach als → Eidgenossen auftretenden Verbündeten die (vielleicht auch zu Gunsten Einsiedelns angreifenden) habsburgischen Herzöge von Österreich bei Morgarten. Bald schließen sich weitere Gebiete an (Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus und Zug 1352, Bern 1353, Appenzell 1411, 1513, Freiburg im Üchtland 1481/1502 und Solothurn 1481). Frühestens am Ende des 14. Jahrhunderts entstehen gesamteidgenössische Gespräche (1482 Tagsatzung). Die tatsächliche Lösung vom Reich beginnt vielleicht 1499. Basel und Schaffhausen folgen zwangsweise 1501. Die Lösung vom Reich verwirklicht sich wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1648 wird die rechtliche Trennung vom Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) herbei­geführt. 1798 entsteht unter dem Einfluss der französischen Revolution bzw. Napoleons die (zentralistische) helvetische Republik mit 1803 föderalistisch abgeänderter Verfassung, mit Bundesvertrag vom 7. 8. 1815 wieder ein lockerer Staatenbund von 22 souveränen Kantonen mit dau­ernder Neutralität, aus dem die Verfassung vom 12. 9. 1848 (1874 abgeändert) einen Bundesstaat mit ziemlicher Selbständigkeit der Gliedstaaten macht. Ihm gehören (heute) 26 Kantone bzw. Halbkantone (6) in 23 Ständen an. Das sehr zersplitterte, für die ältere Zeit durch die großangelegte Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen erschlossene, im 19. Jh. zunächst partikular modernisierte Recht ist nach einem Personenstands- und Ehegesetz von 1874 im Obligationenrecht (1881, 1911 fünftes Buch des Zivil­gesetzbuches) und in dem von Eugen Huber maßgeblich beeinflussten Zivilgesetzbuch (1907/­1912 mit Ausstrah­lungen auf Liechtenstein, die Türkei, Italien, Griechenland, Peru, China, die Tschecho­slowakei und die Sowjetunion) für das Privat­recht vereinheitlicht. 1937 bzw. 1942 wird ein Strafgesetzbuch geschaf­fen. 1960 wird die S. Gründungsmitglied der ziemlich erfolglosen Europäischen Freihan­delszone (EFTA). 1971 erhalten die Frauen das Wahlrecht. Ein Beitritt zu den europäischen Gemeinschaften wird vom Volk abgelehnt, Zum 1. 1. 2000 wird die Verfassung überarbeitet (z. B. Streikrecht, Sozialziele, Recht des Kindes). 2002 tritt die Schweiz den Vereinten Nationen bei. Das noch partikulare Zivilprozessrecht soll derzeit in einer einheitlichen Kodifikation zusammenge­fasst werden. Zum 1. 1. 2007 treten das Bundes­gerichtsgesetz und das Verwaltungs­gerichtsgesetz in Kraft. Das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird überarbeitet. Durch verschiedene Abkommen nähert sich die S. der europäischen Union an.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 94, 95, 130, 132, 138, 157, 170, 181, 183, 201, 202, 216, 229, 242, 244, 255, 258, 261, 274; Schweizerisches Idiotikon, hg. v. Staub, F. u. a., Bd. 1ff. 1881ff.; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 1ff. 1886ff., 2. A. 1932ff.; Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Sulger Büel, E., Verfassungsgeschichte der Stadt Stein am Rhein, 1908; Tscharner, L., Rechtsgeschichte des Obersimmentales, 1908; Martin, P., Études critiques sur la Suisse à l’époque Mérovingienne, 1910; Burckhardt-Biedermann, T., Die Kolonie Augusta Raurica, 1910; Meyer, K., Blenio und Leventina, 1911; Tscharner, L. v., Das Statutarrecht des Simmentales, 1912ff.; Merz, W./Meyer-Zschokke, J., Die Anfänge Zofingens, 1913; Schweizer Kriegsgeschichte, bearb. v. Feldmann, M./Wirz, H., Heft 1ff. 1915ff.; Nabholz, H., Föderalismus und Zentralismus in der eidgenössischen Verfassung vor 1798, Politisches Jahrbuch der schweizerischen Eidgenossenschaft 30 (1917); Benz, A., Der Landammann, 1918; Simon, R., Rechtsgeschichte der Benediktinerabtei Pfäfers, 1918; Beusch, H., Rechtsgeschichte der Grafschaft Werdenberg, 1918; Beurle, E., Der politische Kampf um die religiöse Einheit der Eidgenossenschaft 1520-27, 1920; His, E., Geschichte des neueren schweizerischen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Heusler, A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Stutz, U., Die Schweiz in der deutschen Rechtsgeschichte, 1920; Gagliardi, E., Geschichte der Schweiz, Bd. 1f. 1921; Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, hg. v. Turler, H. u. a., Bd. 1ff. 1921ff.; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Winkler, J., Beiträge zur Geschichte von Seebach, 1925; Muralt, L. v., Die Badener Disputation 1526, 1926; Feldmann, M., Die Herrschaft der Grafen von Kyburg im Aaregebiet, 1926; Meyer, K., Zur Interpretation des Urschweizer Bundesbriefs von 1291, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 10 (1930), 413; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Heiz, K., Das „eidgenössische recht“ 1798-1848, 1930; Staehelin, H., Die Zivilgesetzgebung der Helvetik, 1931; Schaefer, P., Das Sottocenere im Mittelalter, 1932; Nabholz, H. u. a., Geschichte der Schweiz, Bd. 1 1932; Gasser, A., Die territoriale Entwicklung der schweizerischen Eidgenossenschaft 1271-1797, 1932; Gallati, F., Die Eidgenossenschaft und der Kaiserhof zur Zeit Ferdinands II. und Ferdinands III. 1619-1657, 1932; Gisi, M., Die staatsrechtliche Stellung der christkatholischen Kirche in der Schweiz, 1932; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. 1ff. bearb. v. Schieß, T. u. a., 1933ff.; Ermatinger, G., Jakob Dubs als schweizerischer Bundesrat von 1861-1871, 1933; Meyer, W., Die Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im Gebiete der Ostschweiz 1264-1460, (1934); Cattani, H., Entwicklung des Talgerichts von Engelberg, 1935, Legras, H., Grundriss der schweizerischen Rechtsgeschichte, 1935; Bruckner, A., Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. 1ff. 1935ff.; Liver, P., Rechtsgeschichte der Landschaft Rheinwald, 1937; Gasser, A., Landständische Verfassungen in der Schweiz, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 17 (1937), 96; Castelmur, A. v., Der alte Schweizerbund, (1937); Fehr, H., Sozial- und Privatrechtliches aus den Höngger Meiergerichtsurteilen, ZRG GA 58 (1938), 506; Henggeler, R., Das (!) Schlachtenjahrzeit der Eidgenossen, 1940; Quellenbuch zur Verfassungs­geschichte der schweizerischen Eid­genossenschaft, bearb. v. Nabholz, H./Kläui, P., 1940; Elsener, F., Die Verfassung der alten Stadt Rapperswil bis 1978, 1941; Das Schweizer Dorf, hg. v. Winkler, E., 1941;; Repertorium über die Verhandlungen der Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenos­senschaft, Bd. 1 1848-1874, bearb. v. Kern, L., 1942; Stockmann, H., Über die Gassengerichte von Uri, Schwyz, Nidwalden und Appenzell, 1942; Staub, E., Die Herren von Hünenberg, 1943; Schultheß, H., Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre, 1945; Fehr, H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Westschweizer Schiedsurkunden, bearb. v. Usteri, E., 1955; Kopp, M., Die Geltung des Mehrheitsprinzips in eidgenössischen Angelegenhei­ten, 1959; Büttner, H., Staufer und Zähringer im politischen Kräftespiel, 1961; Fritzsche, H., Der schweizerische Juristenverein 1861-1960, 1961; Hauser, A., Schweizerische Wirtschafts- und Sozial­geschichte, 1961; Sonderegger, S., Die schweizer­deutsche Mundartforschung 1800 bis 1959, 1962; Lei, H., Der thurgauische Gerichtsherrenstand im 18. Jahrhundert, 1962; Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit – Von der Gründung des Bundesstaates bis zur Gegenwart, 1962; Schmid, B., Die Gerichtsherrschaft Maur, 1963; Caroni, P., Le origini del dualismo comunale svizzero, 1964; Stettler, B., Studien zur Geschichte des oberen Aareraumes im Früh- und Hochmittelalter, 1964; Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965; Peter, H., Vom Einfluss der deutschen Zivilrechtswissenschaft, FS K. Bader 1965, 321; Guldener, M., Über die Herkunft des schweizerischen Zivilprozessrechts, 1966; Weymuth, H., Erscheinungsformen und Bedeutung der extramuralen Rechtsbereiche nord­schweizerischer Städte, 1967; Tschudi, A., Chronicon Helveticum 1ff., bearb. v. Stadler, P. u. a., 1968ff.; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 1968; Wernli, F., Die Talgenossenschaften der Inner­schweiz, 1968; Renner, F., Der Verfassungsbegriff im staatsrechtlichen Denken der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert, 1968; Schweizerisches Privatrecht, Bd. 1 hg. v. Gutzwiller, M., 1969 (Elsener, F., Geschichtliche Grundlegung, 1-237 S.); Liver, P., Abhandlungen zur schweizerischen und bündnerischen Rechtsgeschichte, 1970; Meyer, B., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Fulda, J., Zur Entstehung der Stadtverfassung von Maienfeld, 1972; Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. 1f. 1972ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61,523,972, 2,2,440, 3,2,1833,2755, 3,3,3084,­3618,3677,3777,3875,4046,­4189; Im Hof, U., Ge­schichte der Schweiz, 1974, 2. A. 1976, 3. A. 1980, 4. A. 1987, 5. A. 1991. 6. A. 1997, 7. A. 2001, 8. A. 2007; Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Dubler, A. u. a., Wohlen, 1975; Die Murtenschlacht, 1976; Carlen, L., Österreichische Einflüsse auf das Recht in der Schweiz, 1977; Bickel, A., Die Herren von Hallwil, 1978; Peyer, H., Verfassungsgeschichte der alten Schweiz, 1978, Neudruck 1980; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Kohler, P. u. a., 1981; Hundert Jahre schweizerisches Obligationen­recht, hg. v. Peter, H. u. a., 1982; Schultz, H., Vierzig Jahre schweizerisches Strafgesetzbuch, Schweiz. Z. f. Strafrecht 99 (1982); Schnyder, B., Siebzig Jahre schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Das Obligationenrecht 1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984; Caroni, P., Rechtseinheit, 1986; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. A. 1988; Drack, W. u. a., Die Römer in der Schweiz, 1988; Schwander, M., Schweiz, 1991; Furrer, N., Glossarium Helvetiae Historicum, Ortsnamen, 1991; Dubler, A., Das Recht der Landschaft Emmental, 1991; Kraus, D./Pahud de Mortanges, R., Bibliographie des schweizerischen Staatskirchenrechts, 1991; Steppacher, R., Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB, 1992; Dubler, A./Häusler, F., Aus der Geschichte des Grenzraums Emmental-Entlebuch, 1992, Kölz, A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, Bd. 1 1992, Bd. 2 2004; Quellenbuch zur neueren schweizerischen Ver­fassungsgeschichte, hg. v. Kölz, A., 1992; Baum, W., Reichs- und Territorialgewalt (1273-1437), 1994; Delfosse, M., Emilie Kempin-Spyri (1853-1901), 1994; Böning, H., Der Traum von Freiheit und Gleichheit, 1998; Kästli, T., Die Schweiz, 1998; Bergier, J., Die Schweiz in Europa, 1998; Blickle, P., Ordnung schaffen, HZ 268 (1998), 121; Werkstatt Bundes­verfassung, zusammengestellt v. Arlettaz, S., 1998; Bradke, S., 75 Jahre Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Hettling, M. u. a., Eine kleine Geschichte der Schweiz, 1998; Rossi, P., Cours d’histoire suisse (1831-1832), 2000; Handels- und obligationenrechtliche Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000; Die Schweiz und die Flüchtlinge zur Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. unabhängiger Experten­kommission, 2001; Hofer, W./Reginbogin, R., Hitler, der Westen und die Schweiz, 2001; Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 1ff. 2002ff.; Bonaparte et la Suisse, hg. v. Monnier, V., 2002; Fasel, U., Handels- und obligationenrechtliche Materialien, 2002; Schmitz, M., Westdeutschland und die Schweiz nach dem Krieg, 2003; Fasel, U., Bahnbrecher Munzinger, 2003; Die Rechtsquellen der Stadt Biel, bearb. v. Bloesch, P., 2003; Die Erfindung der Demokratie in der Schweiz, hg. v. schweizerischen Bundesarchiv, 2004; La Suisse occidentale et l’empire, hg. v. Morerod, J. u. a., 2004; Das Recht der Stadt Thun, bearb. v. Dubler, A., 2004; La Suisse occidentale et l’Empire, hg. v. Moererod, J. u. a., 2004; Jucker, M., Gesandte, Schreiber, Akten, 2004; Maissen, T., Verweigerte Erinnerung, 2005; Gees, T., Die Schweiz im Europäisierungsprozess, 2006; Ein Bruderkrieg macht Geschichte, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006; Piller, O., Die soziale Schweiz, 2006; Zbinden, M., Der Assoziationsversuch der Schweiz mit der EWG 1961-1963, 2006; Geschichte der Sozialversicherungen. L’histoire des assurances sociales, hg. v. Schweizerisches Bundesarchiv, 2007; Maissen, T., Die Geburt der Republic, 2007; Mesmer, B., Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht, 2007; Reich, D., Direkte Demokratie in der Krise, 2007; Saleski, K., Theorie und Praxis des Rechts, 2007; Gschwend, L., Die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Zs. f. schweizerisches Recht 2007, 435ff.; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008; Demokratisierungsprozesse in der Schweiz, hg. v. Graber, R., 2008; Pichonnaz, P., Les fondements romains du droit privé, 2008; Carlen, L., Goms und Gommer, 2009; Kriegsverbrecherprozesse in der Schweiz, hg. v. Ziegler, A. u. a., 2009; Duss, V., Gericht, Gesetz und Grundsatz, 2009

Schwerin → Mecklenburg

Lit.: Grohmann, W., Das Kanzleiwesen der Grafen von Schwerin. Diss. phil. Rostock 1928; Das Schweriner Stadtbuch, hg. c. Poeck, D., 2004

Schwert ist seit dem Altertum eine Stichwaffe und Hiebwaffe, die auch im Recht tatsächlich (Richtschwert) und symbolisch (z. B. bei → Investitur, → Zweischwerterlehre, → Schwert­mage) verwendet wird.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Schwertbrüderorden ist der 1202 in Livland gestiftete kleine Ritterorden, der 1237 mit dem → Deutschen Orden verschmolzen wird.

Lit.: Bunge, G. v., Der Orden der Schwertbrüder, 1875; Benninghoven, F., Der Orden der Schwertbrüder, 1965; Benninghoven, F., Zur Rolle des Schwertbrüderordens, ZOF 41 (1992)

Schwertleite (F.) ist der ältere ritterliche Mannbar­keitsritus, der später durch den Ritterschlag ersetzt wird.

Lit.: Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag, Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1919)

Schwertmage ist der durch das → Schwert versinnbildlichte männliche Verwandte (Mage) im deutschen Mittelalter.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 88; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1

Schwur ist die Handlung und das Ergebnis der Leistung eines Eides.

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Schwurfingerdeutung und Schwurgebärde, Zeitschrift für schweizerisches Recht 39 (1920); Fritze, W., Die fränkische Schwurfreundschaft der Merowingerzeit, ZRG GA 71 (1954), 74

Schwurgericht ist die mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (bis 30. 9. 1972 Geschworenen) besetzte Strafkammer bei bestimmten Straf­sachen (z. B. Mord), im älteren und ausländischen Recht das mit (1 bzw.) 3 Richter(n) und 12 Geschworenen besetzte Gericht, bei dem die Geschworenen über die Frage der Schuld und der oder die Richter über die Frage der Strafe entscheiden. Das S. wird im linksrheinischen Deutschland 1798 unter dem Einfluss Frankreichs, im übrigen Deutschland meist nach 1848 eingeführt. 1877/1879 wird dies reichseinheitlich geregelt (1893 im Deutschen Reich 140 Schwur­gerichte). Am 4. 1. 1924 wird das ältere S. aus fi­nanziellen Gründen durch das jüngere, mit Schöffen besetzte S. ersetzt (Emmingersche Justizreform, lex Emminger, in Bayern durch Verordnung vom 14. 7. 1948 bis 1. 10. 1950 nochmals kurzfristig wiederbelebt). Eine un­mittelbare Kontinuität des deutschen Schwurgerichts zu dem in karolingischer Zeit entstandenen Schöffengericht besteht nicht. Brunner leitet das S. von den Zeugen der fränkischen Zeit her, die der Richter zur Rüge bewegen kann. Vermutlich ist das spätantiken Vorläufern folgende fränkische Unter­su­chungsverfahren über Grundstücksverhältnis­se über die Normandie nach England gelangt, wo es König Heinrich II. (1154-1189) für Gü­ter­­streitigkeiten allgemein eröffnet. Danach soll der Sheriff jeweils 12 Nachbarn aus­wählen, vereidigen und befragen. 1166 wird dies auf Verfahren wegen Unrechtstaten übertragen.

Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 202, 203, 234; Brunner, H., Die Entstehung der Schwurgerichte, 1872, Neudruck 1967; Schwinge, E., Der Kampf um die Schwurgerichte, 1926, Neudruck, 1970; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1959, 114; Plucknett, T., Concise History of the Common Law, 2. A. 1956; Böttges, W., Die Laienbeteiligung in der Straf­rechtspflege, Diss. jur. Bonn 1979; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung, 1981, 205; Reimann, M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte, (in) The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Canegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988; Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Koch, A., Die Rückkehr der „Volksgerichte“, ZRG GA 122 (2005), 242; Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006

Schwyz, um 730 Ort einer Kirche, ist der für die → Schweiz namengebende Urkanton.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Reichlin, M., Die schwyzerische Oberallmende, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Styger, D., Die Beisassen des Landes Schwyz, 1914; Sidler, R., Die schwyzerische Unterall­meind­korporation, Diss. jur. Zürich 1956; Riggenbach, A., Der Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln und die Entstehung der Eidgenossenschaft, Diss. phil. Zürich 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. A. 1988; Wiget, J., Wasser und Wacht, 1988; Schwyz, 1991; Fassbind, J., Schwyer Geschichte, hg. v. Detting, A., 2004; Adler, B., Die Entstehung der direkten Demokratie, 2006

Scire leges non est verba eorum tenere sed vim ac potestatem (lat.). Die Gesetze zu kennen, heißt nicht, ihre Worte behalten, sondern ihre Macht und ihr Vermögen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Celsus, um 70-um 140, Digesten 1, 3, 17)

scultetus (lat.-afrk. [M.]) → Schultheiß

Seabra, António Luís Visconde de (1798-1895), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Coimbra Richter, Rechts­lehrer und liberaler Rechtspolitiker. Er entwirft den 1867 in Kraft gesetzten Código civil portuguez.

Lit.: Dias Ferreira, J., Elogio histórico do Visconde de Seabra, 1895; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973

Seckel, Emil (Neuenheim bei Heidelberg 10. 1. 1864-Todtmoos 26. 4. 1924), Schwieger­sohn Hinschius’, wird 1898 Professor in Berlin.

Lit.: Seckel, E., Paläographie der juristischen Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts, ZRG RA 45 (1925), 1; Genzmer, E., Emil Seckel, ZRG RA 46 (1926), 216

Seckendorff, Veit Ludwig von (Herzogenaurach 20. 12. 1626-Halle/Saale 18. 12. 1692), aus fränkischem Adel, wird nach dem Studium von Philosophie, Geschichte und Recht in Straßburg Rat und Kanzler in Sachsen-Gotha und 1665 in Sachsen-Naumburg-Zeitz. Sein Hauptwerk ist der christlich idealisierende Teutsche Fürstenstaat (1656), der sich teilweise an den Fürsten, teilweise an dessen Amtsträger wendet.

Lit.: Seckendorff, V., Teutscher Fürstenstaat, 1656, Neudruck 1972, 1976; Schmelzeisen, G., Der verfassungsrechtliche Grundriss in Veit Ludwig von Seckendorffs „Teutschem Fürstenstaat“, ZRG 87 (1970), 190; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995

Securitas (lat. [F.], Sicherheit) ist die Quittung im spätantiken römischen Recht.

Lit.: Kaser § 53 I 1; Köbler, DRG 62

SED ist die am 21. 4. 1946 aus zwangsweiser Vereinigung von Sozialdemokratischer Partei Deutschlands und Kommunistischer Partei Deutschlands zwecks Ausschaltung der Sozialdemokratie hervorgehende Sozialisti­sche Einheitspartei Deutschlands in der sowjetischen besetzten Zone des Deutschen Reiches, die in der Deutschen Demo­kratischen Republik die Politik entscheidend be­stimmt und sich nach deren Scheitern am En­de der Deutschen Demokratischen Republik (1989) in Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) umbenennt.

Lit.: Köbler, DRG 245; Kroeschell, 20. Jh.; Dokumente zur Geschichte der SED, hg. v. Müller, E. u. a., Bd. 1ff. 2. A. 1981ff.; Das Ende der SED, hg. v. Hertle, H. u. a., 1997; Die SED, hg. v. Herbst, A. u. a., 1997; Schröder, K., Der SED-Staat, 1998; Anatomie der Parteizentrale, hg. v. Wilke, M., 1998; Die totalitäre Herrschaft der SED, hg. v. Friedrich, W., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Malycha, A., Die SED, 1999; Hört die Signale, hg. v. Hübsch, R., 2002; Großbölting, T., SED-Diktatur und Gesellschaft, 2002; Giese, D., Die SED und ihre Armee, 2002; Amos, H., Politik und Organisation der SED-Zentrale 1949-1963, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003; Die ersten und zweiten Sekretäre der SED, hg. v. Best, H./Mestrup, H., 2003; Niemann, M., Die Sekretäre der SED-Bezirksleitungen 1952-1989, 2007; Malycha, A. u. a., Die SED, 2009

Sedan ist von 1601 bis 1681 Sitz einer Universität.

Seedarlehen → fenus (N.) nauticum (lat.)

Lit.: Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005

Seelbuch (N.) Totenbuch

Lit.: Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters, 1971

Seelgerät ist im mittelalterlichen Recht die zum Seelenheil (lat. salus [N.] animae) gestiftete Sache. Die Schaffung geschieht anfangs durch Gabe, seit dem Hochmittelalter auch durch → Testament.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926; Seelenheil und irdischer Besitz, hg. v. Herzog, M. u. a., 2007

Seelteil → Freiteil

Lit.: Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928; Schultze, A., Nachträge zu „Augustin und der Seelteil“ S. 185ff., ZRG GA 50 (1930), 377

Seerecht ist das die See betreffende Recht. Es ist ein Teil des Völkerrechts, soweit die See nicht zum Hoheitsgebiet eines einzelnen Staates zählt. Bedeutsam ist insbesondere das Seehandelsrecht als Sonderprivatrecht der Seeschiffahrt. Dieses erscheint bereits im (lat.) → Codex Hammurapi (1728-1686 v. Chr.). Weit verbreitet ist im Altertum das nach der Insel Rhodos benannte griechische Seehandelsrecht (lat. lex [F.] Rhodia [de iactu], rhodisches Gesetz über den Wurf [von Gütern bei Gefahr in die See]), das die Römer übernehmen, so dass es im Osten bis in das 15. Jh. fortwirkt. Im Westen nimmt das S. des Mittelmeers seinen Ausgang von Amalfi (lat. Tabula [F.] de Amalfa, 12. Jh.), Pisa (lat. Constitutum [N.] usus, 12. Jh.), Venedig (1229ff.) und Genua (E. 13. Jh.). Eine private Rechtssammlung in Barcelona um 1350 (1348) ist das → Consolat del Mar, das bis ins 19. Jh. den Mittelmeerraum beherrscht. Für das nordwesteuropäische Gebiet sind die → Rôles d’ → Oléron (Mitte 13. Jh.s) besonders wichtig, deren flämische Übersetzung → Vonnisse van Damme genannt wird. Diese bildet zusammen mit der in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Staveren oder Amsterdam entstandenen → Ordinancie die Grundlage für die im 15. Jh. verfasste Sammlung Waterrecht. Von den deutschen Seehandels­städten wirken vor allem Hamburg und Lübeck und ihre Tätigkeit in der Hanse prägend. Im 16. und 17. Jh. werden in den Niederlanden (1551ff., um 1700 etwa 50000 Seefahrer), in Dänemark (1561), Hamburg (1603), der Hanse (1614) und Schweden (1667) bedeutsame Regelungen erlassen, an die sich allmählich eine beachtliche wissenschaftliche Literatur anschließt (→ Stracca, → Grotius, → Vinnius).→ Preußen schafft 1727 ein 10 Kapitel mit 361 Artikeln umfassendes Seegesetz, dessen Inhalt in das → Allgemeine Landrecht (1794) Eingang findet. Frankreichs → Ordonnance de la marine (1681) erhält der → Code de commerce (1807) aufrecht, der sich auf Griechenland (1835), Rumänien (1863), die Türkei (1864), Spanien (1829), Portugal (1833), die Niederlande (1838), Belgien (1879) und Italien vollständig oder teilweise auswirkt. Die deutschen Staaten vereinheit­lichen ihr S. im → Allgemeinen Deutschen Handels­gesetzbuch (1861) bzw. im Handels­gesetzbuch (1897/1900).

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957, 335; Rolin, H., L’abordage, 1899; Die altniederländischen Seerechte, hg. v. Telting, A., 1907; Sammlung älterer Seerechtsquellen, hg. v. Zeller, H., Heft 1ff. 1907ff.; Seerechtliche Forschungen, hg. v. Zeller, H., Heft 1 1915; Perels, L. El libro del consulado de mar, Revista juridica de Cataluña 23 (1917); Perels, L., Orden judicial del consulado de mar de Barcelona, Revista juridica de Cataluña 25 (1919); Pappenheim, M., Zur Geschichte des Seefrachtvertrages, ZRG GA 51 (1931), 175; Zeno, R., Documenti per la storia del diritto marittimo, 1936; Wüstendörfer, H., Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1947; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848, 2,2,675; Lau, G., Das hamburgische Seehandelsrecht im 18. Jahrhundert, Diss. jur. Hamburg 1975; Landwehr, G., Die hanseatischen Seerechte, (in) 1667 ars sjölag, hg. v. Institutet för rättshistorik forskning, 1984, 75; Frentz, E., Das hamburgische Admiralitätsgericht (1623-1811), 1985; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Landwehr, G., Das preußische Seerecht vom Jahre 1727, ZNR 8 (1986), 113; Landwehr, G., Die Bedeutung des lübischen Seerechts, (in) Schiffe und Seefahrt, hg. v. Bei der Wieden, 1986, 129; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Krieger, K., Die Anfänge des Seerechts, (in) Untersuchungen zu Handel und Verkehr, Bd. 4 1987, 246; Landwehr, G., Seerecht, HRG Bd. 4 1989; Osten, W., Das schwedische Seerecht, 1992; Ziegler, K., Völker­rechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Decken, J. v. d., Das Seearbeitsrecht im Hamburger Stadtrecht, 1995; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag); Seerecht im Hanseraum des 15. Jahrhunderts, hg. v. Jahnke, C. u. a., 2003; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse, 2003; O’Sullivan, C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005; Schweitzer, J., Schiffer und Schiffsmann in den Rôles d’Oléron, 2006

Seesen

Lit.: Tausend Jahre Seesen, hg. v. d. Stadt Seesen, 1974

Seeversicherung ist die Versicherung von Menschen und Sachen gegen die beim See­transport bestehenden besonderen Gefahren. Sie erscheint erstmals 1319 und ist in Venedig bereits im 15. Jh. von großer tatsächlicher Bedeutung.

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Kiesselbach, A., Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Entwickelung der Seeversicherung in Hamburg, 1901; Hammacher, W., Die Grundzüge des allgemeinen Seeversicherungsrechts, Diss. jur. Bonn 1983; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986

Sefarde (M.) Jude im mittelalterlichen Spanien

seisin (F.) Gewere

Sekundogenitur (F.) Zweitgeburt

Selbständiger ist, wer nicht in einer (beruflichen) Abhängigkeit steht. In der arbeitsteiligen Wirtschaft wird die Zahl der Selbständigen (Unternehmer) immer geringer. Möglicherweise erzwingt die durch hohe Lohn­kosten und Rationalisierungsdruck be­wirkte Arbeitslosigkeit in der Zukunft wieder mehr Selbständigkeit.

Lit.: Köbler, DRG 225, 252

Selbstbestimmung ist die ausschließliche Entscheidung des Betroffenen über sich selbst. Sie entwickelt sich dort, wo übermäßige Fremdbestimmung aufgeklärtes Freiheits­streben erwachen lässt. Das ist seit dem 18. Jh. allgemein und seit dem 19. Jh. im überindividuellen Bereich der Fall.

Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Mett, F., Das Konzept des Selbstbestimmungsrechts der Völker, 2004

Selbsthilfe ist die Durchsetzung oder Sicherung eines Anspruches durch eigenes Handeln. Die S. ist vor der Entwicklung des staatlichen Durchsetzungsmonopoles selbver­ständlich (→ Fehde). Schon im römischen Altertum ist sie eingeschränkt. Seit dem Frühmittelalter wird die S. zurückgedrängt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) hält sie zwar noch für grundsätzlich zulässig, bindet sie aber an enge Voraussetzungen und gewährt ihr nur geringe Möglichkeiten.

Lit.: Kaser § 36 II 5; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 18, 92, 166, 177, 208; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 54, Neudruck 1964; Adler-Rudel, S., Jüdische Selbsthilfe, 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 277, 287

Selbstmord (Selbsttötung) ist die gewaltsame Beendung des eigenen Lebens. Der S. wird von der christlichen Kirche vom 6. Jh. bis in das 20. Jh. als Todsünde dadurch bekämpft, dass (noch 1917) die Beerdigung des Selbstmörders in christlichen Formen ausgeschlossen wird. Zeitweise sprechen sich auch weltliche Juristen und territoriale Bestimmungen für eine Strafbarkeit des Selbstmords aus (Pufendorf, Thomasius, Wolff), doch werden nach ersten liberalen Stimmen in der Renaissance weltliche Rechtsfolgen des Selbstmords unter dem Einfluss der Aufklärung in Preußen 1751 und in Frankreich 1790 von oben her aufgegeben, weil der Selbstmörder als krank angesehen wird. Die Mitwirkung Dritter ist an einzelnen Orten zu einzelnen Zeiten tatsächlich strafbar.

Lit.: Bernstein, O., Die Bestrafung der Selbstmörder, 1907; Masi, G., Il suicidio nel diritto comune, (in) Il diritto ecclesiastico, 63 (1952), 497; Dieselhorst, J., Die Bestrafung der Selbstmörder im Territorium der Reichsstadt Nürnberg, Mitt. d. Vereins f. Gesch. der Stadt Nürnberg 44 (1953), 58; Faberow, N., Bibliography of suicide, 1972; Wacke, A., Der Selbstmord im römischen Recht, ZRG RA 97 (1980), 26; Ehrlich, J., Suicide in the Roman Empire, 1986; Nestmeyer, F., Freitod, 1998; Murray, A., Suicide in the Middle Ages, 1998ff.; Schrage, E., Suicide in Canon Law History, Legal History 21 (1999), 57; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1999; Mischler, G., Von der Freiheit, das Leben zu lassen, 2000; Ahrens, J., Selbstmord, 2001; Baumann, U., Vom Recht auf den eigenen Tod, 2001; Bähr, A., Der Richter im Ich, 2002; Schreiner, J., Jenseits vom Glück. Suizid, Melancholie und Hypochondrie in deutschsprachigen Texten des späten 18. Jahrhunderts, 2003; Hofmann, D., Suizid in der Spätantike, 2007; Pfannkuchen, K., Selbstmord und Sanktionen, 2008

Selbstverwaltung ist die eigenver­antwortliche Wahrnehmung überlassener oder zugewiesener eigener öffentlicher Aufgaben durch unter­staatliche Träger öffentlicher Verwaltung. S. ist selbverständlich. Sie wird zu einer politischen Frage seit der frühen Neuzeit, in welcher der erstarkende absolute Flächenstaat alle Entscheidungen zentralisiert. In Abwehr dieser büro­kratisch-planstaatlichen Entwicklung setzen Aufklärung und Liberalismus seit 1808 in Preußen die kommunale S. durch (Österreich provi­sori­sches Gemeindegesetz 1849, Reichsge­mein­desgesetz 1862, autonomer Wirkungsbe­reich und übertragener staatlicher Wirkungs­be­reich). Dem folgen eine berufsständische S. (Handwerkskammer usw.) und seit 1883 eine sozial­versicherungsrechtliche S. (z. B. Kran­kenversicherung) nach.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197, 258; Gneist, R. v., Geschichte des Selfgovernment in England, 1863; Schelb, W., Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Becker, E., Gemeindliche Selbstverwaltung, 1941; Fischer, W., Unternehmer­schaft, Selbstverwaltung und Staat, 1964; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950, 2. A. 1969; Graf, W., Die Selbstverwaltung der fricktalischen Gemeinden im 18. Jahrhundert, 1967; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Croon, H./Hofmann, W./Unruh, G. v., Kommunale Selbstverwaltung im Zeitalter der Industrialisierung, 1971; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn von Stein, 1979; Hendler, R. Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 430; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Kiel 1985; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Gubitzer, L., Geschichte der Selbstverwaltung, 1989; Treffer, C., Zur Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Der Staat, 1996, 251; Kommunale Selbstverwaltung, hg. v. Birke, A., 1996; Droste, W., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Bonn 1999

Selden, John (Selvington/Sussex 16. 12. 1584-Whitefriars 30. 11. 1654), Bauernsohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Clifford’s Inn (1603) bzw. in Inner Temple (1604) 1612 Rechts­praktiker (barrister), Rechtspolitiker und Rechtswis­senschaftler. Bereits 1606 verfasst er eine Darstellung der angelsächsischen Verwaltung, 1610 eine Übersicht über die englische Rechtsentwicklung bis zu König Heinrich II. 1617 wird er mit (lat.) De Diis Syriis (Über syrische Götter) als Orientalist bekannt und widmet sich in der Folge vielfach dem außereuropäischen, altjüdischen Recht. 1618 (?) antwortet er auf Hugo Grotius’ (lat.) Mare liberum (Freies Meer) mit einem (lat.) Mare (N.) clausum (Geschlossenes Meer), in dessen Ge­folge englische Kriegsschiffe die hol­ländische Heringsfischerei in von England beanspruchten Gewässern von Abgaben abhängig machen. Im Gedenken an S. wird 1887 in England von Frederic Maitland die Selden Society als Gesellschaft zur Pflege der englischen Rechtsgeschichte gegründet.

Lit.: Braun, R., John Selden, Diss. jur. Würzburg, 1943 masch.schr.; Klee, H., Hugo Grotius und John Selden, 1946; Fletcher, E., John Selden, 1969; Berkovitz, D., John Selden’s Formative Years, 1988

Seldschuke ist der Angehörige einer von Seldschuk (um 1000) gegründeten, von 1040 bis 1157 bedeutsamen Herrscherfamilie der → Türken.

Semel heres semper heres (lat.). Einmal Erbe immer Erbe.

Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4

Senat ist im altrömischen Recht die neben König bzw. Konsuln stehende Versammlung der Alten (lat. [M.Pl.] senes) oder Väter (lat. [M.Pl.] patres) der patrizischen Geschlechter­verbände. Diesem S. gehören allmählich alle ehemaligen Amtsträger (z. B. Konsuln, Prätoren) an (anfangs 300 Mitglieder, später 600). Sein Ratschlag, der in wichtigeren Angelegenheiten einzuholen ist, erlangt praktische Gesetzeskraft (lat. [N.] senatusconsultum) , so dass die Leitung Roms in der Republik im Grunde bei dem S. liegt. Seit dem Prinzipat ver­kümmert der die Aufgaben der Volksversammlungen überneh­mende S. zum Stadtrat Roms (bzw. Konstantinopels). In der frühen Neuzeit wird S. zur Bezeichnung des Spruchkörpers eines Obergerichts, eines politischen Kolle­gialorganes (z. B. zweite Kammer, in Bayern [60 Senatoren], nach Volksentscheid zum 1. 1. 2000 aufgehoben, Oberhaus der Aprilver­fassung Österreichs 1848, Vereinigte Staaten von Amerika, Frankreich Italien)) oder eines Leitungsgre­miums einer Hochschule.

Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 15; Dulckeit/­Schwarz/Waldstein § 6; Köbler, DRG 18, 32, 55, 153; Beck, H., Senat und Volk von Konstantinopel, 1966; Talbert, R., The Senate, 1984; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Arccaria, F., Senatus censuit, 1992; Senatus populusque Romanus, hg. v. Vaahtera, J., 1993; Der bayerische Senat, bearb. v. Schmöger, H., 1998; Senatores populi Romani, hg. v. Eck, W. u. a., 2005

Senatusconsultum (lat. [N.]) ist der Senatsbeschluss auf Anfrage eines Magistrats, der im römischen Recht praktisch Gesetzes­kraft erlangt. Er ist meist nach dem Antragsteller benannt.

Lit.: Kaser § 2 II 2a; Söllner §§ 4, 6, 14, 15; Köbler, DRG 18, 31

Senatusconsultum Claudianum (54 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem die Römerin versklavt wird, die gegen den Wil­len des Herrn mit einem Sklaven ge­schlechtlich verkehrt.

Lit.: Kaser § 15 II 3

Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, wo­nach ein gutgläubiger Erbschaftsbesitzer nur herauszu­geben hat, worum er bereichert ist.

Lit.: Kaser § 75 I 3b, 6c; Köbler, DRG 37

Senatusconsultum Macedonianum (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) ist der nach einem Haussohn Macedo benannte römischer Senatsbeschluss, der Gelddarlehen an Haus­söhne verbietet, um zu verhindern, dass ein von Gläubigern bedrängter Haussohn (z. B. Macedo) seinen Vater tötet, um seine Schulden mit dann vom Vater geerbtem Geld zu tilgen.

Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner § 15; Wacke, A., Das Verbot der Darlehensgewährung, ZRG RA 112 (1995), 239

Senatusconsultum Neronianum (54-68 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem ein Legat, das in dem vom Erblasser gewählten Typus unwirksam ist, in einer der anderen Arten von Vermächtnis aufrechter­halten wird, wenn sein Inhalt dies zulässt.

Lit.: Kaser § 76 II 4a

Senatusconsultum Orfitianum (178 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den Kindern ein Erbrecht nach dem Tod der Mutter vor den Agnaten gewährt.

Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38; Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967

Senatusconsultum Tertullianum (117-138 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, welcher der Mutter, die das (lat.) → ius (N.) liberorum (Recht der Kinder) hat, ein Erbrecht am Nachlass eines Kindes hinter den (lat. [M.Pl.]) sui (Seinen), dem Vater und den vatersblütigen Brüdern und gemeinsam mit den vatersblütigen Schwestern vor allen übrigen Agnaten gewährt.

Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38; Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967

Senatusconsultum Trebellianum (56/57 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den fideikommissarischen Nachfolger eines Erben so stellt, dass die dem Erben und gegen den Erben möglichen Klagen dem Nachfolger und gegen den Nachfolger unmittelbar als (lat.) → actiones (F.Pl.) utiles erteilt werden.

Lit.: Kaser § 78 II 2

Senatusconsultum ultimum ist der römische Senatsbeschluss, in dem die Konsuln aufge­fordert werden, bei einem Aufstand zur Wiederherstellung der Ordnung auch außer­or­dentliche Mittel anzuwenden (erstmals 121 v. Chr. angewendet).

Senatusconsultum Vellaeanum (46 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der Frauen verbietet, im Interesse Dritter Verbindlich­keiten (z. B. Bürgschaften) einzugehen.

Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 15; Köbler, DRG 44; Medicus, D., Zur Geschichte des Senatusconsultum Velleianum, 1957; Lehner, O., Senatus consultum Vellei­anum – die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur, ZRG GA 105 (1988), 270

Senckenberg, Heinrich Christian (Frankfurt am Main 1704-Wien 30. 6. 1768), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen, Halle, Leipzig, Gießen und Göttingen 1736 ordentlicher Professor in Göttingen, 1738 in Gießen und 1751 Reichshofrat. Zu seinen rechtsgeschichtlichen Arbeiten zählen wich­tige Quellensammlungen (z. B. Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, 1747ff.).

Lit.: Kriegk, G., Die Brüder Senckenberg, 1869; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978

Send (M.) → Sendgericht

Sendeve (1297) (Sendvermögen) ist eine spätmittelalterliche nördliche → Handels­gesellschaft, bei der Gut, das der Geber einem anderen Kaufmann gegen Vergütung, Gewinnanteil oder sonstige Gegenleistung (mit)gibt, allein auf Gewinn und Gefahr des Gebers reist. Das Sendevegeschäft steht der → Kommission nahe.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrecht, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Han­dels­rechts, 1913; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1951, 83

Sendgericht (zu lat. [M.] synodus) ist das im Frühmittelalter aus dem Bischof als Richter und aus Sendschöffen als Urteilern gebildete kirchliche Gericht für die Rüge und Verhandlung aller unrechten Taten, die nach christlicher Ansicht Sünde sind. Das S. geht seit dem 11. Jh. vom Bischof auf die Pfarrer über. Seit dem 12. Jh. wird es allmählich durch den kirchlichen Einzelrichter eingeschränkt, im 17. Jh. endgültig beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 115; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, 1907; Koeniger, A., Quellen zur Geschichte der Sendgerichte in Deutschland, 1910; Kohl, W., Das Laiensendgericht in der mittelalterlichen Stadt Speyer, 1950; Niederhöfer, K., Die Rezeption des römischen Rechts in der Reichsstadt Speyer, 1949; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kerff, F., Libri paenitentiales, ZRG KA 75 (1989) 23; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Becker, I., Geistliche Parteien und die Rechtsprechung im Bistum Konstanz, 1998; Lauterbach, K., Sendgericht, Missat und Feme im Werk des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, ZRG GA 118 (2001), 185

Seneschall (lat.-afrk. senescalcus) ist im fränkischen Reich der für die Verpflegung zuständige Truchsess (Altknecht). In Frankreich besteht das Amt am Königshof bis 1191.

Lit.: Köbler, DRG 83; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

senex (lat. [M.]) Alter, senes (M.Pl.) Senat

senior (lat. [M.]) Älterer, Herr

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Ehrismann, G., Die Wörter für Herr im Althochdeutschen, Z. f. d. W. 7 (1905), 173

sententia (lat. [F.]) Satz, Urteil

Lit.: Kaser § 84 II

Sententiae (F.) Pauli (lat.) (Urteile des Paulus) sind ein Auszug aus echten Schriften des → Paulus vom Ende des 3. Jh.s.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52

separatio (lat. [F.]) Trennung (z. B. quoad torum et mensam, von Tisch und Bett)

Separatio (F.) bonorum (lat.) ist die Gütertrennung zwischen Nachlass des Erblassers und Vermögen des Erben, die im klassischen römischen Recht zwecks Haf­tungsbeschränkung nur ausnahmsweise erreicht werden kann. → Erbenhaftung

Lit.: Kaser § 74 II, 1, 2; Köbler, DRG 37

Sequester (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Verwahrer (Fremdbesitzer) einer im Rechtsstreit befan­genen Sache. Er hat Interdiktenbesitz. Von ihm kann die siegreiche Partei Herausgabe der Streitsache aus der Sequestration verlangen.

Lit.: Kaser §§ 19 IV 2d, 39 III 3

Serbien ist das von Morava und Vardar entwässerte südwesteuropäische Gebiet, in das seit dem 5./6. oder 7. Jh. → Slawen einwandern. Um 1180 wird es von Ostrom bzw. Byzanz unabhängig und 1217 unter päpstlicher Krönung Stefans des Erstge­krönten Königreich, in dem Stephan Dušan 1349 ein wichtiges Gesetz schafft. Nach der Schlacht auf dem Amselfeld (1389) wird es von den Osmanen (Türken) abhängig und 1459 Teil des osmanischen Reiches. 1838 wird S. autonom, 1878 durch den Berliner Kongress unabhängig. 1918 wird es Teil → Jugoslawiens, von dem sich 1991 selbständige Einheiten ablösen. Sein Recht ist demnach nacheinander römisch, slawisch, türkisch, sozialistisch und westlich geprägt. Das Leben der im 19. Jh. in die Vojvodina nordwestlich Belgrads eingewan­derten Deutschen (Donauschwaben, 1921 330000) endet 1944/1945 mit Flucht, Enteig­nung, Vertreibung und Mord (um 2009 rund 3000).

Lit.: Temperley, H., History of Serbia, 1917, Neudruck 1970; Dolenc, M., Dušanov zakonik (Das Gesetzbuch Dušans), 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Cirkovic, S., I serbi, 1992; Calic, M., Sozialgeschichte Serbiens, 1994; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Tomić, Y., La Serbie du prince, 2003; Sundhaussen, H., Geschichte Serbiens 19.-21. Jahrhundert, 2007

Sergeevic, Vasilij Ivanovic (1832-1910) wird nach dem Rechtsstudium 1871 Professor in Moskau und 1872 in Sankt Petersburg. Mit Aufgaben und Methoden der Staatswissen­schaften begründet er 1871 ausgehend von der historischen Schule und vom deutschen Positivismus das russische Staatsrecht. Von 1883 an legt er rechtsvergleichend geprägte Forschungen zur Geschichte des russischen Rechts und russische Rechtsaltertümer (1890ff.) vor.

Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961

servitium (lat. [N.]) Dienst, Leistung

Lit.: Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Taxae pro communibus servitiis, hg. v. Hoberg, H., 1949; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Metz, W., Das servitium regis, 1978; Göldel, C., Servitium regis, 1997

Servitus (lat. [F.]) ist schon im altrömischen Recht die → Dienstbarkeit (lat. [N.] iter [Pfad], [M.] actus [Trift], [F.] via [Weg], [M.] aquaeductus [Wasserleitung]). Sie betrifft zunächst das Feld, dann auch das Gebäude. Ein Personalservitut ist der → Nießbrauch. Als s. iuris Germanici (deutschrechtliche Dienstbar­keit) versteht die frühe Neuzeit die ein Tun beinhaltende Dienstbarkeit.

Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 1, 22 II, 28; Köbler, DRG 26, 41, 61; Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Lee, J., Die servitus, Diss. jur. Bonn 1998

Servitut → servitus, → Dienstbarkeit

Lit.: Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956

Servius Sulpicius Rufus (um 106-43 v. Chr.) ist der römische, 51 v. Chr. das Konsulat bekleidender Rechtskundiger. Ihm werden 180 (lat. [M.Pl.]) libri (Bücher) zugeschrieben. Unter ihnen befindet sich der erste Kommentar zum prätorischen Edikt. Möglicherweise begründet er eine eigene klassisch-institutionelle Richtung der römi­schen Jurisprudenz.

Lit.: Söllner §§ 11, 15; Vernay, E., Servius et son école, 1909; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 602

Servus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der → Sklave. Er ist aus dem (römischen) Recht ausgeschlossen. S. wird man durch Geburt, Kriegsgefangenschaft und Veräußerung ins Ausland. Der s. untersteht der Hausgewalt seines Herrn und wird im klassischen römischen Recht meist wie eine Sache (res) behandelt. Sein Herr kann ihm aber ein Sondergut (lat. [N.] → peculium) einräumen, mit dem er zwar nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich wirtschaften kann. Frei wird der s. durch Freilassung. In den lateinischen Quellen des Frühmittelalters ist s. der → Unfreie.

Lit.: Kaser § 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21, 35; Köbler, LAW; Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Verhulst, A., 1985

sessio (lat. [F.]) Sitzung, Sitzen, Besitzergreifung

Setzung → Rechtssetzung, Gesetz

Seuche ist die eine größere Zahl von Menschen erfassende übertragbare Krankheit. Gegen die S. richten sich schon im Frühmittelalter einzelne Rechtsvorschriften. Seit der frühen Neuzeit ergehen umfassende Seuchenordnungen bzw. Seuchengesetze.

Lit.: Hecker, J., Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters, 1865; Deichert, H., Geschichte des Me­dizinalwesens, 1908; Lesky, E., Österreichisches Gesundheitswesen, 1959; Fischer, A., Geschichte des deutschen Gesundheitswesens, Bd. 1f. 1933, Neudruck 1965; Winkle, S., Geißeln der Menschheit, 1997

Sevilla am Guadalquivir wird als iberisches Hispalis 45 v. Chr. von Caesar zur (lat. [F.]) colonia erhoben (Colonia Iulia Romula). Über Vandalen, Sweben und Westgoten kommt es 712 an die Araber. 1248 wird es vom König von Kastilien und Leon erobert. 1502 erhält es eine Universität.

Lit.: Ladera Quesada, M., Historia de Sevilla, 1988

Sexualdelikt → Sittlichkeitsverbrechen

Lit.: Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Beck, B., Wehrmacht und sexuelle Gewalt, 2004; Lehmann, P., La répression des délits sexuels dans les Etats savoyards, 2006

Sexualität (F.) Geschlechtlichkeit

Lit.: Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984; Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Breit, S., Leichtfertigkeit und ländliche Gesellschaft, 1991; Maiwald, S./Mischler, G., Sexualität unter dem Hakenkreuz, 1999; Lutterbach, H., Sexualität im Mittelalter, 1997; Burghartz, S., Zeiten der Reinheit – Orte der Unzucht, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse. Moralstrafrecht und administrative Kontrolle der Sexualität im ausgehenden Ancien Régime, 1999; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Karras, R., Sexualität im Mittelalter, 2006; Clarke, J., Ars Erotica. Sexualität und ihre Bilder im antiken Rom, 2009; Podlech, A., Sex, Erotik, Liebe, 2007

Seyler Raphael

Lit.: Roth, W., Raphael Seyler (1535-1573), ZRG GA 21 (1900), 218

Sheffield wird im → Domesday Book (1086) erstmals erwähnt. 1297 erhält es Stadtrecht. 1905 wird eine Universität eingerichtet.

Lit.: Hunter, J., Hallamshire, 1869

sheriff (M.) (um 1000) königlicher Verwalter, Graf

Lit.: Morris, W., The Medieval English sheriff, 1927; Gorski, R., The Fourteenth-Century Sheriff, 2003

Sichard, Johannes (Tauberbischofsheim 1499-Tübingen 1552), Gastwirtssohn, wird nach dem Studium der freien Künste in Ingolstadt Lehrer in München und 1521 in Freiburg im Breisgau sowie 1524 ordentlicher Professor des Rechts in Basel. Er veröffentlicht 24 Bände mit 113 meist unbekannten teilweise auch juristischen Texten (z. B. 1528 → Lex Romana Visigo­thorum, 1530 → Lex Alamannorum, → Lex Baiuvariorum und → Lex Francorum). Nach ei­ner fünfjährigen Unterbrechung wird er 1535 Professor in Tübingen, wo er das italienische gelehrte Recht in praktischer Anwendung weitergibt.

Lit.: Köbler, DRG 143; Kisch, G., Johannes Sichardus, 1952; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974

Sicherheit ist Freiheit von Gefährdungen. Die S. ist in der frühen Neuzeit Aufgabe der → Polizei. 1882 beschränkt das sog. → Kreuz­bergurteil des preußischen Oberverwal­tungsgerichts die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung. Im National­sozialismus wird die S. teilweise missbraucht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 831; Göring, H., Die Rechtssicherheit als Grundlage der Volksgemeinschaft, 1935; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Metz, K., Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988; Repräsentation von Krimi­nalität und öffentlicher Sicherheit, hg. v. Härter, K. u. a. 2009

Sicherheitsleistung (lat. [F.] cautio) ist die in bestimmten Fällen zur Sicherung eines bestimmten Verhaltens zu erbringende Leistung. Die S. steht in einem gewissen Zusammenhang mit privatrechtlichen Siche­rungen (z. B. Pfand, Einlager, Geisel, Arrest, Schuldhaft). Als allgemeinere Rechts­einrichtung entwickelt sie die frühe Neuzeit.

Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Sicherungsverwahrung → Maßregeln der Sicherung und Besserung

Lit.: Schewe, J., Die Geschichte der Sicherungs­verwahrung, Diss. jur. Kiel 1999

Sicherungsübereignung ist die zur Sicherung des Erwerbers vorgenommene Übertragung des Eigentums an einer beweg­lichen Sache an diesen. Sie ist bereits dem altrömischen Recht als (lat. [F.]) fiducia bekannt, wobei die Sache nach Erreichung des Sicherungszweckes zurückzuübereignen ist. Im 19. Jh. wird die S. nicht in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, aber auch zwecks Ermög­lichung der Befriedigung der Kredit­bedürfnisse der kleinen Leute bewusst nicht aus­ge­schlossen. Sie setzt sich bei wert­volleren Sachen im 20. Jh. gegenüber dem Faustpfand weitgehend durch, weil sie den Besitz beim Schuldner belässt, so dass dieser die Sache trotz S. nutzen kann. In Österreich ist die Bedeutung gering, weil der oberste Gerichtshof seit 1918 für die Bestellung dieselbe Publizität fordert wie für die Pfandrechtsbestellung.

Lit.: Kaser § 31 I 2; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 41, 213, 240, 269; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Richter secundum, praeter oder contra legem?, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 383; Drexler, M., Die Anerkennung der Sicherungs­übereignung im 19. Jahrhundert und ihr Einfluss auf aktuelle Probleme, Diss. jur. Düsseldorf, 2002

Siebenbürgen im Karpatenbogen kommt über Römer, Ostgoten und Petschenegen im 9. Jh. an die → Ungarn. Im 12. Jh. ruft der ungarische König deutsche Siedler (→ Sachsen) ins Land, die mit umfassenden Freiheiten ausgestattet werden (erste Erwähnung der selbständigen Propstei der deutschen Siedler in Hermannstadt 1191). Seit 1481 gilt die 1453 in Nürnberg oder Wien entstandene, von dem Richter Thomas Altenberger in Hermannstadt eingeführte Handschrift des Schwaben­spie­gels, Magde­bur­­ger und Iglauer Rechts als bedeutendste Rechtsquelle der sächsischen Gemeinschaft aus S. Nach 1517 dringt die Reformation ein. Seit 1526 ist der Fürst von S. zwischen Habsburg und den Türken nahezu unabhängig. 1583 gewährt er ein bis 1867 gültiges Landrecht. 1691 kommt S. an → Habsburg (1765 Großfürstentum, 1848 Kronland). 1867 wird S. an Ungarn ange­gliedert. Am 8. 1. 1919 schließt es sich → Rumänien an. Unter der Herrschaft des Sozialismus in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird das siebenbürgische Deutschtum weitgehend beseitigt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Herrmann, G. v., Das alte Kronstadt, 1802, Neudruck 2009; Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, hg. v. Zimmermann, F. u. a., 1892ff., Neudruck 2007; Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Müller, G., Siebenbürgens Stühle, Distrikte und Komitate vor dem Jahre 1848, 1914, Neuauflage 1922; Müller, G., Die Türkenherrschaft in Siebenbürgen, 1922; Müller, G., Die sächsische Nationsuniversität in Siebenbürgen, 1928; Müller, G., Die Gräven des Siebenbürgener Sachsenlandes, Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 6 (1931); Meyer, G., Ist das Andreanum vom Jahre 1224 eine Fälschung? 1935; Müller, G., Stühle und Distrikte als Unterteilungen der siebenbürgisch-deutschen Nationsuniversität 1141-1876, 1941; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Quellen zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen 1191-1975, gesammelt v. Wagner, E., 1976; Philippi, M., Die Bürger von Kronstadt, 1986; Horedt, K., Das frühmittelalterliche Siebenbürgen, 1988; Codicele Altenberger, hg. v. Constantinescu, R., 1988; Köpeczi, B., Kurze Geschichte Siebenbürgens, 1990; Gündisch, K., Das Patriziat siebenbürgischer Städte im Mittelalter, 1993; Arens, M., Habsburg und Siebenbürgen 1600-1605, 2001; Roth, H., Kleine Geschichte Siebenbürgens, 2. A. 2003, 3. A. 2007; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Volkmer, G., Die siebenbürgische Frage, 2004; Roth, H., Hermannstadt, 2006; Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch, Bd. 9 2006; Moldt, D., Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008

Siebenhardenbeliebung ist die von 1426 stammende nordfriesische Rechtsquelle, die 1572 durch das von Herzog Johann erlassene Nordstrander Landrecht die formelle Geltung verloren hat.

Lit.: Pappenheim, M., Die Siebenhardenbeliebung, 1926; Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368; Hartz, O., Die Rechtssätze der Siebenharden­beliebung von 1426, ZRG GA 60 (1940), 300; Carstens, W., Die Siebenhardenbeliebung, ZRG GA 62 (1942), 358; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 141

Siedlung ist die menschliche Niederlassung von gewissem Umfang und gewisser Dauer. Sie beginnt mit der Desshaftwerdung des Menschen (Weiler, Dorf, Stadt). Bis zum Ende des 2. Jt. n. Chr. erreichen Siedlungen eine Einwohnerzahl von bis zu 20 Millionen Bewohner.

Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952; Fischer, H., Die Sied­lungsverlegung, 1952; Timm, A., Studien zur Sied­lungs- und Agrargeschichte Mitteldeutschlands, 1956

Siegel ist ein eine Person verkörperndes, durch Abdruck in einem weicheren Stoff wirkendes Zeichen zur Kennzeichnung eines Schriftstückes. Das S. ist seit den ersten Hochkulturen bekannt. Bereits im 8. Jh. v. Chr. wird es als Stempel verwendet. Seit dem Frühmittelalter wird in der → Königsurkunde, mit der vor allem Einzelrechte verliehen werden, die Unterschrift durch das S. ersetzt und werden Zeugen aufgenommen. Im zweiten Viertel des 12. Jh.s erscheint in Schwaben auch die Siegelurkunde anderer Aussteller. Seit Ende des 12. Jh.s wird auch bei Privaturkunden das S. (siegelfähiger Personen) üblich. Die älteste Form ist der schon im Altertum nachweisbare Siegelring.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105; Posse, O., Die Siegel des Adels der Wettiner Lande, 1908ff.; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Siegel der Markgrafen von Brandenburg aus dem Hause Wittelsbach 1323-1373, bearb. v. Bier, H., 1933; Goerlitz, T., Die Magdeburger Schöffensiegel, ZRG GA 63 (1943), 327; Blaschke, K., Siegel und Wappen in Sachsen, 1960; Frenz, T., Papsturkunden, 1986; Dalas, M., Corpus des sceaux, Bd. 2 1991; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben, 1997; Steiner, R., Die Entwicklung der bayerischen Bischofssiegel, 1998; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999; Stieldorf, A., Siegelkunde, 2004; Hattenhauer, H., Sigillum fa­cultatis juridicae, 2005; Siegel und Siegler, hg. v. Ludwig, C., 2005; Das Siegel, hg. v. Signori, G., 2007

Siegel, Heinrich (Ladenburg/Baden 13. 4. 1830-Wien 4. 6. 1899), Generalstabsarzts­sohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Bonn und Gießen sowie der Promotion (1852) und Habilitation (1853) in Gießen 1858 Professor in Wien. Er begründet die Sammlung österreichischer Weistümer und erkennt das einseitige Versprechen als Verpflichtungs­grund. Monographien behan­deln Erbrecht und Gerichtsverfahren.

Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Heinrich Siegel, ZRG GA 20 (1899), VII; Wretschko, A. v., Heinrich Siegel, 1900; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978

Siegerland

Lit.: Petri, F. u. a., Das Siegerland, 1955

Sielrecht (Schleusenrecht)

Lit.: Michaelis, F., De iure cataractarum, 1696; Logemann, C., Die geschichtliche Entwicklung des bsonderen Sielrechts in Oldenburg, 1959

Siena

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007; Denley, P., Commune and Studio in Late medieval and Renaissance Siena, 2006

Siete Partidas (Sieben Teile) ist der 1256-1265 in Spanien entstandene Rechtstext. Die S. P. werden unter König Alfons X. von Kas­tilien-Leon erarbeitet und nach mehrfachen Veränderungen (1265, 1290-1295, um 1300) 1348 unter König Alfons XI. als (span.) Libro (M.) del fuero de las leyes (Buch des Rechts der Gesetze) mit subsidiärer Geltung in Kraft gesetzt. Sie gliedern sich in sieben Teile (Rechtsquellen und Kirchenrecht, politisches Recht bzw. Verwaltungsrecht und Kriegs­recht, Gerichtsverfassung bzw. Verfah­rensrecht und Königsrecht, Familienrecht und Lehnsrecht, Schuldrecht, Erbrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht). Quellen sind das (lat.) → ius (N.) commune (gemeine Recht), die Glosse des Accursius, Summen des Azo und des Odofredus, das Decretum Gratians, der Liber extra, Summen des Hostiensis, Tancredus und des Raymundus de Penyafort, das Speculum des Durantis, die libri feu­dorum, der kastilische Fuero juzgo, die → Rôles d’Oleron, Magister Jacobos Doctrinal de las leyes, Bibel, Kirchenväter, Aristoteles, Seneca, Boethius und Texte orientalischer Tradition. Der Name S. P. wird im 16. Jh. üblich.

Lit.: Las siete partidas, hg. v. d. Königlichen Akademie der Geschichte, Bd. 1ff. 1807, Neudruck 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff; Craddock, J., The Legislative Works of Alfonso el Sabio, 1986; Scheppach, M., Las Siete Partidas, 1991

Signet → Notarsignet

Signoria (F.) autokratische Herrschaftsform in Italien im Spätmittelalter

Lit.: Mallet, M., Signori e mercenari, 1983

Silent leges inter armas (lat.). Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43 v. Chr., Rede für Milo §11)

Silleiner Rechtsbuch ist das auf magdeburgisch-schlesische Quellen (Sachsen­spiegel, sächsisches Weichbildrecht u. a.) zurückgehende, 1378 von Nikolaus de Laconia (Lukove/Kreis Altsohl) in einem deutsch­sprachigen Teil geschaffene, 1473 im landrechtlichen Teil in das sich durchsetzende (Alttschechische bzw.) Altslowakische über­setzte, bedeutendste Rechtsbuch der Slowakei (für die einst zu Ungarn gehörige Stadt Sillein).

Lit.: Rauscher, R., Das Silleiner Rechtsbuch aus dem Jahre 1378, 1933 (z. T. tschechisch bzw. slowakisch); Piirainen, I., Das Stadtrechtsbuch von Sillein, 1972; Papsonová, M., Das Magdeburger Recht und das Silleiner Rechtsbuch, 2003

Silvesterpatente sind die beiden Urkunden vom 31. 12. 1851, mit denen der Kaiser von → Öster­reich die von ihm am 4. 3. 1849 gewährte → Verfassung als unangemessen und unausführbar aufhebt und das Grund­rechtspatent des Jahres 1849 beseitigt und damit Österreich zum → Neoabsolutismus führt (u. a. durch ein Kabinettschreiben auch Geschworenengerichte abgeschafft, Trennung von Verwaltung und Justiz aufgegeben).

Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher

Simonie ist nach Apostelgeschichte 8,18 der von Simon Magus abgeleitete Handel mit geistlichen Sachen. Die S. breitet sich in der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. aus. In der Mitte des 11. Jh.s wird sie von der kirchlichen Reformbewegung entschieden bekämpft. → Investiturstreit

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Drehmann, J., Papst Leo IX. und die Simonie, 1908; Meier-Welcker, H., Die Simonie im frühen Mittelalter, ZKG 64 (1952/3), 61; Weitzel, J., Begriff und Erscheinungsformen der Simonie, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Lynch, H., Simoniacal Entry, 1976; Münsch, O., Ein Streitschriftenfragment zur Simonie, DA 62 (2006), 619

Simson, Eduard (Königsberg/Preußen 10. 10. 1810-1899), Kaufmannssohn, 1823 evan­gelisch, wird nach dem Rechtsstudium in Königsberg 1828 mit (lat.) venia (F.) legendi (Lehrbefugnis) promoviert, 1833 zum außerordentlichen Professor und 1836 zum ordentlichen Professor ernannt. Seit 1834 wirkt er auch als Richter (zunächst am Tribunalsgericht in Königsberg), seit 1848 als liberaler Rechtspolitiker (Präsident der Nationalversammlung, Präsident des Erfurter Unionsreichstags, Präsident des Zollparla­ments, Präsident des Reichstags). 1879 wird er als bisheriger Präsident des Appellations­gerichts in Frankfurt an der Oder (bis 1891) Präsident des → Reichsgerichts. Seine jü­dische Herkunft beeinträchtigt sein beruf­liches und politisches Wirken nicht erkennbar. Seine Einordnung in eine wissenschaftliche Strömung ist mangels Pu­blikationstätigkeit schwierig.

Lit.: Simson, B. v., Eduard von Simson, 1900; Meinhardt, G., Eduard von Simson, 1981; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 101; Eduard von Simson, hg. v. Kern, B. u. a., 2001

Simultaneum (N.) Gleichzeitigkeit (der katholischen und protestantischen Konfes­sion)

Lit.: Schäfer, C., Das Simultaneum, 1995

Singularsukzession (F.) Einzelnachfolge

Lit.: Kuntze, J., Die Obligation und die Singular­succes­sion, 1856

Sinti (oder Roma) ist die Bezeichnung für die früher als → Zigeuner benannten Angehöri­gen einer Volksgruppe.

Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003

Sinzheimer, Hugo Daniel (Worms 12. 4. 1875-Overveen/Holland 16. 9. 1945), Klei­der­fabrikantensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Freiburg im Breisgau, Berlin und Marburg 1903 Rechts­anwalt. 1916 tritt er der sozialdemokratischen Partei bei. 1920 wird er Honorarprofessor in Frankfurt am Main. 1921 verfasst er Grundzüge des Arbeitsrechts. 1937 wird er ausgebürgert.

Lit.: Köbler, DRG 215; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953; Knorre, S., Soziale Selbstbestimmung, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 615; Kubo, K., Hugo Sinzheimer, 1995; Brühwiler, J. Philipp Lotmar und Hugo Sinzheimer, (in) Forschungsband Philipp Lotmar, hg. v. Caroni, P., 2003, 117; Blanke, S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie?, 2005

Sippe ist im älteren deutschen Recht der um einen Stammvater bestehende Familienver­band. Die rechtliche Stellung der S. im Früh­mittelalter ist streitig. Es ist fraglich, ob der S. jemals besondere öffentlich-rechtliche Aufgaben zukommen.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 71, 72; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG 2 (1882), 1; Phillpotts, B., Kindred and Clan, 1913; Lappe, J., Die Sippen Koerdt und Linnhoff, 1938; Genzmer, F., Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, ZRG GA 67 (1950), 34; Haff, K., Der umstrittene Sippebegriff und die Siedlungsprobleme, ZRG GA 70 (1953), 30; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1 (Antrittsvorlesung); Steuer, H., Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa ,1972; Wiebrock, L., Die Sippe bei den Germanen, Diss. jur. Marburg 1979; Murray, A., Germanic Kinship Structures, 1983; Goody, D., Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002

Sippenhaft ist die Anwendung von Maßnah­men gegenüber Angehörigen oder sonstigen Nahepersonen eines Bekämpften oder Verfolgten. Die im Nationalsozialismus gefor­derte und verwendete S. ist im Rechtsstaat unzulässig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002; Maihold, H., Die Sippenhaft, Mediaevistik 18 (2005)

Sitte ist der in der Gesellschaft geübte Brauch. Zwischen S. und Recht bestehen stets Wechselwirkungen. Insbesondere kann S. zu Recht werden.

Lit.: Kaser §§ 3 I 2, 23 I 1, 58 I, II, 1, 60 I 2; Hübner; Köbler, DRG; Hildebrand, R., Recht und Sitte auf den verschiedenen wirtschaftlichen Kulturstufen, 1896; Hävernick, W., „Schläge“ als Strafe, 1970; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863

Sitten (Diözese)

Lit.: Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges Heil, 1992

Sittenwidrigkeit ist der Verstoß eines Verhaltens gegen die guten Sitten (lat. boni mores [M.Pl.]). Im römischen Recht werden gegen das gute Herkommen der Vorfahren verstoßende Geschäfte von den Rechtskundigeen und den Kaisern unter­drückt. Dies wird verrechtlicht in der frühen Neuzeit wieder aufgegriffen.

Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 9 II 2, 10 I 1e, 34 I 2b; Hübner; Köbler, DRG 164; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit, 1973; Wanner, J., Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte, 1996; Karow, O., Die Sittenwidrigkeit von Verfügungen von Todes wegen, 1997; Falk, U., Zur Sittenwidrigkeit von Testamenten, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 451; Herzog, A., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus den Jahren 1948-1965, 2001; Ruff, H., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der späten Kaiserzeit, 2007

Sittlichkeitsverbrechen (Sexualdelikt) ist die Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Nach Tacitus werden bei den Germanen bestimmte Sittlichkeitsverbrechen mit dem Versenken im Moor verfolgt. Im Mittelalter wendet sich vor allem die Kirche gegen das S. Besondere Fälle sind Ehebruch, Inzest, Vergewaltigung, Prostitution, Zuhälterei und Homosexualität. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird im Gefolge der Aufklärung die Verfolgung der S. durch liberale Vorstel­lungen teilweise zurückgedrängt (z. B. Homosexualität, anders Kinderpornographie).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Sittlichkeitsverbrechen, 6. A. 1911, 1925, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, Neudruck 1964; Schroeder, F., Reform des Sexualstrafrechts, 1971; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Hommen, T., Sittlichkeitsverbrechen, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Kraus, K., Sittlichkeit und Kriminalität, neu hg. 2004; Günther, B., Die Behandlung der Sittlichkeitsdelikte in den Policeyordnungen, 2004

Sizilien ist die Insel am Fuß Italiens. S. wird zuerst von Griechen beeinflusst, dann aber 228/227 von den Römern erobert. In der Völkerwanderungszeit kämpfen Germanen und Byzanz um die Vorherrschaft. Seit 827 dringen Araber ein, seit 1061 Normannen. 1130 wird S. Teil eines besonderen von Gegenpapst Anaklet II. geschützten, 1139 → Neapel einnehmenden unteritalienischen Königreichs der Normannen. Dieses gelangt über die Heirat Heinrichs VI. mit der Erbtochter Konstanze 1186 an das → deutsche Reich (Friedrich II.), 1266/1268 aber durch den Papst an → Anjou und nach der sizilianischen Vesper (1282) unter Abtrennung von Neapel über eine staufische Erbtochter an Aragon (Spanien). 1713/1714 kommt S. von Spanien an Piemont, 1735 Neapel-S. an die Bourbonen, 1860 an Sardinien-Piemont und damit 1861 an das neue Königreich → Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Constitutiones regni Siciliae, 1475, Neudruck 1973; Gregorio, R., Introduzione allo studio del diritto pubblico siciliano, 1794, Neudruck 1971; Giuffrida, V., La genesi delle consuetudine giuridiche delle città di Sicilia, 1901; Niese, H., Die Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hofmann, M., Die Stellung des Königs von Sizilien nach den Assisen von Ariano (1140), 1915; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Sthamer, E., Original und Register in der sizilischen Verwaltung, 1929 (SB Berlin); Sthamer, E., Studien über die sizilischen Register, 1930 (SB Berlin); Heupel, W., Der sizilische Großhof unter Kaiser Friedrich II., 1940; Colliva, P., Ricerche sul principio di legalità nell’amministrazione del regno di Sicilia, 1964; Caravale, M., Il regno normanno di Sicilia, 1966; Finley, M./Mack Smith, D., A history of Sicily, 1968; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1969; Malinowska-Kwiatkowska, I., Prawo prywatne w ustawodawstwie Królestwa Sycylii 1140-1231 (Das Privatrecht in der Gesetzgebung des Königreichs Sizilien 1140-1231), 1973; Die Kon­stitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Gallas, K., Sizilien, 7. A. 1984; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218; Tancredi et Willelmi III. regum diplomata, hg. v. Zielinski, H., 1982; Constantiae imperatricis et reginae Siciliae diplomata (1195-1198), hg. v. Kölzer, T., 1983 (57 Stücke, 7 Fälschungen, 73 Deperdita); Rogerii II. regis (1107-1151) diplomata latina, hg. v. Brühl, C., 1987 (100 Urkunden, 91 Deperdita); Pispisa, E., Regnum Siciliae, 1988; Takayama, H., The Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Baaken, G., Das sizilische Königtum Kaiser Heinrichs VI., ZRG GA 112 (1995), 202; Baaken, G., Ius imperii ad regnum, 1993; Rill, B., Sizilien im Mittelalter, 1995; Backman, R., The Decline and Fall of Medieval Sicily, 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Finley, M. u. a., Geschichte Siziliens, 1998; Mirto, C., Il regno dell’isola di Sicilia e delle isole adiacenti, 2000; Pasciuta, B., In Regia Curia civiliter convenire, 2003; Friedl, C., Studien zur Beamtenschaft Kaiser Friedrichs II. im Königreich Sizilien (1220-1250), 2005; Kunz, H., Sicilia, 2006; Zambon, E., Tradition and Inno­vation, 2008

Skandinavien ist die zusammenfassende Be­zeichnung für die → Norwegen und → Schweden bildende Halbinsel, zu der im weiteren Sinn auch → Dänemark und → Finnland gezählt werden.

Lit.: Tunberg, S., Studier rörande Skandinaviens äldsta politiska indelning, 1911, Dethlefsen, O., Die nor­dische Einheitsbewegung, 1941; Vehse, O., Nordische Staatengründer, 1943; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61, 2,2,501, 4,4,21; Scandinavian biographical archive, 1989; Sawyer, B./Sawyer, P., Medieval Scandinavia, 1993; Zernack, J., Bibliographie der deutschsprachigen Sagaübersetzungen, 1997; See, K. v., Europa und der Norden im Mittelalter, 1999; Kaufhold, M., Europas Norden im Mittelalter, 2001; Waßenhoven, D., Skandinavier unterwegs in Europa (1000-1250), 2006 (572 und 307?); Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 984; Giese, S., Studenten aus Mitternacht, 2008

Skanske Lov → nordisches Recht, Schonen

Sklave ist der einem Menschen (oder auch einem Personenverband z. B. Stadt) vollständig gehörende andere Mensch. S. wird man hauptsächlich durch Unterwerfung und Geburt. Der (dem  [lat.] ius gentium zuge­rechnete, in seiner Legitmität nie angezweifelte) römische S. ist → servus. Es ist streitig, ob der Unfreie des Mittelalters und der Neuzeit als S. bezeichnet werden darf, doch könnten aus dem frühmittelalterlichen Europa als wichtigstes Ausfuhrgut Menschen in den islamischen Herrschaftsbereich verbracht worden sein(, jedenfalls soll es zwischen 1530 und 1780 mehr als eine Million europäischer Sklaven in Nordafrika gegeben haben). Sehr ähnliche Verhältnisse wie im Altertum treten erst wieder in den neuzeitlichen Kolonien (z. B. Amerika, wohin schätzungsweise 40000 Sklavenschiffs­transporte mit möglicherweise 12,5 Millionen Sklaven aus Afrika erfolgen, davon 10,7 Millionen überlebend) auf. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) schließt Sklaverei in § 16 ABGB aus. 1834 wird die Sklaverei im britischen Empire aufgehoben. 1839 wendet sich die katholische Kirche gegen die Sklaverei. Nach einem Gesetz vom 9. 3. 1857 werden Sklaven, sobald sie Preußen betreten, frei. 1865 schafft das 13. Amendment der Verfassung die Sklaverei in den Vereinigten Staaten von Amerika ab.

Lit.: Kaser §§ 15, 33, 49, 50, 82; Söllner §§ 4, 8, 9, 10, 12, 14, 15, 18, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 16, 17, 21, 28, 35, 51, 57, 78; Verlinden, C., L’Esclavage, 1955; Rothenhöfer, D., Untersuchungen zur Sklaverei, Diss. phil. Tübingen 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978; Erler, A., Ältere Ansätze zur Überwindung der Sklaverei, 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Rudt de Collenberg, W., Esclavage et rançons des chrétiens en méditerranée (1570-1600), 1987; Karras, R., Slavery and Society, 1988; Bonnassie, P., From Slavery to Feudalism, 1991; Sklaven und Freigelassene, hg. v. Eck, W. u. a., 1993; Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Haenger, P., Sklaverei und Sklavenemanzipation an der Goldküste, 1997; Klees, H., Sklavenleben im klassischen Griechenland, 1998; Corpus der römischen Rechts­quellen zur Sklaverei, hg. v. Rainer, M. u. a., Teil 1 1999; Klein, H., The Atlantic Slave Trade, 1999; Eltis, D./Behrendt, D./Richardson, D. u. a., The Transatlantic Slave Trade, 1999; Voigt, J., Die Abschaffung des transatlantischen europäischen Sklavenhandels im Völkerrecht, 2000; Deißler, J., Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, 2000; Schumacher, L., Sklaverei in der Antike, 2001; Bibliographie zur antiken Sklaverei, hg. v. Bellen, H. u. a., neu bearb. v. Schäfer, D., 2003; Hammer, C., A Large-Scale Slave Society of the Early Middle Ages, 2002; Weiler, I., Die Beendigung des Sklavenstatus im Altertum, 2003; Weiß, A., Sklave der Stadt, 2004; Delacampagne, C., Die Geschichte der Sklaverei, 2004; Christian Slaves, Muslim Masters, 2004; Hochschild, A., Bury the chains, 2005; Hall, G., Slavery and African Ethnicities in the Americas, 2005; Esclavage antique et discriminations socio-culturelles, hg. v. Anastasiadis, C. u. a., 2005; Knoch, S., Sklavenfürsorge im römischen Reich, 2006; Sklaverei und Freilassung im römischen Recht, hg. v. Finkenauer, T., 2006; Smith, S., Slavery, Family and Gentry Capitalism in the British Atlantic, 2006; Menschenraub, Menschenhandel und Sklaverei in antiker und moderner Perspektive, hg. v. Heinen, H., 2008; Franke, B., Sklaverei und Unfreiheit im Naturrecht des 17. Jahrhunderts, 2009; Herrmann-Otto, E., Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt, 2009

Skonto

Lit.: Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungs­ver­rech­nung, 1928

Skythe ist der Angehörige eines iranischen, im Altertum nach Westen vordringenden Steppenvolkes.

Lit.: Rolle, R., Die Welt der Skythen, 1980; Parzinger, H., Die Skythen, 2004

Slawe (1. H. 6. Jh.) ist der Angehörige eines slawisch sprechenden Volkes (z. B. Russe, Ukrainer, Pole, Tscheche, Slowake, Slowene, Serbe, Kroate, Bulgare). Die zur indogermanischen Völkergruppe zählenden Slawen erscheinen in der Völkerwanderung und besiedeln von den Germanen freigegebene Gebiete in Ostmitteleuropa. Sie werden überwiegend von → Byzanz (Kyrill, Methodos) aus christianisiert. Sie bilden verschiedene Reiche (→ Polen, → Russland usw.). Ein Panslawismus wird im 19. Jh. sichtbar. Er führt 1918 zur Lösung kleinerer Staaten von → Österreich (→ Tschecho­slowakei, → Jugoslawien). Ein gemein­slawisches Recht ist nicht bekannt. Erst im 20. Jh. entwickelt sich unter dem Druck der Sowjetunion eine gewisse Einheitlichkeit sozialistischen Rechts.

Lit.: Köbler, DRG 76, 93; Kroeschell, DRG 1; Helmolds Slawenchronik, 3. A. bearb. v. Schmeidler, B., 1937; Kahl, H., Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des 12. Jahrhunderts, 1964; Zernack, K., Die burgstädtischen Volksver­sammlungen bei den Ost- und Westslawen, 1967; Ludat, H., Deutsch-slawische Frühzeit, 1969; Ludat, H., An Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971; Ernst, R., Die Nordwestslawen und das fränkische Reich, 1976; Ludat, H., Slaven und Deutsche im Mittelalter, 1982; Herrmann, J., Slawen, 2. A. 1985; Welt der Slawen, hg. v. Herrmann, J., 1986; Conte, F., Les slaves, 1986; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums, 1992; Golab, Z., The Origins of the Slavs, 1992; Kunstmann, H., Die Slaven, 1996; Struktur und Wandel im Früh- und Hochmittelalter, hg. v. Lübke, C., 1998; Garzaniti, M., Die altslavische Version der Evangelien, 2001; Panzer, B., Quellen zur slavischen Ethnogenese, 2002; Wünsch, T., Deutsche und Slawen im Mittelalter, 2008; Die Slaven und Europa, hg. v. Ressel, G. u. a.,2008

Slawonien ist das östliche Teilgebiet → Kroatiens zwischen Save und Drau.

Lit.: Goldstein, I., Hrvatske rani srednji vijek, 1995

Slowakei ist der mitteleuropäische, zwischen Tschechei, Polen, Ukraine, Ungarn und Österreich gelegene Staat. Seit dem 10. Jh. gehört das Gebiet der S. zu Ungarn, das die Bewohner seit 1867 ungarisiert. Römisches Recht dringt nicht vor dem 17./18. Jh. ein (1634 westslowakische Universität Tyrnau/­Trnava). Am 28. 10. 1918 wird die S. Teil der Tschechoslowakei, von der sie sich 1993 trennt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die juristische Bildung in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Dejiny Slovenska, 1986; Schönfeld, R. Slowakei, 2000; Schuster, R., Im Strudel der Geschichte 2001; Tönsmeyer, T., Das Deutsche Reich und die Slowakei 1939-1945, 2003; Die unbekannte Minderheit, hg. v. Hrabovec, E. u. a., 2005

Slowenien ist der mitteleuropäische, von Österreich, Ungarn, Kroatien und Italien begrenzte Staat. Das Gebiet Sloweniens löst sich 1918 aus der Herrschaft → Österreichs und geht danach in Jugoslawien auf. Am 26. 6. 1991 spaltet es sich von dort ab.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Mal, J., Probleme aus der Frühgeschichte der Slowenen, 1939; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,330; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Rehder, P., Slowenien, 1999; Karner, S., Slowenien und seine Deutschen, 2000; Griesser-Pečar, T., Das zerrissene Slowenien 1941-1946, 2003; Blumenwitz, D., Okkupation und Revolution in Slowenien (1941-1946), 2005; The Land Between, hg. v. Luthar, O., 2008

Smend, Rudolf (Basel 15. 1. 1882-Göttingen 5. 7. 1975), Theologieprofessorensohn, wird nach dem Studium von Recht, Philosophie und Geschichte in Göttingen 1909 Professor in Greifswald, Tübingen (1911), Bonn (1915), Berlin (1922) und Göttingen (1935). 1911 veröffentlicht er eine bedeutsame Unter­suchung über das → Reichskammergericht. Sein Hauptwerk über Verfassung und Verfassungsrecht (1928) gründet sich auf die Idee der Integration als des sinnhaften Ineinanders geistiger Vorgänge.

Lit.: Festschrift für Rudolf Smend, 1952; Campenhausen, A., Frhr. v., Zum Tode von Rudolf Smend, JZ 1975, 621; Rennert, K., Die „geis­teswissenschaftliche Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987

Smith, Adam (Kilkaldy 1723-1790) wird nach dem Studium von Griechisch, Logik, Metaphysik, Theologie, Mathematik und Philosophie in Glasgow und Oxford 1751 Professor für Logik und 1752 für Moral­philosophie in Glasgow. Nach einer Bildungsreise durch Frankreich (1764-1766) veröffentlicht er 1776 (engl.) Inquiry into the Nature and the Causes of Wealth of Nations (Untersuchung über die Art und die Gründe des Reichtums der Völker), in der er die Freiheit des Einzelnen als den Grund des Wohlstandes aller ermittelt. Damit begründet er als Klassiker der Volkswirtschaft den → Liberalismus.

Lit.: Köbler, DRG 134; Brühlmaier, D., Die Rechts- und Staatslehre von Adam Smith, 1987; Raphael, D., Adam Smith, 1991; Ross, I., The Life of Adam Smith, 1995; Klaiber, W., Rechtsphilosophie und Handlungstheorie, 1997; Ross, I., Adam Smith, 1998; Smith, A., Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums, hg. v. Streissler, E., 1999; Ballestrem, K. Graf, Adam Smith, 2001

Societas (lat. [F.]) ist im römischen Recht die → Gesellschaft. Die privatrechtliche s. ist im klassischen römischen Recht ein der Erbengemeinschaft nachgebildeter Konsen­sual­­kontrakt der Gesellschafter. In der frühen Neuzeit wird s. auch für die menschliche Gesellschaft insgesamt verwendet. Das römische Recht der s. wird aufgenommen, im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aber durch den Gedanken der → Gesamthand abgeändert.

Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 43 I; Söllner § 9; Köbler, DRG 47, 64, 146, 161; Wieacker, F., Societas, 1936; Hingst, K., Die societas leonina, 2003; Meissel, F., Societas, 2004; Mehr, R., Societas und universitas, 2008

Socinus, Bartholomäus ist ein 1436 in Siena geborener, in Siena und Bologna ausge­bildeter, in Siena, Ferrara, Pisa, Bologna, Padua und vielleicht Bologna lehrender in Siena 1507 verstorbener Jurist (commentaria, lecturae, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 860

Sociological jurisprudence (engl.) ist die auf Grund der europäischen Entwicklung der Soziologie bewusst soziologische Erkennt­nisse berücksichtigende, im 20. Jh. in den Vereinigten Staaten entwickelte Form der Rechtswissenschaft.

Lit.: Reich, N., Sociological jurisprudence und legal realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967

socius (lat. [M.]) Genosse, Gesellschafter

Södermannalagh ist das Recht der schwedischen Landschaft im Südosten → Schwedens am Ende des 13. Jh.s (1280 ?, 1300 ?).

Lit.: Hafström, G., Den svenska rättskällornas historia, 1978

Sodomie

Lit.: Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002; Hehenberger, S., Unkeusch wider die Natur, 2005; Lang, D., Sodomie und Strafrecht, 2009

Soest in Westfalen entwickelt sich im frühen 12. Jh. zur Stadt, deren Recht im Stadtrecht vom Medebach (1165) erstmals fassbar wird und die seit dem 13. Jh. ihr Recht aufzeichnet (alte Kuhhaut 1225/1226) und verbreitet (9 Tochterstädte?, 62 Enkelstädte?).

Lit.: Brünneck, W. v., Zum Verständnis des Titel 1 der Soester Gerichtsordnung, ZRG GA 32 (1911), 332; Brünneck, W., Geschichte der Soester Gerichts­verfassung, ZRG GA 33 (1912), 1; Ebel, W., Die alte und die neue Soester Schrae, ZRG GA 70 (1953), 105; Das älteste Bürgerbuch der Stadt Soest 1302-1449, hg. v. Rothert, H., 1958; Welt, K., Das alte Soester Stadtrecht, 1960; Diekmann, K., Die Herrschaft der Stadt Soest über ihre Börde, 1962; Stech, A., Die Soester Stadtrechtsfamilie, Diss. jur. Göttingen 1965; Knickenberg, H., Die Soester Statuten von 1790, 1967; Soester Recht v. Deus, W., 1969f.; Toeversichtsbriefe für Soest, bearb. v. Dösseler, E., 1969; Die Miniaturen des Soester Nequambuches von 1315, hg. v. Wilkes, W., 1975; Ebel, W., Rechtsgeschichtliches aus Niedersachsen, 1978, 89; Schöne, T., Das Soester Stadtrecht, 1998; Die Stadt Soest, 2000; Dusil, S., Die Soester Stadtrechtsfamilie, 2007

Sofia an der Witoscha erscheint im 8./7. Jh. als Siedlung der Thraker. Als Sordica wird es unter den Römern Provinzhauptstadt. 1382 wird es von den Osmanen (Türken) erobert. Im 1877/1878 von der Türkei gelösten Bulgarien erhält es 1888 eine Universität.

Lit.: Serdika - Sredez - Sofia, 1976

Sohm, Rudolph (Rostock 29. 10. 1841-Leipzig 16. 5. 1917), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock, Berlin und Heidelberg 1870 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1870 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, Straßburg (1872) und Leipzig (1887). 1884 veröf­fentlicht er Institutionen des römischen Rechts, 1888 einen Grundriss der Kirchen­geschichte und 1892 ein Kirchenrecht, wobei er die Ansicht vertritt, dass das Wesen der Kirche mit dem Wesen von Recht in Widerspruch stehe.

Lit.: Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Sohm, R., Autobiographie, DJZ 14 (1909), 1017; Festgabe für Rudolph Sohm, 1914; Fehr, H., Rudolph Sohm, ZRG GA 38 (1917), LIX; Stutz, U., Nachruf, ZRG GA 38 (1917), 457; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Bühler, A., Kirche und Staat bei Rudolph Sohm, 1965; Böckenförde, W., Das Rechtsverständnis der neueren Kanonistik, Diss. jur. Münster 1969

Solange I ist der einprägsame Name des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 29. 5. 1974, nach dem das Gericht Gemeinschaftsrecht der europäischen Ge­mein­schaften an den Grundrechten Deutsch­­lands prüfen kann, solange die europäischen Gemeinschaften keinen den deut­schen Grundrechten gleichwertigen Grundrechts­schutz haben. Nach der Entwick­lung eines wirksamen Grundrechtsschutzes in den europäischen Gemeinschaften nimmt das Bundesverfassungsericht die Entscheidung durch Entscheidung vom 22. 10. 1986 (Solange II) zurück.

Soldat ist der besoldete Krieger bzw. der, welcher auf Grund einer Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Für den Soldaten kann besonderes Recht gelten. Schon das römische Recht kennt ein eigenes Soldatentestament.

Lit.: Kaser § 67 I 2c; Rogg, M., Landsknechte und Reisläufer – Bilder vom Soldaten, 2002; Rechenberg, F. v., Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht des Soldaten, 2004; Kutz, M., Deutsche Soldaten, 2006; Kroll, S., Soldaten im 18. Jahrhundert, 2006

Söldner ist der gegen Sold (zu lat. [M.] solidus) kämpfende Krieger. Er tritt außer im Altertum insbesondere im spätmittelalter­lichen Italien sowie im Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England hervor. Die im 18. Jh. eingeführte Wehrpflicht verdrängt ihn wieder.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1968; Baumann, R., Das Söldnerwesen, 1978; Contamine, P., La Guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Burschel, P., Söldner, 1994; Tresp, U., Söldner aus Böhmen, 2004; Trundle, M., Greek Mercenaries, 2004

solicitor (M.) außergerichtlich tätiger Anwalt in England

Solidus ist eine römische, im Frühmittelalter als Rechnungseinheit fortgeführte Münze.

Lit.: Köbler, DRG 77, 91; Köbler, LAW; Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991

Sollizitieren (das Gericht [Reichskam­mergericht, Reichshofrat] um Tätigwerden bitten, erinnern)

Lit.: Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht, 2002

Solms ist seit dem Hochmittelalter (1129) die von Hohensolms ausgehende Grafschaft im Bereich der mittleren Lahn in Hessen, die 1806 in Hessen aufgeht. 1571 erarbeitet der Frankfurter Stadtsyndikus Johann → Fichard auf der Grundlage eines Entwurfes des Sekretärs Gerhard Terhell und unter Verwen­dung zahlreicher Quellen (Mainz 1534, Württemberg 1555, Trier 1537, Köln 1538, Nürnberg 1564, Freiburg 1520, Worms 1499) das sog. Solmser Landrecht (Gerichtsordnung und Landrecht). Es ist eine stark romani­sierende Reformation in schlichter Sprache und mit klarem Aufbau.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2; Deren Graveschafft Solms und Herrschaft Mintzenberg Gerichtsordnung, 1571; Fuchs, C., Über die Quellen des Solmser Landrechts, Z. f. dt. Recht 17 (1857), 292; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 30 (1967/8), 1; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung, Diss. jur. Göttingen 1972; Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen, 2. A. 1980

Solon (Athen um 640-560) ist ein bedeutender griechischer Gesetzgeber und Staatsmann.

Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Ruschenbusch, E., Solons nomoi, 1966, Neudruck 1983; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982; Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Holz, H., Die solonische Gesetzgebung, (in) Philosophie des Rechts, 1992, 103; Tsigarida, I., Solon – Begründer der Demokratie?, 2006; Solon of Athens, hg. v. Blok, J. u. a., 2006

Solothurn (Salodurum) ist die Siedlung an der mittleren Aare, die über Kelten, Römer und Burgund 1218 Reichsstadt wird. 1353 wird S. zugewandter Ort der Eidgenossen­schaft der → Schweiz, 1481 Mitglied.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, K., Solothurnische Verfassungszustände zur Zeit des Patriziates, 1921; Amiet, B., Die solothurnische Territorialpolitik von 1344-1532, Diss. phil Basel 1929; Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert und das solothurnische Zivilgesetzbuch von 1841-1847, 1948; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, hg. v. Studer, C. u. a., Bd. 1 1949; Solothurner Urkundenbuch, bearb. v. Kocher, A., Bd. 1 1952; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Solothurn, 1990; Wey, M., Die Forstgesetzgebung im Kanton Solothurn während der Mediationszeit (1803-1813), 1991

solsadire (lat.-afrk.) die Sonne untergehen lassen, Frist bis Sonnenuntergang setzen

Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867

Solutio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Leistung bzw. Erfüllung. Ihr geht im altrömischen Recht das förmliche Ent­haf­tungs­geschäft der s. per aes et libram (Lösung durch Erz und Waage) voraus.

Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 I 3, 32 II 3b, 52 II, 53 I; Köbler, DRG 27, 43, 62

Somatén (M.) Landwehr

Lit.: March, J., El Somatén, 1923

Somme rural ist das wohl kurz vor 1396 von Jehan → Boutillier (Jean le Boutillier) kompilatorisch verfasste → Rechtsbuch, dessen Aufbau sich grundsätzlich an den Ver­fahrensgang anlehnt. Es legt hauptsächlich die coutumes (Gewohnheiten) von Tournai, Tournaisis und Vermandois zugrunde, bezieht aber auch die coutumes von Normandie, Picardie, Artois, Flandern, Cambrésis, Champagne und Paris mit ein. Vor allem im Sachenrecht und im Schuldrecht wird römi­sches Recht verwertet. Hinzu kommt auch kirchliches Recht. Neben der Rechtsliteratur fließt in beachtlichem Umfang die eigene Erfahrung des Verfassers ein.

Lit.: Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951; Coutumes du Tournaisis, hg. v. Dievoet, G. van, 2006

Sondererbfolge ist die → Erbfolge eines von mehreren Erben in einen einzelnen Gegenstand z. B. in Gerade und Heergewäte im Mittelalter, in Fürstengut oder Adelsgut, in Erbhöfe oder in Gesellschaftsanteile im 20. Jh. Die S. steht in Gegensatz zur grundsätzlichen, dem Gleich­heitssatz folgen­den Gesamtrechtsnachfolge.

Lit.: Köbler, DRG 73, 123, 162, 210, 269

Sondergericht ist das im Rechtsstaat unzulässige besondere Gericht (z. B. im Dritten Reich).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Wüllenweber, H., Sondergerichte im dritten Reich, 1990; Blumberg-Ebel, A., Sondergerichtsbarkeit und „politischer Katholizismus“ im dritten Reich, 1990; Oehler, C., Die Rechtsprechung des Sondergerichts Mannheim, 1997; Weckbecker, G., Zwischen Freispruch und Todesstrafe, 1998; Keldungs, K., Das Duisburger Sondergericht, 1998; Roeser, F., Das Sondergericht Essen, 2000; Lahrtz, J., Nationalsozialistische Sondergerichtsbarkeit in Sach­sen, 2003; … eifrigster Diener und Schützer des Rechts, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2007

Sonderrecht ist das nicht allgemein, sondern nur für besondere Fälle geltende Recht. Es steht im Widerspruch zum Gleichheitsgrund­satz. Von daher verliert es seit der französischen Revolutuin (1789) an Bedeu­tung.

Lit.: Duve, T., Sonderrecht in der frühen Neuzeit, 2008

Sonnenfels (Perlin), Joseph v. (1732/1733 Mikulov bzw. Nikol(au)sburg/Tschechien-Wien 25. 4. 1817), am 18. 9. 1735 mit Vater und Bruder katholisch getaufter Jude, wird nach dem Studium der Philosophie und des Rechts in Wien (Martini, Riegger) 1758 Adjunkt bzw. Kanzlei­ange­stellter, 1761 Rechnungsführer und 1763 Pro­fessor für politische Wissenschaft (Kameralwissen­schaft) in Wien. 1765 veröffentlicht er Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz (bis 1845/1848 grundlegend). Er wendet sich aufgeklärt gegen die Folter (1771) und die Todesstrafe.

Lit.: Köbler, DRG 152; Osterloh, K., Joseph von Sonnenfels, 1970; Lindner, D., Der Mann ohne Vorurteil, 1983; Joseph von Sonnenfels, hg. v. Reinalter, H., 1988; Sonnenfels, J. v., Grundsätze der Polizey, hg. v. Ogris, W., 2003

Sonnenfrist setzen → solsadire

Sonntag ist der auf Grund jüdischer Überlieferungen vom Christentum geheiligte siebente Wochentag, der durch staatliches Recht grundsätzlich arbeitsfrei ist.

Lit.: Der Tag des Herrn, hg. v. Weiler, R., 1998; Schiepek, H., Der Sonntag, 2003; Grube, A., Der Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003

Souveränität (Wort 12. Jh.) ist die im Abso­lutismus der frühen Neuzeit (aus [lat. N.] imperium, Gewalt, Herrschaft, Reich) ent­wickelte höchste und unbeschränkte Staatsgewalt (→ Bodin [1530-1596] 1566). Nach Jean Jacques Rousseau (1762) steht die S. dem Volk zu (Volkssouveränität). In der Gegenwart bedeutet S. eines Staates dessen Freiheit und Una­bhängigkeit nach außen und innen (Abwehr der Einmischung in innere Angelegenheiten). Im Staatenbund hält der Mitgliedstaat an seiner S. so umfassend wie möglich fest. Die Internationalisierung des Rechtes und die Schaffung supranationaler Gebilde drängen die nationale S. zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 149; Kelsen, H., Das Problem der Souveränität, 2. A. 1928; Stengel, E., Kaisertitel und Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Hennis, W., Das Problem der Souveränität, 1951, m. e. Vorwort v. Starck, C., 2003; David, M., La souveraineté, 1954; Streifthau, K., Die Souveränität des Parlaments, 1963; Dennert, J., Ursprung und Begriff der Souveränität, 1964; Schefold, D., Volkssouveränität, 1966; Volkssouveränität und Staatssouveränität, hg. v. Kurz, H., 1970; Quaritsch, H., Staat und Souveränität 1, 1970; Mommsen, K., Auf dem Wege zur Staatssoveränität, 1970; Quint, W., Souveränitätsbegriff, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hinsley, F., Sovereignty, 2. A. 1986; Quaritsch, H., Souveränität, 1986; Pennington, K., The Prince and the Law, 1993; Stolleis, M., Die Idee des souveränen Staa­tes, (in) Entstehung und Wandel verfassungs­recht­lichen Denkens, 1993, 53; Adamova, K., Souveränität und Gesamtstaat, ZRG 119 (2002), 157; Rosin, N., Souveränität zwischen Macht und Recht, 2003; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004

Sowchose (F.) landwirtschaftlicher Staats­be­trieb der Sowjetunion

sowjet (russ.) Rat (Selbstverwaltungsorgan der Arbeiter, Bauern und Soldaten der Sow­jet­union seit 1917)

Sowjetische Besatzungszone ist die im Osten gelegene Besatzungszone der Sowjet­union im Deutschen Reich seit 1945 (mit rund 4 Millionen Flüchtlichen und Vertriebenen), für die am 6. 6. 1945 die sowjetische Militär­ad­ministration errrichtet wurde (Ende 1945 fast 64000 Planstellen, 17. 11. 1949 aufgelöst).. → Deutsche Demokratische Republik

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts in der sowjetischen Besatzungszone, 1950; Staritz, D., Die Gründung der DDR, 1985; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J. v., 1988; SBZ-Handbuch, hg. v. Broszat, M. u. a., 1990; Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Naimark, N., Die Russen in Deutschland, 1997; Wiedergut­machungsverbot, hg. v. Sobotka, B., 1998; Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945-1950, hg. v. Miro­nen­ko, S. u. a., 1998; Sowjetisierung und Eigen­ständigkeit in der SBZ/DDR, hg. v. Lemke, M., 1999; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1999; Das letzte Jahr der SBZ, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Hajna, K., Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ, 2000; Schweisfurth, T., SBZ-Konfiskationen privaten Eigentums 1945 bis 1949, 2000; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Kowalczuk, I./Wolle, S., Roter Stern über Deutschland, 2001; Baus, R., Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands, 2001; Madaus, U., Allianz des Schweigens, 2002; SMAD-Handbuch. Die sowjetische Militäradministration in Deutschland 1945-1949, hg. v. Möller, H. u. a., 2009

Sowjetunion ist der seit der Oktoberrevolution 1917 aus → Russland entstandene Staat (Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, UdSSR, 30. 12. 1922-8. 12. 1991). Er wird von der Kommunistischen Partei totalitär geführt. Im Friedensvertrag von Brest-Litowsk (3. 3. 1918) mit dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, dem Osmanischen Reich und Bulgarien verliert Russwland seine polnischen und baltischen Gebiete, Finnland und die Ukraine, doch wird der Vertrag am 11. 11. 1918 für ungültig erklärt. Die Wirtschaft wird verstaatlicht (7 Millionen Opfer der Zwangskollektivierung), das Recht unter Abschaffung des privaten Eigentums sozialistisch gestaltet (Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht 16. 9. 1918, Arbeitsrecht 22. 10./4. 11. 1918). Am 22. 5. 1922 erlaubt eine besondere Deklara­tion über die Grundsätze des Vermögens­rechts privatwirtschaftliches Handeln im Rahmen des sozialistischen Wirtschafts­systems. In der Folge wird das Zivilgesetzbuch Russlands vom 31. 10. 1922 weithin maßgebend (Recht der beweglichen Sachen). Infolge der Teilnahme am zweiten Weltkrieg (8,6 Millionen Gefallene) wird die S. Weltmacht (mit 22,4 Milliarden Quadrat­kilometern größter Staat der Neuzeit). Am 8. 12. 1961 erlässt die S. Grundlagengesetze zum Zivilrecht und Zivilprozessrecht, 1968 zum Ehe- und Familienrecht sowie 1970 zum Arbeitsrecht. Unter Michael Gorbatschow kommt es seit etwa 1985 zur Liberalisierung (Glasnost, Perestroika). 1991 geht die aus 15 Unionsrepubliken (mit 286 Millionen Einwohnern) bestehende S. in der losen Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) auf. Russland verselbständigt sich als Folge der Abspaltung zahlreicher selbständiger Staaten wieder.

Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Rauch, G. v., Geschichte des bolschewistischen Russland, 1955; Istorija gosudarstva i prava SSSR (Staats- und Rechtsgeschichte der Sowjetunion), Teil 1, verfasst v. einem Autorenkollektiv unter Leitung v. Sofronenko, K., 1967; Peter, V., Sozialistisches Zivilrecht, 1975; Beletzki, Die Politik der Sowjetunion in den deutschen Angelegenheiten, 1977; Pfaff, D., Die Entwicklung der sowjetischen Rechtslehre, 1986; Fincke, M., Handbuch der Sowjetverfassung, 1983; Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A. 1984; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion, 1993; Hildermeier, M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Adomeit, A., Imperial Overstretch, 1998; Heinzig, H., Die Sowjetunion und das kommunistische China, 1998; Hildermeier, M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1999; Luks, L., Geschichte Russlands und der Sowjetunion, 2000; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917-1991, 3. A. 2001; Kernig, C., Lenins Reich in Trümmern, 2000; Wolkogonow, D., Die sieben Führer, 2001; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 2003; Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003; Sowjetische Militärtribunale, hg. v. Hilger, A. u. a., 2003; Terrorjustiz und Terrororgane in der Stalin-Zeit, hg. v. Lobkowicz, N. u. a., 2004; Oldenburg, M., Ideologie und militärisches Kalkül, 2004; Die UdSSR und die deutsche Frage 1941-1948, hg. v. Laufer, J. u. a., Bd. 1ff. 2004; Creuzberger, S., Stalin, 2009

Sozialbindung ist die Einschränkung eines Rechts (z. B. des Eigentums) aus sozialen Gründen im 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung, 2004

Sozialdarwinismus (M.) Übertragung des Grundsatzes der natürlichen Auslese auf die menschliche Gesellschaft am Ende des 19. Jh.s, Rassenlehre unter Ablehnung von So­zial­politk

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die aus dem frühen → Sozialismus erwachsende deutsche → Partei. Ihr gehen der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein Lassal­les (1863) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Liebknechts und Bebels (1869) voraus, die sich 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei vereinigen. 1878 werden die Sozialisten verboten, 1890 aber als S. P. D. mit marxistischem Erfurter Programm Kautskys (1891) wieder zugelassen. Mit dem Godesberger Programm von 1959, das den Sozialismus als Weltanschauung aufgibt, wird die S. P. D. in Deutschland regierungsfähig (1969 bis 1982, 1998 bis 2005).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177; Brügel, L., Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Bd. 1ff. 1922ff.; Heidegger, H., Die deutsche Sozialdemokratie, 2. A. 1968; Martiny, M., Integration oder Konfrontation?, 1976; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Rovan, J., Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, 1980; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Steinbach, P., Sozialdemokratie und Verfassungsverständnis, 1983; Pyta, W., Gegen Hitler und für die Republik, 1989; Schröder, W., Sozialdemokratische Parlamentarier, 1995; Morré, J., Speziallager des NKWD, 1997; Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 2. A. 1997; Welskopp, T., Das Banner der Brüderlichkeit, 2000; Wondratsch, H., Sozialdemokratie – Frau – Familie, 2002; Ramuschkat, D., Die SPD und der europäische Einigungsprozess, 2003

Sozialdisziplinierung (Gerhard Oestreich) ist die mehr oder weniger gewaltsame Lenkung der Bevölkerung zur Durchsetzung politischer Ziele seit der frühen Neuzeit.

Soziale Frage ist die aus der liberalen Industrialisierung erwachsende Gegenüber­stellung von vielen besitzlosen Proletariern (Arbeitern, vierter Stand) und wenigen reichen Kapitalisten (Bürgern). Ihre Lösung sieht der liberale Staat des frühen 19. Jh.s nicht als seine Aufgabe an, weshalb Selbsthilfeeinrichtungen statt seiner handeln (Gewerkschaft, Genossen­schaft, Partei). Unter dem tatsächlichen Druck sozialistischer Parteien sieht sich Bismarck 1881ff. zu sozialer Gesetzgebung (→ Sozialversiche­rung) veranlasst.

Lit.: Köbler, DRG 177; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Ritter, G., Sozialpolitik im deutschen Kaiserreich, HZ 282 (2006), 97

Soziale Marktwirtschaft ist die Marktwirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, die sozialen Ausgleich der durch übermäßige Ausnutzung von Freiheit entstandenen gesellschaftlichen Probleme versucht (z. B. Wohngeld für sozial schwache Mieter). In Deutschland beruht sie auf dem am 24. 6. 1948 vom alliierten Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz über Leitsätze.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Soziale Marktwirtschaft, 1997; Soll und Haben, hg. v. Nörr, K. u. a., 1999

Sozialgericht ist nach älteren Vorläufern (1884 Schiedsgericht für Streitigkeiten aus der Unfallversicherung, 1900 Schiedsgericht für Arbeiterversicherung, 1911 verwaltungs­interner Rechtsschutz durch Versicherungs­amt, Oberversicherungsamt und Reichsver­siche­rungsamt) in der Bundesrepublik Deutschland das für die Entscheidung über sozialrechtliche Streitigkeiten zuständige Gericht (Sozial­gerichtsgesetz vom 3. 9. 1953).

Lit.: Köbler, DRG 262; Meyer-Ladewig, J., Sozialgerichtsgesetz, 1977, 5. A. 1993, 8. A. 2005

Sozialgeschichte ist die Geschichte der Gesellschaft bzw. der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die S. dient dem Verständnis der Rechtsgeschichte. Gesellschaft und Recht beeinflussen sich jeweils gegenseitig.

Lit.: Köbler, DRG 9; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturent­wicklung, 1918ff.; Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930; Brunner, O., Neue Wege der Sozialgeschichte, 1956 (Vorträge und Aufsätze), 1956; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1966; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1971ff.; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff.; Müller, M., Säkularisation und Grundbesitz, 1980; Kantzow, W., Sozialgeschichte der deutschen Städte und ihres Boden- und Baurechts bis 1918, 1980; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Alföldy, G., Römische Sozialgeschichte, 3. A. 1984; Boelcke, W., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1987; Wehler, H., Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff., z. T. 3. A. 1996ff.; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914; Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte, hg. v. Krause, J. u. a., Bd. 1f. 1992ff.; Frerich, J./Frey, M., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff. 1993; Wehler, H., Bibliographie zur neueren deutschen Sozial­ge­schichte, 1993; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Mieth­ke, J. u. a., 1994; Borgolte, M., Sozialgeschichte des Mittelalters, 1996; Ritter, G., Sozialpolitik im Zeitalter Bismarcks, HZ 265 (1997), 682; Hering, S./Münchmeier, R., Geschichte der So­zialarbeit, 1999; Perspektiven der Gesellschaftsge­schichte, hg. v. Nolte, P. u. a., 2000; Roth, G., Die Institution der kommu­nalen Sozialverwaltung, 1999; Europäische Sozialge­schichte, hg. v. Dipper, C. u. a., 2000; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professo­ren, 2001; Sozialer Aufstieg, hg. v. Schulz, G., 2002; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Minderwertig und asozial, hg. v. Sedlaczek, D. u. a., 2005; Devroey, J., Puissants et misérables, 2006; Kaelble, H., Sozialgeschichte Europas 1945 bis zur Gegenwart, 2007

Sozialgesetzbuch ist in der Bundesrepublik Deutschland das die → Reichsversicherungs­ordnung von 1911 seit (1969 bzw.) 1. 1. 1976 allmählich ablösende, in einzelnen Büchern in Kraft tretende Gesetzbuch (SGB I Allgemeiner Teil 1976, SGB II Grund­sicherung für Arbeitsuchende 2004, SGB III Arbeitsförderung 1997, SBG IV Sozial­versicherung Gemeinsame Vorschriften 1977, SBG V Gesetzliche Krankenver­sicherung 1989, SGB VI Gesetzliche Renten­versicherung 1992, SGB VII Gesetzliche Un­fall­versicherung 1996, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe 1991, SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001, SGB X Verwaltungs­verfahren 1980, SGB XI Soziale Pflege­versicherung 1995, XII Sozialhilfe 2005).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 261; 25 Jahre Sozialgesetzbuch, 1995

Sozialgesetzgebung ist die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s einsetzende Gesetzgebung in sozialen Angelegenheiten.

Lit.: Borgmeyer, W., Das wilhelminische Kaiserreich – ein Ausbeuterstaat?, 1994; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, begr. v. Rassow, P. u. a., hg. v. Henning, H. u. a., 1982ff., Abt. 1, 8, 2006

Sozialhilfe ist in der Bundesrepublik Deutschland die durch Gesetz vom 30. 6. 1961 geregelte allgemeine Unterstützung sozial Schwacher. Durch das Gesetz werden die älteren Reichsgrundsätze öffentlicher Fürsorge im Wesentlichen übernommen. 2005 geht das Bundessozialhilfegesetz in den Büchern II und XII des Sozialgesetzbuchs auf.

Lit.: Köbler, DRG 261; Föcking, F., Fürsorge im Wirtschaftsboom, 2007

Sozialisierung (F.) Vergesellschaftung

Lit.: Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920

Sozialismus ist die im 19. Jh. ausgebildete Gesellschaftslehre, die sich statt am individuellen Wohl des Einzelnen am Gesamtwohl der Allgemeinheit ausrichtet. An­ge­strebt wird der S. vor allem von sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien. Der nach 1917 in der → Sowjetunion bzw. nach 1945 in anderen sozialistischen Staaten verwirklichte S. erreicht eine tatsächliche Verbesserung der gesellschaft­lichen Verhältnisse nur in bescheidenem Um­fang.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177, 179, 226; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 923; Huber, E., Die Gestalt des deutschen Sozialismus, 1934; Ramm, T., Die großen Sozialisten, 1955; Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N./Reichel, H., Einführung in das sozialistische Recht, 1975, 1; Horner, H., Anton Menger, 1977; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Kühne, D., Der marxistisch-sozialistische Rechtsbegriff, 1985; Petev, V., Kritik der marxistisch-sozialistischen Rechts- und Staatsphilosophie, 1989; Klassiker des Sozialismus, hg. v. Euchner, W., Bd. 1f. 1991; Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995; Recht im Sozialismus, hg. v. Bender, G. u. a., Bd. 1ff. 1999; Euchner, W. u. a. Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland, 2000; Der Munizipalsozialismus in Europa, hg. v. Kühl, U., 2001; Kohlmann, J., Der Marsch zu den Gräbern von Karl und Rosa, 2004; Zur Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsreformen, hg. v. Boyer, C., 2007; Leidinger, H. u. a., Sozialismus, 2008

Sozialistengesetz ist das seit 21. 10. 1878 die sozialistischen Parteien verbietende Gesetz des Deutschen Reiches, das 1890 wegen Erfolglosigkeit nicht weiter verlängert wird.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 172, 177; Schümer, G., Die Entstehungsgeschichte des Sozialistengesetzes, Diss. phil. Göttingen 1930; Hellfaier, K., Die deutsche Sozialdemokratie während des Sozialistengesetzes, 1958; Maaß, R., Entstehung, Hintergrund und Wirkung des Sozialistengesetzes, JuS 1990, 702; Maaß, R., Die Generalklausel des Sozialistengesetzes, 1990; Frerich, J., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff 1993ff., z. T. 2. A. 1996; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998; Einhundertfünfundzwanzig (125) Jahre Sozialistengesetz, hg. v. Beutin, H. u. a., 2004

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands → SED

sozialistisches Recht → Sozialismus

Lit.: Markovits, J., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1960; Löbbe, J., Sozialisitische Rechtsanwendung, 1998

Sozialpartnerschaft ist die verständnisvolle Zusammenarbeit von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vor allem im 20. Jh. (auf Kosten der Allgemeinheit).

Lit.: Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft, hg. v. Stourzh, G. u. a., 1986

Sozialrecht ist das Recht des Ausgleichs in­dividueller Güterdifferenzen durch Leistun­gen eines Trägers öffentlicher Verwaltung. Es entsteht nach vereinzelten älteren Vorformen und frühen Einzelzügen (Preußen 1845 Gewerbeordnung mit der Möglichkeit der Gemeinden, durch Satzung Unterstützungs­kassen für Fabrikarbeiter zu erzwingen) seit dem späten 19. Jh. Es ist im weiten Umfang Sozialversicherungsrecht. Frühe wissenschaft­liche Vertreter sind Heinrich Rosin, Erwin Jacobi, Lutz Richter, Fritz Stier-Somlo, Walter Kaskel, Alfred Manes, frühe Praktiker Hermann Dersch, Hermann Schulz und Friedrich Kleeis und frühe Institutionen Institute in Freiburg im Breisgau, Leipzig und Frankfurt am Main. Seit 1976 entsteht ein Sozialgesetzbuch.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 260; Gurvich, G., L’idée du droit social, 1932; Quellen zur Geschichte des Sozialrechts, hg. v. Stolleis, M., 1976; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht, 1978; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgenossenschaft, 1982; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281; Scherner, K., Sozialrechtsgeschichte, ZNR 1996, 102; Mikešič, I., Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin - Die Anfänge 1918-1933, 2002; Sopp, A., Drittstaatsangehörige und Sozialrecht, 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Otto, M., Von der Eigenkirche zum volkseigenen Betrieb . Erwin Jacobi (1884-1965), 2008

Sozialstaat ist der auf Ausgleich sozialer Ungerechtigkeit verpflichtete Staat. Er entsteht seit dem ersten Weltkrieg.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 252; Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, hg. v. Forsthoff, E., 1968; Böckenförde, E., Die Bedeutung der Unterscheidung vom Staat und Gesellschaft, FG W. Hefermehl, 1972, 11; Landwehr, G., Staatszweck und Staatstätigkeit in Preußen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Koslowski, S., Die Geburt des Sozialstaats, 1989; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Eichenhofer, E., Geschichte des Sozialstaats in Europa, 2007

Sozialversicherung ist die im Grundsatz auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung aufbauende, durch die Kaiserliche Botschaft vom 17. 11. 1881 im Deutschen Reich ein­geleitete Einrichtung, die auf die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Ge­samtheit schätzbaren Bedarfs durch Ver­teilung auf eine organisierte Vielheit abzielt. Sie umfasst Krankheit (15. 6. 1883), Unfall (6. 7. 1884, vgl. dazu ein Arbeit­ge­ber­haftungsgesetz in Großbritannien von 1880), Alter und Invalidität (22. 6. 1889), Arbeitslosigkeit (Gesetz über Arbeitslo­sen­vermittlung und Arbeitslosenversicherung 1927) (1911 Reichsversicherungsordnung, An­gestelltenversicherungsgesetz, 1923 Reichs­knappschaft) sowie Pflege (1995). 1934 wird von S. gesprochen. Rentner werden in die gesetzliche Krankenversicherung, Selbständige in die S. insgesamt aufge­nommen. 1975 werden Studenten und Behin­derte in die S. einbezogen. In der Deutschen Demokratischen Republik wird die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt und die S. vereinheitlicht und zentralisiert, doch wird 1990 mit der Vereinigung das Recht der Bundesrepublik auf die neuen Bundesländer übertragen. Träger der S. sind Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Berufsgenossenschaft, Krankenkasse). Die im Grunde unsolide Finanzierung der S. bedroht bei ungünstiger Bevölkerungsentwicklung ihre Zahlungsfähigkeit.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 177, 182, 183, 260, 261; Vogel, W., Bismarcks Arbeiterversicherung, 1951; Peters, H., Die Geschichte der Sozial­versicherung, 1959, 2. A. 1973, 3. A. 1978; Fröhlich, S., Die soziale Sicherung bei Zünften, 1976; Ullmann, H., Industrielle Interessen und die Entstehung der deutschen Sozialversicherung, HZ 229 (1979), 574; Ruß, W., Die Sozialversicherung in der DDR, 1979; Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, hg. v. Tacher, H., 1979; Bogs, W., Die Sozialversicherung, 1980; Benöhr, H., Verfassungsfragen der Sozialversicherung, ZRG GA 97 (1980), 94; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische Reichstags­fraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1981; Ritter, G., Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983; Beiträge zu Geschichte und aktueller Situation der Sozial­versicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1983; Hofmeister, H., Die ersten Sozialversicherungsgesetze, Z. f. Arbeitsrecht und Sozialrecht 22 (1987), 184; Leopold, D., Die Geschichte der sozialen Versicherung, 1999; Ausschuss für die Reform der Sozialversicherung/für Sozialversicherung (1934-1944). Versorgungswerk und Gesundheitswerk des deutschen Volkes (1940-1942), hg. und mit einer Einleitung versehen v. Schubert, W., 2000; Haerendel, U., Die Anfänge der gesetzlichen Rentenversicherung, 2001; Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung, hg. v. Gilomen, H. u. a., 2002; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Glootz, T., Alterssicherung im europäischen Wohlfahrtsstaat, 2005; Metz, K., Die Geschichte der sozialen Sicherheit, 2008

Soziologie (F.) Gesellschaftswissenschaft

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 997; Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur Deutschen Rechtssoziologie, 1969; Landau, P., Rechtsgeschichte und Soziologie, VSWG 61 (1974), 145; Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Bahrdt, H., Schlüsselbegriffe der Soziologie, 7. A. 1994; Korte, H., Einführung in die Geschichte der Soziologie, 7. A. 2004; Kruse, V., Geschichte der Soziologie, 2008; Gerhardt, U., Soziologie im zwanzigsten Jahrhundert, 2009

Spangericht

Lit.: Schmid, N., Die appenzell-innerrhodischen Spangerichte, Diss. jur. Zürich 1961

Spanien ist der im Südwesten Europas am westlichen Rand des Mittelmeers gelegene, zum 1. 1. 1986 den Europäischen Gemein­schaften beigetretene Staat. Noch in der Steinzeit wird es von Afrika her durch die Iberer besiedelt. Im Ringen zwischen Puniern (Karthagern) und Römern setzen sich die Römer 201 v. Chr. durch. In der Völker­wanderung erobern die Westgoten (475) bis 531 das Gebiet. Es gilt für die Goten, deren Zahl sich auf höchstens fünf von Hundert der Bevölkerung beläuft, die (lat.) → Lex (F.) Visigothorum, für die Romanen die (lat.) → Lex (F.) Romana Visigothorum (um 506 n. Chr.). Im Streit um die Nachfolge im Königtum wendet sich ein Streitteil an die nordafrikanischen Mauren (→ Araber), die 711 bei Jerez de la Frontera den Sieg erringen und seit 714 ein Emirat des Kalifats von Damaskus (929 Kalifat von Cordoba) bilden. Wenig später beginnt von dem niemals von Mauren eroberten Nordwesten, in den sich Teile des westgotischen Adels flüchten, von Asturien, Navarra und Katalonien aus die christliche Rückeroberung (span. → recon­quista), die 1492 mit der Gewinnung Granadas durch Kastilien endet. Das Recht wird in sog. → Fueros aufgezeichnet. Wohl seit dem am 20. 12. 1433 von König Johann II. in Medina del Campo promulgierten Ordenamiento real beginnen königliche Versuche der Rechtsvereinheitlichung in Kastilien. Ein besonders bedeutsames Rechtsbuch sind die → Siete Partidas. Durch Heirat werden 1469 Kastilien und Aragon (Katalonien) in Personalunion vereinigt. Mit der Entdeckung der Neuen Welt (1492) erwirbt S. Kolonien, wird europäische Großmacht und vertreibt gleichzeitig die Juden. 1516 verbindet der Sohn Philipps des Schönen von Burgund (und Enkel Kaiser Maximilians) und Johannas der Wahn­sinnigen sein spanisches Erbe mit den habsburgischen Gütern und wird als → Karl V. 1519 König (bzw. Kaiser) des Heiligen römischen Reich (deutscher Nation), doch wird innerhalb Habsburgs schon 1521/1522/­1526 wieder in zwei Linien (Spanien und Österreich) geteilt, wobei die über Maria von Burgund an Habsburg gelangten Niederlande an die spanische Linie gegeben werden, von deren Herrschaft sich der Norden in einem langen Freiheitskampf löst. 1561 wird Madrid Hauptstadt Spaniens. Wenig später (1588 Sieg Englands über die spanische Flotte) tritt S. hinter England und Frankreich zurück. Beim Aussterben der spanischen Linie des habsburgischen Hauses (Karl II. 1700/1701) gelangt S. in einem Erbfolgekrieg an die → Bourbonen, doch erhält Habsburg Güter in Italien (Lombardei) und in den (südlichen) Niederlanden (Belgien). Von den Bour­bonen versucht Philipp V. den Aufbau eines einheitlichen Staates nach dem Vorbild Frankreichs unter (teilweise gelungener) Aufhebung der regionalen Rechte und Einteilung des Landes in Provinzen (Navarra und das Baskenland behalten ihre Sonderrechte). Die Verfassung von Cadiz von 1812 und die Verfasung vom 30. 6. 1876 verstärken diese Entwicklung noch. Von 1873 bis 1875 wird S. erstmals Republik, von 1931 bis 1936/1939 zum zweitenmal. Das spani­sche Recht wird im 19. Jh. nach französischem Vorbild in Gesetzbüchern geregelt (Codigo de comercio 1829, Codigo penal 1848, Codigo civil 1888/9, primäre Geltung nur bezüglich allgemeiner Bestim­mungen und Eherecht, im Übrigen subsidiäre Gliederung gegenüber den parti­kularen Rechten bzw. Foralrechten Aragóns, der Balearen, Vizcayas, Katalaniens, Gali­ziens, Navarras, Álavas und der Estremadura [fuero de Baylío]). Von 1936 bis 1977 wird S. von der 1933 von J. A. Primo de Rivera gegründeten, vom Faschismus Italiens beeinflusstenPartei Falange unter General Francisco Franco [† 1975) beherrscht. Seit

Lit.: Hinojosa, E. de, El régimen señorial, 1905; Hinojosa, E. de, Das germanische Element im spanischen Recht, ZRG GA 31 (1910), 282; Hinojosa, E. de, El elemento germánico en el derecho español, 1915; Mayer, E., Studien zur spanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 40 (1919), 236; Ajuntament de Barcelona, 1920ff.; March, J., El Somatén, 1923; Rauchhaupt, F., Geschichte der spanischen Rechtsquellen, 1923; Mayer, E., El antiguo dercho de obligaciones, 1926; Mayer, E., Historia de las instituciones sociales y politicas de España y Portugal, Bd. 1f. 1925f.; Riaza, R., El derecho Romano y el derecho nacional en Castilla, 1929; Pérez, J., Fuentes de derecho historico Español, 1931; Torres, M., Lecciones de historia del derecho Español, 1933f.; Riaza, R./García Gallo, A., Manual de historia del derecho Español, 1935; Altspanisch-gotische Rechte, hg. v. Wohlhaupter, E., 1936; Sanchez-Albornoz, C., En torno a los origines del feudalismo, 1942; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der sogenannten Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Kleffens, E. von, Hispanic Law, 1968; Islamische Geschichte Spaniens, hg. v. Hoenerbach, W., 1970; Lalinde Abadía, J., Iniciación historica al derecho Español, 1970, 3. A. 1983; Sánchez-Albornoz, C., Investigaciones y documentos sobre las instituciones hispanas, 1970; Lalinde Abadía, J., Los medios personales de gestión del poder público, 1970; Payne, S., A history of Spain and Portugal, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,890, 2,2,228,847,1271, 3,1,397, 3,2,2403, 3,3,3740,3473,­3917,3994,4118; Clavero, B., Mayorazgo, 1974; Pérez Martín, A./Scholz, J., Legislación y jurisprudencia de la España del antiguo régimen, 1978; Alvarez de Morales, A., La Ilustración y la reforma de la universidad en la España del siglo 18, 1979; Garcia Gallo, A., Manual de historia del derecho español, 10. A. 1984; Henningsen, G., The Witches’ Advocate, 1980; Gacto Fernández, E. u. a., El derecho histórico de los pueblos de España, 3. A. 1982; Barrios, F., El consejo de Estado de la monarquía Española, 1984; Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa, 1984; Reconquista und Landesherrschaft, hg. v. Engels, O., 1989; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Spanienlexikon, hg. v. Bernecker, W. u. a., 1990; Indice biografico de España, Portugal e Iberoamerica, 1990; Reilly, B., The Medieval Spains, 1992; El tercer poder, ed. por Scholz, J., 1992; Adomeit, K./Frühbeck, G., Einführung in das spanische Recht, 1992, 2. A. 2001, 3. A. 2007; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993; Fallstudien zur spanischen und portugiesischen Justiz, 15. bis 20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994; Becker, R., Der Ursprung der Rechtsspaltung im spanischen Privatrecht, ZEuP 1995, 88; Die Entwicklung des spanischen Zivil­prozessrechts, ZEuP 1995, 242; Bernecker, W./Pietschmann, H., Geschichte Spaniens, 4. A. 2004; Richardson, J., The Romans in Spain, 1996; Köbler, Rechtsspanisch, 2. A. 2003; Miras, A., Die spanischen Könige, hg. v. Bernecker, W. u. a., 1997; Herzog, W., Spanien, 4. A. 1998; Montanos Ferrin, E., España en la configuración histórico-jurídica de Europa, Bd. 1ff. 1997ff.; Jorzick, R., Herrschaftssymbolik und Staat, 1998; Scholz, J., Eine weltliche Kunst, Ius commune 25 (1998), 219; Bennassar, B./Vincent, B., Spanien, 1999; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la España cristiana – las fuentes juridicas siglos V-XV, 2000; Nieto Soria, J., Legislar y gobernar, 2000; Zambrana Moral, P. u. a., Depuración política universitaria en el primer franquismo, 2001; Bernecker, W., Spanische Geschichte, 2002; Kleine Geschichte Spaniens, hg. v. Schmidt, P., 2002; Sabadell da Silva, A., Tormenta juris permissione, 2002; Scholz, J., Gerechtigkeit verwalten. Die spanische Justiz im Übergang zur Moderne, 2003; Sánchez-Arcilla Bernal, J., Manual de historia del derecho, 2004; Collins, R., Visigothic Spain, 2004; Straub, E., Das spanische Jahrhundert, 2004; Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004; Martino, A., Spanien zwischen Regionalismus und Föderalismus, 2004; Yun, B., Marte contra Minerva, 2004; Serrano González, A., Ein Tag im Leben eines Gerichtspräsidenten, 2005; Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peláez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Martínez Martínez, F., Et cum Juda traditore domini, Initium 10 (2005), 86; Herbers, K., Geschichte Spaniens im Mittelalter, 2006; López Sánchez, J., Der Einfluss der europäischen Geschichtsschreibung auf die Madrider historische Rechtsschule (1910-1936), ZRG GA 123 (2006), 345; Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006; Collado Seidel, C., Der spanische Bürgerkrieg, 2006; Ross, F., Justiz im Verhör, 2006; Römermann, M., Kündigungen und Kündi­gungsschutz im Franquismus, 2007; Bossong, G., Das maurische Spanien, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 958; Timmermann, A., Die „gemäßigte Monarchie“ in der Verfassung von Cádiz (1812) und das frühe liberale Verfassungsdenken in Spanien, 2007; Franquismus und Salazarismus, hg. v. Fernández-Crehuet Lopez, D. u. a., 2008; Damler, D., Imperium contrahens, 2008; Hispania-Austria III - Der spanische Erbfolgekrieg, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2009

Sparkasse ist das Unternehmen, das Spardarlehen annimmt und verwaltet sowie andere Bankgeschäfte betreibt. Die S. erscheint als Idee in Frankreich 1611. Nach ähnlichen Vorläufern (Salem 1749 Waisenkasse) wird sie am Ende des 18. Jh.s im Heiligen römischen Reich eingerichtet (Hamburg 1778, Oldenburg 1786, Kiel 1796). Gesetzliche Regeln werden seit 1838 erlassen (Preußen). Seit dem Ende des 19. Jh.s erfolgen Zusammenschlüsse der mehreren hun­dert Sparkassen.

Lit.: Köbler, DRG 176; Malchus, C. v., Die Sparkassen in Europa, 1838; Trende, A., Geschichte der deutschen Sparkassen, 1957; Huter, F., Geschichte der Sparkasse der Stadt Innsbruck 1822-1958, 1962; Wysocki, J., Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen, 1980; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Pohl, H., Die rheinischen Sparkassen, 2001

Sparta

Lit.: Clauss, M., Sparta, 1983; Cartledge, P./Spawforth, A., Hellenistic and Roman Sparta, 1992; Link, S., Der Kosmos Sparta, 1994; Thommen, L., Lake daimonion politeia, 1996; Baltrusch, E., Sparta, 1998; Meier, M., Aristokraten und Damoden, 1998; Sparta, hg. v. Hodkinson, S. u. a., 1999; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003; Thommen, L., Sparta, 2003, Luther, A., Könige und Ephoren, 2004; Welwei, K., Sparta, 2004; Das frühe Sparta, hg. v. Luther, A. u. a., 2006>; Ducat, J., Spartan Education, 2006

Spätantike ist das ausgehende Altertum vom 3. bis zum 6. Jh. Umstritten ist das Fortleben antiker Einrichtungen im → Mittelalter. → Kontinuität

Lit.: Köbler, DRG 50; Seeck, O., Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 4. A. 1921, Neudruck 2000; Martin, J., Spätantike und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Demandt, A., Geschichte der Spätantike, 1998, 2. A: 2008; Henning, D., Periclitans res publica, 1999; Laniado, A., Recherches sur les notables municipaux dans l’empire protobyzantin, 2002; Le trasformazioni delle élites in età tardoantica, hg. v. Testa, R. L., 2006; Dinzelbacher, P. u. a., Europa in der Spätantike 300-600, 2007; König, I., Die Spätantike, 2007

Spätmittelalter ist das ausgehende Mittelalter vom 13. Jh. (Interregnum 1254-1273) bis zum 15. Jh. (Entdeckung der Neuen Welt 1492).

Lit.: Köbler, DRG 93; Das 14. Jahrhundert, hg. v. Buckl, W., 1995; Meuthen, E., Das 15. Jahrhundert, 3. A. 1996; Dirlmeier, U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2003; Signori, G., Das 13. Jahrhundert, 2007

SPD (→ Sozialdemokratische Partei Deutsch­lands)

species (lat. [F.]) Art in Gegensatz zu genus (lat. [N.]) Gattung

specificatio (lat. [F.]) Verarbeitung

speculum (N.) Spiegel (als Buchtitel z. B. schon Speculum quis ignorat Augustinus‘ 354-430)

Lit.: Grabes, H., Speculum, 1973; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 415

Speculum (N.) iudiciale (lat., Gerichtsspiegel) ist das zwischen 1276 und 1290 entstandene Rechtsbuch des französi­schen Geistlichen und Modeneser Rechtslehrers Wilhelm → Durantis (um 1237-1296), das unter Einbeziehung der Verfah­rens­wirklichkeit die gesamte geistliche Gerichtsbarkeit ausführlich darstellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Durantis, W., Speculum iudiciale, 1574, Neudruck 1975

Spedition ist die gewerbsmäßige Übernahme der Besorgung von Güterversendungen durch Frachtführer oder Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung eines anderen in eigenem Namen. Sie entsteht im Spätmittelalter. Im frühen 20. Jh. entwickeln die Spediteure erste allgemeine Spediteurbedingungen (Berlin 1919).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913

Spee (Spee von Langenfeld), Friedrich von (Kaiserswerth 25. 2. 1591-Trier 7. 8. 1635) wird nach dem Studium der Theologie 1610 Jesuit. 1631 veröffentlicht er die (lat.) Cautio (F.) criminalis contra sagas (Strafrechtliche Vorsicht gegenüber Hexen, Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse), in der er sich gegen Verfahrensunrecht im → Hexenprozess und damit vor allem die → Folter wendet. Allgemeinere Auswirkungen hat sein Werk erst im 18. Jh.

Lit.: Köbler, DRG 107; Spee, F. v., Cautio Criminalis, deutsche Ausgabe v. Ritter, J. 1939; Zwetsloot, H., Friedrich Spee und die Hexenprozesse, 1954; Rosenfeld, E., Friedrich Spee von Langenfeld, 1958; Geilen, H., Die Auswirkungen der Cautio criminalis, Diss. jur. Bonn 1963; Ritter, J., Friedrich von Spee, 1977; Sellert, W., Friedrich Spee von Langenfeld, NJW 39 (1986), 1222; Waider, H., Miszellen über Friedrich von Spee, FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Köln, 1988, 531; Friedrich Spee, hg. v. Franz, G., 1995; Spee, F. v., Cautio criminalis, übertragen v. Ritter, J., 1939, 6. A. 2000

Speer

Lit.: Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297

Spencer, Herbert (Derby 27. 4. 1820-Brighton 8. 12. 1903) ist der liberale Philo­soph, der das Grundprinzip universalen Geschehens in der Entwicklung zu immer besseren Formen sieht.

Lit.: Köbler, DRG 179

Speranskij, Michail Michailovic (Tscher­kutino/Wladimir 1772-St. Petersburg 23. 2. 1839) legt als engster Vertrauter des Zaren für → Russland 1808/1809 ohne durchgreifenden Erfolg einen Vorschlag zur Änderung der Herrschaftsverhältnisse nach englischem Vor­bild vor (1810 Reichsrat). Er erreicht nach zwischenzeitlicher Verbannung nach Sibirien (1812) die Schaffung der Gesetze des rus­sischen Reiches (Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii bis 1828/1830) und die Zusammenfassung aller geltenden russischen Gesetze (Svod zakonov 1832, 15 Bände mit 60000 Artikeln). Damit schafft er eine wichtige Grundlage für die russische Rechts­ent­wicklung.

Lit.: Raeff, M., Michail Speranskij, 1957

Speyer am Rhein (kelt. Noviomagus), der Hauptort der germanischen Nemeter, wird 614 als Bischofssitz bezeugt. Seit 1294 ist der von den → Saliern durch Privilegien ausgezeichnete Ort → Reichsstadt. Von 1526/1527 bis 1689 beherbergt S. das → Reichskammergericht, in der Gegenwart eine (deutsche) Verwaltungshochschule mit Professoren der Rechtswissenschaft.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Harster, T., Das Strafrecht, 1900; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Seidel, L., Die Finanzwirtschaft der freien Reichsstadt Speyer, Diss. rer. pol. Frankfurt am Main 1956; Voltmer, E., Reichsstadt und Herrschaft, 1981; Fouquet, G., Das Speyerer Domkapitel, 1987; Meier, M./Welwei, K., Interpolationen in einem Speyerer Judenprivileg?, ZRG GA 112 (1995), 408; Neumann, H., Sozialdis­ziplinierung in der Reichsstadt Speyer, 1997; Ammerich, H., Kleine Geschichte der Stadt Speyer,

Spezialexekution (F.) Einzelvollstreckung

Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 I; Köbler, DRG 34

Spezialität (F.) Bezug eines dinglichen Rechts auf jeweils eine spezielle, individuell bestimmte Sache (körperlichen Gegenstand, anders z. B. Generalhypothek des römischen Rechts)

Spezialprävention ist die Verhütung von Straftaten durch Abschreckung gegenüber einem einzelnen Straftäter. Sie ist ein → Strafzweck (von → Grolman 1775-1829, von → Liszt 1882).

Lit.: Köbler, DRG 204, 269

Spezieskauf (M.) Stückkauf im Gegensatz zum Genuskauf (Gattungskauf)

Sphragistik (F.) Siegelkunde

Lit.: Köbler, DRG 3

Spiegel → speculum, Sachsenspiegel, Deut­schenspiegel, Schwabenspiegel, Fürsten­spiegel, Ritterspiegel, Klagspiegel, Laienspie­gel

Lit.: Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 81985), 13

Spiegelnde Strafe ist die Strafe, die in ihrer Ausführung erkennbaren Bezug auf die ausgeführte Straftat nimmt (z. B. Abschlagen der Schwurhand oder Abschneiden der Zunge des Meineidigen, Verbrennen des Brandstifters). Ihre Herkunft ist ungewiss, ihre wirkliche Bedeutung gering. → Talion

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Spiel ist die allein aus Freude und ohne ernsthafte praktische Zielsetzung erfolgende Tätigkeit. Rechtlich ist S. ein Vertrag, bei dem sich die Beteiligten eine Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen versprechen, um sich zu unterhalten und möglicherweise Gewinn zu erzielen. Bereits Tacitus berichtet vom mit höchstem Einsatz und Gefahr für Gut und Freiheit betriebenen Würfelspiel der Germanen. Das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubtem und unerlaubtem S. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird die Forderung aus S. klaglos gestellt. Die Obrigkeit verbietet seit dem Spätmittelalter teils das S. unter Ord­nungs­gesichtspunkten, teils lässt sie es zwecks Erzielung von Einkünften (Steuern, Abgaben) unter Aufsicht zu (Spielbank, Spielcasino).

Lit.: Hübner § 87 II; Schuster, H., Das Spiel, 1878; Wohlhaupter, E., Zur Rechtsgeschichte des Spieles in Spanien, Spanische Forschungen 3 (1931), 92; Hartung, W., Die Spielleute, 1982; Endrei, W., Spiel und Unterhaltung im alten Europa, 1986; Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007; Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, 2008

Spießbürger ist der nur mit dem eigenen Spieß bewaffnete einfache → Bürger.

Spießrecht

Lit.: Bonin, B. v., Das Spießrecht in der Theorie des 17. und 18. Jahrhunderts, ZRG GA 25 (1904), 52

Spießrutenlaufen ist das Laufen eines Menschen (z. B. Fahnenflüchtigen) zwischen zwei Reihen von mit Spießen oder spitzen Ruten bewaffneten Menschen zwecks De­mütigung oder Züchtigung. Es ist im Altertum wie in der frühen Neuzeit bekannt. Es führt als Folge des menschlichen Wesens vielfach zum Tod des Läufers.

Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, 1976

Spindel (F.) Spinngerät

Spindelmage (F.) weibliche Verwandte

Lit.: Hübner §§ 106, 11; Kroeschell, DRG 1; Schröder, R., Über die Bezeichnung der Spindelmagen, ZRG GA 4 (1883), 1

Spinoza, Benedictus (Baruch) de (Amsterdam 24. 11. 1632-Den Haag 21. 2. 1677), portu­giesisch-jüdischer Kaufmannssohn, wird nach der geistigen Lösung vom Judentum (1656) Linsenschleifer und Philosoph. Er geht von der Identität Gottes mit der Natur aus, lässt den Menschen glückselig sein, der allein nach der Notwendigkeit seiner vernünftigen Natur lebt, und hält die Demokratie für den besten Staatszustand. Am Ende des 18. Jh.s werden diese Vorstellungen vielfach aufgegriffen.

Lit.: Dunin Borkowski, S. v., Spinoza, Bd. 1ff. 1933; Steffen, H., Recht und Staat im System Spinozas, 1968; Hong, H., Spinoza und die deutsche Philosophie, 1988; Senn, M., Spinoza und die deutsche Rechtswissenschaft, 1991; Ethik, Recht und Politik bei Spinoza, hg. v. Senn, M. u. a., 2001; Senn, M., Vom Recht der großen und kleinen Fische, (in) Recht, Moral und Faktizität, 2008, 201

Spionage

Lit.: Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000

spiritualis (lat.) geistlich (in Gegensatz zu lat. temporalis, lat. zeitlich bzw. weltlich)

Spital (zu lat. hospitalis) oder Hospital ist das Haus zur Beherbergung von Fremden, Kranken, Alten und Armen. Es entsteht im ausgehenden Altertum. Im Mittelalter geht das S. zunächst auf die Kirche zurück (Abtei, Kloster, Domspital). Seit dem Hochmittelalter kommen ritterliche und andere Orden, seit dem ausgehenden Mittelalter auch reiche Bürger als Gründer hinzu. Das S. wird als eigene Verbandsperson eingeordnet. Seit dem 18. Jh. wird das allgemeine S. durch besondere Ein­richtungen (z. B. Krankenhaus) abgelöst.

Lit.: Reicke, S., Das deutsche Spital und sein Recht, Bd. 1f. 1932, Neudruck 1970; Imbert, J., Les hopitaux en droit canonique, 1947; Nasalli Rocca, E., Il diritto ospedaliero, 1956; Tierney, B., Medieval poor law, 1959; Berger, W., Das St.-Georgs-Hospital zu Hamburg, 1972; Wendehorst, A., Das Juliusspital in Würzburg, 1976; Kolb, P., Die Juliusspital-Stiftung zu Rothenfels, 1985; Jetter, D., Das europäische Hospital, 1986; Macht der Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital, hg. v. Schmauder, A., 2000; Funktions- und Strukturwandel spätmittel­alterlicher Hospitäler, hg. v. Matheus, M., 2003; Drossbach, G., Christliche caritas als Rechtsinstitut, 2004; Watzka, C., Vom Hospital zum Krankenhaus, 2005; Pauly, M., Peregrinorum, pauperum ac aliorum transeuntium receptaculum, 2007 (528  Hospitäler in 353 Orten) Hensel-Grobe, M., Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007; Europäisches Spitalwesen, hg. v. Scheutz, M. u. a., 2008

Split (Aspalathos) an der Adria entsteht um einen von Kaiser Diokletian im späten 3. Jh. n. Chr. errichteten Palast. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Erzbischofs. 1396 erhält es eine Universität, die 1974 erneuert wird. Über Venedig (1420-97) kommt es an Österreich, 1918 zu Jugoslawien.

Lit.: Steindorff, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Du­sa, J., The Medieval Dalmatian Episcopal Cities, 1991

Spolienrecht → ius spolii

Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Kaps, J., Das Testamentsrecht, 1958; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittelalter, ZRG GA 84 (1967), 128

Sponsalia (lat. [N.Pl.]) ist seit dem altrömischen Recht das → Verlöbnis. Später wird unter (lat.) sponsalia de futuro (be­züglich der Zukunft) das Verlöbnis, unter sponsalia de praesenti (bezüglich der Gegen­wart) die Eheschließung verstanden

Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22

Sponsio (lat. [F.]) ist seit dem altrömischen Recht das Versprechen (Gelöbnis) oder die daraus entstehende Verpflichtung. Von hier aus wird die s. eine der drei Formen der → Bürgschaft. Auf ein Vertragsangebot (lat.) spondesne (versprichst du?) wird die Antwort (lat.) spondeo (ich verspreche) gegeben.

Lit.: Kaser §§ 7 III, 32 II, 57 II, 58 III; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Köbler, DRG 27, 44, 63

Sport ist die um ihrer selbst willen, zur Stär­kung der Gesundheit oder aus Interesse am körperlichen Wettkampf ausgeübte körper­liche Tätigkeit. Der S. ist bereits im Altertum bedeutsam (z. B. Olympia). Wirtschaftliches Gewicht erlangt er seit der Professiona­lisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s, mit der er auch stärker verrechtlicht wird.

Lit.: Decker, W., Sport in der griechischen Antike, 1995; Newby, Z., Greek Athletics in the Roman World, 2005

Sprache ist die in Zeit und Raum unter­schiedliche lautliche Gestalt menschlicher Gedanken, wobei das durchschnittliche Wortschatzwissen der Gegenwart rund 50000 Einheiten umfasst, semantisch einfach, aber stark vernetzt und zwischen lautlichem Ausdruck und Inhalt (Bedeutung) nur lose verbunden ist. Das → Recht kann am ehesten über Sprache wirken. Die an sich vergängliche Sprache kann durch → Schrift und andere Aufzeichnungen verhältnismäßig dauerhaft gemacht werden. In der Welt bestehen 2000 rund 6500 verschiedene Sprachen, von denen etwa 50 nur mehr einen einzigen Sprecher haben, so dass alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt.

Lit.: Köbler, DRG 9; Köbler, LAW; Köbler, WAS; Günther, L. Recht und Sprache, 1898; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919; Zaunmüller, W., Bibliographi­sches Handbuch der Sprachwörterbücher, 1958; Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Sonderegger, S., Die Sprache des Rechts im Germanischen, Schweiz. Monatshefte 42 (1962), 259; Schmitt, L., Entstehung und Struktur der neuhochdeutschen Schriftsprache, Bd. 1 1966; Baier, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd. 1ff. 1986ff.; Vollmann-Profe, G., Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit, 1986; Sprache und Recht (FS Schmidt-Wiegand, Ruth), hg. v. Hauck, K. u. a., 1986; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Germanische Rest- und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1989; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991; Lyons, J., Die Sprache, 4. A. 1992; Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenscahft des 18. Jahrhunderts, hg. v. Brekle, H., Bd. 1ff. 1992ff.; Beiträge zum Sprachkontakt und zu den Urkundensprachen zwischen Maas und Rhein, hg. v. Gärtner, K. u. a., 1995; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Lyons, J., Einführung in die moderne Linguistik, 8. A. 1995; Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, 9. A. 2004; Lexicon grammaticorum, hg. v. Stammerjohann, H., 1996; Bodmer, F., Die Sprachen der Welt, 1997; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 388; Recht und Sprache in der deutschen Aufklärung, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2001; Lohaus, M., Recht und Sprache in Österreich und Deutschland, 2000; Crystal, D., Language Death, 2000; Haarmann, H., Kleines Lexikon der Sprachen, 2001; Haarmann, H., Lexikon der untergegangenen Sprachen, 2002; Görgen, A., Rechtssprache in der frühen Neuzeit, 2002; Geschichte der deutschen Sprache, bearb. v. Langner, H. u. a., 9. A. 2004; Deisler, D., Die entnazifizierte Sprache, 2. A. 2006

Sprichwort → Rechtssprichwort

Lit.: Röhrich, L./Mieder, W., Sprichwort, 1977; Thesaurus proverbiorum medii aevi, begr. v. Singer, S., Bd. 1ff. Bd. 6 (heilig-Kerker) 1998

Spruch (M.) Urteil

Spruchkollegium ist das für ein Urteil zuständige Kollegium (z. B. juristische Fakul­tät seit dem 14. Jh., verstärkt im Rahmen der → Aktenversendung vom 16. bis 19. Jh.).

Lit.: Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, ZRG GA 62 (1942).; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Haalck, J., Die Rostocker Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Haalck, J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt (Oder), FS R. Lehmann, 1958; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät, 1969; Weiß, R., Aus der Spruchtätigkeit der alten Juristenfakultät zu Kiel, Diss. jur. Kiel 1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät, 1966; Gehring, H., Das Lehrzucht­verfahren in der evangelischen Kirche, Diss. jur. Göttingen, 1968, Schikora, A., Die Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt, 1972; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1980 masch.schr.; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1982 masch.schr.

Spurfolge ist die Verfolgung der Spuren eines Diebes im älteren Recht. Im fränkischen Recht ist S. nur in einer Frist von 3 Nächten zulässig. Die S. erlaubt, wenn die Spur in ein Haus führt, dessen Durchsuchung.

Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthand­verfahren, ZRG GA 68 (1951), 1; Vec. M., Die Spur des Täters, 2002

SS (Schutzstaffel) (1929 280 Mann stark, Heinrich Himmler unterstellt)

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten, 6. A. 1999; Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung – Das Wirt­schaftsimperium der SS, 2001; Syndor, C., Soldaten des Todes, 2002; Dierker, W., Himmlers Glaubenskrieger, 2003; Die SS, hg. v. Smelser, R. u. a., 2. A. 2003; Schwan, H./Heindrichs, H., Der SS-Mann – Josef Blösche, 2003; Kaienburg, H., Die Wirtschaft der SS, 2003; Bidigarai Diehl, P., Macht – Mythos – Utopie, 2004; Cüppers, M., Wegbereiter der Shoa, 2005; Schneider, C., Die SS und „das Recht“, 2005; Longerich, P., Heinrich Himmler, 2008; Die SS, Himmler und die Wewelsburg, hg. v. Schulte, J., 2009

Staat ist die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer Anzahl von Men­schen (Staatsvolk) auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche (Staatsgebiet) unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft obersten Willensträger (Staatsgewalt), sofern sich die von diesem Willensträger aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt hat und keinem völkerrechts­widrigen Zweck dient. Als S. wird bereits der Stadtstaat des Altertums eingeordnet (Athen, Rom). Im Übrigen entsteht der S. wohl erst seit dem Spätmittelalter. Er erzielt Einkünfte zunächst vor allem aus seinen Gütern, dann zunehmend auch durch Steuern. Er ist Verbandsperson bzw. seit dem 19. Jh. → juristische Person des öffentlichen Rechts. Durch Verdichtung der Herrschaft steigert der → Souveränität beanspruchende S. seine Machtausübung in der frühen Neuzeit zum → Absolutismus. Hiergegen wenden sich aufgeklärte Philo­sophen, deren Gedanken seit der → französischen Revolution zum (theoretischen) Übergang der Staatsgewalt auf das Volk (→ Volkssouveränität) und zur Teilung der Staatsgewalt unter verschiedenen Staatsor­ganen (→ Gewaltenteilung) führen. Dennoch wächst die Macht des von Wilhelm Albrecht 1837 erstmals als juristische Person ein­geordneten Staates und die Gefahr ihres Missbrauches durch jeweilige Amtsträger unaufhörlich. Die formelle → Verfassung (1776) vermag sie nicht in jedem Fall zuverlässig zu begrenzen. Die beste Sicherheit bietet die allgemeine Anerkennung inhaltlich rechtstreuer Gesin­nung. Dies ist um so wichtiger, je mehr sich der S. aufbläht (im Deutschen Reich 1925 fast 2000000 Beschäf­tigte = 5,6 Prozent aller Erwerbstätigen, 8,4 % der abhängigen Erwerbstätigen, Anteil der gesamten öffentlichen Wirtschaft am Volks­einkommen rund 10 Prozent). Zwischen 1800 und 2000 erhöht der Staat seinen Anspruch auf das Gesamteinkommen von etwa einem Zehntel auf etwa die Hälfte, wobei um 1800 zwei Drittel der Staatseinkünfte für Verteidigung und Innvenverwaltung ausgege­ben werden, um 2000 für Infrastruktur, Bildung und Soziales.

Lit.: Kaser § 17 II 1a; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111, 136, 140, 176, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 1; Redslob, R., Die Staatstheorien der französischen Nationalversammlung von 1789, 1912; Below, G. v., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1914; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow 37 (1916), 131; Fleiner, F., Entstehung und Wandlung moderner Staatstheorien in der Schweiz, 1916; Keutgen, F., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1918; Der deutsche Staatsgedanke, zusammengestellt v. Joachimsen, P., 1921, Neudruck 1967; Goebel, J., The equality of States, 1923; Weimann, K., Der Staat des deutschen Mittelalters, 1925; Schramm, P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG GA 49 (1929), 167; Schulte, A., Der deutsche Staat, 1933; Mayer, T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Stolz, O., Das Wesen des Staates im deutschen Mittelalter, ZRG GA 61 (1941), 234; Jantke, C., Preußen, Friedrich der Große und Goethe in der Geschichte des deutschen Staatsgedankens, 1941; Lemke, W., Entwicklung des deutschen Staats­gedankens bei Friedrich Nietzsche, 1941; Heydte, F. Frhr. v. d., Die Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952; Vaccari, P., Stato e classi nel paesi Europei, 1957; Häfelin, U., Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Suerbaum, W., Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1961, 2. A. 1970; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Kudrna, J., Stát a společnost na úsvitě italské renesance (Staat und Gesellschaft am Vorabend der italienischen Renaissance), 1964; Willi, H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964 (Diss. jur. Bern 1954); Willi, H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964; Koerber, E. v., Die Staatstheorie des Erasmus von Rotterdam, 1967; Hauser, S., Untersuchungen zum semantischen Feld der Staatsbegriffe, Diss. phil. Zürich 1967; Entrèves, A. Passerin d’, The Notion of the State, 1967; Mager, W., Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffs, 1968; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 11. A. 1986; Weinacht, P., Staat, 1968; Quaritsch, H., Staat und Souveränität 1, 1970; Conrad, H., Der deutsche Staat, 2. A. 1974; Hanisch, W., Der deutsche Staat König Wenzels, ZRG GA 92 (1975), 21; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Strayer, J., Die mittel­alterlichen Grundlagen des modernen Staates, 1975; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Struve, T., Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung im Mittelalter, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Ogris, W., Recht und Staat bei Maria Theresia, ZRG GA 98 (1981), 1; Adomeit, K., Antike Denker über den Staat, 1982; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stollberg-Rilinger, B., Der Staat als Maschine, 1986; Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Renaissance du pouvoir législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Breuer, Der archaische Staat, 1990; Stichweh, R., Der frühmoderne Staat, 1991; Conquest and Coalescence, hg. v. Greengrass, M., 1991; Schulze, H., Staat und Nation, 1994; Staatsaufgaben, hg. v. Grimm, D., 1994; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 10. A. 2003; Demandt, A., Antike Staatsformen, 1995; Truhart. P., Historical Dictionary of States - Lexikon der historischen Staatsnamen, 1995; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herzog, R., Staaten der Frühzeit, 2. A. 1998; Hillgruber, C., Die Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechts­gemeinschaft, 1998; Leuthäusser, W., Die Entwicklung staatlich organisierter Herrschaft, 1998; Staatliche Vereinigung, hg. v. Brauneder, W., 1998; Jost, E., Staats­schutzgesetzgebung, 1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna. Territoriale Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellaberba, M. u. a., 2000; Reinhard, W., Ver­staatlichung der Welt?, 1999; Kersting, W., Platons „Staat“, 1999; Demandt, A., Der Idealstaat, 2000; Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000; Uhlenbrock, H., Der Staat als juristische Person, 2000; Di Fabio, U., Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001; Schulz, G., Europa und der Globus – Staaten und Imperien seit der Antike, 2001; Giannios, S., Das Werden des Palästinenserstaats, 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, 2002; Roth, K., Genealogie des Staates, 2003; Maitland, F., State, Trust and Corporation, ed. by Runciman, D. u. a., 2003; Staatsformen, hg. v. Gallus, A. u. a., 2004, 2. A. 2007; Schulze, H., Staat und Nation in der europäischen Geschichte, 2004; Staatsformen, hg. v. Gallus, A. u. a., 2004; Das Wissen des Staates, hg. v. Collin, P. u. a., 2004; Rösler, J., Der Ursprung des Staates, 2004; Staatsbildung als kultureller Prozess, hg. v. Asch, R. u. a., 2005; Figurationen des Staates, hg. v. Chatriot, A. u. a., 2005; Statehood before and beyond Ethnicity, hg. v. Eriksonas, L. u. a., 2005; Zusammengesetzte Staatlich­keit in der europäischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Becker, H., 2006; Vom Feld, I., Staatsentlastung im Technikrecht, 2007; Politeia - staatliche Verfasstheit bei Platon, hg. v. Nitschke, P., 2008

Staatenbund ist der vertraglich vereinbarte Bund mehrerer souverän bleibender Staaten (z. B. Vereinigte → Niederlande 1579-1795, → Rheinbund 1806-1813, → Deutscher Bund 1815, → Schweiz 1815-1848, Staatengemein­schaft oder Staatenverbund → Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union 1952 bzw. 1993). Der S. ist kein Staat und kein Völkerrechtssubjekt. Rechtssätze (des Staa­ten­bunds) erlangen in den Staaten grund­sätzlich nur durch Umsetzung (Transfor­mation) Geltung.

Lit.: Ebers, G., Die Lehre vom Staatenbunde, 1910, Neudruck 1966; Politz, C., Die Verfassung des deutschen Staatenbundes, Bd. 1f. 1847; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, 1975; Kuschnick, M., Integration in Staatenverbindungen, 1999

Staatenhaus ist die Vertretung der Staaten in der Verfassung des geplanten → Deutschen Reiches von 1848. Das S. besteht aus 192 von den Regierungen und den Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten Mitgliedern.

Lit.: Köbler, DRG 194

Staatsangehörigkeit ist die Mitgliedschaft eines Menschen in einem Staat. Sie erscheint nach älteren frühneuzeitlichen Vorläufern in Frankreich 1791, im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) nach 1800. Seitdem wird sie im Gefolge des Code Napoléon (Art. 9-21) (1804) Frankreichs meist gesetzlich besonders geregelt (z. B. [§§ 28ff. ABGB Österreichs von 1811,] Preußen 1842, Deutsches Reich 1870, 1913 Übergang vom Territorialgrundsatz zum Abstammungsprin­zip, am Beginn des 21. Jh.s aus Mangel an Beitragszahlern zur Sozialversicherung für Zuwanderer gelockert).

Lit.: Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Vanel, M., Histoire de la nationalité française, 1945; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973; Hecker, H., Staatsangehörigkeit im Code Napoléon, 1980; Gosewinkel, D., Die Staatsangehörigkeit als Institution des Nationalstaats, (in) Offene Staatlichkeit, 1995; Ernst, A., Das Staatsangehörigkeitsrecht, Diss. jur. Münster 1999; Gosewinkel, D., Einbürgern und ausschließen, 2001; Trevisiol, O., Die Einbürgerungs­praxis im deutschen Reich 1871-1945, 2006

Staatsanwalt ist der Vertreter des Staates in der Strafanklage. Der auch die ausführende Staatsgewalt gegenüber der unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit stärkende S. findet sich nach französischem Vorbild (procurator des Königs als Vertreter der königlichen Interessen [z. B. Einziehung von Geldbußen] vor Gericht 14. Jh., → ordonnance de Villers-Cotterets von 1539, ab Ordonnanz von 1670 beherrschende Stellung im Strafverfahren, öffentliche Partei zur Vertretung öffentlicher Interessen und zur Kontrolle der Richter, ministère public [Dienststelle für öffentliche Angelegenheiten], nach 1789 an Stelle der königlichen Prokuratoren vom König ernann­te, königliche Kommissare als Gesetzes­wächter im Verfahren einerseits und vom Volk gewählte öffentliche Ankläger am Gerichtshof anderer­seits, Aufhebung dieser Zweiteilung durch die Jakobiner, erneute Trennung beider Funktionen nach dem Sturz Robespierres, mit der Verfassung vom Dezember 1799 endgültige Aufhebung der Trennung von Anklagefunktion und Gesetzes­wächteramt und Verschwinden des öf­fentlichen Anklägers und damit Eröffnung der modernen Staatsanwaltschaft, ministère de public 1808) seit 1810 im linksrheinischen Rheinland. Es folgen Baden 1831, Hannover 1841 (öffentlicher Anwalt, Kriminalfiskal Vertreter des öffentlichen Strafverfol­gungsinteresses, 1849 provisorische Staatsan­waltschaft) und Preußen (1. 1.) 1846 unter teilweiser Beschränkung auf bestimmte Verfahren, 1877/1879 das Deutsche Reich (1893 Oberreichsanwalt, 4 Reichsanwälte am Reichsgericht, 54 Staatsanwälte bei den Oberlandesgerichten, 542 Staatsanwälte bei den Landgerichten). Das ursprünglich für den S. geltende → Legalitätsprinzip weicht seit­dem zunehmend dem → Opportunitätsprin­zip.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 202, 203, 228, 235; Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft in Deutschland, 1860; Elling, E., Die Einführung der Staatsanwaltschaft, 1911, Neudruck 1977; Carsten, E., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft, 1932, Neudruck 1971; Sättler, A., Die Entwicklung der französischen Staatsanwaltschaft, Diss. jur. Mainz 1956; Schuh­macher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Biebl, W., Zur Geschichte der Staatsanwaltschaft, Bay. VwBll. 1992; Wohlers, W., Entstehung und Funktion der Staatsanwaltschaft, 1994; Knollmann, J., Die Einführung der Staatsanwaltschaft, 1994; Festgabe 150 Jahre Staatsanwaltschaft Berlin, hg. v. d. Senatsverwaltung für Justiz, 1997; Collin, P., „Wächter der Gesetze“ oder „Organ der Staatsregierung“? Konzipierung, Einrichtung und An­lei­tung der Staatsanwaltschaft, 2000; Staatsanwaltschaft, hg. v. Durand, B., 2005; Wulff-Kuckelsberg, S., Procureurs, 2005; Lacher, A., Friedrich Oskar von Schwarze (30. 09. 1816-17. 01. 1896), Diss. jur. Würzburg 2008

Staatsaufsicht

Lit.: Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000

Staatsbürger ist das bewusst als Bürger mit Teilhaberecht am Staat (Staatsangehörigkeit) verstandene Mitglied eines Staates. Der S. wird zwischen 1770 und 1789 allgemein anerkannt (in Österreich 1811 in den §§ 28ff. ABGB geregelt, 1849 einheitlich, Heimat­recht in einer Gemeinde, 1867 für Cislei­thanien und Transleithanien getrennt, 1920 Bundesstaatsbürgerschaft und Landes­staats­bürgerschaft, 1938 deutsche Staatsbür­ger­schaft, 1945 Bundesstaats­bürger­schaft und Lan­des­staatsbürgerschaft ohne besonderes Heimatrecht, 1988 einheitliche Staatsbürger­schaft Österreichs). 1919 werden im Deut­schen Reich die S. einander gleichgestellt.

Lit.: Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Weinacht, P., Staatsbürger, Der Staat 8 (1969), 41; Bürger und Bürgerlichkeit, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Reiter, I., Ausgewiesen, abge­scho­ben, 2000; Gosewinkel, D., Einbürgern und Aus­schließen, 2001; Pütter, N., Teilnahme und Staatsbür­gertum, 2001; Fahrmeir, A., Die moderne Staatsbürger­schaft und ihre Grenzen, HZ 286 (2008), 641

Staatsgebiet → Staat

Lit.: Stengel, E., Regnum und imperium, 1930

Staatsgerichtshof ist im 19. Jh. das Ver­fassungsgericht (→ Verfassungsgerichts­bar­­keit) einzelner Staaten vor allem für An­klagen gegen oberste Verwaltungsorgane wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung (Würt­tem­berg 1819, Sachsen 1831, Bayern 1848, Kremsierer Entwurf Österreichs, Märzver­fassung Österreichs 1849, aber nicht ver­wirklicht und 1851 formell wieder beseitigt, durch Gesetz vom 25. 7. 1867 wieder eingeführt, aber nie verwendet, 3. 4. 1919 Verfassungsgerichtshof [1921, 1923 und 1985 staatsgerichtliche Verfahren durchgeführt] Sachsen-Weimar-Eisenach 1850, Ol­denburg 1852, Baden 1868), 1921 für das Deutsche Reich. Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Staatsgerichtshöfe steht vor allem die → Ministeranklage. Nach 1945 gehen die meisten Länder zu einem → Verfassungsgericht über.

Lit.: Scheel, M., Die Staatsgerichtshöfe der deutschen Länder, Diss. jur. Leipzig 1931; Grund, H., Preußenschlag und Staatsgerichtshof, 1976; Wehler, W., Der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, Diss. jur. Bonn 1979; Vetter, J., Die Bun­desstaatlichkeit, 1980; Landesverfassungsgerichts­bar­keit, hg. v. Starck, C. u. a., 1983; Hueck, I., Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik, 1996

Staatsgewalt → Staat

Lit.: Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Wenger, L., Hausgewalt und Staatsgewalt im römischen Altertum, 1942; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Lieberwirth, R., Die historische Entwicklung der Theorie vom vertraglichen Ursprung des Staates, SB. d. sächs. Akad. d. Wiss. 118, 2, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1978; Koch, B., Rechtsbegriff und Wider­standsrecht, 1985; Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt, 1999; Weber-Fas, R., Über die Staatsgewalt, 2000; Gerstenberger, H., Die subjektlose Gewalt, 2. A. 2006

Staatsgrundgesetz ist die Bezeichnung für ein die Verfassung des Staates grundlegend bestimmendes Gesetz (z. B. Österreich 20. 10. 1860, 21. 12. 1867). Die 5 bzw. 6 öster­reichischen Staatsgrundgesetze vom 21. 12. 1867 (→ Dezemberverfassung) betreffen die Reichsvertretung, die allgemeinen Rechte der Staats­bürger, die Einsetzung eines Reichs­ge­richts, die richterliche Gewalt und die Aus­übung der Regierungsgewalt und Voll­zugs­gewalt.

Lit.: Köbler, DRG 193, 231; Baltl/Kocher; Bauer, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Krech, J., Das schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985

Staatshaftung ist die Haftung des Staates für den durch staatliches Verhalten entstandenen Schaden. Sie beruht auf der bereits im 18. Jh. allgemein anerkannten Haftung des → Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten (Amtshaftung, Vorgänger Syn­dikatsklage gegen einen Richter z. B. in der Reichskammergerichtsordnung von 1555) und der Haftung des Staates als juristischer Person für ein Verhalten seiner Organe. Nach der Mandatstheorie kann dabei wegen Über­schrei­tung des Mandats rechtswidriges Verhalten des Beamten dem Fürsten oder Staat nicht zugerechnet werden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) setzt die Haftung des Beamten für schuldhafte Amts­pflichtver­letzungen fest, das preußische Be­amtenhaftungsgesetz (1909) und das Reichs­be­amtenhaftungsgesetz von 1910 lassen zum Schutz des Beamten den Staat eintreten (in Sachsen-Altenburg bereits 1831, in Sachsen-Coburg-Gotha bereits 1852, in Bayern 1899). Art. 131 WRV und Art. 34 GG knüpfen an die Beamtenhaftung des § 839 BGB an, leiten die Haftung aber auf den Staat über. Der Europäische Gerichtshof bejaht die Haftung des Staates für europarechtswidriges Verhalten der Gesetzgebung, Ausführung und Rechtsprechung (z. B. des Parlaments, der Verwaltung und des Verwaltungsge­richtshofs Österreichs).

Lit.: Köbler, DRG 259; Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat; Pfab, S., Staatshaftung in Deutschland, 1997; Ossenbühl, F., Staatshaftung, 5. A. 1998; Grzeszick, B., Rechte und Ansprüche, 2002; Bertelmann, H., Die Europäisierung des Staatshaftungsrechts, 2005

Staatshaushalt → Haushalt

Lit.: Köbler, DRG 225, 251; Riedel, A., Der brandenburg-preußische Staatshaushalt, 1866; Schmelzle, H., Der Staatshaushalt des Herzogtums Bayern, 1900; Friauf, P., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Müller, P., Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert, 1989; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006

Staatskanzler ist in Österreich im 18. und 19. Jh. die Amtsbezeichnung der Fürsten Kaunitz und Metternich als Leiter der Haus-, Hof- und Staatskanzlei und 1918 -1919 und 1945 Karl Renners.

Staatskirche ist die in einem Staat allein anerkannte Kirche (z. B. Rom in der Spätantike, evangelische Länder des Heiligen römischen Reiches [deutscher Nation], Großbritannien, Schweden, Spanien).

Lit.: Barceló, P., Constantius II. und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums, 2004

Staatskirchenrecht ist das staatliche, die Kirche betreffende Recht. Das Wort ist erst­mals im Motivenbericht zum Katholiken­gesetz Österreichs 1874 verwen­det. Es umfasst sachlich die Gesamtheit der staat­lichen Rechtssätze betreffend die Kirche bzw. die Religion.

Lit.: Heckel, M., Staat und Kirche, 1968; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973; Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1 1973; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Staat und Kirche im 20. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1ff. 1980ff.; Ortloff, C., Das staatskirchen­rechtliche System Wilhelm Traugott Krugs, 1998; Schneider, B., Ius reformandi, 2001; Ochsenfahrt, V., Die staatskirchenrechtliche Stellung des katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, 2007; Heckel, M., Vom Religionskonflikt zur Ausgleichs­ordnung, 2007

Staatslehre ist der seit dem Ende des 18. Jh.s entstehende Zweig der Rechtswissenschaft, der sich mit dem Wesen des Staates als solchem befasst.

Lit.: Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur, hg. v. Schulze, R., 1990; Staatslehrer der frühen Neuzeit, hg. v. Hammerstein, N., 1995; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Badura, P., Die Methoden der neueren allgemeinen Staatslehre, 2. A. 1998; Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005

Staatsnotstand ist die außerordentliche Gefahr für den Bestand eines Staates. Für diesen Fall enthält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seit 1968 eine Notstands­verfassung.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ballreich, H. u. a., Das Staatsnotrecht, 1955; Schüler-Springorum, H., Notstand im Völkerrecht, Diss. jur. Marburg 1956 masch.schr.; Der Staatsnotstand, hg. v. Fraenkel, E., 1965; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Radke, K., Der Staatsnotstand im modernen Friedensvölkerrecht, 1988; Casanova, A., Legale oder legitime Diktatur?, 2006

Staatsoberhaupt ist das an der Spitze eines Staa­tes stehende Staatsorgan (z. B. König, Prä­sident).

Lit.: Bouveret, M., Die Stellung des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen Diskussion und Staatsrechtslehre von 1848 bis 1918, 2003

Staatspolizei → geheime Staatspolizei

Staatsraison ist die zur Förderung des Staatswohles erforderliche Klugheit. Die S. wird in Italien im 16. Jh. aufgegriffen. Seit der Mitte des 18. Jh.s wird sie wegen der Nähe von Staat und Fürst oder Staat und Partei auch kritisch gesehen.

Lit.: Meinecke, F., Die Idee der Staatsraison, 4. A. 1976; Friedrich, C., Die Staatsraison im Verfassungsstaat, 1961; Stolleis, M., Staatsraison, 1972; Staatsraison, hg. v. Schnur, R., 1975; Lutz, H., Ragione di Stato, 2. A. 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Thuau, E., Raison d’État, 1966; Weinacht, P., Staat, 1968; Munkler, H., Im Namen des Staates, 1987; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in) Libertas, 1991, 301; Tieck, K., Staatsräson und Eigennutz, 1998; Staatsräson in Deutschland, hg. v. Heydemann, G. u. a., 2003

Staatsrat ist das der Staatsleitung dienende Be­ra­tungsorgan (z. B. Österreich 10. 12. 1760-4. 4. 1848 [1851-26. 2. 1861 Reichsrat, 26. 2. 1861-12. 6. 1868 Reichsrat, 1918-März 1919], 1934, Preußen 1808-1817, 1921-1933 [etwa 80 Mitglieder]). In der → Deutschen Demokrati­schen Republik ist der S. ab 12. 9. 1960 Lei­tungsorgan.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Hoch, C., Frhr. v., Der österreichische Staatsrat (1760-1848), 1879, Neudruck 1972; Hintze, O., Der österreichische Staatsrat im 16. und 17. Jahrhundert, ZRG GA 8 (1887), 137; Schneider, H., Der preußische Staatsrat, 1952; Francksen, M., Die Institution des Staatsrates in den deutschen Staaten, ZNR 7 (1985), 19; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Michel, K., Der Staatsrat, 1998; Wrage, M., Der Staatsrat im Königreich Hannover 1839-1866, 2001; Der preußische Staatsrat 1921-1933, bearb. v. Lilla, J., 2005

Staatsrecht ist das den Staat im allgemeinen betreffende Recht. Dem S. geht die Reichspublizistik (Reichsstaatsrechtslehre) voraus, die sich mit der materiellen Verfassung des Heiligen römischen Reiches befasst (z. B. Theodor Reinkingk 1590-1664, Johannes Limnaeus 1592-1663, Christoph Besold 1577-1638, Hermann Conring 1606-1661, Samuel Pufendorf 1632-1694, Gottfried Wilhelm Leibniz 1646-1716, Christian THomasius 1655-1728, Johann Jakob Moser 1701-1785 und Johann Stephan Pütter 1725-1807). Das S. entwickelt sich mit dem Konstituionalismus und der Trennung von Staat und Gesellschaft im Laufe des 19. Jh.s aus dem → öffentlichen Recht. Dabei strebt das 19. Jh. (Paul Laband) vor allem nach Verwissen­schaftlichung. Um 1950 gibt es in Deutschland etwa 80 Hochschullehrer des Staatsrechts.

Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 3 II, 17 II; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neudruck 1968; Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechtes, Bd. 1ff. 1776ff., Neudruck 1965; Kreittmayr, W. Frhr. v., Grundriss des allgemeinen deutsch- und bayerischen Staatsrechts, 1768; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 5. A. 1911ff., Neudruck 1964; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. z. T. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Das Staatsrecht des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Hoke, R., Die Emanzipation der deutschen Staatsrechtswissenschaft, Der Staat 15 (1976), 211; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Rennert, K., Die „geisteswissenschaftliche Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 220; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Bülow, B. v., Die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit, 1996; Rainer, M., Einführung in das römische Staatsrecht, 1997; Friedrich, M., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997; Becker, L., Schritte auf einer abschüssigen Bahn, 1999; Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5 Die geschichtlichen Grundlagen, 2000; Schmidt, J., Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik, 2001; Dreier, H./Pauly, W., Die deutsche Staatsrechts­lehre in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Handbuch des Staatsrechts, hg. v. Isensee, J. u. a., 3. A. 2003; Unruh, P., Weimarer Staatsrechtslehre und Grundgesetz, 2004; Frieder, G., Denken vom Staat her, 2004; Kremer, C., Die Willensmacht des Staates - Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des Carl Friedrich von Gerber, 2008; Kuriki, H., Beiträge zur Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 2009; Gottwald, D., Fürstenrecht und Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009

Staatsregierung ist die politische Leitungs­gewalt des Staates (z. B. Deutschösterreich 1918, Österreich 1945, Bayern).

Staatsschutz

Lit.: Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994; Passek, I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandes­gerichte in Staatsschutzstrafsachen, 2003

Staatssekretär

Lit.: Hefty, J., Die parlamentarischen Staatssekretäre im Bund, 2005

Staatsvertrag ist der unter Staaten abgeschlossene Vertrag (z. B. Friedensver­trag, S. betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs mit den Alliierten vom 15. 5. 1955, in Kraft am 27. 7. 1955, einzelne Bestimmungen 1990 einverständlich für obsolet erklärt).

Lit.: Fünfzig Jahre Staatsvertrag und Neutralität, hg. v. Olechowski, T., 2006

Staatswissenschaft ist die Wissenschaft von der Entstehung und dem Wesen des Staates. Sie spielt im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Danach ist die Verbindung von S. und Rechtswissenschaft überwiegend wieder aufgegeben.

Lit.: Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003

Staatsziel ist das von einem Staat angestrebte politische Ziel (z. B. Umweltschutz). Staats­zielbe­stimmungen be­grün­den grundsätzlich keine einklagbaren Ansprüche Einzelner.

Stab ist das lange dünne gerade Holzstück, das als Rechtssymbol für Gewalt verwendet werden kann. Seit 1499 ist bezeugt, dass der Richter über den Angeklagten den Stab bricht. Beim Stabwurf versinnbildlicht der S. den zu übertragenden Gegenstand (z. B. Grund­stück).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Moeller, E. v., Die Rechtssitte des Stabbrechens, ZRG GA 21 (1900), 27; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Liebermann, F., Zum Stabbrechen des Richters, ZRG GA 41 (1920), 382; Lauffer, O., Der Büttelstab, ZRG GA 61 (1941), 252; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971; Vorbrodt, G./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter und Stäbe, Bd. 1f. 1971; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Stade

Lit.: Das Stader Stadtrecht vom Jahre 1279, 1950; Weise, E., Geschichte des niedersächsischen Staatsarchivs in Stade, 1964; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975

Stadt ist die umfangreichere, gewerbliche Tätigkeit beherbergende, meist durch eine Mauer befestigte Siedlung mit besonderem Stadtrecht. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (z. B. Çatal Höyük in Kleinasien, etwa 6800 v. Chr., Eridu, Uruk, Athen, Rom). Im Mittelalter entsteht sie vielfach auf römischer Grundlage (Römerstadt wie Köln, Bonn, Trier, Main, Basel, Zürich, Regens­burg, Passau, Wien) im 11. Jh. unter Förderung durch den Stadtherrn (in Kenntnis von Städten des Altertums neu) im Ausbau vorhandener Siedlungen oder vielleicht auch durch bewusste Gründung (Gründungsstadt z. B. Freiburgt im Breisgau). Reichs­unmittelbar ist die → Reichsstadt.In der frühen Neuzeit bezieht der Landesherr die Stadt stärker in das Land ein undverwendet sie als örtliche Verwaltungseinheit. Seit dem 19. Jh. tritt die S. trotz wirtschaftlichen Vorrangs rechtlich hinter der → Gemeinde zurück (z. B. Österreich 1849), so dass die Bezeichnung S. ihre rechtliche Bedeutung verliert.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 96, 98, 110, 111, 113, 120, 138, 149, 152, 195; Keutgen, F., Untersuchungen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung, 1895; Rietschel, S., Markt und Stadt, 1897; Liesegang, E., Niederrheinisches Städtewesen, 1897; Hegel, K., Die Entstehung des deutschen Städtewesens, 1898; Wild, E., Verfassungsgeschichte der Stadt Wil, 1904; Kretzschmar, J., Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht, 1905; Siegburg, bearb. v. Lau, F., 1907; Lahusen, J., Zur Entstehung der Verfassung bairisch-österreichischer Städte, 1908; Lappe, J., Die Sondergemeinden der Stadt Lünen, 1909; Merz, W., Die Stadt Aarau, 1909; Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte (Blankenberg, Deutz, Neuß), 1911; Below, G. v., Territorium und Stadt, 1900, 2. A. 1923; Schmoller, G., Deutsches Städtewesen, 1922; Sander, P., Geschichte des deutschen Städtewesens, 1922; Niedersächsischer Städteatlas, 1922ff.; Groß, L., Stadt und Markt im späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Geisler, W., Die deutsche Stadt, 1924; Dörries, H., Die Städte im oberen Leinetal, 1925; Pirenne, H., Les villes du moyen-âge, 1927; Rütimeyer, E., Stadtherr und Stadtbürgerschaft in den rheinischen Bischofs­städten, 1928; Knöpp, F., Die Stellung Friedrichs II. und seiner beiden Söhne zu den deutschen Städten, 1928, Neudruck 1965; Dörries, H., Entstehung und Formenbildung der niedersächsischen Stadt, 1929; Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, ZRG GA 50 (1930), 1; Weller, K,. Die staufische Städtegründung in Schwaben, Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte N. F. 36 (1930), 145; Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Lappe, J., Stadtgründung und Stadtverfassung im Gebiete der Einzelhöfe (Werne im Münsterlande), Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde 89 (1932), 1; Flach, W., Verfassungsgeschichte einer grundherrlichen Stadt – Berga a. d. Elster, 1934; Loehr, M., Leoben, 1934; Rudolph, H., Stadt und Staat im römischen Italien, 1935; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1936), 150; Frölich, K., Zur Verfassungstopographie der deutschen Städte des Mittelalters, ZRG GA 58 (1938), 275; Pirenne, H., Les villes, 1939; Deutsches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., Bd. 1ff. 1939ff.; Ganshof, F., Over stadsontwikkeling, 1941; Dahm, G., Untersuchungen zur Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Planitz, H., Frühgeschichte der deutschen Stadt, ZRG GA 63 (1943), 1; Planitz, H., Die deutsche Stadtgemeinde, ZRG GA 64 (1944), 1; Fischer, H., Doppelstadt und Stadtverlegung, ZRG GA 66 (1948), 236; Quellen zur älteren Geschichte des Städtewesens in Mitteldeutschland, hg. v. Institut f. dt. Landes- und Volksgesch. an der Univ. Leipzig, Bd. 1, 2 1949; Vollmer, G., Die Stadtentstehung am unteren Niederrhein, 1952; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt, 1953; Städtewesen und Bürgertum, hg. v. Brandt, A. v. u. a., 1953; La ville, 1954; Ludat, H., Vorstufen und Entstehung des Städtewesens in Osteuropa, 1955; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Schildhauer, J., Soziale, politische und religiöse Auseinan­dersetzungen in den Hansestädten, 1958; Mauersberg, H., Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentral­europäischer Städte, 1960; Scheper, B., Anfänge und Formen bürgerlicher Institutionen norddeutscher Hansestädte, Diss. phil. Kiel 1960; Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Bärmann, J., Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Müller, W., Die heilige Stadt, 1961; Die Städte Mitteleuropas im 12. und 13. Jahrhundert, 1963; Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa, 1966; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Drollinger, K., Kleine Städte Südwestdeutschlands, 1968; Die Stadt des Mittelalters, hg. v. Haase, C., 1969; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Bibliographie zur Städtegeschichte Deutschlands, hg. v. Keyser, E., 1969; Verwaltung und Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Maschke, E. u. a., 1969; Die Stadt des Mittelalters 1ff., Begriff, Entstehung und Ausbreitung, Recht und Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v. Haase, C., 1969ff.; Städtische Mittelschichten, hg. v. Maschke, E./Sydow, J., 1972; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, C., 1972; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973; Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, hg. v. Rausch, W., 1974; Stadt und Umland, hg. v. Maschke, E. u. a., 1974; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1974, z. T. 2. A. 1975; Ennen, E., Die europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Fritze, K., Bürger und Bauer zur Hansezeit, 1976; Bischofs- und Kathedralstädte, hg. v. Petri, F., 1976; Schwineköper, B., Königtum und Städte bis zum Ende des Investiturstreits, 1977; Die mittelalterliche Städtebil­dung im südöstlichen Europa, hg. v. Stoob, H., 1977; Hall, T., Mittelalterliche Stadtgrundrisse, 1978; Die Stadt, hg. v. Stoob, H., 1979; Zentralität als Pro­blem der mittelalterlichen Stadtgeschichts­forschung, hg. v. Meynen, E., 1979; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Die Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, hg. v. Rausch, W., 1980; Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Städte im Spätmittelalter, übers. v. Möncke, G., 1982; Mitterauer, M., Markt und Stadt, 1980; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Beiträge zum spätmittelalterlichen Städtewe­sen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Stadt und Herrschaft, hg. v. Vittinghoff, F., 1982; Stadt und wirtschaftliche Selbstverwaltung, hg. v. Kirchgässner, B. u. a., 1987; Urkunden zur Ge­schich­te des Städtewesens in Mittel- und Nieder­deutschland bis 1350, hg. v. Stoob, H., 1985; Bibliographie zur deutschen historischen Städtefor­schung 1, hg. v. Stoob, H., 1986; Stadtkernforschung, hg. v. Jäger, H., 1987; Modelli di città, hg. v. P. Rossi, 1987; Isenmann, E., Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, 1988; Kießling, R., Die Stadt und ihr Land, 1989; Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Stadtkern und Stadtteile, hg. v. Kirchgässner, B. u. a. 1991; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1991; Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a. 1991; The City in the Late Antiquity, hg. v. Rich, J., 1992; Engel, E., Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1993; Residenzen des Rechts, hg. v. Kirchgässner, B./Becht, H., 1993; Stadt und Bürgertum im Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft, hg. v. Gall, L., 1993; Boockmann, H., Die Stadt im späten Mittelalter, 3. A. 1994; Gerteis, K., Die deutschen Städte in der frühen Neuzeit, 2. A. 1994; Denkmäler des Amberger Stadtrechts, bearb. v. Laschinger, J., 1994ff.; Roux, S., Le monde des villes, 1994; Shofield, J./Vince, A., Medieval Towns, 1994; Meier, U., Mensch und Bür­ger, 1994; Landesherrliche Städte in Südwest­deutschland, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Die Stadt (Kalkar) im Mittelalter, hg. v. Kaldewei, G., 1994; Deidesheim, hg. v. Andermann, K. u. a., 1995; Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein bis zum Jahre 1000, hg. v. Verhulst, A., 1996; Vetter, K., Zwischen Dorf und Stadt – Die Mediatstädte des kurmärkischen Kreises Lebus, 1996; Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, hg. v. Matzerath, H., 1996; Eberhard, I., Van des stades wegene utgegeven unde betalt, 1996; Klotz, H., Die Entdeckung von Çatal Höyük, 1998; Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1998; Mitteleuropäisches Städtewesen, hg. v. Janssen, W. u. a., 1999; Sweet, R., The English Town 1680-1840, 1999; Das Bild der Stadt in der Neuzeit, hg. v. Behringer, W. u. a., 1999; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Knittler, H., Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit, 2000; Schöber, P., Wirtschaft, Stadt und Staat, 2000; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt, ausgew. v. Hergemöller, B., 2000; Städtelandschaft, hg. v. Escher, M. u. a., 2000; Kannowski, B., Bürgerkämpfe und Friedebriefe, 2001; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Stadt und Recht im Mittelalter, hg. v. Monnet, P. u. a., 2002; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Die vormoderne Stadt, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2002; Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormoderne, hg. v. Johanek, P., 2003; Müller, C., Landgräfliche Städte in Thüringen, 2003; Meier, D., Bauer, Bürger, Edelmann, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Weinberger, B., Städtefeindlichkeit in der deutschen Geschichte, 2003; Baeriswyl, A., Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter, 2003; Städte­land­schaft, hg. v. Gräf, H. u. a., 2004; Vielerlei Städte, hg. v. Johanek, P. u. a., 2004; Die Salzstadt, hg. v. Freitag, W., 2004; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Stercken, M., Städte der Herrschaft, 2006; Stadt und Region, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 2005; Die urbanen Zentren des hohen und späteren Mittelalters, hg. v. Escher, M. u. a. 2005; Die europäische Stadt im 20. Jahrhundert, hg. v. Lenger, F., 2005; Opll, F., Das Werden der mittelalterlichen Stadt, HZ 280 (2005), 561; Engel, E./Jacob, F., Städtisches Leben im Mittelalter, 2006; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung, 2006; Imagining the Citiy, hg. v. Emden, C. u. a., Bd. 1f. 2006; Städte im östlichen Europa, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2006; Stercken, M., Städte der Herrschaft, 2006; Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007; Who ran the cities?, hg. v. Roth, R. u. a., 2007; Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Schmieder, F., Die mittelalterliche Stadt, 2. A. 2009;  Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Die Urbanisierung Europas von der Antike bis in die Moderne, hg. v. Fouquet, G. u. a., 2009

Stadtbuch ist das von einer → Stadt für die Aufzeichnung wichtiger rechtlicher Gescheh­nisse geführte Buch. Es erscheint seit dem 13. Jh. Mit zunehmender Verschriftli­chung treten mehrere besondere Bücher nebeneinander.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105, 125; Das Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Die Zürcher Stadtbücher des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Nabholz, H., Bd. 3 1906; Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Beyerle, K., Die deutschen Stadtbücher, Dt. Geschichtsbll. 11 (1910), 145; Rehme, P., Stadtbuchstudien, ZRG GA 37 (1916), 1; Stowasser, O., Das Stadtbuch von Waidhofen, Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich, 1916; Das älteste Böhmisch Kaunitzer Stadtbuch, 1915; Die sogenannten Sobielaw’schen Rechte, hg. v. Schranil, R., 1916: Rehme, P., Über Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250; Rehme, P., Stadtbücher des Mittelalters, FS V. Ehrenberg, 1927, 173; Das Mindener Stadtbuch, hg. v. Krieg, M., 1931; Rehme, P., Neues über die Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Buyken, T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Das Stadtbuch von Dux 1389, bearb. v. Kochmann, K., 1941; Schmid, H., Dalmatinische Stadtbücher, Kosov Zbornik-Festschrift (Laibach) 1953, 330; Triller, A./Schön, B., Stadtbuch von Dinslaken, 1959; Das Stadtbuch von Anklam, hg. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Das älteste Stadtbuch von Coburg, bearb. v. Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977; Das Stadtbuch von Karpfen (Krupina), hg. v. Grothausmann, K., 1977; Hemann, F., Das Rietberger Stadtbuch, 1994; Stadtbücher als namenkundliche Quellen, hg. v. Debus, F.; 2000; Die Weimarer Stadtbücher, hg. v. Steinführer, H., 2005; Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006

Stadtbürger → Bürger

Städtebund ist der vertragliche Zusammen­schluss von Städten zu gemein­samem Handeln wie etwa der Sicherung des Handels (z. B. lombardische Liga 1167, rheinischer Städtebund 1254/1256, schwäbischer Städtebund 1376/1381, → Hanse).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 97, 121; Füchtner, J., Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390, 1970; Mägdefrau, W., Der Thüringer Städtebund im Mittelalter, 1977; Kommunale Bündnisse, hg. v. Maurer, H., 1987; Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgäßner, B. u. a., 1994; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Distler, E., Städtebünde im deutschen Spätmittelalter, 2006; Städtebünde – Städtetage, hg. v. Felten, F., 2006

Städteordnung ist das das Stadtrecht regelnde Gesetz des 19. Jh.s (z. B. das preußische Gesetz vom 19. 11. 1808, das den Städten die → Selbstverwaltung erneuert).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Städteordnungen des 19. Jahrhunderts, hg. v. Naunin, H., 1984; Wex, N., Staatliche Bürokratie und städtische Autonomie, 1997

Stadtgericht ist das in der → Stadt für die gerichtlichen Angelegenheiten zuständige → Gericht, dem anfangs meist der Stadtherr vorsitzt.

Lit.: Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung, 1963; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, Diss. jur. Basel 1968; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Spieß, P., Die Konkurrenz zwischen „städtischer“ und „stadtherrlicher“ Strafgerichtsbarkeit im 13. und 14. Jahrhundert, ZRG GA 98 (1981), 291

Stadtherr → Stadt

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, W., 1972

Stadtkommune → Stadt

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967

Stadtluft macht frei ist das Rechtssprichwort des 19. Jh.s, das zum Ausdruck bringen will, dass ein Herr einen in die Stadt geflohenen Unfreien nicht zurückholen kann, wenn er nicht binnen eines Jahres, sechs Wochen und drei Tagen klagt (z. B. Altenburg 1256). Urbare und Neubürgerlisten stützen die Vermutung umfangreicher Landflucht im Hochmittelalter anscheinend nicht. Zur Abwehr der Landflucht wird gleichwohl die → Leibeigenschaft entwickelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei, FG O. Gierke, 1901, 1; Schütze, P., Die Entstehung des Rechtssatzes Stadtluft macht frei, 1903; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht frei“, FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek, C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum Satz „Stadtluft macht frei“, ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, HZ 276 (2003), 305; Schwarz, J., Stadtluft macht frei, 2008

Stadtmauer → Stadt

Stadtrat → Rat, Stadt

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Stadtrecht ist das besondere Recht einer Stadt. Es entsteht nach römischem Vorbild im Mittelalter am Ende des 11. Jh.s (lat. ius [N.] civile). Am Beginn steht das → Privileg eines Herrn (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?), das von der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens im 13. Jh. kommt die → Satzung von Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird das S. oft im → Stadtbuch. Der Stadtherr kann das S. einer Stadt an eine andere übertragen (Stadt­rechtsfamilie z. B. Wien, Frankfurt am Main, Lübeck, Magdeburg). Eine Stadt kann auch einer anderen ihr S. mitteilen. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter dringt dieses über Stadtrechtsreformationen (z. B. Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Freiburg 1520, Pettau/Slowenien 1513, Bern 1539, Zwickau 1539) auch in das S. ein. In der Neuzeit greift der Landesherr vielfach vereinheitlichend ein. Auch in der Gegenwart gibt es auf der Ebene der Selbstverwaltung besonderes S.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104, 120; Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck 1966; Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Meyer, C., Das Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436, ZRG GA 19 (1998), 152; Oberrheinische Stadtrechte, hg. v. d. badischen historischen Kommission, 1895ff.; Urkunden zur städtischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Keutgen, F., 1901, Neudruck 1965; Lippstadt, bearb. v. Overmann, A., 1901; Kretzschmar, J., Sie Entstehung von Stadt und Stadtrecht, 1905; Zehntbauer, R., Die Stadtrechte von Freiburg im Üchtland und Arconciel-Illens, 1906; Merz, W., Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg, 1909; Kogler, F., Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte Kufsteins, 1912; Haff, K., Studien zum Waadtländer Stadtrecht, 1918; Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Europa, 1942; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Ottos des Kindes, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Köbler, G., Zur Entstehung des mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG GA 86 (1969), 177; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1969; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Lockert, M., Die niedersächsischen Stadtrechte zwischen Aller und Weser, 1979; Dilcher, G., „Hell, verständig für die Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend“, ZRG GA 106 (1989), 12; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Kersting, W., Das Otterndorfer ostfälisch-sächsische Stadtrecht, ZRG GA 109 (1992), 374; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter, hg. v. Hergemöller, B., 2000; Moldt, D., Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008

Stadtrechtsbuch ist das → Rechtsbuch einer → Stadt (z. B. Reichsrechtsbuch von Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230 oder Rechtsbuch von Görlitz, Breslau, Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau, Meißen, Elbing, Eisenach, Liegnitz, Freising, Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg, Berlin, Sillein, Glogau, Salzwedel, Saalfeld, Pressburg, Frei­berg, Frankenberg usw.)

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990

Stadtrichter → Stadtgericht

Stadtschreiber → Schreiber

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Arnecke, F., Die Hildesheimer Stadtschreiber, Diss. phil. Marburg 1913; Schulze, A., Das deutsche Stadtschreiberamt, Diss. phil. Jena 1921; Steinberg, S., Die Goslarer Stadt­schreiber, 1933; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber, 1979; Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990; Stephan Roth (1492-1546 - Stadtschreiber in Zwickau, hg. v. Metzler, R., 2008

Stadtschultheiß → Schultheiß

Stadtstaat (z. B. Athen, Rom, Florenz, Venedig, Bern, Nürnberg, Hamburg, Bremen)

Lit.: Söllner § 4; Clarke, M., The Medieval City State, 1931; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho, A. u. a., 1991

Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den Bürgern gewählten Vertreter als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ (Preußen 1808).

Lit.: Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen Parlamentarismus, 1997

Staffel (F.) Stufe, Gerichtsstein

Stahl (Jolson), Friedrich Julius (München 16. 1. 1802-Bad Brückenau 10. 8. 1861), Kauf­mannssohn, 1819 vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Heidelberg und Erlangen 1832 außerordentlicher Professor in Erlangen, dann ordentlicher Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in Berlin. Sein Hauptwerk ist eine zweibändige Philosophie des Rechts, die sich gegen das → Naturrecht richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität ab.

Lit.: Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930; Wiegand, C., Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre Friedrich Julius Stahls, 1999

Stair, James Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium der Philosophie in Glasgow Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss er bis 1688 wegen antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige Entscheidungen seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begrün­det er mit seinen römischrechtlich-naturrechtlich in vier Bücher (Personen und Familie, Obligationen, Sachen, Erbe und Verfahren) geteilten Institutions of the Law of Scotland (1681) die Rechtswissenschaft in → Schottland.

Lit.: Stair, hg. v. Walker, D., 1981; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 106

Stal

Lit.: Siebs, B., Stal – Roland – Rosengarten, ZRG GA 76 (1959), 246

Stalin (Dschugaschwili), Josef Wissarionowitsch (Gori/Georgien 21. 12. 1879-Moskau 5. 3. 1953) ist von 1924 bis 1953 diktatorischer Führer der → Sowjet­union, der maßgeblich das sozialistische Recht mitgestaltet.

Lit.: Marie, J., Staline, 1967, Neudruck 2001; Deutscher, I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Hildermeier, M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch - Stalin und die Juden, 1998; Boeckh, K., Völlig normal, HZ 278 (2004), 55; Baberowski, J., Der rote Terror, 2003; Kellmann, K., Stalin, 2005

Stamm ist der zwischen Wurzel und Zweigen befindliche Teil eines Baumes. Ein selbständiger Teil der Germanen (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) wird ebenso als S. bezeichnet wie die Ab­kömmlinge eines Abkömmlings.

Lit.: Merk, W., Die deutschen Stämme in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 58 (1938), 1; Hugelmann, K., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979

Stammesherzogtum ist das im Frühmittelalter aus einem Volk bzw. → Stamm gebildete → Herzogtum (z. B. Fran­ken, Alemannen, Bayern, Sachsen) im Gegensatz zum Territorialherzogtum im Hochmittelalter (z. B. Österreich, Westfalen). Das ältere S. besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das jüngere S. im 10. Jh.

Lit.: Köbler, DRG 83; Läwen, G., Stammesherzog und Stammesherzogtum, 1935; Stingl, H., Die Entstehung der deutschen Stammesherzogtümer, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989

Stammesrecht→ Volksrecht

Lit.: Lit.: Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991

Stammgut ist das auf Grund Hausgesetzes oder Gewohnheitsrechts in einer Adelsfamilie gebundene und damit unveräußerliche und grundsätzlich unteilbare Gut. Es wurde 1938/1939 aufgelöst und dabei vielfach in eine Stiftung überführt.

Stammler, Rudolf (Alsfeld 19. 2. 1856-Wernigerode 25. 6. 1938), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Leipzig (Binding, Windscheid, Sohm) 1882 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1884 ordentlicher Professor in Gießen, Halle (1885) und Berlin (1916). Außer als Romanist wirkt er vor allem als neukantianischer Rechtsphilosoph. Von 1928 bis 1932 legt er das zweibändige Lehrwerk „Deutsches Rechtsleben in alter und neuer Zeit“ vor.

Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Nachruf, ZRG GA 59 (1939), 662

Stand ist die Stellung oder Würde innerhalb einer Gemeinschaft. Vom Altertum bis in das 19. Jh. gliedert sich die Gesellschaft in verschiedene Stände. In Rom werden dabei anfangs Patrizier, Plebejer und Sklaven (lat. [M.Pl.] servi) unterschieden. Später entsteht aus landflüchtenden Kleinbauern ein Proletariat. In klassischer römischer Zeit treten Amtsadel und Geldadel einander gegenüber, in spätantiker Zeit (lat. [M.Pl.]) honestiores (Ehrbarere) und humiliores (Niederere). Für die Germanen ist das Bestehen von Ständen streitig. Im Frühmittelalter werden → Freie (lat. [M.Pl.] liberi) und Unfreie sowie spätestens in karolingischer Zeit auch → Adlige (lat. [M.Pl.] nobiles) sichtbar. Im Hochmittelalter wird diese geburtsständische Gliederung durch die be­rufsständische Einteilung in → Ritter (lat. [M.Pl.] milites), → Bürger (lat. [M.Pl.] cives, burgenses, urbani) und → Bauern (lat. [M.Pl.] rustici) überlagert. Der S. wirkt sich besonders auf Eheschließung (→ Ebenbürtigkeit), → Wergeld und Gerichts­barkeit (Pairsgericht) aus. Seit der französischen Revolution (1789) setzt sich der von dem dritten Stand (Bürger) vertretene, aufgeklärte Grundsatz der → Gleichheit durch (1918). Hinsichtlich der Herrschaft im Land oder Reich gibt es daneben vom 13. bis 19. Jh. → Landstände und → Reichsstände.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 17, 120, 132, 135, 140, 148, 160; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 155; Brunner, H., Ständerechtliche Probleme, ZRG GA 23 (1902), 193; Lintzel, M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Gwinner, H., Der Einfluss des Standes im gemeinen Strafrecht, 1934; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, 1936; Uffenorde, H., Über die ständischen Ideen bei Freiherrn vom Stein und Bismarck, 1938; Heck, P., Drei Studien zur Ständegeschichte (Hofleute, Häuptlinge, fränkische Gemeinfreiheit), 1939; Jantke, C., Der vierte Stand, 1955; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1967; Frank, K. v., Standeserhebungen und Gnadenakte, Bd. 1ff. 1967ff.; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 2. A. 1974; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Lutz, G., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Duby, G., Die drei Ordnungen, 1981; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a., 1994; Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa, hg. v. Weczerka, H., 1995; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herrschaft und Stände in ausgewählten Territorien Norddeutschlands, hg. v. Opitz, E., 2001

Standarte Fahne

Standesbeamter ist der gemeindliche Beam­te, der vor allem die staatlichen Aufgaben der → Eheschließung und Führung der Personen­standsbücher ausführt. Nach französischem Vorbild (officier civil 1787/1792) wird ein S. 1809 in Baden und 1875 im Deutschen Reich geschaffen.

Lit.: Köbler, DRG 209

Standeserhöhung ist die Erteilung des → Adels durch Urkunde (seit 1346, → Briefadel).

Standesherr ist im 19. Jh. der Angehörige eines der etwa 80 1803/1806 mediatisierten, ehemals reichsunmittelbaren Adelshäuser. Ihm werden 1815 geringe Vorrechte gesi­chert, die zwischen 1848 und 1918 aber weitgehend verschwinden.

Lit.: Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Neth, U., Standesherren und liberale Bewegung, 1970; Schier, R., Standesherren, 1977; Eltz, E., Die Moder­nisierung einer Standesherrschaft, 1980; Furtwängler, M., Die Standesherren in Baden, 1996; Pezold, U. v., Adelige Standesherrschaft im Vormärz, 2003

Ständestaat ist der durch die Teilhabe von Ständen an der Herrschaft gekennzeichnete Staat des 13. bis 19. Jh.s. Zwischen 1934 und 1938 versteht sich → Österreich nochmals als S. → Landstand, → Reichsstand

Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und englischer Parlamentarismus, 1939; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 2. A. 1980; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Kluge, U., Der österreichische Ständestaat, 1934-1938, 1984; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985

Standgericht ist das im Stehen bzw. sofort abgehaltene Gericht im Heereswesen. Es findet sich bereits im römischen Altertum. In der frühen Neuzeit ist es sehr verbreitet. Das S. urteilt meistens nach dem besonderen Standrecht.

Lit.: Molitor, I. v., Die Kriegsrechte, 1855; Bothe, F., Der preußische Militärprozess, 1874; Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren, 1904

Srändiger internationaler Gerichtshof ist der 1919 in der Satzung des Völkerbunds vorgesehene, 1922 in Den Haag in den Niederlanden eingerichtete völkerrechtliche Gerichtshof, der 1945 im Internationalen Ge­richtshof aufging

Standrecht → Standgericht

Stang, Friedrich (1867-1941), Ministerssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1890 Anwalt und 1897 Universitätsprofessor. Nach einem Aufenthalt in Deutschland versucht er eine Darstellung des gesamten norwegischen Privatrechts. In der Rechtspolitik setzt er sich erfolgreich für den Erlass verschiedener Einzelgesetze (1907 Kaufgesetz, 1918 Abzahlungsgesetz, 1930 Versicherungsabzah­lungsgesetz) ein.

Lit.: Solem, E., Frederik Stang, Tidsskrift for Rettsvidenskap, 1942, 1

Stapelholm (östlich von Friedrichstadt) ist der seit 1232 zu Schleswig gehörende Ort der am 27. 1. 1623 unter Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorp geschaffenen Stapel­holmer Konstitution (Landesordnung) der durch weitgehende Selbstverwaltung unter einem Landvogt gekennzeichneten Land­schaft zwischen unterer Eider, Treene und Alten Schleswig.

Lit.: Stegmann, D., Die Stapelholmer Konstitution von 1623, Diss. jur. Kiel 1967; Polizei- und Landesordnungen, hg. v. Kunkel, W. u. a., 1968

Stapelrecht ist seit dem Hochmittelalter das Recht eines Ortes, von Kaufleuten zu verlangen, ihre Waren am Ort zum Verkauf aufzustellen.

Lit.: Hafemann, M., Das Stapelrecht, 1910; Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939

Stasi (F.) Staatssicherheitsdienst der → Deut­schen Demokratischen Republik

Lit.: Kühn, D., Das gesamtdeutsche Institut im Visier der Staatssicherheit, 2001

Statistik ist die zahlenmäßige Erfassung von massenhaften Gegebenheiten. Sie erfolgt in wissenschaftlicher Weise erst seit dem 19. Jh.

Lit.: Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. Andermann, K. u. a., 1990; Grundlagen der historischen Statistik von Deutschland, hg. v. Fischer, W., 1991; Melchers, A., Kriminalstatistik im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt 1992; Reinke, H., Die Liaison des Strafrechts mit der Statistik, ZNR 1992, 169; Pfister, C., Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, 1994; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; Weber, D., Die sächsische Statistik im 19. Jahrhundert, 2003

Stat pro ratione voluntas (lat.). Der Wille steht für die Begründung.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Juvenal, um 67-um 140, Satiren 6, 223)

Statthalter ist der Vertreter eines Herrschers (z. B. 1490 in Tirol in den → Maximiliani­schen Verwaltungsreformen, 1849-1918 in Öster­reich die Leiter der zentralstaatlichen Behörden auf Landesebene im Gegensatz zur autonomen Landesverwaltung durch Landes­aus­schüsse unter Leitung von Landes­haupt­männern.

Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963

status (lat. [M.]) → Stand, Zustand (z. B. status libertatis (Freiheit), status civitatis (Stellung als Bürger) und status familiae

Lit.: Kaser § 13 I; Breuer, S., Stand und status, 1996

Statut ist das gesetzte Recht bzw. die im internationalen Privatrecht anwendbare Rechtsordnung. Statuten finden sich um 1140 in Oberitalien (Piacenza, Pisa, Como), wo sie seit der Mitte des 13. Jh.s ausführliche Zusammenfassungen erfahren. Im Verhältnis zum → gemeinen Recht gewähren die Juristen des 14. Jh.s den Statuten Vorrang. Weil die Statuten aber eng auszulegen sind (lat. statuta [N.Pl.] sunt stricte interpretanda), gewinnt in der frühen Neuzeit das gemeine Recht tatsächlich die Vermutung der Geltung für sich.

Lit.: Köbler, DRG 104, 107, 137; Kamptz, K. v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1826ff.; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Bahmann, O., Die Statuten der Stadt Ölsnitz im Vogtland aus den Jahren 1604 und 1687, 1938; Thieme, H., Statutarrecht und Rezeption, FS G. Kisch, 1955, 69; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Nörr, K., Zur Stellung des Richters, 1967; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungs­lehre, 1977; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986; Keller, H., Oberitalienische Statuten, Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), 286; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Driever, R., Obrigkeitliche Normierung sozialer Wirklichkeit, 2000; Von der Norm zur Ordnung - Statuten, hg. v. Drossbach, G., 2009

Statuta sunt stricte interpretanda (lat.). → Statuten sind eng auszulegen.

Lit.: Trusen, W., Römisches und partikuläres Recht, FS H. Lange, 1970, 97; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Hochmittelalter); Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977

Statutarstadt ist in Österreich die durch eigenes Stadtrecht (Statut) ausgezeichnete, keiner Bezrikshauptmannschaft unterstehende Stadt ([16. Jh. Eisenstadt, Rust,] 1850 Wien, Klagenfurt, insgesamt 15).

Statute law ist das vom König und dem Parlament vor allem im 13., 16./17. und 19. Jh. gesetzte Recht in England im Gegensatz zum common law (Richterrecht).

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Statutum (N.) in favorem principum (lat.) ist die wissenschaftliche Bezeichnung des 19. Jh.s für das Gesetz des deutschen Reiches von 1. 5. 1231, in dem den Fürsten von Friedrich II. die rechtstatsächlich inzwischen erlangten Rechte bestätigt werden (z. B. Verbot der An­lage von Reichsburgen, Gewährleistung der landesherrlichen Gerichtsbarkeit, Gewährleis­tung von Abgaben).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994

Staub, Samuel (bzw. ab etwa 1882) Hermann (Nikolai/Ober­schlesien 21. 3. 1856-Berlin 2. 9. 1904), Sohn eines jüdischen Kaufmanns, wird nach dem Rechts­studium in Breslau, Leipzig (Windscheid, Wächter, Binding, Wach), Berlin (Goldschmidt) Rechtsanwalt. Er tritt danach vor allem als Kommentator des Handelsrechts (seit 1893) und als „Entdecker“ der sog. → positiven Forderungsverletzung oder positiven Vertragsverletzung (1902) hervor.

Lit.: Köbler, DRG 241; Deutsche Juristen jüdischer Abstammung, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 385; Anwalt - Kommentator - Entdecker - Festschrift für Hermann Staub, hg. v. Henne, T. u. a., 2006

Staufer ist der Angehörige des in der ersten Hälfte des 11. Jh.s erkennbaren schwäbischen Geschlechts, das 1079 das Herzogtum Schwaben und 1138 (wegen der 1079 erfolgten Heiratsverbindung mit den → Saliern) (bis 1254) das deutsche Königtum (Konrad III. 1138-1152, Friedrich I. Barbarossa 1152-1190, Heinrich VI. 1169-1197, Philipp von Schwaben 1198-1208, Friedrich II. 1212-1250, Konrad IV. 1237-1254) hält und 1268 im Mannesstamm ausstirbt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Franzel, E., König Heinrich VII. von Hohenstaufen, 1929; Sthamer, E., Bruchstücke mittelalterlicher Enquêten aus Unteritalien, 1933 (SB preußische Akademie); Mitteis, H., Zur staufischen Ver­fassungsgeschichte, ZRG GA 65 (1947), 316; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Metz, W., Staufische Güterver­zeichnisse, 1964; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1976; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Engels, O., Stauferstudien, 1988 (Aufsätze); Hauser, S., Staufische Lehnspolitik, 1998; Engels, O., Die Staufer, 8. A. 2005; Von Schwaben bis Jerusalem, hg. v. Lorenz, S. u. a., 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Die Staufer, 2000; Stauferreich im Wandel, hg. v. Weinfurter, S., 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert 1125-1198, 2003; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Grafen, Herzöge, Könige, hg. v. Seibert, H. u. a., 2005; Bedürftig, F., Die Staufer, 2006; Görich, K., Die Staufer, 2006; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a., 2009

Staupenschlag

Lit.; Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938

Steckbrief ist das in der frühen Neuzeit erscheinende, schriftlich an alle Behörden ergehende Ersuchen, eine flüchtige oder sich verbergende Person festzunehmen und sie der nach ihr fahndenden Behörde zu übergeben.

Lit.: Biedermann, Über Steckbriefe, Archiv f. Criminalrecht 3 (1800), 274; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Groebner, V., Der Schein der Person, 2004

Steiermark ist das im 8. Jh. von Bayern besiedelte, im 12. Jh. unter den seit 1122 herrschenden Traungauern von Kärnten gelöste, 1180 zum Herzogtum (zu Steyr als dem in Oberösterreich gelegenen Hauptort des Traungaus) erhobene und 1186/1192 durch die → Georgenberger Handfeste an die Babenberger bzw. den Herzog von → Österreich gelangte südöstliche Grenzgebiet (karantanische → Mark, Gebiet an der mittleren Mur) des deutschen Reiches. 1919 fällt die südliche Unter­steiermark mit Marburg/Maribor an Jugo­slawien. Das Bun­desland S. Österreichs wird von 1939 bis 1945 mit dem südlichen Burgenland zum Reichsgau S. und steht nach Wiederher­stellung bis 1955 unter Besatzung Großbri­tanniens.

Lit.: Köbler, DRG 94, 95, 220; Siegenfeld, A. v., Das Landeswappen der Steiermark, 1900; Steirischer Wortschatz, hg. v. Unger, T. u. a., 1903, Naudruck 2009; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Mensi, F. Frhr. v., Geschichte der direkten Steuern in Steiermark, 1921; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Mell, A., Grundriss der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1929; Seuffert, B., Drei Register aus den Jahren 1478 bis 1519, 1934; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Lang, A., Die Salzburger Lehen in Steier­mark, 1937; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, 1951; Die ältesten steirischen Landtagsakten 1396-1519, Teil 1 f.bearb. v. Seuffert, B. u. a., 1953ff.; Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Ebner, H., Beiträge zur Burgen- und Herrschaftsgeschichte sowie zur Genealogie obersteirischer Adelsfamilien, 1974; Brauneder, W., Die Anfänge der Gesetzgebung, Z. d. hist. Ver. d. Steiermark 68 (1977), 165; Woisetschläger, K., Steiermark, 1982; Österreichisches Städtebuch. Die Städte der Steiermark, Bd. 1 1990; 800 Jahre Steiermark und Österreich, hg. v. Pickl, O., 1992; Breitegger, H., Die großen Kriminalfälle der Steiermark, 2000; Karner, S., Die Steiermark im 20. Jahrhundert, 2000; Binder, D./Ableitinger, A., Steiermark, 2001; Baltl, H., Die Steiermark im Frühmittelalter, 2004; Wesener, G., Eine steirische Erbrechtsordnung, Zs. d. hist. Vereins für Steiermark 95 (2004), 235; Heppner, H. u. a., Steiermark, 2006

Stein ist der harte, nichtmetallische Bestandteil der Materie, der im einzelnen Stück als Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Grenzstein, Kreuzstein).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Stein, Karl Freiherr vom und zum (Nassau 22. 10. 1757-Cappenberg 24. 6. 1831), Ge­heim­ratssohn, wird nach dem Studium des Rechts und der Staatswissenschaft in Göt­tingen preußischer Beamter. 1807/1808 reformiert er nach der Niederlage gegen Frank­reich die Verwaltung → Preußens (Bau­ernbefreiung, Fachressorts, Selbstverwal­tung, Gewerbefreiheit, Wehrpflicht).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 167, 174, 192, 211; Lappe, J., Freiherr vom Stein als Gutsherr auf Kappenberg, 1920; Botzenhart, E., Die Staats- und Reformidee des Freiherrn vom Stein, 1927; Raumer, K. v., Was bedeutet uns Stein heute?, 1958; Gembruch, W., Freiherr vom Stein im Zeitalter der Restauration, 1960; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn vom Stein, 1971; Hubatsch, W., Stein-Studien, 1975; Hubatsch, W., Die Stein-Hardenbergschen Reformen, 1977; Duchhardt, H., Stein, 2007

Stein, Lorenz (Borby bei Eckernförde 15. 11. 1815-Weidlingau bei Wien 23. 9. 1890) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel 1845 außerordentlicher Professor der Staatswissen­schaften und nach Amtsenthebung (1852) in Wien 1855 Professor für politische Öko­nomie. In weitgespannten Schriften fördert er die Entwicklung der Verwaltungs­lehre (1865ff.). Dem über den Klassen ste­henden König stellt er die Aufgabe, durch staatliche Leistung die im Liberalismus eingetretenen gesellschaftlichen Missstände zu beseitigen.

Lit.: Schmidt, W., Lorenz von Stein, 1956; Staat und Gesellschaft, hg. v. Schnur, R., 1978; Heilmann, M., Lorenz von Stein, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Lorenz von Stein, hg. v. Mutius, A. v., 1991; Koslowski, S., Zur Philosophie von Wirtschaft und Recht, 2005

Stein-Hardenbergsche Reformen → Stein, Hardenberg

Steinigung ist die im Altertum und später im Islam verbreitete Tötung eines Menschen durch Bewerfen mit Steinen.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Leibes- und Lebens­strafen, 2. A. 1906

Steinkreuz ist das aus Stein geschaffene Kreuz. Es erscheint im Mittelalter als sicht­bares Zeugnis eines einzelnen rechtlich bedeutsamen Geschehens.

Lit.: Kuhfahl, G., Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1936; Dreyhausen, W. v., Die alten Steinkreuze in Böhmen und im Sudetengau, 1940; Losch, B., Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Steinzeit ist die Zeit in der Geschichte des Menschen, in der dieser hauptsächlich Werkzeuge aus Stein verwendet. Die S. wird durch die Erfindung und Benutzung von Me­tallwerkzeugen beendet (Kupferzeit, Bronze­zeit, Eisenzeit). Rechtsgeschichtliche Er­kenntnisse aus der S. sind gering und unsicher.

Lit.: Schulz, W., Vor- und Frühgeschichte Mittel­deutschlands, 1939; Eckhardt, K., Altsteinzeitliche Justizpflege, ZRG GA 60 (1940), 252; Müller-Beck, H., Die Steinzeit, 1998; Hoffmann, E., Lexikon der Steinzeit, 1999

Stellionatus (lat. [M.] Bereicherung durch falschen Eid) ist im klassischen römischen Recht der Straftatbestand, der als Vorläufer des → Betrugs bis in das 19. Jh. fortwirkt.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1967; Schaffstein, F., Das Delikt des stellionatus, FS F. Wieacker, hg. v. Behrends, O., 1978, 281

Stellvertretung (Vertretung) ist das rechtsgeschäftliche Handeln einer Person (Vertreter) für eine andere (Vertretenen). Die S. kann mittelbar oder unmittelbar erfolgen. Das römische Recht schließt die S. aus, kennt aber in der Rechtswirklichkeit andere Wege, um die Ziele der S. zu erreichen (z. B. → peculium des Sklaven). Im Mittelalter entwickelt sich die S. aus der Vertretung vor Gericht, nach der im Spätmittelalter die Bevollmächtigung von Angestellten bedeu­tender Kaufleute üblich wird.

Lit.: Kaser §§ 1 II 3, 11; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 208; Buchka, H., Die Lehre von der Stellvertretung, 1852; Fränkel, R., Die Grundsätze der Stellvertretung, Z. f. vergleich. Rechtswiss. 27 (1912), 289; Würdinger, H., Geschichte der Stellvertretung (agency) in England, 1933; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Luig, K., Savignys Lehre von der Stellvertretung, Ius commune 8 (1979), 60; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 423; Hölzl, F., Savignys Lehre, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 211; Schmoeckel, M., Von der Vertragsfreiheit zu typisierten Rechtspflichten, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 77; Hölzl, F., Friedrich Carl von Savignys Lehre von der Stellver­tretung, 2002; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002

Stempel ist das bereits dem Altertum bekannte, dem Abdruck von Zeichen auf Überlieferungs­trägern dienende Gerät. Der S. entsteht vielleicht durch die Verallge­mei­nerung des → Siegels. Seit 1624 (Nie­derlande) erhebt der Staat für die Stempelung von öffentlichem Schriftgut eine Steuer (Stempelsteuer), die in Deutschland später wieder aufgegeben wird.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, G., Stempelrecht, 1778

Stendal in der Altmark ist die um 1160 von Albrecht dem Bären gegründeteStadt. In S. entsteht im 15. Jh. unter Verwendung zahlreicher Schriften die (altmärkische oder) → Stendaler Glosse des Sachsenspiegels.

Lit.: Ein Stendaler Urteilsbuch, hg. v. Behrendt, J., 1868; Sachs, H., Stendal, 1967; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Stendaler Glosse (altmärkische Glosse) ist eine im 15. Jh. (vor 1410) in → Stendal teils deutsch und teils lateinisch verfasste Glosse interlinearer und marginaler Glossatur zum lateinischen und mittelniederdeutschen Text des → Sachsenspiegels (1221-1224), zur petrinischen Glosse, zum Magdeburger Weichbild in 6 Büchern und ansatzweise zum Richtsteig Lehnrechts unter Benutzung der Glossa ordinaria zum römischen Recht, zahlreicher Juristenschriften, der Lombarda, der Bibel, der Kirchenväter, klassisch lateinischer Autoren, der buchschen Glosse, Magdeburger Schöffensprüche und märki­scher Gewohnheiten.

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 74

Stephanskrone (Krone Stephans I. von → Ungarn [997-1038], Länder der S. sind die jen­seits der Leitha liegenden Länder Habs­burgs)

Stephanus ist ein vermutlich in Beirut im 6. Jahrhundert wirkender Rechtskundiger.

Lit.: De Jong, H., Stephanus en zijn digestenonderwijs, 2008

Stephanus Tornacensis (Stephan von Tournai) (Orléans 18. 2. 1128-Tournai 11. 9. 1203) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Rechtsstudium in Bologna (Rufinus, Bulgarus) Lehrer in Chartres, 1167 Abt in Orléans und 1192 Bischof von Tournai. Zwischen 1166 und 1169 verfasst er seine (lat.) Summa (F.) decreti (Dekretsumme). Sie überragt ihre zugrunde­liegenden Vorläufer durch tiefere Durchdrin­gung des Stoffes.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kalb, H., Studien zur Summa, 1983; Weigand, R., Studien zum kanonistischen Werk Stephans von Tournai, ZRG KA 72 (1986), 349

Sterbefall ist der Tod eines Menschen. An ihn knüpfen sich seit dem Mittelalter grundherrschaftliche Abgaben (z. B. → Besthaupt). Diese werden spätestens im 19. Jh. beseitigt.→ Erbschaftsteuer

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2

Steuer ist die einmalige oder laufende Geldleistung, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellt und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt wird, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Sie ist als Grundsteuer (lat. [N.] stipendium), perso­nale Vermögensteuer (lat. tributum [N.] capi­tis, Kopfsteuer) oder Gewerbesteuer bereits dem klassischen römischen Recht bekannt, das ihre Eintreibung durch Steuer­pächter durchführt. Im Mittelalter lebt der Herrscher im Wesentlichen zunächst von den Einkünften aus seinen Gütern, doch entsteht die S. in Land und Stadt mit der Herrschafts­verdichtung und dem Übergang zur Geld­wirtschaft seit dem 13. Jh. (in Frankreich z. B. im 15. Jh. durchgesetzt) In der Neuzeit weitet sich die Besteuerung in den Ländern durch → Steuerrecht stetig aus. In der Mitte des 19. Jh.s überholen die Steuereinnahmen die sonstigen Staatseinkünfte. Insbesondere für die Leistungsverwaltung werden zusätzliche Einnah­men durch die Entscheidungsträger (Par­lamente) zu Lasten der Betroffenen festgesetzt. Im Deutschen Reich beläuft sich 1913 der Steueraufwand auf 2100000000 Mark (2,1 Milliarden für das Reich, 2,7 Milliarden für die Einzelstaaten). Im 20. Jh. gelangt die Besteuerung mit Umver­teilungszielen an die zeitweise mittels Neuverschuldung zeitlich versetzten Grenzen der Belastbar­keit der Steuerpflichtigen (Lohnsteuer, Einkommen­steuer, Umsatz­steuer).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 32, 55, 83, 110, 111, 113, 149, 150, 152, 191, 196, 198, 233, 234, 259, 260; Köbler, WAS; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Lohmann, K., Das Reichs­steuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/1893; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Tel 1 1901; Bittner, L., Die Geschichte der direkten Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Schnettler, O., Ein Steuerstreit, 1932; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schräder, B., Die Besteuerung des Bau­erntums in der Reichsgrafschaft Bentheim, 1941; Partsch, G., Die Steuern des Habsburger Urbars (1303-1308), 1946; Mitchell, S., Taxation in Medieval England, 1951; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Lunt, W., Papal Revenues, 2. A. 1965; Wachenhausen, M., Staats­ausgabe und öffentliches Interesse in den Steuerrechtfertigungslehren des naturrechtlichen Rationalismus, 1972; Merzbacher, F., Das Wesen der Steuer, FS H. Paulick, 1973, 255; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern im späten 16. Jahrhundert, ZHF 2 (1975), 43; Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft, 1976; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schuler, P., Reichssteuern und Landstände, Schauinsland 97 (1978), 39; Hartmann, P., Das Steuersystem der europäischen Staaten, 1979; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, ZHF 7 (1980), 1; Franke, S., Entwicklung und Begründung der Einkommens­besteuerung, 1981; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1983; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 1986, 3. A. 1992; Pausch, A./Pausch, J., Kleine Weltgeschichte der Steuer­obrigkeit, 1989; Brown, A., The Governance of Late Medieval England, 1989; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Lieb, R., Direkte Steuerprogression, 1992; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen, 1994; Voß, R., Steuern im Dritten Reich, 1995; Schwennicke, A., „Ohne Steuer kein Staat“, 1996; Kumpf, J., 5000 Jahre Steuern und Zölle, 1996; Amend, A., Von der Kunst, eine Steuerfrage aus einer Parteifrage in eine Finanzfrage zu verwandeln, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Hackl, B., Die theresianische Steuerrektifikation, 1999; Mathiak, W., Zwischen Kopfsteuer und Einkommensteuer, 1999; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Schremmer, E., Warum die württembergischen Ertragsteuern von 1821 und die sächsische Einkommensteuer von 1874/78 so interessant sind, 2002; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat. Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005; Johann, U., Die Steuer­gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland von 1983 bis 1998, 2006; Kersting, G., Steuerwiderstand und Steuerkultur. Der Kampf gegen das Umgeld im Königreich Württemberg (1819-1871), 2006

Steuerbewilligung ist die notwendige Zustimmung der → Landstände zur Steuererhebung durch den Landesherrn.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3

Steuerrecht ist die Gesamtheit der die → Steuer betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Högemann, W., Das deutsche Steuerrecht unter dem Einfluss des Nationalsozialismus, Diss. jur. Münster 1993; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Steuerstrafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände betreffenden Rechtssätze des → Steuerrechts. Das S. gewinnt mit der Vermehrung der Steuerlast zunehmende Bedeutung.

Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Lammerding, J. u. a., Steuerstrafrecht, 6. A. 1993; Poggemann, M., Schuld und Strafe, 1997

Steward → Stuart

Steyr → Landlauf von Steyr

Stiernhöök, Johann Olafson (1596-1675) wird nach dem Rechtsstudium in Uppsala, Leipzig, Jena, Wittenberg und Rostock 1630 Hofgerichtsassessor und 1640 Professor in Turku. 1674 veröffentlicht er eine Darstellung des schwedischen, nicht von der Rezeption erfassten Rechts (De iure Sveonum et Gothorum, Vom Recht der Schweden und Göten).

Lit.: Stiernhöök, J., De iure Sveonum et Gothorum vetusto, 1672, Neudruck 1962; Jägerskiöld, Johann Stiernhöök, Rättshistorisk Studien 4 (1974), 117; Johan Olofsson Stiernhöök, hg. v. Modeer, K., 1996

Stift ist das Kollegium kanonisch lebender Kleriker in einer Kirche. Es entsteht im Frühmittelalter. Seit dem Hochmittelalter ist es Verbandsperson.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schäfer, K., Pfarrkirche und Stift, 1903; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln, 1976; Lill, R., Stifts- und Abteikirchen, 1987; Studien zum weltlichen Kollegiatstift, hg. v. Crusius, I., 1995; Hankel, H., Die reichsunmittelbaren evangelischen Damenstifte, 1996; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium, 1999; Studien zum Kanonissenstift, hg. v. Crusius, I., 2001; Die Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Dom- und Kollegiatstifte in der Region Tirol – Südtirol – Trentino in Mittelalter und Neuzeit, hg. v. Obermair, H. u. a., 2006

Stiftung ist die Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck durch Rechts­geschäft. Sie ist bereits dem römischen Recht im Ansatz bekannt. Im Mittelalter fördert die Kirche die mildtätige S. Als juristische Person wird die S. im 19. Jh. anerkannt. Im ausgehenden 20 Jh. bietet die S. eine Möglichkeit der Milderung der Härten hoher Erbschaftsteuern auf große Vermögen (z. B. dürfen seit 2006 in der Schweiz 20 Prozent des Einkommens bzw. Gewinns als Spenden steuersparend geltend gemacht werden).

Lit.: Kaser § 17 III; Köbler, DRG 58, 121; Heimberger, H., Die Veränderung des Stiftungszwecks, 1913; Reicke, S., Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 247; Pleimes, D., Die Rechtsproblematik des Stiftungswesens, Diss. jur. Leipzig 1938; Pleimes, D., Weltliches Stiftungsrecht, 1938; Pleimes, D., Irrwege der Dogmatik im Stiftungsrecht, 1954; Ebersbach, H., Die Stiftung des öffentlichen Rechts, 1961; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Gymnasiums in Ellwangen, ZRG GA 79 (1962), 264; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts (Handbuch des Stiftungsrechts 1), 1963; Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 1f., hg. v. Berndl, H. u. a. 1970f.; Ebersbach, H., Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R. u. a., 1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung, 1986; Scheyhing, R., Die Gremp’sche Stiftung 1584-1984, ZRG GA 103 (1986), 254; Borgolte, M., Die Stiftungen des Mittelalters, ZRG KA 105 (1988), 71; Mäzenatentum in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Becker, J., 1988; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R., 1989; Rexroth, F., Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Borgolte, M., Totale Geschichte des Mittelalters?, 1993; Siems, H., Von den piae causae zu den Xenodochien, (in) Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998, 57; Lusiardi, R., Stiftung und religiöse Gesellschaft, 1999; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg, 1999; Stiftungen und Stiftungswirklich­keiten, hg. v. Borgolte, M., Bd. 1 2000; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts, 2. A. 2002; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Ver­mögensmassen im römischen Recht, 2003; Klostermann, G., Das niederländische privatrechtliche Stiftungsrecht, 2003; Schewe, M., Die Errichtung der rechtsfähigen Stiftung von Todes wegen, 2004; Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne, hg. v. Borgolte, M., 2005; Schwarz, R., Das Stiftungswesen in der sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik, 2008; Kästner, K./Couzinet, D., Der Rechtsstatus kirchlicher Stiftungen staatlichen Rechts des 19. Jahrhunderts, 2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr Wirken, 2009; Islamische Stiftungen zwischen juristischer Norm und sozialer Praxis, hg. v. Meier, A. u. a., 2009

Stille Gesellschaft ist die Beteiligung an einem Geschäft ohne tätige Mitwirkung. Die s. G. ist eine nach außen nicht erkennbare Innengesellschaft. Sie findet sich bereits im Hochmittelalter. Im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) wird die s. G. von der → Kommanditgesellschaft geschieden.

Lit.: Köbler, DRG 127, 217; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Engler, C., Die Komman­ditgesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999

stillschweigend (Adj.) ohne ausdrückliche Willenserklärung erfolgend, gesetzlich oder geweohnheitsrechtlich geltend (z. B. Pfand­recht des Vermieters oder Verpächters)

stilus (M.) curiae (lat.) Schreibart eines Gerichts, Gerichtsgebrauch

Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976

Stimmrecht ist das Recht, an einer Abstim­mung einer Personenmehrheit teilzunehmen. Es gewinnt insbesondere im 19. Jh. allgemeine Bedeutung.

Lit.: Vogel, B. u. a., Wahlen in Deutschland, 1971

Stintzing, Roderich von (Altona 8. 2. 1825-Südtirol 13. 9. 1883), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Heidelberg, Kiel und Berlin 1848 Rechtsanwalt und 1854 ordentlicher Professor in Basel, Erlangen (1857) und Bonn (1870). Nach langjährigen Vorbereitungen veröffentlicht er 1880 die Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Müllenbach, B., Zum 100. Todestag von Roderich von Stintzing, ZRG GA 101 (1984), 312

stipendium (lat. [N.]) Steuer, Grundsteuer, Unterstützung

Lit.: Köbler, DRG 32; Adam, T., Stipendienstiftungen und der Zugang zu höherer Bildung in Deutschland von 1800 bis 1960, 2008

Stipulatio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht das Versprechen. Es stellt eines der wichtigsten Geschäfte überhaupt dar. Bei der Stipulation macht der eine ein (mündliches, formgebundenes) Angebot (lat. centum mihi dari spondesne [versprichst du, dass mir hundert gegeben werden?]), dem der andere zustimmt (lat. spondeo [ich ver­spreche]). Die vielseitig (z. B. für ein Schen­kungsversprechen, die Haftung bei Verkauf oder eine Zinsab­rede) verwendbare, einseitig verpflich­tende S. ist im klassischen römischen Recht → Verbalkontrakt (mit der actio ex stipulatu einklagbar). Zu Gunsten eines Dritten ist die S. ausgeschlossen (lat. alteri stipulari nemo potest, für einen Dritten kann niemand versprechen). Bei der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird der besondere Wortformalismus nicht über­nommen (usus modernus pandectarum, moderner Gebrauch der Pandekten).

Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 III, 8 I, 32 II, 33 I, IV, 38 II, 40 I, 41 VI, 58 III, 59 II; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19, 22, 27, 45, 164; Seuffert, L., Materialien zur Deutung von stipulatio in mittelal­terlichen Urkunden, ZRG GA 2 (1881), 115; Wolf, J., Causa stipulationis, 1970; Simon, D., Studien zur Praxis der Stipulationsklausel, 1964;; Wesener, G., Zum Weiterleben römischen Rechts im Frühmittelalter (in) Cinquante anni della Corte costituzionale della Repubblica italiana, 2006, 1751

Stipulatio (F.) Aquiliana (lat.) ist die von Gaius Aquilius Gallus (66 v. Chr.) geschaffene, den Geldwert aller gegenwärtig oder künftig gerichtlich durchsetzbaren Rechte des Stipulanten in einer einzigen Stipulation zusammenfassende Stipulation (Ausgleichs­quittung).

Lit.: Kaser § 54 I 5; Köbler, DRG 29, 44; Sturm, F., Stipulatio Aquiliana, 1972

stipulatio (F.) duplae (lat.) Strafstipulation auf das Doppelte (des Kaufpreises), falls die verkaufte und dem Käufer übergebene Sache von einem besser Berechtigten herausverlangt wird (teilweise fingiert)

Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 46

Stipulation (Versprechen) → stipulatio

Stobbe, Johann Ernst Otto (Königsberg 28. 6. 1831-Leipzig 19. 5. 1887) wird nach dem Studium von Philosophie und Rechts­wissenschaft in Königsberg, Leipzig und Göttingen (Merkel, Albrecht, Waitz) 1856 in Königsberg außerordentlicher Professor und dann ordentlicher Professor, 1859 in Breslau, 1872 in Leipzig. Er veröffentlicht 1860 die Geschichte der deutschen Rechtsquellen (Neudruck 1965) und 1871 ein Handbuch des deutschen Privatrechts.

Lit.: Friedberg, E., Otto Stobbe, 1887; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Scholze, B., Otto Stobbe, 2002

Stock (M.) Gefängnis, Pranger

Stockholm am Mälarsee erscheint 1252. Im 17. Jh. wird es Hauptstadt Schwedens. Im 19. Jh. erhält es eine 1960 verfestigte Universität.

Lit.: Dahlbäck, G., I medeltidens Stockholm, 1988; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübi­schen Rechts, 2008

Stockwerkseigentum ist das besondere Eigentum an einem Teil eines Hauses. Im Gegensatz zum römischen Recht erscheint es im Mittelalter vor allem in Süddeutschland seit dem 12. Jh., in Tirol seit dem 15. Jh. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird S, zurückgedrängt. Am Ende des 19. Jh.s wird seine Neubildung als rechtlich unmöglich (lat. superficies solo cedit, der obere Teil weicht dem Grund) ausgeschlossen (Österreich 1879, deutsches Reich 1900, Schweiz 1907/1911). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s tritt das Wohnungseigentum an seine Stelle.

Lit.: Kaser § 26 III 3; Hübner; Ackermann, F., Über Stockwerkseigentum, Diss. jur. Göttingen 1891; Novak, F., Das Stockwerkseigentum im Wiener Rechte des Mittelalters, ZRG GA 54 (1934), 89; Putzer, P., Zur Rechtsgeschichte des Stockwerkseigentums, FS E. Hellbling, 1971, 581; Thümmel, H., Stockwerkseigen­tum in Baden, Z. f. d. Notariat in Baden-Württemberg 50 (1984), 5; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Freundling, G., Echtes altes Stockwerkseigentum in Bayern, ZRG 116 (1999), 384; Kohl, G., Stockwerkseigentum 2007

Stolgebühr ist die nach dem Amtsgewand des Geistlichen (Stola) bezeichnete Gebühr für eine kirchliche Handlung (z. B. Taufe, Trauung, Begräbnis).

Lit.: Freudenberger, T., Der Kampf um die radikale Abschaffung, Münchner Theol. Z. 1 (1950), 40; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

Stölzel, Adolf (Gotha 28. 6. 1831-Berlin 19. 4. 1919), Stadtsekretärs- und Amtsadvokaten­sohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg und Heidelberg 1860 Richter und 1887 Honorarprofessor. 1872 legt er eine Unter­suchung über die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien vor, 1901 eine Untersuchung über die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung.

Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 40 (1919), 393

Stracca, Benvenuto (Ancona 1509-1578), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechts­studium in Bologna Jurist in Ancona. Er veröffentlicht 1553 den (lat.) Tractatus (M.) de mercatura seu mercatore (Abhandlung vom Handel oder Kaufmann), der mit der Be­handlung des Kaufmanns und seiner Ge­schäfte die erste wissenschaftliche Dar­stel­lung des → Handels­rechts bildet.

Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Hand­buch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1, 1977

Strafaussetzung zur Bewährung ist die im 20. Jh. nach englischen Vorläufern (1778 Strafkolonien in Australien) nach ame­rikanischem Vorbild (Massachusetts 1869, England 1887, Belgien 1888, Frankreich 1891, bedingte Begnadigung Sachsen 1895) eingeführte Aussetzung der Vollstreckung einer → Freiheitsstrafe unter der Bedingung, dass der Täter während einer Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird (Deutschland Reichsjugendgerichtsgesetz 1923, allgemein Bundesrepublik Deutschland 1953).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236

Strafe ist das dem Täter einer Straftat von der Allgemeinheit zuzufügende, das Opfer nicht entschädigende Übel. Im altrömischen Recht werden Unrechtstaten überwiegend mit den Mitteln der Hauszucht, des Kriegsrechts, der allgemeinen magistratischen Zuchtgewalt und des Zivilverfahrens verfolgt und nur in einigen seltenen Fällen (Landesverrat, Magis­tratsver­letzung) mit einer öffentlichen Strafe (Enthauptung und Vermögens­ein­ziehung, später auch Geldstrafe) belegt. Demgegenüber dringt seit dem 3. Jh. v. Chr. die öffentliche Unrechtsverfolgung allgemein durch. Strafen sind danach Todesstrafe, Verbannung, Ausprügelung, Zwangsarbeit und Geldstrafe. Justinian vereinigt alle Regelungen in den Büchern 47 und 48 der → Digesten. Inwie­weit die Germanen S. kennen, ist zweifelhaft (Auf­hängen bei Volksverrat, im Moor Ver­senken bei Unzucht). Im Frühmittelalter über­wiegt das → Kom­positionensystem. Erst seit dem 11. Jh. erscheint die S. (wieder allge­meiner) in → Landfrieden, setzt sich dann aber rasch durch. Sie ist anscheinend bis in das 17. Jh. meist in Geld ablösbar. Bereits vor dem 12. Jh. sind auch Ansätze eines kirchlichen Strafrechts erkennbar, die aber erst durch die an das den Gegenstand noch an verschiedenen Stellen behandelnde Decretum Gratians (um 1140) anschließende Kanonistik (Bernhard von Pavia [† 1213], Compilatio prima Buch 5 de criminibus et poenis, Liber Extra Gregors IX. [um 1167.1241]- de poenis) systematisch ausgebaut werden. Thomas von Aquin legt in seiner auf Aristoteles aufbauenden Straftheorie die Strafe auf die Sündenstrafe fest und trennt damit die eigentliche Strafe von strafenden Maßnahmen mit anderen Zielen, wobei ihm die eigentliche Strafe ein Ausgleichen einer freiwilligen Sünde durch ein unfreiwilliges Leiden ist. Eine allgemeinere ausführliche Regelung bringt die → Constitutio Criminalis Carolina (1532). Danach stehen Todesstrafen und Leibesstrafen im Mittelpunkt, doch tritt auch die → Freiheitsstrafe schon auf. Für sie entwickelt sich seit dem 16. Jh. der Erzie­hungsgedanke (→ Zuchthaus). Wohl aus der spanischen Inquisition und der spanischen Spätscholastik (Alfonso de Castro 1495-1558) stammt die einschränkende Vorstellung des an den Straftäter gerichteten sittlichen Vorwurfs, die auch zur Folge hat, dass schuldunabhängige Zwangsmaßnahmen unter Berufung auf ihre Unverzichtbarkeit für das Wohl der Allgemeinheit zu einem neuartigen Präventionsrecht neben dem eigentlichen Strafrecht zusammengefasst werden (Zwei­gleisigkeit). Das Strafgesetzbuch Josephs II. von Österreich (Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und deren Bestrafung, 1787, Jopsephina) verbietet dem Richter Auslegung und Analogie (lat. nulla poena sine lege, keine Strafe ohne Gesetz). Im 19. Jh. wird die Reso­zialisierung des Straftäters in den Vorder­grund gerückt (→ Liszt 1882). Die Todes­strafen und Leibesstrafen werden überdacht und im 20. Jh. beseitigt. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s durch die ökonomischer zu verwendende → Geldstrafe ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 14, 20, 34, 56, 87, 91, 118, 119, 158, 204, 236, 264; Köbler, WAS; Kohler, J., Das Strafrecht der italienischen Statuten, 1897; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Levy, E., Die römische Kapitalstrafe, 1931; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Achter, V., Geburt der Strafe, 1951; Bianchi, H., Ethik des Strafens, 1966; Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970; Polley, R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Abdulmegid Kara, M., The Philosophy of Punishment in Islamic Law, 1977; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273; Nehlsen, H., Entstehung des öffentlichen Strafrechts, FS H. Thieme, 1983, 3; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe im Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 53; La Peine, 1989; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche 1993; Holzhauer, H., Zum Strafgedanken im frühen Mittelalter, (in) Überlieferung, Bewahrung, 1993, 179; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1; Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der öffentlichen Strafe im deutschen Reich bis zum 14. Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 217; Wadle, E., Die peinliche Strafe, (in) Träger und Instrumente des Friedens, 1996, 229; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Peters, J., Die Entwicklung von Sanktionspraxis und Strafrechtsreform 1871 bis 1933, 2000; Gellinek, C., Was heißt strafen?, ZRG GA 118 (2001), 385; Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter, hg. v. Schlosser, H. u. a., 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2003; Börsch, M., Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Thiel, S., Strafe und Strafverfahren in der freien Reichsstadt Memmingen, Diss. jur. Würzburg 2003; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2005; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Europäische Strafkolonien im 19. Jahrhundert, hg. v. Da Passano, M., 2006; Der Strafgedanke in seiner historischen Entwicklung, hg. v. Hilgendorf, E. u. a., 2007; Emsley, C., Crime, Police and Penal Policy, 2007; Schauz, D., Strafen als moralische Besserung, 2008; Rosenblum, W., Beyond the Prison Gates - Punishment and welfare in Germany 1850-1933, 2008

Strafgesetz ist das Strafe betreffende Gesetz (z. B. [Constitutio criminalis Bambergeensis 1507, Constitutio criminalis Carolina 1532, Constitutio criminalis Theresiana 1768, Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und deren Bestrafung Josephs II. für die habsburgischen Erbländer 1787,] S. über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen Österreichs vom 3. 9. 1803, Anlage zum kaiserlichen Patent vom 3. 9. 1803, JGS 626, S. über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen Österreichs von 1852, Anlage zum kaiserlichen Patent vom 27. 5. 1852).

Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/­Strafgesetz­buchOesterreich1852.htm

Strafgesetzbuch ist das (älteren Gesetzen und Verordnungen über Strafrecht und Straf­verfahren wie z. B. der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, der Ordonnance sur le fait de la justice von Villers-Cotterêts von 1539 in Frankreich oder den Strafrechtsverordnungen vom 5. und 6. Juli 1570 in den spanischen Niederlanden folgende,) das → Strafrecht kodifizierende Gesetzbuch (z. B. Westgalizisches S. 1796, Code pénal 1810, Bayern 1813, Oldenburg 1814, Sachsen 1838, Württemberg 1839, Sachsen-Weimar 1839, Hannover 1840, Braunschweig 1840, Sach­sen-Altenburg 1841, Hessen 1841, Lippe-Detmold 1843, Sachsen-Meiningen 1844, Schwarzburg-Sondershausen 1845, Baden 1845, Nassau 1849, Preußen 1851 [, Österreich 1852 Neuherausgabe], Sachsen 1855, Deutsches Reich 1871). Es wird in Deutschland 1969 in seinem allgemeinen Teil verändert (Einheitsstrafe, viele Geldstrafen nach Tagessätzen). Die Übertretungen werden über­­wie­gend zu Ordnungswidrigkeiten. 1973/­1974 werden die Sexualdelikte libe­ralisiert, 1976 wird die Wirtschaftskri­mina­lität erfasst, 1980 die Umweltkrimina­lität, 1986 die Computerkriminalität. In Ös­terreich wird das Strafgesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen vom 3. September 1803, neue Ausgabe zum 1. 9. 1852, durch das Bundesgesetz vom 23. 1. 1974 über die mit gerichtlicher Strafe be­dro­hten Handlungen (Strafgesetzbuch) ersetzt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 182, 229; Stenglein, M., Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Bd. 1ff. 1858; Berner, A., Die Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, Neudruck 1978; Würtenberger, T., Das System der Rechts­güterordnung, 1933, Neudruck 1973; Maes, L., Die drei großen europäischen Strafgesetzbücher, ZRG 94 (1977), 207; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Protokolle der Kommision für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913), hg. v. Schubert, W., 1990; Entwürfe der Strafrechtskommission zu einem deutschen Strafgesetzbuch und zu einem Einführungsgesetz (1911-1914), hg. v. Schubert, W., 1990; Das Strafgesetzbuch, Sammlung der Änderungs­gesetze und Neubekanntmachungen, hg. v. Vormbaum, T. u. a., Bd. 1f. 1999; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002

Strafklage

Lit.: Guthke, T., Die Herausbildung der Strafklage, 2008

Strafmündigkeit ist die altersbedingte Strafbarkeit. Sie wird im Deutschen Reich 1923 von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt.

Lit.: Köbler, DRG 236; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Dräger, W., Die Strafmündigkeitsgrenzen, Diss. jur. Kiel 1992

Strafprozess ist das gerichtliche Verfahren, in dem über das Vorliegen einer Straftat und die dafür zu verhängende Strafe verhandelt wird. Es unterscheidet sich bereits im altrömischen Recht vom Zivilverfahren, wobei in Rom ohne weiteres vom privaten Prozess in den Strafprozess gewechselt wird. Im Hochmittelalter wird diese Unterschei­dung erneut aufgegriffen. Dabei stehen → Akkusationsprozess und → Inquisi­tionspro­zess nebeneinander. Der von der nicht­öffentlichen Untersuchung samt → Folter gekennzeichnete, mehr und mehr vor­herr­schen­de Inquisiti­onsprozess mit seinem → endlichen Rechts­tag wird von der Aufklärung bekämpft und zu Beginn des 19. Jh.s durch ein öffentliches rechts­staatliches Verfahren ersetzt (Frankreich 1808 Code d’instruction criminelle), in dem Untersuchung (→ Staats­anwalt) und Entscheidung (Richter) getrennt sind. In Österreich wird dieser S. 1850 (bis 1853) und 1873 aufgenommen (Reform 2008)..

Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, 1879, Neudruck 1973; Esmein, A., Histoire de la procédure criminelle en France, 1882; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg 1904; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de Valenciennes, 1904; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in Schwaben im späteren Mittelalter, 1910; Schröder, R., Eine strafpro­zessualische Verordnung des Königs Ruprecht, ZRG GA 34 (1913), 433; Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Fels, H., Der Strafprozess der preußischen Criminalordnung von 1805, Diss. jur. Bonn 1932; Schmidt, E., Inquisitionsprozess und Rezeption, 1944; Schmidt, E., Deutsches Strafprozessrecht, 1967; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988f.; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses (1903-1905), hg. v. Reichsjustizamt 1905, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Sellert, W., Borgerlike, pinlike und misschede klage, (in) Überlieferung, Bewahrung, 1993, 321; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 4. A. 1995; Blusch, C., Das bayerische Strafverfahrensrecht von 1813, 1997; Friedländer, H., Interessante Kriminal-Prozesse, 1999 (CD-ROM); Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, 2000; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Nobis, F., Die Strafprozessgesetzgebung der späten Weimarer Republik, 2000; Rudolph, H., Eine gelinde Regierungsart, 2001; Ignor, A., Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002; Langbein, J., The Origins of Adversary Criminal Trial, 2003; Reuber, S., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Die Quellen sprechen lassen, hg. v. Emberger, G. u. a., 2009

Strafprozessordnung ist das das Straf­verfahren bzw. den Strafprozess ordnende Gesetz. Eine solche S. stellt bereits die → Constitutio Criminalis Carolina von 1532 dar, die auch Strafrecht enthält. Auf den Strafprozess beschränkt sind aber die Strafprozessordnungen der späteren Zeit (Code d’instruction criminelle Frankreich 1808, Baden 1844, Preußen 1849, Österreich 1850/1853/23. 5. 1873 [RGBl. 1873, 119], Strafprozessordnung des Deutschen Reiches 1877/1879).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 263, 264; Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1908, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Protokolle der Reichstagsver­handlungen, Bericht der 7. Kommission des Reichstags (1910-1911) zur Beratung der Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1910f., neu hg. v. Schubert, W., 1991; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kleinheyer, H., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Entstehung und Quellen der Strafprozessordnung von 1877, hg. v. Schubert, W./Regge, J., 1989; Bottenberg, F., Die hamburgische Strafprozessordnung von 1869, 1998

Strafprozessrecht → Strafprozess, Strafpro­zessordnung

Lit.: Quellen zur Reform des Straf- und Strafpro­zessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.

Strafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände mit → Strafe bzw. Strafan­drohungen verknüpfenden Rechtssätze. Öffentliches S. entwickelt sich erst mit der Festigung öffentlicher Herrschaft. Die ersten Regeln entstehen wohl gewohnheitsrechtlich. Vermutlich früh werden aber auch Bestimmungen bewusst gesetzt (z. B. Diges­ten, Landfriede). Eine erste Zusammenfas­sung bieten die Bücher 47 und 48 der → Digesten, im Spätmittelalter die Halsge­richtsordnungen, vor allem die → Constitutio Criminalis Carolina (1532). Inhaltlich beginnt, ausgehend von der allmählichen Unterscheidung von Buße und Strafe (Ansätze eines kirchlichen Strafrechts vielleicht schon vor dem 12. Jh., systematischer Ausbau seit dem Decretum Gratians) und der kirchlichen Beichte, die spanische Spätscholastik und Naturrechtslehre des 16. Jh.s mit zunächst moraltheologischen Begriffen die Individualisierung, Subjek­ti­vierung und Psychologisierung des Strafrechts, welche die Kriminalpsychologie seit dem ausgehenden 18. Jh. mit säkula­risierten Begriffen und empirischer Methode weiterführt. Etwa seit dieser Zeit werden besondere Strafgesetzbücher ge­schaffen (z. B. Frankreich 1810, Bayern 1813 Feuerbach), in denen teilweise harte Strafen abgeschafft, präventive Strafzwecke anerkannt und psychologische Befragung und richterliche Ermessenspielräume eröffnet werden. Zu dieser Zeit wird bereits ein allgemeiner Teil des Strafrechts entwickelt, der die allgemeinen Bestandteile einer Straftat festlegt. Aufklärung und Liberalismus bemühen sich weiter um ein rechtsstaatliches S. (1871 Reichsstrafgesetz­buch). Die rechts­tatsächliche Bedeutung des Strafrechts ist trotz aller seit dem späten 19. Jh. einsetzenden Bemühungen um die Resozialisierung des Straftäters groß.

Lit.: Kaser § 2 II 1b; Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 8, 138, 140, 158, 159; Wielant, F. (1441-1520), Corte instructie in materie criminele, 1510, hg. v. Monballyu, J., 1995 (erste umfassende Darstellung des Strafrechts und Strafprozessrechts nördlich der Alpen); Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Günther, L., Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Stephen, J., A history of the criminal law of England, Bd. 1ff. 1883, Neudruck 1964; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1f. 1907ff.; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, Neudruck 1958; Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Rau, F., Beiträge zum Kriminalrecht der freien Reichsstadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1916; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Liszt, F./Schmidt, E., Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 25. A. 1927; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Dahm, H., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Skeil, J., Den norske strafferett, Bd. 1 1937; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen Rechts auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Koch, J., Die Strafrechtsbelehrung des Volkes von der Rezeption bis zur Aufklärung, 1939; Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht, 1947; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Oehler, D., Wurzel, Wandel und Wert der strafrechtlichen Legalordnung, 1950; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Caenegem, R., Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954; Korsch, H., Das materielle Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Brahmst, C., Das hamburgische Strafrecht, 1958; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 2. A. 1951, 3. A. 1965; Hentig, H. v. Studien zur Kriminal­geschichte, 1962; Mehrle, P., Die Strafrechtspflege in der Herrschaft Kißlegg, 1961; Guggenheim, T., Die Anfänge des strafrechtlichen Unterrichts in Zürich, 1965; Lohse, E., Johann Michael Franz Birnbaum (1792-1877) als Strafrechtslehrer, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Neusel, Höchstrichterliche Strafgerichtsbarkeit, 1972; Langbein, J., Prosecuting crime in the Renaissance, 1974; Texte zur Theorie des politischen Strafrechts, hg. v. Schroeder, F., 1974; Roldán Verdejo, R., Los delitos contra la vida, 1978; Laingui, A./Lebigre, A., Histoire du droit pénal, Bd. 1f. 1979f.; Crime and Law, hg. v. Gatrell, V., u. a., 1980; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 1981; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechts­geschichte, 5. A. 2007; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1 1982; Schroeder, F., Das Strafrecht des sozialen Realismus, 1983; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985; Rüping, H., Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme, 1986, 43; Lüken, E., Der Nationalsozialismus und das materielle Strafrecht, Diss. jur. Göttingen, 1987; Brauneder, E., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Werle, G., Das Strafrecht als Waffe, JuS 1989, 952; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch zur Geschichte des deutschen Strafrechts, Bd. 1f. 1989ff.; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Carbasse, J., Introduction historique au droit pénal, 1990; Gauvard, C., De grace especial, 1991; Herzog, F., Gesellschaftliche Unsicherheit und straf­rechtliche Daseinsvorsorge. Studien zur Vorverlegung des Strafrechtsschutzes in den Gefährdungsbereich, 1991; Volk, K., Napoleon und das deutsche Strafrecht, JuS 1991, 281; Histoire et criminalité, hg. v. Garnot, 1992; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Limbach, A., Das Strafrecht der Pauls­kirchenverfassung 1848/49, 1995; Cheng, Y., Die Ausnahme bestimmt die Regel, 1995; Decker, C., Katalog der rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1900, 1995; Bauman, R., Crime and Punishment in Ancient Rome, 1996; Robinson, O., The criminal law, 1996; Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, ZRG GA 113 (1996), 217; Hellbling, E., Grundlegende Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter, I., 1996; Perspektiven der Strafrechtsent­wicklung, 1996; Hettinger, M., Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht, 1996; Caenegem, R. van, Notes on twelfth-century English criminal law, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Hamm, R., 50 Jahre NJW: Das Strafrecht, NJW 1997, 2636; Glöckner, H., Quellen zur neueren Strafrechts­geschichte, Ius commune 34 (1997), 249; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1998; Buschmann, A., Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, 1998; Ermann, J., Strafprozess, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Strafrechtsdenker der Neuzeit, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Gschwend, L., Nietzsche und die Kriminalwissenschaften, 1999; Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Willoweit, D., 1999; Weber, R., Die Entwicklung des Nebenstrafrechts, 1999; Neue Wege strafrechtsgeschichtlicher For­schung, hg. v. Schlosser, H. u. a., 1999; Riggsby, A., Crime and Community in Ciceronian Rome, 1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2000; Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, hg. v. Eser, A. u. a., 2000; Radbruch, G., Strafrechts­geschichte, hg. v. Neumann, U., 2000; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2000; Overdijk, D., De gewoonte is de beste uitleg van de wet, 2000; Naucke, W., Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2000; Thulfaut, G., Kriminalpolitik und Strafrechtslehre bei Edmund Mezger (1883-1962), 2000; Reuß, E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Richstein, C., Das belagerte Strafrecht – Kriegsstrafrecht, 2000; Radbruch, G., Strafrechts­geschichte, hg. v. Neumann, u., 2001; Dean, T., Crime in Medieval Europe 1200-1550, 2001; Geus, E., Mörder, Diebe, Räuber, 2002; Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Die Durchsetzung des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Lüderssen, K., 2002; Brandt, C., Die Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002; Silva Sánchez, J., Die Expansion des Strafrechts, 2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Karitzky, H., Eduard Kohlrausch, 2002; Nedden, C. zur, Die Strafrechtspflege im Königreich Westphalen, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Röthlin, N., Die Verbesserung des Strafrechts nach Montesquieu und Beccaria, ZRG GA 121 (2004), 238; O’Sullivan, C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006; Landau, P., Lehrbuch conta Fälschung, DA 62 (2006), 505; Reulecke, M., Gleichheit und Strafrecht im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, 2007; Der Strafrechtsgedanke in seiner historischen Entwicklung, hg. v. Hilgendorf, E. u. a., 2007; Asholt, M., Straßenverkehrsstrafrecht, 2007; Ludwig, U., Das Herz der Justitia, 2008; Stübinger, S., Das idealisierte Strafrecht, 2008; Vormbaum, T., Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, 2009; Kesper-Biermann, S., Einheit und Recht - Strafgesetzgebung, 2009

Straftheorie ist die Überlegung über den → Strafzweck.

Lit.: Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958

Strafurteil

Lit.: Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungs­bild des preußischen Strafurteils, 1965

Strafvereitelung ist die Verhinderung der Bestrafung eines Straftäters.

Lit.: Ebert, U., Die Strafvereitelung, ZRG GA 110 (1993), 1; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002

Strafverfahren → Strafprozess

Lit.: Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Kleinheyer, G., Untersuchungsrecht und Entschädigungspflicht in der Geschichte des Strafverfahrens, ZRG GA 108 (1991), 61; Weitzel, Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Schulz, L., Normiertes Misstrauen, 2001; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV. Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05

Strafverteidiger ist der Rechtsanwalt im Strafprozess. → Verteidiger

Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987

Strafvollzug ist die Vollstreckung der → Stra­fe. Der S. erfolgt seit dem Hochmittelalter durch den Richter und den → Henker oder → Scharfrichter als seinen Vollstreckungs­gehilfen. Seit dem 16. Jh. wird das besondere → Zuchthaus eingerichtet. Im 20. Jh. wird der S., ausgenommen die nationalsozialistische Zeit, in der die Zahl der Inhaftierten (von 1928 rund 50000) bis 1944 auf rund 200000 steigt, mehr und mehr verrechtlicht (Deutschland 16. 3. 1976).

Lit.: Köbler, DRG 203, 265; Deutsches Gefan­genenwesen, hg. v. Bumke, E., 1928; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Hänsel-Hohenhausen, M., Strafvollzug im Jahre 1848, ZRG GA 104 (1987), 283; Strafvollzug und Schuldproblematik, 1988; Strafvollzug im Dritten Reich, hg. v. Jung, H. u. a., 1996; Walz, K., Soziale Strafrechtspflege in Baden, 1999; Humaner Strafvollzug und politischer Missbrauch, hg. v. Fricke, K., 1999; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999; Schenk, C., Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in Deutschland, 2001; Brennpunkt Strafvollzug, hg. v. Baechtold, A., 2002; Strafvollzug und Straffälligenhilfe in Europa, 2003; Riemer, L., Das Netzwerk der Gefängnisfreunde, 2005; Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern, hg. v. Politische Memoriale e. V., 2006; Vormbaum, T., Kriminologie- und Strafvollzugs­geschichte, Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 221ff.

Strafzweck ist der von der → Strafe verfolgte Zweck. Im Mittelalter scheinen Vergeltung und Unschädlichmachung die hauptsächlichen Strafzwecke zu sein. Noch für → Kant im 18. Jh. (1797) und → Binding im 19. Jh. bildet allein die Straftat, deren Unrecht durch Vergeltung ausgeglichen werden muss, den Grund der Strafe (absolute Straftheorie). Demgegenüber stellen die relativen Straf­theorien das Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund. Nach einer Ansicht geht es dabei um die Abschreckung des Straftäters (→ Spezialprävention, v. → Grolman 1775-1829), nach anderer Ansicht auch um die Abschreckung Dritter (→ Generalprävention, → Feuerbach 1775-1833). Nach Franz von → Liszt (1851-1919, Marburger Programm 1882) ist der Täter für sein sozialschädliches Verhalten zu bestrafen, weshalb die Spezialprävention nach Tätertypen unter­schieden werden soll. Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt werden. Hiervon dringt der Resozialisierungsgedanke im 20. Jh. weiter vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 204, 264; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Henrici, A., Die Begründung des Strafrechts in der neueren deutschen Rechtsphilosophie, Diss. jur. Zürich 1960; Seelmann, K., Zum Verhältnis von Strafzweck und Sanktionen, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 1989, 355; Telp, J., Ausmerzung und Verrat, 1999; Bastelberger, M., Die Legitimität des Strafrechts und der moralische Staat, 2006; Stübinger, S., Das idealisierte Strafrecht, 2008; Strafzweck und Strafform, hg. v. Schulze, R. u. a., 2008

Stralsund ist die der Insel Rügen südlich gegenüberliegende Hansestadt → lübischen Rechts (1234), die ein bedeutsames Stadtbuch überliefert.

Lit.: Ebeling, R., Das älteste Stralsunder Bürgerbuch (1319 bis 1348), 1926; Rehme, P., Neues über Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Koeppen, H., Führende Stralsunder Ratsfamilien, 1938; Der Stralsunder Liber memorialis, bearb. v. Schroeder, H., Bd. 1ff. 1964ff.; Langer, H., Stralsund 1600-1630, 1970; Ewe, H., Geschichte der Stadt Stralsund, 2. A. 1985; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999); Berwinkel, R., Weltliche Macht und geistlicher Anspruch, 2008

Strandrecht ist das Recht, sich das am Strand angeschwemmte Gut anzueignen. Es wird im Laufe der Zeit eingeschränkt (u. a. 1874 Strandungsordnung).

Lit.: Kalthoff, H., Die rechtliche Behandlung des Strandgutes im römischen Recht, Diss. jur. Rostock 1910; Ebeling, H., Die Entwicklung des Strandrechts, Diss. jur. Frankfurt am Main 1931; Niitemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa, 1955

Straßburg am Rhein, um 12 v. oder 16 n. Chr. als römisches Argentorate gegründet, ist seit dem 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1146/1147 ein Stadtrecht gewährt, und die seit 1621 Sitz einer Universität (1792/1793 vorübergehend aufge­löst). 1681 wird die Reichsstadt S. von Frankreich besetzt. Mit dem Elsass ist sie von 1871 bis 1918 Teil des Deutschen Reiches und wird auch während des zweiten Weltkriegs vom Deutschen Reich besetzt und verwaltet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt Straßburg, hg. v. Wiegand, W., Bd. 1 1879; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Kiener, F., Studien zur Verfasssung des Territoriums der Bischöfe von Straßburg, 1912; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne, 1935; Festschrift für die Reichsuniversität Straßburg, hg. v. Schmidt, R., 1941; Wittmer, C., Le livre de bourgeoisie, Bd. 1ff. 1948ff.; Streitberger, I., Der königliche Prätor von Straßburg, 1685 bis 1789, 1961; Wunder, G., Das Straßburger Gebiet, 1965; Wunder, G., Das Straßburger Landgebiet, 1967; Histoire de Strassbourg, hg. v. Livet, G. u. a., 1980ff.; Cornelissen, C. u. a., Grenzstadt Straßburg, 1997; Schäfer, H., Juristische Lehre und Forschung, 1999; Schlüter, B., Reichswissenschaft, 2004; Roscher, S., Die Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 1872-1902, 2006

Straße ist der planmäßig angelegte, für Fahrzeuge geeignete Verkehrsweg. Im römi­schen Altertum besteht ein hervorragendes Straßensystem. Im Mittelalter erscheinen einzelne rechtliche Bestimmungen für Straßen erst im 13./14. Jh. Als Bezeichnung einzelner Straßen in Orten setzt sich oberdeutsch gasse, niederdeutsch strate durch, doch wird seit dem 19. Jh. Gasse weitgehend durch Straße ersetzt. Im ab­solutistischen Frankreich be­ginnt der Bau geplanter Chausseen, dem im Heiligen römischen Reich nach 1712 gefolgt wird. Seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geht man zum sys­tematischen Straßenbau mit Überwachung und Reparatur über. Eine Verdichtung erfährt das Straßen­recht seit dem 19. Jh. Seit 1840 leitet die Verwendung von Asphalt, Bitumen und Beton den modernen Straßenbau ein. Ab 1870 wird das Fahrrad (Niederrad 1877-1884), ab 1885 das Automobil zu einem wichtigen Fortbewegungsmittel, dessen Gefahren gesetzliche Regelungen erfordern (Frankreich Radfahrrecht 1896, preußische Radfahr­ord­nung 1899, Allgemeine [deutsche] Straßen­ver­kehrsordnung 1926). In Deutschland gibt es (2001) 396345 verschiedene Staßennamen, wobei von 1,2 Millionen Straßen 7630 Haupt­straße, 6988 Dorfstraße, 4979 Bahnhofstraße, 2248 Schillerstraße und 2172 Goethestraße hei­ßen.

Lit.: Köbler, DRG 176; Kroeschell, DRG 1; Gasner, E., Zum deutschen Straßenwesen, 1889; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Schrod, K., Reichsstraßen und Reichsverwaltung im Königreich Italien (754-1197), 1931; Leguay, J., La rue, 1984; Szabó, T., Die Entdeckung der Straße im 12. Jahrhundert, Studi in onore di C. Violante, 1994, 913; Lay, M., Die Geschichte der Straße, 1994; Auf den Römerstraßen ins Mittelalter, hg. v. Burgard, F. u. a., 1997; Müller, U., Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung, 2000; Die Straße, hg. v. Jaritz, g., 2001; Rathmann, M., Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des Imperium Romanum, 2003; Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R., 2004; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 195; Asholt, M., Straßenverkehrsstrafrecht, 2007; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 2008; Die Welt der europäischen Straßen, hg. v. Szabo, T., 2009; Riedi, B., Die Porten der Unteren Straße, 2009

Straubing

Lit.: Fraundorfer, W., Straubing, 1974; Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, 1999; Retzer, M., Das Patriziergeschlecht der Zeller von Straubing, 2007

Streik ist die gemeinsam und planmäßig durchgeführte, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Arbeitseinstellung einer verhältnismäßig großen Zahl von Arbeit­nehmern. Der S. erscheint nach älteren Vorläufern im 18. Jh. (z. B. in Nürnberg zwischen 1790 und 1800, Bayreuth 1800) in England 1810 (Wort um 1850) und dringt von dort aus im 19. Jh. vor. Er verliert seine Bedeutung, sobald die Arbeitsbedingungen (Lohnhöhen) unter Kostengesichtspunkten nicht mehr verbessert werden können.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bochum 1972; Theorie und Geschichte des Streikrechts, hg. v. Germelmann, C., 1980; Streik, hg. v. Tenfelde, K. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Reith, R. u. a., Streikbewegungen deutscher Handwerksgesellen im 18. Jahrhundert, 1992; Clasen, C., Streiks und Aufstände, 1993; Althaus, H., Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit, 1997; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005

Streitbefestigung → litis contestatio

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117, 202

Streitgenossenschaft ist das Auftreten mehrerer Parteien oder Beteiligter auf einer Seite eines Rechtsstreits. Eine S. kennt bereits das römische Recht. Von dort aus wird sie auch im gelehrten Prozessrecht behandelt.

Lit.: Kisch, W., Begriff und Wirkungen der besonderen Streitgenossenschaft, 1899; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973

stricti iuris (lat.) strengrechtlich, ohne Entscheidungsspielraum für den Richter

Lit.: Köbler, DRG 42, 62

Stromregal ist im Hochmittelalter das Recht des Königs am schiffbaren Fluss (Roncaglia 1158). Es geht rasch auf die Landesherren über.

Lit.: Hübner 297; Kroeschell, DRG 1; Gothein, E., Die Schiffahrt der deutschen Ströme, 1903; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1949

strudis (lat.-afrk. [F.]) Zwangsvollstreckung

Lit.: Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912

Struve, Georg Adam (Magdeburg 27. 12. 1619-Jena 16. 12. 1692), Gutseigentümers­sohn, wird nach dem Studium von Philosophie, Politik, Geschichte und Recht in Jena und Helmstedt (Conring) 1645 Gerichtsbeisitzer in Halle und 1646 Professor in Jena (1667 Hofrat in Weimar, 1674 Professor des kanonischen Rechts in Jena und Präsident des Jenenser Juristenkollegiums). 1670 veröffentlicht er (lat.) → Iurisprudentia (F.) romano-germanica forensis (Römisch-deutsche Gerichtsrechts­wissenschaft, mit unverkennbaren Parallelen zu Hugo Grotius’ Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd [1621]) (31. A. 1771, [als eine gründlich neubearbeitete Auflage des lateinischen Vorbilds] Juris­prudenz oder Verfassung der landüblichen Rechte, 1689, 8. A. 1737, weiter Syntagma iurisprudentiae secundum ordinem pandectarum concinna­tum, 1655ff.). Darin gibt er auf der Grundlage der Institutionen die für längere Zeit erfolgreichste Zusammen­fassung des bei den einheimischen Gerichten angewendeten römischen Rechts in vier Büchern (Personen­recht, Sachenrecht, Schuldrecht, Prozess­recht).

Lit.: Köbler, DRG 114; Struve, B., Pii manes Struviani, 1705; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Finzel, J., Georg Adam Struve (1619-1692) als Zivilrechtler, 2003

Stryk, Samuel (Lentzen/Prignitz 22. 11. 1640-Halle 23. 7. 1710), Amtmannssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Recht in Wittenberg (Ziegler) und Frankfurt an der Oder (Brunnemann) 1666 außerordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder, 1668 ordentlicher Professor in Frankfurt an der O­der, 1690 in Wittenberg und 1692 in Halle. Seit 1690 veröffentlicht er einen Pan­dektenkommentar mit dem die zeit­genössische Haltung (als usus modernuns pan­dectarum) kennzeichnenden Titel (lat.) Spe­cimen (N.) usus moderni pandectarum (Beispiel des modernen Gebrauchs der Pandekten). Darin verbindet er das römische Recht mit teils ergänzenden, teils ausschließenden einheimischen Rechtssätzen.

Lit.: Köbler, DRG 137, 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Plus petitio, 1974, 95; Luig, K., Samuel Stryk, FS S. Gagnér, 1991

Stuart ist das aus der Bretagne kommende, im 11. Jh. erscheinende schottische Geschlecht (Steward, → Seneschall), das 1371 das Königtum in → Schottland erlangt und 1603 den Tudors in → England nach­folgt. Die 1688/9 gestürzte Familie scheidet 1714 endgültig aus der englischen Königsherrschaft aus, besteht aber in Nebenlinien fort.

Lit.: The Kingdom of the Scots, 1973; Schreiber, H., Die Stuarts, 1999; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004; Duchein, M., Les dernier Stuarts, 2006

Stückschuld (Speziesschuld) ist die auf ein einzelnes Stück bezogene Schuld (im Ge­gensatz zur Gattungsschuld bzw. Genus­schuld), bei welcher der Schuldner bei durch Zufall verursachter Unmöglichkeit von seiner Verpflichtung frei wird..

Student ist der junge Mensch während des → Studiums.

Lit.: Brunck, H., Die Deutsche Burschenschaft, 1999

Studium ist die durch wissenschaftliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgende Ausbildung der Studenten an → Universitäten, dessen Dauer bereits an den spätantiken Rechtsschulen 3 bis 5 Jahre beträgt. Im Mittelalter beginnt das Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten meist tatsächlich nach einem Studium der freien Künste (mit etwa 20 Jahren). Ein eigentliches Berufsbild des Juristen gibt es bis in das 15. Jahrhundert nicht und bei der Besetzung führender Stellen sind persönliche und ständische Beziehungen noch wichtiger als ein Studium, doch verbessert das Rechts­studium für Studierende aus einfacheren Verhältnissen bereits die Wahrscheinlichkeit des späteren Erwerbs einer Pfründe oder einer Anstellung. Im 16. Jh. kann nach einem Grundstudium (in Deutschland und Frankreich) das Bakkalaureat erworben werden, während die eigentliche Ab­schlussprüfung im Lizentiat besteht, dem der kostspielige Formalakt der Promotion (nach durchschnittlich zehn Studienjahren) folgen kann. Wegen der Mängel der universitären Prüfungen treten ihnen im 18. Jh. staatliche Aufnahme­prüfungen (seit 1846 mit Professoren und Praktikern als Prüfern) für eine praktische Ausbildung im Staatsdienst zur Seite (in Preußen 1849/1851 erstmals eine einheitliche Regelung für die – dreiphasige - Ausbildung von Richtern, Staaatsanwälten und Rechtsanwälten, 1869 Justizaus­bil­dungsge­setz), die allmählich die Universitäts­prüfungen (Promotionen) für die berufliche Tätigkeit bedeutungslos werden lassen. → Jurist

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 186; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Burmeister, K., Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus, 1974; Dokumente zur Studiengesetzgebung in Bayern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bearb. v. Dickerhof, H., 1975; Humanis­mus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Titze, H., Datenbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff.; Geschichte der Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Frassek, R., Weltan­schaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Wieling, H., Rechtsstudium in der Spätantike, JuS 2000, 10; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Kühn, U., Die Reform des Rechtsstudiums zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen, 2000; Bäumer, M., Die Privatrechtskodifikation im juristischen Universitätsstudium, 2008

Stuhl ist die künstlich geschaffene Sitzgelegenheit. Sie ist vielfach ein Kenn­zeichen des Richters.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Stuhlweißenburg (Székesfehervar) ist eine im 11. Jahrhundert erstmals erwähnte, im 18. Jahrhundert überwiegend deutschsprachige Stadt in Ungarn, deren Recht insbesondere im sog. Diploma Leopoldinum vom 23. 10. 1703 greifabr ist.

Lit.: Pavlakovich-Mosonyi, M., Das Stadtrecht von Stuhlweißenburg, Diss. jur. Mannheim 2000

Stundung ist die bereits dem römischen Recht bekannte zeitliche Hinausschiebung der → Fälligkeit einer → Forderung.

Lit.: Kaser § 38 III 1

stuprum (lat. [N.]) Unzucht

Lit.: Köbler, DRG 35

Sturmabteilung (SA) ist die 1920 als Versammlungsschutz der → National­sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ge­gründete uniformierte Kampftruppe mit 1933 etwa 700000 Mitgliedern.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Stuttgart in Württemberg ist von 1781 bis 1794 Sitz einer Universität.

Lit.: Uhland, R., Geschichte der hohen Karlsschule in Stuttgart, 1953

Stutz, Ulrich (Zürich 5. 5. 1868-Berlin 6. 7. 1938) wird nach dem Rechtsstudium in Zürich und Berlin (Gierke, Hinschius) (ohne Habilitation) 1895 außerordentlicher Profes­sor in Basel, 1896 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, 1904 in Bonn und 1917 in Berlin. Bereits in seiner Dissertation entwickelt er die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechts (1895). Auf dieser Grundlage setzt er sich erfolgreich für eine besondere kirchliche Rechtsgeschichte ein.

Lit.: Schultze, A., Ulrich Stutz, ZRG GA 59 (1939), XVII

Stüve, Johann Carl Bertram

Lit.: Stüve, J., Briefe, hg. v. Vogel, W., 1959

Suárez, Francisco de (1548-Lissabon 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Salamanca Jesuit und seit 1570 Lehrer der Philosophie und Theologie. In einzelnen Abhandlungen befasst er sich spätscholastisch mit Rechtsfragen, wobei er Gott als Gesetzgeber betrachtet. Seine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) naturae (Naturrecht) und ius gentium (Völkerrecht) beeinflusst Hugo → Grotius.

Lit.: Köbler, DRG 140; Rommen, H., Die Staatslehre des Francisco de Suárez, 1927; Sóla, F. de P., Suárez y las ediciones de sus obras, 1948; Giers, J., Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez, 1962; Alexandrino Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005

Subinfeudation (F.) Unterbelehnung

Subjektives Recht ist das Recht des Einzelnen (z. B. Eigentum). Es steht im Gegensatz zum objektiven → Recht und zum bloßen Rechtsreflex. Gedanklich erkannt wird es am Ende des 18. Jh.s (→ Glück). Vom Nationalsozialismus wird es bekämpft. Das subjektive öffentliche Recht ist das (ein­klagbare) subjektive Recht innerhalb des öffentlichen Rechts, das Carl Friedrich Gerber (Über öffentliche Rechte, 1852) heraus­arbei­tet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 208, 238; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H. u. a., 1962, 29; Thoss, P., Das subjektive Recht in der glied­schaft­lichen Bindung, 1968; Nörr, K., Zur Frage des subjektiven Rechts in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, FS H. Lange, 1992, 193

subpignus (lat. [N.]) Unterpfand

Lit.: Kaser § 31 III 2a

subreptio (lat. [F.]) Erschleichung durch Verschweigung

subsidium (lat. [N.]) Unterstützung, Hilfsleistung

Lit.: Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506, bearb. v. Bünz, E., 2004

Subsidiarität ist die Nachrangigkeit. Nach der neueren katholischen Soziallehre (1931) besteht bei einem Nebeneinander mehrerer Aufgabenträger S. des umfassenderen (höhe­ren) Aufgabenträgers gegenüber dem kleine­ren (sachnäheren) Auf­gabenträger. Die S. ist im Grundsatz aufgenommen im Grundgesetz Deutschlands (Art. 23 GG) und in der Eur­o­päischen Union.

Lit.: Das Subsidiaritätsprinzip, hg. v. Utz, A., 1953; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungs­ansprüche, 1969; Subsidiarität, hg. v. Nörr, K. u. a., 1997; Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, hg. v. Blickle, P. u. a., 2002

Substanz (F.) selbständig Seiendes, Stoff

Substitution (F.) Ersatzberufung (z. B. zum Ersatzerben, vgl. die §§ 604ff.. ABGB)

Subsumtion (Darunternahme) ist die durch Vergleichung und Bejahung der Gleichheit (oder Ablehnung der Gleichheit) erfolgende Zuordnung bzw. Zurechnung eines einzelnen besonderen Sachverhaltes zu einem allgemeinen Tatbestand eines Rechtssatzes. Sie wird im ausgehenden 18. Jh. als solche im Recht gedanklich erfasst. Sie steht wegen der von ihr abhängigen logischen Zuordnung der allgemeinen Rechtsfolge des Rechtssatzes zu dem Sachverhalt im Mittelpunkt der Rechtsanwendung.

Lit.: Köbler, DRG 117; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986

Sudetenland ist seit 1912 die Bezeichnung für das Siedlungsgebiet der überwiegend deutschsprachigen Bewohner Deutsch-Mährens, Deutsch-Böhmens und Österreich­isch-Schlesiens. Im Oktober 1918 rufen die Be­wohner der nördlichen Gebiete die deutsch-österreichsische Provinz S. aus und treten im November 1918 der Republik Deutschösterreich bei, doch erklärt der Friedensvertrag von Saint Germain den Beitritt als unwirksam und gleidern das Gebiet der Tschechoslowakei ein.Am 29. 9. 1938 wird das S. im Münchener Abkommen von der → Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten (29000 Quadratkilometer, 3,4 Millionen Einwohner). 1945 kommt es unter Vertreibung der Deutschen an die → Tschechoslowakei zu­rück. Das Wort sudetendeutsch wird an­scheinend erstmals 1903 von dem Politiker Franz Jesser (1869-1854) verwendet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreiber, R., Der Elbogener Kreis, 1935; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 1987, 3. A. 1997; Franzel, E., Sudetendeutsche Geschichte, 1990; Gebel, R., Heim ins Reich, 1998; Zimmermann, V., Die Sudetendeutschen im NS-Staat, 1999; Odsun. Die Vertreibung der Sudetendeutschen, hg. v. Hoffmann, R, u. a., 2000; Hundert Jahre sudetendeutsche Geschichte. Eine völkische Bewegung in drei Staaten, hg.v. Hahn, H., 2007; Brandes, D., Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, 2008; Anders, F., Strafjustiz im Sudetengau 1938-1945, 2008

Südosteuropa ist der südöstliche Teil Europas. → Albanien, Balkan, Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Jugoslawien, Maze­donien, Osmanen, Rumänien, Serbien, Siebenbürgen, Türkei, Zypern

Lit.: Klebel, E., Siedlungsgeschichte des deutschen Südostens, 1940; Kaser, K., Südosteuropäische Ge­schichte und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2002; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a., 1999; Umstrittene Identitäten, hg. v. Brunnbauer, U., 2002; Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, hg. v. Hösch, E. u. a., 2004; Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2004; Politische Kultur in Südosteuropa, hg. v. Mosser, A., 2006

Südtirol ist der südlich des Alpen­hauptkamms gelegene Teil → Tirols, den 1919 → Italien als Lohn für seinen Eintritt in den ersten Weltkrieg auf Seiten der alliierten Siegermächte (Zusage Englands 1912) erhält (1918 3 Prozent der Bevölkerung italienisch­sprachig). Es wird seit 1922 intensiv italienisiert (von Adolf Hitler gebilligt, 90 Prozent der staatlichen Stellen mit Italienischsprachlern besetzt). Am 23. 6. 1939 wird zwischen dem Deutschen Reich und Italien ein Optionsabkommen unterzeichnet, nach dem die für das Deutsche Reich optierenden Bewohner in das Deutsche Reich (geschlossen) ausgeiedelt werden sollen. Danach entscheiden sich von 246036 Abstimmungsberechtigten 211799 für die deutsche Staatsbürgerschaft. Etwa 75000 Südtiroler werden tatsächlicha ausgesiedelt, wovon etwa 21000-22000 bis 1952 wieder zruückkehren. Nach 1945 (Niederlage Italiens im zweiten Weltkrieg) erhält S. auf internationalen Druck (Gruber-Degasperi-Abkommen 1946, Pariser Vertrag) beschränkte Autonomie (Auto­nomiestatut vom 29. 1. 1948 [italienische Mehrheit durch Zusammenfügung mit der Provinz Trient zur Region Trentino-Alto Adige], nach Kundgebungen und Attentaten [11./12. 6. 1961] verbessertes Südtirolpaket 1971, 20. 1. 1972 zweites Autonomiestatut in Kraft, autonome Region Trentino-Südtirol, Provinz Bozen, 1972 67,99 Prozent Deutsche, 27,65 Prozent Italiener, 4,36 Prozent Ladiner in der Provinz Bozen, trotz amtlicher Zweispra­chigkeit finden nur etwa 25 Prozent der Gerichtsverfahren in deutscher Sprache statt, 2000 sprechen sich bei einer Stich­probenbefragung der nichtitalienisch­spra­chi­gen Bevölkerung die meisten für Selb­ständigkeit, 39 Prozent für eine Rückkehr zu Österreich und 7 Prozent für einen Verbleib bei Italien aus, 2001 69,15 deutsch­sprachig, 26,47 italienischsprachig, 4,37 ladinischspra­chig).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 173, 220, 223; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Steininger, R., Los von Rom?, 1987; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 3. A. 2001; Südtirol und der Pariser Vertrag, 1988; Corsini, U./Lill, R., Südtirol, 1988; Zeller, K., Volkszählung und Sprachgruppenzugehörigkeit, 1991; Egen, A. v., Die Südtirol-Frage, 1997; Grigolli, S., Sprachliche Minderheiten, 1997; Steininger, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1999; Steininger, R., Südtirol 1918-1999, 1999; Steininger, R., Südtirol, 2000; Südtirol Chronik, koord. v. Thaler, B., 2000; Gruber, A., Geschichte Südtirols, 2000; Durnwalder, M., Die Reform des Südtiroler Autonomiestatuts, 2005; Mahlknecht, B., Von großen und kleinen Übeltätern, 2005; Gehler, M., Eduard Reut-Nicolussi und die Südtirolfrage 1918-1958, 2006; Brunner, V./Ladurner, T./Zeller, K., Volkszählung in Südtirol, 2007; Akten zur Südtirolpolitik, hg. v. Steininger, R., Bd. 1ff. 2007ff.; Golowitsch, H., Für die Heimat kein Opfer zu schwer, 2009

Suebe ist der Angehörige des elb­germanischen, in der Völkerwanderung nach Nordwestspanien gelangten Volkes.

Lit.: Hamann, S., Vorgeschichte und Geschichte der Sueben in Spanien, 1971; Suevos – Schwaben. Das Königreich der Sueben auf der iberischen Halbinsel (411-585), hg. v. Koller, E./Laitenberger, H.,1998

Suffraganbischof (M.) Hilfsbischof (seit 779)

Sühne ist ein Ausgleich (Versöhnung) für ein rechtswidriges Verhalten. Auf S. beruht auch das → Kompositionensystem, das seit dem Hochmittelalter in einem bis zum 17. Jh. reichenden Vorgang von der Strafe verdrängt wird. An einzelnen Stellen sehen Rechts­regeln einen erfolglosen außer­gerichtlichen Sühneversuch als Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 117; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Jörg, P., Der Heidingsfelder Sühnebildstock, 1948; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Crößmann, K., Sühneverträge der Stadt Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113

Sui heredes (M.Pl. [seine Erben]) sind seit dem altrömischen Recht die Hauserben. Das sind alle Menschen, die durch den Tod des Hausvaters gewaltfrei werden.

Lit.: Kaser §§ 65 II, III, 66 I, 71 I; Köbler, DRG 23

sui iuris (lat.) selbstmächtig, frei von väterlicher Hausgewalt(, aber gegebenenfalls unter Vormundschaft z. B. Minderjährige, Frauen)

Lit.: Kaser § 12 I 3; Köbler, DRG 23

Sukzession (F.) Nachfolge

Summa (lat. [F.]) ist im juristischen Schrifttum die bereits für → Irnerius (1060?-1125?) bezeugte, aus einleitenden Schriften zu einzelnen Titeln der justinianischen Kompilation erwachsende, zusammenfassen­de Betrachtung (Summe) des Inhalts eines Textes wie z. B. die s. codicis Azos (um 1210), die s. codicis des Pla­centinus, die s. des Odofredus oder des Huguccio.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 107; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Weimar, P., Zur Entstehung der azoschen Digestensumme, (in) Satura R. Feenstra, 1985, 371; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 402

Summa (F.) legum brevis levis et utilis → Raymund von Wiener Neustadt

Summa (F.) Perusina ist das (in Perugia) zwischen dem 7. und 9. Jh. entstandene Werk zum → Codex.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

summarisch (zusammenfassend und dadurch beschleunigend)

Summarischer Prozess ist seit dem Spätmittelalter der durch Vereinfachung be­schleunigte gelehrte Prozess. Der unbestimmte summarische Prozess ist durch Fristabkürzungen und Verringerung der Schriftwechsel gekennzeichnet (z. B. Besitz­prozess, Rechnungslegungsprozess, Baupro­zess), der bestimmte summarische Prozess durch die vorläufige Einengung der Ver­teidigungsmöglichkeit des Beklagten (z. B. Mandatsprozess, Arrestprozess, Wechsel­pro­zess, Exekutivprozess). Der summarische Prozess wirkt noch im 20. Jh. nach.

Lit.: Schmidt, E., Theorie der summarischen Prozesse, 1791; Bayer, H., Theorie der summarischen Prozesse, 7. A. 1859; Wach, A., Der italienische Arrestprozess, 1868; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914

summarisches Verfahren → summarischer Prozess

Summe → summa

Summepiskopat ist das landesherrliche Kirchenregiment des evangelischen Kirchen­rechts bis 1918.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Summum ius summa iniuria (lat.). Größtes Recht größtes Unrecht.

Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966, 128; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43, De officiis 1 § 33)

Sünde ist die Verletzung eines christlichen Gebots oder Verbots.

Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Neumann, F., Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007

Sunnis (lat.-afrk. [F.]) ist (das auf) Wahrheit (beruhende Hindernis für das Erscheinen vor Gericht).

supan (slaw. [M.]) Führer, Dorfmeister

Lit.: Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Hardt, M., Der Supan, ZOF 39 (1990), 161

superficies (lat. [F.]) Erbbaurecht (zuerst auf öffentlichen, später auch auf privaten Grundstücken eingeräumtes, vererbliches und veräußerliches entgeltliches beschränktes dingliches Recht an fremden Grundstücken)

Superficies solo cedit ist die bereits bei Gaius (um 160 n. Chr.) belegte römische Rechts­regel, nach der das Recht am Grundstück die Rechtsverhältnisse an den auf ihm errichteten Dingen (superficies, Überbau, Oberfläche, Bauwerke, Pflanzen) bestimmt, so dass dem Grundstückseigentümer auch der etwa vom Erbbauberechtigten errichtete Überbau gehört, wobei allerdings das Eigentum des Grund­eigentümers durch das beschränkte dingliche Recht des Erbbauberechtigten sehr einge­schränkt ist und der Erbbauberechtigte durch Interdikte und eine (lat.) actio (F.) in rem geschützt wird.. Der Rechtsregel widerspre­chen das → Stockwerks­eigentum und das → Wohnungs­eigentum.

Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 30 II 2; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gaius, um 120-180, Institutionen 2 § 73); Biermann, J., Superficies solo cedit, Ih. Jb. f. d. Dogm. 34 (1895), 169; Meincke, J., Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971), 136; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Kohl, G., Stockwerkseigentum, 2007

Superflua non nocent (lat.). Überflüssige Worte schaden nicht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Augustinus, 354-430, De civitate Dei 4, 27)

Supplik (F.) Bittschrift

Lit.: Hülle, W., Das Supplikenwesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e <<gravamina>>. Politica, amministrazione, giustizia in Europa (secoli XIV-XVIII) a cura di Nubola, C. u. a., 2002; Bittschriften und Gravamina, hg. v. Nubola, C. u. a., 2005

Supplikation ist die Einreichung einer Bittschrift. Im spätantiken römischen Recht ist die formfreie (lat. [F.]) supplicatio ad principem (Bittschrift an den Kaiser) ein Rechtsmittel gegen Urteile des Ap­pellationsgerichts. Mit der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts wird die S. seit dem Spätmittelalter im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) als Rechtsmittel eingeführt (z. B. 1600 gegen Endurteile der Ober­gerichte). Seit dem 18. Jh. übernimmt die S. teilweise die Aufgaben der → Revision. Im 19. Jh. verdrängt die Revision die S.

Lit.: Köbler, DRG 56, 155; Hülle, W., Das Supplikationswesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e <<gravamina>>, hg. v. Nubola, C. u. a., 2002; Rehse, B., Die Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008

Supplikationsausschuss ist der für Bittschriften zuständige Ausschuss eines Gremiums (z. B. des Reichstages des Heiligen römischen Reich [deutscher Nation] von 1521 bis zum frühen 17. Jh.).

Lit.: Neuhaus, H., Reichstag und Supplikations­ausschuss, 1977

Surrogation (F.) Ersetzung

Lit.: Welle, A., In universalibus pretium succedit in locum rei, res in locum pretii. Eine Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte der dinglichen Surrogation bei Sondervermögen, 1987

Suspension (F.) Aufhebung (z. B. eines Grundrechts gemäß dem Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, Gesetz vm 5. 5. 1869)

suspensiv (Adj.) verzögernd, aufschiebend (z. B. Veto)

Suum cuique (lat.). Jedem das Seine.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gellius, um 120-um 180, Noctes Atticae 13, 24, 1, zu Cato, 234-149 v. Chr.)

Suzeränität (F.) Herrschaft des Lehnsherrn über Lehnsmannen im Gegensatz zur → Souveränität des Landesherrn über Untertanen.

Svarez (Schwartz), Carl Gottlieb (Schweid­nitz 27. 2. 1746-Berlin 14. 5. 1798), Advoka­tensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder (Wolff) Oberamtsregierungsrat. 1780 wech­selt er mit dem Großkanzler Carmer nach Berlin. Dort bereitet er unter steter Berücksichtigung des heimischen Rechts das → Allgemeine Landrecht (1794) Preußens vor.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Stölzel, A., Carl Gottlieb Svarez, 1885; Kleinheyer, G., Staat und Bürger im Recht, 1959; Svarez, C., Vorträge über Recht und Staat, hg. v. Conrad, H. u. a., 1960; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. A. 1981; Schwennicke, A., Die Entstehung des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1993; Carl Gottlieb Svarez: Gesammelte Schriften, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Kern, B., Carl Gottlieb Svarez, JuS 1998, 1085; Karst, T., Der Einfluss von Carl Gottlieb Svarez auf die preußische Gesetzgebung, ZRG GA 120 (2003), 180

Svod zakonov ist die in → Russland 1832 durch Michail Michailovic → Speranskij erreichte Zusammenfassung aller geltenden Gesetze.

Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Raeff, M., Michail Speranskij, 1957

Symbol (N.) Sinnbild, Zeichen

Lit.: Handbuch der Symbolforschung, hg. v. Herrmann, K., 1941; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Becker, U., Lexikon der Symbole, 1992; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003; Wetzel, C., Das große Buch der Symbole, 2008

Symon Vicentius ist der 1222 in Padua nachweisbare Jurist, der Glossen, Kommentare, Repetitiones, Quaestiones und die Schrift De iudiciali missione in possessione (Von der richterlichen Einweisung in den Besitz) verfasst.

Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 310

Synallagma (N.) Übereinkunft, gegenseitige Abhängigkeit von Vertragsleistungen, wechselseitige Verpflichtungen, bei den der Gläu­biger zugleich Schuldner einer Verpflichtung ist und der Schuldner zugleich Gläubiger

Lit.: Kaser § 38 IV 3; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma, 1965; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000

Syndikat (N.) Kartell

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Syndikatsklage ist im gelehrten Recht die Klage gegen den unrichtig urteilenden → Richter (→ Rechtsbeugung).

Syndikatsprozess ist in Italien im Spätmit­telalter das Amtshaftungsverfahren zur Über­prüfung der Amtsführung eines podestà nach  Ablauf seiner Amtsperiode

Syndikus (M.) Geschäftsführer, Rechtsberater

Synodalstatut (N.) ist das in einer → Synode geschaffenes→ Statut

Synode (zu lat. synodus) ist die kirchliche Versammlung (Konzil), die auch Rechtsfragen entscheidet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 115; Richter, L., Geschichte evangelischer Kirchenverfassung, 1851, Neudruck 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Närger, N., Das Syno­dalwahlsystem in den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988; Sieben, H., Die Partikularsynoden, 1990; Fischer, J./Lumpe, A., Die Synoden, 1997; Gresser, G., Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Synod and Synodality, hg. v. Melloni, A. u. a., 2005

Syrisch-römisches Rechtsbuch ist der spätantike oströmische Rechtstext wohl des 5. Jh.s, der nur in syrischen, arabischen, armenischen und koptischen Bearbeitungen erhalten ist.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Selb, W., Zur Bedeutung des syrisch-römischen Rechtsbuches, 1964; Selb, W./Kaufhold, H., Das syrisch-römische Rechtsbuch, 2002

Syssel ist die norwegisch-dänische Bezeich­nung für Landschaften (z. B. Vendsyssel).

Lit.: Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Helle, K., Norge blir en stat, 1974

System ist das wissenschaftlich-rationale Gedankengefüge. Die systematische Betrach­tung des Rechts erfolgt in der frühen Neuzeit (seit dem 16. Jh. bzw. seit Leibniz [1646-1716] und Wolff). Sie versteht die Geometrie als (unerreichbares) Vorbild.→ Rechtssystem

Lit.: Kaser § 2 III; Köbler, DRG 6, 159, 184, 187, 188; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 285; Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Troje, H., Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 63; Canaris, C., System­denken und Systembegriff, 1969; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Dießelhorst, M., Zum Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, 1976; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19. Jahrhundert, 1984; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Schröder, J., Die ersten juristischen „Systematiker“, FS S. Gagnér, 1996, 111; Lewinski, K. v., Deutsch­rechtliche Systembildung im 19. Jahrhundert, 2001

Szeged an der Mündung der Maros in die Theiß ist die auf antike Grundlagen zurückgehende, 1498 königliche Freistadt Ungarns werdende, 1542 an die Osmanen (Türken) und 1686 an Habsburg fallende Stadt. S. ist Sitz einer 1921 neugegründeten Universität.

Szepter → Zepter

 

 

T

 

Tablettes Albertini

Lit.: Weßel, H., Das Recht der Tablettes Albertini, 2003

Tacitus, Gaius (?) Publius (?) Cornelius (um 55/56-116/120 n. Chr.), aus wahrscheinlich rit­terlichem, südgallisch-norditalienischem Haus, wird 88 Prätor und 97 Konsul. Er gilt als letzter lateinischer Klassiker ([lat.] Historiae [Geschichten], Annales [Annalen], Agricola, Dialogus de oratoribus [Dialog über die Redner]). Seine Schrift (lat.) De origine et situ Germaniae (Über den Ursprung und die Lage Germaniens, um 98 n. Chr.) bietet re­lativ ausführliche, aber tendenziös gefärbte Nachrichten über die → Germanen.

Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3. A. 1967; Syme, R., Tacitus, 2. A. 1979; Tacitus, hg. v. Pöschl, V., 2. A. 1986; Vielberg, M., Pflichten, Werte, Ideale, 1987; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989; Schmal, S., Tacitus, 2005; Dialogus de oratoribus, hg. v. Flach, D., 2005

Tafelgut ist das der Versorgung des reisenden deutschen Königs im Mittelalter dienende → Königsgut. Ein in einer Abschrift von 1165/74 überliefertes Tafelgüterverzeichnis lässt sich vielleicht zeitlich auf 1138, 1152/1153 oder um 1165 (Aachen) bestim­men.

Lit.: Das Tafelgüterverzeichnis des römischen Königs, hg. v. Brühl, C. u. a., 1979; Göldel, C., Servitium regis, 1997

Tagelöhner ist der freie, gegen Tagelohn tätige Landarbeiter. Er ist insbesondere vom Spätmittelalter bis ins 19. Jh. von Bedeutung. Seine Rechtsstellung ist schwach.

Lit.: Knapp, T., Die Bauernbefreiung, 1887; Firnberg, H., Lohnarbeiter und freie Lohnarbeiter, 1935, Neudruck 1978; Simon, S., Die Tagelöhner und ihr Recht im 18. Jahrhundert, 1995

Tagessatzsystem ist das nach skandina­vi­schem Vorbild unterschiedliche Vermögens­verhältnisse berücksichtigende System zur Bestimmung der Höhe einer Geldstrafe im späteren 20. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Tagsatzung ist vom 14. Jh. bis 1848 das gemeinsame Organ der schweizerischen → Eidgenossen.

Lit.: Joos, R., Die Entstehung und rechtliche Ausgestaltung der eidgenössischen Tagsatzung, Diss. Zürich 1925; Müller, R., Die eidgenössische Tagsatzung, Diss. Zürich 1948; Hunziker, G., Das Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, 1980; Jucker, M., Gesandte, Schreiber, Akten, 2004

Taiding ([N.] aus tageding) ist in Süddeutsch­land im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Gerichtsversammlung. Im T. wird das → Weistum ermittelt und vorgetragen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die salzburgischen Taidinge, hg. v. Siegel, 1870

Talar → Robe

Taler ist die nach dem durch Silberbergbau berühmten Ort Joachimsthal benannte deutsche → Münze der frühen Neuzeit (1518/25). 1908 wird der T. zu Gunsten der Mark außer Kraft gesetzt. Er lebt im Dollar fort.

Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995

Talion (griech. [N.] gleiches) ist die Vergeltung eines Übels mit (ursprünglich höchstens) dem gleichen Übel (Auge um Auge, 2. Mos. 21,23). Das Talionsprinzip ist dem jüdischen und dem römischen Recht be­kannt. Von dort her dringt es seit dem Spät­mittelalter vereinzelt im Heiligen rö­mischen Reich (deutscher Nation) ein. Es berührt sich mit der → spiegelnden Strafe.

Lit.: Kaser §§ 32 II 2a, 51 III 1a; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 119; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Hermesdorf, B., Poena talionis, 1965; Ebert, U., Talion und spiegelnde Strafe, FS K. Lackner, 1987, 399; Söllner, A., Der zweite Merseburger Zauberspruch, ZRG GA 125 (2008), 1

Talmud (Lehre) ist der Kommentar zur um 220 (endredigierten) → Mischna (Lehre, Wie­derholung) der Juden. Von seinen beiden Strömungen setzt sich der babylonische T. (nach 700) gegenüber dem palästinensischen T. (vor Mitte 5. Jh.) durch. Der T. besteht nur zu seinem kleineren Teil aus Rechtstexten. → Maimonides (1135-1204) bearbeitet die rechtlichen Aussagen des T. in seiner → Mischne Tora.

Lit.: Gans, E., Die Grundzüge des mosaisch-talmudischen Erbrechts, Z. f. d. Wissensch. d. Judentums 1 (1823), 419; Goldschmidt, L., Der babylonische Talmud, Bd. 1ff. 1929ff.; The Principles of Jewish Law, hg. v. Eton, M., 1975; Stemberger, G., Einleitung in Talmud und Midrasch, 8. A. 1993; Wesel, U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686; Schäfer, P., Jesus im Talmud, 2007

Tancredus (Bologna um 1185-Bologna um 1236) ist der mittelalterliche Jurist (Dekretalist), der um 1216 einen wichtigen (lat.) ordo (M.) iudiciorum (Gerichtsordnung) verfasst. Bis 1220 erstellt er die (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentliche Glosse) zu den ersten drei (lat.) compilationes (F.Pl.) antiquae (alten Sammlungen).

Lit.: Köbler, DRG 107; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Fowler-Magerl, L., Ordines iudiciarii, 1994; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 293

tanganare (mlat.-afrk.) bedrängen (zu einer förmlichen Antwort auf eine gerichtliche Ansprache)

Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck 1971, 143

Tangermünde

Lit.: Tangermünde, die Altmark und das Reichsrecht, hg. v. Lück, H., 2008

Tarif ist der einheitliche Preis.

Tarifvertrag ist der Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z. B. Lohn). Er erscheint in Ansätzen nach der Mitte des 19. Jh.s (z. B. Buchdruckertarifvertrag 1873), häufiger seit 1890. Erst 1918 setzt er sich aber allgemein durch (Verordnung über Tarifverträge vom 23. 12. 1918, Tarifvertragsgesetz vom 9. 4. 1949, 11. 1. 1952, 25. 8. 1969), wobei anfangs der Anteil der freien Vereinbarungen an den Tarifabschlüssen höchstens ein Drittel beträgt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird mit Hilfe der Öffnung von Flächen­tarif­verträgen eine Verringerung der Arbeitslo­sigkeit angestrebt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 241, 242, 273; Tschirbs, R., Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918-1933, 1986; Hainke, S., Vorgeschichte und Entstehung der Tarifvertragsverordnung, Diss. jur. Kiel 1987; Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Re­publik, 1989; Brauchitsch, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990; Englberger, J., Tarifautonomie im Deutschen Reich, 1995; Brandner, T., Die tarifrechtliche Reformdiskussion in der Weimarer Zeit, Diss. jur. Jena 1999; Bender, G., Richtungskämpfe, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 561; Blanke, S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie, 2005; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Tartagnus, Alexander ist der in Imola 1423 oder 1424 geborene, in Bologna ausgebildete, in Pavia, Bologna, Ferrara, Bologna, Padua und Bologna lehrende, am 3. 9. 1477 verstorbene Jurist (commentaria zu den Digesten, interpretationes, consilia).

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 831

Tat ist die als abgeschlossen angesehene menschliche Verhaltenseinheit. An sie knüpft das Recht von seinen Anfängen an vielfältige Rechtsfolgen.→ Die Tat tötet den Mann ist ein deutsches (, seit dem 19. Jh. bezeugtes) Rechtssprichwort, das die möglicherweise in den ältesten Zeiten geltende → Erfolgs­haf­tung zum Ausdruck bringen soll.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schild, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380

Tatbestand ist die Summe der Voraussetzungen für eine Rechtsfolge bzw. im Verfahrensrecht im Urteil die Darstellung des Sachverhalts. Tatbestände gibt es seit der Entwicklung von Recht. Als für die Rechtsanwendung grundlegende Besonderheit erkannt sind sie seit Anfang des 19. Jh.s (Stübel 1805 Zurechnung der Tat [Tatbestand] im Gegensatz zu Zurechnung der Tat zur Strafe, Anton Bauer 1833 trennt subjektive Merkmale von objektiven Merkmalen).

Lit.: Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestio, 1968; Burian, B., Der Einfluss der deutschen Naturrechtslehre auf die Entwicklung der Tatbestandsdefinition im Strafgesetz, 1970; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschafts­vertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006

Täter-Opfer-Ausgleich ist der kriminalpo­litische Ansatz des späteren 20. Jh.s, bei dem dann, wenn Täter und Opfer sich auf eine Schadenswidergutmachung einigen, ein Straf­verfahren eingeschränkt oder unter Strafminderung abgeschlossen werden kann (Deutschland 1990 im Jugendstrafrecht, 1994 im Erwachsenenstrafrecht, 1998 in rund 9000 Fällen praktiziert).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Taufe ist die die kirchliche Mitgliedschaft in der christlichen Kirche begründende Handlung. Sie erscheint vor Christus bei Johannes dem Täufer. Sie steht zunächst dem Bischof, später dem Taufkirchenpriester zu.

Lit.: Heggelbach, O., Die christliche Taufe, 1953; Stenzel, A., Die Taufe, 1958; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983

Tauner (M.) Häusler in der Schweiz

Lit.: Eichholzer, E., Über die Stellung der Tauner nach den Rechtsquellen des Kantons Zürich, ZRG GA 38 (1917), 115

Tausch (lat. [F.] permutatio) ist der gegen­seitige Vertrag, in dem sich beide Seiten zur Hingabe eines bestimmten, nicht in Geld bestehenden Gegenstandes verpflichten. Der Tausch erscheint schon früh. Er wird teilweise als Kauf angesehen und zeitweise als Realvertrag eingeordnet, zeitweise als durch Hingabe der Sache entstehender Inno­minat­kontrakt. In seiner tatsächlichen Bedeutung wird er mit Entstehung der → Geldwirtschaft vom → Kauf rasch zurück­gedrängt.

Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 74, 91; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Tausendschaft ist eine im Einzelnen zweifelhafte Untergliederung des Heeres germanischer Völker (Goten, Vandalen) im frühen Mittelalter. Ihre Herkunft ist unklar.

Lit.: Rietschel, S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181

Taxis → Thurn und Taxis

Technik

Lit.: Europäische Technik im Mittelalter, hg. v. Lindgren, U., 1996; Technik in der frühen Neuzeit, hg. v. Engel, G. u. a., 2004; Metz, K., Ursprünge der Zukunft, 2005; Vom Feld, I., Staatsentlastung im Technikrecht, 2007

Teeren und Federn ist die durch Bestreichen mit Teer und anschließendes Wälzen in Federn gekennzeichnete Form amerikanischer Lynchjustiz, für die es in Europa kaum gesicherte Zeugnisse gibt.

Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 152

Teilgläubigerschaft

Lit.: Riedler, A., Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998

Teilnahme ist die Beteiligung an einer fremden Handlung (z. B. Anstiftung, Beihilfe). Sie erscheint tatsächlich schon sehr früh, wird als allgemeine Rechtsfigur aber erst am Ende des 18. Jh.s erfasst. Noch Feuerbach (1801) kennt nur (lat. [M.]) auctor (Urheber) und (lat. [M.]) socius (Gehilfen)

Lit.: Köbler, DRG 204; Heimberger, J., Die Teilnahme, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Roth, A., Kollektive Gewalt und Straf­recht, 1989; Ebrahim-Neshat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006

Teilnovellen sind in Österreich die das → Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) nach dem deutschen → Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) moderni­sierenden Novellen von 1914, 1915 und 1916.

Lit.: Baltl/Kocher; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB, Ius commune 6 (1977), 274

Teilpacht ist die einen bestimmten Teil (Bruchteil, z. B. Hälfte, Drittel) des Ertrages als Pachtzins festlegende Form der → Pacht. Sie ist auf Grund provinzieller Praxis bereits dem römischen Recht bekannt. Im Hochmittelalter breitet sie sich seit dem 12. Jh. in vielen Ländern aus, tritt seit dem 14. Jh. aber wieder zurück.

Lit.: Kaser § 42 II 1; Spieß, K., Teilpacht und Teilbauverträge, Z. f. Agrargesch. 36 (1988), 228

Teilrecht ist im Ehegüterrecht seit dem Hochmittelalter das Recht des wiederver­heirateten Ehegatten, eine Teilung mit den Kindern der ersten Ehe zu vollziehen, um die zugunsten der Kinder aus der ersten Ehe bestehende Verfangenschaft der Güter aus der ersten Ehe aufzuheben und einen Teil der Güter unbelastet in die zweite Ehe einzubringen.

Lit.: Hübner § 95; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1868, Neudruck 1967

Teilungsanordnung ist die Anordnung des Erblassers über die Teilung des Erbes.

Lit.: Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966

Teilungsklage ist die auf Teilung von Miteigentum gerichtete Klage des römischen Rechts (z. B. [lat.] → actio [F.] familiae erciscundae, → actio communi dividundo).

Lit.: Kaser § 23 IV 2

Teilzeitarbeit ist die mit der Verknappung der Arbeit in den Industriestaaten des ausgehenden 20. Jh.s hervortretenden Form der → Arbeit.

Lit.: Oertzen, C. v., Teilzeitarbeit, 1999

Teixeira de Freitas, Augusto (1816-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Olinda und Sao Paulo Rechtsanwalt und kaiserlicher Rechtsberater. 1857 verfasst er die erste umfassende systematische Sammlung des Privatrechts Brasiliens (Consolidaçao das leis civis), 1860ff. einen vom römischen Recht wie von mehreren europäischen Rechten ausgehenden Entwurf eines Privatrechts­gesetzbuches (Esboco de Código civil). Er wirkt sich im Código civil Argentiniens (1869) aus.

Lit.: Meira, S., Teixeira de Freitas, 1979; Augusto Teixeira de Freitas e il diritto Latinoamericano, 1938

Telegraphie ist die seit etwa 1850 mögliche Übermittlung von Texten über beliebige Entfernungen mit Hilfe der Eigenschaften des elektrischen Stroms.

Lit.: Scherner, K., Innovation und Recht, ZNR 16 (1994), 39; Wobring, M., Die Globalisierung der Telekommunikation im 19. Jahrhundert, 2005

Templerorden ist der 1119 von Hugo von Payens gegründete, nach dem Tempelberg in Jerusalem benannte, 1291 nach Zypern verlegte, 1312 vom Papst aufgehobene geistliche Ritterorden.

Lit.: Demurger, A., Die Templer, 1991; Dinzelbacher, P., Die Templer, 2002; Frale, B., Il papato e il processo ai Templari, 2003; Demurger, A., Der letzte Templer, 2004

temporalis (lat. [Adj.]) zeitlich, weltlich

Temporalien sind seit 1122 (Wormser Konkordat) die besonderen weltlichen Rechte der Kirche im Gegensatz zu den Spiritualien (geistlichen Angelegenheiten oder Rechten).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951

Tengler, Ulrich (Rottenacker bei Ehingen um 1447-Höchstädt 1511) wird nach Ausbildung in Stadtschule und Stiftsschule 1479-83 Stadt­schreiber in Nördlingen und danach pfalz-bayerischer Landvogt in Höchstädt an der Donau. 1509 gibt er den → Laienspiegel heraus.

Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R. v., Geschichte der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 411

tenure (mengl.) Lehen, Rechtsstellung aus Belehnung

Lit.: Hudson, Land, Law and Lordship, 1994

terra (lat.[F.]) Land, Erde

Lit.: Köbler, G., Land und Landrecht, ZRG GA 86 (1969), 1; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996

terra (F.) salica (lat.-afrk. [F.]) Herrenland

Territorialitätsprinzip ist der Grundsatz der gebietsmäßigen Abgrenzung. Das T. bildet einen Gegensatz zum Personalitätsprinzip. Es gewinnt vor allem seit dem 12. Jh. (privilegium minus 1156) allgemeine Bedeu­tung.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a., 1996

Territorialstaat ist der auf ein festes Gebiet (Territorium) bezogene → Staat. Der T. ist ein Gegensatz zum Personenverbandsstaat. Er setzt sich seit dem 12. Jh. durch (privilegium minus 1156, Reichstag von → Gelnhausen 1180).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler DRG 111, 149; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, H., 1970ff., Neudruck 1986; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 2. A. 1978; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Territorien, 1988, 6. A. 1999, 7. A. 2007

territorium (lat. [N.] ) Stadtgebiet, Herrschaftsgebiet

Territorium ist das Herrschaftsgebiet. In der frühen Neuzeit gilt im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) in geschlossenen Territorien die Vermutung, dass jeder Ort der Territorialgewalt des Landesherrn unterwor­fen ist. Im 19. Jh. tritt das Staatsgebiet an die Stelle des Territoriums.

Lit.: Below, G., Territorium und Stadt, 2. A. 1923; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Hamel, W., Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Moraw, P., König, Reich und Territorium im späten Mittelalter, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Die Territorien des Reichs, hg. v. Schindling, A., Bd. 1ff. 1989ff.; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a., 1996; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996; Identità territoriali e cultura politica, hg. v. Bellabarba, M. u. a., 2000

tertia manus (lat. [F.]) dritte Hand → intertiatio

Tertiogenitur (Drittgeburt) → Primogenitur

Tertullian, Quintus Septimius Florens (Kar­thago um 160 n. Chr.-Karthago nach 220 n. Chr.), Anwalt in Rom, erster Lateiner unter den frühchristlichen Apologeten (Apologeti­cum um 197 n. Chr.)

Lit.: Zilling, H., Tertullian, 2004

Tessel (F.) Kerbholz

Tessin ist das vom gleichnamigen Fluss durchzogene Alpengebiet, das über Räter, Römer, Ostgoten und Langobarden an die Franken kommt. Bis 1335 fällt es an das Herzogtum → Mailand, dem es zwischen 1403 und 1516 die Eidgenossen der → Schweiz abgewinnen. 1798 wird das bis 1755 ziemlich lose Untertanenverhältnis in ein Kantonatsverhältnis (Lugano, Bellinzona, 1801 T.) umgewandelt. 1803 und 1814 entstehen aufgezwungene Verfassungen, am 4. Juli 1830 wird eine noch vor Ausbruch der Revolution in Frankreich erlassene, als Ausfluss der Volkssouveränität angesehene Verfassung geschaffen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Patocchi, G., Gli influssi delle legislazioni straniere, 1961; Sauter, B., Herkunft und Entstehung der Tessiner Kantonsverfassung von 1830, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,458, 3,2,1915; Regesti di Leventina, a cura di Raschèr, V. u. a., 1975; Le fonti del diritto del Cantone Ticino, Bd. 1 C, Formulari notarili, hg. v. Mango-Tomei, E., 1991

Testament ist die einseitige, nicht empfangsbedürftige, jederzeit frei widerruf­liche Willenserklärung, mit der ein → Erblasser eine Regelung für den Fall seines Todes trifft und dadurch meist die an sich bestehende Rechtslage abändert. Das T. ist bereits dem altrömischen Recht in verschie­denen Formen bekannt (lat. [N.] testamentum). Es muss eine Erbeisetzung enthalten. In der Nachklassik anerkannt wird das vor sieben Zeugen mündlich erklärte T. 446 lässt Kaiser Valentinian III. das eigenhändige T. im weströmischen Reichsteil zu. Von der Kirche gefördert, wird zusätzlich wohl zu einheimischen Entwicklungen erbrechtlicher Vergabungen das T. im 13. Jh. im deutschen Reich (z. B. Wien 1289) zunächst von der Geistlichkeit in der Form der Verfügungen („Kodizille“) über einzelne Gegenstände (fälschlich so genanntes Verteilungstes­tament) aufgenommen und verbreitet sich im 14. Jh. allgemein (z. B. in Lübeck im 13. und 14. Jh. mehr als 2700 überlieferte Testamente). Es bedarf einer gewissen Form (z. B. vor Rat, vor Notar). Mög­lich ist ein gemein­schaftliches T. In der frühen Neuzeit wird ver­stärkt auf das römi­sche Recht zurück­gegriffen, ohne dass alle seine Einzelheiten aufgenommen werden. Öffentliches T. (z. B. vor Gericht, Rat oder Notar) und privates T. finden sich nebeneinander. In der Gegenwart steht das eigenhändige T. im Vordergrund, doch sind auch andere Formen möglich. In Österreich wird 2004 das mündliche T. abgeschafft. Im Zweifel soll der Wille des Erblassers verwirklicht und das T. aufrecht erhalten werden. Als politisches T. wird auch die Zusam­menfassung der politischen Ansich­ten eines Herrschers am Lebensende bezeich­net.

Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Söllner §§ 5, 8, 11, 12, 14; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 38, 54, 60, 73, 89, 114, 123, 140, 162, 211, 239, 268; Köbler, LAW; Loening, O., Das Testament im Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, 1906; Schreiber, O., Das Testament des Fürsten Wolfgang von Anhalt vom 25. August 1565, 1913; Bergman, C., Testamentet i 1600-talents rättsbildning, 1918; Heymann, E., Das Testament Friedrich Wilhelms III., 1925 (SB Berlin); Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht, ZRG GA 69 (1952), 98, 70 (1953), 159; Florilegium testamentorum, hg. v. Wolf, H., 1956; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes wegen im braunschweigischen Stadtrecht, 1960; Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Besta, E., Le successioni, 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval England, 1963; Regesten der Lübecker Bürgertestamente, hg. v. Brandt, A. v., Bd. 1ff. 1964ff.; Immel, G., Öffentliches Testament und procurator, Ius commune 1 (1967), 223; Hamburger Testamente 1351-1400, bearb. v. Loose, H., 1970; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 1; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Privatrecht, 1972; Schulz, Gabriele, Testamente des späten Mittelalters aus dem Mittel­rheingebiet, 1976; Spreckelmeyer, G., Zur rechtlichen Funktion frühmittelalterlicher Testamente, (in) Vorträge und Forschungen 23 (1977), 91; Ariès, P., L’homme devant la mort, 1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Testamente der Stadt Braunschweig, hg. v. Mack, D., 1988ff.; Baur, P., Testament und Bürgerschaft, 1989 (Konstanz); Kolmer, L., Spätmittelalterliche Testamente, Z. f. bay. LG. 52 (1989), 475; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8./9. Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Beutgen, M., Die Geschichte der Form des eigenhändigen Testaments, 1992; Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges Heil, 1992; Paulus, C., Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen Testamentsrecht, 1992; Actes à cause de mort, Recueils Société Jean Bodin, 1993; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995; Reinhardt, U., Lüneburger Testamente, 1996; Färber, M., Das gemeinschaftliche Testament, 1997; Rappert, K., Die Regensburger Testamentsordnung, 1997; Baaken, G., Das Testament Heinrichs VI., ZRG GA 116 (1999), 23; Umstätter, A., Das Testament im ägyptischen Erbrecht, 2000; Noodt, B., Religion und Familie in der Hansestadt Lübeck, 2000; Kasten, B., Zur Dichotomie von privat und öffentlich in fränkischen Herrschertestamenten, ZRG GA 121 (2004), 158; Seif, U., Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005; Vallaro, A., Considerans fragilitatem humanae naturae, 2005; Seelenheil und irdischer Besitz, hg. v. Herzog, M. u. a., 2007; Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, hg. v. Kasten, B., 2008

Testamentsgesetz ist das deutsche Gesetz über die Errichtung von → Testamenten und → Erbverträgen vom 31. 7. 1938, das diesen Rechtsbereich vorübergehend aus dem → Bürgerlichen Gesetzbuch herauslöst und seine Formvorschriften mildert.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239; Gruchmann, L., Die Entstehung des Testaments­ge­setzes, ZNR 7 (1985), 53; Schliepkorte, J., Entwick­lungen des Erbrechts, 1989

Testamentsvollstrecker ist der vom → Erblasser zur Ausführung seiner → letztwilligen Anordnungen durch letztwillige Verfügung berufene Mensch. Das römische Recht kennt keine Testamentsvollstreckung. Im deutschen Recht entwickelt sie sich unter Förderung durch die Kirche bereits früh und wird in das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.

Lit.: Kaser § 67 V; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 211; Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Schönfeld, W., Die Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Offergeld, A., Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers, 1995; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

Testamentum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht der Zeugenakt, durch den der → Erblasser willkürlich bestimmte Personen zu Erben vielleicht anfangs nur von Einzelgegenständen machen kann. Das t. ist lange durch bestimmte Förmlichkeiten ge­kenn­zeichnet. → Testament

Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Köbler, DRG 23; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Recht, 1972

Testamentum (N.) apud acta conditum (lat.) ist das spätantike, bei der Behörde begründete (öffentliche) → Testament.

Lit.: Kaser § 67 III 4; Köbler, DRG 60

Testamentum (N.) calatis comitiis (lat.) ist das altrömische, vor den zweimal jährlich zusammengerufenen Kuriatkomitien vielleicht ursprünglich zwecks einer Art Kindesannahme errichtete Testament.

Lit.: Kaser §§ 60 III 2b, 65 II 1b, 67 I 2a; Söllner §§ 5, 8; Köbler, DRG 23

Testamentum (N.) inofficiosum (lat.) ist das die nächsten Verwandten entgegen der Pietätspflicht nicht ausreichend bedenkende → Testament.

Lit.: Kaser § 70 I 1

Testamentum (N.) in procinctu (lat.) ist im altrömischen Recht das → Testament vor dem aufgestellten Heer.

Lit.: Kaser §§ 67 I 2b, 69 III 2c; Söllner § 5; Köbler, DRG 23

Testamentum (N.) per aes et libram (lat.) ist das durch Erz und Waage als Libralgeschäft vorgenommene, wohl anfangs nur der Übertragung einzelner Gegenstände dienende → Testament des altrömischen Rechts.

Lit.: Kaser §§ 65 II 1b, 67 I 2b; Köbler, DRG 23

Testamentum (N.) per holographam scripturam ist im spätantiken weströmischen Recht das von Kaiser Valentinian III. 446 n. Chr. eingeführte eigenhändige → Testament.

Lit.: Kaser § 67 III 2; Köbler, DRG 60

Testamentum (N.) ruptum (lat.) zerrissenes und damit ungültig gemachtes Testament

Testatio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Zeugenurkunde.

Lit.: Kaser § 7 IV 2a; Köbler, DRG 43

Testierfreiheit ist die grundsätzlich von Beginn des Testaments an bestehende, nur ausnahmsweise eingeschränkte Freiheit, ein → Testament zu errichten und über sein Vermögen von Todes wegen zu verfügen. Dem römischen Recht schon früh bekannt, setzt sie sich im deutschen Mittelalter seit dem 13. Jh. allmählich durch. Bereits im 16. Jh. hat das römische Recht das einheimische Erbrecht erheblich umgestaltet und am Ende des 19. Jh.s ist die T. selbverständlich.

Lit.: Kaser § 65 II 2; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Prochnow, J., Das Spolienrecht, 1919, Neudruck 1965; Wesener, G., Beschränkungen der Testierfreiheit, FG U. v. Lübtow 1970, 569; Stoll, F., Das Hagestolzenrecht, 1970; Tschappeler, H., Die Testierfreiheit, 1983, Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Landau, P., La libertà di testare, Rivista internazionale di diritto comune 6 (1995), 29; Landau, P., Die Testierfreiheit, ZRG GA 114 (1997), 56; Goebel, J., Testierfreiheit als Persönlichkeitsrecht, 2004

testis (lat. [M.]) Dritter, Zeuge

Testis in uno falsus in nullo fidem meretur (lat.). Ein Zeuge, der in einem Punkt gelogen hat, verdient in nichts Glauben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Teufel

Lit.: Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50

Teufelsvertrag ist der in Märchen, Sage, Schwank und Legende angeblich mit dem Teufel geschlossene Vertrag.

Lit.: Zelger, R., Teufelsverträge, 1996; Link, L., Der Teufel, 1997; Schwaiger, G., Teufelsglaube und Hexenprozesse, 4. A. 1999

Teutone ist der Angehörige des 102 v. Chr. von den Römern bei Aquae Sextiae geschlagenen germanischen Volkes.

Lit.: Köbler, DRG 28, 66

teutonicus (lat.-ahd.) deutsch

texaca (lat.-afrk.) Diebstahl, Diebstahlsbuße

Lit.: Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG GA 89 (1972), 12; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973

Textkritik

Lit.: Buchner, R., Grundsätzliches zur Textkritik, ZRG GA 66 (1948), 342

Thaleleios (6. Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, dessen aus einem Codexkommentar stammende Werk­reste in Scholien zu den Basiliken erkennbar sind.

Lit.: Simon, D., Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios, ZRG RA 86 (1969), 334, 87 (1970), 315

Theoderich der Große (451?-30. 8. 526) ist der bekannteste König der Ostgoten (um 470, 474?). Aus eher unbedeutender Familie stam­mend kommt er als Geisel mit dem römischen Reich in Berührung und erobert danach Italien, so dass ihm Kaiser Anastasius die Insignien eines Kaisers verleiht. Ihm wird das → Edictum Theoderici zugeschrieben.

Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 80; Ennslin, W., Theoderich der Große, 2. A. 1959; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, 1995; Ausbüttel, F., Theoderich der Große, 2003

Theodosius II. (Konstantinopel 30. 8. 401-28. 7. 450), Sohn des oströmischen Kaisers Arcadius ist seit 408 oströmischer Kaiser. Unter dem Einfluss seiner gelehrten Ehefrau Athenais veranlasst er die Zusammenfassung der seit Konstantin erlassenen kaiserlichen Konstitutionen (Gesetze) in einem nach ihm benannten Gesetzbuch. → Codex Theodo­sianus.

Lit.: Williams, S./Friell, G., Theodosius, 1994; Ernesti, J., Princeps christianus, 1998; Leppin, H., Theodosius der Große, 2003

Theologie (F.) Gotteskunde

Lit.: Geschichte der christlichen Theologie, hg. v. Pauly, W., 2008

Theophilos (6. Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, welcher der Kommission für den ersten → Codex Justinians und für die → Digesten angehört und gemeinsam mit Dorotheos die → Insti­tutionen abfasst. Überliefert ist eine vielleicht von ihm stammende kommentierende grie­chische Institutionen­paraphrase. Sie wird als systematische, lateinische Fachwörter weit­gehend übernehmende Einführung in das römische Recht verwendet.

Lit.: Söllner § 22; Lokin, J., Theophilos, TRG 44 (1976), 337; Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani delineatio, 1985, 40

Theresiana → Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (Strafgesetz Maria Theresias von 1768)

Thesaurus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der nach Hadrian (117-138 n. Chr.) je zur Hälfte an den Finder und den Grundstückseigentümer fallende → Schatz.

Lit.: Kaser § 26 I 3; Köbler, DRG 40

thesei dikaion (griech. [N.]) das gesetzte Recht

Lit.: Köbler, DRG 31

Thessalien ist das Gebirgsland im mittleren → Griechenland, das 148 v. Chr. an die Römer gelangt und über Byzanz (, Bulgaren und Franken) 1393 an die Osmanen fällt. Von der jeweiligen Herrschaft wird auch das Recht unterschiedlich beeinflusst.

Lit.: Magdalino, P., Between Romaniae, Mediterranean Historical Review 4 (1989), 87

Thessaloniki (Saloniki) in → Griechenland wird wohl 316/315 v. Chr. gegründet und ist seit 1925 Sitz einer Universität.

Lit.: Vakalopoulos, A., History of Thessaloniki, 1963

Thibaut, Anton Friedrich Justus (Hameln 4. 1. 1772-Heidelberg 28. 3. 1840), Hugenotte, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen, Königsberg und Kiel 1798 außerordentlicher Professor in Kiel, 1801 ordentlicher Professor in Kiel, Jena (1802) und Heidelberg (1806). 1803 veröffentlicht er unter Abgehen von der römischen Legalordnung ein zweibändiges System des Pandektenrechts. 1814 setzt er sich wegen des praktischen Bedürfnisses aus Vaterlandsliebe für ein allgemeines bürgerli­ches Recht in Deutschland ein, unterliegt im sog. → Kodifikationsstreit aber → Savigny und der Reaktion.

Lit.: Köbler, DRG 180, 211; Baumstark, E., Anton Friedrich Justus Thibaut, 1841; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Kiefner, H., Anton Friedrich Justus Thibaut, ZRG GA 77 (1960), 304; Thibaut und Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Polley, R., Anton Friedrich Justus Thibaut, 1982; Kitzler, A., Die Auslegungslehre des Anton Friedrich Justus Thibaut, 1986; Heidelberg im säkularen Umbruch, hg. v. Strack, F., 1987

Thing → Ding

thiuphadus (lat.-got. [M.]) Knechtsherr (str.)

Lit.: Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181

Thöl, Johann Heinrich (Lübeck 6. 6. 1807-Göttingen 16. 5. 1884), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) 1837 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1842 ordentlicher Professor in Rostock und (1849) in Göttingen. 1841 veröffentlicht er den ersten Band seines romanistisch-syste­matisch vorgehenden, ein Sonderrecht der Kaufleute anstrebenden → Handelsrechts. Mit ihm begründet er eine durch → Puchta (1798-1846) beeinflusste, streng begrifflich ausgeführte, kritische Handelsrechtswis­sen­schaft.

Lit.: Gercke, F., Heinrich Thöl, 1931; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts, 1962; Landwehr, G., Rechtspraxis und Rechtswissenschaft im lübischen Recht, Z. d. Ver. f. lübeck. Gesch. 60 (1980), 21; Kern, B., Georg Beseler, 1982; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986

Thomas von Aquin (Roccasecca bei Neapel 1224/1225-Fossanova bei Terracina 7. 3. 1274), aus dem Geschlecht der Grafen von Aquino, wird nach dem Eintritt ins Kloster Monte Cassino (1230) und dem Studium in Neapel, dem Eintritt in den Dominikanerorden (1244) und weiteren Studien in Paris und Köln (1248-1252 Schüler des Albertus Magnus) 1252 Lehrer der Theologie in Paris sowie danach (1259-1269) in Italien und in Paris (1269-72) tätig. Sein scholastisches, selbständigem wis­senschaftlichem Denken Bahn brechendes Hauptwerk ist die zu globaler Synthese von Glauben und Wissen strebende (lat.) Summa (F.) theologica (Theologische Summe) bzw. Summa theologiae (Summe der Theologie) (1266-1273). Für das Recht bejaht T. v. A. ein auf natürliche Vernunft gegründetes und durch praktische Vernunft zu verwirk­lichendes → Naturrecht und unterscheidet zwischen lex aeterna als Ausfluss der göttlichen Vernunft, lex naturalis als Gesetz der Natur und der menschlichen Vernunft und lex humana als menschlichem bestimmtem Gesetz. Leben, Freiheit und Eigentum sieht er als allgemeine Grundwerte. 1323 wird er heilig gesprochen.

Lit.: Köbler, DRG 99, 191; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Pieper, T., Thomas von Aquin, 1981; Müller, K., Thomas von Aquin, 1983; Torrelli, P., Initiation à Saint Thomas, 1993; Schönberger, R., Thomas von Aquin zur Einführung, 1998

Thomasius, Christian (Leipzig 1. 1. 1655-Halle 23. 9. 1728), Eloquenzprofessorensohn, wird nach dem Studium der Philosophie (1669) und des Rechts (1672) in Leipzig und Frankfurt an der Oder (Stryk) 1682 Rechtslehrer in Leipzig. 1685 hält er in seiner Schrift (lat.) De crimine bigamiae (Das Verbrechen der Bigamie) die Bigamie für naturrechtlich erlaubt. 1687 kündigt er als erster eine Vorlesung in deutscher Sprache an. 1688 begründet er die deutschen „Monats­gespräche“ als Verbreitungsmittel seiner an der Freiheit im Denken, Lehren und Schreiben ausgerichteten Vorstellungen (erste deutschsprachige Monatsschrift). Nach einem Lehrverbot im Jahre 1690 wird er an die brandenburgische Ritterakademie in → Halle (1694 Universität) berufen, an der er einen dreijährigen juristischen Kurs einführt. 1701 erklärt er, obwohl er sich von der Wirklichkeit des Teufels, der Zauberer und Hexen überzeugt zeigt, in (lat.) De crimine magiae (Das Verbrechen der Hexerei) Hexerei als fleischliche Verbindung mit dem Teufel wegen der Geistigkeit des Teufels für unmöglich. 1705 sieht unter seinem Vorsitz der Promovend Martin Bernhardt die Folter als unchristlich an, doch lehnt Thomasius selbst Reformvorschläge in dieser Hinsicht ab. Sein Hauptwerk sind seine aufgeklärten (lat.) Fundamenta (N.Pl.) iuris naturae et gentium (Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), in denen er das Recht von der Moral ablöst, das Recht als positiv vom jeweiligen Herrscher gesetzt versteht und das Völkerrecht als nicht erzwingbar aus dem Recht ausschließt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 144, 145, 157, 158, 160, 186, 205; Summarischer Entwurf der Grundlehren, die einem Studioso Juris zu wissen, 1699, Neudruck 2005; Fleischmann, M., Christian Thomasius und die akademischen Vorlesungen in deutscher Sprache, ZRG GA 30 (1909), 315; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Christian Thomasius, hg. v. Fleischmann, M., 1931; Battaglia, F., Christiano Thomasio, 1936; Bloch, E., Christian Thomasius, 1953; Schubart-Fikentscher, G., Unbekannter Thomasius, 1954; Lieberwirth, R., Christian Thomasius, 1955; Thomasius, C., Über die Folter, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Ebner, W., Christian Thomasius und die Ab­schaffung der Folter, Ius Commune 4 (1972), 73; Cattaneo, M., Delitto e pena, 1976; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Schwerhoff, G., Aufgeklärter Traditionalismus, ZRG GA 104 (1987), 247; Christian Thomasius, hg. v. Schneiders, W., 1989; Thomasius, Christian, Ausgewählte Werke, hg. v. Schneiders, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Christian Thomasius (1655-1728), 1997; Kühnel, M., Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001; Steinberg, C., Christian Thomasius als Naturrechtslehrer, 2005 (S. 201ff. Übersicht über die 219 zwischen 1680 und 1728 gehaltenen Lehrveranstaltungen); Tomasoni, F., Christian Thomasius, 2005; Christian Thomasius (1655-1728) – Wegbereiter moderner Rechtskultur und Juristenausbildung, hg. v. Lück, H., 2006; Christian Thomasius (1655-1728) - Gelehrter Bürger, hg. v. Lück, H., 2009

Thora → Tora

Thorn an der unteren Weichsel entsteht um die 1233/1234 vom Hochmeister des → Deutschen Ordens errichtete Burg. 1233 erhält die Altstadt die Kulmer Handfeste, 1264 die Neustadt Stadtrecht. Sein Schöffenstuhl urteilt nach Magdeburger Recht. Von 1400 bis 1402 verfasst der Stadtschreiber Walther Ekhardi → Neun Bücher magdeburgischen Rechts. Von 1793 bis 1920 ist T. bei Preußen. 1945 wird in Polen eine Universität in T. eingerichtet.

Lit.: Steffenhagen, E., Die neun Bücher Magdeburger Rechts, 1865; Salmonowicz, S., Krystian Bogumil Steiner (1746 bis 1814), 1962; Biskup, M., Historia Torunia, Bd. 1 1992; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 51; Thomsen, M., Zwischen Hauptwache und Stockhaus, 2005

Thraker ist der Angehörige des thrakisch sprechenden, vor allem im Gebiet des heutigen Bulgarien siedelnden indoger­manischen Volkes, das bedeutende Prunkstücke der Goldschmiedkunst z. B. aus dem 4. Jh. v. Chr. hinterlassen hat.

Lit.: Boshnakov, K., Die Thraker südlich vom Balkan in den Geographika von Strabo, 2003

Thron ist der Stuhl des Herrschers (mit hoher, gerade endender Rückenlehne), der als Rechtssymbol der Herrschaft Verwendung findet. In diesem Sinne verbünden sich spätestens in der frühen Neuzeit T. und Altar. Eine Trennung erfolgt erst 1918.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989; Instinsky, H., Bischofsstuhl und Kaiserthron, 1955; Gussone, N., Thron und Inthronisation des Papstes, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Thronfolge ist die Nachfolge im Herrscher­amt, die teils nach Erbrecht (z. B. westfränkisches Reich, England), teils nach Wahlrecht (z. B. ostfränkisches Reich, seit 1438 aber fast gänzlich auf die Habsburger eingeschränkt) er­folgt. Die T. einer Frau wird erst in der Neuzeit bedeutsam (z. B. Maria Theresia Österreich 1740).

Lit.: Pflugk-Harttung, J. v., Zur Thronfolge in den germanischen Stammesstaaten, ZRG GA 11 (1890), 177; Sickel, W., Das Thronfolgerecht der unehelichen Karolinger, ZRG GA 24 (1903), 110; Turba, G., Geschichte des Thronfolgerechts, 1903; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1981; Real, W., Über persönliche und faktische Hindernisse bei der Thronfolge, ZRG GA 94 (1977), 226; Schneider, R., Königswahl und Thronfolge, 1987; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1987; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln, 1987; Faußner, H., Die Thronerhebung des deutschen Königs im Hochmittelalter und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZRG GA 108 (1991), 1; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg König werden? ZRG GA 109 (1992), 48; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht nach Pippins Königserhebung 750/51, ZRG GA 108 (1991), 282

Thüngen

Lit.: Thüngen, R. Frhr. v., Aus der Familiengeschichte derer von Thüngen, ZRG GA 45 (1925), 367

thunginus (lat.-afrk. [M.]) Dingmann, Leiter der Versammlung auf dem Malberg, im 8. Jh. vom Grafen verdrängt

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 85, 86; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, Neudruck 1971; Guttenberg, E. Frhr. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel, 1952, 100; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Thurgau ist das zwischen Reuß, Aare, Rhein und Bodensee gelegene, über Räter und Römer im 5. Jh. an die Alemannen (und damit an die → Franken) gelangte, seit 741 als T. bezeichnete Gebiet. 1264 kommt es an die Grafen von Habsburg. 1460/1461 erobern die Eidgenossen der → Schweiz den T. und verwalten ihn als gemeine Herrschaft, die 1792 unabhängig wird und sich 1798 der helvetischen Republik bzw. 1803 der Schweiz eingliedert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Blumer, P., Das Landgericht und die gräfliche Hochgerichtsbarkeit der Landgrafschaft im Thurgau, Diss. jur. Leipzig 1908; Brüschweiler, P., Die landfriedlichen Simultan­verhältnisse im Thurgau, 1932; Herdi, E., Geschichte des Thurgaus, 1943; Kundert, W., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Thurgau, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2460; Giger, B., Gerichtsherren, Gerichtsherrschaften, Gerichtsherrenstand im Thurgau, Thurgauische Beiträge zur Geschichte 130 (1993), 5

Thüringen ist das von den Thüringern (um 400 Toringi [Vegetius], verwandt mit den gotischen Terwingern?) besiedelte Gebiet. Seit dem Spätmittelalter (1485, 1572) zersplittert T. unter den → Wettinern terri­torial, wird aber 1920 in ein Land des Deutschen Reiches zusammengefasst.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 75; Köbler, Historisches Lexikon; Patze, H., Recht und Verfassung thüringischer Städte, 1955; Günther, G., Die Anfänge der Rezeption des mittelalterlichen römischen Zivilrechts in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (masch.schr.)¸Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, ZRG GA 75 (1958), 108; Forschungen zur thüringischen Landesgeschichte, hg. v. Eberhardt, H., 1958ff.; Übersicht über die Bestände des thüringischen Landeshauptarchivs Weimar, hg. v. Eberhardt, H., 1959 (und weitere Bände für Landesarchive); Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett, 1962; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Patze, H., Bibliographie zur thüringischen Geschichte, 1965; Schlesinger, W., Geschichte Thüringens, 1967; Klein, T., Thüringen, 1983; Hessen und Thüringen, 1992; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; Post, B., Thüringen-Handbuch, 1999; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Heinrich Raspe, hg. v. Werner, M., 2002; Wittmann, H., Im Schatten der Landgrafen, 2005; Günther, G., Römisches Recht in Thüringen, 2006; Grahn-Hoek, H., Stamm und Reich der frühen Thüringer, Zs. d. Ver. f. thür. Geschichte 56 (2002), 7

Thüringer ist der Angehörige des germanischen, um 400 mit einem Königreich zwischen Donau und Harz nachweisbaren Volkes der Thüringer, die noch im deutschen Bundesland Thüringen nachwirken. Für die T. wird 802 die → Lex Thuringorum aufge­zeichnet.

Thurn und Taxis ist die im 13. Jh. in Oberitalien nachweisbare Familie, die seit der Neuzeit (1490) allmählich das Postwesen des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation) erlangt (1595 Reichsgeneral­postmeister). 1792 erlässt die Familie in ihrem Reichs­fürstentum Friedberg-Scheer ein Allge­meines Bürgerliches Gesetzbuch. 1793 wird ein Strafgesetzbuchent­wurf erstellt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer, Z. f. württemberg. LG. 28 (1969), 265; Piendl, M., Das fürstliche Haus Thurn und Taxis, 1980; Behringer, W., Thurn und Taxis, 1990; Ruhnau, R., Die fürstlich thurn und taxissche Privatgerichts­bar­keit in Regensburg, 1998

Tiara ist die außerliturgische Kopfbedeckung des Papstes in konischer, von drei Kronreifen umringter Form. Sie geht vielleicht auf eine persisch-phrygische Mütze zurück. Seit dem 8. Jh. lässt sie sich für den Papst nachweisen. Seit 13. 11. 1964 wird sie nicht mehr verwendet.

Lit.: Sachsse, Tiara und Mitra der Päpste, ZKG 35 (1914), 481; Sirch, B., Der Ursprung der bischöflichen Mitra und päpstlichen Tiara, 1975

Tie ist seit dem Mittelalter der dörfliche Versammlungsplatz in Norddeutschland (vor allem zwischen Hannover, Kassel und Magdeburg).

Lit.: Bischoff, K., Der Tie, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz 1971, 1972; Bischoff, K., Nachträge zum Tie, Jb. d. Vereins f. niederdt. Sprachforschung 101 (1978), 158; Brednich, R., Tie und Anger, 2007

Tier ist das Lebewesen, das sich vom Menschen durch das Fehlen von Vernunft und Sprache und von der Pflanze durch Bewegungsfähigkeit und Empfindungsver­mögen unterscheidet. Es wird seit dem römi­schen Recht als → Sache behandelt. Im Mittelalter in Frankreich und später auch im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) sind Tierprozess und Tierstrafe möglich. Die fragwürdige Massentierhaltung des 20. Jh.s führt zu gesetzlichem Tierschutz und zur Einordnung des Tieres als ein von leblosen Sachen verschiedener, aber grundsätzlich wie eine Sache zu behandelnder Gegenstand (Österreich 1988, Deutschland 1990). Bei einem durch ein Tier verursachten Schaden gilt im römischen Recht die Noxalhaftung ([lat.] actio [F.] de pauperie und noxae datio [F.], Befreiung von Ansprüchen durch die Hingabe oder Preisgabe des schädigenden Tieres), im deutschen Recht die später als → Gefährdungshaftung verstandene Haftung des Herrn (Tierhalters). Später wird oft zwischen Nutztieren (Haftung nur bei Sorgfaltspflicht­ver­letzung) und anderen Tieren (Gefähr­dungs­­haf­tung) unterschieden. Ein Schadens­ersatzaspruch entfällt meist, wenn der Ge­schädigte das T. hetzt oder reizt.

Lit.: Hübner 612; Köbler, DRG 65, 128, 166, 216, 269; Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden, Diss. jur. Göttingen 1906; Evans, E., The criminal prosecution and capital punishment of animals, 1906; Berkenhoff, H., Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung, 1937; Thoma, H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Sellert, W., Das Tier in der abendländischen Rechtsauffassung, (in) Studium generale. Vorträge zum Thema Mensch und Tier der tierärztlichen Hochschule Hannover, 1984, 66; Laufs, A., Das Tier im alten deutschen Recht, Forschungen zur Rechtsarchäologie 7 (1985), 109; Zerbel, M., Tierschutz im Kaiserreich, 1993; Eberstein, W., Das Tierschutzrecht, 1999; Cole, T., Wörterbuch der Tiernamen Latein-Deutsch-Englisch und Deutsch-Latein-Englisch, 2000; Schmalhorst, R., Die Tierhalter­haftung, 2002; Giebel, M., Tiere in der Antike, 2003; Paravicini, W., Tiere aus dem Norden, DA 59 (2003), 559; Pfeiffer, J., Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972, 2004

Tierepos ist das ein → Tier als Sinnbild eines Menschen verwendende Dichtwerk. Bekannte Beispiele des T. sind der Ysengrimus des Magisters Nivardus (um 1150) oder der Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich (1180/1191).

Lit.: Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Knapp, F., Das lateinische Tierepos, 1979; Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984; Ysengrimus, hg. v. Mann, J., 1987

Tierhalterhaftung → Tier

Tipoukeitos (griech. was wo steht) ist das repetierende byzantinische Rechtsbuch des M(ichael?) Patzes (12. Jh.) zu den Basiliken.

Lit.: Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Grae­co-Romani delineatio, 1985, 102

Tiraqueau (Tiraquellus), André (Fontenay-le-Comte 1488-1558), adliger Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Poitiers Richter. 1513 kommentiert er den eherechtlichen Teil der Coutume von Poitiers, 1543 das Gewohn­heitsrecht von Poitou. 1560 veröffentlicht er eine Untersuchung über die Stiftung (De privilegiis piae causae).

Lit.: Brejon, J., Un jurisconsulte de la renaissance, 1937

Tirol im von Natur aus eindrucksvollen, aber unwirtlichen Herzen der Alpen, aus dem eine am 19. 9. 1991 gefundene, rund 5300 Jahre alte Gletscherleiche erhalten ist, wird zuerst von Kelten, 15 v. Chr. von den Römern (Noricum, Raetia, Venetia et Istria) besetzt, die seit dem 5. Jh. germanischen Völkern (Langobarden, Alemannen, Bayern, Franken) und im Osten auch Slawen weichen. 1004, 1027 und 1091 überträgt der deutsche König zur Sicherung des Weges nach Italien Graf­schaften im Gebirge an die Bischöfe von → Trient und → Brixen, die diese an Grafen als Vögte weitergeben. Von den verschie­denen Grafengeschlechtern setzen sich die nach der Burg T. (ältester erhaltener Balken von 1106) bei Meran benannten Grafen von T. im 13. Jh. durch (Graf Albert 1190-1253, Vererbung an Graf Meinhard II. von Görz 1258-1295). Seit 1335 gilt T. als Reichslehen. 1363 geht das sich von → Bayern allmählich verselb­ständigende, von vielen Seiten begehrte T. durch Margarethe Maultasch (Beiname bisher nicht befriedigend erklärt) unter Unterstützung seitens jüdischer Geld­geber an (Herzog Rudolf IV. von Österreich/) → Habsburg über. Nicht unbe­deutsam ist die spätmit­telalterliche Verwal­tungs­re­form König Maximilians, die Regiment und Raitkammer einführt. 1499 schafft König Maximilian (der letzte Ritter) für T. eine dem Mittelalter verpflichtete Halsgerichtsordnung (Malefiz­ord­nung). In den Jahren 1504/1506 werden als Gewinn Habsburgs aus dem bayerischen Erbfolgestreit Kufstein, Kitzbühel und Ratten­berg T. hinzugefügt. 1526 erreicht T. eine von Michael Gaismair geprägte Landesordnung (1532, 1573 abgeändert). Im Absolutismus erfolgt eine verstärkte Einbeziehung in den Gesamtstaat Österreich. 1803 werden die Hochstifte → Trient und → Brixen einge­gliedert. 1805 fällt T. an Bayern. In na­poleonischer Zeit versucht An­dreas → Hofer (1809) vergeblich die Be­freiung von der Herrschaft Frankreichs bzw. Bayerns, doch kehrt T. nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) 1814 zu Österreich zurück.. 1919 werden Deutsch­südtirol (vom Brenner bis zur Salurner Klause) und das Trentino als Lohn für die bereits 1912 vorbereitete Haltung Italiens im ersten Weltkrieg von den Alliierten an → Italien gegeben und danach in erheblichem Umfang italienisiert. Von 1939 bis 1945 wird aus dem bei Österreich  verbliebenen T. und Vorarlberg der Reichsgau T. gebildet. Von 1945 bis 1955 steht T. unter der Besatzung Frankreichs.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 170, 220; Bidermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden, 1866; Tirolische Weistümer, Bd. 1ff. 1875ff.; Sartori-Montecroce, R. v., Über die Rezeption des römischen Rechtes in Tirol, 1895; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Teil 1 1901; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Beiträge zur Rechtsgeschichte Tirols, 1904; Wopfner, H., Das Tiroler Freistiftrecht, 1905; Kogler, F., Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Stolz, O., Geschichte der Gerichte Deutschtirols, 1912; Heuberger, R., Die Kundschaft Bischof Konrads III. von Chur über das Landrecht Graf Meinhards II. von Tirol, 1915; Heuberger, R., Graf Meinhard II. von Tirol, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 59 (1916), 97; Stolz, O., Politisch-historische Landesbe­schreibung von Tirol, 1923ff.; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926), 366; Huter, F., Die Quellen des Messgerichtsprivilegs der Erzherzogin Claudia für die Boznermärkte (1635), 1927; Stolz, O., Geschichte der Stadt Vils in Tirol, 1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol, ZRG GA 49 (1929), 439; Wretschko, A. v., Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte einer einst bayerischen Innstadt (Rattenberg), ZRG GA 49 (1929), 449; Stolz, O., Die Landstandschaft der Bauern in Tirol, Historische Vierteljahrsschrift 28 (1933), 699, 29 (1934), 109; Tiroler Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Huter, F., 1937ff.; Marthaler, E., Untersuchungen zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte der Grafschaft Vintschgau im Mittelalter, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 70 (1940), 71 (1942); Schmidt, E., Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Stolz, O., Geschichte des Landes Tirol, 1955; Stolz, O., Quellen zur Geschichte des Zollwesens und Handelsverkehrs in Tirol und Vorarlberg, 1955; Stolz, O., Der geschichtliche Inhalt der Rechnungsbücher der Tiroler Lasndesfürsten von 1288-1350, 1957; Linder, K., Beiträge zur Geschichte der Klosterherrschaft Stams, Schlernschriften 146 (1959), 1; Stolz, O., Wehrverfassung und Schützenwesen in Tirol, hg. v. Huter, F., 1960; Keul, M., Staatliche Gewerbepolitik in Tirol 1648-1740, 1960; Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das älteste Tiroler Kanzleiregister 1308-1315, bearb. v. Zauner, A., 1967; Neue Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Tirols (FS Franz Huter), hg. v. Troger, E. u. a., 1969; Grass-Cornet, M., Aus der Geschichte der Nordtiroler Bürgerkultur (Fuchs von Amras), 1970; Hye, F., Die Innsbrucker Familie Weinhart, 1970; 100 Jahre Bezirks­hauptmannschaften in Tirol, hg. v. d. Tiroler Landesregierung, 1972; Hochenegg, H., Der Adel im Leben Tirols, 1971; Bitschnau, M., Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und 1300, 1983; Riedmann, J., Die Beziehungen der Grafen und Landesfürsten von Tirol zu Italien bis zum Jahre 1335, 1977; Inama-Sternegg, H., Geschichte aller Familien Inama, 1978; Fontana, J. u. a., Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1ff. 2. A. 1990; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 3. A. 2001; Kathrein, I., Parlamentarismus in Tirol, 1988; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Köbler, G., Vom Tiroler Recht, (in) Tiroler Recht 1919-1992, hg. v. Köbler, G., 1993, 3; Baum, W., Margarethe Maultasch, 1994; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Tirol, hg. v. Gehler, M., 1999; König, Kirche, Adel – Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum, hg. v. Loose, R. u. a., 1999; Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, hg. v. Schwob, A., Bd. 1ff. 1999ff.; Schennach, M., Tiroler Landesverteidigung 1600-1650, 2002; Albertoni, G., Die Herrschaft des Bischofs, 2003; Freiheit und Wiederaufbau. Tirol in den Jahren um den Staatsvertrag, hg. v. Fornwagner, C. u. a., 2007; Margarete Maultasch, hg. v. Hörmann-Thurn und Taxis, J., 2007; Feller, C., Das Rechnungsbuch Heinrichs von Rottenburg, 2009; Fasser, M., Ein Tirol - zwei Welten, 2009; Rebitsch, W., Tirol in Waffen, 2009; Oberhofer, A., Der andere Hofer, 2009; Schennach, M., Revolte in der Region, 2009; Abschide vom Freiheitskampf?, hg. v. Mazohl, B. u. a., 2009; Für Freiheit, Wahrheit und Recht!, hg. v. Hastaba, E. u. a., 2009

Tisch ist das aus einer auf Beinen ruhenden Platte bestehende Möbelstück, das als Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Gerichtstisch, Trennung von Tisch und Bett).

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Titel ist die besondere Bezeichnung eines Menschen oder eines Werkes bzw. Werktei­les. Die T. von Herrschern und Funktionen wechseln seit dem Altertum in kaum überschaubarer Vielfalt. Daneben ist T. (lat. [M.] titulus, z. B. Kauf, Schenkung) auch der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs.

Lit.: Wolfram, H., Intitulatio, Bd. 1 1967, Bd. 2 1973; Löhken, H., Ordines dignitatum, 1982; Intitulatio (Bd.) 3, hg. v. Wolfram, H. u. a., 1988; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum und Papsttum im 12. und 13. Jahrhundert, 2003; Krabs, O., Von Erlaucht bis Spektabilis, 2004

Titelherzogtum ist das als bloßer → Titel verliehene Herzogtum.

Lit.: Werle, H., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225

Titulus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs. Nach der späteren Lehre (Johannes → Apel 1485-1536) erfordert eine Eigentumsübertragung einen t. acquirendi (z. B. Kauf, Schenkung) und einen (lat.) modus (M.) acquirendi (z. B. Übergabe). Dies wird in Deutschland im 19. Jh. durch → Savigny verändert, wobei Österreich bei der kausalen Tradition (Notwendigkeit von Titel und Er­wer­bungsart) verbleibt. → Einigung

Lit.: Kaser § 24 IV; Köbler, DRG 61, 163, 212; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927

Tobitschau in Mähren ist der Ort, nach dem ein 1481 vom Hofrichter und Landes­hauptmann Ctibor von Cimburk und Tova­covská (T.) (1437-1494) in tschechischer Sprache verfasstes, durch mehr als 70 bekannte Handschriften überliefertes, in 224 Kapitel geteiltes Rechtsbuch des spätmit­tel­alterlichen mährischen Landes­rech­tes benannt ist (Tobitschauer Rechtsbuch bzw. Kniha Tovacovská). Es betrifft Verfas­sungs­recht, Prozessrecht, Erbrecht, Vormund­schaftsrecht, Ehegüterrecht und anderes. Der Einfluss des deutschen Rechts ist gering, ein Einfluss des römischen Rechts fehlt. 1535 wird das Tobitschauer Rechtsbuch für die mährische Landesordnung verwertet.

Lit.: Tomaschek, J., Recht und Verfassung der Markgrafschaft Mähren, 1863; Brandl, V., Kniha Tovacovská, 1868; Raupach, H., Das eheliche Güterrecht der Kniha Tovacovská, 1931

Tocco → Karolus de Tocco, → Lombarda

Tocqueville, Alexis de (Verneuil-sur-Seine 29. Juli 1805-Cannes 16. 4. 1859), franzö­sischer Richter, der nach einer Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika (1831/­1832) das Buch De la démocratie en Amérique verfasst, mit dem er die moderne Massendemokratie theoretisch begründet (Freiheit, Gleichheit, Mehrheitsentschei­dun­gen, Machtbeschränkungen).

Lit.: Jardin, A., Alexis de Tocqueville, 1991

Tod ist das Erlöschen der Lebensäußerungen eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen. Mit dem T., dessen feststellbare Kennzeichen in der Medizin auch in der Gegenwart noch nicht eindeutig festgelegt sind (Hirntod?), endet die → Rechtsfähigkeit des Betreffenden. Mit den daraus entstehen­den Fragen befasst sich bereits früh vor allem das → Erbrecht. Im Strafvollzug ist der T. die angestrebte Rechtsfolge der → Todesstrafe.

Lit.: Kaser §§ 13 II 2, 58 VII 1a; Hübner; Köbler, DRG 23 u.ö.; Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50; Ranke, E., Rosengarten, Recht und Totenkult, 1951; Harder, M., Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968; Boase, T., Death in the Middle Ages, 1972; Latzel, K., Vom Sterben im Krieg, 1988; Ohler, N., Leben und Sterben im Mittelalter, 1990; Aries, P., Geschichte des Todes, 1990; Tod im Mittelalter, hg. v. Borst, A. u. a., 1993; Jones, C., Die letzte Reise, 1999; Babendererde, C., Sterben, Tod, Begräbnis und liturgisches Gedächtnis bei weltlichen Reichsfürsten des Spätmittelalters, 2006;  Edwards, C., Death in Ancient Rome, 2007

Todeserklärung ist die Feststellung des Todes eines Verschollenen auf Grund eines Aufgebotsverfahrens durch ein Gericht. Sie entwickelt sich aus der im Spätmittelalter sichtbaren Todes­vermutung (ab 100 bzw. 70) im 18. Jh. in Sachsen und Preußen (1763) und geht von dort in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ein. Am 4. 7. 1939 wird ein eigenes deutsches Verschollen­heitsgesetz erlassen. Dem folgen die Tschechoslowakei, Italien und Spanien sowie Österreich (1950). Die Folge der T. gleicht der Folge des Todes (z. B. Erbrecht). Bei irrtümlicher T. erfolgt Wiedereinsetzung in die Vermögensrechte.. Bei gleichzeitiger Verschollenheit mehrerer besteht eine Vermutung für gleichzeitigen Todeszeitpunkt (Kommorientenvermutung).

Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Bd. 1 2. A. 1971, 273; Hübner; Riesenfeld, C., Verschollenheit und Todeserklärung, 1891; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Todesstrafe ist die in der Tötung eines Menschen bestehende → Strafe. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Inwieweit sie den Germanen als Strafe geläufig ist, ist streitig. Vom ausgehenden 9. Jh. bis zum 11. Jh. findet sie sich kaum. Sie erscheint aber in den hochmittelalterlichen Landfrieden. Ihre Ge­stalt ist unterschiedlich (Hängen, Enthaupten, Er­tränken, Vier­teilen, Lebendigbegraben, Ver­brennen, Vergiften, Pfählen, Spießen, Sieden, Einmauern, Rädern, Erschießen, Stei­nigen). Vollzogen wird sie meist vom → Henker oder → Scharfrichter (im Spätmit­telalter in Konstanz jährlich durchschnittlich 3-4 Hinrichtungen, meist an Fremden, die Hälfte der Todesurteile wird durch Stadtver­weisung ersetzt). Seit dem 18. Jh. lehnt die Aufklärung (Beccaria 1764) die T. ab (z. B. Toskana 1786-1790, Österreich 1787-1795, Einschränkung in Frankreich 1832). 1919 (bis 1933) bzw. 1950 (im standgerichtlichen Verfahren am 7. 2. 1968) wird sie in Österreich abgeschafft, 1937 in der Schweiz, 1949 in der Bundesrepublik Deutschland, 1965 in England, 1987 in der Deutschen Demokratischen Republik, 1997 in Polen, Estland und Aserbeidschan, 1998 in Bulgarien, 1999 in der Ukraine. 1997 halten noch 91 Staaten an der Todesstrafe fest (rund 3700 Todesurteile [bekannt], rund 2300 Hinrichtungen, vor allem in China, im Iran, in Saudiarabien und in den Vereinigten Staaten von Amerika), während 61 Staaten sie nicht mehr kennen (bzw. 104 Staaten die T. [zu Friedenszeiten] verbieten oder nicht anwen­den). Das zweite Fakul­tativprotokoll des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das sechste Zusatzpro­tokoll der europäischen Menschenrechts­konvention streben die Abschaffung der T. an. 2002 einigen sich 36 Mitgliedstaaten des Europarats auf Abschafftung der T. auch im Kriegsfall.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 20, 35, 56, 71, 87, 117, 119, 158, 204, 236, 237, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Goldschmit, H., Das Ertränken im Fass, Zeitschrift f. vergl. Rechtswiss. 41 (1925), 41 (1926); Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Ström, F., On the sacral origin of the Germanic death penalties, 1942; Brunner, G., Die Todesstrafe in der Zeit der Aufklärung, Diss. jur. Halle 1955; Wettstein, E., Die Geschichte der Todesstrafe, Diss. jur. Zürich 1958; Strub, B., Der Einfluss der Aufklärung auf die Todesstrafe, 1973; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Fleckenstein, M., Die Todesstrafe im Werk Carl Joseph Anton Mittermaiers, 1992; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren, (in) Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995, 109; Evans, R., Rituals of retribution, 1996; Bergman, M., Dödsstraffet, 1996; Schabas, W., The abolition of the death penalty, 1997; Lott, A., Die Todesstrafen im Kurfürstentum Trier, 1998; Zur Aktualität der Todesstrafe, hg. v. Boulanger, C., 1998; Martschukat, J., Inszeniertes Töten, 2000; Luginbühl, B., Im Kampf gegen die Todesstrafe. Jean-Jacques Comte de Sellon (1782-1839), 2000; Overath, P., Tod und Gnade, 2001; Evans, R., Rituale der Vergeltung, 2001; Derrida, J./Roudinesco, E., De quoi demain, 2001; Martschukat, J., Die Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, 2002; Seitz, A., Die Todesstrafe ist keine Strafe, 2003; Wirth, I., Todesstrafen, 2004; Gegen Folter und Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007

Todesurteil ist das auf die → Todesstrafe erkennende Urteil.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964

Toleranz ist die geduldige Hinnahme (an­dersartiger) Anschauungen und Verhaltens­weisen anderer. Sie ist vor allem in Fragen der Religion seit der frühen Neuzeit (Reformation von 1517) bedeutsam. 1615 anerkennt der zum Calvinismus übergetretene Kurfürst von Brandenburg den Fortbestand des Luthertums. 1685 öffnet das Potsdamer Edikt Preußen den Hugenotten. Ab 13. 10. 1781 gewährt Joseph II. in Österreich den Anhängern der (lutherischen) augsburgischen und helve­tischen Konfession sowie den orthodo­xen nicht unierten Griechen in jeweils eigenen Toleranzpatenten für jedes Erbland gewisse T. (nur stärkere Duldung ohne wirkliche Religions­freiheit) Dieses gesamte Toleranz­patentbündel bleibt bis 1849 bzw. 1861 in Kraft.

Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 136, 142, 159; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 445; Zur Geschichte der Toleranz, hg. v. Lutz, H., 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Im Zeichen der Toleranz, hg. v. Horten, P., 1981; Landau, P., Zu den geistigen Grundlagen des Toleranzpatentes Kaiser Josephs II., Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 32 (1981), 187; Religiöse Toleranz, hg. v. Gugglsberg, H., 1984; Toleranz im Mittelalter, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1998; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Berghahn, K., Grenzen der Toleranz, 2000; Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002; Ablehnung – Duldung – Anerkennung, hg. v. Lademacher, H. u. a., 2004; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006

Tomii, Masaakira (1858-1935) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon von 1885 bis 1902 und von 1908 bis 1918 Professor in Tokio. Er wirkt maßgeblich bei dem nach deutschem Vorbild geschaffenen japanischen → Bürgerlichen Gesetzbuch mit. Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk ist ein systematisches Lehrbuch des bürgerlichen Rechts (1903ff.).

Lit.: Tomii-danshaku tsuitô-shû, 1936; Hoshino, E., Minpô ronshû, Bd. 5 1986, 145

Tonti oder Tontine ist das nach dem neapolitanischen Arzt Lorenzo Tonti (1630-1695) benannte, in den romanischen Ländern verbreitete Gewinnverteilungssystem, bei dem Einzahlungen in besonderen Fonds angesammelt und nach einer bestimmten Zeit den noch Überlebenden der Einleger bzw. dem Policeninhaber als Kapital oder Rente ausgeschüttet werden.

Lit.: Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961; Braun, H., Geschichte der Lebensversicherung, 2. A. 1963

Topik ist die Lehre von den gängigen, allgemein anerkannten Begriffen, Sätzen und Argumenten. Sie ist bereits der griechischen Philosophie (Aristoteles) vertraut. In der Rechtswissenschaft gewinnt sie nur zeitweise eine gewisse Bedeutung (z. B. Cicero, Oldendorp, Vico, Viehweg [1907-88]).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Struck, G., Topische Jurisprudenz, 1971; Viehweg, T., Topik und Jurisprudenz, 1953, 5. A. 1974; Wieacker, F., Über strengere und unstrenge Verfahren der Rechtsfindung, FS W. Weber 1974, 421; Seibert, T., Juristische Topik, Z. f. Literaturwissenschaft und Linguistik 38/9 (1980), 169; Rehbock, K., Topik und Recht, 1988

Tora, Thora (hebräisch [F.] Lehre, Weisung, Gesetz) ist die jüdische Bezeichnung hauptsächlich für die fünf Bücher Moses, insbesondere das fünfte Buch. Die T. steht im Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Sie ist Gesetz des jüdischen Gottes.

Lit.: Majer, J., Geschichte der jüdischen Religion, 1992; Crüsemann, Die Tora, 1992; Die Tora, hg. v. Böckler, A., 2000; Weber, R., Das Gesetz im hellenistischen Judentum, 2000; Weber, F., Das „Gesetz“ bei Philon von Alexandrien und Flavius Josephus, 2001

Torgau

Lit.: Knabe, C., Geschichte der Stadt Torgau, 2. A. 1925; Schmidt, R., Die Torgauer Hochzeit als Beispiel für Rechtsform und Rechtsanschauung im 16. Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 372

Tortur (F.) Folter

Lit.: Helbing, F., Die Tortur, 1926, Neudruck 1983; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto comune, Bd. 1f. 1953f.; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Waider, H., Spees Auseinandersetzung mit der Tortur, Jb. d. Köln. Gesch.-Ver. 54 (1983), 1

Tory (M.) Konservativer in England (Schimpfname, angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680, → whig vielleicht von whig „dünnes Bier“ oder von whigman „Antreibe­stock“, um 1680)

Toskana (2. Jh. n. Chr. Tuscia, vorher Etruria) ist die ursprünglich von Etruskern beherrschte, von 955 bis 1799 zum Heiligen römischen Reich zählende, zwischen Tiber, Mittelmeer und Apennin gelegene Landschaft in Ita­lien (Florenz, Pisa, Siena). Seit 1765 ist sie mit Florenz als Mittelpunkt habsburgische Sekundogenitur unter Maria Theresias Sohn Leopold, in der bedeutsame aufgeklärte Gesetzesvorhaben entwickelt werden (Gemeindeordnung, 1782 bzw. 1787 auf 145 Artikel erweiterter Entwurf einer wohl von Amerika beeinflussten, kon­stitutionelle Monarchie anstrebenden → Ver­fassung, dessen Verwirklichung unterbleibt, als aus dynastischen Gründen die un­mittelbare Zuordnung zu Österreich wahr­scheinlich wird, 1786 Strafgesetzbuch ohne Majestäts­verbrechen, Folter, Todesstrafe und Schuld­haft). 1860 wird die T. mit dem Königreich Sardinien und damit mit → Italien (1861) vereinigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, F., Die Reichsverwaltung Toskanas, Bd. 1 1914; Christoph, P., Großherzogtum Toskana, 1957; Wandruszka, A., Leopold II., 1963ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,154, 3,1,283, 3,2,2358, 3,3,3217; Codex diplomaticus Amiatinus, hg. v. Kurze, W., Bd. 1ff. 1974ff.; Pesendorfer, F., Die Habsburger in der Toskana, 1988; Etruria, Tuscia, Toscana, hg. v. Luzzati, M., 1992; Graf, G., Der Verfassungentwurf aus dem Jahre 1787, 1998; Kroll, T., Die Revolte des Patriziats, 1999

Totalitarismus ist die im 20. Jh. verwirklichte, auf vollständige Unterdrückung angelegte Herrschaftsform (z. B. Bol­sche­wismus, Faschismus, Nationalsozia­lismus).

Lit.: Gleason, A., Totalitarianism, 1995; Totalitarismus und politische Religionen, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Wippermann, W., Totalitarismustheorien, 1997; Totilitarismus, hg. v. Söllner, A. u. a., 1997; Totali­tarimustheorien, hg. v. Siegel, A., 1998; Totalitarismus im 20. Jahrhundert, hg. v. Jesse, E., 2. A. 1999; Zwischen Politik und Religion, hg. v. Hildebrand, K., 2003

Tote Hand ist die Bezeichnung für kirchliche Einrichtungen, die das von ihnen erlangte Vermögen nicht veräußern dürfen. Hiergegen wenden sich rechtliche Bestimmungen schon in den mittelalterlichen Städten. Im 19. Jh. verschwindet die vermögensrechtliche Einschränkung der toten Hand.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lea, H., The Dead Hand, 1900; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990

Totenglaube

Lit.: His, R., Der Totenglaube in der Geschichte des germanischen Strafrechts, 1928; Tempelmann, M., Totenfurcht und Totenglauben bei den Germanen, ZRG GA 106 (1989), 274

Totenteil → Freiteil

Lit.: Rietschel, S., Der „Totenteil“ in germanischen Rechten, ZRG GA 32 (1911), 297; Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926

Toter ist der gestorbene Mensch.

Lit.: Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936

Tot gradus quot generationes (lat.). So viele Grade wie Zeugungen.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Pseudo-Paulus, E. 3. Jh. n. Chr., Digesten 38, 10, 10 §9)

Totschlag ist die nicht als Mord qualifizierte vorsätzliche Tötung eines Menschen, früher vielfach auch die Tötung allgemein. Sie zieht im Frühmittelalter die Verpflichtung zur Leistung von → Wergeld, später eine → Strafe nach sich.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bewer, R., Die Totschlagssühne in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Roth, W., Totschlagsühne und Urfehde, ZRG GA 22 (1901), 357; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Löning, G., Totschlag zu Kiel, hg. v. Sellert, W. 1992; Sonnen, W., Totschlagssühnen im Bereich des Herzogtums Berg, Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 1938; Jänichen, H., Schwäbische Totschlagsühnen, Zs. f. württ. LG 19(1960), 128; Dilcher, G., Mord und Totschlag, FS E. Kaufmann, 1993, 91; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Linka, K., Mord und Totschlag, 2008

Totteilung ist in Mittelalter und Frühneuzeit die vollständige Aufteilung des Gutes einer → Gesamthand an ihre Mitglieder.

Lit.: Hübner 154; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264

Tötung ist die Verursachung des → Todes ei­nes Lebewesens, insbesondere eines Men­schen. Unterschiedliche Formen eines Tö­tungs­deliktes sind insbesondere → Mord, → Totschlag, Kindestötung und fahrlässige T.

Lit.: Kaser § 36 II 2; Köbler, DRG 26, 71; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Justiz und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1968ff.; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984

Toul an der Mosel, ursprünglich Hauptort der keltischen Leuker, wird im 4. Jh. im römischen Reich Sitz eines Bischofs. 925 fällt es an das ostfränkische Reich, 1552/1648 trotz der im 13. Jh. errungenen Reichsunmit­telbarkeit (Reichs­stadt) an Frankreich. 1306 und 1405 wird jeweils ein Stadtrecht aufgezeichnet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, J., Sur le droit urban de Toul, (in) Economies et sociétés au Moyen Age, 1973, 273; Bönnen, G., Die Bischofsstadt Toul, 1995; Petry, C., Faire des sujets du roi, 2006

Toulouse

Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 143

Tours an der Loire, ursprünglich Hauptort der keltischen Turonen, ist seit dem 3. Jh. Sitz eines Bischofs (z. B. Gregor von Tours). Aus fränkischer Zeit ist aus T. eine Formelsammlung bekannt.

Lit.: Grandmaison, C. de, Fragments de chartes, 1886; Gregor von Tours, Historiarum libri decem, 1959; Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten, neu bearb. v. Buchner, R., Bd. 1 1955, Neudruck 1967; Histoire de Tours, hg. v. Chevalier, B., 1985

Tractatus (M.) de iuribus incorporalibus (lat.) ist der am 13. 3. 1679 vom Landesfürsten selbständig er­lassene Teil des österreichischen Landrechts­entwurfs von 1654 über das Verhältnis von Grundherren und abhängigen Bauern (Ein­schrän­kung der Robot und des Ehebewilli­gungsrechts des Grundherrn).

tractoria (lat.-afrk.) Reiseverpflegungsrecht

Lit.: Ganshof, F., La Tractoria, TRG 8 (1928), 69

Traditio (lat. [F.], zu lat. trans über und lat. dare geben) ist bereits im altrömischen Recht die formlose → Übergabe einer → Sache auf Grund einer Zweckabrede wie Erfüllung, Kauf oder Tausch. Im Frühmittel­alter wird der Wortgebrauch unscharf. Nach der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter ist t. meist der (lat.) → modus (M.) acquirendi (Erwerbsart). Bei der t. longa manu (langer Hand) liegt noch keine Ergreifungshandlung vor, sondern nur eine sichere Möglichkeit, bei der t. brevi manu (kurzer Hand) hat der Erwerber bereits Besitz, bildet nunmehr aber Besitzwillen, während der Veräußerer ihn aufgibt.

Lit.: Kaser § 24 IV, V 2a; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 25, 40, 61, 64, 90, 212; Köbler, LAW; Biermann, J., Traditio ficta, 1891; Fuchs, J., Iusta causa traditionis, 1952; Gordon, W., Studies in the transfer of property by traditio, 1970; Steinacker, H., Traditio cartae und traditio per cartam, Archiv f. Diplomatik 5/6 (1959/60), 1; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

traditio (F.) cartae (lat.) Übertragung der Urkunde

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Recht und Schrift, hg. v. Classen, P., 1977

traditio (F.) per cartam (lat.) Übertragung durch (Übertragung einer) Urkunde

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Tradition ist das von Generation zu Generation übergebene Geistesgut bzw. im Frühmittelalter die Übergabe eines Gegen­stands in körperlicher oder symbolischer Ge­stalt bzw. die sie verkörpernde → Urkunde. Einzelne Klöster und Hochstifte fassen die Traditionen in Traditionsbüchern zusammen.

Lit.: Söllner §§ 12, 16; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4, 81, 105, 212, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 607; Redlich, O., Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, MIÖG 5 (1884), 1; Grüner, F., Schwäbische Urkunden und Traditionen, MIÖG 33 (1912), 1; Entstehung und Wandel rechtlicher Traditionen, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 1980; Molitor, S., Das Traditionsbuch, Archiv f. Diplomatik 36 (1990), 61; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Die innovative Kraft der Tradition in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a., 2007

Traditionsbuch → Tradition

Träger

Lit.: Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975

Traktat (M.) Abhandlung

Lit.: Baesecke, G., Ein Auszug aus dem „Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 55 (1935), 230, Bexerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; 402

Transactio (lat. [F.]) ist im römischen Recht als formlose Abrede, einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Recht durch gegenseitiges Nachgeben zu beenden (→ Vergleich), nur ein Fall des vereinbarten → Erlasses.

Lit.: Kaser § 53 II 3c

Transcriptio (lat. [F.]), transscriptio, ist im klassischen römischen Recht der beim nur kurzzeitig üblichen → Litteralkontrakt die → Obligation begründende Schriftakt.

Lit.: Köbler, DRG 45

Translatio (F.) imperii (lat.) (Übertragung der Herrschaft) ist die Vorstellung von der Übertragung der von den Römern (und später oströmischen Griechen) innegehabten Welt­herrschaft durch den Papst auf den fränkischen König (Karl den Großen 800). Sie lässt sich seit dem 11. Jh. erkennen.

Lit.: Köbler, DRG 109; Goez, W., Translatio imperii, 1958; Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusst­sein, hg. v. Patze, H., 1987

Transleithanien ist (1867-1918, nichtamtlich) die jenseits der Leitha gelegene ungarische Reichshälfte Österreich-Ungarns (Länder der Stephanskrone, Ungarn, Sieben­bür­gen, Kroatien-Slawonien, Fiume) im Gegensatz zu Cisleithanien/Zisleithanien.

Transmissio (lat. [F.], Übersendung) ist im klassischen römischen Recht der Übergang der erbrechtlichen Befugnisse des den Erb­lasser überlebenden, aber vor dem Erb­schaftserwerb versterbenden Berufenen auf seinen Erben, im spätantiken römischen Recht die Vererbung des Rechts des Außenerben auf seine Erben.

Lit.: Kaser § 72 IV

Transport ist die Beförderung von Menschen oder Waren von einem Ort zu einem andern Ort.

Transportvertrag ist der eine Beförderung betreffende → Werkvertrag.

Lit.: Basedow, J., Der Transportvertrag, 1987

Transsilvanien → Siebenbürgen

trans Tiberim vendere (lat.) über den Tiber verkaufen, d. h. in die Sklaverei geben

Lit.: Kaser § 15 II 3

Tratte ist der gezogene (den Bezogenen zur Zahlung anweisende), seit etwa 1250 nachweisbare Wechsel.

Trauung ist die Form der → Eheschließung. Sie entwickelt sich aus gebräuchlichen Geschehnissen. Nach der Entstehung des Christentums nimmt dieses auf die T. Einfluss. Seit dem Hochmittelalter setzt die Kirche sich auf der Grundlage des Satzes, dass die Willensübereinstimmung der Braut­leute die → Ehe begründe (lat. consensus facit nuptias), für ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester ein. Seit 1875 erfolgt die weltliche Eheschließung im Deutschen Reich, für welche die Bezeichnung T. vermieden wird, vor dem → Standesbeam­ten (Zivilehe).

Lit.: Hübner; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung, 1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe, ZRG GA 67 (1950), 336; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004

Trennung von Justiz und Verwaltung → Gewaltenteilung

Trennung von Staat und Kirche ist die von der Aufklärung geforderte Lösung der seit 380 n. Chr. bestehenden Verbindung von Staat und Christentum. Die T. v. S. u. K. wird 1789 in den Vereinigten Staaten, 1795 in Frankreich, 1848, 1919 bzw. 1949 in Deutschland und 1995 in Schweden zumindest im Grundsatz (anders z. B. Kirchensteuer) verwirklicht.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996

Trennung von Tisch und Bett (lat. separatio a toro et mensa) ist im Kirchenrecht die tatsächliche Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Aufrechterhaltung der rechtlichen Bindung.

Tres conformes sententiae (lat. [F.Pl.]) sind drei gleichlautende Urteile, gegen dessen letztes nach römisch-kanonischem Recht keine → Appellation mehr erhoben werden kann.

Lit.: Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 169

Tres faciunt collegium (lat.). Drei bilden einen Verein.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Marcellus, um 115-um 175, Digesten 50, 16, 85, zu Neratius, um 58/9-nach 133)

trespass (engl. [N.]) Überschreitung, Friedensbruch, Angriff, Beschädigung

Treue ist die innere feste Bindung eines Menschen an einen Menschen oder einen Gedanken. Es ist streitig, inwieweit die T. eine besondere germanisch-deutsche Eigen­heit ist. Erhebliche Bedeutung kommt der T. im Lehnsverhältnis zu. Auch der Beamte steht zum Staat in einem besonderen Treueverhältnis.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Schwerin, C. v., Die Treueklausel im Treugelöbnis, ZRG GA 25 (1904), 323; Puntschart, P., Treuklausel und Handtreue im altdeutschen Gelöbnisrecht, ZRG GA 26 (1905), 165; Gierke, O. v., Die Wurzeln des Treue­dienstvertrages, 1914; Hueck, A., Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Graus, F., Über die sog. germanische Treue, 1959; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Fikentscher, W., De fide et perfidia, 1969; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung, 1988; Nörr, D., Die Fides im römischen Völkerrecht, 1991; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 157, 183; Zwissler, T., Treuegebot – Treuepflicht –Treuebindung, 2002; Schneider, N., Uberrima fides, 2004

Treubruch ist der Bruch der zugesagten oder erwarteten Treue.

Lit.: Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie im deutschen Strafrecht, 1937

Treuga (F.) Dei (mlat., Wort treuga am ehesten aus dem Burgundischen oder Westgotischen entlehnt) ist die durch die Gottesfriedensbewegung seit dem 10. Jh. angestrebte Waffenruhe Gottes. → Gottesfriede

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101

Treuga (F.) Heinrici (lat.) ist ein wohl in Würzburg im Juli 1224 durch König Heinrich (VII.) erreichter → Landfriede (für das Reich?).

Lit.: Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952

Treuhand ist das Rechtsverhältnis, bei dem ein Teil (Treuhänder) nach außen mindestens ein Vermögensrecht als eigenes Recht hat, dieses aber auf Grund einer schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag, Sicherungsvertrag) ganz oder teilweise im Interesse des anderen Teiles (Treugeber) ausüben soll. Die T. ist dem klassischen römischen Recht (als fiducia) bekannt (Vormund, Pfleger). Sie tritt in einzelnen Erscheinungsformen vielleicht auch im deutschen Recht (Affatomie, Testaments­vollstreckung, Lehnsträgerschaft) auf. Erst seit dem 19. Jh. wird daraus aber eine all­gemeine Einrichtung entwickelt, die vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) noch nicht aufgenommen wird. Dabei wird der treuwidrig handelnde Treuhänder dem Treugeber schadensersatzpflichtig, doch sind seine gutgläubigen Dritten gegenüber durch­geführten Verfügungen wirksam. Im eng­lischen Recht ist der → trust bedeutsam.

Lit.: Kaser §§ 11 III, 52 I 3, 54 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 36, 213, 239; Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Brünneck, W. v., Der Schlossglaube, ZRG GA 28 (1907), 1; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Beyerle, F., Die Treuhand im Grundriss des deutschen Privatrechts, 1932; Otten, G., Die Entwicklung der Treuhand im 19. Jahrhundert, 1975; Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975; Asmus, W., Dogmengeschichtliche Grundlagen der Treuhand, 1977; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G., 1997; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998

Treuhandanstalt ist die 1990 nach dem Beitritt der → Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland geschaffene, 1995 aufgelöste Anstalt zur Überführung von Volkseigentum in Privatei­gentum.

Lit.: Köbler, DRG 249

Treu und Glauben ist der Verhal­tensmaßstab, der das Verhalten eines redlich und anständig denkenden Menschen zugrunde legt. Er ähnelt der (lat.) → bona fides (F.), die im römischen Recht für bestimmte Schuld­verhältnisse zu beachten ist. T. u. G. lassen sich quellenmäßig seit dem Spätmittelalter be­legen. Innerhalb des deutschen Bür­gerlichen Gesetzbuches (1900) entwickelt sich T. u. G. zu einem allgemeinen Rechts­grundsatz.

Lit.: Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240, 270; Wendt, O., Die exceptio doli generalis, AcP 100 (1906), 1; Wieacker, F., Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956; Nesemann, K., Herkunft, Sinngehalt und Anwendungs­bereich der Formel „Treu und Glauben“ in Gesetz und Rechtspreechung, Diss. jur. Göttingen 1959; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974

Trialismus ist in Österreich im 19. Jh. die erfolglose Bestrebung, neben Österreich und Ungarn (1867) einen dritten, aus Böhmen, Mähren und Südslawien bestehenden Staats­teil zu schaffen (z. B. 1871 Böhmische Fundamentalartikel).

Lit.: Baltl/Kocher

Trianon (bei Paris) ist der Ort des 1920 das Königreich Ungarn aufteilenden Friedens­ver­trags.

Tribonian (?-541/3?, oder um 545?) ist der aus Kleinasien (Pamphylien) stammende grie­chisch­sprachige, unter → Justinian zu ho­hen Ämtern (533-535 Kanzleileiter, 529-533 und 535-542 Justizminister bzw. quaestor sacri palatii) aufstei­gende, oströ­mische Rechts­kundige. Er ist 528/529 Mitglied der Kommission für den → Codex, seit 530 Mitglied einer Kommission für die → Digesten. Außerdem verfasst er mit zwei anderen Rechtslehrern die → Insti­tutionen.

Lit.: Söllner § 22; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 53; Kübler, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Reichs, 2. A. 1912, 366; Honoré, A., Tribonian, 1978

tribunicia postestas (lat. [F.]) tribunizische Gewalt

tribunus (M.) plebis (lat.) Volkstribun

Lit.: Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

tribus (lat. [F.]) Abteilung der Bürgerschaft Roms (Volksversammlung)

tributum (N.) capitis (lat.) Kopfsteuer

Lit.: Köbler, DRG 32

Tridentinum (lat. [N.]) ist das in Trient zwischen 1545 und 1563 tagende 19. allgemeine Konzil der katholischen → Kir­che. Es versteht sich als (Gegen-)Reformkonzil und stärkt die Stellung des Bischofs. Es bestätigt u. a. die Unauflöslichkeit der Ehe und schreibt eine bestimmte Eheschließungsform vor. Allgemein versteht es das Kirchenrecht vormativ als Rechtsordnung mit dem Papst als alleinigem Gesetzgeber.

Lit.: Das Weltkonzil von Trient, hg. v. Schreiber, G., Bd. 1f. 1951; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Jedin, H., Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1ff. 1949ff.; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001

Trient an der Etsch, das 24 v. Chr. an die Römer übergeht, ist seit dem späten 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1004/27 Grafenrechte erhält. 1185ff. findet sich dort → Bergrecht. 1803 fällt das Hochstift an → Tirol, 1919 mit Südtirol an → Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voltelini, H. v., Die ältesten Statuten von Trient, Archiv für österreichische Geschichte 92 (1902), 83; Il Trentino, hg. v. Mozzarelli, C. u. a., 1985; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Bellabarba, M., La giustizia ai confini, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001; Curzel, E., I canonici e il Capitolo della cattedrale di Trento, 2001; Bettoti, M., La nobilità trentina, 2002; Lorandini, C., Famiglia e impresa, 2006

Trier an der Mosel wird 16-13 v. Chr. von Augustus im Gebiet der Treverer gegründet und entwickelt sich im 4. Jh. zur größten römischen Stadt nördlich der Alpen (60-70000 Einwohner). Im 6. Jh. bzw. kurz vor 800 wird der dortige Bischof Erzbischof, im 13. Jh. Kurfürst. 1454/1473 erhält T. eine von 1797/1798 bis 1970 aufgelöste Universität. Nach älteren Gerichtsordnungen (1400, 1515, 1537) wird 1668 ein wohl von Johannes Holler und Matthias Franziskus von Troya unter Ausrichtung am einheimischen Recht geschaffenes, 1713 stärker romanistisch überarbeitetes Trierer Landrecht in 18 bzw. später 22 Titeln in Kraft gesetzt. 1815/1816 gelangen die meisten Güter an → Preußen.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung der Gesetze, Bd. 1ff. 1832; Rudolph, F., Die Entwicklung der Landeshoheit in Kurtrier, 1905; Rörig, F., Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs, 1906; Knetsch, G., Die landständische Verfassung, 1909; Kremer, J., Studien zur Geschichte der Trier Wahlkapitulationen, 1911; Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte – Trier, hg. v. Rudolph, F., 1915; Leners, W., Die Protokollregister über die Liegenschaften der Trier Bürgerschaft, Diss. jur. Bonn 1957; Eichler, H./Laufner, R., Hauptmarkt und Marktkreuz zu Trier, 1958; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Wendt, H., Die Anwendung des Trierer Landrechts, 1973; Langer, H./Meves, U., Die Geschichte der Stadt Trier, 1984; Anton, H., Trier im frühen Mittelalter, 1987; Hermann, H., Die Gehöferschaften im Bezirk Trier, 1989; Kerber, D., Herrschaftsmittelpunkte im Erzstift Trier, 1995; Trier im Mittelalter, hg. v. Anton, H. u. a., 1996; Pundt, M., Metz und Trier, 1998; Petzold, M., Das Pontifikat Erzbischofs Boemunds II. von Trier (1354-13629 1999, 2. A. 2007; Müller, J., Vir religiosus ac strenuus Albero von Montreuil, 2006; Clemens, G., Geschichte der Stadt Trier, 2007; Brommer, P., Kurtrier am Ende des alten Reichs, 2008

Triest an der oberen Adria (104 v. Chr. Tergeste, Marktort) ist seit dem 6. Jh. Sitz eines Bischofs und gelangt 774 an das fränkische Reich, 1202/1203 an Venedig, 1382 freiwillig an Habsburg, (1809-1814 Herrschaft Napoleons, 1849/1850 reichsun­mit­tel­bare Stadt Österreichs,) 1867 zum Kronland Küstenland Österreichs und 1919 an Italien.

Trifels bei Annweiler ist eine 1081 erstmals genannte Reichsburg, in der zwischen 1125 und 1273 die → Reichskleinodien aufbewahrt werden.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Biundo, G., Der Trifels, 1937; Biundo, G., Zur Bibliographie der Reichsfeste Trifels, 1939; Sprater, F./Stein, G., Der Trifels, 9. A. 1971

Trift

Lit.: Herold, H., Trift und Flößerein in Graubünden, 1982

Triftrecht → Trittrecht

trinoctium (lat. [N.]) Zeitraum von drei Nächten

Lit.: Kaser § 58 II; Köbler, DRG 22

Tripartitum opus (N.) iuris consuetudinarii enclyti regni Hungariae (lat., dreitieliges Werk des Gewohnheitsrechts des berühmten Königreichs Unfarn) ist die Rechts­auf­zeichnung des ungarischen Ge­wohn­heitsrechts durch Istvan Werböczy von 1514, die bis zum Zivilgesetzbuch Ungarns von 1960 von Bedeutung bleibt.

Lit.: Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005

tripertitum (lat. [N.]) dreiteiliger Kommentar des Sextus Aelius Paetus Cato zu den zwölf Tafeln des römischen Rechts

Lit.: Söllner § 12; Köbler, DRG 29

Trittrecht, Triftrecht ist das mittelalterliche Wegerecht für das Treiben von Vieh (Viehtriebsrecht).

Lit.: Hübner 281; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957

Trivium (lat. [N.] Dreiwegiges) sind Gram­matik, Dialektik und Rhetorik innerhalb der sieben freien Künste (lat. artes liberales).

Trizone ist das am 8. 4. 1949 durch Anfügung der französischen Besatzungszone an die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens entstehende Gebiet des → Deutschen Reichs.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245

Trödelvertrag (lat. contractus [M.] aestimatorius, aestimatum) ist der bereits dem römischen Recht bekannte Vertrag (Innominatreal­kontrakt), bei dem innerhalb einer bestimmten Zeit entweder ein Preis für eine übergebene Sache gel­iefert (Mehrerlös verbleibt dem Trödler) oder die übergebene Sache zurück­gegeben werden soll.

Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Bucher, E., Der Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95

Troja (Troia) ist der Schauplatz des von dem griechischen Dichter Homer geschilderten, trojanischen Kriegs zwischen Griechen und Trojanern, der seit 1870 (Heinrich Schlie­mann) auf dem 20 Meter hohen Ruinenhügel von Hissarlik (Westtürkei) in zahlreichen Siedlungsschichten (ab 2900-2500 v. Chr.) mit reichen Goldfunden und Silberfunden (Schatz des Priamos) ergraben wird.

Lit.: Siebler, M., Troia, 1990; Korfmann, M./Mannsperger, D., Troia, 1998; Hertel, D., Die Mauern von Troja, 2003; Der neue Streit um Troia, hg. v. Ulf, C., 2003; Der Traum von Troia, hg. v. Zimmermann, M., 2006; Jahn, S., Der Troia-Mythos, 2007; Strauss, B., Der trojanische Krieg, 2008

Tromsö im nördlichen Norwegen wird im 9. Jh. angelegt, aber erst 1250 erstmals erwähnt. Nach Neubesiedlung im 18. Jh. erhält es 1968 eine Universität.

Truchsess oder → Seneschall ist der mit der Verpflegung des fränkischen-deutschen Königshofes betraute Amtsträger. Dieses Amt hat seit dem Hochmittelalter (vor 1198) der Pfalzgraf bei Rhein inne. Später entwickelt sich an vielen landesherrlichen Höfen ein T.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main, 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485

Trucksystem ist im 19. Jh. von England kommend das System der Entlohnung eines Arbeiters mit vom Arbeitgeber vertriebenen Waren. Es wird wegen der mit ihm verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten noch im 19. Jh. unzulässig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Trunkenheit ist der durch reichlichen Alkoholgenuss verursachte Zustand eines Menschen. T. wird seit dem 13./14. Jh. rechtlich erfasst. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die T. im Straßenverkehr entschiedener bekämpft.

Lit.: Endemann, F., Die Entmündigung wegen Trunksucht, 1904; Gramsch, G., Der Tatbestand des Rauschmittelmissbrauchs, 1938, Neudruck 1977; Rausch und Realität, hg. v. Völger, G., 1981; Kaiser, R., Trunkenheit im Mittelalter, 2002

trust (M.) Treuhandverhältnis, → Treuhand

Lit.: Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Wolff, J., Trust, 2005

trustis (lat.-afrk. [F.]) Schar, Anhang, Gefolge

Lit.: Grahn-Hoek, H., Die fränkische Oberschicht, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Fränkisch druht und druhtin, Z. f. hist. Terminologie 1974, 534

Tryphoninus, Claudius, römischer Rechts­kundiger Anfang des 3. Jh.s n. Chr., in den Digesten überlieferte Fragmente wohl aus dem Rechtsunterricht (juristisch-pädagogi­sche Anleitung)

Lit.: Fildhaut, K., Die libri disputationum des Ckaudius Tryphoninus, 2004

Tschechien schechische Teil der 1993 aufge­lösten Tschechoslowakei.

Lit.: Antologie české právní vědy (Antologie der tschechischen Rechtswissenschaft), 1993

Tschechoslowakei ist der am 28. 10. 1918 aus den österreichischen Gebieten → Böhmen und → Mähren sowie Schlesien und Ober­ungarn unter zwangsweisem Ein­schluss der dort lebenden Deutschen gebildete, sich am 29. 2. 1920 eine Verfassung gebende, 1938/1939 von Adolf Hitler nach dem Münchener Abkommen verkleinerte und danach annektierte (Protektorat Böhmen und Mähren), 1945 unter Aussiedlung und Vertreibung der Deutschen (ohne Karpa­thorussland) wieder­hergestellte, 1948 dem Kommunismus sowjetischer Prägung zuge­führte (Verfassung vom 9. 5. 1948, 1968 Prager Frühling), 1990 demokratisierte und zum 1. 1. 1993 in Tschechien und die Slowakei aufgelöste Staat (mit 1938 43% Tschechen, 23% Deutschen und 22% Slowaken, 1920 Verfas­sungs­ge­richt).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 220, 223, 246; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1921ff.; Vaněček, V., (Das tschechische Rechtsleben im Zeitalter des Kapitalismus), 1953; Hoensch, J., Geschichte der Tschechoslowakischen Republik 1918-1965, 1966; Česká narodní rada, sněm českého lidu (Der tschechische Nationalrat, Landtag des tschechischen Volkes), veranstaltet v. Vaněček, V., 1970; Maly, K., Tschechoslowakische rechtshistorische Literatur, ZNR 1984; Schubert, W., Der tschechoslowakische Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch und das ABGB von 1937, ZRG GA 112 (1995), 271; Kudej, B., Legal history of Czechoslovakia, (in) Intern. Journal of legal information 24 (1996), 71; Lenk, R., La Tchéchoslovaquie 1996; Burgerstein, J., Tschechien, 1998; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nach­kriegs­gesellschaften, Bd. 4 hg. v. Mohnhaupt, H., 1998; Kren, J., Die Konfliktgemeinschaft, 1999; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aus­siedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Boleslav II., hg. v. Sommer, P., 2001; Šmahel, F., Husitské Čechy, 2001; Beyer, B., Die Beneš-Dekrete, 2002; Coudenhove-Kalergi, B./Rathkolb, O, Die Beneš-Dekrete, 2002; Payrleitner, A., Österreicher und Tschechen, 2003; Köbler, G., Rechtstschechisch, 2003; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der Tschechoslowakei, 2009; Schelle, K. u. a., Grundriss der tschecho­slowa­kischen Rechtsgeschichte, 2009

Tübingen am Neckar erscheint im 7. Jh. als Dorf, 1078 als Burg. 1342 fällt es durch Kauf an Württemberg, das 1476/1477 eine Universität gründet (Stadtrecht von 1493 teils aus Nürnberg, teils aus Stuttgart übernommen).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schöttle, G., Verfassung und Verwaltung der Stadt Tübingen, Tübinger Blätter 8 (1905), 1; Haller, J., Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537, Bd. 1f. 1927ff.; Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, Diss. jur. Tübingen 1958; Seigel, R., Gericht und Rat in Tübingen, 1960; Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, 1963; Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen 1964; Jänichen, H., Herrschafts- und Territorialverhältnisse um Tübingen und Rottenburg im 11. und 12. Jahrhundert, 1964; Die Tübinger Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v. Rau, R. u. a., 1964; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965; Die ältesten Tübinger Steuerlisten, hg. v. Rau, R., 1970; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Sydow, J., Geschichte der Stadt Tübingen, 1974; Thümmel, H., Die Tübinger Universitätsverfassung im Zeitalter des Absolutismus, 1975; Sieber, E., Stadt und Universität Tübingen in der Revolution von 1848/1849, 1975; Festschrift 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H., Bd. 1ff. 1977ff.; Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät, hg. v. Elsener, F., 1977; Adam, U., Hochschule und Nationalsozialismus, 1977; Cellius, E., Imagines professorum Tubingensium 1596, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Schwarz, H., Die Universitätspflege Feuerbach, 1981; Die Pfalzgrafen von Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Pill-Rademacher, I., .. zu nutz, 1993; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Paletscheck, S., Die permanente Erfindung einer Tradition, 2001; Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Jordan, S., Leben und Werk des Tübinger Rechtsprofessors Wilhelm Gottlieb Tafinger 1670-1813, 2003

Tübinger Rechtsbuch ist der in acht Handschriften überlieferte, 135 Auszüge aus dem Gesetzgebungswerk → Justinians ent­haltende, vielleicht um 1160 im Dauphiné entstandene Rechtstext.

Lit.: Weimar, P., Zur Renaissance der Rechtswissenschaft, 1977, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997

Tudor ist das seit 1232 nachweisbare walisische Geschlecht, das von 1485 bis 1603 den Königsthron → Englands erlangt (Heinrich VIII. 1509-47, Elisabeth I. 1558-1603).

Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004

Tuhr, Andreas von (St. Petersburg 1864-Zürich 1925), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Bekker), Leipzig (Windscheid) und Straßburg Rechts­lehrer in Basel (1891), Straßburg (1898) und Zürich (1918). Sein Hauptwerk ist „Der allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts“.

Lit.: Heck, P., Andreas von Tuhr, AcP 125 (1925), 257; Schwarz, A., Andreas von Tuhr, 1938

Tür ist der bewegliche Verschluss des Eingangs in ein Gebäude oder einen Raum. Die T. kann als Rechtssymbol verwendet werden.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994

Turin in der Poebene ist Hauptort der Turiner, der unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) (lat. [F.]) colonia wird. Im 5. Jh. wird ein Bistum eingerichtet. Über Langobarden und Franken kommt T. 1048 an → Savoyen. Seit 1136 entwickelt sich städtische Selbst­verwaltung. 1280 fällt T. wieder an Savoyen. 1404 wird eine Universität eingerichtet. Von 1861 bis 1865 ist T. Hauptstadt Italiens.

Lit.: Torino, hg. v. Comba, R. u. a., 1993

Türke ist der Angehörige des (nach den Scharen der Hunnen und Awaren schon früh) aus Ostasien (Mongolei) in den Westen kommenden, seit dem Ende des 8. Jh.s zum → Islam übertretenden, im 11. Jh. unter den → Seldschuken nach Kleinasien (1071 Sieg über Byzanz) eindringenden Turkvolks. Im 13. Jh. wird das von den Seldschuken gebildete Reich von den Mongolen zer­schlagen, doch werden die Türken im 14. Jh. unter den → Osmanen (Osman I. 1288?-1326) von Nordwestanatolien aus geeint. Am 29. 5. 1453 wird Konstantinopel erobert und danach in Istanbul (Est in Polis) umbenannt. 1529 stehen die Türken vor Wien. Unter dem Vorderasien, Nordafrika, den Balkan und die Südukraine beherrschenden Sultan Suleiman, dem Gesetzgebenden oder Prächtigen (1520-1566), erhalten sie ein Gesetz über Landesverwaltung und Finanzverwaltung. Zur Abwehr der Türken versucht das Heilige römische Reich (deutscher Nation) mehrfach erfolglos, Steuern zu erheben. Seit 1683 (zweite Bela­gerung Wiens) werden die Türken allmählich aus Europa wieder zurückgedrängt (→ Griechenland, Bulgarien, Walachai, Molda­wien, Serbien, Bosnien, Herzegowina, 1683-1699 Rückeroberung Unganrs durch Habsburg). 1718 anerkennt der Kaiser des Heiligen römischen Reiches den seit 1453 beanspruchten kaiserlichen Rang. Am 3. 11. 1839 verspricht der Sultan im Erlass von Gülhane (eine Art Verfassung) in freiwilliger Begrenzung seiner Gewalt die Vorbereitung neuer, den Bedürfnissen des Landes entsprechender Bestimmungen (Handelsge­setz 1850 nach dem Vorbild des Code de commerce, Strafgesetz 1858, Handelsprozess­ordnung 1860, Seehandelsge­setz 1864, Strafprozess­ord­nung 1880, Zivilprozessord­nung 1881). Im ersten Weltkrieg verbündet sich die Türkei mit dem deutschen Reich und Österreich-Ungarn. 1916 ruft sich der Emir von Mekka mit Unterstützung Groß­britanniens zum König Arabiens aus. 1917 verselbständigt sich der Irak, 1918 lösen sich auch Palästina und Syrien ab. Die Türkei wird teilweise von den Alliierten besetzt. Eine Befrei­ungsbewegung unter dem General Mustafa Kemal Pascha (Atatürk, Präsident 1923-1938) verlegt die Hauptstadt nach Angora. 1922 wird der Sultan abgesetzt. Am 23. 10. 1923 wird Angora in Ankara umbenannt. Am 29. 10. 1923 wird in der Türkei die → Republik ausgerufen. Schrift (Lateinschrift), Maßsys­tem, Kalender, Wochensystem, Kopfbedec­kung und Stellung des Islam im Staat werden verwestlicht, das Privatrecht (Einehe) unter Verwendung des Schweizer Zivilgesetzbu­ches (1925) völlig neu geregelt. Seit 1964 bemüht sich die 1952 der Noratlantischen Verteidigungsorganisation beitretende Türkei um den Zugang zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europä­ischen Union (2005 Beitrittsverhandlungen begonnen).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 95, 129, 131; Baltl/Kocher; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Scharlipp, W., Die frühen Türken, 1992; Türkische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Motika, R. u. a., 1995; Westliches Recht in der Republik Türkei, hg. v. Scholler, H., 1996; Tibi, B., Aufbruch am Bospurus, 1998; Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Europa und die Türken in der Renaissance, hg. v. Guthmüller, B. u. a., 2000; Hütteroth, W./Höhfeld, V., Türkei, 2. A. 2002; Hacisalihoglu, M., Die Jungtürken und die mazedonische Frage, 2003; Höfert, A., Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“, 2003; Matschke, K., Das Kreuz und der Halbmond, 2004; Das osmanische Reich und die Habsburgermonarchie, hg. v. Kurz, M., 2005; Krieger, E., Die Europakandidatur der Türkei, 2006

Türkei → Türken

Lit.: Velidedeoglu, H., Das Problem der Rezeption in der Türkei im Vergleich mit Rezeptionen in Europa, ZRG GA 75 (1958), 382; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Hirsch, E., Rezeption als sozialer Prozess, 1984; Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Seufert, G./Kubaseck, C., Die Türkei, 2004; Kieser, H., Vorkämpfer der neuen Türkei, 2005; Carnevale, R. u. a., Europa am Bosperus (er)finden?, 2005; Revolution islamischen Rechts - 80 Jahre schweizerisches ZGB in der Türkei, hg. v. Kieser, H. u. a., 2008; Zick, M., Türkei - Wiege der Zivilisation, 2008; Kramer, H. u. a., Die Türkei und Europa, 2008; Günay, C., Geschichte der Türkei, 2009

Turku (Abo) in → Finnland wird 1154 erstmals erwähnt. 1276 wird es Sitz eines Bischofs. Danach wird es Hauptstadt (bis 1812). 1640 wird eine 1828 geschlossene, 1920 wiederbegründete Universität (Aka­demie) eingerichtet, an der seit 1773 auch der bekannteste finnische Rechts­wissenschaftler Matthias Calonius (1773-1817) als einziger ordentlicher Professor der juristischen Fakultät lehrt.

Lit.: Wrede, R., Matthias Calonius, 1917

Turnier (N.) ritterliches Kampfspiel im Mittelalter

Lit.: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985; Barber, R./Barker, J., Tournaments, 1989

turpitudo (lat. [F.]) Schändlichkeit

Lit.: Kaser §§ 9 II 2, 70 I 2

Tutela (lat. [F.]) ist im römischen Recht die → Vormundschaft (tutela mulierum, Ge­schlechts­­vormundschaft über Frauen, seit der jüngeren Republik zurückgedrängt).

Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 11 II 1b, 16 I 2a, 20 I 1, 58 IV 6a, 62, 63, 64; Söllner §§ 8, 9, 10; Köbler, DRG 57; Köbler, LAW

Tutor (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der → Vormund. Ihn erhalten der nicht einer Hausgewalt unterworfene gewaltfreie Unmündige (lat. impubes, Knaben bis 14, Mädchen bis 12) und die gewaltfreie Frau. Der t. hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels. Dessen Geschäfte bedürfen zur Wirksamkeit der Bekräftigung (lat. [F.] → auctoritas) des t. Tutor (tutor legitimus) ist der gradnächste Agnat (Bruder, Vatersbruder, Bruderssohn), hilfsweise der nächste Gentile, bei Freigelassenen der Freilasser. Der Hausvater kann im Testament einen vorgehenden t. (tutor testamentarius) bestimmen, der die Übernahme ablehnen kann. Fehlt ein gesetzlicher t. und eines testamentarischer t., wird nach der lex Atilia (210 v. Chr.) ein t. bestimmt.

Lit.: Kaser §§ 62, 63; Köbler, DRG 22, 33, 36, 43, 57

Twing → Bann, Zwang

Typenzwang ist die Bindung an bestimmte vorgegebene Rechtsverhältnisse. Im klassi­schen römischen Recht besteht bei den Verbindlichkeiten Typengebundenheit, die im spätantiken, weströmischen Recht (Vulgar­recht) aufgegeben wird (Typenfreiheit). In der frühen Neuzeit wird die Typengebundenheit des römischen Rechts nicht übernommen. Dagegen geht das Sachenrecht auch in der Gegenwart von einer geschlossenen Zahl von möglichen Rechtsverhältnissen aus, ebenso das Familienrecht.

Lit.: Kaser § 3 I; Köbler, DRG 42, 62, 164; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623

Tyrann ist der in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. bekannte gewaltsame Herrscher.

Lit.: Schönstedt, F., Der Tyrannenmord im Spätmittelalter, 1938; Riklin, A., Giannotti, Michelangelo und der Tyrannenmord, 1996; Große Verschwörungen, hg. v. Schultz, U., 1998; Turchetti, M., Tyrannie et tyrannicide, 2001

Tyrnau (in der Westslowakei)

Lit.: Mestská kniha príjmov trnavskej farnosti, hg. v. Rábik, V., 2006; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

 

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Überbau ist die Errichtung eines Gebäudes über die Grenze eines → Grundstücks. Der Ü. muss im römischen Recht in engen Grenzen geduldet werden. Im Übrigen hat der Eigentümer des überbauten Grundücks einen Beseitigungsanspruch wegen der Verletzung seines Eigentums. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schützt weitergehend jeden rechtmäßigen Ü., gewährt aber auch einen Beseitigungsanspruch gegenüber dem rechts­widrigen Ü.

Lit.: Kaser § 23 III 4; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Wolff, M., Der Bau auf fremden Boden, 1900; Ebel, W., Überbau und Eigentum, AcP 141 (1935), 183

Übereignung ist die Übertragung des → Eigentums an einer → Sache. Sie erfolgt im altrömischen Recht bei einer (lat.) res (F.) mancipi (handgreifbaren Sache) durch (lat. [F.]) → mancipatio, sonst durch (lat. [F.]) traditio (Übergabe). Für das Frühmittelalter sind ahd. → sala (Gabe) und giwerida (→ Gewere) bedeutsam, ohne dass deren Verhältnis zueinander völlig eindeutig ist. Von Köln aus dringt seit dem 12. Jh. die Eintragung in → Schreinskarten für Grund­stücks­übereig­nungen vor. Der Sachsenspiegel (1221-1224) erfordert für die Ü. von Eigen und Leuten → Erbenlaub und Vornahme vor Gericht. Nach →Accursius († vor 1263) wird wohl Eigentum übertragen, wenn ein rechtmäßiger Grund für die Übertragung (iusta causa traditionis) und ein Übereignungswille vorliegen. In der frühen Neuzeit setzt sich die Lehre vom (lat.) → modus (M.) acquirendi (Erwerbsart) durch, doch entscheidet sich beispielsweise Frankreich 1804 (Portalis) für die Eigentumsübertragung durch bloßen Vertrag (Kaufvertrag, Konsens). → Savigny entwickelt demgegenüber den besonderen sachenrechtlichen Vertrag der → Einigung (abstrakte Einigung und Übergabe oder Übergabeersatz). Er findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900), so dass zur Ü. ein dinglicher Vertrag und eine Übergabe erforderlich sind, die gegenüber einem schuldrechtlichen Grundgeschäft (z. B. Kauf, Schenkung) abstrakt sind. Bei Grund­stücken wird die → Eintragung in das Grund­buch unabdingbar (Einigung und Eintragung). → Abstraktion

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 124, 163, 174, 211, 269; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübereignung, Diss. jur. Zürich 1952; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Ranieri, F., Die Lehre der abstrakten Übereignung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 90; Wesener, G., Zur naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, 1977, 90, FS N. Grass, 1986, 433; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübereignung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schindler, K., Kausale oder abstrakte Übereignung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Schrage, E., Traditionibus et usucapionibus, non nudis pactis dominia rerum transferuntur. Die Wahl zwischen dem Konsens- und dem Traditionsprinzip in der Geschichte, (in) Ins Wasser geworfen, hg. v. Ascheri, M. u. a., 2003, 913

Überfall ist im Sachenrecht die von einem Baum oder Strauch auf ein Nachbar­grundstück hinüberfallende → Frucht. Nach altrömischem Recht darf der Eigentümer den Ü. jeden zweiten Tag vom fremden Grundstück holen. Nach der Sachsen­spiegelglosse (14. Jh.) gehört der Ü. dem fremden Grundstückseigentümer. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt dem fremden Grundstückseigentümer den Ü.

Lit.: Kaser § 23 III 2; Hübner; Grimm, J., Etwas über den Überfall, Z. f. gesch. Rechtswiss. 3 (1816), 350; Schmidt, A., Das Recht des Überhangs und des Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281

Übergabe ist die Verschaffung des unmittelbaren → Besitzes (oder der bloßen Herrschaftsgewalt bei Fehlen eines Besitzwillens) an einer Sache durch Übertragung der tatsächlichen Herrschafts­gewalt. Als (lat. [F.]) traditio, die → Eigentum verschaffen kann, erscheint die Ü. bereits im altrömischen Recht. Sie hat für die Verschaffung von Besitz oder Eigentum bis in die Gegenwart Bedeutung. Bei formloser Ü. einer Manzipiumssache (lat. [F.] res mancipi] erlangt der Erwerber nur bonitarisches, nicht zivieles Eigentum. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird das Eigentum an beweglichen Sachen durch Einigung (dinglicher Vertrag) und Ü. oder Übergabesurrogat (z. B. Besitzkonstitut, Übergabe kurzer Hand) verschafft.

Lit.: Kaser § 24; Hübner; Köbler, DRG 25, 125; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Wacke, A., Das Besitzkonstitut als Übergabesurrogat, 1974; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

Überhang ist der von einem Nachbargrund­stück herüberragende Zweig oder die von dort eingedrungene Wurzel. Nach altrömischem Recht kann der beeinträchtigte Nachbar vom Eigentümer Abhilfe verlangen und bei deren Ausbleiben selbst handeln. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) darf kein Ast zum Schaden des Nachbarn über die Grenze ragen. Nach unterschiedlichen partikularen Rege­lungen gewährt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) dem beeinträchtigten Nachbarn einen Besei­ti­gungsanspruch, der durch → Selbsthilfe verwirklicht werden kann.

Lit.: Kaser § 23 III 1; Hübner; Schmidt, A., Das Recht des Überhangs und Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281

Überküren (afries. urkera) sind 7 neue → Küren des friesischen Rechts, die u. a. die Verfassung des Bundes von → Upstallsbom enthalten.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 57 (1937), 58; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981

Übermaßverbot ist das den Staat betreffende Verbot, seine Rechte stärker zu Lasten der Bürger zu nutzen, als dies zur Erreichung des angestrebten Zweckes notwendig ist.

Lit.: Remmert, B., Verfassungs- und verwaltungs­rechts­geschichtliche Grundlagen des Übermaßverbotes, 1995

Übersetzungsproblem ist das Problem des zutreffenden Verständnisses eines fremdspra­chigen Textes. Dieses Ü. verstärkt sich im Frühmittelalter dadurch, dass die in einer Volkssprache (z. B. Althochdeutsch) ver­laufende Rechtswirklichkeit überhaupt fast ausschließlich in einer Fremdsprache (Latein) aufgezeichnet wird und aus dieser erschlossen werden muss. Das Verständnis des früh­mittelalterlichen lateinischen Wortes kann dabei dadurch erleichtert werden, dass man die Wiedergabe lateinischer Wörter in Texten des Altertums durch Übersetzungen in frühmittelalterliche Volkssprachen (sog. Übersetzungsgleichungen) berücksichtigt.

Lit.: Köbler, DRG 79; Köbler, WAS; Heck, P., Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, 1931; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem, ZRG 81 (1964), 341; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Köbler, G., Lateinisch-germa­nistisches Lexikon, 2. A. 1984; Olberg, G. v., Übersetzungsprobleme, ZRG GA 110 (1993), 406; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch, 1996

Übersiebnen ist den Angeklagten durch Kläger und sechs Eidhelfer Überführen im Mittelalter. Die Siebenzahl könnte auf den Reinigungseid des Beklagten mit 6 Eidhelfern zurückgehen. Das Ü. findet bei → handhafter Tat und → landschädlichen Leuten statt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute, 1910; Wakasone, K., Zur Entstehung des Übersiebnungsverfahrens, FS L. Carlen, 1989, 211

Übertragung ist der gewillkürte Übergang eines Rechtes oder einer Rechtsstellung auf eine andere Person. → Übereignung, → Abtretung, → Einigung, → Übergabe

Lit.: Köbler, DRG 90, 124, 212; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Merk, W., Die Grundstücksübertragung, ZRG GA 56 (1936), 1; Fehr, H., Übertragungssymbole, ZRG GA 64 (1944), 276; Hagemann, H., Übertragungen mit Nutzungsvorbehalt, Archiv d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1960), 339; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984

Übertretung ist zeitweise die einfachste Form einer Straftat (z. B. Ruhestörung). Die Ü. wird im 18. Jh. mit der ein vereinfachtes Verfahren ermöglichenden Strafverfügung des Polizeirechts verfolgt. Sie wird als bloßes Delikt im formellen Sinn von der präventiv handelnden Polizei bekämpft. Nach fran­zösischem Vorbild steht sie als (franz. [F.]) contravention neben → Verbrechen und → Vergehen. Nach → Binding (1872) ist die Ü. Ungehorsamsdelikt. 1952/1975 wird die Ü. wegen ihrer großen Zahl aus dem Strafrecht ausgeschieden und in ein eigenes Recht der → Ordnungswidrigkeit überführt.

Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Normen, Bd. 1f. 1872ff.; Mattes, H., Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, Bd. 1ff. 1977ff.; Frommel, M., Präventionsmodelle, 1987

Überzeugungstäter ist der aus innerer Überzeugung sich zu einer Straftat verpflichtet oder berechtigt fühlende Täter. Je nach der Wertigkeit seiner Überzeugung kann er milder bestraft werden.

Lit.: Ebert, U., Der Überzeugungstäter, 1975

Ubi cessat ratio legis, cessat (ipsa) lex (lat.). Wo der Sinn eines Gesetzes nicht eingreift, verliert das Gesetz seine Gültigkeit.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Ubi rem meam invenio, ibi eam vindico (lat.). Wo ich meine Sache finde, dort verlange ich sie heraus.

Lit.: Liebs D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Ubi societas ibi ius (lat.). Wo (immer) es eine Gesellschaft gibt, da gibt es (auch) Recht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cocceji, H. v., 1644-1719)

Uelzen

Lit.: Urkundenbuch der Stadt Uelzen, bearb. v. Vogtherr, T., 1988; Vogtherr, T., Uelzen, 1997

Ukraine ist das 1667 mit dem Dnjepr als Grenze zwischen → Polen und → Russland geteilte, am Ende des 18. Jh. um Teile Polens erweiterte Gebiet, in dem am 19. 11. 1917 die Ukrainische Volksrepublik ausgerufen wird. Danach wird innerhalb der Sowjetunion das sozialistische Recht eingeführt. 1996 erhält die aus der → Sowjetunion als flächenmäßig zweit­­größter Staat (bevölkerungsmäßig sechst­größter Staat) Europas wieder verselb­ständigte U. eine demokratische Verfassung.

Lit.: Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Allen, W., The Ukraine, 1963; Kappeler, A., Kleine Geschichte der Ukraine, 1994, 2. A. 2000; Ukraine, hg. v. Jordan, P. u. a. 2001; Die neue Ukraine, hg. v. Simon, G., 2002; Milow, C., Die ukrainische Frage 1917-1923, 2002; Kappeler, A., Der schwierige Weg zur Nation, 2003; Die Ukraine in Europa, hg. v. Besters-Dilger, J., 2003; Ukraine at a Crossroads, hg. v. Hayoz, N., 2005; Investititonsführer Ukraine, 2006; Dietsch, J., Making Sense of Suffering, 2006; Hülshörster, S., Recht im Umbruch, 2008; Golczewski, F., Deutsche und Ukrainer 1914-1939, 2009

Ulm an der Donau erscheint 854 als Pfalz des Königs und wird im 13. Jh. (1258?, 1274?) → Reichsstadt. Sein 1376 im Roten Buch aufgezeichnetes Stadtrecht wird an viele Tochterstädte verliehen. 1810 fällt U. an → Württemberg.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das rote Buch der Stadt Ulm, hg. v. Mollwo, C., 1905; Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Lübke, K., Die Verfassung der freien Reichsstadt Ulm, Diss. jur. Tübingen 1935; Ernst, M., Zur älteren Geschichte Ulms, Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 30 (1937), 1; Lübke, K., Die Verfassung, Diss. jur. Tübingen 1956; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten, Diss. jur. Tübingen 1956; Hannesschläger, K., Die freie Reichsstadt Ulm. Diss. jur. Tübingen 1956; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1961; Neusser, G., Das Territorium der Reichsstadt Ulm im 18. Jahrhundert, 1964; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Schmitt, U., Villa regalis Ulm, 1974; Specker, H., Ulm, 1977; Göggelmann, H., Das Strafrecht der Reichsstadt Ulm, 1984; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 8, hg. v. Kremmer, S. u. a., 2007

Ulpian (Ulpianus), Domitius (Tyros in Phönizien 170?-Rom 223 [ermordet]) ist Schüler und wie → Paulus vielleicht seit 203/205 Assessor des Gardepräfekten → Papinian(us), danach Lei­ter der kaiserlichen Kanzlei für Privateinga­ben und 222 Getreidepräfekt. Die → Di­gesten, die zu fast einem Drittel aus (mehr als 2400) Ulpian­fragmenten bestehen, lassen 26 Werke mit rund 240 Büchern erkennen, in denen U. den unübersichtlich gewordenen Rechtsstoff in Gesamtdar­stellungen wiederzugeben und dabei aus mehreren Lösungen die ihm die beste erscheinende auszuwählen versucht. 83 Bücher betreffen das prätorische und ädilizische Edikt, 51 Bücher die (lat.) iuris civilis libri (M.Pl.) III (3 Zivilrechtsbücher) des Sabinus, 29 Bücher die augusteische Gesetzgebung, 22 Bücher (lat.) pandectae (F.Pl., Pandekten), 7 Bücher (lat.) regulae (F.Pl., Regeln) und 2 Bücher (lat.) insti­tutiones (F.Pl., Institutionen). U. ist einer der sog. Zitierjuristen von 426. Von U. stammt (vielleicht) u. a. die Wendung (lat.) → iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt haec - honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (Gerechtigkeit ist der ständige Wille, jedem sein Recht zu gewähren. Die Vorschriften des Rechts sind: ehrbar leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine geben). Außerdem wird auf ihn eine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichem Recht) und ius privatum (privatem Recht) zurückgeführt. 223 wird U. bei einem Aufstand der Prätorianergarde wohl wegen seiner strengen Verfolgung von Rechtsverletzungen ermordet. Verschiedene mit seinem Namen verbundene Werke (z. B. [lat.] tituli [M.Pl.] ex corpore Ulpiani, Titel aus dem Werk Ulpians) stammen nicht von ihm.

Lit.: Söllner §§ 16, 19, 22; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechts­wissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 245; Honoré, T., Ulpian, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987

Ultra posse nemo obligatur (lat.). Über sein Können wird niemand verpflichtet.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007

Umbrien ist die mittelitalienische Binnenge­birgslandschaft, die von den Römern an die Langobarden (Herzogtum Spoleto) übergeht. 1549 gelangt U. an den → Kirchenstaat. 1860 geht es in → Italien auf.

Lit.: Conti, P., Il ducato di Spoleto, 1982; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995

Umdeutung ist die Ersetzung eines gewollten, aber nichtigen Rechtsgeschäfts durch ein anderes, nicht gewolltes, aber in seinen Voraussetzungen gegebenes zulässiges Rechtsgeschäft. Die U. erscheint verschie­dentlich bereits im römischen Recht.

Lit.: Kaser § 9 I 3

Ume, Kenjirô (1860-1910), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tokio, Lyon (1886-1889) und Berlin (Eck, Kohler, Brunner) 1890 Professor in Tokio. Er verfasst mit Hozumi und Tomii das Bürgerliche Gesetzbuch → Japans von 1896/1898 und mit anderen das Handelsgesetzbuch von 1899. Von ihm stammt ein wichtiger Hand­kommentar zum Bür­gerlichen Gesetzbuch (Minpô Yôgi, Bd. 1ff. 1896ff., Neudruck 1984). Er gilt als bedeutendster Jurist Japans.

Lit.: Higashikawa, T., Hakushi Ume Kenjiro, 1917; Waga-minpô no chichi Ume Kenjiro, 1992

Umfahrt ist die Fahrt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im fränkischen Frühmittelalter (z. B. 533). → Umritt

Lit.: Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991

Umgehungsgeschäft ist das Geschäft, durch das die Beteiligten einen Zweck erreichen wollen, den sie wegen des Verbotes oder der Folgen eines anderen Geschäftes mit diesem nicht oder nicht in dieser Weise erreichen können. Das U. ist bereits früh erkennbar. In bekannten Beispielen wird etwa das → kanonische Zinsverbot umgangen. In einem weiten Sinn sind auch Scheinverfahren Umgehungsgeschäfte (z. B. lat. [F.] → in iure cessio). Das U. ist grundsätzlich unzulässig, setzt sich aber in manchen Fällen durch.

Lit.: Köbler, DRG 21, 25, 40; Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004

Umritt ist der Ritt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im Mittelalter (z. B. 508, 1024). → Umfahrt

Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1944, Neudruck 1965, 1981, 48; Schmidt, R., Königsritt und Huldigung, (in) Vorträge und Forschung 6, 2. A. 1981; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991

Umsatzsteuer ist die Steuer vom zu versteuernden und steuerpflichtigen Umsatz von Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Unternehmers. Sie ist eine auf den Verbraucher überwälzte → Verbrauchsteuer. In Bremen wird sie 1862 als Ersatz der Akzise zum 1. 1. 1863 eingeführt (bis 30. 6. 1884). Mit Gesetz vom 30. 6. 1864 erheben die Vereinigten Staaten von Amerika nach ersten Vorläufern von 1862 (3 Prozent eine allgemeine U. zur Beseitigung der durch den Sezessionskrieg ausgelösten Finanznot (Produktionssteuer, 5 Prozent, bis 1870 weitgehend aufgehoben). Im Deutschen Reich wird durch das Gesetz über einen Warenumsatzstempel vom 26. 6. 1916 (u. a. Johannes Popitz) ein Vorläufer der U. geschaffen. Dem folgen nach einer Verordnung des Bundesrats vom 2. 5. 1918 das wegen der Finanznot des Deutschen Reiches geschaffene Umsatzsteuergesetz vom 26. 7. 1918 und das Umsatzsteuergesetz vom 24. 12. 1919 (Frankreich 1917, Italien 1919, Belgien 1921). Am Ende des 20. Jh.s gewinnt die U. (seit 1. 1. 1968 als Mehrwertsteuer bzw. Allphasennettoumsatzsteuer mit Vor­steu­er­abzug) an Bedeutung, weil sie nicht unmittelbar im Preis erkennbar ist. → Akzise, → Ungeld

Lit.: Köbler, DRG 233, 251; Grabower, R., Die Geschichte der Umsatzsteuer, 1925; Franke, H., Die Geschichte der Reichs-Umsatzsteuer, Diss. jur. Köln 1941; Grabower, R., Die Umsatzsteuer, 2. A. 1962; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Gehm, M., Die Entstehung der Reichsumsatzsteuer, ZRG GA 126 (2009), 235

Umstand ist im Verfahrensrecht die um Richter und Urteiler (Schöffen) stehende Gesamtheit der Menschen im Frühmittelalter. Das → Urteil bedarf der auch durch Schweigen möglichen Genehmigung durch den U. Schon im Frühmittelalter und Hochmittelalter (Sachsenspiegel, Landrecht II, 12, 10, 14) scheidet der U. aber als bloße → Öffentlichkeit aus der Urteilsbildungs­tätigkeit allmählich aus.

Lit.: Köbler, DRG 70, 75; Sohm, R., Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Umwelt ist die Gesamtheit der die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen bildenden Gegenstände. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (genauer seit etwa 1970) wird erkannt, dass die große Zahl der auf der Erde lebenden Menschen durch ihre industrialisierte Lebensweise die U. (Luft, Wasser, Boden) insgesamt gefährdet. Zur Steuerung dieser Gefährdung werden nach Einzelgesetzen (z. B. Wassergesetz Preußens [bereits] vom 1. Mai 1914) ein Umweltstrafrecht (Deutschland seit 1975), ein Umwelthaftungsrecht (1991) und ein Umweltschadensrecht (2007) ent­wickelt. Im Einzelnen sind dabei für Deutschland bedeutend Abfallbeseitigungs­gesetz 1972, Chemikalienrecht 1972/1980, Luftreinhaltung 1974, Gewässerschutzrecht 1975/1976, Waldschutz- und Naturschutz­recht 1975/1976, Stagnation 1977-1986/1989, Integration in das Verfassungsrecht 1990-1997, Umweltverträglichkeitsprüfung 1990, Gentechnikgesetz 1990, Tiere sind keine Sachen 1990, Umwelthaftung 1990, Öko-Audit 1993/1995, Verbandsklage, Kreislauf­wirtschaft 1991/1994, ökologischer Landbau 1991, Beschleunigungsgesetze 1991/1996, Umweltinformationsgesetz 1994, nachhaltig­keitsorientierte Reform im Raumordnungs- und Baurecht 1997, Bundesbodenschutz­gesetz 1998, nachhaltigkeitsorientierte Re­form des Energierechts 1998-2002 sowie unvollendetes Kodifikationsprojekt, für Öster­reich Immissionsschutzrecht ab 1973, Forst- und Naturschutzrecht 1975/1976, Atomsperr­gesetz 1978, Umwelt-Ver­fassungsrecht 1984, Abfallwirtschafts­gesetz 1990, Gewässer­schutz­recht 1990, als Mitglied der Europä­ischen Union 1995 Übernahme des euro­päischen Umweltrechts, Problem des alpen­querenden Verkehrs, Nachhaltigkeit und Schutz der Erdatmosphäre und für die Schweiz Natur- und Heimatschutzgesetz 1966, Umweltschutz als Staatsziel 1971, Gewässerschutzgesetz 1971, Raumplanungs­gesetz 1979, Umweltschutzgesetz 1983, Waldgesetz 1991, Alpenschutzartikel 1994, Revision des Umweltschutzge­setzes 1995, Landwirtschaftsgesetz 1998, Bundesverfas­sung vom 18. April 1999, Kohledioxidgesetz 1999 sowie Annäherungen an eine nachhaltigkeitsorientierte Reform des Ener­gie­rechts.

Lit.: Köbler, DRG 249, 250, 265; Tiedemann, K., Die Neuordnung des Umweltstrafrechts, 1980; Besiegte Natur, hg. v. Brüggemeier, F. u. a., 1987; Umwelt in der Geschichte, hg. v. Herrmann, B., 1989; Hager, G., Das neue Umwelthaftungsgesetz, NJW 1991, 134; Brüggemeier, F./Rommelspacher, T., Blauer Himmel über der Ruhr, 1992; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Kloepfer, M., Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Fischer, R., Umwelt­schützende Bestimmungen im römischen Recht, Diss. jur. Augsburg 1995; Büschenfeld, J., Flüsse und Kloaken, 1999; Sporn, T., Pfister gegen Krickerode, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bloy, R., Umweltstrafrecht, JuS 1997, 577; Radkau, J., Natur und Macht, 2000; Büker, D., Mensch – Kultur – Abwasser, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002; Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003; Winiwarter, V., Umweltgeschichte, 2004; Hünemörder, K., Die Frühgeschichte der globalen Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950-1973), 2004; How Green Were the Nazis, hg. v. Brüggemeier, F. u. a., 2005; Freytag, N., Deutsche Umweltgeschich­te, HZ 283 (2006), 383; Behringer, W., Kulturgeschichte des Klimas, 2007; Winiwarter, V. u. a., Umweltgeschichte, 2007

UN-Kaufrecht ist das am Ende des 20. Jh.s von den → Vereinten Nationen zur Er­leichterung des Handelsverkehrs entwickelte Kaufrecht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Reinhart, UN-Kaufrecht, 1991; Karollus, M., Der Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, JuS 1993, 378

Unabhängigkeit ist das Fehlen einer Abhängigkeit (z. B. zugunsten einer bisherigen Kolonie vom Mutterland oder der Rechtsprechung von der ausführenden Ge­walt). Die U. des Richters wird im 18. Jh. als Notwendigkeit erkannt (England 1701). Sie setzt sich im 19. Jh. (1848, Preußen 1850) durch.

Lit.: Köbler, DRG 200; Kroeschell, DRG 3; Klüber, J., Die Selbständigkeit des Richteramtes, 1832; Aubin, G., Die Entwicklung der richterlichen Unabhängigkeit, 1906; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Eichenberger, K., Die richterliche Unabhängigkeit, 1960; Die Unabhängigkeit des Richters, hg. v. Simon, D., 1975; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Baer, A., Die Unabhängigkeit der Richter in der Bundesrepublik und in der DDR, 1999

Unabhängiger Verwaltungssenat (UVS) ist in Österreich der das fehlende Verwaltungs­gericht vertretende Entscheidungszträger über die Rechtmäßigkeit verfahrensfreier (nicht an die Form eines Bescheids gebundener) Ver­waltungsakte. Gegen seine Bescheide ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichts­hof möglich.

unbeerbt (nicht mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)

unbeweglich (Adj., lat. immobilis) ohne Zerstörung nicht bewegbar

Unehelich ist die durch das Fehlen einer Ehe gekennzeichnete Bestimmung. Insbesondere kann ein Kind u. sein. Im römischen Recht ist zunächst das uneheliche Kind wenig bedeutsam und gilt als (lat.) persona (F.) sui iuris (Person eigenen Rechts). Seit der Zeitenwende wird das uneheliche Kind zugunsten der Ehe benachteiligt. Danach bekämpft die → Kirche die Unehelichkeit. Sie erreicht, dass das uneheliche Kind als nicht mit dem Vater verwandt gilt und deshalb kein Erbrecht nach ihm hat, wobei aber verschiedene Arten von unehlichen Kindern unterschieden werden können. (z. B. Hurenkinder, Brautkinder). Erst seit der Aufklärung ändert sich die Benachteiligung des unehelichen Kindes allmählich. In Norwegen erfolgt die Gleichstellung 1915, in Dänemark 1937. In Deutschland scheitern Reformbestrebungen 1925-1929 und 1940. 1969 wird das Wort u. durch → nichtehelich ersetzt und die Rechtsstellung inhaltlich verbessert, doch erfolgt erst 1998 die sachliche Beseitigung der Unterschiede (Österreich 1989).

Lit.: Kaser §§ 13 II 1b, 61 II; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Brunner, H., Die uneheliche Vaterschaft, ZRG GA 17 (1896), 1; Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Weitnauer, A., Die Legitimation, 1940; Schubart-Fikentscher, G., Die Unehelichen-Frage, 1967; Winterer, H., Die Stellung der unehelichen Kinder, ZRG GA 87 (1970), 32; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder, 1971; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem Erzeuger, 1978; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, (in) Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ellrichshausen, E., Die uneheliche Mutterschaft im altösterreichischen Polizeirecht, 1988; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Illegitimität im Spätmittelalter, hg. v. Schmugge, L. u. a., 1994; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Buske, S., Fräulein Mutter und ihr Bastard, 2004; Lochner, D., Das uneheliche Kind im rheinischen Recht, 2006

Unehrlich ist die durch Fehlen der Ehrlichkeit gekennzeichnete Bestimmung. Im römischen Recht ist der (lat.) infamis von Pro­zess­­handlungen und Ämtern ausge­schlossen. In Hochmittelalter und Frühneuzeit sind verschiedene Tätigkeiten u. (z. B. Hen­ker, Totengräber, Bader, Prostituierte). Wer u. ist, kann bestimmte Tätigkeiten nicht aus­üben. Als Folge der Aufklärung verschwindet die äußerliche Unehrlichkeit (Frankreich 1789).

Lit.: Kaser § 13 III; Hübner; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Oppelt, W., Über die Unehrlichkeit des Scharfrichters, 1976; Danckert, W., Unehrliche Leute, 2. A. 1979; Deutsch, A., Die Henker, 2001

Unerlaubte Handlung (Delikt) ist die vom Recht nicht erlaubte Handlung, die bei einem → Schaden eines anderen einen Schadens­ersatzanspruch begründen kann. Die u. H. ist seit den Anfängen des Rechts bekannt. Zu den verletzbaren Rechtsgütern gehören vor allem der Körper und das Eigentum des Menschen (Tötung, Körperver­letzung, Diebstahl, Sachbeschä­digung). Eine bedeut­same Rege­lung des Rechtsbereichs bringt die (lat.) → lex (F.) Aquilia de damno (286 v. Chr., aquilisches Gesetz über den Schaden). Die frühmittelalterlichen Volksrechte sehen jeweils → Wergeld und Buße vor, bis sich am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) → Strafe und Schadensersatz trennen. Im 19. Jh. werden für die u. H. Handlung, Rechts­widrigkeit und Schuld gefordert. Die ge­setzliche Regelung des deutschen Bürger­lichen Gesetzbuches (1900) findet sich in den §§ 823ff. Sie geht von einzelnen, geschützten Rechten und Rechts­gütern aus. Über die Haftung für eigenes Verhalten hinaus wird auch die Haftung für andere (Verrichtungs­gehilfen), für Tiere und für Sachen in bestimmten Gestaltungen (z. B. Bauwerk) erfasst.

Lit.: Kaser §§ 50, 51; Hübner 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 140, 216, 217, 271; Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Delikts­rechts zur Generalnorm, 1939; Lange, H., Schadens­ersatz und Privatstrafe, 1955; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Becker, W., Das Recht der unerlaubten Handlung, 1976; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Unfall ist das ungewollte, vielfach Schaden verursachende Ereignis.

Lit.: Eckhardt, M., Technischer Wandel und Rechtsevolution, 2001

Unfallversicherung ist die von Berufs­genossenschaften verwaltete → Sozialver­sicherung gegen Arbeitsunfälle (Deutsches Reich 6. 7. 1884). Sie vertritt eine an sich sinn­volle → Gefährdungshaftung des Unternehmers. Seit 1925 erfasst sie auch die Berufskrankheit und den Wegeunfall. Am Ende des 20. Jh.s sichert sie rund 38 Millionen Menschen in Deutschland.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 183; Gitter, W., Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 169 (1969), 404; Wickenhagen, Die Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung, 1980; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht, ZNR 8 (1986), 157; Lengwiler, M., Risikopolitik im Sozialstaat. Die schweizerische Unfallversicherung, 2006; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht, 2006

Unfreier ist der die Freiheit entbehrende Mensch in Mittelalter und Frühneuzeit. Er ist dem → Sklaven des römischen Rechts vergleichbar, wenn auch wohl nicht gleich. Tacitus bezeugt ihn bereits für die Germanen, wobei er ihm eine eigene Behausung und einen selbständigen Wirtschaftsbereich mit Ablieferungspflichten zuspricht. Der Unfreie ist in der Personalgewalt (ahd. munt) seines Herrn. Wie weit im Frühmittelalter der Unfreie (ahd. skalk) als Sache behandelt wird, ist zweifelhaft. Immerhin regeln manche Volksrechte seine Tötung neben der Tötung der Freien. Die christliche Kirche bekämpft seit dem 6. Jh. ein Tötungsrecht des Herrn und erkennt im 10. Jh. Ehen unter Unfreien ohne weiteres an. Wirtschaftlich ist der im Einzelnen unterschiedlich gestellte Unfreie allgemein in die → Grundherrschaft eingebunden. Seit dem Hochmittelalter wird die geburtsständische Gliederung nach der (Freilassung ermög­lichenden) Unfreiheit bzw. Freiheit durch die berufsständische Glie­derung nach Rittern, Bürgern und → Bauern überlagert. Die Aufklärung beseitigt die Unfreiheit (Frankreich 1789, Preußen 1807). In England entschärft sich die Unfreiheit bereits seit dem Bauernaufstand von 1381.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 78, 87, 89; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Koehne, K., Die Geschlechtsverbindungen der Unfreien, 1888; Zycha, A., Über den Anteil der Unfreiheit am Aufbau von Wirtschaft und Recht, 1915; Rörig, F., Luft macht eigen, (in) Festgabe Gerhard Seeliger, 1920; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511; Merzbacher, F., Die Bedeutung von Freiheit und Unfreiheit, Hist. Jb. 90 (1970), 257; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Kolb, H., Über den Ursprung der Unfreiheit, Z. f. d. A. 103 (1974), 289; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Freedman, P., The Origins of Peasant Servitude, 1991; Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Forms of Servitude in Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005

Ungar (Magyar) ist der Angehörige des um 895 (862 bzw. 894-900) aus Asien östlich des Urals in das Donaubecken (Karpatenbecken) gelan­gen­den, finno-ugrisch sprechenden Volkes (Reitervolks), das nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld (10. 8. 955) sesshaft wird. Vielleicht 1001 erfolgt die Krönung eines christlichen Königs der Ungarn (Stephan I.). 1290 stirbt das Bulgarien, Dalmatien, Galizien, Kroatien und Siebenbürgen erobernde Königsgeschlecht der Arpaden aus. Im Streit mit Habsburg setzt sich Anjou-Sizilien durch (1301/1310-1382/1386). (Vor) 1514 erstellt Stephanus → Werböczy eine erstmalige Samm­lung des Gewohnheitsrechts des Königreichs Ungarn, die sich in der Gerichtspraxis durchsetzt. 1526 fällt das inzwischen entstandene Land Ungarn durch Erbrecht an → Habsburg, doch ge­langen 1529/1541 große Teile an die Türken/Osmanen und wird Siebenbürgen weitgehend selbständig 1683-1699 erobert Habsburg die von Türken beherrschten Gebiete. Zentrale Verwaltungsbehörde ist die unfgarische Hofkanzlei (bis 17. 3. 1848, ab 20. 10. 1860 bis 17. 2. 1867). 1840 wird ein Handelsgesetzbuch geschaffen. Ein Auf­stand gegen die Herrschaft Österreichs wird 1849 mit Hilfe Russlands unterdrückt. Nach Ansicht Österreichs verwirkt Ungarn durch den Parlamentscbeschluss vom 14. 4. 1849 über die Entthronung der Habsburger und durch die Unabhängigkeitserklärung vom 19. 4. 1849 seine Verfassung (Verwirkungstheo­rie), während nach Ansicht Ungarns die Beschlüsse zwecks Abwehr der März­verfassung 1849 gerechtfertigt sind (Rechts­kontinuitätstheorie). Von 1853 bis 1861 gilt in Ungarn das Allgemeine Bür­gerliche Gesetzbuch Österreichs. 1867 muss → Österreich im sog. → Ausgleich seine Herrschaft über Ungarn lockern (Dualismus, 1873 Hauptstadt Budapest, zuvor Pest-Buda). 1878 werden ein Strafgesetzbuch (, 1879 ein Strafgesetzbuch über die → Übertretungen) und 1896 eine 1900 verbesserte Straf­prozessordnung geschaffen. 1895 wird die staatliche Zivilehe eingeführt, womit die Umgeheung des Ehescheidungsverboits Ös­ter­reichs durch so genannte siebenbürgische bzw. ungarische Ehen entbehrlich wird. 1918 verselbständigt sich unter Ausrufung der Republik (Volksregierung unter Graf Mihály Károlyi) das Land als Königreich ohne König, das nach dem Ende der Fremd­bestimmung durch die Sowjetunion (1945-1989, Bürgerliches Gesetzbuch 1958) den Anschluss an die Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union (1993) sucht und 2004 findet.

Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 194, 220; Baltl/Kocher; Timon, A. v., Ungarische Verfassungs- und Rechts­geschichte, 2. A. (1904 bzw.) 1909; Schulte, A., Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813-1531, 1924; Karpat, J., Corona regni Hungariae, 1937; Müller, G., Die mittelalterlichen Verfassungs- und Rechtseinrichtungen der Rumänen des ehemaligen Ungarn, Siebenbürgische Vierteljahrschrift 61 (1938); Miskolczy, J., Ungarn in der Habsburger Monarchie, 1959; Madl, F., Das erste ungarische ZGB, (in) Das ungarische ZGB, 1963; Karpat, J., Die Rechts­geschichte Ungarns, (in) FS H. Lentze, 1969, 339; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,561, 3,2,2141,2819, 3,3,3512,­3629,3716,4056,4202; Bogyay, T. v., Grundzüge der Geschichte Ungarns, 4. A. 1990; Sugar, P./Hanal, P., History of Hungary, 1990; Diplomata Hungariae Antiquissima, hg. v. Györffy, G., Bd. 1 1992; Haslinger, P., Hundert Jahre Nachbarschaft, 1996; Zlinszky, J., Wissenschaft und Gerichtsbarkeit, Quellen und Literatur der Privatrechtsgeschichte Ungarns, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsge­sellschaften, Bd. 2, hg. v. Gündel, A., 1997; Kellner, M., Die Ungarneinfälle, 1997; Pribersky, A. u. a., Ungarn, 1999; Molnár, N., Geschichte Ungarns, 1999; Les Hongrois et l’Europe, hg. v. Csernus, S. u. a., 1999; Kristó, G., Die Geburt der ungarischen Nation, 2000; Lendvai, P., Die Ungarn, 1999; Fata, M., Ungarn, 2000; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monar­chie, 2000; The Hungarian State 1000-2000, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Molnár, M., A Concise History of Hungary, 2001; Ungarn und Europa, hg. v. Brunner, G. 2001; Krauss, K., Deutsche Auswanderer in Ungarn, 2003; Pajkossy, G., Magyarország története a 19. században [Die Geschichte Ungarns im 19. Jahrhundert], 2003 S.; Kajtár, I., A 19. századi magyar állam- és jogrendszer alapjai. Európa – haladás – Magyarország (Die Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19. Jahrhunderts. Europa – Fortschritt – Ungarn), 2003; Adriányi, G., Die Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Peregrinatio Hungarica, hg. v. Fata, M. u. a., 2006

Ungarn → Ungar

Lit.: Mayer, T., Verwaltungsreform in Ungarn nach der Türkenzeit, 1911 Neudruck bzw. 2. A. 1980; Zehntbauer, R., Einführung in die neuere Geschichte des ungarischen Privatrechts, 1916; Heymann, E., Das ungarische Privatrecht und der Rechtsausgleich mit Ungarn, 1917; Tagányi, K., Lebende Rechtsgewohn­heiten und ihre Sammlung in Ungarn, 1922; Both, Ö., Kampf um die Einführung der Geschworenengerichte, Acta universitatis Szegediensis, Iur. et polit. 7, 1 (1960), 1; Deér, J., Die heilige Krone Ungarns, 1966; Horváth, P., A kelet- és közép-európai népek, 1968; Die juristische Bildung in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Tripartitum opus iuris consuetudinarii inclyti regni Hungarie per Stephanum de Werbewcz editum Wien 1517, Neudruck 1969; Tanulmányok a magyar helyi önkormányzat múltjábol (Studien zur Geschichte der örtlichen Selbstverwaltung in Ungarn), hg. v. Bónis, G./Degré, A., 1971; Bónis, G., Középkori jogunk elemei, 1972; Bak, J., Königtum und Stände in Ungarn im 14.-16. Jahrhundert, 1973; Csizmadia, A., Adam Franz Kollár und die ungarische rechtshistorische Forschung, 1982; Kovács, K., Zur Geschichte des ungarischen Strafrechts und Strafprozessrechts 1000-1918, 1982; Mertanová, S., Ius tavernicale, 1985, Jobbágyi, G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht, ZRG GA 110 (1993), 513; Neschwara, C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn, ZRG GA 113 (1996), 362; Gönczi, K., Ungarisches Stadtrecht aus europäischer Sicht, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M., 1997; Die Elemente der ungarischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Máthé, G./Mezey, B., 2000; The Hungarian State, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Gönczi, K./Henne, T., Leipziger Verlage, liaisonmen und die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft in Ungarn, ZRG GA 118 (2001), 247; Kajtár, I., (Fie Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19. Jahrhunderts), 2003; Németh, I., Ungarische Ge­schichte, 2003; Varga, G., Ungarn und das Reich, 2003; Dalos, G., Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Nationalstaat – Monarchie – Mitteleuropa, hg. v. Máthé, G. u. a., 2004; Voigt, K., Der Schutz nationaler ungarischer Minderheiten, 2005; Bahlcke, J., Ungarischer Episkopat und österreichische Monarchie, 2005; Steinberg, G., Aufklärerische Tendenzen im ungarischen Strafrecht, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 978; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Ruszoly, J., Institutionelle Grundlagen der Legislation in Ungarn (1920-1944/45), 2007; Schmidt-Schweizer, A., Politische Heschichte Ungarns von 1985 bis 2002, 2007; Historische Demographie Ungarns (896-1996), hg. v. Kristó, G., 2007; Gönczi, K., Die europäischen Fundamente der ungarischen Rechtskultur, 2008

ungeboten (ohne besonderes Gebot auf Grund allgemeiner Regeln erfolgend) z. B. unge­botenes → Ding

Lit.: Kroeschell, DRG 2

Ungefährwerk ist die wissenschaftliche Bezeichnung für den ungewollten Unrechts­erfolg im älteren deutschen Recht (z. B. fehlgehender Pfeil führt zum Tod eines Menschen). → Fahrlässigkeit

Lit.: Köbler, DRG 91; Behrend, R., Das Ungefährwerk in der Geschichte des Seerechts, ZRG GA 19 (1898), 52; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964

Ungehorsam → Widerstand

Ungeld ist seit dem Hochmittelalter bis ins 19. Jh. die (vielfach städtische) → Verbrauchsteuer (z. B. Weinungeld). → Akzise

Lit.: Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Weisbrod, R., Das Weinungeld als Rechtsinstitut der freien Reichsstadt Speyer 1952; Habich, W., Das Weinungeld, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992

ungemessen (nicht durch ein Maß bestimmt)

Unger, Joseph (Wien 2. 7. 1828-Wien 2. 5. 1913) Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht (Wien) und dem Übertritt zum Katholizismus Bibliothekar und 1853 außerordentlicher Professor in Prag und 1856 in Wien (1857 ordentlicher Professor). Er vertritt die Ansichten der historischen Rechtsschule. Seit 1870 wendet er sich der Politik zu (bereits 1867 Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit).. 1869 wird er Mitglied, 1881 Präsident des Reichsgerichts in → Österreich. Von 1871 bis 1879 ist er Minister ohne Geschäftsbereich. Er beteiligt sich maß­geblich an der Errichtung des Verwaltungsge­richtshofs (1876). Sein ursprüngliches Eintre­ten für ein Bürgerliches Gesetzbuch des Deutschen Bundes (1855) wandelt sich später in einen Auf­ruf zur Revision des österreichischen → Allgemeinen Bürgerli­chen Gesetzbuches durch einzelne Teilnovellen (1914, 1915, 1916 verwirklicht). Seit 1859 veröffentlicht er mit Julius Glaser die zivil­rechtlichen Urteile des Obersten Gerichtsho­fes. Sein System des österrei­chi­schen allge­meinen Privatrechts wird mehrfach aufgelegt.

Lit.: Strohal, E., Josef Unger, 1914; Lentze, H., Josef Unger, FS H. Arnold, 1963, 219; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1953, 83; Ogris, W., Die historische Schule der österreichischen Zivilistik, FS H. Lentze, 1969, 449; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 177; Olechowski, T., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999

Ungerechtfertigte Bereicherung ist die nicht durch einen rechtlichen Grund gerechtfertigte → Bereicherung einer Person (z. B. Leistung auf eine Nichtschuld). Die u. B. ist nach dem Vorbild des römischen, sie als Quasikontrakt behandelnden Rechts (lat. [F.] → condictio) grundsätzlich im Umfang des Empfangenen herauszugeben. Die Beschrän­kung der Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung erfolgt durch → Duarenus (1509-1559), dem → Glück (1755-1831) folgt. Später wird zwischen Leistungskon­diktion und Eingriffskondiktion (ohne Leistung) unterschieden, doch werden beide grundsätzlich gleich behandelt.

Lit.: Apathy, P., Der Verwendungsanspruch, 1988; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Flume, W., Studien zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, hg. v. Ernst, W., 2003; Cases, Materials and Texts on Unjustified Enrichment, hg. v. Beatson, J. u. a., 2003

Ungericht (N.) Unrecht

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898

Uniform ist die einheitliche Kleidung vor allem des Soldaten bzw. Amtsträgers der frühen Neuzeit.

Lit:: Die zivile Uniform als symbolische Kommunikation, hg. v. Hckspiel-Mikosch, E. u. a., 2007

uniert (Adj.) vereint (z. B. Kirche)

Union (F.) Vereinigung, → Europäische Union, → Personalunion, → Realunion, Sowjetunion

unio (F.) prolium (lat.) Vereinigung der Nachkommen, → Einkindschaft

universal (Adj.) allseitig

Universalienstreit ist der philosophische, seit Platon bekannte, nicht entschiedene Streit darüber, ob Allgemeinbegriffe (Universalien wie z. B. Mensch, Klasse) wirklich (Realis­mus) oder nur begrifflich (Nominalismus) sind.

Lit.: Der Universalienstreit, hg. v. Stegmüller, W., 1978, Libera, A. de, Der Universalienstreit, 2005

Universalfideikommiss (lat. fideicommissum hereditatis) ist im römischen Recht das zur Heraus­gabe des Nachlasses (oder dessen Teile) verpflichtende und damit die Umge­hung des Verbots der Nacherbschaft ermöglichende Fideikommiss.

Lit.: Manthe, U., Das Senatusconsultum Pegasianum, 1989

Universalsukzession (F.) ist die Gesamtrechtsnach­folge (z. B. bei einem Erbfall). Nach römischem Recht folgt der Erbe in das gesamte Recht des Verstorbenen (lat. successio in universum ius quod defunc­tus habuerit), so dass mehrere Erben den Nachlass zu rechnerischen Bruchteilen erben. Demgegenüber gibt es im deut­schen Recht (auch) Sondererbfolgen (z. B. in Hergewäte, Mor­gen­gabe, Familienfideikom­miss, Aner­ben­­recht). Im Laufe der Neuzeit setzt sich die U. auch auf Grund des Gleichheits­grundsatzes mehr und mehr durch und verdrängt die Sondererbfolgen.

Lit.: Kaser § 65 I 1; Köbler, DRG 210; Schwerin, C. Frhr. v., Über den Begriff der Rechtsnachfolge, 1905; Tuor, P., Der Grundsatz der Universalsukzession, 1922

universitas (lat. [F.]) Einheit, Personenverband mit gemeinsamer Willens­bildung, vom Mitgliedervermögen getrenntem Vermögen, handelnden Organen und Rechts­trägerschaft der Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Vorstufe der juristischen person ist bereits dem römischen Recht bekannt (z. B. Staat, Stadt municipium, Verein collegium)

Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 57; Krämer, W., Konsens und Rezeption, 1980; Ralf, M., Societas und universitas, 2008

universitas (F.) rerum (lat.) Sachgesamtheit (z. B. Herde, Warenlager)

Universität ist die aus der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden seit dem 12. Jh. erwachsende, die gesamte Breite der Wissenschaften erfassende Lehranstalt. Die erste juristische U. entsteht auf scholastischer Grundlage um die Glossatoren (→ Irnerius, Bulgarus, Hugo, Jacobus, Martinus) in Bologna (als offizielles Gründungsjahr 1088 angesehen, um 1200 ca. 1000 juristische Studenten, Statuten von 1252). Spätere Universitäten umfassen meist neben der einführenden artistischen (philosophischen) Fakultät (der artes liberales) die drei höheren Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Leiter der U. ist der Rektor, Leiter der Fakultät ist der Dekan. Als Schutzherren treten anfangs vor allem Papst und Kaiser auf, später auch Landesherren und Städte. Frühe bekannte europäische Universitäten entwickeln sich in → Paris (Statuten von 1215), → Oxford (nach 1139), → Cambridge (seit 1209), → Montpellier (seit etwa 1170), → Salerno (995-1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca 1218/1219, → Padua (1222) oder → Neapel (1224), Lissabon (1290), Pisa (1343), Florenz (1349), Siena (1357) oder Pavia (1361). Eine erste deutsche U. entsteht in → Prag 1348 (, Beginn humanistischen Einflusses). Es folgen mit bescheidenen Anfängen → Wien (1365), (ab 1378 Verringerung des päpstlichen Einflusses infolge des Schismas,) → Heidelberg (1386), → Köln (1388), → Erfurt (1392), (um 1400 europaweit rund 30 Universitäten, Aufkommen territorialer Universitäten,)→ Leipzig (1409), → Rostock (1419), → Freiburg im Breisgau (1425), → Greifswald (1456), → Löwen (1425 bzw. 1457), → Basel (1460), → Ingolstadt (1472), → Trier (1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), → Tübingen (1477) und → Mainz (1477). Die Zahl der Studierenden nimmt beständig zu (im ausgehenden 14. Jahrhundert in Deutschland vielleicht jährlich 600, im ausgehenden 15. Jh. in Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger, von 1385 bis 1505 in Deutschland insgesamt rund 200000 Studerende, davon 164000 an den 12 Uni­versitäten Wien, Löwen, Basel, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig, Rostock, Greifswald, Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Tübingen – deren Matrikel im Gegensatz zu Prag, Trier und Mainz nicht verloren ist -, bis zur Reformation im Heiligen römischen Reich rund, - in Köln zu vier Fünfteln aus Städten stammende - 300000 Studierende, davon 250000 der artistischen Fakultät, 13 % (rund 39000) der juristischen Fakultät, 2,6 % der theologischen Fakultät und 0,4 % der medizinischen Fakultät). Angestrebte, aber vielfach nicht erreichte Grade sind Bak­kalaureus, Lzentiat, Magister und Doktor. Die Reformation (1527 erste lutherische Universität in Marburg, 1559 erste reformierte Universität in Genf) fördert die Differenzierung der Lehre, die Professi­onalisierung der Universitätslehrer und die Vorstellung der Freiheit der Studierenden, aber auch Gegenbewegungen (1538 höheres Studium der Dominikaner auf Haiti, ab 1550 jesuitische Hochschulen) und europäische Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt Petersburg) wie außereuropäische Ausdeh­nung (1650 Stiftungshochschchule John Harvards in Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New Brunswick, 1829 Cape Town, 1850 Sidney, 1857 Bombay, 1883 Istanbul, 1898 Peking). Juristische Reformuniversitäten werden → Halle (1694), → Göttingen (1734) und → Berlin (1810, Humboldtsches Bildungsideal) (um 1800 190 Uni­versitäten weltweit). Im 19. Jh. werden natur­wissenschaftliche Fächer eröffnet. Im Verlauf des Jh.s öffnet sich die U. allmählich den Frauen. In der Wertschätzung stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn, Heidelberg und Göttingen vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des 20. Jh.s führt zu vielen Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der Rechts­wissenschaft, um 1990 rund 750 Univer­sitäten und 6500 weitere Hochschulen weltweit). Der Anteil der Akademiker an der Gesamtbevölkerung wird zum Vergleichs­maßstab unter den verschiedenen Staaten. Allmählich steigt der Anteil der Frauen an den Studierenden auf die Hälfte und mehr. Dem folgt mit deutlicher Verzögerung auch der Anteil der Frauen an der Profes­so­renschaft.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 99, 106, 143, 151, 154, 180, 254; Denifle, H., Die Entstehung der Universitäten, 1885; Denifle, H., Die Universitäten des Mittelalters bis 1400, 1885; Kaufmann, G., Die Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2 1896, Neudruck 1958; Eulenburg, F., Die Frequenz der deutschen Universitäten, 1904; Paulsen, F., Geschichte des gelehrten Unterrichts, Bd. 1f. 1919; Rashdall, H., The Universities, 1936; Grundmann, Herbert, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, 1957 (SB Leipzig); Ebel, W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums, 1961; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung, JZ 1961, 768; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Cobban, A., The Medieval Universities, 1975; Beiträge zu Problemen deutscher Universitätsgründungen der frühen Neuzeit, hg. v. Baumgart, P., 1978; Università, Academie e Società scientifiche in Italia e in Germania del cinquecento al settecento, hg. v. Böhm, L. u. a., 1981; Universitäten und Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. v. Böhm, L. u. a., 1983; Esch, A., Die Anfänge der Universität, 1985; Histoire des universités en France, hg. v. Verger, J., 1986; Schwinges, R., Deutsche Universitätsbesucher, 1986; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; Müller, A., Geschichte der Universität, Bd. 1f. 1990; Heiber, H., Universität unterm Hakenkreuz, 1991; Rexroth, F., Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Hammerstein, N., Universitäten und Reformation, HZ 258 (1994), 339; Università, hg. v. Porciani, I., 1994; Die Universität in Alteuropa, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1994; Guide to Legal Studies in Europe, hg. v. The European Law Students’ Association, 1995; Titze, H., Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten 1830-1945, 1995; Verger, J., Les universités françaises, 1995; Schlange-Schöningen, H., Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten im neunzehnten Jahrhundert, 1997; Pedersen, O., The first universities, 1997; Boockmann, H., Wissen und Widerstand, 1999; Stätten des Geistes, hg. v. Demandt, A., 1999; Jessen, R., Akademische Elite und kommunistische Diktatur, 1999; Attempto – oder wie stiftet man eine Universität, hg. v. Lorenz, S., 1999; Ferz, S., Ewige Universitätsreform, 2000; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2001; Zwischen Autonomie und Anpassung, hg. v. Connelly, J./Grüttner, M. 2002; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2002; Gredler, P., The Universities of the Italian Renaissance, 2002; Zwischen Autonomie und Anpassung – Universitäten in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, hg. v. Connelly, J. u. a., 2003; Kahl, W., Hochschule und Staat, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus, 2004; Gerber, S., Universitäts­ver­waltung und Wissenschaftsorganisation im 19. Jahrhundert, 2004; Universitäten und Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, hg. v. Blaschke, K., 2004; Anderson, R., European Universities from the Enlightenment to 1914, 2004; Clark, W., Academic Charisma and the Origins of the Research University, 2006; Howard, T., Protestant Theology and the Making of the Modern German University, 2006; Universitäten im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Wörster, P., 2008; Orte der Gelahrtheit, hg. v. Siebe, D., 2008; Der Aristotelismus an den europäischen Universitäten der frühen Neuzeit, hg. v. Darge, R. u. a., 2009

Universitätsgerichtsbarkeit (akademische Gerichtsbarkeit) ist die besondere Gerichts­barkeit der Universität (bzw. des Rektors) über die Universitätsmitglieder (Studenten, Professoren, deren Ehefrauen und Kinder, Universitätsbedienstete, Universitäts­handwer­ker, Dienstpersonal), die neben der kirch­lichen Gerichtsbarkeit und der weltlichen Gerichtsbarkeit besteht. Sie findet sich nach älteren Ansätzen (Bologna [1158 Konstitution Habita König Friedrichs I. Barbarossa] zu Gunsten der einzelnen Studenten, Paris) zumindest zeitweise in Prag, Wien, Heidelberg, Leipzig, Rostock, Freiburg im Breisgau, Basel und Ingolstadt. Vielfach sind die besonders schweren Verbrechen ausge­nommen, doch sind auch Todesstrafen be­zeugt. Im Deutschen Bund (1815-1866) wird die U. durch die Karlsbader Beschlüsse verstaatlicht. Endgültig abgeschafft wird die U. im Deutschen Reich 1877/1879 (§ 15 GVG). Ihr folgt teilweise eine besondere Disziplinargerichts­barkeit, 1935 durch Erlass die Strafordnung für Studenten, nach 1949 ein am Verwaltungsrecht ausgerichtetes Ord­nungsrecht bei Störungen des Hochschul­betriebs und Behinderungen von Hochschul­organen.

Lit.: Stein, F., Die akademische Gerichtsbarkeit, 1891; Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit, 1979; Woeste, P., Akademische Väter als Richter, 1987; Brüdermann, S., Göttinger Studenten und akademische Gerichts­barkeit im 18. Jahrhundert, 1990; Alenfelder, K., Aka­demische Gerichtsbarkeit 2002; Bubach, R., Richten, Strafen und Vertragen, 2004

Universum (N.) ist die Gesamtheit oder das bisher im Wesentlichen vom Recht des Menschen freie Weltall.

unkörperlich (Adj., lat incorporalis) keine Raumausdehnung habend (z. B. Forderung in Gegensatz zu Haus)

Unlauterer Wettbewerb ist der gegen die Redlichkeit verstoßende Wettbewerb (in der Wirtschaft). Als eigenständiger, vom Strafrecht gelöster Fragenbereich wird der unlautere Wettbewerb im 19. Jh. erkannt. In Frank­reich finden die Art. 1382, 1383 → Code civil Anwendung, in England die → equity. Das Deutsche Reich schützt am 12. 5. 1894 die Warenbezeichnung gesetzlich und am 7. 6. 1909 den Wettbewerb allgemein gegen Unlauterkeit. Am 8. 7. 2004 tritt eine Neu­fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft, die das Sonderveranstal­tungsverbot aufhebt, Telefon­wer­bung von Ein­willigung abhängig macht und einen Gewinn­abschö­pfungsanspruch für Verbände einführt.

Lit.: Kohler, J., Der unlautere Wettbewerb, 1914, 33; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, JuS 1996, 1064; Köhler, H., Das neue UWG, NJW 2004, 2121

Unlust (F.) Nichtzuhören im → Ding

Unmittelbarkeit (F.) Verbindung zweier Momente ohne ein drittes vermittelndes Glied (z. B. Reichsunmittelbarkeit zwischen Herr­scher und reichsunmittelbaren Gliedern des Heiligen römischen Reiches)

Lit.: Kaser § 87 II 6; Köbler, DRG 201, 202; Stüber, M., Die Entwicklung des Prinzips der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren, 2005

Unmöglichkeit (lat. [F.] impossibilitas) ist die Unbewirkbarkeit einer Leistung. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Den anfangs nur sehr begrenzt bedeutsamen lateinischen Satz impossibilium nulla est obligatio (zu Unmöglichem besteht keine Verpflichtung) dehnt → Donellus in der frühen Neuzeit ausdrücklich auf alle Verträge aus. → Pufendorf erweitert die zunächst nur für die besonderen → Innominatkontrakte anerkannten Regeln über das Freiwerden bei unver­schuldeter nachträglicher U. auf alle Verträge. Im 19. Jh. baut Friedrich Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung der römischen Quellen ein System der anfäng­lichen bzw. nachträglichen und subjektiven oder objektiven U. auf, das über → Wind­scheid in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) Eingang findet. Bei anfänglicher objektiver U. kommt kein Vertrag zustande. Bei nachträglicher, vom Schuldner zu vertretender U. hat der Gläubiger Anspruch auf das Erfüllungs­interesse, während bei zufälliger U. grundsätzlich keine Erfüllungsansprüche beste­hen.

Lit.: Kaser § 37 I 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 165, 214; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Wollschläger, C., Die Entste­hung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Unmündigkeit ist das Fehlen der → Mündigkeit.

Lit.: Kaser §§ 14 II 2, 62 I 1; Hübner; Köbler, DRG 21, 57, 87, 121

Unna

Lit.: Unna, bearb. v. Lüdicke, R., 1930

Unrecht ist das Fehlen von Recht. U. gibt es seit der Entstehung von Recht. Aufgabe der Allgemeinheit ist es, U. zu verhindern und Recht herzustellen. Notfalls muss ge­schehenes U. nachträglich ausgeglichen werden (z. B. Schadenersatz).

Lit.: Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, hg. v. Schwarz, W. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Das Recht des Unrechtsstaates, hg. v. Reifner, U., 1981; Der Unrechtsstaat, hg. v. d. Redaktion der kritischen Justiz, Bd. 1f. 2 A. 1983; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P., 1985; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825ff.

Unrecht Gut gedeiht nicht.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 151

Unschuldseid → Reinigungseid

Unschuldsvermutung ist die bis zu einem Nachweis einer Schuld für jedermann bestehende Vermutung der Unschuld.

Lit.: Schulz, L., Die praesumptio innocentiae, ZRG GA 119 (2002), 193

Unteilbarkeit ist das Fehlen der Teilbarkeit. Die U. von Herzogtümern und Grafschaften streben schon die Reichtagsbeschlüsse von Roncaglia (1158) an. Dennoch werden die Fürstentümer vielfach bis über das 16. Jh. hinaus tatsächlich geteilt. Seit dem 14. Jh. legen die Goldene Bulle (1356) für die Kurfürstentümer und andere Regelungen für einzelne Fürstentümer (Österreich 1358/9 Fälschung, Braunschweig-Lüneburg, Hessen, Brandenburg 1473, Württemberg 1495) die U. fest.

Lit.: Köbler, DRG 111; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 240; Werminghoff, A., Der Rechtsgedanke von der Unteilbarkeit, 1915; Härtel, R., Über Landesteilungen, FS F. Hausmann, 1977, 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982

Unterbringung

Lit.: Bartelheimer, H., Die Entwicklung des Unterbringungsrechts, 2003

Untereigentum ist der untere und insofern nachrangige Teil des geteilten → Eigentums (z. B. des Lehnsmanns). Es wird im Rahmen des geteilten Eigentums seit dem Hoch­mittelalter entwickelt und im 19. Jh. beseitigt.

Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985

Unterhalt ist die Gesamtheit der für den Lebensbedarf eines Menschen erforderlichen Aufwendungen. In einfachen Gesellschaften ist die gemeinsame Lebensführung Nahe­stehender so selbverständlich, dass der U. rechtlich nicht erfasst wird. Bereits das römische Recht anerkennt seit Augustus (63 v.-14 n. Chr.) aber in der (lat.) extraordinaria cognitio (F.) durchsetzbare Unterhaltsan­sprüche zwischen Kindern und Eltern und Großeltern. Seit Antoninus Pius (?) besteht eine gegenseitige Unterhaltspflicht zwischen allen ehelichen Aszendenten und Deszendenten sowie unter Geschwistern. Bei einem unehelichen K. betrifft dies nur die Mutter und ihre Verwandten. Eine Rechts­pflicht zu U. unter Ehegatten kennt in Ausnahmefällen Justinian (527-565). Im Mittelalter fördert die Kirche die Unter­haltspflicht von Eltern und Kindern, bejaht aber die Schlechterstellung unehelicher Kinder. Dem folgen im Spätmittelalter städtische Satzungen. Die gelehrte Literatur befasst sich seit dem 16. Jh. vertieft mit diesen Fragen. In der Aufklärung wird neben dem Vater die Mutter zu U. verpflichtet und eine Unter­haltsverpflichtung weiterer Ver­wandter zunehmend abgelehnt. Dem schlie-ßen sich die großen Zivilrechtsgesetz­bücher überwiegend an. Die grundsätzliche Benachteiligung nichtehelicher Kinder wird in Deutschland erst 1998 (Österreich 1989, andere Änderungen des Unterhalts seit 1975) aufgegeben.

Lit.: Kaser §§ 12 III, 58 VI, 61; Hübner 717; Jankowiak, K., Die Rechtstellung der Kinder, Diss. jur. Marburg 1923 masch.schr.; Laplanche, J. de, La soutenance ou pourvéande dans le droit coutumier, 1952; Wiesner, J., Über die Rechtstellung des ehelichen Kindes, Diss. jur. Kiel 1972; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz 1979, 95; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 254; Koch, E., Unter­haltspflichten in rechtshistorischer Sicht, (in) Familiäre Solidarität, 1997, 9; Schmitz, U., Der Unter­haltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Großekathöfer, D., Es ist ja jetzt Gleichberechtigung, 2003; Laubach, B., Lateinische Spruchregeln zum Unterhaltsrecht, 2004; Metz, B., Rechtsethische Prinzipien des nachehelichen Unterhalts, 2005; Meyer, C., Le système doctrinal des aliments, 2006; Lutze, N., Der Verwandtenunterhalt in den §§ 1601 bis 1603 und §§ 1610 bis 1612 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güter­recht, 2008

Unterhaus → House of Commons

Unterkauf ist der im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit in Städten verbotene Zwischenhandel.

Lit.: Hübner § 83; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961

Unterlassene Hilfeleistung ist die trotz Rechtspflicht zum Tätigwerden nicht erbrachte Hilfeleistung.

Lit.: Gieseler, K., Unterlassene Hilfeleistung, 1999

Unterlassung ist die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung. Die U. wird erst allmählich der Handlung angenähert.

Lit.: Kaser §§ 36 I 2, 51 II 1; Köbler DRG 242

Unternehmen ist im Privatrecht eine organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten und sonstigen Werten, innerhalb deren ein Unternehmer entferntere Ziele verfolgt. Ge­genüber dem einzelnen Unternehmer gewinnt das U. seit dem Spätmittelalter ein Eigen­gewicht. Seit dem 20. Jh. gibt es Bestrebungen, das U. - statt des Kaufmanns - in den Mittelpunkt des Handelsrechts zu stellen. Sie werden in Österreich 2007 verwirklicht.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 707; Oppikofer, H., Das Unternehmensrecht, 1927; Bauer, C., Unternehmen und Unternehmensformen, 1936; Recht und Entwicklung von Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1982; Treue, W., Unternehmens- und Unternehmergeschichte, 1989; Conradi, J., Das Unternehmen, 1993; Riechers, A., Das „Unternehmen an sich“, 1996; Unternehmen im Nationalsozialismus, hg. v. Gall, L./Pohl, M., 1998; Pierenkemper, T., Unternehmensgeschichte, 2000; Förster, C., Die Dimension des Unternehmens, 2003; Dienel, H., Die Linde AG, 2004; Berghoff, H., Moderne Unter­nehmensgeschichte, 2004; Thiessen, J., Unter­nehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005; Ciriacy-Wantrup, K. v., Familien- und erb­rechtliche Gestaltungen von Unternehmen der Renais­sance, 2007

Unterpfand (meist gleichbedeutend wie) Pfand

Lit.: Meibom, V., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 37

Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache, die der Täter in Besitz oder Gewahrsam hat (z. B. Verkauf einer entliehenen Sache). Die systematische Abgrenzung der U. vom → Diebstahl erfolgt erst seit dem Ende des 18 Jh.s. (Kleinschrod, Sachsen 1838).

Lit.: Köbler, DRG 158; Meister, E., Fahrnisverfolgung und Unterschlagung im deutschen Recht, FS Adolf Wach, 1913; His, R., Das Strafrecht im deutschen Mittelalter, Bd. 2 1935, 217; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Reiß, H., Die strafrechtliche Behandlung der Eigentums- und Vermögensdelikte, 1973

Unterschrift ist der zum Zwecke der Anerkennung des Inhalts unter den Text einer Urkunde gesetzte, eigenhändig geschriebene → Name eines Menschen. Das römische Altertum kennt, wenn auch spät, bereits die U. Die merowingische Königsurkunde weist vielfach eine eigenhändige U. des Königs auf, an deren Stelle später das Monogramm oder das → Siegel (11 Jh.) tritt. Seit der frühen Neuzeit verdrängt die eigenhändige U. das Siegel wieder. Mit zunehmender Selbstver­ständlichkeit der Schreibfähigkeit wird die U. immer bedeutsamer. 1901 gestattet das deutsche Reichsgericht die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen.

Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunde, 1907, Neudruck 1967; Holzhauer, H., Die eigenhändige Unterschrift, 1973; Schlögl, W., Die Unterfertigung deutscher Könige, Saupe, L, Die Unterfertigung der lateinischen Urkunden, 1983

Untersuchungsgrundsatz ist der Grundsatz, dass das Gericht von Amts wegen Tatsachen erforscht, sie in die Verhandlung einführt und ihre Wahrheit feststellt. Der U. beherrscht den Inquisitionsprozess. Im Zivilprozess ist er selten (Preußen 1793 Allgemeine Gerichts­ordnung).

Lit.: Köbler, DRG 203; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Bomsdorf, F., Prozess­maximen und Rechtswirklichkeit, 1971; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Richter, M., Die Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess, 1999

Untertan ist der der Herrschaft einer (absoluten) Obrigkeit unterstehende Mensch in der frühen Neuzeit. An seine Stelle tritt mit der Aufklärung der Staatsbürger oder Staatsangehörige (1789, 1848, 1918).

Lit.: Moser, J., Von der Landeshoheit in Ansehung der Untertanen Personen und Vermögens, 1773; Wiesmann, R., Treueid und Treupflicht der Untertanen, 1911; Buchda, G., Untertanenpflicht, ZRG GA 57 (1937), 468; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Feller, H., Die Bedeutung des Reiches, 1953; Spies, K., Gutsherr und Untertan, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 295; Lutz, R., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Blickle, P., Deutsche Untertanen, 1981; Hohenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Fetzer, R., Untertanenkonflikte im Ritterstift Odenheim, 2002

Unterwalden ist das Gebiet nid dem Wald, das 1240 ein Bündnis mit → Luzern und 1291 ein Bündnis mit Uri und → Schwyz gegen die Grafen von → Habsburg schließt und 1309/­1324 die Reichsunmittelbarkeit gewinnt. Es ist einer der Urkantone der → Schweiz.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973, 2,2,461; 500 Jahre Stanser Vorkommnis, 1981; Das Protokoll des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549, hg. v. Küchler, R., (1994) (Separatabdruck); Garovi, A., Obwaldner Geschichte, 2000

Untreue ist das durch Mangel an zu erwartender Treue gekennzeichnete Vermö­gensdelikt. Die U. wird lange durch den Diebstahl miterfasst. Seit dem 19. Jh. wird sie verselbständigt (Bayern 1813).

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Mayer, H., Die Untreue, 1926; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Ritter. J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942; Kiefner, H., Zur zivilrechtlichen Genealogie des Missbrauchs­tatbestandes (§ 266 StGB), (in) Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, 1205

unvollkommen zweiseitig verpflichtend (Adj.) grundsätzlich nicht beide Beteiligte verpflichtend, aber in besonderen Fällen doch (z. B. Leihe, Auftrag)

Unvordenklichkeit ist die Unerinnerlichkeit der Entstehung eines Zustandes. U. begründet im römischen Recht und in der frühen Neuzeit die Vermutung, dass ein Zustand einmal rechtmäßig entstanden ist.

Lit.: Hübner; Kaser § 28 II 1b; Bulker, H., Der unvordenkliche Besitz, 1841; Unterholzner, K., Verjährungslehre, 2. A. 1958

Unwedersatt

Lit.: Minnigerode, H. v., Unwedersatt und wirdrisittolo, ZRG GA 59 (1939), 249

Unzucht ist seit dem 18. Jh. die allgemeine Bezeichnung für eine Straftat gegen die Sitt­lichkeit, die 1973 vom deutschen Gesetzgeber aufgegeben wird.

Lit.: Köbler, DRG 35; Kroeschell, DRG; Beutin, W., Sexualität und Obszönität, 1990; Gleixner, U., Das Mensch und der Kerl, 1994; Kraft, S., Zucht und Unzucht, 1996; Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Klammer, P., In Unehren beschlaffen, 2004

Unzurechnungsfähigkeit ist das Fehlen der Fähigkeit, überzeugend zuzurechnen bzw. das Fehlen der Voraussetzungen der Verant­wortlichkeit eines Handelnden. Die U. wird tatsächlich schon früh beachtet, allgemein aber erst mit der Aufklärung erfasst. U. besteht insbesondere bei Kindern (Bayern 1813 bis 8, Österreich 1804 bis 10, Deutsches Reich 1871 bis 12 Jahre). → Zurech­nungsfähigkeit

Lit.: Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Hippel, R. v., Zur Begriffsbestimmung der Zurechnungsfähigkeit, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 32 (1911), 99; Schaffstein, F., Die allgemeine Lehre vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Unzurechnungsfähigkeiten, hg. v. Niehaus, M. u. a., 1998

Uplandslagh, Upplandslagh ist das bis 2. 1. 1296 geschaffene, durch fünf fast vollständige und zahlreiche bruchstückweise erhaltene Handschriften des früheren 14. Jh.s überlieferte schwedische Gesetzbuch für Uppland (Tiundaland, Attundaland, Fiärdrun­daland), Roslagen und Gästrikland. Auf Beschwerden der Bauern wird das bisherige Recht von einem wohl mit in Bologna rechtsgelehrten Beratern zusammenarbeiten­den Ausschuss gesammelt, nach Überprüfung dem Ding zur Annahme vorgelegt und nach Annahme von König Birger Magnusson bestätigt. Das U. ist in 8 Abschnitte gegliedert (22 Kapitel Kirchenrecht, 12 Kapitel Königsrecht, 25 Kapitel Erbrecht, 54 Kapitel Strafrecht, 83 Kapitel Grundstücksrecht, 11 Kapitel Kaufrecht, 29 Kapitel Dorfschafts­recht und 14 Kapitel Dingrecht). Es ist christlich beeinflusst und enthält manche Neuerung. Es beeinflusst Dalalagen, Söder­mannalagen, Västmannalagen, Hälsin­gelagen und Magnus Erikssons Landrecht, durch das es 1351/1353 weitgehend abgelöst wird. 1734 beendet das Reichsgesetzbuch Schwedens die Geltung auch im Übrigen.

Lit.: Samling af Sweriges Gamla Lagar, hg. v. Schlyter, C., Bd. 3 1834; Schwedische Rechte, hg. v., Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Corpus Codicum Sueciorum, hg. v. Strömbäck, D., Bd. 15 1960; Wallén, P., Kanoniska och germanska element, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Hafström, G., De svenska rätskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988

Uppsala entsteht im 12. Jh. als Östra Aros (östliche Flussmündung). Nach 1130 wird es Sitz des Bistums Sigtuna, 1164 eines Erzbischofs. 1314 erhält es Stadtrecht. 1477 wird eine spätestens 1530 erloschene, 1609 wiederbelebte Universität eingerichtet. Zeitweise ist U. Residenz des Königs von Schwe­den, 1707 wird es durch Brand weit­ge­hend zerstört.

Lit.: Annerstedt, C., Upsala univeristets histora, Bd. 1f. 1877ff.; Lindroth, S., Svensk lärdomshistoria, 1975; Lindroth, S., Uppsala universitet 1477-1977, 1976; Malmström, Å., Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985

Upstallsbom ist der bei Aurich gelegene Ort, nach dem der spätmittelalterliche Zusammen­schluss friesischer Gaue zwischen Weser und Zuiderzee benannt ist. Hier beraten geschwo­rene Abgesandte der einzelnen Landschaften auf Landtagen über allgemeine Angele­genheiten. 1323 schaffen sie in den (lat.) Leges (F.Pl.) Upstallsbomicae eine neue Verfassung des wenig später verfallenden Bundes.

Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; Meijering, H., De willekeuren van de Opstallsboom (1323), 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981

Uradel (1862) ist der besonders alte und (deswegen) zu besonders hohem Rang gelangte → Adel im Gegensatz vor allem zum → Briefadel.

Urbach

Lit.: Regesten zur Geschichte der Herren von Urbach, bearb. v. Uhland, R., 1958

Urbar ist das mittelalterliche und frühneu­zeitliche Güterverzeichnis (z. B. Heberegister, Salbuch, Zinsrödel) eines Grundherrn (z. B. Abtei Prüm 893, Weißenburg, Lorsch, Fulda, Werden, im Herzogtum Württemberg rund 2150 Urbare des 15.-18. Jh.s).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 81, 105; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Die Urbare der Abtei Werden, hg. v. Kötzschke, R., Bd. 1ff. 1906ff.; Die Urbare des Benediktinerstiftes Göttweig von 1302-1536, bearb. v. Fuchs, A., 1906; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Gmür, M., Urbare und Rödel des Klosters Pfäfers, 1910; Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, hg. v. Schiffmann, K., 1912f.; Zösmair, J., Das Urbar des Reichsguts in Churrätien aus der Zeit König Ottos I., Archiv für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 10 (1914), 61; Jecklin, F., Urbar des Hospizes St. Peter auf dem Septimer, 1915; Brosch, F., Siedlungsgeschichte des waxenbergischen Amtes Leonfelden, mit einem Anhang Das Leonfeldener Urbar, hg. v. Trinks, E., Jahrbuch des oberöster­reichischen Musealvereines 84 (1932); Altwürttem­bergische Urbare, hg. v. Müller, K., 1934; Das Elbogener Urbar, hg. v. Schreiber, G., 1934; Baumgartner, R., Das bernisch-solothurnische Urbar, 1938; Das Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, E., 1940; Urbare von Allerheiligen in Schaffhausen und von Beromünster, bearb. v. Kläui, P., 1941; Das Bickelspergsche Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435, hg. v. Herberhold, F., 1941; Feger, O., Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Gurker Urbare, hg. v. Wießner, H., 1951; Clavadetscher, O., Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Das Urbar des Hochstifts Augsburg von 1366, hg. v. Dertsch, R., 1954; Seckau, Pettau, hg. v. Roth, B. u. a., 1955; Das Urbar der vorderen Grafschaft Görz aus dem Jahre 1299, hg. v. Klos-Bužek, F., 1956; Altwürttem­bergische Lager­bücher aus der österreichischen Zeit 1520-1534, bearb. v. Schwarz, P. u. a., Bd. 1ff. 1958ff.; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Raisch, H., Das Esslinger Urbar von 1304, 1966; Das Hohentwiel-Lagerbuch von 1562, bearb. v. Miller, M., 1968; Das Rattenberger Salbuch von 1416, hg. v. Bachmann, H., 1970; Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969; Das Prümer Urbar, hg. v. Schwab, I., 1983; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Richter, G., Lagerbücher- und Urbarlehre, 1979; Das älteste bayerische Herzogsurbar, hg. v. Heeg-Engelhart, I., 1990; Mayer, U. u. a., Die spätmittelalterlichen Urbare des Heiliggeist-Spitals in Mainz, 1992; Fränkische Urbare, hg. v. Bünz, E. u. a., 1998; Das älteste Urbar des Priorats Reichenbach von 1427, bearb. v. Keyler, R., 1999; Das Urbar der Abtei Sankt Maximin vor Trier, bearb. v. Nolden, R., 1999; Das Urbar des Grafen Burkhard III. von Maidburg-Hardegg, hg. v. Zehetmayer, R., 2001; Das Urbar des niederösterreichischen Zisterzienserklosters Zwettl, hg. v. Schneider, G., 2002; Klose, J., Die Urbare Abt Hermanns von Niederaltaich, 2003; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Feigl, H./Stockinger, T., DIe Urbare der Herrschaften Maissau und Sonnberg, 2008

Urbino in den Marken geht auf das antike Urbinum Metaurense zurück. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Durch die pippinische Schenkung (754) fällt es an den Papst. In dem 1443/1474 errichteten Herzogtum wird 1506 eine Universität geschaffen.

Lit.: Le città nella storia d’Italia, 1986

Urfehde ist das seit dem 14. Jh. sichtbare und vom 15. Jh. bis zum 17. Jh. verbreitete Versprechen (z. B. in Freiburg im Breisgau zwischen 1331 und 1750 rund 1100 Urfehden) der Beendigung der Feindschaft, mit dem die → Fehde endet. Vielfach üblich ist auch eine U. nach Entlassung aus einer Haft. Davon wird in Preußen 1796 Abstand genommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Utsch, F., Peinliche Urfehden, 1903; Asmus, W., Das Urfehdewesen Freiburgs im Breisgau, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1923; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Ullrich, G., Ein Entwurf eines Zeitzer Urfehdebriefs, ZRG GA 59 (1939), 270; Boockmann, A., Urfehde, 1980; Blauert, A., Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten, 2000

Urgicht (F.) Geständnis

Urheber ist der Veranlasser oder Hersteller eines Ergebnisses, insbesondere eines geistigen Werkes. Seit der frühen Neuzeit entwickelt sich zu seinem Schutz das (im römischen Recht trotz Anerkennung der Urheberpersönlichkeit noch unbekannte) → Urheberrecht.

Lit.: Gillis, F., Gewährschaftszug und Laudatio auctoris, 1913; Eggert, A., Der Rechtsschutz der Urheber, UFITA 138 (1999), 183; Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft in Rom, 2004; Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008

Urheberrecht ist die Gesamtheit der den → Urheber schützenden Rechtssätze. Im Altertum genießt der Verfasser eines Werkes zwar bereits Ruhm und wird auch der Plagiator eines Werkes gesellschaftlich geschmäht, doch gibt es Recht (Eigenum, Besitz) nur am einzelnen Werkstück und ist die Abschrift eines Textes nicht rechtswidrig. Das U. gewinnt kurz nach Gutenbergs Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Lettern (um 1440-1454), der die preiswerte Vervielfältigung von Gedanken auf dem seit dem 13. Jh. verwendeten billigeren Papier ermöglicht, seine erste größere Bedeutung. Es beginnt mit der Erteilung von privilegierenden Patenten zugunsten (der Verwerter) einzelner Erfindungen (England um 1350), denen in Venedig 1474 eine erste allgemeine Regelung folgt. Insbesondere Drucker werden gegen billiger mögliche Nachdrucke durch Strafen vorsehende Privilegien geschützt. Zahlungen an den Urheber sind zunächst nur Ehrengeschenke. Im Gefolge der Aufklärung entsteht über die aus vielen Privilegien des 16. und 17. Jh.s gegen den Nachdruck erwachsende Lehre von einem Verlagseigentum (17. Jh.) seit dem Anfang des 18. Jh.s die Lehre vom → geistigen Eigentum, die sich im 19. Jh. nach englisch-französischem Vorbild (1710 Statute of Anne, Frankreich 1791, 1793) für einige Zeit durchsetzt (Preußen 11. 6. 1837, gemeinsame Grundsätze der Bundesversamm­lung des Deutschen Bunds vom 7. 11. 1837, Norddeutscher Bund 1870, Urheberrechts­gesetz des Deutschen Reiches vom 11. Juni 1870, Gesetze betreffend den Schutz von Werken der Kunst und Photographie 1876, Literatururhebergesetz vom 19. Juni 1901 [Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst], Kunsturhebergesetz 1907, Schweiz 1883, Österreich 1895), bis sie in Deutschland durch den pandektistischen, auf körperliche Gegenstände beschränkten Eigentumsbegriff (des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900) wieder verdrängt wird. Mit der Herausbildung eines freien Schriftstellertums entsteht die Vorstellung eines Urhebervermögensrechts. International bedeutsam wird die Berner Übereinkunft (1866), nach der die beteiligten Staaten das inländische Recht des Leistungsschutzes auf die Angehörigen aller Teilnehmerstaaten erstrecken 1952 Weltur­heberrechtsakommen, E. 20. Jh.s Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights). Im 20. Jh. wird der Schutz des Urhebers ausgedehnt (70 Jahre nach dem Tod). Allerdings bedarf der Urheber in der Regel zur wirtschaftlichen Verwertung seiner Gedanken wirtschaftlich erfahrener, durch Vertrag viele der Rechte des Urhebers gegen Entgelt übernehmender Mittelsmänner (z. B. Verlag, der nach dem Verlagsvertrag die wirtschaftlichen Rechte des Autors durch ein Honorar von 5-10 Prozent des Ladenpreises des einzelnen verkauften Buches entgilt).

Lit.: Köbler, DRG 184, 205, 218, 272; Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1956; Gieseke, L., Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, 1957; Bappert, W., Wege zum Urheberrecht, 1962; Seemann, H., Volkslied und Urheberrecht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,737, 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Bosse, H., Autorschaft ist Werkherrschaft, 1981; Hundert Jahre Urheberrechtsgesetz, 1983; Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es?, hg. v. Dittrich, R., 1988; Wadle, E., Der Bundesbeschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck, ZRG GA 106 (1989), 198; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Wadle, E., Savignys Beiträge zum Urheberrecht, (in) Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Wadle, E., Zur Geschichte des Urheberrechts in Europa, (in) Entwicklung des europäischen Urheberrechts, 1989; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes, hg. v. Dittrich, R., 1991; Historische Studien zum Urheberrecht, hg. v. Wadle, E., 1993; Schulze, E., Geschützte und ungeschützte Noten, 1995; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Püschel, H., Die Parsifal-Frage, ein rechtshistorisches Phänomen, ZRG GA 113 (1996), 307; Ellins, J., Copyright Law, Urheberrecht, 1997; Materialien zum Urheber­rechtsgesetz, hg. v. Schulze, M, Bd. 1f. 2. A. 1997; Kurz, P., Die Geschichte des Arbeitnehmer­erfinderrechts, 1997; Wadle, E., Preußische Pri­vilegien, (in) Musik und Recht, 1998, 85; Schack, H., Die ersten Urheberrechtsgesetze in den Vereinigten Staaten von Amerika 1783-1786, UFITA 136 (1998), 219; Seville, C., Literary Copyright Reform in Early Victorian England, 1999; Sherman, B./Bently, L., The Making of Modern Intellectual Property Law, 1999; Wadle, E., Das Scheitern des Frankfurter Ur­heberrechtsentwurfes von 1819, UFITA 138 (1999), 153; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzs, 2000; Nomine, R., Der königlich preußische lite­rarische Sachverständigen-Verein, 2001; Kawohl, F., Urheberrecht der Musik in Preußen, 2002; Maracke, C., Die Entstehung des Urheberrechtsgesetzes von 1965, 2003; Schriks, C., Het kopijrecht, 2004; Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen Antike, 2004; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Dulken, S. van, Ideen, die Geschichte machten, 2004; Müller, L., Das Urheberpersönlichkeitsrecht, 2004, Vogt, R., Die urheberrechtliche Reformdiskussion in Deutschland während der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, 2004; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im Rechtsverkehr, 2004; Bandilla, K., Urheberrecht im Kaiserreich, 2005; Balogh, E., Der Einfluss des deutschen Rechts auf den ersten ungarischen Gesetzentwurf zum Urheberrecht, ZRG GA 123 (2006), 305; Gergen, T., Das württembergische Privilegiensystem gegen den Büchernachdruck, UFITA 2006, 189; Feld, A., Das bayerische Gesetz zum Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und Kunst gegen Nachdruck vom 15. 04. 1840, 2007; Wadle, E., Urheberrecht zwischen Gestern und Morgen, 2007; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19. Jahrhundert, 2007; Löhnig, M., Vom Schrifteigentum - das erste deutsche Urheberrecht in Art. 577da-dh des badischen Landrechts, UFITA 1997, 783ff.; Gergen, T., Zum Urheberrecht Hannovers im 18. und 19. Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 181; Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008; Mohnhaupt, H., Zur Entstehung der Rechtsdisziplin Urheberrecht im 19. Jahrhundert (in) Grundlagen und Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, L. u. a., 2008, 131

Uri ist der Ort am Vierwaldstätter See, der 732 erstmals erwähnt wird und dem König Heinrich (VII.) die Reichsunmittelbarkeit bestätigt. 1291 schließt sich U. mit → Schwyz und Unterwalden gegen → Habsburg zusam­men. U. ist ein Urkanton der → Schweiz, in dem die Landsgemeinde 1928 durch Urwahlen ersetzt wird.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Schlachtjahrzeit von Uri, hg. v. Wymann, E., 1916; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Stadler-Planzer, Hans, Geschichte des Landes Uri, Teil 1 1993

Urkunde ist die verkörperte Gedanken­erklärung, die allgemein oder für Eingeweihte verständlich ist, den Aussteller erkennen lässt und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet und bestimmt ist bzw. das unter Beobachtung bestimmter Formen ausgefertigte und beglaubigte Schriftstück über Vorgänge rechtserheblicher Natur (Ahas­ver von Brandt). Da die U. die Schriftlichkeit voraussetzt, fehlt sie den Germanen im Gegensatz (zu altorientalischen Kulturen und) zu den Römern, bei denen sie (lat. [N.] instrumentum) als Zeugenurkunde (lat. [F.] testatio) auf Wachsdoppeltäfelchen in objektiver d. h. dritter Person gehaltener Fassung oder seit dem 2./1. Jh. v. Chr. nach griechischem Vorbild als zeugenloses, eigen­händiges, subjektiv gefasstes Handschreiben (lat. [N.] chirographum) vielfach errichtet und durch Verdoppeln oder Zusammenfalten (Di­plom) vor Beschädigung oder Verfälschung geschützt wird. Später erscheinen in Rom auch Anfänge gewerbsmäßiger Ausstellung und öffentlicher Beurkundung. Fortgeführt ins Mittelalter wird die U. durch die Kirche. Die Zahl der erhaltenen merowingischen Urkun­den beträgt etwa 700, die der karolingischen etwa 10000, die der ottonisch-salischen etwa 3000, wobei die Königsurkunde (ca. 4000 im Früh­mittelalter) gegenüber der Privaturkunde (fast 10000) zeitweise gänzlich vorherrscht. Gegliedert ist jede U. grundsätzlich in Protokoll (Invokation [Gottes], Intitulation [des Ausstellers], Inskription [Nennung des Empfängers], Sa­lutation [Gruß]), Kontext (Arenga [allgemeine Begründung der Ausstellung], Promul­gation [Verkündung}, Ereignisbericht [lat. narratio], Bitte um Urkunden­ausstellung, Dispositio [eigentliches Rechtsgeschäft, Verfügung], Confirmatio und/oder Pönformel, Beglaubi­gungsmittel [lat. corroboratio]) und Escha­takoll (Actum, Schlussdatierung, Aus­stellerunterschrift, Zeu­gen­unterschriften und die Schreiberformel [Rekognition], evtl. Gebetsformel). Im 13. Jh. nimmt die Zahl der Urkunden unübersehbar zu, zumal die Schreibfähigkeit immer mehr verbreitet wird. Veröffentlicht sind seit dem 17. Jh. vor allem die älteren Urkunden in Urkundenbüchern. Der Bestraf­ung der Urkundenfälschung dienen später besondere Strafvorschriften.

Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, WAS; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Brunner, H., Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880; Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reich, ZRG GA 1 (1880), 89; Posse, O., Die Lehre von den Privaturkunden, 1887; Hübner, R., Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Vancsa, F., Das erste Auftreten der deutschen Sprache, 1895, Neudruck 1963; Erben, W./Schmitz-Kallenberg, L./Redlich, O., Urkundenlehre, 1907ff.; Redlich, O., Die Privatur­kunden des Mittelalters, 1911; Mitis, O. Frhr. v., Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, 1912; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, 4. A. 1968ff. (unv. Neudruck); Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911, Neudruck 1967; Urkunden zur Geschichte der Territo­rialverfassung, hg. v. Sander, P./Spangenberg, H., 1922f.; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1927; Corpus der altdeutschen Originalurkunden, begr. v. Wilhelm, F., Bd. 1ff. 1929ff.; Ketner, F., De oudste oorkonden van het klooster Bethlehem bij Doetinchem, 1932; Santifaller, L., Urkundenforschung, 1937; Honsel­mann, K., Von der carta zur Siegelurkunde, 1939; Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Do­kumente, 1941; Meisner, H., Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit, 2. A. 1952; Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien, 1951; Chartae latinae antiquiores, hg. v. Bruckner, A., Bd. 1ff. 1954ff., Neuere Editionen mittelalterlicher Königs- und Papsturkunden, (berab.) v. Santifaller, L., 1958; Tessier, G., Diplomatique royale française, 1962; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Zinsmaier, P., Die Urkunden Philipps von Schwaben und Ottos IV. (1198-212), 1969; Hlavaček, I., Das Urkunden- und Kanzleiwesen des böhmischen und römischen Königs Wenzel (IV.) 1376-1419, 1970; Chaplais, P., English royal documents, 1971; Fichtenau, H., Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, 1971; Matzinger-Pfister, R., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Traditiones Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979; Zimmermann, H., Papsturkunden, Bd. 1ff. 1984ff.; Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter, 1984; Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden bis 1250, hg. v. Rück, P., 1985 (rund 11000 Urkunden); Frenz, T., Papsturkunden, 1986, 2. A. 2000; Fotografische Sammlungen mittelalterlicher Urkunden in Europa, hg. v. Rück, P., 1989; Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren, bearb. v. Hoffmann, H., 1991; Keynes, S., A Handlist of Anglo-Saxon Charters, 1991; Tropper. P., Urkundenlehre in Österreich, 1994; Kortüm, H., Zur päpstlichen Urkundensprache, 1995; Die Urkunden der Kaiserin Konstanze, hg. v. Kölzer, T., 1990; Habscheid, S., Die Kölner Urkundensprache des 13. Jahrhunderts, 1997; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12- Jahrhundert), 1997; Gröschler, P., Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und herkulanensischen Urkundenfunden, 1997; Chartae latinae antiquiores, Serie 2 (ab 800), hg. v. Cavallo, G. u. s., Bd. 51ff. 1997ff.; Kölzer T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Typologie der Königsurkunden, hg. v. Bistricky, J., 1998; Papst­urkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Urkunden und Urkun­denformulare im klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen, hg. v. Khoury, R., 1999; Hellmann, M., Tironische Noten in der Karolingerzeit, 1999; Schuler, P., Die spätmittelalterliche Vertragsurkunde, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001; Scharfenberg, S., Die Entstehungsgeschichte des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969, 2003; La diplomatica dei documenti giudiziari, hg. v. Nicolaj, G., 2004; Schulze, H., Die Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu, 2006; Vogtherr, T., Urkundenlehre, 2008; Zehetmayer, R., Urkunde und Adel, 2009

Urkundenbeweis ist der Beweis einer Behauptung durch eine (echte) → Urkunde. Die Urkunde ist bereits im römischen Recht Beweismittel im Rechtsstreit und nimmt diese Stellung auch seit dem Frühmittelalter ein. Dabei gilt die Königsurkunde als unscheltbar. Mit der Zunahme der Urkunden wächst deren Bedeutung im Verfahren weiter. Besonderen Beweiswert erlangen dabei notarielle Urkunden oder später allgemein öffentliche Urkunden.

Lit.: Kaser § 84 I 2c; Kroeschell, DRG 1, 2; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Schultze, A., Zur Lehre vom Urkundenbeweise, Zs. f. d. Privat- und öffentliche Recht 22 (1894); Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit, 1921; Schlosser, H., Spätmittel­alterlicher Zivilprozess, 1971

Urkundenbuch ist seit dem 19. Jh. die moderne wissenschaftliche Ausgabe älterer → Urkunden eines bestimmten Bereiches (Stadt, Land, Verband usw.) in einem Buch (z. B. der Königsurkunden [Diplomata] in den [lat.] Monumenta [N.Pl.] Germaniae Historica).

Lit.: Köbler, DRG 6; Urkundenbuch des Klosters Mariengarten, hg. v. Boetticher, M. v., 1987; Köbler, G., Einfache Bibliographie europäisch-deutscher Rechtsgeschichte, 1990, 16, 23, 24, 25; Urkundenbuch des Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.; Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Irgang, W./Kersken, N., 1998; Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1ff. 1162ff., bearb. v. Graber, T., 2006ff.; Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v. Homeyer, J., 2006

Urkundenfälschung ist die Herstellung einer echten Urkunde, die Verfälschung einer unechten Urkunde oder der Gebrauch einer unechten oder verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr. Etwa die Hälfte der me­rowingischen Urkunden ist ebenso unecht wie das bekannte → (lat.) privilegium (N.) maius (größeres Privileg) Rudolfs IV. von Habsburg für Österreich von 1358/1359. Seit 1198 wendet sich die Kirche entschieden gegen U. Später wird die U. ein Straftat­bestand.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hirsch, H., Urkundenfälschungen aus dem regnum Arelatense, 1937; Herde, P., Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung des Fälschungsdelikts, Traditio 21 (1965), 291; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007

Urkundenlehre (Diplomatik) → Urkunde

Lit.: Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, Neudruck 1968

Urkundenschelte ist im Frühmittelalter die Behauptung, eine von einem anderen vorgelegte Urkunde (Privaturkunde) sei falsch. Im Rechtsstreit kommt es dann zur Eidesleistung oder zum Zweikampf. Unscheltbar, aber nicht zugleich unangreifbar, ist die Königsurkunde.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Urlaub ist ursprünglich allgemein die Erlaubnis, seit dem 19. Jh. (erlaubte,) meist bezahlte arbeitsfreie Arbeitszeit. Der Umfang von U. ist in besonderen Gesetzen, Tarifver­trägen und Einzelverträgen geregelt und umfasst meist 4 bis 6 Wochen im Jahr.

Lit.: Köbler, DRG 273; Leinemann, W./Linck, R., Urlaubsrecht, 1995

Urschwabenspiegel → Schwabenspiegel

Lit.: Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975

Urschweiz → Schweiz

Lit.: Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941

Urteil ist die gerichtliche, vor allem in neueren Zeiten einer besonderen Form bedürftige Entscheidung. Das U. fällt im altrömischen Zivilverfahren grundsätzlich der Richter (lat. [M.] iudex), bei den Ge­r­manen die Volksversammlung und im Mittelalter die Gesamtheit der Schöffen (nicht dagegen der Richter). Im Frühmittelalter ist das U. dabei meist zweizüngig und deshalb in seinem Ergebnis vom Verlauf eines außerge­richtlichen Beweises abhängig. Seit der frühen Neuzeit verdrängt der gelehrte Richter den Laienschöffen aus der Urteilsfällung. Das U. wird schriftlich und immer stärker förmlich festgelegt. Im 19. Jh. setzt der Liberalismus eine eingeschränkte Wiederbe­le­bung des Laien als Urteiler bzw. Laienrichter durch (Geschworenengericht, → Schwurge­richt usw.). Seit dem Spätmittelalter ist das U. regelmäßig durch Appellation, später durch Berufung und Revision überprüfbar (Öst­erreich Berufung und Nichtigkeitsbe­schwer­de.

Lit.: Kaser §§ 54 II, 84 II, 87 I 8; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 70, 86, 116, 118, 155, 201, 202, 203; Köbler, WAS; Seyler, R./Barth, C., Urteil und Beschaydt, Bd. 1ff. 1604ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Boden, F., Das Urteil im altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 44; Das älteste Urteilsbuch des holsteinischen Vier­städtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Sohm, C., Die unbestimmte Verurteilung in Preußen, 1939; Erler, A., Sich selbst das Urteil sprechen, Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 17 (1943), 143; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Ebel, W., Studie über ein Goslarer Ratsur­teilsbuch, 1961; Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965; Landwehr, G., „Urteil fragen“ und Urteil finden, ZRG 96 (1969), 1; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Weitzel, J., Die Formel consilio et iudicio, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 573; Werkmüller, D., Et ita est altercatio finita, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Meder, S., Urteilen, 1999; Urteilen/Entscheiden, hg. v. Vismann, C. u. a., 2005; Mangold, O., Iniuria iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004

Urteiler ist der vom Richter verschiedene Verfasser eines Urteils im mittelalterlichen Recht (→ Rachinburge, Schöffe).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440

Urteilsbegründung ist die Angabe von Gründen für den Inhalt eines Urteils. Die U. findet sich schon im römischen Altertum in etwa einem Drittel der von römischen Rechtskundigen überlieferten Fälle. Im Mittelalter begegnet sie eher selten und wird von der Rechtslehre wegen der damit vergrößerten Gefahr der Angreifbarkeit eher abgelehnt. Seit der Neuzeit wird sie mehr und mehr (aus eigenem Interesse der Entschei­dungsträger) selbverständlicher bzw. notwen­diger Bestand des Urteils (Reichskammer­gericht 1555, Reichsabschied 1654, Sachsen 1715, Preußen 1748/1793, Bayern 1818, Württemberg 1848).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155; Brinkmann, R., Über die richterlichen Urteilsgründe, 1826; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen, 1960; Horak, F., Rationes decidendi, 1969, 290; Die Entscheidungsbegründung, hg. v. Sprung, R. u. a., 1974; Brüggemann, J., Die richterliche Begründungspflicht, 1971; Sellert, W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Kriechbaum, M., Urteilsbegründung in der mittelalterlichen Rechtslehre, Gedächtnisschrift Jörn Eckert, 2008, 505; Brom, C., Urteilsbegründungen im „Hoge Raad van Holland, Zeelnd en West Friesland, 2008

Urteilsbestätigung ist die in der frühen Neuzeit in bestimmten Fällen notwendige Bestätigung eines Urteils durch den absoluten Landesherrn (z. B. hängt in Preußen im 18. Jh. ein die Todesstrafe oder eine mindestens zehnjährige Gefängnisstrafe verhängendes Urteil von der Bestätigung des Staatsober­haupts ab). Das Urteil wird erst mit der Bestätigung voll wirksam. Im 19. Jh. wird die U. beseitigt (Württemberg 1819).

Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 255

Urteilserfüllungsgelöbnis ist im Frühmittelalter das Versprechen der Prozesspartei, ein Urteil zu erfüllen. Bestand und Häufigkeit sind zweifelhaft.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985

Urteilssammlung ist die seit dem Hochmittelalter (Reichslandfriede von 1235) erkennbare Sammlung von Urteilen einzelner Gerichte (z. B. Lübeck, Ingelheim, Goslar, Halle). 1563 veröffentlicht Joachim → Mynsinger von Frundeck eine Sammlung von Urteilen des Reichskam­mergerichts (Gail 1578, Carpzov für Leipzig und Dresden 1646, Mevius für Wismar). Dem folgen im 18. Jh. Sammlungen der Urteile der meisten Ober­gerichte. Im 19. Jh. wird dies selbstverständlich (preußische Gerichtshöfe 1828, Reichsgericht 1879ff.).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Mynsinger von Frundeck, J., Singularium observationum ... centuriae quattuor, 1563; Franklin, O., Sententiae curiae regiae, 1870; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 427; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., Bd. 2 2 1976, 1343; Gehrke, H., Die privat­rechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Mohnhaupt, H., Sammlung und Veröffentlichung von Rechtsprechung, (in) Geschichte der Zentraljustiz, 1994, 403

Urteilsschelte ist die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Urteils. Sie führt im Frühmittelalter vermutlich zum Zweikampf zwischen Urteilsverfasser und Urteilsschelter. Dies hält noch der Sachsenspiegel (1221-1224) für möglich, ohne dass die Rechtswirklichkeit entsprechende Fälle be­legt. Vielmehr ent­scheidet im Hochmittelalter über die U. bereits das höhere Gericht bzw. im höchsten Gericht die Beratung unter allen Urteilern. In der frühen Neuzeit unterliegt die U. der Appellation und Läuterung bzw. später der Berufung und der Revision.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116, 155; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Gebauer, C., Studien zur Geschichte der Urteilsschelte, ZRG 17 (1896), 33; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio finita“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110

USA (Vereinigte Staaten von Amerika)

Usucapio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die → Ersitzung des Eigen­tums nach zivilem Recht, von der später Sachen des (lat. [M.]) fiscus ausgenommen werden. Sie erfordert Eigenbesitz, gültigen Erwerbsgrund (lat. iusta causa [F.]), Zeitablauf und guten Glauben ([lat.] bona fides [F.]) des Erwerbers bezüglich be­stimmter Tatsachen. In spätantiker Zeit wird die u. im Westen durch eine Verjährung von 40, später 30 Jahren verdrängt, während Justinian von u. in drei Jahren bei beweglichen Sachen und von (lat.) longi temporis praescriptio (F.) von 10 bzw. 20 Jahren bei Grundstücken spricht.

Lit.: Kaser §§ 25 II, IV, 26 I 2, 27 I 3, 28 II 1b, 29 I 3b; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 40, 61

usucapio (F.) pro herede (lat.) Erbschafts­ersitzung (im altrömischen Recht)

Lit.: Köbler, DRG 23

usurae (lat. [F.l.] Zinsen

Usus (lat. [M.]) ist seit dem altrömischen Recht der Gebrauch z. B. des Ersitzenden. Lebt eine Frau ein Jahr mit einem Mann ununterbrochen in gültiger Ehe, so erlangt der Mann (durch u.) die Gewalt über sie (lat. uxor [F.] in manu). Verbringt sie vor Ablauf des Jahres drei Nächte außerhalb des Hauses, beginnt die Jahresfrist neu zu laufen. Im klassischen römischen Recht wird u. zu einem beschränkten dinglichen Recht.

Lit.: Kaser §§ 19 II 1, 29 II, 58 V 2c; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 22, 25, 41; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281

Ususfructus (lat. [M.]) ist im römischen Recht seit dem 3. Jh. v. Chr. der → Nießbrauch als ein zunächst höchst­persönliches Nutzungsrecht zur Versorgung abgeschichteter Familienmit­glieder, später als beschränktes dingliches Recht.

Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 3, 24 V 1, 27 II, 29 I, 59 II 7a, 60 II 4c; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 41; Heger, M., Der Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004

Usus (M.) modernus pandectarum (lat.) ist der zeitgenössisch-moderne Gebrauch der Pandekten in Europa im 16.-18. Jh. (im engeren Sinn seit 1650 [1643 Conring, Hermann, De origine iuris Germanici, Vom Ursprung des deutschen Rechts]). Er passt in zeitlicher Parallele zur Verselbständigung der Territorien gegenüber Reich und Kaiser das römische Recht in bewusster Lösung von der älteren Tradition den Bedürfnissen der frühen Neuzeit durch Ausscheiden, Verändern und Ergänzen an (z. B. Anerkennung des Grundsatzes Kauf bricht nicht Miete oder des Erbvertrags<9. Anscheinend tritt in ihm auch ein neues Verständnis von Rechtsgeltung zu Tage. Namengebend für diesen Zeitabschnitt ist ein Werk Samuel Stryks ([Lentzen 22. 11. 1640-Halle 23. 7. 1710,] 1690 Specimen usus moderni pandectarum ad libros V priores, Ausdruck erstmals anscheinend verwendet von Samuel Stryk 1667). Bedeutende Juristen dieser Zeit sind → Conring, → Schilter, → Struve, → Stryk, → Thomasius, → Böhmer, → Heineccius, → Leyser, → Kreittmayr und → Höpfner. Nicht wirklich erfasst wird die Kanonistik, die bruchlos mit dem mittelalterlichen Recht verbunden bleibt. Die Anerkennung heimischen Rechts bewirkt eine gewisse Nationalisierung des Rechts.

Lit.: Kaser § 1 III 3; Kroeschell, DRG 3; Molitor, E., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 1949 (fortgesetz v. Schlosser, H.); Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1975, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Wiegand, W., Studien zur Rechts­anwen­dungslehre, 1977; Schröder, J., Wissenschafts­theorie, 1979; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Usus modernus und Dogmengeschichte des Privatrechts, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. v. Simon, D., 1987, 233, 279; Wesener, G., Die privatrechtlichen Normen des usus modernus, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 279; Voppel, R., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Brauneder, W., Europäisches Privatrecht, 1997; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Willoweit, D., Der usus modernus oder die geschichtliche Begründung des Rechts. Zur rechtstheoretischen Bedeutung des Methodenwandels im späten 17. Jahrhundert, (in) Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000, 229

Utilitarismus (M.) Nützlichkeitslehre (Benthams 1748-1832 und Mills)

Lit.: Kaser § 36 II 4; Köbler, DRG 63, 65, 166; Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974

utilitas (lat. [F.]) Nützlichkeit (des dienenden Grundstücks für das herrschende bei einer → Dienstbarkeit des römischen Rechts)

Lit.: Kaser § 28 I 3

Utilitätsprinzip (N.) Nützlichkeitsgrundsatz (z. B. haftet die durch ein Rechtsverhältnis weniger begünstigte Partei nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

utlagr (anord.) rechtlos

Utopie ([nirgendwo als Wirklichkeit bestehende] Wunschvorstellung) ist im Staats­­­recht die Vorstellung eines alle Fragen menschlichen Zusammenlebens bestmöglich lösenden Gemeinwesens.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 733; Morus, T., De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, 1516; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994, 10. A. 2003; Seibt, F., Utopia, 1972; Ahrbeck, R., Morus, Campanella, Bacon, 1977; Literarische Utopien von Morus bis zur Gegenwart, hg. v. Berghahn, K. u. a., 2. A. 1986; Kreyssig, J., Die Utopien des Thomas Morus, 1988

Utrecht ist die am Ort der römischen Militärstation (lat.) (ultra) Traiectum (M.) ad Rhenum (Übergang am Rhein) entstehende Stadt, die im 8. Jh. Sitz eines Bischofs wird. 1579/1648 löst sich U. mit der Union der Niederlande vom Heiligen römischen Reich (deutscher Nation). 1636 wird eine Universität in U. errichtet.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Enklaar, Th., Het landsheerlijk bestuur in het sticht Utrecht, 1922; Avis, J., De directe belastingen in het sticht Utrecht, 1930; Mulders, H., Das Archidiakonat im Bistum Utrecht, 1943; Immink, P., De wording van staat en souvereiniteit, 1942; Blijstra, R., 2000 jaar Utrecht, 1968; Doeleman, F., De Heerschappij van de Proost van Sint Jan, 1982; Große, R., Das Bistum Utrecht, 1986; Rechtsgeleerd Utrecht, hg. v. Bergh, G. van den, 1986; Ahsmann, M., Bibliographie van hoogleraren, 1993; Kuys, J., Kerkelijke organisatie in het middeleeuwse bisdom Utrecht, 2004

UWG ist die Abkürzung für das 1896 geschaffene deutsche Gesetz gegen den → unlauteren Wettbewerb.

Lit.: Köbler, DRG 176, 218

uxor (lat. [F.]) Ehefrau

Lit.: Köbler, DRG 22; Eggenstein, A., Uxor und Feme Covert, 1995

 

 

V

 

Vacarius (Lombardei um 1120–England nach 1198) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna um 1143 Rechtsberater des Erzbischofs von Canterbury bzw. um 1160 Rechtsberater des Erzbischofs von York. Er lehrt um 1170/80 in Lincoln. In seinem (lat.) Liber (M.) pauperum (Buch der Armen) bietet er ergänzte Texte aus → Digesten und Codex.

Lit.: The Liber Pauperum of Vacarius, hg. v. Zulueta, F. de, 1927, Neudruck 1972; Stein, P., Vacarius and the Civil Law, (in) Church and Gouvernment in the Middle Ages, 1976, 119; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 246

vadimonium (lat. [N.]) Bürgschaft, Erscheinen vor Gericht, (mlat.) Wette

Lit.: Kaser § 82 I; Rodger, A., Vadimonium to Rome, ZRG RA 114 (1997), 160

vadium (lat. [N.]) Pfand, (mlat.) Wette

Valencia am Turia wird 138 v. Chr. von den Römern gegründet. Nach Einnahmen durch Westgoten (413) und Araber (714) wird es 1021 Vorort eines selbständigen Königreichs. Das 1102 wieder von den Mauren eroberte V. wird 1238 von → Aragonien gewonnen und 1309 mit ihm durch Personalunion verbunden. Seine Sonderrechte werden 1707 beseitigt. Die Stadt V. erhält 1502 eine Universität. → Furs de V.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 2,2,274; Guinot, E., Els limits del regne, 1995; Hinojosa Montalvo, J., Diccionario de historia medieval del Reino de Valencia, 2002

Valentinian III. ist der römische Kaiser (425-455), unter dem 426 n. Chr. das sog. Zitiergesetz erlassen und 446 das eigenhändig geschriebene Testament zugelassen wird.

Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 52, 60; Demandt, A., Die Spätantike, 1988

Valerische (lat.) provocatio (F.) ist im altrömischen Recht die Anrufung der → Volks­versammlung (Zenturiatkomitien) ge­gen ein Urteil im magistratischen Straf­verfahren.

Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Valin, René-Josué (La Rochelle 1695-1765) ist der Verfasser des ersten ausführlichen commentaire sur l’Ordonnance de la marine.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2,1, 1977

Valois (1328-1498) → Kapetinger

valvassor (lat. [M.] ) Aftervassall, Grundeigentümer (A. 11. Jh.), Ritter

Lit.: Guilhiermoz, P., Essai sur l’origine de la noblesse, 1902; Keller, H., Adelsherrschaft, 1979; Menant, F., Campagnes lombardes au Moyen Age, 1993

Vandale, Wandale ist der Angehörige des bei Plinius dem Älteren (um 23 v. Chr.-79 n. Chr.) erstmals erwähnten, in der Völker­wanderung wohl von der Ostsee 406/429 nach Nord­afrika ziehenden, vielleicht 80000 Ange­hörige zählenden, 455 Rom plün­dernden, 533/534 von → Byzanz unterworfenen, germanischen Volkes.

Lit.: Schmidt, L., Geschichte der Wandalen, 1901; Diesner, H., Das Vandalenreich, 1966; Francovich Onesti, N., I Vandali, 2002; Castritius, H., Die Vandalen, 2007; Howe, T., Vandalen, Barbaren und Arianer, 2007; Berndt, G., Konflikt und Anpassung, 2007

Vare (mhd.) ist die im Hochmittelalter quellenmäßig bezeugte Gefahr, ein Verfahren durch Versprechen (z. B. Stottern, Husten) usw. zu verlieren. Gegen diese v. wird der → Fürsprecher geschaffen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116

Vasall (M.) Lehnsmann

Vasallität als (nach h. M.) personenrechtliche Wurzel des Lehnsverhältnis ist das ältere Verhältnis (zu kelt. gwas [M.] Knecht), bei dem nach einem Ergebungsakt der Herr Schutz und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und Dienste (Heerfahrt und Hof­fahrt gewährt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen, 6. A. 1983; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Deutinger, R., Seit wann gibt es Mehrfachvasallität?, ZRG GA 119 (2003), 78

vassus (lat. [M.] 6. Jh.) Vasall, Mann

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW

Vater ist der Erzeuger eines Kindes. In der patriarchalischen Gesellschaft steht der V. als Hausvater oder Familienvater im Mittelpunkt der Familie. Im Zweifel wird als V. vermutet (Vaterschaftsvermutung), wer der Mutter innerhalb der Empfängniszeit (300-180 Tage vor der Geburt) beiwohnt, doch kann die Vaterschaft mit der Va­terschaftsklage angegriffen werden. Beim unehelichen Kind gilt der Erzeuger zeitweise als nicht mit dem Kind verwandt (z. B. Bürgerliches Gesetzbuch § 1589 II, im Jahre 1969 aufgehoben). Umgekehrt kann die Stellung als V. durch Adoption erlangt werden. Der V. hat die väterliche Gewalt über das Kind. Sie wird im ausgehenden 20. Jh. durch die elterliche Sorge bzw. Obsorge (Österreich 1989) ersetzt. → Familie

Lit.: Kaser § 60; Hübner 697ff.; Köbler, DRG 21; Salis, L., Beitrag zur Geschichte der väterlichen Gewalt nach altfranzösischem Recht, ZRG GA 7 (1886), 137; Engel, P., Die personenrechtliche Stellung des Vaters, 1939; Trier, J., Vater, Versuch einer Etymologie, ZRG GA 65 (1947), 232; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Ehlert, T., Haushalt und Familie, 1991; Lipp, M., Väterliche Gewalt, ZNR 1993, 129

väterliche Gewalt → Vater

Vatikan ist die nach dem Wohnsitz des → Papstes geprägte Kurzbezeichnung für die oberste Behörde der katholischen Kirche in Rom bzw. den Kirchenstaat (1929). Im V. ist das weltweit größte und bedeutendste Archiv (vatikanisches Archiv), dessen ältere Bestände allerdings in der Zeit nach 1240 zugrundegegangen bzw. nach 1368 verteilt worden sein dürften.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,135, 3,1,245, 3,2,2355, 3,3,3229; Krautheimer, R., St. Peter’s and Medieval Rome, 1985; Reese, T., Im Inneren des Vatikan, 1998; Rossi, F., Der Vatikan, 2004; Denzler, G./Jöckle, C., Der Vatikan, 2006

vatikanisch (Adj.) den Vatikan betreffend (z. B. Konzilien [im Vatikan, 21. allgemeines Konzil 1869/1870, päpstlicher Primat, 22. allgemeines Konzil 1962-1965, Vorbereitung des Codex iuris canonici von 1983)

Vattel, Emer de (Couvet bei Neuenburg 25. 4. 1714-Neuenburg 28.12.1767), Pfarrers­sohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Naturrecht in Basel und Genf 1747 Vertreter Sachsens in Bern. 1758 veröffentlicht er (franz.) Le droit des gens (Völkerrecht), in dem er das Vernunftrecht auf das Völkerrecht anwendet (Nation, Beziehung zu anderen Nationen, Krieg, Wie­derherstellung des Friedens).

Lit.: Gugenheim, P., Emer de Vattel, 1956; Manz, J., Emer de Vattel, 1971; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007

Vaud → Waadt

Vazquez de Menchaca, Fernando (1512-1569) wird nach dem Studium der Rechte in Valladolid und Salamanca 1551 Professor in Salamanca, 1552 Richter, 1553 Finanzbe­amter und 1567 Domkapitular in Sevilla. Er ist Spätscholastiker mit humani­stischen Zü­gen, der das moderne → Naturrecht vorbe­reitet. Er setzt sich für die Freiheit der Meere und für → subjektive Rechte ein.

Lit.: Köbler, DRG 146; Carpintero, B., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Seelmann, K., Die Lehre des Fernando Vazquez de Menchaca vom dominium, 1979

vectigal (lat. [M.] ) Steuer, Abgabe

Lit.: Kaser § 30 I

Vélez Sársfield, Dalmacio (1800-1875) wird nach dem Rechtsstudium in Córdoba Anwalt in Buenos Aires, Abgeordneter und Professor. 1857 wirkt er am argentinischen Código de Commercio maßgeblich mit. 1864ff. entwirft er ein Zivilgesetzbuch nach dem Vorbild Teixeira de Freitas’.

Lit.: Chanetón, A., Historia de Vélez Sársfield, 1937; Levene, R., Manuel de Historia del Derecho Argentino, 5. A. 1985, 20

Veme → Feme

Lit.: Köbler, DRG 11, 117

Venedig entsteht innerhalb vorgelagerter Lagunen am Nordende der Adria wohl auf Grund schon römischer Anfänge seit dem Einbruch der Langobarden nach Oberitalien (568). Für den byzantinischen Exarchen von Ravenna übt ein 639 genannter (lat.) magister (M.) militum (Heermeister) die Herrschaft aus. Nach 751 verselbständigt sich V. trotz byzantinischer Oberhoheit unter einem gewählten Dogen (lat. [M.] dux, um 713-716) bis etwa 880. Seit dem 10. Jh. ist ein besonderer (lat.) usus (M.) Venetorum (Brauch der Veneter) bezeugt. Zwischen 1130 und 1148 erscheint neben dem Dogen ein (lat.) consilium (N.) sapientium (Rat der Weisen), über das der Doge bald von der tatsächlichen Entscheidungsgewalt ausge­schlossen wird. Im 13. Jh. wird V. Seehandelsgroßmacht. Ein großer Rat wählt auf Lebenszeit den Dogen und den die über die Signoria die wirkliche Herrschaft ausübenden kleinen Rat. Unter Ausschluss des Lehnswesens und unter Wahrung des Amtscharakters aller politischen Gewalt handelt eine adlige Oberschicht in den wesentlichen Fragen als Einheit. 1338 beträgt der Zahl der Einwohner Venedigs etwa 110000. Im Spätmittelalter erwirbt V. ein Herrschaftsgebiet auch auf dem Festland (sog. terra ferma). Die Eroberung Byzanzs durch die Türken, die Entdeckung Westindiens (Amerikas) und die Öffnung des Seeweges nach Indien verringern die Bedeutung Venedigs. 1551 stellt Gasparo Contarini den politischen Zustand Venedigs ausführlich dar. Seit dem 18. Jh. wird V. Protektorat → Österreichs, an das es von 1797 bis 1805 und von 1815 bis 1866 gelangt (Lombardo-Venezianisches Königreich). Danach fällt es an → Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gli statuti marittimi Veneziani fino al 1255, hg. v. Predelli, R. u. a., 1903; Battistella, A., La Republica di Venezia, 1921; Uhlirz, M., Die staatsrechtliche Stellung Venedigs zur Zeit Kaiser Ottos III., ZRG GA 76 (1959), 82; Eickhoff, E., Venedig, Wien und die Osmanen, 1970, 2. A. 1992, 3. A. 2008; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Fees, I., Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig, 1988; Rösch, G., Venedig und das Reich, 1982; Hellmann, M., Geschichte Venedigs, 3. A. 1989; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989; Rösch, G., Venedig im Spätmittelalter, 1991; Herz, D./Neumann, D., Das Hohelied der venezianischen Verfassung, JuS 1997, 1146; Venedig und die Weltwirtschaft, hg. v. Stromer, W. v., 1999; Heller, K., Venedig, 1999; Rösch, G., Venedig, 2000; Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Dumler, H., Venedig und die Dogen, 2001; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Huse, N., Venedig, 2005; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005; Venezia, hg. v. Winter, S., 2006; Eickhoff, E., Venedig - spätes Feuerwerk, 2006, 2. A. 2007; Mathieu, C., Inselstadt Venedig, 2007; Landwehr, A., Die Erschaffung Venedigs, 2007

Venetien ist das an der oberen Adria gelegene, von den Venetern besiedelte Gebiet. Seit dem 3. Jh. sind die Veneter mit den Römern verbunden. Im 14./15. Jh. gelangt V. an Venedig, 1815 mit der Lombardei zum österreichischen Königreich Lombardo-Venetien. 1866 fällt es an → Italien.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,169, 3,2,2354, 3,3,3214

Venezia → Venedig

venia (F.) aetatis (lat.) Gunst des Alters auf Wiederherstellung des früheren Zustandes (lat. restitutio in integrum)

Venire contra factum proprium (nemini licet [lat.]. Keinem ist erlaubt,) sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten (zu) begeben.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Pseudoulpian, 3./4. Jh. n. Chr., Digesten 1,7,25, pr., Azo, um 1150-um 1230, Brocardica sive generalia juris 10, 28)

Verarbeitung (lat. [F.] specificatio, zu novam speciem facere) ist die Herstellung einer neuen beweglichen Sache durch Bearbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe (z. B. Backen von Brot). Im klassischen römischen Recht sprechen die Sabinianer das Ergebnis an der neuen Sache dem Eigentümer der alten Sache zu, die Prokulianer dem Verarbeiter, eine etwas jüngere vermittelnde Meinung dem Verarbeiter nur dann, wenn die Sache sich nicht mehr in den alten Zustand zurückführen lässt. Für den Rechtsverlust kann ein Wertausgleich verlangt werden. Die V. als Eigentumserwerbsgrund mit Ausgleichs­pflicht wird in der Neuzeit aufgenommen.

Lit.: Kaser § 26 III; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schermaier, M., Materia, 1992; Behrends, O., Die Spezifikationslehre, ZRG RA 112 (1995), 195; Reitz, M., Der Tatbestand der Verarbeitung, 1996

Veräußerung ist die Weggabe eines Gegenstands an einen anderen, bei der meist eine → Übereignung stattfindet. Sie erfolgt schon früh (z. B. Tausch). Zu beachten sind Veräußerungsverbote.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 23 II 2, 59 II, III; Kroeschell, DRG 1; Walliser, P., Die Zustimmungserklärung geistlicher Gemeinschaften zu Veräußerungsgeschäften, FS 500 Jahre Solothurn, 1981

Verbalinjurie (F.) Beleidigung durch Wörter (z. B. Esel, Idiot, Blödmann, Arschloch)

Verbalkontrakt (M.) → Verbalvertrag

Verbalvertrag (Verbalkontrakt) ist im römi­schen Recht der an die Verwendung bestimmter Wörter gebun­dene → Vertrag (z. B. Stipulation, Mit­gift­zu­sage, Dienstverspre­chen des Freigelassenen).

Lit.: Kaser § 38 II 1b; Köbler, DRG 45

Verband ist die Vereinigung von Personen zu einem bestimmten Zweck. Da auch die Familie als V. angesehen wird, reicht der V. sehr weit zurück. Aus loseren Zusammenschlüssen entwickelt sich dabei allmählich die → juristische Person (19. Jh.). Der V. muss aber nicht juristische Person sein (z. B. Gewerkschaft).

Lit.: Köbler, DRG 121, 161; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Erdmann, M., Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände in Deutschland 1815-1871, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt, K., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987

Verbannung ist die im älteren römischen und mittelalterlichen Recht mögliche Bestrafung mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft durch Vertreibung aus dem von dieser Gemeinschaft beanspruchten Gebiet.

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995

Verbindung (lat. [F.] accessio) ist die schon im altrömischen Recht mögliche tatsächliche Vereinigung mehrerer Sachen verschiedener Eigentümer zu einer Einheit außerhalb eines Rechtsgeschäfts (z. B. Verwertung eines fremden Balkens bei einem Hausbau, Sonderfall, für den die actio de tigno iuncto gilt), bei der Eigentum durch den Eigentümer der Hauptsache erworben wird und der Eigentumsverlust des anderen (z. B. durch den doppelten Wert) auszugleichen ist. Bei Schaffung einer bloß zusammengesetzten Sache (z. B. Schiff), kann jeder Eigentümer Lostrennung der in seinem Eigentum verbleibenden Sache verlangen. Bei V. einer beweglichen Sache mit einem Grundstück (z. B. Einpflanzen, Hausbau auf Grundstück, Anschwemmen) gilt der Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (das Oberirdische folgt dem Grund). Die V. wird mit dem römischen Recht später aufgenommen.

Lit.: Kaser § 26 III; Köbler, DRG 25

Verbot ist die Anordnung, ein Verhalten zu unterlassen. Es findet sich schon früh (z. B. im → Bann des Königs). Erhebliche Bedeutung gewinnt das V. auch in den frühneuzeitlichen → Polizeiordnungen. Der Verstoß gegen ein V. kann mit → Strafe oder anderen Folgen bedroht werden.

Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94

Verbotsirrtum ist der Irrtum über die Rechtswidrigkeit bzw. das Verbotensein einer Tat. Der V. wird im deutschen Strafrecht im 20. Jh. entwickelt. Der unvermeidbare V. schließt Strafe aus, der vermeidbare V. ermöglicht die Strafmilderung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 264

verbrauchbar (aufbrauchbar)

Lit.: Köbler, DRG 39

Verbraucher oder Konsument ist, wer ein verbrauchbares Erzeugnis eines Herstellers erwirbt. . Der V. wird im 20. Jh. als schutz­bedürftige Vielzahl von Rechtsunter­worfenen entdeckt und z. B. in Deutschland durch das Wohnraumkündigungsschutzgesetz (1971), das Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen (1976), das Reisevertragsgesetz (1979), das Haustür­geschäftewiderrufsgesetz (1986) oder durch das Verbraucherkreditgesetz (1991) geschützt. § 13 BGB bestimmt am Ende des 20. Jh.s den V. als natürliche Person, die ein Rechts­geschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerech­net werden kann. 2002 werden die meisten der Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt.

Lit.: Köbler, DRG 266; Geyer, R., Der Gedanke des Verbraucherschutzes im Reichsrecht, 2001; Xu, H., Zur Geschichte und zum Wesen des modernen Verbraucherschutzrechts, 2003; Stolte, S., Versandhandel und Verbraucherschutz, 2005

Verbrauchsteuer ist die auf den Verbrauch eines Gutes gelegte Steuer (z. B. Tabak). Allgemeine wichtige V. im 20. Jh. ist die Umsatzsteuer.

Lit.: Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992

Verbrechen ist die rechtswidrige Tat, die mit einer bestimmten höheren Strafe (z. B. Freiheitsstrafe von einem Jahr und darüber) bedroht ist. Die wichtigsten V. sind Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl, V. gegen den Staat, V. gegen die Menschlichkeit usw. Die Absonderung der V. aus der Gesamtheit der Straftaten im Zuge des 18. Jh.s hat praktisch-systematische Gründe. Der Versuch eines Verbrechens ist in Deutschland strafbar.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 65, 119, 204, 264; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; Quanter, W., Die Sittlichkeits­verbrechen, 8. A. 1925, Neudruck 1970; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W. Sauer 1949, 44; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, 1956; Moos, R., Der Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, 1968; Wächtershauser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Hagemann, H., Vom Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Maier-Weigt, B., Der materiale Rechts- und Verbrechensbegriff, 1987; Rückerl, A., NS-Verbrechen vor Gericht, 1982; Just-Dallmann, B./Just, H., Die Gehilfen, 1988; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe, ZRG GA 112 (1995), 1; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1996; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1997; Evans, R., Tales from the German Underworld, 1998; Ludi, R., Die Fabrikation des Verbrechens, 1999; Crimes, pouvoirs et sociétés (1400-1800), hg. v. Dupont-Bouchat, M. u. a. 2003; Orte des Grauens, hg. v. Ueberschär, G., 2003; Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Siebenpfeiffer, H., Böse Lust, 2005; Baumann, I., Dem Verbrechen auf der Spur, 2006; Verbrecher im Visier der Experten, hg. v. Schauz, D. u. a., 2007

Verbrechenskonkurrenz → Konkurrenz

Verbrennen ist die durch Feuer vollzogene Todesstrafe. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Verbrannt werden z. B. Zauberer, Hexen oder Sittlichkeitsverbrecher.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tode, 1988

verbum (N.) regis (lat.) Wort des Königs, Huld, Schutz

Verdächtigung ist die Bildung eines Verdachts z. B. der Durchführung einer Straftat durch einen Menschen. Die Äußerung einer wahrheitswidrigen V. ist in Deutschland seit 1870 strafbar. Seit 1933 genügte für Strafbarkeit Leichtfertigkeit, seit 1969 ist wieder Vorsatz erforderlich.

Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003

Verdachtsstrafe ist die bei bloßem Verdacht einer Straftat verhängte, wegen des fehlenden sicheren Tatnachweises milder ausfallende Strafe. Nach gewissen älteren Ansätzen (Gaill, Berlich) wird die V. bei Carpzov (1595-1666) als Übernahme aus dem ita­lienischen Recht sichtbar. Sie wird als eine Art außerordentlicher Strafe etwa bei dem Widerruf eines Geständnisses verhängt. Die Aufklärung bekämpft die im ersten Drittel des 19. Jh.s verschwindende V. (lat. → in dubio pro reo).

Lit.: Carpzov, B., Practica nova, 1652; Holtappels, P., Die Entwicklung der Geschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965; Schaffstein, F., Verdachtsstrafe, außerordentliche Strafe und Sicherungsmittel, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 1989, 493; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1993; Thäle, B., Die Verdachtsstrafe, 1993; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Schulz, L., Normiertes Misstrauen, 2001; Schulz, L., Die praesumtio innocentiae, ZRG 119 (2002), 193

Verden

Lit.: Urkundenbuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden, Bd. 1f. bearb. v. Mindermann, A., 2001ff.; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002

Verdroß, Alfred (Innsbruck 22. 2. 1890-27. 4. 1980) wird 1924 Professor für Völkerrecht, Rechtsphilosophie und internationales Privat­recht in Wien. Er setzt sich dabei für eine universale Sicht des Rechts ein. Deshalb anerkennt er in seinem Völkerrecht (1937) auch die von den Kulturvölkern über­einstimmend anerkannten Rechtsgrund­sätze als Quelle des Völkerrechts (Univer­selles Völkerrecht 1976).

Lit.: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., 1952, 200; Ius humanitatis. FS Alfred Verdroß, hg. v. Miehsler, H., 1980; Köck, H., Alfred Verdroß, 1991

Verdun an der Maas wird von Kelten gegründet (Virodunum). Um 359 wird es Sitz eines Bischofs. 843 einigen sich in V. die Söhne Ludwigs des Frommen auf die Dreitilung des fränkischen Reiches. 879 kommt V. aus dem Mittelreich Lothars zum östlichen (deutschen) Teil des fränkischen Reiches, wo es im 13. Jh. Reichsstadt wird, 1552/1648 aber an Frankreich fällt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ettighoffer, P., Verdun, 5. A. 1985; Hirschmann, F., Verdun im hohen Mittelalter, 1995; Petry, C., Faire des sujets du roi, 2006

Verein ist die Vereinigung mehrerer Personen zu einem bestimmten Zweck. Im Privatrecht ist der V. die auf eine gewisse Dauer berech­nete Personenvereinigung mit körper­schaftlicher Verfassung, die im Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Vereine gibt es bereits im altrömischen Recht (lat. collegium [N.], sodalitas [F.], sodalicium [N.], corpus [N.]), ohne dass sich die Rechtskundigen damit näher befassen. Eine allgemeine Einrichtung des Vereins ent­wickelt sich auf der Grundlage älterer unterschiedlicher Verbände und einzelner vereins­ähnlicher Vereinigungen (z. B. Weimar 1617 Frucht­bringende Gesellschaft) erst seit dem 18. Jh. Seit desssen Mitte finden sich zunehmend politische Vereine als Vorläufer der Parteien, die aber von 1832 bis 1848 verboten werden (z. B. patriotische Gesellschaften, Lesegesellschaften, Geheim­bün­de wie die Illuminaten, Freimaurer, Gold­kreuzer, Rosenkreuzer, politische Diskus­sions­kreise wie die Berliner Mittwochs­gesellschaft von 1783, oder studentische Reformbewegungen) Ab etwa 1860 werden die politischen Vereine als Partei bezeichnet. Innerhalb der Vereine ist der rechtsfähige V. als juristische Person von der nichtrechtsfähigen, teilweise dem Gesell­schaftsrecht unterworfenen Personen­ver­einigung zu unterscheiden. Das Recht des rechtsfähigen Vereins ist auf der Grundlage des Systems der Normativbestimmungen aus­führ­lich im → allgemeinen Teil des deutschen → Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) geordnet.

Lit.: Kaser § 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 266; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 789; Menger, C., Zur Geschichte der Vereins­konzession, Diss. jur. Göttingen 1940; Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Schraysler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Schultze, W., Öffentliches Vereinigungsrecht im Kaiserreich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1757; Kögler, P., Arbeiterbewegung und Vereinsrecht, 1974; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Foerster, C., Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/3, 1982; Siemann, W., Der „Polizeiverein“, 1983; Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft, hg. v. Dann, O., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wadle, E., Der Zollverein, ZRG GA 102 (1985), 99; Schwentker, W., Konservative Vereine, 1988; Brashear, W., Vereine im griechisch-römischen Ägypten, 1993; Bär, F., Die Schranken der inneren Vereinsautonomie, 1996; Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein, 1997; Aneziri, S., Die Vereine der dionysischen Techniten, 2003; Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2005

Vereinigter Landtag ist in Preußen der aus sämtlichen Mitgliedern der acht preußischen Provinziallandtage gebildete, am 11. 4. 1847 erstmals und am 2. 4. 1848 letztmals zusammengetretene Landtag.

Lit.: Eickenboom, P., Der preußische erste vereinigte Landtag, Diss. phil. Bonn 1961

Vereinigte Staaten von Amerika (USA, erste Bezeichnung des neuen Kontinents nach dem die Verschiedenheit von Indien erkennenden Amerigo Vespucci [1451-1512] als Amerika in der Weltkarte Martin Waldseemüllers aus Freiburg im Breisgau 1507) ist der im 18. Jh. aus Kolonien Englands (, Frankreichs und Spaniens) erwachsende Staat auf dem südlichen Teil des nordamerikanischen Halbkontinents. In sei­nem Teilstaat Virginia entsteht am 12. 6. 1776 mit der Virginia Bill of Rights (Menschen­rechtserklärung) die erste formelle Ver­fassung. Am 7. 9. 1787 wird eine Verfassung geschaffen, zu deren Erläuterung 1787/1788 in Zeitungsartikeln Federalist Papers zu Gunsten repäsentativer Demokratie, Gewal­tenteilung und Grundrechten veröffentlicht werden. Im 19. Jh. setzt sich das englische Rechtssystem durch. Im Sezessionskrieg (1861-1865) verhindern die nördlichen Staaten die Abspaltung der an afrikanischen Sklaven festhaltenden südlichen Staaten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s beeinflusst das amerikanische Recht auf Grund politischer, wirtschaftlicher und technischer Über­legenheit der Vereinigten Staaten von Ame­rika alle Rechte in vielfacher Weise.

Lit.: Seagle, W., The Quest for Law 1941, (deutsch) Weltgeschichte des Rechts, 1. A. 1951, 2. A. 1958, 3. A. 1967; Jacobs, R., Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971; Eichler, H., Verfassungsbe­wegungen in Amerika und Europa, 1985; Friedmann, L., History of American Law, 2. A. 1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Bitterli, U., Die Entdeckung Amerikas, 4. A. 1992; Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, hg. v. Schambeck, H., 1993, 2. A. 2007; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; Heideking, J., Geschichte der USA, 1996; Hall, K., American legal history, 2. A. 1996; Köbler, G., Rechtsenglisch, 1996, 7. A. 2007; Die amerikanischen Präsidenten, hg. v. Heideking, J., 3. A. 2002; Sautter, U., Lexikon der amerikanischen Ge­schichte, 1997; Heideking, J./Nünning, V., Einführung in die amerikanische Geschichte, 1998; Reimann, M., Neuere Rechtsgeschichte in den Vereinigten Staaten, ZNR 20 (1998); Blumenwitz, D., Einführung in das angloamerikanische Recht, 7. A. 2003; Oxford Guide to United States Supreme Court Decisions, hg. v. Hall, K., 1999; Finzsch, N./Horteon, J./Horton, L., Von Benin nach Baltimore, 1999; Franklin, J./Moss, R., Von der Sklaverei zur Freiheit, 1999; Naether, S., Deutsche Juristen als Emigranten in den USA, (in) Beiträge zum amerikanischen Verfassungsrecht, 1999, 131; Sautter, U., Die Vereinigten Staaten, 2000; Wellenreuther, H., Geschichte Nordamerikas, Bd. 1ff. 2000ff.; Adams, W., Die USA vor 1900, 2000; Adams, W., Die USA im 20. Jahrhundert, 2000; Guggisberg, H., Geschichte der USA, 4. A. 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Dippel, H., Geschichte der USA, 6. A. 2004; Schmidt, G., Geschichte der USA, 2003; Surrency, E., History of the federal courts, 2. A. 2002; Oberg, M., Uncas, 2003; Köbler, G., Rechtsenglisch, 7. A. 2007; Dokumente zur Geschichte der Vereinigten Staaten, hg. v. Schambeck, H., 2. A. 2007; Klemke, U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007; Gerste, R., Duell ums Weiße Haus, 2008; Schild, G., Abraham Lincoln 2009; Depkat, V., Geschichte der USA, 2009; Sautter, U., Der amerikanische Bürgerkrieg 1861-1865, 2009

Vereinigungsfreiheit ist die Freiheit, Vereinigungen zu bilden. Sie entwickelt sich im 19. Jh. als Grundrecht.

Lit.: Müller, F., Korporation und Assoziation, 1965; Tillmann, H., Staat und Vereinigungsfreiheit, Diss. jur. Gießen 1976; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in) Libertas 1991, 301; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004

Vereinte Nationen (United Nations) sind der Zusammenschluss der Staaten zum Zweck der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch Kollektiv­maßnahmen. Die Vereinten Nationen ent­ste­hen als Nachfolger des Völkerbundes 1945. Grundlage ist die Charta der Vereinten Nationen. Die wichtigsten Organe sind Vollversammlung, Sicherheitsrat und Gene­ralsekretär.

Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Charta der Vereinten Nationen, hg. v. Simma, B. u. a., 1991; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Rittberger, V. u. a., Vereinte Nationen und Weltordnung, 1997; Volger, H., Lexikon der Vereinten Nationen, 2000; Die Vereinten Nationen sechs Jahrzehnte nach ihrer Gründung, hg. v. Münk, H. 2008

Verfachbuch → Grundbuch

Verfahren ist die Art oder Weise des Vorgehens bei der Bewältigung einer Aufgabe oder eines Vorhabens, insbesondere durch eine Entscheidung einer Behörde (Verwaltungs­verfahren) oder eines Gerichts über einen Antrag oder einen Rechtsstreit (Gerichtsverfahren, Prozess). V. entwickeln sich vermutlich schon früh als Ver­allgemeinerung einzelner Geschehensabläufe. Bereits die römischen Zwölftafelgesetze behandeln den Zivilprozess und bestimmen, wie der Beklagte in das Gericht (lat. ius [N.], forum [N.]) gebracht werden kann. Neben den → Zivilprozess tritt bald der besondere → Strafprozess. Aus dem Legisaktionenver­fahren (→ legisactio) wird das → Formularverfahren. Das Formularverfahren wird durch das Kognitionsverfahren (→ cognitio) abgelöst. Bei den Germanen finden Entscheidungsverfahren vermutlich zunächst in der → Volks­versammlung statt, im Frühmittelalter vor (lat.-afrk. [M.]) thunginus und Rachinburgen bzw. Graf und Schöffen. Seit dem Hochmittelalter spaltet sich das Verfahren in Zivilprozess und Strafprozess auf. Im Zivilprozess dringt oberitalienisch-kanonisches Recht ein. Im Strafprozess drängt der Inquisitionsprozess den Akkusationspro­zess zurück. Im 19. Jh. wird das V. liberalisiert und modernisiert und die → Gerichtsverfassung vereinheitlicht. Es ent­stehen neben den V. der ordentlichen Gerichtsbarkeit V. anderer Gerichtsbarkeiten (z. B. Verwaltungsgericht). Neben allgemei­nen Verfahrensgrundsätzen werden detail­lierte Einzelregelungen entwickelt.

Lit.: Kaser §§ 80 II 3, 82, 84; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 70, 86, 91, 114, 153, 200, 234, 261; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren, 1908; Bader, K., Das Schiedsverfahren, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Landes, D., Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 2. A. 1996; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Conflict in medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003

Verfahrensverweigerung ist die Verwei­gerung der Durchführung eines → Verfahrens seitens einer daran zu beteiligenden Person oder Einrichtung. Im Frühmittelalter verfällt der Beklagte, der eine Ladung missachtet, dem → Königsbann. Im Deutschen Bund kann bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die Bundesver­sammlung (Bundestag) angerufen werden.

Lit.: Köbler, DRG 92, 200

Verfallspfand ist das im altrömischen Recht ver­breitete, später zurückgedrängte, bei Pfand­reife und Unterbleiben der Schuld­tilgung in das Eigentum des Pfandgläubigers über­gehende → Pfand. Da es dem Pfand­gläubiger oft weit mehr als die Schuldtilgung ein­bringt, ist es in entwickelteren Rechts­ordnungen wegen des angemessenen Schutzes des Schuldners selten.

Lit.: Kaser § 31 II 2

Verfangenschaft ist die Beschlaglegung eines Gegenstandes zugunsten eines Rechts­subjekts. Im süddeutschen hochmittelalter­lichen Ehegüterrecht tritt in der Errungen­schafts- und Fahrnisgemeinschaft beim Tod eines Ehegatten V. der Liegen­schaften zugunsten der ehelichen Kinder ein. Das verfangene Gut darf der überlebende Ehegatte nutzen und verwalten, aber nur bei echter Not oder Zustimmung der Kinder veräußern. Bei seinem Tod fällt es an die Kinder. Möglich sind aber rechts­geschäftliche Teilung oder → Einkindschaft. Seit dem 15. Jh. verliert die V. ihre Bedeutung.

Lit.: Hübner 679; Mayer-Homberg, E., Zur Entstehung des fränkischen Verfangenschaftsrechtes, 1913; Gudian, G., Ingelheimer Recht, 1968, 188

Verfassung (zu Fass, fassen, seit dem 14. Jh. belegt) ist (materiell) der Zustand (vor allem des Staates) und (formell) den diese in seinen Grundzügen beschreibende oder ordnende Urkunde. Insofern hat jede Gemeinschaft eine V. (im materiellen Sinn). Bereits die griechische Phi­lo­sophie unterscheidet etwa als unter­schiedliche Formen Monarchie, Aristokratie, Politeia, Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie (Aristoteles). Vereinzelt halten seit dem Hochmittelalter Schriftstücke besondere tatsächlich geschaffene Grundzüge der angestrebten V. fest (z. B. Magna Charta England 1215, Mainzer Reichslandfriede 1235, Goldene Bulle 1356, ewiger Reichslandfriede von 1495 oder Wahl­kapitulation Karls V. von 1519, Augsburger Religionsfriede 1555, Westfälischer Friede 1648, England 1628 Petition of Rights, 1679 Habeas-Corpus-Akte). In England wird im 17. Jh. constitution zur Bezeichnung des Zustands (der materiellen V.) eines Staates (bodie politique), im 18. Jh. zur Bezeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand herstellen oder festlegen (formelle V.). 1776 wird mit der → Virginia Bill of Rights in Amerika die erste for­melle V. (→ Verfassungsurkunde) geschaffen (17. 9. 1787 Constitution of the United States), die bald anderen Gesetzen übergeordnet ist (1803) und bei Kollision Verfassungswidrigkeit (voidness) eines der V. widersprechenden Gesetzes bewirkt.. Dem folgen (→ Toskana Entwurf 1782, 1787 erweitert auf 145 Artikel) → Polen (3. 5. 1791, Warschau 22. 7. 1807), → Frankreich (3. 9. 1791), Genf (5. 2. 1794), Bologna (4. 12. 1796), die cispadanische Republik 27. 3. 1797), die cisalpinische Re­publik (30. 6. 1797), die ligurische Republik (2. 12. 1797), die batavische Republik (17. 3. 1798), die römische Republik (20. 3. 1798), die helvetische Republik (12. 4. 1798), die → Niederlande (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk, März 1814 Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande), Lucca (4. 2. 1799), die parthenopäische Republik (20. 3. 1799), die italienische Republik (26. 12. 1801), Wallis (30. 8. 1802), (Russland Entwurf 1804), Holland (7. 8. 1806) (, Spanien 6. 7. 1808, Neapel 6. 6. 1809, Schweden 6. 6. 1809, Sizilien 18. 6. 1812, Norwegen 17. 5. 1814, Griechenland 4. 11. 1821, Portugal 23. 9. 1822, Belgien 7. 2. 1831, Italien 4. 3. 1848, Ungarn 11. 4. 1848, Dänemark 5. 6. 1849 bzw. 26. 7. 1854, Liech­tenstein 26. 9. 1862, Rumänien 1. 7. 1866, Serbien 29. 6. 1869, Island 5. 1. 1874, Schweiz 29. 5. 1874, Türkei 23. 12. 1876, Bulgarien 16. 4. 1879) sowie im Gebiet des früheren Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation) Frankfurt (10. 10. 1806), Westphalen 15. 11. 1807, Bayern (1. 5. 1808), Anhalt-Köthen (28. 12. 1810)→ Nassau (3. bzw. 2. 9. 1814), → Waldeck (28. 1. 1814), Schwarzburg-Rudolstadt (8. 1. 1816), → Schaumburg-Lippe (15. 1. 1816), Sachsen-Weimar (5. 5. 1816), Sachsen-Meiningen-Hildburghausen (19. 3. 1818), → Bayern (26. 5. 1818), → Baden (22. 8. 1818), → Württemberg (25. 9. 1819), Hessen-Darmstadt (17. 12. 1820) sowie später z. B. Hohenzollern-Sigmaringen 1833, Österreich (1848 bzw. 1867) und Preußen (1848). Ihre Verfassungen enthalten meist eine Teilhabe des Volkes an der Macht in einem zur Gesetzgebung berufenen Parlament sowie die Sicherung von Grundrechten des Einzelnen gegen den Staat. Die von der Frankfurter Paulskirchenversammlung beschlossene V. (1848/1849) tritt nicht in Wirksamkeit. Ihr folgen die Verfassung des zweiten Deutschen Reiches (1871, ohne Grundrechte), der Weimarer Nationalversammlung (14. 8. 1919) und der Bundesrepublik Deutschland (23. 5. 1949) sowie in Österreich das Bun­desverfassungsgesetz von 1920. Die Staatslehre der Aufklärung schafft dabei ein umfassendes Bewusstsein öffentlicher Ordnung. In Abkehr vom abstrakt-ahistorischen Staatsdenken der Aufklärung wenden sich die Staatsdenker nun den historisch gewordenen Vorgegebenheiten zu. Spätestens seit dem Ende des 18. Jh.s wird die V. als den Gesetzgeber bindendes Recht verstanden (Alexander Hamilton 1788, Sieyès 1795, Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika 1803). In den Staaten des Deutschen Bundes berufen sich nach 1830 Bürger mit unterschiedlichem Erfolg ge­genüber staatlichen Eingriffen (meist Zensurmaß­nahmen) auf in Verfassungen verankerte Rechte und findet eine Kontrolle der Ver­fassungsmäßigkeit einzelner Normen bereits statt. Eine seit 2002 als Mikrofiche veröffentlichte Sammlung der Verfassungen bzw. Verfassungsdokumente Europas von 1850 bis zur Gegenwart umfasst etwa 1300 Texte. In Österreich besteht die (formelle) V. aus dem Bundesverfassungsgesetz und mehr als 1300 Verfassungsgesetzen bzw. einzelen Verfassungsbestimmungen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 831 (Mohnhaupt/Grimm); Köbler, DRG 6, 14, 18, 32, 55, 69, 82, 101, 109, 138, 147, 149, 152, 171, 182, 190, 191, 195, 221, 222, 227, 232, 245, 248, 256, 257, 258; Bisinger, J., Staatsverfassung des österreichischen Kaisertums, 1809; Hugo, G. W., Chronologische Verzeichnis der Verfassungsurkunden älterer und neuerer Zeit, 1827; Die Grundgesetze und Verfassungsurkunden, hg. v. Hugo, G. W:, 1836; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Stutz, U., Die Grundlagen der mittelalterlichen Verfassung Deutschlands und Frankreichs, ZRG GA 21 (1900), 115; Sander, P., Feudalstaat und bürgerliche Verfassung, 1906; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Lenel, P., Wilhelm von Humboldt und die Anfänge der preußischen Verfassung, 1913; Schramm, P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG GA 49 (1929), 167; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil. Röm. Reiches, ZRG GA 52 (1932), 65; Dennewitz, B./Meissner, B., Die Verfassungen der modernen Staaten, 1947; Verfassungsregister, hg. v. Menzel, E./Groh, F./Hecker,H., 1954ff.; Strathmann, F., Altständischer Einfluss auf die deutschen Territorialverfassungen der Jahre 1814/1818, Diss. jur. Mainz 1955; Pfeffer, W., Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, 1960; Schmidt-Aßmann, E., Der Verfassungsbegriff in der deutshen Staatslehre der Aufklärung und des Historismus, 1967; Birtsch, G., Die landständische Verfassung, (in) Ständische Vertretungen in Europa, 1967, 32; Floßmann, U., Landrechte als Verfassung, 1976; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1 4. A. 2004; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7. A. 1995; Grziwotz, H., Der moderne Verfassungsbegriff, 1986; Gizewski, C., Zur Normativität und Struktur der Verfassungsverhältnisse, 1988; Stourzh, G., Wege zur Grundrechtsdemokratie, 1989; Die Frankfurter Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts, 14. A. 1992; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; 1789 et l’invention de la constitution, hg. v. Troper, M. u. a., 1994; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 4. A. 2004; Caenegem, R. van, An historical introduction to Western constitutional law, 1995; Mohnhaupt, H./Grimm, D., Verfassung, 1995; Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, hg. v. Kimmel, A., 4. A. 1996; Blänkner, R., Die Idee der Verfassung, (in) Bürgerreligion und Bürgertugend, 1996; Krüger, P., Einflüsse der Verfassung der Vereinigten Staaten, ZNR 18 (1996); Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997; Verfassung als Verantwortung, hg. v. bayerischen Verfassungsgerichtshof, 1997; Graf, G., Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana, 1998; Ebel, F., Der papierene Wisch, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Verfassungen in Hessen, hg. v. Franz, E., 1998; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Die deutschen Verfassungen, hg. v. Limbach, J. u. a., 1999; Die Verfassungen Mittel- und Osteuropas, hg. v. Roggemann, H., 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2001; Schmidt, C., Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie, 2000; Verfassungswandel um 1848, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 2. A. 2001; Otto, P., Die Entwicklung der Verfassungslehre in der Weimarer Republik, 2002; Lechler, F., Parlamentsherrschaft und Regierungs­stabilität, 2002; Die Verfassungen der Welt. 1850 bis zur Gegenwart (Mikrofiche), Bd. 1 Europa, Bd. 2 Nord- und Südamerika, hg. v. Dippel, H., 2002ff.; Verfassung und Verfassungswandel, hg. v. Kroll, F., u. a., 2003; Krüger, K., Die landständische Verfassung, 2003; Kotulla, M., Das konstitutionelle Ver­fassungswerk Preußens, 2003; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Hufeld, U. u. a., 2004; Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in den konstitutionellen Verfassungssyste­men Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004; Vorländer, H., Die Verfassung – Idee und Geschichte, 2. A. 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Weimarer Landesverfassungen, hg. v. Wittreck, F., 2004; Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004; Deutsches Verfassungsrecht 1806-1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.; Bock, D., Der Eid auf die Verfassung im deutschen Konstitutionalismus, ZRG GA 123 (2006), 166; Kraus, H., Englische Verfassung und politisches Denken im ancien régime 1689-1789, 2006; Winterhoff, C., Verfassung, 2006; Constitutions of the World, Europe, Bd. 3 Deutsche Verfas­sungsdokumente, Teil 1ff. 2006ff.; Hollstein, T., Die Verfassung als „allgemeiner Teil“, 2007; Rhein­bündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Handbuch Ius Publicum Europaeum, hg. v. Bogdandy, A. v. u. a., Bd. 1f. 2007f.; Dressel, C. v. Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800-1826, 2007; Köbler, G., Von der Geschichte der Verfassung zur Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Müßig, U., Die europäische Verfassungsdiskussion des 18. Jahrhun­derts, 2008; Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, hg. v. Wahl, R., 2008; Reform an Haupt und Gliedern, hg. v. Durner, W. u. a., 2009

Verfassung der Bundesrepublik Deutsch­land ist das Bonner Grundgesetz vom 23. 5. 1949. Seine Grundrechte wollen nicht nur Programmsätze sein, sondern grundsätzlich verbindliche Kraft entfalten und Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Eine Änderung der wichtigsten Grundsätze ist nach Art. 79 III unzulässig. Inhaltlich stellt der Katalog einen pluralistischen Kompromiss auf traditioneller Grundlage dar, wobei die Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht e­benso wie die Möglichkeit der Ver­gesellschaftung von Boden und Pro­duktionsmitteln festgelegt wird. An der Spitze des Organisationsteiles steht die Entscheidung für den demokratischen und sozialen Bundesstaat, in dem alle Gewalt vom Volk ausgeht, durch besondere Organe der Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechts­prechung ausgeübt wird und Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die wichtigsten Organe sind Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 256; Robbers, G., Die Änderung des Grundgesetzes, NJW 1989, 1124; Hesse, K., Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. A. 1995; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997

Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ist die am 7. 10. 1949 geschaffene, äußerlich ziemlich konservative, aber weder Gewaltenteilung, noch Opposition noch eine gesellschaftspolitische Wahlentscheidung zu­las­sende Verfassung. Sie wird durch die Be­seitigung der Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958) und der Selbstverwaltung der Gemeinden sowie die Ersetzung des Präsidenten durch einen kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960) verändert. Die zweite V. vom 9. 4. 1968 will die inzwischen erreichten sozialen Errun­genschaften absichern und gibt in der Neufassung vom 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation auf.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 258; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989

Verfassungsbeschwerde ist nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtliche Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht zum Schutz eines dem Beschwerdeführer nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen (1951-2001 rund 127000 Verfassungsbeschwerden). Sie begegnet bereits 1818 in Bayern (an den Staatsrat, selten, einmal erfolgreich) und Baden.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257; Zuck, R., Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. A. 1988; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000

Verfassunggebende Nationalversammlung ist die Abgeordnetenversammlung, die zur Verabschiedung einer Verfassung einberufen ist (z. B. Frankfurt am Main 1848, Weimar 1919).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Verfassungsgerichtsbarkeit ist nach älteren einzelnen Ansätzen (z. B. England 1610, Pennsylvania 1776, Vermont 1777, Ver­einigte Staaten von Amerika 1803) seit dem 19. Jh. (1818, 1834) die die Überein­stimmung staatlichen Handelns mit der → Verfassung (z. B. durch Normenkontrolle, Grundrechts­verletzungsprüfung, Wahlprüfung, Amtsent­he­bungs­verfahren) überprüfende, in einzelnen Staaten aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit ausgesonderte Gerichtsbarkeit (Österreich 1920, Tsche­cho­slowakei 1920 (konnte grund­sätzlich jedes verfassungwidrige Gesetz für nichtig erklären, geriet aber in Vergessenheit), Deutsches Reich [→ Staatsgerichtshof] 1921, Bundesrepublik Deutschland 1951, Italien 1956, Frankreich 1958, Spanien 1980). In den Vereinigten Staaten von Amerika kann jedes Gericht selbständig (deklaratorisch) die Ver­fassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen, in anderen Staaten ist dazu nur das besondere Verfassungsgericht befugt.

Lit.: Stolzmann, H., Zur geschichtlichen Entwicklung des Rechts der Verfassungsstreitigkeiten, Archiv f. öffentliches Recht N. F. 16 (1929), 355; Wahl, R./Rottmann, F., Die Bedeutung der Verfassung, (in) Sozialgeschichte der Bundesrepublik, 1983, 339; Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1983; Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1986; Robbers, G., Die historische Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit, JuS 1990, 257; Brünneck, A. v., Verfassungs­gerichtsbarkeit in den westlichen Demokratien, 1992; Eisenhardt, U., Zu den historischen Wurzeln der Verfassungsgerichtsbarkeit, FS B. Diestelkamp, 1994, 17; 50 Jahre Verfassungs- und Verwaltungs­gerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1997; Böckenförde, E., Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, 9; Kluge, H./Wolnicki, B., Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, 2. A. 1999; Björner, U., Die Verfassungs­gerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich, 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Heimann, H., Die Entstehung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen Ländern und in Berlin, 2002; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der Tschechoslowakei, 2009; Haase, G. u. a., Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa, 2009

Verfassungsgerichtshof ist das (obere) Verfassungsgericht (z. B. Österreich [nach dem Reichsgericht Cisleithaniens von 1869-1918] Gesetz vom 25. 1. 1919, 3. 4. 1919 und durch Bundesverfassungsgesetz 1920 Zustän­digkeit (auf Normenkontrolle und Wahlprü­fung) sowie 1925 auf Kompetenzprüfung erweitert, Mai/Juni 1933 durch die Bundesre­gierung beschlussunfähig gemacht, durch die Maiverfassung 1934 aufgelöst, 12. 10. 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsak­ten an Hand der Verfassung).

Lit.: Köbler, DRG 257, 262; Baltl/Kocher; Zavadil, T., Die Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs 1933, 1997 (Diplomarbeit Univ. Wien)

Verfassungsgeschichte ist der die Geschichte der (formellen oder materiellen) → Verfassung betreffende Teil der (die V. ein­schließenden) Rechtsgeschichte (Wort seit 1825 [Müller, Alexander] belegt). Grund­legend für Deutsch­land ist die V. von Georg → Waitz. Weitere bekannte Ver­fassungsgeschichtler sind (die Historiker) Otto Hintze [1902 erstes persönliches Ordinariat für Verfassungsgeschichte an der Univerisität Berlin], Fritz Hartung, Otto Brunner oder (der Jurist) Ernst Rudolf Huber.

Lit.: Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1ff. 1844ff., Neudruck 1953ff.; Winkelmanns, E., Allgemeine Verfassungsgeschichte, hg. v. Winkelmanns, A., 1901; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Hintze, O., Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Di Costanzo, G. u. a., 1998; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen, insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Bornhak, C., Deutsche Verfassungsgeschichte vom westfälischen Frieden an, 1934; Hartung, F., Zur Entwicklung der Verfas­sungsgeschichtsschreibung in Deutschland, 1956 (SB Berlin); Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungs­geschichte des Mittelalters, 1961; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungs­geschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 1961; Schlesinger, W., Beiträge zur Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1962; Graus, F., Deutsche und slawische Verfassungs­geschichte?, HZ 197 (1963), 265; Huber, E., Bewahrung und Wandlung, 1975; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 8. A. 2001, 10. A. 2005; Gegenstand und Begriffe der Verfassungs­geschichtsschreibung, 1983; Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 1983; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Kölz, A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Caenegem, R. van, An Historical Introduction to Western Constitutional Law, 1995; Menger, C., Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. A. 1993; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungs­geschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungs­geschichte, 5. A. 2005; Frotscher, W./Pieroth, B., Verfassungsgeschichte, 1997, 2. A. 1999; 3. A. 2002, 4. A. 2003, 5. A. 2005, 6. A. 2007; Zuleeg, M., Ansätze zu einer Verfassungsgeschichte der Europäischen Union, ZNR 1997; Zippelius, R., Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, 6. A. 2002, 7. A. 2006; Brandt, H., Der lange Weg in die demokratische Moderne, 1998; Neugebauer, W., Die wissenschaftlichen Anfänge Otto Hintzes, ZRG GA 115 (1998), 540: Oestreich, G., Verfassungsgeschichte, 8. A. 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2000; Kippels, K., Grundzüge deutscher Staats- und Verfassungsgeschichte, 2001; Europäische Verfas­sungsgeschichte, hg. v. Willoweit, D. u. a., 2003 (47 Texte); Wahl, R., Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003 (Aufsätze); Kley, A., Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 2004; Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., 2004 (CD-ROM); Grothe, E., Zwischen Geschichte und Recht, 2004; Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P. u. a., Bd. 1 2006; Steiger, H., Verfassungsgeschichte im Spiegel verfassungsgeschichtlicher Studienbücher und Überblicke, ZNR 2007, 287ff.; Köbler, G., Von der Geschichte der Verfassung zur Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Kotulla, M., Deutsche Verfaqssungsgeschichte, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte, 2009

Verfassungskonflikt ist der Streit um eine grundsätzliche Verfassungsfrage (z. B. Kurhessen 1831, Hannover 1833, Preußen 1862-6).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Real, W., Der hannoversche Verfassungskonflikt, 1972; Becker, W., Die angebliche Lücke der Gesetzgebung, Hist. Jb. 100 (1980), 257

Verfassungsrecht ist die Gesamtheit der die → Verfassung betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Köbler, DRG 7; Huber, E., Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches, 1939; Mampel, S., Das Recht in Mitteldeutschland, 1966; Klecatsky, H./Morscher, S., Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. A. 1982; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht?, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 660; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989; Entstehen und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, hg. v. Mussgnug, R., 1996; Deutsches Verfassungsrecht 1806 bis 1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.

Verfassungsschutz

Lit.: Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004

Verfassungsurkunde ist die eine → Verfassung schriftlich verkörpernde Urkunde (formelle Verfassung). Verfassungsurkunden gibt es (nach wissenschaftlicher Konvention) seit 1776 (→ Virginia Bill of Rights).

Lit.: Usee, K., Der Einfluss der französischen Verfassungen, Diss. jur. Greifswald 1911; Ingelmann, A., Ständische Elemente in der Volksvertretung, 1914; Goldschmitt, R., Geschichte der badischen Verfassungsurkunde, 1918

Verfassungswirklichkeit ist der tatsächliche Verfassungszustand eines Staates im Ge­gensatz zu dem von der Verfassungsurkunde angestrebten Verfas­sungs­zustand.

Lit.: Huber, E., Verfassungswirklichkeit und Verfassungswert, FS G. Schmelzeisen, 1980, 126

Verfestung ist seit dem Hochmittelalter in Norddeutschland eine Rechtsfolge bei Ladungsungehorsam, die der → Acht ähnelt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Francke, O., Das Verfestungsbuch der Stadt Stralsund, 1875; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 291; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 433, Neudruck 1964; Feuring, A., Die Verfestung nach dem Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1995

Verfügung ist im Privatrecht das Rechts­geschäft, durch das ein Recht unmittelbar geändert, aufgehoben, übertragen oder belastet wird (z. B. Übereignung). Zu einer V. ist beispielsweise der Eigentümer befugt, doch kann der die Verfügungsbefugnis auch anderen einräumen. Verfügungsbefugt sind auch Vormund (lat. tutor) und Pfleger (lat. curator). Bereits das römische Recht unterscheidet die V. von der → Ver­pflich­tung. Ob das germanische Recht die V. kennt, ist streitig. Im 19. Jh. wird die V. von der Verpflichtung abstrahiert. Letztwillige V. ist die für den Fall des Todes über den Nachlass getroffene V. Im öffentlichen Recht ist V. ein → Verwal­tungsakt.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 11 IV, 15 I 4b, 60 II 3c, 62 II 2; Köbler, DRG 123; Demuth, E., Die wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen nach alamannisch-zürcherischem Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Schönfeld, W., Die Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Kilchmann, A., Die Verfügungen von Todes wegen nach den aargauischen Rechtsquellen, 1928; Buss, H., Letztwillige Verfügungen nach ostfriesischem Recht, Diss. jur. Göttingen 1966; Hattenhauer, H., Die Entdeckung der Verfügungsmsacht, 1969; Wilhelm, W., Begriff und Theorie der Verfügung, Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 § 30, Bd. 2 1989 § 64

Verfügungsgeschäft ist das eine → Verfügung anstrebende bzw. bewirkende → Rechtsgeschäft. Es bedarf im römischen Recht eines rechtlichen Grundes (lat. iusta caua). Im 19. Jh. wird das V. von dem Verpflichtungsgeschäft abstrahiert, so dass es auch ohne dieses wirksam ist. Dann kann aber die Verfügung auf dem Weg über die He­rausgabe einer ungerechtfertigten Berei­che­rung rückgängig gemacht werden.

Vergabung ist das Übertragen eines Gegenstandes an eine andere Person. → Schen­kung

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Vergehen ist die rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer geringeren Frei­heitsstrafe oder mit einer Geldstrafe bedroht ist. Als allgemeine Erscheinungsform wird das V. nach französischem Vorbild zu Beginn des 19. Jh.s erfasst (Bayern 1813). Der Versuch eines Vergehens ist nur bei besonderer gesetzlicher Bestimmung strafbar.

Lit.: Köbler, DRG 119, 204, 264; Hannamann, O., Über die Grenzlinie zwischen Verbrechen und Vergehen, 1805; Cucumus, K. v., Über die Einteilung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, 1823; Daimer, H., Die Unterscheidung der strafbaren Handlungen, Diss. jur. Erlangen 1915

Vergeltung ist ein → Strafzweck.

Vergewaltigung ist die Nötigung einer Frau mit Gewalt oder Drohung zum Beischlaf mit dem Nötigenden oder einem Dritten (→ Notzucht). Am Ende des 20. Jh.s wird auch die V. in der→ Ehe strafbar (Österreich 1989, Schweiz 1992, Deutschland 1997). In Deutschland wird 1997 die V. als eigenständiger Tatbestand aufgegeben und als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung eingeordnet.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000; Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Shaw, Y., Entwicklung und Reform zur Vergewaltigung in der Ehe gemäß § 177 StGB, 2005

Vergleich (lat. [F.] transactio) ist der gegenseitige Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit von Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beendet wird. Der V. ist im klassischen römischen Recht ein → Erlass, wird aber von → Justinian (527-565) hiervon abgelöst. Der V. ist auch im deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter wird das justinianische Recht aufgenommen.

Lit.: Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung, 2. A. 1971; Ebel, F., Berichtung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der Vergleich, 1988; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008

Verhaftung ist seit der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines Straftat­verdäch­tigen. Für sie verdichten sich seit der Aufklärung die gesetzlich festzulegenden Voraussetzungen.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997

Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz des Verwaltungsrechtes, dass die Verwaltung unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen nur die wählen darf, die den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Der Grundsatz der V. ist an sich naheliegend, wird aber erst im 20. Jh. artikuliert.

Lit.: Avoine, M. d’, Die Entwicklung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994

Verhältniswahlrecht (Proportionalwahlrecht, engl. block voting system) ist die Art des Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der Parlamentssitze auf die Parteien im Verhältnis der Gesamtstimmenzahl zu der auf die einzelne Partei bzw. ihre Kandidatenliste im gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zahl der Stimmen verteilt wird (z. B. Belgien 1899, Österreich 18. 12. 1918 [1992 reformiert, mindestens ein Grundmandat oder bundesweit 4 Prozent der Stimmen], Deutsches Reich 1919, pro 60000 Stimmen im ganzen Reich ein Abgeordneter). Das V. bildet einen Gegensatz zum Mehr­heitswahlrecht. Es kann klare politische Entscheidungen erschweren, entspricht aber den politischen Verhältnissen im gesamten Wahlvolk besser.

Lit.: Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung der konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, (in) Smend, R., Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60

Verhandlung ist die Erörterung eines Gegenstandes durch Beteiligte, insbesondere die Erörterung vor einem Gericht. Bei der hiervon abgeleiteten Verhandlungsmaxime des Zivilprozesses steht es bei den Parteien, welchen Streitstoff sie dem Gericht unter­breiten, so dass nicht notwendigerweise über die Wahrheit entschieden wird. Ein Gegensatz zum Verhandlungsgrundsatz ist der Grundsatz der Untersuchung durch das Gericht (z. B. im Inquisitionsprozess).

Lit.: Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte und Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirk­lichkeit, 1971

Verhör ist die eindringliche Befragung eines Menschen durch einen andern Menschen zur Ermittlung von Umständen, insbesondere die Befragung von Verdächtigen durch einen Ermittler.

Lit.: Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Niehaus, M., Das Verhör, 2003

Verjährung ist der durch Zeitablauf eintretende Rechtsverlust. In fester Form wird die V. als (lat.) praescriptio (F.) temporis aller Klagen von den römischen Kaisern Honorius (393-423) und Arcadius bzw. Theodosius II. (424) mit einer Frist von grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen auch 40, 20, 10 Jahren oder einem Jahr) eingeführt. Danach strahlt die V. bereits auf das Frühmittelalter aus und wird später allgemein aus dem römischen Recht aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die → Verschweigung. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt neben der regelmäßigen Verjährung binnen 30 Jahren verschiedene kürzere Verjährungsfristen. Seit 2002 ist in Deutschland die regelmäßige Verjährungsfrist auf 3 Jahre festgelegt. V. gibt es auch für die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung.

Lit.: Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61; Kroeschell, 20. Jh.; Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten Verjährungslehre, 2. A. 1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der Verjährung, 1866; Reich, O., Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre, 1908; Iterson, W. van, Immemoriale possessie en prescriptie, Themis 1962, 427; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und die gemeinrechtliche Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602

Verkauf → Kauf

Verkaufspfand ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte, bei Pfandreife durch Verkauf der Pfandsache an einen Dritten zu verwertende Pfand. Das V. erscheint im Mittelalter in den Städten seit dem 13. Jh., auf dem Land seit dem 14. Jh. In der frühen Neuzeit erfolgt der Verkauf durch das Gericht oder eine andere hierzu bestellte Einrichtung. Nach dem deutschen Bürger­lichen Gesetzbuch (1900) wird der verpfän­dete Gegenstand meist durch öffentliche Versteigerung bzw. bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung verwertet.

Lit.: Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Verkehr ist ausgehend vom Vertrieb von Waren die Bewegung oder Beförderung von Menschen oder Gegenständen auf dafür vorgesehenen Wegen. Das Verkehrswesen ist im römischen Reich bereits hoch entwickelt. Dieser Zustand wird erst in der Neuzeit wieder erreicht. Seit der Mitte des 18. Jh.s und vor allem seit dem 19. Jh. verdichtet sich der V. immer mehr. Besondere Bedeu­tung kommt dem Schienenverkehr (Eisenbahn, Straßenbahn), dem Straßen­verkehr (Straße, Chaussee, Autobahn, Fahrrad, Motorrad, Automobil, Lastkraftwagen), dem Wasser­ver­kehr (Kanal, Hafen, Schiff, Containerschiff) und dem Luftverkehr (Ballon, Luftschiff, Flugzeug, Flughafen, Raumfahrt) zu. Die Modernisierung der Mobilität wirkt sich auf Urbanisierung, Mobilisierung und Globa­lisierung aus (schneller, öfter, weiter, mehr, billiger, bequemer, sicherer). Für die un­terschiedlichen Verkehrswege Land, Was­ser, Luft und Raum werden vor allem im 20. Jh. jeweils besondere Verkehrsregeln entwickelt.

Lit.: Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen zu Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A., Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils durch die Gefährdungs­haftung, 2002; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194; Bethkenhagen, K., Die Entwicklung des Luftrechts, 2004; Merki, C., Verkehrsgeschichte und Mobilität, 2008

Verkehrssicherungspflicht ist die im 20. Jh. von der deutschen Rechtsprechung ent­wickelte Pflicht des Eröffners eines Verkehrs, die Benützer vor hieraus erwachsenden Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter Verletzung der V. ist Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zu leisten.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Voss, L., Die Verkehrspflichten, 2007

Verkehrssitte (um 1860?) ist das übliche Verhalten im Rechtsverkehr. Die V. kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts herangezogen werden. Bei unvollständigen Vereinbarungen kann sie der Lücken­schließung dienen.

Lit.: Al-Shamari, N., Die Verkehrssittte im § 242 BGB, 2006

Verklarung ist im Seerecht die Einreichung eines Berichts des Kapitäns eines Schiffes über den Hergang eines Unfalls beim zuständigen Gericht. Die V. ist nach bereits rö­mischrechtlichen Ansätzen im Spätmit­telalter in vielen Seerechten erkennbar. Ihr Zusammenhang mit der allgemeinen Ver­schweigung ist ungewiss.

Lit.: Wöhler, A., Die Verklarung, Diss. jur. Erlangen 1913

Verknechtung ist der Verlust der Freiheit durch Überführung in Knechtschaft. Sie erfolgt in unterschiedlichen Zeiten auf Grund verschiedener Voraussetzungen.

Lit.: Kaser; Hübner; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Mayer-Maly, T., Das Notverkaufsrecht des Hausvaters, ZRG RA 75 (1958), 116

Verkündung ist die Kundgabe eines Gedankens. Recht bedarf zu seiner Wirksamkeit vielfach der V. Zur Sicherung der V. werden bereits im römischen Altertum die Zwölf-Tafel-Gesetze in Bronze auf dem Forum (Markt) aufgestellt. In Ermangelung einer Schriftform erfolgt die V. zumindest zunächst mündlich. Seit dem Spätmittelalter wird das geltende Recht an vielen Orten zu bestimmten Zeiten verlesen. Seit dem 18. Jh. wird die Veröffentlichung in Schriftform zur Voraussetzung für die Geltung eines neuen Rechtssatzes.

Lit.: Feigl, H., Von der mündlichen Rechtsweisung zur Aufzeichnung, (in) Recht und Schrift im Mittelalter 1977, 425; Willoweit, D., Gebot und Verbot, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94

Verlag ist der gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen, insbesondere von Werken der Tonkunst und Literatur. Der V. (z. B. von Webwaren) erscheint seit dem Spätmittelalter (Flandern 13. Jh.), wobei der Verleger oft auch einen Teil der Geräte und Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm vertriebenen Gegenstände bestimmt. In der frühen Neuzeit erfasst der V. sachlich vor allem das Tex­tilgewerbe und das Metallgewerbe und räum­lich neben der Stadt auch das Land. Seit dem 19. Jh. geht der V. überwiegend in der Industrie auf. In seinen Resten außerhalb des Vertriebes von Werken der Tonkunst und Literatur (deutsches Verlagsgesetz 1901) wird er vielfach als Heimarbeit bezeichnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 97, 134, 175, 184; Furger, F., Zum Verlagssystem, 1927; Festschrift zum zweihundertjährigen Bestehen des Verlages C. H. Beck, 1963; Marwinski, K., Von der Hofbuchdruckerei zum Verlag Böhlau, 1974; Scherner, K., Handwerker und Verleger, (in) Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982, 7; Verlag C. H. Beck, 1988; Juristen im Portrait, 1988; Holbach, R., Frühformen von Verlag und Großbetrieb, 1994; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996

Verlagsrecht ist objektiv die Gesamtheit der den → Verlag betreffenden Rechtssätze und subjektiv das dem Verleger vom Verlaggeber eingeräumte Nutzungsrecht. Seinen Aus­gangspunkt nimmt das V. auf dem Gebiet der Tonkunst und Literatur in den als Folge des Buchdrucks am Ende des Mittelalters zu­nächst in Italien aufkommenden Druc­kerprivilegien gegen Nachdruck. Nach einem englischen Gesetz des Jahres 1709 entwickelt sich die Lehre vom → geistigen Eigentum, das aber zeitlich beschränkt wird. Im preußischen → Allgemeinen Landrecht (1794) und in weiteren Einzelstaatsgesetzen (Preußen 1837) des Deutschen Bundes wird das V. gesetzlich geregelt. Dem folgt auf der Grundlage der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (1886) 1901 das deutsche Verlagsgesetz.

Lit.: Waechter, O., Das Verlagsrecht, 1857f.; Ortloff, H., Das Autor- und Verlagsrecht, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 5 (1861), 263; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Hubmann, H./Rehbinder, M., Urheber- und Verlagsrecht, 8. A. 1995; Wadle, E., Neuere Forschungen zur Geschichte des Urheber- und Verlagsrechts, ZNR 1990, 51; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1 1991

Verlassenschaft ist die Hinterlassenschaft bzw. der Nachlass eines Menschen. In Österreich bildet sich unter dem Einfluss der Rezeption des römischen Rechtes seit dem 16. Jh. ein besonderes Verlassenschaftsverfahren aus, nach dem das Erbe mit dem Erbfall nicht unmittelbar dem Erben anfällt, sondern der ruhende Nachlass selbst zeitweiliger Rechts­träger ist. Das Gericht oder der von ihm beauftragte Notar muss in einem nicht­streitigen Verfahren (Außerstreitgesetz vom 9. 8. 1854, reformiert am 13. 11. 2003) grund­sätzlich den Todesfall aiufneh­men, einen letzten Willen veröffent­lichen, die Erb­ansprü­che feststellen und die Einantwortung der Erben vornehmen.

Lit.: Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957

Verlassungsbuch ist ein mittelalterliches → Grundbuch.

Lit.: Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Gesch.bll. N.F. 26 (1971), 1

Verletzung → Körperverletzung

Verleumdung ist die wider besseres Wissen erfolgende Behauptung oder Verbreitung einer unwahren Tatsache in Beziehung auf einen anderen, die geeignet ist, denselben verächtlich zu machen, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden. Die V. wird am Beginn des 19. Jh.s aus der allgemeineren Beleidigung zu einem besonderen Straftatbestand verselb­ständigt. Zwischen V. und übler Nachrede unterscheidet 1843 ein Entwurf eines preußischen Strafgesetzbuches mit Hilfe des Merkmals „wider besseres Wissen“.

Lit.: Hirsch, J., Ehre und Beleidigung, 1967; Sørensen, P., The unmanly man, 1983

Verliegenschaftung (F.) Veränderung einer beweglichen Sache zu einer Liegenschaft

Verlöbnis ist der Vertrag, durch den sich zwei Menschen verschiedenen Geschlechts gegen­seitig versprechen, die Ehe miteinander einzugehen sowie das durch diesen Vertrag begründete Gemeinschaftsverhältnis. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht als ein zunächst zwischen Gewalthaber der Braut und Bräutigam abgeschlossenes Rechtsgeschäft (lat. [F.] sponsio → [N.Pl.] sponsalia) be­kannt, das später von der Stipulationsform gelöst wird (und seine vielleicht anfangs vorhandene Klagbarkeit verliert). Im spätan­tiken römischen Recht wird eine aus dem semitischen Brautkauf übernommene Verlöb­nisgabe (lat. arrha [F.] sponsalicia) des Bräutigams an die Braut üblich und kann das V. nur noch unter vermögensrechtlichen Nachteilen aufgelöst werden. Im germanischen Recht einigen sich vielleicht ursprünglich auch Brautvater und Bräutigam über die Braut. In der Folge finden die von der Kirche entwickelten Regeln Anwendung. Hier entsteht seit dem 11. Jh. die Unter­scheidung zwischen den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de futuro (Verlöbnis) und den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de praesenti (Eheschlie­ßung). Die darauf gegründete Klagbarkeit des Eheversprechens wird im 18./19. Jh. (Österreich 30. 8. 1782 Verlöbnispatent) wieder beseitigt. 1875 wird in Deutsch­land das Eherecht verweltlicht. Im 20. Jh. verliert das V. seine rechtliche Bedeutsamkeit (Deutsche Demokratische Republik, Bundesrepublik Deutschland 1996).

Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22, 58, 88; Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Lehmann, K., Verlobung und Hochzeit nach den nordgermanischen Rechten, 1882; Ciccaglione, F., Gli sponsali, 1888; Bächtold, H., Die Verlobung im Volks- und Rechtsbrauch, 1913; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Kristein, R., Die Entwicklung der Sponsalienlehre, 1966; Schwab, D., Zum gerichtlichen Verhältnis von Verlobung und Eheschließung, FamRZ 1968, 637; Strätz, H., Der Verlobungskuss, 1979; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004

Verlobung s. Verlöbnis

Vermächtnis ist die (letztwillige) Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser einem anderen (im Gegensatz zu einem Teil der Erbschaft) einen einzelnen Vermögens­vorteil zuwendet, ohne ihn als Erben einzusetzen. Das V. ist bereits dem alt­römischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (formbedürftig lat. [N.] → legatum nach ius civile bzw. formfrei → fideicommissum nach Kaiserrecht). Das Legat kann in einem Testatment oder in einem bestätigten Kodizill bestellt werden. Mit dem römischen Recht wird seit dem Spätmittelalter auch das V. aufgenommen. Im deutschen Bür­gerlichen Gesetzbuch (1900) ist es (nicht dinglich wirkendes Vindikationslegat, son­dern nur schuldrechtlich wirkendes) Damna­tions­legat und begründet deshalb nur einen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben.

Lit.: Kaser §§ 76, 77; Söllner §§ 14, 17; Hübner § 111; Köbler, DRG 23, 38, 60, 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Vermählung → Eheschließung

vermehrter Sachsenspiegel → Meißener Rechtsbuch

Vermengung (lat. [F.] commixtio) ist Zusammenfügung gleichartiger fester Stoffe unterschiedlicher Eigentümer zu einem unun­terscheidbaren Ganzen (z. B. Getreide). Nach römischem Recht bleibt bei nicht einver­nehmicher V. das Eigentum am entspre­chen­den Anteil bestehen, während bei einver­nehmlicher V. Miteigentum entsteht. Bei V. von Geld wird ursprünglich (originär) Eigen­tum erworben.

Vermischung (lat. [F.] commixtio) ist der Zusammenfluss gleichartiger Flüssigkeiten o­der geschmolzener Metalle verschiedener Ei­gen­tümer. Bei EInverständnis entsteht Mitei­gentum, bei fehlendem Einverständnis bleibt das Eigentum am jeweiligen Anteil bestehen.

Vermittlungsausschuss ist der der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Vorstellungen zweier Gremien dienende Ausschuss. Nach amerikanischem Vorbild kennt Deutschland seit 1949 einen V. zwischen Bundestag und Bundesrat.

Vermögen ist die Gesamtheit der einer Person zustehenden Gegenstände von wirtschaftlichem Wert einschließlich von Erwerbschancen. Für das V. gilt das jeweilige Sachenrecht, Schuldrecht und Erbrecht. In das V. wird bei Bedarf vollstreckt. Die Einziehung des Vermögens kann eine Strafe sein. Das V. kann mit Vermögensteuer besteuert werden. Im römischen Recht ist Träger (Eigentümer) des Vermögens der Vater (lat. [M.] pater familias). Später werden daneben Söldner vermögensfähig hinsichtlich des (lat. [N.]) peculium castrense, seit der Nachklassik Hauskinder hinsichtlich ihres Sondervermögens.

Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 18 I 1, 58 II, 60 II, 85 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869; Brauweiler, H., Der Vermögensbegriff, Diss. jur. Erlangen 1910; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Hirschberg, R., Der Vermögensbegriff im Strafrecht, 1934; Dießelhorst, M., Das Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs, 1976; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation, 1979; Knothe, H., Das gemeine Kindesvermögensrecht, ZRG GA 98 (1981), 255; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 159; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004

Vermögensstrafe ist die auf den vollständigen oder teilweisen Verlust des Vermögens gerichtete, bereits den Römern bekannte und durch Gesetz vom 15. Juli 1992 in Deutschland eingeführte, aber durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 20. 03. 2002 wegen mangelnder Bestimmtheit als verfassungswi­drig beurteilte Strafe.

Lit.: Schnieders, R., Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, 2002

Vermögensvollstreckung ist im römischen Recht die im 2./1. Jh. v. Chr. neben die Personalvollstreckung tretende Vollstreckung des Gläubigers in das Vermögen des Schuld­ners, wenn dieser nicht den durch Urteil bestimmten Betrag leistet. Dabei wird der be­treibende Gläubiger in den Besitz einge­wiesen und danach das Vermögen durch Versteigerung an den Meistbietenden ver­wertet, wobei die Verteilung des Über­schusses auf die anderen Gläubiger nach der Reihenfolge der Urteile erfolgt.

Vermutung ist der Satz, nach dem von dem Vorliegen eines bestimmten Umstandes (grundsätzlich) auf einen bestimmten anderen Umstand geschlossen werden soll (z. B. von Besitz auf Eigentum). Die aus der Erfahrung des Alltagslebens erwachsende V. ist (als [lat.] praesumptio [F.]) bereits dem römischen Recht bekannt. Sie wird mit diesem später aufgenommen.

Lit.: Köbler, DRG 29

Vernunft ist die Fähigkeit, nachvollziehbare, verständige Entscheidungen zu treffen. Auf die V. stellt die Aufklärung der frühen Neuzeit besonders ab. Namengebend wird die V. für das hierauf gegründete Vernunftrecht.

Lit.: Köbler, DRG 136, 146; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970

Vernunftrecht ist das allein durch die → Vernunft gerechtfertigte und begründete Recht. Es ist die im 17. und 18. Jh. vorherrschende Art des Naturrechts. Das V. nimmt seinen Ausgang von spanischen Spätscholastikern (Francisco de → Vitoria 1483/1493-1546, Fernando → Vazquez 1512-1569), die zwecks Gewinnung einer verlässlichen Lösung für die am Beginn der Neuzeit entstehenden rechtlichen Fragen aus einem als allgemein behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ableiten. Auf dieser Grundlage entwickelt Hugo → Grotius 1625 ein Allgemeinrecht für alle Rechtsverhältnisse, das ausschließlich aus dem naturgegebenen Streben (lat. [M.] appetitus) des Einzelnen vernünftigerweise Verträge erfüllt, verursachte Schäden aus­gleicht und das Eigentum anderer achtet. Seine Grundsätze würden auch dann gelten, wenn es keinen Gott gäbe oder dieser sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht kümmerte. Damit ist einerseits das vom Christentum auf Gott bezogene Naturrecht verweltlicht bzw. (bei Grotius) von der Moraltheologie emanzipiert und zu einer irdischen Sozialethik erhoben sowie andererseits die göttliche Offenbarung der Theologie zurückgegeben. Die menschliche Vernunft allein - nicht die geschichtliche Erfahrung - bildet den Maßstab für das Recht. Dem folgt neben David → Mevius etwa → Pufendorf (1672), der in geometrischer Art (lat. more geometrico) für das private Recht ein Gesamtsystem von einleuchtenden Vernunftsätzen bilden will. Christian → Wolff (1679-1754) will überhaupt durch mathematisch-demonstrative, logisch-synthe­tische Deduktion mit Hilfe des Syllogismus als Erkenntnissmittel aus wenigen vernunftrechtlichen Obersätzen zur Lösung jedes einzelnen Falles kommen. Allerdings werden dabei nur bereits als vernünftig anerkannte Sätze des geltenden Rechts als Naturrecht behauptet und ist die davon ausgehende Ableitung meist logisch nicht einwandfrei. Unmittelbare Übernahmen von behaupteten Naturrechtssätzen in die Rechtswirklichkeit sind selten. Wenig später widerlegt Immanuel → Kant (1724-1804) die Vorstellung eines überpositiven Rechtes ohne geschichtliche Grundlage ganz. Dennoch erfahren preußisches → Allgemeines Landrecht (1794), → Code civil (1804) und öster­reichisches → Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (1811/1812) eine bedeutsame naturrechtlich-systematische Prägung. Im Staatsrecht führt das V. zur Lehre vom Gesellschaftsvertrag (frz. contrat social), im Strafrecht zur Humanisierung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 139, 140, 144, 145, 159, 163, 166, 207; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius, 1968; Bärmann, J., Zur Methode des Vernunftrechts, FS zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969, 3; Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; Vernunftrecht und Rechtsreform, hg. v. Krause, P., 1988; Bühler, T., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius, 1989; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privat­rechts­geschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005

Verona an der Etsch wird auf angeblich keltischer Grundlage 89 v. Chr. römische (lat. [F.]) colonia. Seit dem 3. Jh. ist es Sitz eines Bischofs, später Sitz Theoderichs des Großen (Dietrich von Bern) und des Langobardenkönigs Alboin. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, die 1228 und 1276 Statuten aufzeichnet. Über Mailand (1387), Venedig (1405) und → Österreich (1797) gelangt es 1866 zu → Italien.

Lit.: Cipolla, C., Compendio della storia politica, 1976; Westhues, P., Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert, 1995

Verordnung ist die behördliche Anordnung an eine unbestimmte Zahl von Personen für eine unbestimmte Zahl von Fällen. Sie erscheint sachlich mit dem Auftreten von Herrschaft, also etwa bereits im römischen Altertum oder im Frühmittelalter (z. B. → Kapitularien). Systematisch erfasst wird sie aber erst seit der frühen Neuzeit. Seitdem steht sie vor allem dem Gesetz gegenüber. → Notverordnung

Lit.: Köbler, DRG 227; Sammlung der churbaierischen Generalien und Landesverordnungen, 1771; Gerstlacher, C., Sammlung aller baden-durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Handbuch aller unter der Regierung Josefs II. ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff. 1785; Sammlung aller kaiserlich-königlichen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff. 1786/7; Jellinek, G., Gesetz und Verordnung, 1887, Neudruck 1964; Seitz, J., Die landständische Verordnung in Bayern, 1999; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001

verpachten → Pacht

Verpfählung

Lit.: Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (19219, 110

verpfänden (als Pfand geben), durch Rechtsgeäft ein Pfandrecht als beschränktes dingliches Recht an einer Sache eines anderen begründen

Lit.: Werminghoff, A., Die Verpfändungen der mittel- und niederrheinischen Reichsstädte, 1893; Müller, K., Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (1921), 110; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittealter, 1967

Verpflichtung (F.) Obligation, Schuld, Ver­bind­lichkeit

Verpflichtungsgeschäft ist das bereits dem römischen Recht bekannte, eine → Verpflich­tung begründende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf) im Gegensatz zu dem diese Verpflichtung tilgenden Erfüllungsgeschäft (z. B. Übereig­nung), das → Verfügungsgeschäft ist. Das V. verändert die dingliche Rechtslage an der betroffenen Sache nicht, begründet aber relative Rechte und Pflichten des Gläubigers und Schuldners in Bezug auf das daraufhin vorzunehmende Verfügungsgeschäft.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 11, 15 I, 60 II, 62 III 2; Köbler, DRG 46

Verrat ist die unbefugte, treuwidrige Offenbarung eines Geheimnisses. Bereits bei den Germanen folgt dem Volksverrat die Tötung durch Aufhängen. Im Übrigen werden die verschiedenen Fälle von V. (Hochverrat, Landesverrat) im Einzelnen unterschiedlich verfolgt.

Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Ritter, J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942

Verrichtungsgehilfe ist nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Mensch, dem von einer anderen Person, von deren Weisungen er mehr oder weniger abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist. Der Geschäftsherr hat für vermutetes Verschulden bei Auswahl und Überwachung eines schädigenden Verrichtungsgehilfen einzuste­hen.

Lit.: Köbler, DRG 216, 271; Niethammer, Entwicklung der Haftung für Gehilfenhandeln, 1973; Wicke, H., Haftung für Verrichtungsgehilfen, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 165; Wicke, H., Respondeat superior, 2000; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000

Versailles ist der südwestlich von Paris gelegene, 1037 erstmals bezeugte und 1561 mit Marktrecht begabte Ort, an dem Ludwig XIV. im 17. Jh. ein Schloss errichten lässt, das dem König von Frankreich als Residenz dient. Am 18. 1. 1871 wird in V. der König von Preußen zum Kaiser von Deutschland ausgerufen. Am 28. 6. 1919 wird in V. der in 15 Teile mit 440 Artikeln gegliederte, von vie­len als Diktat betrachtete, aber auch den Wunsch Frankreichs nach Zerschlagung Deutsch­­lands oder nach Gewinnung der Rhein­grenze verhindernde, ohne Beteiligung des Deutschen Reiches entstehende, den Wiederauf­stieg Deutschlands in wenigen Jahren zur potentiell stärksten Macht Europas ermög­lichende Friedensvertrag der alliierten Sie­germächte des ersten Weltkrieges mit dem Deutschen Reich unterzeichnet (Verlust eines Zehntels des Staatsgebiets [Elsass, Lothrin­gen, Westpreußen, Posen], Kriegsschuld, Re­pa­rationsverpflichtungen, Heereseinschrän­kung).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Berber, F., Das Diktat von Versailles, 1939; Haffner, S. u. a., Der Vertrag von Versailles, 1978; Versailles 1919, hg. v. Krumeich, G., 2001; Kolb, E., Der Friede von Versailles, 2005

Versammlungsfreiheit ist das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die V. entwickelt sich im 19. Jh. zu einem Grund­recht.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Versäumnisverfahren ist das bei Säumnis einer Partei betreibbare Gerichtsverfahren. Es ist bereits dem römischen Recht bekannt (str.), wobei es dem Kläger nur begrenzt möglich ist, die Teilnahme des Beklagten außerhalb seines Wohnortes zu erzwingen. In der Gegenwart wird bei Säumnis des Beklagten nach dem Vorbild des sächsischen Prozesses auf der Grundlage des Vortrags des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen, bei Säumnis des Klägers die Klage abgewiesen.

Lit.: Kaser §§ 84 II, 87; Köbler, DRG 34; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Mitteis, H., Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, ZRG GA 42 (1921), 137; Kulessa, M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968, 123; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Steinhauer, T., Versäumnisurteile in Europa, 1996; Rüfner, T., Gerichtsstand und Ladungszwang, 2009

Verschollenheit ist das Fehlen von Nachrichten über das Leben oder Versterben eines Menschen, dessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist und an dessen Fortleben nach den Umständen ernstliche Zweifel bestehen. Die V. wird bereits im römischen Recht erfasst (Auflösung der Ehe, Kriegsverschollenheit [lat. ius postliminii]). Im 18. Jh. wird für die V. das Verfahren der → Todeserklärung eingerichtet. Dieses ist in der deutschen Gegenwart im besonderen Ver­schollenheitsgesetz (15. 1. 1951) geregelt. Am 6. 4. 1950 wird die Konvention der Vereinten Nationen über die Todeserklärung Verschollener vereinbart.

Lit.: Kaser § 58 VII 1a; Köbler, DRG 120, 160, 206, 237, 266; Schmidt, R., Die Verschollenheit, 1938; Arnold, E., Verschollenheit, 1951; Strebel, H., Die Verschollenheit als Rechtsproblem, 1954; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 199

Verschulden ist das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten (str.) eines schuldfähigen Menschen. Das V. ist bereits im römischen Recht ein bedeutsames Merkmal für Strafe und Schadensersatz (lat. [F.] culpa, [M.] dolus). Für das ältere deutsche Recht wird überwiegend von einer → Erfolgshaftung ausgegangen, ohne dass ausgeschlossen werden kann, dass nicht doch auch Verschuldensgesichtspunkte selbstver­ständlich mitberücksichtigt werden. Im 19. Jh. setzt sich das dem Liberalismus entgegen­kommende Verschuldensprinzip durch (Egid von Löhr 1806/8, Hasse 1815, Ihering 1867), doch wird gleichzeitig eine Schadensersatz­pflicht aus → Gefährdungshaftung (Preußen 1838 für Eisenbahnen usw.) geschaffen. In der Folge wird im Strafrecht das V. subjektiv, im Privatrecht objektiv bestimmt. Im Ehe­recht kann eine schuldhafte Verletzung einer ehelichen Pflicht in der Neuzeit einen Grund für die Ehescheidung darstellen. In Deutsch­land wird dieses (vorwerfbare) V. 1976 durch die (objektive) Zerrüttung ersetzt, in Öster­reich 1978 die einvernehmliche Eheschei­dung ermöglicht und 1999 unter Aufgabe der ab­soluten Ehescheidungsgründe ein einziger re­­lativer Verschuldenseheschei­dungstatbe­stand geschaffen..

Lit.: Kaser; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 128, 209, 214, 216; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187; Benöhr, H., Die Entscheidung für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1

Verschwägerung (F.) verwandtschaftsähn­liche Verbindung durch Heirat (ein Mensch ist mit den Verwandten seines Ehegatten verschwägert, nicht verwandt)

Lit.: Gernhuber, J., Die Schwägerschaft als Quelle gesetzlicher Unterhaltspflichten, FamRZ 1955, 193

Verschweigung ist die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechtes bzw. die Duldung eines fremden Eingriffes in ein Recht, die seit dem Mittelalter meist nach → Jahr und Tag zum Verlust des Rechtes führt. In der Neuzeit wird die V. vor allem von der → Verjährung und der → Ersitzung verdrängt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125, 163; Immerwahr, W., Die Verschweigung, 1895; Schulte, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Köln 1966; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971

Verschwender (lat. [M.] prodigus) ist, wer länger unnütze und übermäßige Ausgaben tätigt. Der V. erhält schon nach altrömischem Recht einen treuhänderisch handelnden Pfleger (lat. [M.] curator). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Der V. kann entmündigt werden, ohne dass dies rechtstatsächlich häufig erfolgt. Seit 1. 1. 1992 steht in Deutschland an der Stelle der → Entmündigung die → Betreuung.

Lit.: Kaser §§ 14 V, 64; Hübner; Köbler, DRG 22; Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, 1891; Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996

Versenken im Moor ist die Art der Tötung, die nach Tacitus bei den Germanen der Unzucht folgt. → Moorleiche

Lit.: Köbler, DRG 71; Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922

Versicherung ist die Schaffung von Sicherheit durch ein Verhalten, insbesondere der Erwerb eines Anspruchs auf eine Schadensaus­gleichsleistung durch regelmä­ßige Vorleistungen. Die V. entsteht vielleicht bereits im Frühmittelalter, spätestens im Hochmittel­alter auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der Schadenshilfe (Diebstahl, Brand, Be­erdigungskosten, Lösegeldzahlung, Schiffs­verlust [Italien 14. Jh.]). Sie gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung. Seit dem 17. Jh. wird die → Lebensversicherung möglich. Neben die genossenschaftliche Ge­genseitigkeit tritt dabei bald die unternehmerische Versicherungsaktiengesell­schaft. Der absolute Staat führt zwecks allgemeiner Wohlfahrt die Zwangsversi­cherung (Preußen 1718 Brandversicherung) ein. 1908 wird im Deutschen Reich ein Versicherungsvertragsgesetz für die zuneh­menden Versicherungen geschaffen, über die der Staat (Preußen 1781) die Aufsicht führt. Dieses Gestz wird in Deutschland zum 1. 1. 2008 neu gefasst. Neben der Privatversiche­rung steht die 1881/1884 aufgegriffene → Sozialversicherung.

Lit.: Köbler, DRG 128, 167, 184, 216, 243; Bensa, E., Il contratto di assicurazione, 1884; Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung, Bd. 1f. 1925/6; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte, 1936; Schmitt-Lermann, H., Der Versicherungsgedan­ke im deutschen Geistesleben des Barock und der Aufklärung, 1954; Raynes, H., A History of British Insurance, 2. A. 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848; Koch, P., Epochen der Versicherungsgeschichte, 1967; Schöpfer, G., Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Koch, P., Bilder zur Versicherungsgeschichte, 1978; Peters, H., Die Geschichte der sozialen Versicherung, 3. A. 1978; Ebel, F., Die Anfänge der rechtswissenschaftlichen Behandlung, Z. f. d. ges. VersWiss 34 (1980), 7; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Duvinage, A., Die Vorge­schichte und die Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, 1987; Hofmann, E., Privat­versicherungsrecht, 3. A. 1991; Neugebauer, R., Versicherungsrecht vor dem Versicherungsvertrags­gesetz, 1990; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Ebel, W., Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts, hg. v. Ebel, F., 1993; Koch, P., Die Behandlung des Versicherungsvertrages im preußischen Allgemeinen Landrecht, Versicherungsrecht 1994, 629; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Koch, P., Geschichte der Versicherungswissenschaft, 1998; Van Niekerk, J., The Development of the Principles of Insurance Law in the Netherlands, 1998; Schewe, D., Geschichte der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den Gilden, 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001

Versicherung an Eides Statt

Lit.: Lex, P., Die Versicherung an Eides Statt, Diss. jur. Zürich 1967

versio (F.) in rem (lat.) Verwendung auf eine Sache

Lit.: Kaser §§ 11 II, 49 II

Versionsklage (lat. actio [F.] de in rem verso) ist im römischen Recht die Klage auf das zu einer Bereicherung des Vermögens des Geschäftsherrn seitens des Sklaven Verwendete, die Justinian (527-565) auf eine Haftung des Geschäftsherrn aus dem Handeln Gewaltfreier erweitert. Im deutschen Bürger­lichen Gesetzbuch (1900) geht die V. in den Bereicherungsansprüchen auf.

Lit.: Kaser § 49 II 1b; Kupisch, B., Die Versionsklage, 1965

Versitzung ist der Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten beim Rechtserwerb durch → Ersitzung.

Versorgungsausgleich ist der Ausgleich der Ansprüche auf sozialversicherungsrechtliche Versorgung außerhalb eines aktiven Dienst­verhältnisses zwischen zwei Ehegatten im Falle der Ehescheidung. Der V. wird in Deutschland 1976 eingeführt. Der Ehegatte mit geringeren Versorgungsansprüchen hat ei­nen Anspruch auf Ausgleich aus den Versorgungsansprüchen des anderen Ehegat­ten.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 169

Versprechen ist die Zusage einer Leistung oder das fehlerhafte Sprechen.

Lit.: Die Ordnung des Versprechens, hg. v. Schneider, M., 2005

Verstaatlichung ist die Überführung von Privateigentum in Eigentum des Staates. Sie ist im Rechtsstaat als → Enteignung nur gegen Entschädigung zulässig. Sie ist in der Marktwirtschaft selten.

Versteigerung ist der öffentliche Verkauf eines Gegenstands an den Meistbietenden. Die V. ist bereits dem römischen Prozessrecht bekannt. Sie wird in den mittelalterlichen Städten erneut aufgegriffen. Sie kann privatrechtlich oder öffentlichrechtlich durchgeführt werden. Besonders bedeutsam ist sie in der → Zwangsvollstreckung (→ Zwangsversteige­rung).

Lit.: Kaser § 85 II 2b; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Dunkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Mannheims, H./Oberem, P., Versteigerung, 2003

Verstümmelung ist die Entfernung oder Unbrauchbarmachung eines Teiles des menschlichen Körpers durch unmittelbare mechanische Einwirkung (z. B. Abhacken der Hand, Ausreißen der Zunge, Blenden, Brandmarken, Kastrieren, Lähmen). Die V. wird als Strafe bereits im römischen Altertum verwendet. Mit der peinlichen Strafe tritt sie im Mittelalter hervor. Von der Aufklärung der Neuzeit wird sie bekämpft und schließlich beseitigt. Als → Maßnahme der Sicherung und Besserung wird aber die Kastration im → Dritten Reich wieder durchgeführt.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Browe, P., Zur Geschichte der Entmannung, 1936; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Versuch ist im Strafrecht die Betätigung des Entschlusses zur Begehung einer Straftat durch Handlungen, die zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes unmittelbar ansetzen, aber nicht zur Vollendung führen. Der V. ist so alt wie die Straftat. Er wird anfangs aber nur als verselbständigte Tat bestimmter Fälle erfasst (z. B. Messerziehen als Vorstufe einer Körperverletzung). In Italien befassen sich aber bereits die Glos­satoren verstärkt auch mit den die Anfänge einer Straftat betreffenden Textstellen. In der frühen Neuzeit wird der V. als solcher gesehen (Constitutio Criminalis Bamber­gensis 1507) und dann einschließlich des → Rücktritts als allgemeine Figur in den allgemeinen Teil des Strafrechts aufgenommen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 91, 119, 158, 204; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hemmer, R., Warum war der Verbrechensversuch nach altgermanischem Recht straflos?, 1963 (9 S.); Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973, 157; Sellner, D., Der Durchbruch der Lehre vom Verbrechensversuch, 1961; Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Kracht, H., Die Entwicklung des strafrechtlichen Versuchsbegriffs, Diss. jur. Würzburg 1978; Glöckner, H., Cogitationis poenam non patitur (D. 48. 19. 18). Zu den Anfängen einer Versuchslehre in der Jurisprudenz der Glossatoren, 1989, 1989; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995

Verteidiger ist der Beistand des Beschuldigten im Strafverfahren. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, ge­winnt aber insbesondere erst als Folge des neuzeitlichen Inquisitionsverfahrens im Rechtsstaat des 19. Jh.s an Gewicht. → Strafverteidiger

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 34, 203, 264; Henschel, J., Die Strafverteidigung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Armbrüster, K., Die Entwicklung der Verteidigung in Strafsachen, 1980; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; Klein, H., Der Strafverteidiger, 1996; Falk, U., Zur Geschichte der Strafverteidigung, ZRG GA 117 (2000), 395

Vertrag ist das grundsätzlich durch zwei einander wechselseitig entsprechende Willens­erklärungen zustandekommende, zweiseitige → Rechtsgeschäft. Der V. erscheint mit den Anfängen des Rechtes (Tausch, Schenkung, Ehe). Die römische Rechts­wissenschaft unter­scheidet mehrere verschiedene Arten (→ Realkontrakt, → Verbalkontrakt, → Litteral­kontrakt, → Konsensualkontrakt). In der hochmittelal­terlichen Kirche entwickelt sich entgegen dem römischrechtlichen Ausgangspunkt (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einem bloßen Vertrag entsteht kein Klaganspruch) die Vorstellung von der Verbindlichkeit jeglichen Vertrags. Vielleicht geht der Durchbruch der Vorstellung von der Klagbarkeit aller Verträge auch im weltlichen Recht auf Matthaeus Wesenbeck (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) zurück (1582). Als allgemeine Grundfigur wird der V. in der frühen Neuzeit (16.-18. Jh.) erfasst. Die einzelnen Vertragsarten werden unter Aufgabe geschichtlich bedingter Einzelheiten im Wesentlichen aus dem römischen Recht übernommen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der V. im allgemeinen Teil geregelt. Die Regeln über den privatrechtlichen V. gelten im Wesentlichen auch für den V. zwischen Völkerrechts­subjekten sowie für den öffentlichrechtlichen V. → Gesellschaftsvertrag

Lit.: Kaser §§ 5 II, 8 I, II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 42, 125, 127, 140, 164, 181, 208, 249, 259; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 901; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Karsten, C., Die Lehre vom Vertrag, 1882; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der Vertragstypen, 1937; Mitteis, H., Politische Verträge im Mittelalter, ZRG GA 67 (1950), 76; Trusen, W., Wiener Vertragslehren des 14. Jahrhunderts, Diss. jur. Mainz 1957; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 182; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Politische Verträge des frühen Mittelalters, hg. v. Classen, P., 1966; Stoljar, S., A History of Contract at Common Law, 1975; Kiefner, H., Der abstrakte obligatorische Vertrag, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 74; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs, 1985; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Towards a general law of contract, ed. by Barton, J., 1990; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991; Bühler, D., Die Entstehung der allgemeinen Vertragsschluss-Vorschriften, 1991; Lambrecht, P., Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis, 1994; Deyerling, A., Die Vertragslehre, 1996; Oechsler, J., Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; Volante, R., Il sistema contrattuale del diritto comune classico, 2001; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002; Ikadatsu, Y., Der Paradigmawechsel der Privatrechtstheorie und die Rekonstruktion der Vertragstheorie, 2002; Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Meß, C., Das Vertragsrecht bei Adam Smith, 2007; Harth, C., Der Mythos von der Zerstörung des Vertrages, 2008

Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist der von der deutschen Rechtsprechung im späten 20. Jh. (um 1960) entwickelte Vertrag, der bestimmte schützenswerte Dritte in den Schutz eines von anderen abgeschlossenen Vertrages einbezieht, um den unzureichenden Schutz des Deliktrechts auszugleichen (seit 2002 in Deutschland § 311 III BGB).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270

Vertrag zugunsten Dritter ist der einen Dritten begünstigende Vertrag (z. B. Lebensversicherung zugunsten der Hinter­bliebenen). Er wird nach älteren vernunftrecht­lichen Ansätzen in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s ausgebildet. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist er knapp geregelt.

Lit.: Kaser §§ 34 I 2e, 53 I 3; Söllner §§ 18, 23; Hübner 548; Köbler, DRG 165, 208, 214; Busch, F., Doktrin und Praxis über die Gültigkeit von Verträgen zugunsten Dritter, 1860; Tartufari, L., Dei contratti a favore di terzi, 1889; Wesenberg, G., Verträge zugunsten Dritter, 1949; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Vertragsaufhebung ist die überall und jederzeit mögliche Beseitigung eines Vertrags durch einen zweiten Vertrag der Beteiligten.

Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968

Vertragsfreiheit (Privatautonomie) ist die Freiheit in Abschluss, Form und Inhalt eines Vertrags. Sie ist als Grundsatz am Beginn des Rechtes vorauszusetzen, wird aber geschichtlich verschiedentlich eingeschränkt (z. B. durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangs­wirtschaft usw.). Im römischen Recht bestehen demgegenüber viele Einschrän­kungen (z. B. Typenzwang). In der Kirche wird schon im Hochmittelalter die Verbindlichkeit aller Versprechen gefordert. Das Naturrecht (Hugo Grotius) fördert die V. Der Liberalismus des 19. Jh.s setzt sich erfolgreich für die V. ein (z. B. Art. 1134 Cc Frankreichs von 1804). Der Sozialismus schränkt andererseits aus gesellschafts­politischen Überlegungen die V. verschiedentlich ein. Auch Verbrauchersutz seit dem ausgehenden 20. Jh. bedeutet Be­schränkung der V.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240; Scherrer, W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, 1948; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsord­nung, 1962; Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Atiyah, P., The Rise and Fall of Freedom of Contract, 1979; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991; Hofer, S., Vertragsfreiheit am Scheideweg, 2006

Vertragsrecht ist die Gesamtheit der einen → Vertrag betreffenden Rechtssätze.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1995

Vertragsstrafe (lat. [F.] poena) ist die meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art der → Stipulation bekannt. Im Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung. Seit dem Spätmittelalter wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem römischen Recht aufgenommen und allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nimmt sie unter Wahrung der vom Naturrecht begünstigten richterlichen Ermäßigungsmög­lichkeit auf.

Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Sjögren, W., Über die römische Konventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden, 1896; Boye, F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A., L’evolution du concept du clause pénale, (in) Mélanges Fournier, 1929; Lang, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Knütel, R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993

Vertragsverletzung → Leistungsstörung, positive Forderungsverletzung

Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung, Diss. jur. Hamburg 1967

Vertrauenshaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s geforderte Haftung für die Verletzung eines Vertrauens. → Treu und Glauben

Lit.: Canaris, C., Die Vertrauenshaftung, 1971; Vertrauen, hg. v. Frebert, U., 2003;

Vertrauensschaden ist der Schaden der darin besteht, dass ein Rechtsgeschäftspartner auf die Gültigkeit des (mangelhaften) Rechtsge-schäfts vertraut.

Vertreibung ist die durch Gewalt oder Drohung erreichte Entfernung von Menschen von einem von ihnen besessenen Ort (z. B. Entdeutschung). Sie ist völkerrechtswidrig. Unrecht kann durch zuvor begangenes Unrecht nicht zu Recht werden.

Lit.: Dokumente der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd. 1ff. 1958ff.; Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H., Schwarzbuch der Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden, hg. v. Borodziej, W. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Vertriebene in Deutschland, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur Vertreibung 1938-1945, 2001; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Glotz, P., Die Vertreibung, 2003; Vertreibung europäisch erinnern, hg. v. Bingen, D. u. a., 2003; Urban, T., Der Verlust, 2004; Stickler, M., Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch, 2004; Schwarz, M., Vertriebene und Umsiedlerpolitik, 2004; Definitionsmacht, Utopie, Vergeltung, hg. v. Brunnbauer, U. u. a., 2006; Lexikon der Vertreibungen, hg. v. Brandes, D., 2009

vertretbar (wegen der Bestimmung nach Zahl, Maß oder Gewicht ersetzbar, annehm­bar)

Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?, 1999

Vertretung → Stellvertretung

Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214; Gottwald, F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss. jur. Greifswald 1915; Henze, G., Das Handeln für andere vor Gericht im lübischen Recht, Diss. jur. Göttingen 1959; Ständische Vertretungen in Europa, hg. v. Gerhard, D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984; Kunstreich, T., Gesamtvertretung, 1992

Verwahrung (lat. [N.] depositum) ist der entweder gegenseitige oder unvollkommen zweiseitig verpflichtende Vertrag, durch den sich der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Die V. ist dem römischen Recht als zunächst unentgeltlicher → Realvertrag bekannt (bei Entgeltlichkeit locatio conductio operis, Werkvertrag). Auch im Mittelalter findet sie sich vielfach. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Danach ist entgeltliche V. ein zweiseitig verpflichtender Vertrag, unentgelt­liche V. ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag. Bei unregelmäßiger V. (lat. depositum [N.] irregulare) wird der Verwahrer Eigentümer der verwahrten Sache (z. B. Geld in der Bank), ist aber zur Rück­gabe gleichartiger Sachen (eventuell mit Zinsen) verpflichtet.

Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bürge, A., Fiktion und Wirklichkeit, ZRG RA 104 (1987), 465

Verwaltung ist die auf längere Dauer gerichtete Besorgung einer Angelegenheit, insbesondere die Ausführung staatlicher Aufgaben. V. gibt es bereits im altrömischen Recht. Sie nimmt mit der Ausdehnung des römischen Reiches trotz Bevorzugung aristokratischer Herrschaftstechnik gegenüber bürokratischen Apparaten stetig an Umfang zu. Seit dem Übergang zum Prinzipat ent­wickelt sie bürokratische und von Zwangs­maßnahmen gekennzeichnete Formen. Demgegenüber be­trifft die V. bei den Germanen nur wenige allgemeine Bereiche. Im Frühmittelalter erscheinen neben dem König, der seine Rechte im Reich im Umherziehen verwaltet (Reisekönigtum), die Träger von Hofämtern (Truchsess, Kämmerer, Marschall, Schenk, Kanzler) und die Grafen. Eine Verdichtung findet erst seit dem Hochmittelalter in den Ländern und Städten statt. Am Beginn der Neuzeit wird die V. in besonderen Ordnungen geregelt und rationaler gestaltet (z. B. maximilianische Verwaltungs­reformen). Der Absolutismus beruht dann bereits auch auf einer vom Polizeigedanken geprägten viel­gliederigen Verwaltungs­organisation mit zahlreichen Beamten, die mehr und mehr auf den Staat statt auf die Person des Fürsten ausgerichtet wird. Der Liberalismus des 19. Jh.s will zwar die V. auf die Herstellung von Sicherheit und Ordnung beschränken, Eingriffe der V. (Eingriffsver­waltung) in die Freiheit des Einzelnen nur bei einer gesetzlichen Grundlage zulassen und eher → Selbstverwaltung fördern, doch for­dert die Gesamtheit der Staatsbürger umfangreiche Leistungen der Allgemeinheit (→ Leistungsverwaltung z. B. Versorgung, Entsorgung, Verkehr, Bildung, soziale Sicherung). Aus diesem Grund werden immer mehr hierarchisch-bürokratisch strukturierte Behörden geschaffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung von der Überprüfung des Verwaltungshandelns durch ein Gericht (→ Verwaltungsgericht) in Deutschland durch. Der Umfang der V. und damit auch ihre Kosten wachsen unvermindert weiter.

Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232, 251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J., Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Cam, H., Local government in Francia and England, 1912; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3. A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Samse, H., Die Zentralverwaltung in den südwelfischen Landen, 1940; Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1970; Damkowski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs, 1969; Der deutsche Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd. 1f. 1970f.; Janssen, W., Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250-1350, 1971; Engelhaupt, H., Die Einführung hessen-darmstädti­scher Verwaltung im nördlichen Teil des Departements Donnersberg, 1971; Schwab, D., Die Selbstverwal­tungsidee des Freiherrn vom Stein, 1971; Entwicklungsfragen der Verwaltung in Mitteleuropa, 1972; Verwaltungshistorische Studien, Bd. 1f. 1972; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Anderhub, A., Verwaltung im Regierungsbezirk Wiesbaden 1866-1885, 1977; Entwicklung der städtischen und regionalen Verwaltung in den letzten 100 Jahren in Mittel- und Osteuropa, hg. v. d. Eötvös Lórand-Univeristät Budapest, 1978; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungs­geschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, ( red. v. Dilcher, G.), 1991; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991; Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A. Jeserich zum 90. Geburtstag, 1994; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege verwaltungs­geschichtlicher Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche Verwaltung im totalitären System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren Grundgesetz, hg. v. König, K. u. a., 2000; Raphael, L., Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung, 2000; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungs­rechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Verwaltungslehre in Hamburg 1962-2002, hg. v. Bull, H., 2003; Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffent­lichkeit in Preußen, 2007; Kramer, S., Vom lästigen Publikum zum mündigen Darsteller, 2008

Verwaltungsakt ist die formlos mögliche Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuer­bescheid). Der urteilsähnliche V. entsteht mit der → Verwaltung. Das Wort V. tritt anscheinend erstmals 1821 bei dem bayerischen Regierungsrat Anton Kurz auf. Als allgemeine Erscheinung wird der V. nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto → Mayer nach französischem Vorbild (acte administra­tif) erfasst. Gesetzlich geregelt wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Öster­reich 1925, Deutschland 1976)

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259; Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/1896; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Erichsen, H., Verfassungs- und verwaltungs­geschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, 1971; Hueber, A., Otto Mayer, 1981; Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998; Engert, M., Die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002; Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004

Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des Ehegüterrechts, bei dem ein Ehegatte (Ehemann) die Güter der Ehegatten (allein) gemeinschaftlich verwaltet. Die V. findet sich bereits sehr früh. Die V. mit Widerrufs­möglichkeit der Ehefrau ist von 1812 bis 1978 der ordentliche Ehegüterstand des Allge­meinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (verschämte V.), die V. ohne Widerrufs­mög­lichkeit der ordentliche gesetzliche Ehegü­terstand in Deutschland von 1900 bis 1953 (Nutznießung und Verwaltung). Die V. entfällt mit der Gleichstellung der Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (Deutschland 1953 Gütertrennung. 1957 Zugewinngemeinschaft, Österreich 1978).

Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994

Verwaltungsgericht ist das verwaltungs­rechtliche Streitigkeiten (vor allem zwischen Staat und Bürger) entscheidende Gericht. Bereits im 18. Jh. kann sich der Un­ter­tan mit dem Verlangen nach Rechtsschutz gegenüber dem Landesherrn an ein Gericht wenden, wenn er sich auf ein wohlerworbenes Recht oder ein Privileg berufen kann. In der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns zu einer politischen Forderung, weil die Verwaltungstätigkeit während der gesamten frühen Neuzeit zunimmt und der Rechts­staats­gedanke die gerichtliche Über­prüfbarkeit allen Handelns nahelegt. Die von manchen angestrebte verwaltungsinterne Überprüfung wird bereits in der Entwurf gebliebenen Verfassung des Deutschen Reichs von 1849 als unzureichend abgelehnt. Im Streit um eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Otto → Bähr 1864, Vorbild England) oder die Einrichtung besonderer Verwaltungsgerichte (Rudolf von → Gneist 1857, 1872, Vorbild Frankreich) setzt sich die zweite Ansicht durch. Dementsprechend entsteht das besondere V. (Baden 1863, Preußen 1872, §§ 140-165 Kreisordnung, 1875 VVG, Hessen 1874, Württemberg 1876, Bayern 1878, Sachsen 1900). Die dabei eintretende Zersplitterung wird erst durch die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960) beseitigt, die an die Spitze der Verwaltungs­gerichtsbarkeit das 1952 geschaffene Bundesverwaltungsgericht stellt. Österreich kennt keine unabhängigen Verwaltungs­gerichte, sondern nur (sog. unabhängige Verwaltungssenate und seit 1875/1876) einen einzigen Verwaltungsgerichtshof (1934 Bundesgerichtshof, 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten auf Gesetzmäßigkeit, nicht auf Verfassungs­mäßigkeit).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261; Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck 1968; Poppitz, J., Die Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff. Recht N. F. 33 (1943), 158; Eyermann, E., Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, 1950; Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Neunzig Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, hg. v. Verwaltungsgerichtshof, 1966; Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichts­barkeit, hg. v. Lehne, F. u. a., 1976; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980; Stolleis, M., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalso­zialismus, FS C. Menger, 1985, 57; Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer Republik, Vwbll. f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der Verwaltungs­gerichtsbarkeit, Verwaltungs­archiv 1989, 303; Kohl, W., Das Reichsverwaltungs­gericht, 1991; Das sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994; Huden­mann-Simon, C., L’Ètat et la santé, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Bauer, I., Von der Administrativjustiz bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; 50 Jahre bayeri­sches Verwaltungsgericht Ansbach, 1996; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; 50 Jahre schleswig-holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996; Emmert, R., Die Entwicklung der Verwaltungs­gerichtsbarkeit in Bayern, Bay. VwBll. 1997, 8; Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz durch richter­liche Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998; Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Olechowski, T., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999; Sydow, G., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; Nowatius, N., Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Montag, M., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden und Württemberg von 1945 bis 1960, 2001; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechts­schutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003

Verwaltungsgerichtshof ist in Deutschland ein Obergericht (Oberverwaltungsgericht) der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Österreich das einzige Verwaltungsgericht (ab 2. 7. 1876, 1934 mit dem Verfassungsgerichtshof zum Bundesgerichtshof verschmolzen, 1945 wiedererrichtet).

Lit.: Olechowski, T., Der österreichische Verwaltungs­gerichtshof, 2001

Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die öffentliche Verwaltung betreffenden Rechts­sätze. V. entsteht in ersten Ansätzen wohl bereits mit der Ausbildung von → Verwaltung. Als Einheit innerhalb der älteren Polizeiwissenschaft erfasst wird es erst in der Mitte des 19. Jh.s. Eine gesetzliche Festlegung des Verwaltungsverfahrens erfolgt im 20. Jh. (Österreich 1925, Deutschland 1976). Kernstück des Verwaltungshandelns ist der → Verwaltungsakt. Zu gliedern ist das V. in einen allgemeinen Teil und zahlreiche besondere Gebiete (Beamtenrecht, Gemeinde­recht, Baurecht, Polizeirecht, Gewerberecht, Gesund­heitsrecht, Schulrecht, Straßenrecht, Steuer­recht, Sozialrecht usw.).

Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/1833; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungs­rechtspflege des geheimen Rats in Württemberg, 1940; Bülck, H., Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS Hermann Krause, 1964, 29; Magerl, H., Verwaltungsrechtsschutz in Württemberg in der Zeit von 1760-1950, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J., Europäisches Verwaltungs­recht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von Mayer, 1992; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori, L./Sordi, B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les origines médiévales du contentieux administratif, 2002; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwal­tungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Müller, R., Verwaltungsrecht als Wissenschaft. Fritz Fleiner 1867-1937, 2006; Jelling­haus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, 2006; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissen­schaft auf konservativer Grundlage, 2006; Schröder, R., Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, 2007; Grundlagen des Verwaltungsrechts, hg. v. Hoffmann-Riem, W. u. a., Bd. 1ff. 2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Verwaltungsreform ist die bewusste Umgestaltung einer bestehenden → Verwaltung, wie sie sich bereits im römischen Altertum und dann spätestens wieder seit Beginn der Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497, 2. H. 20. Jh. Bundesrepublik Deutsch­land).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970

Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorberei­tung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Das V. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s von der Rechtswissenschaft erfasst und in Österreich 1925 (Allgemeines Verwaltungs­verfahrensgesetz, in Kraft 1926) infolge internationalen Drucks zwecks Verwaltungs­vereinfachung als Voraussetzung einer Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926 Landesverwaltungsordnung, Württem­berg 1931 Entwurf einer Verwaltungsrechts­ord­nung, Bremen 1943 Verwaltungsgesetz und allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich geordnet.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259; Baltl/Kocher; Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags, 2000

Verwandter ist der Mensch, der zu einem anderen Menschen oder zu einem gemeinsamen dritten Menschen in einem Abstammungs­verhältnis steht (z. B. Vater, Sohn, Tante, Nichte). Die Verwandtschaft ist vom Beginn des Rechts an von Bedeutung. Die väterliche Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das → Erbrecht ist zunächst Verwandten­erbrecht. Darüber hinaus kann sich ein Verhältnis als Verwandter auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis, Zeugnisver­weigerungsrecht, Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann beispiels­weise durch → Adoption hergestellt werden. Unterschieden werden kann innerhalb der Verwandten zwischen → Agnaten (über Männer Blutsverwandte einschließlich der Adop­tierten, aber ausschließlich der Emanzi­pierten) und → Kog­naten (Blutsverwandte).

Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandschaftsbild des Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Murray, A., Germanic Kinship Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Peters, U., Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Leurs, E., Die Rechtsstellung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern, 2003; Verwandtschaft, Freundschaft, Brüderschaft, hg. v. Krieger, G., 2009

Verwendung ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vermögensaufwendung, die einen Erstattungsanspruch begründen kann.

Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D., Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung auf Verwendungsersatz, 2000

Verwertung ist die Umsetzung eines Gegenstands in einen anderen Wert.

Lit.: Schulze, E., Geschätzte und geschützte Noten. Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften, 1995

Verwirkung ist der im 20. Jh. (1905) neben der Verjährung anerkannte, aus Treu und Glauben folgende Verlust eines Rechtes infolge unterlassener oder verspäteter Gel­tendmachung.

Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934

Verzicht ist die rechtsgeschäftliche Aufgabe eines Rechts oder eines rechtlichen Vorteils. Der V. ist bereits dem römischen Rechts bekannt. Vermutlich unabhängig hiervon tritt er auch im Frühmittelalter auf. Auffällig sind die Verzichte auf römische Einreden in hochmittelalterlichen und spätmittelalterli­chen Urkunden (Renuntiationen). Eine allgemeine Regelung ist nirgends erfolgt. Ein Sonderfall des Verzichts ist der Erbverzicht.

Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L., Erlass und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das Aufkommen der Rechtsverzichts­formeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Verzug (lat. [F.] mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der fälligen und möglichen Leistung durch den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen Recht als Leistungsstörung bekannt, wobei ein Verschulden nicht erforderlich ist. Eine Mahnung verdeutlicht die Ursächlichkeit des Schuldners und ist bei Terminschulden nicht  nötig. Der V. wird durch ein Leistungsangebot beendet. Seit dem Spät­mittelalter wird der V. aufgenommen und mit deutschrechtlichen Einrichtungen ver­schmolzen. Folgen des Verzugs sind die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszin­sen und zum Ersatz des Verzugsschadens sowie die Haftung bei zufälligem Untergang. Das Naturrecht anerkennt ein Rücktrittsrecht.

Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag nach niederländischen Quellen des Mittelalters, 1913; Heymann, E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nicht­erfüllung, 1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften des BGB bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Harke, J., Mora debitoris und mora creditoris  im klassischen römischen Recht, 2005

Veßra ist das im frühen 12. Jh. von den Grafen von Henneberg in Ostfranken gegründete Hauskloster.

Lit.: Das Prämonstratenserkloster Veßra - Urkundenre­gesten 1130-1873, hg. v. Wölfing, G., 2009

vestigii minatio (F.) (mlat.) Spurfolge

vestitura (lat./mlat. [F.]) Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195

Veto (lat. ich verbiete) ist der Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen einen Beschluss oder eine Maßnahme. Das aus einem Recht (Inter­zessionsrecht) römischer Magistrate (z. B. Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B. Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint an unterschiedlichen Stellen (z. B. V. des englischen Königs gegen ein vom Parlament beschlossenes Gesetz im 16. und 17. Jh., suspensives Veto des Kaisers Österreichs nach dem Kremsierer Entwurf von 1849, suspensives V. des Reichs­ober­hauptes nach der Entwurf gebliebenen deutschen Verfas­sung von 1849, absolutes Veto des Kaisers Österreichs nach der Dezemberverfassung von 1867, suspensives V. des Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen Gesetzgebungsbe­schlüsse).

Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A. 1887, Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1929; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972

vi (lat.) durch Gewalt

Lit.: Kaser § 21 I

via (lat. [F.]) Weg, Wegerecht (als Vorform der [lat. F.] servitus)

Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26

via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre

Vicarius (lat. [M.]) ist im spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers in der Reichsdiözese. Im fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise verschiedentlich ein Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch für weniger bedeutende Aufgaben und Vikare als Berechtigte auf Dauer eingerichteter Pfründen.

Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55, 84; Köbler, LAW; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur Reformation, 2003; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004

vicinus (lat. [M.]) Nachbar

vicus (lat. [M.]) Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung

Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, (in) Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136

Vidal de Canellas, nach Studium des Rechts in Bologna (um 1221) Bischof von Huesca (1236-1252) und Kanzler König Jaimes I. von Aragón, erstellt eine erweiterte Fassung (lat. maior compilatio) des Fuero von Aragón von 1247.

Lit.: Vidal Mayor, hg. v. Tilander, G., 1956

Vidalín, Pall Jónsson (1667-1727) wird nach dem Studium in Kopenhagen Lehrer an der Domschule in Skálholt/Island, Amtmann und Richter. Nach 1719 erstellt er einen Entwurf für ein isländisches Gesetzbuch.

Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987, 350

Videant consules ne quid detrimenti res publica capiat (lat.). Die Konsuln mögen achthaben (bzw. zusehen), dass der Staat keinen Schaden nimmt.

Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109 (1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero 106-43 v. Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4)

vidimus (lat.) wir haben gesehen (Beglaubigungsvermerk für Abschriften im Mittelalter)

Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 17. A. 2007

Vieh ist die Gesamtbezeichnung für die unmittelbar nutzbaren Haustiere, die in den älteren Zeiten der wichtigste Vermögens­bestandteil sind. Dementsprechend besteht die ältere Wirtschaftsform außer in Ackerbau vor allem in Viehzucht. Im römischen Recht zählen Rinder, Pferde, Esel und Maultiere zu den (lat.) → res (F.Pl.) mancipi (hand­greifbaren Sachen). Im mittelalterlich-neuzeitlichen Recht werden entgegen der deutschrechtlichen Regel „Augen auf, Kauf ist Kauf“ bestimmte Mängel (Hauptmängel) gewisser Haustiere innerhalb kurzer Fristen doch als Sachmangel anerkannt. Vieh­verstellung ist Einstellung von Vieh auf Zeit bei einem anderen.

Lit.: Hübner; Köbler, DRG 13, 24, 67, 78, 166; Wackernagel, J., Die Viehverstellung, 1923; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.

Vierteilen ist die durch Zerreißen des lebenden Menschen in vier Teile vollzogene → Todesstrafe.

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Vikar → vicarius

villa (lat. [F.]) Hof, Dorf

Lit.: Köbler, LAW; Grazianskij, N., Zur Auslegung des terminus „villa“ in der Lex Salica, ZRG GA 55 (1948), 368; Köbler, G., Vicus und thorf, (in) Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136: Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983

villicus (lat. [M.]) Verwalter, Meier, Dorfvorsteher

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Villikation (F.) Fronhof mit abhängigen Höfen in der → Grundherrschaft

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 96; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1f. 1983; Rösener, W., Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1989

Villingen

Lit.: Fischer, T., Der Prozess vor dem Villinger Stadtgericht im 17. Jahrhundert, 2006

Vilsbiburg

Lit.: Schwarz, G., Vilsbiburg, 1976

vinculum (lat. [N.]) Band

Vindex (lat. [M.] Gewaltsager) ist im altrömischen Verfahren jemand, der für einen als Schuldknecht Ergriffenen (Schuldner) auftreten und die an diesen gelegte Hand wegschlagen kann, wodurch es zum Streit zwischen dem Verfolger (Gläubiger) und dem Dritten (v.) kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich die Summe, gegen die der Ergriffene (Schuldner) ausgelöst werden kann, verdoppelt.

Lit.: Kaser §§ 32 II, 81 III, 82 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

vindicatio (lat. [F.]) Gewaltandrohung, Herausgabeverlangen (z. B. in libertatem [in die Freiheit], in servitutem [in die Sklaverei], pignoris [des Pfandes], rei servitutis [der Sache der Servitut], ususfructus [des Nießbrauchs], pro parte [auf den Anteil])

Lit.: Kaser §§ 15 I, 16 I 28 III, 29 I, 31 III; Söllner § 9

vindicta (lat. [F.]) Stab (bei der Vindikation), Rache, Strafe

Lit.: Kaser §§ 27 I 2, 81 II 1a; Köbler, DRG 29

Vindikation (lat. [F.] vindicatio) ist seit dem altrömischen Recht das Herausgabeverlangen. Zur Zeit der Zwölftafelgesetze (451/50 v. Chr.) fasst der Kläger in Gegenwart des Beklagten vor dem Gerichtsmagistrat den tatsächlich oder symbolisch vorhandenen streitigen Gegenstand an, berührt ihn mit einem Stab (lat. [F.] vindicta, festuca) und erklärt in einer festen Formel, dass der Gegenstand ihm gehöre. Der Beklagte, der den Gegenstand verteidigen will, muss dieses Vorgehen auf ihn bezogen wiederholen. In der Folge wird dann eine Summe gesetzt und die (lat.) → legisactio (F.) sacramento durch­geführt. Nach Aufgabe der geschichtlich entstandenen Besonderheiten entwickelt sich hieraus der Herausgabeanspruch des Eigentü­mers gegen den nichtbesitzbe­rech­tigten Besitzer.

Lit.: Köbler, DRG 24, 212; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Vindikationslegat (N.) ist das auf unmittelbaren Rechtserwerb (und deshalb mögliche → Vindikation) des Vermächtnis­nehmers gerichtete → Vermächtnis im Ge­gen­satz zum (nur) schuldrechtlich wirkenden → Damnationslegat.

Lit.: Köbler, DRG 23

Vinding Kruse, Frederik (1880-1963) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kopenhagen. Er wirkt maßgeblich bei der 1927 erfolgten Einführung eines neuen Grund­buchsystems in Dänemark mit. Sein wichtigstes Werk befasst sich mit dem Eigentum (Ejendomsretten, Bd. 1ff. 1929ff.).

Lit.: Tamm. D., Retsvidenskaben in Danmark, 1992, 184

Vinnius, Arnold (Monster bei Den Haag 4. 1. 1588-Leiden 1. 9. 1657) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden (1603 Gerard Tuningius [Schüler Hugo Doneaus]) 1612 oder 1613 promoviert und nach langer Wartezeit als Rektor der Lateinschule in Leiden 1633 außerordentlicher und 1636 ordentlicher Professor in Leiden. Unter dem durch seinen Lehrer vermittelten Einfluss Hugo → Doneaus (Donellus) veröffentlicht er 1618 einen Institutionenkommentar seines Lehrers Tuningius, 1624 bzw. 1631 Iurisprudentiae contractae … libri III (drei Bücher zusammengezogener Rechtswissen­schaft), 1642 einen Kommentar zu den Institutionen und 1646 eine Ausgabe der Institutionen mit Anmerkungen. In seinem Kommentar bietet er mit großem Erfolg eine philologisch-historische Erklärung des Textes mit vielen Angaben zum einheimischen geltenden Recht, so dass er als erster eleganter Jurist angesehen wird.

Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leyden law Professors, 1975, 24, 52; Ahsmann, M., Collegia en colleges, Diss. jur. Leiden 1990, 18; Vinnius, A., Institutionenkommentar Schuldrecht, übers. v. Wille, K., 2005

Virginia Bill of Rights ist die von George Mason (1725-1792) entworfene und am 12. 6. 1776 vom Konvent der nach Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonien Virginia verabschiedete Menschenrechtserklärung, die als älteste formelle → Verfassung angesehen wird.

Lit.: Köbler, DRG 191

Virilstimme ist die Einzelstimme eines Mitglieds im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) bzw. im Deutschen Bund im Gegensatz zu der mehrere Mitglieder vereinenden → Kuriatstimme.

Lit.: Köbler, DRG 148; Köbler, Historisches Lexikon; Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 II 2

Vir (M.) inluster (lat.) ist ein spätantik-frühmittelalterlicher hervorhebender Titel.

Lit.: Wolfram, H., Intitulatio I, 1967

virtus (M.) Mannhaftigkeit, Tugend

L.: McDonnell, M. u. a., Virtus and the Roman Epublic, 2006

vis (lat. [F.]) Gewalt → vi

Lit.: Köbler, DRG 42, 43

Visby auf Gotland ist die Hansestadt (1280), die sich im Hochmittelalter zum Mittelpunkt des Handels in der Ostsee entwickelt. V. überliefert in mittelniederdeutscher Sprache ein in den Jahren 1341-1344 aufgezeichnetes Stadtrecht. Dieses gliedert sich in vier Bücher mit 60, 52, 52 und 38 Kapiteln (Verfassung-Verfahren-Strafe, Verfahren, Grundstücke-Zins-Schiffe, Ehe-Vormundschaft-Erbe). Es ist von Lübeck, Schleswig, Hamburg, Soest, dem Sachsenspiegel und schwedischen Rechten beeinflusst und wirkt seinerseits auf das Recht von Riga und Nowgorod. Zwei Bruchstücke des Stadtrechts von V. könnten von etwa 1270 stammen. 1361 fällt V. an Dänemark, 1645 an Schweden. Das Seerecht von V. (15. Jh.) ist eine Verbindung von niederländischen und hansischen Rechts­grundsätzen ohne Zusam­menhang mit dem Stadtrecht.

Lit.: Codices iuris Visbyensis, hg. v. Schlyter, C., 1853, 1; Schlüter, W., Zwei Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Fassung des Wisbyschen Stadtrechts, Mitt. aus d. Gebiet d. gesch. Livlands 18 (1903-8), 487; Frensdorff, F., Das Stadtrecht von Wisby, Hans. Geschbll. 22 (1916), 1; Hasselberg, G., Studier rörande Visby Stadslag, 1953; Ebel, W., Lübisches Recht, 1971; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008

Visitation ist die in der Kirche schon früh entwickelte aufsichtliche Überprüfung der Pfarreien durch den Bischof oder später den Archidiakon. In der Neuzeit finden zwischen 1507 und 1776 mit geringer Regelmäßigkeit Visitationen auch am → Reichskammerge­richt statt.

Lit.: Lingg, M., Geschichte des Instituts der Pfarrvisitationen, 1888; Winkler, A., Über die Visitation des Reichskammergerichts, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Cheney, C., Episcopal Visitation, 2. A. 1983; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Frieb, K., Kirchenvisitation und Kommunikation, 2006

Vis (F.) maior (lat.) ist schon im römischen Recht die (größere bzw.) höhere Gewalt (z. B. Feuer, Überschwemmung, Erdbeben), die den Schuldner von einer Haftung befreien kann.

Lit.: Kaser §§ 36, 39 III 1; Doll, A., Von der vis maior zur höheren Gewalt, 1989

Vita (lat. [F.]) Lebensbeschreibung

Lit.: Haarländer, S., Vitae episcoporum, 2000; Scripturus vitam, hg. v. Walz, D., 2001

Vitoria, Francisco de (Burgos ? 1483/93-12. 8. 1546) wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Paris spätscholastischer Theologielehrer in Paris (1512), Valladolid (1523) und Salamanca (1526). Unter Verwendung der (lat.) Summa (F.) theologiae des → Thomas von Aquin gründet der Dominikaner die Schule von → Salamanca. Angeregt durch die Entdeckung der Neuen Welt versteht er das Völkerrecht als Recht zwischen den Völkern. Eine Ver­letzung des Völkerrechts (z. B. Behinderung der kirchlichen Mission, Verfolgung von Christen) berechtigt nach Naturrecht zum Krieg. Die Indianer stuft er als schutzbe­dürftige Minderjährige ein.

Lit.: Vitoria, F. de, Relectio de Indis, hg. v. Pereña, L. u. a. 1967; Brown Scott, J., The Spanish Origin of International Law, 1934; Beltran de Heredia, V., Francisco de Vitoria, 1939; Otte, G., Das Privatrecht bei Francisco de Vitoria, 1964; Molinero, R., La doctrina colonial de Francisco de Vitoria, 1993

Viztum, Vitztum, Vizedom (lat. [M.] vicedominus) ist verschiedentlich ein Vertreter eines Herrn (z. B. Leiter der Finanzverwaltung in den Ländern Österreichs bis 1749).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2

Vladimirskij-Budanov, Michail Flegontovic (1838-1916) wird 1868 Professor für Rechtsgeschichte am Lyzeum in Jaroslawl und 1875 an der Universität Kiew. Seit 1872 veröffentlicht er eine dreibändige Quellen­sammlung zur russischen Rechtsgeschichte des 10.-17. Jh.s (Chrestomatij po istorii russ­kago prava), 1886 einen rechtsgeschichtlichen Grundriss (Obzor istorii russkago pravo).

Lit.: Taranovskij, F., Pamjati M. F. Vladimirskago-Budanova, (in) Jurisdiceskij Vestnik 2 (1916), 84

Vöcklabruck

Lit.: Zauner, A., Vöcklabruck und der Attergau 1, 1971

Voet, Johannes (Utrecht 1647-Leiden 1713), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Utrecht 1670 Professor in Herborn, 1674 in Utrecht und 1680 in Leiden. Seit 1687 erfasst er auch das zeitgenössische Recht. Sein Hauptwerk ist ein Naturrecht und Partikularrecht aufnehmender (lat.) Commen­tarius (M.) ad pandectas (Pandektenkom­mentar), der den modernen Gebrauch der Pandekten erfolgreich darstellt. 1682 bzw. 1700 veröffentlicht er Grundrisse zu den Pan­dekten bzw. Institutionen.

Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leiden law Professors, 1974, 35, 69; Van den Bergh, R., The selective Paulus Voet, 2007

vogelfrei (frei wie ein Vogel, preisgegeben)

Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Vogelfrei, ZRG GA 58 (1938), 525; Schmidt-Wiegand, R., Frei wie ein Vogel, Jb. d. Brüder-Grimm-Ges. 2 (1992), 189

Vogt (zu lat. [M.] advocatus) ist in Fortführung antiker Entwicklungen seit dem Frühmittelalter der schützende weltliche Sachwalter eines Menschen oder einer Kirche, der vielfach frei gewählt werden darf. Seit 782/786 wird der V. für die Kirche vor­geschrieben. In der → Immunität nimmt er die Aufgaben des Immunitätsberechtigten wahr. Verschiedentlich gelingt ihm der Aufstieg zum Landesherrn (z. B. Tirol). Seit dem 13. Jh. ist V. ein Amtsträger weltlicher Herren (z. B. Reichslandvogt), im Spät­mittelalter auch der Vormund. In der frühen Neuzeit wird die Kirchenvogtei als bloßes Schutzrecht verstanden und die niedere Vogtei als Grundlage einer neben der Landesherrschaft stehenden beschränkten Herrschaftsgewalt schwächerer Reichsglieder. Teilweise gelingt der Kirche die Umwandlung der Vogtei in ein bloßes Patronat. Mit dem Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) verschwindet 1806 auch der V.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 86, 111, 113; Pischek, A., Die Vogtgerichtsbarkeit süddeutscher Klöster, 1907; Glitsch, H., Untersuchungen zur mittelalterlichen Vogtgerichtsbarkeit, 1912; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 63, 213; Dohrmann, W., Die Vögte des Klosters St. Gallen, 1985

Vogtei ist die Stellung als → Vogt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Heilmann, A., Die Klostervogtei im rechtsrheinischen Teil der Diözese Konstanz, 1908; Waas, A., Vogtei und Bede, Bd. 1f. 1919ff.; Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei, 1933; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Endemann, T., Vogtei und Herrschaft, 1967; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hofacker, H., Die schwäbi­schen Reichslandvogteien, 1980; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Clauss, M., Die Untervogtei, 2002

Vohenstrauß

Lit.: Bernd, D., Vohenstrauß, 1977

Vokabular ist das Wörterbuch, das es seit dem 12. Jh. auch für den Bereich des Rechts gibt (Ulrich von Albeck, Promptuarium iuris, um 1420, Jodocus Verbarius, Vocabularius utriusque iuris, Wörterbuch beider Rechte, um 1452). Bei alphabetischer Anlage kann es auch → Abecedarium heißen. Zum → Sachsenspiegel sind zwei nichtalphabetische lateinisch-deutsche Vokabulare bekannt, die in einem Druck von 1474 und einer Handschrift von 1475 überliefert sind.

Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegel-Vokabularien, ZRG GA 44, (1924), 307; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsge­schichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 258, 352; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 80, 305

Volenti non fit iniuria (lat.). Dem Wollenden geschieht kein Unrecht.

Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-um 230, Digesten 47, 10, 1 § 5)

Volk ist die durch gemeinschaftliche geistige, kulturelle oder politische Entwicklung verbundene umfassende Personenmehrheit. V. sind z. B. Griechen, Römer, Germanen, Franken usw. Im Frühmittelalter zeichnen viele Völker oder Stämme ihr Recht als → Volksrecht auf. Wenig später entwickelt sich aus mehreren Stämmen das deutsche V., dessen Herrschaftsgebiet gegen Ende des Mittelalters als Heiliges römisches Reich (deutscher Nation) verstanden wird. In der frühen Neuzeit tritt das V. dem absoluten Herrscher als eine politisch weitgehend rechtlose Gesamtheit von Untertanen gegen­über. Demgegenüber versteht die Aufklärung (→ Rousseau) das V. als den eigentlichen Träger der Souveränität. Diese Vorstellung gewinnt im Laufe des 19. Jh.s an Gewicht und wird 1918 vielerorts verwirklicht. Gegenüber anderen Völkern werden vielfach eine geschlossene Nation und ein Nationalstaat angestrebt. Im National­sozialismus ist der Einzelne nichts, die völkische Gemeinschaft dagegen alles. In der multikulturellen Gesellschaft des ausgehen­den 20. Jh.s wird die Bedeutung des Volkes geringer.

Lit.: Köbler, DRG 18, 110, 111, 148, 149, 191, 202, 223, 230, 256; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Schmitt, C., Staat, Bewegung, Volk, 1933; Meyer, H., Recht und Volkstum, 1933; Herold, G., Der Volksbegriff, 1941; Franz, G., Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Nack, R., Germanen, 1965; Joachimsen, P., Vom deutschen Volk zum deutschen Staat, 4. A. 1967; Mosse, E., Ein Volk, ein Reich, ein Führer, 1979; Kershaw, I., „Widerstand ohne Volk?“, 1986; Stadler-Planzer, H., Die Souveränität beruht im Volk, 1988; Petri, M., Die Urvolkhypothese, 1990; Volk und Nation, hg. v. Herrmann, U., 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Geary, P., Europäische Völker im frühen Mittelalter, 2002; Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H., 2002; Fuhrmann, M., Volksvermeh­rung als Staatsaufgabe 2002; Plassmann, A., Origo gentis, 2006

Völkerbund ist der von den Siegermächten des ersten Weltkriegs (insbesondere Woodrow Wilson) angeregte, am 28. 6. 1919 gegründete, von 1920 bis 1946 bestehende, anfangs ganz von Frankreich beherrschte Bund von zunächst 45 Staaten mit einer Satzung (Völkerbundakte) vom 28. 4. 1919 und einer Bundesversammlung in Genf, einem Völkerbundrat mit den Hauptwelt­mächten als ständigen und weiteren nicht­ständigen Mitgliedern sowie einem Sekretariat als Organen. Die Vereinigten Staaten von Amerika treten nicht bei, Brasilien (1928), das 1926 aufgenommene Deutsche Reich (1933), Japan (1933) sowie Italien (1937) treten aus, die Sowjetunion wird 1939 ausgeschlossen. Nach Gründung der Vereinten Nationen löst sich der V. am 18. 4. 1946 auf.

Lit.: Schoch, O., Der Völkerbundsgedanke zur Zeit des deutschen Idealismus, 1960; Pfeil, A., Der Völkerbund, 1976; Sharma, S., Der Völkerbund, 1978; The League of Nations in retrospect, 1983; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Fellner, F., Vom Dreibund zum Völkerbund, 1994; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Wintzer, J., Deutschland und der Völkerbund 1918-1926, 2006; Das Vertragswerk von Locarno, hg. v. Breuer, M. u. a., 2007

Völkermord (Genozid) ist die Tötung einer erheblichen Anzahl der Angehörigen eines Volkes wegen der Zugehörigkeit zu diesem Volk (z. B. Armenier, Juden, Deutsche, Tschetschenen-Inguschen, Krim-Tataren).

Lit.: Heinsohn, G., Lexikon der Völkermorde, 1998; Blumenwitz, D., Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948, 2002; Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944-1948, hg. v. Documentation Project Committee, 2003; Naimark, N., Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, 2004

Völkerrecht ist die Gesamtheit der die Rechte und Pflichten der Staaten und anderen Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechts­sätze. Das V. reicht in seinen einfachsten Anfängen (Krieg, Frieden, Bündnisse, Gesandte) Jahr­tausende vor die Zeitenwende zurück. Es ist vom römischen (lat.) → ius (N.) gentium (bei allen Völkern – für alle Rechts­subjekte - geltendes Recht) wegen dessen Erstreckung auf den Rechtsverkehr mit und unter Nichtrömern zu unterscheiden. In seiner modernen Gestalt entwickelt es sich mit der Ausbildung des Staates im ausgehenden Mittelalter. Hier leiten die spanischen Spätscholastiker (Francisco de → Vitoria 1483/93-1546, Fernando → Vazquez 1512-69) aus einem als allgemein geltend behaup­teten Naturrecht gewisse allgemeine Völker­rechtssätze ab. Hugo → Grotius be­gründet 1625 mit (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (Drei Bücher Recht des Krieges und Friedens) überhaupt ein allgemeines Recht für alle Rechtsverhältnisse. Von 1648 bis 1815 reicht das sog. französische Zeitalter des Völkerrechts, von 1815 bis 1914 das sog. englische Zeitalter. Nach 1750 wird auf der Grundlage von Überlegungen Thomas Hobbes’ der Herrscher als Subjekt des Völkerrechts durch den Staat oder das Volk als Bezugspunkt ersetzt. 1758 wendet Emer de → Vattel in einem bedeutsamen Werk das Vernunftrecht auf das V. an. 1785 versucht Georg Friedrich von → Martens in seinen (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien des praktischen Völkerrechts Europas) eine neuartige Gliederung und legt 1797 eine Sammlung der wichtigsten völkerrechtlichen Verträge vor. Bis zum 19. Jh. bezieht das V. nur die christlichen Staaten Europas (und Amerikas) ein, bis 1856 das osmanische Reich (Türkei) aufgenommen wird. Seit dem 20. Jh. gewinnt das V. infolge der Tätigkeit der Vereinten Nationen größeres Gewicht und entwickelt sich von einem reinen Zwi­schenstaatsrecht zu einem Schutzrecht für Opfer bzw. einem Verantwortungsrecht für Täter (Nürnberger Militärtribunal 1945ff., internationale Strafgerichtshöfe für Jugo­slawien und Ruanda, Entscheidung des briti­schen House of Lords im Fall Pinochet 1999). Quellen des Völkerrechts sind (mangels der Souveränität eines [Völker­rechts-]Gesetz­gebers) hauptsächlich Verträge und Völkergewohnheitsrecht.

Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 97; Walker, T., A History of the Law of Nations, 1899; Wegner, A., Geschichte des Völkerrechts, 1936; Reibstein E., Die Anfänge des neueren Völkerrechts, 1949; Histoire des relations internationales, hg. v. Renouvin, P., Bd. 1 1953; Rie, R., Der Wiener Kongress und das Völkerrecht, 1957; Nussbaum, A., Geschichte des Völkerrechts in gedrängter Darstellung, 1960 (dt. Übersetzung der 2. amerikanischen A.); Reibstein, E., Völkerrecht – Eine Geschichte seiner Ideen, Bd. 1f. 1957ff.; Preiser, W., Die Völkerrechtsgeschichte, 1964; Reibstein, E., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen römischen Reiches, 1967; Mössner, J., Die Völkerrechts­persönlichkeit und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten (Algier, Tripolis, Tunis 1518-1830), 1968; Muldoon, J., Popes, Lawyers and Infidels, 1979; Kunisch, J., Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Verdross, A./Simma, B., Universelles Völkerrecht, 3. A. 1984; The Consolidation. Treaty Series, hg. v. Parry, C., Bd. 1ff. 1969ff.; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Fontes historiae iuris gentium, hg. v. Grewe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Nörr, D., Aspekte des römischen Völkerrechts, 1989; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, 2. A. 2007; Eick, C., Indianerverträge in Nouvelle-France, 1994; Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Schröder, J., Die Entstehung des modernen Völkerrechtsbegriffs im Naturrecht der frühen Neuzeit, (in) Die Entstehung und Entwicklung der Moralwissenschaften, hg. v. Byrd B. u. a., 2000; Ziegler, K., Biblische Grundlagen des europäischen Völkerrechts, ZRG KA 86 (2000), 1; Paulus, A., Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001; Koskenniemi, M., The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of International Law 1870-1960, 2001; Bederman, D., International Law in Antiquity, 2001; Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter, hg. v. Berg, D. u. a., 2002; König, K., Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, 2003; Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch, hg. v. Lüder, S. u. a., 2003; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2003; Steck, P., Zwischen Volk und Staat, 2003; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Gierhake, K., Begrün­dung des Völkerstrafrechts auf der Grundlage der kantischen Rechtslehre, 2006; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2. A. 2007; Schmidt, F., Praktisches Naturrrecht zwischen Thomasius und Wolff - Der Völkerrechtler Adam Friedrich Glafey, 2007; Swatek-Evenstein, M., Geschichte der humanitären Intervention, 2008; Denfeld, C., Hans Wehberg (1885-1962), 2008; Degenhardt, F., Zwischen Machtstaat und Völkerbund - Erich Kaufmann, 2008; Ziegler, K., Fata iuris gentium, 2008; Steiger, H., Die Ordnung der Welt, 2009

Völkerwanderung ist allgemein die dauerhafte Veränderung des ständigen Aufenthaltsorts eines mehr oder weniger vollständigen Volks (z. B. Kimbern, Teu­tonen, Helvetier) und besonders die durch einen Vorstoß der Hunnen (→ Türke) aus Asien 375 n. Chr. ausgelöste Wanderung germanischer Völker in die Gebiete des weströmischen Reiches (z. B. Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Van­dalen, Sueben, Alemannen, → Franken, Angeln, Jüten, Sachsen und Langobarden). Die V. endet 568 n. Chr. mit dem Vorstoß der Langobarden nach Italien. Im Ergebnis entstehen mehrere neue Reiche. Umstritten ist die Frage der Fortdauer antiker Einrichtungen. In keinem Fall darf aber die Bedeutung des von der Kirche vermittelten Wissens über das Altertum unterschätzt werden. Umfangreiche Wanderungsbewe­gungen finden darüber hinaus bis in die Gegenwart ebenso statt wie Versuche ihrer Abwehr oder Lenkung.

Lit.: Köbler, DRG 67; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Lot, F., Les invasions germaniques, 1935; Zöllner, E., Geschichte der Franken, 1970; Diesner, H., Die Völkerwanderung, 1976ff.; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Maczynska, M., Die Völkerwanderung, 1993; Anderson, M., The Rise of Modern Diplomacy, 1993; Martin, J., Spätantike und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Pohl, W., Die Völkerwanderung, 2002, 2. A. 2005; Arens, P., Sturm über Europa, 2002; Rosen, K., Die Völkerwanderung, 2002; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002

Volksabstimmung ist die Abstimmung der stimmberechtigten Staatsbürger über eine einzelne Sachfrage. In kleinen einfachen Gesellschaften finden Volksabstimmungen in der → Volksversammlung statt. In größeren, komplexen Gesellschaften geht diese Einrichtung verloren. Seit der Aufklärung wird sie in unterschiedlicher Weise wiederbe­lebt (Massachusetts 1780, Frankreich 1793, helvetische Republik 1798, Deutsches Reich 1919ff.).

Lit.: Schmitt, C., Volksentscheid und Volksbegehren, 1927; Tipke, K., Das Recht des Volksentscheids, Diss. jur. Hamburg 1952 masch.schr.; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie, 1971; Schefold, D., Volks­souveränität und repräsentative Demokratie, 1966; Bugiel, K., Volkswille und repräsentative Entscheidung, 1991; Jung, O., Plebiszität und Diktatur, 1995

Volksanwaltschaft ist die in Österreich mit Gesetz vom 24. 2. 1977 nach schwedischem Vorbild (Ombudsman) (zunächst nur versuchsweise) geschaffene außergerichtliche Einrichtung, bei der sich jeder Betroffene wegen eines behaupteten Missstands in der Verwaltung des Bundes bei Fehlen eines Rechtsmittels beschweren kann. Die V.muss die Beschwerde prüfen und kann gegenüber Missständen empfehlungen aussprechen, aber nicht gerichtlich vorgehen.

Volksbegehren ist das Begehren einer bestimmten Zahl von Bürgern eines Staates, Gesetzesentwürfe vorzulegen und darüber eine Volksabstimmung zu verlangen. Das V. findet sich seit der Aufklärung an unterschiedlichen Orten (Georgia 1777, Schweiz 1830ff., Deutsches Reich 1919ff.)

Lit.: Schambeck, H., Das Volksbegehren, 1971; Hartmann, D., Volksinitiativen, 1976; Jung, O., Direkte Demokratie in der Weimarer Republik, 1989; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003

Volksdemokratie ist im sozialistischen Verfassungsrecht des 20. Jh.s die der bürgerlichen Demokratie bewusst entgegen­gesetzte Staatsform, in der die politische Macht in den Händen der kommunistischen Arbeiterpartei als Vertreterin des Volkes liegt. Nach 1945 werden zahlreiche Volksdemo­kratien geschaffen (z. B. Deutsche Demokratische Republik). Um 1990 tritt die V. als erfolglos zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Volkseigen (dem Volk [und damit keinem Einzelnen] gehörig)

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krause, W., Die Entstehung des Volkseigentums in der Industrie, 1958; Hoffmann, M., Das Volkseigentum an Grund und Boden in der DDR, 1978

Volksempfinden

Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199

Volksgeist ist vielleicht in Wiedergabe des möglicherweise auf der bereits bei Aristoteles und dann bei Jean Bodin (1566, 1576) betonten Verschiedenheit der Völker gründenden französischen l’esprit de la nation die Gesamtheit der einem jeweiligen Volk innewohnenden teilweise unbewusst wirkenden schöpferischen Kräfte. Auf diese na­tionalen Kräfte greift in der deutschen Romantik Herder (1744-1803) mit Volkssprache und Volkslied zurück. → Sa­vigny übernimmt diese Vorstellung für die Rechtsquellenlehre der → historischen Rechtsschule. Allerdings geht er dabei schon seit 1808/1809 davon aus, dass die Wande­rungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das römische Recht das eigentümliche, vom V. zu bearbeitende Recht sei. 1828 verwendet → Puchta den V. als eine von mehreren Tätigkeiten des Volkes, die eine einheitliche Rechtsauffassung auf der Grundlage gemeinschaftlich geteilter Über­zeugung schafft. 1840 gebraucht auch Savig­ny das Wort.

Lit.: Köbler, DRG 178, 188; Möller, E. v., Die Entstehung des Dogmas von dem Ursprung des Rechtes aus dem Volksgeist, MIÖG 30 (1909), 1; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Zahradnik, K., Nationalgeist, Diss. phil. Wien 1938 masch.schr.; Schröder, J., Zur Vorgeschichte der Volksgeistlehre, ZRG GA 109 (1992), 1

Volksgerichtshof ist das am 24. 4. 1934 geschaffene Gericht des Dritten Reiches vor allem für Hochverrat und → Landesverrat (12 Berufsrichter, wovon nur einer vor 1933 der NSDAP angehörte, seit 1942 auf Lebenszeit ernannt), das in Senaten mit 2 Berufsrichtern und drei Volksrichtern (Funk­tionären, Offizieren, Beamten) entscheidet (insgesamt rund 570 Richter und Staatsan­wälte). Der V. sichert (auch durch „ver­fahrensmäßige Normalität“) die nationalso­zia­listische Herrschaft. Unter seinem Präsi­denten (Roland Freisler August 1942-3. 2. 1945) werden bis 1945 bei 16342 Angeklagten (mindestens 15729 Abgeur­teilten) 5243 To­des­urteile verhängt. Rechtsmittel fehlen. Am 25. 1. 1985 erklärt der deutsche Bundestag alle Entscheidungen des Volksgerichtshofes als nichtig.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Buchheit, G., Richter in roter Robe, 1968; Wagner, W., Der Volksgerichtshof, 1974; Im Namen des deutschen Volkes, hg. v. Hillermeier, H., 2. A. 1982; Koch, H., Der Volksgerichtshof, 1988; Marxen, K., Der Volksgerichtshof, Anwaltsbl. 1989, 17; Marxen, K., Das Volk und sein Gerichtshof, 1994; Schlüter, H., Die Urteilspraxis des nationalsozialistischen Volksgerichts­hofs, 1995; Die Angeklagten des 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, hg. v. Mühlen, B. v. zu, 2001; Eder, W., Das italienische Tribunale speciale per la difesa dello stato und der deutsche Volksgerichtshof, 2002; Breuning, S., Roland Freisler, 2002; Terror und Normalität, v. Marxen, K. u. a., 2004; Ramm, A., Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, 2007

Volksgesetzbuch ist das schon im 18. Jh. angestrebte volkstümliche, das gesamte Recht eines → Volkes verständlich zusammenfas­sende Gesetzbuch. Seit 1938 (Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich) befasst sich die → Akademie für deutsches Recht mit einem Projekt eines in 8 Bücher (Volksgenosse, Familie, Erbe, Vertrag und Haftung, Eigen­tum, Arbeit, Unternehmen, Vereinigung) gegliederten Volksgesetzbuches. Dieses teils reaktionäre, teils fortschrittliche Vorhaben einer gemäßigten Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) wird im August 1944 eingestellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 237; Hedemann, J., Das Volksgesetzbuch der Deutschen, 1941; Krause, H., Wirtschaftsrecht und Volksgesetz­buch, Deutsche Rechtswissenschaft 1941, 204; Hedemann, J./Lehmann, H./Siebert, W., Volksgesetz­buch, 1942; Hattenhauer, H., Das NS-Volksgesetz­buch, FS R. Gmür 1983, 255; Volksgesetzbuch, hg. v. Schubert, W., 1988

Volkshaus ist die Bezeichnung für das Parlament in der nicht verwirklichten deutschen Verfassung von 1849. Seine Abgeordneten sollen durch geheime, direkte, allgemeine und gleiche Wahlen bestimmt werden.

Lit.: Köbler, DRG 194; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005

Volksheer ist das vom gesamten Volk gebildete Heer, wie es bei allen Völkern am Anfang stehen dürfte. Im fränkischen Reich tritt das V. gegenüber dem von Lehnsmannen gebildeten Reiterheer zurück. Das moderne V. erscheint in den Befreiungskriegen gegen Napoleon (Österreich 1808, Preußen 1808/13) und setzt die der Volkssouveränität entsprechende allgemeine → Wehrpflicht vor­aus. Im späten 20. Jh. dringt die Vorstellung einer Berufsarmee wieder vor.

Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Frauenholz, E. v., Das deutsche Wehrwesen, 1941; Hermann, H., Deutsche Militärge­schichte, 1966

Volkskammer ist das Parlament der → Deutschen Demokratischen Republik.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 258; Lapp, P., Die Volkskammer der DDR, 1975; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982

Volkskunde ist die Lehre von den Wesenszügen eines → Volkes. Die rechtliche V. bezieht sich dabei vornehmlich auf das Recht. Ihre Ansätze gehen in das 18. Jh. zurück. 1886/1887 erscheint in Frankreich eine folklore juridique (Rolland), 1925 in Deutschland die rechtliche V. (Künßberg). Ihre Quellen sind Sprachgut (z. B. Namen), Sachgut (z. B. Rathaus), Brauchgut (z. B. Umritt), Glaubensgut (z. B. Eid) und anderes. In der Gegenwart versteht sich die V. zunehmend als Teil der allgemeinen Ethnologie.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Künßberg, E. v. Rechtliche Volkskunde, 1936; Künßberg, E. Frhr. v., Lesestücke zur rechtlichen Volkskunde, 1936; Boehm, M., Volkskunde, 1937; Mackensen, L., Volkskunde der deutschen Frühzeit, 1937; Wohlhaupter, E., Beiträge zur rechtlichen Volkskunde Schleswig-Holsteins, Nordelbingen 16 (1940), 74, 17/18 (1942), 51; Bader, K., Die zimmerische Chronik als Quelle rechtlicher Volkskunde, 1942; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Walker, M., Das volkstüm­liche Leben im 15. und 16. Jahrhundert, Diss. phil. Tübingen 1954; Wackernagel, H., Altes Volkstum der Schweiz, 1956; Kramer, K., Bauer und Bürger im nachmittelalterlichen Unterfranken, 1957; Volkskunde, hg. v. Lutz, G., 1958; Strübin, E., Grundfragen des Volkslebens bei Jeremias Gotthelf, 1959; Kramer, K., Volksleben im Fürstentum Ansbach, 1961; Jacobeit, W., Schafhaltung und Schäfer, 1961; Zur Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung in Württem­berg, 1964; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearb. v. Tzermias, P., 1965; Das Ochsenfurter Kauzenbuch 1611-1802, 1967; Siebs, B., Weltbild, 1969; Duenninger, J. u. a., Bräuche und Feste im fränkischen Jahreslauf, 1971; Kramer, K., Grundriss einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Das Recht der kleinen Leute, hg. v. Köstlin, K. u. a., 1976; Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, hg. v. Carlen, L., 1978ff.; Mohrmann, R., Volksleben in Wilster, 1977; Göttsch, S., Stapelholmer Volkskultur, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Volksrecht ist das Recht eines Volkes, ins­besondere das Recht eines der frühmittelalterlichen Nachfolgevölker der Germanen (lat. [F.] lex, ahd. [F.] ewa). Die Aufzeichnungen der Volksrechte in latei­nischer Sprache beginnen nach römischem und kirchlichem Vorbild noch am Ende des Altertums ([lat.] Codex [M.] Euricianus 475). Überliefert sind Volksrechte der Goten, Burgunder, Franken (ab 507-511?), Ale­mannen, Bayern, Langobarden, Sachsen, Thüringer, Friesen und (in der Volkssprache) der Angelsachsen (→ lex, leges). Inhaltlich setzen sie sich aus Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht zusammen. Sachlich bedeutsam sind vor allem der Unrechts­erfolgsausgleich durch → Wergeld und Buße (→ Kompo­sitionensystem) und das Verfahren. Die Aufzeichnung der durch → Kapitularien ergänzten Volksrechte endet im frühen 9. Jahrhundert (802), die Überlieferung im Hochmittelalter, in dem das V. durch das → Landrecht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) abgelöst wird. Das V. ist bereits durch römisches Recht und kirchliches Recht beeinflusst.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 79, 80, 101; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, 1846; Mitteis, L., Volksrecht und Reichsrecht, 1891, Neudruck 1963; Halban, A. v., Das römische Recht in den germanischen Volksstaaten, 1899ff.; Mayer-Homberg, E., Die fränkischen Volksrechte im Mittelalter, Bd. 1 1912; Eckhardt, K., Gesetze der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 55 (1935), 232; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Amira, K. v., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991

Volksrichter ist der nicht durch eine rechtswissenschaftliche Ausbildung ausge­wiesene, durch Volksvertretung oder Bürger gewählte Richter der → Deutschen Demo­kratischen Republik.

Lit.: Köbler, DRG 262; Pfannkuch, J., Volksrichter­ausbildung in Sachsen, 1993; Hattenhauer, H., Über Volksrichterkarrieren, 1995; Volksrichter in der SBZ/DDR, hg. v. Wentker, H., 1997; Backhaus, J., Volksrichterkarrieren in der DDR, 1998; Mathes, R., Volksrichter, Schöffen, Kollektive, 1999

Volksschädling ist nach einer besonderen nationalsozialistischen Verordnung des Dritten Reiches (1935), wer den Interessen des deutschen Volkes schadet.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jansen, S. Schädling, 1999

Volkssouveränität ist die Innehabung der Staatsgewalt durch das Volk als Souverän. Die V. entwickelt sich nach bereits antiken (→ Cicero 106-43 v. Chr.) und mittelalterlichen (→ Marsilius von Padua 1324) Ansätzen aus der Souveränitäts­vorstellung der frühen Neuzeit (Bodin 1527). Nach Emer de Vattel (1758) und Jean-Jacques → Rousseau (1762) ist Inhaber der Souveränität das Volk. Dementsprechend erklärt die → Virginia Bill of Rights 1776, dass alle Gewalt vom Volk ausgehe. Auch die französische Revolution behauptet die Verankerung jeglicher Souveränität in der Nation. Dem folgen deutsche Politiker seit etwa 1820, wenn sie die V. dem → monarchischen Prinzip, dem Gottesgnaden­tum und der Fürstensouveränität gegenüber­stellen. Die Weimarer Reichs­verfassung (1919) und die späteren deutschen Verfas­sungen führen dann uneingeschränkt alle Staatsgewalt auf das Volk zurück.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 191, 230, 248; Murhard, F., Die Volkssouveränität, 1832; Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Wolf, H., Volkssouveränität und Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsen­tative Demokratie in der schweizerischen Re­generation, 1966; Schubert, F., Volkssouveränität und Heiliges römisches Reich, HZ 213 (1971), 91; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, hg. v. Schott, C., Bd. 1f. 1972; Kielmannsegg, P., Volkssouveränität, 1977; David, M., La souveraineté du peuple, 1996; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001

Volkssprache ist die Sprache eines Volkes im Gegensatz zur Sprache anderer Völker bzw. die Sprache des einfachen Volkes im Gegensatz zu einer Sprache der Gebildeten oder Gelehrten. Im fränkischen Frühmittel­alter ist die Grundlage der Volkssprachen im östlichen Reichsteil (z. B. althochdeutsch, altnie­derfränkisch, altsäch­sisch) germanis­tisch, die Überlieferungs­sprache dagegen lateinisch. Das führt zu einem → Über­setzungsproblem. Seit dem 13. Jh. dringt die Volkssprache in der Überlieferung allgemein vor (Sachsenspiegel, Mühlhäuser Reichs­rechtsbuch, rund vierzig Urbare [Urbar der Marschälle von Pappenheim 1214-1219?], rund 40 städtische Rechtsbücher, mehr als 4000 Originalurkunden vor allem ab 1250), in der Aufklärung setzt sie sich (im Heiligen römischen Reich unter Vereinheitlichung auf das Neuhoch­deutsche) gegenüber fremden Sprachen durch. Dessenungeachtet bleiben Prägungen der V. durch die römische Jurisprudenz bestehen. Im 20. Jh. macht sich zunehmend angloameri­kanischer Einfluss bemerkbar.

Lit.: Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallel­urkunden, 1975; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Sousa Costa, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolin­gischen Kapitularien 1993; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008

Volkstribun (lat. tribunus [M.] plebis) ist im altrömischen Recht das seit 494 v. Chr. anerkannte Sonderorgan der Plebejer. Der V. ist unverletzlich. Jeder der zehn auf je ein Jahr gewählten Volkstribunen muss Plebejer sein. Er leitet die Versammlung der Plebejer und hat ein Einspruchsrecht (Interzessionsrecht) gegen Handlungen eines Magistrats (z. B. Konsuls) gegen einen Bürger sowie ein Vetorecht gegen Senatsbe­schlüsse. Im Prinzipat beansprucht der Prinzeps die vom Amt gelöste Amtsgewalt (lat. tribunicia potestas [F.]).

Lit.: Köbler, DRG 18; Söllner §§ 6, 13, 14; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Volksverrat ist der Verrat des eigenen Volkes an Fremde. Der V. wird bei den Germanen durch Aufhängen des Verräters verfolgt.

Lit.: Köbler, DRG 71

Volksversammlung ist die Versammlung der freien Angehörigen eines Volkes. Sie ist in frühen Zeiten das allgemeine Organ des Volkes. Im altrömischen Recht finden sich etwa (lat.) comitia (N.Pl.) curiata (nach Kurien oder Geschlechtern gegliedert), comitia centuriata (nachVermögensklassen in Zenturien gegliedert, Wahl der Konsuln und Prätoren), Tributkomitien (nach lokalen Bezirken, tribus gegliedert, Wahl der niederen Magistrate) und Versammlung der (lat. [F.]) plebs. DIe V. wird von Beamten einberufen und kann deren Anträge nur annehmen oder ablehnen. Mit dem Prinzipat des Augustus verschwindet die V. Die V. der Germanen und des Frühmittelalters entscheidet in allen allgemein wichtigen Angelegenheiten. Mit der Ausdehnung einer Herrschaft tritt sie notwendigerweise zurück. Überreste finden sich in der Landsgemeinde Schweizer Kantone (in Appenzell-Außerrhoden 1997 abgeschafft) und in Demonstrationsver­sammlungen.

Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 10, 14; Köbler, DRG 18, 20, 69, 70, 83; Hahndorf, S., Die Volksversammlung, 1848; Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913

Volksvertretung → Parlament

Lit.: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1f. 1974ff.

Volkswirtschaft (Nationalökonomie) ist die gesamte Wirtschaft eines Volkes oder Staates (im Gegensatz zur Wirtschaft des einzelnen Betriebs, Betriebswirtschaftslehre, beginnend mit Gründung der ersten Handelshochschule 1898). Geschichtlich folgen an Schulen oder Strömungen wirtschaftlichen Denkens einzel­nen Vorläufern des Altertums und des Mittel­alters Merkantilismus, Physiokratismus, klassischer Liberalismus, Sozialismus, Histo­rismus und Grenznutzenlehre. Am Ende des 20. Jh.s stehen Neoklassik, Institutionen­ökonomik, Keynesianismus, Neoliberalismus und evolutorische Wirtschaftstheorie nebenei­nander.

Lit.: Sombart, W., Die deutsche Volkswirtschaft, 8. A. 1954; Schumacher, H., Die Wirtschaft in Leben und Lehre, 1943; Kolb, G., Geschichte der Volks­wirtschaftslehre, 1998

Vollbort (F.) Zustimmung

Vollenhoven, Cornelis van (1874-1933) wird nach dem Studium von Sprachen, Philosophie und Recht Verwaltungsbeamter im nieder­ländischen Kolonialministerium und 1901 Professor für Staatsrecht und Verwaltungs­recht der Kolonien. Er vertritt die Ansicht, dass die europäischen Rechts­vorstellungen nicht den niederländisch-ostindischen Gebie­ten gemäß seien. Sein Hauptwerk untersucht das Gewohnheitsrecht (Adat) Niederländisch-Ostindiens.

Lit.: Vollenhoven, C. van, Het adatrecht, Bd. 1ff. 1918ff.; Zestig juristen, 1987, 377; de Kanter-van Hettinga Tromp, B./Eyffinger, A., Cornelius van Vollenhoven, 1992

Volljährigkeit ist das Lebensalter, mit dem die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreicht wird. Die V. tritt im römischen Recht neben die ältere Mündigkeit und verdrängt in der frühen Neuzeit die ältere → Mündigkeit. Sie tritt nach römischem Recht meist mit 25 Jahren ein (in Deutschland zuerst im Deutschenspiegel von etwa 1275, dagegen Auctor vetus 24, Sachsenspiegel Lehnrecht 21). Dem folgt das gemeine Recht, während man in den altpreußischen Provinzen (1790, ALR 1794) und in Österreich (1753-1919) im 19. Jahrhundert mit 24 Jahren volljährig wird. Das französische Recht, das sächsische Recht, später Preußen (9. 12. 1876) (Deutsches Reich 17. 2. 1875) und das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lassen sie mit 21 beginnen. Das 20. Jh. setzt die V. weiter herab (Deutschland 1. 1. 1975 18, Deutsche Demokratische Republik 17. 5. 1950 18 Österreich 1. 7. 1971 19, 1. 7. 2001 18, Schweiz 20, 1. 1. 1996 18).

Lit.: Kaser § 14; Hübner; Köbler, DRG 160, 207, 266; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1

Vollmacht ist die durch → Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Sie erscheint dort, wo → Stellvertretung zulässig ist. 1866 weist Laband (1838-1919) die Notwendigkeit der Trennung von Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person (Mandat, Auftrag) und Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person (V.) entsprechend dem Abstraktionsprinzip nach.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 208, 238, 266; Müller-Freienfels, W., Die Abstraktion der Vollmachterteilung, (in) Wissenschaft und Kodifika­tion, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 144; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Bader, P., Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978

Vollstreckung ist die zwangsweise Durch­setzung eines Anspruchs oder einer Anordnung. Im altrömischen Recht geschieht die V. im Legisaktionenverfahren mit Hilfe der → Legisaktion durch Handanlegen (lat. [F.] → legis actio per manus iniectionem) und der Legisaktion durch Pfandergreifen (lat. → legis actio [F.] per pignoris capionem) bzw. bei den Klagansprüchen auf eine Sache meist durch den eigenmächtigen Zugriff auf die Sache. Das Strafurteil wird durch die Magistrate und ihre Hilfspersonen vollstreckt. Im klassischen römischen Recht ersetzt die (lat.) → actio (F.) iudicati die Legisaktion durch Handanlegen, wobei hauptsächlich auf den Menschen zugegriffen wird (Schuld­knechtschaft). Im Kognitionsverf­ahren kann allmählich ein einzelner Gegenstand weggenommen und ausgehändigt oder ver­steigert werden. Vollstreckt wird im Amtsbetrieb. Möglich ist eine Gesamtvoll­streckung (→ Konkurs). Bei den Germanen muss die Partei zur V. Selbsthilfe üben. Die Tötung von Volksverrätern und Unzüchtigen wird wohl von der Allgemeinheit ausgeführt. Im Frühmit­telalter wird die zuvor selbständig vorzunehmende Pfändung von der Geneh­migung des Richters (Grafen) abhängig gemacht oder überhaupt Amtsträgern über­lassen. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt die V. durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche → Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die im Falle der Nichtauslösung meist veräußert werden. Hilfsweise ist → Schuldhaft möglich. Für die oberen Gesellschaftsschichten ist das Einlager bedeutsam. → Arrest und → Kon­kurs werden ausgebildet. Die Pfandnahme ohne Erlaubnis des Richters wird (im Mainzer Landfrieden von 1235) dem Raub gleich­gestellt. Die peinliche → Strafe wird vom Henker als berufsmäßigem Scharfrichter vollstreckt. In der frühen Neuzeit wird die V. reichskammer­gerichtlicher Urteile den Reichskreisen übertragen. Bereits die Landes­ordnung Bayerns von 1501 sieht eine ausschließliche Pfändung durch Amtsträger vor. Zum Regelfall der V. wird die V. in das Vermögen. Der Codex iuris Bavarici iudiciarii des Jahres 1753 trennt zwischen Einzelvollstreckung und Konkurs. Allmählich befasst sich die Wissen­schaft mit der V. Im 19. Jh. wird das Voll­streckungsverfahren (Zwangsvollstreckung) besonders gesetzlich geregelt (→ Zivil­prozessordnung, → Straf­prozessordnung). Vollstreckungsorgane im Zivilprozess sind Ge­richtsvollzieher, Voll­streckungsgericht, Pro­zessgericht und Grund­buchamt. Die Schuldhaft wird beseitigt (1868). Die Strafvollstreckung (Strafvollzug) wird allmählich humanisiert und später durch die Resozialisierungsidee mitgeprägt und verrechtlicht.

Lit.: Kaser §§ 85, 87; Köbler, DRG 19, 33, 34, 56, 70, 86, 116, 117, 118, 119, 156, 202, 232; Briegleb, H., Geschichte des Exekutionsprozesses, 2. A. 1845; Amira, K. v., Das altnorwegische Voll­streckungsverfahren, 1874, Neudruck 1965; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Planitz, H., Die Entwickelung der Vermögensvollstreckung im salfränkischen Rechte, 1909 (Habilitationsschrift); Planitz, H., Die Vermögensvoll­streckung, 1912; Haff, K., Voll­streckungsordnung für das fürstbischöflich augsburgische Pflegeamt Füssen vom Jahre 1585, ZRG GA 34 (1913), 435; Schönfeld, W., Die Vollstreckung der Verfügungen von Todes wegen, ZRG GA 42 (1921), 240; Wiggenhorn, H., Der Reichs­kammergerichtsprozess, 1966; Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales Vollstreckungs­mittel, FS E. Kern 1968, 69; Lippross, O., Grundlagen und System des Vollstreckungsschutzes, 1983; Sellert, W., Vollstreckung und Vollstreckungspraxis, FS W. Henckel, 1995, 817; Hofmann, D., Die Entwicklung und Bedeutung der Vereitelung der Zwangs­vollstreckung, Diss. jur. Mainz 1997; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004

Vollstreckungsklausel (lat. clausula [F.] executorialis) ist der seit der frühen Neuzeit aus der Klausel, dass der Schuldner das Urteil bin­nen einer Frist vollziehen soll, entwickelte Ver­merk des Urkundsbeamten auf der vollstreck­baren Ausfertigung eines Vollstrec­kungstitels, der die Vollstreckbarkeit be­scheinigt.

Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 3. A. 1878; Kohler, J., Zur Geschichte der exekutorischen Urkunde in Frankreich, ZRG GA 8 (1887), 120

volonté (F.) génerale (frz.) Allgemeinwille

Voltaire (Arouet), F. (Paris 21. 11. 1694–30. 5. 1778), Notarssohn, wird nach Aufenthalten in England (1726-1729), Lothringen, Preußen und Genf durch die Gesamtheit seiner vielen Schriften einer der wichtigsten Vertreter der → Aufklärung.

Lit.: Voltaire, hg. v. Baader, H., 1980; Lange, J., Voltaire, JuS 1998, 491

Volumen (parvum) (lat. [N.] [kleiner] Band) sind die Bücher 10 bis 12 des → Codex Justinians, die glossierten Novellen und die Institutionen.

Vom Rechte

Lit.: Speicher, S., Vom Rechte, 1986

von Gottes Gnaden → Dei gratia

Lit.: Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980

Vonnisse von Damme sind eine flämische Fassung der → Rôles d’Oléron.

Vorarlberg ist das zwischen Bodensee und Arlberg gelegene, alemannisch besiedelte Gebiet, das seit dem Spätmittelalter stückweise (1375 Feldkirch, 1523 Bregenz, 1814 Lustenau) an → Habsburg gelangt, dort meist gemeinsam mit Tirol von Innsbruck aus verwaltet wird und seit 1918 selbständiges Land Deutschösterreichs, seit 1920 Bundesland → Öster­reichs ist (1939-1945 Reichsgau Tirol, bis 1955 Besatzung Frankreichs).

Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Welti, L., Geschichte der Rechsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau, 1930; Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das Vorarlberger Landesarchiv, hg. v. Burmeister, K. u. a., 1969; Burmeister, K., Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der Weistumsforschung, 1970; Bilgeri, B., Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1ff. 1971ff., 2. A. 1972ff.; Vorarlberger Weistümer, Bd. 1, hg. v. Burmeister, K., 1973; Welti, L., Siedlungs- und Sozialgeschichte von Vorarlberg, hg. v. Grass, N., 1973; Witzig, D., Die Vorarlberger Frage, 2. A. 1974; Janotta, C., Das Privilegienbuch der Stadt Feldkirch, 1979; Quellen zur Geschichte der Stadt Bregenz, hg. v. Niederstätter, A., 1985; Burmeister, K., Geschichte Vorarlbergs, 4. A. 1998; Hoch- und Spätmittelalter zwischen Alpen und Bodenseee, hg. v. Hartung, W. u. a., 1992; Nachbaur, U., Vorarlberger Territorialfragen 1945 bis 1948, 2007; Feurstein, C., Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs, 2009

Voraus ist der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeits­geschenke. Der V. ist dem römischen Recht ansatzweise bekannt. Er findet sich auch im Spätmittelalter neben → Heergewäte und → Gerade. Der eheliche V. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und 1914 in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§ 758) Österreichs aufgenommen.

Lit.: Hübner; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hirschhorn, M., Der Voraus und der Dreißigste, 1908; Wesener, G., Der Voraus des überlebenden Ehegatten, FamRZ 6 (1959), 84

Vorausvermächtnis (lat. [N.] praelegatum, legatum per praeceptionem) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Vermächtnis einzelner Gegenstände an einen Erben, so dass dieser Erbe zugleich Vermächtnisnehmer wird..

Lit.: Kaser § 76 II 3b; Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966

Vorbehalt des Gesetzes ist im 19. Jh. (z. B. § 5 VI des Grundgesetzes Sachsen-Weimars von 1816) der Grundsatz, dass ein Eingriff in ein Rechtsgut eines Einzelnen (z. B. Freiheit, Eigentum) von einer Gestattung durch ein → Gesetz abhängig ist.

Lit.: Köbler, DRG 199; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Schmidt-Bleker, R., Legislative Defizite im Schulrecht der preußischen konstitutionellen Monarchie, 2005

Vorbehaltsgut ist bei der ehelichen Gütergemeinschaft das besondere, aus dem Gesamtgut ausgeschlossene, der alleinigen Zuständigkeit und selbständigen Verwaltung durch den einzelnen Ehegatten vorbehaltene Gut. Es findet sich bereits im Mittelalter (z. B. bei → Morgengabe). Von den vernunft­rechtlichen Gesetzbüchern (Allgemeines Landrecht 1794, Code civil 1804, All­gemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811) wird es anerkannt.

Lit.: Hübner 669; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht, 1900, Neudruck 1967

Vorderösterreich ist die Gesamtheit der im deutschen Südwesten gelegenen Güter Habsburgs bzw. Österreichs seit dem Spätmittelalter (mit dem Hauptort Freiburg im Breisgau. Ein Teil hiervon bildet später → Vorarlberg, ein anderer geht zwischen 1799 und 1805 in Baden, Württemberg und Frankreich auf.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzweber, J., Die Landstände Vorderösterreichs im 15. Jahrhundert, 1908; Vorderösterreich, hg. v. Metz, F., 1967, 3. A. 1978; Quarthal, F./Wieland, G., Die Behördenorganisa­tion Vorderösterreichs, 1977; Seidel, K., Der Oberelsass, 1980; Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, hg. v. Maier, H. u. a., 1989; Vorderösterreichische Regierung und Kammer 1753-1805, bearb. v. Haggenmüller, M. u. a., 1999ff.

Voreid ist der vor Abgabe einer Erklärung zu leistende Eid. Er erscheint bereits im Frühmittelalter. Ein möglicher Zusammen­hang mit dem Kalumnieneid ist ungeklärt.

Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973

Vorerbe ist der Erbe, der in der Weise zunächst zur Erbschaft berufen ist, dass nach ihm zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) ein anderer Erbe (Nacherbe) wird. Eine Nacherbschaft ist im römischen Recht an sich ausgeschlossen, wird aber auf dem Weg über ein → Fideikommiss dennoch erreicht. Mit der Aufnahme des Testaments im Heiligen römischen Reich (13. Jh.) wird auch die Vorerbschaft möglich (z. B. Friedberg Ende 14. Jh.s). Das deutsche Bür­gerliche Gesetzbuch (1900) schränkt die Vorerbschaft aus liberalen Überlegungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren ein.

Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Hübner; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Eckert, J., Der Kampf um die Familien­fideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG GA 120 (2003), 235

Vorkaufsrecht ist das einer Person zustehende Recht, einen Gegenstand von dem Verpflichteten zu erwerben, sobald dieser den betreffenden Gegenstand an einen Käufer verkauft. Das V. ist dem römischen Recht an sich zunächst unbekannt, erscheint in unter­schiedlichen Einzelfällen aber dann doch. Ihm steht in Deutschland das → Näherrecht ge­genüber. In der frühen Neuzeit wird beides miteinander vermischt. Die vernunftrecht­lichen Gesetzbücher (1794ff.) nehmen das V. auf und teilen ihm teils nur schuld­rechtliche, teils auch sachenrechtliche Wirkung zu.

Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 30 I 2, 41 VII; Kroeschell, DRG 2; Frommhold, G., Über die Geschichte des Familienvorkaufsrechts, ZRG GA 32 (19119, 337; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 383

Vorlesung (lat. [F.] praelectio) ist die im Vorlesen und Erklären eines (geschriebenen) Textes (z. B. Digesten) durch einen im Gegensatz zu seinen nachschreibenden Hörern über den Text Verfügenden bestehende älteste Lehrveranstaltung der Universität. Gedruckte Verzeichnisse von Vorlesungen sind seit dem 16. Jh. erhalten (Dil­lin­gen 1564-1614, Helmstedt unregel­mäßig seit etwa 1585, beständig seit etwa 1600, Herborn vielleicht seit 1585, Jena seit 1591). Sie zeigen durch die allmähliche Aufnahme privater Vorlesungen den Wandel vom schulischen Lehrplan zur wirtschaftlich ausgerichteten Lehrfreiheit an den protestan­tischen Universitäten der Aufklärung.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 106; Schröder, K., Vorläufiges Verzeichnis der in Bibliotheken und Archiven vorhandenen Vorlesungsverzeichnisse, 1964; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk, Landesforschung 27 (1967), 241; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen, 1982, 2. A. 2003 (elektronisch); Blanke, H., Bibliographie der in periodischer Literatur abgedruckten Vorlesungs­verzeichnisse, (in) Berichte zur Wissenschaftsgeschich­te 6 (1983), 205, 10 (1987), 17, 11 (1988), 105; Schröder, J., Vorlesungsverzeichnisse als rechtsge­schichtliche Quelle, (in) Die Bedeutung der Wörter, 1991, 383; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1999; Apel, H., Die Vorlesung, 1999; Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungsprogramm der Universität Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a., 2008

Vormärz ist die von fürstlicher Reaktion (Karlsruher Beschlüsse 1819) auf liberale Forderungen (Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832) gekennzeichnete Zeit vor dem März 1848 im → Deutschen Bund. Bereits im V. werden verschiedene Verfassungen erlassen. Seit 1848 treten bedeutende allgemeine Veränderungen ein.

Lit.: Dunk, H. v. d., Der deutsche Vormärz, 1966; Brandt, H., Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, 1968; Conze, W., Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 2. A. 1970; Boldt, W., Deutsche Staatslehre im Vormärz, 1975; Wende, P., Radikalismus im Vormärz, 1975; Vormärz und Revolution, hg. v. Fenske, H., 1976; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Deutsche Juristen im Vormärz (Briefe), hg. v. Strauch, D., 1999

Vormerkung ist die vorläufige Grundbuch­eintragung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung einer Rechtsänderung. Sie wird im ersten Ansatz 1750 in Preußen sichtbar und übernimmt im 19. Jh. die Aufgaben des (lat.) → ius (N.) ad rem (Recht zur Sache). Sie soll ursprünglich die Augabe erfüllen, die später dem Widerspruch zukommt.

Lit.: Köbler, DRG 212; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigen­tumsübertragung, 1966; Günther, P., Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. jur Bielefeld 2000

Vormund ist, wer durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts zur Führung einer amtlich verordneten, verwaltenden Fürsorge­tätigkeit für Minderjährige (bzw. Frauen und entmündigte Volljährige) bestellt ist. Der V. (lat. [M.] tutor) ist dem römischen wie wohl auch dem germanischen Recht bekannt, doch erscheint ahd. foramundo erst vereinzelt im 10. Jh. Meist ist der nächste männliche Verwandte (Bruder, Vatersbruder usw.) V. Er hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels und damit vor allem Rechte, muss aber für den Unterhalt sorgen. Bereits seit dem Frühmittelalter unterfällt er wegen der Missbrauchsgefahr einer von der Kirche geförderten öffentlichen Aufsicht (Obervormundschaft). Hieraus entwickelt sich in der Neuzeit das Vormund­schaftsgericht. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit. Seit 1. 1. 1992 gibt es in Deutschland statt der Vormundschaft über Volljährige die → Betreuung. In Österreich ist mit dem Inkrafttreten des Kindschafts­rechtsänderungsgesetzes 2001 (BGBl. I 2000, 135) die 1970 auch für die Frau eröffnete Vormundschaft beseitigt und durch die Obsorge einer anderen geeigneten Person ersetzt, wobei Amtsobsorgeschaft des Jugend­wohlfahrtsträgers nur für im Inland gefundene Kinder unbekannter Eltern vorge­sehen ist.

Lit.: Kaser §§ 62, 63; Söllner §§ 8, 11; Hübner § 100; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 36, 88, 121, 160, 210, 268; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1f. 1835ff.; Rive, F., Geschichte der deutschen Vormund­schaft, Bd. 1ff. 1862ff.; Schlüter, R., Das Vormund­schaftsrecht in den Kodifikationen, 1961; Tetzlaff, W., Der Kaiser als Obervormund, Diss. jur. Frankfurt am Main 1965; Pelz, F., Die Vormundschaft in den Stadt- und Landrechtsreformationen, 1966; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel 1967; Haibach, U., Familienrecht in der Rechts­sprache, 1991, 357; Taupitz, J., Von der entrechtenden Bevormundung zur helfenden Betreuung, JuS 1992, 1; Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG 116 (1999), 119

Vormundschaft → Vormund, (lat. [F.] tute­la)

Vorname ist im deutschen Bereich der ursprünglich alleinige Name des Men­schen, der seit dem Übergang vom Früh­mittelalter zum Hochmittelalter wegen der allgemeinen Verdichtung allmählich um den Familiennamen ergänzt wird (Venedig seit 9. Jh.), der sich seit dem 18. Jh. zunehmend in den Vordergrund schiebt und etwa in der Bibliographie Vorrang vor dem weniger Un­terscheidungskraft aufweisenden Vorna­men hat..

Vorparlament ist die Versammlung zur Vorbereitung eines Parlamentes (z. B. Frank­furt am Main 1848).

Lit.: Nipperdey, T., Deutsche Geschichte, 1983, 606

Vorrang des Gesetzes ist der Vorrang des formellen Gesetzes vor jeder anderen staatlichen Willenserkärung seit dem 19. Jh.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 199

Vorrecht (N.) Sonderrecht, Privileg

Vorsate → Vorsatz

Lit.: Löning, G., Vorsate und vorrat, ZRG GA 61 (1941), 266

Vorsatz (lat. [M.] dolus) ist im Strafrecht der Wille zur Verwirklichung eines Straftat­bestandes in Kenntnis all seiner Tatumstände, im Privatrecht das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges im Be­wusstsein der Rechtswidrigkeit. Der V. ist so alt wie das menschliche Verhalten. Als solcher erfasst wird er von der römischen und der neuzeitlichen Wissenschaft. Diese stellt dem V. die → Fahrlässigkeit gegenüber.

Lit.: Köbler, DRG 158, 204, 264; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1 1895; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973

Vorsprecher → Fürsprech, Fürsprecher

Vortäuschen einer Straftat (Vortäuschung einer Straftat) ist der 1913 in die Diskussion eingebrachte, 1943 gesetzlich festgelegte Straftatbestand des deutschen Strafrechts, nach dem sich jemand dadurch strafbar macht, dass er eine nicht vorhandene Straftat vortäuscht.

Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003

Vorverfahren ist ein einem eigentlichen Verfahren zeitlich vorangehendes Verfahren (z. B. Inquisition im spätmittelalterlich-früh­neuzeitlichen Inquisitionsprozess). Es dient der Vorbereitung oder Entlastung. In der Gegenwart muss es rechtsstaatliche Anfor­derungen erfüllen.

Lit.: Köbler, DRG 117, 263

Vorvertrag ist der auf Abschluss eines Vertrages gerichtete, vorbereitende → Ver­trag. Er ist dem römischen Recht bereits bekannt. Er ist gegebenenfalls formbedürftig. Die Verletzung von vor Abschluss eines Vertrags bestehenden Aufklärungspflichten und Sorgfaltspflichten verpflichtet bei → culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertrags­schluss, Ihering 1861) zu Schadens­ersatz.

Lit.: Kaser § 39 I 2; Wabnitz, B., Der Vorvertrag, Diss. jur. Münster 1962

Vorzensur (F.) vorherige Zensur

votum (N.) ad imperatorem (lat.) Vorlage bei dem Kaiser

Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 346

Vsehrdy, Viktorin Cornelius von (um 1460-1520), Bürgerssohn, wird nach dem artis­tischen Studium in Prag Artist, 1493 stellvertretender Schreiber des Königreichs → Böhmen. Seit 1495 verfasst er Neun Bücher über die Rechtsordnung des Landes Böhmen. Nach 1501 überarbeitet er dieses bedeutende Werk nochmals.

Lit.: Vsehrdy, V., O právích zeme ceské knihy devatery, hg. v. Jirecek, H., 1874

Vulgarrecht ist das spätantike weströmische Recht (3.-5. Jh.). Es ist gekennzeichnet durch die durchaus nicht vom Volk, sondern den führenden Schichten ausgehende teilweise propagandistisch bedingte, vulgare Haltung (str.). Sie zeigt sich in einfachem, unverhülltem Zweckstreben, in bildhafter Anschaulichkeit und in gefühlsbetonter rhetorisierter Mo­ralität. Die klassische rechtswis­senschaftliche Begrifflichkeit (z. B. dominium, possessio) verfällt (str.). Demge­genüber wird sie im Osten von → Justinian (527-565) restauriert. Vulgarrechtliche Quellen sind etwa die (lat.) → sententiae (F.Pl.) Pauli, die → regulae (F.Pl.) Ulpiani, die → res (F.Pl.) cottidianae, der → Gaius von Autun, die → Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum, die → Consultatio (F.) cuiusdam veteris iuris­consulti, die → interpretationes (F.Pl.) oder die romanistischen → Volksrechte der West­goten, Burgunder und Ostgoten (str.).

Lit.: Kaser §§ 1 II, 2 II, 3 III; Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 62; Levy, E., West Roman Vulgar Law, 1951; Wieacker, F., Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, SB. d. Akad. d. Wiss. Heidelberg 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Stühff, G., Vulgarrecht im Kaiser­recht, 1966; Schmidt, H., Die Vulgarrechtsdiskussion, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Vandendriessche, S., Possessio und dominium im postklassischen römischen Recht, 2006

Vulgarsubstitution ist im römischen Recht die Einsetzung eines Ersatzerben für den einfachen Fall, dass der an erster Stelle Eingesetzte nicht Erbe wird. Die regelmäßige V. steht in Gegensatz zur Pupillarsubstitution, bei der einem unmündigen (lat. [M.]) suus (pupillus) (Hauserben) für den Fall, dass er als Unmündiger sterben sollte, ein Ersatzerbe eingesetzt wird.

Lit.: Kaser § 68 II 5a; Söllner § 11

Vulgata → Vulgathandschrift

Vulgathandschrift (F.) Handschrift einer meistgebrauchten Fassung eines Textes (z. B. der → Digesten)

Lit.: Söllner § 22

 

 

W

 

Waadt (Vaud, „Wald“) ist das Gebiet zwischen Jura, Genfer See, Alpen und Saarne, das über Römer, Burgunder und Burgund 1032 zum deutschen Reich gelangt. Nach 1218 gerät es unter den Einfluss der Grafen von Savoyen. 1536 fällt es an Bern. 1616 erhält die W. ein eigenes Landrecht. Am 30. 3. 1798 wird die W. Kanton der Helvetischen Republik, 1803 der → Schweiz. Die Verfassung der W. stammt von 1885.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Champeaux, E., Le coutumier vaudois de Quisard, 1930; Chapuis, M., Recherches sur les institutions politiques, 1940; Ammann, H., Über das waadtländische Städtewesen, Schweizerische Zs. für Geschichte 4 (1954), 1; Poudret, J., La succession testamentaire dans le pays de Vaud, 1955 (Diss. Lausanne); Bercher, J., Approche systématique de l’ancien droit privé vaudois, 888-1250, 1963; Anex, D., Le servage au pays de Vaud, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,464, 3,2,1870; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Les sources du droit du canton de Vaud, Bd. 1ff. 1972ff.; Hubler, L., Histoire du Pays de Vaud, 1991

Waal (M., zu lat. aqualis, Adj. Wasser betreffend?) ist ein landwirtschaftlicher Be­wäs­serungsgraben im Vintschgau in Südtirol. Möglicherweise wurden die Waale im 12. Jh. angelegt. Ihre arbeitsaufwendige Verwaltung erfolgt genossenschaftlich unter Leitung eines Waalmeisters.

Lit.: Bodini, G., Südtiroler Waalwege, 1996

Wachszins (M.) Zins in Bienenwachs

Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund (Marbach/Neckar 24. 12. 1797-Leipzig 15. 01. 1880), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut) Richter, außerordentlicher Professor (Tübingen 1817) und ordentlicher Professor (Tübingen 1822, Leipzig 1833, Tübingen 1836), 1851 Präsident des Oberappellations­gerichts in Lübeck und 1852 nochmals Professor in Leipzig. Neben einem Lehrbuch zum Strafrecht veröffentlicht er seit 1839 ein unvollendetes Handbuch des im Königreich → Württemberg geltenden Privatrechts und 1841 eine wichtige Abhandlung zum internationalen Privatrecht.

Lit.: Wächter, P. v., Carl Georg von Wächter, 1891; 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., Bd. 1 1977; Sandemann, N., Grundlagen und Einfluss der international­privatrechtlichen Lehre, Diss. jur. Münster 1979; Laufs, A., Das wirklich geltende, durch den allgemeinen Willen gesetzte Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Jungemann, L., Carl Georg von Wächter, 1999; Zwischen Romanistik und Germanistik, hg. v. Kern, B., 2000; Mauntel, C., Carl Georg von Wächter (1797-1880), 2004

wadiare (lat.-afrk.) wetten, versprechen

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Wadiatio

Lit: Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1

wadium (lat.-afrk. [N.]) Wette, Versprechen, Pfand

Lit.: Kroeschell, DRG 1

Waffe ist jeder Gegenstand, der seiner Art nach dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die W. ist bedeutsam im Kampf. Sie erleichtert auch Unrechtserfolge. Deshalb wird der Waffen­gebrauch bereits seit dem Frühmittelalter allmählich eingeschränkt. Seit der Neuzeit bedarf er vielfach behördlicher Erlaubnis und kann strafschärfend wirken.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern, ZRG GA 35 (1914), 111, 38 (1917), 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280

Wagatsuma, Sakae (1897-1973) wird nach dem Rechtsstudium (Hatoyama) 1922 außerordentlicher Professor in Tokio und nach soziologischem Studium in Chicago und Berlin 1927 ordentlicher Professor. In zwei unvollendet gebliebenen Werken (Der Primat des Forderungsrechts, 1927ff., Minpô kôgi, 1933) versucht er eine vorbildliche Verbindung von Systematik und Soziologie. Bei der Abschaffung des japanischen Haussystems nach dem zweiten Weltkrieg wirkt er maßgeblich mit.

Lit.: Hôritsugaku to watashi, hg. v. Toshitani, N. u. a., 1967, 1; Wagatsuma, H./Bai, K., Wagatsuma Sakae-sensei no hito to sokuseki, 1993

Wahl ist die Berufung eines Menschen zu einer Aufgabe durch Abstimmung. Sie findet sich bereits im Altertum. In der Kirche werden Papst, Bischof, Abt und Pfarrer vielfach gewählt. Im Mittelalter werden König, Bürgermeister, Ratsherren, Schöffen, Rektoren oder Dekane durch Wahlen bestimmt. Dabei wird anfangs meist von der Einstimmigkeit ausgegangen. Seit dem 12. Jh. ist eine Entwicklung zur Aufwertung der Einzelstimme erkennbar, die letztlich zur Anerkennung des Mehrheitsgrundsatzes führt. Im 19. Jh. entsteht allmählich die geheime, gleiche, allgemeine und unmittelbare W. (mit Wahlprüfungsverfahren), zu der auch die Frau zugelassen wird (Frauenwahlrecht z. B. Australien 1902, Österreich 1918, Deutsches Reich 1919, England 1928, Frankreich 1944). Geregelt wird die W. in besonderen Wahlgesetzen oder Wahlordnungen. Unter­schieden werden dabei hauptsächlich Mehrheitswahlrecht und Ver­hältniswahlrecht. Rechtstatsächlich werden Wahlen in der Gegenwart vorrangig im Fernsehen ent­schieden, weshalb die besten Aussichten hat, wer sich im Fernsehen am ein­nehmendsten darstellen und niemand gegen die Mehrheit der meinungsbildenden Medien bestim­menden Einfluss auf die Erörterung von Sachfragen gewinnen kann. Über Rechts­streitigkeiten bei Wahlen entscheiden letztlich meist Gerichte (Österreich Reichs­gericht, 1920 Verfassungsgerichtshof, Wahlgerichts­barkeit).

Lit.: Köbler, DRG 18, 83, 109, 194, 225, 230, 257; Köbler, WAS; Gerlach, H. v., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Hoyer, E., Die Selbstwahl vor, in und nach der Goldenen Bulle, ZRG GA 42 (1921), 1; Vollrath, W., Der parlamentarische Kampf um das preußische Dreiklassenwahlrecht, Diss. jur. Jena 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Schlotterose, B., Die Ratswahlen, Diss. phil. München 1953 masch.schr.; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Milatz, A., Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik, 2. A. 1968; Die Wahl der Parlamente und anderer Staatsorgane, Bd. 1 Europa, hg. v. Sternberger, D. u. a., 1969; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Reisinger, R., Die römisch-deutschen Könige und ihre Wähler 1198 bis 1273, 1977; Castorph, B., Die Ausbildung des römischen Königswahlrechtes, 1978; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Bd. 1f. 1979; Gaudemet, J., Les elections dans l’eglise, 1979; Reuling, U., Die Kur in Deutschland und Frankreich, 1979; Mackie, T./Rose, R., The international Almanac of Electoral History, 2. A. 1982; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland, 1987; Wahlen und Wähler im Mittelalter, hg. v. Schneider, R. u. a., 1990; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in Deutschland, 1991; Rohe, K., Wahlen und Wählertraditionen, 1992; Lässig, S., Wahlrechtskampf und Wahlreform in Sachsen, 1996; Wahlen und Wahlkämpfe in Deutschland, hg. v. Ritter, G., 1996; Nadig, W., Ardet ambitus, 1997; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland, 1998; Yakobson, A., Elections and Electioneering in Rome, 1999; Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1 Wahlfälschung, 2000; Müller, J., Symbol 89 – Die DDR-Wahlfälschungen, 2001; Wahlen und Wahlrecht, 2001; Hartenstein, W., Dem Wähler auf der Spur, 2002; Arsenschenk, R., Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich, 2003; Nanninga, F., Wählen in der Reichsgründungsepoche, 2004; Funk, R., Die Wahlprüfung, 2005; Hägele, G./Pukelsheim, F., Die Wahlsysteme des Nicolaus Cuasnus, BB. bay. Ak. d. Wiss. 2001-3003, 2004, 103; Wahl und Krönung in Zeiten des Umbruchs, hg. v. Pelizaeus, L., 2008

Wähler → Wahl

Wahlfeststellung ist die wahldeutige Verurteilung eines Täters aus zwei (oder mehr) Straftatbeständen, von denen zwar nur einer vorliegen kann, aber ungewiss ist, der von ihnen vorliegt. Die rechtsstaatlich fragwürdige W. wird im Deutschen Reich am 28. 6. 1935 zugelassen, nach 1945 aber grundsätzlich aufgegeben.

Lit.: Köbler, DRG 236

Wahlkapitulation ist seit dem Mittelalter die älteren Wahlversprechen folgende, in der Lage vor der Wahl naheliegende Zusage eines Bewerbers an die Wähler für den Fall der Wahl in ein Amt (z. B. Venedig 1192, Papstwahl 1352 [22. 9. 1695 verboten, allgemeines Verbot 20. Jh.], Heiliges römisches Reich [deutscher Nation] 1292, vor allem seit 1519.). Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 vereinbaren die Kurfürsten im Namen der Reichsstände die 1711 (erfolglos) als ständige[, aber als solche vom Kaiser nie bestätigte] W. gefasste W. (, die am Ende des 18. Jh.s 314 Druckseiten umfasst).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 147; Musatti, E., Storia della promissione ducale, 1888; Siemsen, A., Kurbrandenburgs Anteil an den kaiserlichen Wahlkapitulationen von 1689 bis 1742, 1909; Iwand, Die Wahlkapitulationen, 1919; Haider, S., Die Wahlversprechen der römisch-deutschen Könige, 1968; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Pick, E., Die Bemühungen der Stände um eine ständige Wahlkapitulation, 1969; Maier, K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Empell, H., De eligendo regis vivente imperatore, ZNR 16 (1994), 11; Buschmann, A., Die Rechtsstellung des Kaisers, Gedächtnisschrift H. Hofmeister, 1996, 89

Wahlkindschaft (F.) Adoption

Wahlrecht ist objektiv die Gesamtheit der für eine → Wahl geltenden Rechtssätze und sub­jektiv das Recht zu wählen (aktives W.) oder gewählt zu werden (passives W.). In Rom werden die Magistrate der Republik gewählt, im deutschen Reich (grundsätzlich) die Könige, in der christlichen Kirche Bischöfe und Päpste. Anfangs soll der Grundsatz der Einstimmigkeit im Vordergrund gestanden haben. Vielleicht seit dem 13. Jh. setzt sich von der Kirche her der Mehrheitsgrundsatz durch. .Im 19. Jh. gilt in Preußen z. B. (bis 1918) das nach der Steuerleistung unter­scheidende → Dreiklassenwahlrecht und sind in England nur etwa 5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung wahlberechtigt. Seit 1789, verstärkt seit der Mitte des 19. Jh.s wird in Frankreich (zunächst erfolglos) ein Familienwahlrecht gefordert. .→ Frauen erhalten das Wahlrecht in New Jersey 1776 (bis 1807), Pitcairn 1838, Wyoming 1869, Australien 1902, in Finnland 1906, in der Sowjetunion 1917, im Deutschen Reich 1919, in Großbritannien 1928, in Frankreich 1944, in Italien 1946, in der Schweiz 1971 und 2005 in Kuweit. In Österreich setzt sich das all­gemeine, gleiche, unmittelbare und geheime W. für Männer 1907 durch, für Frauen 1918.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 3. A. 1983; Kritzer, P., Zur bayerischen Wahlrechtsreform von 1906, Z. f. bay. LG. 48 (1985), 719; Ruszoly, J., Zwischen ständischer Repräsentation und Volksvertretung, ZRG GA 107 (1990), 409; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Spalinger, A., Die Proporzbewegung während der dritten Republik Frankreichs, 2003; Bavaj, R., Reform statt Revolution, HZ 278 (2004), 683; Simon-Holtorf, Geschichte des Familienwahlrechts in Frankreich (1871 bis 1945), 2004

Wahlschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte Art der Schuld, bei der mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass (nach Wahl des Gläubigers oder im Zweifel des Schuldners nur die eine oder die andere zu bewirken ist (z. B. ein Schmuckstück oder der Wert in Geld). Geht einer Gegenstände der W. unter, schränkt sich die Wahl entsprechend ein.

Lit.: Kaser § 34 III 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wahnsinn ist die laienhafte Benennung der Störung der Geistestätigkeit. → Geistes­kran­ker

Wahrheit ist der mit Gründen einlösbare und insofern haltbare Geltungsausspruch über einen Sachverhalt. Die W. ist eine wichtige Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit (lat. in veritate libertas), die der Lügner und Betrüger bewusst zum eigenen Vorteil und zum fremden Schaden verlässt. In Untersuchungs­verfahren ist die Findung der W. Ziel des Verfahrens. Zeugen sind zur W. verpflichtet.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schwinge, E., Verfälschung und Wahrheit, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004

Währschaftsbuch ist seit dem Spätmittelalter die landschaftlich verbreitete Art des → Grundbuches.

Lit.: Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914

Wahrschaubrief ist das seit dem 14. Jh. in Nordosteuropa erscheinende, an Dritte gerichtete, mit der Wegnahme von Schiff und Gut im Fall der Unterstützung eines Feindes drohende Handelsverbot.

Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main 1970

Währung ist das in der Gegenwart meist gesetzlich geregelte Zahlungsmittel eines Gemeinwesens. In der Zuständigkeit eines Staates steht es, seine Währung zu gestalten (z. B. durch Aufwertung oder Abwertung [Währungsreform Deutsches Reich 20./21. 6. 1948]). Möglich ist auch eine Währungsunion mehrerer Staaten durch Vertrag (z. B. Währungsunion zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik 1990, Europäische Währungsunion).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 50, 224, 249; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986

Waiblingen

Lit.: Widder, E., Waiblingen, 2005

Waise ist das teilweise (Halbwaise) oder gänzlich (Vollwaise) elternlose → Kind. Es erhält einen → Vormund. In der frühen Neuzeit werden Waisen teilweise mit Armen, Irren und Siechen gemeinsam untergebracht, teilweise aber auch besondere Häuser für Waisen (Waisenhäuser) eingerichtet (Preußen 1885 396 Waisenhäuser mit 19000 Waisen).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Graetz, H., Beiträge zur Geschichte der Erziehung der Waisen, 1888; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Crespo, M., Verwalten und Erziehen, 2001; Waisenhäuser in der frühen Neuzeit, hg. v. Sträter, U., 2003

Waitz, Georg (Flensburg 9. 10. 1813-Berlin 25. 5. 1886) wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Kiel und Berlin Professor in Kiel (1842), Göttingen (1849) und Berlin (1875). Er leitet die (lat.) Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (1875-86). Seit 1844 veröffentlicht er eine achtbändige deutsche Verfassungsgeschichte.

Walachai ist das Gebiet zwischen Karpaten und Donau, in dem 1330 ein von Ungarn gelöstes Fürstentum entsteht. Seit 1415 wird die W. von den → Osmanen (Türken) abhängig. 1862 geht sie in → Rumänien auf.

Wald ist die mit Forstpflanzen bestückte Grundfläche einschließlich der Lichtungen und Waldwiesen. Der W. wird vom Menschen im Altertum nur am Mittelmeer intensiv genutzt und dabei an vielen Stellen beseitigt. Im Mittelalter wird er auch sonst durch Landesausbau bzw. Binnenkolonisation zurückgedrängt. Er ist teilweise königlich (→ Forst), teilweise grundherrschaftlich und teilweise genossenschaftlich bzw. gemein­schaftlich. Im 19. Jh. wird er vielfach in Einzeleigentum aufgeteilt. Das Betreten des Waldes ist Gemeingebrauch.

Lit.: Hoops, J., Waldbäume und Kulturpflanzen, 1905, Neudruck 1965; Merz, W., Die Waldungen der Stadt Zofingen, 1922; Weiß, L., Studien zur Geschichte der Zürcher Stadtwaldungen, 1924; Graner, F., Geschichte der Waldgerechtigkeiten im Schönbuch, 1929; Deck, S., Étude sur la Forêt d’Eu, 1929; Faesch, J., Die Waldrechte der Hubengenossenschaft Schwamen­dingen, 1931; Westermann, H., Die Forst­nutzungsrechte, 1942; Erler, A., Bäuerliche Waldgerechtsame an der Schwanne im Odenwald, ZRG GA 65 (1947), 348; Hopf, C., Waldnutzung und Waldwirtschaft, Diss. jur. Jena 1952; Frank, G., Die rechtshistorische Entwicklung der Forstrechte im Chiemgau, Diss. jur. München 1957; Kieß, R., Die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen Territoriums, 1958; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Egli, J., Der Erlosenwald, 1963; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Wobst, A., Der Markwald, 1971; Wörlen, R., Wald­eigentümergemeinschaften, 1981; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungs­rechte, Diss. jur. Marburg 1988; Der Wald, hg. v. Semmler, J., 1991; Epperlein, S., Waldnutzung, 1993; Küster, H., Geschichte des Waldes, 1998; Below, S. v., Wald, 1998; Die Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg, hg. v. Pallauf, S. u. a. 2001; Demandt, A., Über allen Wipfeln, 2002; Rohland, S./Noack, H., das holz all der dorfer gemeyne, 2004; Grewe, B., Der versperrte Wald, 2004

Waldeck

Lit.: Weigel, D., Fürst, Stände und Verfassung im frühen 19. Jahrhundert, 1968

Waldenser

Lit.: Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005

Wales ist die westliche Halbinsel Britanniens, auf der sich nach dem Abzug der Römer im 5. Jh. britische → Kelten zu halten vermögen. 1091 kommt der Süden unter die Herrschaft Englands. 1277/1282/1284 wird das Gebiet ganz in → England eingegliedert. 1999 erhält W. eine eigene Versammlung mit beschränk­ten eigenen Rechten (ohne eigenen finan­ziellen Spielraum).

Lit.: Seebohm, F., The tribal system in Wales, 1904; The Welsh Law of Women, hg. v. Jenkins, D. u. a., 1980; Sager, P., Wales, 1985; The Law of Hywel Dda, hg. v. Jenkins, D., 1986

Walkenried

Lit.: Urkundenbuch des Klosters Walkenried, bearb. v. Dolle, J., 2002

Wallfahrt

Lit.: Wallfahrt und Volkstum in Geschichte und Leben, hg. v. Schreiber, G., 1934; Wallfahrt und Recht im Abendland, 1987; Die Wilsnackfahrt, hg. v. Escher, F. u. a., 2006; Wallfahrten in der europäischen Kultur, hg. v. Dolezal, D. u. a., 2006; Pilgerreisen in Mittelalter und Renaissance, hg. v. Haupt, B. u. a., 2006; Wallfahrt und Reformation, hg. v. Hrdina, J. u. a., 2007; Schauta, M., Die ersten Jahrhunderte christlicher Pilgerreisen, 2008

Wallis ist der um das 1032 an das deutsche Reich gelangte oberste Tal der Rhone gebildete zugewandte Ort (1475) bzw. Kanton (1814) der → Schweiz.

Lit.: Heusler, A., Rechtsquellen des Cantons Wallis, 1890; Stebler, F., Ob den Heidenreben, 1901; Stebler, F., Das Goms, 1903; Grenat, P., Histoire moderne du Valais, 1904; Liebeskind, W., Bischof Walters II. auf der Flüe Landrecht und Gerichtsordnung, 1930; Kämpfen, W., Ein Burgerrechtsstreit im Wallis, 1942; Werra, R. v., Die Vormundschaft über Unmündige nach dem Rechte der alten Landschaft Wallis, Blätter aus der Walliser Geschichte 2 (1953), 165; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familiengemeinschaft im älteren Walliser Recht, 1955; Carlen, L., Das Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Carlen, L., Rechtsaltertümer aus dem Wallis, 1967; Carlen, L., Gericht und Gemeinde im Goms, 1967; Carlen, L., Beiträge zur Walliser Rechtsgeschichte, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,465, 3,2,1886; Sulser, M., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1976; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Carlen, L., Kultur des Wallis 1500-1800, 1984; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52; Troger, T., Geschichte der Verfassung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland, 1987; Carlen, L., Walliser Rechtsgeschichte, 1993 (Aufsätze); Carlen, L., Das Wallis vor 150 Jahren, Bll. aus der Walliser Geschichte 31 (1999), 77; Schnyder, C., Reformation und Demokratie im Wallis (1524-1613), 2002

Wallonien (französischsprachiges Gebiet Belgiens)

Walser ist der seit dem 13. Jh. aus dem → Wallis ausgewanderte, im Süden, in Graubünden und in Vorarlberg (z. B. Kleines Walsertal) zu ziemlich freiem Recht ange­siedelte, katholische Alemanne.

Lit.: Branger, E., Rechtsgeschichte der freien Walser in der Ostschweiz, 1905; Liver, P., Mittelalterliches Kolonistenrecht und freie Walser in Graubünden, 1943; Ilg, K., Die Walser in Vorarlberg, Bd. 1f. 1948ff.; Balmer, E., Die Walser im Piemont, 1949; Kreis, H., Die Walser, 1958; Zinsli, P., Walser Volkstum, 6. A. 1991; Rizzi, E., Geschichte der Walser, 1993; Bündner Urkundenbuch, Bd. 2 (neu) 1200-1272), 2004

Walter von Coutances ist der um 1170 in Paris wirkende, 1185 zum Erzbischof von Rouen und 1191 zum Regenten des angevinischen Großreichs aufgestiegene Kanonist englischer Herkunft. (Tractatum de iudiciis (Traktat von den Gerichten).

Lit.: Landau, P., Walter von Coutances und die Anfänge der anglo-normannischen Rechtswissenschaft, Panta rei, hg. v. Condorelli, O., 2004, 183

Walther ([Walter] zu Walthersweil), Bern­hard (Leipzig 1516-Graz 5. 12. 1584), Kauf­mannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Bologna (Alciat) und Pavia 1540 Professor in Wien, 1547 Rat in Niederösterreich und 1564 Kanzler in den innerösterreichischen Ländern. In seinen der Anleitung herrschaftlicher Tätigkeiten dienenden, 1716 gedruckten Traktaten (lat. [M.l.] Aurei tractatus iuris Austriae, goldene Traktate des Rechtes Österreichs 1552-1558) gibt er eine Darstellung der Verbindung von einheimischem und ergänzendem römischem Recht.

Lit.: Köbler, DRG 143; Baltl/Kocher; Bernhard Walthers privatrechtliche Traktate, hg. v. Rintelen, M., 1937; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 39, 369

Wandale → Vandale

Wandlung ist die Rückgängigmachung des Kaufes wegen eines Mangels der Kaufsache. Sie entstammt der Tätigkeit der kurulischen Ädile als Marktaufseher in Rom, die beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen dem Käufer nach seiner Wahl entweder die Rückgewährung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache (lat. → actio [F.] redhibitoria) oder die Minderung (lat. → actio [F.] quanti minoris) verheißen. Seit dem Spätmittelalter wird die W. aus dem römischen Recht aufgenommen, in Deutschland aber 2002 durch den Rücktritt ersetzt.

Lit.: Kaser § 41 VI; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Lederle, R., Mortuus redhibetur, Diss. jur. Mannheim 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wannseekonferenz ist die in der Villa Marlier am Wannsee in Berlin am 20. 1. 1942 unter Reinhard Heydrich durchgeführte Konferenz über die Organisation der beschlossenen Vernichtung der Juden mittels Deportation in den Osten.

Lit.: Roseman, M., Die Wannsee-Konferenz, 2002

Wappen ist seit dem 16. Jh. die Bezeichnung für das im 12. Jh. entstehende, seit dem 13. Jh. individualisierte farbige Erkennungs­zeichen des gerüsteten und damit unkenntlich gewordenen Ritters. → Adler, Heraldik

Lit.: Siebmacher, J., Großes und allgemeines Wappenbuch, neu hg. 1854ff., Neudruck 1970ff.; Seyler, G., Geschichte der Heraldik, 1885ff., Neudruck 1970; Hauptmann, F., Das Wappenrecht, 1896; Beck, E., Grundfragen der Wappenlehre, 1931; Demandt, K./Renkhoff, O., Hessisches Ortswappenbuch, 1956; Zier, H., Wappenbuch des Kreises Bühl. 1964; Wappenfibel, 15. A. 1967; Neubecker, O./Rentzmann, W., Wappen-Bilder-Lexikon, 1974; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Waldner, H., Die ältesten Wappenbilder, 1992; L’Armorial Bellenville, hg. v. Pastoureau, M. u. a., 2004; Jäckel, D., Der Herrscher als Löwe, 2005; Scheibelreiter, G., Wappenbild und Verwandtschaftsgeflecht, 2009

Ware ist die bewegliche, vom Kaufmann veräußerte Sache. → Kauf, → Handelsrecht

Warenmarke ist die → Marke für eine → Ware. Im 19. Jh. wird das Recht der W. gesetz­lich geregelt (Deutsches Reich 1874 Mar­ken­schutzgesetz, Gesetz über den Markenschutz). Eine europäisierende, das Warenzeichengesetz zum 31. 12. 1994 ablösende Neugestaltung (Marke) erfolgt zum 1. 1. 1995.

Lit.: Kohler, J., Das Recht des Markenschutzes, 1884; Müller, K., Ein Warenzeichenschutzprozess um 1500 (Schwäbisch Gmünd), ZRG GA 55 (1935), 244; Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, 1954; Deutsch, E., Sortenname und Warenzeichen, Diss. jur. Heidelberg 1953; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Henning-Bodewig, F./Kur, A., Marke und Verbraucher, Bd. 1f. 1988

Warenzeichen → Warenmarke

wargus (lat.-germ. [M.]) Würger, Wolf, Verbrecher

Lit.: Unruh, G. v., Wargus. Friedlosigkeit und magisch-kulturelle Vorstellungen bei den Germanen, ZRG GA 74 (1954), 1; Jacoby, M., wargus, 1974; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991, 472

Warnkönig, Leopold August (1794-1866), Steuereinnehmerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Heise, Thibaut, Zachariä) und Göttingen (Hugo) 1817 Professor in Lüttich, 1821 in Löwen, 1831 in Genf, 1836 in Freiburg im Breisgau und 1844 in Tübingen. 1835ff. legt er eine dreibändige flandrische Staats- und Rechtsgeschichte, 1845 eine dreibändige französische Staats- und Rechtsgeschichte vor. Er bringt damit das Gedankengut der historischen Rechtsschule nach Belgien.

Lit.: Wild, G., Leopold August Warnkönig, 1961

Warren, Earl (1891-1974), skandinavischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Kalifornien 1914 Anwalt, 1919 Staatsanwalt, 1946 Gouverneur und 1953 Vorsitzender des amerikanischen Supreme Court. 1954 verfasst er das die Rassentrennung in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärende, einstimmig gefällte Urteil. Auch in anderen bedeutsamen Entscheidungen sichert er Freiheit und Gleichheit.

Lit.: Pollack, J., Earl Warren, 1979; White, G., Earl Warren, 1982

Warschau an der mittleren Weichsel wird 1241 als Siedlung erwähnt. Es erhält wohl vor 1339 Stadtrecht. Ab 1596 ist es Sitz des Königs von → Polen. 1815 erhält es im mit Russland in Personalunion vereinigten Königreich Polen (Kongresspolen) eine Universität. 1943/1944 wird W. weitgehend zerstört.

Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2 2107,2111, 3,3,3506,3508; Huber, W., Warschau, 2005; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Wartburgfest ist das nationalliberal geprägte Treffen von etwa 500 Vertretern deutscher Universitäten (darunter viele Jenaer Studenten) am 18. 10. 1817 auf der Wartburg bei Eisenach, an dessen Ende konservative Schriften und der Code Napoléon verbrannt werden. Daraufhin verbietet Preußen studentische Verbindungen an den Universi­täten.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Tümmler, H., Ein Haufen verwilderter Professoren, 1974; Badstübner, E., Die Wartburg, 1994; Das Wartburgfest, hg. v. Dedner, B., 1994

Wartrecht → Erbenwartrecht, → Näherrecht

Was dem einen recht ist, das ist dem anderen billig.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 274 (Franck 1541)

Wasser ist die für das irdische Leben bedeutsamste Flüssigkeit. Schon früh werden große Gewässer der Allgemeinheit bzw. später dem Staat, kleine Gewässer mit dem angrenzenden Grundstück Einzelnen zuge­ordnet. Seit dem 19. Jh. wird das W. nach mittelalterlich-städtischen Anfängen immer stärker rechtlich erfasst (Teil des deutschen Privatrechts), gesetzlich geregelt (preußisches Allgemeines Landrecht von 1794, Lan­deswassergesetze, Wasserverband­verord­nung vom 3. 9. 1937, Wasserhaus­haltsgesetz 27. 7. 1959/1960, vgl. auch die Arbeiten des Ausschusses für Wasserrecht zwischen 1934 und 1941 im Rahmen der Akademie für deutsches Recht) und als schützenswertes Umweltgut angesehen. Im Mittelalter ist die Wasserprobe eine Form des Gottesurteils. → Meer, → Mühle, → Stromregal

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 205; Ossig, A., Römisches Wasserrecht, 1885; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Geffcken, H., Zur Geschichte des deutschen Wasserrechts, ZRG GA 21 (1900), 173; Peterka, O., Das Wasserrecht der Weistümer, 1905; Aström, A., Über das Wasserrecht in Nord- und Mitteleuropa, 1905; Zollinger, K., Das Wasserrecht der Langeten, 1906; Motzfeldt, U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Köttgen, A., Grundprobleme des Wasserrechts, 1925; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft, 1928; Haff, K., Ein verschollenes Wasserrechtsweistum, ZRG GA 52 (1932), 336; Haff, K., Über die alten Wasserrodegenossenschaften im Etschtale, ZRG GA 58 (1938), 810; Beeg, H., Die Entwicklung des Wasserkraftrechts vom 14. bis zum 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Breuer, R., Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. A. 1987; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Benning, R., Die Verwaltung der Wasserstraßen, Diss. jur. Bonn 1994; Sieder, F. u. a., Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz, 3. A. 1995; Olmer, B., Wasser, 1998; Geißler, K., Die öffentliche Wasserversorgung im römischen Recht, 1998; Rönnau, C., Die Beratungen des Wasserrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht zu einem Reichswassergesetz (1934-1941), 2001; Ausschuss für Wasserrecht 1934-1941, hg. v. Schubert, W. u. a., 2004; Weber, A., Die Entstehung des Wasserhaushalts­gesetzes vom 27. 7. 1957, 2005; Behrens, C., Die Was­sergesetzgebung im Herzogtum Braunschweig, 2009

Wasserburg

Lit.: Burkard, T., Wasserburg und Kling, 1965

Wasserzeichen

Lit.: Weiß, W., Thüringer Papiermühlen und ihre Wasserzeichen, 1953; Die Kronen-Wasserzeichen, bearb. v. Piccard, G., 1961

Waterrecht ist die gotländische Fortführung der flämischen → Vonnisse von Damme.

Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997

watschar (mhd.) freigewordener Gemein­schaftsanteil, Abgabe

Lit.: Hübner § 21

Weber, Marianne (Oerlinghausen/Lippe 2. 8. 1870-Heidelberg 12. 3. 1954), geb. Schnitger, Arztstochter, wird nach der Heirat mit (dem als Cousin zweiten Grades verwandten) Max → Weber und dem Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften Frauenrechtlerin. Seit 1900 erforscht sie die „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“ (1907). Ziel ist eine aufklärend-wertende Geschichts­betrachtung.

Lit.: Max Weber. Ein Lebensbild, 1989; Borchert, M./Buchholz, S., Marianne Weber, (in) Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung, hg. v. Buchholz, S. u. a., 1993, 23; Hennis, W., Max Weber und Thukydides, 2003; Marianne Weber, hg. v. Meurer, B. 2004

Weber, Max (Erfurt 21. 4. 1864-München 14. 7. 1920), Politikerssohn, mütterlicherseits aus einer der reichsten deutsch-englischen Familien, wird nach dem Studium von Recht, Wirtschaft, Geschichte und Philosophie in Heidelberg, Straßburg, Berlin (Levin Gold­schmidt) und Göttingen (Habilitation in Berlin mit 27 Jahren) Professor in Berlin (1893), Freiburg im Breisgau (1894 Volkswirtschaft), Heidelberg (1897) sowie nach längerer Erkrankung Wien (1918) und München (1919). Im Mittelpunkt seiner überwiegend soziologischen Arbeiten stehen Studien über das Verhältnis von Religion, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Hilfe von Idealtypen versucht er deutend die gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschließen. Den Entwicklungsvorgang der Industriege­sellschaft versteht er als Entzauberung.

Lit.: Köbler, DRG 228; Loos, F., Zur Wert- und Rechtslehre Max Webers, 1970; Mommsen, W., Max Weber, 1974; Hilterhaus, F., Zum Rechtsbegriff in der Soziologie Max Webers, 1965; Speer, H., Herrschaft und Legitimität, 1978; Weber, M., Max Weber, 3. A. 1984; Zur Rechtssoziologie Max Webers, hg. v. Breuer, S. u. a., 1984; Hennis, W., Max Webers Fragestellungen, 1987; Schöllgen, G., Max Weber, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Tenbruck, F., Das Werk Webers, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Roth, G., Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950, 2001; Max Webers Herrschaftssoziologie, hg. v. Hanke, E./Mommsen, W., 2001; Ringer, F., Max Weber, 2004; Radkau, J., Max Weber, 2005; Das Weber-Paradigma, hg. v. Albert, G., 2005; Müller, H., Max Weber, 2007; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2007; Fitzi, G., Max Weber, 2008; Petersen, J., Max Webers Rechtssoziologie und die juristische Methodenlehre, 2008; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2008; Weber, M., Allgemeine (theoretische) Nationalökonomie - Vorlesungen 1894-1898, hg. v. Mommsen, W. u. a., 2009

Wechsel ist die besonders strengen ge­setzlichen Formvorschriften unterliegende Urkunde, in der eine oder mehrere gegenüber einem Grundgeschäft abstrakte Zahlungs­verpflichtungen verbrieft sind. Der W. entsteht im 13. Jh. in Oberitalien zur Siche­rung des Zahlungsverkehrs vor Überfällen auf Geldstückbeförderungen. Er breitet sich rasch aus. Seit dem Ende des 16. Jh.s kann er durch Vermerk auf der Rückseite (→ Indossament) leicht weitergegeben werden. Zahlreiche partikulare Wechselord­nungen versuchen eine Regelung der mit ihm verbundenen Fragen. Ihre Vereinheitlichung im Deutschen Bund strebt die Allgemeine Deutsche Wechsel­ordnung (1847/1848) an. Eine Übereinkunft der Genfer Wechselrechts­konferenz von 1930 führt zu weiterer Internationalisierung (Deutsches Reich 1. 1. 1934 Wechselgesetz). Tatsächlich tritt der W. aber allmählich hinter den Kontokorrentkredit zurück.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 128, 167; Mittermaier, C., Über den Zustand der Gesetzgebung, AcP 25 (1842), 114, 284, 26 (1843), 114, 446, 27 (1844), 120; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechselordnung ..., 1848; Canstein, R. v., Lehrbuch des Wechselrechts, 1890; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Schaube, A., Einige Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte der Tratte, ZRG GA 14 (1893), 111; Freundt, C., Das Wechselrecht der Postglossatoren, 1899ff.; Valery, J., Une traité de Philippe Le Bel, 1909; Nicolini, U., Studi storici sul pagherò cambiario, 1936; Holden, J., The History of Negotiable Instruments, 1955; Cassandro, G., Vicende storiche della lettera di cambio, Bollettino dell’Archivio storico del Banco di Napoli 1955; Dabin, L., Fondements du droit cambiaire allemand, 1959; Urfus, V., (Die Anfänge des Wechselrechts in den böhmischen Ländern und die Anfänge des neuzeitlichen Handelsrechts), 1959 (deutsche Zusammenfassung); Sedatis, L., Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechts­geschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,844, 3,3,2,893; Remde, A., Lettera di cambio und suftada, Diss. jur. Köln 1987; Huber, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 224; Bergfeld, C., Deutsches und schweizerisches Wechselrecht, FS H. Thieme, 1986; Denzel, M., La Practica della Cambiatura, 1994; Riedi Hunold, D., Die Einführung der allgemeinen Wechselfähigkeit in der Schweiz, 2004; Freund, J., Die Wechselverpflichtung im 19. Jahrhundert, 2008

Wechselrecht → Wechsel

wederstadinge (mnd. [F.]) Wiedererstattung, Gegenwert

Weg ist die zum regelmäßigen Gehen oder Fahren benutzte oder bestimmte Erdober­fläche.

Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Friehe, H., Wegerecht und Wegeverwaltung in der alten Grafschaft Schaumburg, 1971

Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das Entfallen der vorausgesetzten Umstände eines Geschäftes. Der W. d. G. wird in Deutschland im 20. Jh. als Nachfolger der sog. (lat.) clausula (F.) rebus sic stantibus zur Erfassung unvorhergesehener Verläufe entwickelt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270

Wegsperre (lat. via [F.] lacina) ist vor allem im Frühmittelalter die Versperrung eines Weges, die als bußpflichtiges Verhalten eingeordnet wird.

Lit.: Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973

wehading (ahd. [N.]) Zweikampf

Wehr

Lit.: Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280

Wehrdienst ist der seit der allgemeinen Wehrpflicht des 19. Jh.s (Preußen 1814) erscheinende Dienst als Soldat bei den Streitkräften.

Lit.: Baltl/Kocher; Müller, T., Die Wehrverfassung des Dritten Reiches und die DDR, 1998; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1998; Wehrmacht und Vernichtungspolitik, hg. v. Pohl, K., 1999

Wehrersatzkommission ist die in Preußen seit dem 18. Jh. (1743, 1764, 1793, 1814) eingeführte Behörde für Musterungen und Festlegungen der Reihenfolge der Verfügbar­keit.

Lit.: Jähns, M., Geschichte der Kriegswissenschaft, Bd. 3 1891, Neudruck 1966; Witte, F., Die rechtliche Stellung der Bundeswehrverwaltung, 1963

Wehrmacht s. Heer

Lit.: Oldenburg, M., Ideologie und militärisches Kalkül, 2004; Hartmann, C. u. a., Verbrechen der Wehrmacht, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Kunz, A., Wehrmacht und Niederlage, 2005; Arnold, K., Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion, 2005; Pohl, D., Die Herrschaft der Wehrmacht, 2008, 2. A. 2009; Hasenclever, J., Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion, 2009; Buchmann, B., Österreicher in der deutschen Wehrmacht, 2009; Förster, J., Die Wehrmacht im NS-Staat, 2. A. 2009

Wehrpflicht ist die Pflicht, dem Staat als Soldat zu dienen. Sie erscheint als Ausgleich der demokratischen Teilhabe am Staat seit dem späten 18. Jh. (Frankreich 1793, Preußen 3. 9. 1814).

Lit.: Baumann, W., Die Entwicklung der Wehrpflicht in der schweizerischen Eidgenossenschaft 1803-1874, 1932; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939; Böhme, H., Die Wehrverfassung in Hessen-Kassel, 1954; Händel, H., Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in der Wehrverfassung des Königreiches Preußen, Diss. jur. Bonn 1961; Die Wehrpflicht, hg. v. Foerster, R., 1994; Frevert, U., Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, 2001; Fritsche, M., Entziehungen, 2004

Weibel (M.) Büttel, Fronbote, Gerichtsdiener

Lit.: Müller, W., Die Weibelhuben, ZRG GA 83 (1966), 202 (bisher 39 Weibelhuben in Südwestdeutschland ab 12. Jh. bekannt)

Weiberlehen ist das seit dem 12. Jh. nachweisbare, später weiter verbreitete, jedoch stets als Abweichung vom Grundsatz verstandene Lehen an eine Frau (z. B. Österreich 1156). Bei der Erbfolge gilt die weibliche Lehnsfolge als subsidiär.

Lit.: Bovet, S., Die Stellung der Frau, Diss. jur. Basel 1927; Ermolaef, A., Die Sonderstellung der Frau, Diss. jur. Bern 1930; Ven, G. van der, Die Entwicklung der weiblichen Erbfolge, Diss. jur. Marburg 1949; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Iblher von Greiffen, N., Die Lehenserbfolge in weiblicher Linie, 1990

Weichbild (lat. forma [F.] vici?) ist die Art und das Recht einer geschlossenen Siedlung in Norddeutschland seit dem 12. Jh. (1170 Westfalen). Damit werden später das Stadtrecht und das Stadtgebiet bezeichnet. Sachlich ist mit W. vor allem eine besondere Erbleihe angesprochen.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 104; Kroeschell, K., Weichbild, 1960; Kroeschell, K., Stadtgründung und Weichbildrecht, 1960; Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973, 61; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121

Weichbildglosse ist die im 14. Jh. vermutlich in Magdeburg verfasste mittelniederdeutsche Glossierung des sächsischen Weichbildrechts (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung). Eine ursprüngliche Fassung des sich auf einen Dr. decretorum unde legum Burchard von Mangelfelt zurückführenden, stark römisch­rechtlich durchsetzten Werkes liegt in 10 Handschriften vor, eine erweiterte Fassung in 5 Hand­schriften. Hinzu kommen zwei Sonderformen.

Lit.: Das sächsische Weichbildrecht, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Steffenhagen, E., Deutsche Rechts­quellen in Preußen, 1875; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 75

Weichbildrecht (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung) ist das vielleicht zwischen 1257-1261 (1241-1269) in Magdeburg (oder Halle) unter freier Be­nutzung des → Sachsenspiegels niederge­schriebene Rechts­buch, das später mehrfach ergänzt und im letzten Drittel zur Weichbildvulgata erweitert wird.

Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869, 32; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47

Weichbildvulgata ist das im letzten Drittel des 13. Jh.s aus → Weichbildrecht, einer Weichbildchronik und Schöffenrecht mit Auszügen aus dem → Sachsenspiegel und anderen Quellen entstandene Rechtsbuch in 136 Artikeln.

Lit.: Das buk wichbilderecht, hg. v. Daniels, A. v., 1853; Das sächsische Weichbild, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47

Weiderecht (Hutrecht) ist das in Mittelalter und früher Neuzeit weitverbreitete Recht, Vieh auf eine Weide zu treiben. Es ist vielfach in Weistümern näher geregelt. Im 19. Jh. werden viele Weiderechte aufgehoben.

Lit.: Hübner; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948, 82; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 170; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Heindl, M., Die Ablösung der Weiderechte, Diss. jur. Regensburg, 1995

Weidlich, Christoph (Schafstädt bei Magdeburg 1713–Halle 1781) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (Nettelbladt) sächsischer Rat und Advokat. Er veröffentlicht seit 1748 biographische Notizen von Juristen seiner Zeit.

Weigel, Erhard (Weiden 16. 12. 1625-Jena 21. 4. 1699) befasst sich als Professor der Mathematik in Jena mit der Anwendung der mathematischen Methode (lat. mos [M.] geometricus) auf Ethik, Politik und Recht. Obwohl er über bloße Zahlenspielerei nicht hinausgelangt, beeinflusst er → Pufendorf und → Leibniz. Pufendorf bezieht von ihm die Anregung allgemeiner Teile der Rechts­wissenschaft.

Lit.: Spieß, E., Erhard, Weigel, 1881; Stephanitz, D. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Denzer, H., Moralphilosophie und Naturrecht, 1972

Weimar an der Ilm ist die 975 erstmals erwähnte Burg, die 1382 Sitz einer Linie des Hauses → Wettin wird. Berühmt wird W., von dem zwischen 1307 und 1500 weniger als 60 Urkunden, aber ein Stadtbuch bzw. Ratshandelsbuch (1380-1410) und ein Statutenbuch (ab 1433) überliefert sind, durch die dortige Tätigkeit → Goethes. 1919 wird Weimar Tagungsort der deutschen Nationalversammlung, die am 14. 8. 1919 eine → Verfassung für das Republik gewor­dene Deutsche Reich verabschiedet (Grundrechte).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Steinfeld, T., Weimar, 1988; Merseburger, P., Mythos Weimar, 1998; Boden, R., Die Weimarer Nationalversammlung und die deutsche Außenpolitik, 2000; Goethes Weimar und die französische Revolution, hg. v. Wilson, W., 2004; Die Weimarer Stadtbücher, hg. v. Steinführer, H., 2005; Weimar 1919, hg. v. Ulbricht, J., 2009

Weimarer Nationalversammlung → Weimar

Weimarer Reichsverfassung ist die von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler Hugo → Preuß seit 15. 11. 1918 entworfene, am 31. 7. 1919 von der vom 6. 2.-11. 8. 1919 ta­genden Weimarer Nationalver­sammlung (9,6 Prozent Frauen) beschlossene und am 11. 8. 1919 verkündete Verfassung des Deutschen Reiches. Ihre 181 Artikel gliedern sich in einen Organisa­tionsteil (1-108) und einen Grundrechtsteil (109-165). Danach ist das Reich ein unitarischer Bundesstaat mit zuletzt 17 Län­dern (Preußen, Bayern, Sachsen, Würt­tem­berg, Baden, Hessen, Thüringen, Olden­burg, Braun­schweig, Meck­lenburg-Schwerin, Meck­­len­­burg-Strelitz, Anhalt, Bremen, Ham­burg, Lübeck, Lippe, Schaumburg-Lippe). Es ist eine Republik, in der alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das Volk Volksentscheide und Volksbegehren durchführen kann und in allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlen den Reichspräsidenten und den Reichstag (Verhältniswahlrecht mit 60000 Stimmen pro Abgeordneten) bestimmt. Der Reichstag ist gemeinsam mit dem Reichsrat zuständig für die Gesetzgebung. Der Reichs­präsident ist Staatsoberhaupt und regiert durch den von ihm ernennbaren und absetzbaren Reichskanzler und die Reichs­minister, die des Vertrauens des Reichstags bedürfen. Er hat ein Notverord­nungsrecht und kann den Reichstag auflösen. Oberstes Gericht ist das Reichs­gericht (in Leipzig). Reichsrecht bricht Landesrecht. Die Ausführung der Gesetze steht den Ländern zu. Die Gerichtsbarkeit ist weitgehend Sache der Länder. Die Grundrechte sind in erster Linie Pro­grammsätze. Die W. R. endet sachlich am 30. 1. 1933 surch die Ernennung Adolf Hilters als Führers der stärksten Partei zum Reichskanzler (einer konservativen Koalition) bzw. allmählich zwischen dem 28. 2. 1933 und dem 30. 1. 1934 durch Aushöhlung rechtstatsächlich. Formell wird die W. R. erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Bracher, D., Die Entstehung der Weimarer Verfassung, 1963; Apelt, W., Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. A. 1964; Willoweit, D., Deutsche Verfassungs­geschichte, 6. A. 2010, § 37; Gusy, C., Die Weimarer Reichsverfassung, 1997; Achtzig Jahre Weimarer Reichsverfassung, hg. v. Eichenhofer, E., 1999; Fromme, F., Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 3. A. 1999; Schau, G., Das Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht, 2002; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004

Weimarer Republik ist der nichtamtliche Name für das Deutsche Reich vom (9. 11. 1918 bzw.) 14. 8. 1919 bis zur Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler am 30. 1. 1933. Die als Folge des Versailler Vertrages an erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkei­ten leidende W. R. ist zwar demokratisch verfasst, aber in der politischen Wirklichkeit instabil, weil sich große Teile der Bevöl­kerung, insbesondere auch die politisch bestimmende Klasse, nicht mit dem Staat identifizieren. Die wirtschaftlichen Krisen verunsichern die Bevölkerung und treiben sie auf der Grundlage der immer weiter um sich greifenden Überzeugung, dass eine vollständige Umkehr unvermeidlich und eine neue Ordnung unentbehrlich sei, den extremen Parteien zu, von denen 1932 die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf → Hitlers stärkste Partei des Reichstages wird. 1932 setzt der auf Grund einer Notverordnung des Reichspräsidenten zum Reichskommissar für Preußen ernannte Reichskanzler Franz von Papen die Lan­desregierung Preußens ab und eine Reichskommission ein (Preußenschlag). Im Januar 1933 versucht der im November 1932 gestürzte Reichs­kanzler Franz von Papen mit dem durch Wahlniederlagen in Thüringen und Sachsen geschwächten Hitler an die Macht zurückzu­kehren. Mit Hitler endet die W. R. durch die Diktatur des → Dritten Reiches.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Akten der Reichskanzlei Weimarer Republik, Bd. 1f. 1968ff.; Rosenberg, A., Geschichte der Weimarer Republik, 12. A. 1971; Heiber, A., Die Republik von Weimar, 5. A. 1971; Bracher, K., Die Auflösung der Weimarer Republik, 5. A. 1971; Meinck, J., Weimarer Staatslehre und Nationalsozialismus, 1978; Das Ende der Weimarer Republik, hg. v. Gessner, D., 1978; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Kolb, E., Die Weimarer Republik, 3. A. 1998, 7. A. 2009; Die Weimarer Republik, hg. v. Bracher, K. u. a., 1987; Weimar-Index. Deutscher Reichsanzeiger und preußischer Staatsanzeiger, Register 1918-1933, bearb. v. Schumacher, M., 1988; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, hg. v. Benz, W. u. a., 1988; Winkler, H., Weimar 1918-1933, 2. A. 1994; Rückert, A., Politik und Privatrecht, 1997; Hoppe, B., Von der parlamentarischen Demokratie zum Präsidialstaat, 1999; Lehnert, D., Die Weimarer Republik, 1999; Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, hg. v. Gusy, C., 2000; Wirsching, A., Die Weimarer Republik, 2000, 2. A. 2008; Schumann, D., Politische Gewalt in der Weimarer Republik, 2001; Gessner, D., Die Weimarer Republik, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Scheidemann, P., Das historische Versagen der SPD, 2002; Die Weimarer Republik, hg. v. Fröhlich, M., 2002; Linke Juristen in der Weimarer Republik, hg. v. Gangl, M., 2003; Marcowitz, R., Weimarer Republik 1929-1933, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Mülhausen, W., Friedrich Ebert 1871-1925, 2006, 2. A. 2007; Pyta, W., Hindenburg, 2007; Vernunftrepublikanismus in der Weimarer Republik, hg. v. Wirsching, A. u. a., 2008; Marcowitz, R., Die Weimarer Republik 1929-1933, 3. A: 2009

Wein ist das aus der Frucht des Weinstocks erzeugte, schon den Römern bekannte alkoholische Getränk. Die Römer kennen auch bereits die Weinverfälschung. Im Mittelalter erscheint der W. bei Abschluss von Kaufverträgen (Weinkauf, gemeinsames Trinken als Teil des Vertragsschlusses). Rechtlich wird die Herstellung von W. vor allem seit dem 19. Jh. (1892, 1901, 1909, 1930, 1971, 1982, 1992) genauer geordnet.

Lit.: Hübner; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 306; Bassermann-Jordan, F. v., Geschichte des Weinbaues, 2. A. 1923; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Beyerle, F., Weinkauf und Gottespfennig, FS A. Schultze, 1934, 251; Herold, H., Rechtsverhältnisse im schweizerischen Weinbau, 1936; Rieger, R., Die Weinfälschung im Strafrecht, 1949; Gönnenwein, O., Zur Geschichte des Weinbaurechts, ZRG GA 80 (1963), 157; Koch, H, Weintrinker und Weingesetz, 1970; Zipfel, W., Weinrecht, 1972; Schoene, R., Bibliographie zur Geschichte des Weines, 1976; Schreiber, G., Deutsche Weingeschichte, 1980; Freund, G., Die Reichspolizeiordnungen, ZNR 11 (1989), 1; Koch, H., Das neue Weingesetz, NJW 1994, 2880; Kiewisch, S., Obstbau und Kellerei in lateinischen Fachprosa­schriften, 1995; Dippel, H., Hundert Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 20 (1998); Weinproduktion und Weinkonsum im Mittelalter, hg. v. Matheus, M., 1999; Wunderer, R., Weinbau und Weinbereitung im Mittelalter, 2001; Koch, H., Neues vom Weinrecht, NJW 2004, 2135

Weißenburg im Elsass ist die an der Lauter in der zweiten Hälfte des 7. Jh.s gegründete Bene­diktinerabtei, die zahlreiche Gaben schon früh beurkundet (Chartular von 855/860, mehr als 250 Urkunden, rund 70 nachweisbare Schreiber). Daneben entwickelt sich eine Reichsstadt. 1672 wird W. von Frankreich annektiert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Traditiones Wizen­burgenses, hg. v. Doll, A., 1979

Weistum ist das durch mündliche Erklärung (Weisung) alter Männer als bestehend erwiesene Gewohnheitsrecht. Nach dem Vorbild des (lat.) Pactus (M.) legis Salicae (Einung des salfränkischen Rechtes) nimmt man an, dass große Teile der → Volksrechte als W. zur Schriftform gefunden haben. Seit dem Hochmittelalter werden verallgemei­nernd die ländlichen und dörf­lichen Rechtsquellen als Weistümer (oder auch anders) bezeich­net. Ihre Aufzeichnung findet vor allem in Spätmittelalter und Frühneuzeit statt. Ihr Inhalt kann auf bewusster Setzung, Vereinbarung oder gewohnheitsmäßiger An­er­kennung beruhen. Die Setzung kann durch einen Herrn oder die Betroffenen geschehen. Sie kann als Privileg oder mit allgemeiner Geltungskraft erfolgen. Die moderne Erforschung der Weistümer beginnt mit der Sammlung und Ausgabe der Weistümer durch Jakob Grimm (1840).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104; Weistümer, hg. v. Grimm, J., Bd. 1ff. 1840ff.; Österreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1870ff.; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1ff. 1900ff.; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Kurkölnische Weistümer, hg. v. Aubin, H. u. a., Bd. 1ff. 1913ff.; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1ff. 1917ff.; Patzelt, E., Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich, 1924, Neudruck 1979; Wießner, H., Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der Weistümer, 1934; Finsterwalder, P., Beiträge zur Kenntnis oberelsässischer Weistümer, ZRG GA 56 (1936), 380; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Gehring, P., Um die Weistümer, ZRG GA 60 (1940), 261; Oberösterreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1939ff.; Kollnig, K., Elsässische Weistümer, 1941; Baltl, H., Die österreichischen Weistümer, MIÖG 59 (1951), 365, 61 (1953), 38; Fränkische Bauernweistümer, hg. v. Dinklage, K., 1954ff.; Pfälzische Weistümer, hg. v. Weizsäcker, W. u. a., Bd. 1ff. 1957ff.; Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Die Weistümer der Zent Schriesheim, hg. v. Kollnig, K. 1968; Kocher, G., Richter und Stabübergabe, 1971; Werkmüller, D., Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer, 1973; Vorarlberger Weistümer, hg. v. Burmeister, K., 1973; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Eder. I., Die saarländischen Weistümer, 1978; Laufs, A., Die Weistümer der Zenten Schriesheim und Kirchheim, ZRG GA 98 (1981), 276; Werkmüller, D., Die Weistümer, (in) Brüder-Grimm-Symposion, 1986, 103; Reis, R., Deutsches Privatrecht in den Weistümern, 1987; Schildt, B., Die Weistümer der Grafschaft Mark, Beitr. z. G. Dortumnds 88 (1997), 140 Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007

Weißrussland (Belarus)

Lit.: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. v. Beyrau, D. u. a., 2001

Welcker, Karl Theodor (Oberofleiden in Oberhessen 29. 3. 1790-Heidelberg 10. 3. 1869), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Heidelberg 1813 Professor in Gießen, 1814 in Kiel, 1816 in Heidelberg, 1819 in Bonn und 1822 in Freiburg im Breisgau. 1831 fordert er die Bildung eines deutschen Parlamentes. Zusammen mit → Rotteck veröffentlicht er von 1834 an das den Liberalismus prägende Staatslexikon. 1848 ist er Mitglied der Frankfurter Nationalver­sammlung.

Lit.: Wild, K., Karl Theodor Welcker, 1913; Böhringer, A., Die Rechtslehre Karl Theodor Welckers, Diss. jur. Tübingen 1952; Müller-Dietz, H., Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor Welcker, 1968; Schöttle, R., Politische Freiheit für die deutsche Nation, 1985

Welfe ist der Angehörige eines bayerischen, schwäbischen oder fränkischen, vielleicht seit der Mitte des 8. Jh.s nördlich des Bodensees begüterten, 819 erstmals sicher nachweis­baren Geschlechts (1070-1138, 1156-1180 Herzog von Bayern, 1137-1180 auch Herzog von Sachsen). Der bekannteste W. ist → Heinrich der Löwe (1129-1191), der als Vetter und Gegner Kaiser Friedrichs I. Barbarossa 1180 die Herzogtümer Bayern und Sachsen verliert. Von 1198 bis 1218 ist der Welfe Otto IV. Gegenkaiser der Staufer. Den Welfen bleibt das Eigengut Braunschweig-Lüneburg (1235 Herzogtum, 1692 Kur­fürstentum, 1714 zu­gleich König von Großbritannien bis 1901) bis 1866 (Lüneburg bzw. Hannover, dann an Preußen) bzw. 1918 (Braunschweig, dann Ende der Monarchie).

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Köbler, Historisches Lexikon; Historia Welforum, hg. v. König, E., 1938; Diederich, A., Staufer und Welfen, 1938; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Kleinau, H., Die von Werle, 1971; Pischke, G., Die Landesteilungen der Welfen, 1987; Die Welfen und ihr Braunschweiger Hof, hg. v. Schneidmüller, B., 1995; Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Schneidmüller, B., Die Welfen, 2000; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Welf IV., hg. v. Bauer, D. u. a., 2004; Quellen zur Geschichte der Welfen, hg. v. Becher, M., 2006; Lilienthal, A., Die Fürstin und die Macht, 2007; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a., 2009

Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) ist die 1995 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade erwachsene internationale Organisation für den Welthandel (Verhandlungsforum, Handelsorga­nisation).

Lit.: Beise, M., Die Welthandelsorganisation (WTO), 2001; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirt­schaft, 2008

Weltkrieg ist der die gesamte Welt erfassende Krieg (1914-1918, 1939-1945).

Lit.: Köbler, DRG 173, 223, 244; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Michalka, W., 1994; Stolleis, M., Der lange Abschied vom neunzehnten Jahrhundert, 1997; Achter Mai 1945 – Befreung oder Kapitulation?, hg. v. Schröder, R., 1997; Overmans, R., Deutsche militärische Verluste im zweiten Weltkrieg, 1999; Kriegsende 1919, hg. v. Duppler, J., 1999; Borchard, M., Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, 2000; Strachan, H., The first World war, Bd. 1 2001; Müller, K., Oktroyierte Verliererjustiz nach dem ersten Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts 39 (2001), 201; Pöhlmann, Markus, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik - Der erste Weltkrieg, 2002; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Enzyklopädie des ersten Weltkriegs, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2002, 2. A. 2004; Erster Weltkrieg – zweiter Weltkrieg, hg. v. Thoß, B. u. a., 2002; Pöhlmann, M., Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik – Der erste Weltkrieg, 2002; Der erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, hg. v. Winter, J. u. a., 2002; Schreiber, G., Der zweite Weltkrieg, 2002; Berghahn, V., Der erste Weltkrieg, 2003; Barth, B., Dolchstoßlegende und politische Desintegration, 2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Neitzel, S., Deutschland und der erste Weltkrieg, 2003; Enzyklopädie erster Weltkrieg, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2003; Horne, J./Kramer, A., Deutsche Kriegsgreuel 1914, 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Burgdorff, S. u. a. 2004; Strachan, H., Der erste Weltkrieg, 2004; Rombeck-Jaschinski, U., Das Londoner Schuldenab­kommen, 2004; Kriegsende 1945, hg. v. Rusinek, B., 2004; Müller, R., Der Bombenkrieg 1939-1945, 2004; Müller, R., Der zweite Weltkrieg, 2004; Schreiber, G., Kurze Geschichte des zweiten Weltkriegs, 2005; Ueberschär, G. u. a., 1945, 2005; Salewski, M., Deutschland und der zweite Weltkrieg, 2005; Der zweite Weltkrieg, hg. v. Kuß, S. u. a., 2006; Der zweite Weltkrieg und seine Folgen, hg. v. Martin, B., 2006; Golla, K., Die deutsche Fallschirmtruppe 1936-1941, 2006; Die Ostfront 1943/44, hg. v. Frieser, K. u. a., 2007; Goeken-Haidl, U., Der Weg zurück. Die Repatriierung, 2007; Zimmermann, J., Pflicht zum Untergang, 2009; Kruse, W.,  Der erste Weltkrieg,  2009; Hartmann, C. u. a., der deutsche Krieg im Osten 1941-1944, 2009

Weltliches Recht (lat. ius [N.] civile) ist das für weltliche Angelegenheiten geltende bzw. das von weltlichen Kreisen geschaffene Recht im Gegensatz zum Kirchenrecht (lat. ius [N.] canonicum).

Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, Das Recht im frühen Mittelalter, 1971

Weltraum ist der die Erde umgebende Teil der Welt.

Lit.: Reinke, N., Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik, 2004

Welzel, Hans (Artern/Unstrut 25. 3. 1904-Andernach 5. 5. 1977) wird nach dem Rechtsstudium in Jena 1937 Professor in Göttingen und 1952 in Bonn. Er entwickelt für das Strafrecht den finalen Hand­lungsbegriff, der den Vorsatz als subjektiven Tatbestand zum (objektiven) Tatbestand im engeren Sinn zieht. In seiner Rechts­philosophie fordert er für die Rechts­geltung die Anerkennung des Menschen als verantwortliches Wesen und den Bezug auf Vernunft, Gewissen und demokratische Diskussion.

Lit.: Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Gössel, K., Wertungsprobleme des Begriffs der finalen Handlung, 1966; Kaufmann, A., Strafrechtsdogmatik, 1982; Sticht, O., Sachlogik als Naturrecht?, 2000

Wende ist die ältere Sammelbezeichnung für den → Slawen an der deutschen Nordostgrenze.

Lit.: Hugelmann, K., Die Rechtsstellung der Wenden im deutschen Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 214; Die Slawen in Deutschland, hg. v. Herrmann, E., 1970; Oschlies, W., Die Sorben, 1972

Wenger, Leopold (Obervellach/Kärnten 4. 9. 1874-21. 9. 1953), Bauernsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Graz 1902 außerordentlicher Professor, dann ordentlicher Professor in Wien (1904), Graz (1905), Heidelberg (1908), München (1909) und Wien (1935). Beeinflusst von Ludwig Mitteis wendet er sich der Papyrologie zu und versteht als sein Forschungsgebiet umfassend die antike Rechtsgeschichte. Innerhalb des römischen Rechts bietet er eine grundlegende Zusammen­fassung über „Die Quellen des römischen Rechts“ (1953).

Lit.: Kaser, M., Leopold Wenger, ZRG GA 71 (1954), XIII

Wenzelskrone ist die auf König Wenzel I. (1230-1253) zurückgehende Krone des Königs von Böhmen. Länder der W. sind (unter den Habsburgern) Böhmen, Mähren, Schlesien und die Lausitz.

Wer A sagt, muss auch B sagen.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, 1996, 25 (Pistorius 1716)

Werböczy, Stephanus (um 1458-1541) wird nach einem (nicht gesicherten) Studium im Ausland (Krakau 1492) (1492 Amtsträger des Königs von Ungarn, nach Adoption durch Mihály Szobi) Protonotar hoher ungarischer Gerichte (1502) und schließlich Kanzler eines Gegenkönigs. 1514 veröffentlicht er eine Zusammenfassung des in Ungarn unter Re­zeption römischen Rechts geltenden Gewohnheitsrechts ([lat.] Tripartitum opus [N.] iuris consuetudinarii incliti regni Hungariae. Dreiteiliges Werk des Gewohn­heitsrechts des ruhmreichen Königreichs Ungarn). Obwohl das die Interessen des Adels sichernde, vom Landtag wohl gebilligte Werk nie in Kraft tritt, gilt es teilweise bis 1945 gewohnheitsrechtlich.

Lit.: Frankói, V., Werböczy, 1899; Zlinszky, J., Werböczy jog forrástana, (in) Jogtudományi Közlöny, 1993, 374; Tanulmányok Werbőczy Istvánról, hg.v. Hamza, G., 2001; Werböczy, S., The Customary Law of the renowned kingdom of Hungary in three parts, 1517, hg. und übers. v. Bak, J. u. a., 2006

Werbung

Lit.: Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000; Ilgen, V./Schindelbeck, D., Am Anfang war die Litfaßsäule, 2006

Werden

Lit.: Hoederath, H., Hufe, Manse und Mark in den Quellen der Großgrundherrschaft Werden am Ausgang der Karolingerzeit, ZRG GA 68 (1951), 211; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971)

Werfen ist das einen Gegenstand durch die Luft Schleudern. Es kann im Mittelalter rechtssymbolische Bedeutung haben.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943

Wergeld ist im Mittelalter die in Sachen (z. B. Vieh, Waffen, Geräte) erbrachte Aus­gleichs­leistung für die ausgleichs­pflichtige Tötung eines Menschen. Das W. lässt sich bereits für die Germanen vermuten. Es fällt teilweise an die Verwandten des Getöteten, teilweise an den König (Friedensgeld). Es wird vermutlich ursprünglich im einzelnen Fall besonders ausgehandelt. In den Volks­rechten erscheinen feste, vom jeweiligen Stand abhängige Schillingbeträge (→ Kom­positionensystem z. B. bei einem fränkischen Freien 200 Schillinge d. h. 100 Rinder) als Rechnungseinheiten. Mit dem Aufkommen der peinlichen → Strafe seit dem 11. Jh. verschwindet es allmählich.

Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 91, 119, 120; Köbler, WAS; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1; Vinogradoff, P., Wergeld und Stand, ZRG GA 23 (1902), 123; Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 102; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Lintzel, M., Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Stutz, U., J. Brissaud und Heinrich Brunners Erklärung des Römerwergeldes, ZRG GA 55 (1935), 287; Fenger, O., Fehde og mandebod, 1971

Werkvertrag ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der Unternehmer verpflichtet, ein Werk für den Besteller gegen Entgelt herzustellen. Der W. ist bereits dem römi­schen Recht als (lat.) locatio (F.) conductio operis (z. B. Herstellung einer Sache aus übergebenem Stoff, Reinigung einer Sache, Beförderung einer Sache, Unterrichtung eines Sklaven, conductor ist der zu Erfolg verpflichtete Hersteller, locator der Besteller des Werkes) bekannt. Danach erscheint der W. wieder in der hochmittelalterlichen Stadt, in welcher der Unternehmer vielfach durch die Zunft eingeschränkt wird.. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. In der Aufklärung wird der W. aus der Verbindung mit der Miete gelöst und dem Dienstvertrag zur Seite gestellt. Von ihm ist er durch den notwendigen Erfolg zu unterscheiden. Vielfach sind danach Gefahr­tragung oder Gewährleistung deutschrechtlich gelöst, anderes wie etwa der Verzug römisch­rechtlich. Werklieferungsvertrag ist gegenü­ber dem W. der dem Kauf ähnliche Vertrag über die Herstellung eines Werkes aus Stoffen des Unternehmers oder Herstellers.

Lit.: Kaser § 42 I, IV; Söllner § 9; Hübner 584; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 45, 127; Riezler, E., Der Werkvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1900; Rothenbücher, K., Geschichte des Werkvertrages, 1906; Benöhr, H., Das Gesetz als Instrument zur Lösung sozialpolitischer Konflikte, ZRG GA 95 (1978), 221; Schubert, W., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Werkvertrag, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 281; Fels, A., Die Sachmängelgewährleistung im Werkvertragsrecht des BGB, 2000; Büscher, M., Künstlerverträge in der Florentiner Renaissance, 2002

Wert ist die zum Wohl eines Lebewesens beitragende Gegebenheit. Die angesehensten rechtlichen Werte können in der Gegenwart durch die Verfassung besonders geschützt. sein. Sie können zu einem Wertesystem zusammengefügt sein.

Lit.: Wapler, F., Werte und das Recht, 2008

Wertheim

Lit.: Der Lehenhof der Grafen von Wertheim, 1955; Zimmermann, K., Obrigkeit, Bürgertum und Wirtschaftsformen im alten Wertheim, 1975

Wertpapier ist die Urkunde, deren Innehabung Voraussetzung für die Geltend­machung des in ihr verbrieften Rechtes ist. Die erst von Heinrich Brunner zusammen­gefassten Wertpapiere erscheinen in Frühformen an oberitalienischen Handels­plätzen seit dem 12. Jh. Im Vordergrund steht dabei der → Wechsel. In der frühen Neuzeit gewinnt das W. allgemeinere Bedeutung. In der Mitte des 19. Jh.s bildet es den ersten Ansatzpunkt zur gesetzlichen Rechtsverein­heitlichung im Deutschen Bund (→ Allgemeine Deutsche Wechselordnung). 1908 wird im Deutschen Reich auch der → Scheck W. Am Ende des 20. Jh.s treten die nur noch elektronisch dokumentierte Rechte vor.

Lit.: Hübner § 88; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128, 167, 218, 272; Salvioli, G., I titoli al portatore, 1883; Goldschmidt, L., Universal­geschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Cordes, J., Begriffe und Arten der Wertpapiere, Diss. jur. Kiel 1898; Schultze-von Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Sedatis, L., Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Hand­buch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,686; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher Urkunden, FS Eichler, H., 1977, 645; Abschied vom Wertpapier, hg. v. Kreuzer, K., 1988

Wertsicherung ist die Sicherung des Wertes einer Geldforderung gegen die Geld­entwertung. Sie wird im Deutschen Reich seit 1914 bedeutsam. Seit 1934 werden diesbezügliche Vertragsklauseln einge­schränkt.

Lit.: Dürkes, W., Wertsicherungsklauseln, 10. A. 1992

Wertungsjurisprudenz ist die seit 1930 bzw. seit der Mitte des 20. Jh.s (Karl Larenz, Franz Wieacker, Heinrich Lange, Mittel und Ziel der Rechtsfindung im Zivilrecht, Z. d. Ak. f. dt. R. 1936, 922) erkennbare Lehre, nach der Rechtssätze nicht mechanisch aus der Wirkung kausaler Interessen entstehen, sondern sich auf eine Wertung der an der Gesetzgebung Beteiligten gründen und bei der Auslegung objektiv-teleologische Kriterien (z. B. Gleichbehand­lungsgrundsatz, Sachge­mäßheit) heranzuzie­hen sind. Die W. setzt ein in der Gesamtrechtsordnung enthaltenes Wertesystem voraus.

Lit.: Petersen, J., Von der Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001; Rückert, J., Vom „Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125 (2008), 199

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 100 (Henisch 1616, lat. prior tempore potior iure)

Wesel

Lit.: Stadtrechnungen von Wesel 1349-1450, bearb. v. Gorissen F., 1963; Weseler Edikte 1324-1600, bearb. v. Roelen, M. u. a., 2005

Wesenbeck, Matthaeus (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen (Mudaeus), Paris und Löwen 1557 Dozent in Jena und 1569 Professor in Wittenberg. 1576 veröffentlicht er eine Sammlung seiner Rechtsgutachten, 1563 verfasst er einen Kommentar zu den Pandekten. Darin geht er synthetisch vor und bezieht die Rechtspraxis ein.

Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Dekkers, R., Het humanisme en de rechtswetenschap, 1938, 191; Lück, H., Ein Niederländer in Wittenberg, Jb. d. Zentrums f. Niederlande-Studien 1991, 199; Wittenberg. Ein Zentrum europäischer Rechtsgeschichte und Rechtskultur, hg. v. Lück, H. u. a., 2006

Westeuropäische Union (WEU) ist der am 17. 3. 1948 ursprünglich gegen Deutschland gerichtete, erweitert am 6. 5. 1955 in Kraft getretene Beistandsvertrag zwischen Groß­britannien, Frankreich, Belgien, Luxem­burg, den Niederlanden, Deutschland und Italien mit einem Rat, einer Versammlung und einem Generalsekretariat als wichtigsten Organ. Am 13. 11. 2000 werden die operativen Aufgaben auf die Europäische Union übertragen.

Lit.: Fleuß, M., Die operationelle Rolle der Westeuropäischen Union, 1996; Birk, E., Der Funktionswandel der Westeuropäischen Union, 1999

Westfale ist der im Frühmittelalter (2. H. 8. Jh.s) erkennbare Angehörige eines Teil­stammes der Sachsen. Als rechtliche Besonderheit der Westfalen wird die Gütergemeinschaft hervor­gehoben. 1180 wird Westfalen Territorialherzogtum des Erzbi­schofs von Köln, das 1815 teilweise an Preußen gelangt.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 112, 256; Westfälisches Urkundenbuch, hg. v. Erhard, H., Bd. 1ff. 1847ff.; Lappe, J., Die Entstehung und Feldmarkverfassung der Stadt Werne, Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 76 (1917); His, R., Eine eigentümliche Klausel in westfälischen Schuldurkunden, ZRG GA 42 (1921), 481; Hömberg, A., Siedlungsgeschichte des oberen Sauerlandes, 1938; Klocke, F. v., Fürstenberg­sche Geschichte, Bd. 1 1939; Hagemann, A., Von den mittelalterlichen Ständen Westfalens, ZRG GA 69 (1952), 328; Hagemann, A., Das westfälisch-niedersächsische Wappenbild, ZRG GA 69 (1952), 340; Deutsches Städtebuch, Bd. 3, 2 Westfälisches Städtebuch 1954; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht, 1978; Droege, G., Das kölnische Herzogtum Westfalen, 1980; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen, FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsord­nungen, 1965; Klueting, H., Geschichte Westfalens, 1998; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Das Herzogtum Westfalen, Bd. 1 hg. v. Klueting, H., 2009

Westfalen

Lit.: Der Raum Westfalen, Bd. 1ff. hg. v. Aubin, H. u. a., 1931ff.; Süderländische Geschichtsquellen und Forschungen, hg. v. Dösseler, E., Bd. 1f. 1954f.; Westfalen – Hanse – Ostseeraum, Beiträge von Winterfeld, L. v. u. a., 1955; Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege in den westlichen Teilen Westfalens am Ende des 18. Jahrhunderts, 1964; Klocke, F. v., Westfalen und Nordosteuropa, 1964; Hart­lieb von Wallthor, A., Die landschaftliche Selbstverwaltung Westfalens, 1965; Hömberg, A., Zwischen Rhein und Weser, 1967 (Aufsätze); Klueting, H., Die Säkularisation im Herzogtum Westfalen 1802-1834, 1980; Ludwig Freiherr Vincke, hg. v. Behr, H. u. a., 1994

Westfälischer Friede ist der am 24. 10. 1648 in Münster unterzeichnete Vertrag von Münster (zwischen Kaiser und Frankreich) und Osnabrück (zwischen Kaiser und Schweden), der den Dreißig­jährigen Krieg beendet. Er bestätigt den Rechtsstand des Augsburger Religionsfrie­dens von 1555. Er schwächt das Reich, weil es umfangreiche Gebiete verliert (Elsass an Frankreich, Bremen, Verden und Vorpom­mern an Schweden) und im Übrigen den etwa 300 nun vorhandenen Reichsgliedern ver­schiedener Größe und Bedeutung wesentliche Rechte (u. a. Bündnisrecht) zugesteht und damit die Möglichkeit des Gegensatzes und der Auseinandersetzung verstärkt. Durch Be­schluss des Reichstags wird er 1654 Reichs­ge­setz.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 130; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Dickmann, F., Der westfälische Friede, 1959, 6. A. 1992; Acta pacis Westfalicae, hg. v. der Nordrhein-Westfälischen Ak. D. Wiss., Serie Iff. 1962ff.; Forschungen und Studien zur Geschichte des westfälischen Friedens, 1965; Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1965; Böckenförde, E., Der westfälische Friede, Der Staat 8 (1969), 449; Instrumenta pacis Westphalicae, hg. v. Müller, K., 2. A. 1966; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Ruppert, K., Die kaiserliche Politik auf dem westfälischen Friedenskongress 1643-48, 1979; Kremer, B., Der westfälische Friede, 1989; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Immler, G., Kurfürst Maximilian I. und der westfälische Friedenskongress, 1992; Der westfälische Friede, hg. v. Duchhardt, H., 1998; Der westfälische Frieden, hg. v. Hey, B., 1998; Repgen, K., Der westfälische Friede, 1999; Der westfälische Frieden, hg. v. Moorman van Kappen, O., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Ziegler, K., Die Bedeutung des westfälischen Friedens von 1648 für das europäische Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 37 (1999), 129; 350 Jahre westfälischer Friede, hg. v. Schröder, M., 2000; Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld, B. u. a., 2000; Gantet, C., La paix de Westphalie, 2001; Croxton, D./Tischer, A., The Peace of Westphalia, 2002

westfränkisch → Frankreich

Westgalizien ist der westliche Teil Galiziens (mit Krakau und Lublin), der 1795 bei der dritten Teilung Polens an Österreich gelangt. am 19. 12. 1796 tritt dort die österreichische → Allgemeine Gerichts­ord­nung vom 1. 5. 1781 in etwas veränderter Form als Westgalizische Gerichtsordnung in Kraft (nach 1812 auch in Tirol und Salzburg, gültig bis 1898). Am 13. 2. 1797 wird nach Wiederaufnahme (1790) der Gesetzgebungs­ar­beiten an einem bürgerlichen Gesetzbuch, die 1786 nur zu dem Josephinischen Gesetzbuch geführt hatten, eine frühe, vollständige, aus dem sog. Entwurf Martini (1795) entwickelte Fassung des späteren → Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz­buches als Bürgerliches Gesetzbuch für (West-)Galizien (Westgalizisches Gesetz­buch) in Kraft gesetzt (JGS 337, in Ostgalizien und in der Bukowina am 8. 9. 1797 zum 1. 1. 1798). 1809 fällt W. an das Großherzogtum Warschau.

Lit.: Köbler, DRG 131, 155; Baltl/Kocher; Der Ur-Entwurf, hg. v. Ofner, J., Bd. 1 1889, 1ff.; Pfaff, L., Zur Entstehungsgeschichte des Westgalizischen Gesetzbuches, Jur. Bll. 1890, 399

Westgote ist der Angehörige des seit 269 n. Chr. sichtbaren westlichen (?) Teilstammes der Goten. 418/419 gründen die Westgoten ein Reich in Südgallien (Toulouse). Vermutlich um 475 wird unter König Eurich im (lat.) → Codex (M.) Euricianus ihr Recht aufgezeichnet. Vor 507 entsteht die für die römische Bevölkerung geltende (lat.) → Lex (F.) Romana Visigo­thorum (Römisches Recht der Westgoten). 507 verlieren die Westgoten ihr in Gallien liegendes Gebiet an die Franken und werden auf das inzwischen eingenom­mene → Spanien (Toledo) ver­wiesen. Das Recht der Westgoten wird in der (lat.) → Lex (F.) Visigothorum weiter entwickelt (Leovi­gild, Chindasvinth, Reccesvinth). Überreste finden in die → Fueros Eingang. 711 geraten die Westgoten unter die Herrschaft der → Araber.

Lit.: Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67, 75, 80; Schmeltzer, R., Die Redaktionen des Westgotenrechts, ZRG GA 2 (1881), 123; Ein neuentdecktes westgotisches Gesetz, ZRG GA 7 (1886), 236; Dopsch, A., Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Bergin, A., The Law of the Westgoths, 1906; Melicher, T., Der Kampf zwischen Gesetzes- und Gewohnheitsrecht im Westgotenreiche, 1930; Gesetze der Westgoten, hg. v. Wohlhaupter, E., 1936; Stroheker, K., Eurich, 1937; Merêa, P., O poder paternal, Boletim da faculdade de direito 15 (1939); Schultze, A., Über westgotisch-spanisches Eherecht, 1944 (SB Leipzig); Merêa, P., Estudos de direito Visigótico, 1948; Beyerle, F., Zur Frühgeschichte der westgotischen Gesetzgebung, ZRG GA 67 (1950), 1; Reinhart, W., Über die Territorialität der westgotischen Gesetzbücher, ZRG GA 68 (1951), 348; Claude, D., Geschichte der Westgoten, 1970; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Claude, D., Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, 1971; King, P., Law and society, 1972; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Völkl, A., Der Verkauf der fremden Sache, ZRG RA 110 (1993), 425; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; The Visigoths, hg. v. Ferreiro, A., 1999; Heather, P., The Visigoths, 2001; Visigoti e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Ferreiro, A., The Visigoths in Gaul and Iberia, 2006; Kampers, G., Geschichte der Westgoten, 2008

Westgötenrecht (Westgötalagh, Västgöta­lagh) ist die älteste, um 1220 beginnende, vor allem in Westergötland (Westgötaland) geltende, schwedische Rechtsaufzeichnung. Von der ältesten Fassung sind nur Bruchstücke erhalten, von der nächstälteren (Mitte 13. Jh.) eine Handschrift von etwa 1285, von der jüngeren, wohl 1281 bis 1300 entstandenen Fassung zahlreiche Handschriften seit etwa 1350. Anfänglicher Verfasser (1220/5) ist vielleicht Eskil Magnusson (um 1175-1227).

Lit.: Westgöta-Lagen, hg. v. Collin, H. u. a., 1827, Neudruck 1976; Schwedische Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Nelson, A., Envig och ära, (in) Saga och sed, 1944, 57; Äldere Vastgötalagen, hg. v. Holmbäck, A. u. a., 1946; Ericsson, G., Den kanoniska rätten, 1967; Aquist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988

Westmannalagh, Västmannalagh, (Schwe­den um 1330) → nordisches Recht

Lit.: Hafström, G., De svenska rättskällornas historia, 1978

Westphalen ist das kurzlebige, von → Napoleon um Westfalen errichtete Königreich (18. 8. 1807-1. 10. 1813) um Kassel mit einer liberalen Verfassung vom 15. 10. 1807.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Berding, G., Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973; Regierungsakten des Königreichs Westphalen 1807-1813, bearb. v. Rob, K., 1992; Code Napoléon. Französisch-deutsch, 1808, Neudruck 1997; Der Code pénal des Königreichs Westphalen von 1813, hg. v. Schubert, W., 2001; Wrobel, K., Von Tribunalen, Friedensrichtern und Maires, 2004; Ham, R., Die Constitution für das Königreich Westphalen von 1807, ZNR 2004, 227; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Rheinbündischer Konstitutio­nalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Modell und Wirklichkeit, hg. v. Dethlefs, G. u. a., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen, hg. v. Hewig, A. u. a. 2008

Westzone ist die von 1945 bis 1949 währende Besatzungszone einer der westlichen alliierten Besatzungsmächte (Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich) des Deutschen Reiches. Aus den drei Westzonen entsteht die → Bundesre­publik Deutschland.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Dilcher, H., Bürgerliches Recht in den Westzonen, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft, 1989

Wettbewerb ist das Streben mehrerer nach einem Ziel, das nicht alle gleichzeitig erreichen können, insbesondere das Streben jedes von mehreren Unternehmen, auf einem gemeinsamen Markt mit möglichst vielen Kunden abzuschließen. In der mittelal­ter­lichen Stadt wird der W. durch die → Zunft eingeschränkt. Mit der Liberalisierung des 19. Jh.s wird dagegen der W. freigegeben (→ Gewerbefreiheit Deutschland 1869). Um daraus entstehende Missbräuche zu beseitigen wird im Deutschen Reich nach Einzelregeln (1894) ein Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. 5. 896 erlassen, das 1909 (und 2004) neu gefasst wird. Umgekehrt muss nach einer Kartellverordnung bereits von 2. 11. 1923 am 27. 7. 1957 gegen die aus der steigenden Machtkonzentration erwachsenden Gefahren ein Gesetz gegen Wettbewerbs­beschränkun­gen geschaffen werden, das später noch verschärft wird (1965, 3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenar­tikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht, 1976, 1980, 1989).

Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 272; Ulmer, E., Warenzeichen und Wettbewerb, 1929; Swoboda, R., Das Wettbewerbsverbot unter Handelsgesellschaftern, Diss. jur. Heidelberg 1931; Blaich, F., Kartell- und Monopolpolitik, 1973; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3749; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1983; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994; Heße, M., Die historische Entwicklung der Wettbewerbsverbote, 1994; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896, JuS 1996, 1064; Volckart, O., Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung im vormodernen Deutschland 1000-1800, 2002; Stechow, H. v., Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 2002; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Bormann, J., Wettbewerbsbeschrän­kungen durch Grundstücksrechte, 2004

Wette ist das gegenseitige, zur Bekräftigung bestimmter widerstreitender Behauptungen mehrerer Vertragspartner dienende Ver­sprechen dahingehend, dass dem, dessen Behauptung sich als richtig erweist, ein Gewinn zufallen soll. Eine W. ist im römischen Recht in gewisser Weise in der (lat.) legis actio (F.) sacramento enthalten. Bei den Germanen ist das Spiel mit hohem Einsatz möglich. Im Frühmittelalter wird unter W. vielfach das Pfandrecht verstanden. Seit dem Spätmittelalter wird die W. missbilligt. In der Neuzeit ist die Lotterie weitverbreitet. Der W. wird die Klagbarkeit der Schuld abgesprochen.

Lit.: Kaser § 81 II 1c; Hübner 595; Kroeschell, DRG 1, 2; Hagemann, H., Wette, FS H. Liermann, 1964, 60; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenz­geschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007

Wetterau ist die Landschaft an der Wetter nördlich der Mündung des Maines in den Rhein. Sie ist nacheinander keltisch, römisch und fränkisch. Im Hochmittelalter ist sie königsnah.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hävernick, W., Das ältere Münzwesen der Wetterau, 1936, kommentierte Neuaufl. 2009; Kropat, A., Reich, Adel und Kirche, 1965; Hardt-Friedrichs, F., Das königliche Freigericht Kaichen, 1975; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Schmidt, W., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Geschichte von Wetterau und Vogelsberg, hg. v. Stobbe, R., Bd. 1 1999

Wettin ist die Burg bei Halle an der Saale, nach der sich ein wohl seit 875 (Graf Fried­rich im Harzgau) nachweisbares Geschlecht benennt, an das 1423 Sachsen gegeben wird. Die Wettiner teilen sich 1485 in eine albertinische Linie (→ Sachsen) und eine ernestinische Linie (→ Thüringen).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Posse, O., Die Wettiner, 1897; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1980; Philippi, H., Die Wettiner in Sachsen und Thüringen, 1989; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Rogge, J., Die Wettiner, 2005; Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349-1352, bearb. v. Leisering, E., 2006; Groß, R., Die Wettiner, 2007; Knöfel, A., Dynastie und Prestige, 2009

Wetzlar an der Lahn erscheint im 9. Jh. Es wird Reichsstadt nach Frankfurter Recht. Von 1603 bis 1806 beherbergt W. das → Reichskammergericht.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Velten, A., Beiträge zur Geschichte, Diss. jur. Gießen, 1922; Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, 1928; Clauß, F., Wetzlarer Richter-, Schöffen- und Ratsfamilien, Mitteilungen des oberhessischen Geschichtsvereins 35 (1937), 1; Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts, 1988; Schmidt-von Rhein, G., Das Reichskammer­gericht, 1990; Hahn, H., Altständisches Bürgertum zwischen Beharrung und Wandel, Wetzlar 1689-1870, 1991; Schieber, S., Normdurchsetzung im frühneu­zeitlichen Wetzlar, 2008

WEU → Westeuropäische Union

Weyer, Johann (Grave an der Maas um 1515-Tecklenburg 24. 2. 1588) wird nach dem Medizinstudium in Paris und Orléans Arzt in Arnheim (1545) und Kleve-Jülich-Berg. 1563 veröffentlicht er sein gegen Zauberei- und Hexereiaberglauben gerichtetes, humanis­tisches Hauptwerk (De praestigiis daemo­num). Es wird auf den kirchlichen Index der verbotenen Bücher gesetzt.

Lit.: Schneider, U., Das Werk „De praestigiis daemo­num“, Diss. jur. Bonn 1951 masch.schr.; Nahl, R. van, Zauberglaube und Hexenwahn, 1983; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992

whig (M.) Vertreter des aufgeklärten Volksinteresses in England (Schimpfname, Tory angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680).

Wibald von Stablo (1098-1158) ist der aus Stabloer Ministerialität hervorgegangene, 1117 in den geistlichen Stand übergetretene, spätere Abt von Stablo-Malmedy (1130) und (Montecassino 1137 sowie) Corvey (1146), der den Kaisern Lothar III., Konrad III. und Friedrich Barbarossa als wichtiger Berater dient, gleichwohl von einem einzelnen heutigen Juristen systematischer Fälschung be­zichtigt wird.

Lit.: Jakobi, F., Wibald von Stablo und Corvey, 1979; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2003ff.; Hofmann, H., Das Briefbuch Wibalds von Stablo, DA 63 (2007), 41

Widerlegung, Widerlage (F.) Ersatzleistung, Gegengabe desEhemanns oder eines Dritten an die Ehefrau für deren Heiratsgut im Ehevertrag mit Wirkung nach dem Tode des Ehemannes bei vorheriger tatsächlicher nachweislicher Leistung desHeiratsguts

Lit.: Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüter­rechts, 1973, 51, 364

Widerruf ist im Privatrecht die Willenser­klärung, die eine noch nicht endgültig wirksame Willenserklärung von Anfang an beseitigen soll, bzw. im Verwaltungsrecht die Aufhebung eines recht­mäßigen Verwaltungs­aktes. Der privatrechtliche W. ist bereits dem römischen Recht bekannt. Der öffentlich­rechtliche W. wird erst mit der dogmatischen Verfestigung des Verwaltungsrechts als solcher geformt.

Lit.: Kaser §§ 16 II 1, 47 II, 60 IV 2b, 76 IV 2b, 77 II 5b, 79 I 2b; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien, Archival. Z. 75 (1979), 117

Widersagung (F.) Fehdeankündigung

Lit.: Tewes, U., Zum Fehdewesen, 1994

Widerspruch ist die Gegenäußerung zu einer Äußerung (z. B. W. gegen die Richtigkeit des Grundbuches seit dem 19. Jh.). In Deutschland wird seit 1960 ein W. bei der höheren Verwaltungsbehörde zur einheitli­chen Voraussetzung für eine verwaltungs­rechtliche Anfechtungsklage oder Verpflich­tungsklage.

Lit.: Köbler, DRG 263

Widerstand ist die entgegenstehende Haltung oder Kraft. Die Frage eines Rechtes zum W. gegen eine herrschaftliche Maßnahme wird schon früh diskutiert (Manegold von Lautenbach 11. Jh., Magna Charta 1215). Gegen den ungerechten Herrscher (z. B. Diktator) ist W. rechtmäßig. Die jeweilige Grenze zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem W. ist zweifelhaft. Der W. gegen die Staatsgewalt ist seit dem 19. Jh. ein Straftatbestand. Aus ihm wird später der W. gegen Vollstreckungsbeamte.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kroeschell, 20. Jh.; Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915, 7. A. 1980; Zeumer, K., Das vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im Sachsenspiegel, ZRG GA 35 (1914), 68; Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Ritter, G., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstands­bewegung, 3. A. 1956; Schönfeld, W., Zur Frage des Widerstandsrechts, 1955; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich - Attentat, 1969; Köhler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft, 1980; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Der deutsche Widerstand, hg. v. Müller, K., 2. A. 1990; Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand?, 1991; Mehringer, H., Widerstand und Emigration, 1998; Lexikon des Widerstandes 1933-1945, hg. v. Steinbach, P./Tuchel, J., 1998; Widerstand als „Hochverrat“ 1933-1945, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Steinbach, P., Widerstand im Widerstreit, 1999; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Friedeburg, R. v., Widerstandsrecht und Konfessions­konflikt, 1999; Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v., 2001; Meyer, A., Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) – Völkerrecht im Widerstand, 2001; Wassermann, R., Juristen im Widerstand gegen das NS-Regime, NJW 2002, 1018; Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2002; Bald, D., Die weiße Rose, 2. A. 2003; Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.-18. Jh.), hg. v. De Benedictis, A. u. a., 2003; Badische Juristen im Widerstand, hg. v. Borgstedt, A., 2004; Wuermeling, H., Doppelspiel, 2004; Rüthers, B., Gesetzesbindung und Widerstand, ZRG GA 123 (2006), 363; Zankel, S., Die weiße Rose war nur der Anfang, 2006

Wieacker, Franz (Stargard 5. 8. 1908-Göttin­gen 17. 2. 1994), Landgerichtspräsidenten­sohn, wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Palermo, Rom) 1937 planmäßiger außer­ordentlicher Professor in Leipzig, 1939 ordentlicher Professor in Leipzig (niemals Mitglied der NSDAP), 1948 in Freiburg im Breisgau und 1953 in Göttingen (1973 emeritiert). Die frühen Arbeiten betreffen neben dem geltenden Recht das römische Recht, für das W. 1988 den ersten Band einer zusammenfassenden römischen Rechtsge­schichte vorlegt. Daneben veröffentlicht der universale Gelehrte 1952 eine ideenge­schicht­lich ausgerichtete grundlegende Privat­rechts­ge­schichte der Neuzeit.

Lit.: Wolf, J., In memoriam Franz Wieacker, SDH I 60 (1994), 763; Wieacker, F., Zivilistische Schriften, hg. v. Wollschläger, C., 2000

Wiederaufnahme des Verfahrens ist die erneute Durchführung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Die W. d. V. geht auf die aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren im 15. Jh. aufgenom­mene (lat.) → restitutio (F.) in integrum zu­rück (Reichskammergerichtsordnung 1495).

Lit.: Seyfarts, J., Teutscher Reichsprozess. 1738, 548; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die gerichtliche Entscheidung, durch die eine versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig fingiert wird. Die W. i. d. v. S. wird seit dem 15. Jh. aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren (lat. restitutio [F.] in integrum contra lapsum fatalium) aufgenommen (Reichskammergerichtsord­nung 1495).

Lit.: Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichts­prozess, ­Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973, 289; Vogel, J., Wiedereinsetzungsrecht im Strafprozess, 1996

Wiedergutmachung ist die Milderung von Schäden durch Ausgleich. Die W. ist ins­besondere im Anschluss an den zweiten Weltkrieg bedeutsam.

Lit.: Brodesser, H./Fehn, J./Franosch, T. u. a., Wieder­gutmachung und Kriegsfolgenliquidation, 2000; Goschler, C., Schuld und Schulden, 2005; Grenzen der Wiedergutmachung, hg. v. Hockerts, H. u. a., 2006; Rückert, J., Abrechnen, aber wie?, ZRG GA 125 (2008), 256

Wiederkauf ist der schon im römischen Recht durch besondere Vereinbarung mög­liche Verkauf mit Vorbehalt des Rückkaufes. Durch einseitige empfangsbe­dürftige Willens­erklärung des Verkäufers wird dann der Käufer verpflichtet, die gekaufte Sache gegen die Erstattung des Preises zurückzu­übertragen.

Lit.: Kaser § 41 VII; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 205; Busse, K., Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur des 12.-18. Jahrhunderts, 1965; Mayer-Maly, T., Beobachtungen und Gedanken zum Wiederkauf, FS F. Wieacker, 1978, 424; Trusen, W., Zum Kauf auf Wiederkauf, (in) FS G. Schmelzeisen, 1980, 347; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Wiedertäufer (Anabaptist) ist der Angehörige einer vor allem im 16. Jh. auftretenden, die Erwachsenentaufe anstre­benden christlichen Glaubensgemeinschaft (z. B. Zürich um 1520, Münster 1534).

Lit.: Cornelius, A., Geschichte des münsterischen Aufruhrs, Bd. 1f. 1855ff.; Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, hg. v. Bossert, G., 1930; Goertz, H., Die Täufer, 1980

Wiedervereinigung → Deutsche Demokrati­sche Republik, Saar

Lit.: Elzer, H., Die deutsche Wiedervereinigung an der Saar, 2007; Ritter, G., Die deutsche Wiederverei­nigung, HZ 286 (2008), 289

Wie du mir, so ich dir.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 350 (Körte 1837)

Wiek ist die Landschaft im Bistum Oesel in Livland, für die im 14. Jh. (1322-37?) aus dem livländischen Spiegel, dem Bauernrecht der Esten in der Wiek und dem ältesten livländischen Ritterrecht eine in hoch­deutschen Handschriften seit dem 16. Jh. überlieferte Rechtssammlung hergestellt. Dieses wiek-oeselsche Recht mit dem wenig zutreffenden Titel Dies seindt die Lehen-Rechte, das in 5 Bücher zu 82, 70, 68, 12 und 67 Artikel gegliedert ist, findet teilweise Ein­gang in das mittlere livländische Ritterrecht (vor 1424), das systematische livländische Ritterrecht (vor 1450?) und in Philipp Crusius’ Des Herzogtums Esthen Ritter- und Landrechte.

Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95; Arbusow, L., Die altlivländischen Bauernrechte, Mitt. a. d. Gebiete der Geschichte Livlands usw. 23 (1924/26), 75; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 163

Wielant, Filips (1441-1520) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes (Künste) in Paris und des weltlichen Rechts in Löwen Anwalt und Hofratsmitglied in Flandern. In seinen Werken Corte instructie in materie civile (1508ff.) und Corte instructie in materie criminele (1510ff.) bietet er einen Überblick über den Verlauf eines Zivilverfahrens und eines Strafverfahrens. Er verarbeitet dabei das einheimische, flämische Gewohnheitsrecht zu einer an romanistischen Vorbildern ausge­richteten Einheit.

Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1996

Wien an der Donau ist die auf keltischer (Vindobona) bzw. römischer Grundlage (Legionslager 89 oder 98 n. Chr., 433 aufgegeben) errichtete Siedlung (Wenia 881), die seit 1156 Sitz der → Babenberger wird. Nach der Gewährung eines Stadtrechts (1221) wird W. kurzzeitig reichsunmittelbar (1246-1250 bzw. 1237-1239, 1278-1288) und erhält 1365 eine Universität, an der das Studium des römischen Rechts aber eigentlich erst am Ende des 15. Jh.s möglich wird. Wahr­schein­lich in der ersten Hälfte des 14. Jh.s wird unter Benutzung des Schwabenspiegels das in 24 Handschriften überlieferte Wiener Stadt­rechtsbuch in 151 Artikeln aufgezeichnet (Gericht, Verfahren, Kauf, Miete, Erbe, Ehegüter, Bergrecht, Burgrecht, Bürgschaft, Pfand). Seit 1438/1439 wird W. zum Sitz des Kaisers des Heiligen römischen Reichs (deutscher Nation), 1469 Bischofssitz und 1722/1723 Erzbischofssitz. 1526 erhält es eine neue Stadtverfassung, 1529 und 1683 scheitern Belagerungen durch die Türken. In der Mitte des 18. Jh.s ordnet Maria Theresia den darnieder­lie­genden provinziellen Rechts­un­terricht. 1783 erlässt Joseph II. eine Magis­tratsverfasssung. Zu Beginn des 19. Jh.s wird im Studium das Schwergewicht auf das österreichiche Recht gelegt. Vom 18. 9. 1814 bis 9. 6. 1815 tagt in W. der sog. Wiener Kongress, auf dem Europa nach den na­poleonischen Kriegen neu geordnet wird (Kräftegleichgewicht zwischen Russland [mit Kongresspolen], Großbritannien [mehr Kolo­nien], Österreich [Königreich Lombardo-Ve­netien, Sekundogenituren in Italien, Ver­zicht aus westeuropäische Güter], Preußen [Teile Sachsens, Gebiete am Rhein] und Frankreich, wichtige Grundsätze Restaura­tion, monar­chische Legitimität, Solidarität der Fürsten bei Abwehr revolutionärer Be­wegungen) → Deutscher Bund). Später folgt die Wiener Schlussakte (15. 5. 1820) des Deutschen Bundes. 1857 wird die Nieder­legung der Stadt­mauern Wiens beschlossen. 1920 wird Wien Bundeshauptstadt der Bundesrepublik Öster­reich. Bis 1922 gehört W. dem Bun­des­land Nie­derösterreich an, von dem es sich verselbständigt. 1934 wird es bundesun­mit­telbare Stadt, 1939 Reichsgau W., 1945 wieder Bundesland und Bundeshauptstadt, die bis 1955 von allen vier Alliierten besetzt wird. 1980 wird es ein Sitz der Vereinten Nationen, 1995 Sitz der Or­ganisation für Sicherheit und Zusam­men­arbeit in Europa.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100, 150, 769; Baltl/Kocher; Kroeschell, DRG 3; Kink, R., Die Rechtslehre an der Universität Wien, 1853; Aegidi, L., Die Schlussakte, 1860; Das Wiener Stadtrechtsbuch, hg. v. Schuster, H., 1873; Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, hg. v. Tomaschek, J., Bd. 1f., 1877ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Bd. 1ff. 1895ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien – Die ältesten Kaufbücher, bearb. v. Staub, F., 1898; Geschichte der Stadt Wien, hg. v. Altertumsverein zu Wien (Bd. 1, 2 Schuster, Heinrich, Die Entwicklung des Rechtslebens, Verfassung und Verwaltung, 1897ff.); Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, Grundbücher Bd. 2, bearb. v. Staub, F., 1911; Voltelini, H. v., Die Anfänge der Stadt Wien, 1913; Voltelini, H., Zur Rezeption des gemeinen Rechts in Wien, FS d. akad. Vereines dt. Historiker in Wien, 1914, 79; Luntz, I., Die allgemeine Entwicklung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360, 1916; Luntz, I., Beiträge zur Geschichte der Wiener Ratsurkunde, 1916; Stowasser, O., Die Entstehungszeit des Eisenbuches der Stadt Wien, MIÖG Ergänzungsband 10, 1916, 19; Schalk, K., Aus der Zeit des österreichischen Faustrechts 1440-1463, 1919; Die Summa legum brevis, hg. v., Gal, A., 1926; Brunner, O., Die Finanzen der Stadt Wien, 1929; Sailer, L., Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts, 1931; Klebel, E., Zur Frühgeschichte Wiens, Festgaben für Hans Voltelini, 1932, 7; Lentze, H., Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien, Mitteilungen des Vereines für die Geschichte der Stadt Wien 15 (1935); Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht des Mittelalters, ZRG GA 69 (1952) 103, 70 (1953), 159; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz, 1961; Benna, A., Wiener Recht in einer Sammelhandschrift des Stiftes Heiligenkreuz, ZRG GA 79 (1962), 248; Studien zur Geschichte der Universität Wien, Bd. 1f. 1965; Der Wiener Kongress 1814/5, hg. v. Dyroff, H., 1966; Demelius, H., Eheliches Güterrecht im spätmittelalterlichen Wien, 1970 (SB Wien); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Baltzarek, F., Das Steueramt der Stadt Wien 1526-1760, 1971; Brauneder, W., Die Geltung obrigkeitlichen Privatrechts im spätmittelalterlichen Wien, ZRG GA 92 (1975), 195; Csendes, P., Wien in den Fehden der Jahre 1461-1463, 1974; Vetricek, A., Die Lehrer der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, Diss. geisteswiss. Wien 1980; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980; Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen römischen Reiches, 1980; Die Rechtsquellen der Stadt Wien, hg. v. Csendes, P., 1986; Das Wiener Stadtrechtsprivileg, hg. v. Csendes, P., 1987; Die Wiener Stadtbücher, Bd. 1ff. 1395-1400, hg. v. Brauneder, W. u. a., 1989ff.; Csendes, P., Geschichte Wiens, 2. A. 1990; Brauneder, W., Leseverein und Rechtskultur, 1992; Ogris, W., Vom Galgenberg zum Ringtheaterbrand, 1997; Festschrift 100 Jahre Wirtschaftsuniversität Wien, red. v. Rill, H., 1999; Opll, F., Das große Wiener Stadtbuch, 1999; Wien, hg. v. Csendes, P. u. a., Bd. 2f. 2003ff.; Opll, F., Wien im Bild, 2. A. 2004; Klaudy, K., Das Werden Wiens, 2004; Ubl, K., Anspruch und Wirklichkeit – Die Anfänge der Universität Wien, MIÖG 113 (2005), 63; Mühlberger, K., Palace of Knowledge, 2008

Wiesentheid

Lit.: Domarus, M., Territorium Wiesentheid, 1956

Wigle van → Aytta

wik (M.) Dorf, Siedlung, → Weichbild

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 78; Köbler, WAS; Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973, 61; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121

Wikinger ist der Angehörige seefahrender Nordgermanen (Norweger, Dänen) im Frühmittelalter (793-1066). Um 850 entdecken die W. Island, um 900 Grönland und 986, 1001 Amerika. Als → Normannen dringen sie nach Frankreich, Sizilien und wohl auch nach Russland vor, gehen aber jeweils bald in der ansässigen Bevölkerung auf.

Lit.: Kroeschell, DRG; Stemberger, M., Vikingar, 1935; Jänichen, H., Die Wikinger im Weichsel- und Odergebiet, 1938; Vernadsky, G., The Origin of Russia, 1959; Langenberg, I., Die Vinland-Fahrten, 1977; Boyer, R., Les Vikings, 1992; Simek, R., Die Wikinger, 1998; Sawyer, P., Die Wikinger, 2000; Sawyer, B./Sawyer, P., Die Welt der Wikinger, 2002; Magnusson, M., Die Wikinger, 2003; Forte, A. u. a., Viking Empires, 2005

Wilda, Wilhelm Eduard ([Seligmann, Wolf Ephraim] Altona 17. 8. 1800-Kiel 9. 8. 1856), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechts­studium in Göttingen (Hugo, Eichhorn) und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) und dem Übertritt zum Christentum (1825) Advokat in Hamburg. 1831 wird er außerordentlicher Professor in Halle, 1842 ordentlicher Professor in Breslau und 1854 in Kiel. Seine wichtigsten Werke betreffen das Gildenwesen im Mittelalter (1831) und das Strafrecht der Germanen (1842) (bis zum Frühmittelalter).

Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 111; Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben, 1974; Kern, B., Georg Beseler, 1982

Wildbann (M.) Jagdregal

Lit.: Haff, K., Die Wildbannverleihungen, ZRG GA 69 (1952), 301; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001

Wilderei ist die Verletzung des Jagdrechts oder Fischereirechts eines anderen. Der W. folgt im Frühmittelalter meist die Buße von 60 Schillingen. Erst im Spätmittelalter wird eine peinliche Strafe üblich. Die Strafandrohung ist verschiedentlich sehr streng (Blenden, Hängen). Die Neuzeit behandelt die W. teilweise als einen Fall des Diebstahls, bis 1871 die W. wieder verselbständigt wird.

Lit.: Marcus, J., Zur Lehre von der Wilderei, Diss. jur. Breslau 1917; Fösser, R., Das Jagdstrafrecht, Diss. jur. Bonn 1937; Löhr, U., Die Wilderei, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Schindler, N., Wilderer im Zeitalter der französischen Revolution, 2001; Schennach, M., Jagdrecht, Wilderei und gute Policey, 2007

Wildfangrecht ist in Spätmittelalter und Frühneuzeit das Recht von Landesherren oder bestimmten Grundherren, Fremde für ihre Herrschaft in Anspruch zu nehmen. In der frühen Neuzeit ist das W. oft streitig. Im 18. Jh. läuft es allmählich aus.

Lit.: Kolde, F., Über die Wildfänge, Diss. phil. Rostock 1898

Wilhelm → Ockham

Wilhelmus de Cabriano (bei Brescia) († 1201 als Erzbischof von Ravenna, Casus Codicis, Vorlesungsnachschrift wahrschein­lich auf der Grundlage der Vorlesungen des Bulgarus über den Codex, Mitte 12. Jh.s)

Lit.: Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 204; Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005

Wille ist die Fähigkeit des Menschen, sich für ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden. Der W. kommt in einem Verhalten (z. B. Sprechen, Schießen) zum Ausdruck. Bei dessen Bewertung wird teils nur auf die Erschei­nungsform abgestellt, teils auch auf den ihr zugrundeliegenden Willen.

Lit.: Hübner 489; Köbler, DRG 43; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 293; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Babusiaux, U., Id quod actum est. Zur Ermittlung des Parteiwillens im klassischen römischen Zivilprozess, 2006

Willebrief ist seit dem 12. Jh. (1177) die Zustimmungsurkunde der Fürsten zu Erklärungen des Königs. Der W. kommt im 17. Jh. ab.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Fritz, W., Kurfürstliche Willebriefe, DA 23 (1967), 171

Willenserklärung ist die private, auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Äußerung (lat. declaratio [F.], Erklärung) des → Willens (lat. voluntatis, z. B. Erklärung, ein Buch kaufen zu wollen). Sie wird für das Rechtsgeschäft vorausgesetzt. Als rechtswissenschaftliche Grundfigur wird sie erst im 17. oder 18. Jh. (Thomasius 1688, Höpfner 1743-1797) erkannt (vgl. aber bereits Connan, 1508-1551, Erstbeleg 1701/1705?). Die W. kann einen → Willensmangel enthalten.

Lit.: Kaser §§ 5 I, 8 I 1; Köbler, DRG 140, 164, 208; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss, hg. v. Zimmermann, R., 2007

Willensfreiheit ist die Unabhängigkeit des Willens von äußeren, die Willenshandlung zwangsweise bestimmenden Umständen. Ob W. besteht, ist in der menschlichen Geschichte (zeitweise) umstritten. Überwiegend wird, obwohl die Frage nach Freiheit oder Gebundenheit des menschlichen Willens (bisher) nicht eindeutig entschieden werden kann, von der vermuteten W. ausgegangen. Ein rechtsstaatliches Strafrecht setzt sie voraus.

Lit.: Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970

Willensmangel ist der den Willen oder allgemeiner die Willenserklärung betreffende Mangel. Einzelne Willensmängel berücksich­tigt bereits das römische Recht (z. B. → Irr­tum). Eine Verallgemeinerung findet erst in der späten Neuzeit statt.

Lit.: Kaser § 8; Hübner; Coing, H., Europäische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1985ff.

Willkür ist die freie, bis zum Belieben reichende Wahl des Willens. Insofern kann sie den Gegensatz zum Recht bilden. In einem anderen Sinn wird als W. im Mittelalter das durch Zustimmung geschaffene städtische gesetzte Recht verstanden.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Simson, P., Geschichte der Danziger Willkür, 1904; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Rheinheimer, M., Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG GA 115 (1998), 529

Wilna (Vilnius)

Lit.: Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Wilten

Lit.: Wilten, 1924

Wimpfen

Lit.: Jülch, R., Die Entwicklung des Wirtschaftsplatzes Wimpfen, 1961; Laufs, A., Das Wimpfener Rechts­buch, ZRG GA 89 (1972), 175

Windscheid, Bernhard (Düsseldorf 26. 6. 1817-Leipzig 26. 10. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Bonn 1847 außerordentlicher Professor in Bonn und 1847 ordentlicher Professor in Basel, Greifswald (1852), München (1857), Heidelberg (1871) und Leipzig (1874). Sein Hauptwerk ist ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts (1861), in dem er das römische Recht seiner Zeit so vorbildlich zusammenfasst, dass das Werk bis 1900 das fehlende deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vertritt. Als Mitglied der ersten Kommission zur Schaffung eines Bürgerlichen Gesetz­buches beeinflusst er den ersten Entwurf erheblich.

Lit.: Söllner § 25; Rümelin, M., Bernhard Windscheid, 1907; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses, 1965, 71; Wieacker, F., Privatrechts­geschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Falk, U., Ein Gelehrter wie Windscheid, 1989; Ober, J., Bernhard Windscheid, Diss. jur. Köln 1989; Rückert, J., Bernhard Windscheid, JuS 1992, 902; ¸http://www.koeblergerhard.de/Fontes/WindscheidBPandenktenrecht1-1862.pdf

Windsheim

Lit.: Erbar, W., Die Windsheimer Reformation von 1521, Diss. jur. Erlangen 1928; Urkundenbuch der Stadt Windsheim von 741-1400, bearb. v. Schultheiß, W., 1963; Die Rechtsreformation des Stadtschreibers Johan Greffinger für die Reichsstadt Windsheim (1521), bearb. v. Hünefeld, H., 1974

Winterthur

Lit.: Stauber, E., Die Burgen des Bezirkes Winterthur 1953

Wippe (F.) Gerät zum Fallenlassen eines Täters in eine Flüssigkeit

Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 575, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988

Wippen (N.) Prellen, Schnellen, von der Wippe fallen Lassen

Wirtschaft ist die Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen zur planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs an Gütern. Die W. beginnt bereits in vorgeschichtlicher Zeit. Den Sammlern und Jägern folgen die Viehzüchter und Ackerbauern. Nach der Sesshaftwerdung entwickelt sich in Rom aus der kleinbäuerlichen W. die Plan­tagenwirtschaft. Von diesen römischen Ver­hältnissen wird wohl die frühmittelalterliche → Grund­herrschaft beeinflusst. In ihr gewinnt das → Gewerbe (Schmied, Töpfer, Weber) an Be­deutung. Bereits in den letzten Jahrzehnten des 8. Jh.s könnte ein neuer Aufschwung eingesetzt haben. Über den Markt entsteht im 11. Jh. → die Stadt als der Mittelpunkt von Gewerbe und Handel. Tauschmittel wird das → Geld. Bereits am Beginn der frühen Neuzeit werden frühkapitalistische Züge sichtbar. Danach wendet sich der Landesherr der durch die Entdeckungen belebten W. zu und versucht im → Merkantilismus möglichst hohen Ertrag. In Auseinandersetzung mit dem → Physiokra­tismus wird vor allem von Adam Smith der → Liberalismus entwickelt, der die Erwerbs­tätigkeit des Menschen außerhalb der Landwirtschaft erleichtert. Im 19. Jh. strömt die wachsende Bevölkerung dem Wirt­schaftssektor Gewerbe zu, im 20. Jh. dem Wirtschaftssektor Dienstleistungen. Die Selbstversorgung tritt fast völlig zurück. Die Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates wird als Volkswirtschaft wissenschaftlich erfasst. Um 1850 setzt mit der Entwicklung des Verkehrswesens, der internationalen Kapitalmobilität und der Massenmigration die Verflechtung der einzelstaat­lichen Wirt­schaften zur Weltwirt­chaft ein. In der Ausein­andersetzung zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft behält die Marktwirtschaft in der zunehmend globalisierten Weltwirtschaft die Oberhand.

Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 28, 50, 76, 77, 96, 133, 173, 217, 224, 242, 249, 267, 271; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 511; Below, G. v., Mittelalterliche Stadtwirtschaft und gegenwärtige Kriegswirtschaft, 1917; Bechtel, H., Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, 1930; Spangenberg, H., Territorialwirtschaft und Stadtwirtschaft, 1932; Facius, F., Wirtschaft und Staat, 1959; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. A. 1966, Neudruck 1976, 1979; Dirlmeier, U., Mittelalterliche Hoheitsträger im wirtschaftlichen Wettbewerb, 1966; Treue, W./Boelcke, A., Geschichte der Wirtschafts­politik, 1970; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Winkel, H., Die Wirtschaft im geteilten Deutschland, 1974; Hefermehl, W., Die Entjudung der deutschen Wirtschaft, Deutsche Justiz 1938, 1981; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Mathis, F., Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert, 1992; Kloft, H., Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Rücker, M., Wirtschafts­werbung unter dem Nationalsozialismus, 2000; Drexhage, H./Konnen, H./Ruffing, K., Die Wirtschaft des römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert), 2001; Hesse, H., Ökonomen-Lexikon, 2003; Walter, R., Wirtschaftsgeschichte, 4. A. 2003; McCormick, M., Origins of the European Economy, 2001; Wijffels, A., Gelehrtes Recht und Wirtschaftsordnung, ZNR 25 (2003), 177; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004; Wirtschaft und Wirtschaftstheorien, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2004; Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktarut, hg. v. Gosewinkel, D., 2004; Torp, C., Weltwirtschaft vor dem Weltkrieg, HZ 279 (2004), 561; Boch, R., Staat und Wirtschaft, 2004; Walter, R., Geschichte der Weltwirtschaft, 2005; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a., 2006; Fellmeth, U., Pecunia non olet, 2008; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Wirtschaftsgemeinschaft → Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

Wirtschaftsgeschichte ist der die → Wirtschaft betreffende Teil der Geschichte.

Lit.: Köbler, DRG 9; Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, 1885f.; Kowalewsky, M., Die ökonomische Entwicklung Europas, 1901; Caro, G., Neue Beiträge zur deutschen Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte, 1911; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Teil 1f. 1912f.; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Below, G. v., Probleme der Wirtschafts­geschichte, 1920; Bücher, Karl, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte, 1922; Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft in Deutschland bis zum 17. Jahrhundert, 1924; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Ganz, W., Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte des Groß­münsterstiftes in Zürich, Diss. phil. Zürich 1925; Klaiber, L., Beiträge zur Wirtschaftspolitik oberschwäbischer Reichsstädte, 1927; Rörig, F., Hansische Beiträge zur deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1928; Strieder, J., Aus Antwerpener Notariatsarchiven, 1930, Neudruck 1962; Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Sieveking, H., Wirtschaftsgeschichte, 1935; Bechtel, H., Wirtschafts­geschichte Deutschlands, 1941; Ammann, H., Mittelalterliche Wirtschaft im Alltag, ZRG GA 65 (1947), 391; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1966; Wehler, H., Bibliographie zur modernen deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1976; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Abelshauser, W., Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik, 1983; Europäische Wirtschafts­geschichte, hg. v. Cipolla u. a., 1983; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas, 1986; Kulischer, J., Allgemeine Wirtschafts­geschichte, 6. unv. A. 1988; Wirtschafts­geschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Martino, F. de, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, 2. A. 1991; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Sandgruber, R., Ökonomie und Politik, 1995; Buchheim, C., Einführung in die Wirtschafts­geschichte, 1997; Moderne Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Ambrosius, G. u. a., 1996, 2. A. 2006; Germany, hg. v. Ogilvie, S., Bd. 2 1996; Schultz, H., Handwerker, Kaufleute, Bankiers, 1997; Kaufer, E., Spiegelungen wirtschaftlichen Denkens im Mittelalter, 1998; Walter, R., Wirtschaftsgeschichte, 1998, 3. A. 2001; Weimer, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 1998; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Deutsche Wirtschaftsgeschichte, hg. v. North, M., 2000; Jay, P., Das Streben nach Wohlstand, 2000; Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20. Jahrhundert, hg. v. Spree, R., 2001; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Devroey, J., Économie rurale et société dans l’Europe franque, 2001; Abelshauser, W., Deutsche Wirt­schaftsgeschichte seit 1945, 2004; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004; Wischermann, C./Nieberding, A., Die institutionelle Revolution, 2004; Schefold, B., Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004; Menninger, A., Genuss im kulturellen Wandel, 2004; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a., 2006; The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World, hg. v. Scheidel, W. u. a., 2007; Schulz, K., Handwerk, Zünfte und Gewerbe, 2009; Niemann, H., Europäische Wirtschaftsgeschichte, 2009

Wirtschaftskriminalität ist die die Wirtschaft betreffende Kriminalität, die seit dem 20. Jh. deutlich zunimmt.

Lit.: Köbler, DRG 265; Müller, R./Wabnitz, H., Wirtschaftskriminalität, 3. A. 1993

Wirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Wirtschaft betreffenden Rechtssätze. W. ist bereits in der Spätantike bedeutsam, gewinnt in der hochmittelalterlichen Stadt (Markt, Münze, Zunft) an Gewicht, wird durch die Landes­herren der Neuzeit erweitert (Merkantilismus) und wird zu Beginn des 20. Jh.s (1914 Kriegswirtschaftsgesetze) als eigenes Rechtsgebiet erfasst. Seitdem wird der freien Marktwirtschaft eine ausgleichende Komponente eingefügt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechts­lehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962; Nussbaum, A., Das neue deutsche Wirtschaftsrecht, 1920; Beiträge zum Wirtschaftsrecht, hg. v. Klausing, F. u. a., 1932; Schmelzeisen, G., Wirtschaftsrecht im 16. bis 18. Jahrhundert, Sozialwiss. Abh. 7 (1958), 9; Pleyer, K./Lieser, J., Das Zivil- und Wirtschaftsrecht der DDR, 1973; Buchner, H., Das Wirtschaftsrecht im Nationalsozialismus, (in) Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, 1982; Fikentscher, W., Wirtschaftsrecht, Bd. 1f. 1983; Puppo, R., Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Nörr, K., Das Reichskaligesetz 1910 – ein Musterstatut der organisierten Wirtschaft, ZRG GA 108 (1991), 347; Sandmann, H., Die Entwicklung von Begriff und Inhalt des Wirtschaftsrechts durch die Rechtswissenschaft in der Weimarer Republik, 2000; Zacher, C., Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland, 2002; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471; Mohnhaupt, H., Justus Wilhelm Hedemann und die Entwicklung der Disziplin Wirtschaftsrecht, ZNR 2003, 238; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471; Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus, hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Die andere Seite des Wirtschaftsrechts, hg. v. Bender, G. u. a., 2006; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008

Wismar ist der 1229 erstmals als Stadt erwähnte Ort an der Spitze der Wismarer Bucht der Ostsee. W. hat lübisches Recht. Aus ihm sind zahlreiche Bürgersprachen (Statuten) überliefert.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Techen, F., Die Bürgersprachen der Stadt Wismar, 1906; Brügmann, J., Das Zunftwesen der Seestadt Wismar, Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 99 (1935); Das zweite wismarsche Stadtbuch 1272-1297, bearb. v. Knabe, L., 1966; Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653-1806), 2004

Wissenschaft ist die mit einleuchtend erscheinenden Gründen versehene Sammlung menschlichen Wissens. Die Anfänge der W. liegen in der griechischen Philosophie (Sokrates, Aristoteles). Der bemerkenswerte Wandel der W. vom ausgehenden 16. Jh. bis zum Beginn des 18. Jh.s ist vor allem durch die genauere Beobachtung der Natur und durch Sachverhalte prüfende und danach Gesetze ableitende Experimente geprägt. Inwieweit die Rechtswissenschaft W. ist, ist streitig.

Lit.: Kuhn, T., The Structure of Scientific Revolutions, 1962; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., 1974; Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1985; Schindling, A., Bildung und Wissenschaft, 1994; Sailer, R., Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG 119 (2002), 106; Wussing, H., Die große Erneuerung – Zur Geschichte der wissen­schaftlichen Revolution, 2002; Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie, 13. A. 2003; Hammerstein, N., Bildung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, 2003; Macht des Wissens, hg. v. Dülmen, Richard van u. a., 2004; Early Modern Science, hg. v. Park, K. u. a., 2006

Wissenschaftsfreiheit ist die bereits 1848 in der Frankfurter Paulskirchenverfassung ge­währte Freiheit der wissenschaftlichen Tätig­keit.

Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929; Mallmann, W./Strauch, H., Die Verfassungsgarantie der freien Wissenschaft, 1970; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Losch, B., Wissenschaftsfreiheit, 1993

Witte, Karl (Lochau bei Halle 1. 7. 1800-Halle 6. 3. 1883) wird nach dem Rechts­studium in Heidelberg 1823 Professor in Breslau und danach in Halle. Auf seinen Hinweis entdeckt Niebuhr in Verona die Handschrift der Institutionen des → Gaius.

Lit.: Witte, K., Karl Witte, Bd. 1 1819

Wittelsbach bei Aichach ist die Burg, nach der sich seit 1116/1120 Grafen nennen, die 1180 Herzöge von Bayern werden und 1214 die Pfalzgrafschaft bei Rhein (Kurfürstentum) erlangen (1329 Teilung in Linien Bayern und Pfalz, Köng bzw. Kaiser Ludwig der Bayer 1314-1347, König Ruprecht von der Pfalz 1400-1410, Kaiser Karl VII. Albrecht 1742-1745, Nebenlinie in Schweden 1654-1720, 1777 Beerbung der Linie Bayern durch die Linie Pfalz, Nebenlinie in Griechenland 1832-1862). 1918 danken die W. Wittelsbacher als Könige Bayerns (einschließlich der Pfalz) im Deutschen Reich ab..

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Wittelsbach und Bayern, hg. v. Glaser, H., 1980; Heimann, H., Hausordnung und Staatsbildung, 1993; Straub, E., Die Wittelsbacher, 1994; Kaufhold, M., Entscheidungsstrukturen in Dynastie und Reich, ZRG GA 120 (2003), 126; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Holzfurtner, L., Die Wittelsbacher, 2005; Menzel, M., Die Wittelsbacher Hausmachterweiterung in Brandenburg, Tirol und Holland, DA 61 (2005), 103; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007

Wittenberg an der Elbe erscheint 1180 als Burgward. Seit 1212 ist es Vorort einer zunächst askanischen Herrschaft. 1502 wird es Sitz einer Universität (bis 1813/1816). → Luther

Lit.: Distel, T., Beitrag zur Verfassungsgeschichte des Hofgerichts zu Wittenberg, ZRG GA 12 (1891), 117; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1982, 1998; 700 Jahre Wittenberg, hg. v. Oehmig, S., 1996; Kathe, H., Die Wittenberger philosophische Fakultät, 2002; Töpfer, T., Die Leucorea am Scheideweg, 2004; Gößner, A., Die Studenten an der Universität Wittenberg, 2003; Wittenberg, hg. v. Lück, H. u. a., 2006

Wittenwiler, Heinrich (2. H. 14. Jh.) ist der 1395 als Advokat und Notar bezeichnete Hinterthurgauer Landadlige, der vielleicht zur Zeit des Konzils von Konstanz (1414-1418) das 9700 Verse umfassende Lehrgedicht „Ring“ mit zahlreichen rechtlichen Bezügen verfasst.

Lit.: Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers Ring, 1967; Wießner, E., Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers Ring, hg. v. Boesch, B., 1970

Wittgenstein an der oberen Lahn ist seit dem 12. Jh. Sitz eines Grafengeschlechtes. Für W. wird 1579 ein eigenes Landrecht aufgezeich­net.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Wrede, G., Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, 1927; Das Wittgensteiner Landrecht, hg. v. Hartnack, W., 1960; Wittgenstein, hg. v. Krämer, F., Bd. 1f. 1965

Wittum ist seit germanischer Zeit die Gabe des Bräutigams an den Muntwalt der Braut und später an die Braut im Zuge der Ehe­schließung (meist als bloße Anwartschaft). Das W. dient der Vorsorge für den Unterhalt der Frau nach dem Tod des Mannes. Es steht ohne klare Trennung neben der Morgengabe und bedeutet sachlich meist nur ein Gebrauchsrecht der Witwe am Wittumsgut.

Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts, 1863, Neudruck 1967, 43, 63, 76; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung, 1969; Mikat, P., Dotierte Ehe - rechte Ehe, 1978

Witwe ist der weibliche Ehegatte nach dem Tod des Ehemannes. Meist geht die Personalgewalt auf die Verwandten des Mannes über. Die Wiederverheiratung ist möglich, wird von der christlichen Spätantike (Hieronymus) aber abgelehnt, so dass gelegentlich die W. als eigentliche Gründer­figur des Mittelalters angesehen wird.

Lit.: Hübner 650; Schwab, D., Grundlage und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung, 1967; Humbert, M., Le remarriage à Rome, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie, 1986; Kötting, B., Die Bewertung der Wiederverheiratung, 1988; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Jussen, B., Der Name der Witwe, 2000; Dübeck, I., Legal Status of Widows in Denmark 1500-1900, Scand. J. History 29, 209; Alamichel, M., Widows in Anglo-Saxon and Medieval Britain, 2008

Witzenhausen

Lit.: Eckardt, K., Politische Geschichte der Stadt Witzenhausen, 1925; Eckhardt, K., Politische Geschichte der Landschaft an der Werra und der Stadt Witzenhausen, 2. A. 1928; Natzmer, O. v., Das Liegenschaftsrecht des Witzenhäuser Stadtbuchs 1558-1612, in Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937

Woche ist die aus sieben Tagen bestehende, schon im alten Ägypten bekannte Zeiteinheit. Sie findet sich auch im Judentum und danach im Christentum. In jeder W. ist der Sonntag Feiertag. An einem bestimmten Wochentag findet der Wochenmarkt statt.

Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1988, 1994; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980

Wohlerworben

Lit.: Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104

Wohlfahrt ist der Zustand der angenehmen Befindlichkeit. Seit der frühen Neuzeit wird die allgemeine W. zu einem Ziel herrschaftlichen Handelns. Dabei geht es zunehmend um Wirtschaftspolitik zur Erreichung von Wohlstand. Vielleicht ist dabei frühneuzeitliche Wohlfahrtsstaatlichkeit eine notwendige, aber nicht ausreichende Form des Strebens nach Souveränität. Am Ende des 18. Jh.s kämpft der Liberalismus gegen die damit verbundene Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit an. 1882 spricht das preußische Oberverwaltungsgericht der Polizei die allgemeine Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege ab.

Lit.: Köbler, DRG 146, 198, 252, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 595; Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS A. Schultze, 1934; Verpaalen, A., Der Begriff des Gemeinwohls bei Thomas von Aquin, 1954; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Guldimann, T., Die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, 1976; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Die Entstehung des Wohlfahrtsstaates, hg. v. Mommsen, W., 1982; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Kaufmann, F., Varianten des Wohlfahrtsstaats, 2003; Süßmann, J., Die Wurzeln des Wohlfahrtsstaats, HZ 285 (2007), 19

Wohlhaupter, Eugen (Unterwiesenbach/­Schwaben 7. 9. 1900-Tönsheide/Schleswig-Holstein 23. 12. 1946), Volksschul­lehrers­sohn, wird nach dem Rechtsstudium in München (Eichmann) 1934 Lehrstuhlvertreter in Greifswald und Kiel (1934/1935) sowie 1935 außerordentlicher und 1944 planmäßiger außerordentlicher Professor in Kiel. Seine Arbeiten betreffen unterschied­liche rechts­geschichtliche Gebiete.

Lit.: Hattenhauer, H., Rechtswissenschaft im NS-Staat, 1987

Wohnrecht ist das beschränkte dingliche Recht auf Nutzung einer Wohnung. Es ist bei Justinian (527-565) als (lat. [F.]) habitatio (Wohnung) bezeugt. Auch das mittelalterliche deutsche Recht kennt Wohungsberech­ti­gungen. Bei der Aufnahme des römischen Rechts wird die habitatio eher abgelehnt. Danach wird das W. als Personalservitut etwa in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811, 1812) aufgenommen.

Wohnsitz ist der örtliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, wird aber erst seit dem Spätmittelalter bedeutsamer. Seit dem 18. Jh. wird seine Begründung und Veränderung formalisiert.

Lit.: Nörr, D., Origo, TRG 31 (1963), 525; Lauter, R., Der Wohnsitz nach dem BGB, 1911; Walser, M., Die Bedeutung des Wohnsitzes im kanonischen Recht, 1992

Wohnung ist das meist aus mehreren Räu­men bestehende befriedete Besitztum eines oder mehrerer Menschen zum auf längere Zeit angelegten Aufenthalt. Das Wohnungsrecht findet sich bereits im spätrömischen Recht. Die W. wird vielfach durch → Miete erlangt, doch kann ihrem Besitz auch ein dingliches Recht zugrunde liegen. In der frühen Neuzeit wird die W. freiheitsrechtlich gegen Herr­schaft geschützt (Kurhessen 1831). Etwa 1895 beginnt die Wohnungsbauförderung für die im öffentlichen Dienst Beschäftigten durch Staat und Gemeinden. Im 20. Jh. wird zeitweise der gesamte Bestand an Wohnungen staatlicher Zwangswirtschaft unterstellt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 127; Feldbauer, P., Stadtwachstum und Wohnungsnot, 1977; Kohlmorgen, G., Johann Füchting und Füchtings Hof in Lübeck, 1982; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Teuteberg, H./Wischermann, C., Wohnalltag in Deutschland 1850-1914, 1985; Schlichting, F., Haus und Wohnen in Schleswig-Holstein, 1985; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Zimmermann, C., Von der Wohnungsfrage zur Wohnungspolitik, 1991; Geschichte des Wohnens, hg. v. Reulicke, J. u. a., Bd. 1ff. 1997ff.; Hoepfner, W., Geschichte des Wohnens, 1999; Fuhrmann, B. u. a., Geschichte des Wohnens, 2007

Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer → Wohnung in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem die Wohnung tragenden Grundstück. Es ist in Fortsetzung des älteren → Stockwerks­eigen­tums im Gegensatz zu dem römisch­rechtlichen Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (die Oberfläche folgt dem Grund) seit der Mitte des 20. Jh.s (Österreich 1948, Derutschland 1951, Schweiz 1963/1965) aus sozialrechtlichen Überlegungen zugelassen, so dass in Deutschland am Ende des 20. Jh.s die Zahl der (Wohnungs-)Eigentümer die Zahl der (Wohnungs-)Mieter übersteigt.

Lit.: Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG GA 106 (1989), 327; Bärmann, J./Pick, E., Wohnungseigentumsgesetz, 13. A. 1994

Wo kein Kläger, da kein Richter.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 209 (Sachsen­spiegel 1221-1224, lat. nemo iudex sine actore)

Wolf

Lit.: Koschorreck, W., Der Wolf, Diss. jur. Jena 1952

Wolf, Erik (Biebrich bei Wiesbaden 13. 5. 1902-Freiburg im Breisgau 13. 10. 1977) wird nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht in Frankfurt am Main und Jena Professor in Rostock (1928), Kiel (1930) und Freiburg im Breisgau (1930). Bekannt ist sein Werk über die großen Rechtsdenker der deut­schen Geistesgeschichte (1939, 2. A. 1943, 3. A. 1951, 4. A. 1963).

Lit.: Wolf, E., Ausgewählte Schriften, Bd. 1ff. 1972ff.; Hollerbach, A., Erik Wolf, ZRG GA 95 (1978), 33

Wolff, Christian (Breslau 24. 1. 1679-Halle 9. 4. 1754), Gerberssohn, wird nach dem 1699 aufgenommenen Studium von Theologie, Mathematik, Physik, Philosophie und Recht in Jena und (1702) Leipzig (Leibniz) Philosophielehrer in Leipzig (1703), Professor für Mathematik in Halle (1706), (nach Landesverweis unter Tötungsandrohung wegen gefährlicher Gedanken) Professor für Mathematik und Philosophie in Marburg (1723) und (nach Rückruf durch Friedrich den Großen) Professor für Naturrecht, Völkerrecht und Mathematik in Halle (1740). Auf der Grundlage der Lehren Leibnizs wie des Gedankens, dass der (angeboren freie und gleiche) Mensch verpflichtet sei, nach Vollkommenheit zu streben, stellt er (vor allem auch in 1713 beginnenden deutsch­sprachigen, dann seit 1728 in lateinischen Veröffentlichungen sowie anscheinend in allmählicher Entwicklung) durch Ableitung aus wenigen Grundsätzen ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf (lat. Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen Satz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, die Ablösung des → Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Seine wichtigsten Schüler sind Cramer, Ickstatt, Darjes und Nettelbladt.

Lit.: Köbler, DRG 136, 145, 146, 160, 208; Wunner, S., Christian Wolff, 1968; Backmann, H., Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Christian Wolff, hg. v. Schneiders, W., 1983; Stipperger, E., Freiheit und Institution bei Christian Wolff, 1984; Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 289; Luig, K., Die Pflichtenlehre des Privatrechts, (in) Wieacker Symposion, hg. v. Behrends, O. u. a., 1991, 209; Christian Wolff und die hessischen Universitäten, hg. v. Eckhardt, W., 2004; Timme, M., Christian Wolff, JuS 2004, 1042; Gómez Tutor, J., Die wissenschaftliche Methode bei Christian Wolff, 2004; Wolffiana II Christian Wolff und die europäische Auf­klärung, hg. v. Stolzenberg, J. u. a., 2007

Wolff, Martin (Berlin 26. 9. 1872-London 20. 7. 1953), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin 1903 außerordent­licher Professor, 1914 ordentlicher Professor in Marburg, Bonn (1919) und Berlin (1921), bis er 1934/1935 aus seinem Amt entfernt wird und 1938 nach London auswandert. Sein 1910 erstmals veröffentlichtes, bis 1932 (9. Auflage) in 37000 Exemplaren erschienenes Sachenrecht gilt als eines der besten privatrechtlichen Werke des 20. Jh.s.

Lit.: Wolff, M., Der Bau auf fremdem Boden, 1900; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 543; Hansen, T., Martin Wolff (1872-1953), 2009

Wolhynien, Wolynien, ist das Gebiet zwischen Bug und Dnjepr. Es bildet im 11./12. Jh. ein unabhängiges Herzogtum (Lodomerien), wird aber 1188 mit → Galizien vereinigt. 1793/1795 kommt es bei Teilungen Polens an Russland, von 1921 bis 1944 teilweise an Polen. Die im 19. Jh. eingewanderten Deutschen werden mehrfach verschleppt und umgesiedelt.

Wöllner, Johann Christoph von (1732-1800) wird in Preußen 1788 Minister des geistlichen Departements. Nach ihm ist ein am 9. 7. 1788 erlassenes Edikt benannt. Es anerkennt den Grundsatz der religiösen → Toleranz und konfessionellen Parität der drei christlichen Hauptkonfessionen.

Lit.: Valjavec, F., Das Wöllnersche Religionsedikt, Hist. Jb. 72 (1953), 386; Theisinger, T., Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen Religionsedikt, Diss. jur. Heidelberg 1975

Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren.

Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 190 (Pistorius 1716)

Wood, Thomas (1661-1722) wird nach dem Studium in Oxford 1703 Doctor of Civil Law und 1704 geistlicher Rektor von Hardwick in Buckinghamshire. 1720 veröffentlicht er An Institute of the Laws of England. Beeinflusst von Domat versucht er eine Ordnung und Systematisierung des → common law nach römischrechtlichen Methoden. Seine Verbin­dung von römischem Recht und englischem Recht wirkt fast während des gesamten 18. Jh.s prägend.

Lit.: Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 12 1938, 418; Coquillette, D., The Civilian Writers, 1988, 198; Robinson, R., The Two Institutes of Thomas Woods, American Journal of Legal History, 35 (1991), 432

Wormeln (Kloster bei Warburg 1246-1810)

Lit.: Urkunden des Klosters Wormeln, hg. v. Müller, H., 2009

Worms ist die ursprünglich keltische Siedlung (Borbetomagus) am linken Ufer des mittleren Rheins, die vielleicht seit 346 Sitz eines Bischofs ist. 1273 erlangt die bischöfliche, seit 1074 mit Privilegien be­gabte Stadt, in der am 23. 9. 1122 nach längeren Verhandlungen das einen gewissen Ausgleich im Investiturstreit brin­gen­de Wormser Konkordat vereinbart wird, Reichsfreiheit. 1498/1499 erneuert sie in weitgehender Romanisierung ihr Recht in einer → Reformation.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches Lexikon; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms, Speyer und Mainz, 1890; Koehne, C., Die Wormser Stadtrechtsreformation, 1897; Wormser Recht und Wormser Reformation. Älteres Wormser Recht, hg. v. Kohler, J. u. a., 1915; Sofsky, G., Die verfassungs­rechtliche Lage des Hochstifts Worms, Diss. jur. Mainz 1955; Theuerkauf, G., Burchard von Worms, Frühmittelalterliche Studien 2 (1968), 144; Hüttemann, H., Untersuchungen zur Verfas­sungsgeschichte, 1970; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985¸http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ReformationderStattWorms-DerStattWormbsReformacion.pdf; Die ältesten Urkunden aus dem Stadtarchiv Worms (1074-1255), hg. v. Fees, I. u. a., 2006

Wormser Konkordat ist der Vertrag zwischen Papst und Kaiser vom 23. 9. 1122, der den → Investiturstreit vorläufig abschließt. Der Kaiser überlässt der Kirche jede Investitur mit Ring und Stab und erlaubt kanonische Wahlen und freie Weihe. Der Papst lässt zu, dass im deutschen Reich die Wahl der Bischöfe in Gegenwart des Kaisers vollzogen wird und im Falle der Uneinigkeit der Kaiser den klügeren Teil unterstützen darf. Nach der Wahl darf der Kaiser die Regalien übertragen. Damit wird die Einheit von geistlicher und weltlicher Herr­schaft aufgegeben.

Lit.: Bernheim, E., Das Wormser Konkordat, 1906; Rudorff, H., Zur Erklärung des Wormser Konkordats, 1906; Bernheim, E., Die praesentia regis im Wormser Konkordat, Historische Vierteljahresschrift 1907, 196; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Hofmeister, A., Das Wormser Konkordat, 1962; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen Investi­tur­verbotes, 1981; Schilling, B., Ist das Wormser Konkordat überhaupt nicht geschlossen worden?, DA 58 (2002), 123; http://www.koebler­gerhard.de/­Fontes/KonkordatvonWorms1122.htm

Wort

Lit.: Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1981

Writ ist im englischen Recht das über eine Bitte an den königlichen Kanzler gegen Entgelt zu erlangende Privileg des Königs, in dem er in lateinischer Sprache den Sheriff der Grafschaft des Beklagten anweist, dem Beklagten z. B. zurückzugeben, was er schuldet oder zum königlichen Gericht zu kommen und zu erklären, warum er es nicht tut. Diese streng formalisierte verfahrens­rechtliche Weisung ist vielleicht über Kirche und Universität durch das römische Recht beeinflusst. 1227 werden insgesamt 56 Arten von writs unterschieden. 1258 werden neue writs verboten aber als writs upon the case doch wieder zugelassen. Für Verträge wird ein w. erst 1602 anerkannt. 1832 bestehen 76 verschiedene Arten von writs und damit Klagen. 1852 wird das System der forms of action aufgegeben. Die Technik der einzelnen writs kann praktisch nur in den → inn of courts zuverlässig erlernt werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Peter, H., Actio und writ, 1957; Caenegem, R. von, Royal Writs, 1959; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002

Wucher (ahd. wuohhar, M., Ertrag) ist das unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwächen eines anderen erfolgende Versprechenlassen oder Gewährenlassen von solchen Vermögensvorteilen für eine Leistung, die in einem auffälligen Missver­hältnis zu der Leistung stehen. Im Mittelalter erklärt sich das kirchliche Gericht für wucherische Geschäfte zuständig. Zum Ausgleich für den Wegfall des kanonischen → Zinsverbotes und der neuzeitlichen Höchstzinssätze im Liberalismus wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Wucherverbot geschaffen (Österreich 28. 5. 1881 für Kreditgeschäfte, 12. 10. 1914 für alle Rechtsgeschäfte, 1916 § 879 II Nr. 4 ABGB).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 214; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschafts­ethik, 1961; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; Rösch, G., Wucher in Deutschland 1200-1350, HZ 259, (1994), 593; Dilcher, J., Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Pohlkamp, M., Die Entstehung des modernen Wucherrechts, 2009

Wülfinghausen

Lit.: Urkundenbuch des Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.

Wunder (lat. miraculum) ist das auf vermuteter göttlicher Einwirkung beruhende, Erfahrungs­erwartungen widersprechende erwünschte Geschehen (z. B. Heilung schwe­rer Krankheiten, unerwartetes Bestehen von Gefahrenlagen). Es erweckt Hoffnungen anderer. Es trägt unter Ausnutzung seelischer Nöte Schwacher zum Wohlstand parasitärer Promotoren von Wallfahrten bei.

Lit.: Wallfahrt St. Georgenberg, hg. v. Ingenhaeff-Berenkamp, W., 1986; Schuh, B., Jenseitigkeit in diesseitigen Formen, 1989; Mirakel im Mittelalter, hg. v. Heinzelmann, M. u. a., 2002; Rendtel, C./Wittmer-Butsch, M., Miracula, 2003; Schwegler, M., Kleines Lexikon der Vorzeichen und Wunder, 2004; Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters, hg. v. Herbers, K., 2005

Würde → Menschenwürde

Lit.: Wagner, W., Die Würde des Menschen, 1991

Wurm, Nikolaus (Neuruppin vor Mitte 14. Jh.s-Liegnitz nach 1401), Schüler des Johannes von Lignano in Bologna, ist der sächsische gelehrte Jurist, der an verschie­denen sächsischen Werken Verbesserungen vornimmt wie z. B. an der buchschen Glosse oder an der Lehnrechtsglosse (1386) des Sachsenspiegels. Außerdem verfasst er ein Liegnitzer Stadtrechtsbuch (1399), die Blume von Magdeburg (um 1390) und die Blume über den Sachsenspiegel (1397).

Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 162, 178ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58, 72; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990

Wursten (aus wort-seten, auf Wurten Sitzende) ist die seit dem 6. Jh. von Friesen besiedelte Landschaft an der unteren Weser. 1508 wird eine niederdeutsche Übersetzung der Rüstringer Küren aufgezeichnet, 1611 das Wurstener Landrecht.

Lit.: Lehe, E. v., Geschichte des Landes Wursten, 1973

Württemberg ist die 1081/92 erscheinende Burg bei Esslingen, nach der sich Grafen benennen, welche die Landesherrschaft im östlichen Teil Schwabens erreichen (W.). 1495 wird W. unter Eberhard V., der 1477 die Universität Tübingen gründet, Herzogtum. 1555 wird ein durch Sichard romanistisch geprägtes, vierteiliges → Landrecht (Prozess, Vertrag, gewillkürtes Erbrecht, gesetzliches Erbrecht) erlassen, das unter Änderungen (1567, 1610) bis 1900 in Geltung bleibt. Am Beginn des 19. Jh.s wird der Umfang des Landes von 9800 Quadratkilometern auf 19500 Quadratkilometer erweitert. Am 25. 9. 1819 gewährt der König von W. eine → Verfassung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 192, 202, 256, 269; Köbler, Historisches Lexikon; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1831; Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. 1ff.; Erzberger, Die Säkularisation in Württemberg, 1902; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in Württemberg, Bd. 1f. 1904ff.; Weller, K., Württem­bergische Geschichte, 1909, 5. A. 1963; Württembegische ländliche Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1910ff.; Württembergische Landtagsakten, Reihe 2, Bd. 1ff. 1910ff.; Beschreibung des Oberamts Tettnang, 2. A. 1915; Württembergische Regesten, hg. v. kgl. Haus und württemberg. Staatsarchiv, 1916ff.; Knapp, T., Neue Beiträge zur Rechts- und Wirt­schaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes, 1919; Knapp, T., Das württem­bergische Hofgericht zu Tübingen und das württembergische privilegium de non appellando, ZRG GA 48 (1928), 1; Mock, A., Die Entstehung der Landeshoheit der Grafen von Wirtemberg, 1926; Beschreibung des Oberamtes Leonberg, 2. A. 1930; Hölzle, E., Das alte Recht und die Revolution, 1931; Enst, F., Eberhard im Bart, 1933; Miller, M., Die Organisation und Verwaltung von Neuwürttemberg, 1934; Hölzle, E., Württemberg im Zeitalter Napoleons, 1937; Müller, K., Gesamtübersicht über die Bestände der staatlichen Archive Württembergs, 1937; Weller, K., Besiedlungsgeschichte Württembergs vom 3. bis 13. Jahrhundert, 1938; Kothe, I., Der fürstliche Rat in Württemberg, 1938; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg, 1940; Graessle, H., Sindelfingen, 1954, Grube, W., Der Stuttgarter Landtag, 1957; Sauer, P., Das württembergische Heer, 1958; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Struck, W., Geschichte der Stadt Geisenheim, 1972; Philippi, H., Das Königreich Württemberg im Spiegel der preußischen Gesandtschaftsberichte 1871-1914, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2662, 3,3,2864,3700; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, 1973; Bernhardt, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, 1973; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Feuchte, P., Verfas­sungsgeschichte von Baden-Württemberg, 1983; Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen, 1985; Stettner, W., Ebingen, 1986; Gerner, J., Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, 1989; Frey, S., Das württembergische Hofgericht, 1989; Schwarzmeier, H., Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 3 1992; Haug-Moritz, G., Württembergischer Städtekonflikt und deutscher Dualismus, 1992; Gotthard, A., Konfession und Staatsräson, 1992; Molitor, S., 1495 - Württemberg wird Herzogtum, 1995; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Schuler, P., Regesten zur Herrschaft der Grafen von Württemberg 1325-1378, 1998; Raberg, F., Biographisches Handbuch der württtembergischen Landtagsabgeord­neten 1815-1933, 2001; Württembergisches Klosterbuch, hg. v. Zimmermann, W. u. a., 2003; Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2004; Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004; Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2005; Bayer, B., Ich bleibe nicht mehr über die Nacht Schultheiß, 2006; Mann, B., Kleine Geschichte des Königreichs Württemberg 1806-1918, 2006; Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert, hg. v. Rückert, P., 2006; Kümmerle, J., Luthertum, humanis­tische Bildung und württembergischer Territorialstaat. 2008; Die Aufnahmeprivilegien für französisch-reformierte Glaubensmigranten im Herzogtum Würt­temberg, bearb. v. Schätz, H., 2009

Wurtzins (M.) Hausstättenzins

Wurzach

Lit.: Vogel, A., Die Rechtsverhältnisse der reichstruchsess-waldburgischen Stadt Wurzach, Diss. jur. Tübingen 1958

Würzburg am Main wird nach älteren Siedlungsspuren 704 als Vorort eines fränkischen Herzogtums bezeugt. 741/742 wird es Sitz eines Bischofs, von dem zwischen 995 und 1223 386 Urkunden nachgewiesen sind. 1402/1410 wird eine 1582 erneuerte Universität eingerichtet. Um 1200 hat es 7000 bis 8000, um 1500 rund 9000 Einwohner.Das Würzburger Landgericht will für das Herzog­tum → Franken zuständig sein.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Knapp, H., Die Zenten des Hochstifts Würzburg, 1907; Würzburger Polizeisätze, hg. v. Hoffmann, H., 1955; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Urkundenregesten zur Geschichte der Städte des Hochstifts Würzburg (1172-1413), bearb. v. Engel, W., 1956; Seberich, F., Das Stadtmodell Würzburg um 1500, 1968; Johanek, P., Die Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum Würzburg, 1969; Schubert, E., Materielle und organisatorische Grundlagen der Würzburger Universitätsentwicklung, 1973; Schich, W., Würzburg im Mittelalter, 1977; Trüdinger, K., Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg, 1978; Fries, L., Chronik der Bischöfe von Würzburg 741-1495, hg. v. Wagner, U. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Kummer, C., Die Illustration der Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries aus dem Jahre 1546, 1995; Geschichte der Stadt Würzburg, hg. v. Wagner, U., Bd. 1ff. 2001ff.; Raum und Recht – Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, hg. v. Dreier, H. u. a., 2002; Schäfer, D., Geschichte Würzburgs, 2003; Sprandel, R., Das Würzburger Ratsprotokoll des 15. Jahrhunderts, 2003; Müller, K., Die Würzburger Judengemeinde im Mittelalter, 2004; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Benkert, C., Die juristische Fakultät der Universität Würzburg 1914 bis 1960, 2005; Die Lebensbeschreibungen Bischof Burchards von Würzburg, hg. v. Barlava, D., 2005; Süßmann, J., Vergemeinschaftung durch Bauen, 2007

Wüstung ist die zerstörte oder verlassene Siedlung. W. (Zerstörung) eines Gutes ist auch als Rechtsfolge möglich (z. B. bei Landesverrat, Ketzerei, Tötung, Notzucht).

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lappe, J., Die Wüstungen der Provinz Westfalen, 1916, Frölich, K., Rechtsgeschichte und Wüstungskunde, ZRG GA 64 (1944), 277; Largiadèr, A., Ein später Fall von strafrechtlicher Wüstung, ZRG GA 72 (1955), 244; Zahn, N., Die Wüstung, Diss. jur. Basel 1956; Fischer, H., Die Hauszerstörung, 1957; Abel, W., Die Wüstungen, 1943, 2. A. 1955, 3. A. 1976; Wüstungen in Deutschland – Ein Sammelbericht, hg. v. Abel, W., 1967

 

 

X

 

Xanten

Lit.: Urkundenbuch des Stiftes Xanten, hg. v. Weiler, P., Bd. 1 1935; Hawicks, H., Xanten im späten Mittelalter, 2006

Xiphilinos, Johannes (Trapezunt 1010) wird nach Ausbildung in Konstantinopel Rechtslehrer einer Rechtsschule und kommentiert das in den → Basiliken über­lieferte römische Recht.

Lit.: Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986, 29, 40

 

 

Y

 

Year book ist die Bezeichnung der Jahrbücher, in denen die Entscheidungen des → englischen Rechts von jungen Anwälten in → Law French aufgenommen sind (reports, von 1292 bis 1535 erhalten, Gegensatz lateinische records).

Lit.: Year books Bd. 1ff. 1903ff.; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000

 

 

Z

 

Zabarella, Francesco (Padua 1360-1417), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna (Antonius de Butrio) Rechtslehrer in Padua und Bischof von Florenz. Auf dem Konzil von Konstanz setzt er sich für die Erweiterung der Rechte des Konzils zu Lasten des Papstes ein.

Lit.: Girgensohn, D., Francesco Zabarella, ZRG KA 79 (1993), 232

Zachariä (1842 von Lingenthal), Carl Salomo (Meißen 14. 9. 1769-Heidelberg 27. 3. 1843), Advokatensohn, wird nach dem Studium der Philosophie, Philologie und des Rechts in Leipzig 1802 Professor in Wittenberg und Heidelberg (1807). 1808 veröffentlicht er ein systematisch abgefasstes Handbuch des französischen Civilrechts. 1810 legt der als schillernd beschriebene Gelehrte das aufgeklärte „Staatsrecht der rheinischen Bundesstaaten“ vor.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 169; Lang, T., Die Staats- und Verfassungslehre Carl Salomo Zachariaes, 1996

Zachariae, Heinrich Albert (Herbsleben bei Bad Langensalza 20. 11. 1806-Cannstadt 29. 4. 1875) wird 1829/1830 Strafprozessrechtler und Staatsrechtler in Göttingen (Grundlinien des gemeinen deutschen Kriminalprozesses, 1837).

Lit.: Mohl, R. v., Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1855, Neudruck 1960, 266; Bandemer, D., Heinrich Albert Zachariae, 1985

Zagreb (Agram) an der oberen Save geht auf antike Grundlagen zurück. 1093 ist es Sitz eines Bischofs. 1242 wird die nach der Zerstörung (1242) neu entstandene Siedlung Gradec königlich ungarische Freistadt. 1526 fällt Z. an → Österreich. 1669 erhält es eine Universität. 1718 wird Z. Hauptstadt → Kroatiens.

Lit.: Grothusen, K., Entstehung und Geschichte Zagrebs bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, 1967; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007

Zahl ist die Umstände nach ihrer Menge fortlaufend ordnende Einheit. Frühmittel­alterliche Zahlenangaben sind wohl grund­sätzlich verlässlich. Bei hohen Heeresangaben sind Übertreibungen anzunehmen.

Lit.: Ifrah, G., Universalgeschichte der Zahlen, 2. A. 1991; Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Bentley, P., Das Buch der Zahlen, 2008

Zahlung ist die Tilgung einer Geldschuld. Sie erfolgt zunächst durch Übereignung der Sache Geldstück, seit dem 19. Jh. zunehmend bar­geld­los.

Lit.: Meder, S., Die bargeldlose Zahlung, 1996; Den­zel, M., Das System des bargeldlosen Zahlungsver­kehrs, 2008

Zähringen bei Freiburg im Breisgau ist die namengebende Burg einer alemannischen Familie, die 1092 den Titel eines Herzogs (Gegenherzogs) von Schwaben annimmt. Ihr durch viele Stadtgründungen (z. B. → Freiburg im Breisgau, → Bern) gekennzeichnetes Herrschaftsgebiet fällt bei ihrem Aussterben 1218 an verschiedene Nachfolger.

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Mayer, T., Der Staat der Herzöge, 1935; Büttner, H., Egino von Urach-Freiburg, der Erbe der Zähringer, 1939; Die Zähringer, hg. v. Schadek, H. u. a., 1986; Die Zähringer, hg. v. Schmid, K. u. a., 1990; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004

Zar (M.) ist der nach lat. Caesar gebildete slawische Herrschertitel (Russland 1547-1917, Bulgarien 1908-1946). → Kaiser

Lit.: Die russischen Zaren, hg. v. Torke, H., 1995; Fedorowski, W., Die Zarinnen, 2001

Zalaszowski, Mikolaj (1631-1703) wird nach dem Studium in Krakau, Rom und Deutschland Professor in Krakau und Posen. Seit 1699 veröffentlicht er (lat.) Ius (N.) regni Poloniae (Recht des Königreichs Polen).

Lit.: Malinowska, I., Mikolaj Zalaszowski, 1960

Zasius (Zäsy), Ulrich (Huldreich) (Konstanz 1461-Freiburg im Breisgau 24. 11. 1535) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen Gerichtsschreiber in Konstanz und Stadt­schreiber in Freiburg, wo er nach weiteren Studien 1506 Professor wird. Er fördert die in Frankreich gegen die herkömmliche italienische Art (lat. → mos [M.] Italicus) ent­wickelten humanistisch-philologischen Neu­ansätze (→ Alciat, lat. → mos [M.] Gallicus). Bei dem 1520 vorgelegten neuen römisch­rechtlich beeinflussten Stadtrecht (Reforma­tion) → Freiburgs wirkt er maß­geblich mit. Er ist der erste europäisch bedeutsame deutsche Jurist.

Lit.: Köbler, DRG 144, 160; Stintzing, R., Ulrich Zasius, 1857, Neudruck 1857; Bremer, F., Ulrich Zasius und das Familienstatut der von Rappoltstein vom Jahre 1511, ZRG GA 18 (1897), 170; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961 (132 Schüler und Hörer); Kisch, G., Zasius und Reuchlin, 1961; Fleischer, G., Ulrich Zasius und Petrus Stella, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Nüwe Stattrechten und Statuten, hg. v. Köbler, G., 1986; Rowan, S., Ulrich Zasuis, 1987; Schroeder, K., Ulrich Zasius, JuS 35 (1995), 97

Zauber ist die Zuhilfenahme von nicht­menschlichen geistigen Kräften zur Verwirklichung menschlicher Zwecke. Der Z. gehört bereits der Vorgeschichte an. Die christliche Kirche wendet sich gegen bestimmte Formen von Z. und Zauberei und verfolgt insbesondere in der frühen Neuzeit → Hexen.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87; Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hansen, J., Zauberwahn, 1900, Neudruck 1964, 1983; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt, 1972; Zauber, Magie und Rituale, hg. v. Büttner, C., 1985; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgun­gen, 1989; Clerc, J., Homines magici, 1995; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003

Zauberei → Zauber

Zaudengericht

Lit.: Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935

Zaun

Lit.: Amira, K. v., Zaunpflicht zwischen Gemeinweiden und Kulturland, ZRG GA 29 (1928), 336

zehn Gebote → Dekalog

Zehnt ist der bereits den Juden im Alten Testament bekannte, von der Kirche zwischen Spätantike (6. Jh.) und Frühneuzeit unter Berufung auf biblische Stellen (3. Mose 27,30) geforderte zehnte Teil eines Ertrages. Er wird von dem merowingischen Hausmeier Karl Martell nach der im Zuge der Abwehr des Ansturmes der Araber (732) erfolgten Säkularisierung (Verweltlichung) des Kir­chengutes erneuert. Im 13. Jh. wird er zur Geldleistung. Im 19. Jh. wird der Z. im Gefolge der französischen Revolution durch die → Kirchensteuer ersetzt (Preußen 20. 6. 1875).

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 198; Stutz, U., Das karolingische Zehntgebot, ZRG GA 29 (1908), 180; Viard, P., Histoire de la dîme ecclésiastique, 1909; Schmid, H., Der Gegenstand des Zehntstreites zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrhundert, ZRG GA 43 (1922), 267; Plöchl, W., Das kirchliche Zehntwesen, 1935; Gmür, R., Der Zehnt im alten Bern, 1954; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Harrer, R., Der kirchliche Zehnt im Gebiet des Hochstifts Würzburg, 1992; Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und Zehnterhebung, 1996; Jursa, M., Der Tempelzehnt in Baylonien, 1998; Person-Weber, G., Der Liber decimationis des Bistums Konstanz, 2001

Zeichen → Marke, Warenzeichen

Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995

Zeil

Lit.: Inventar des Archivs Trauchburg, bearb. v. Rauh, R., 1968; Rauh, R., Das Hausrecht der Reichserbtruchsessen Fürsten von Waldburg, Bd. 1f. 1971f.

Zeiller, Franz von (Graz 14. 1. 1751-Hietzing bei Wien 23. 8. 1828) wird nach dem Studium der Philosophie in Graz und des Rechts in Wien (Martini) Hauslehrer Martinis, 1778 außerordentlicher Professor, 1782 ordentli­cher Professor in Wien und 1797 Beisitzer der Hofkommission in Justiz­gesetzsachen. Er bearbeitet das westgalizische Strafgesetzbuch und das Strafgesetzbuch des Jahres 1803. Sein 1802 veröffentlichtes natürliches Privatrecht prägt den anschließend von ihm umgestalteten Stoff des späteren → Allge­meinen Bürgerlichen Gesetzbuches (1811/­1812, Kommentar 1811/1813). Sein 1810 einge­führter Studienplan drängt die Geschichte zugunsten der Systematik (auf eine rein dienende Aufgabe) zurück, doch wird dies 1855 wieder beseitigt. 1813 wird Z. geadelt.

Lit.: Köbler, DRG 142; Swoboda, E., Franz von Zeiller, 1931; Forschungsband Franz von Zeiller, hg. v. Selb, W. u. a., 1980; Franz von Zeiller. Symposium, hg. v. Desput, J. u. a., 2003

Zeit

Lit.: Engammare, M., L’ordre du temps, 2004

Zeitgeschichte ist die die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte. In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 (Hans Rothfels 1953 Zeit der Mitlebenden) (bzw. seit 1945) als Z. verstanden. Seit etwa 1970 wird auch eine juristische Z. angestrebt.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Klippel, D., Juristische Zeitgeschichte, 1985; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?, hg. v. Stolleis, M., 1993; Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum Juristische Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein Forum zur juristischen Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte, 1998; 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999; Institut für juristische Zeitgeschichte Hagen Jahrbuch Bd. 1ff. hg. v. Voermbaum, T., 1999ff.; Vormbaum, T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte, 1999; Themen juristischer Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 117 (2000), 290; Diestelkamp, B., Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte, 2001 (Beiträge); Gehler, M., Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem, 2001; Senn, M., Recht – Gestern und heute, 2002; Einführung in die Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 2003; Topitsch, E., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 2003; Metzler, G., Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Wagner, W., Bildatlas der österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Zeitgeschichte als Problem, hg. v. Nützenadel, A. u. a., 2004; Metzler, G., Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Auf dem Weg in eine neue Moderne?, hg. v. Raithel, T. u. a., 2009; Möller, H. u. a., 60 Jahre Institut für Zeitgeschichte, 2009

Zeitschrift ist die im Verlauf der Zeit in Abständen erscheinende Schrift meist mit kurzen Beiträgen mehrerer Verfasser. Sie entwickelt sich seit der Erfindung des Buchdrucks. Juristische, zunächst noch buchähnliche Zeitschriften werden im Heiligen römischen Reich seit dem 18. Jahrhundert herausgegeben, in den meisten übrigen Staaten Europas im 19. Jahrhundert, wobei teilweise die Wissenschaft im Vordergrund steht, teilweise aber auch die Praxis einbezogen wird. Erfolgreichste deutschsprachige juristische Zeitschrift ist wohl die 1947 vom Verlag C. H. Beck begründete Neue Juristische Wochenschrift.

Lit.: Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1999; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Simon, T. u. a., 2006; Weber, H., Juristische Zeitschriften des Verlags C. H. Beck, 2007

Zeitschrift für Rechtsgeschichte ist die der von Savigny und anderen für Romanistik und Germanistik begründeten Zeitschrift für ge­schichtliche Rechtswissen­schaft (1815-1845) und der von Reyscher und Wilda heraus­gegebenen (germanistischeren) Zeit­schrift für deutsches Recht ab 1861 folgende, Romanistik und Germanistk wieder verei­nende, 1880 in eine germanistische Abteilung und eine romanistische Abteilung gegliederte und (durch Ulrich Stutz) 1911 um eine kanonistische Abteilung erweiterte Zeitschrift für rechtsgeschichtliche Forschun­gen und Besprechungen („Deutschlands berühmteste Zeitschrift).

Lit.: Thieme, H., Hundert Jahre Zeitschrift für Rechtsgeschichte, ZRG GA 78 (1961), XII; Mayer-Maly, T., Deutschlands berühmteste Zeitschrift, ZRG GA 102 (1985), 1

Zeitung ist das regelmäßig erscheinend, über Wissenswertes berichtende Druckerzeugnis. Die älteste in Deutschland erschienene und erhaltene ist Aviso von 1609 für Landadel und Juristen. Die älteste, noch erscheinende Zeitung Deutschlands ist die Hildesheimer Allgemeine Zeitung von 1705. 2004 bestehen in Deutschland 137 Zeitungen (mit mehr als 1000 Ausgaben), die im Wesentlichen von den gleichen elektronischen Nachrichtenagen­turen gespeist werden mehr und mehr von den in ihnen aufgegebenen Anzeigen leben.

Lit.: Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M., 1999; Pross, H., Zeitungsreport, 2000; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Schütz, W., Zeitungen in Deutschland, 2005f; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Stolleis, M. u. a., 2006

Zensor ist der altrömische Amtsträger (2 Zensoren), der aus den ehemaligen Konsuln auf fünf Jahre gewählt wird und wohl seit 444 v. Chr. für die Aufsicht über die Sitten und die Vermögensveranlagung zuständig ist.

Lit.: Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988

Zensur ist die Aufsicht über das gesellschaftliche Verhalten, insbesondere über die Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform. Bereits dem ausgehenden Alter­tum (ab 4. Jh. n. Chr.) ist die Z. in der Kirche bekannt. 1184 führt Papst Lucius III. die Nachzensur für die Kirche ein. Sie wird nach der Erfindung des Buchdrucks wegen der da­mit verbundenen Gefahren 1487 durch Papst Innozenz VIII. in die Vorzensur umge­wandelt. Von 1559/1564 bis 1967 führt die katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum prohibitorum (Anzeiger verbotener Bücher). Dem folgen seit dem 16. Jh. die neuzeitlichen Landesherren (z. B. Maria Theresia für Österreich 1748, 1749, 1752, 1778 überwog in Österreich die Zahl der verbotenen Bücher die Zahl der erlaubten Bücher), bis im 19. Jh. der Liberalismus grundsätzlich die → Pressefreiheit erreicht (in Österreich aber Vorzensur bis 1848, 1852-1862, 1914-1918, 1933-1939, [nicht verbotene] Nachzensur bis 1981).

Lit.: Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970; Busch, R., Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg, Westfalen und Frankfurt, 1970; Neumann, D., Staatliche Bücherzensur, 1977; Ziegler, E., Literarische Zensur, 1983; „Unmoralisch an sich...“, hg. v. Göpfert, H. u. a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel 1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt, Criticon 155 (1997), 145; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Széchényi, B., Rechtliche Grundlagen bayerischer Zensur, 2003; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003; Müller, B., Zensur im modernen deutschen Kulturraum, 2003; Olechowski, T., Die Entwicklung des Pressrechts in Österreich bis 1918, 2004; Bianchin, L., Dove non arriva la legge, 2005

Zensus (M.) Steuerleistung (z. B. 594 v. Chr. in Athen, vor allem als Grundlage eines gestuften Wahlrechts [Zensuswahlrechts] im 19. Jh. [Großbritannien bis 1867, Bayern 1808, in Österreich von 1848 bzw. vom Kremsierer Entwurf 1849 [Beschränkung des Wahlrechts auf 6-7 Prozent der Bevölkerung, 1882 durch Taafesche Wahlrechtsreform, 1896 durch Badenische Wahlrechtsreform gemildert] bis 1907 [Becksche Wahlrechts­reform])

Lit.: Söllner § 6; Baltl/Kocher; De Biasio, G., Il censo e il voto, 1993; Strejcek, G., Bundesverfassung und Wahlrecht, 2009

Zent (zu lat. centum, Num. Kard., hundert) ist eine in Herkunft und Bedeutung streitige Verwaltungs- und Gerichtseinheit (Zentgericht) des Mittelalters.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Die Zenten des Hochstifts Würzburg, hg. v. Knapp, H., 1907; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der Landgemeinde, 1964

Zentenar

Lit.: Glitsch, H., Der alamannische Zentenar und sein Gericht, 1917

Zentgericht ist das die → Zent betreffende Gericht.

Lit.: Erler, A., Die Zentgerichtsordnung von Lützelbach, ZRG GA 66 (1948), 528; Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002; Schultheiß, S., Das Zentgericht Burghaslach in Franken, 2007

Zentralbehörde ist vor allem in der Neuzeit die zusammenfassende Behörde der staatlichen Verwaltung. Sie ist meist bürokra­tisch organisiert.

Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum, 1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen Reiches, 1982

Zentralismus

Lit.: Centralismo e federalismo tra otto(cento) e novecento, hg. v. Janz, O. u. a., 1997

Zentraluntersuchungskommission ist eine Untersuchungskommission des → Deutschen Bundes (1819-1828, 1833-1848) gegen revolutionäre Umtriebe.

Lit.: Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungs­kommission, 1970

Zentrumspartei ist im zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des konservativen Katholizismus.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1968; Anderson, M., Windthorst, 1981; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche, 2001; Ruppert, K., Die weltanschaulich bedingte Politik der Deutschen Zentrumspartei in ihrer Weimarer Epoche, HZ 285 (2007) 49

Zepter (N.) (Szepter) Herrscherstab

Lit.: Paatz, W., Sceptrum universitatis, 1953; Vorbrodt, C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992

Zerreißen ist eine Form der → Todesstrafe (14.-­18. Jh.).

Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 131

Zerrüttung ist die Zerstörung durch Erschütterung, im Recht insbesondere die Z. der ehelichen Lebensgemeinschaft, die (nach einem vereinzelten ähnlichen Ansatz in Frankreich durch Gesetz vom 20. 9. 1792) in Deutschland 1976 in Ablösung des älteren Verschuldensgrundsatzes zur Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird (in Ös­terreich stattdessen 1978 einvernehmliche Ehescheidung).

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer, H., Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Bommer, J., Ein Gesetz - zwei Rechtsprechungen?, 2008

Zession (F.) (Schreiten,) Abtretung (einer Forderung)

Lit.: Buch, G., Zur Zession im deutschen mittelalterlichen Recht, ZRG GA 34 (1913), 429; Huwiler, B., Der Begriff der Zession, 1975; Luig, K., Zession und Abstraktionsprinzip, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche Zessionsverbot von 1551, Diss. jur. Bochum 2000; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im Codex Theresianus, (in) Spuren des römischen Rechts, 2007, 693

Zeuge (lat. [M.] testis) ist der Mensch, der über Tatsachen, die er wahrgenommen hat, aussagen soll. Zeugen gibt es, solange es Menschen gibt. Die Bedeutsamkeit von Zeugen für den Beweis von Tatsachen ist zu unterschiedlichen Zeiten verschieden groß. Zu unterscheiden sind zufällige Zeugen (Zufallszeugen) und Ge­schäftszeugen (zur Vornahme eines Geschäfts zugezogene Zeugen). Vielfach ist der Z. bewusst oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens mit dem Inquisitionsprozess erscheint die Pflicht, in gerichtlichen Verfahren als Z. auszusagen.

Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II 6; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 126, 155, 156, 202; Köbler, WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B., Die Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Bogisch, M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003; Garnot, B., Les témoins devant la justice, 2003

Zeumer, Karl (Hannover 31. 7. 1849-Berlin 18. 4. 1914), Kürschnerssohn, wird nach dem Studium der deutschen Sprache und Geschichte in Göttingen, Leipzig und Berlin Herausgeber wichtiger, vor allem rechtlicher Quellen (1889 außerordentlicher Professor in Berlin).

Lit.: Historische Aufsätze (FS), 1910; Krammer, M., Karl Zeumer, ZRG GA 35 (1914), IX; Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 35 (1914), 646

Ziegenhain

Lit.: Brauer, F., Die Grafschaft Ziegenhain, 1934

Zigeuner ist die ältere, in der Gegenwart durch die Eigenbezeichung Roma oder Sinti ersetzte Benennung des Angehörigen eines im 10. Jh. aus Nordindien ausgewanderten, seit dem 15. Jh. im Heiligen römischen Reich (1399 Böhmen, 1407 Hildesheim, 1414 Hessen) erscheinenden indogermanischen Volkes. Der Ausdruck Z. wird politisch um 1860 soziographisch (Fehlen eines festen Wohnsitzes) geprägt wirksam. Der ausländische Z. wird nach 1871 des Deutschen Reichs verwiesen, der deutsche Z. seit 1886 polizeilicher Überwachung und Erfassung unterstellt. Im → National­sozialismus wird der Z. ohne totale Tötungs­ab­sicht verfolgt.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Gronemeyer, R./Rakelmann, G., Die Zigeuner, 1988; Hohmann, J. Neue deutsche Zigeunerbibliographie, 1992; Gilsenbach, R., Weltchronik der Zigeuner, Bd. 1ff. 1994ff. z. T. 2. A. 1997; Lucassen, L, Zigeuner, 1996; Rütten, W., „Lustig ist das Zigeunerleben“, ZRG GA 114 (1997), 233; Stichwort Zigeuner, hg. v. Awosusi, A., 1998; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Lewy, G., Rückkehr nicht erwünscht, 2001; Bonillo, M., Zigeunerpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und Sinti, 2002; Albrecht, A., Zigeuner in Altbayern 1871-1914, 2002; Zwischen Erziehung und Vernichtung, hg. v. Zimmermann, M., 2006; Fremde Arme – arme Fremde, hg. v. Patrut, I. u. a. 2007; Zigeuner und Nation, hg. v. Uerlings, H. u. a., 2008

Zimbrisch ist die Bezeichnung für in Oberitalien seit dem Mittelalter bestehende deutsche Dialekte.

Lit.: Schweizer, B., Zimbrische Gesamtgrammatik, 2008

Zins (lat. [F.] usura) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals (um 50 v. Chr. Höchstzinssatz von 12 Prozent) grundsätzlich durch Vereinbarung (anders bei Verzug), im allgemeineren Sinn die Abgabe. Der Z. wird in der Naturalwirtschaft in Sa­chen, in der Geldwirtschaft in Geld erbracht. Ist der Z. wirtschaftlich bedeutungslos, dient er der bloßen Anerkennung eines Rechts­verhältnisses etwa bezüglich eines Grund­stücks (Anerkennungszins, Rekogniti­onszins). Das kanonische → Zinsverbot verbietet Christen das entgeltliche Darlehen. Seit 1530 wird im Heiligen römischen Reich (deutscher Nation) der Z. auf 5% festgelegt (1654 6%). Seit 1804 (Code civil) bzw. 1848 setzt sich die Zinsfreiheit durch, doch bildet das Verbot des → Wuchers eine Schranke.

Lit.: Kaser §§ 33 III, 34 IV, 37 II 2b, 39 I, 41 III 2; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 125, 127, 241; Mentz, F., Nasenzins im Elsass?, ZRG GA 47 (1927), 669; Jecklin, F., Zinsbuch der Galluskirche in Fideris, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 56 (1927); Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Gutbrod, W., Die Brechung der Zinsknechtschaft, (in) Das Grundeigentum 1937, 135; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 150; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Brand, O., Das internationale Zinsrecht Englands, 2002; Dilcher, J., Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Gómez Rojo, M., Historia jurídica del anatocismo, 2003

Zinsverbot ist das Verbot, einen → Zins für eine Leistung zu nehmen. Es wird in der Kirche zuerst für Geistliche, seit dem 5. Jh. n. Chr. auch für Laien entwickelt. Im Mittelalter verbietet die Kirche wegen Lukas 6,35 Christen grundsätzlich das Nehmen von Zins für → Dar­lehen, weshalb Umgehungs­geschäfte (z. B. contractus mohatrae, Rentenkauf) entwickelt werden und im Übrigen das entgelt­liche Darlehensgeschäft von den → Juden (und Lombarden )durchgeführt wird. Seit der frühen Neuzeit wird das kanonische Zinsverbot von Höchst­zinssätzen (Heiliges römisches Reich 1654 6%) abgelöst. Dem folgt im 19. Jh. durch den Liberalismus die nur durch das Wucherverbot geschützte Freigabe des Zinses. 1983 gibt auch die katholische Kirche das W. auf. Auch der Islam kennt eine ähnliche Einrichtung.

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 166; Funk, F., Geschichte des kirchlichen Zinsverbots, 1876; Lange, H., Das kanonische Zinsverbot, FS J. Bärmann, 1975, 99; Blomeyer, A., Die Consilienpraxis zum kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317; Horn, N., Zinsforderung und Zinsverbot, FS H. Lange, 1992

Zips ist die unter der Hohen Tatra gelegene Landschaft. 1370 erscheint das Landrecht der Zipser, das durch 14 Handschriften des 15.-18. Jh.s überliefert wird. Es umfasst anfangs 93 Artikel (Familie, Erbe, Vermögen, Handel, Verfahren, Verwaltung).

Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 54; Piirainen, I./Papsonova, M., Das Recht der Spis, 1992

Zisleithanien ist das diesseits (westlich) der Leitha gelegene Gebiet Österreich-Ungarns.

Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher

Zisterzienser ist der Angehörige des nach dem 1098 von Robert von Molesme und dem heiligen Alberich gegründeten Kloster Citeaux in Burgund benannten benedik­tinischen Reformordens. Wichtige deutsche Niederlas­sungen sind Kamp, Ebrach und Heiligenkreuz (um 1500 fast 150 Niederlas­sungen im deutschen Sprachraum).

Lit.: Croix Bouton, J. de la, Histoire de l’Ordre de Citeaux, 1959ff.; Die Zisterzienser, hg. v. Elm, K. u. a. 1980; Toepfer, M., Die Konversen der Zisterzienser, 1983; Die Zisterzienser, hg. v. Sydow, J. u. a., 1989; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Kinder, T., Die Welt der Zister­zienser, 1997; Zisterzienser zwischen Zentralisierung und Regionalisierung, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1998; Rüffer, J., Orbis Cisterciensis, 1998; Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland, hg. v. Rück, P. u. a., 1999; Von Cîteaux nach Bebenhausen, hg. v. Scholkmann, B. u. a., 2000; Berman, C., The Cistercian Evolution, 2000; Zisterzienser, hg. v. Knefelkamp, U., 2001; Eberl, I. Die Zisterzienser, 2002; Haarländer, S., Die Zisterzienser, 2006; Rüffer, J., Die Zisterzienser und ihre Klöster, 2007

Zitelmann, Ernst (Stettin 7. 8. 1852-Bonn 25. 11. 1923), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Leipzig und Bonn 1879 Professor in Rostock, 1881 in Halle und 1884 in Bonn. Er befasst sich vor allem mit dem Privatrecht (→ Willenserklä­rung, → Irrtum).

Lit.: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann, 1923; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns, ZRG GA 114 (1997), 73

Zitiergesetz ist (nach Gustav → Hugo) das 426 von den römischen Kaisern Theodosius II. und Valentinian III. erlassene Gesetz (Codex Theodosianus 1. 4. 3), das → Papini­an, → Paulus, → Ulpian, → Modestin und → Ga­i­us als maßgebliche Rechtskundige be­nennt und bei Verschie­denheit der von ihnen vorgetragenen Ansichten formale Entschei­dungs­­regeln (Mehrheit, bei Stimmengleich­heit Papinian) für die Richtigkeit einer Lö­sung festlegt.

Lit.: Dulckeit/Schwarz//Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG 52; Teipel, G., Zitiergesetze, ZRG RA 72 (1955), 245; Pringsheim, F., Zur Textgeschichte des Zitiergesetzes, SDHI 27 (1961), 235

Zittau

Lit.: Zittauer Urkundenbuch, hg. v. Prochno, J., 1939

zivil (Adj.) in Rom den römischen Bürger be­treffend, quiritisch, nichtmilitärisch, nicht­kirchlich, nichtprätorisch, nichtbonita­risch (z. B. Eigen­tum, bei dem bonitarisches, durch bloße traditio einer res mancipi übertragenes Eigentum erst durch Ersitzung ziviles Eigen­tum wird)

Zivilehe ist die durch weltliche Formen (Abgabe der Willenserkärung vor einer nicht­kirchlichen Stelle) zustandekommende → Ehe der Neuzeit. Sie erscheint nach der Reformation Martin Luthers (1517) bereits im 16. Jh. (1580) in den Niederlanden als Möglichkeit (fakultative Z.), in England 1653 kurzzeitig unter Oliver Cromwell sogar als einzige Möglichkeit (obligatorische Z.). In Frankreich wird sie durch Gesetz vom 20. 9. 1792 (und den Code civil von 1804), im Deutschen Reich 1875 und in Österreich mit dem Ehegesetz von 1938  verwirklicht.

Lit.: Köbler, DRG 161, 209; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Woopen, A., Die Zivilehe, 1956; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1991; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998

Zivilgesetzbuch ist die in mehreren Ländern verwendete Bezeichnung für ein Privatrechts­gesetzbuch (Schweiz 1907/12, Deutsche Demokratische Republik 19. 6. 1975 [Vorarbeiten seit September 1952], ohne Privatautonomie, ohne besonderes Schuld­recht und ohne besonderes Sachenrecht, 1990 durch das Bürgerliche Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland garundsätzlich wieder aufgehoben). Das Zivilgesetzbuch der Schweiz ist seit 1. 1. 1912 in Kraft (Person, Familie, Erbe, Sache [, Obligationenrecht]). Eine Zusammenstellung der Veränderungen bietet http://www.­admin.ch/ch/d/gg/cr/1907/­1907­0042.html

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 184, 255; Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert, 1948; Marti, H., Wortregister zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1922; Sontis, J., Das griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Gauye, O., Inventar zur Dokumentation, Schweizerische Z. f. Gesch. 13 (1963); Gmür, R., Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetz­buch, 1965; Peter, V., Vergleich einiger grundlegender Rechtsinstitute, Z. f. vergleich. Rechtswiss. 77 (1978), 277; Schnyder, P., Siebzig Jahre Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Göhring, J. u. a., Erfahrungen bei der Verwirklichung des Zi­vilgesetzbuches, 1986; Das Zivilgesetzbuch der Deut­schen Demokratischen Republik, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Eichler, H., Zivilgesetzbücher im deutsch­sprachigen Rechtskreis, 1996; Flinder, M., Die Entstehungsgeschichte des Zivilgesetzbuches der DDR, 1999; ZGB gestern - heute - morgen, hg. v. Girsberger, D. u. a., 2007; Materialien zum Zivilgesetzbuch, hg. v. Hurni, C. u. a., Bd. 1f. 2008f.

Zivilliste (F.) Ausgaben eines Staates für die Hofhaltung (England 1689)

Lit.: Gneist, R., Das englische Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 3. A. 1883f.

Zivilprozess (Zivilverfahren) ist das öffent­liche Gerichtsverfahren (Prozess) zwischen einem Kläger und einem Beklagten in privaten (zivilen) Rechtsstreitigkeiten. Es wird bereits in Rom vom Strafprozess unterschieden und erfolgt im altrömischen Recht als Legisaktionenver­fahren (→ legis­actio), danach als → Formu­larverfahren und seit der Zeitwende als → Kognitionsverfahren (→ cognitio). Im Mit­telalter spaltet sich das wohl zunächst weit­gehend einheitliche, anfangs vermutlich in der Volksversammlung unter einem Vorsitzenden durchgeführte Ver­fahren, in dem seit der zweiten Hälfte des 11. Jh.s das Vorgehen in sog. (lat.) ordines (M.Pl.) iudiciarii (Gerichtsordnungen) erörtert wird, erst im Hochmittelalter (13. Jh.) vermut­lich aus rationalen, wirtschaftlichen Gründen in bürgerliche Sachen (Z., lat. causae civiles) und peinliche Sachen (→ Strafprozess, lat. causae criminales) auf (str.). Bei den bürger­lichen Klagen werden als verschiedene Arten die Klage um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe unterschieden. Dabei leitet auf Antrag des Klägers der Richter das Verfahren ein, das im Ding stattfindet. Der Beklagte kann sich, wenn er sich dem Begeh­ren des Klägers widersetzt, durch Eid von der Klage reinigen, sofern ihm der Kläger nicht unter bestimmten Voraussetzungen den Eid verlegt. Dann entscheidet das → Gericht durch → Ur­teil der Schöffen, wer das bessere Recht glaubhaft macht oder das stärkere Beweismittel anbietet und damit näher zum → Beweis ist (Be­weisrecht). Wegen des Urteils können seit dem Spätmittelalter die Akten an eine als sachkundiger eingeschätzte Stelle (z. B. Oberhof) versendet werden. In Oberitalien bildet sich während des Mittel­alters auf der Grundlage des justinianischen Rechts das römisch-kanonische Verfahren aus, das all­mählich vor allem in den geist­lichen Gerichten üblich wird. Es beginnt mit der vom Kläger bei dem gelehrten Richter erwirkten Ladung des Beklagten zu einem Termin. Hier überreicht der Kläger dem Be­klagten die Klageschrift mit seiner Rechts­behauptung. In einem nächsten Termin hat der Beklagte alle verfahrensablehnenden Verteidigungsgründe vorzubringen. Beide Parteien können sich vor Gericht durch Prokuratoren vertreten und außerhalb des Gerichts durch Advokaten beraten lassen. Nach der Leistung eines Gefährdeeids und der Streitbefestigung ist der Stoff vom Kläger ar­tikuliert vorzutragen und vom Beklagten e­benso zu beantworten. Die geheime Beur­teilung der Beweisergebnisse durch den selbst in → Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand entscheidenden → Richter ist an feste Beweisregeln gebunden. Der gesamte Verfahrensstoff wird aufgezeichnet. Der Vollstreckung des kirchengerichtlichen Ur­teils dient die Exkommunikation. Gegen das Urteil ist → Appellation und seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen auch Nich­tigkeitsklage zulässig. Vor allem über das → Reichs­kammergericht setzt sich der gelehrte Z. als gemeiner Z. in der Neuzeit weitgehend durch. Allgemein kann man deshalb nicht von einem Wandel eines formgebundenen Prozesses oder Verfahrens zu einem formfreien Prozess oder Verfahren am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit sprechen. Der Allgemeinen Ge­richtsordnung Preußens von 1793/1795 liegt nach überwiegender Ansicht die In­quisitions­maxime zu Grunde (mit dem Richter im Mittelpunkt), von der aber Novellen der Jahre 1833/1846 einigen Abstand nehmen. Der Liberalismus kehrt dagegen nach dem Vorbild des auch Beschleunigung anstrebenden fran­zösischen → Code de procédure civile von 1806 im 19. Jh. zu → Mündlichkeit und → Öffentlichkeit zurück (Genf 1819, Baden 1831, Hannover 1850, Preußen Entwurf 1864). Im Deutschen Reich wird auf diesen Grundlagen 1877/1879 der Z. in der → Zivil­prozessordnung geregelt (mit dem Bürger im Mittelpunkt, Österreich 1. 8. 1895, Franz Klein [1854-1926], unter Ablösung der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 und der Westgalizischen Gerichtsordnung von 1796 in Kraft 1898, mit Öffentlichkeit, Mündlichkeit, freier Beweiswürdigung, Un­mit­telbarkeit der Beweisaufnahme und Ver­ständnis von Rechts­durchsetzung als Ge­meinschafts­auf­gabe zur Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt und daraus folgender starker Stellung des Richters statt unebschränkten Verhandlungsgrundsatzes, weitgehender Übergang zum Einzelrichter 1914) mit deutlicher Abkehr von der Verhandlungs­maxime in späteren Novel­len von 1924 und 2001. Seit dem ausgehenden 18. Jh. ist im Übrigen anscheinend in Abhängigkeit von der Ausdehnung des Kreditverkehrs die Zahl der Zivilprozesse so sehr gestiegen, dass durch zahlreiche Novellen eine Vereinfachung und Beschleunigung (ohne überzeugenden Erfolg) angestrebt wird.

Lit.: Kaser 80ff.; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 18, 30, 31, 55, 116, 155, 181, 201, 235, 262; Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Bülow, O., Gemeines deutsches Zivilprozessrecht, hg. v. Braun, J., 2003; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kühtmann, A., Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess, 1961; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilpro­zessrecht, 1966; Schubert, W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung und Verfahrensgliederung im Zivilprozessrecht des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 85 (1968), 127; Wedekind, W.-, Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken, 1971; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess nach bayerischen Quellen, 1971; Dahlmanns, G., Der Strukturwandel des deutschen Zivilprozesses, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess, Diss. jur. Bonn 1972; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Nörr, K., Hauptthemen legislatorischer Zivilprozessreform, ZZP 87 (1974), 274; König, B., Konformität, Aktenwidrigkeit und offenbare Gesetzeswidrigkeit im zivilgerichtlichen Verfahren, 1975; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Wollschlä­ger, C., Zivilprozessstatistik und Wirtschaftsent­wicklung, ZNR 1981, 16; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982; Dannreuther, D., Der Zivilprozess, 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen Zivilverfahrensrechts, 1987; For­schungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988; Faber, R., Die Bemühungen im Herzogtum Nassau, 1990; Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, hg. v. Grunsky, W. u. a., 1994; Köster, A., Die Beschleunigung der Zivilprozesse, 1995; Wollschläger, C., Streitgegenstände und Parteien am Friedensgericht Xanten 1826-1830, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Metzger, E., A new outline of the Roman civil trial, 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Rhee, C. van, Litigation and legislation – civil procedure at first instance in the Great Council for the Netherlands in Malines (1522-1559), 1997; Mölling, A., Der Zivilprozess vor dem rheinischen Friedensgericht, 2000; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004; The law’s delay, hg. v. Van Rhee, C., 2004; Unger, D., Adolf Wach (1843-1926) und das liberale Zivilprozessrecht, 2005; European Traditions in Civil Procedure, hg. v. Van Rhee, C., 2005; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136; Zivilprozessreform in der Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2006; Adler, S., Das Verhältnis von Richter und Parteien, 2006; 1806 . 1976 – 2006 De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006; Ahrens, M., Prozessreform und einheitlicher Zivilprozess, 2007; Schlinker, S., Litis contestatio, 2008; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009

Zivilprozessordnung → Zivilprozess

Lit.: Köbler, DRG 183, 201, 262, 264; Hahn, C., Die gesammten Materialien zur CPO, 1880; Dahlmanns, G., Neudrucke zivilprozessualer Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, 1971; Protokolle der Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozessordnung für die deutschen Bundesstaaten, hg. v. Schubert, W., 1985; Schubert, W., Entstehung und Quellen der Civilprozessordnung von 1877, 1987; Entwurf und Motive einer Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat (von 1864), hg. v. Schubert, W., 1994; Langer, A., Männer um die österreichische Zivilprozess­ordnung 1895, 1995; Die Civilprozessordnung für das Königreich Württemberg von 1868, hg. v. Schubert, W., 1997; Prozessordnung in bürgerlichen Rechts­streitigkeiten für das Großherzogtum Baden von 1851 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; Entwürfe zu einer bürgerlichen Prozessordnung für das Königreich Sachsen von 1864 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; 100 Jahre österreichische Zivilprozessordnung, hg. v. Mayr, P., 1998; 100 Jahre ZPO, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; 100 Jahre österreichische Zivilprozessgesetze, hg. v. Mayr, P., 2000; Schöniger-Hekele, B., Die österreichische Zivilprozessreform 1895, 2000; Biebl, G., Bayerns Justizminister v. Fäustle und die deutschen Reichsjustizgesetze, 2003

Zivilrecht ist das Privatrecht oder in etwas engerem Sinn das bürgerliche Recht. Das Z. nimmt seinen sprachlichen Ausgangspunkt von (lat.) → ius (N.) civile, dem für die Römer geltenden Recht im Gegensatz zu (lat.) ius (N.) gentium. Sachlich ist es daneben zumindest aus heutiger Sicht vom öffentlichen Recht zu trennen. Im Mittelalter ist ziviles Recht vor allem das weltliche Recht im Gegensatz zum kirchlichen Recht, aber auch das besondere Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht. Mit dem Hervortreten der Bürger als bedeutsame politische Kraft im 18. Jh. wird das Z. vorrangig auf sie bezogen. Deswegen enthalten der Code civil, Zivilgesetzbuch oder Bürgerliches Gesetz­buch hauptsächlich das für den Bürger wichtige → Privatrecht.

Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Teil 1f. 1910ff., Neudruck 1968; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Peter, H., Vom Einfluss des deutschen Zivilrechts, FS K. Bader 1965, 321; Kiefner, H., Der Einfluss Kants, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N., Kodifikation und Reform des russischen Zivilrechts, Ius commune 3 (1970), 152; Die Entwicklung des Zivilrechts in Mitteleuropa, hg. v. Csizmadia, A. u. a., 1970; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Das neue Zivilrecht der DDR, hg. v. Westen, K., 1977; Fellner, C., Die Reform der bayerischen Zivilrechtspflege, Diss. jur. Kiel 1986; Zivilrechtslehrer deutscher Sprache, hg. v. Kim, H. u. a., 1988; Schröder, R., „... aber im Zivilrecht“, 1988; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach der Verkündung des BGB, hg. v. Willigmann, A. u. a., 1997; Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, hg. v. Hadding, W., 1999; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler, hg. v. Grundmann, S. u. a., Bd. 1 2007, Bd. 2 2009

Zivilsache ist das Verfahren in einer privatrechtlichen Angelegenheit im Wege des → Zivilprozesses.

Lit.: Daut, (Vorname unbekannt), Untersuchung über den Einfluss national­sozialistischer Anschauungen, Diss. jur. Göttingen 1965

Znaim ist der 1048 erstmals erwähnte, 1226 mit Stadtrecht begabte Ort an der mittleren Thaya, aus dem ein Stadtrechtsbuch von 1523 überliefert ist.

Lit.: Bornemann, H., Znaim, das Stadtrechtsbuch von 1523, 1992

Zölibat ist im katholischen Kirchenrecht die Ehelosigkeit des Geistlichen seit der Synode von Elvira (um 306). Seit 1139 sind alle Inhaber höherer Weihen zu einem ehelosen Leben verpflichtet.

Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Leinweber, W., Der Streit um das Zölibat im 19. Jahrhundert, 1978; Denzler, G., Die Geschichte des Zölibats, 1993; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Heid, S., Zölibat in der frühen Kirche, 1997; Flüchter, A., Der Zölibat zwischen Devianz und Norm, 2006

Zoll ist die meist an der Grenze eines Staates erhobene, bereits dem römischen Altertum bekannte → Steuer auf die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren. Das entsprechende Zollregal geht vom mittelalterlichen König meist auf die Landesherren über. Im 19. Jh. bemüht sich der Deutsche → Zollverein von 1834, im 20. Jh. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft im Interesse des Handels um Beseitigung von Zöllen innerhalb des Gebietes der zusammengeschlossenen Staaten (Zollunion).

Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 98, 113, 134, 198, 233; Böhmer, J., Das Zollwesen in Deutschland, 1832; Wetzel, E., Das Zollrecht des deutschen Königs, 1893; Haff, K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG GA 31 (1910), 424; Ashley, P., Modern tariff history, 1920; Clausnitzer, M., Deutsche Zollgeschichte, 1933; Grams, W., Der deutsche Zoll, 1954; Hassinger, H., Die Bedeutung des Zollregals, FS H. Aubin Bd. 1 1965, 151; Scholz-Babisch, M., Quellen zur Geschichte des klevischen Rhein­zollwesens vom 11. bis 18. Jahrhundert, 1971; Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1978ff.; Eichstaedt, A., Der Zöllner, Diss. jur. Frankfurt am Main 1981; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Adam, H., Das Zollwesen im fränkischen Reich, 1996; Badian, E., Zöllner und Sünder, 1997; Pfeiffer, F., Rheinische Transitzölle, 1997; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Linke, H., Das Zollkriminalamt, 2004

Zollverein ist der Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet. 1828 vereinbaren Bayern und Württemberg, Preußen und Hessen sowie mitteldeutsche Staaten je einen Z., zum 1. 1. 1834 die deutschen Staaten (unter gleichzeitigen Umgehung einer vorgesehenen Bundesre­ge­lung ohne das wegen des Widerstands Preußens erst 1865 nur die Meistbegünstigung erreichende Österreich) einen deutschen Z. Er ist eine wichtige Vorstufe zur Ausbildung des Deutschen Reiches von 1871 im Sinne der klein­deutschen Lösung), wobei die höheren Zollvereinsbeamtenfür die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft eintreten und dem politischen Liberalismus zuneigen.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 176; Hahn, H., Geschichte des deutschen Zollvereins, 1984; Wadle, E., Der Zollverein und die deutsche Rechtseinheit, ZRG GA 102 (1985), 99; Kreutzmann, M., Büro­kra­tische Funktionseliten und politische Integration im Deutschen Zollverein (1834-1871). HAT 288 (2009), 561

Zone ist ein Teil eines größeren Gebietes (z. B. Besatzungszone).

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.

Zöpfl, Heinrich (Bamberg 1807-Heidelberg 1877) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg 1839 außerordentlicher Professor und 1842 ordentlicher Professor in Heidelberg. Seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte ist ein Institutionenlehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts. Bedeutsam sind seine Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1841, 5. A. 1863.

Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2 1992, 92

Zubehör ist die bewegliche Sache, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, nach der Verkehrsanschauung dem wirtschaftlichen Zweck einer Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (z. B. Zugtiere auf Bauernhof). Wem das Ei­gentum am Z. zusteht, hängt nach römischem Recht von den Einzelumständen ab.

Lit.: Kaser § 18 II; Köbler, DRG 39; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zuchthaus ist das der zwangsweisen Er­ziehung von Erwachsenen dienende Gebäude. Die zwangsweise Erziehung (vor allem zu Arbeitsamkeit) in einem Z. wird seit der frühen Neuzeit wohl als Ergebnis religiöser Überlegungen als sinnvoll angesehen (Bridewell bei London 1555 house of correction, Amsterdam 1595, Bremen, Hamburg, Lübeck, Anfang 17. Jh., Breslau 1668, Wien 1671, Waldheim/Sachsen 1716, Graz 1724, Innsbruck 1725, Torgau 1730, Nürnberg 1769, Zwickau 1775). In solche wohl Klöstern und Spitälern nachgebildeten Häuser werden neben Armen (Bettlern), Alten, Geistesgestörten und Kindern auch Diebe und andere Straftäter aufgenommen. Versuche, die Häuser wirtschaftlich zu betreiben, scheitern. Außerdem erweisen sich die Häuser eher als Verschlechterungs­an­stalten, in denen es den Inhaftierten auch sehr schlecht geht. Später setzt sich Z. als Bezeichnung für eine Freiheitsstrafe durch, wird aber am 1. 4. 1969 wegen der mit dem Z. auch verbundenen schädlichen Folgen aufgegeben.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 1950; Schlue, H., Die Geschichte des Bonner Zuchthauses, Diss. jur. Bonn 1957; Nöldeke, W., Die Kölner Zuchthauspläne von 1609, ZRG GA 79 (1962), 288; Sothmann, M., Das Armen-, Arbeits-, Zucht- und Werkhaus in Nürnberg, 1970; Stekl, H., Österreichische Zucht- und Arbeitshäuser, 1978; Fumasoli, G., Ursprünge und Anfänge der Schellenwerke, 1981; Stier, B., Fürsorge und Disziplinierung im Zeitalter des Absolutismus, 1988; Eisenbach, U., Zuchthäuser, Armenanstalten und Waisenhäuser in Nassau, 1994; Viebig, M., Das Zuchthaus Halle/Saale, 1998; Elling-Ruhwinkel, E., Sichern und Strafen, 2005; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v. Ammerer, G., 2006

Züchtigungsrecht ist das Recht eines Menschen, einem anderen Menschen zum Zweck der Erziehung ein schmerzliches Übel zuzufügen. In frühen Zeiten steht vor allem dem Hausvater in weitem Umfang ein Z. zu. Das Z. des Ehemannes gegenüber der Ehefrau verschwindet im 19. Jh. (Preußen 28. 2. 1812, im kanonischen Recht mit der Ersetzung des Corpus iuris canonici durch den Codex iuris canonici 1917/1918), das Z. der Eltern gegenüber den Kindern ist noch durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nicht ausgeschlossen, tritt aber im 20. Jh. mehr und mehr zurück. Ein Z. gegenüber Gesinde endet in Preußen 1860, das Z. des Lehrers gegenüber Schülern in Deutschland durch Gesetz von 1951.

Lit.: Köbler, DRG 18; Kober, Die körperliche Züchtigung, Theolog. Quartalsschr. 57 (1875); Wiens, W., Das Züchtigungsrecht des Ehemannes, 1909; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1980; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994; Priester, J., Das Ende des Züchtigungsrechts, 2000; Behnke, J., Forschungen und Forschungsdesiderate zur körperlichen Züchtigung, 2002

Zufall ist das Ergebnis, für das keine Gesetz­mäßigkeit zu erkennen ist (z. B. Hagel). Der durch Z. eintretende Schaden fällt bereits im römischen Recht grundsätzlich dem zur Last, dem die Sache oder Leistung gebührt.

Lit.: Kaser §§ 36 III 5, 37 II 2b; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 44; Hentig, H. v., Sinnvoller Zufall, eine alte Rechtsanschauung, ZRG GA 80 (1963), 344; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zug am Zuger See ist der um 1200 von den Grafen von Kiburg gegründete, 1273 an König Rudolf I. von Habsburg gelangte Ort. 1352 wird Z. von den umgebenden Orten der Eidgenossenschaft der → Schweiz zum Eintritt in die Eidgenossenschaft gezwungen. 1814 erhält der kleinste Kanton der Schweiz eine Verfassung.

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwerzmann, J., Das Zuger Schuldbetreibungsrecht, 1962; Die Rechtsquellen des Kantons Zug, hg. v. Gruber, E., Bd. 1 1971; Quellen und Literatur der neueren euro­päischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten Zug, 2003

Zug auf den Gewähren → Gewährschaft

Zugabe

Lit.: Götting, H., Die neuere Entwicklung des Zugaberechts, 1986; Matz, J., Die Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005

Zugewinn ist die Vermehrung des Ver­mögens des Menschen in der Zeit.

Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland durch das deutsche Gleichbe­rechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 geschaf­fene, 2009 abgeänderte Regelgüterstand von Eheleuten. Er bedeutet Gütertrennung mit Zugewinn­ausgleich zwischen dem größreren Zugewinn und dem kleineren Zugewinn nach Auflösung der Ehe. Er kann vertraglich ausgeschlossen werden.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, 267; Offen, J., Von der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994; Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht der Ehegatten nach § 1368 BGB, 2009

Zugrecht → Näherrecht

Zunft ist der Zusammenschluss von Ge­werbetreibenden eines Gewerbes in der hoch­mittelalterlichen Stadt (Genossenschaft, z. B. Metzger, Bäc­ker, Fischer). Die von den Zunftmitgliedern geschaffene Zunftverfas­sung enthält viele Zwangselemente. Sie wird im 19. Jh. durch die Einführung der Gewerbefreiheit (Frankreich 1791, England 1814, Preußen 1807/1810/­1811/1845, Österreich 1859) seitens des Liberalis­mus beseitigt.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Hegi, F., Geschichte der Zunft zur Schmiden in Zürich, 1914; Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände des Mittelalters, 2. A. 1915; Akkerman, J., Het ontstaan der ambachtsgilden, 1919; Dieling, F., Zunftrecht, 1932; Lentze, H., Der Kaiser und die Zunftverfassung, 1933, Neudruck 1954; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Klapper, H., Das Zunftwesen der Stadt Guhrau, 1936; Siemsen, R., Germanengut im Zunftbrauch, 1942; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, Diss. jur. Saarbrücken 1957; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, 1957; Holland, W., Die schmalkaldischen Handwerkerzünfte, Diss. jur. Jena 1957; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftver­fassung und Reformation, 1958; Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968; Klinger, H., Das Weberamt in Preetz, 1971; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973; Göttmann, F., Die Frankfurter Bäckerzunft, 1975; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Obst, K., Der Wandel in den Bezeichnungen für gewerbliche Zusammenschlüsse, 1983; Peitsch, D., Zunftgesetzge­bung, 1985; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Henkel, M., Zunftmissbräuche, 1989; Decker, K., Bürger, Kurfürst und Regierung, 1990; Ebstein, S., Wage, Labor and Guilds, 1991; Das Ende der Zünfte, hg. v. Haupt, H., 2002; Oestmann, P., Zunftzwang und Handelsfreiheit im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 2004, 246; Kluge, A., Die Zünfte, 2007

Zurechnungsfähigkeit ist die Möglichkeit, einem Menschen unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten einen Unrechtserfolg zuzurechnen und allgemeiner die Fähigkeit, zusammen­gehörige Umstände einander überzeugend zuzu­ordnen. Die moderne Zurechnungslehre im Strafrecht beginnt mit Samuel Pufendorf (1632-1694). → Unzurech­nungsfähigkeit

Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lubbers, F., Die Geschichte der Zurechnungsfähigkeit, 1938; Larenz, K., Hegels Zurechnungslehre, 1927; Gschwend, L., Zur Geschichte der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit, 1996

Zürich am Zürichsee bzw. der Limmat erscheint im Altertum als römisches Turicum. 1218 ist es reichsunmittelbar. 1351 verbündet es sich mit den Eidgenossen der → Schweiz. Ab 1383 ist es für wenige Jahre Sitz eines kaiserlichen Hofgerichts. 1833 erhält es eine Universität. Von 1853 bis 1855 schafft Johann Kaspar Bluntschli ein Privat­rechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich in fünf Büchern (Personen­recht, Sachenrecht, Obligationen­recht, Fami­lienrecht und Erb­recht).

Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,466, 3,2,1939; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. einer Kommission der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 1ff. 1889ff.; Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Huber, M., Das Staatsrecht der Republik Zürich vor dem Jahre 1798, 1904; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Hoppeler, R., Die Rechtsquellen des Kantons Zürich, Teil 1, Bd. 1ff., 1910ff.; Glitsch, H., Zum Strafrecht des Zürcher Richtebriefs, ZRG GA 38 (1917), 203; Rippmann, F., Die Landeshoheit der Stadt Zürich über Stadt und Kloster Stein, Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 37 (1917); Nabholz, H. u. a., Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft Zürich, Bd. 1f. 1918ff.; Largiadèr, A., Untersuchungen zur zürcherischen Landeshoheit, 1920; Schultheß, H., Politische, soziale und wirtschaftliche Miszellen aus dem alten Zürich, 1921; Schoch, F., Das letzte Kloster im Kanton Zürich, 1921; Vetter, F., Der Übergang der Stadt Stein am Rhein an Zürich, 1923; Eichholzer, E., Zur Geschichte und Rechtsstellung des zürcherischen Untervogtes, ZRG GA 44 (1924), 197; Guggenbühl, P., Die Entstehung des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Zürich 1924; Schnyder, W., Die Bevölkerung der Stadt und Landschaft Zürich, 1925; Schultheß, H., Die politische Bedeutung der Zünfte, 1926; Bauhofer, A., Entstehung und Bedeutung des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches von 1853-1855, Z. f. schw. R. n F. 46 (1927), 1; Huber, W., Das gesetzliche Erbrecht des Kantons Zürich, 1929; Wege, E., Die Zünfte als Träger wirtschaftlicher Kollektivmaßnahmen, 1930; Weisz, L., Aus dem Leben des Bürgermeisters Salomon Hirzel 1580-1652, 1930; Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1930; Largiadèr, A., Die Anfänge der zürcherischen Landschaftsverwaltung, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 12 (1932): Fritzsche, H., Begründung und Ausbau der neuzeitlichen Rechtspflege des Kantons Zürich, 1931; Largiadèr, A., Hundert Jahre antiquarische Gesellschaft in Zürich, 1932; Schmid, A., Winterthur unter zürcherischer Landeshoheit, 1934; Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte, bearb. v. Schnyder, W., 1934ff.; Weisz, L., Die zürcherische Exportindustrie, 1936; Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1935; Usteri, P., Gerichtsorganisation und Zivilprozess im Kanton Zürich während der Helvetik, 1935; Largiadèr, A., Bürgermeister Rudolf Brun und die Zürcher Revolution von 1336, 1936; Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, hg. v. Schnyder, W., 1936; Largiadèr, A., Die Entwicklung des Zürcher Siegels, ZRG GA 58 (1938), 367; Schwarz, A., Das römische Recht an der Universität Zürich, 1938; Geilinger, E., Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1938; Schwarz, D., Münz- und Geldgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1940; Ruoff, W., Die Zürcher Räte als Strafgericht, 1941; Herzog, H., Beiträge zur Geschichte des ehelichen Güterrechts der Stadt Zürich, 1942; Zimmermann, D., Das persönliche Eherecht des zürcherischen Matrimonial­gesetzes von 1804, 1942; Guyer, P., Verfassungsgeschichte der Stadt Zürich, 1943; Largiadèr, A., Zürichs Bund mit den Waldstätten, 1953; Schoop, R., Rechtsstellung, politische und wirtschaftliche Bedeutung der Zürcher Zünfte, Diss. jur. Zürich 1958; Usteri, E., Die Schildner zum Schneggen, 1960; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Zürcher, M., Die Behandlung jugendlicher Delinquenten, 1960; Steiger, E., Geschichte der Frauenarbeit in Zürich, 1964; Züsli-Niscosi, F., Beiträge zur Geschichte der Polizeiorganisation der Republik Zürich, 1967; Plattner, A., Die Herrschaft Weinfelden, 1969; Kramer, S., Hans Caspar Hirzel, 1974; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Richner, F., David von Wyss (1763-1839), 1988; Burghartz, S., Leib, Ehre und Gut, 1990; Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Landert-Scheuber, M., Das politische Institut in Zürich 1807-1833, 1992; Gabathuler, M., Die Kanoniker, 1998; Malamud, S./Sutter, P., Die Betreibungs- und Eingewinnungsver­fahren der Stadt Zürich, ZRG GA 116 (1999), 87; Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001; Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte, hg. v. Staatsarchiv des Kantons Zürich, 2000; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003; Müller, M., Gesellschaftlicher Wandel und Rechtsordnung, 2005; Repertorium der Policeyord­nungen 7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Casanova, C., Nacht-Leben, 2007; Senn, M., Das mittelalterliche Zürich, 2007; Jäger, C., Die Gutachtertätigkeit der Juristenfakultät Zürich, 2008

Zurückbehaltungsrecht (lat. [F.] retentio) ist das bereits dem römischen Recht bekannte Recht im Austauschvertrag, die Leistung so lange zurückzuhalten, bis die Gegenleistung angeboten wird.

Lit.: Kaser § 38 IV; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zusicherung

Lit.: Böckler, R., Die Entwicklung der Zusicherung in der Rechtsprechung, 1987

Zuständigkeit ist die Berechtigung und Verpflichtung der Wahrnehmung einer Aufgabe. In einer Rechtsordnung muss die jeweilige Z. festgelegt werden. Dies muss umso genauer geschehen, je komplexer die betreffende Gesellschaft gestaltet ist.

Lit.: Kaser § 82 II 3b, c; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung, 1965; Hafke, H., Zustän­digkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Weitzel, J., Die Zuständigkeit des Reichskammer­gerichtes, ZRG GA 90 (1973), 213; Fricke, M., Die autonome Anerkenn­ungszuständigkeitsregel im deutschen Recht des 19. Jahrhunderts, 1993

Zustellung ist der in bestimmter, gesetzlich vorgeschriebener Form vorzunehmende und zu beurkundende Vorgang der Verschaffung der Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstückes. 1877/1879 übernimmt die amtliche Z. der Klage die meisten Wirkungen der aufgegebenen Streitbefestigung (lat. → litis contestatio [F.]).

Lit.: Köbler, DRG 202

Zutphen

Lit.: Vries, W. de, De opkomst van Zutphen, 1960

Zwang (lat. [F.] vis) ist die Einwirkung mit Gewalt auf einen Menschen oder eine Sache. Jedes auf Z. beruhende Verhalten verletzt bereits im römischen Recht ohne weiteres die gute Treue. Der Prätor (um 71 v. Chr.) und später das unter Kaiser Hadrian entstandene Edikt gewähren bei einem in Furcht (lat. metus) geschlossenen Rechtsgeschäft die Wiederherstellung in den früheren Zustand (lat. restitutio [F.] in integrum).

Lit.: Kaser §§ 8 IV, 33 IV, 51 V 1; Köbler, DRG 42, 43; Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1913; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Hartkamp, A., Der Zwang im römischen Privatrecht, 1971; Kranig, A., Lockung und Zwang, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.

Zwangsarbeit ist die unter äußerem Zwang geleistete Arbeit (z. B. im Dritten Reich).

Lit.: Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung - Das Wirtschaftsimperium der SS, 2001; Hammermann, G., Zwangsarbeit für den Verbündeten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002; Freund, F. u. a., Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939-1945, 2004; Rawe, K., … wir werden sie schon zur Arbeit bringen, 2005; Urban, T., Zwangsarbeit im Tagebau, 2006; Levin, A., Erinnerung? Verantwortung? Zukunft?, 2007; Hitlers Sklaven, hg. v. Plato, A. v. 2008; Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, hg. v. Kramer, H. u. a., 2008

Zwangsversteigerung ist die in Deutschland 1897 in einem besonderen Gesetz geregelte Versteigerung eines → Grundstücks im Wege der → Zwangsvollstreckung.

Lit.: Köbler, DRG 184

Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung eines dem Gläubiger gegen den Schuldner im Vollstreckungstitel (z. B. → Urteil) verbrief­ten Anspruches. Sie steht meist am Ende eines Zivilprozesses. Im Deutschen Reich wird die Personalexekution durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die Realexekution ersetzt. Ihr Ablauf wird im Deutschen Reich 1877/1879 in der Zivilprozessordnung ausführlich geregelt. → Vollstreckung.

Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 184, 240; Schönke, A., Zwangsvollstreckungsrecht, 1940; Staehelin, A., Zwangsvollstreckung in älteren Schweizer Stadt­rechten, ZRG GA 93 (1976), 184; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht 4, 1983; Schubert, W., Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 350; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004; Ausschüsse für Vergleichs- und Kon­kursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008

Zweck (M.) Sinn, Ziel

Zweckverband

Lit.: Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgässner, B., 1994

Zweibrücken

Lit.: Pöhlmann, C., Regesten der Grafen von Zweibrücken, bearb. v. Doll, A., 1962; 150 Jahre pfälzisches Oberlandesgericht, hg. v. Reinheimer, W., 1965; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969

Zweigewaltenlehre ist die von Papst Gelasius I. (1. 3. 492–19. 11. 496) an Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung entwickelte Lehre von zwei gleichberechtigten Gewalten. → Zweischwerterlehre

Zweikammersystem ist das durch die Teilung des Parlaments in zwei Kammern ge­kennzeichnete politische System (z. B. Österreich seit 1848). Ursprüng­lich ent­sprechen die beiden Kam­mern z. B. in England (seit dem 14. Jh.) verschiedenen Ständen (Adel im Oberhaus, Nichtadlige im Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch föderalistische Interessen sichern (z. B. Bundestag Deutsch­lands, Bundesrat Öster­reichs, Senat der Vereinigten Staaten von A­me­rika). In Österreich war 1861 das Herrenhaus die Vertretung der höheren Stände, das Abgeordnetenhaus die Vertretung der Länder.

Lit.: Kroeschell, DRG 3

Zweikampf ist der verabredete Kampf zweier Menschen mit Waffen. Er wird im Mittelalter verschiedentlich zur Entscheidung eines Streites (z. B. über das Eintrittsrecht von Enkeln) auch im Gericht verwendet. Seit dem Hochmittelalter tritt er hinter dem Urteil zurück. Sein später Ausläufer ist (vom 16. Jh.) bis zum 19. Jh. das → Duell.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Coulin, A., Der gerichtliche Zweikampf im altfranzösischen Prozess, 1906; Coulin A., Verfassung des offiziellen und Entstehung des privaten Zweikampfes in Frankreich, 1909; Fehr, H., Zur Geschichte des Zweikampfes, ZRG GA 34 (1913), 422; Bruun, H., Om Tvekampens Stilling i oldgermansk Rettergang, 1930; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932; Wierschin, M., Meister Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens, 1965; Hils, H., Der da sigelos wirt dem sleht man die hant ab, ZRG GA 102 (1985), 328; Baumgarten, R., Zweikampf §§ 201-210 a. F. StGB, 2002

Zweiplusvierverhandlungen sind die Ver­handlungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs mit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokra­tischen Republik über den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1990. Sie enden mit dem Zweiplusviervertrag.

Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 247; Müller, R., Der „2+4“-Vertrag, 1997

Zweischwerterlehre (Zweigewaltenlehre) ist (12./13. Jh.) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas 22,38 (Herr [Jesu Christ], siehe, hier sind zwei Schwerter [zur Verteidigung]) anknüpfende Lehre von zwei Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen irdischer Herrschaftsgewalt gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B. Sachsen­spiegel 1221-1224) stehen das geistliche Schwert des Papstes und das weltliche Schwert des Königs gleichberechtigt neben­einander. Nach kurialistischer Ansicht (11. Jh., z. B. Bernhard von Clairvaux, Gregor IX., Innozenz IV., Bonifaz VIII., Schwabenspiegel um 1275, str.) gibt Gott dem Papst zwei Schwerter, von denen der Papst eines dem Kaiser weitergibt. → Zweigewaltenlehre des Papstes

Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109

zweiseitg (Adj.) zwei Seiten betreffend (z. B. Rechtsgeschäft)

Zweiter Weltkrieg ist der am 1. 9. 1939 auf Grund der Ansprüche Adolf Hitlers auf mehr Lebensraum für die Deutschen entstehende Krieg Deutschlands, Italiens und Japans gegen die Alliierten (Sowjetunion, Groß­britannien, Frankreich). Das Deutsche Reich greift nach einem Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion Polen, Dänemark, Norwegen, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg an, 1941 Jugoslawien, Griechen­land, Bulgarien, Norafrika und die Sowjet­union. Japan greift am 7. 12. 1941 die Vereinigten Staaten von Amerika in Pearl Harbour an, worauf die Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg eintreten. Danach kommt der deutsche Vormarsch zum Stillstand (Stalingrad). In Italien wird 1943 Benito Mussolini gestürzt, worauf Italien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt. Im Luft­krieg werden die deutsche Industrie und die deutsche Infrastruktur schwer beschädigt. 1944 landen Truppen der Alliierten in Frankreich. Am 8. 5. 1945 kapituliert das Deutsche Reich. Japan kapituliert nach dem Abwurf zweier Atombomben auf Nagasaki und Hiroshiuma durch die Vereinigten Staaten von Amerika am 2. 9. 1945. Insgesamt verursacht der zweite Weltkrieg den Tod von schätzungsweise 55-60 Millionen Menschen, da­run­ter 5,3 Millionen Soldaten des Deutschen Reiches und 6 Millionen Juden.

Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Das deutsche Reich und der zweite Weltkrieg Bd. 1ff. 1979; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 9. A. 1999; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E. u. a., 1985

Zweizüngiges Urteil ist das mittelalterliche Urteil, das den Ausgang des Verfahrens sowohl für den Fall des Gelingens des einem der Beteiligten aufgegebenen Beweises wie auch für den Fall des Misslingens festlegt. Der Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der Ausgang der Beweisführung entscheidet darüber, welche der beiden um Urteil enthaltenen Möglichkeiten sich verwirklicht.

Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70

Zwickau

Lit.: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Die Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69, hg. v. Berthold, H. u. a., 1935; Schultze, A., Zur Zwickauer Stadtrechtsreformation, ZRG GA 58 (1938), 709; Zwickauer Rechtsbuch, hg. v. Ullrich, G., 1941, Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1941 (masch.schr.); Das älteste Zwickauer Stadtbuch (1375-1481) und seine Sprache, hg. v. Protze, H., 2008

Zwing

Lit.: Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289

Zwingli

Lit.: Köhler, W., Das Buch der Reformation Huldrych Zwinglis, 1926; Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und kirchlicher Zehnterhebung bei Huldrich Zwingli, 1996

Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.] legum bzw. lex [F.] duodecimarum legum) ist das am Beginn der römischen Gesetz­gebungsgeschichte (auf zwölf Tafeln) stehende, wohl für den Ausgleich zwischen patriziern und Plebejern bestimmte Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in Bruchstücken in Gesetzesform hauptsächlich durch Varro, Cicero, Gellius und Festus überliefert und danach von der neuzeitlichen Wissenschaft (in etwa 120 teil­weise fragmentarischen Sätzen mit weniger als 500 lateinischen Wörtern) wiederherge­stellt (rekonstruiert). Nach den Vorbildern → Lykurgs (Sparta 8. Jh. v. Chr.), → Drakons und → Solons (Athen 621, 594) (oder süditalienischer griechischer Tochterorte) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die eine Zehnmänner­kommission (lat. [M.Pl.] decemviri) zur Annahme als Gesetz (lat. [F.] → lex) vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für alle erkennbar fest. Es wird in Bronze(, Holz oder Elfenbein) auf dem Forum (Markt) Roms aufgestellt. Seine Auslegung (lat. [F.] interpretatio) betreibt die Priesterschaft als eine Geheimwissenschaft, aus der sich später die → Jurisprudenz (Rechtsklugheit) entwickelt. Vielleicht werden die Taflen von Kelten um 390 v. Chr. zerstört. Das Z. wird niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch unvollkommenen Rekonstruk­tionsversuch veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius).

Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Wald­stein; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII-Tafeln, (in) Studi in onore di E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994, 109; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Flach, D., 2004; Flach, A., Fortgeltung des Zwölftafelrechts, 2004

Zypern ist die drittgrößte, im Nordosten gelegene Insel des Mittelmeeres. Sie wird im ausgehenden 2. Jt. v. Chr. von Griechen be­siedelt und 58 v. Chr. von den Römern ero­bert. Zwischen 688 und 965 steht es unter ge­meinsamer Herrschaft Ostroms (→ Byzanz) und der → Araber. Über Venedig (1489) gelangt es an die Türken (1573) bzw. Osmanen. 1878 übernimmt Großbritannien die Verwal­tung und annektiert 1923 Z. 1959 wird Z. unabhängig. 1974 besetzt die Türkei 40% des Gebietes im Norden und Nordosten (1985 Türkische Republik Nordzypern). Das Recht Zyperns ist dementsprechend nacheinander griechisch, römisch, arabisch, türkisch und westlich geprägt. 2004 tritt Zypern (in seinem griechischen Teil) der Europäischen Union bei.

Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C., Cyprus, 1984; Shermann, A., Zypern. Insel des Leids, 1998; Südosteuropahandbuch, Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998; Anstötz, S., Perspektiven zur staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003; Cyprus, hg. v. Nicolaou-Konari, A. u. a., 2005; Tezcan, T., Der Zypernkonflikt vor dem Europäischen Menschen­rechtsgerichtshof, 2006; Stöwsand, H., Zyperns Beitritt zur Europäischen Union, 2007